Kinderfilm in Europa: Darstellung der Geschichte, Struktur und Funktion des Spielfilmschaffens für Kinder in der Bundesrepublik Deutschland, CSSR, Deutschen Demokratischen Republik und Großbritannien 1945–1965 [Reprint 2014 ed.] 9783111505862, 9783111138961


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German Pages 475 [476] Year 1969

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Table of contents :
Vorwort
Einführung
I. Entwicklung der westdeutschen Filmproduktion
1. Wiederaufbau der Filmwirtschaft in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands
2. Filmwirtschaftliche Probleme
2.1. Spielfilmproduktion
2.2. Filmverleih und Filmangebot
2.3. Staatliche Filmförderungsmassnahmen
II. Entstehung und Entwicklung der Märchenfilmproduktion
1. Entstehung der deutschen Märchenfilmproduktion
1.1. Märchenfilm in den dreissiger Jahren
2. Märchenfilmproduktion nach 1945
3. Höhepunkt und Ende der Märchenfilmproduktion
4. Filmfreigabe und Jugendschutz
5. Wirtschaftliche Probleme der Märchenfilmproduktion
6. Hilfe für den Kinderfilm
6.1. Pläne, Tagungen und Resolutionen (1956 - 1963)
6.2. Deutscher Kinderfilmpreis
III. Thematische Gliederung und Analyse
1. Märchen und märchenähnliche Stoffe
2. Zusammenfassung und Kritik am Märchenfilm
2.1. Das Märchen
2.2. Der Märchenfilm
I. Entwicklung des tschechoslowakischen Nachkriegsfilms
1. Verstaatlichung der Filmindustrie
2. Beginn der stalinistischen Ära
3. Tauwetter und Entstalinisierung
4. Verschärfung des kulturpolitischen Kurses
5. Die junge Generation setzt sich durch
II. Entwicklung des tschechoslowakischen Kinderfilms
1. Vom Trickfilm zum realistischen Kinderfilm
2. Die Anfänge des realistischen Kinderfilms
3. Ausweitung der Kinderfilmproduktion
4. Bildung einer Kinderfilm-Produktionsgruppe und Spezialisierung eines Studios
5. Struktur der tschechoslowakischen Filmindustrie
6. Wirtschaftliche Fragen der Kinderfilmproduktion
7. Filmbesuch und Kinderveranstaltungen
8. Ausblick
Anhang
III. Thematische Gliederung und Analyse
1. Märchenfilme - verfilmte Volksmärchen und moderne Märchen
2. Alltägliche Erlebnisse und Ereignisse
3. Abenteuerliche und abenteuerlich-phantastische Stoffe
4. Abenteuerliche Stoffe mit kriminalistischer Tendenz
5. Zusammenfassung
I. Entwicklung der DEFA
1. Wiederaufbau nach dem Zusammenbruch
2. Deutsche Film-AG
3. DEFA auf neuen Wegen
4. Konferenz der Filmschaffenden (1952)
5. Bildung volkseigener Filmproduktionsbetriebe
6. Hauptverwaltung Film
7. Kritik an der Hauptverwaltung Film
8. Die Filmkonferenz von 1958
II. Entwicklung der DEFA-Kinderfilmproduktion
1. Anfänge der Kinderfilmproduktion
2. Ausweitung der Filmproduktion für Kinder
3. Kritik an der Kinderfilmproduktion
4. Arbeitsberatung über Probleme des Kinderfilms (1959)
5. Kinderfilm als Experimentierfeld?
6. Das grosse Vorbild: sowjetischer Kinderfilm
7. Organisation des Verleihs und Abspielbasis (Filmtheater)
8. Der Kinderfilm in den sechziger Jahren
III. Thematische Gliederung und Analyse der Kinderfilme
1. Märchenfilm, verfilmte und moderne Märchen
2. Alltag und neue Gesellschaft
3. Geschichte der Arbeiterklasse
4. Abenteuerliche Stoffe mit kriminalistisch-politischer Tendenz
5. Abenteuerliche oder abenteuerlich-phantastische Stoffe
6. Zusammenfassung und Ausblick
I. Entwicklung der britischen Filmproduktion
II. Entwicklung der britischen Kinderfilmproduktion
1. Anfänge der Kinderfilmproduktion (1944-1950)
2. Die ersten Kinderfilme
3. Ausdehnung und Konsolidierung der Produktion
4. Kritik und internationale Erfolge
5. Publikum und Publikumsreaktionen
6. Ende der Rank-Ära
7. Ein neuer Anfang: Children’s Film Foundation
7.1. Aufgaben und Arbeitsweise von C.F.F
7.2. Finanzierung der Produktion
8. Kinder-Kino-Clubs (Children’s Cinema Clubs)
A. Odeon National Cinema Clubs und Gaumont British Junior Cinema Clubs
B. A.B.C. Minor’s Matinees
C. Granadier Clubs
9. Filmzensur (Jugendfreigabe von Filmen)
10. Filmförderung in Grossbritannien
III. Thematische Gliederung und Analyse der britischen Kinderfilme
1.1. Darsteller in Kinderfilmen
1.2. Thematik und Tendenz
1.3. Dramaturgischer Aufbau
2. Märchenfilme, verfilmte und moderne Märchen
3. Kinder, Abenteuer und Verbrecher
4. Abenteuerliche und abenteuerlich-phantastische Stoffe oder Erlebnisse
5. Alltägliche Erlebnisse und Ereignisse
6. Zusammenfassung
Statistische Übersicht über die internationale Kinderfilmproduktion
Statistische Übersicht über Stoffwahl und Formung der Stoffe
Bundesrepublik Deutschland
Tschechoslowakei
Deutsche Demokratische Republik
Grossbritannien
Verzeichnis der Filme Bundesrepublik Deutschland
Verzeichnis der Filme ÖSSR
Verzeichnis der Filme DDR
Verzeichnis der Filme Grossbritannien
Filmtitelverzeichnis
Literaturverzeichnis
Nachwort des Verfassers
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Kinderfilm in Europa: Darstellung der Geschichte, Struktur und Funktion des Spielfilmschaffens für Kinder in der Bundesrepublik Deutschland, CSSR, Deutschen Demokratischen Republik und Großbritannien 1945–1965 [Reprint 2014 ed.]
 9783111505862, 9783111138961

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Steffen Wolf Kinderfilm in Europa Darstellung der Geschichte, Struktur und Funktion des Spielfilmschaffens für Kinder in der Bundesrepublik Deutschland, V

CSSR, Deutschen Demokratischen Republik und Großbritannien 1945 — 1965 Mit einem Vorwort von Professor Dr. Alfons Silbennann

ΕΖΞ1969

Verlag Dokumentation München-Pullach und Berlin

Gesamtherstellung Julius Beltz oHG, Weinheim Copyright 1969 by Verlag Dokumentation, Saur KG, München-Pullach und Berlin Verlags-Nr. 03280

Vorwort

Seit ihrem Bestehen hat sich die soziologische und sozialpsychologische Filmforschung vordringlich den Problemen der Wirkungen des Films auf Kinder und Jugendliche zugewandt. Mit Hilfe aller möglichen Methoden, von der direkten Befragung bis zu Versuchen in Laboratorien, hat man die Auswirkungen dieses Mediums auf physische, emotionale, kognitive und behavioristische Faktoren in der Persönlichkeitsstruktur des Kindes untersucht. Was sich da alles so erwiesen hat, ist inzwischen in zahlreichen Büchern und Schriften veröffentlicht worden und dient einer Vielfalt von Wissenschaftszweigen zur Orientierung ihrer theoretischen Erwägungen. Weniger deutlich jedoch manifestieren sich die Folgen der besagten Forschungsergebnisse in der Praxis. Das Wissen über die Beziehungen des Kindes zum Film findet seine Anwendung in erster Linie auf der Seite der Beschränkungen, der Warnungen und der Verbote: mehr bekümmert man sich um den Film, wenn er bereits zur Projektion fix und fertig vorliegt, als wenn er sich erst in der Produktion befindet. Diese Regelmäßigkeit mag ihre Berechtigung haben, insoweit es die Filmproduktion für Erwachsene betrifft. K o m m t es aber zum Kinderfilm, sei es, daß er im Kino oder auf dem Bildschirm des Fernsehens vorgeführt wird, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß ihre Hersteller keinerlei Notiz nehmen von den pädagogischen, psychologischen und soziologischen Erkenntnissen, für die die diesbezüglichen Forschungen geradezu eine Fundgrube sind. Grundsätzlich werden "Einmengungen" von solchen, die das Metier nicht als Vollblut-Cine'asten beherrschen, von der Hand gewiesen. Als Ergebnisse eines'solchen unverantwortlichen, fast wäre ich geneigt zu sagen, monopolistischen Gebarens stehen dann vor uns nicht nur Kinderfilme, deren Inhalte mehr als ungeeignet sind, sondern als Folge hiervon zudem noch eine sich rückgängig entwickelnde Industrie-und Kultursparte, die selbst mit Subventionen nur noch mühevoll am Leben zu erhalten ist. Nun geht es der vorliegenden Studie nicht etwa darum, Anweisungen zu geben für die inhaltliche Gestaltung von Kinderfilmen, obwohl eine durchdringende Analyse einzelner Filme vorgelegt wird. Eher geht es dem Verfasser darum, anhand einer vergleichenden Darstellung der Kinderfilmproduktion in vier Ländern die Gleichmäßigkeiten und Unterschiede aufzuzeigen, mit denen ein spezifischer Bewußtseinsgrad des Kindes, nämlich die

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sich formierende Realität im Film abgehandelt und somit beeinflußt wird. Ein solcher Vergleich ist äußerst aufschlußreich. Zeigt er doch nicht nur die Bedeutung, die diesem Entwicklungsfaktor in den einzelnen Ländern zugemessen wird, sondern auch die Art und Weise, mit der autoritäre Regime die ihnen zugrunde liegenden Ideologien bereits sehr früh in das junge Hirn zu projizieren vermögen. Wenn die Studie im Verzuge der Vergleiche das strecken weise Versagen der bundesrepublikanischen Kinderfilmproduktion aufzeigt und begründet, so sollte man hieraus die Konsequenz ziehen, daß auch das demokratische Denken einer realitätsbezogenen Hilfestellung bedarf, die der Kinderfilm durchaus zu leisten in der Lage ist. Dies von Seiten der Verantwortlichen zu übersehen oder zu ignorieren, bedeutet mehr als nur eine Nachlässigkeit.

Universität zu Köln im März 1969

Prof. Dr. Alphons Silbermann

Inhaltsverzeichnis Vorwort Einführung Bundesrepublik Deutschland I. Entwicklung der westdeutschen Filmproduktion 1. Wiederaufbau der Filmwirtschaft in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands 2. Filmwirtschaftliche Probleme 2.1. Spielfilmproduktion 2.2. Filmverleih und Filmangebot 2.3. Staatliche Filmförderungsmassnahmen II. Entstehung und Entwicklung der Märchenfilmproduktion 1. Entstehung der deutschen Märchenfilmproduktion 1.1. Märchenfilm in den dreissiger Jahren 2. Märchenfilmproduktion nach 1945 3. Höhepunkt und Ende der Märchenfilmproduktion 4. Filmfreigabe und Jugendschutz 5. Wirtschaftliche Probleme der Märchenfilmproduktion 6. Hilfe für den Kinderfilm 6.1. Pläne, Tagungen und Resolutionen (1956 - 1963) 6.2. Deutscher Kinderfilmpreis III. Thematische Gliederung und Analyse 1. Märchen und märchenähnliche Stoffe 2. Zusammenfassung und Kritik am Märchenfilm 2.1. Das Märchen 2.2. Der Märchenfilm

5 11 23 23 28 28 31 36 43 43 44 45 48 50 52 58 58 60 62 62 70 72 72

6SSR I.

Entwicklung des tschechoslowakischen Nachkriegsfilms 1. Verstaatlichung der Filmindustrie 2. Beginn der stalinistischen Ära 3. Tauwetter und Entstalinisierung 4. Verschärfung des kulturpolitischen Kurses 5. Die junge Generation setzt sich durch II. Entwicklung des tschechoslowakischen Kinderfilms 1. Vom Trickfilm zum realistischen Kinderfilm 2. Die Anfänge des realistischen Kinderfilms 3. Ausweitung der Kinderfilmproduktion 4. Bildung einer Kinderfilm-Produktionsgruppe und Spezialisierung eines Studios 5. Struktur der tschechoslowakischen Filmindustrie 6. Wirtschaftliche Fragen der Kinderfilmproduktion 7. Filmbesuch und Kinderveranstaltungen

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8. Ausblick Anhang III. Thematische Gliederung und Analyse 1. Märchenfilme - verfilmte Volksmärchen und moderne Märchen 2. Alltägliche Erlebnisse und Ereignisse 3. Abenteuerliche und abenteuerlich-phantastische Stoffe 4. Abenteuerliche Stoffe mit kriminalistischer Tendenz 5. Zusammenfassung

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Deutsche Demokratische Republik I. Entwicklung der D E F A 1. Wiederaufbau nach dem Zusammenbruch 2. Deutsche Film-AG 3. D E F A auf neuen Wegen 4. Konferenz der Filmschaffenden (1952) 5. Bildung volkseigener Filmproduktionsbetriebe 6. Hauptverwaltung Film 7. Kritik an der Hauptverwaltung Film 8. Die Filmkonferenz von 1958 II. Entwicklung der DEFA-Kinderfilmproduktion 1. Anfänge der Kinderfilmproduktion 2. Ausweitung der Filmproduktion für Kinder 3. Kritik an der Kinderfilmproduktion 4. Arbeitsberatung über Probleme des Kinderfilms (1959) 5. Kinderfilm als Experimentierfeld? 6. Das grosse Vorbild: sowjetischer Kinderfilm 7. Organisation des Verleihs und Abspielbasis (Filmtheater) . . . . 8. Der Kinderfilm in den sechziger Jahren III. Thematische Gliederung und Analyse der Kinderfilme 1. Märchenfilm, verfilmte und moderne Märchen 2. Alltag und neue Gesellschaft 3. Geschichte der Arbeiterklasse 4. Abenteuerliche Stoffe mit kriminalistisch-politischer Tendenz . 5. Abenteuerliche oder abenteuerlich-phantastische Stoffe 6. Zusammenfassung und Ausblick

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Grossbritannien I. Entwicklung der britischen Filmproduktion II. Entwicklung der britischen Kinderfilmproduktion 1. Anfänge der Kinderfilmproduktion (1944-1950) 2. Die ersten Kinderfilme 3. Ausdehnung und Konsolidierung der Produktion 4. Kritik und internationale Erfolge 5. Publikum und Publikumsreaktionen 6. Ende der Rank-Ära 7. Ein neuer Anfang: Children's Film Foundation

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7.1. Aufgaben und Arbeitsweise von C.F.F 222 7.2. Finanzierung der Produktion 224 8. Kinder-Kino-Clubs (Children's Cinema Clubs) 226 A. Odeon National Cinema Clubs und Gaumont British Junior Cinema Clubs 229 B. A.B.C. Minor's Matinees 229 C. Granadier Clubs 235 9. Filmzensur (Jugendfreigabe von Filmen) 236 10. Filmförderung in Grossbritannien 240 III. Thematische Gliederung und Analyse der britischen Kinderfilme . 243 1.1. Darsteller in Kinderfilmen 244 1.2. Thematik und Tendenz 246 1.3. Dramaturgischer Aufbau 248 2. Märchenfilme, verfilmte und moderne Märchen 250 3. Kinder, Abenteuer und Verbrecher 251 4. Abenteuerliche und abenteuerlich-phantastische Stoffe oder Erlebnisse 255 5. Alltägliche Erlebnisse und Ereignisse 257 6. Zusammenfassung 259 Statistische Übersicht über die internationale Kinderfilmproduktion. . 264 Statistische Übersicht über Stoffwahl und Formung der Stoffe 288 Bundesrepublik Deutschland 290 Tschechoslowakei 294 Deutsche Demokratische Republik 299 Grossbritannien 304 Verzeichnis der Filme Bundesrepublik Deutschland 309 Verzeichnis der Filme ÖSSR 324 Verzeichnis der Filme DDR 379 Verzeichnis der Filme Grossbritannien 418 Filmtitelverzeichnis 465 Literaturverzeichnis 470 Nachwort des Verfassers 474

Zur Einführung

Über den Film als modernes Massenkommunikationsmittel sind bereits eine Vielzahl von Untersuchungen angestellt worden. Die meisten dieser Untersuchungen befassen sich mit Wirkungsfragen und pädagogischen Problemen, die sich aus dem Filmkonsum und den Konsumgewohnheiten der Heranwachsenden ergeben. Der Wert derartiger Untersuchungen, soweit sie wissenschaftlich fundiert sind und sich nicht in moralisch-ethischen und weltanschaulich motivierten Spekulationen ergehen, kann und soll nicht bestritten werden. Gleichzeitig muß aber darauf hingewiesen werden, daß die Analyse der Wirkungen des Films bzw. einzelner Filme auf Kinder und Jugendliche nur einen Teilaspekt des Phänomens "Kind und Kino" darstellt und daß dieser Teilaspekt wissenschaftlich nur sehr schwer erfaßbar ist, weil es bisher aus organisatorischen und finanziellen Gründen unmöglich war, ein repräsentatives Sample von Kindern über einen Zeitraum von mehreren Jahren hin ständig zu beobachten. Dies aber wäre einerseits die Voraussetzung dafür, um spontane Reaktionen und Äußerungen zu relativieren und der notwendigerweise mehr oder weniger subjektiven Interpretation durch den Untersuchenden zu entziehen und unter Umständen auch Beweise für den nachhaltig wirksamen Einfluß des Films auf den Geschmack, das Konsumverhalten, die Bildung und die physisch-psychische Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu erhalten. Die vorliegende empirische Untersuchung klammert bewußt alle Wirkungsfragen aus. Sie beschränkt sich darauf, die Entwicklung, Struktur und Funktion der Kinderfilmproduktion in vier für die Gesamtsituation des Kinderfilms als repräsentativ angesehenen Ländern darzustellen und gleichzeitig im Sinne einer Inhaltsanalyse in den einzelnen Ländern vorrangig behandelte Themen und Stoffe zu analysieren. Folglich kann sie sich auf nachprüfbare Fakten berufen und ist nicht darauf angewiesen, sich in mehr oder weniger haltbaren Spekulationen zu ergehen. Die Auswahl der in die Untersuchung einbezogenen Länder erfolgte nicht willkürlich. Zunächst war lediglich beabsichtigt, die Entwicklung der Kinderfilmproduktion in der Bundesrepublik Deutschland der in einem sozialistischen Land gegenüberzustellen. Bereits aus der Voruntersuchung aber ergab sich die Tatsache, daß weder die auf die Verfilmung von klassischen Märchen beschränkt gebliebene Kinderfilmproduktion der Bundesrepublik, die nach der Verabschiedung des neuen Jugenschutzgesetzes 1957 völlig in sich zusammenbrach, repräsentativ für die Situation des Kinderfilms in den westlichen ("kapitalistischen") Ländern ist, noch bestätigte sich die Annahme, daß die Untersuchung der Entwicklung und Funktion des Kinderfilmschaffens in einem einzigen sozialistischen Land ausreichen würde, um zu verbindlichen Aussagen über die Kinderfilmproduktion

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Einführung

anderer sozialistischer Länder zu gelangen. Zwar besteht kein Zweifel daran, daß nicht zuletzt auch im Hinblick auf den Kinderfilm grundsätzliche Unterschiede zwischen den gegenwärtig miteinander konkurrierenden und aufgrund ihres inneren Aufbaus sich gegeneinander absetzenden Gesellschaftsordnungen bestehen, aber diese Unterschiede beschränken sich nicht nur auf die Kinderfilmproduktion westlicher bzw. östlicher Länder, sondern sind in gleicher Weise auch innerhalb der verschiedenen Gesellschaftsordnungen anzutreffen. Es war deshalb naheliegend und notwendig, die Zahl der in die Untersuchung einzubeziehenden Länder von zwei auf vier zu erhöhen, um dadurch einerseits Vergleichsmöglichkeiten zwischen Ländern mit gleicher und andererseits zwischen Ländern mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung zu erhalten. Daß bei der Auswahl der Länder die Entscheidung zugunsten der Bundesrepublik Deutschland (BRD) Tschechoslowakei (CSSR) Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und Großbritannien (GB) fiel, läßt sich relativ leicht begründen. In den westlichen Ländern gibt es außer in GB und in der BRD (bis 1959) keine kontinuierliche Spielfilmproduktion für Kinder (im Bereich der Kurzfilmproduktion sieht es ähnlich aus). Eine Gegenüberstellung des westdeutschen und des britischen Kinderfilms war deshalb nicht nur reizvoll, sondern auch lohnend, zumal die Organisation, der Aufbau, die Zielsetzung und die Ergebnisse der Kinderfilmproduktion dieser beiden Länder fundamentale Unterschiede aufweisen. Ausschlaggebend für die Einbeziehung von DDR und fifSSR in die Untersuchung war vor allem die Tatsache, daß diese beiden Länder und die UdSSR über eine kontinuierliche Spielfilmproduktion für Kinder verfügen. Zwar konnten auch in anderen sozialistischen Ländern wie z.B. Polen, Rumänien, Ungarn und Jugoslawien Bemühungen auf dem Gebiet des Kinderfilms registriert werden, aber dennoch ist es in den genannten Ländern bisher nicht zum Aufbau einer nennenswerten kontinuierlichen Kinderfilmproduktion gekommen. Da die UdSSR nicht nur über die älteste und umfangreichste Kinderfilmproduktion der Welt verfügt, sondern zugleich auch direkten oder indirekten Einfluß auf die Entwicklung des Kinderfilms in anderen sozialistischen Ländern ausgeübt hat, wäre es sicherlich interessant und wichtig gewesen, sich primär oder zumindest ausführlich mit dem sowjetischen Kinderfilmschaffen zu befassen. Diese Arbeit aber war im Rahmen der gegebenen technischen, organisatorischen, personellen und insbesondere auch finanziellen Möglichkeiten nicht zu leisten. Die Untersuchung umfaßt einen Zeitraum von 20 Jahren und erstreckt sich auf die Jahre von 1945 bis 1965. Wenngleich auch in verschiedenen Ländern be-

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Einführung

reits vor dem Zweiten Weltkrieg vereinzelt Kinderfilme hergestellt wurden und damit die eigentliche Geschichte des Kinderfilms vor 1945 beginnt, so konnte aus verschiedenen Gründen die Vorgeschichte des Kinderfilms nicht berücksichtigt werden. Abgesehen von den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges in der ehemals Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und in der Tschechoslowakei eintraten, läßt sich in den in die Untersuchung einbezogenen Ländern erst nach 1945 eine kontinuierliche Kinderfilmproduktion nachweisen. Die Untersuchung basiert auf der im Anhang wiedergegebenen und in dieser Form und diesem Umfang erstmals überhaupt veröffentlichten Zusammenstellung aller in den genannten Ländern zwischen 1945 und 1965 hergestellten Spielfilme für Kinder, wobei eine Beschränkung auf programmfüllende (mehr als 60 Min. Laufzeit = 1640 m Normalfilm) und mittellange Spielfilme (mehr als 45 Min.Laufzeit = 1231 m Normalfilm) unumgänglich war. Demnach wurden Kurzspielfilme und kurze und lange Trickfilme gleich welcher Art nicht berücksichtigt, da einerseits programmfüllende Trickfilme quantitativ kaum ins Gewicht fallen und es andererseits fast unmöglich ist, einen umfassenden Überblick über alle Bereiche des Kurzfilms für Kinder zu geben. Da für die Anerkennung einer Films als Kinderfilm keine international gültigen und allgemein als verbindlich anerkannten Maßstäbe vorhanden sind, wurden lediglich die Filme berücksichtigt und in die Filmographie aufgenommen, die von ihren Herstellern als Kinderfilme konzipiert bzw. nachträglich als Kinderfilme eingestuft wurden. Dieses Auswahlprinzip wird dadurch gerechtfertigt, daß einerseits zwar eine deutliche Unterscheidung zwischen Kinder-und Jugendfilm bzw. Kinderfilm und Film für Erwachsene (der für Kinder u.U. auch geeignet sein kann, aber nicht nur speziell für Kinder hergestellt wurde) notwendig ist, aber es andererseits auch nicht allein der zwangsläufig subjektiven Meinung des Verfassers überlassen werden konnte, diese Unterscheidung aufgrund seiner Erfahrungen, Erkenntnisse und Vorstellungen zu treffen. Hierbei muß insbesondere die Tatsache berücksichtigt werden, daß in der Praxis und auch in der Forschung häufig zwar vom Jugendfilm, von Jugendvorstellungen oder Jugendfilmveranstaltungen, von jugendgeeignet und jugendfördernd die Rede ist, man aber vornehmlich aus psychologischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen heraus nur sehr ungern Begriffe wie Kinderfilm, Kinderfilmveranstaltungen und kindgemäß verwendet, da Kinder bereits in der Vorpubertät beginnen, derartige Bezeichnungen als Verniedlichung oder gar Diskriminierung zu empfinden und bei ihnen folglich auf Ablehnung stoßen. Man hat sich deshalb, nicht zuletzt aus wirtschaftlichen und publizistischen Erwägungen heraus, zumindest in der Praxis stillschweigend auf den Terminus "Jugendfilm" (Jugendvorstellungen, Film und Jugend o.a.)

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Einführung

geeinigt, womit der Kinderfilm genauso wie der Jugendfilm gemeint ist. Dieser Terminus aber ist nur akzeptabel, wenn man die Gesamtheit der jungen Menschen bis zu einem bestimmten Alter von der der Erwachsenen abheben will, um Unterschiede sichtbar zu machen. In diesem Fall erhält dann beispielsweise der Jugendfilm eine Sonderstellung innerhalb des Filmangebots und wird die Jugendvorstellung in den Filmtheatern zu einer Sondervorstellung, die außerhalb des regulären Programms liegt und bei der folglich ermäßigte Eintrittspreise gelten. Die erwähnten praktischen Gepflogenheiten sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Terminus "Jugendfilm" nicht nur eine unzulässige Verallgemeinerung darstellt, die weder soziologisch noch psychologisch haltbar ist, sondern auch falsch ist. Denn, während es in einigen Ländern gelang, eine spezielle Filmproduktion für Kinder zu schaffen und am Leben zu erhalten, so scheiterten gleichzeitig alle Versuche, eine kontinuierliche Jugendfilmproduktion aufzubauen. Diese Tatsache ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die Jugendlichen, d.h. die Altersgruppe ab 13 bzw. 14 Jahren, gar kein Interesse daran haben, speziell für sie hergestellte Filme zu sehen. Sie tendieren zum Erwachsenensein und konsumieren in der Regel das, was für Erwachsene gedacht und hergestellt wurde und was ihnen einen tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Zuwachs an Lebenserfahrung, an Ich- und Weltverständnis verspricht. So haben u.a. auch die Jugendredaktionen der TV-Nachmittagsprogramme die leidvolle Erfahrung machen müssen, daß der überwiegende Teil der Jugendlichen nicht die speziell für sie gemachten und am Nachmittag ausgestrahlten Sendungen, sondern primär das Abendprogramm konsumiert. Da Jugendliche einerseits nur wenig oder gar kein Interesse an speziell für sie hergestellten Filmen zeigen und es andererseits aufgrund der fehlenden Nachfrage so gut wie keine Jugendfilme im engeren Sinn des Wortes gibt, wäre es eigentlich nur konsequent, statt vom Jugendfilm nur von jugendgeeigneten Filmen zu sprechen. Der Kinderfilm befindet sich demgegenüber nicht nur in einer grundsätzlich anderen Ausgangsposition, sondern steht auch vor allem anderen Aufgaben und Problemen gegenüber. Obwohl in den einzelnen Ländern unterschiedliche gesetzliche Regelungen für den Filmbesuch von Kindern existieren, herrscht doch weitgehend darüber Einigkeit, daß die Adressatengruppe von Kinderfilmen schwerpunktmäßig die Altersgruppe von 8 - 12 Jahren umfaßt. In den Jahren der Vorpubertät und Pubertät, d.h. je nach Reifegrad ab dem 11. oder 12. Lebensjahr, setzt die Abwendung vom Kinderfilm und die Hinwendung zum "normalen" Filmangebot ein. Dieser Prozess ist etwa mit dem 14. Lebensjahr abgeschlossen, so daß man hier das Jugendfilmalter beginnen lassen kann. Auch die

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Einführung

Jüngsten der Altersgruppe, d.h. die Fünf - bzw. Sechs - bis Achtjährigen, gehören bereits zu den potentiellen Besuchern von Kinderfilmveranstaltungen. Obwohl man annehmen sollte, daß ihr Unterhaltungsbedürfnis - abgesehen vom Spiel noch hinlänglich vom Angebot der Fernsehanstalten befriedigt wird, haben die in Großbritannien und in jüngster Zeit auch in der Bundesrepublik gesammelten Erfahrungen gezeigt, daß die jüngste Altersgruppe, und zwar nicht nur bei Märchenfilm - Veranstaltungen, einen nicht unerheblichen Prozentsatz der Besucher stellt. Die enorme Verbreitung, die das Fernsehen in den letzten zehn Jahren erfuhr, hat - neben vielen anderen Auswirkungen - nicht zuletzt auch eine Phasenverschiebung beim kindlichen Filmerlebnis und -Verständnis hervorgerufen. Die grundsätzliche Unterteilung in Märchenfilmalter und die sogenannte realistische Phase ist geblieben, aber während man in früheren Jahren gemeinhin das Märchenfilmalter bei etwa zehn Jahren enden ließ, läßt sich heute bereits bei den Acht-bis Neunjährigen die Abwendung vom Märchen und von märchenhaften Stoffen und die Hinwendung zu den sogenannten realistischen Stoffen registrieren. Das bedeutet nicht, daß im Bereich der Filmerziehung und -bildung Fortschritte gemacht worden wären, was sicherlich nicht der Fall ist, sondern zunächst nur, daß der in der Regel bereits im frühesten Kindesalter einsetzende, nicht nur häufige, sondern meistens auch regelmäßige Konsum von Fernsehsendungen bei den Kindern zur Veränderung der Konsumgewohnheiten geführt hat. Es sei dahingestellt, ob die psychisch-physische Entwicklung des Kindes sein Filmverständnis im engeren Sinn des Wortes und seine Filmreife in ähnlicher Form beschleunigt und der veränderten Situation angepaßt werden konnten. Da sich diese Untersuchung ausschließlich mit dem Kinderfilm, d.h. dem Spielfilm für Kinder von etwa 6 bis etwa 12 Jahren befaßt, ist die Frage nach den Bewertungsmaßstäben für Kinderfilme nicht zu umgehen. Die allgemeine Diskussion über diese Bewertungsmaßstäbe ist noch längst nicht abgeschlossen. Noch immer besteht zwischen den Auffassungen und Absichten der Filmschöpfer, Filmerzieher und Schulpädagogen u.a. eine fühlbare Diskrepanz. Die extremsten Positionen nehmen dabei zweifellos jene ein, die entweder die Notwendigkeit und Existenzberechtigung einer speziellen Kunst für Kinder verneinen oder aber den Standpunkt vertreten, daß es aufgrund der altersspezifischen Geschmacksunsicherheit, der Kritikunfähigkeit und der Anspruchslosigkeit der Adressatengruppe keiner besonderen geistigen und künstlerischen Anstrengungen bedürfe, um Kinderfilme herstellen zu können. Unabhängig davon, was man unter einer "Kunst für Kinder" verstehen soll, und unabhängig von der Frage, ob es sinnvoll und richtig ist, die Existenz des Kinderfilms von der Existenz einer " K u n s t für Kinder" abhängig machen zu wollen, kann zunächst allgemein festgestellt werden, daß sich der Kinderfilm insofern vom "normalen" Film unterscheidet und un-

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Einführung

terscheiden muß, weil er sich primär an einen altersmäßig begrenzten und folglich überschaubaren Zuschauerkreis wendet. Demzufolge können Kinderfilme nicht nur gezielt eingesetzt (Kinderfilmveranstaltungen in Filmtheatern, Clubs, Jugendheimen etc.), sondern auch gezielt hergestellt werden, zumal genaue Kenntnisse über die geistig-seelische und körperliche Entwicklung des Kindes, seine Bedürfnisse und Reaktionen, sein Auffassungsvermögen und sein Ich-und Weltverständnis u.a.vorliegen. Aufgrund dieser anthropologischen, psychologischen und soziologischen Erkenntnisse ist es möglich, konkrete pädagogische Forderungen an den Kinderfilm zu stellen und damit auch seine Funktion als Massenkommunikationsmittel allgemein und speziell innerhalb einer bestimmten Gesellschaft zu bestimmen. Zu den pädagogischen Forderungen, die der Kinderfilm erfüllt oder doch zumindest erfüllen sollte, gehören u.a. folgende Punkte: 1. Der Kinderfilm muß thematisch, inhaltlich und formal der geistig-seelischen und körperlichen Entwicklung seiner Adressatengruppe Rechnung tragen; d.h. bei seiner Herstellung muß die psychisch-physische Entwicklung des Kindes vor allem deshalb berücksichtigt werden, weil es Aufgabe des Kinderfilms ist, diese Entwicklung positiv zu beeinflussen. 2. Da Kinderfilme primär für Kinder gemacht sind, müssen sie Rücksicht nehmen auf das Auffassungsvermögen und das Verständnis ihres kindlichen Publikums. Dadurch bedingte Vereinfachungen, wie etwa die Gradlinigkeit und Überschaubarkeit der Handlung, die Zeichnung der Charaktere und bei der Bewußtmachung komplizierter gesellschaftlicher Zusammenhänge u.a., sind nicht gleichbedeutend mit Schematisierung und klischeehafter Darstellung. 3. Kinderfilme, die den Anspruch erheben, realistisch im Sinne von realitätsbezogen zu sein, müssen sich um eine entsprechende Darstellung gesellschaftlicher Realitäten bemühen, d.h. sie sollen gesellschaftliche Realitäten weder verschweigen noch beschönigen oder aufgrund ideologischer Postulate verfälschen. 4. Die sich für den Kinderfilm fast zwangsläufig anbietende Absicht, alle Probleme, Konflikte und Erlebnisse aus der Perspektive von Kindern darzustellen und dementsprechend in erster Linie kindliche Darsteller in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen, darf nicht zu einer verlogenen und aufdringlichen Heroisierung der Kinder verführen, was u.a. ein Charakteristikum zahlreicher britischer Kinderfilme ist. Die Heroisierung von Kindern wird dadurch begünstigt, daß die Welt der Erwachsenen ausgespart oder aber bewußt verzeichnet wird. 5. Sofern sich ein Kinderfilm einer poetisch überhöhten Sprache bedient, um eine wirklich märchenhafte oder phantastische Geschichte zu erzählen, kommt

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Einführung

er damit nicht nur dem Wunsch kindlicher Zuschauer nach Romantik und phantastischen Erlebnissen nach, sondern versetzt er zugleich den Zuschauer in eine Ebene, die sich deutlich von der Wirklichkeit abhebt und von der aus keine unmittelbaren Impulse zur Herausbildung falscher Vorbilder und zur Nachahmung der erlebten Geschehnisse ausgehen. V o n einem bedenklichen Stilbruch muß hingegen dann gesprochen werden, wenn sich Kinder auf der Leinwand in einem für Kinder vor der Leinwand mehr oder weniger vertrauten Milieu bewegen, sich ihrem Aussehen und ihrem Verhalten nach völlig natürlich benehmen und zugleich Dinge erleben und vor allem Taten vollbringen, die unwahrscheinlich sind und ans Märchenhafte grenzen. 6. Thematisch gesehen unterliegt der Kinderfilm keinerlei Beschränkung. Im Gegenteil: nicht thematische Einfalt, sondern Vielfalt muß gefordert werden. Die Beschränkung auf bestimmte Themen (z.B. Märchenverfilmung in der Bundesrepublik und abenteuerlich-kriminalistische Geschehnisse in Großbritannien) ist sachlich nicht zu begründen. Sie führt den Kinderfilm in eine Sackgasse, in eine Art geistiges Getto. " D i e Armut an Genres ist eine Erscheinung, die der weiteren Entwicklung des Spielfilmschaffens (für Kinder) in erster Linie droht. Meistens wird die Genrearmut im Kinderfilm durch solche besonderen Filmarten wie Zeichen- und Puppentrickfilm, wie populärwissenschaftliche und dokumentarische Filme kompensiert. Aber indem wir vom Spielfilmschaffen sprechen, müssen wir uns vergegenwärtigen: Ein Kind mit den Mitteln des Films zu erziehen, kann nicht heißen, nur Werke zu notwendigen Themen zu schaffen; es heißt vielmehr, daß man durch die Genrevielfalt der Filme die Entwicklung des Kindes und seine Interessen in die verschiedensten Richtungen zu lenken vermag." *(1) Direkt oder indirekt ist mit der berechtigten Forderung nach Genrevielfalt, die von Kira Paramonowa ( U d S S R ) aufgestellt wurde, jene weitergehende Forderung verbunden, wonach der Kinderfilm die Komplexität gesellschaftlicher Wirklichkeiten nicht einfach unterschlagen dürfe, sondern zumindest andeuten solte. 7. V o n besonderer Bedeutung ist für den Kinderfilm schließlich auch noch die Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit der Darsteller und des Geschehens. Beides aber kann von mittelmäßigen oder gar schlechten Schauspielern, Regisseuren, Drehbuchautoren und Kameramännern u.a., die noch nicht einmal ihr Handwerk beherrschen, nicht verlangt werden. Altkluge, vorlaute und verkrampft wirkende Dialoge stehen der Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft von Kinderfilmen genauso häufig im Wege wie unzureichende oder gar dilettantische Regiearbeit und die leider häufig anzutreffende minderwertige Gestaltung von Kinderfilmen. *(1)

Kira Paramonowa: Das Märchen im Film, in: Film Fernsehen Filmerziehung, Berlin 1966, Heft Ii. S. 76

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Einführung

8. Kinder haben, ebenso wie Erwachsene, einen legitimen Anspruch auf Unterhaltung und Entspannung. Der Film ist ein adäquates Mittel, um diese Bedürfnisse zu befriedigen. Gerade deshalb aber muß sich der Gestalter oder Hersteller von Kinderfilmen bewußt machen, welchen Einfluß er auf die Geschmacksbildung und die Erziehung von Kindern auszuüben vermag. Die Möglichkeit zur direkten oder indirekten massenweisen Beeinflussung verlangt von den Kinderfilmherstellern ein hohes Maß an Verantwortungsbewußtsein. Zwar sind Kinder dankbar für jeden Spaß, aber da ihnen die kritische Distanz zum Geschehen fehlt, vermögen sie zwischen echter Situationskomik und auf Effekthascherei beruhendem Klamauk, zwischen echtem Humor und verstaubten Gags genauso wenig zu unterscheiden wie zwischen echten menschlichen Gefühlen und aufgesetzter Sentimentalität. In der fehlenden Distanz und dem noch unzulänglichen Unterscheidungsvermögen ist einerseits der Grund dafür zu suchen, daß der spontane Applaus, die Zustimmung von Kindern nicht überbewertet werden darf und daß andererseits von Kindern in der Regel selbst primitiver Kitsch leidenschaftlich gern konsumiert wird, insbesondere dann, wenn er publikumswirksam verpackt ist. Die Überbewertung spontaner kindlicher Zustimmung führt nicht nur zwangsläufig zu einer oberflächlichen Verabsolutierung kindlicher Reaktionen und Meinungen, sondern auch zur Fehleinschätzung kindlicher Bedürfnisse, zumal die Entscheidung, welche Stoffe und Filme für Kinder geeignet und ihrer Entwicklung dienlich sind, nicht von den Betroffenen selbst, sondern von fachkundigen und erfahrenen Erwachsenen gefällt werden muß. Diese allgemeinen Hinweise sind und können nicht vollständig sein. Wichtiger aber als das Bekenntnis zur Unvollständigkeit erscheint in diesem Zusammenhang der bewußte Verzicht auf die Formulierung von bis ins Detail gehender gestalterischer Prinzipien. Da der filmische Ausdruck permanenten Wandlungen (z.B. Änderung des Zeitgeschmacks) unterworfen ist, lassen sich keine allgemeingültigen und unveränderlichen dramaturgischen und gestalterischen Gesetze aufstellen. Folglich gibt es (und wird es auch nicht geben) kein Rezeptbuch für die Gestaltung von Kinderfilmen. Stattdessen wird jeweils am einzelnen Film und immer wieder von neuem die Frage zu prüfen sein, ob für ein bestimmtes Thema, eine bestimmte Aussage eine adäquate Form gefunden wurde, ob das fertige Produkt als gelungen und für Kinder geeignet erscheint und ob es in Einklang mit den aufgestellten pädagogischen Forderungen und mit den inzwischen gesammelten wissenschaftlichen Erkenntnissen über das Problem 'Kind und Film' zu bringen ist. Diese ständige und sorgfältige Überprüfung von theoretischen Forderungen und praktischen Ergebnissen ist nicht zuletzt auch deshalb dringend notwendig, weil neue Entwicklungen im Be-

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Einführung

reich des Films nicht verhindert, sondern gefördert werden müssen, weil Kinderfilme nicht isoliert von den sich gleichfalls wandelnden Geschmacks-und Konsumgewohnheiten von Kindern, ihren Bedürfnissen und ihrem Auffassungsvermögen, das durch frühen und regelmäßigen Fernseh-Konsum sowie neue Lehrund Lernmethoden entscheidend beeinflußt wird, betrachtet und beurteilt werden sollten. Das Stichwort Fernsehen leitet zu einer anderen Frage über: Besitzen der Kinderfilm und Kinderfilmvorstellungen im Filmtheater überhaupt noch eine Existenzberechtigung, oder ist diese Existenzberechtigung heute im Hinblick und unter besonderer Berücksichtigung des Angebots des TV-Nachmittagsprogramms nicht mehr gegeben? Diese Frage ist endgültig weder zugunsten des einen noch des anderen Mediums zu beantworten. Zu den Vorteilen des Fernsehens gehören die bequeme Empfangssituation, die zumindest theoretisch gegebene Möglichkeit, daß Eltern ohne große Vorbereitungen und Zeitaufwand mit ihren Kindern gemeinsam bestimmte Sendungen sehen können und daß das Fernsehen nicht an schematisch festgelegte Programmlängen gebunden ist und folglich auch besondere Rücksicht auf das Aufnahmevermögen und die Bedürfnisse der untersten Altersgruppen nehmen kann. Zu den Nachteilen des Fernsehens gehören, von der teilweise noch sehr unzureichenden Qualität der speziell für Kinder bestimmten Programme einmal ganz abgesehen, die zwangsweise gegebene dichte und bunte Programmfolge, die bereits Kinder, die entweder ohne ausreichende Aufsicht sind oder aber dem Vorbild der Erwachsenen folgen, zu Dauerkonsumenten werden läßt, sowie wiederum die besondere Empfangssituation, aus der die Kinder spätestens mit einsetzender Pubertät heraustreten, weil sie mit häuslichem Rahmen und Familie identisch ist. Demgegenüber übt der Film im Filmtheater auf Kinder einen besonderen Reiz aus; der Besuch eines Filmtheaters ist zunächst kein alltägliches, sondern ein besonderes Ereignis, zu dem der dunkle Saal, die große Leinwand und das kollektive Erlebnis u.a. beitragen. Bereits der Gang zum Filmtheater bestätigt Kinder in ihrem Bestreben zur Verselbständigung; Film und Filmbesuch vermitteln eine unmittelbare Gemeinsamkeit des Erlebens. Da das quantitative Angebot an Kinderfilmen eher dürftig als zu groß ist und zudem Kinderfilmvorstellungen in ihrer Längeauf jeden Fall zeitlich begrenzt sind, läßt der Kinderfilm im Kino allein schon aus technischen und organisatorischen Gründen keinen Dauerkonsum zu. Zu den Nachteilen von Kinderfilmvorstellungen im Kino muß man in der Regel zumindest die die unteren Altersgruppen überfordernde Länge der Vorführungen, die unterschiedliche Qualität und Eignung der Filme, auf die in Ländern mit freier Marktwirtschaft kaum oder nur begrenzt Einfluß genommen werden kann, und schließlich auch die mehr oder weniger langen Anfahrtswege zählen, die die Kinder zwischen Wohnung und Filmtheater zurücklegen müssen, sofern sie nicht, was erfahrungsgemäß aber die Ausnahme ist, von Erwachsenen begleitet werden.

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Einführung

Diese Gegenüberstellung hat gezeigt, daß die Alternative kaum Fernsehen oder Film (im Kino) lauten kann; denn beide Medien bieten Vor- und Nachteile, wobei nicht vergessen werden sollte, daß ein nicht unwesentlicher Prozentsatz der ursprünglich für die Vorführung im Kino produzierten Filme früher oder später auch im Fernsehen gezeigt wird. Im Gegensatz dazu aber gelangen die von oder im Auftrag von TV-Anstalten hergestellten Filme für Kinder (was selbstverständlich auch auf andere TV-Produktionen zutrifft) nur höchst selten oder gar nicht ins Kino. In diesem Bereich gilt es zweifellos noch, eine Reihe von Vorurteilen abzubauen und zu einer intensiven und fruchtbaren Zusammenarbeit zu gelangen. Dank der relativ langen Laufzeit von Kinderfilmen ist es durchaus möglich, daß diese Filme sowohl im Filmtheater als auch im Fernsehen und umgekehrt ausgewertet werden, vorausgesetzt, daß von beiden Partnern - dem Fernsehen und der Filmwirtschaft - der Konkurrenzgedanke nicht überbewertet wird und daß von beiden Partner akzeptiert wird, daß die Kino- und Fernsehauswertung eines Films nicht parallel, sondern nur in einem zeitlichen Abstand von mindestens zwei Jahren erfolgen kann. Wenn nun dem Kinderfilm im Kino, trotz Fernsehen, die Existenzberechtigung nicht abgesprochen wird, so geschieht dies keineswegs mit der Absicht, einzelne Bereiche der Filmwirtschaft künstlich am Leben erhalten zu wollen. Die Existenzberechtigung des Kinderfilms läßt sich nicht nur pädagogisch, psychologisch und soziologisch begründen, vielmehr läßt sie sich auch mit der Tatsache belegen, daß es dringend notwendig ist, Kinder möglichst frühzeitig an speziell für sie hergestellte Filme zu gewöhnen und sie mit der Sprache des Films vertraut zu machen. Dies sollte auch und gerade im Filmtheater geschehen; denn in dem Augenblick, wo der Heranwachsende sich in der Phase der Pubertät von der Familie langsam zu lösen beginnt, und wo er - je nach Bildungsgrad, sozialer Herkunft, Alter u.a. - zu einem mehr oder weniger häufigen Filmbesucher geworden ist, in dem Augenblick ist es unvergleichlich viel schwieriger, wenn nicht gar unmöglich geworden, Einfluß auf das Konsumverhalten und die Geschmacksbildung des Heranwachsenden zu nehmen. Es gehört zu der fundamentalen soziokulturellen Funktion des Films, die Komplexität der realen Welt auf wenige überschaubare Grundkonstellationen und Regeln zu reduzieren, um auf diese Weise den Zuschauern nicht nur eine gemeinsame Erlebnisbasis zu schaffen, sondern ihnen auch gesellschaftliche Konflikte und Normen deutlich zu machen und ihnen zumindest die Möglichkeit einzuräumen, zu einem besseren und tieferen Ich- und Weltverständnis zu gelangen. Auch und gerade der realistische Film, d.h. der Film, der ein scheinbar objektives Bild von der Realität zu entwerfen versucht, beruht demnach auf Selektions- und Typisierungsprozessen. Art der Selektion, der Typisierung

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Einführung

und ihrer Motivation sind aber Indikatoren für die jeweilige Auffassung einer Gesellschaft von der gegebenen Wirklichkeit, die ihren sichtbaren Ausdruck in der Auswahl der Stoffe und der Darstellung der Mensch-, Objekt- und Wertwelt findet. Inwieweit die sich in den Filmen widerspiegelnden Auffassungen manipuliert sind oder aber einem Wunschbild oder Irrtum entsprechen, kann bei der Konfrontation von filmischen Darstellungen mit den tatsächlichen gesellschaftlichen Gegebenheiten überprüft werden. Erfahrungsgemäß erfordert die Herstellung von Filmen erhebliche finanzielle Investitionen, die in Ländern mit freier Marktwirtschaft nur dann zu rechtfertigen sind, wenn sie über kurz oder lang wieder eingespielt werden und auch Gewinne abwerfen. Im übertragenen Sinn hat dieses ökonomische Gesetz auch in den Ländern, in denen die Filmwirtschaft verstaatlicht ist, seine Gültigkeit. Allerdings liegen die Gewinnerwartungen hier nicht primär auf wirtschaftlichem Gebiet; die staatliche Filmproduktion arbeitet erfolgreich, d.h. die in Filme investierten Mittel sind zu rechtfertigen, wenn sie eine möglichst weitgehende Annäherung an die ihr gestellten erzieherischen, propagandistischen oder ideologischen Aufgaben und Ziele erreicht. Das Gesetz läßt sich selbstverständlich auch auf den Kinderfilm beziehen. Mehr noch, es gewinnt gerade im Hinblick auf den Kinderfilm besondere Bedeutung. Aus dem Vergleich zwischen Ausgaben und Einnahmen bei Kinderfilmen läßt sich leicht nachweisen, daß diese Filme nur höchst selten finanzielle Erfolge wurden und eine Amortisationszeit von mindestens fünf Jahren benötigen. Die Folge ist, daß entweder überhaupt keine Kinderfilme entstehen oder aber, daß sie den Gesetzen des Marktes und dem Gewinnstreben privater Interessengruppen (Produzenten, Verleiher u.a.) hilflos ausgeliefert sind. Eine weitere Möglichkeit ist die, daß der Kinderfilm zwar keine direkte staatliche Hilfe erhält, seine Herstellung aber durch gesetzgeberische Maßnahmen des Staates gesichert ist. Eine kontinuierliche, anspruchsvolle und wirksame Kinderfilmproduktion ist ohne direkte Subventionen nicht denkbar. Entschließt sich demnach ein Staat, mit öffentlichen Mitteln eine kontinuierliche Kinderfilmproduktion aufzubauen und zu erhalten, so läßt sich daraus der Hinweis entnehmen, daß man allgemein dieser Filmgattung im Hinblick auf Verbreitung, Wirkung und Einflußnahme eine ganz bestimmte Funktion anvertraut. Solche Funktionen sind u.a.: Unterhaltung, Information, Bildung, Instruktion und Erziehung. Das aber bedeutet doch letztlich nur, daß man dem Film die Möglichkeit zubilligt, bei seinem kindlichen Publikum daseinserhellend im Sinne des Lebens- und Weltverständnisses, meinungsbildend und meinungsbeeinflussend im Sinne der von einer Gesellschaft akzeptierten Normen und Wertvorstellungen zu wirken oder anders ausgedrückt: zur Enkulturation des Kindes beizutragen.

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Einführung

Aus den genannten Funktionen des Kinderfilms ergibt sich die bisher nur in einigen sozialistischen Ländern realisierte Forderung, daß die Pflege und Unterstützung dieser Filmgattung zu den Aufgaben und in den Verantwortungsbereich der Gesellschaft gehören und zwar genauso wie beispielsweise das gesamte Erziehungs-und Bildungswesen, d.h. genauso wie etwa Kindergärten, Schulen, Büchereien, Jugendhäuser und Jugendbildungsstätten.

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I. Entwicklung der westdeutschen Filmproduktion 1. Wiederaufbau der Filmwirtschaft in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands

Noch vor dem endgültigen Zusammenbruch des Deutschen Reiches und der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 7.Mai 1945 mußten bereits alle Sparten der Filmwirtschaft (Produktion, Vertrieb, Filmtheaterwesen) zumindest in den Gebieten ihre Tätigkeit einstellen, die von den alliierten Streitkräften besetzt worden waren. Aufgrund des vom alliierten Oberkommando am 24.11.1944 bestätigten und ausgegebenen Gesetzes Nr. 191, das am 12.5.1945 abgeändert wurde *(1), wurden Herstellung, Veröffentlichung, Vertrieb, Verkauf, gewerblicher Verleih und Vorführung von Lichtspielfilmen jeder Art sowie die Tätigkeit in Filmtheatern, Filmateliers, Filmlaboratorien und in Filmverleihanstalten generell verboten. Unmittelbar nach der Kapitulation wurden vom alliierten Oberkommando am 12.5.1945 die "Nachrichtenkontroll-Vorschrift Nr.1" (Kontrolle über Druckschriften, Rundfunk, Film, Theater und Musik) sowie die "Nachrichtenkontroll-Vorschrift Nr.2" (Ablieferung aller belichteten oder unbelichteten Normal-und Schmalfilme mit Ausnahme rein privater Amateurfilme) erlassen. Während die Nachrichtenkontroll-Vorschrift Nr.2 insbesondere den Zweck hatte, das gesamte vorhandene und belichtete Filmmaterial der Zensur durch die Nachrichtenkontrollbehörden zu unterwerfen, schränkte die Nachrichtenkontroll-Vorschrift Nr. 1 das Gesetz Nr. 191 ein, in dem die Bedingungen festgelegt wurden, unter denen die verbotenen Tätigkeiten wieder zugelassen werden. Für den Bereich der Filmwirtschaft bedeutete dies u.a.: 1. Aufgrund der schriftlichen Zulassung der Militärregierung (Lizenz) konnte wieder mit der Herstellung von Filmen begonnen werden. 2. Personen, die bei der Militärregierung registriert worden waren und eine entsprechende Lizenz erhalten hatten, konnten zugelassene Filme vertreiben oder vorführen, vorausgesetzt, daß ein Filmvorführungsschein jeder ausgegebenen oder vorgeführten Kopie beigefügt war. 3. Registrierte Personen, die über die entsprechende Lizenz verfügten, konnten ferner Filme zugelassener Filmproduzenten verarbeiten und kopieren.*(2) #

(1) Gesetz Nr. 191:

Veröffentlicht in:

Kontrolle über Druckschriften, Rundfunk, Nachrichtendienst, Film, Theater und Musik und Untersagung der Tätigkeit des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Amerikanische Zone (Military Government Gazette, Germany), Issue Α ν. I.Juni 1946, S.53

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Bundesrepublik Deutschland

Nachdem am 5. Juni 1945 die drei westlichen Besatzungszonen geschaffen worden waren, bildeten die erwähnten beiden Nachrichtenkontroll-Vorschriften in der amerikanischen, britischen und französischen Zone die rechtliche Basis für den Wiederaufbau und Neubeginn in allen Sparten der Filmwirtschaft. Hierbei entscheidend war, daß die gesamte Filmzensur von der Nachrichtenkontrollbehörde der jeweiligen Militärregierung ausgeübt wurde, d.h. in den drei westlichen Besatzungszonen existierten drei unabhängig voneinander arbeitende Zensurstellen *(3). Ebenso beschränkten sich die erteilten Lizenzen für die Filmherstellung und den Verleih lediglich auf den Geltungsbereich einer Militärregierung. Dieser gesetzlichen Regelung ist zu entnehmen, daß sich die Alliierten zunächst von der Absicht leiten ließen, den Aufbau einer überzonalen Filmwirtschaft zu verhindern. Genauso wie die sowjetische Militärregierung versuchten auch die westlichen Alliierten, die in ihren eigenen Ländern praktizierten Vorstellungen von der Struktur der Filmwirtschaft in ihrem Machtbereich durchzusetzen. Im Gegensatz zur U d S S R aber machten die Alliierten jede Monopolbildung und Machtkonzentration unmöglich. Bei der Erteilung von Lizenzen verfolgten sie das Prinzip der Dezentralisation, d.h. jeder Antragsteller, der politisch unbelastet war und charakterlich und fachlich einigermaßen qualifiziert erschien, erhielt die gewünschte Lizenz für die Herstellung, den Verleih oder die Vorführung von Filmen. Obwohl die Alliierten alle Bereiche der Filmwirtschaft kontrollierten, erließen sie keine Vorschriften darüber, wie der erst noch zu schaffene, neue deutsche Film aussehen, welche Themen er primär zu behandeln habe. Verboten allerdings wurden insbesondere die Filme aus der deutschen Vorkriegsproduktion, die die Ideologie des Nationalsozialismus, des Faschismus oder der Rassenunterschiede verherrlichten; den Krieg und Militarismus idealisierten; die deutsche Geschichte verfälschten; die deutsche Wehrmacht verherrlichten; Verachtung für die Alliierten, ihre Regierungen und ihre politischen Führer hervorriefen oder sie lächerlich machten;

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*(2)

Ebda., S. 54

*(3)

Gesetz Nr. 191 und die dazu erlassenen Vorschriften wurden durch Artikel 12 des Gesetzes Nr. 5 der Hohen Alliierten Kommission in Deutschland vom 21.9.1949 aufgehoben. Gleichzeitig wurde damit die Filmkontrolle an die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) übergeben.

Entwicklung der Filmproduktion

Gedanken oder Taten von deutschen politischen Führern idealisierten, deren Ansichten imperialistisch waren; auf einem Buch oder Manuskript eines NSDAP-Mitgliedes beruhten oder die unter schöpferischer Mitarbeit eines NSDAP-Mitgliedes entstanden waren (damit waren Autoren, Regisseure, Komponisten, Produktionsleiter, Produzenten u.a. gemeint, die Mitglied oder bekannte Förderer der Partei waren). *(4) Verallgemeinert kann gesagt werden, daß die Alliierten insbesondere die Personen und Filme förderten, die geeignet erschienen, bei der demokratischen Erziehung der Deutschen und beim Aufbau eines demokratischen, friedliebenden, antinationalsozialistischen und antimilitaristischen Deutschlands mitzuwirken.*(5) Unabhängig davon war der Film in den Augen der Alliierten ein Mittel der Unterhaltung, der Abwechslung und Entspannung, dem bei der Normalisierung des Lebens eine gewichtige Aufgabe zukam. Nach Ansicht der Alliierten konnte der Film diese Funktion aber nur erfüllen, wenn die Filmwirtschaft sich im freien Konkurrenzkampf entwickele, wenn sie keinerlei staatlichem Einfluß unterliege und wenn geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um Monopolstellungen, wie sie die liquidierte Ufa in der NS-Zeit besaß, von vornherein zu verhindern. Die Filmpolitik der Alliierten, die ihren Niederschlag in der zwar umständlichen, aber dennoch zahlreichen Vergabe von Lizenzen für alle Filmwirtschaftszweige fand, bot der westdeutschen Filmindustrie zwar eine relativ günstige Ausgangsbasis, zugleich aber lag in ihr - worauf in anderem Zusammenhang noch näher einzugehen ist - die Wurzel für die Krisenanfälligkeit und permanente Existenznot, die zu Kennzeichen der westdeutschen Nachkriegsproduktion wurden und bis heute blieben. Der Wiederaufbau der westdeutschen Filmindustrie erfolgte unter größten Schwierigkeiten. Es fehlte nicht nur an Kapital, Rohfilm, funktionsfähigen Atelierbetrieben und anderen für die Filmherstellung notwendigen Voraussetzungen, sondern auch an einem Kristallisationspunkt für die über alle Besatzungszonen verstreuten Regisseure, Produzenten, Techniker und Künstler. Dennoch ist es verwunderlich, daß unter teilweise primitiven oder zumindest völlig unzureichenden technischen, personellen und materiellen Bedingungen bis Ende 1948 in den

*(4) *(5)

zitiert nach: Military Government Regulations 21 - 606 und insbesondere 21 - 606.1 Vgl. Military Government Regulations 21 - 120 bis 21 - 124, Change 3, 16.4.1947

25

Bundesrepublik Deutschland

Tabelle I Westzonen und Berlin (West)

Jahr

Zahl der Filmtheater

Zahl der Filmbesucher (in Mill.)

1945

1.150

150

1946

2.125

300

1947

2.850

460

1948

2.975

443

1949

3.360

474

1950

3.962

487

Quelle:

26

Filmstatistisches Jahrbuch, Hrsg. von der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft e.V., Wiesbaden 1954

Entwicklung der Filmproduktion

westlichen Besatzungszone bereits wieder 26 Spielfilme hergestellt und uraufgeführt wurden. An der Herstellung dieser Filme waren 13 neue Produktionsfirmen beteiligt. Die Zahl der zugelassenen, aber im Bereich des Spielfilms noch nicht aktiv gewordenen Filmproduktionsfirmen war wesentlich höher. Einen ähnlichen Aufschwung wie die Filmhersteller erlebten auch die Filmverleiher und die Filmtheater. Nachdem der alliierte Kontrollrat mit der Direktive Nr. 55 vom 25. 6. 1947 unter bestimmten Voraussetzungen den freien Austausch von Filmen erlaubt hatte (sie traf insbesondere auf Filme mit antinationalsozialistischer Tendenz und auf reine Unterhaltungsfilme zu), fiel vor allem für die Filmverleiher eine wesentliche Beschränkung ihrer Tätigkeit weg. Nicht zuletzt auch begünstigt durch die am 20. 6. 1948 in den westlichen Besatzungszonen durchgeführte Währungsreform, stieg die Zahl der privaten gewerblichen Verleiher auf über 44 an (die von den Militärregierungen und von ausländischen Firmen für den Vertrieb ihrer Filme eingerichteten Verleihe nicht eingerechnet). Eine ähnliche Aufwärtsentwicklung zeigte sich auch bei den ortsfesten Filmtheatern und der Zahl der Besucher. ( siehe Tabelle I ) "Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Mehrzahl der deutschen Filmschöpfer, die für die bis Ende 1948 in allen vier Besatzungszonen gedrehten neuen Spielfilme verantwortlich zeichneten, bereits vor Kriegsende im deutschen Filmschaffen gearbeitet hatten . . . Bei den meisten dieser Regisseure änderten sich abgesehen von der mehr oder weniger zwangsläufigen politischen Umorientierung bei Kriegsende die Auffassung vom Charakter des Spielfilms nicht. Die Folge davon war, daß sich der Inszenierungsstil der meisten neuen Spielfilme an traditionellen Qualitätsmaßstäben orientierte: Nicht das Streben nach Originalität, nach neuartigen Aussagemöglichkeiten und damit einer Erweiterung der filmischen Syntax herrschte vor, sondern der Hang zu technischer Perfektion bei Anwendung der herkömmlichen filmischen Gestaltungsmittel. Die anfänglichen technischen Schwierigkeiten, insbesondere der Ateliermangel, provozierten bei den deutschen Filmschöpfern nicht wie bei ihren italienischen Kollegen das Verlangen, die aktuell erlebte Wirklichkeit ohne Rücksicht auf technische Mängel zu dokumentieren - dazu wäre außerdem ein dezidiertes soziales und politisches Engagement nötig gewesen, was den meisten Regisseuren des deutschen Nachkriegsfilms abging -, sondern lediglich den Wunsch, die Realität durch Improvisation technisch möglichst perfekt zu arrangieren." *(6) *(6)

Peter Pleyer:

Deutscher Nachkriegsfilm 1946 - 1948, Studien zur Publizistik, Band 4, Münster/Westfalen 1965, S. 45

27

Bundesrepublik Deutschland

2.

Filmwirtschaftliche Probleme

Die von den Alliierten in den westlichen Besatzungszonen verfolgte Filmpolitik hatte zur Folge, daß in den Nachkriegsjahren eine Vielzahl kleiner und kleinster Unternehmen gegründet wurde, die entweder gar nicht oder aber nur zeitlich begrenzt lebensfähig waren. Obwohl die Spielfilmproduktion bis 1955, die Zahl der Besucher bis 1956 und die Zahl der ortsfesten Filmtheater bis 1959 ständig zunahmen, war die westdeutsche Filmwirtschaft von Anfang an krisenanfällig und aufgrund ihrer inneren Struktur unstabil. Da die wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Kinderfilmproduktion, die stets nur Teil der privaten Filmwirtschaft war und keine öffentliche Unterstützung erhielt, von großem Interesse sind, bedürfen sie einer genaueren Darstellung und Analyse.

2.1

Spielfilmproduktion

Abgesehen von den mannigfachen technischen, organisatorischen und finanziellen Schwierigkeiten, denen die westdeutsche Spielfilmproduktion in den ersten Nachkriegsjahren gegenüberstand und die sich zwangsläufig hemmend auf ihre quantitative Entwicklung auswirkten, sah sich die Filmproduktion mit drei Hauptproblemen konfrontiert: 1)

Der überwiegende Teil der Produktionsfirmen stellte jährlich nur einen Spielfilm her;

2)

Verlust weiter Absatzgebiete, zunächst keine und später nur begrenzte Exporterlöse;

3)

Übersättigung des einheimischen Marktes, Überangebot an ausländischen, insbesondere amerikanischen Filmen.

Wie bereits erwähnt, verfolgten die Alliierten bei der Vergabe von Lizenzen für die Filmproduktion primär das Ziel, eine sich abermals unheilvoll auswirkende Monopolstellung staatlich gelenkter Produktionsbetriebe zu verhindern. Dies wurde einerseits durch die Liquidierung der Ufa und andererseits durch die Lizenzierung zahlreicher neuer finanzschwacher Produktionsgesellschaften erreicht. So waren an den zwischen 1946 und 1953 hergestellten 422 Spielfilmen nicht weniger als 152 Produzenten beteiligt. V o n diesen wiederum wirkten nur 91 an einem Film oder an einer Co-Produktion mit.

28

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle II Leistungsgliederung der Spielfilmproduktionfirmen Produktionsfirmen im Herstellungsjahr 19. Zahl der υ Spielfilme 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 5 9 60 61 62 63 64 65 1 Film

1

5 11 14 23 23 3 2 2 5 21 3 3 3 0 31 29 2 4 18 20 2 5 24 20 27

2 Filme

-

2

3 Filme

-

-

4

4 10

1

3

1 - 2 1 1

4 Filme 5 Filme 6 Filme

5 10

- -

-

3 -

1

-

8 11 19 12

8

6

5

2

9

9

9

6

4

4

4

7

8

6

3

2

2

3

5

3

2

1

1

4

5

4

2

4

1

2

2

2

3

4

2

2

-

3

1 3

3 1

1 1

1 2

3 3

1 1

1

1 -

2 3

2 1

2

-

1

1

1

1

-

1

-

1

1

2

3

2

-

1

-

-

1

-

7 Filme 8 u.mehr Filme

-

Deutsche Prod.firmen 1 insgesamt

7 17 24 3 5 29 4 5 4 1 4 0 6 3 5 5 51

1)1946-1954 1955-1965

1

2

-

50 4 6 37 38 4 0 39 36 4 1

ohne Berücksichtigung der Märchen- und Jugendfilm-Produktionsfirmen sowie ohne Co-Produktionen ohne Berücksichtigung der Märchen- und Jugendfilm-Produktionsfirmen. Die Zahlenangaben beziehen sich auf alleinige Produktion oder Beteiligung an deutscher Gemeinschaftsproduktion bzw. deutsch-ausländischer Co-Produktion von . . . Filmen.

Anmerkung:

Zur Vereinfachung wird ab 1955 die Beteiligung an deutschen Gemeinschafts- bzw. deutsch-ausländischen Co-Produktionen der alleinigen Herstellung von Spielfilmen gleichgestellt. S o wird z.B. die Produktion eines Produzenten, der in einem Jahr 2 deutsche Spielfilme allein und 1 Spielfilm in deutsch-ausländischer Co-Produktion gemeinsam mit einem anderen Produzenten herstellte, als Produktion von 3 Filmen ausgewiesen

Quelle:

Filmstatistisches Jahrbuch 1954, Filmstatistisches Taschenbuch 1957, 1965 u. 1968, a.a.O.

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Bundesrepublik Deutschland

Filmproduktionsgesellschaften, die entweder nur jährlich einen (bzw. bei Beteiligung an Co-Produktionen weniger als einen) Film herstellen oder sogar nur sporadisch produzieren, sind - wirtschaftlich gesehen - besonders gefährdet, da sie praktisch keine Möglichkeit zum Risikoausgleich besitzen. Nach den von Walter Dadek *(7) angestellten Berechnungen kann nur eine Firma, die jährlich mindestens 6 Spielfilme herstellt, sich selbst risikomäßig tragen, d.h. "sie hat damit die Größenordnung erreicht, die zur wirtschaftlichen Selbständigkeit auf dem Filmgebiet befähigt." Demgegenüber sind alle Produktionsfirmen, die weniger als 6 Spielfilme pro Jahr herstellen, in dem Sinne mehr oder weniger abhängig, daß sie angewiesen sind auf Verleihgarantien, Kredite, Bürgschaften u.ä. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Wirtschaftszweigen ist das Risiko bei der Filmproduktion besonders hoch, weil sich weder das Gelingen noch der geschäftliche Erfolg des einzelnen Filmprojekts im Stadium des Entstehens abschätzen lassen. Folglich steht der Filmhersteller vor der Alternative, entweder ganze Staffeln von Filme (d.h. mindestens 6 Filme pro Jahr) herzustellen, um selbständig einen finanziellen Ausgleich zwischen den ertragstarken und den ertragschwachen Filmen vornehmen zu können oder aber sich in die Abhängigkeit der Filmverleiher zu begeben, die soweit gehen kann, daß der Produzent nurmehr Auftragsfilme (d.h. von Verleihern oder in Ausnahmefällen auch von anderen Geldgebern voll finanzierte Filme) herstellen kann. Aber selbst die wenigen Produzenten, die aus eigenen Mitteln ein Filmvorhaben finanzieren können, besitzen damit kaum eine Möglichkeit, zur kontinuierlichen Produktion überzugehen, da sich ein Film frühestens in einem Zeitraum von 18 Monaten amortisiert. Der Rückfluß der investierten Mittel ist dadurch so langwierig, weil der Produzent an den Einspielergebnissen seines Films nur prozentual beteiligt ist und dieser Film im Durchschnitt das Fünffache von dem, was er gekostet hat, einspielen muß, um rentabel laufen zu können. Filme, die sich in dem angegebenen Zeitraum nicht amortisieren, müssen - soweit es sich nicht um Kinderfilme handelt, die ohnehin eine längere Amortisations- und Laufzeit besitzen - von den Produktionsfirmen oder den anderen Geldgebern als Verluste abgeschrieben werden, da aufgrund des Überangebots an Filmen für den Durchschnittsfilm nach einer Laufzeit von 18 Monaten kaum mehr Einsatzmöglichkeiten vorhanden sind. *(7)

30

Walter Dadek:

Die Filmwirtschaft. Grundrisse einer Theorie der F i l m ö k o n o m i k , Freiburg 1957, S. 50 f

Entwicklung der Filmproduktion

2.2

Filmverleih und Filmangebot

Charakteristisch für die Entwicklung auf dem westdeutschen Filmmarkt waren einerseits der große Nachholbedarf des Publikums an ausländischen Filmen und andererseits der Mangel an neuen deutschen Filmen, so daß der Marktbedarf fast zwangsläufig zunächst durch die Einfuhr ausländischer Filme (vornehmlich amerikanischer, britischer und französischer Herkunft) gedeckt werden mußte. Diese Situation nutzten insbesondere die großen amerikanischen Filmfirmen aus, die über eine Gemeinschaftsorganisation ( M P E A ) ihre Filme in Westdeutschland vertrieben, ehe die amerikanischen Großverleiher ihre eigenen Niederlassungen gründeten, um damit endgültig eine marktbeherrschende Position einzunehmen. A u s der Übersicht über das Verleihangebot läßt sich entnehmen, daß bereits in der Verleihsaison 1946/47 das Vorkriegsangebot (1935 = 188 Filme) fast wieder erreicht war. V o n den 1946/47 angebotenen 173 Filmen kamen nicht weniger als 137 aus dem Ausland, nur 4 Filme stellte die neue deutsche Produktion. Außerdem wurden noch 32 Reprisen (Filme aus der Vorkriegs- bzw. Kriegsproduktion) angeboten. Da keine Importbeschränkungen bestanden, wurde der westdeutsche Filmmarkt nicht nur mit ausländischen Filmen, sondern auch mit Reprisen förmlich überschwemmt. Die Folge war, daß die Filmwirtschaft durch ein unkontrolliertes Überangebot an Filmen unmittelbar nach der Währungsreform (1948) in die erste Krise geriet. Die inflationäre Entwicklung auf dem Filmmarkt läßt sich an den festgestellten Zahlen ablesen. Während in der Verleihsaison 1947/48 " n u r " 239 Filme (12 deutsche, 52 Reprisen, 175 ausländische) angeboten wurden, schnellte diese Zahl in der Verleihsaison 1948/49 plötzlich auf 340 Filme hoch, worunter allein 125 Reprisen (!) und 182 ausländische Produktionen waren. Diese Tendenz hielt an und erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt in der Verleihsaison 1950/51 mit einem Gesamtangebot von 609 Spielfilmen, was mehr als eine Verdoppelung der Zahlen von 1930 (284 Filme) bedeutet. Die Problematik dieser Entwicklung, an der sich bis heute kaum etwas geändert hat, liegt darin, daß der Filmmarkt restlos übersättigt ist und keine Gewähr mehr für eine auch nur annähernd rentable Auswertung des einzelnen Films bietet. Die These läßt sich an Hand zweier Untersuchungen untermauern. Walter Dadek*(8) geht bei seiner Berechnung des durchschnittlichen Programmbedarfs der westdeutschen Filmtheater von folgenden Voraussetzungen aus: 1. "der gegebenen Kinokapazität, 2. der Tatsache, daß ein Film heute durchschnittlich (nur) 18 Monate im Markt bleiben kann, 3. dem Erfahrungssatz, daß ein Film, um seine Kosten einzuspielen, durchschnittlich 2.500 Termine erzielen muß und 4. daß sich die Spielzeiten in zwei Gruppen zusammenfassen lassen, nämlich Erstaufführungskinos mit durchschnittlich einer Woche und übrige" (Nachspieler) " m i t einej" hal-

31

Bundesrepublik Deutschland

Tabelle III Verleihangebot .1) Jahr

Gesamtangebot an Filmen

Davon deutscher Produktion

Davon ausländ. Produktion

Anteil d . U S A an ausl.Produktion

1930 2 ) 1935 1940 1945 1945/46 1946/47 1947/48 1948/49 1949/50 1950/51 1951/52 1952/53 1953/54 1954/55 1955/56 1956/57 1957/58 1958/59 1959/60 1960/61 1961/62 1962/63 1963/64

284 188 103 108 138 173 239 340 506 609 482 438 464 490 496 480 553 556 540 489 473 399 387

1)

Zahl der ur- oder erstaufgeführten Spielfilme in der Verleihsaison (jeweils beginnend im Mai oder Juni und endend, am 31. August des darauffolgenden Jahres).

2)

Die zum Vergleich angeführten Angaben für die Jahre vor 1945 beziehen sich auf das deutsche Reichsgebiet und ab 1938 auf das deutsche Reichsgebiet einschließlich Österreich.

3)

Die Angaben ab 1945 beziehen sich auf die westlichen Besatzungszonen und später auf das Bundesgebiet.

4)

Die in Klammern gesetzten Zahlen beziehen sich auf deutsche Reprisen, d.h. vor 1945 produzierte Filme, die nach ihrer Freigabe durch die alliierten Kontrollbehörden ausgewertet wurden.

Quelle:

Filmstatistisches Jahrbuch 1 9 5 4 - 5 5 , Filmstatistisches Taschenbuch 1957 und 1965,a.a.O.

32

146 92 85 -(ΙΟ)4' -(30) 4(32) 12(52) 33(125) 65(132) 75(174) 65(42) 78(21) 104(10) 110(6) 124 117 107 121 106 86 74 60 59

138 96 18 98 108 137 175 182 309 360 375 339 350 374 372 363 446 435 434 403 399 339 328

79 41 5 28 25 27 51 64 145 202 226 227 211 227 211 205 233 221 192 161 140 110 118

Entwicklung der Filmproduktion

ben Woche." *(9) Nach Dadek ergibt sich aus diesen Erfahrungssätzen folgende Berechnungsbasis für das Jahr 1953: Zahl der Kinobetriebe:.

ca. 5.000

davon: Erstaufführungskinos mit wöchentlichem Programmwechsel

ca.

800

übrige mit zweimal wöchentlichem Programmwechsel

ca. 4.200

Zahl der Termine pro Amortisationszeitraum (18 Monate): Erstaufführungstheater: 800 χ 78 Wochen übrige: 4.200 χ 156 halbe Wochen

62.400 655.200 717.600

Gesamtzahl der verfügbaren Termine, geteilt durch die Zahl der pro Film benötigten Termine: 717.600

: 2.500 = rund

287

" E i n rentierlicher Filmabsatz von 287 Filmen im Amortisationszeitraum bedeutet ein jährliches Angebot bzw. eine laufende Produktion pro Produktionszeitraum (1 Jahr) von rund 191 Filmen." *(10) Richard Ott *(11) kommt bei seiner Untersuchung der Rentabilität in der Filmproduktion zu folgenden Ergebnissen. U m die Zahl der möglichen Spieltage in einem Jahr, die die in der Bundesrepublik einschließlich West-Berlin vorhandenen Filmtheater anbieten können, zu errechnen, multipliziert Ott die Zahl der Theater (rund 5.000) mit 365 Tagen. Hieraus ergibt sich ein Angebot von

"(8)

Walter Dadek:

*(9) Walter Dadek, "(10) Walter Dadek, M11) Richard Ott:

Die Filmwirtschaft, a.a.O., S. 124 f a.a.O., S. 125 a.a.O., S. 126 Der Rentabilitätsbegriff in der Filmwirtschaft in: Die Wirtschaftsprüfung, Nr.20, 8.Jrg. Stuttgart 1955, S. 4 6 2 f

33

Bundesrepublik Deutschland

1.825.000 Spieltagen. Ferner geht Ott davon aus, daß ein deutscher Spielfilm rund 9.200 Spieltage benötigt, um im Durchschnitt seine Herstellungskosten wieder einzuspielen. "Die durchschnittliche Spielzeit für einen Abschluß muß unter Berücksichtigung der Halbwochenspieler laut Statistik auf 4,6 Tage angesetzt werden. Für den ausländischen Spielfilm rechnen wir als Durchschnittsspielzeit 3,8 Tage" (pro Abschluß). "(12) Während der deutsche Spielfilm für seine Amortisation rund 2.000 Spieltermine (9.200 : 4,6 = 2.000) braucht, "nimmt der ausländische Film für einen normalen Ertrag 3.800 Spieltage (= 1.000 Spieltermine) in Anspruch". In der Verleihsaison 1955/56 wurden insgesamt 496 Spielfilme angeboten, darunter 124 deutscher und 372 ausländischer Produktion. Um diese Filme rentabel auszuwerten, hätte man benötigt: für 124 deutsche Filme für 372 ausländische Filme

124 χ 9.200 = 1.140.800 Spieltage 372 χ 3.800 = 1.413.600 Spieltage Gesamt

Insgesamt aber standen nur zur Verfügung ca. Es fehlten

2.554.400 Spieltage 1.825.000 Spieltage 729.400 Spieltage

Aus der vorstehenden Überschlagsrechnung, die selbstverständlich nur von Erfahrungswerten und Durchschnittsergebnissen ausgehen kann, ergibt sich somit, daß rund 730.000 Spieltage (ca. 1/3 der insgesamt zur Verfügung stehenden Spieltage) fehlten. "Dieses Manko geht zu Lasten des Ertrages und ist auf keine Weise abzugleichen." *(13) Aus Otts Berechnungen geht ferner hervor, daß der westdeutsche Filmmarkt bei "gesunder Amortisation" etwa 120 deutsche (2.000 χ 4,6 χ 120 = 1.104.000 Tage) und 185 ausländische (1.000 χ 3,8 X 185 = 703.000 Tage) Spielfilme aufnehmen könnte. "Jeder weitere Film verringert die Laufzeit der übrigen, weil nicht mehr Spieltage, wie oben errechnet, zur Verfügung stehen." *(14) Das Überangebot auf dem westdeutschen Filmmarkt führt zwangsläufig zu einer permanent defizitären Produktionswirtschaft, unter der insbesonders die deutschen Filmproduktionsfirmen mit geringer Jahreskapazität und ohne Möglichkeit zum Kostenausgleich zwischen ertragreichen und ertragarmen Filmen zu leiden haben. Eine Besserung der verhängnisvollen Situation ist nur durch eine rigorose Be* (12) R ichard Ott: Ε bda., S. 462 *(13) Ebda., S. 463 "(14) Ebda., S. 462

34

Entwicklung der Filmproduktion

schränkung der Filmeinfuhren oder aber durch Beschränkung der Eigenproduktion zu erreichen. Der letztgenannte Weg, der selbstverständlich aus den verschiedensten (insbesondere kulturellen, kulturpolitischen und wirtschaftlichen) Gründen keine akzeptierbare Lösung darstellt, beginnt sich zumindest abzuzeichnen, wenn man das Verleihangebot der Jahre 1959 bis 1965 betrachtet. Aufgrund der angeführten Tatsachen wird sich derjenige, der mit filmwirtschaftlichen Fragen weniger vertraut ist, zwangsläufig die Frage stellen, wie es überhaupt möglich ist, daß die westdeutsche Nachkriegsfilmwirtschaft nicht schon längst aus finanziellen Gründen zusammengebrochen ist. Diese Frage ist vollständig nicht zu beantworten, da die Verhältnisse in der privaten Filmwirtschaft (was im übrigen auch für die Filmwirtschaft anderer westeuropäischer Länder gilt, die sich teilweise in einer ähnlichen Situation befindet) relativ undurchsichtig sind. Die Undurchsichtigkeit beginnt bei den mannigfachen Querverbindungen zwischen den einzelnen Sparten der Filmwirtschaft, bei der nach außen hin kaum in Erscheinung tretenden Einflußnahme der Verleiher auf die Produktion und endet bei der zumeist offiziell gleichfalls nicht dargelegten Beteiligung filmfremder Unternehmen und Einzelpersonen. "Die Filmproduktion im Mengen-Überangebotsmarkt ist ein ausgesprochen spekulatives Geschäft, in dem abwechselnd gewonnen und verloren wird. Jeder der Beteiligten ist sich der Tatsache bewußt, daß er im Schnitt draufzahlen muß, aber jeder spekuliert darauf, daß nicht er der Verlierer sein wird. Daß dies für ein Gebiet wie die Filmwirtschaft ein 'ungesundes' Klima ist, bedarf keiner Unterstreichung. Die Gelder, die im Filmgeschäft eingebüßt werden, sind anderer Herkunft und jedenfalls - in soziologischen Begriffen - anderer Art als die Mittel, die in der übrigen Wirtschaft Produktionsfinanzierung und Investitionen tragen. Die Verluste wiederum werden ebenfalls anders als auf den sonst begangenen Wegen - zum Teil auch in aller Stille - an den verschiedensten Stellen abgebucht. .. Der rechnerische Fehlbetrag der Produktion wird über die Aufwands- und Ertragsbilanz des Verleihs ausgeglichen. Bei den in der Produktionssparte in Erscheinung tretenden Verlusten handelt es sich insofern also, vom Ganzen der Filmwirtschaft gesehen, um bloß nominelle Defizite. Der Verleih muß die Fehlposten der Herstellung in seine Aufwands- und Ertragsrechnung übernehmen; er kann sich dem nicht entziehen, wo immer ihm mit der führenden Rolle im Filmgeschäft zwangsläufig auch der größere Teil des finanziellen Engagements zufällt."*(15)

*(15) Walter Dadek:

Die Filmwirtschaft, a.a.O., S. 112 f

35

Bundesrepublik Deutschland

2.3

Staatliche Filmförderungsmaßnahmen

Es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß die vier Besatzungsmächte beim Wiederaufbau der deutschen Filmwirtschaft jeweils von den in ihrem eigenen Land praktizierten Methoden und daraus resultierenden Erfahrungen ausgingen. Für die westlichen Besatzungszonen bedeutete dies, daß zahlreiche kleine, miteinander konkurrierende Unternehmen lizenziert und Tendenzen zur Konzentration und zur Monopolstellung von vornherein verhindert wurden. Erklärtes Ziel der Alliierten war es aber nicht nur, den Aufbau einer freien Marktwirtschaft zu fördern, sondern gleichzeitig auch jede staatliche Einflußnahme auf die Massenmedien Presse und Film auszuschalten. Auch nach dem Zusammenschluß der elf westlichen Länder und der Verabschiedung des Grundgesetzes im Jahre 1949 unternahmen weder der Bund noch die Länder Maßnahmen zum Schutz der einheimischen Filmproduktion. Während in den Vorkriegsjahren, wie in fast allen filmproduzierenden Ländern, aufgrund gesetzlicher Regelungen jährlich sogenannte Importquoten festgelegt worden waren, die zunächst lediglich darauf hinauslaufen, dem einheimischen Film eine mehr oder weniger ausreichende Abspielbasis zu sichern, herrschte in den Nachkriegsjahren auf dem westdeutschen Filmmarkt völlige Freizügigkeit. Einer Beschränkung unterlagen lediglich die in der Vor- und Kriegszeit entstandenen deutschen Filme, da sie von der Freigabe durch die alliierten Kontrollbehörden abhängig waren. "Gegen die Überflutung des deutschen Filmmarktes durch den Auslandsfilm geschah nichts. Im Gegenteil: Im Jahre 1951 trat die Bundesrepublik dem GATT-Abkommen (General Agreement of Tariffs and Trade) bei. Dieses Abkommen sieht eine Liberalisierung der Ein- und Ausfuhr auf breitester Grundlage vor." *(16) Das GATT räumte den Ländern, die der Ansicht waren, besondere Maßnahmen zum Schutz ihrer Filmproduktion ergreifen zu müssen, als einziges das Recht ein, Spielzeitquoten für einen bestimmten Zeitraum festzulegen. Von diesem Recht machten Frankreich, Italien und Großbritannien u.a. Gebrauch. Die Bundesrepublik sah sich allerdings insbesondere auf Drängen der USA hin genötigt, noch vor ihrem Beitritt zum GATT-Abkommen weitgehende Zugeständnisse bei dem sogenannten Abkommen von Torquay (Frühjahr 1951) zu machen. *(17) Darin verpflichtete sich die Bundesrepublik, daß, sofern eine Spielzeit-

* ( 1 6 ) Wilfried Adam:

*(17)

36

Vgl.

Das Risiko in der deutschen Filmwirtschaft, Filmwirtschaftliche Studien aus dem Industrieseminar der Universität Köln, Berlin 1959, S. 8 5 Walter Trautmann, Folgen eines Hollywood-Sieges in Torquay, in: Der Volkswirt 9, 1955, 4 1

Entwicklung der Filmproduktion

quoten-Festlegung überhaupt erforderlich sein sollte, diese 27 % nicht übersteigen sollte und daß, sofern Einschränkungen aufgrund der Devisenlage unumgänglich seien, diese nur den Nichttransfer der Einspielergebnisse betreffen würden. Während das Abkommen von Torquay, das die westdeutsche Filmwirtschaft nicht nur nicht schützte, sondern auch erheblich gegenüber der britischen, italienischen und französischen Filmproduktion benachteiligte, zumal die Regierungen dieser Länder ihre Filmwirtschaft durch unterschiedliche gesetzlich festgelegte Förderungsmaßnahmen unterstützten, 1955 von der Bundesrepublik gekündigt wurde, ergaben sich auch aus dem GATT-Abkommen für den westdeutschen Film keine Erleichterungen. Wenngleich Bund und Länder auch nichts gegen die ruinöse Überschwemmung des westdeutschen Filmmarktes mit ausländischen Filmen *(18) unternahmen, so bemühten sie sich doch zumindest zeitweilig darum, die Qualität des westdeutschen Spielfilms zu heben und ihm eine Art finanzielle Starthilfe zu geben. Nachdem 1950 die sogenannte erste Bürschaftsaktion angelaufen war, richtete der Bund 1952 die Bundesgesellschaft für Filmkredite ein, die die entsprechenden Mittel zu verwalten und zu vergeben hatte. " I n der ersten Bürgschaftsaktion der Jahre 1950 bis 1953 wurden 82 Spielfilme" (= 25 % der in diesem Zeitraum produzierten Spielfilme) "Produktionskredite gewährt in der Weise, daß der Bund bei den Spielfilmen jeweils die letzten 35 % des Gesamtkredites verbürgte. Es wurde insgesamt für rund 9,5 Mill .DM ungedeckt gebliebener Herstellungskosten von 20 Mill.DM eingegangener Verbürgung in Anspruch genommen. Die sogenannte zweite Bürgschaftsaktion, die anschließend von 1953 bis 1955 lief, verfügte durch das entsprechende Gesetz über einen Bürgschaftsplafond von 60 Mill.DM, mit welchen Mitteln (bis Januar 1955) 52 Filme verbürgt wurden . . . Die Verluste der westdeutschen Filmwirtschaft wurden im Jahr 1953 zu 70 % von der öffentlichen Hand getragen; auch im Jahr 1954 wurden schätzungsweise noch 50 % dieser Verluste aus öffentlichen Mitteln gedeckt." *(19)

*(18) Der Vorteil der ausländischen, insbesondere amerikanischen Filme lag nicht nur darin, daß sie aufwendige Ausstattungen und Starnamen aufweisen konnten. Vielmehr ist das Risiko für den Verleiher auch unvergleichbar geringer, da die Investition im Durchschnitt nur etwa 200 - 400.000 D M beträgt (in diesem Betrag sind die Kosten für Lizenz, Synchronisation, Werbematerial, Kopien etc. enthalten). Ein deutscher Spielfilm benötigt aber allein für seine Herstellung zwischen 0,8 bis 1,2 M i l l . D M im Durchschnitt. Hinzu k o m m e n die sog.Vorkosten, d.h. die A u f w e n dungen für Vorfilm, Kopien, Werbung etc. *(19) Walter Dadek: Die Filmwirtschaft, a.a.O., S. 120

37

Bundesrepublik Deutschland

Die wesentlichsten Unterschiede zwischen den beiden Förderungsaktionen sind darin zu sehen, daß bei der ersten Bürgschaftsaktion ausschließlich einzelne Filmvorhaben unterstützt wurden, bei der zweiten A k t i o n wurden hingegen nur noch Staffeln von vier und mehr Filmen, wenngleich auch bis zu einer Höhe von 100%, verbürgt. Das hatte zwangsläufig zur Folge, daß der überwiegende Teil der Produzenten, d.h. die Vielzahl der Filmhersteller, deren Jahresleistung unter vier Filmen blieb, überhaupt nur dann Bundesbürgschaften beantragen konnte, wenn ein Filmverleiher sich bereit fand, den Antrag für ihn zu stellen, was gleichbedeutend mit der Übernahme eines geplanten Films in die Staffel eines Verleihs war. Denn im Unterschied zu den einzelnen, kleineren Produzenten war es den Verleihern eher möglich, aus den Filmen verschiedener Produzenten eine Staffel von wenigstens vier Filmen zusammenzustellen, um damit der Bundesgesellschaft für Filmkredite eine gewisse Garantie für den Risikoausgleich innerhalb einer Filmstaffel zu bieten. S o verständlich aber dieser Absicherungsversuch der Bundesgesellschaft einerseits war, so problematisch war er andererseits für den einzelnen Produzenten, zumal er die ohnehin bereits bestehende Abhängigkeit der Produktion v o m Verleih nicht nur förderte, sondern faktisch auch erzwang. Die Meinungen über die Wirksamkeit dieser A r t der staatlichen Förderung waren unterschiedlich. In seinem schriftlichen Bericht jedenfalls kam der Bundestagsausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films *(20) zu dem abschließenden Ergebnis, daß die erste Bürgschaftsaktion keine erkennbare Anhebung des künstlerischen Niveaus des westdeutschen Films bewirkt habe. Demgegenüber wurde aber bestätigt, daß die zweite A k t i o n eine bescheidene Niveausteigerung erkennen ließe, wobei allerdings nicht eindeutig festgestellt werden könne, ob diese Niveausteigerung das Verdienst der Bürgschaften sei. Der Bericht des Bundestagsausschusses k o m m t abschließend zu dem Urteil, " d a ß eine Steigerung der Qualität mit den bisherigen Mitteln staatlicher Wirtschaftshilfe nur unzureichend gefördert werden kann." *(21) Nach Abschluß der Bürgschaftsaktion haben der Bund und die Länder, von Prämien und Preisen einmal abgesehen, zwischen 1955 und 1965 keine neuen Maßnahmen mehr ergriffen, um die einheimische Spielfilmproduktion in einer ähnlichen Form und in vergleichbarem Umfang, wie etwa in Italien, Frankreich und Großbritannien, zu unterstützen. Zwar hat es in der Zwischenzeit nicht an Plänen und Vorschlägen gemangelt, aber alle mehr oder weniger guten Absichten

*(20) Vgl. Schriftlicher Bericht des Bundestagsausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films, Drucksache Nr. 1187, vom 26.1.1955 *(21) Ebda., S. 6

38

Entwicklung der Filmproduktion

scheiterten letztlich daran, daß die Kulturhoheit bei den einzelnen Bundesländern liegt, und daß der Bund bestenfalls Wirtschaftsgesetze erlassen kann, *(22) von denen - wie das Beispiel Bundesbürgschaften gezeigt hat - weder eine wirkungsvolle Qualitätsförderung noch kulturpolitische Entscheidungen zu erwarten sind. Demgegenüber haben die Länder, die peinlich genau darauf achten, daß der Bund seine Kompetenzen nicht überschreitet,d.h. in ihre Domäne, das Erziehungs- und Bildungswesen bzw. die Kulturpolitik im weitesten Sinn des Wortes, nicht einbricht, in all den Jahren nichts unternommen, um den Spielfilm allgemein und den für die Erziehungs- und Bildungsarbeit speziell geeigneten und erforderlichen Spielfilm für Kinder und Jugendliche zu fördern. Diese Tatsache steht im vollen Gegensatz zu der Erkenntnis, daß der Staat (die Gesellschaft) aus kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und nicht zuletzt auch gesellschaftlichen Gründen an der Erhaltung und Förderung einer nationalen Filmproduktion (das gilt auch und gerade für die Kinderfilmproduktion) interessiert sein muß. Die bisher praktizierte Filmpolitik von Bund und Ländern, die aufgrund der gesellschaftlichen Funktion des Massenkommunikationsmittels Film zugleich auch Teil der allgemeinen Kulturpolitik ist, läßt allerdings nur den Schluß zu, daß von den verantwortlichen Stellen in Bund und Ländern die kulturelle, erzieherische, wirtschaftliche, politische und soziale Bedeutung des Films nicht nur nicht erkannt, sondern vor allem auch noch nicht anerkannt wurde. Den besten Beweis für diese These vermag die in der Bundesrepublik praktizierte Form der Filmbesteuerung zu liefern. Um die Besteuerung des Films im rechten Licht zu sehen, muß man bedenken, daß der Staat bzw. die Länder und Gemeinden die Theater in der Bundesrepublik jährlich mit rund DM 300 Mill.(Spielzeit 1963/64) subventionieren. Diese Subventionen haben rapide zugenommen. So waren es 1959 "nur" 186,5 Mill.DM und 1962 bereits 240 Mill.DM *(23). Die öffentliche Hand leistet sich diesen nicht unerheblichen Aufwand aus kulturellen und repräsentativen Gründen, und weil sie an der Erhaltung der (gegenüber anderen Ländern) vergleichsweise vielen Theater, die aufgrund ihrer gegenwärtigen Struktur ohne Subventionen nicht mehr lebensfähig sind, interessiert ist. Das Kulturgut Film hingegen, das im Gegensatz zu den Theatern über eine weitaus größere Anziehungskraft und Verbreitung verfügt und folglich auch wesentlich größeren Einfluß auf die Freizeitgestaltung, das Konsumverhalten und die Geschmacksbildung des Publikums ausübt, erhält nicht nur keine Subventionen, sondern wird darüber hinaus auch noch mit hohen steuerlichen Abgaben belastet. *(22)

Vgl. auch:

*(23)

Vgl.:

Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films (Filmförderungsgesetz) vom 22.12.1967, Bundesgesetzblatt,.^. 1967, Teil 1 (Nr.75) Hans Daiber: Theater - eine Bilanz, München - Wien 1965, S. 15 f

39

Bundesrepublik Deutschland

Tabelle IV Vergnügungssteuer-Einnahmen (im Kalenderjahr) aus Filmvorführungen von 1955-1965

Bundesgebiet einschl.Berlin(West) in Mill.

Zu-bzw. Abnahme ggb. Vorjahr in %

1955

140,767

+

0,7

1956

in % der GemeindeSteuereinnahmen 1)

-

150,868

+

7,2

2,5

1957

152,539

+

1,1

2,2

1958

142,526

-

6.6

2,0

1959

121,345

-

16,5

1,4

1960

105,728

-

12,9

1,1

1961

82,128

-

22,3

0,8

1962

55,375

-

32,6

0,5

1963

37,889

-

31,6

0,3

1964

28,540

-

24,7

0,2

1965

23,817

-

16,5

0,2

1)

Ohne Berücksichtigung der steuerähnlichen Einnahmen und ohne allgemeine Finanzzuweisungen

Quelle:

40

Statistisches Bundesamt, Wiesbaden

Entwicklung der Filmproduktion

"Das Filmwesen kann deshalb nicht mehr als einfacher Zweig privater Gewerbetätigkeit angesehen werden, sondern ist als Gegenstand des allgemeinen Interesses zu einem wichtigen öffentlichen Anliegen geworden, auf das der Staat durch wirtschafts- und kulturpolitische Maßnahmen einen immer stärkeren Einfluß zu gewinnen trachten m u ß . . . Das Filmwesen der totalitären Staaten untersteht ausschließlich staatlicher Aufsicht und wird durch zentrale Stellen gelenkt. Hier sind weniger ökonomische als außerwirtschaftliche, in erster Linie weltanschauliche Gesichtspunkte bestimmend. Der Film wird als ideales Propaganda-und Aufklärungsinstrument nationalen und politischen Zielen und Zwecken dienstbar gemacht. Doch auch in demokratisch regierten Ländern bewirkt die wachsende Bedeutung dieses Kultur- und Wirtschaftsfaktors eine immer intensivere Fühlungnahme und Auseinandersetzung mit dem Problem des Films. Selbst in den meisten marktwirtschaftlich orientierten Ländern neigt die Entwicklung dahin, den Film nicht mehr frei nur den Gesetzen des Marktes und dem privaten Gewinnstreben zu überlassen, sondern eine engere Abhängigkeit vom Staat, eine stärkere staatliche Einflußnahme auf die Filmwirtschaft aus politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gründen anzustreben." *(24) Die steuerliche Belastung der Filmwirtschaft setzt sich aus zwei großen Gruppen zusammen: der sogenannten Vergnügungs-Steuer und der Umsatzsteuer (unberücksichtigt bleibt der sogenannte Notgroschen, eine zusätzliche Steuer, die in einem großen Teil der Gemeinden Bayerns erhoben wird). Wenngleich auch, wie die nebenstehende Übersicht zeigt, das Vergnügungssteuer-Aufkommen bei Filmvorführungen seit 1958 stark rückläufig ist, was nicht nur auf die Senkung der Vergnügungssteuer-Sätze in einzelnen Bundesländern, sondern vor allem auch auf die seit 1956 rückläufigen jährlichen Besucherzahlen zurückzuführen ist, so werden dennoch durch diese Steuer der Filmwirtschaft jährlich MillionenBeträge entzogen, die sie schwer belasten und vor allem auch beispielweise gegenüber dem Theater und vor allem dem Fernsehen eindeutig benachteiligen. Da andererseits aber das Vergnügungssteuer-Aufkommen in der Bundesrepublik im Vergleich zu den Gesamtsteuer-Einnahmen der Gemeinden fast keine oder (zumindest seit 1960) gar keine Rolle mehr spielt, ist das Argument der Filmwirtschaft, daß es sich hierbei um eine Bagatell- bzw. anachronistische Steuer handele, nicht von der Hand zu weisen. Der bereits erwähnte Bundestagsausschuß kam in seiner Untersuchung zu dem Schluß, daß durch "das Vergnügungssteuersystem, dem noch Züge des mittelalterlichen Brücken- und Wegezolls anhaften, einer organischen Entwicklung der deutschen Filmwirtschaft großer Schaden zugefügt werde." *(25)

* (24) Otto Brennecke: « (25) a.a.O. 6

Staat und Filmwirtschaft, (Diss.), Tübingen 1953 (Vorwort)

41

Bundesrepublik Deutschland

In seiner Untersuchung verweist Dadek mit Recht darauf, daß im Vergleich zwischen der steuerlichen Belastung der Filmwirtschaft und der stark eingeengten Ertragslage der Produktion ein Mißverhältnis entstehe. So entziehe die öffentliche Hand (eine Unterscheidung zwischen Gemeinden, Ländern und Staat ist in diesem Zusammenhang nicht notwendig) der Filmwirtschaft erhebliche Mittel, um auf der anderen Seite wenigstens einen kleinen Teil dieser Mittel (in Form von Preisen und Prämien verschiedenster Art) unter dem Titel Kulturförderung dem Film wieder als Subvention zufließen zu lassen. " I n wirtschaftlicher Hinsicht ist dabei entscheidend, daß das Gegebene, wie groß immer es sei und in welcher Form immer es zur Verfügung gestellt wird, verlorenes Geld ist, weil jeglicher Produktionspolitik auf dem Gebiet des Films der wirklich nachhaltige positive Effekt versagt bleiben muß. Es wäre besser nicht zu geben, dafür aber dem seit Jahrzehnten unablässig erhobenen Verlangen nach einer Senkung der hohen steuerlichen Lasten ein williges Ohr zu leihen." *(26) Schließlich verweist Dadek noch darauf, daß (was insbesondere für die fünfziger Jahre galt) die bei Filmvorführungen erhobene Vergnügungssteuer in fiskalisch vereinfachter Sicht den Gemeinden dazu diente, ihre kulturpolitischen Förderungsmaßnahmen (insbesondere z.B. die Subventionierung der Theater) zu finanzieren. Wichtig für das Verständnis der besonderen Situation der westdeutschen Filmwirtschaft ist ferner Dadeks Feststellung, daß die Art und Höhe der Besteuerung der Filmwirtschaft, die den Wirtschaftszweig in seiner Absatzsphäre belaste, den Mengen-Überangebotsmarkt begünstige und der geforderten Entwicklung zum Qualitätsmarkt im Wege stehe. *(27)

*(26) *(27)

42

Walter Dadek: Die Filmwirtschaft, a.a.O., S. 211 Ebda., S. 212 f

Entwicklung der Filmproduktion

II.

Entstehung und Entwicklung der Märchenfilmproduktion

1. Entstehung der deutschen Märchenfilmproduktion

Einer der ältesten, wenn nicht gar der älteste deutsche Märchenfilm stammt aus dem Jahre 1916. Es war "Rübezahls Hochzeit" von Paul Wegener, der den Film produzierte, Regie führte und auch selbst in der Rolle des Rübezahls auftrat. Bereits im darauffolgenden Jahr brachte Wegener einen weiteren Märchenfilm heraus, " D e r Rattenfänger von Hameln" (1917), in dem wiederum Lyda Salmonova und Wegener die Hauptrollen spielten. Es folgte 1918 der Film " D a s kalte Herz" (Regie: Sauer) - frei nach Wilhelm Hauff. *(28) Wenngleich man auch mit den drei genannten Filmen die Geschichte der deutschen Märchenverfilmungen beginnen lassen muß, so wäre es sicherlich verfehlt, zugleich in diesen Filmen die Anfänge der Kinderfilmproduktion sehen zu wollen. Denn abgesehen davon, daß beispielsweise in " D e r Rattenfänger von Hameln" handfeste Grausamkeiten wie eine Hinrichtung durch den Strang vorkommen, die für Kinder nicht gerade geeignet erscheinen, ist der Rückgriff auf bekannte Märchenvorlagen in erster Linie wohl damit zu erklären, daß sich seinerzeit die "Verfilmung" von Romanen und Theaterstücken u.a. großer Beliebtheit erfreute. Der akute Mangel an Originalstoffen und an Autoren zwang die experimentierfreudigen Filmleute in den Anfangsjahren des Films, auf vorhandene literarische Werke zurückzugreifen, die dann dramatisiert, kinowirksam und sensationell zurecht gemacht wurden und nicht selten - außer dem Titel - mit der Vorlage nichts mehr gemein hatten. Ebenso wenig aber wie z.B. die Märchenfilme von Wegener können auch die ersten Silhouetten- und Scherenschnittfilme, deren Anfänge bis ins Gründungsjahr der Ufa (1917) zurückreichen, als eigentliche Vorläufer des Kinderfilms gewertet werden. Besondere Verdienste um diese Filmform erwarben sich Hans Cürlis, der 1919 ein Institut für Kulturforschung einrichtete, und Lotte Reiniger, die auf dem Tricktisch dieses Instituts ihre ersten kurzen Silhouettenfilme anfertigte. Der erste dieser Filme war " D a s Ornament des verliebten Herzens" (1919). Lotte Reiniger verschrieb sich ganz diesem seltenen Genre und wurde durch Filme wie " D i e Abenteuer des Prinzen A c h m e d " (1926), wahrscheinlich der erste lange Silhouettenfilm, der überhaupt hergestellt wurde, und " D r . D o o little und die Tiere" (1928, Scherenschnittfilm) weit über die Grenzen ihres Landes bekannt. " K e i n Künstler hat jemals wieder die Meisterhaftigkeit in der Silhouettenfilmherstellung erreicht, wie sie Lotte Reiniger besaß". *(29) *(28)

*(29)

Ausschnitte aus den drei genannten Filmen sind in der v o m Institut für Film und Bild, München, herausgegebenen Reihe " B i l d d o k u m e n t e zur Geschichte des F i l m s " enthalten. Vgl. auch das zu dieser Reihe erschienene schriftliche Begleitmaterial (S. 55 f) Friedrich von Zglinicki: Der Weg des Films, Berlin 1956, S. 24

43

Bundesrepublik Deutschland

1.1

Märchenfilm in den dreißiger Jahren

Bereits im Jahr 1928 nahmen die Gebr. Diehl (Ferdinand, Hermann und Dr. P.Diehl) ihre Scherenschnitt· und Puppentrickfilmproduktion auf, womit sie den Grundstein einer, wenngleich zunächst auch nur sporadischen Kinderfilmproduktion in Deutschland legten. Der erste Film der Gebr.Diehl war "Kalif Storch", ein Scherenschnittfilm nach dem Märchen von Wilhelm Hauff, der Anfang 1931 fertig gestellt wurde und eine Länge von rund 42 Minuten besaß. Nach diesem Film widmeten sich die Gebr. Diehl ausschließlich dem Puppentrickfilm, einem Genre, dem die kleine , aber beständige Firma bis heute treu geblieben ist. Zwischen 1935 und 1944 stellten die Gebr. Diehl, die 1937 ihren ersten langen Puppenfilm ("Die sieben Raben") beenden konnten, insgesamt 8 kurze bzw. mittellange (maximal 3 5 Min.) Puppentrickfilme im Auftrag der "Reichseigenen Anstalt für Film und Bild" (RWU) *(30) her, die eine enorme Verbreitung fanden und mindestens zwei Jahrzehnte lang zu den Märchenfilmen gehörten, die in fast jeder^Schule und jeder Generation von Schülern gezeigt wurden. *(31) Außerhalb des Ufa-Konzerns und sozusagen am Rande der deutschen Filmwirtschaft wurde 1934 in Berlin der erste Filmverleih gegründet, der es sich ausschließlich zur Aufgabe machte, sich in den Dienst des Kinder- und damit des Märchenfilms zu stellen. Gründer des zunächst kleinen und bescheidenen Familienunternehmens in Berlin war Willy Wohlrabe, der seiner noch heute bestehenden Firma den Namen Jugendfilm-Verleih gab. Willy Wohlrabe, der zunächst Lehrer und später in der Jugendarbeit tätig war (u.a.als Erziehungsdirektor der Stadt Chemnitz, heute: Karl-Marx-Stadt), brachte alle Voraussetzungen mit, um sich mit idealistischer Leidenschaft und Beharrlichkeit, aber vor allem auch aus innerster Überzeugung einem filmischen Spezialgebiet zu widmen, das noch völlig in den Kinderschuhen steckte. Nachdem noch heute, mehr als 30 Jahre später, ein nicht unbedeutender Teil der Schulpädagogen filmfeindlich eingestellt sind, kann man kaum mehr ermessen, was es 1934 bedeutete, ein Unternehmen aufzubauen, das sich von vornherein auf die Verbreitung von Märchenfilmen spezialisiert hatte. Die führende Rolle, die der Jugendfilm-Verleih allmählich einzunehmen und über die Wirren der Kriegs- und Nachkriegsjahre bis gegen Ende der fünfziger Jahre zu halten verstand, beruht nicht zuletzt auf der Tatsache, daß er sich von Anfang an der Propagierung, Verbreitung und oftmals über die reine Beratung * ( 3 0 ) heute: Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht ( F W U ) . M ü n c h e n *(31) Obwohl diese Filme heute selbstverständlich technisch und gestalterisch überholt sind, werden sie noch immer von den meisten Stadt-u.Kreisbildstellen in der B R D angeboten.

44

Entwicklung der Filmproduktion

hinausgehenden Förderung der Produktion von Märchenfilmen verschrieb. Diese Spezialisierung erfolgte nicht ohne Grund. Aus damaliger pädagogischer Sicht hegte man zwar gegenüber dem Film allgemein erhebliche, aber gegenüber der Verfilmung von Märchen nur geringfügige oder gar keine Bedenken. Dank der Popularität, die die in Deutschland verbreiteten Märchen genießen, hatten es Märchenfilme relativ einfach sich durchzusetzen, da bereits die Titel der Filme eine ausreichende Werbewirksamkeit besaßen. Bereits in den ersten Jahren des Bestehens seiner Firma gelang es Willy Wohlrabe, zwei Produzenten und Regisseure für seine Ziele zu gewinnen: Alf Zengerling und Hubert Schonger. Beide spezialisierten sich auf die Herstellung von Märchenfilmen, wobei Zengerling zum führenden und teilweise einzigen Märchenfilm-Hersteller der Vor-und Kriegsjahre wurde, wärend Schonger vor allem zwischen 1945 und 1957 zum führenden Märchenfilmproduzenten avancierte. Daß die deutsche Kinderfilmproduktion bis Kriegsende auf die Verfilmung von Märchenstoffen beschränkt blieb, ist nur teilweise auf die speziellen Interessen und Intentionen ihrer privaten Träger zurückzuführen. Vielmehr wurde diese Selbstbeschränkung auch durch die politischen Ereignisse in Deutschland gefördert bzw. erzwungen. Der Märchenfilm gehörte zu den wenigen Bereichen, die politisch völlig unverdächtig waren und auf die folglich die nationalsozialistischen Machthaber keinen Einfluß zu nehmen versuchten.

2. Märchenfilmproduktion nach 1945

Die westdeutsche Kinderfilmproduktion der Nachkriegszeit setzte die von den Produzenten Diehl, Zengerling und Schonger und dem Verleiher Wohlrabe in der Vor- und Kriegszeit festgelegte Linie fort. Folglich war und blieb in der späteren Bundesrepublik der Kinderfilm identisch mit dem Märchenfilm. Bis zur Wiederaufnahme der Märchenfilmproduktion vergingen allerdings noch mehrere Jahre, da den wenigen auf diese Filmgattung spezialisierten Produzenten zunächst die finanzielle Basis für die Neuproduktion fehlte. Sie waren deshalb auf die direkte oder indirekte finanzielle Unterstützung durch den Verleih angewiesen. Als Verleiher aber kam wiederum nur der Jugendfilm-Verleih in Frage, der bei Kriegsende bereits auf eine mehr als zehnjährige Erfahrung zurückblicken konnte. Zwar nahm dieser Verleih unmittelbar nach dem Zusammenbruch seine Tätigkeit in West-Berlin wieder auf, aber er mußte sich in den Jahren des Wiederaufbaus zunächst darauf beschränken, die in der Vorkriegszeit hergestellten Märchenfilme weiter auszuwerten und neue Absatzgebiete zu erschließen.

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Bundesrepublik Deutschland

Tabelle V Übersicht über die an der Herstellung von Kinderfilmen beteiligten Produktionsfirmen

Schonger - Filmproduktion

15 Spielfilme

(=32%)

(Hubert Schonger) Genschow - Filmproduktion (Fritz Genschow)

10 Spielfilme (= 21 % )

Förster - Filmproduktion (Alfred Förster)

4 Spielfilme (= 8 %)

Delos - Film

4 Spielfilme (=

Zengerling - Filmproduktion (Alf Zengerling)

4 Spielfilme (= 8 % )

Diehl - Filmproduktion (Ferdinand Diehl)

2 Spielfilme (=

8 %)

5 %)

sowie 8 weitere Filmproduktionsfirmen, die jeweils nur einen Spielfilm für Kinder (Märchenfilm) herstellten. A u s dieser Übersicht ist zu entnehmen, daß nur zwei der insgesamt vierzehn an der Märchenfilmherstellung beteiligten Produktionsfirmen - Schonger und Genschow - eine kontinuierliche Produktion aufrecht erhalten konnten. Diese verteilte sich auf die einzelnen Jahre wie folgt:

Tabelle V I Jahr 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955

46

Schonger

Genschow

1

2 2 2

3 3

Entwicklung der Filmproduktion

Jahr 1956 1957 1958 1959 1960 1961

Schonger 3 1

Genschow 2 1

1 1

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Bundesrepublik Deutschland

Bis zum Ende des Krieges hatte der Jugendfilm-Verleih vor allem die östlichen und weniger die westlichen Gebiete des Reiches betreut. Durch die Teilung Deutschlands verlor er seine wichtigsten Absatzgebiete: Sachsen, Thüringen, Mecklenburg, Schlesien, Ostpreußen und Pommern. Die Erschließung neuer Absatzgebiete im Westen war zumindest bis zur Jahresmitte 1947 dadurch behindert, daß ein freier Austausch von Filmen zwischen den einzelnen Besatzungszonen nicht möglich war. Als erster Märchenfilmproduzent nahm Hubert Schonger, der seinen Betrieb inzwischen von Berlin nach Süddeutschland verlegt hatte, im Jahr 1948 die Arbeit wieder auf und stellte den Film " F r a u Holle" (nach dem Märchen der Gebr.Grimm) fertig. Ihm folgte im darauffolgenden Jahr Alf Zengerling mit seinem halbstündigen Märchenfilm " D e r Hampelmann und die Puppenprinzessin". Während Zengerling nach dem Krieg nur insgesamt 4 Märchenfilme (zwischen 1949 und 1953 und keinen länger als 4 5 Min.) herstellte, bei denen er stets auch für Regie und Buch verantwortlich zeichnete, brachte es die Schonger-Filmproduktion immerhin auf 15 Märchenfilme (zwischen 1948 und 1961). 3.

Höhepunkt und Ende der Märchenfilmproduktion

A u s dem Leistungsvergleich (vgl. Tabelle) zwischen den Produzenten Schonger und Genschow ergibt sich u.a. auch, daß die Märchenfilmproduktion zwischen 1953 und 1956 eine kurze Blütezeit erlebte. Deutlicher wird dies allerdings aus der Produktionsübersicht für die Jahre 1948 bis 1961: 1948 1949 1950 1951 1952

= = = = =

1 2 2 1 2

1953 1954 1955 1956 1957

= = = = =

8 9 9 7 3

1958 = 1959 = 1 1960 1961 1962

Der auffallende Produktionsanstieg, der 1953 ebenso plötzlich einsetzte wie er 1957 wieder abbrach, ist relativ einfach zu erklären. Im gleichen Zeitraum erzielte die gesamte Filmwirtschaft im Bundesgebiet ihre größten Erfolge in der Nachkriegszeit, was sich einerseits an der Zahl der Besucher und andererseits an der Zahl der hergestellten Filme ablesen läßt.

48

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle V I I

Jahr

1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960

Spielfilme

82 104 109 128 122 107 115 106 94

Filmbesuche in Mill.

615 680 736 766 818 801 753 671 605

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Bundesrepublik Deutschland

Ihre geschäftlichen Erfolge Mitte der fünfziger Jahre hatte die Filmwirtschaft nicht zuletzt den sogenannten Heimat- oder Schnulzenfilmen zu verdanken. Es darf angenommen werden, daß von dieser Tendenz direkt oder indirekt auch die Märchenfilmproduktion profitierte. Während für die Filmwirtschaft allgemein das Jahr 1958 eine Wende brachte, da zu diesem Zeitpunkt die Zweimillionen-Grenze bei den Besitzern von Fernsehapparaten überschritten und somit die Konkurrenz durch das Fernsehen spürbar wurde, war der Märchenfilmproduktion bereits im vorangegangenen Jahr durch gesetzgeberische Maßnahmen die Existenzgrundlage entzogen worden. Die 1957 verabschiedete Novelle zum Jugendschutzgesetz beinhaltet u.a. ein generelles Filmverbot für Kinder unter 6 Jahren, d.h. Kinder unter 6 Jahren durften ab sofort weder allein noch in Begleitung von Erwachsenen öffentliche Filmveranstaltungen besuchen. Dieses Gesetz wirkte sich auf die Märchenfilmveranstaltungen der Filmtheater und die Herstellung von Märchenfilmen insofern katastrophal aus, weil bisher etwa 5 0 bis 7 0 % der Besucher von Märchenfilmveranstaltungen Kinder unter sechs Jahren gewesen waren. Auf die Gründe, die für bzw. gegen die Einführung des neuen Jugendschutzgesetzes sprachen, kann in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden, wenngleich auch festgestellt werden muß, daß das Jugendschutzgesetz in seiner derzeitigen Form auf eine einseitige Belastung der Filmwirtschaft hinausläuft und eine Mißachtung des Gleichheitsgrundsatzes darstellt. Denn im Gegensatz zum Film unterliegt das Fernsehen keinen einschränkenden gesetzlichen Bestimmungen, so daß die paradoxe Situation entsteht, daß einerseits Kinder unter 6 Jahren zwar nicht ins Kino und auch später nur die Filme offiziell sehen dürfen, die für ihre Altersstufe freigegeben sind, daß andererseits aber die gleichen Kinder die u.U. auch gleichen Filme ungehindert im Fernsehen sehen können (vorausgesetzt, daß die Eltern keinen oder nur wenig Einfluß auf den TV-Konsum ihrer Kinder nehmen).

4.

Filmfreigabe und Jugendschutz

Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) nahm am 1 8 . 7 . 1 9 4 9 in Wiesbaden ihre Arbeit auf. * ( 3 2 ) Obwohl das Grundgesetz der Bundesrepublik *(32)

50

Die Hohe Alliierte Kommission in Deutschland verkündete am 2 1 . 9 . 1 9 4 9 das Gesetz Nr.5. Artikel 12 dieses Gesetzes hob das Gesetz Nr. 191 und die dazu erlassenen Nachrichtenkontroll-Vorschriften auf. D a m i t wurde de jure die Filmzensur der Alliierten abgeschafft.

Entwicklung der Filmproduktion

Deutschland eine staatliche Zensur bzw. zensurähnliche Maßnahmen verbietet, sah sich die Filmwirtschaft unter dem massiven Druck der Öffentlichkeit gezwungen, die sogenannte Selbstkontrolle der Filmwirtschaft einzuführen. Alle Mitglieder der Filmwirtschaft verpflichteten sich freiwillig, die Entscheidungen der FSK als für sie verbindlich anzusehen. Durch die Einrichtung der FSK wurde verhindert, daß die einzelnen Bundesländer aufgrund der ihnen vom Grundgesetz garantierten Kulturhoheit voneinander abweichende Bestimmungen für die Freigabe von Filmen allgemein und die Jugendfreigabe im besonderen erließen. Die FSK verfügt über drei Instanzen: Arbeitsausschuß Hauptausschuß Rechtsausschuß Der Arbeitsausschuß umfaßt acht Mitglieder, wovon je vier von der Filmwirtschaft und der öffentlichen Hand bestellt werden. Als Mitglieder der öffentlichen Hand gelten je ein Vertreter des Bundes, der Länder, des Bundesjugendringes und der Kirchen. Der Hauptausschuß, den sowohl der Antragsteller als auch die überstimmten Mitglieder des Arbeitsausschusses anrufen können, setzt sich aus insgesamt 15 Mitgliedern zusammen und zwar aus dem Vorsitzenden und je sieben von der Filmwirtschaft und sieben von der öffentlichen Hand bestellten ehrenamtlichen Mitgliedern. Unter den von der öffentlichen Hand bestellten Mitgliedern sind zwei Vertreter des Bundes, zwei der Länder, einer des Bundesjugendringes und zwei der Kirchen. Der Rechtsausschuß, der die letzte und höchste Instanz darstellt, umfaßt fünf Mitglieder, die die Befähigung zum Richteramt haben und entweder planmäßige Richter des Bundes oder der Länder oder ordentliche oder außerordentliche Professoren des Rechts sein müssen. *(33) Das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit vom 4.12.1951 (Paragraph 6, Abs. 1) sah für die Zulassung von Kindern und Jugendlichen zu öffentlichen Filmveranstaltungen folgende Regelung vor: Zugelassen werden dürfen: 1. Kinder im Alter bis zu 10 Jahren, wenn die dabei vorgezeigten Filme als jugendfördernd anerkannt sind und die Veranstaltung bis spätestens 20 Uhr beendet ist. Kinder unter 6 Jahren jedoch nur in Begleitung der Erziehungsberechtigten; 2. Jugendliche im Alter von 10 bis 16 Jahren, wenn die dabei vorgezeigten Filme als geeignet zur Vorführung vor Jugendlichen anerkannt sind und die Veranstaltung bis 22 Uhr beendet ist. *(33)

Vgl. Grundsätze der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (Fassung vom 1 7 . 3 . 1 9 5 5 bzw. vom 1.3.1960)

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Bundesrepublik Deutschland

Mit der Änderung des Jugendschutzgesetzes, die nach jahrelangen und teilweise sehr heftig geführten Auseinandersetzungen am 27.7.1957 vom Bundestag beschlossen wurde, fielen die bis dahin verwendeten Bezeichnungen jugendfördernd und jugendgeeignet weg. Während der Besuch öffentlicher Filmveranstaltungen für Kinder unter 6 Jahren generell verboten wurde, sah das Gesetz für die anderen Altersgruppen und damit für die Jugendfreigabe von Filmen folgende Regelung vor: Freigegeben Freigegeben Freigegeben Freigegeben

ab 6 Jahren ab 12 Jahren ab 16 Jahren ab 18 Jahren

Zuständig für die Freigabe von Filmen für Kinder und Jugendliche sind die obersten Landesjugendbehörden, die sich hierbei der Prüftätigkeit der Ausschüsse der FSK als gutachterlicher Grundlage bedienen. Zu diesem Zweck wurde der Arbeitsausschuß um einen Sachverständigen für Jugendschutz erweitert. Im Hauptausschuß treten an die Stelle eines Vertreters des Bundes, der zwei Ländervertreter und zweier Vertreter der Filmwirtschaft Jugendschutzsachverständige in entsprechender Zahl. Schließlich wurde auch der Rechtsausschuß um zwei Jugend- oder Vormundschaftsrichter, wobei einer von den Ländern und einer von der Filmwirtschaft ernannt wird, erweitert. Unabhängig von der Entscheidung der FSK kann jedes Land die erneute Jugendprüfung (Apellationsverfahren) eines Films durch die FSK verlangen. *(34) 5. Wirtschaftliche Probleme der Märchenfilmproduktion

Über die besonderen wirtschaftlichen Risiken, mit denen die westdeutsche Filmwirtschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges konfrontiert wird, wurde an an derer Stelle bereits ausführlich berichtet. Hier geht es nun um eine Analyse der speziellen Probleme der Kinder- bzw. Märchenfilmproduktion, die eine strukturbedingte Sonderstellung einnimmt und folglich auch nicht nur mit allgemeinen wirtschaftlichen Maßstäben gemessen werden kann. Die deutsche Märchenfilmproduktion war während der NS-Zeit bestenfalls geduldet; Unterstützung in irgendeiner Form durch staatliche oder halbstaatliche Stellen hatte sie nicht zu erwarten - ganz abgesehen davon, daß Unterstützung in

*(34)

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Vgl.:

Ergänzung der Grundsätze der FSK im Hinblick auf das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit vom 27.7.1957 (BGBl. I S. 1058) Fassung vom 23.11.1959

Entwicklung der Filmproduktion

diesem Fall mit der Aufgabe der Selbständigkeit identisch wäre. In der Nachkriegszeit wurde die Märchenfilmproduktion zwar wieder aufgenommen und - abgesehen von den Jahren 1953 bis 1956 - in bescheidenem Umfang bis 1957 fortgeführt, aber die wenigen an diesem Kinderfilmtyp beteiligten Produzenten und Verleiher waren finanziell völlig auf sich allein gestellt und erhielten abermals keine Unterstützung seitens staatlicher oder halbstaatlicher Stellen. Damit war die deutsche Märchenfilmproduktion im internationalen Vergleich die einzige mehr oder weniger kontinuierliche Kinderfilmproduktion, die über einen längeren Zeitraum bestehen konnte, ohne durch gesetzliche Maßnahmen gestützt oder durch staatliche Gelder unterstützt zu werden. Dieses Phänomen ist einzig und allein durch die Tatsache zu erklären, daß sich die Volksmärchen in Deutschland einer erstaunlichen Popularität erfreuen. Dank der Popularität der verbreitetsten Märchenstoffe, wozu insbesondere die Märchen der Gebr. Grimm gehören, war es trotz vergleichsweise bescheidenem Werbeaufwand und trotz teilweise entsprechend niedriger Qualität möglich, dem Märchenfilm eine Abspielbasis zu verschaffen. Da der Märchenfilm sich aber in erster Linie an die Altersgruppe der etwa Vier- bis Achtjährigen wendet, und er von Kindern nach dem Eintritt in die sogenannte realistische Phase (zwischen 8 bis 10 Jahren) abgelehnt wird, versetzten die Änderung des Jugendschutzgesetzes einerseits und die schnelle Ausbreitung des Fernsehens andererseits, dessen Nachmittagsprogramm die Unterhaltungsbedürfnisse von Kleinkindern weitestgehend zu befriedigen vermag, dem Märchenfilm endgültig den Todesstoß. Aber auch vor dem insbesondere durch außerfilmische Ereignisse hervorgerufenen Zusammenbruch der finanziellen Basis der Märchenfilmproduktion war diese Basis stets äußerst schmal und im wirtschaftlichen Sinn nie richtig gesund gewesen. Das lag einerseits daran, daß die wenigen Produzenten (Schonger, Genschow, Zengerling, Diehl, Förster u.a.), die sich ganz auf die Herstellung von Märchenfilmen spezialisiert hatten, nur eine sehr geringe Jahreskapazität besaßen und folglich innerhalb ihrer Produktionen keinen Risikoausgleich herbeiführen konnten. Gleichzeitig war aber auch eine Erhöhung der Jahreskapazität praktisch unmöglich, da Kinder- bzw. Märchenfilme sich nicht - wie der "normale" Spielfilm - innerhalb weniger Monate, sondern im Durchschnitt erst nach vier (schwarzweiß Filme) bzw. sechs Jahren (Farbfilme) amortisieren. Eine derartig langfristige Kapitalanlage können sich eigentlich nur Großunternehmen oder aber Banken und ähnliche Einrichtungen leisten. Vorausgesetzt, daß ein Produzent aber überhaupt Kredite von Dritten erhält, was bei dem hohen Risiko und den nicht selten in die Millionen gehenden Verlusten, die mit dem Filmgeschäft verbunden sind, immer schwieriger, wenn nicht gar aussichtslos geworden ist, so verteuert sich durch die anfallenden Zinsen das Filmprojekt erheblich, was wiederum zwangsläufig zur Verlängerung der Amortisationszeit führt.

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Bundesrepublik Deutschland

Noch deutlicher allerdings wird die für einen privaten Unternehmer sozusagen hoffnungslose Situation im Bereich des Kinderfilms, wenn man neben die strukturellen Schwierigkeiten der Produktion die gleichfalls strukturellen Besonderheiten bei der Auswertung der Filme stellt. Selbst ein durchschnittlicher Spielfilm wird in den Filmtheatern wenigstens an drei bzw. vier aufeinanderfolgenden Tagen gezeigt, wobei er es pro Theater auf mindestens 9 (bei 3 Vorstellungen pro Tag) und maximal 20 Vorstellungen (bei 5 Vorstellungen pro Tag und 4 Tagen Laufzeit) bringt. Demgegenüber werden Kinder-bzw. Märchenfilme nur für Einzelveranstaltungen terminiert. Mitunter konnten und können sie in größeren Städten maximal drei Vorstellungen erzielen (bei den Märchenfilmveranstaltungen wurden die Filme früher teilweise am Samstagmittag sowie am Sonntagmorgen und -mittag gezeigt). Hinzu kommt, daß Kinderfilmvorstellungen in allen Ländern als Sonderveranstaltungen gewertet werden, bei denen Kindern und meist auch den sie begleitenden Erwachsenen erheblich reduzierte Eintrittspreise abverlangt werden. Unter besonderer Berücksichtigung dieser Umstände läßt sich eine Durchschnittsrechnung aufstellen, die die theoretischen Überlegungen untermauern helfen kann. Geht man von der für eine Kinderfilmvorführung bereits recht beachtlichen Zahl von 500 Besuchern und einem durchschnittlichen Eintrittspreis von DM 1.- aus, so ergeben sich folgende Ergebnisse: Brutto-Theatereinnahmen

DM 500.-

Filmleihmiete (durchschnittlich rund 40 % der Netto-Einnahmen)

ca.

DM 160.--

ca.

DM

Produzenten-Anteil (durchschnittlich 60 % der Leihmiete)

90.--

Verleiher-Anteil (durchschnittlich 40 % der Leihmiete) ca. DM 60.Aus Gründen der Vereinfachung wurden in diesem Beispiel die steuerlichen Belastungen (Umsatzsteuer und Vergnügungssteuerabgabe u.a.) nur andeutungsweise berücksichtigt. Aus diesem Beispiel ist zu entnehmen, daß lediglich der Theaterbesitzer auf seine Kosten kommt. Mit dem ihm verbleibenden Betrag von rund DM 300.-- kann er seine Kosten (Werbung, Personal, Strom, Heizung u.a.) decken. Ferner verbleibt ihm ein, wenngleich auch bescheidener Gewinn. Weniger vorteilhaft sieht diese Rechnung für den Verleiher aus. Eine Einnahme von rund DM 60.- wird die Unkosten eines leistungsfähigen, größeren Verleihunternehmens, die sich aus den sogenannten Vorkosten (Kosten für Werbematerial, Kopien, Beifilm, FSK- und ggf. auch Prüfkosten bei der Filmbewertungsstelle der

54

Entwicklung der Filmproduktion

Länder / F B W etc.) und den laufenden Kosten (Personal.Geschäftsunkosten, Frachtkosten, Kopienlagerung und -pflege etc.) zusammensetzen, kaum decken können. Dabei wirken sich für den Verleiher von Kinderfilmen besonders nachteilig die Einzeleinsätze seiner Filme aus, da ein einzelner Einsatz die gleichen Unkosten hervorruft wie der Einsatz eines Films in einem bestimmten Theater über mehrere Tage oder sogar Wochen hinweg. Als letzter in der Reihe muß der Produzent erwähnt werden. A u s dem Einzeleinsatz erhält er einen Betrag von D M 90.-. Geht man davon aus, daß ein Kinderspielfilm programmfüllender Länge früher mindestens D M 250.000 bis D M 350.000 (für Schwarzweiß-Filme) gekostet hat und heute im Durchschnitt D M 400.000 bis D M 600.000 und mehr (Farbfilme - Schwarzweiß-Filme haben durch die Einführung des Fernsehens seit Ende der fünfziger Jahre praktisch keine Marktchance mehr) kostet, so benötigt der Produzent zwischen 3.000 und 7.000 Einzeleinsätze für seinen Film, um zunächst einmal dessen Herstellungskosten abdecken zu können. Derartigen finanziellen Belastungen ist auf die Dauer hin gesehen aber weder ein privater Verleiher noch ein privater Produzent gewachsen. A n dieser Situation ändert sich auch nichts, wenn man den besonderen Vorteil von Kinder- oder Märchenfilmen - ihre verhältnismäßig lange Laufzeit - einkalkuliert. Die Erfahrung lehrt zwar, daß Kinderfilme mit Erfolg alle 3 bis 4 Jahre zum Wiedereinsatz gebracht werden können und daß sie wenigstens 2 bis 3 Wiedereinsätze (was einer Laufzeit von durchschnittlich 10 Jahren entspricht) überstehen, ohne deshalb hoffnungslos überaltert oder verstaubt zu wirken. In den Genuß dieses Vorteils kommt aber nur der Filmhersteller, der auf den Rückfluß der investierten Mittel innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht angewiesen ist, weil er über genügend Kapital verfügt oder weil er die für den Rückfluß erforderliche Zeitspanne durch geschäftlich erfolgreiche andere Produktionen überbrücken kann. Für alle anderen Produzenten bedeutet dies aber, daß sie - vorausgesetzt, sie erhalten weder eine direkte noch eine indirekte staatliche Unterstützung die mit einer spezialisierten Kinderfilmproduktion verbundenen außergewöhnlichen Belastungen nicht zu tragen in der Lage sind. Da Verleiher bekanntlich nicht nur in-, sondern auch ausländische Filme in ihr Programm aufnehmen, soll abschließend auch noch die Frage untersucht werden, wie sich aus der Sicht des Verleihs die Rentabilität ausländischer Kinderfilme gestaltet. Im Durchschnitt entstehen einem Verleiher folgende Kosten bei der Übernahme eines ausländischen Films:

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Bundesrepublik Deutschland

Erwerb der Auswertungsrechte für in der Regel einen Zeitraum von 5 Jahren

DM

30.000 - 50.000

Kosten für die Synchronisation

DM

20.000

Kosten für Kopien (Farbfilm durchschnittl. Länge, 20 Kopien)

DM

50.000

Beifilm (einschl.Lizenz und Kopien)

DM

17.000

Werbematerial, Reklame, Trailer u.a.

DM

13.000

Gesamt

DM 130.000 - 150.000

Bei den angeführten Beträgen handelt es sich selbstverständlich nur um Durchschnittswerte, die insbesondere in den Positionen Lizenzerwerb, Kopienkosten (ein großer Verleih benötigt etwa die doppelte Anzahl von Kopien) und Kosten für Werbung erheblich von den angegebenen Pauschalsummen abweichen können. Aus dem errechneten Durchschnittswert von DM 130.000 bis D M 150.000 ergibt sich unter Bezugnahme auf die weiter oben erwähnte Verrechnungsbasis, daß der Verleih für den ausländischen Film zwischen 900 und 1600 Einzeleinsätze erzielen muß, um - rein rechnerisch - die investierten Mittel zurückzuerhalten. Die Selbstkosten (einschließlich Steuern) des Verleihs wurden dabei außer Acht gelassen, so daß man davon ausgehen kann, daß sich die Auswertung eines ausländischen Films frühestens erst dann rentiert, wenn zwischen 1.400 und 2.100 Einsätze abgewickelt würden. Obwohl diese Rechnung keineswegs als realitätsfern anzusehen ist, so weist sie dennoch einen entscheidenden Fehler auf. Sie geht davon aus, daß es sich bei dem zur Übernahme gelangenden ausländischen Film um die Verfilmung eines bekannten Märchens handelt, so daß der Titel des Films an sich schon eine gewisse Werbewirksamkeit besitzt. Da diese im Hinblick auf die spezielle westdeutsche Situation notwendige Voraussetzung nur höchst selten oder gar nicht anzutreffen ist, ist die aufgestellte Rentabilitätsrechnung idealtypisch oder fiktiv. Alle NichtMärchenfilme in- und ausländischer Produktion, was in erster Linie auch für den realistischen bzw. realitätsgebundenen Kinderfilm gilt, der sich an die Altersstufen der Acht-bis Zwölfjährigen wendet, begegnen folgenden zusätzlichen Schwierigkeiten:

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Entwicklung der Filmproduktion

1. Obwohl sie dem Märchenfilm qualitativ (unter besonderer Berücksichtigung ästhetischer, pädagogischer, psychologischer und soziologischer Gesichtspunkte) in der Regel weit überlegen sind, mangelt es ihnen an Publicity. Da die Titel dieser Filme weder Kindern noch Eltern bekannt sind und weder Eltern noch Kinder sich konkret unter diesen Titeln etwas vorstellen können, ist das Interesse an den Filmen entsprechend gering. 2. Dieses Interesse ließe sich zwar mit Hilfe kostspieliger Werbeaktionen wecken bzw. erweitern; die für diesen Zweck erforderlichen Mittel kann aber ein kleiner und privater Filmverleih nicht aufbringen. Aus materiellen Gründen ist der Verleih gezwungen, mit einem möglichst niedrigen Werbeetat auszukommen, zumal eine publikumswirksame und dementsprechend aufwendige Werbung seine finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten bei weitem überschreitet. Der größere und finanzkräftigere Verleih hingegen wird sich gleichfalls mit dem Kinderfilm nicht abgeben, da sein zwar leistungsfähigerer und weit verzweigter, aber damit auch kostspieliger Verleihapparat nur dann rentabel arbeiten kann, wenn innerhalb kurzer Zeit hohe Umsätze erzielt werden. Das bedeutet aber, daß dieser Verleih sich intensiv um die Auswertung eines Films nur etwa 12 bis 18 Monate bemühen kann, da er sich anschließend der neuen Verleihstaffel voll widmen muß. Diese Auswertungspraxis steht im Gegensatz zu den besonderen Anforderungen, die der Kinderfilm an einen Verleiher stellt. 3. Selbst wenn der gezeigte Film über besondere thematische und gestalterische Qualitäten verfügt und er die Erwartungen der wenigen erschienenen Besucher trotz aller Vorbehalte erfüllt hat, kann sich die anschließend einsetzende Mundpropaganda auf den Filmbesuch nicht mehr positiv auswirken, da der betreffende Film nur in ein oder zwei Vorstellungen gezeigt wird. Zusammenfassend kann festgestellt werden:"Das marktwirtschaftliche, unprotegierte Verleih-und Aufführungssystem funktionierte eine Zeitlang aufgrund einer enormen Publicityvorleistung der Filmstoffe und -typen (Märchenfilme). Für Kinderfilme ohne diese (kostensparende) Publicityvorleistung ist der Mißerfolg aus den Ankündigungs- und Veranstaltungsbedingungen (Marktbedingungen) heraus beinahe zwangsläufig. Eine Chance hat der gute Kinderfilm nur unter der Voraussetzung einer wirkungsvollen Reorganisation in den Terminierungs-, Informations- und Werbemethoden, die die ausreichende Publicity für einen wertvollen Kinderfilm bei den fraglichen Altersklassen garantiert" und das wirtschaftliche Risiko der Produzenten und Verleiher auf ein zumutbares Maß reduziert.*(35)

*(35)

Friedhelm Bellingroth: Bericht und Förderungsvorschläge zur ökonomischen Situation des Kinderspielfilms. Arbeitspapier für die Kinderfilmtagung v o m 28.-30.10.1963 in München (Manuskript)

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Bundesrepublik Deutschland

6. Hilfe für den Kinderfilm

6.1 Pläne, Tagungen und Resolutionen (1956 - 1963)

In gewissen Abständen ist das Thema Kinderfilm in der Bundesrepublik immer wieder Gegenstand von Tagungen, öffentlichen Diskussionen und interministeriellen Beratungen gewesen. Insbesondere nach der umstrittenen Änderung des Jugendschutzgesetzes wurden nicht zuletzt auch von offizieller Seite wirksame Maßnahmen zur Förderung des Kinderfilms gefordert bzw. in Aussicht gestellt. In Verkennung der besonderen erzieherischen und gesellschaftlichen Funktion des Kinderfilms und seiner wirtschaftlichen Struktur hat man in der Bundesrepublik das Problem Kinderfilm jahrelang entweder gar nicht gesehen oder aber in der Weise anzugehen versucht, daß man die gesellschaftliche Verantwortung für den Kinderfilm an die Filmwirtschaft delegieren wollte. Dieser Versuch mußte aber mißlingen, weil einerseits die Filmwirtschaft in einem Land mit freier Marktwirtschaft kein straff organisiertes und zentral geleitetes Gebilde, sondern bestenfalls ein summarischer Begriff für jene kommerziellen Unternehmen ist, die sich mit der Herstellung, der Bearbeitung, der Verbreitung und der Vorführung von Filmen befassen; andererseits muß nachdrücklich betont werden, daß die Lösung einer der Erziehung und Bildung der Heranwachsenden dienenden Aufgabe, wie sie die Förderung des wertvollen Kinderfilms darstellt, nicht ausschließlich dem privaten Gewinnstreben einer Interessengruppe - in diesem Fall der Filmwirtschaft - überlassen werden darf. Es soll nicht verschwiegen werden, daß es verschiedene Ansätze oder Initiativen *(36) gegeben hat, um den Kinderfilm ins Gespräch zu bringen und um nach Mitteln und Möglichkeiten einer geeigneten Förderung zu suchen. Gemeinsam war diesen verschiedenartigen Bemühungen allerdings, daß sie über hoffnungsvolle Ansätze nicht hinauskamen. Als ein exemplarischer Fall kann in diesem Zusammenhang die zwar mehrfach angestrebte, von der Filmwirtschaft und zahlreichen anderen Stellen bzw. Persönlichkeiten immer wieder geforderte, aber bis zum heutigen Tag nicht realisierte Gründung eines Deutschen Kinderfilmzentrums angesehen werden. Bereits Anfang der fünfziger Jahre hatte sich die U N E S C O eingehend mit der internationalen Situation des Kinderspielfilms befaßt. 1956 schließlich erging an die nationalen UNESCO-Kommissionen der Auftrag, in ihren Ländern die Gründung von Kinder-und Jugendfilmzentren *(36) Erwähnt werden müssen u.a. folgende Tagungen: 1956: Frankfurter Gespräche über den Kinder-und Jugendfilm(veranstaltet von der Staatl.Landesbildstelle Hessen und der Hochschule für Intern. Pädagogische Forschung in Zusammenarbeit mit Fraternitas / World Brotherhood)

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Entwicklung der Filmproduktion

vorzubereiten. 1957 wurde mit Unterstützung der U N E S C O in Brüssel das Centre International du Film pour la Jeunesse, die internationale Vereinigung der nationalen Kinderfilmzentren gegründet. Auch die deutsche U N E S C O Kommission blieb nicht untätig. Gemeinsam mit der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtechaft (SPIO) nahm sie Kontakt mit den zuständigen Mini sterien der Länder und des Bundes, den Lehrerverbänden, den Kirchen, dem Bundesjugendring und einer Reihe anderer Verbände und Institutionen auf. Das deutsche Kinderfilmzentrum sollte u.a. die Aufgabe haben: 1. Beratung bei der Auswahl, der Bearbeitung und Realisierung von Filmvorhaben und Drehbüchern von Filmen, die speziell für Kinder geeignet sein sollen; 2.

Film- und Erfahrungsaustausch mit dem Ausland;

3. Öffentlichkeitsarbeit (u.a. Verbreitung von Publikationen); 4. Aufstellung von Listen mit empfehlenswerten in- und ausländischen Filmen für Kinder und Jugendliche; 5. Aufstellung einer Fundstellenliste.

Die Verhandlungen, die Ausarbeitung von Satzungen sowie von Kosten- und Finanzierungsplänen beanspruchten mehr als drei Jahre. Als Anfang 1960 endlich der Zeitpunkt für die Einberufung der Gründungsversammlung gekommen war, scheiterte das gesamte Projekt an der Haltung der Kultusministerkonferenz der Länder. Wiederbelebt wurden diese Pläne im Rahmen einer Arbeitstagung mit dem Thema "Neuorientierung und Hilfe für den Kinderfilm", die das Bundesministerium für Familien- und Jugendfragen gemeinsam mit dem Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht im Oktober 1963 in München veranstaltete. Eines der Ergebnisse dieser Tagung war die Konstituierung eines Ausschusses, der die Gründung einer Kinderfilm-Förderungseinrichtung (Kinderfilmzentrum), die gemeinsam von Bund und Ländern, der Filmwirtschaft und dem Fernsehen u.a.getragen werden *(36) Forts.

1959:

Internationale Kinderfilmtagung in Mannheim (veranstaltet im Rahmen der V I I I . Mannheimer Kultur-und Dokumentarfilmwoche)

1959:

Arbeitstagung über Kinderfilm und Fernsehsendungen für Kinder (veranstaltet vom Bundesministerium für Familien- und Jugendfragen in der Staatl. Landesbildstelle Hamburg)

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Bundesrepublik Deutschland

sollte, vorbereiten sollte. Aber auch dieser Plan scheiterte am Desinteresse der Länder und an Schwierigkeiten innerhalb des Bundesministeriums für Familienund Jugendfragen. So kommt es, daß im Jahr 1967 dem Centre International du Film pour I' Enfance et la Jeunesse, Brüssel, zwar alle europäischen und mehrere außereuropäische Länder (insgesamt 22 Mitgliedsländer), nicht aber die Bundesrepublik Deutschland angehörten. 6.2 Deutscher Kinderfilmpreis Die einzige staatliche Maßnahme zur Förderung des Kinderfilms war der "Deutsche Kinderfilmpreis und Jugendfilmpreis", der 1959 vom Bundesminister für Familien- und Jugendfragen gestiftet wurde. Aufgrund der Richtlinien für den Bundesjugendplan vom 16.12.1958 (GM Bl. 1959, S. 33) und aufgrund eines Erlasses, der vom Bundesminister am 2.4.1959 unterzeichnet wurde, konnten von einer unabhängigen Jury folgende Prämien an Spielfilme deutscher Produktion vergeben werden: 1. Deutscher Kinderfilmpreis (für den besten Spielfilm für Kinder zwischen 6 und 12 Jahren, dotiert mit DM 80.000) 2. Deutscher Jugendfilmpreis (für den besten Spielfilm für Jugendliche ab 12 Jahren, dotiert mit DM 80.000) 3.

Kurzspielfilme für Kinder und Jugendliche (Prämie von je DM 20.000)

4. Auszeichnung besonderer Einzelleistungen (z.B. Autor, Darsteller), wofür ein Betrag von bis zu insgesamt DM 75.000 bereitgestellt wurde. Diese Preise und Prämien in einer Gesamthöhe von maximal DM 275.000, mit denen nur "besonders gute Leistungen" ausgezeichnet werden sollten, sollten "interessierte und geeignete Filmproduzenten veranlassen, sich stärker als bisher des (Kinder-und) Jugendfilms anzunehmen" (Bundesminister Dr.F.J.Würmeling). Die Kinder- und Jugendfilmpreise vermochten aber dennoch an der Situation des Kinderfilms nichts zu ändern: Einerseits fand sich kein Produzent bereit, auf die mehr als vage Hoffnung hin, den Preis von maximal DM 80.000 zu erhalten, zunächst einmal das Vier- bis Fünffache dieses Betrages in eine Neu-

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Entwicklung der Filmproduktion

Produktion zu investieren, und andererseits wurden die Preise zu einer Zeit gestiftet, wo die Spielfilmproduktion für Kinder in der Bundesrepublik bereits eingestellt war. Da aus verständlichen Gründen die Bemühungen der Jury, prämienwürdige Filme zu finden, jahrelang vergeblich waren, wurde der Erlaß 1962 dahingehend geändert, daß ab 1963 sowohl deutsche als auch ausländische Produktionen, die in deutscher Fassung vorliegen, ausgezeichnet werden konnten. Bei ausländischen Filmen beträgt die Prämie bis zu D M 20.000, die der Inhaber der deutschen Rechte erhält. Zwar wurde mit dieser Änderung bzw. Erweiterung der Bestimmungen der Tatsache Rechnung getragen, daß außerhalb der Bundesrepublik teilweise hervorragende Spielfilme für Kinder oder Jugendliche entstanden, mit der Prämiierung dieser Filme konnte aber weder dem einheimischen Kinderfilm geholfen noch wenigstens erreicht werden, daß die ausgezeichneten ausländischen Filme auch tatsächlich einem möglichst großen Kinderpublikum zugänglich gemacht wurden. Soweit es sich um Kurzfilme handelt, gelangen diese bestenfalls als Vorfilme in die Filmtheater, wobei sie es sich gefallen lassen müssen, mit beliebigen Spielfilmen (einschließlich solchen mindester Qualität sowie solchen, die für Kinder gar nicht freigegeben sind) gekoppelt zu werden. Den wenigen prämiierten Langfilmen erging es nicht viel besser: Entweder sie gelangen gar nicht ins Kino, weil sich kein Verleiher findet, der das Risiko einzugehen gewillt ist, reine Kinderfilme in sein Angebot aufzunehmen oder weil sich bereits nach wenigen Einsätzen herausstellt, daß der Absatzmarkt für Kinderfilme nicht mehr vorhanden ist bzw. nie vorhanden war, soweit es sich um realistische Kinderfilme handelt. Im Hinblick auf die Gesamtsituation des westdeutschen Kinderfilms und unter besonderer Berücksichtigung der sich aus der speziellen Struktur und Funktion dieser Filmform ergebenden Forderungen muß festgestellt werden, daß der Deutsche Kinderfilmpreis (das gilt auch für den Jugendfilmpreis) praktisch keine Veränderung bewirken und keinen Einfluß ausüben konnte, da der Preis in seiner jetzigen Form als ein untaugliches Mittel zur wirkungsvollen Förderung des Kinderfilms in der Bundesrepublik angesehen werden muß.

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Bundesrepublik Deutschland

III.

Thematische Gliederung und Analyse

1. Märchen und märchenähnliche Stoffe

Die Bundesrepublik ist das einzige Land der Welt, in dem über fast zwei Jahrzehnte hinweg eine zumindest zeitweilig kontinuierliche Spielfilmproduktion für Kinder bestand, die sich fast ausschließlich an einem Themenkreis, dem Märchen, orientierte und folglich auch nur ein Filmgenre, den Märchenfilm, pflegte. Diese einseitige thematische Festlegung hat, was die Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges anbelangt, vorwiegend politische Gründe, wie in anderem Zusammenhang bereits ausgeführt wurde. Folglich hätte der deutsche Kinderfilm - nicht nur theoretisch, wie die Entwicklung des Kinderfilms in der D D R gezeigt hat - nach 1945 die Möglichkeit zu einer grundsätzlichen Neuorientierung gehabt, zumal in Westdeutschland auf seine Entwicklung weder staatlicher noch politischer oder ideologischer Einfluß ausgeübt wurde. Es ist relativ einfach, nachträglich festzustellen, daß diese Chance, Form und Inhalt des Kinderfilms neu zu bestimmen, nicht wahrgenommen wurde. Weitaus schwieriger ist die Frage zu beantworten, was die Kinderfilmhersteller und -Verleiher bewogen hat, der einstmals unter dem Druck der politischen Ereignisse in Deutschland festgelegten Linie auch weiterhin zu folgen. Neben nur schwer abzuwägenden und zu beurteilenden persönlichen und künstlerischen Faktoren waren es in erster Linie anscheinend wirtschaftliche Gründe, die die Emanzipation zum realistischen Kinderfilm verhinderten. Völlig unberücksichtigt blieb bisher ein anderes Motiv, das mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit wenigstens indirekt dazu beigetragen hat, daß Kinder- und Märchenfilm identisch wurden. Gemeint sind die nach wie vor bei einem überwiegenden Teil der Lehrerschaft bestehenden Vorurteile gegenüber den Massenmedien, die gegenüber dem Film entweder in Formen der Ablehnung oder aber der Negation manifest werden. Bezeichnenderweise hat sich die pädagogische und psychologische Forschung in Deutschland erst in den fünfziger Jahren mit dem Massenkommunikationsmittel Film eingehender befaßt. Diese Untersuchungen im Bereich der Filmwirkung haben nicht zuletzt auch dazu geführt, daß nicht nur der Märchenfilm einer allgemeinen kritischen Betrachtung unterzogen wurde, sondern daß insbesondere die Verfilmung von Märchen mit lebenden Darstellern aus grundsätzlichen Erwägungen heraus abgelehnt wird. Wenn auch der wohl überwiegende Teil der Schulpädagogen sowohl in der Vor- als auch in der Nachkriegszeit aufgrund überalterter pädagogischer

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Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle VIII Übersicht über die behandelten Stoffe und ihre Quellen Märchen der Gebr. Grimm

26 Filme (= 55,3 %)

Volksmärchen und Sagen

3 Filme

Märchen von H.C. Andersen

3 Filme

Märchen von W. Hauff

2 Filme

Märchen von L. Bechstein

1 Film

Geschichten von W. Busl

2 Filme 37 Filme (= 79 %)

andere literar. Vorlagen

4 Filme (= 8%)

ohne bzw. ohne erkennbare literar.Vorlage

6 Filme (= 13 %

Gesamt

47 Filme (= 100%)

Aus der vorstehenden Übersicht ist zu entnehmen, daß sich die Märchen der Gebr. Grimm bei den Herstellern von Kinderfilmen und beim Publikum besonderer Beliebtheit erfreuten, zumal nicht weniger als 26 Filme (= 55,3 %) nach Märchenvorlagen der Gebr. Grimm entstanden. Dabei wurden folgende Märchenstoffe behandelt, die den Ergebnissen einer 1959 durchgeführten Repräsentativbefragung des Allensbacher Instituts für Demoskopie gegenübergestellt werden.

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Bundesrepublik Deutschland

Tabelle IX Verfilmte Märchenstoffe D

Popularität der Märchen 2)

Frau Holle

Rotkäppchen

(4)

Rotkäppchen

(2)

Hänsel und Gretel Aschenputtel

(91 %)

Schneewittchen (2)

Frau Holle

(2)

Tischlein, deck'dich!

(87 %)

(86 %)

Der Wolf und die sieben Geißlein (84 %) (2)

Aschenputtel

(78 %)

Der Wolf und die sieben Geißlein

Die Bremer Stadtmusikanten

Domröschen

Das tapfere Schneiderlein

Der gestiefelte Kater

Rumpelstilzchen

Rumpelstilzchen

Der Hase und der Igel

Schneeweißchen und Rosenrot

"Sterntaler" - Märchen

Schneewittchen

Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen (42 %)

Der Teufel mit den drei goldenen Haaren

Die Prinzessin auf der Erbse (40 %)

Der Froschkönig

Zwerg Nase ( 36 %)

König Drosselbart

König Drosselbart

Brüderchen und Schwesterchen

Vom Fischer und seiner Frau

Die goldene Gans

Rapunzel

Hans im Glück

Aladin und die Wunderlampe

Die Bremer Stadtmusikanten

(Keine Erinnerung an diese Märchen hatten 2 % der Befragten)

Die Gänsemagd Anmerkung:

Quelle:

64

(75 %)

(67 %)

(63 %) (62 %) (51 %)

(35 %) (30 %)

(28 %)

1)

Die Angaben in Klammern beziehen sich auf die Zahl der Verfilmungen zwischen 1948 und 1961.

2)

Umfrage des Allensbacher Instituts unter 1000 Westdeutschen, an welche der aufgeführten Märchen sie sich noch erinnerten. — Abendpost (Frankfurt/M.) vom 19.4. 1959

(25 %)

Entwicklung der Filmproduktion

Lehrmeinungen den Film als solches ablehnte, so wurde diese negative Einstellung keineswegs automatisch auch auf den Märchenfilm übertragen. Im Gegenteil: Der Märchenfilm erfreute sich - und zwar ohne Ansehen der filmischen Qualität - innerhalb und außerhalb der Schule größter Beliebtheit. Es darf deshalb angenommen werden, daß für die in den dreißiger Jahren begonnene und nach 1945 fortgeführte thematische Einschränkung des Kinderfilms auf die Verfilmung populärer Volksmärchen nicht allein politische, sondern auch pädagogische Gründe ausschlaggebend waren. Nach diesen notwendigen Vorbemerkungen sollen nun die von den Märchenfilmherstellern bevorzugten Stoffe einer näheren Betrachtung unterzogen werden (s. nebenstehende Tabellen). Wenn sich auch die westdeutschen Märchenfilmproduzenten weder repräsentativer Erhebungen noch anderer Methoden bedienten, um die Popularität eines bestimmten Märchenstoffes feststellen zu können, so kann dennoch aus der Gegenüberstellung der verfilmten Märchen und jener Märchen, an die sich die vom Allensbacher Institut für Demoskopie Befragten erinnern konnten, entnommen werden, daß sich die Märchenfilmhersteller bewußt oder unbewußt jenen Märchen zuwendeten, die besonders bekannt und verbreitet waren. Da die Märchenfilmhersteller aber untereinander keine Absprachen trafen, weil sie mit verschiedenen Verleihern zusammenarbeiteten und folglich miteinander konkurrierten, konnten gewisse Überschneidungen nicht ausgeschlossen werden. S o stellte sowohl Schonger als auch Genschow im gleichen Jahr den Film "Tischlein, deck' d i c h ! " (1956) bzw. "Hänsel und Gretel" (1954) oder " R o t käppchen" (1953 bzw. 1954) her. Das Märchen von " F r a u Holle" erlebte sogar vier Verfilmungen und zwar in den Jahren 1948, 1950, 1954 und 1961, wobei zwei Verfilmungen auf das Konto von Schonger-Film gehen (1948 und 1961). Es würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen, wollte man auf jeden einzelnen der im Anhang berücksichtigten Märchenfilme eingehen, zumal dadurch keine wesentlich neuen Erkenntnisse gewonnen würden. Es ist im Rahmen der Analyse von Themen und Stoffen nicht so entscheidend, ob dieser und jener Film unter dramaturgischen und ästhetischen Gesichtspunkten besser gelungen sei oder nicht. Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, daß der Kinderfilm den gleichen technischen und gestalterischen Aufwand bzw. das gleiche künstlerische Niveau aufweisen sollte wie beispielsweise ein anspruchsvoller, qualitativ hoch stehender Film für Erwachsene. V o n dieser Forderung allerdings waren die meisten westdeutschen Märchenfilme weit entfernt. Sie disqualifizierten sich selbst durch mangelhafte Gestaltung, veralterte Technik,

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Bundesrepublik Deutschland

ungenügende darstellerische Leistungen und die Phantasielosigkeit ihrer Hersteller. Dabei muß man selbstverständlich berücksichtigen, daß die Märchenfilmhersteller gezwungen waren, mit möglichst geringem technischen, personellen und vor allem finanziellen Aufwand zu produzieren. Die bescheidenen Produktionsetats ließen es in der Regel nicht zu, daß erstklassige Darsteller, Regisseure, Autoren und Kameramänner verpflichtet wurden. Man mußte sich mit unbekannten und vor allem zweitklassigen Kräften begnügen, da sonst die Produktionsmittel fast ausschließlich für Gagen und Honorare hätten verwendet werden müssen. Das größte Problem für die Märchenfilmhersteller war, daß die meisten Märchen nur Stoff für einen etwa halbstündigen Film abgeben. Da die Filme aber, um als programmfüllende eingesetzt werden zu können, eine Laufzeit von 70 bis 90 Minuten haben mußten, mußten die Stoffe entsprechend gedehnt werden, wozu sich neben Landschafts- und Tieraufnahmen vor allem Rahmenhandlungen und zusätzliche Rollen anboten. Eine besondere "Meisterhaftigkeit" entwickelte in diesem Zusammenhang der Produzent Fritz Genschow, der bei allen seinen Filmen (10) zugleich auch für Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnete und eine besondere Vorliebe für Gesang-und Tanzeinlagen und aufgesetzt wirkende Rahmenhandlungen besaß. So erzählte Genschow in "Rotkäppchen" (1953) zwar das bekannte Märchen, aber er fügte gleichzeitig noch zwei Rahmenhandlungen hinzu. In der ersten verläuft sich ein kleines Mädchen, nachdem es das Märchen vom Rotkäppchen erzählt bekommen hat, und schläft schließlich auf einem Rummelplatz ein, wobei es im Traum das Märchen vom Rotkäppchen erlebt. Das Mädchen wird wiedergefunden, erhält zum Geburtstag eine Rotkäppchen-Puppe geschenkt und muß danach, in einer weiteren Rahmenhandlung, noch eine Art Verkehrserziehung über sich ergehen lassen. Viele der von Genschow hergestellten Kinderfilme enden mit Gebrauchsanweisungen für gutes Verhalten (z.B. "Der Struwwelpeter", 1954) oder verlieren sich in klamaukhaften Gags (z.B. "Dornröschen", 1955). Andere Filme wieder demonstrieren den Hang ihres Gestalters zu turbulenten Massenszenen, wobei sich Tanz- und Gesangeinlagen sowie Kindergeburtstage größter Beliebtheit erfreuen (z.B."Ina, Peter und die Rasselbande" / 1955, "Aschenputtel" / 1955, "Tischlein, deck' dich!" / 1956 und "Die Gänsemagd", 1957). Nicht nur in den leider völlig mißlungenen Rahmenhandlungen hat sich Genschow aber auch darum bemüht, aus der Sackgasse, in der sich der Märchenfilm befand, herauszufinden. In Filmen wie"lna, Peter und die Rasselbande" oder "Kalle wird Bürgermeister" (1956), die

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Entwicklung der Filmproduktion

von der Verfilmung klassischer Märchen wegführen, sind Ansätze zum modernen Märchen bzw. zum realistischen Kinderfilm vorhanden. Diesen Filmen allerdings mangelt es nicht nur an echter Poesie, sondern auch an Überzeugungskraft und Aufrichtigkeit. Die von ihnen anvisierte Wirklichkeit hat nur sehr wenig gemeinsam mit den Klischees, die an ihre Stelle gesetzt wurden; sie entzieht sich der simplen Schwarzweiß-Zeichnung, wie sie von den zur eindeutigen Typisierung tendierenden Märchen her bekannt ist. Daß die gute Absicht allein nicht ausreicht, um Kinderfilme zu machen, zeigte sich auch am Beispiel des Films "Kleines Herz im Donautal" (1954, Regie: F.M.Danton). Es ist dies die Geschichte eines Jungen, der beim Indianerspiel einen Jungen mit einem Pfeil verletzt, der eine Stahlspitze hatte. A u s Verzweiflung und Angst flieht der Junge und kehrt erst zurück, als er erfährt, daß der von ihm angeschossene Spielkamerad den Unfall überlebt hat. Bei seiner Rückkehr aber wird der Junge mit einem weiteren Unglück konfrontiert: Die Großmutter ist durch die Sorgen, die sie sich um ihn gemacht hat, geisteskrank geworden. Der Film ergeht sich in ausführlich erzählten Nebensächlichkeiten und versucht, die offensichtlichen Schwächen des Drehbuchs durch Übersteigerung und kinoübliche Effekte (einschließlich einer zwar überflüssigen, aber dennoch scheinbar unvermeidbaren Liebesgeschichte) auszugleichen. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist genauso fragwürdig wie die erzieherische Tendenz des Films. Im Gegensatz zu Genschow waren die Produzenten Schonger und Förster stets darum bemüht - soweit dies bei der Verfilmung von Märchen mit lebenden Darstellern überhaupt möglich ist -, dem Märchen in den gesetzten Grenzen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dennoch war nicht nur die Qualität der von ihnen hergestellten Filme sehr unterschiedlich, vielmehr gingen die einzelnen Filme bei der Interpretation der Märchenstoffe auch von sehr unterschiedlichen Standpunkten aus. So wies beispielsweise der von Förster 1955 hergestellte Film " D e r gestiefelte Kater" (Regie: Herbert B.Fredersdorf) eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Inhalt der literarischen Vorlage auf. Letzteres läßt sich von dem vom gleichen Team, der gleichen Produktionsfirma und im gleichen Jahr hergestellten Film "Rumpelstilzchen" nicht sagen. Die literarische Vorlage wurde durch die Hinzufügung von Figuren und Handlungselementen u.a. wesentlich verändert. Mit der Absicht, die Hauptrollen einer eindeutigen Typisierung zu unterwerfen, verband sich der Wunsch, den Hauptrollen eine neue Funktion zu geben. So wurde aus dem häßlichen und lächeHich wirkenden Rumpelstilzchen ein guter Waldgeist, der seine Zaubermacht in den Dienst der Tiere stellt und zur Bestrafung böser Menschen benutzt. A u s dem König, der ursprünglich aus niedrigen Gründen (Egoismus, Gewinnsucht) die Tochter des Müllers heiratet, wird ein alter, schwacher und ein wenig vertrottelter Mann, der von seinen geldgierigen Beratern ausge-

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Bundesrepublik Deutschland

nutzt wird. Nicht er, sondern ein junger Prinz heiratet aus Liebe die Müllerstochter. Die gleiche Verharmlosung nimmt u.a. auch Hans F. Wilhelm ("Der Teufel mit den drei goldenen Haaren", 1955) vor, indem er den ursprünglich bösen König dadurch entlastet, daß er ihm einen bösen Berater an die Seite stellt. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist, daß insbesondere die Darstellung von Königen und ihrer unmittelbaren Umgebung (einschließlich Berater, Günstlinge etc.) einer jener Punkte ist, wo die Auffassungen der verschiedenen Märchenfilmhersteller weit auseinandergehen. In den sozialistischen Ländern (vergl. DDR und ÖSSR) wurde bzw. wird noch (was insbesondere auf die in der DDR gedrehten Märchenfilme zutrifft) jeder im Märchenfilm auftauchende König negativ gezeichnet. Da der König - ideologisch gesehen - die Personifizierung des Feudalismus, der Ausbeutung, der Dekadenz und eines überwundenen gesellschaftlichen Systems ist, kann er nur böse sein. Läßt die Vorlage diese Charakterisierung hingegen nicht zu, so degradiert man die Könige zu dummen und einfältigen, naiven und albernen, häßlichen oder zumindest unansehnlichen Erscheinungen, die nicht selten bis zur häßlichen Karikatur verzeichnet werden. Mit Sicherheit wird dadurch erreicht, daß das Publikum die Dekadenz der Könige und ihrer Günstlinge erkennt und sich über sie lustig machen kann. Die Inkonsequenz dieser schematischen Darstellung höfischen Lebens im Märchen liegt in der Tatsache begründet, daß eine zwar unlogische, aber dennoch klare Trennung zwischen König und Hof einerseits und Prinzen und Prinzessinnen andererseits vorgenommen wird. Zwar bevorzugen Filmhersteller in den sozialistischen Ländern solche Märchen, in denen beispielsweise die Prinzessinnen erst ihren Stolz, ihre Eitelkeit oder ihre Überheblichkeit ablegen müssen, ehe sie als gut im Sinne von tüchtig, strebsam, gütig und vorbildhaft bezeichnet werden können. Aber dennoch bleibt die typische Grundkonstellation des Märchens erhalten, wonach Prinzen und Prinzessinnen jung, schön, gut und erfolgreich zu sein haben. Auch die westdeutschen Filmhersteller nahmen am Bild des Königs im Märchen teilweise Korrekturen vor. So erscheinen die Könige, auch wenn dies die Vorlage vorsieht, nicht als Bösewichter auf der Leinwand, sondern eher als Vaterfiguren. Sie waren nicht eigentlich schlecht, sondern nur schwach und hilflos, so daß sie sich gegen den Einfluß ihrer bösen Berater nicht wehren konnten. Dieser dramaturgischen Lösung, die der Erhaltung eines Klischees dient, bediente sich u.a. auch Otto Meyer in seinem Film "Der Froschkönig" (1954). Er und sein Drehbuchautor Emil Surmann, der die Drehbücher zu nicht weniger als 6 Märchenfilmen verfaßte, verwandelten die ursprünglich unerzogene und launenhafte Prinzessin in ein fröhliches, gutes und tierliebendes Mädchen und gaben ihr zur Seite zwei neidische und eitle Schwe-

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Entwicklung der Filmproduktion

stern. Die Absicht, die Könige im Märchen möglichst gut abschneiden zu lassen, konnte sich allerdings auch in ihr Gegenteil verkehren. Als Beispiel dafür kann der Film von Alf Zengerling, "Die Prinzessin auf der Erbse" (1953), angeführt werden, in dem die angebliche Güte des Königs durch mangelhafte Durchgestaltung der Figur in Dummheit umschlägt. Ebenso mißverständlich war ein weiterer Film von Otto Meyer: "Aufruhr im Schlaraffenland" (1957). Dem hintergründigen und zeitlosen Märchen, das gegen menschliche Dummheit und Maßlosigkeit anzugehen versucht, ermangelt es in dem turbulenten und zum Klamauk tendierenden Film an Tiefe. So ist es keineswegs verwunderlich, daß die Hersteller die Engstirnigkeit und Schwäche des Königs mit Güte und Großmut verwechseln. Auch die Märchenverfilmungen der Schonger-Filmproduktion weichen in der Qualität stark voneinander ab. Obwohl im Einzelfall kaum festgestellt werden kann, inwieweit der Produzent Hubert Schonger, der fast dreißig Jahre lang ununterbrochen auf dem Gebiet des Märchenfilms tätig war, auf die Gestaltung der von ihm hergestellten Filme Einfluß genommen hat, so darf man doch annehmen, daß sich Schonger - gerade wegen seiner jahrzehntelangen Erfahrung und seinem leidenschaftlichen Eintreten für den Märchenfilm - nicht nur auf die technische und organisatorische Abwicklung der Produktionen beschränkt hat. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, daß insbesondere die von Schonger Anfang und Ende der fünfziger Jahre hergestellten Filme - trotz allem anerkennenswerten Bemühen - weder gestalterisch noch pädagogisch über die inzwischen überholten Anschauungen der dreißiger Jahre hinauskamen (z.B. "Hänsel und Gretel", 1954 und "Rübezahl - Herr der Berge", 1957). Dazwischen lagen eine Reihe von Filmen, die sich um eine enge Anlehnung an ihre literarischen Vorlagen bemühten und ihre belehrende Absicht zumindest nicht überdeutlich werden ließen. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang Filme wie "Schneewittchen" (1955, Regie: Erich Kobler), "Der Wolf und die sieben jungen Geißlein" (1956, Regie: Peter Podehl, ein Film mit Tiermasken tragenden Darstellern) oder "Tischlein, deck' dich!" (1956, Regie: Jürgen von Alten). Die genannten Filme waren sicherlich keine künstlerischen Ereignisse, aber sie ließen ehrliches Bemühen und eine gediegene (was oftmals mit anspruchslos identisch war) Gestaltung erkennen. Das läßt sich aber nicht von allen Filmen der Schonger-Produktion behaupten. Die Tendenz zur Verniedlichung und Verharmlosung herrschte auch hier vor (z.B."Die Heinzelmännchen", 1956, Regie: Erich Kobler), was sich nicht zuletzt auch an zahlreichen gestalterischen und technischen Unzulänglichkeiten und dem völligen Mangel an Poesie ablesen läßt.

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Bundesrepublik Deutschland

2. Zusammenfassung und Kritik am Märchenfilm

Die Kritik an den westdeutschen Märchenfilmen kann sich nicht darauf beschränken, die Fehler und Unzulänglichkeiten der einzelnen Filme mehr oder weniger ausführlich zu beschreiben. Es geht vielmehr um grundsätzliche Erfahrungen und Erkenntnisse. Die (west-) deutsche Kinderfilmproduktion blieb zunächst aus politischen (und pädagogischen) und später aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen auf die Verfilmung von populären Märchenstoffen beschränkt. Seit ihrem Bestehen hat sie die Emanzipation zum realistischen Kinderfilm weder ernsthaft angestrebt noch in einem einzigen Fall erreicht. Die Flucht vor den gesellschaftlichen Wirklichkeiten und der Rückzug auf die märchenhafte und letztlich völlig unverbindliche Idylle wurden zu den hervorstehendsten Eigenschaften des westdeutschen Kinderfilms, der sich, was ihm schließlich selbst zum Verhängnis wurde, krampfhaft an ein einziges Stoffgebiet klammerte und zwangsläufig nur einen altersmäßig begrenzten "Abnehmerkreis" fand. Anstatt die Komplexität der Welt wenigstens andeutungsweise zu zeigen und seine jungen Zuschauer mit der sie umgebenden Wirklichkeit zu konfrontieren, vermochten weder der Kinderfilm noch seine Hersteller aus der selbst gewählten Isolation auszubrechen. Stattdessen setzten sie die in den dreißiger Jahren begonnene Linie praktisch unverändert fort, was nicht zuletzt dazu führte, daß noch während der fünfziger Jahre Märchenfilme entstanden, die auf den gleichen oder zumindest sehr ähnlichen ästhetischen (stilistischen bzw. gestalterischen und technischen) und pädagogischen Konzeptionen beruhten, wie sie seinerzeit entwickelt worden waren. Eine der Ursachen für dieses Festhalten an überholten Vorstellungen, das im übrigen zum wesentlichsten Kriterium der künstlerischen Stagnation des westdeutschen Nachkriegsfilms wurde und u.a. als Generationsproblem definiert werden kann, ist darin zu suchen, daß der Kreis derjenigen, die sich überhaupt mit dem Kinder- bzw. Märchenfilm befaßten, sehr klein und wirtschaftlich gesehen schwach war. Zudem muß gerechterweise auch festgestellt werden, daß sich der überwiegende Teil der Verleiher, Produzenten, Autoren und Regisseure, die sich fast ausschließlich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Märchenfilmen befaßten, keineswegs primär aus privatem Gewinnstreben, sondern aus Überzeugung und aus Liebe zur Sache gehandelt hat. Diese Feststellung mag pathetisch klingen, aber sie entbehrt nicht der Wahrheit; denn, wenn die Hersteller und Verleiher der Märchenfilme sich lediglich von spekulativen Absichten hätten leiten lassen, so hätten sie sich mit Sicherheit nicht dem mit so viel strukturellen Problemen und so wenig Aussicht auf materielle Erfolge belasteten Märchenfilm verschrieben.

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Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle X

23

Regisseure waren an der Herstellung von

47

Kinderspielfilmen (zwischen 1944 und 1961) beteiligt:

11

Regisseure

( = 4 7 , 8 % ) schufen einen Film,

12

Regisseure

( = 5 2 , 2 % ) schufen mehr als einen Film und zwar:

8

Regisseure

:

35,0 %) schufen 2 Filme

3

Regisseure

:

13,0 %) schufen 4 Filme

1

Regisseur

5 , 0 % ) schuf

11 Filme

30 Autoren waren an der Herstellung von 47 Kinderspielfilmen beteiligt: 19 Autoren

(=63,0%)

verfaßten das Buch zu einem Film,

11 Autoren

(= 37 %)

verfaßten das Buch zu mehreren Filmen

und zwar: 6 Autoren

(= 20,0 %)

1 Autor

(=

3,3 %)

verfaßte das Buch zu 3 Filmen

1 Autor

(= 3,3 %)

verfaßte das Buch zu 4 Filmen

verfaßten das Buch zu 2 Filmen

1 Autor

(=

3,3 %)

verfaßte das Buch zu 6 Filmen

1 Autor

(= 3,3 %)

verfaßte das Buch zu 7 Filmen

1 Autor

(= 3,3 %)

verfaßte das Buch zu 10 Filmen

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Bundesrepublik Deutschland

2.1 Das Märchen "Dem Ineinandergreifen von Wunder und Wirklichkeit verdankt die Märchenwelt ihre Entstehung und Existenz, wir begegnen ihm auf Schritt und Tritt. Nicht erst die Handlung bringt uns das Wunder, schon die Personenwelt und das Milieu setzen Wunderbares neben das Wirkliche." *(37) Gero von Wilpert definiert das Märchen als "kürzere volksläufig-unterhaltende Prosaerzählung von phantastisch-wunderbaren Begebenheiten und Zuständen aus freier Erfindung ohne zeitlich-räumliche Festlegung: Eingreifen übernatürlicher Gewalten ins Alltagsleben, redende und Menschengestalt annehmende Tiere und Tier- und Pflanzengestalt annehmende Menschen, den Naturgesetzen widersprechende und an sich unglaubwürdige Erscheinungen, die jedoch aus dem Geist des Märchens heraus glaubwürdig werden, indem eine gedanklich mitvollzogene Unwahrscheinlichkeit die andere schon wahrscheinlich macht. Der ethische Grund ist eine denkbar einfache Weltordnung: Belohnung des Guten, Bestrafung des Bösen, je nach dem Grad an Sympathie und Antipathie für die Hauptgestalt, Wendung zum Guten oder Schlechten entsprechend den Wünschen des naiv moralisierenden kindlichen Aufnahmekreises." *(38) Zum Wesen des Märchens gehört einerseits die besondere Atmosphäre, die sowohl als phantastisch und wunderbar als auch als romantisch und geheimnisvoll bezeichnet werden kann und für deren Entstehung das geheimnisvolle Halbdunkel, das weder Sachlichkeit noch Realismus verträgt, Voraussetzung sind; andererseits gehört zum Wesen des Märchens auch, daß es erzählt oder vorgelesen wird. Sein zentrales Ausdrucksmittel ist demnach das gesprochene oder geschriebene Wort, das durch die Mimik und Gestik des Erzählers oder Sprechers zwar unterstützt, nicht aber ersetzt werden kann. Ebenso wenig können Mimik und Gestik des Erzählers oder Sprechers den Inhalt der Worte erklären, sie können ihn bestenfalls nur unterstreichen. Das bedeutet aber, daß das Märchen erst eigentlich in der Phantasie des Kindes entsteht und damit zugleich die Phantasie aktiviert. 2.2 Der Märchenfilm Der realistische Märchenfilm, d.h. die Verfilmung von Märchen mit lebenden Darstellern, ist - abgesehen von wenigen Ausnahmen (Puppentrickfilme der Gebr. Diehl) - die einzige Märchenfilmform, die in der Bundesrepublik gepflegt wurde. Andere Filmformen, wie etwa der Puppen- und Zeichentrickfilm, der Marionetten*(37) Bühler-Bitz: Das Märchen und die Phantasie des Kindes, München 1961, S.25 *(38) Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1959, S. 355

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Entwicklung der Filmproduktion

und Scherenschnittfilm, wurden bestenfalls nur im Rahmen der Kinderfilmproduktion - und auch hier nur vereinzelt - berücksichtigt. Da aber der Trickfilm allgemein anderen Gesetzen unterliegt als der sogenannte realistische Film und folglich auch andere und bessere Möglichkeiten besitzt, um sich in den Dienst der phantasiebildenden Funktion des Märchens zu stellen, muß er in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben. Zu dem Gegensatz zwischen realistischem Film und Trickfilm bemerkt Scherf: "Welche Welten scheiden doch solches Erzählen von der immer wieder versuchten realistischen Verfilmung unserer Märchen! Während J. Trnka und K. Zeman als wahre Meister des Puppen(trick-)films auch das Unsagbare auf die Leinwand zu werfen vermochten, blieben alle Versuche, durch Schauspieler Märchen in filmische Wirklichkeit zu versetzen, hoffnungslos im billigsten Kitsch stecken." *(39) Entschiedener noch wandte sich Paul Heimann gegen den Märchenfilm, indem er feststellte: " D a s Märchen hat im Film überhaupt keinen Platz. Für das Märchen ist das Wort der adäquate Ausdruck. Im Film hingegen ist es in ein Medium übersetzt, das im Hinblick auf das Kind mannigfache Probleme in sich birgt. Der Film ist ein ausgesprochenes Erwachsenenprodukt, das Produkt einer Spätkultur. Die Auffassungskategorien für solche Produkte können beim Kind nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden. Der Kinderfilm stellt nur einen Kompromiß dar. Will man Märchenhaftes verfilmen, so muß man den Film seiner realistischen Sprache entkleiden." *(40) Der entschiedenste Einwand gegen die Verfilmung von Märchen beruht auf der psychologischen Erkenntnis, daß die archetypische phantasiebildende Funktion des echten Märchens bei der Märchenverfilmung mit lebenden Schauspielern durch stereotypische Klischees zerstört wird. Alle Märchenfiguren sind typisiert; es entspricht dem naiven Weltbild des Kindes, daß im Märchen eine klare Trennung zwischen gut und böse vorgenommen wird. Diese SchwarzweißMalerei läßt nicht nur keine Differenzierungen zu, sondern widerspricht auch der Ausdruckskraft des menschlichen Gesichtes, das ohne Grautöne, ohne die ihm eigene Individualität nicht auskommen kann. Die Märchenverfilmung mit lebenden Darstellern ist demnach gezwungen. Stereotypen durch Klischees zu ersetzen. Demgegenüber aber schafft das mündlich oder schriftlich überlieferte Märchen im Kind urbildhafte Typen, die sich nur im Idealfall mit dem fotografischen Abbild eines Schauspielers decken; in der Regel aber werden die scheinbar urbildhaften Typen, d.h. die archetype bildenden Figuren und Situationen des Märchenfilms der eigentlichen Funktion des Märchens nicht gerecht, weil sie die eigenschöpferische Phantasie des Kindes nicht beleben, sondern einschränken, indem diese auf bestimmte Klischeevorstellungen festgelegt wird. Der so*(39) *(40)

Walter Scherf: Kindermärchen in dieser Zeit? München 1961, S. 25 zitiert nach dem Protokoll der Arbeitstagung über Kinderfilm und Fernsehsendungen für Kinder, H a m b u r g 1959, S. 2

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Bundesrepublik Deutschland

genannte realistische Märchenfilm läßt der Phantasie des Kindes keinen Spielraum mehr; er hemmt die Phantasie des Kindes, weil er notwendigerweise gezwungen ist, das relativ undeutliche, im Halbdunkel und in phantastisch-wunderbaren Bereichen angesiedelte und von mannigfachen subjektiven Erlebnissen und Eindrücken geprägte Bild, das zunächst nur in der Phantasie des Kindes besteht und fortlebt, zu konkretisieren, zu verallgemeinern und zeitbedingten Klischees zu unterwerfen.

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Entwicklung der Filmproduktion

I.

Entwicklung des tschechoslowakischen Nachkriegsfilms

1 . Verstaatlichung der Filmindustrie

Die Einrichtung des Protektorats Böhmen und Mähren (15.3.1939) und der Einmarsch der deutschen Truppen in der Tschechoslowakei hatten nicht nur einen selbständigen Staat vernichtet, sondern bedeuteten auch das vorläufige Ende der tschechoslowakischen Filmproduktion. Die Ateliers wurden enteignet und gelangten unter direkte Aufsicht und Verwajtung der Abteilung V im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda sowie der Reichsfilmkammer. Alle im Bereich des Films tätigen sogenannten unerwünschten Künstler wurden ausgeschaltet und, sofern sie nicht fliehen konnten, verschleppt, d.h. in Konzentrationslager gesteckt. *(1) Die tschechische Spielfilmproduktion verringerte sich rapide von 41 Filmen im Jahre 1939 auf 9 im Jahre 1944. Im Mai 1945 marschierten die Truppen der Roten Armee und die Amerikaner in der C S R ein; Staatspräsident Benesch, der in London die Exilregierung geleitet hatte, kehrte nach Prag zurück. Noch während der deutschen Besetzung hatte ein illegaler Ausschuß tschechoslowakischer Filmkünstler Pläne für eine strukturelle Veränderung der nationalen Filmproduktion ausgearbeitet und der Exilregierung in London vorgelegt. Diese Pläne bildeten die Grundlage für das am 11.8.1945 erlassene Staatsdekret Nr. 55, in dem die Verstaatlichung der Filmwirtschaft, einschließlich aller Spartenverbände, proklamiert wurde. Noch ehe die entscheidenden Sozialisierungspläne der neuen Regierung realisiert wurden, d.h. noch ehe die Gesetze zur Verstaatlichung des Kapital-und Kreditwesens und der Rohprodukte fördernden und verarbeitenden Industrie verabschiedet waren, wurde bereits der Beschluß zu einer revolutionären Umwandlung der Filmindustrie in die Tat umgesetzt. Nicht alle Filmschaffenden und im weiteren Bereich der Filmwirtschaft Beschäftigten waren von dieser neuen Form vorbehaltlos begeistert, aber letztlich gab es für einen Neubeginn kaum andere Voraussetzungen, als den Enthusiasmus jener, die die sechs Jahre faschistischer Willkürherrschaft überstanden hatten, und schließlich die nüchterne Tatsache, daß wieder Filme hergestellt werden mußten. Konsequenz der Verstaatlichung war, daß fortan "kapitalistische Methoden wie Konkurrenzkampf, Rentabilität und Profit-

MD

Vgl. Steffen Wolf:

Der tschechoslowakische Film, Eine Dokumentation, hrsg. v o m Verband der deutschen Filmclubs e.V. zur Internationalen Filmwoche M a n n h e i m 19 5, S.23 ff

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CSSR

streben ausgeschlossen waren und daß alle technischen, kaufmännischen und künstlerischen Mitarbeiter von Produktion, Vertrieb und Filmtheatern staatliche Angestellte wurden, für deren Entlohnung und soziale Betreuung nicht mehr der Privatunternehmer, sondern eben staatliche Stellen verantwortlich waren." *(2) Daß die allgemeine Umstellung nicht ohne Probleme und Schwierigkeiten ablief und auch längere Zeit in Anspruch nahm, ist keine aus mangelnder Einsicht in die Dinge resultierende Hypothese. Natürlich kann der Beweis mit exaktem Zahlenmaterial nicht angetreten werden, wohl aber genügen wenige Auszüge aus einem anläßlich des fünften Jahrestages der verstaatlichten Kinematographie der dSSR veröffentlichten Sammelband (1950), um die Situation in etwa zu rekonstruieren. So schrieb Dr. Fr.Dvoräk, der Vorsitzende der Zentralen Dramaturgie:" Es waren (nach der Mai-Revolution) Verlegenheit und Ratlosigkeit, die so manchem Künstler für länqere Zeit die Feder aus der Hand geschlagen haben. Man fühlte klar die Größe und Tragweite dieser revolutionären Wandlung, und man versuchte Verschiedenes, um sich zu orientieren. Die ehemaligen künstlerischen Maßstäbe reichten auf einmal nicht mehr aus. Das eiserne Hemd der Gewohnheit und das Gleis der Routine erwiesen sich, gepaart mit der alten spießbürgerlichen Denk- und Gefühlsart, als die schwersten Hindernisse auf dem Weg zum neuen Menschen. . . Von den achtzig seit dem Jahre 1945 gedrehten Filmen ist ein großer Teil durch sämtliche Übel der Vergangenheit gekennzeichnet: Entstellung der Wahrheit, Spießbürgerlichkeit, Eigennützigkeit, Formalismus, leicht ersichtliche Gaukelei im Vermeiden der Wirklichkeit, Widerwille, wenig Fähigkeit oder wenig Mut, die Gegenwart ganz genau zu betrachten und aus ihr das Typische herauszuholen." * (2) Oldrich Mach&cek, der Generaldirektor des tschechoslowakischen Staatsfilms, wird noch etwas deutlicher: " Infolge der verräterischen Politik einiger Bourgeois-Politiker, Handlanger des Kapitals, Träger der Reaktion und Feinde des Fortschritts war die Entwicklung unseres verstaatlichten Films in der ersten Zeit nicht so erfolgreich wie erwartet wurde. Der Übernahme der Betriebsmittel wurden die verschiedendsten Hindernisse in den Weg gestellt, die Regulierung der Höhe des Eintrittsgeldes... wurde verwehrt, es wurde die wirtschaftliche Fähigkeit des staatlichen Filmunternehmens untergraben . . . Diese Bestrebungen (sich der Verstaatlichung zu widersetzen) verstanden es, sich viele Bundesgenossen zu verschaffen. Nicht lange nach der Verlautbarung der Verstaatlichung wurde der Film Gegenstand konzentrierter Angriffe von außen, und eine Wühlarbeit von innen setzte ein." * (3) *(2) *(3)

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Der Weg des Tschechoslowakischen Films, Sammelband zum V.Jahrestag der verstaatlichten Kinematographie, Prag 1950, o.S. Der tschechoslowakische Film, a.a.O., S. 26

Entwicklung der Filmproduktion

2. Beginn der stalinistischen Ära Das Jahr 1948 kann als entscheidender Wendepunkt in der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung der Tschechoslowakei angesehen werden. Im Februar 1948 kam es zum offenen Bruch innerhalb der Regierung, der von der kommunistischen Partei vorbereitet und ihren Zielen entsprechend genutzt wurde. Am 9.5. 1948 nahm die Nationalversammlung die neue Verfassung an, die in Artikel 1 festlegte, daß die Tschechoslowakei eine Volksdemokratische Republik sei. Diese Verfassung entsprach in den wesentlichsten Punkten jener, die 1936 von Stalin in der UdSSR erlassen worden war. Bereits im März d.J. hatte Ministerpräsident Gottwald der Verfassungsgebenden Versammlung nicht nur eine neue Ministerliste, sondern auch ein neues Regierungsprogramm vorgelegt. Darin war die Sozialisierung der Privatunternehmen mit mehr als 50 Angestellten und Arbeitern und die Enteignung aller landwirtschaftlichen Betriebe, die mehr als 50 Hektar besaßen, vorgesehen. Staatspräsident Benesch, der diese Entwicklung nicht vorausgesehen hatte, weigerte sich, die neue Verfassung zu unterzeichnen und trat am 7.6.1948 zurück. An seiner Stelle unterzeichnete Gottwald, der am 14.6. zum Staatspräsidenten gewählt wurde, womit die Einheit von Partei und Staat hergestellt wurde. Die neue Verfassung war die formelle Grundlage für die Verstaatlichung (Sozialisierung) von Handel, Industrie und Landwirtschaft. Die verstaatlichte Filmindustrie geriet unter die Aufsicht der kommunistischen Partei, von ihr wurde sie beeinflußt, gelenkt und bevormundet. Fortan gab es nur noch ein Vorbild: den sowjetischen Film, und eine Aufgabe, die von Stalin einmal mit folgenden Worten umrissen wurde: "Der Film hat außerordentliche Möglichkeiten geistiger Massenbeeinflussung, denn er hilft der Arbeiterklasse und ihrer Partei, die Arbeiter sozialistisch zu erziehen, die Massen im Kampf für den Sozialismus zu organisieren, ihre kulturelle und politische Kampfbereitschaft zu erhöhen." * (4) Verewigt wurde dieses Dogma, das ein universelles, für alle Künstler und jede Kunstform gültiges Dogma war, in dem hinlänglich bekannten Begriff "sozialistischer Realismus" und in zahllosen, immer wieder neu beschworenen Proklamationen, von denen zur Erhellung der Situation hier nur einige wenige Kernsätze angeführt werden. Am 28.8.1950 forderte die Parteizeitung "Rude Prävo": Nur die großen, ideologischen Gedanken für unseren tschechoslowakischen Film. Sie (die Filme) müssen vom künstlerischen Standpunkt das Volk mit Optimismus erfüllen und *(4)

Der tschechoslowakische Film, a.a.O., S. 2 9

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vor allem die großen Probleme des Tages behandeln: die Freundschaft zur UdSSR, den sozialistischen Wettbewerb der Stoßbrigaden, die Einstellung zum kollektiven Eigentum, den Klassenkampf, die Liebe zu Stalin und die Aktivität der Partei. Lustspiele dürfen keineswegs nur der Unterhaltung dienen, sie müssen die Reste der bürgerlichen Auffassung und Gewohnheiten lächerlich machen und beseelt sein vom glorreichen Vorwärtsschreiten der Arbeiterklasse." Walter Feldstein, der Zentralsekretär des 21. Verbandes der revolutionären Gewerkschaftsbewegung verlangte 1950 u.a. öffentlich: "Der Film ist mehr als alle anderen Zweige der Kultur durch seine breite und starke Wirksamkeit geradezu vorbestimmt, das wirksamste Erziehungsmittel zu sein, welches das arbeitende Volk zu neuen Wirtschaftlern und wahren Herren in seinem Staat erziehen soll . . . Erst unsere neuen tschechischen und slowakischen Filme bemühen sich nach dem unerreichten Muster der sowjetischen Filmkunst, nicht nur das wahre und unverstellte Gesicht des arbeitenden Menschen, sondern uns allen die Wahrheit der Gesellschaftsbeziehung und des Klassenkampfes, die Heldenhaftigkeit des Volkes zu zeigen." * (5) Was vom Film hiermit verlangt wurde, war, formelhaft verkürzt, nicht mehr und nicht weniger als Mittel zum Zweck zu sein. Und dieser Zweck hieß dann vor allem: Umerziehung, Beeinflussung und Ausrichtung. Daß die meisten Regisseure mit dieser neuen "Pflichtaufgabe" nur wenig anzufangen wußten, die ja völlig negiert, daß zu den wesentlichsten künstlerischen Voraussetzungen ein Minimum an Freiheit genauso gehört wie die Inspiration, die Phantasie, liegt nahe. Noch kein Land, keine Gesellschaft hat es bisher erreicht, Kunst sozusagen auf Bestellung geliefert zu bekommen. Mit ideologischen Mustervorstellungen, mit parteiamtlichen Idealen, Doktrinen und Erlassen mögen zwar ganze Staaten regiert werden, doch hat die Geschichte immer wieder bewiesen, daß solche Gesetzmäßigkeiten auf den Bereich der Kunst nur sehr bedingt zu übertragen sind. Versucht man sie dennoch auf diese Bereiche zu übertragen, so endet der Versuch entweder in einer künstlerischen Sackgasse, die das Produkt des artfremden Korsetts ist, oder aber die Kunst entzieht sich des unmittelbaren Zugriffs, indem sie auf unverfängliche Stoffgebiete (biographische, literarische und historische) ausweicht. Die tschechoslowakische Filmproduktion zu Beginn der fünfziger Jahre bestätigt diese These. Vielleicht ist von hier aus auch - zumindest bis zu einem gewissen Grade - die steile, künstlerisch ungemein fruchtbare Aufwärtsentwicklung des Puppen- und Zeichenfilms zu erklären; denn diese Filmgattungen be*(5)

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Der tschechoslowakische F i l m , a.a.O., S. 3 0

Entwicklung der Filmproduktion

sitzen keinen unmittelbaren Realitätsbezug. Der in ihnen gegebene Zwang zur Abstraktion, zur Stilisierung, zielt mehr auf das Allgemeine als das Konkrete. Folglich ist eine Distanzierung von ihren Aussagen, selbst wenn diese im konkreten Sinn satirisch oder polemisch formuliert werden, weitaus einfacher als beim realistischen Film. Hinzu kommt, daß sich der tschechoslowakische Trickfilm, von wenigen Ausnahmen abgesehen, sehr bald der Humoreske, der Legende, dem Märchen und der Idylle zuwandte. Das schmälert keineswegs das Verdienst der Einzelleistungen, muß aber dennoch als Indiz für die Hypothese, die in diesem Zusammenhang allerdings nur gestreift werden kann, aufgefaßt werden, daß zahlreiche tschechoslowakische Filmkünstler im Trickfilm eine der Möglichkeiten sahen, der von der Partei geforderten Linie auszuweichen, bzw. eine unmittelbare Antwort auf die neue Richtung vorerst legal schuldig bleiben zu können. Dem Vorbild der KPdSU folgend, begann auch die KPC, in der Kunst hauptsächlich ein Mittel der Propaganda und der Volkserziehung zu sehen. So stellte Ladislav §toll 1948 fest, daß der Avantgardismus (in der Literatur) seine Mission in der kapitalistischen Gesellschaft zwar gehabt hat, aber nunmehr überholt sei. *(6) Zwei Jahre später, im Januar 1950, empfahl Stoll den Schriftstellern auf einer Arbeitstagung ihres Vorstandes, sich nach einem Wort Stalins als "Ingenieure der Seele" zu betrachten. *(7) Mit Stolls Rede wurde eine Entwicklung eingeleitet, deren Ziele der Personenkult um Stalin und die Verherrlichung der Kollektivierung der Landwirtschaft waren. V

1951/52 wurde die KPC von inneren Machtkämpfen schwer erschüttert. Im Verlauf dieser Auseinandersetzungen ließ Gottwald seinen Nachfolger auf dem Posten des Generalsekretärs der Partei und zugleich den mächtigsten Mann im Parteiapparat, Rudolf Sla'nsky, absetzen. Während Gottwald zusätzlich auch das Generalsekretariat wieder übernahm, wurde Sl/nsky verhaftet und in einem Schauprozeß wegen Verrat, Spionage und Sabotage zum Tode verurteilt und am 3.12.1952 hingerichtet. Den Sturz Sla'nskys nahm die Partei zum Anlaß, um von ihrem harten Kurs in der Kulturpolitik abzurücken, der als Schematismus verworfen wurde. Bereits im Frühjahr 1952 hatte das Parteiorgan "Rude Prävo" *(8) für die einseitige Kulturpolitik den "verbrecherischen Einfluß der Slänsk^-Bande" verantwortlich gemacht.

*(6)

Ladislav Stoll:

*(7)

Ladislav Stoll:

*(8)

Rud^Privo

Skuteönosti tvarn/ tvar (Der Wirklichkeit Aug' in Auge), Prag 1 9 4 8 , S. 53 Tricet let beju za ceskou sociastickon poesii (30 Jahre Kampf für eine tschechische sozialistische Poesie), Prag 1950, o.S. vom 1 8 . 4 . 1 9 5 2

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ÖSSR

Unter dem Eindruck der politischen Ereignisse befaßte sich der Film vornehmlich mit biographischen und historischen Stoffen. Da selbst anerkannte Regisseure wie Vaclav KrSka, Jiri Weiss und Karel Stekly historische Themen und Stoffe behandelten, klingt die Begründung des Drehbuchautors von "Mikoläs Ales" (Biographie des gleichnamigen Malers), Jan Pos, nicht gerade überzeugend. Pos schrieb: "Auch für das tschechoslowakische Filmschaffen stellt das Gebiet der Biographie-Filme keinen Fluchtweg aus der Gegenwartsthematik dar. Der Biographie-Film ist keine idyllische Betrachtung der Vergangenheit, sondern er stellt eine Abrechnung mit der verzeichnenden Darstellung und Fälschung der bourgeoisen Ära und eine wahrhafte Würdigung des Fortschrittskampfes in den verschiedenen Abschnitten der Geschichte dar." * (9) Der am häufigsten zu registrierende Untertitel bei Filmen jener Jahre lautet: "Ein optimistischer Film". Sätze wie: " . . . legt noch größeren Nachdruck auf die Wiedergabe des optimistischen Wesenszuges des sozialistischen Arbeiters." oder: " . . . Es handelt sich um ein Lustspiel neuen Typs (gemeint ist "Es war im Mai" / "Bylo to ν mäji" von Martin FriC und Vaclav Berdych), das ein Abbild des Lebens der Menschen von heute gibt und die optimistischen Züge dieses Lebens hervorhebt.. . "- solche Sätze werden fast zu Stereotypen. "Der Optimismus stützt sich auf den Glauben an die Zukunft, die das werktätige Volk sich selber schafft: es ist das freudige Gefühl, mit dem es durch das Bewußtsein einer gut geleisteten Arbeit erfüllt w i r d . . . " - Diese und ähnliche Parolen, Spruchbänder ideologischen Gehaltes, die mit der tatsächlichen Realität nur wenig gemein hatten, wurden keineswegs zum Schmücken von Hauswänden verwendet (diese "sozialistische Errungenschaft" hat sich in der eigentlich nie durchsetzen können), vielmehr waren sie oft die einzig greifbare Quintessenz eines programmfüllenden Films. Die formale Biederkeit, die der "sozialistische Realismus" erzwang, ließ einfach keinen Platz mehr, um auch noch ein gewisses Soll an politischer Tendenz unterzubringen. So wurde das eine durch das andere entlarvt. 3. Tauwetter und Entstalinisierung

Wie sooft in der politischen und gesellschaftlichen Nachkriegsentwicklung der CSSR waren es die Schriftsteller dieses Landes, die die progressivsten Kräfte hervorbrachten oder um sich sammelten und auf Veränderungen drängten. Dies t r i f f t auf die Jahre 1954 bis 1956 genauso wie auf 1960/61 und dann noch einmal 1967/68 zu. Auf der im Frühjahr 1954 in Prag abgehaltenen Schriftsteller*(9)

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konferenz wurden Schematismus, Oberflächlichkeit und Grau-in-Grau-Zeichnungen verdammt. Seitens der Partei wurde der Vorwurf erhoben, die Schriftsteller hätten in unzulässiger Weise das Bild der Gegenwart idealisiert und idyllisiert. Das slowakische Parteiorgan 'Pravda' bezeichnete den "Kampf gegen linkes Sektierertum und gegen rechten Liberalismus" *(10) als eine der Hauptaufgaben der Konferenz in Prag. Diese Vorwürfe machen indirekt deutlich, daß nach dem Tod von Stalin Veränderungen nicht nur möglich geworden waren, sondern sich zumindest in bestimmten Werken der Kunst - bereits abzuzeichnen begannen. Anders jedenfalls ist es nicht zu erklären, daß die Schriftsteller offiziell die Polemik der Parteifunktionäre beantworten und nun ihrerseits jedes literarische Werk mit allzu simpler kommunistischer Tendenz als schematisch bezeichnen *(11) konnten. Die weitere Entwicklung in der & S R wurde wesentlich vom Verlauf des XX.Parteitages der KPdSU (1956) beeinflußt, bei dem der Persönlichkeitskult verurteilt wurde. Damit war der Weg für die Entstalinisierung freigegeben. Die KPÖ stellte sich sofort auf den neuen Moskauer Kurs um und stürzte im April 1956 den als dogmatischen und harten Stalinisten bekannten Verteidigungsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten, Alexis Cepicka, ein Schwiegersohn des 1953 verstorbenen Staats- und Ministerpräsidenten Gottwald. Trotz neuem Kurs und trotz Säuberung in der Partei kam es in der ÖSSR nicht zu ähnlichen Entladungen und Umgestaltungen wie in Polen und Ungarn. Das Tauwetter in der CSSR brachte keine unmittelbare Zäsur, sondern wurde zu einem sich nur langsam durchsetzenden Prozeß, der noch mannigfache Rückschläge erfahren mußte. Als frühestes Zeichen für die sich abzeichnende Wandlung kann man nachträglich wohl den Film " A n der Schwelle des Lebens" oder "Vladimir Olmers Schuld" (Vina Vladimire Olmera, 1956) werten. Vladimir Olmer, der Sohn eines angesehenen Prager Arztes, gerät durch unüberlegtes und leichtsinniges Handeln mehr und mehr in den Einflußbereich junger Leute, die sich mit auf leichte und nicht immer saubere Weise verdientem Geld ein unbeschwertes Leben machen. Olmer sinkt tiefer und tiefer und wird nach einem Gerichtsverfahren von der Universität verwiesen. In dieser schweren Krise rettet ihn die aufrichtige Liebe der Schwester eines der Urheber von Olmers Unglück. Vaclav Gajers Film widmet sich mit dieser Handlung erstmals einem sehr aktuellen Problem: der Jugendkriminalität, das bisher im tschechoslowakischen Film übergangen worden war. Begrüßenswert dabei war vor allem Gajers Mut, einige offizielle Tabus zu brechen, wenngleich er sich vorerst auch noch versagen mußte, mit einer schonungslosen Analyse an die Wurzeln des Problems heranzugehen, *(10) *(11)

Der tschechoslowakische Film, a.a.O., S. 31 Kulturny i i v o t vom 7 . 5 . 1 9 5 5

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d.h. nach seinen Ursachen zu fragen. Die Hinweise einerseits auf Alkohol, das Vorbild der anderen oder den Jazz (noch war der Jazz offiziell verfemt, wenngleich ihm die Jugend heimlich und auf privater Basis bereits huldigte) und andererseits auf die Überlastung der Eltern, die für ihre Kinder keine Zeit mehr finden sowie auf die Sterilität des offiziellen Vergnügungsbetriebes reichen noch nicht aus, um von der Demonstration zur Analyse vorzustoßen. Folglich kann der Schluß des Films auch höchstens für den Einzelfall, kaum aber für die Allgemeinheit von wirklicher Relevanz sein, denn das gute Mädchen und die echte Liebe sind letztlich ja nicht mehr als ein dramaturgischer "deus ex machina". Der neue kritische Ton, den Gajer mit seinem Gegenwartsstoff anschlug, spiegelte sich auch in Jiri Weiss' "Spiel ums Leben" (Hra ο 2ivot, 1956), hier allerdings übertragen auf die Okkupationszeit. Der Film geht auf einen Roman von Karel Josef BeneS (geboren 1896) zurück, der als Schriftsteller fast die gleichen Tendenzen verfolgt wie Weiss als Regisseur: Kritik am Bürgertum, psychologische Durchdringung von Familien-und Gesellschaftsproblemen. Weiss übernimmt diese Themen, konzentriert und bereichert sie gleichzeitig durch detaillierte Beobachtungsgabe, eine ungemein realistische Milieuzeichnung und den seinen Inszenierungsstil auszeichnenden Kammerspielcharakter. Im Mittelpunkt der Handlung steht das Schicksal einer bürgerlichen Familie, die unter dem Druck der zeitlichen Ereignisse zerbricht. Aus Angst um seine Stelle, um die Sicherheit seines Lebens und die seiner Familie kollaboriert ein Familienvater mit den Nazis. Seine Frau, die einen Jugendfreund vor der Gestapo versteckt, bezichtigt er der Untreue und läßt sie durch einen Detektiv beobachten. Dadurch lenkt er die Gestapo auf die Spur einer Widerstandsgruppe: Die Frau wird verhaftet, der Jugendfreund auf der Flucht erschossen, der älteste Sohn verläßt angewidert das Haus. - Zwar beschwört Weiss mit aller Intensität die Atmosphäre der Kriegsjahre, aber nicht um heroisch-pathetische Momente zu rekonstruieren, sondern um in ergreifender Schlichtheit einer allein auf das Darstellen sich konzentrierenden psychologischen Studie zur vollen Wirkung zu verhelfen. Von den zweiundzwanzig im Jahre 1957 gedrehten programmfüllenden Spielfilmen befaßten sich nicht weniger als fünfzehn mit der Gegenwart. Die gleiche Anzahl von Filmen entstand nach Originalentwürfen. Von den restlichen sieben Filmen schöpften fünf ihren Stoff aus literarischen Werken und je einer entstand nach einem Bühnenstück bzw. Hörspiel. Von den sechs Filmen, die sich mit der Jugend befaßten, greift nur einer - "Jahrgang 21" (Rocnik 1921) - auf die Vergangenheit zurück. Aber noch in anderer Hinsicht stellt dieses Jahr einen Wendepunkt dar. Die Zahl der Co-Produktionen (mit Frankreich, der UdSSR, Polen, DDR) konnte erhöht werden, nachdem die erste

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Entwicklung der Filmproduktion

Co-Produktion 1956 mit Bulgarien, "Labakan" (Kinderfilm), gemacht worden war. Eine neue Generation von Regisseuren, Kameraleuten und Drehbuchautoren war herangewachsen. Sie alle waren Absolventen der FAMU, der Filmfakultät der Akademie für musische Künste in Prag, oder erhielten ihre Ausbildung an der WGIK, der Filmhochschule in Moskau. So konnten 1957 gleich fünf junge Regisseure mit programmfüllenden Spielfilmen debütieren: Jendrich Pus, Jiri Jungwirth, Jaroslav Balik, Ladislav Helge und Ladislav Rychman. In einer Gemeinschaftsproduktion mit der DEFA schuf Vaclav Gajer nach dem Roman von Karel Ptacnik "Jahrgang 21". Jan, Angehöriger des Jahrgangs 1921, wird während des Krieges von den Deutschen in ein Arbeitsbataillon gesteckt. Bei Aufräumungsarbeiten nach einem Luftangriff in Berlin wird er verletzt und in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er die Krankenschwester Käthe kennen- und lieben lernt. Die beiden werden getrennt und begegnen sich zufällig in Dresden wieder. Um Käthe nicht allein zu lassen, schiebt Jan seine geplante Flucht auf. Wenig später wird das Mädchen von der Gestapo verhaftet. - Unmittelbarer, da gegenwartsbezogen wirkt aber "Dort bei der Endstation" (Tarn na konecne) des unzertrennlichen Regiepaares Elmar Klos und Jan Kadar (Buch: Ludvfk ASkenazy). Der Film entwirft ein kunstvolles Geflecht von fünf parallelen Handlungen, die sich in einem grauen, unauffälligen Haus abspielen, das an der Endhaltestelle einer Straßenbahn, in einer abgelegenen Vorstadtstraße liegt. In diesem Haus leben die Studentin Jirina, die Krankenschwester Maruna, ein alterndes, kinderloses Ehepaar, ein junger Apotheker und ein notorischer Säufer mit seiner kleinen Tochter. Eigentlich kennen die Menschen einander nicht, und doch berührt sich ihr Leben, stoßen ihre Schicksale aufeinander, verbinden und lösen sie sich wieder. Die Studentin verliebt sich in den Apotheker, der sich aber von ihr in dem Augenblick trennt, wo sie ein Kind erwartet; als das Ehepaar das kleine Mädchen adoptieren will, besinnt sich der ewig betrunkene Pesta wieder seiner Vaterpflichten; die Krankenschwester verliebt sich in einen Flieger, entschließt sich dann aber doch, auf ihren im Gefängnis sitzenden Mann zu warten. - Die zentrale Figur dieser unkonstruierten und natürlichen Alltagsgeschichte ist der Säufer Pesta. Martin Ruzek schuf mit ihr eine beklemmende Studie, neben der alles andere verblaßt. "Und mit Pesta endet dann auch der Film: Am Weihnachtsabend will er seiner Tochter eine Puppe bringen, aber als er dann vor dem Haus an der Endstation steht, wagt er sich nicht hinein. Er schenkt die Puppe einem draußen spielenden Mädchen und fährt mit der Straßenbahn wieder davon, den Blick auf das im Rücken langsam kleiner werdende Haus gerichtet. Hier sind die Ansätze für eine wirkliche sozialistische Filmkunst, der gegenüber auch die kritischen Filme wie "Septembernächte" und "Schule der Väter" forciert erscheinen, weil ihnen der Mangel der Künstlichkeit anhaftet." * (12) *(12)

Film 58, Frankfurt a.M. 1958, Heft II, S. 217

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In seinem Debütfilm " D i e Schule der Väter" (Skola octii, 1957) greift Ladislav Helge gewisse Praktiken der sozialistischen Schule an. Pelikan, ein durch Familiensorgen etwas verbitterter, jedoch aufrichtiger und kompromißloser Lehrer, wird in eine Dorfschule versetzt, in der die Lehrer unberechtigt gute Noten verteilen, um das Prädikat 'Musterschule' zu erwirken. Da sich Pelikan diesen Methoden widersetzt, gerät er bald in einen Strudel von Intrigen und Verleumdungen. Er zieht den Haß der Kollegen auf sich, verfeindet sich mit Eltern und Schülern und räumt schließlich resignierend das Feld, um in die Stadt zurückzukehren. Charakteristisch für diesen Film, der von den hervorragenden schauspielerischen Leistungen Karel Högers getragen wird, ist, daß die Kritik von außen herangetragen wird: Pelikan ist kein Parteimitglied. U m so härter fällt die Gegenüberstellung zwischen ihm, dem Fachmann, und den Funktionären aus, die die Doppelbödigkeit ihrer Moral offenbar auch noch als legal empfinden. Schon aus diesen A n deutungen wird ersichtlich, daß der Film mit den klischeehaften, idealisierten Figuren des "sozialistischen Realismus" radikal bricht; der Optimismus ausstrahlende, gute Held ist dem Menschen mit seinen Fehlern und Schwächen auf der Leinwand gewichen! Mit dem Preis der tschechoslowakischen Filmkritik wurde nicht nur Helges Film, sondern auch der Film des Armee-Filmkollektivs unter Leitung von Vojtech Jasny "Septembernächte" (Zarijove noci, 1957), der gleichzeitig Exportverbot erhielt, ausgezeichnet. A m Beispiel eines jungen Offiziers behandelt Jasny vor allem die Frage der militärischen Disziplin, die vom Helden mehr durch die Verkettung verschiedener Umstände als mit Absicht verletzt wurde. Obwohl sich nur auf Einzelpersonen beziehend, ist Jasnys Kritik nicht gerade als zart zu bezeichnen. Ihm geht es um den starken Einfluß der politischen Führer in der Armee, um die Vetternwirtschaft und Interessenverquickungen innerhalb der höheren Führung und der Verwaltung und schließlich um die wohl in jeder Armee anzutreffenden 08/15-Methoden. Der v o m Tauwetter beherrschte Filmfrühling 1957/58 war so produktiv, künstlerisch so fruchtbar, daß er sich einerseits wie Kreise im Wasser ausbreitete, auf immer wieder neue Talente und Namen hinlenkte und zum anderen zur Ausgestaltung eines spezifisch tschechoslowakischen Realismus führte. Dieser Realismus war nicht vom sowjetischen Film, sondern vom italienischen Film der frühen fünfziger Jahre inspiriert worden. Martin Schlappner umriß diese Strömung einmal mit den Worten: " D e r Realismus des tschechoslowakischen Films wird also aus der Sphäre des dogmatischen Positivismus der kommunistischen Gesellschaftslehre, der sich eindeutig im Widerspruch befindet zur Realität der täglich gelebten gesellschaftlichen Umgebung, fortentwickelt zu einem Realismus der kritischen Auseinandersetzung mit dieser Gesellschaft. Kritik setzt immer ein gewisses Maß von Freiheit voraus, und diese Freiheit stellt sich auf dem Hintergrund der grundsätzlichen Bejahung der als Sozialismus bezeichneten neuen

Entwicklung der Filmproduktion

Gesellschaft nach und nach und in bestimmten Graden ein. Es wird die 'Schönheit der sozialistischen Gesellschaft' wahrgenommen, aber ihre Idealität wird zum Maßstab, mit welchem Gegenwart und Alltag gemessen werden. Das führt die Künstler zu einer oft erstaunlichen Kühnheit, zu einer Kritik, die in dem Sinne wagemutig ist, daß sie die Mißbräuche der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung denunziert, wie wohl natürlich die Grundsätze dieser Ordnung niemals in Zweifel gezogen werden." *(13) Gerade der letztgenannte Hinweis ist von elementarer Bedeutung für das Verständnis aller modernen tschechoslowakischen Filme. Es hat eine ganze Reihe von Jahren gebraucht, ehe man im Westen bereit war, zu erkennen und anzuerkennen, daß Kritik innerhalb der sozialistischen Länder nicht gleichbedeutend zu sein braucht mit der Ablehnung der herrschenden Gesellschaftsordnung. Offenbar fällt es vielen von uns schwer zu glauben, daß es ernst zu nehmende, aufgeschlossene und intellektuelle Menschen gibt, die den Sozialismus aus tiefster innerer Überzeugung bejahen und sich auch an seinem Aufbau aktiv beteiligen, gleichzeitig aber kompromißlos harte und durchaus auch gewisse Tabus verletzende Kritik an einzelnen Personen und Institutionen, Fehlern und Schwächen, Irrtümern und kurzsichtigen Maßnahmen üben. Nicht bei dieser, auf vermeidbare, negative Einzelerscheinungen ausgerichteten Kritik liegt der stets mit einem gewissen Bedauern registrierte Fehler, den westliche Beobachter zu erblicken glauben, sondern bei diesen Beobachtern selbst. Da sie Kritik mit Ablehnung identifizieren, warten sie förmlich darauf, ihre persönliche Meinung durch filmische oder literarische Erzeugnisse aus den sozialistischen Ländern bestätigt zu finden. Da diese Bestätigung mit ziemlicher Sicherheit aber nicht zu erhalten ist, und zwar nicht etwa nur, weil interne Kontrollorgane solches zu verhindern wissen, wird entweder das einzelne Werk überinterpretiert, oder aber es wird ihm angelastet, daß es letztlich eben nur bei der Kritik an Personen, an Randerscheinungen und einzelnen Fehlern verharre, nicht aber zu einer Infragestellung der kommunistischen Ordnung, des Systems, sich durchringe. Dieser Einwand ist paradox, denn einerseits würde man jeden Film, der die eigene, als sinnvoll akzeptierte gesellschaftliche Ordnung angreift, verdammen, und zum anderen fordert man im gleichen Atemzug, daß der Film eines anderen gesellschaftlichen Systems genau das tun sollte, was man im eigenen Land nicht tun würde. Es ist hier nicht der Ort, Entscheidungen über die Vor- und Nachteile bestimmter gesellschaftlicher Systeme zu fällen oder politische Bekenntnisse abzulegen, dennoch mußte diese Ambivalenz erwähnt werden; nicht, weil sie etwa dadurch überwunden werden könnte, sondern weil erst im vollen Bewußtsein ihrer *(13) Neue Zürcher Zeitung vom 20.11.1964

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Existenz die eigentliche Leistung der sozialkritisch engagierten Autoren und Regisseure der (5SSR gewürdigt werden kann. Daß diese Problematik, die im übrigen auf "beiden Seiten" gegeben ist, nur dann bewältigt werden kann, wenn man sich zu toleranter und vorurteilsfreier Haltung entschließt, die ja keinesfalls den Konformismus und die Meinungslosigkeit voraussetzt, beweist u.a. auch ein offener Brief von Ladislav Mnacko an Rolf Hochhuth, der in der "Zeit" vom 4.9.1964 veröffentlicht wurde. Mnacko schrieb: "Ich habe für mich und mein Volk ein schmerzliches Buch" (gemeint ist das Buch "Die verspätete Reportage", das 1963 in Bratislava erschien) "über die jüngste Vergangenheit geschrieben, über schwere und schmachvolle Verhältnisse in meinem Lande in den ersten Jahren des sozialistischen Aufbaus, über Deformationen, die direkt die Wurzeln des sozialistischen Seins betrafen, über eine Zeit, die Sie als Epoche des Stalinismus bezeichnen. Ich bin Kommunist, und das Buch, von dem ich spreche, habe ich nicht leichten Herzens geschrieben. Ich mußte es schreiben, ich konnte nicht schweigen zu dem Unrecht, das hier geschah. Das Buch erschien bei uns in einem politischen Parteiverlag und erreichte in einigen Monaten eine Auflage von 300.000 Exemplaren... Ich verbot jede Verbreitung des Buches außerhalb der Grenzen unseres Landes, sei es im Westen oder Osten. Ich ging dabei von der Überzeugung aus, daß ein Leser, der die konkrete Atmosphäre und die konkreten Realien der Zeit, über die ich schreibe, nicht kennt, das Buch nicht in dem Sinne begreifen kann, in dem ich es schrieb.. . Es gab Zeiten. . , da man bei uns behauptete, daß in kapitalistischen Ländern. . . nur eine reaktionäre, gegen das Volk gerichtete Verfallsliteratur existiere. Es war dies eine grobe Vulgarisierung, die sich nicht bezahlt machte.. . Ich will nicht behaupten, daß in dieser Beziehung schon alles bei uns in Ordnung ist, dies kann man auch nicht erwarten." 4. Verschärfung des kulturpolitischen Kurses

Dieser Brief, obwohl 1964 geschrieben, trifft in gewisser Weise auch auf die Jahre 1956 bis 1958 zu, mit einem Unterschied allerdings, der aber bezeichnend ist: Das Buch von MfiaXko konnte erst in den letzten Jahren geschrieben werden, vorher hätte keine Chance für eine Veröffentlichung bestanden; denn das Tauwetter von 1956 wurde zwei Jahre später bereits wieder in sein Gegenteil verkehrt. Aus Angst vor den Geistern, die sie beschwört hatten, aus Angst vor der eigenen liberalen Haltung, mit der sie offenbar noch nichts anzufangen wußten, befahlen die Kulturfunktionäre den Rückzug. Während des XI. Parteitages der wurde 1958 mit der Feststellung, daß die "Spielfilmproduktion nicht immer die Hand am Puls des sozialistischen Lebens" habe, die Forderung verbunden, "nur solche Menschen auf die Leinwand zu bringen, die den Kommunismus aufbauen".*) 14) *(14)

Der tschechoslowakische F i l m , a.a.O., S. 41

Entwicklung der Filmproduktion

Bei der II. Konferenz der Filmschaffenden der sozialistischen Länder, die Anfang Dezember des gleichen Jahres in Rumänien abgehalten wurde, beklagte Franti&k Daniel im Namen der tschechoslowakischen Delegation: "Die Autoren schildern heute Fragmente des Lebens, sie befassen sich mit privaten, intimen und aus dem Leben herausgerissenen und oft von allen gesellschaftlichen Beziehungen und Motiven abgesonderten Themen.. . Es fehlt an dem Bestreben und der Kunst, die Wurzeln zu finden, die Zusammenhänge, die Historie der Probleme zu sehen... Unsere Autoren erklären stolz, daß sie den heutigen Alltag wahr und unverzerrt darstellen wollen. Aber eben wegen der Oberflächlichkeit des Blicks bringen sie ungenügend durchzeichnete, dürftige und seichte Skizzen. Diese geben nicht das Alltagsleben wieder, sondern sind banale, abgedroschene, unpoetische Arbeiten ohne dramatische Phantasie und Ausdrucksmöglichkeit, ohne Komposition und Spiel - eine 'Kunst', aus der das Leben entronnen ist... Solange unsere Autoren nicht lernen, aus dem Leben derartige Situationen herauszusuchen, solche Kollisionen der Gefühle und der Moral, in denen der ganze Mensch bedroht wird, solche Situationen, aus denen der Weg nur durch ein äußerstes Aufbäumen der Gefühle führt, kann nicht davon gesprochen werden, daß wir uns die Erfahrungen der großen realistischen Kunst der Vergangenheit angeeignet hätten... Die größte Kunst eines realistischen Autors ist die Kunst, etwas Ungewöhnliches und Sonderbares, Außerordentliches und Spannendes dort zu finden, wo sich scheinbar nur das Gewöhnliche, das Alltägliche befindet." *(15) Unvorstellbar, daß das, was den tschechoslowakischen Film innerhalb kurzer Zeit auf ein kaum zuvor erreichtes Niveau gebracht hatte, nun plötzlich nicht mehr gelten sollte. An der neuen Linie aber bestand kein Zweifel mehr, zumal sich die kritischen Stimmen häuften und abermals auch zu Filmverboten führten. Frantisek Kahuda, der Minister für Kultur, übte Anfang des Jahres 1959 scharfe Kritik am tschechoslowakischen Film. Vor allem kritisierte er die "mechanische Kopie neorealistischer Werke" und brandmarkte die pessimistische Haltung des heimischen Films, der sich nur mit Einzelschicksalen befassen würde. Es zeuge, so fuhr er fort, von "einer revisionistischen Haltung", wenn das heutige Leben in der CSSR in verdreckte Baracken verlegt werde. Eine solche Darstellung bedeute eine "reaktionäre Verzerrung der freudigen sozialistischen Wirklichkeit".*! 16) Der Minister Schloß seine Polemik mit dem Hinweis, daß die Partei von den Filmschaffenden die strengste Einhaltung der Richtlinien verlange. - Für den tschechoslowakischen Film, dessen Realismus aus der kritischen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft entstanden war und der in erhöhter, künstlerisch verdichteter sozialer Aufmerksamkeit

*(15) *(16)

Der tschechoslowakische Film, a.a.O., S. 41 f Ebda., S. 4 2

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seine spezifische Wurzel gefunden hatte, konnten solche Richtlinien nur einem Todesurteil gleichkommen. Wohl gemerkt handelt es sich primär um den letztlich ja doch immer nur schmalen Bereich des Films, der tatsächlich ambitioniert und engagiert ist, das Gros der Produktion ist, hier wie da, aufgrund seiner mangelhaften Wirklichkeitsnähe, seiner vielfältigen Konzessionen und seiner ohnehin zu illusionistischer Unverbindlichkeit hintendierenden Inhalte, auf diese Weise nur schwer zu treffen, d.h. um so leichter natürlich zu lenken und zu beeinflussen. Da aber die künstlerische Minorität gerade im Bereich des Films das einzig fortschrifttliche Element ist, da sie allein die Maßstäbe setzt und sehr empfindlich auf gesellschaftliche Einflüsse und Strömungen reagiert, hätte gerade sie besonders hart von der neuerlichen Sinneswandlung der Partei getroffen werden müssen.Und sie wäre es in der Tat auch, wenn zwei ganz entscheidende Voraussetzungen nicht gewesen wären: das Potential des künstlerischen Nachwuchses, das seine ersten "Feuerproben" bereits bestanden hatte sowie die Filmfakultät selbst, wo die bedeutendsten Filme des In- und Auslandes studiert wurden, wo die fähigsten tschechoslowakischen Regisseure, Autoren und Dramaturgen unterrichteten, so daß der unmittelbare Kontakt zwischen Lehre und Praxis nie abriß. Schon wenige Jahre später konnte deshalb abermals deutlich werden, welch entscheidende Rolle diese Filmhochschule spielt. Ganz abgesehen davon, schien den Urhebern des neuen Kurses - trotz ihrer historisch-dialektischen Bildung - wohl entgangen zu sein, daß man gewisse, aus konkreten gesellschaftlichen Situationen entstandene Prozesse der Wandlung zwar unterdrücken, auf die Dauer hin gesehen aber nicht verhindern kann. So konnte es schließlich auch die Partei nicht verhindern, daß 1958 und 1959 noch einige bedeutungsvolle, mit ihren Dogmen allerdings weitgehend unvereinbare Filme entstanden. Der wichtigste von ihnen ist zweifellos Vojtech Jasnys "Sehnsucht" (Touha, 1958). Die vier Episoden des Films entsprechen den Jahreszeiten in der Natur im weiteren Sinne des Wortes und den vier Lebensaltern des Menschen. Jasny schuf einen Film, der von elementarer optischer Poesie ist und sich als große Suche nach dem Sinn des Lebens deuten läßt. Er selbst sagt: "Ursprünglich wollte ich einen lyrischen Film über das menschliche Leben ohne Schauspieler und Handlung drehen, nur Natur und Landschaft. Als es aber zur Verwirklichung meines Gedankens kam, entschied ich mich doch für eine Handlung. Auf die Inspiration brauchte ich nicht lange zu warten. Ich dachte an meine eigene Kindheit, an meine Heimat und meine eigenen Erlebnisse." Die erste Episode erzählt von Kindern, die unendlich neugierig sind, eigentlich nur Freude kennen und noch nichts vom Tod wissen. Der zweite Zyklus ("Menschen auf der Erde, Sterne am Himmel") widnhet sich dem Liebeserlebnis eines achtzehnjährigen Mädchens, das zum Symbol des beginnenden menschlichen Sommers wird. " I n der Sommergeschichte erklingt schon leise Wehmut; jeder von uns hat in der Jugend etwas Ähnliches erlebt. Der bittere Beigeschmack

88

Entwicklung der Filmproduktion

so einer S o m m e r l i e b e vergeht, d o c h die E r i n n e r u n g b l e i b t . " " A n d e l a " , die dritte u n d eindringlichste E p i s o d e , sollte z u m A u s d r u c k b r i n g e n , d a ß " u n s e r L e b e n i m reifen A l t e r r a u h w i r d , u n d jeder v o n u n s kleine T r a g ö d i e n d u r c h lebt. U n d die letzte G e s c h i c h t e ( " D i e M u t t e r " ) ist bereits v o n leiser T r a u e r erfüllt. D o c h a u c h n a c h d e m Winter, d e m T o d , k o m m t ein neuer F r ü h l i n g , neues L e b e n . " * ( 1 7 )

In diesem F i l m , für d e n eigentlich alle K a t e g o r i e n u n d

V e r g l e i c h e fehlen, d o m i n i e r t das stilisierte B i l d , der o p t i s c h e A u s d r u c k , u n d natürlich die B i l d m o n t a g e . U n d n o c h zwei andere F i l m e m a c h t e n auf sich a u f m e r k s a m , o h n e aber je d a s z u erblicken, w o f ü r sie b e s t i m m t w a r e n - die ö f f e n t l i c h e n Lichtspieltheater. E s w a r e n V a c l a v K r s k a s " H i e r s i n d L ö w e n " ( Z d e jsou Ivi, 1 9 5 8 ) u n d J a n K a dar u n d E l m a r K l o s '

" D r e i W ü n s c h e " (Tri prani, 1 9 5 8 ) . K r i k a , d e m sein

F i l m " S i l b e r n e r W i n d " bereits K r i t i k e i n g e b r a c h t hatte, schildert das· S c h i c k sal eines fähigen Ingenieurs, d e n eine verständnislose Parteimaschinerie, achs e l z u c k e n d e F u n k t i o n ä r e u n d gleichgültige G e w e r k s c h a f t s b o s s e in d e n A b g r u n d treiben. D a er es ablehnte, in die Partei einzutreten, w u r d e er als R e a k tionär d e n u n z i e r t ; da er n i c h t " e i n s i c h t i g " w u r d e , s c h o b m a n i h n in ein U r a n bergwerk ab, w a s sein E n d e bedeutet. Krs*kas F i l m e gehören, gleich wie m a n i m einzelnen a u c h i m m e r z u i h n e n stehen m a g , z u d e n persönlichsten, leidenschaftlichsten u n d b e k e n n t n i s r e i c h s t e n , die der t s c h e c h o s l o w a k i s c h e F i l m h e r v o r g e b r a c h t hat. D a ß d a m i t aber die P o s i t i o n des Regisseurs n i c h t leichter w u r d e , ist verständlich; d e n n o c h hat m a n sich insgesamt gesehen w o h l a u c h nie so recht die M ü h e g e m a c h t , die eigenwillige, o f t a u c h trotz m i t t e l m ä ß i ger V o r l a g e n n o c h m i t r e i ß e n d e S p r a c h e dieses M a n n e s z u analysieren u n d z u verstehen. D e r V e r s u c h , E n t w i c k l u n g s l i n i e n z u d o k u m e n t i e r e n , gelingt e i n d r u c k s v o l l a m Beispiel v o n " D r e i W ü n s c h e " . Z w e i S t e l l u n g n a h m e n , eine aus d e m J a h r e 1 9 5 9 u n d eine v o n 1 9 6 4 , liegen v o r u n d w e r d e n - in der Gegenüberstellung z u Z e u g n i s s e n ihrer Zeit. F . B . K u n c , der C h e f d r a m a t u r g v o m S t u d i o Barrand o v , schrieb 1 9 5 9 : " E s sollte eine scharfe Satire w e r d e n . S i e w a r s o gepfeffert, d a ß d e n beiden ( K a d a r u n d K l o s ) b e i m D r e h e n ein b i ß c h e n die H ä n d e zitterten. S i e b e g a n n e n daher, die K a n t e n a b z u s c h l e i f e n u n d Ü b e r t r e i b u n g e n wegzulassen, bis die H a n d l u n g s o z u s a g e n in d e n R a h m e n jener ' B e g e b e n h e i ten aus d e m w i r k l i c h e n L e b e n ' gepreßt w u r d e . W a s dabei h e r a u s k a m , w a r zwar keine Satire m e h r , aber natürlich n o c h viel w e n i g e r ein B i l d unseres gegenwärtigen L e b e n s in der C S S R . A m ehesten gleicht d a s R e s u l t a t n o c h e i n e m P a m p h l e t , einer üblen N a c h r e d e . Ja, s o w e i t k a n n es einer b r i n g e n , w e n n er das G e n r e n i c h t einhält. W ä h r e n d d a s B ü h n e n s t ü c k gleichen N a -

*(17)

Vojtech Jasny:

Programmheft zum Film

iiSSR

mens (von Vratislav Blaiiek, der auch das Drehbuch verfaßte) fast ohne die geringsten Textstriche seinen Siegeszug über fast alle Bühnen der Republik antrat, wanderte der Film in den Tresor."*(18) - Fünf Jahre später allerdings sah man auch in der CSSR diesen Film und das Bemühen seiner Hersteller in einem entgegengesetzten Licht. Milos Fiala äußerte sich wie folgt: "In dem Hauptreferat dieser Tagung (gemeint ist das I. Festival des Tschechoslowakischen Films in Bank^ Bystrica, 1959) wurde dem Film vorgeworfen, in ihm sei die Methode des Revisionismus demonstriert, gekennzeichnet durch die Verabsolutierung isolierter Fakten zu ungunsten der allgemeinen Wahrheit, durch die Ummünzung unwesentlicher Erscheinungen in wesentliche und typische, der Überreste des Kapitalismus in Produkte unserer Gesellschaftsordnung. Im Zusammenhang mit diesem Film sprach man vom 'Geist kleinbürgerlicher Skepsis und Miesmacherei', obwohl es sich um einen Film handelte, der mit seiner ganzen Ethik gegen das Kleinbürgerliche kämpfte, der die Zuschauer zu staatsbürgerlicher Verantwortung aufrief, der gegen die Überreste des Alten zu Felde zog. Von welch einer einseitigen, mechanischen und undialektischen Auffassung über die erzieherische Funktion eines Kunstwerkes die Kritik an dem Film 'Drei Wünsche' ausging, zeigt am besten der Schluß . . . Es zeugt von einem tragischen Unverständnis, daß gerade dieser aktivierende Schluß" - der Film endet mit einer Frage, überläßt also die Entscheidung dem Zuschauer - " unter dem Vorwand der gesellschaftlichen aktiven Rolle der Kunst angegriffen wurde." * (19) Zum großen Leidwesen der Dogmatiker und Funktionäre behielt der tschechoslowakische Film aber auch 1959 seine Tendenz zum Alltäglichen, zum Individuellen bei. Zwei Dinge spiegeln sich in dieser Tendenz: einmal das persönliche Anliegen meist sehr junger Filmschöpfer und zum anderen die Möglichkeit eines ernsthaften künstlerischen Werkes, über sich selbst und den dargestellten Einzelfall hinauszuweisen. Fast zwangsläufig lenken dabei die Filme verstärkt ihre Aufmerksamkeit auf ein Problem, das in den kommenden Jahren immer wieder behandelt werden sollte: die Jugend (junge Menschen unter sich und im Miteinander, junge Menschen im Widerspruch zur Gesellschaft und vor allem zur älteren Generation etc.). 5. Die junge Generation setzt sich durch Wie eng die Beziehungen zwischen der offiziellen Kulturpolitik eines sozialistischen Staates und der Filmproduktion sind, läßt sich nicht zuletzt auch an *(18) *(19)

90

Der tschechoslowakische Film, a.a.O., S. 44 Film - wissenschaftliche Mitteilungen, Hrsg.: Institut für Filmwissenschaft an der deutschen Hochschule für Filmkunst, Berlin 1964, S. 1209

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle I Übersicht über die in der CSSR zwischen 1945 und 1965 hergestellten Spielfilme

Jahr

Böhmen/Mähren

Slowakei

1945

3



1946

10

1947

17

1

18

1948

19

Gesamt 3 10

-

. 18

1

1949

20

1

21

1950

21

3

24

1951

8

1

9

1952

14

2

16

1953

15

3

18

1954

13

1

14

1955

14

2

16

1956

18

3

21

1957

21

3

24

1958

24

5

29

1959

28

5

33

1960

21

4

31

1961

31

8

39

1962

30

6

36

1963

31

6

37

1964

29

7

36

1965

32

6

38

Quelle:

Der tschechoslowakische Film, Hrsg. vom Tschechoslowakischen Staatsfilm, Prag 1951 - 1965 Modern Czechoslovak Film (Redaktion: Stanislav Zvonicek, veröffentlicht in Zusammenarbeit mit der Tschechoslowakischen Filmindustrie), Prag 1965 Filmstatistisches Taschenbuch, Hrsg. von der Statistischen Abteilung der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft, Wiesbaden, 1957 - 1965.

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der Zu-oder Abnahme des Produktionsumfanges ablesen. Mit einer nur geringen zeitlichen Verschiebung, die durch den in der Praxis zwangsläufig entstehenden Zeitraum zwischen Planung und Realisierung eines Filmsprojekts motiviert werden kann, hat die tschechoslowakische Spielfilmproduktion stets auf politische und gesellschaftliche Veränderungen reagiert. Dies läßt sich sowohl zwischen 1950 und 1952 (Ende der Slansk^-Prozesse) als auch zwischen 1959 (zwar zeichnete sich das Ende des vorübergehenden Tauwetters bereits 1958 ab, aber aufgrund der besonderen Produktionsbedingungen beim Film trat erst zwischen 1959 und 1961 eine Zäsur ein) und 1961 nachweisen. Im Jahr 1961 stieg die Produktion abendfüllender Spielfilme sprunghaft an. Nie zuvor hatten 3 9 einheimische Spielfilme innerhalb eines Jahres ihre Uraufführung erlebt (vergl.nebenstehende Aufstellung). Die besten der Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre entstandenen Spielfilme verwiesen bereits auf eine neue Entwicklung, die sich langsam, aber unaufhaltsam abzuzeichnen begann und die dem tschechoslowakischen Film innerhalb kürzester Zeit weltweite Beachtung und Anerkennung verschaffen sollte. Gerade aber diese Entwicklung bleibt, versucht man, sie von den politischen Ereignissen jener Jahre zu isolieren, unverständlich. Die Lockerung der doktrinären Haltung der Partei war nicht nur ein Resultat innerstaatlicher Diskussionen und Bestrebungen, sondern mindestens im gleichen Maße auch das Resultat des X X . Kongresses der K P der U d S S R , des Volksaufstandes in Ungarn und der vornehmlich in der jüngeren Generation anzutreffenden Stimmung, deren liberaler Einstellung, deren kosmopolitisches Denken und deren von anderen Gegebenheiten der Vergangenheit beeinflußten Erlebniswelt. Diese Generation kennt den Krieg und die Okkupationszeit nur noch teilweise aus eigener Anschauung; ihre Ideale, ihre Wünsche und ihr Verhalten unterscheiden sich von denen der älteren Generation; ihre vorurteilslose, dafür aber nüchtern-kritische Beziehung zur Wirklichkeit erzwang schließlich ein grundsätzliches Überprüfen der Positionen. Hierbei handelte es sich keineswegs um eine Revolution, sondern ausschließlich um eine Evolution, die ihre Kraft aus der gesellschaftlichen Realität bezog und von ihr die besten Argumente geliefert bekam. 1960 erregte FrantiSek Vlacil mit " D i e weiße T a u b e " (Bila'holubice) Aufsehen; ein völlig unkonventioneller Film, der allgemein zu den Wegbereitern eines poetischen Realismuses in der 2 S S R gezählt wird. Der Autor-Regisseur VlaSil, der ursprünglich Maler und Graphiker war und ab 1952 Lehr- und Dokumentarfilme herstellte, eröffnete mit diesem Werk, obwohl es an frühere Experimente des 'cinfema pur' anknüpft, neue Dimensionen für die filmische Gestaltung. Die

Entwicklung der Filmproduktion

Geschichte, die fast ohne jeden Dialog oder Kommentar auskommt, ist einfach und verläuft gradlinig: Die Brieftaube eines jungen Mädchens verirrt sich auf dem Flug von Belgien zur Insel Fehmarn und wird in Prag von einem gelähmten Jungen angeschossen. Ein Maler nimmt sich des Tieres an und überzeugt den Jungen, der schließlich seine Lähmung überwindet, von der Notwendigkeit, der geheilten Taube ihre Freiheit wiederzugeben. Auch der bisher letzte Abschnitt der Geschichte des tschechoslowakischen Films wurde - wie schon 1957 - eingeleitet und geprägt durch das Hervortreten neuer Regisseure und Autoren. Die ersten von ihnen verließen nach ihrer vierjährigen Ausbildung 1961 die FAMU, zahlreiche weitere Debütanten folgten 1962 und 1963. Damit erhielt die Filmfakultät als eigentliches geistiges und künstlerisches Zentrum des tschechoslowakischen Films fast schon legendären Ruf. Und in der Tat, der junge tschechoslowakische Film ist ohne dieses Zentrum der Ausbildung, aber auch des Gedanken- und Erfahrungsaustausches schlechterdings undenkbar. Wenn man aber vom "jungen tschechoslowakischen Film" spricht, so bedarf es hierbei erheblicher Differenzierungen. Die gängige Filmpublizistik läßt zwar Filmschulen und -wellen gern und oft entstehen, aber bei näherem Zusehen wird aus der vermeintlichen einheitlichen Linie sehr schnell eine Vielzahl extremer Pole, wobei es fast einfacher ist, das Trennende als das Gemeinsame herauszuarbeiten. Genauso unzutreffend wie letztlich seinerzeit der Begriff "Neue Welle" als gemeinsamer Nenner für die Bemühungen der jungen französischen Regisseure war, genauso viel-und nichtssagend zugleich ist eine Formulierung wie "junger tschechoslowakischer Film". Denn einerseits war die um die Jahreswende 1961/62 einsetzende neuerliche Aufwärtsentwicklung zugleich auch mitgetragen von Schriftstellern und Kritikern und zum anderen dürfte auch, zumindest indirekt, das Publikum an ihr einen gewissen Anteil haben. Mitgeschaffen wurde diese allgemeine Stimmung aber auch durch jene Atmosphäre, die zur Voraussetzung für das erfolgreiche Debüt des Nachwuchses wurde. Eine junge Generation setzte sich innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit mit ihren Ideen und mit ihrem an den hervorragendsten Beispielen moderner Filmkunst aus aller Welt geschulten Blick für die Realität, für die Mittel und Möglichkeiten ihres Aussagemediums durch. So verschieden wie ihr persönlicher Stil, war die Wahl der Themen, so verschieden wie ihre Aussagen, waren ihre Vorbilder: das cinäma vöritd, Frankreichs Neue Welle, das free cinema, der dokumentarische Realismus der Italiener, das polnische und das sowjetische Filmschaffen. Keine dieser genannten Strömungen wurde allerdings in Reinform übernommen oder führte zu unreflektierten Imitationen. Der tschechoslowakische Film der Gegenwart übernimmt vom Ausland und der Tradition des eigenen Landes nur das, was der künstlerischen Formulierung und Bewältigung seiner Aussagen dient, die inhaltlich und formal sehr unterschiedlich, sehr individuell und oft gerade im Ausdruck auch sehr eigenwillig

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CSSR

und subjektiv sind. Das Wort subjektiv ist nicht negativ gemeint; es bezieht sich vielmehr auf den unverkennbaren nationalen Charakter des tschechoslowakischen Films und betont den individuellen künstlerischen Gestaltungswillen seiner besten Vertreter. Denn wahre Kunst weist zwar stets über sich hinaus, d.h. sie erlaubt die Verallgemeinerung des dargestellten konkreten Einzelfalles, sie besitzt Momente der Wahrheit, die weder lokal noch national noch zeitlich begrenzt sind, aber sie ist im gleichen Atemzug auch ein Zeugnis, ein Bekenntnis des schöpferisch tätigen Menschen und seiner nur mehr soziologisch zu definierenden Umwelt. Ober die Entwicklung des tschechoslowakischen Films in den letzten Jahren sind eine Reihe von Untersuchungen und Abhandlungen erschienen, so daß auf ihre detaillierte Darstellung in diesem Zusammenhang verzichtet werden kann. (Vgl. u.a. Antonin Novak: Der junge tschechoslowakische Film / Eine Dokumentation der Westdeutschen Kurzfilmtage, Oberhausen 1967; Hilmar Hoffmann: Tschechoslowakische Filmtage 1964 in München (Programmheft), München 1964 und Steffen Wolf: Der Tschechoslowakische Film, a.a.O., S. 49 - 69)

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Entwicklung der Filmproduktion

II.

Entwicklung des tschechoslowakischen Kinderfilms

1. Vom Trickfilm zum realistischen Kinderfilm

Obwohl die tschechoslowakische Filmindustrie unmittelbar nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges verstaatlicht wurde, vergingen - ähnlich wie in der D D R eine Reihe von Jahren, bis die ersten, speziell auf die Bedürfnisse und das Verständnis von Kindern abgestellten Filme entstanden. Auf Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Vorkriegszeit konnte dabei praktisch nicht zurückgegriffen werden, da - von vereinzelten Ausnahmen abgesehen - sich keine der privaten Produktionsfirmen, die bis zu ihrer Schließung oder Enteignung durch die deutsche Besatzungsmacht (1939) bestanden hatten, mit der Herstellung von Kinderfilmen befaßt hatte. Der Grundstein für die tschechische Kinderfilmproduktion wurde nicht in den grossen Spielfilmstudios in Barrandov (Prag) gelegt, sondern in den Zeichen- und Puppentrickfilmstudios in Prag und vor allem in Gottwaldov, wo sich vor dem Krieg die Schuhfabrik Bata'eine komplette Studioanlage für die Herstellung von Werbefilmen eingerichtet hatte. 1943 begann Karel Zeman, der später mit seinen programmfüllenden Spielfilmen (meisterhafte Vermischungen von Real- und Trickfilmen) hohe internationale Auszeichnungen errang, in Gottwaldov mit seiner Arbeit als Drehbuchautor und Regisseur. Zeman wandte sich zuerst dem Puppentrickfilm zu und schuf 1945 u.a. den Kurzfilm "Weihnachtstraum" (Vanocni sen), der im darauffolgenden Jahr in Cannes als bester Puppentrickfilm ausgezeichnet wurde und die internationale Fachöffentlichkeit erstmals auf die tschechische Trickfilmproduktion aufmerksam machte. Auch in den nächsten Jahren arbeitete Zeman zunächst noch auf dem Gebiet des Puppentrickfilms, wobei eine Reihe von zwar nicht nur, aber besonders auch für Kinder geeigneten Filmen entstand. So u.a. die bekannte und beliebte Serie mit der Figur des Herrn Prokouk ( der erste Streifen dieser Serie war "Pan Prokouk jede na brigädu", 1947).Hermina Ttfrlova, die bereits seit 1924 in der Trick-und Werbefilmproduktion tätig war, knüpfte an ihre früheren Versuche auf dem Gebiet des Puppentrickfilms wieder an und schuf 1944 in Gottwaldov den Film "Ferdl, die Ameise". Der Erfolg dieses Films war mit ausschlaggebend dafür, daß sich Hermina Tyrlova'dem Genre des kurzen Trickfilms für Kinder verschrieb und ihm bis zum heutigen Tage treu blieb. Sie experimentierte mit einer Vielzahl von Materialien und Formen, die stets von neuem Zeugnis für ihren Einfallsreichtum und ihr Geschick ablegen, und erreichte eine technische und ästhetische Perfektion, die beispielhaft wurde und noch ist. Der dritte Altmeister des tschechischen Puppentrickfilms ist Jiri Trnka, der zu den bedeutendsten Puppenfilmschöpfern der Welt gehört. Trnka begann als Karikaturist, Illustrator von Kinderbüchern (während der Besatzungszeit), entwarf

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CSSR

Tabelle II Zusammenstellung der zwischen 1945 und 1964 hergestellten kurzen und langen Puppen- und Zeichentrickfilme für Kinder und Jugendliche (ohne Slowakei) Jahr

Filmovfe Studio Gottwaldov

1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 Gesamt

1 2 4 4 2 1 1 1 1

96

— —

1 2 3 2 2 —

2 2 4 3 3 1 2 2 4

3 2 4 6 1 1 5 9 4 1 1 1

40

48

— —

Zeichenerklärung: Quelle:

LoutkovV Film u. Krätky Film Praha

Gesamt programmfüllende Puppenfilme — 1 — 2 5 1 1 6 — 5 3 1 3 2 1 4 2 1 4 — 8 — 3 — 5 8 1 — 12 — 5 — 3 — 3 5 88

7

Zeichentrickfilme 2 1 4 6 3 5 5 1 4 3 -(1)H 2 5 2 (1)+ 3 9 4 3 5 4 71 (2)+

( ) + programmfüllende Zeichentrickfilme Die Zusammenstellung erfolgte mit freundlicher Unterstützung von Bohumil Brejcha, 0eskoslovenskV Film, Gottwaldov

Entwicklung der Filmproduktion

Bühnenbilder und leitete bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges sein eigenes Puppen-Theater. Nach 1945 widmete sich Trnka ganz dem Puppen-und Zeichentrickfilm. Bereits 1947 konnte Trnka seinen ersten programmfüllenden Puppentrickfilm, " D a s tschechische Jahr" (Spalufek), eine mit folkloristischen und legendenhaften Elementen ausgestaltete Darstellung der Jahreszeiten, fertigstellen. Den Höhepunkt seiner Arbeit erreichte Trnka 1959 mit der kongenialen Bearbeitung von Shakespeares " E i n Sommernachtstraum" (Sen noci svatojänsk^). Wie die nebenstehende Tabelle zeigt, wurde die 1945 von Hermina Tyrlova, Karel Zeman und Jiri Trnka begonnene Trickfilmproduktion für Kinder und Jugendliche kontinuierlich fortgesetzt. Sie erreichte quantitativ zwar nur relativ bescheidene Ausmaße, da die Produktionskapazität des Studios in Gottwaldov und des Puppentrickfilmstudios in Prag beschränkt ist und diese Studios neben den motivierenden und unterhaltenden Filmen auch noch andere Aufträge (Informations- und Lehrfilme u.a.) ausführen müssen. Aber die hohe künstlerische Qualität und die technische Perfektion, die die von Trnka, Zeman und Tyrlova aufgebauten und geleiteten Arbeitsgruppen mit ihren Filmen erreichten, trugen wesentlich mit dazu bei, daß schließlich auch die Spiel- und Kurzfilmstudios in der (ÜSSR mit der Herstellung von Kinder- und Jugendfilmen begannen.

2. Die Anfänge des realistischen Kinderfilms

Wie in vielen anderen Ländern vermochte sich auch in der ÖSSR nur ganz allmählich die Einsicht in die Notwendigkeit einer speziellen Filmproduktion für Kinder durchzusetzen. Selbst nach dem politischen Umbruch 1948, der u.a. dazu führte, daß die verstaatlichte Filmindustrie unter den Einfluß und die Kontrolle der KPÖ gestellt wurde, vergingen noch knapp sechs Jahre, bis zur Aufnahme einer kontinuierlichen Spielfilmproduktion für Kinder. Dies mag insbesondere für denjenigen verwunderlich sein, der weiß, welche Anstrengungen die S E D , die in den Nachkriegsiahren in der D D R vor gleichen oder zumindest ähnlichen Aufgaben stand wie die KPC, unternommen hat, um die Kinderfilmproduktion aufzubauen, zu fördern und ideologisch zu überwachen. Zwar hat auch die KPÖ (erstmals im April 1950) den Filmschaffenden ihres Landes konkrete Aufträge erteilt, ideologische Leitlinien aufgestellt und sich eingehend immer wieder mit bestimmten, am aktuellen Filmschaffen ablesbaren Tendenzen auseinandergesetzt, speziell mit dem Kinderfilm aber hat sie sich nicht befaßt, da er stets als ein integrierter Bestandteil der Gesamtproduktion angesehen wurde. *(14) Sie unterlag folglich, zumindest Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre den gleichen ideologischen und ästhetischen Maximen, die für den Film und die Kunst allgemein aufgestellt worden waren, sich am Vorbild der UdSSR orientierten und mit dem Begriff "sozialistischer Realismus" umschreiben ließen (vgl. den Abschnitt über

97

ÖSSR

die Entwicklung des tschechoslowakischen Nachkriegsfilm und die Kapitel über die Entwicklung der DEFA). Die ersten drei Spielfilme für Kinder, die 1948 in der CSSR entstanden, *(15) waren zwar jeweils auf ihre Weise bemüht, sich thematisch den neuen gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten anzupassen, aber sie verfingen sich in einer allzu schematischen und klischeehaften Darstellung, die Kritik hervorrief. Der nachfolgend in Auszügen wiedergegebene Artikel von Antonin Navratil *(16) ist insofern von grundsätzlicher Bedeutung, weil er einerseits kritisch Stellung nimmt zu den bis zu diesem Zeitpunkt hergestellten Kinderfilmen und er andererseits aus der Sicht des Praktikers erstmals konkrete Forderungen aufstellt, die der seinerzeit vorherrschenden Meinung entsprachen (anderenfalls wären sie nicht in der unten angegebenen, in verschiedenen Sprachen erscheinenden und somit insbesondere der Repräsentation nach außen dienenden Zeitschrift veröffentlicht worden). Navrätil schrieb u.a.: "Jugendfilme sollen die Jugend unterhalten, mit fortreißen und in solchem Maße fesseln, daß die jungen Zuschauer zur Nachahmung der Handlungsweise der Helden in ihrem eigenen Leben angeregt werden, daß sie den ideologischen Gehalt solcher Werke, deren Leitgedanken und deren politischen Inhalt sich zu eigen machen. Wir wollen also wertvolle Unterhaltung, d.h. eine solche, die den Menschen zu erziehen und besser zu belehren vermag als eine wissenschaftliche Abhandlung, da sie sein Gefühl, sein Herz anspricht. . . Wir wollen aus den Filmen für die Jugend weder die Elemente der Abenteuerlust noch die der Romantik verbannen (nämlich nur die einer wohlverstandenen Romantik, die nicht in das Reich unsinniger Träume entführt, sondern aus dem realen Leben der Gegenwart fließt) . . . Keineswegs sind damit Abenteuer gemeint, die aus unsinnigen Hetzjagden nach Gangstern und gewerbsmäßigen Mördern bestehen, oder aber eine Romantik, deren Grundelement die exotische Umwelt geheimnisvoller, von wahnwitzigen Gefahren erfüllter Inseln bildet. Wir wollen der Jugend Abenteuer bieten, die sie nicht auf Abwege führen, sondern die sie im Gegenteil warnend auf die Monstrosität der Entartung des menschlichen Charakters hinweisen, der verblendet von der Seuche des Mammons und des Krieges befallen ist, Abenteuer, die die Schönheit des Lebens zeigen, das auf ehrliche Arbeit gegründet ist. . . Wir wollen unserer Jugend in unseren Jugendfilmen eine Romantik bieten, die zu neuen Erfolgen im Leben führt, die ihr die Freude und den Reichtum des künftigen Lebens zeigt." *(14)

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Trotz intensiven Bemühens und langwieriger Nachforschungen, die mit Unterstützung des Tschechoslowakischen Kinderfilmzentrums, Prag, durchgeführt wurden, konnte nicht festgestellt werden, ob sich das ZK der KPC oder einzelne parteiamtliche Gremien mit Fragen der Kinderfilmproduktion befaßt haben. Da keine offiziellen Beschlüsse, Verfügungen oder Stellungnahmen der KPC zum Aufbau der Kinderfilmproduktion, ihrer Struktur und ihrer Zielsetzung

Entwicklung der Filmproduktion

Als Begründung für die Produktion jugendgemäßer Filme führt Navrätil drei Punkte an: Erstens es sei wichtig, die Heranwachsenden durch besonders für sie geschaffene Kunstwerke zu erziehen. Damit würde zweitens eine Schuld aus der Vergangenheit abgetragen. Und drittens sei es notwendig, der Jugend gute, neue Werte zu geben, ihr vom neuen Geist erfüllte, bessere und wirksamere Kunstwerke zu bieten, als dies die bürgerlich-kapitalistische Kunst in ihrem Verfall vermochte. Schließlich geht der Verfasser auch auf die Frage ein, warum in der CSSR bisher nur vereinzelt Filme für die Heranwachsenden entstanden seien. "Die Frage kann dahingehend beantwortet werden, daß noch nicht genügend Erfahrungen vorliegen. . . , obwohl wir ein gutes Vorbild in den sowjetischen Filmen für die Jugend haben, die für uns, wie die gesamte übrige Kunst in der UdSSR, auch auf diesem Gebiet richtungsweisend sind." Navratil geht abschließend auch im einzelnen auf die ersten Spielfilme für Kinder und Jugendliche ein, die zwischen 1948 und 1952 entstanden waren." Dies ("Das grüne Büchlein" und "Auf richtiger Spur" von Josef Mach sowie "Treff Drei" von Vaclav Gajer) waren die ersten Schritte, die noch in beträchtlichem Maße durch veraltete Anschauungen über die Kunst für die Jugend beeinflußt waren. Vermochten diese Filme auch nicht, der Jugend das Erwartete zu geben, so bildeten sie doch den Ausgangspunkt für die Arbeit an neuen und besseren Filmen.. . "Der kleine Partisan" (Maly partyza'n, 1950 von Pavel Blumenfeld) war der vierte Film und unter den genannten sicherlich der beste. .., obwohl auch an ihm sicherlich noch manches auszusetzen war, wie z.B. der mangelhafte dramatische Aufbau und das schwache Handlungsgefälle sowie ein gewisser Mangel an Logik des Geschehens und der Gedankenführung. Mit diesem Film haben alle Versuche und das Tappen auf dem Gebiet des Schaffens für die Jugend ihr Ende gefunden. Inzwischen war, im April 1950, die Resolution des ZK der KPC über den Film verfaßt worden, die für die Filmschaffenden völlige Klarheit auf diesem ihrem Arbeitsgebiet schuf."

* ( 1 4 ) . . . bekannt sind, darf angenommen werden, daß die an anderer Stelle entwickelte These, wonach die Entstehung der tschechoslowakischen Kinderfilmproduktion primärauf die Eigeninitiative der Produktionsgruppen und einsichtiger Pädagogen u.a. zurückzuführen sei, mehr als nur eine Vermutung ist. *(15)

Es handelt sich um die Filme: "Das grüne Büchlein" ( Z e l e n i knczka),

*(16)

" T r e f f Drei" (Krizova trojka) und " A u f richtiger Spur" (Na dobre'stope) Der tschechoslowakische F i l m , Heft 4 von 1 9 5 2 , S. 3-7

Zitiert nach:

99

CSSR

Tabelle III Übersicht über die Spielfilmproduktion für Kinder ( 1945 bis 1965 ) Jahr Programmfüllende Spielfilme für Kinder Böhmen Mähren 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965

Slowakei

Mittellange Spielfilme für Kinder

Gesamt

Böhmen Slowakei Mähren

&SR





















_

3







3











1







1







_

2











_ _

2 5 4 4 1 8 3 8 4 4 3 2

der ÖSSR





Gesamt 54

4.1 %

2

12,5% 14,3% 37.5 % 19,0% 16,6% 10,3% 30,3 % 29,0 % 25.6 % 13,8%













-

-

-

4

4

6

68

492 + +

13,ί

100%





1











_







1 2 1 —



1 1 1

2 1 3

_ —

= Als mittellange Filme werden die Filme bezeichnet, die ι

weniger als 60 Min., aber mindestens 45 Min. haben ++ = Gesamtzahl der in der ÖSSR produzierten Spielfilme (1945 - 1965)

100

15,8%

2 6 4 4 3 10 9 10 5 4 3 2

— —

in % +

Prozentualer Anteil d.Kioderfilme an d. Spielfilmproduktion

10,8%

8,3 % 5.2 %

Entwicklung der Filmproduktion

Man muß den etwas naiven Optimismus des Verfassers nicht unbedingt teilen, wenngleich auch derartige Formulierungen charakteristisch für die Zeit und die Situation sind, in der sich der tschechische Kinderfilm zu Beginn der fünfziger Jahre befand.

3. Ausweitung der Kinderfilmproduktion

Aus der Produktionsübersicht in Tabelle III ist ersichtlich, daß bis 1953 einschließlich nur 6 Spielfilme für Kinder entstanden und zwar: 1948 = 1950 = 1952 =

3 1 2

In nicht weniger als vier von den sechs Filmen ("Das grüne Büchlein", "Treff Drei", " A u f richtiger Spur" und " D a s Ende des Spuks") ging es um die Aufdeckung von Betrügereien, Diebstählen und Verbrechen und um die Überführung der Täter durch Kinder. In zwei Fällen handelte es sich zudem um Schmuggler bzw. Saboteure, die über die West-Grenze ins Land gelangten. In einem anderen Fall wird einem Ausbeuter, der von Wucherzinsen, Betrügereien und Diebstahl lebt, das Handwerk von einem Proletarierjungen gelegt. Lediglich zwei Filme, "Der kleine Partisan" und "Die stolze Prinzessin", waren nicht auf das Schema der tendenziösen bzw. politisch motivierten Kriminalgeschichte festgelegt. In " D e r kleine Partisan" erzählt Pavel Blumenfeld die Geschichte eines dreizehnjährigen Jungen, der in den letzten Kriegstagen den gefahrvollen Auftrag erhält, den Partisanen eine wichtige Meldung zu überbringen. " D i e stolze Prinzessin" schließlich war der erste tschechische Märchenfilm (mit Personen als Darsteller), der von Boiivoj Zeman nach einem von der Schriftstellerin Bozena Nemcovä aufgezeichneten Volksmärchen gedreht wurde. Das Jahr 1954 bedeutete für die tschechische Kinderfilmproduktion *(17) einen Wendepunkt. Nach den ersten tastenden und wohl auch nicht immer geglückten Schritten im Neuland, die das Verdienst einiger weniger Filmschöpfer und einsichtiger Pädagogen waren, wurde in diesem Jahr die kontinuierliche Kinderfilmproduktion aufgenommen. Die Bemühungen um die Förderung des Kinderfilms erreichten im darauffolgenden Jahr (1955) einen vorläufigen Höhepunkt, als sich die für die Filmproduktion und den Vertrieb Verantwortlichen dazu entschlossen, ein spezielles Kinderfilm-Studio einzurichten. Das Kinderfilmstudio in Prag konnte zwar nur zwei Spielfilme fertigstellen

101

6SSR

und wurde bereits nach etwas mehr als einem Jahr wieder aufgelöst, aber es hatte dennoch Einfluß auf die weitere Entwicklung des Kinderfilms. Trotz seines kurzen Bestehens war es ihm gelungen, mit dem poetischen Film "Abenteuer in der Goldbucht"(Dobrodruzstvi na Zlate za'toce / Regie führt Brfetislav Pojar, der insbesondere als Schöpfer von Puppentrickfilmen bekannt wurde) künstlerische Maßstäbe für den Kinderfilm zu setzen. Ferner sammelte das Studio die am Kinderfilm interessierten Kräfte um sich und lenkte allein schon aufgrund seiner Existenz und seines Wirkens die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit auf die Probleme des Kinderfilms. Daß das Studio dennoch bald seine Arbeit wieder einstellen mußte, dürfte in erster Linie darauf zurückzuführen sein, daß es einerseits nicht gelang, den Aufgabenbereich dieses Studios gegenüber den anderen, bereits vorhandenen Studios abzustecken und eine erfolgreiche Verbindung zwischen den verschiedenen Kinderfilmarten (Trick-und Realfilm) und insbesondere zwischen dem Kurz-und Langfilm herbeizuführen. Die Forderung nach Einrichtung spezieller Studios für Kinderfilme ist fast so alt wie die Diskussion über den Kinderfilm selbst. Sie ist insofern berechtigt, weil eine wirkungsvolle Kinderfilmproduktion nur dann entstehen kann, wenn bereits bei der Planung, bei der Auswahl der Stoffe, der Erstellung der Drehbücher und schließlich bei deren Realisierung auf die besonderen Interessen, die Bedürfnisse, die Entwicklung und das Verständnis von Kindern Rücksicht genommen wird. Das setzt ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und die Gabe voraus, mit und für Kinder arbeiten zu können. Ganz abgesehen davon kann bei der Herstellung von Kinderfilmen, in denen - was die Regel sein dürfte - Kinder die Hauptrollen spielen, nicht das bei der Herstellung von Spielfilmen sonst übliche Arbeitstempo eingehalten werden, da die in den meisten Ländern bestehenden strengen Arbeitsschutzbestimmungen für Kinder eingehalten werden müssen. Ein Kinderfilm-Studio, das über einen festen Stab von Mitarbeitern verfügt, könnte nicht nur grundlegende Erfahrungen sammeln, sondern diese auch an Autoren und Regisseure u.a. weitergeben, die nur für einzelne Vorhaben verpflichtet werden. Diese Methode käme sicherlich nicht nur den einzelnen Filmen zugute, vielmehr bietet sie auch unübersehbare wirtschaftliche Vorteile, denn jede Produktionsgruppe oder -firma, die nicht

*(17)

102

Die slowakische Kinderfilmproduktion blieb bis zum Jahre 1966 sporadisch. Der erste programmfüllende slowakische Kinderfilm (eine Märchenverfilmung) entstand 1959.

Entwicklung der Filmproduktion

ausschließlich, sondern bestenfalls gelegentlich oder gar zufällig mal einen Kinderfilm herstellt, wird, da sie über keine oder nur ungenügende Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt, mit großer Wahrscheinlichkeit teurer produzieren als die spezialisierten Produktionsgruppen oder -firmen. Unabhängig von diesen Überlegungen muß auch noch darauf hingewiesen werden, daß selbst in den sozialistischen Ländern die Kontinuität der Kinderfilmproduktion nur dann garantiert werden kann, wenn ein spezialisiertes Studio, das über einen festen Etat verfügt, ν

vorhanden ist. Anderenfalls ist es unvermeidbar, wie das Beispiel CSSR zeigt, daß (aus Gründen, die noch zu untersuchen sind) die Produktion - quantitativ gesehen - ständigen Schwankungen unterworfen ist, was dazu führt, daß in einem Jahr (1958) drei und im nächsten (1959) zehn Filme entstehen und die Produktion nach zwei weiteren Jahren ständig abfällt. Obwohl es eine Vielzahl von Gründen gibt, die für die Einrichtung spezieller Kinderfilm-Studios sprechen, gibt es derartige Studios bisher nur in der UdSSR (Maxim Gorki-Studio) und seit 1960 in der CSSR (Filmove Studio Gottwaldov). 4. Bildung einer Kinderfilm-Produktionsgruppe und Spezialisierung eines Studios

Nach der Auflösung des Kinderfilm-Studios in Prag wurde im Filmstudio Barrandov, das das größte und leistungsstärkste in der & S R ist, *(18) eine kleine, auf die Herstellung von Kinderfilmen spezialisierte Produktionsgruppe gebildet. Da sich diese Produktionsgruppe weder in ihrer Zusammensetzung noch in ihrer Arbeitsweise von ähnlichen Teams unterscheidet, und sie zudem finanziell von der Gesamtplanung des Studios abhängig ist, kann die Beschreibung der Arbeitsweise dem Kapitel überlassen werden, das sich mit der Struktur der Filmwirtschaft in der ÖSSR befaßt. Die Spezialisierung des Filmstudios in Gottwaldov, die 1960 offiziell erfolgte, war eigentlich nur eine logische Konsequenz aus seiner bisherigen Arbeit. Immerhin waren in diesem Studio seit 1945 nicht nur eine Vielzahl von Lehr-und populärwissenschaftlichen Filmen, sondern auch Zeichen-und Puppentrickfilme entstanden. Die meisten der letztgenannten Filme sowie die programmfüllenden Filme von Karel Zeman waren in erster Linie für Kinder und Jugendliche bestimmt. Die technischen, personellen und finanziellen Voraussetzungen für die Umwandlung in ein Spielfilmstudio waren in Gottwaldov denkbar ungünstig. Die tech*(18)

In Barrandov entstanden bis 1955 rund 9 0 % aller tschechoslowakischen Spielfilme und zwischen 1 9 5 5 und 1 9 6 5 rund 8 0 bis 8 5 %. Der Anteil des Filmstudios in Bratislava an der Gesamtspielfilmproduktion lag bis 1955 bei etwa 10 % und steigerte sich in den folgenden Jahren auf 15 und teilweise 2 0 %.

103

CSSR

nische Ausstattung war veraltet und primitiv; das Atelier viel zu klein. "Aber das gesamte Kollektiv war von dem Gedanken beseelt, der Gesellschaft bessere Werke" (gemeint sind Kinderfilme) "als bisher zu geben. Gleichzeitig aber wußten alle, wie zwecklos es ist, nur einen Beschluß zu proklamieren; wir mußten beweisen, daß es sich nicht nur um eine augenblickliche Begeisterung handelte, sondern daß wir auch imstande sind, etwas zu leisten... Immerhin drehte Karel Zeman in den kleinen Räumen (Atelier) und mit der rückständigen Technik seinen berühmten Film ' Die Erfindung des Verderbens' (1957 - 1958) * ( 1 9 ) . . . Das war das Hauptargument, um die eigenen Zweifel zu widerlegen, was ein Beweis dafür ist, daß die armselige technische Basis für den Anfang durchaus genügt, und es unsinnig wäre, erst eine perfekte Einrichtung zu fordern und von ihr die Arbeit abhängig zu machen." *(20) Dem uneigennützigen Streben der Direktion und der Mitarbeiter des Filmstudios in Gottwaldov ist es zu verdanken, daß das Studio nicht zuletzt auch die finanziellen Voraussetzungen dafür erhielt, programmfüllende Spielfilme für Kinder herzustellen. Diese Ausweitung der Produktion war mit mannigfachen Schwierigkeiten verbunden, zumal das Studio 1960 nur einen einzigen Dramaturg besaß, der gleichzeitig auch noch Drehbücher schreiben mußte. Wenngleich zu einem späteren Zeitpunkt noch ein zweiter Dramaturg eingestellt werden konnte, so wurde damit die mehr als bescheidene Ausgangsposition des Studios nicht wesentlich geändert. Um so erstaunlicher ist es, daß das Studio in Gottwaldov zwischen 1960 und 1964 insgesamt 16 Kinderfilme (7 Kurzfilme, 5 mittellange und 4 Langfilme) herstellen konnte (diese Angaben beziehen sich nicht auf die Trickfilmproduktion) und bei den Produktionskosten unter dem gesamtstaatlichen Durchschnitt blieb. "Niedrige Produktionskosten erzielen wir vor allem durch einen weniger zahlreichen Drehstab, durch Verringerung der Selbstkosten und vor allem durch eine elastische Arbeitsorganisation, in der es fast keine Verlustzeiten gibt. Bei jeder Arbeitsunterbrechung im Spielfilm versuchen wir, den Drehstab an einem Lehrfilm oder für andere Tätigkeiten im Studio einzusetzen. Hier zahlt sich aus, daß viele Mitarbeiter zwei oder sogar mehrere Berufe beherrschen." *(21) *(19) Der Film gewann u.a. auf der Weltausstellung in Brüssel den 'Grand Prix' und gilt noch heute als eine der phantasiereichsten und gelungendsten filmischen Bearbeitungen Jules Verne' scher Romane. *(20) Ales Bosak:

*(21) Ebda.

104

Gleichberechtigung der Filmkunst für junge Zuschauer, in: Film Fernsehen Filmerziehung, Hrsg. vom Nationalen Zentrum für Kinderfilm und -fernsehen der DDR, 2.Jahrg. 1965, Heft 1, S. 34 (der Verfasser des Artikels ist Direktor des Filmstudios in Gottwaldov)

Entwicklung der Filmproduktion

5. Struktur der tschechoslowakischen Filmindustrie

Die verstaatlichte tschechoslowakische Filmindustrie wird, wie die der meisten sozialistischen Länder, zentral geleitet und verwaltet. Sie gliedert sich in die drei Sparten: Produktion, zentraler Verleih und Filmtheater. Hinzu kommen noch die filmtechnischen Betriebe, soweit sie nicht unmittelbar dem Studio unterstellt sind, und der Filmexport, der für die Auslandsgeschäfte (Ein- und Verkauf von Filmen) *(22) zuständig ist. Die einzelnen Sparten, denen ähnlich wie in anderen Industriezweigen Direktoren vorstehen, arbeiten relativ selbständig, wenngleich sie direkt und indirekt auch vom Verleih abhängig sind. Der Verleih stellt seinen Jahresbedarf an Filmen auf, der - soweit möglich - aus der einheimischen Produktion gedeckt werden muß. Eine staatliche Auswahlkommission besichtigt die Jahresproduktionen der verschiedendsten Länder und wählt die Filme aus, die vom Verleih dann zusätzlich ins Programm aufgenommen werden. Die Arbeit des Verleihs (einschließlich Beschaffung von Lizenzen, Kopien, Werbematerial etc.) wird aus den Mitteln finanziert, die in Form von Einspielergebnissen von den Filmtheatern zurückfließen. Darüber hinaus stellt der Staat dem Verleih Mittel zur Verfügung, die dieser an die Studios weiterleitet und mit denen die laufende Produktion finanziert wird. Im Rahmen der ihnen zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel können die einzelnen Studios zwar selbst darüber entscheiden, welche Stoffe und Themen und wieviel Filme sie in einem Jahr realisieren wollen und können. Auf jeden Fall aber müssen die Mittel zur Herstellung von sog.Programmfilmen, d.h.Filme, die für den Einsatz im Filmtheater gedacht sind und benötigt werden, verwendet werden. Die Programmfilme besitzen stets Vorrang vor den anderen Projekten, die die Studios gleichzeitig noch ausführen. Denn jedes Studio hat die Möglichkeit, seine ungenutzte oder nicht voll ausgeschöpfte Produktionskapazität anderweitig zu verwenden. Dies geschieht insbesondere durch die Herstellung von Auftragsfilmen, die für Ministerien, Institute, Verbände, Betriebe u.a. produziert und von den Auftraggebern finanziert werden. Weitere Einnahmen können den Studios aus sog. Dienstleistungen für ausländische Filmproduktionsfirmen zufließen. V o n Dienstleistungen spricht man, wenn ein Studio zwar seine technischen Einrichtungen, seine Ateliers und sein Personal gegen Bezahlung zur Verfügung stellt, aber nicht als Co-Produzent in Erscheinung tritt.

*(22) Innerhalb der sozialistischen Länder herrscht das Prinzip des Tausches vor. Die Auswertungsrechte an Filmen werden demnach nicht direkt käuflich erworben, sondern auf der Basis des Austausches von Lizenzen verrechnet.

105

ν CSSR

Der Produktionsvorgang kann wie folgt beschrieben werden: Die Dramaturgen des Studios (sofern,wie beispielweise im Filmstudio Barrandov für den Kinderfilm, einzelne Produktionsgruppen vorhanden sind, verfügen sie entweder über eigene Dramaturgen oder übernehmen diese Arbeit selbst) wählen die Themen und Stoffe selbst aus, d.h. suchen und entwickeln sie selbst oder lassen sie sich von Regisseuren oder anderen Mitarbeitern des Studios bzw. von freien Mitarbeitern anbieten. Bereits bei der Auswahl der Themen müssen die Produktionsmöglichkeiten und -plane des Studios berücksichtigt werden, zumal beispielsweise sehr aufwendige und demnach kostspielige Vorhaben nur dann verwirklicht werden können, wenn entweder andere Vorhaben zurückgestellt werden oder man bei diesen Einsparungen erzielt. Die weitere Bearbeitung der Themen bis hin zur Ausarbeitung eines Drehbuchs erfolgt zumeist im Team und in unmittelbarer Zusammenarbeit mit der Produktion und dem Regisseur, der in der Regel schon in einem früheren Stadium der Planung seinen Auftrag erhält. (Die Kinderfilm-Produktionsgruppe in Barrandov bestimmt entweder einen Regisseur aus ihrer Mitte oder vergibt den Auftrag an einen Außenstehenden.) In der ÖSSR sind nicht nur alle technischen, sondern auch alle künstlerischen Mitarbeiter (Dramaturgen, Drehbuchautoren, Regisseure, Kameramänner u.a.) bei der Produktion im Studio fest angestellt. Ihre soziale Sicherheit ist also auf jeden Fall garantiert, auch wenn beispielsweise ein Drehbuchautor oder ein Regisseur sehr lange Zeit für die Vorbereitung eines Films benötigt oder wenn ein Regisseur lange Zeit hindurch keinen Stoff findet oder angeboten erhält, der ihm liegt und den er realisieren möchte. Die Zahl der Regisseure und Drehbuchautoren, die selbständig tätig sind, ist gering. Einen besonderen Anreiz für die qualitative Steigerung ihrer Arbeit erhalten die Drehbuchautoren und Regisseure durch ein spezielles Prämiensystem. Nach Abschluß der Dreharbeiten wird jeder Film einer Prüfungskommission, die ein internes Organ des tschechoslowakischen Films ist und u.a. aus dem künstlerischen Beirat des Studios und der Direktion besteht *(23), vorgelegt und von ihr unter inhaltlichen und formalen Gesichtspunkten beurteilt. Aufgrund dieser Beurteilung wird dann die Höhe der Prämie festgelegt, die bei Spielfilmen das 10- bis 15fache des Monatseinkommens eines Regisseurs betragen kann.

* ( 2 3 ) Die Kommission ist erst seit Anfang der 60er Jahre ein internes Organ. Zuvor gehörten ihr u.a. auch Vertreter der Partei an, so daß die Kommission Kontroll- und Zensurfunktionen besaß und ausübte.

106

Entwicklung der Filmproduktion

6. Wirtschaftliche Fragen der Kinderfilmproduktion

Auch innerhalb der staatlichen Filmindustrie wird selbstverständlich die Frage nach der Rentabilität einzelner Filme gestellt. Die Arbeit der Filmstudios wird zwar nicht davon berührt, ob ein Film seine Herstellungskosten wieder einspielt oder nicht, wohl aber die Arbeit des Verleihs, der das Risiko tragen muß. Zur Frage der Rentabilität des Kinderfilms bemerkte Ales Bosak, Direktor des Filmstudios Gottwaldov *(24): " A u f diesem Gebiet herrschen unwahrscheinlich falsche und sogar schädliche Ansichten. Die Ökonomen des Films messen die Effektivität des Kinderfilms gewöhnlich an dem in einer bestimmten Zeit erbrachten Einspielerlös, Ich werde noch beweisen, wie falsch eine solche Auffassung ist. Vorläufig möchte ich nur bemerken, daß eine fortschrittliche Gesellschaft den Kindern und Jugendlichen Erziehungsmöglichkeiten bietet, ohne sogleich einen aktiven Gewinn zu erwarten, der die verursachten Unkosten decken könnte. Es wäre daher richtig, die Rentabilität des Kinderfilms ebenfalls zuerst unter dem Aspekt seiner erzieherischen Bedeutung zu betrachten, wenngleich wir nicht zu befürchten haben, daß seine Produktionskosten nicht gedeckt würden (sofern wir das Eintrittsgeld für Kinder nicht völlig abschaffen)." Um die Rentabilität von Kinderfilmen zu beweisen, führt A.Bosak *(25) zwei Beispiele an: Nach zweijähriger Produktionszeit stellte Karel Zeman 1955 den Farbfilm "Reise in die Urwelt" (Cesta do pravetku) fertig. "Es war ein verhältnismäßig teurer Film. Seine Premiere war 1955, aber bis heute ist er noch nicht au« dem Spielplan der Kindervorstellungen verschwunden. Da der Eintrittspreis für Kindervorführungen niedrig ist, dauerte es zehn Jahre, bis der tschechoslowakische Filmverleih die Summe zurückerhielt, die er für den Film bezahlt hatte... Im Laufe der Zeit wurde der Film in 27 Länder verkauft oder gegen andere Filme eingetauscht. Dieser Auslandsvertrieb... erbrachte bereits einen reichen Gewinn.. ." Das zweite Beispiel bezieht sich auf den Film "Ferien mit Minka" (Prazdniny s Minkou) von Josef Pinkava, der 1.7 Mill. Kronen *(26) gekostet hat. Nach 18 Monaten Laufzeit in den Filmtheatern der tSSR hatte der Film zwar nur 30 % seiner Herstellungskosten eingespielt, aber da er gleichzeitig bereits in 5 Ländern verkauft wurde, hatte er seine Produktionskosten wieder eingebracht. * ( 2 4 ) A l e l Bosak, a.a.O., S. 3 3 * ( 2 5 ) Ebda., S. 4 0 f * ( 2 6 ) Nach dem gültigen Touristenkurs wären dies 4 2 5 . 0 0 0 D M . Derartige Umrechnungen sind problematisch, da der Kurswert nicht dem tatsächlichen Wert des Geldes entspricht U.Preisangaben nur bedingt vergleichbar sind. Die tatsächlichen Herstellungskosten des Films dürften bei etwa 2 8 5 . 0 0 0 D M (Umrechnungskurs 1 : 6) gelegen haben.

107

CSSR

Bosa'k verweist mit Recht darauf, daß die Ansicht, die Produktion von Kinderfilmen sei unrentabel, falsch sei. Zwar ist in der Ö S S R , was für andere Länder auch gilt, die Amortisationszeit für Kinderfilme wesentlich länger als für andere Spielfilme. Gleichzeitig muß man aber auch berücksichtigen, daß es außer Kinderfilmen nur sehr wenige Spielfilme gibt, die man zehn Jahre und teilweise noch länger fast ununterbrochen einsetzen kann. Ganz abgesehen davon kann sich eine staatliche Filmindustrie die Produktion von Kinderfilmen nicht nur ideell (sie hat von der Gesellschaft den Auftrag, nicht nur der Unterhaltung, sondern auch der Erziehung und Bildung zu dienen), sondern auch materiell "leisten", zumal sie mit öffentlichen Mitteln arbeitet, langfristig planen und investieren kann und weder an unrentablen, geschweige denn an Filmen, die erst nach fünf oder mehr Jahren rentabel werden, zugrunde gehen kann. Es gibt in der 0 S S R keinen besonderen Produktionsetat für Kinderfilme, der etwa von vornherein von den Produktionsmitteln, die die Studios erhalten, abgezweigt würde. Der Umfang der Produktion von Kinderfilmen ist folglich auch nicht limitiert. Er richtet sich vielmehr ausschließlich nach den Finanzen und Produktionsplänen der Studios. Eine zahlenmäßige Erhöhung der zwischen 1962 und 1965 rückläufigen Kinderfilmproduktion scheiterte mit Sicherheit nicht an finanziellen Fragen, sondern daran, daß bei den Drehbuchautoren und Regisseuren das Interesse am Kinderfilm nicht groß genug war.

7.

Filmbesuch und Kinderfilmveranstaltungen

Genaue Angaben über den Filmbesuch in der Ö S S R zu machen, ist schwierig, da zwar die Zahl der staatlichen Filmtheater und ihrer jährlichen Besucher (vergl. die Angaben im statistischen Anhang) bekannt ist, daneben aber gibt es noch über 5000 (1961 = 5277) filmtheaterähnliche Einrichtungen bzw. Spielstellen in Betrieben, Kulturhäusern, Clubs und Pionierheimen u.a., die neben Lehr-, Aufklärungs- und populärwissenschaftlichen Filmen auch Spielfilme für Erwachsene und Kinder zeigen. Nach den Berechnungen von Anton JurovskV * (27) lag 1961 der Filmbesuch pro Kopf der Bevölkerung bei 14,3, was eine absolute Besucherzahl von rund 200 Mill, ergibt. Da 1961 in den staatlichen Filmtheatern aber nur 166 Mill. Besucher gezählt wurden, ergibt sich eine Differenz von 34 Mill, zugunsten der oben erwähnten filmtheaterähnlichen Einrichtungen bzw. Spielstellen.

*(27)

108

Anton Jurovsky: Kultu'rny vy'vin mladeze, Bratislava 1965, S. 149

Entwicklung der Filmproduktion

Freizeitbeschäftigung der Jugend in der Slowakei Tabelle IV Häufigkeit der einzelnen kulturellen Tätigkeiten 0 = niemals; 1 = selten; 2 = 1 χ monatlich; 3 = 2 - 3 χ monatlich; 4 = wöchentlich 5 = 2 χ wöchentl.; 6 = 3 - 5 χ wöchentl.; 7 = täglich; 8 = mehrmals täglich

0

1

2

3

4

5

6

8

7

Rundfunk

A %

23 ,8

103 15 3,6 ,6

19 ,7

41 49 66 237 2234 1,4 1,7 2,3 11,7 77,2

Zeitung

A %

28 1,0

99 21 3,4 ,7

17 ,6

108 98 260 1939 317 3,7 3,4 9,0 67,1 10,9

Bücher

A %

52 144 154 141 345 661 1017 287 86 1,8 9,9 2,9 5,0 5,3 4,9 11,9 22,9 35,2

Theater

A %

299 1661 636 220 10,4 57,6 22,2 7,7

A gesellige Unterhaltung %

12 ,5

3 ,1

536 1284 445 328 255 35 18,6 44,5 15,4 11,4 8,8 1,2

4 ,1

68 2,5

2

Konzert

A %

1217 1148 299 124 42,1 39,7 10,4 4,3

8 ,3

,1

Vorträge Diskussion

A %

1191 977 325 234 116 30 41,2 33,8 11,3 8,2 4,2 1,2

4 ,1

Ausstellung

A %

369 1569 560 270 105 12 12,8 54,3 19,6 9,2 3,6 ,4

2 ,1

497 1612 437 245 17,2 55,8 15,2 8,5

7 ,2

leichte Unter- A % haltung

89 3,1

72 17 2,5 ,6

364 157 455 1064 663 162 12,5 5,4 15,7 36,7 23,0 5,6

























A %

18 ,6

Fernsehen

A %

269 9,3

679 55 115 23,5 1,9 4,1

Sport

A %

172 6,0

353 63 89 276 366 409 464 695 12,2 2,2 3,1 9,5 12,7 14,1 16,1 24,1

gesell. Spiele

A %

129 4,5

691 220 23,9 7,6

Kino

212 254 7,3 8,8

3 ,1

1 -

377 192 734 13,1 6,6 25,4

360 550 392 394 133 12,51 19,1 13,6 13,6 4,6

18 ,6

109

CSSR

Tabelle IV (Forts.) 2 Interessen- A 1049 128 83 148 577 500 338 gruppen % 36,3 4,4 2,9 5,2 19,9 17,3 11,8

47 ,6

17 ,6

Besuch v. A 355 817 306 481 692 177 Sportverst. % 12,3 28,3 10,6 16,7 24,0 6,1

3 ,1

-

Singen Hobbies

A 139 295 70 191 126 128 162 613 1163 % 4,8 10,2 2,4 6,6 4,4 4,5 5,6 21,2 40,3 A 401 389 113 213 302 269 280 480 440 % 13,9 13,5 3,9 7,4 10,5 9,3 9,7 16,6 15,2 A = Anzahl

110

54 1,9

Entwicklung der Filmproduktion

Obwohl sich die bereits zitierte Untersuchung von Jurovsky nur mit dem Freizeitverhalten der Jugend in der Slowakei *(28) befaßt, werden die den Filmbesuch betreffenden Ergebnisse hier wiedergegeben, zumal sie überraschend weitgehend mit den Untersuchungsergebnissen übereinstimmen, zu denen H.D. Rosier *(29) und M. Keilhacker *(30) u.a. gelangten. Über die Häufigkeit des Filmbesuchs hat Jurovsky bei einer Befragung von 1.503 Jungen und 1.384 Mädchen zwischen 11 und 18 Jahren, die im Februar und März 1960 und 1961 in Bratislava (Großstadt) und Banski Bystrica (Kleinstadt) sowie im Umkreis dieser Städte liegenden Dörfern durchgeführt wurde, herausgefunden (s. nebenstehende Aufstellung), daß der durchschnittliche Filmbesuch pro Monat bei den Jungen bei 3.9 und bei den Mädchen bei 3,6 liegt, d.h. die durchschnittlichen Werte liegen bei "einmal wöchentlich". A u s der zweiten Tabelle ist zu entnehmen, daß nur 0,6 % der Befragten angaben, im letzten Jahr nicht im Kino gewesen zu sein. 34 % gaben an, weniger als einmal wöchentlich im Kino gewesen zu sein. 36,7 % waren wöchentlich und 29 % öfter als einmal wöchentlich im Kino. Demnach gaben fast 66 % der Jugendlichen an, einmal wöchentlich oder häufiger im Kino gewesen zu sein. Jurovsk^ hat festgestellt, daß die Häufigkeit des Filmbesuchs zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr zunimmt und ihren Höhepunkt bei 17 bis 18 Jahren findet, während anschließend der Filmbesuch wieder abnimmt. Die Häufigkeit des Filmbesuchs der Kinder unter 11 Jahren dürfte bei bzw. unter den für die 11jährigen angegebenen Werten liegen, d.h. sich zwischen 2 bis 3 Filmbesuchen monatlich (maximal) bewegen. *(31) V o n besonderem Interesse ist schließlich noch der Teil der Untersuchung, der Aufschluß darüber gibt, welche Filmgenre bei den befragten Jugendlichen besonders beliebt sind. A u s den von den Befragten genannten Filmtiteln, die sie im letzten Jahr gesehen hatten bzw. an die sie sich erinnerten, wurden die 200 Titel (von mehr als 720 Titeln), die am häufigsten genannt wurden, ausgewählt. Danach wurden sechs unabhängig voneinander arbeitende Gruppen von Studenten der Prager Filmhochschule beauftragt, den 200 Filmtiteln entsprechende Genre zu suchen und die Titel diesen Genres zuzuordnen. A u f diese Weise wurden 8 Kategorien gebildet *(32). Betrachtet *(28) Vergleichbare Untersuchungen, die auch für B ö h m e n und Mähren als repräsentativ angesehen werden können, liegen nicht vor. *(29) H.D.Rosier: Die Bedeutung von Film, R u n d f u n k und Fernsehen für die Leistungsfähigkeit des Kindes und Jugendlichen, Ärztliche Jugendkunde, 54, 314, 1963, S. 1 0 4 - 113 *(30) Martin Keilhacker: K i n o und Jugend, München 1960 »(31 > A n t o n Jurovsky, a.a.O., S. 1 5 0 f *(32) A n t o n Jurovsk^, a.a.O., S. 156 f (Die in den kapitalistischen Ländern bereits von Kindern, auf jeden Fall aber von Jugendlichen bevorzugten Gangsterfilme und Western tauchen in diesem Zusammenhang nicht auf, da derartige Filme in der d s S R nicht gezeigt werden und folglich bei der Jugend unbekannt sind.)

111

CSSR

Freizeitbeschäftigung der Jugend in der Slowakei Tabelle V Durchschnittliche Häufigkeit der kulturellen Tätigkeit Alter Kino

Ch D

3,5 2,7

3,3 3,1

3,7 3,2

14 15 16 17 18 St U St U St U St U St U 3,6 3,9 3,7 4,2 3,1 4,4 3,8 4,3 4,3 4,3 3,5 3,4 3,6 3,9 3,1 4,0 3,8 3,8 4,2 4,3

Theater

Ch D

1,1 1,4

1,0 1,3

1,0 1,3

1,2 1,2 1,3 1,3 1,2 1,4 1,4 1,3 1,3 1,1 1,4 1,4 1,6 1,4 1,4 1,5 2,0 1,6 1,8 1,8

Rundfunk

Ch D

6,9 7,0

7,0 7,3

7,5 7,7

7,5 7,0 7,7 7,2 7,5 7,3 7,4 7,5 7,5 7,6 7,6 7,4 7,6 7,0 7,4 6,7 7,0 7,5 7,3 8,0

Fernsehen

Ch D

4,7 4,6

4,6 3,7

4,2 3,9

4,9 5,7 4,1 5,4 4,2 5,4 4,0 5,3 4,1 5,3 4,1 4,0 4,0 4,6 3,4 4,7 3,5 4,7 4,0 3,6

Zeitung

Ch D

5,8 5,1

6,3 5,9

6,3 6,0

6,6 6,3 6,8 6,6 7,1 6,6 7,0 6,5 7,0 6,7 6,5 5,8 6,7 6,2 7,0 6,5 7,0 6,4 7,0 6,8

Bücher

Ch D

6,1 6,3

5,8 5,8

6,2 6,3

6,4 5,4 5,9 5,4 6,1 5,1 5,8 4,4 5,9 5,7 6,1 6,4 6,7 5,8 6,7 5,4 6,5 4,9 6,3 4,0

Sport

Ch D

6,2 3,6

6,5 4,9

6,5 4,3

6,3 5,8 6,0 6,1 5,0 6,2 5,9 5,8 6,3 6,1 5,1 4,7 4,5 4,1 3,6 3,8 4,1 3,6 3,7 3,0

Singen

Ch D

5,0 5,4

5,1 6,0

4,9 6,3

5,4 5,5 5,6 5,5 5,4 5,7 6,0 5,4 5,8 5,1 6,3 6,8 6,3 6,6 6,4 6,7 5,3 6,4 4,7 5,8

Hobbies

Ch D

4,3 5,4

4,0 5,3

3,9 4,7

3,8 4,0 4,2 3,5 3,8 3,3 4,0 3,1 3,2 3,4 4,5 6,2 4,0 5,3 4,5 5,1 4,6 4,7 4,1 3,4

gesellige Spiele

Ch D

4,4 3,8

4,3 3,9

4,0 3,4

3,7 4,0 3,4 4,2 3,4 4,1 3,3 3,4 3,0 4,0 3,0 3,6 2,7 3,1 2,6 2,6 2,7 2,2 2,9 2,4

Interessengruppen

Ch D

2,1 2,2

2,3 2,7

2,8 2,2

3,4 2,2 2,9 3,0 3,8 3,2 3,5 3,0 3,5 3,3 3,2 2,8 3,0 2,8 2,5 2,6 2,1 1,9 1,7 2,1

gesellige Unterhaltung

Ch D

1,0 1,1

1,0 1,1

1,1 1,1

1,2 1,5 1,5 1,6 1,6 2,0 2,0 2,0 2,3 2,6 1,0 1,7 1,3 1,8 1,4 2,0 1,9 2,2 2,0 2,0

Besuch von Sportveranstaltungen

Ch D

2,5 1,3

2,9 1,7

2,9 1,6

3,1 3,0 3,2 3,1 2,7 3,0 2,8 2,5 3,1 2,8 1,7 1,8 2,0 1,8 1,7 1,9 2,2 2,0 2,0 2,1

Konzert

Ch D

0,7 1,0

0,8 1,1

0,9 1,1

0,9 0,4 0,9 0,5 0,9 0,6 1,0 0,5 0,8 0,5 1,1 0,8 1,2 0,7 1,0 0,8 1,5 0,9 0,9 0,7

Vorträge,Diskussio- CH D nen

0,5 0,6

0,6 0,6

0,6 0,8

1,0 1,4 1,0 1,2 1,1 1,6 1,2 1,3 1,2 1,0 0,9 1,3 0,9 1,7 1,1 1,8 1,3 1,4 1,4 1,4

Ausstellungen

1,0 1,1

1,3 1,2

1,5 1,3

1,4 1,5 1,5 1,4 1,7 1,5 1,5 1,2 1,6 1,2 1,3 0,9 1,4 1,3 1,4 1,3 1,7 1,5 1,5 1,3

112

Ch D

11

12

13

Entwicklung der Filmproduktion

Alter

11

12

13

14

leichte Unterhaltung Ch D

0,8 1,3

1,2 1,2

1,1 1,2

1,2 1,4 1,11,3

Zeichenerklärung

Ch = Jungen

15

16

17

18

1,3 1,4 1,2 1,4 1,3 1,4 1,2 1,3 1,2 1,5 1,11,4 1,3 1,6 1,5 1,2

D = Mädchen St = Stadt U

=

Land

Anmerkung:

Die Angaben beruhen auf einer schriftlichen Befragung (Frage: Wie oft haben Sie von den angegebenen kulturellen Tätigkeiten / Freizeitbeschäftigungen im vergangenen Jahr Gebrauch gemacht? ) unter 1503 männlichen und 1384 weiblichen Jugendlichen zwischen 11 und 18 Jahren, die im Februar und März 1960 und 1961 in Bratislava (Großstadt), Banskä Bystrica (Kleinstadt) und in den Dörfern im Umkreis dieser Städte durchgeführt wurde.

Quelle:

Anton Jurovsky: Kultürny vyvin mlädeze (Die kulturelle Entwicklung der Jugend), Slovenske pedagogicke nakladatelstvo, Bratislava 1965, S. 53 u. 63

113

CSSR

Tabelle V I

Beliebtheit von einzelnen Filmgenre bei Jugendlichen und ihre Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht (bezogen auf jeweils 100 der befragten Personen) Genre

Alter:

11

12

13

14

15

16

17

18 Gesamt %

1. Lustspiele

J Μ

21 13

34 21

37 36

47 35

37 28

51 35

42 22

30 31

41 15,6 29

2. Historische Filme

J

8 7

13 3

21 10

29 20

37 29

57 48

63 61

49 66

41 15,9 31

3. Abenteuer-und Kriminalfilme

J

40 8

39 16

57 26

46 21

27 20

29 20

23 15

30 25

33 11,6 19

4. Kriegs-und Kampffilme

J

40 18

29 26

23 19

36 21

25 33

30 42

25 21

21 29

29 12,5 28

5. Psychologische Filme

J

35 43

21 36

16 56

26 65

19 75

31 96

37 86

31 91

27 21,5 73

6. Gesellschaftlich engagierte Filme

J Μ

3 5

5 6

11 18

13 30

23 54

25 68

30 46

37 78

21 13,7 43

7. Revuefilme

J Μ

3 8

3 9

2 13

2 22

5 18

7 23

16 24

9 16

6 5,6 19

8. Kinder- und Märchenfilme

J Μ

13 28

9 38

10 24

5 17

1 7

1 7

4



2

3 3,6 13 100%

Zeichenerklärung:

J = Jungen Μ = Mädchen

Quelle:

Anton JurovskV: Kultürny vVvin ml&deSe, a.a.O., S. 157

114

Entwicklung der Filmproduktion

man nun die in unserem Zusammenhang wichtige letzte Kategorie (Kinder-und Märchenfilme), so kann man feststellen, daß das Interesse bei den 11jährigen Jungen an Kinderfilmen nur noch sehr gering ist und ab 13. Lebensjahr von anderen Interessen völlig verdrängt wird. Bei den Mädchen hingegen ist das Interesse für Kinder-und Märchenfilme zunächst noch sehr viel größer (11 Jahre = 28 %; 12 Jahre = 38 %) und nimmt erst ab dem 14. Lebensjahr rapide ab ( s. Tabelle VI). ν

Über den Besuch der Kinderfilmvorstellungen in der CSSR können keine genauen Angaben gemacht werden. Zwar liegen die Besucherzahlen von Kinderfilmprogrammen (vgl. Tabelle) vor, aber einerseits handelt es sich hierbei um absolute Besucherzahlen (Jugendliche und Erwachsene eingeschlossen) und andererseits gibt es in der CSSR bei der altersgemäßen Filmfreigabe nur eine einzige Unterscheidung (freigegeben "für alle" und freigegeben "ab 15 Jahren"). Die Kinderfilmvorstellungen in den regulären Kinos (spezielle Filmtheater für Kinder gibt es in der CSSR nicht) finden in der Regel am Mittwoch-, Samstag- und Sonntagnachmittag sowie am Sonntagvormittag statt. Die Eintrittskarten bei Kinderfilmveranstaltungen werden nicht besteuert. Der Eintrittspreis für Kinder beträgt 1 Krone (nach dem offiziellen Umrechnungskurs von 1 : 4 sind das DM0.25, nach dem inoffiziellen Kurs kostet eine Eintrittskarte etwa DM Q17). Der durchschnittliche Eintrittspreis für Erwachsene betrug 1966 3,3 Kronen. Er liegt minimal bei etwa 3 und maximal bei 5 Kronen. Seine Höhe richtet sich, wie auch in anderen Ländern, nach der Länge und dem Format (Normal und Breitwand, Cinemascope, 70 mm, schwarzweiß und Farbe) des betreffenden Films.

8. Ausblick

Die zahlenmäßige Entwicklung der Kinderfilmproduktion der CSSR spiegelt in auffälliger Weise die politischen Verhältnisse in diesem Land zwischen 1952 und 1965 wider. In den Jahren, in denen der Druck und der Einfluß der Partei und der von ihr gelenkten Kontrolleinrichtungen auf den Film besonders stark waren (bis 1956 und von 1958 bis 1961), stieg die Kinderfilmproduktion sprunghaft an. Dagegen verlor sich das Interesse der Autoren und Regisseure am Kinderfilm in Zeiten des politischen Tauwetters und mit zunehmender Liberalisierung. Zwar gibt es keine Beweise, aber genügend Anzeichen für die Annahme, daß viele Autoren und Regisseure einerseits mehrfach Zuflucht nahmen zur Bearbeitung historischer Themen und andererseits auch auf das Gebiet des Kinderfilms auswichen, um sich auf diese Weise nicht unmittelbar der Einflußnahme und der Kritik der Partei bzw. anderer offizieller staatlicher Stellen auszusetzen. Der Kinderfilm hat von dieser Erscheinung aber nur vorübergehend profitieren können (insbesondere zwischen 1959 und 1962), zu-

115

CSSR

mal es den Anschein hat, daß - so paradox es auch klingen mag - sich die seit etwa 1961 in der CSSR abzeichnenden politischen Veränderungen nicht positiv auf die zahlenmäßige Entwicklung der Spielfilmproduktion für Kinder ausgewirkt haben. Neben diesen möglichen Gründen für den Rückgang der Produktion Anfang der sechziger Jahre gibt es aber auch noch technisch-organisatorische Gründe, die man nicht zu gering einschätzen sollte. Innerhalb der Spielfilmproduktion besitzt der Kinderfilm nur eine untergeordnete Rolle. Folglich konnte sich die Erkenntnis, daß bei Filmen, in denen Kinder die Hauptrollen spielen, nicht die gleichen Produktionsmethoden wie bei Filmen mit erwachsenen Darstellern bzw. Berufsschauspielern angewandt werden können, nur langsam durchsetzen. Ferner galt es, die Gehälter und Honorare der Mitarbeiter an Kinderfilmen den in der Spielfilmproduktion üblichen Sätzen anzupassen, um z.B. die Autoren und Regisseure, die sich dem Kinderfilm widmen, nicht finanziell zu benachteiligen. Genauso wichtig wie die Beseitigung materieller Ungerechtigkeiten war und ist die Aufgabe, das Ansehen des Kinderfilms innerhalb der Gesamtproduktion zu heben. Auch in der CSSR ist die falsche Ansicht, daß Kinderfilme relativ schnell und einfach herzustellen und folglich zu ihrer Herstellung kein besonderer technischer Aufwand und keine erstklassigen Kräfte erforderlich seien, noch relativ weit verbreitet. Diese Fehleinschätzung der Bedeutung des Kinderfilms führt dazu, daß der Kinderfilm als ein Experimentierfeld für junge und noch unerfahrene Regisseure u.a. angesehen wird. Haben sich diese Nachwuchskräfte aber erst einmal auf dem Gebiet des Kinderfilms bewährt, dann kehren sie ihm sofort den Rücken, um andere und scheinbar lohnendere Aufgaben anzustreben. Abgesehen aber von diesen Problemen, die noch einer Lösung bedürfen, sind heute in der dSSR die Voraussetzungen für eine kontinuierliche Produktion geschaffen - nicht zuletzt ist dies das Verdienst jener tatsächlich hervorragenden Filme, die dem tschechoslowakischen Kinderfilm in den letzten Jahren auf internationaler Ebene Ansehen und Anerkennung verschafften. Auch wenn die Kinderfilmproduktion Anfang der sechziger Jahre zunächst rückläufig war, so darf damit gerechnet werden, daß auch weiterhin mindestens 10 % der jährlichen Spielfilmproduktion aus Kinderfilmen bestehen werden.

116

Entwicklung der Filmproduktion

Anhang Die Entwicklung der tschechoslowakischen Filmproduktion (1945 -1965) unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher und organisatorischer Fragen Die nachfolgende Darstellung ist als eine Zusammenstellung von Fakten und als Ergänzung zu den vorausgegangenen Kapiteln über die Entwicklung und Struktur des tschechoslowakischen Nachkriegsfilms anzusehen. Sie beruht auf einer außerhalb der C S S R praktisch unbekannten Buchveröffentlichung (Pavol Bauma: Ekonomika Seskoslovenskeho Filmu, Bratislava 1965, S. 4 3 ff.), deren wichtigsten Passagen vom Verfasser dieser Untersuchung gemeinsam mit seinem Übersetzer, dem tschechischen Filmregisseur Kurt Goldberger, ausgewählt und für die Veröffentlichung vorbereitet wurden. Zweck dieser Materialsammlung ist es, dem Leser einen chronologischen Überblick über die wichtigsten gesetzlichen, organisatorischen und ökonomischen Voraussetzungen, Bedingungen oder Maßnahmen zu verschaffen, die für die Entwicklung und Struktur der tschechoslowakischen Filmwirtschaft von Bedeutung waren bzw. sind. Gesetz über die Verstaatlichung der tschechoslowakischen Filmwirtschaft Das am 11.8. 1945 unterzeichnete und am 28.8. 1945 inkraft getretene Gesetz sah irrtümlicherweise nur die Verstaatlichung der Filmwirtschaft in Böhmen und Mähren, nicht aber in der Slowakei vor. Es bestimmte ( § 1 ), daß ausschließlich der Staat das Recht zur Herstellung, Bearbeitung, zum Vertrieb, zur öffentlichen Vorführung und zum Export/Import von Filmen habe. Die Filmtheaterbetriebe wurden den sogenannten Nationalausschüssen (Gemeinde-, Bezirks- und Landesbehörden) unterstellt. Alle filmwirtschaftlichen Betriebe wurden ( § 2 ) in Staatseigentum überführt und dem Informationsministerium unterstellt. Die privaten Unternehmer bzw. Eigentümer sollten entschädigt werden (diese gesetzliche Zusage wurde nicht eingehalten - Anmerk. d. Übers.). Alle von der Filmwirtschaft erzielten Gewinne ( § 3 ) sollten vom Informationsminister in Übereinstimmung mit dem Finanzminister für den Aufbau, die Erhaltung und Weiterentwicklung der Filmwirtschaft verwendet werden. A m 15.4. 1947 erhielt das Gesetz - rückwirkend - auch für die Slowakei Gültigkeit.

117

CSSR

Tabelle V I I

Organisationsschema des tschechoslowakischen Films

Zentraldirektor

ι—

1

Filmove Kurzfilm Studio (Kratky Barrandov Film)

118

1 Zentralfilmverleih

1— Filmexport

Kopierwerke (Labor)

Filmtechn. Betriebe

Laterna CS.Film magika Bratislava

Entwicklung der Filmproduktion

Insbesondere § 3 des Gesetzes wurde aus zwei Gründen nicht erfüllt. Die tschechoslowakische Filmwirtschaft führte seit 1945 mehr als 500 Mill. K C S an den Staat ab, anstatt sie - wie es das Gesetz vorsah - für ihren Aufbau und ihre Weiterentwicklung zu verwenden. Ferner wurden der Filmwirtschaft erhebliche Mittel dadurch entzogen, daß nur 40 % der Einnahmen der Filmtheater zurückflössen, während 60 % den Nationalausschüssen zuflössen.

Verwaltung der tschechoslowakischen Filmwirtschaft Gemäß Regierungserlaß vom 13.4. 1948 wurde das gesamtstaatliche Unternehmen "Ceskoslovensky Statni Film" errichtet. Damit wurden alle Bereiche der Filmwirtschaft (mit Ausnahme der Filmtheater) in Böhmen, Mähren und der Slowakei zu einem Unternehmen zusammengefaßt, an dessen Spitze ein Generaldirektor sowie Zentraldirektoren für Produktion, Verleih, Verwaltung, Planung und Forschung standen. Der Vorteil dieser Organisationsform bestand darin, daß - wirtschaftlich gesehen - ein einheitliches Ganzes gebildet wurde. Demnach unterlag die gesamte Filmproduktion, angefangen von der Planung des einzelnen Filmvorhabens über die Realisierung bis hin zur Bereitstellung vorführfertiger Kopien, einer zentralen Leitung. Da sich das geschaffene System von Verwaltungsräten, die in den einzelnen Sparten tätig waren, nicht bewährte, wurde mit dem Gesetz Nr. 272 vom 19.12. 1948 die Gesamtverantwortung für die Produktion und den Verleih dem Minister für Information und Volksaufklärung unterstellt. Nichteinhaltung der aufgestellten Planziele und verschiedene andere Schwierigkeiten führten dazu, daß die Filmwirtschaft ständig reorganisiert wurde. A m 1.1. 1951 wurde der Tschechoslowakische Staatsfilm durch eine staatliche Verwaltung des tschechoslowakischen Films beim Ministerium für Information und Volksaufklärung ersetzt. Damit verlor die Filmproduktion ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit, da sie auch etatmäßig dem Ministerium unterstellt wurde. Gleichzeitig wurden die Zentraldirektoren für die Produktion und den Verleih abgeschafft und diese Bereiche - ähnlich wie der slowakische Film - unmittelbar dem Generaldirektor unterstellt. Die zwischen 1951 und 1953 durchgeführten Änderungen blieben praktisch ohne Bedeutung, da aufgrund der Regierungsverordnung Nr. 77 vom 11.9.1953 ein Kultusministerium eingerichtet wurde, dem die Hauptverwaltung der tschechoslowakischen Kinematographie übertragen wurde. Mit Wirkung vom 1.1.1955 erhielt der Film seine wirtschaftliche Eigenständigkeit zurück, d.h. er stellte eine eigene wirtschaftliche Organisation dar, die nicht mehr vom Etat eines Ministeriums oder vom Staatshaushalt abhängig war.

119

CSSR

Tabelle V I I I Übersicht über die durchschnittlichen Herstellungskosten (Spielfilme)

120

Jahr

durchschnittliche Kosten pro Film

1951

3.002.000

KCS

1952

3.319.000

H

1953

3.366.000

1954

5.122.000

II

1955

4.020.000

11

1956

3.039.000

II

1957

3.645.000

II

1958

2.644.000

II

1959

2.583.000

II

1960

2.707.000

II

1961

2.598.000

"

1962

2.594.000

II

1963

2.419.000

II

"

Anmerkung:

Das Plansoll bei der Spielfilmproduktion wurde seit 1956 jeweils zu 100 % erfüllt.

Quelle:

Pavol Bauma: Ekonomika Ceskoslovenskeho Filmu, a.a.O., S. 58 f.

Entwicklung der Filmproduktion

Ausführlich befaßte sich das Politbüro des ZK der KP6 im März 1956 mit den Problemen des Films und seiner zukünftigen Entwicklung. Kritisiert wurden insbesondere die steigenden Produktionskosten, das schlechte Besoldungssystem, die ungenügende Ausnutzung der Ateliers, das Fehlen von Fachkräften und eine Reihe von technisch-organisatorischen Fragen. Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, schlug das Politbüro u.a. vor: Einführung des Prinzips der persönlichen Verantwortung, neues Besoldungssystem (Prämien), Überwindung des starren Zentralismus, einfachere Organisationsformen, mehr Handlungsfreiheit für die Direktoren. Die Entscheidungen des Politbüros waren für die Filmwirtschaft von großer Bedeutung. So wurden u.a. die Verwaltung dezentralisiert und verschiedene selbständige Einheiten gebildet (u.a. die Spiel- bzw.Kurzfilmstudios, die filmtechnischen Betriebe und der Verleih). Während die Hauptverwaltung und spätere Zentralverwaltung des tschechoslowakischen Films zunächst dem Ministerium für Schulwesen und Kultur unterstellt war, erhielt sie1962 weitergehende Vollmachten: Sie wurde einem Ministerium gleichgestellt und kulturpolitisch direkt dem ZK der KPC unterstellt. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen Seit der Verstaatlichung mußte die tschechoslowakische Filmwirtschaft (bis 1965) rund 20 Reorganisationen, durchschnittlich eine pro Jahr, über sich ergehen lassen. Sie befand sich folglich in einem permanenten Stadium der Reorganisation, womit die meisten wirtschaftlichen und rechtlichen Maßnahmen lediglich provisorischen Charakter besaßen. Tatsächlich waren sie nicht das Ergebnis praktischer filmwirtschaftlicher Bedürfnisse, sondern eine Folge sich ständig wandelnder politischer Wünsche oder Ziele, bürokratischer Eingriffe und der starren zentralistischen Leitung. Unter diesen Voraussetzungen war eine optimale Entwicklung der Filmwirtschaft kaum zu gewährleisten. Als Ausweg schlägt Pavol Bauma deshalb u.a. vor: Konsequente Durchsetzung der Grundsätze des "demokratischen Zentralismus", d.h. den Demokratisierungsprozeß weiter zu entwickeln und Verantwortlichkeit und Rechte auf die einzelnen Organisationseinheiten zu übertragen (z.B.die Stellung der sogenannten dramaturgischen Gruppen innerhalb der Studios verbessern, die ein Filmvorhaben von der Idee bis zum Drehbuch entwickeln, die Produk-

121

(ÜSSR

tion leiten, aber alle technischen Einrichtungen nicht selbst besitzen, sondern jeweils mieten müssen). Diese Forderungen konnten inzwischen weitgehend verwirklicht werden. Gehälter, Prämien und Honorare für Filmschaffende Der überwiegende Teil der tschechoslowakischen Filmschaffenden ist bei den Studios fest angestellt und bezieht monatlich sein Gehalt. Die Spannweite der Grundgehälter (Verordnung Nr. 27.032/56 - Pa Μ 12) ist dadurch beschränkt, daß ihre Gesamtsumme nicht den Durchschnitt der Spannweite der Grundgehälter und die Zahl der Arbeitnehmer, die die Gehälter beziehen, überschreiten darf. So werden im Rahmen der Spielfilmproduktion durchschnittlich folgende Gehälter bezahlt: Regisseur Produktionsleiter Kameramann

1.600 - 2.000 K C S monatlich 1.600 - 2.200 K C S 1.400 - 1.800 K C S

Nach der Fertigstellung und Endabnahme eines Films erhalten die an einer Produktion beteiligt gewesenen führenden Mitarbeiter zusätzliche Honorare bzw. Prämien, deren Höhe sich nach festgelegten Qualifikationskategorien richtet: Regisseure

Kategorie

40.000 bis 80.000 K&S 35.000 bis 60.000 K C S 30.000 bis 45.000 K C S

Produktionsleiter:

Kategorie

8.000 bis 16.000 K C S 6.000 bis 14.000 K C S 5.000 bis 12.000 K Ö S

Kameramänner:

Kategorie

20.000 bis 40.000 K C S 13.000 bis 26.000 K Ö S 8.000 bis 16.000 K C S

Der Nachteil dieses Systems lag darin, daß den einzelnen Studios nur begrenzte Beträge für die Honorierung zur Verfügung standen. Das wirkte sich insbesondere negativ auf das Einkommen jener Filmschaffenden aus, die einem Studio angehörten, das bereits zu Beginn des Jahres mehrere qualitätvolle Filme hergestellt hatte. Da die Summe der durchschnittlich bezahlten Honorare nicht den Gesamtbetrag, der für die Honorierung der

122

Entwicklung der Filmproduktion

führenden Filmschaffenden zur Verfügung stand, überschreiten durfte, konnte es durchaus geschehen, daß beispielsweise ein Autor oder Regisseur, der besonders sorgfältig und dementsprechend lange an der Verwirklichung eines Filmprojekts gearbeitet hatte, im Endeffekt das gleiche Honorar wie ein Autor oder Regisseur erhielt, der innerhalb kurzer Zeit ein nur durchschnittliches Drehbuch bzw. einen durchschnittlichen Film fertiggestellt hatte. Gegen diese Methode der Honorierung haben die Filmschaffenden jahrelang vergeblich gekämpft (sie wurde im Sommer 1968 abgeschafft). 1962 verfügte der Zentraldirektor des tschechoslowakischen Films eine Änderung der aus dem Jahr 1956 stammenden Honorarverordnungen. Aufgrund dieser Änderung konnte dem an der Herstellung eines Spielfilms beteiligten Stab aus eingesparten Produktionsmitteln Prämien zuerkannt werden. Voraussetzung für die Auszahlung von Prämien ist: a)

Einhaltung der geplanten Produktionskosten

b)

Durchschnittliche Erfüllung der geplanten Tagesproduktivität

c)

Freigabe des Films zur öffentlichen Vorführung

d)

Einhaltung des geplanten Termins für die Herstellung der ersten Kopie

Die Höhe der kollektiven Prämie richtet sich nach der Höhe der tatsächlich ausbezahlten Honorare, die nicht überschritten werden darf. Danach erhalten der Produktionsleiter 40 % und alle übrigen Mitarbeiter 30 % der Honorare.

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III.

Thematische Gliederung und Analyse

Die tschechoslowakische Spielfilmproduktion für Kinder steht in dem Ruf, zumindest seit dem Ende der fünfziger Jahre auf dem Weltmarkt eine führende Rolle zu spielen. Seitdem haben tschechische Kinderfilme bei allen einschlägigen internationalen Festivals und ähnlichen Veranstaltungen die wohl mit Abstand meisten Auszeichnungen erringen können, was nicht zuletzt auch Auswirkungen auf das hohe Ansehen, das die Kinderfilmproduktion (Trickfilme eingeschlossen) der V

CSSR international gesehen genießt, gehabt hat. Wer heute, gleich wo und an welcher Stelle, nach Beispielen für gelungene und anspruchsvolle Kinderfilme sucht, wird primär auf tschechische Filme zurückgreifen, weil sie nicht nur weitgehend bekannt und anerkannt sind, sondern auch den Wünschen, Vorstellungen und Forderungen vieler Filmerzieher und Pädagogen allgemein weitgehend entgegenkommen. Diese Wertschätzung ist angesichts des quantitativ und qualitativ gesehen völlig unzureichenden Angebots an realistischen Kinderfilmen zwar verständlich, aber sollte nicht zu einer Überbewertung der Leistungen der tschechoslowakischen Kinderfilmproduktion verführen, zumal außerhalb des Ursprungslandes in der Regel nur die Spitzenprodukte, nicht aber die ganze Produktion (einschließlich der mißlungenen oder nur durchschnittlichen Filme) bekannt wird. Gerade deshalb wird im Rahmen dieser Untersuchung der Versuch unternommen, von der Gesamtheit der im Untersuchungszeitraum in den einzelnen Ländern hergestellten Kinderfilme auszugehen, zumal in der Praxis einerseits auch die weniger gelungenen oder gar mißlungenen Filme es zulassen, Rückschlüsse auf die Absichten der Hersteller zu ziehen, und andererseits diese Filme genauso zum Angebot der Filmtheater gehören, d.h.genauso konsumiert werden, wie jene Werke, die aufgrund ihrer Qualität formale und inhaltliche Maßstäbe zu setzen vermögen.

1. Märchenfilme - verfilmte Volksmärchen und moderne Märchen

In der statistischen Übersicht über die Stoffwahl wird der Anteil der Märchen an der Kinderfilmproduktion mit 23,5 % ( = 16 Filme) angegeben. Dieser Anteil ist bereits im Vergleich etwa zur Bundesrepublik (97,8 %) und zur DDR (37,5 %) relativ gering. Dennoch weist er die tatsächlichen Verhältnisse noch nicht ganz richtig aus, zumal eine nähere Betrachtung der pauschal als "Märchen" bezeichneten Filme eine klare Trennung in Volksmärchen und Legenden einerseits und in sog. moderne Märchen andererseits erforderlich macht. Danach reduziert sich die Zahl der Filme, die nach Märchenvorlagen entstanden, auf insgesamt nur 10 Titel ( = 14,7 %). Die restlichen Titel (6 = 8,8 %) müssen der Kategorie "moderne Märchen" zugerechnet werden.

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Entwicklung der Filmproduktion

Obwohl auch die CSSR über einen reichen Schatz an märchenhaften Legenden und Volksmärchen, die in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts von der Schriftstellerin Bo'zena Nömcovä *(33) und dem Dichter K.J. Erben *(34) ge, sammelt und nacherzählt worden waren, verfügt, spielt die Märchenfilmproduktion nur eine untergeordnete Rolle. Diese Feststellung bezieht sich sowohl auf die Quantität als auch die Qualität der Filme, zumal es auch den tschechoslowakischen Filmschöpfern nicht gelungen ist, die grundsätzlichen Bedenken gegen jede Art der Verfilmung von Märchen mit Personen als Darstellern zu überwinden. Mit Sicherheit ist hierin auch einer der Gründe dafür zu suchen, daß es das künstlerische Kollektiv des Studios Gottwaldov bisher ablehnte, klassische Märchen und ältere literarische Werke zu bearbeiten und sich stattdessen die Aufgabe stellte, "nur Themen aus der Gegenwart zu gestalten". *(35) Die Liste der erfolgreichsten Kinderfilme in der ÖSSR führen bezeichnenderweise zwei Märchenfilme an. Bezeichnenderweise deshalb, weil - wie die Erfahrungen in der Bundesrepublik u.a. gezeigt haben - die Popularität klassischer Märchen nach wie vor so groß ist, daß sie, auch unabhängig von der Qualität der Verfilmung, stets ihre Zuschauer finden. Bei den als besonders erfolgreich bezeichneten Filmen handelte es sich um "Die stolze Prinzessin" (Pysny princezna, 1952) und "Die Prinzessin mit dem goldenen Stern" (Princezna se zlatou hväzdou, 1959). Beide Filme entstanden nach einem Märchen bzw. nach Motiven eines Märchens von Bo?ena Nemcovä. Während sich aber B. Zeman in seinem Film, der der erste tschechische Märchenfilm überhaupt war, um enge Anlehnung an die Vorlage und um künstlerisch anspruchsvolle Gestaltung bemühte, geriet der mit viel Aufwand und in Farbe gedrehte Film von Martin Fritf an den Rand des Kitsches. Auf ähnliche Weise mißlangen auch "Knüppel aus dem Sack" (Obusku, ζ pytle ven! 1955), nach einem Märchen von K.J. Erben, und der aus zwei kürzeren Streifen zusammengesetzte Film"Der Bär und Die Gespenster" (MedvÖd a stra&dla, 1959) sowie vor allem der slowakische Märchenfilm "Edelmann und Astronom" (Pan a hvezdar, 1959), der aus den Märchenfiguren alberne oder tölpelhafte Gestalten macht und sie bis zur Karikatur verzeichnet. Weitaus geschickter verfuhr Vaclav Krska bei seiner Verfilmung des Hauff' sehen Märchens "Der falsche Prinz" (Labakan, 1956), zumal er es verstand, * ( 3 3 ) Bo'iena N i m c o v i ( 1 8 2 0 - 1 8 6 2 ) wurde u.a. durch die kunstvollen Nacherzählungen der von ihr gesammelten tschechischen und slowakischen Märchen bekannt. * ( 3 4 ) Karel Jaromir Erben ( 1 8 1 1 - 1 8 7 0 ) , Gelehrter und romantischer Dichter, der slawische Volkslieder, - sagen und -märchen u.a. sammelte und sie im Geist der Romantik als Zeugnisse slawischen Kultur- und Geisteslebens deutete. * ( 3 5 ) Ales Bosak, a.a.O., S. 3 6 u. 4 0

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durch Aktion, Farbe, Landschaft und Bauten das Schaubedürfnis des Zuschauers zu befriedigen und den gleichnishaften Charakter des Märchens unaufdringlich zu betonen. V o r allem in formaler Hinsicht interessanter aber ist vielleicht noch " D i e drei goldenen Haare des Alleswissers" (Tfi zlate vlasy dSäa VSev£da, 1963) von Jan ValaSek und nach einem Märchen von K.J. Erben. Der Regisseur verzichtete auf reale Landschaften und Bauten und läßt das Geschehen in konsequent stilisierten Dekorationen ablaufen, wobei die zahlreichen Handlungsorte oft kaum mehr als vorsichtig angedeutet werden. Eine wesentliche dramaturgische Funktion kommt in diesem Zusammenhang dem Licht (Beleuchtung) und der Farbe zu, die die märchenhafte Stimmung hervorrufen und zur Charakterisierung der Personen und Handlungsorte beitragen. Wichtiger als die Verfilmung klassischer Märchen ist für die Entwicklung des Kinderfilms zweifellos jenes Genre von Filmen, das hier zunächst etwas ungenau als modernes Märchen umschrieben wurde. Zwar sind vorerst die Versuche auf diesem Gebiet noch spärlich und die Ergebnisse dementsprechend ungenügend bzw. unbefriedigend, aber dennoch kann nicht bestritten werden, daß das moderne Märchen weder die Phantasie des Filmgestalters noch - im Gegensatz zur Märchenverfilmung - die des kindlichen Zuschauers einengt, vielmehr belebt es sie. Da der Begriff modernes Filmmärchen im Rahmen dieser Untersuchung mehrfach Verwendung findet, aber noch keine verbindliche Definition dieses Begriffs vorliegt, soll zunächst der Versuch gemacht werden, einige wesentlich erscheinende Kriterien für diese Filmgattung zusammenzutragen. Zwei als beispielhaft anzusehende tschechische Filme, " W e n n der Kater k o m m t " (Aüfprijde kocour, 1963) von V o j t & h Jasny und " H a b e n Sie zu Hause einen Löwen? " (Mäte doma Iva? 1963) von Pavel Hobl, können dabei behilflich sein. Jasn^s Film spielt in einem kleinen pittoresken Städtchen. V o n seinem Beobachtungsposten, dem Kirchturm, herab beobachtet der alte Globetrotter Oliva das Treiben unter ihm. Er kennt die Menschen, ihre Schwächen und Launen und erzählt ihre Geschichte. Da ist der junge Lehrer Robert, der die Lüge und Heuchelei seiner Mitbürger verabscheut, den falschen und despotischen Rektor seiner Schule ablehnt und zugleich versucht, seine Schüler zu anständigen, freien und aufrichtigen Menschen zu erziehen. Eines Tages erzählt Oliva den Kindern die Geschichte von Diana und ihrem Kater, der eine Brille trug und die Fähigkeit besaß, die menschlichen Qualitäten und Schwächen zu erkennen. Noch während der Erzählung hält ein Magier, der Oliva zum Verwechseln ähnlich sieht, mit Diana und dem Kater Einzug ins Städtchen. Höhepunkt der abendlichen Vorstellung ist natürlich der Auftritt des Katers: Jeder, den er ansieht, verfärbt sich seinem Charakter entsprechend. Eine Panik bricht aus, und anderentags ist der ganze Ort auf den Beinen, um den Kater zu fangen. Nur Robert, der Lehrer, und die Kinder sind auf der Seite des Katers und können ihm schließlich auch das Leben retten.

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Entwicklung der Filmproduktion

Dieses poetische Werk ist realistisch und unrealistisch, zeitbezogen und zeitlos, heiter und melancholisch zugleich. Sein Inhalt ist eine märchenhafte Parabel, die vom Glauben an das Gute im Menschen und an die Wahrheit getragen wird. " S o ist es geschehen oder könnte doch zumindest geschehen sein", sagt der alte Oliva, eine tiefgründige Figur, der über den Gehässigkeiten und Fehlern der Menschen steht. In Hobls Film stehen die unglaublichen Erlebnisse zweier Kinder im Mittelpunkt des Geschehens, das eine Mischung aus Traum, Wunsch und Wirklichkeit darstellt. Da ihre Schule an diesem Tag geschlossen hat, benutzen die beiden Jungen die Gelegenheit zu einem Streifzug durch die Stadt. Dabei tun und erleben sie genau das, was Jungen ihres Alters zwar gern tun und erleben möchten, aber mit Sicherheit weder können noch dürfen: A n einer verkehrsreichen Kreuzung regeln sie den Verkehr; sie rollen auf Rollschuhen durch das städtische Museum; sie versetzen sich u.a. ins Zauberland und befreien ein verzaubertes Orchester und gewinnen schließlich mit einem Miniauto ein richtiges Rennen, wobei sie ihr siegreicher Wagen direkt in die Arme des Vaters fährt, der sie am Abend wieder nach Hause bringt. " H o b l hat sich in seinem Film dem kindlichen Zuschauer mit größter künstlerischer Verantwortung zugewandt: Er ist bestrebt, unmittelbar von der kindlichen Psychologie auszugehen, vom Aufnahmevermögen des Kindes, dessen Verhaltensweise und Handeln, um die Welt, das Leben und die Menschen mit den A u gen des Kindes zu erfassen und als Künstler auf der Ebene kindlicher Phantasie zu stilisieren. A u f sie konzentriert er sich in erster Linie, potenziert sie mit seinen künstlerischen und beruflichen Erfahrungen und läßt sie in jener Form erscheinen, die wiederum auf die Phantasie des Kindes zurückwirkt. Hobl regt die Phantasie nicht nur durch das Handeln der beiden Jungen an, sondern gleichzeitig auch durch die Verwendung der verschiedendsten Filmtechniken... Für die Überleitung der beiden Jungen in die Welt ihrer Vorstellungen hat Hobl die angemessene Filmsprache gefunden - verständlich, modern, emotional wirksam, informativ und inspirierend - und durch deren Vermittlung wird sich das Kind seiner eigenen Phantasie bewußt." * (36) Gemeinsam ist diesen beiden Filmen *(37), daß sie - nicht zuletzt dank ihrer unkonventionellen Gestaltung - völlig neue Wege zu gehen versuchen. Ihre Ausgangs· und Endpunkte sind, neben ungezählten Details, durchaus realistisch. Die Handlung wird nicht, wie beim klassischen Märchen, in eine räumlich und zeitlich unbestimmbare Gegend verlegt, sondern spielt in der Gegenwart. Im Mittelpunkt *(36) Marie BeneSova: Z u m speziellen Schaffen für Kinder und zur Darstellung der Wirklichkeit im Kinderfilm, in: F i l m Fernsehen Filmerziehung, Berlin 1966, Heft II, S. 65 - 70 *(37) " W e n n der Kater k o m m t " wurde zwar als Filmmärchen für Erwachsene konzipiert, aber später auch als Kinderfilm eingesetzt, nachdem er beim Kinderfilm-Festival in

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der Handlung stehen nicht mehr die romantisch verklärten Prinzen, die plakativ schöne Prinzessin und die längst zum Klischee erstarrten Könige einschließlich des märchenhaften Prunks, der sie - dem Klischee entsprechend zu umgeben hat, sondern alltägliche Figuren, vertraute Dinge und phantastische Erscheinungen, die zwar nicht unbedingt real oder realistisch sein müssen, aber zumindest weitgehend nachvollzogen werden können. Das moderne Filmmärchen geht von den auch Kindern bereits zugänglichen Realitäten und Erfahrungen aus und benutzt sie, um in ein Land der Träume und geheimen Wünsche, in ein Land der Phantasie zu führen, wo - wenngleich auch nur zeitweilig - phantastische Träume in Erfüllung gehen können. Das moderne Filmmärchen lebt nicht vom Prunk der Ausstattung und dem Glanz der Kostüme; es ist nicht an einfältige Stereotypen, wie den väterlichguten oder einfältig-dummen König, gebunden, sondern kann sowohl echte Charaktere als auch differenzierte Typen verwenden; es lebt nicht von mehr oder weniger lieb gewordenen Klischees, sondern von dem von literarischen Vorlagen völlig unabhängigen Einfallsreichtum, der Phantasie seiner Autoren und Gestalter. Und ebenso wie das eigenständige literarische Werk primär vom Wort lebt, so lebt das eigenständige filmische Werk von der Poesie und Aussagekraft der Bilder. Letzteres stellt zwar an den Autor und Regisseur eines Films hohe Anforderungen, zugleich aber ist dies die Voraussetzung dafür, daß unter besonderer Berücksichtigung der vorhandenen technischen und gestalterischen Möglichkeiten unserer Zeit adäquate Filmmärchen für Kinder entstehen. Neben den bereits erwähnten Filmen hat es noch eine Reihe weiterer Versuche, moderne Filmmärchen für Kinder zu schaffen, gegeben, woran der Kinderfilm- und Buchautor Ota Hofman nicht unwesentlich beteiligt war. Hofman gehört zu den wenigen Autoren, die nicht nur mehr oder weniger zufällig sich auch einmal mit dem Kinderfilm befassen, sondern die in dieser Beschäftigung eine echte Aufgabe sehen und sich ihr mit Hingabe widmen, ohne nach den ersten Fehlschlägen zu verzagen. Rückblickend gesteht er: "Hier (bei den Gescheiterten) liegt auch das zertrümmerte Flugzeug Kine aus meinem Szenarium 'Ferien in den Wolken' (Prazdning ν oblacich, 1959, Regie: Jan Valasek) nach dem Buch von Bohumil Riha. Es war zu schwer für die Filmwolken." Und / könnte man hinzufügen, zerbrach an der Last allzu vordergründiger erzieherischer Belehrungen. " Und hier sind die rostigen Gleise, auf denen die alte, rostige Straßenbahn herkommen sollte und es nicht schaffte, weil sie im Film ihre Poesie *(37)

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..

G o t t w a l d o v eine Auszeichnung errang u n d eine internationale D i s k u s s i o n d a r ü b e r a u s l ö s t e , o b e r f ü r K i n d e r ü b e r h a u p t g e e i g n e t sei.

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verlor. Sie tut mir leid. Weil ich sie gern hatte. Weil ich glaubte, angesichts des fertigen Szenariums, ich sei dem schon nahe, was ich wollte." *(38) (Gemeint ist der Film von Milan Volmik " D a s Märchen von der alten Straßenbahn", Poh^dka ο star^tramvaji, 1961). Dem, was er wahrscheinlich anstrebt, kam Ota Hofman 1962 sehr viel näher. Gemeinsam mit Jindrich Polatc (Regie) erweckte er die bekannte Figur des Clown Ferdinand (Jiri Vrstala) zu neuem Leben und verhalf ihr, indem er sie zum Freund und Beschützer der Kinder machte, zu einer ungeahnten Popularität. Der Film "Clown Ferdinand und die Rakete" (Klaun Ferdinand a raketa) *(39) besitzt sowohl realistische (der Handlungsort Prag, die Kinder) als auch märchenhafte (der Clown, sein Auto, sein Wohnwagen) und utopische Züge (die unbekannte Rakete, die Begleitumstände des Fluges ins Weltall). Da die moderne Technik, Roboter und bemannte Raketen die Phantasie von Kindern heute genauso bewegen und anregen wie märchenhaft-phantastische Abenteuer und Erlebnisse, vermag die Handlung des Films Kinder unmittelbar anzusprechen. Dennoch kann nicht übersehen werden, daß der Film in erster Linie von der Erscheinung des Clowns und seinem hervorragenden Spiel lebt und die mitspielenden Kinder ihm eigentlich nur beigegeben sind.um ihm die Möglichkeit zu geben, für sie zu handeln, sie zu beschützen. Da die Kinder aber nicht selbständig agieren, können sie auch die Handlung nicht beeinflussen und vorantreiben. Dieser Nachteil und eine Reihe von Längen (Theatersequenz, während des Fluges mit der Rakete) lassen den Film, der zweifellos einen wichtigen und interessanten Versuch darstellt, als nicht vollständig gelungen erscheinen. 2. Alltägliche Erlebnisse und Ereignisse Bereits ein flüchtiger Blick auf die statistische Erfassung der Stoffe zeigt, daß der tschechoslowakische Kinderfilm seine hervorragende Stellung nicht zuletzt dem Umstand verdankt, daß er in erster Linie stets darum bemüht war, seinem jungen Publikum solche Themen und Stoffe anzubieten, die ihrem tatsächlichen oder zumindest wahrscheinlichen Alltag (Umwelt) und ihrem Erlebnisund Erfahrungsbereich entnommen waren. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, daß in nicht weniger als 31 von 68 Filmen (= 45,6 %) alltägliche Erlebnisse und Ereignisse behandelt werden. Selbst wenn man sehr strenge Maßstäbe anlegt und jene Filme, die sich zur Auflockerung der Handlung bzw. zur *(38) Ota Hofman: Träume für die Zukunft, in: Film Fernsehen Filmerziehung, Berlin 1964, Heft I, S. 27 *(39) Der Film wurde 1968 in der B R D als bester ausländischer Film mit dem 'Deutschen Kinderfilmpreis', den der Bundesminister für Familie und Jugend verleiht, ausgezeichnet.

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Steigerung der Spannung bestimmter abenteuerlicher Handlungsmomente bedienen, ohne sich deshalb allzu weit von vorgegebenen Realitäten zu entfernen, zunächst einmal unberücksichtigt läßt *(40), so bleiben immerhin noch 21 Filme ( = 30,8 %). Das heißt, fast jeder dritte Kinderfilm aus der ÖSSR genügt der hinlänglich bekannten Forderung, wonach es nicht nur Aufgabe des Kinderfilms sein solle, märchenhafte, phantastische, abenteuerliche und kriminalistische oder utopische Stoffe zu bearbeiten, vielmehr müsse er auch und gerade in dem Sinne erzieherisch wirken, daß er sich direkt der Fragen, Probleme, Erlebnisse u.a. seiner jungen Zuschauer annähme. Die Dramatisierung bzw. Beschreibung des Alltags stellt sicherlich an den Filmgestalter höhere Anforderungen, als etwa die Verfilmung vorgegebener literarischer Vorlagen oder aber die Umsetzung von Themen, die der schöpferischen Phantasie der Filmhersteller keine Beschränkung auferlegen, weil sie von vornherein nicht den Anspruch erheben, als realistisch im Sinne von realitätsgebundenen bzw. -verbunden zu gelten. Die Einschränkungen, die die Gestalter von Filmen mit wirklichkeitsentlehnten Stoffen hinnehmen müssen, sind aber nur scheinbar gravierend. Denn selbst beim realistischen bzw. realitätsgebundenen Film geht es nicht um den reinen Abklatsch von vorgefundenen Wirklichkeiten. Der Spielfilm ist selbst dann noch Fiktion, wenn er sich dokumentarischer Formen und Mittel bedient; Film ist nicht Ersatz für Wirklichkeit, sondern bietet bestenfalls einen künstlerisch komprimierten und folglich bewußt gestalteten Ausschnitt aus den so ungemein vielfältigen und komplexen Erscheinungen, die pauschal unter dem schillernden Begriff gesellschaftliche Realitäten zusammengefaßt werden. Insofern stellt der realistische, realitätsbezogene Kinderfilm, der sich dem unmittelbaren Erfahrungs- und Erlebnisbereich von Kindern verpflichtet fühlt und es sich zur Aufgabe gemacht hat, dem Kind seine eigene Umwelt (d.h.die ihm nahestehende, die von ihm noch erfaßbare), seine eigenen bzw.die ihm noch zugänglichen Probleme und Fragen u.a. nahezubringen, die es selbst oder aber Kinder (Menschen) in ähnlichen oder anderen Situationen und Länder berühren oder berühren könnten, keine Beschränkung der Phantasie und Möglichkeiten von Autoren und Regisseuren dar. Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit der Filmgestalter ist lediglich, daß sie sich nicht nur der Interessen, Wünsche und Bedürfnisse ihrer Adressatengruppe bewußt werden, vielmehr müssen sie auch unterscheiden lernen zwischen dem, was aus der Sicht des Erwachsenen *(40)

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Es handelt sich hierbei um die Filme, die außer in der Rubrik 5 ("alltägliche Erlebnisse und Ereignisse") auch noch zusätzlich in einer anderen Rubrik erwähnt werden (z.B.unter "abenteuerliche Stoffe").

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und dem, was aus der Sicht der Kinder als wichtig, typisch, interessant, unterhaltsam und ggf. auch lehrreich angesehen wird. Hier gibt es eine Reihe von Unterschieden, die nicht zuletzt auf die Tatsache zurückgeführt werden können, daß in einer nicht unbedeutenden Anzahl von tschechoslowakischen Kinderfilmen der erhobene Zeigefinger, die Gebrauchsanweisung für gesellschaftliches und moralisches Wohlverhalten höher bewertet wurden, als die Wahl des Stoffes und dessen filmische Bewältigung (z.B."Auf der Eisfläche" / Na stribrnem zradle). Da es fast unmöglich ist, auf alle diesem Kapitel zugeordnete Filme näher einzugehen, beschränkt sich die nachfolgende Analyse auf jene Filme, die als besonders gelungen und folglich beispielhaft angesehen werden können. Einer der ersten Filme dieser Art war " D a s Hündchen und seine Freunde" (Punta a ctyrlistek, 1955) von Jiri Weiss, der zu den bedeutenden tschechischen Regisseuren der älteren Generation zählt. Weiss, der gemeinsam mit Ota Hofman das Drehbuch verfaßte, erzählt die Geschichte eines etwa neunjährigen Jungen, der einen scheinbar herrenlosen Hund zu sich nimmt und seinen 'Besitz' mit einer Notlüge sowohl gegenüber den Eltern als auch den Freunden verteidigt. Zwar helfen ihm die Freunde, auf nicht ganz legale Weise eine Hundemarke zu beschaffen, aber damit vergrößern sich die Schwierigkeiten noch, in die sich Tonda selbst gebracht hat. Als Tonda keinen Ausweg mehr weiß, läuft er zur Polizei, um sich verhaften zu lassen.Hier aber erwartet ihn bereits der Vater, der nun alles wieder in Ordnung bringt. Noch weniger dramatisch verlaufen die Erlebnisse des fünfjährigen Hans in "Hänschens Reise" (Honzikova cesta, 1956) von Milan Vosmik (Buch: Ota Hofman). Hans reist, da seine Mutter unabkömmlich ist und der Vater außerhalb auf einer Baustelle arbeitet, allein aufs Land, um die Großeltern zu besuchen, die Kolchosbauern sind. Schnell schließt der Stadtjunge Freundschaft mit den verschiedenen Haustieren. Er begleitet den Großvater beim Füttern und holt aus der Gemeinschaftsküche das Essen. A u c h mit den anderen Kindern des Dorfes freundet sich Hans an. Er lernt den Lehrer kennen und wird von ihm zum Besuch der Schule eingeladen, in der bereits sein Vater unterrichtet wurde. Da in der Schule gerade die Katze durchgenommen wird, bringt Hans den Kater der Großeltern mit, der aber in einem passenden Augenblick durch ein Fenster ausreißt. Bei der Suche nach dem Kater verläuft sich Hans im Wald, wo er schlafend von den Dorfkindern später gefunden wird. Dieser Film kommt ohne Übertreibungen und phantastische Abenteuer aus, er begnügt sich mit der Schilderung alltäglicher Ereignisse und Erlebnisse, die von jedem Kind nachvollzogen werden können.

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Ziel dieser Erzählung ist es, die jüngsten Filmzuschauer mit ihrer Umwelt vertraut zu machen und insbesondere den Stadtkindern, für die z.B. Kühe, Ziegen und Schweine keine Alltäglichkeiten mehr sind, das Leben auf dem Land zu zeigen. So vermittelt der Spielfilm nicht nur Erlebnisse, unterhält er nicht nur, vielmehr vermittelt er auch unbemerkt eine Vielzahl von Informationen, ohne deshalb belehrend im Sinne etwa des populärwissenschaftlichen oder Unterrichtsfilms zu wirken. Wie sehr die tschechoslowakischen Kinderfilme, sofern sie sich nicht deutlich als Märchen oder abenteuerlich-phantastische Geschichten zu erkennen geben, bemüht sind, dem jungen Zuschauer ein wahrhaftiges Bild seiner Umwelt zu entwerfen, läßt sich an einigen Details ablesen. Im Unterschied beispielsweise zu den britischen Kinderfilmen, deren überwiegender Teil ohne direkten Zeitbezug bleibt, spielen 50 % aller tschechoslowakischen Kinderfilme in der Gegenwart. Kindliche Superhelden, die erfolgreich Jagd auf Verbrecher machen und sich auch in anderer Weise stets den Erwachsenen überlegen zeigen, gibt es nicht (einige wenige Filme aus den Anfangsjahren ausgenommen). Die Kinder sind stattdessen Durchschnittskinder, die zwar nicht immer mit sehr viel Lust und guten Erfolgen, aber auf jeden Fall regelmäßig die Schule besuchen. Wenngleich auch in den meisten Filmen Kinder im Mittelpunkt der Handlung stehen, so wird deshalb nicht die Welt der Erwachsenen ignoriert oder bis zur Unkenntlichkeit verzeichnet. Es ist vielmehr selbstverständlich, daß viele Konflikte und Probleme der Kinder aus der Konfrontation mit der Erwachsenenwelt (Eltern, Lehrer etc.) und ihren Normen entstehen und daß diese Konfrontation zu jenen Grundlebenserfahrungen gehört, die keinem Kind erspart werden können. Um Schulalltag, schulische Leistungen und faires Verhalten beim Sport geht es in Josef Pinkavas *(41) erstem Spielfilm "Wem gebührt der Pokal? " (Komu patrrpokai, 1960). Im Mittelpunkt der Handlung steht die Freundschaft zwischen Peter und Tonda, die daran zerbricht, daß sich Peter - kurz vor einem Skiwettkampf der Schule - den noch geheimen Verlauf der Strecke einprägt, wobei ihn Tonda überrascht. Beim Slalom siegt Peter. Er fühlt sich nun so sicher, daß er für den Abfahrtslauf nicht mehr trainiert. Am zweiten Wettkampftag wird kurzfristig die Strecke geändert. Prompt verfährt sich Peter und stürzt, während Tonda als erster ins Ziel kommt. Aber Tonda wird nicht froh über den gewonnenen Pokal, da er - obwohl er wußte, daß Peter die falsche Strecke fahren würde - schwieg. *(41) Pinkava, der ausschließlich Filme für Kinder oder Jugendliche macht, ist es mit zu verdanken, daß das Studio in Gottwaldov in ein KinderfilmStudio umgewandelt wurde.

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Entwicklung der Filmproduktion

Einer der besten und wichtigsten tschechischen Kinderfilme war "Das Mädchen und der schwarze Hengst" (Tr&peni, 1961) von Karel Kachyffa, den dieser gemeinsam mit seinem ständigen Drehbuchautor Jan Prochäzka realisierte. Der Film nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als er den Versuch unternimmt, im Rahmen einer dem kindlichen Auffassungsvermögen, seinem Verstehen und seinen Gefühlen entsprechenden Geschichte zur psychologischen Durchdringung einer Situation zu gelangen. KachyKa zeigt nicht nur die Freundschaft zwischen einem Mädchen und einem Hengst, sondern gleichzeitig die psychisch-physische Problematik einer Zwölfjährigen. Lenka befindet sich in einer kritischen Entwicklungsphase, in der sie den Kontakt zu den Gleichaltrigen weitgehend verloren hat. Da sie aber auch noch nicht zu den Erwachsenen gehört, bedarf das Mädchen, das voller ungezügelter Vitalität und seelischer Impulsität ist, eines Objekts, auf das sie ihre Gefühle konzentrieren, für das sie sorgen kann. So beginnt sich das Mädchen mit dem Schicksal des wilden, mißverstandenen, mißhandelten und scheinbar überflüssigen Hengstes Primek zu identifizieren. Das wachsende Vertrauen des Pferdes bestätigt Lenka in der von ihr freiwillig und heimlich übernommenen Sorgepflicht und Verantwortung, aus der mehr spricht als eine nur emotionale Liebe zur leidenden Kreatur. Die nächtliche Flucht, die Lenka, aus Angst vor dem Verlust des Tieres, mit Primek unternimmt, ist der Höhepunkt des Films und zugleich Höhepunkt der Krise des Mädchens. Mit dieser Aktion löst sich Lenka von der Phase des Kindseins, indem sie sich und ihrer Umwelt beweist, daß sie fähig und willens ist, Verantwortung zu tragen. KachyKas Film ist gekennzeichnet durch sein großes Einfühlungsvermögen, seine Sensibilität, die ihm die Kraft verleiht, Gedanken und echte Gefühle in Bildern auszudrücken. Mit der Flucht verläßt der Film die aus möglichen Alltäglichkeiten gebildete Geschehnisebene, um die letzte Konsequenz einer nur emotional zu begründenden Reaktion auf höherem, d.h. poetisch-dramatischem Niveau auszuspielen. Eine Konsequenz übrigens, die durchaus noch im Bereich der kindlichen Phantasie liegt. Im selben Jahr wie Kachyifas Film entstand noch ein weiterer Film, der gleichfalls primär psychologisch angelegt war und sich mit dem Fehlverhalten eines pubertierenden Jungen befaßte. "Der Knabe und das Reh" (Chlapec a srna, 1962) von ZdenEk SirovV berichtet von der fast krankhaft-fanatischen, aber falschverstandenen Tierliebe eines Jungen. Pavel möchte alle Tiere, denen er bei seinen ausgedehnten Streifzügen durch den Wald, der für ihn so etwas wie ein zweites zu Hause darstellt, begegnet, besitzen und zähmen. Die Tiere, die er fangen kann, steckt er in Käfige und bringt sie auf den Dachboden eines Schuppens. Da Pavel aber ein Reh, das er täglich beobachtet, nicht besitzen und folglich auch nicht in Abhängigkeit von sich bringen kann, erschießt er

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es schließlich - angeregt von einer Treibjagd. In Tränen aufgelöst bricht der Junge über dem toten Tier zusammen. Erst nach dieser Tat aber löst sich Pavel von seinem besessenen Wollen. Wortlos läuft er zum Schuppen und schenkt den gefangenen Tieren ihre Freiheit wieder. Obwohl ein Debütfilm, gehört " D e r Knabe und das R e h " zu den reifsten und gekonntesten Werken, die in der C S S R für Kinder und Jugendliche entstanden. Der Film kommt mit ganz wenigen Dialogen aus und bemüht sich, die inneren Vorgänge, die sich in dem Jungen abspielen und auf dem Höhepunkt der Krise zum Erschießen des Rehs führen, ins Bild zu übertragen. Der Zuschauer kann sich der Atmosphäre des Films und der Wirkung seiner Bilder kaum entziehen. Sie zwingen ihn, alle Phasen der Krise des Jungen mitzuerleben und schließlich auch, sich intensiv mit dem Geschehen auseinanderzusetzen. Es gibt wenig Filme, die von gleicher oder zumindest ähnlicher gedanklicher Schärfe und künstlerischer Ausdruckskraft zeugen. Bedauerlich, wenngleich vielleicht auch typisch für die Situation des Kinderfilms ist, daß sich SirovV nach diesem Anfangserfolg wieder vom Kinderfilm abwandte, um nunmehr Spielfilme für Erwachsene zu drehen. A u c h Kachyna, der Regisseur von " D a s Mädchen und der schwarze Hengst", wandte sich nach seiner Studie *(42) über die Beziehung eines pubertierenden Mädchens zu einem halbgelähmten jungen Mann, dem sie zu neuem Lebensmut und Selbstvertrauen durch ihre heimlichen Besuche im Krankenhausgarten verhilft, wieder anderen Aufgaben zu.

3. Abenteuerliche und abenteuerlich-phantastische Stoffe

In dieser, zumindest quantitativ relativ umfangreichen Gruppe, die dem Bedürfnis der Kinder nach Abenteuern, nach spannender Unterhaltung und außergewöhnlichen Erlebnissen entgegenkommt, befinden sich eine Reihe von Filmen, die thematisch teilweise auch anderen Gruppen zugerechnet werden können. Die häufigsten thematischen Überschneidungen ergeben sich dabei mit der im vorangegangenen Kapitel behandelten Gruppe von Filmen. U m sich nun ein genaueres Bild machen zu können, werden die Filme zunächst in vier Untergruppen aufgeteilt: *(43) *(42) " D i e hohe M a u e r " ( V y s o k ä zed, 1964) *(43) Bei dieser Aufstellung nicht berücksichtigt werden jene Filme, die gleichzeitig auch der Gruppe " M o d e r n e M ä r c h e n " zugerechnet werden müssen.

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Entwicklung der Filmproduktion

a)

nicht alltägliche Ereignisse und Erlebnisse mit teilweise abenteurlichen Tendenzen (5 Filme und 1 Komödie für Kinder)

b)

abenteuerlich-phantastische Stoffe ( 2 Filme)

c)

poetische Darstellungen nicht alltäglicher Erlebnisse ( 2 Filme)

d)

in der Vergangenheit angesiedelte, außergewöhnliche Ereignisse und Erlebnisse ( 3 Filme)

Da es schwierig ist. Filme zu finden, die für alle vier Untergruppen als repräsentativ anzusehen sind, zumal die thematischen Unterschiede unverkennbar sind, werden die einzelnen Gruppen getrennt besprochen. In seinem Film "Hühner unterwegs" (Kuiata na cestäch, 1961) erzählt V&clav Vorllcek von einer Gruppe von sieben Dorfkindern, die auf dem Gelände einer Kolchose eine unbewirtschaftete und verwahrloste Hühnerfarm entdecken. Die Kinder beschließen, mit gekauften und gestohlenen Eiern eine eigene Hühnerzucht zu beginnen und den Brutkasten wieder in Betrieb zu setzen. Zahllose Schwierigkeiten sind zu überwinden, da den Kindern einerseits die notwendigen Erfahrungen fehlen und sie andererseits ihr Geheimnis wahren wollen. Trotz verschiedener Zwischenfälle schlüpfen nach einiger Zeit die ersten Küken aus. Damit aber entsteht ein neues Problem: Wohin mit den Küken? Schließlich greifen der Kolchos-Vorsitzende und der Lehrer ein. Die von den Kindern begonnene Aufzucht wird legalisiert und " i h r e " Farm offiziell in eine Pionierkükenfarm umgewandelt. Dieser amüsante Unterhaltungsfilm für Kinder hat nicht alltägliche Ereignisse zum Inhalt und verfährt bei deren Darstellung und der Lösung des Problems etwas großzügig, d.h. er paßt das Geschehen nicht unmittelbar realen Gegebenheiten an, sondern läßt sich eher von Wünschen und der Phantasie leiten. Er wird damit nicht unwahr, indem er bewußt die Realität verfälscht, sondern färbt diese lediglich optimistisch ein. Diese Mischung aus Realität und Phantasie ist durchaus legal, insbesondere dann, wenn sie gelungen ist.

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&SR

In der Kategorie des abenteuerlich-phantastischen Films werden nur zwei Titel angeführt. Es ist wohl kein Zufall, daß beide Filme von Karel Zeman stammen, der sich diesem Genre ganz verschrieben hat und im Laufe der Jahre seine Techniken immer mehr verfeinerte, ehe er mit "Die Erfindung des Verderbens" (Vynälez zkäzy, 1958) einen künstlerischen Höhepunkt erreichte, der zugleich auch der Höhepunkt seines Schaffens war. Bereits aber in "Reise in die Urwelt" (Cesta do praveku, 1955), einem abenteuerlich-phantastischen Film mit belehrendem Charakter, hatte Zeman die technischen und gestalterischen Möglichkeiten, die sich aus der Verbindung von verschiedenen Formen des Trickfilms und dem Realfilm ergeben, praktisch erprobt. Der Film berichtet von den Abenteuern, die vier Jungen auf ihrer Expedition in die Vergangenheit bestehen müssen. Die Reise führt von der Gegenwart durch die wichtigsten Zeitabschnitte der erdgeschichtlichen Entwicklung (populärwissenschaftliche Darstellung der Entwicklung von Fauna und Flora) bis hin zur Urzeit, d.h. bis hin zu den Anfängen der Entwicklung pflanzlichen und tierischen Lebens. Vor den Augen des Zuschauers blättert Zeman in einem bunten und phantastischen Bilderbuch, das im Laufe der Jahre zu einem der meistgespielten und populärsten Kinderfilm in der CSSR (und auch in anderen Ländern) wurde. "Die Erfindung des Verderbens" entstand nach Motiven aus den Romanen Jules Vernes und lehnt sich stilistisch an zeitgenössische Buchillustrationen an. Der Inhalt des Films ist nicht nur phantastisch und abenteuerlich, sondern in gewisser Weise auch doppelsinnig, wenngleich sich Zeman auch gegen jede politische Aktualisierung seines Stoffes verwahrt hat. Im Mittelpunkt der Handlung steht ein weltfremder, idealistischer Professor, der eine sensationelle Erfindung gemacht hat, die er zum Nutzen der Menschheit einsetzen will. Der Professor und sein Assistent aber werden von Piraten entführt. Erst in letzter Minute erkennt der Professor, daß seine Erfindung von einem skrupellosen und machtgierigen Mann zur Eroberung der Weltherrschaft mißbraucht werden soll. Um größeres Unheil zu verhindern, löst der Professor den Zündmechanismus der gewaltigen Bombe aus. Zemans Stärke ist sicherlich nicht die Integration der handelnden Personen in das Geschehen, zumal die Personen, ihre Entwicklung und ihr Verhalten stets nur eine untergeordnete Rolle spielen; beispielhaft und richtungsweisend allerdings sind seine Techniken, sein Spiel mit den technischen Möglichkeiten des Films und seine Kunst, die phantastischen Visionen Jules Vernes, die teilweise nur mehr von historischem Interesse sind, in eine ihnen adäquate filmische Sprache, d.h. in Bilder zu übersetzen.

136

Entwicklung der Filmproduktion

Eine Sonderstellung innerhalb der tschechoslowakischen Kinderfilmproduktion nehmen die beiden Filme "Das Abenteuer in der Goldbucht" (Dobrodrufstvi na Zlat6 zitoce, 1955) von Bfetislav Pojar und "Die weiße Taube" (Bfla holubice, 1960) von Frantisek Vläfcil ein. Beide Filme sind poetisch überhöhte oder lyrisch gestimmte Erzählungen, die sich, was insbesondere auf letztgenannten Film zutrifft, einer höchst artifiziellen Sprache bedienen. "Abenteuer in der Goldbucht" war einer der ersten tschechischen Kinderfilme, die auch im westlichen Ausland bekannt wurden und die Aufmerksamkeit der Fachöffentlichkeit auf die Kinderfilmproduktion dieses Landes lenkten. Bretislav Pojar, der sich insbesondere als Trickfilmregisseur hervortat, erzählt in diesem Film von der Freundschaft eines Waisenjungen, der in der ärmlichen Hütte seines Großvaters, eines Fährmanns aufwächst, zu einem Karpfen, dessen Leben von einem Hecht bedroht wird. Schließlich gelingt es dem Jungen, mit Hilfe des Großvaters und der Dorfkinder, die es zunächst ablehnten, ihn in ihre Gemeinschaft aufzunehmen, im Kampf mit dem Hecht siegreich zu bleiben. Noch stärker als Pojar tendiert Vläcil zur lyrisch gestimmten Filmnovelle. "Die weiße Taube" ist ein künstlerisches Experiment, eine eigenwillige formale und psychologische Studie, die nicht nur den (politischen) "Prager Frühling" einleiten half, sondern vor allem auch den schematischen Kunstdoktrinen des "sozialistischen Realismus" eine eindeutige Absage erteilte. Im gleichen Jahr wie "Die weiße Taube" wurde auch der Film von Stanislav Barabäs, "Das Lied von der grauen Taube" (Pieseft ο sivom holubovi, 1960), fertiggestellt, der gleichfalls als lyrisch gestimmte Filmnovelle bezeichnet werden kann. Barabä? beschreibt die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges und berichtet von Heldentum und stiller Größe. Bindeglied der episodenhaft aneinandergereihten Schicksale und Ereignisse, die die letzten Kriegsmonate und den Einzug der Roten Armee in die Slowakei umfassen, ist ein kleiner Junge mit seiner verletzten grauen Taube. Beide überleben die Gefahren, Wirrnisse und Entbehrungen des letzten Krieges. Aus Freude darüber, daß seine verletzte Taube endlich wieder fliegen kann, läuft der Junge versehentlich in ein Minenfeld und wird von detonierenden Minen zerrissen. Dieser erschütternde Schluß, der kompromißlos die Sinnlosigkeit des Krieges und seiner Folgen anprangert, steht im krassen Gegensatz zu dem optimistisch-idealistischen Handlungsverlauf des ersten Kinderfilms von Karel KchyKa ("Der jüngste Soldat" / Pfeife, 1960).

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6SSR

4. Abenteuerliche Stoffe mit kriminalistischer Tendenz

Erwartungsgemäß spielt diese Kategorie von Filmen in der Kinderfilmproduktion der & S R kaum eine Rolle. Der erzieherische und gesellschaftliche Auftrag, den die Filmproduktion der sozialistischen Länder allgemein hat, ist mit der Darstellung oder gar Verherrlichung von strafbaren Handlungen oder Verbrechen gleich welcher Art unvereinbar. Selbst kleine Vergehen wie Diebstahl oder Betrug tauchen in den Filmen nur höchst selten auf. Verallgemeinernd läßt sich feststellen und an Beispielen belegen, daß strafbare Handlungen nur dann gezeigt werden, wenn sie von Staatsfeinden (ausländischen Agenten, Schmugglern, Kapitalisten), subversiven Elementen und Gegnern der bestehenden Gesellschaftsordnung begangen werden. Diese Linie zeichnete sich bereits in " A u f richtiger S p u r " (Na dobrfe stopfe, 1948) ab, wo von Kindern, die in einem grenznahen Zeltlager ihre Ferien verbringen, einer Schmugglerbande das Handwerk gelegt wird, und wurde dann in " D a s Ende des S p u k s " (Konec straSidel, 1952) bestätigt. In diesem Film gelingt es einem Jungen, den ehemaligen Besitzer einer Fabrik, der illegal wieder ins Land kam, um sich von einem seiner früheren Angestellten geheime Pläne beschaffen zu lassen, eines versuchten Verbrechens zu überführen. Rechnet man noch den um das Jahr 1931 spielenden Film " D a s grüne Büchlein" (Zelenä kni?ka, 1948) und die beiden abenteuerlich-kriminalistischen Komödien, "Treff Drei" (Krlzova trojka, 1948) und " D i e singende Puderdose" (Zpivajici pudrenka, 1959), hinzu, so entstanden in der C S S R zwischen 1948 und 1965 nur 5 Kinderfilme mit eindeutig kriminalistischer Tendenz, die zumindest in drei Fällen auch noch politisch motiviert war. In den wenigen anderen Filmen, in denen es um Diebstahl, Betrug u.ä.ging, werden die Verfehlungen einzelner in der Regel mit mangelhaftem Gemeinschaftssinn, d.h. mit fehlender oder unzureichender Integration in die Gruppe, das Kollektiv begründet. Als Beispiel hierfür können folgende Filme angeführt werden: " D e r Fall Lupinek" (Pripad Luprnek, 1960), der in anderem Zusammenhang bereits erwähnte " W e m gebührt der Pokal? " und " O K 12 startet" ( O K 12 startuje, 1961), dessen Regisseur ebenfalls Josef Pinkava war. Im erstgenannten Film geht es um einen verschwundenen Koffer mit Marionetten, der einer Pioniergruppe gehört. Ein stets abseits stehender Junge hilft als Detektiv den Pionieren. Die Spur führt allerdings nicht zu einem vermeintlichen Dieb, sondern zu einem Lehrling, der den Koffer fand. Die Pioniere nehmen die beiden Außenstehenden, den Detektiv und den Lehrling, in ihre Gruppe auf. Auch in " O K 12 startet" geht es um das Verhältnis

138

Entwicklung der Filmproduktion

Außenseiter - Kollektiv. Etwa zehnjährige Zwillinge, die vorübergehend bei ihrem Onkel leben, weigern sich, in die Flugmodellbaugruppe ihrer Klasse aufgenommen zu werden. Als ihr Versuch, die Gruppe zu übertrumpfen scheitert, stehlen sie ein sich verirrt habendes Flugmodell, um es zu kopieren. Aber auch dieser Versuch mißlingt, so daß die Jungen schließlich einsehen, daß ihnen die Aufnahme in die Gruppe nur Vorteile bringt. Gemeinsam ist diesen Filmen die ideologische Ausgangsbasis, die sich in der erzieherischen Absicht niederschlägt, den Zuschauer einerseits davon zu überzeugen, daß die Arbeit in und mit der Gruppe nicht nur leichter, sondern auch erfolgversprechender ist und daß andererseits Verstöße gegen die Interessen der Gruppe (die häufig als Synonym für Gesellschaft steht), gegen ihre Normen, nicht nur moralisch verwerflich sind, sondern darüber hinaus dem einzelnen - abgesehen von Augenblickserfolgen - auch keine Vorteile verschaffen, zumal sie zwangsläufig zum Ausschluß aus der Gruppe und in die Isolation des Individuums führen. Diese Grundtendenz, d.h. Verhältnis zwischen Individuum und Kollektiv sowie kollektive Erlebnisse (Fahrten und Abenteuer von Pioniergruppen), spielt selbstverständlich vor allem auch in den Filmen (die zahlenmäßig allerdings kaum ins Gewicht fallen), eine wichtige Rolle, die speziell von den Erlebnissen junger Pioniere und Pioniergruppen berichten. 5.

Zusammenfassung

Die zahlenmäßige Übersicht über die an der Herstellung der tschechosslowakischen Kinderspielfilme beteiligten Regisseure und Drehbuchautoren ergibt ein ähnliches Bild wie in anderen Ländern: 42 Regisseure waren an der Herstellung von 68 Kinderspielfilmen (zwischen 1948 und 1965) beteiligt; 28 Regisseure (= 66,7 %) schufen einen Film 14 Regisseure (= 33,3 %) schufen mehr als einen Film und zwar: 8 19,0 %) schufen 2 Filme Regisseure 1 3 Filme Regisseur (= 2,4 %) schuf 3 Regisseure (= 7,0 %) schufen 4 Filme 1 Regisseur (= 2,4 %) schuf 5 Filme 1 Regisseur (= 2,4 %) schuf 8 Filme

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ESSR

Bei den Drehbuchautoren ergeben sich nicht zuletzt auch deshalb andere Zahlenergebnisse, weil nicht selten mehrere Autoren und der Regisseur selbst an der Abfassung eines Drehbuchs beteiligt sind. Summarisch betrachtet ergibt sich folgendes Bild: 78 68

Drehbuchautoren waren an der Herstellung von Kinderspielfilmen beteiligt;

55 23

Autoren (= 70,5 %) verfaßten das Buch zu einem Film Autoren (= 29,5 %) verfaßten das Buch zu mehreren Filmen und zwar:

14 6 2 1

Autoren Autoren Autoren Autor

(= 17,9 %) verfaßten das Buch zu 2 (= 7,7 %) verfaßten das Buch zu 3 (= 2,5%) verfaßten das Buch zu 4 (= 1,3%) verfaßte das Buch zu 12

Filmen Filmen Filmen Filmen

Zu den meistbeschäftigten Regisseuren im Bereich des Kinderfilms zählen Josef Pinkava, Josef Mach, Jaromlr Pleskot (je 4 Filme) sowie Jan ValäSek ( 5 Filme) und Milan Vosmik ( 8 Filme). Bei den Drehbuchautoren sind es Josef Pinkava und Jaromlr Pleskot (je 4 Filme, d.h. beide haben an der Ausarbeitung der Drehbücher aller ihrer Filme mitgewirkt) sowie Ota Hofman, der insgesamt an 12 Drehbüchern (d.h. an 17,6 % aller Kinderfilme) mitwirkte bzw. sie verfaßte. Aus der Aufstellung ist zu entnehmen, daß der überwiegende Teil der Regisseure (66,7 %) und der Drehbuchautoren ( 70,5 %) den Kinderfilm nicht eigentlich als eine Aufgabe, deren Bewältigung spezielle Erfahrungen, Interessen und Können voraussetzt, betrachtet, sondern bestenfalls als Experimentierfeld, Ausweichmöglichkeit oder Zufallserscheinung. Nur so läßt sich die Tatsache interpretieren, sieht man von bereits in anderem Zusammenhang erwähnten organisatorischen, produktions-technischen und auch finanziellen Fragen, Schwierigkeiten und Benachteiligungen einmal ab, daß 78,4 % der Regisseure und 85,7 % der Drehbuchautoren nach maximal 2 Kinderfilmen, an deren Herstellung sie beteiligt waren, diesem Filmgenre wieder und in der Regel dann auch endgültig den Rücken kehrten, um sich anderen Bereichen des Spielfilms zuzuwenden, die ihnen größeren materiellen Gewinn, mehr Publicity und Anerkennung versprachen, was gleichbedeutend ist mit größeren Einflußmöglichkeiten durch scheinbar nachhaltigere Wirkungen. Bedauerlich an dieser Entwicklung ist vor allem, was in ähnlicher Form auch charakteristisch für das Kinderfilmschaffen in der

140

Entwicklung der Filmproduktion

DDR ist, daß die Kinderfilmproduktion insbesondere immer wieder die Regisseure und Autoren verlor, deren Leistungen überdurchschnittlich oder sogar richtungsweisend waren. Erhalten bleiben ihr, was gleichfalls der Aufstellung zu entnehmen ist, in erster Linie nur mehr oder weniger durchschnittliche Autoren und Regisseure (z.B. Mach, Pleskot, Valösek und Ota Hofman, dessen Leistungen allerdings sehr unterschiedlich waren, womit nicht seine Verdienste um die Förderung des Kinderfilms überhaupt geschmälert werden sollen). Die vorausgegangene Darstellung und Analyse hat gezeigt, daß der tschechoslowakischen Spielfilmproduktion für Kinder nicht nur einige herausragende und beispielhaft wirkende Werke zu verdanken sind, sondern, daß sie auch eine überraschende Vielfalt an Themen und Stoffen aufzuweisen hat. Der tschechoslowakische Kinderfilm ist, von der Qualität der Einzelwerke einmal abgesehen, thematisch nicht einseitig festgelegt, wenngleich er sich mit besonderer Sorgfalt und Intensität auch stets darum bemüht hat, Themen und Stoffe zu behandeln, die der unmittelbaren Erfahrung und dem Erlebnisbereich von Kindern entnommen und auf ihr Verständnis abgestellt waren. Daraus ergibt sich eine Vorrangstellung jener Filme, die es sich zur Aufgabe machten, alltägliche Ereignisse und Erlebnisse in den Vordergrund der Handlung zu stellen, d.h.weitgehend realitätsgebundene oder an den gesellschaftlichen Realitäten orientierte Geschichten zu erzählen. Trotz aller Vorteile und Qualitäten, die dem tschechoslowakischen Kinderfilm nachgesagt und im Verlauf dieser Untersuchung teilweise auch bestätigt werden konnten, sollte das abschließende Zitat nicht nur als eine Art Resümee und als Kritik, sondern auch als Herausforderung angesehen werden. ". . . Bei dem Bemühen, den Kinderfilm zur Geltung zu bringen, versäumen wir es oft, die Notwendigkeit seiner Differenzierung und des Suchens nach verschiedenen Gestaltungsformen zu betonen, die der sich ständig ändernden gesellschaftlichen Realität Ausdruck zu geben vermögen und selbst eine Erscheinungsform der Realität sind. Im Film für Erwachsene sind wir Zeuge neuer Entwicklungen, des Heranwachsens junger Autoren, die für ihre Werke neue Erlebnisse und Erkenntnisse suchen und finden und sie dem Zuschauer durch eine neue Filmsprache und -technik erlebbar machen. Der Kinderfilm wird immer noch als etwas in gegebenen Prototypen Einheitliches, als in sich geschlossenes Genre betrachtet. Diese Einstellung ließe sich nur von rein utilitaristischen Gesichtspunkten aus vertreten. Aber gerade solche Gesichtspunkte haben den Kinderfilm in stille Wasser gedrängt, die von den neuen Strömungen nicht erreicht wurden, aber für die Entwicklung in der Kunst unentbehrlich sind. Heute sehen wir den Kinderfilm im Zusammenhang mit der gesamten Kinematographie

141

£SSR

und in den Händen eines Künstlers hat seine Spezifik - die kindliche Weltsicht und -auffassung - keinen einschränkenden, sondern inspirierenden Charakter, die ihn zu neuen ästhetischen Qualitäten führen kann." *(44)

*(44)

142

Marie Benesova, a.a.O., S. 73/74

Entwicklung der Filmproduktion

I.

Entwicklung der DEFA

1.

Wiederaufbau nach dem Zusammenbruch

Unmittelbar nach dem Zusammenbruch des III. Reiches und nach Errichtung ihrer Besatzungszonen, deren Verwaltung unter militärischer Aufsicht stand, erließen die Siegermächte Gesetze und Verordnungen über die Regelung des gesamten Filmwesens innerhalb ihrer Besatzungszonen. Da die Siegermächte nicht nur die Besatzungshoheit,sondern auch gleichzeitig die deutsche Staatshoheit (entsprechend der sog. Berliner Erklärung vom 5.6.1945) ausübten, übernahmen sie eine lückenlose Kontrolle über alle Bereiche der Filmwirtschaft (Produktion, Vertrieb, Vorführung). Ziel dieser Kontrolle war es nicht nur, alle Filme mit nationalistischer Tendenz zu verbieten und ggf. zu vernichten; vielmehr lag es in der Absicht der Siegermächte, mit Hilfe der Massenmedien (Presse, Rundfunk, Film) das deutsche Volk über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzuklären und es im Sinne einer ideologischen Umerziehung zu beeinflussen. Auf diese Weise sollten die Deutschen in die Lage versetzt werden, ihre eigenen Fehler und Irrtümer einzusehen und die Überlegenheit einer demokratischen Staatsform anerkennen zu können. Unter demokratischer Staatsform verstanden die Siegermächte das politische System, das in ihrem eigenen Land etabliert war. Im Gegensatz zu den westlichen Alliierten, die sich bei ihren Reeducations-Bemühungen zunächst vor allem der Presse bedienten, legte die sowjetische Militärregierung von Anfang an besonderes Gewicht auf den Wiederaufbau bzw. die Wiedereröffnung von Filmtheatern sowie die Einrichtung behelfsmäßiger Studios, in denen sowjetische Filme synchronisiert werden konnten. Wie seinerzeit (1922) der Ausspruch Lenins ("Der Film ist für uns die wichtigste aller Künste. . . " ) und der von Stalin 1924 auf dem X I I I . Parteikongreß der KPdSU geprägte berühmte Satz ("Der Film ist das stärkste Agitationsmittel für die Massen. Unsere Aufgabe besteht darin, es wirksam in die Hände zu nehmen. . . " ) den Aufschwung des sowjetischen Films ermöglicht hatten, so ging mit Sicherheit auch die sowjetische Militärregierung in ihrem Besatzungsbereich von ähnlichen Überlegungen aus. Die Vorbereitung für die Schaffung einer neuen Filmindustrie begannen mit offizieller Genehmigung der SMA (Sowjetische Militäradministration) bereits 1945. Die Federführung für diese Aktivitäten wurde der Abteilung Kultur bei der Zentralverwaltung für Volksbildung übertragen. Am 17.Nov. 1945 fand in

143

Deutsche Demokratische Republik

Berlin eine Tagung statt, bei der ein aus sechs Personen bestehendes Filmaktiv gebildet wurde. Um diesen Kreis versammelten sich in den folgenden Wochen und Monaten eine Reihe von Filmschaffenden aller Sparten. Das Filmaktiv selbst trieb den Wiederaufbau systematisch voran.

2.

Deutsche Film-AG

Am 17. Mai 1945 erhielt die inzwischen mit der Rechtsform einer GmbH gegründete Deutsche Film-AG (DEFA) die sowjetische Lizenz. (Im Gegensatz zu den westlichen Alliierten, die Monopolstellungen in jeder Form verhindern wollten, erteilte die SMA nur eine einzige Lizenz.) Die Lizenzträger der GmbH wurden von der Militäradministration direkt bestimmt. Gleichzeitig stellte die SMA der DEFA die beschlagnahmten Althoff-Ateliers in Babelsberg und das Gelände der früheren Tobis in Johannisthal zur Verfügung. Hingegen blieb das ehemalige Ufa-Filmgelände in Babelsberg bis auf weiteres für Deutsche gesperrt. Bei der feierlichen Übergabe der Lizenzurkunde sagte der Vertreter der SMA, Oberst S. Tulpanow, u.a.: " . . . Die Filmgesellschaft DEFA hat wichtige Aufgaben zu lösen. Die größte von ihnen ist der Kampf für den demokratischen Aufbau Deutschlands, das Ringen um die Erziehung des deutschen Volkes, insbesondere der Jugend, im Sinne der echten Demokratie und Humanität, um damit Achtung zu wecken für andere Völker und Länder. Der Film als Massenkunst muß eine scharfe und mächtige Waffe gegen die Reaktion und für die in der Tiefe wachsende Demokratie, gegen den Krieg und den Militarismus und für Frieden und Freundschaft aller Völker in der ganzen Welt werden." *( 1) Die DEFA war der Zentralverwaltung für Volksbildung unterstellt. Unabhängig davon unterlag sie aber einem Kontrollsystem, das aus verschiedenen Zensurinstanzen bestand. Die Militäradministration (SMA) beaufsichtigte die Produktion von der Planung eines Films bis zu seiner endgültigen Abnahme. Jeder fertiggestellte Film wurde vor seiner Freigabe einer Kommission vorgeführt, die sich aus Vertretern der SMA und der SED zusammensetzte. Jede Kontrollinstanz konnte Schnitt- bzw. Abänderungsauflagen (Nachdrehen, Änderung der Dialoge oder Kommentare u.a.) verfügen. Ob ein Film aber nicht nur freigegeben, sondern auch öffentlich vorgeführt wurde, darüber entschied in letzter Instanz der einzige vorhandene sowjetische Filmverleih, Sovexport, der zumindest in den ersten Jahren die Produktion finanziell überhaupt erst ermöglichte. (Ein deutscher Filmverleih, der DEFA-Filmvertrieb und spätere Progress-Film-Vertrieb, wurde erst 1948 geschaffen.) *(1)

144

Zitiert nach Heinz Kersten, Das Filmwesen in der Sowjetischen Besatzungszone, Bonn/Berlin 1963, S. 8 / 9

Entwicklung der Filmproduktion

Die besonders schwierige Situation der DEFA sowie das Vorhandensein einander widerstrebender Richtungen in ihrem Inneren führten bereits 1947 zu einer Reorganisation. Am 4.11.1947 wurde die DEFA GmbH in eine Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG = Sowjetische Staatskonzerne, in die die beschlagnahmten deutschen Industriewerke eingebracht werden mußten) umgewandelt. 55 % des Aktienkapitals der neuen Firma blieben in sowjetischen Händen. Die restlichen 45 % wurden einer Holding-Gesellschaft der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) übertragen. Im Vorstand der SAG saßen drei Vertreter der Militäradministration und zwei Vertreter der SED. Diese Ende des Jahres 1947 begonnene zweite Phase des Aufbaues der DEFA war von ständigen und folglich fast unübersehbaren personellen Änderungen in den Führungsgremien gekennzeichnet. Die Produktion von Filmen kam, da Rohfilm Mangelware war und technische Ausrüstung und Atelierraum fehlten, nur langsam in Gang. So entstanden 1946 = 3 1947 = 4 1948 = 8 abendfüllende Filme. Obwohl die DEFA in diesen Jahren mit Filmen wie "Ehe im Schatten" (1947), "Affaire Blum" (1948) und "Rotation" (1949) einige auch künstlerisch beachtliche Erfolge erzielte, darf angenommen werden, daß die erzielten Einspielergebnisse nicht den von den Hauptaktionären erhofften Gewinn einbrachten. Der Absatzmarkt für die Filme war beschränkt, da nur ein Teil der Filme und zudem mitunter mit zeitlicher Verzögerung auch in den westlichen Besatzungszonen lief. Nicht zuletzt aufgrund dieser finanziellen Gegebenheiten wurden zwischen 1950 und 1952 die sowjetischen Anteile an der DEFA der Sowjetzonenregierung übergeben. Gleichzeitig wurden die damit wieder in deutschen Besitz übergegangenen Filmproduktionsstätten in volkseigene Betriebe (VEB) umgewandelt.

3.

DEFA auf neuen Wegen

Nach der Errichtung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 7.10.1949 bemühte sich die SED durch verschiedene Maßnahmen, die alleinige Kontrolle über die DEFA zu gewinnen. Als im Dezember 1950 der "Künstlerische Beirat" der DEFA und die unmittelbar der Sozialistischen Einheitspartei

145

Deutsche Demokratische Republik

unterstellte " D E F A - K o m m i s s i o n " ins Leben gerufen wurden, war bereits der entscheidende Schritt in dieser Richtung getan. Auf dem III. Parteitag der S E D , der im Juli 1950 stattgefunden hatte, war erstmals in Form einer Partei resolution zur Arbeit der D E F A Stellung genommen worden. Sepp Schwab, der Direktor der D E F A , schrieb dazu:".... Es war das erste Mal, daß in einer Parteiresolution kritisch zur Filmarbeit in unserer Republik Stellung genommen und den Filmschaffenden konkrete Aufgaben übermittelt wurden. Wir wurden mit allem Ernst darauf hingewiesen, daß das Volk von uns mehr Filme fordert und vor allem mehr zeitnahe Filme. .. sehen will, daß die Gestaltung der Menschen und ihrer Verhältnisse in unseren Filmen noch große Mängel aufweist und die Verbindung zwischen den Filmschaffenden und den Schriftstellern ungenügend sei. Es war eine Aufforderung an die Filmschaffenden, sich selbstkritisch mit der bisher geleisteten Arbeit auseinanderzusetzen und die Ursachen der Mängel und Schwächen aufzufinden, um sie beseitigen zu können. In ernsten und größeren Beratungen hat der Vorstand der D E F A eine selbstkritische Überprüfung vorgenommen." *(2) Der neugeschaffenen " D E F A - K o m m i s s i o n " oblag die Genehmigung der Drehbücher und die Abnahme der fertigen Filme. Das strenge und schwerfällige Kontrollsystem bewährte sich aber offensichtlich nicht, da es sich nicht produktionsfördernd, sondern eher -hemmend auswirkte. Abendfüllende Spielfilme:

1946 = 3 1947 = 4 1948 = 8 1949 = 11 1950 = 10 1951 =

8

1952 =

6

Der Optimismus, der - trotz aller Einschränkungen - mit der aus Anlaß des S.Jahrestages der DEFA-Gründung erschienenen und bereits vom Titel her programmatisch angelegten Schrift ( " A u f neuen Wegen - 5 Jahre fortschrittlicher deutscher Film") verbreitet werden sollte, war also nicht ganz angebracht. Wie wenig gerechtfertigt er tatsächlich war, wurde im vollen Umfang allerdings erst nach Abschluß der I I.Parteikonferenz der S E D (Juli 1952) deutlich. Noch im gleichen Monat veröffentlichte das Politbüro des Z K der S E D eine Resolution, die die Überschrift "Für den Auf*(2)

Zitiert nach: Auf neuen Wegen - 5 Jahre fortschrittlicher deutscher Film, Berlin 1951, S. 14

146

Entwicklung der Filmproduktion

schwung der fortschrittlichen deutschen Filmkunst" trug. In dieser Resolution wurde den Produktionen der DEFA - insbesondere den Spielfilmen - vorgeworfen, daß "unsere Errungenschaften auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet nicht genügend zum Ausdruck kommen."*(3) Die Hauptschuld am Versagen der Filme wurde der Leitung der DEFA und ihrer Organisationsform gegeben. Ferner hieß es in der Resolution des ZK der SED:"Zum Zwecke der Leitung und Förderung des fortschrittlichen deutschen Filmschaffens wird beim Ministerrat der DDR ein 'Staatliches Komitee für Filmfragen' geschaffen. Dem Komitee obliegt die stattliche Anleitung und Förderung für die Filmproduktion, des Filmvertriebs und -Verleihs im In- und Ausland, die Aufsicht über die Verwaltung der Lichtspielhäuser in der DDR, Filmlizenz und Filmgesetzgebung... Die Arbeit der DEFA ist so zu organisieren, daß sie sich ausschließlich den Aufgaben der Filmproduktion widmet. Die DEFA gliedert sich in vier Produktionsgruppen: 1)

Spielfilm

2)

Wochenschau- und Dokumentarfilm

3)

Populär-wissenschaftlicher Film

4)

Kinderfilm

. . . Eine entscheidende Verbesserung muß die Arbeit des 'Künstlerischen Rats' erfahren, zu dessen Aufgaben in Zukunft die Vorbereitung der Produktionspläne, die Prüfung der Drehbücher, die Konsultation der Filmschaffenden gehören in Fragen der Regie, Darstellung, Besetzung und Auswahl des künstlerischen Kollektivs. Es sind spezielle Künstlerische Räte für die Produktion der Dokumentär-, populärwissenschaftlichen und Kinderfilme zu bilden... Eine entscheidende Verstärkung muß die Arbeit der 'Parteiorganisation der DEFA' erfahren. Sie muß sich für das Niveau der künstlerischen Qualität und die Erfüllung der Produktion sowie die Entwicklung der Kader verantwortlich fühlen. Sie muß dem DEFA-Vorstand und dem Künstlerischen Rat in Fragen der politisch-künstlerischen Erziehung der Filmschaffenden größere Unterstützung erweisen als bisher." *(4) 4.

Konferenz der Filmschaffenden (1952)

Neben den erwähnten, die abermalige Reorganisation der DEFA betreffenden Forderungen stellte das Politbüro des ZK der SED der Filmproduktion und damit allen *(3) *(4)

Neues Deutschland Ebda.

(ND) vom 27. 7. 1952

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Deutsche Demokratische Republik

Filmschaffenden konkrete Aufgaben, die auf der für den 17. und 18. Sept. 1952 vom Z K der S E D einberufenen "Konferenz der Filmschaffenden" wiederholt und diskutiert wurden. Diese Aufgaben wurden in der Resolution wie folgt beschrieben:"Der Aufbau der Grundlagen des Sozialismus in der D D R , der Basis im Kampf für ein einheitliches, demokratisches, friedliebendes und unabhängiges Deutschland, macht die Erhöhung des kulturellen Niveaus unseres Volkes erforderlich. Es kommt darauf an, das sozialistische Bewußtsein der Werktätigen zu entwickeln, die Bevölkerung tief mit der Idee der Verteidigung des Friedens, des Kampfes für einen Friedensvertrag mit Deutschland, der erhöhten Wachsamkeit gegen Agenten, Spione und Saboteure, der Verteidigung unserer Heimat und des Hasses gegen die imperialistischen Brandstifter, Militaristen und Vaterlandsverräter zu erfüllen und zur Entfaltung all ihrer Fähigkeiten zum Aufbau des Sozialismus und zur erfolgreichen Durchführung unseres Fünfjahresplanes zu erziehen. Dabei kommt dem fortschrittlichen deutschen Film die größte Bedeutung zu." *(5) Für die weitere Entwicklung der D E F A war der Inhalt und die Tendenz der Resolution des Politbüros von wegweisender und fundamentaler Bedeutung. Folglich muß aus der Tatsache, daß die "Konferenz der Filmschaffenden" von der S E D einberufen wurde und an ihr führende Vertreter des Staatsapparates teilnahmen, der Wille der Partei entnommen werden, den Film nunmehr endgültig der parteipolitischen Linie der S E D unterzuordnen und in ihm ein hervorragendes und wirkungsvolles Instrument der Propaganda, Agitation, Beeinflussung und Erziehung zu sehen. Die Kritik der S E D an der D E F A wurde bei der "Konferenz der Filmschaffenden" von dem ZK-Mitglied Hermann Axen in seinem Grundsatzreferat vertieft und erweitert. Axen führte u.a. aus:"Das Politbüro des Z K der S E D ist der Meinung, daß die Hauptursache für das Zurückbleiben des fortschrittlichen Filmschaffens hinter den Ansprüchen der Massen und den Aufgaben des Volkes vor allem auf ideologische Unklarheiten zurückzuführen ist. Die ernsten ideologisch-politischen und künstlerischen Fehler in DEFA-Filmen, alle organisatorischen und methodischen Unzulänglichkeiten sind auf das mangelnde Studium und die ungenügende Anwendung der Methoden des sozialistischen Realismus in unserem Filmschaffen im allgemeinen, auf die völlig unsystematische und oberflächliche Berücksichtigung der Erfahrungen der sowjetischen Filmkunst im besonderen zurückzuführen. .. Im Gegensatz zum Naturalismus, der nur das Negative, die Fäulnis der bürgerlichen Gesellschaft zeigt, aber durch seine Ausweglosigkeit faktisch die Unterwerfung unter die Herrschaft des Kapitalismus propagiert, richtet der sozialistische Realismus sein Hauptaugenmerk auf das Neue, das Wachsende, auf die positiven Erscheinungen des Lebens; *(5)

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Neues Deutschland vom 27.7. 1952

Entwicklung der Filmproduktion

positiv im Sinne des Kampfes um Frieden, Einheit, Demokratie, nationale Unabhängigkeit und Sozialismus. Indem er das Neue, Wachsende, Positive in den Mittelpunkt der künstlerischen Darstellung rückt, wird der sozialistische Realismus zum Träger und Verkünder der höchsten Ideen, besitzen die Kunstwerke des sozialistischen Realismus den höchsten Ideengehalt." *(6) Mit der eindeutigen Fixierung des Filmschaffens auf den sozialistischen Realismus sagte Axen gleichzeitig dem kritischen Realismus, der der DEFA einige künstlerisch und international anerkannte Erfolge eingebracht hatte, den Kampf an, zumal er - seiner Meinung nach - vom "Streben, allerdings vom unklaren, weil unwissenschaftlichen Streben, nach sozialer Gerechtigkeit" erfüllt sei. "Die großen Schriftsteller und Künstler des kritischen Realismus glauben an die Gerechtigkeit, aber sie vermögen diesen Glauben nicht wissenschaftlich zu begründen und zu untermauern; sie begreifen nicht die geschichtliche Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Vorhut, der Partei, sie kennen nicht den Aufbau der neuen gerechten Ordnung, der sozialistischen Ordnung. Der sozialistische Realismus dagegen bleibt nicht nur auf halbem Wege bei der sozialen Entlarvung stehen, er vermag weiterzuschreiten und die entscheidende Aussage politisch richtig und positiv zu tun: nämlich den Ausweg im Kampf um Frieden und Freiheit zu zeigen." *(7) Bereits vor der Einberufung der "Konferenz der Filmschaffenden" hatte der Ministerrat die Gründung eines "Staatlichen Komitees für Filmfragen" beschlossen. Dieses Komitee sollte im Bereich der Produktion, des Verleihs, der Werbung und der Filmvorführung (Filmtheater) die Funktionen einer Kontrollinstanz übernehmen. Die Aufgaben und Befugnisse dieses staatlichen Komitees waren so weit gefaßt, daß fortan das gesamte Filmwesen - von der Idee über das Drehbuch bis hin zum fertigen Film und seiner öffentlichen Vorführung - seiner Aufsicht unterstellt und von seiner Genehmigung abhängig war. Aber auch dieser Verfügung des Ministerrats war nur eine relativ kurze Lebensdauer beschieden, zumal das Komitee bereits Anfang des Jahres 1954 wieder aufgelöst wurde. An seine Stelle trat die Hauptverwaltung Film, die den Status einer Unterabteilung des Ministeriums für Kultur erhielt.

5.

Bildung volkseigener Filmproduktionsbetriebe

Die allgemeine Situation der DEFA, ihre Entwicklung zwischen 1949 und 1952 sowie die innenpolitischen Ereignisse des Jahres 1953 veranlaßten den damaligen 1. Sekretär des ZK der SED, Walter Ulbricht, sich auf der 16. Tagung des ZK *(6) *(7)

Hermann Axen, Für den Aufschwung der fortschrittlichen deutschen Filmkunst, in: Neues Deutschland vom 18. 9. 1952 Ebda.

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Deutsche Demokratische Republik

der S E D (am 17. 9. 1953) mit den spezifischen Aufgaben der D E F A und damit des Films schlechthin zu befassen:" Die Bevölkerung, besonders die Bevölkerung auf dem Lande, fordert mehr Filme und interessante Filme, Filme, die nicht nur über Arbeit handeln, sondern auch über Liebe. Im Zusammenhang mit der Durchführung des neuen Kurses wurden auch die Produktionspläne der D E F A umgestellt. Es genügt nicht, den Aufbau neuer Fabriken und Werke zu zeigen. Es ist notwendig, die Entwicklung und Beziehungen der Menschen bei der Durchführung des großen Aufbauwerkes darzustellen, die Arbeiterklasse, das arbeitende Volk als Schöpfer zu zeigen. Das erfordert vor allem eine engere Zusammenarbeit der Filmstudios mit dem Schriftstellerverband. Es ist zu begrüßen, daß bereits Besprechungen über das Thema der Filmkomödie stattgefunden haben. Es ist notwendig, mit Hilfe des Spielfilms und des Kinderfilms das Unterhaltungsbedürfnis der Menschen zu befriedigen und dabei gleichzeitig ihren Geschmack zu erziehen. Die Bevölkerung erwartet mehr satirische Kurzfilme. V o n großer Bedeutung für die Schaffung der Grundlagen des Sozialismus in der D D R sind die populärwissenschaftlichen Filme und die Lehrfilme. Das Studio für populärwissenschaftliche Filme muß seine Arbeit verbessern und unter Anwendung der sowjetischen Erfahrungen zu einer systematischen Arbeit übergehen." *(8) Bereits ein halbes Jahr vor der Tagung des Z K der S E D war im Gesetzblatt der D D R (Nr. 52/1953, S. 574) eine Verordnung (vom 16.4.1953) über die "Bildungvolkseigener Filmproduktionsbetriebe" veröffentlicht worden. *(9) Darin hieß es u.a.: 1. " M i t Wirkung vom 1. 1. 1953 werden folgende volkseigene Betriebe errichtet: a) Das DEFA-Studio für Spielfilme, mit dem Sitz in Potsdam-Babelsberg; b) das DEFA-Studio für Kinderfilme, mit dem Sitz in Potsdam- Babelsberg; c) das DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme, mit dem Sitz in Potsdam-Babelsberg; d) das DEFA-Studio für Wochenschau- und Dokumentarfilme, mit dem Sitz in Berlin; *(8) *(9)

150

Zitiert nach Heinz Kersten, a.a.O., S. 22 Vgl. Gesetzblatt der D D R , Nr. 52/1953, S. 574

Entwicklung der Filmproduktion

e) das DEFA-Studio für Synchronisation, mit dem Sitz in BerlinJohannisthal; f) die DEFA-Kopierwerke, mit dem Sitz in Berlin-Köpenick; g) die DEFA-Filmübernahme- und Außenhandelsbetriebe, mit dem Sitz in Berlin 2. Die Betriebe unterstehen unmittelbar dem Staatlichen Komitee für Filmwesen. §

2

1. Die volkseigenen Betriebe haben nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung im Rahmen ihrer Betriebspläne, die nach den Bestimmungen für die volkseigene Wirtschaft auf der Grundlage des Volkswirtschaftsplanes aufgestellt werden, zu arbeiten. Sie sind berechtigt und verpflichtet, selbständig zu wirtschaften und in eigener Verantwortung abzurechnen. Zu diesem Zweck werden diese volkseigenen Betriebe mit den erforderlichen Fonds für Anlagen und Umlaufmittel ausgestattet. Mit dieser Verfügung wurde endgültig, d.h. auch formaljuristisch, die DEFA, die bislang unter dem Namen "Deutsche Filmgesellschaft mit beschränkter Haftung" firmierte, aufgelöst und in verschiedene, voneinander unabhängige volkseigene Betriebe umgewandelt.

6. Hauptverwaltung Film

Wie bereits erwähnt, wurde 1954 die Hauptverwaltung Film als eine Unterabteilung des Ministeriums für Kultur, das zur gleichen Zeit erst geschaffen worden war, eingerichtet. In § 4, II der Verordnung über die Bildung des Ministeriums (vom 7. 1. 1954) wurden die den Film betreffenden Aufgaben skizziert: 1. "Das Ministerium für Kultur wirkt für das realistische Filmschaffen und richtet dabei die größte Aufmerksamkeit auf Mannigfaltigkeit und Interessantheit in der Thematik und auf eine tiefe, echte Menschengestaltung. Die außerordentliche erzieherische Bedeutung der Filmkunst erfordert, daß sie thematisch und künstlerisch auf die Höhe der Bedürfnisse des Volkes und seiner nationalen Aufgaben erhoben wird. Dazu ist auch die Verantwortung und Selbständigkeit der künstlerischen Leitungen der Studios zu stärken.

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Deutsche Demokratische Republik

2. Das Ministerium wird sich die Erhöhung des weltanschaulichen, künstlerischen und technischen Niveaus der Spielfilme, Dokumentarfilme und Wochenschauen sowie der populärwissenschaftlichen Filme, Verbesserung der Massenkopierung, sorgfältige Synchronisation ausländischer Filme, Verbesserung der Filmforschung und Entwicklung der Filmtechnik angelegen sein lassen... 3. Um die Errungenschaften der Filmkunst den breitesten Kreisen unseres Volkes zugänglich zu machen, wird es für eine planmäßige Entwicklung des Kinowesens in Stadt und Land sorgen. Es wird den Verleih und den internationalen Austausch von Filmen in der Weise anleiten, daß die Filme der D D R unseren westdeutschen Landsleuten und dem Ausland bekannt gemacht und daß alle wertvollen Filme aus Westdeutschland und dem Ausland unserem Volk vermittelt werden." *(10) Obgleich die Bildung des Ministeriums für Kultur keine Vereinfachung der Produktionsbedingungen erbrachte, war bereits 1954 ein merklicher Anstieg der fertiggestellten Spielfilme zu verzeichnen. Diese Tendenz hielt auch in den folgenden Jahren an: Abendfüllende Spielfilme (angelaufene Filme)

1952 = 6 1953 = 7 1954 = 11 1955 = 14 1956 = 19 ( 1 Co-Prod. mit T V ) 1957 = 22 ( 1 Co-Prod.)

Immer wieder aber stellten sich die Kontrollinstanzen als eigentliches Hemnis bei der Produktion heraus. Das übliche Abnahmeverfahren von Drehbüchern soll dies erläutern: Der Autor reichte seinen Stoff oder sein Drehbuch bei der zentralen Dramaturgie ein. Dort wurde es von verschiedenen Dramaturgen und dem Chefdramaturgen gelesen, die einzeln zu dem jeweiligen Projekt Stellung nehmen mußten. Versehen mit diesen Stellungnahmen wurde das Drehbuch dann dem Direktor des Spielfilmstudios vorgelegt, der es wiederum an den künstlerischen Rat weiterleitete. Hatte das Buch *(10) Zitiert nach: Heinz Kersten, a.a.O., S. 24

152

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle I Übersicht über die Spielfilmproduktion der DEFA

Jahr

Spielfilme

Kinderfilme

Fernseh-1

3

-

4

-

1

8

-

10

1

11

-

1950

8

2

10

-

1951

8

-

8

-

1952

6

-

6

-

1953

5

2

7

-

1954

8

3

11

-

1955

14

-

14

-

1946

2

1947

4

1948

7

1949

1

Gesamt

1956

14

5

19

1957

16

6

22

-

1958

15

4

19

-

1959

21

4

25

4

1960

19

5

24

6 12

1961

16

10

26

1962

18

6

24

13

1963

14

6

20

18

1964

11

5

16

12

1965

12

3

15

-

228

64

292

Insgesamt =

78,1 %

21,9%

65

100%

Quelle: Kleine Enzyklopädie Film, Leipzig 1966, S. 757 ff.

153

Deutsche Demokratische Republik

auch noch die dramaturgische Abteilung der HV-Film durchlaufen, entschied deren Leiter in letzter Instanz über die Genehmigung oder Ablehnung der Dreherlaubnis. Dieses schwerfällige Verfahren mußte sich negativ auf die Entfaltung der Produktion auswirken. So war es nicht verwunderlich, daß sich während der kurzen Periode, die der Entstalinisierung (1956) folgte, die öffentliche Kritik häufte. Der prominente Chefkommentator des Staatlichen Rundfunkkomitees, Karl-Eduard von Schnitzler, warnte davor, "Kunst mit publizistischer Tagesagitation zu verwechseln. Für ein Kunstwerk tragen nicht die zuständigen Abteilungsleiter oder politischen Funktionäre die Hauptverantwortung, sondern in erster Linie der Künstler selbst." *(11) Noch einen Schritt weiter ging der Regisseur Kurt Maetzig, der der D E F A seit ihrer Gründung angehört, indem er die Bildung selbständiger Produktionsgruppen forderte. Diese innerhalb der Studios einzurichtenden Produktionsgruppen sollten über eigenes Produktionskapital verfügen und außerdem sollte ihnen die Verantwortung für die Planung und Realisierung eines Films bis zu seiner endgültigen Abnahme übertragen werden. A n die Spitze der Produktionsgruppen sollte ein vom Staat berufener und jederzeit von ihm auch wieder abzuberufender Produktionsleiter treten. Aber, obwohl Maetzigs Vorschläge innerhalb der D E F A lebhaft diskutiert wurden, sind sie niemals ganz realisiert worden, zumal die erst 1959 erfolgte Einführung der künstlerischen Arbeitsgruppen nur sehr bedingt als Durchsetzung früher geäußerter Gedanken anzusehen war.

7. Kritik an der Hauptverwaltung Film

Die offenste und härteste Kritik, die jemals an den ihrer Ansicht nach unzureichenden Produktionsverhältnissen geübt wurde, äußerten 1956 die beiden D E F A Regisseure Konrad Wolf und Martin Hollberg. Wolf und Hollberg wandten sich gegen das "gouvernantenhafte Verhalten" und den "Provinzialismus" der Hauptverwaltung Film, die bei einer Reihe ihrer Aufgaben versagt habe. Sie wehre die Versuche fachfremder staatlicher Stellen, in den Produktionsgang einzugreifen und die Künstler zu bevormunden nicht ab, sondern unterstütze sie auch noch. Aus Angst vor öffentlicher Kritik verstümmele sie in- und ausländische Filme. Sie habe sich nicht oder nur völlig unzureichend um die mangelhafte technische Ausstattung der Filmtheater gekümmert. *(11) Deutsche Filmkunst Nr. 9, 1956, S.257

154

Entwicklung der Filmproduktion

Die Kritik der Filmschaffenden führte zur Umbesetzung einiger wichtiger Führungspositionen, zur Erweiterung der Rechte und Pflichten der DEFA-Studios sowie zur Bildung der künstlerischen Arbeitsgruppen. Die Direktoren der Studios wurden mit weitergehenden Vollmachten ausgestattet und hatten ab Anfang 1957 die volle Verantwortung in künstlerischer und ideologischer Hinsicht für die in ihren Studios entstehenden Filme zu tragen. Damit wurde auch das umständliche Verfahren bei der Erteilung der Drehbucherlaubnis vereinfacht. 1958 schließlich wurden die Struktur und der Name der HV-Film geändert. An ihre Stelle trat die VVB Film (Vereinigung Volkseigener Betriebe), deren Aufgabe ihr damaliger Leiter, Hermann Schauer, mit den Worten charakterisierte: " . . . Die VVB Film wird . . . ihr Hauptgewicht auf die künstlerisch-politisch-ideologische Arbeit in der Periode vor Produktionsbeginn richten: Auf die Entstehung der thematischen Pläne, auf die Bearbeitung der politisch-ideologischen Konzeption für die einzelnen Stoffe und den thematischen Plan.. . Ebenso müssen wir uns interessieren für den Einsatz der Regisseure. . . Es wird darauf ankommen, daß wir in engster Verbindung regelmäßig vor dem Betrieb, vor der Belegschaft, insbesondere vor den führenden künstlerischen Kräften und den Mitarbeitern der Studios die Politik unserer Partei und der Regierung erläutern und vertreten, keine Stippvisiten durchführen, sondern eine echte Mitarbeit." *(12) 8.

Die Filmkonferenz von 1958

Zu den bedeutenden Stationen in der Entwicklungsgeschichte der DEFA müssen die Konferenz der Filmschaffenden von 1952 und und die vom Ministerium für Kultur und dem Spielfilmstudio für den 3. 7. 1958 einberufene Filmkonferenz gerechnet werden. Beide Konferenzen basierten auf einer kritischen Analyse der Filmproduktion der vorausgegangenen Jahre und führten zur Festlegung eines neuen Kurses. Am Tage der Eröffnung der Filmkonferenz wurden im "Neuen Deutschland" unter der Überschrift "Für die Entwicklung der sozialistischen Filmkunst" die Empfehlungen der Kommission für Fragen der Kultur beim Politbüro des ZK der SED veröffentlicht. Diese Empfehlungen bildeten die Diskussionsgrundlage der Konferenz und gaben die Richtung an für das Grundsatzreferat, das der damalige Staatssekretär des Ministeriums für Kultur, Alexander Abusch, hielt. "Das Zurückbleiben unserer sozialistischen Filmkunst hinter den Forderungengen unseres vorwärtsstürmenden sozialistischen Lebens ist weder auf eine unklare Orientierung durch Partei und Regierung zurückzuführen noch auf einen Mangel an Talenten unter unseren Autoren und Regisseuren.. . Die entschei*(12)

Deutsche Filmkunst, Nr. 11, 1958, Beilage S. 3 6 6

155

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dende ideologische Ursache für das Ausbleiben einer größeren Zahl von Spitzenleistungen. .. liegt auch in unserem Filmschaffen in dem bewußten und viel öfter unbewußten Nachgeben von Regisseuren und Autoren an jene Tendenzen des Opportunismus und Revisionismus... Manche Filmschaffenden haben die prinzipielle Kritik des X X . Parteitages der KPdSU an den schädlichen Auswirkungen, die der Personenkult um Stalin auch in der Literatur und Kunst hervorrief, mißverstanden und in jeder Hinsicht vulgarisiert. Sie haben die Kritik an einzelnen dogmatischen und schematischen Erscheinungen maßlos übertrieben und sich eingebildet, damit den Schlüssel zur Gestaltung hervorragender Filme errungen zu haben." *(13) Im Anschluß an diese Kritik nannte Abusch die Aufgaben, die die D E F A unmittelbar zu erfüllen habe. Darunter fiele insbesondere die "Entwicklung einer sozialistischen Thematik", die durch die Wahl von Stoffen erreicht werde, "die in der Gegenwart an den Schwerpunkten unseres sozialistischen Aufbaus und an allen Kampfstätten der ideologischen Umwälzung gewonnen werden oder die der Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung entnommen sind." Ferner verwies Abusch darauf, daß zur "thematischen Weite einer sozialistischen Filmkunst die Pflege des Genres des heiteren Films, des spannend-abenteuerlichen Films und des utopisch-technischen Spielfilms" gehöre. " Z u ihr gehört der Kinderfilm, der seine Themen aus dem werdenden sozialistischen Leben unserer Kinder entnimmt, aber auch die Verfilmung solcher Märchenstoffe umfaßt, die nicht der Verbreitung des Mystizismus dienen, sondern das Kind im Geiste der sozialen Gerechtigkeit und zur Liebe für das arbeitende Volk erziehen." *(14) Die Forderungen der Partei an die Spielfilmproduktion wurden zwar insofern erfüllt, daß mehr Gegenwartsstoffe auf die Leinwand gebracht wurden als zuvor, aber weder sozialistischer Realismus noch Parteilichkeit im Sinne sozialistischer Ideologie brachten den erhofften künstlerischen Aufschwung; vor allem aber vermochten sie nichts gegen die oberflächliche Routine und den Schematismus in der Darstellung der Menschen und ihrer Probleme auszurichten. Es war deshalb keinesfalls verwunderlich, daß - einer Wellenbewegung gleich - auch in den folgenden Jahren die DEFA-Filme immer wieder in den Brennpunkt öffentlicher Kritik rückten. Entsprechend den jeweiligen Verhältnissen auf politischem und kulturellem Gebiet kam die Kritik aus den Reihen der Filmschaffenden, von den Vertretern der Partei oder aus der weitergefaßten Öffentlichkeit, die sich dann in Zeitungen und Zeitschriften, bei Versammlungen und Konferenzen und nicht zuletzt auch in Form der sinkenden Besucherzahlen von DEFA-Filmen niederschlug. *(13) Alexander Abusch, Aktuelle Probleme und Aufgaben unserer sozialistischen Filmkunst, in: Deutsche Filmkunst, Nr. 9, 1958, S. 265 *(14) Ebda.

156

Entwicklung der Filmproduktion

Schließlich befaßte sich im Oktober 1961 abermals das Politbüro der SED mit Fragen der nationalen Filmproduktion. " I n der Beratung wurde festgestellt, daß es von den leitenden Kulturfunktionären in der Vergangenheit versäumt wurde, auf der Grundlage der Beschlüsse der Kulturkonferenz, in Beratungen mit den Filmschaffenden und mit Unterstützung des Kollegiums beim Ministerium für Kultur sowie der Kulturkommission beim Politbüro die künstlerisch-ideologischen, ökonomischen und technischen Grundsatzfragen in der nationalen Filmproduktion zu lösen..." Neben einer Reihe von personellen und organisatorischen Änderungen verfügte das Politbüro die Auflösung der Abnahmekommission für Spielfilme, die durch eine Prädikatisierungskommission ersetzt wurde, "die alle Filme entsprechend ihrer künstlerisch-ideologischen Qualität und ihrer Massenwirksamkeit einstuft. Diese Prädikatisierung wird helfen, die Planerfüllung sowie die Bezahlung und Prämierung der Filmschaffenden entsprechend der Qualität der Filme zu bestimmen." *(15) Größerer materieller Anreiz sollte also helfen, die Qualität zu steigern. Die Kommission kann die Prädikate 'Künstlerisch besonders wertvoll' und 'Künstlerisch wertvoll' verleihen. Voraussetzung für die Prädikatisierung ist, daß der Film "in meisterhafter Weise sozialistische Erkenntnisse durch den realistisch gestalteten Ausschnitt aus der Wirklichkeit vermittelt" und dazu beiträgt, die "politischen Grundfragen unter Berücksichtigung von Thema, Genre und Publikumswirksamkeit zu lösen", um dadurch "das sozialistische Lebensgefühl" zu vertiefen. *(16) Nicht jeder Film wird automatisch der Prädikatisierungskommission vorgelegt. Zunächst wird jeder fertiggestellte Film von der für seine Planung und Produktion verantwortlichen Künstlerischen Arbeitsgruppe (beim DEFA-Studio für Spielfilme bestehen sieben solcher Gruppen) und anschließend von der Direktion des Studios abgenommen. Wird ein Film bei dieser Abnahme als überdurchschnittlich eingestuft, so muß diese Einstufung von der beim Ministerium für Kultur eingerichteten Prädikatisierungskommission bestätigt werden. Die Verleihung eines Prädikats ist mehr als nur eine formelle Anerkennung. Von ihr ist die Zahl der Kopien abhängig, die später zum Einsatz gelangen, Art und Umfang der Werbung für den Film und die Höhe der Prämien, die die Autoren, Regisseure, Kameraleute und Architekten erhalten.

* ( 1 5 ) A . Röder, Die D E F A muß bessere Gegenwartsfilme drehen, in: Neues Deutschland vom 10. 12. 1 9 6 1 * ( 1 6 ) Filmkurier, Nr. 11, 1 9 6 2

157

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II.

Entwicklung der D E F A - Kinderfilmproduktion

Die Darstellung der Entwicklung und Struktur der DEFA-Spielfilmproduktion war notwendig, um den Rahmen abzustecken, in dem sich die Kinderspielfilmproduktion der D E F A von ihren ersten Anfängen bis heute bewegen mußte. Die Kinderfilmproduktion ist Teil der Gesamtproduktion und kann folglich nur unter diesem Aspekt betrachtet werden. Eine Herauslösung dieses Teilgebietes aus dem ökonomischen, sozialen, kulturellen und ideologischen Zusammenhang wäre überhaupt nur dann möglich, wenn der Kinderfilm ein Eigenleben führen würde, wenn er unabhängig wäre von den tatsächlich gegebenen Produktionsbedingungen, und wenn er keine, gleich wie auch gearteten gesellschaftlichen Funktionen zu erfüllen hätte. Letzteres trifft aber insbesondere auf die Kinderfilmproduktion in der D D R nicht zu, da dieser vom ersten Tag ihres Bestehens an eine ganz konkrete erzieherische Funktion zugedacht war: sie sollte "mitwirken bei der Heranbildung der jungen und zwar sozialistischen Generation in Deutschland." *(1) 1. Anfänge der Kinderfilmproduktion

Die ersten Anfänge des DEFA-Kinderfilms reichen zwar bis in das Jahr 1946 zurück, aber die zwischen 1946 und 1950 entstandenen Filme können nur bedingt als ausgesprochene Kinderfilme bezeichnet werden, da sie sich sowohl an das junge als auch an das erwachsene Publikum wendeten. So blieb die Produktion von Filmen, in deren Mittelpunkt Kinder oder Jugendliche standen und die sich mit den Problemen Heranwachsender befaßten, sowie die Verfilmung von Märchen in den Anfangsjahren der D E F A mehr oder weniger dem Zufall überlassen, d.h.unorganisiert, was sich nicht zuletzt auch an der Zahl der fertiggestellten und hier zunächst pauschal unter dem Begriff Kinderfilm angeführten Filme ablesen läßt: Spielfilme für Kinder und Jugendliche 1946 = 1 1947 = 1948 = 1 1949 = 1 *(1)

158

H. Häntzsche in: Film, Fernsehen, Filmerziehung, Berlin 1964, Heft 2 , 5 , 6

S. 5,6

Entwicklung der Filmproduktion

1950 = 2 1951 = · 1952 = Eine grundlegende Änderung dieser Situation trat erst ein, als das Politbüro des ZK der SED sich im Jahre 1952 mit dem Filmschaffen insgesamt befaßte. Die im Anschluß an die Tagung des Politbüros veröffentlichte Resolution erwähnt erstmals überhaupt den Kinderfilm, für den eine eigene Produktionsgruppe geschaffen werden sollte. Dazu schrieb der damalige Volksbildungsminister, HansJoachim Laabs: "Ohne Zweifel ist der Film ein bedeutendes und wirksames Mittel zur Erziehung des Volkes und zur Bildung des Bewußtseins. Dies gilt erst recht für den Kinderfilm, dessen politischer Standpunkt kein anderer sein kann als der des Films, der vor Erwachsenen gezeigt wird. . . Er wird damit zu einem wichtigen Mittel zur Entwicklung des sozialistischen Bewußtseins der heranwachsenden Generation. Mehr noch als der Film für Erwachsene wirkt er auf die Gestaltung der Zukunft. Darum kommt es gerade beim Kinderfilm darauf an, typische Stoffe zu verarbeiten, typische Charaktere zu zeigen und das vorwärtstreibende Element, den Fortschritt, profiliert und plastisch zu formen. Der Film muß politisch 'richtig' sein, er darf keine ideologische Sorglosigkeit zulassen." *(2) Die Resolution des Politbüros fand ihren Niederschlag in der "Verordnung über die Bildung volkseigener Filmproduktionsbetriebe" vom 16. 4. 1953 (in: "Gesetzblatt der DDR", Nr. 52 von 1953, Seite 574), in der die Errichtung eines "DEFA-Studios für Kinderfilme, mit dem Sitz in Potsdam-Babelsberg" verfügt wurde. Dieses Studio ist allerdings nie errichtet worden. Vielmehr wurde an seiner Stelle 1953 eine Produktionsgruppe für Kinderfilme im DEFA-Studio für Spielfilme geschaffen, die ununterbrochen bis 1957 bestand und dann aufgelöst wurde. Die parallel dazu gebildete Dramaturgengruppe, der sieben auf Kinderfilme spezialisierte Dramaturgen angehörten, existierte zwei Jahre länger und wurde erst 1959 aufgelöst. Über die Aufgaben und Absicht der Produktionsgruppe für Kinderfilme führte deren Leiter, der Regisseur Herbert Ballmann, aus:"Die Erlebnisse unserer Jungen Pioniere und Schüler, der jüngsten Bürger unserer Republik, ihre Freude und ihre Probleme liefern uns mannigfaltige Anregungen für unsere Filme. Sie werden in der Thematik den ersten Platz einnehmen. Viele der charakteristischen Kinderschicksale aus dem unterdrückten und kämpferischen Westen unserer Hei*(2)

H.-J. Laabs, Pädagogische Bemerkungen zum Kinderfilm, in: Deutsche Filmkunst, Nr. 5, 1 9 5 4 , S. 5

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mat, in denen der nationale Befreiungskampf unseres Volkes zum Ausdruck kommt, verlangen von uns würdige filmische Gestaltung. Die großen Erlebnisse von Kindern in den patriotischen Befreiungskämpfen, die unser Volk in seiner geschichtlichen Vergangenheit geführt hat, bilden eine weitere Quelle, aus der wir Themen für unsere Kinderfilme schöpfen werden." *(3)

2. Ausweitung der Filmproduktion für Kinder

Die Bildung einer speziellen Produktionsgruppe für Kinderfilme im DEFA-Studio für Spielfilme schaffte die Voraussetzung für eine kontinuierliche Kinderspielfilmproduktion. Die große Bedeutung, die in der DDR dem Film allgemein als einem Mittel der ideologischen und ästhetischen Erziehung und Bildung eingeräumt wird, läßt sich auch daran ablesen, daß bald in allen Filmstudios spezielle Kinderfilmgruppen ihre Arbeit aufnahmen. Zwar würde es den Rahmen dieser Untersuchung sprengen, auf die Arbeit dieser Gruppen im einzelnen einzugehen, aber immerhin werden einige wenige allgemeine Hinweise helfen, das Gesamtbild der DEFA-Kinderfilmproduktion abzurunden. - Bereits seit 1951 entstehen im DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilm die sogenannten Pioniermonatsschauen (im Durchschnitt 12 Stück pro Jahr, darunter 2 in Farbe). Aufgabe der Pioniermonatsschau ist die aktuelle Berichterstattung, die Information und Orientierung zugleich geben soll. Sie versucht, eine auf kürzestem Raum darstellbare Aussage zu machen und bringt Beispiele aus dem Lebens- und Wirkungsbereich der Pionierorganisation. "Wir wollen mit der Pionierschau Anleitung geben, die Aufgaben der Pioniere zu erklären und durch Beispiele anschaulich zu machen versuchen. Dies geschieht nicht im Nachrichtenstil, sondern stets in unterhaltender, anregender Weise (Adressatengruppe sind die Zehn- bis Vierzehnjährigen)." *(4) Nachdem Ende des Jahres 1959 auch im DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilm eine spezielle Kinderfilmgruppe eingerichtet wurde, ist es diesem Studio zur Auflage gemacht worden, mindestens 10 % seiner Produktionskapazität auf die Herstellung von Dokumentarfilmen für Kinder oder Jugendliche zu verwenden. Aufgrund eines Erlasses vom 1. 4. 1955 wurde das DEFA-Studio für Trickfilme in Dresden gegründet, das - ähnlich wie das bereits 1953 geschaffene DEFAStudio für populärwissenschaftliche Filme - den überwiegenden Teil seiner Produktion auf die Bedürfnisse und das Verständnis von Kindern oder Jugendlichen abstellte. *(3) *(4)

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Herbert Ballmann in: Neue Filmwelt, Nr. 3, 1 9 5 3 Ingrid Sander und Klaus Raschet in: Deutsche Filmkunst, 1960, S. 8 8

Entwicklung der Filmproduktion

3. Kritik an der Kinderfilmproduktion

Bei der Spielfilmkonferenz von 1958 wurde auch die Kinderfilmproduktion einer kritischen Prüfung unterzogen. Die Hauptvorwürfe, die dem Kinderfilm gemacht wurden, können in den Begriffen "Wirklichkeitsferne", ungenügend ausgeprägte "Parteilichkeit" und mangelhafte Berücksichtigung der Bedürfnisse und Forderungen eines tatsächlichen "sozialistischen Kinderfilms" zusammengefaßt werden. Den Filmschaffenden selbst wurden "weltanschauliche Unklarheiten", die ein Vordringen "bürgerlicher Ideologien" ermöglichten, zur Last gelegt. In einem ausführlichen Aufsatz *(5), der im April des Jahres erschienen war, hatte Anton Ackermann die Grundtendenz der späteren Kritik bereits vorweggenommen. Dabei ging Ackermann auch auf den Kinderfilm ein und stellte die Frage: "Welche emotional eindrucksvoll wirkenden menschlichen Gestalten finden wir z.B. in den letzten Jugendfilmen der DEFA? Außer einigen wenigen positiven Volkspolizisten sind es nur solche Jugendliche, die noch nicht in unseren Verhältnissen verwurzelt und am meisten den zersetzenden, demoralisierenden Einflüssen aus dem Westen erlegen sind. Die werktätige Jugend dagegen, die sich aktiv am Aufbau beteiligt, lernt, studiert, sich weiterentwickelt und große Leistungen vollbringt, aber auch ihre Sorgen, Probleme und Konflikte hat, blieb so gut wie unberücksichtigt. Und wo findet man in den Gegenwartsfilmen der DEFA eine einzige, eindrucksvolle, kräftige, k lassen be wußte und kämpfende Arbeitergestalt, die als positives Beispiel für unsere werktätigen Menschen und besonders für unsere Jugend wirken könnte? Man findet eine solche Arbeitergestalt in allen zwanzig Gegenwartsfilmen, die in den letzten zweieinhalb Jahren.. . entstanden sind, nicht ein einziges Mal." Und zum Thema der "Parteilichkeit" nimmt Ackermann wie folgt Stellung: " . . . Nicht wenige beschränken die Parteilichkeit in der Kunst auf eine Parteinahme für allgemein-humanistische Bestrebungen und Ziele... In ganz besonderem Maße gilt dies für fast alle Kinderfilme der DEFA, die daher auch noch keinen nennenswerten Beitrag zur sozialistischen Erziehung unserer Kinder geleistet haben. Gewiß schließt die sozialistische Moral und Ethik die wahrhaft humanistischen Begriffe in sich ein, besser gesagt, hebt sie auf, und zwar im doppelten Sinn: überwindet sie, indem sie ihnen einen neuen, realen und höheren Inhalt gibt und sie demzufolge zugleich auf höherer Stufe aufbewahrt. Daraus folgt aber auch, daß die sozialistische Moral und Ethik keineswegs auf die allgemeinhumanistischen Ideale beschränkt werden darf, die aus dem frühen bürgerlichen oder sogar vorbürgerlichen Zeitalter überliefert sind." *(5)

Anton Ackermann, Zur Parteilichkeit in der Filmkunst, in: Einheit.Heft 4, 1958

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Deutsche Demokratische Republik

In seinem aus Anlaß der Eröffnung der Filmkonferenz gehaltenen Grundsatzreferat ging Alexander Abusch, Staatssekretär und 1. Stellvertreter des Ministers für Kultur, ebenfalls auf den Kinderfilm ein und betonte, daß es notwendig sei, daß der Kinderfilm eine prinzipielle Umorientierung in die sozialistische Richtung vornehme. Abusch forderte, daß die geringe Aufmerksamkeit, die man allgemein dem Kinderfilm schenke, endlich aufhören müsse. "Wir müssen dem abendfüllenden Spielfilm für Kinder, in dem Probleme der Kinder von heute bei der Entwicklung unserer neuen, sozialistischen Lebensweise im Mittelpunkt stehen, in der ganzen Arbeit des Ministeriums (für Kultur) und der VVB Film die stärkste Aufmerksamkeit schenken und dafür sorgen-, daß solche Filme in vermehrter Zahl nach den Möglichkeiten unseres Plans hergestellt werden." Auch der Vertreter der Zentralleitung der Pionierorganisation "Ernst Thälmann", Karl Heinz Semmelmann, übte im Verlauf der Filmkonferenz massive Kritik an der DEFA-Kinderfilmproduktion. Semmelmann führte u.a. aus: " . . . Es ist kein Geheimnis..., daß die Filme unsere Kinder für den Sozialismus begeistern und ihre Überzeugung festigen sollen. .., daß die Filme die große Kraft der Pionierorganisation.. . zum Ausdruck bringen sollen... Eine der Hauptursachen für das Zurückbleiben des Kinderfilms ist darin zu suchen, daß viele Filmschaffende nicht erkannt haben, daß sich das Leben unserer Kinder vollkommen verändert hat, daß ihre Welt eine ganz andere, eine sozialistische geworden ist. Ja, das Denken unserer Kinder ist anders geworden."Semmelmann brachte gleichzeitig zum Ausdruck, welche Themen nach Meinung der Zentralleitung der Kinderfilm vordringlich gestalten sollte:"Es gibt z.B. noch keinen Film, der die Kinder für die Jugendweihe begeistert, oder der sie auf die Mitgliedschaft in der FDJ vorbereitet. Auch für unsere Kleinen wurde noch kein Film geschaffen, der sie auf die Mitgliedschaft in der Pionierorganisation vorbereitet. Uns ist auch an solchen Filmen gelegen, die zeigen, wie die Kinder durch die Mitgliedschaft in der Pionierorganisation disziplinierter, tatkräftiger und selbstbewußter werden, wie sie in der Schule auftreten und sich zu Hause benehmen, ohne dabei die kindliche Romantik, die Abenteuerlust und das fröhliche Spiel zu verlieren. Wir wünschen auch, daß mehr lustige Filme für unsere Kinder geschaffen werden und daß dem technisch-utopischen Film eine größere Aufmerksamkeit beigemessen wird." *(6) Wie so oft in der Entwicklung der DEFA-Spielfilmproduktion aber zeigte es sich, daß es mit der Formulierung der Ziele und Aufgaben allein nicht getan war. Man mußte zugleich auch Autoren und Regisseure finden, die bereit und

*(6)

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Deutsche Filmkunst Nr.11, 1958 , S.348f (Beilage)

Entwicklung der Filmproduktion

fähig sind, die Pläne der Studios zu erfüllen und dabei gleichzeitig alle berechtigten theoretischen Forderungen, die von außen an die Produktionsgruppen herangetragen wurden, in geeigneter Form zu berücksichtigen. Es ist richtig, daß die Frage der Maßstäbe, die bei der Bewertung von Kinderfilmen und von Filmen überhaupt zu Grunde gelegt werden sollen, einer permanenten kritischen Überprüfung bedarf. Eine tatsächlich kritische und unvoreingenommene Überprüfung der Maßstäbe hätte eigentlich aber zeigen müssen, daß konsequente Befolgung der Parteilichkeit und des sozialistischen Realismus allein noch keine Garantie dafür ist, daß ein Film auch als Film überzeugt.

4. Arbeitsberatung über Probleme des Kinderfilms (1959)

Die durch die Spielfilmkonferenz in Gang gesetzte Diskussion über das Kinderfilmschaffen hielt auch weiterhin an und veranlaßte die VVB Film für Dezember 1959 eine Arbeitsberatung über die Kinderfilmproduktion nach Berlin einzuberufen, an der Lehrer, Pionierleiter, Vertreter der Zentralleitungen der Jugendorganisation, des Staatsapparates und der DEFA selbst teilnahmen. Nur wenige der direkt mit der Produktion von Kinderfilmen beschäftigten Autoren und Regisseure besuchten und beteiligten sich allerdings an den Diskussionen. Im Mittelpunkt dieser Diskussion stand, anders als bei der Konferenz von 1958, die Frage der Beziehung des einzelnen zum Kollektiv. Erich Wendt, Staatssekretär im Ministerium für Kultur, bemerkte dazu: "Die Kultur hat die Aufgabe, die richtigen pädagogischen Anforderungen künstlerisch richtig umzusetzen." Nur scheine dabei auch die Frage des Kollektivs und der kollektiven Erziehung oder die Erziehung zum kollektiven Handeln einer gründlichen Auseinandersetzung wert. So wie jetzt in manchen Filmen das Kollektiv dargestellt würde, wäre das zu einfach. "Unser Ziel gilt doch nicht nur Menschen, die nur handeln können, wenn sie zu zehnt sind, sondern wir wollen doch auch Menschen haben, die, auf sich gestellt, handeln im Geiste des Kollektivs, für die Gemeinschaft, für das Gesamte, für unseren Arbeiter-und Bauernstaat, für den Sozialismus." *(7) 5.- Kinderfilm als Experimentierfeld? Die Tatsache, daß die Kinderfilme der DEFA immer wieder hart kritisiert wurden und in den Brennpunkt von Auseinandersetzungen gerieten, kann sowohl positiv als auch negativ interpretiert werden. So muß ihr einerseits entnommen werden, daß die Partei und die Gesellschaft rege Anteilnahme an der Entwicklung des Kin*(7)

Deutsche Filmkunst Nr.2, 1960, S. 41

163

Deutsche Demokratische Republik

derfilmschaffens nehmen, daß sie diesem Bereich des Films aufgrund der von ihm ausgehenden oder mit ihm beabsichtigten Wirkungen eine große Bedeutung beimessen und sie folglich von ihren Kontrollaufgaben und Einflußmöglichkeiten Gebrauch machen. Andererseits aber kann zwingend aus der sozusagen wellenförmig verlaufenden Kritik am Kinderfilm entnommen werden, daß dieser die Erwartungen und Aufgaben, die die Partei und der Staat mit ihm verbinden bzw. ihm übertragen wollen, nur unzureichend erfüllt hat und noch erfüllt. Für diese spürbare Diskrepanz mag es eine Reihe von Gründen geben - ideologische und strukturell bedingte. In unserem Zusammenhang wichtig ist primär allerdings eine andere Frage, und zwar jene nach der Bedeutung, der Stellung des Kinderfilms innerhalb der Produktionsgruppen und der Studios. Formal und offiziell steht der Spielfilm für Kinder gleichrangig neben dem Spielfilm für Erwachsene, d.h. er unterliegt den gleichen Produktionsbedingungen, ihm stehen die gleichen Mittel zur Verfügung; es gibt Pläne, die eingehalten werden sollen und Vorschriften darüber, in welchem Umfang die Filmtheater bei ihrer Spielplangestaltung den Kinderfilm berücksichtigen müssen. Aber es gibt Anzeichen dafür, daß der Kinderfilm praktisch dennoch nicht gleichberechtigt mit dem Film für Erwachsene ist (eine Erscheinung, die im übrigen auch in anderen sozialistischen Ländern zu beobbachten ist). So klagte Günter Thiede *(8) 1960:"So ungenügend die Produktion von Kinderspielfilmen schon in der Planung berücksichtigt wurde. . ., so ist kaum noch zu hoffen, daß der Plan sowohl mengenmäßig als auch qualitativ erfüllt wird. Dafür kann man keine Entschuldigung mehr gelten lassen. Es sei noch einmal in Erinnerung gerufen, daß 24,5 % aller Filmveranstaltungen im Jahr 1959 Kinderfilmveranstaltungen waren (Januar bis April 1960 = 24,6%). Das unterstreicht die Bedeutung, die dem Kinderfilm als Erziehungsmittel und als Quelle künstlerischen Erlebens zukommt." Es ist leider die Regel, und hier macht die D E F A keine Ausnahme, daß der Kinderfilm als eine Art Experimentierfeld für junge Regisseure angesehen wird. Hier können sie ihre ersten Erfahrungen sammeln; hier können sie sich in begrenztem Rahmen "austoben"; hier lassen sich Fehlschläge und Mißerfolge am leichtesten überwinden bzw. vertuschen. Versagt ein junger Regisseur beim Kinderfilm, läßt sich das mit seiner Unerfahrenheit und Jugend begründen und auch entschuldigen, versagt er dagegen beim normalen Spielfilm, so setzt er damit automatisch sich selbst, seine Produktionsgruppe und dann auch die Studioleitung der offiziellen Kritik aus, was nicht ohne Folgen für alle Beteiligten bleiben wird. Hat ein junger Regisseur hingegen aber mit seinem Kinderfilm Erfolg, findet er Anerkennung und Lob, so ist er dem Bereich des Kinderfilms (von Ausnahmen abgesehen) praktisch schon wieder *(8)

164

Kritische Bemerkungen zum Kinderfilm, in: Deutsche Filmkunst, 1960, S. 262 f.

Entwicklung der Filmproduktion

verloren gegangen, zumal er jetzt "aufrücken" und die Regie bei einem normalen Spielfilm übernehmen kann und will, zumal sie ihm mehr Erfolg und Anerkennung verspricht. Auf diese Weise wird eine Wertung ins Spiel gebracht, die sich eindeutig negativ auf die Einschätzung des Kinderfilms auswirkt. In diesem Zusammenhang aufschlußreich ist die nachfolgende Aufstellung: Tabelle!! 39 Regisseure waren an der Herstellung von 64 DEFA-Kinderfilmen (zwischen 1946 und 1965) beteiligt; 27 Regisseure ( = 66,4 %) schufen einen Film, 12 Regisseure ( = 33,6%) "

mehr als einen Film,

und zwar: 3 Regisseure ( = 7,7 %) "

2 Kinderfilme,

4

"

( = 10,2%)"

3 Kinderfilme,

4 1

"

(=10,2%)" ( = 2,5%) "

4 Kinderfilme, 7 Kinderfilme.

Schlüsselt man die Filme nach den an ihrer Herstellung beteiligten Autoren auf, so ergibt sich ein ähnliches Bild: 67 Autoren waren an der Herstellung von 64 DEFA-Kinderfilmen beteiligt; 49 Autoren

( = 73,0 %) verfaßten das Buch zu 1 Film,

18 Autoren

( = 27,0 %) "

II

II

zu mehr als 1 Film,

und zwar:

je

8

( = 11,9%) "

zu 2 Filmen,

5 "

( = 7,4%) "

zu 3 Filmen,

3 "

( = 4,5%) "

1 "

(=

1,5%) "

zu 4 Filmen, II

n

zu 6 bzw. 7 Filmen.

( Bei den Zahlenangaben ist zu berücksichtigen, daß teilweise mehrere Regisseure bzw. Regisseure und Autoren oder auch mehrere Autoren an einem einzigen Film beteiligt waren.)

165

Deutsche Demokratische Republik

Deutlich ist trotz Mehrfachnennungen aus den beiden aufgeführten Statistiken zu entnehmen, daß die Fluktuation im Bereich des Kinderfilms besonders groß ist, und daß es nur wenige Autoren oder Regisseure gibt, die sich ausschließlich oder fast ausschließlich mit der Gattung 'Kinderfilm' befassen; für den überwiegenden Prozentsatz an Autoren und Regisseuren ist der Kinderfilm kaum mehr als eine Durchgangsstation oder ein Sprungbrett.

6.

Das große Vorbild: sowjetischer Kinderfilm

In kaum einem anderen Land fanden sowjetische Kinderfilme eine so große Verbreitung und wurden sie so oft Filmschaffenden und Zuschauern als bedeutende Beispiele vor Augen gestellt wie in der DDR. Die dem sowjetischen Kinderfilm eingeräumte Vorbildfunktion, die nicht selten zu einer kritiklosen Anbetung führte, rechtfertigt es, daß die Entwicklung und die spezifischen Probleme des Kinderfilms in der UdSSR zumindest kurz gestreift werden. Die UdSSR kann mit Recht für sich in Anspruch nehmen, das erste Land zu sein, in dem speziell für Kinder produzierte Filme entstanden. Die Anfänge des sowjetischen Kinderfilmschaffens reichen bis in das Jahr 1919 zurück und fallen damit in eine Zeit, in der die bis dahin unbedeutende sowjetische Filmkunst einen ungeheuren Aufschwung erlebte und sich innerhalb weniger Jahre an die Spitze der künstlerischen Avantgarde stellte. Diese Entwicklung wurde entscheidend gefördert durch das im August 1919 von Lenin erlassene Film-Dekret "Über die Zusammenarbeit zwischen Filmindustrie, Fotounternehmen und dem Kommissariat für Unterrichtswesen und Volksaufklärung". Das Dekret verfügte die Nationalisierung der Filmwirtschaft und machte den Film zu einer der meist geförderten Institutionen der UdSSR (zumindest während der Jahre 1920 bis 1930). Bevor Lenin das berühmte Dekret erließ, hatte er den Volkskommissar für Unterricht und Propaganda, A.W. Lunatscharski, 1918 beauftragt, alle Möglichkeiten für den Wiederaufbau und dann auch Ausbau der Filmindustrie zu ergründen. Der Film, von dem der Regisseur Alexander Dowschenko einmal sagte, daß er eng verknüpft sei mit der Aktualität und daß darauf seine Macht als Kunst für das Volk beruhe, sollte zu einem unmittelbar wirksam werdenden, da allgemein leicht verständlichen Mittel der Volksaufklärung werden.

166

Entwicklung der Filmproduktion

V o r diesem Hintergrund müssen auch die Anfänge des sowjetischen Kinderfilms gesehen werden. Die Bedeutung, die diesem Produktionszweig eingeräumt wurde, wurde vor allem dadurch unterstrichen, daß 1936 in der UdSSR das erste Studio der Welt für Kinder- und Jugendfilme (Gorki-Studio) gegründet wurde. Während des II. Weltkrieges wurde die Arbeit dieses Studios unterbrochen. Nach dem Krieg fiel die Produktion von Filmen für die Heranwachsenden allen Studios gleichermaßen zu. Bei einigen, so beim Mos- und beim Lenfilm-Studio, bildeten sich spezielle künstlerische Arbeitsgruppen, die aber nur bedingt in der Lage waren, die Kontinuität der Produktion zu sichern. Es bedurfte zahlreicher Diskussionen und Anstrengungen, bis endlich - im Jahre 1963 - das Gorki-Studio wieder m i t seinen ursprünglichen Aufgaben betraut wurde.

So litt das Kinderfilmschaffen in der UdSSR jahrelang unter dem Fehlen einer zentralen Stelle, die die Planung und Herstellung der Filme hätte koordinieren können. "Über diese Notwendigkeit wurde auf dem X X , Parteitag der KPdSU im Februar 1956 gesprochen. Im Januar 1958 schrieb die 'Komsomolskaja Prawda' darüber, im Oktober 1959 die 'Iswestija'. Das Kinderfilm-Studio ist notwendig! - ist der erneute Ruf der 'Komsomolskaja Prawda' im Januar 1960. Im Februar 1 9 6 0 bestätigt es nochmals das V I I . Plenum des Z K des Komsomol. Im Mai 1 9 6 0 tagte der 'Künstlerische Rat für Kinder- und Jugendfilme beim Ministerium für Kultur' der UdSSR: die Teilnehmer verließen die Beratung 'beflügelt von Hoffnungen' ('Sowjetkultur' vom 14. 5. 1 9 6 0 ). Seitdem sind genau zwei Jahre vergangen. Die Hoffnung hat ihre Flügel wieder sinken lassen. Der neue Rat hat innerhalb der 2 Jahre nicht ein einziges Mal wieder getagt." * ( 9 )

Zwischen der Nachkriegsentwicklung des sowjetischen Kinderfilms und dem der D E F A gibt es eine Reihe von Parallelen. Zahlreiche Artikel befassen sich immer wieder mit den beiden Kernfragen: die Suche nach geeigneten Autoren und Regisseuren. Da die Filmstudios dem Kinderfilm nicht das gleiche Interesse wie dem Spielfilm für Erwachsene zuwenden, haben die Autoren von Drehbüchern für Kinderfilme es schwer sich durchzusetzen. Auch die "Vereinigung Jugend", die 1960 beim Mosfilm-Studio eingerichtet wurde, vermochte hier keine grundsätzliche Änderung herbeizuführen, da ihre Produktionskapazität auf 5 bis 7 Filme pro Jahr begrenzt war. Die Folge war, daß Autoren und Regisseure, die mit Kinderfilmen debütierten, schon nach kurzer Zeit abwanderten. Die Studioleitungen fürchteten

*(9)

J. Gurewitsch in: Iskusstwo kino, H e f t 5, 1 9 6 2 , zitiert nach: F i l m , Sonderheft, 1 9 6 2 S. 74-91

167

Deutsche Demokratische Republik

das Risiko und unterließen es folglich, den Nachwuchs zu fördern. Die schmale finanzielle Basis, die dem Kinderfilmschaffen zur Verfügung stand, machte es fast unmöglich, begabte und bekannte Regisseure zu halten. Der KinderfilmRegisseur mußte nicht nur mit geringeren Produktionsmitteln auszukommen versuchen, er erhielt auch eine weitaus geringere Prämie (die Höhe der Prämie richtet sich nach der Bedeutung und den Erfolgsaussichten eines Films) und keine oder fast keine "Presse" (Produktionsberichte, Kritiken etc.), zumal die Filme in der Regel am frühen Vormittag laufen und fast ausschließlich von Kindern gesehen werden. "Wir haben 60 Millionen Kinder, aber nur 70 Filmtheater (gemeint sind die sog. Kinderfilm-Theater) für sie... Noch wesentlicher ist aber zu klären, was ein Filmtheater für Kinder ist. Wenn man in allen übrigen Filmtheatern den Kinderfilm nur sonntags und morgens zeigt (wo und welchen ist in keiner Reklame zu finden), so gibt es in den Filmtheatern für Kinder zwar täglich Vorführungen, aber auch hier nur in den Morgenstunden bis zum Mittaq. In der übrigen Zeit aber wird irgend etwas anderes gespielt." *(10) Ähnlich wie auch im Bereich der D D R liegt die Verantwortung für die Zusammenstellung der Kinderfilm-Programme beim Staatlichen Filmverleih. Er wird hierbei von Vertretern des Ministeriums für Kultur und ihnen untergeordneten anderen staatlichen Stellen sowie von Mitgliedern der Komsomolorganisation beraten. Alle Filme, die in Veranstaltungen für Kinder laufen, werden von einer Kontrollorganisation begutachtet, die zugleich auch die Alterseinstufung vornimmt. Alle Filmtheater sind verpflichtet, in ihren Spielplan zweimal wöchentlich besonders für Kinder geeignete Filme einzubauen. Soweit spezielle Filmtheater für Kinder (in allen größeren Städten) vorhanden sind, sind diese in der Regel sowohl organisatorisch als auch finanziell an ein normales Filmtheater angeschlossen. Ihre Programmgestaltung liegt in den Händen einer pädagogisch vorgebildeten Kraft. Die Filmtheater für Kinder müssen ein jährliches Besuchersoll erreichen. A m Vormittag laufen in ihnen Sondervorführungen für Schulen, die als eine Ergänzung zu den in den Lehrplänen vorgeschriebenen Stoffen und Themen anzusehen sind. Ferner laufen täglich zwei Programme für Kinder, und zwar ein allgemeines Kinderund Clubprogramm. Letzteres ist insbesondere der Arbeit der Pionierorganisation gewidmet und soll gleichzeitig auch der Filmerziehung dienen. Mitglieder der Pionierorganisation können die Clubprogramme kostenlos sehen. *(10) J. Gurewitsch, a.a.O.

168

Entwicklung der Filmproduktion

7. Organisation des Verleihs und der Abspielbasis (Filmtheater)

Da alle Zweige der Filmwirtschaft in der D D R verstaatlicht sind (volkseigene Betriebe), unterliegen auch der Verleih und die Filmtheater einer zentralen staatlichen Aufsicht und Leitung. Für das gesamte Filmvertriebswesen, d.h. sowohl für den Vertrieb in- als auch ausländischer Filme, ist allein der V E B Progress FilmVertrieb zuständig. Der Progress Film-Vertrieb, der nach dem Ausscheiden von Sovexport seit 1955 ein selbständiger volkseigener Betrieb ist, muß aus seinen Einnahmen die gesamte DEFA-Filmproduktion finanzieren. Er übt einen direkten und indirekten Einfluß auf die Produktion (Bereitstellung der Mittel, Mitspracherecht in den Filmabnahmekommissionen) und die Spielplangestaltung der Filmtheater aus (Filmangebot, Zahl der bereitgestellten Kopien). Alle für den Vertrieb vorgesehenen Filme werden zunächst einer bestimmten Kategorie zugeordnet, und zwar: Kategorie A :

Schwerpunktfilme (vorwiegend sowjetische und DEFA-Filme), die politische Erkenntnisse vermitteln oder aus agitatorischen Gründen besonders aktuell erscheinen und deren Besuch teilweise organisiert wird

Kategorie B:

Allgemein "fortschrittliche" Filme (sowjetische, volksdemokratische und DEFA-Produktionen, aber auch westliche Filme mit sozialkritischer Aussage)

Kategorie S:

Unterhaltungsfilme (Filme ohne konkrete politische, zeitgeschichtliche oder gesellschaftliche Aussage) *(11)

Darüber hinaus erhalten alle zur Aufführung gelangenden Filme noch eine weitere Kennziffer, die Auskunft über die Jugendeignung des jeweiligen Films gibt. Dabei unterscheidet man fünf Kategorien: Pj

?12

-

Filme, die bereits für die jüngsten Zuschauer (bis zum 8. Lebensjahr) geeignet sind

=

Filme, die ab 8 Jahren geeignet sind (Kinderspielfilme, Pioniermonatsschauen, erzieherisch wertvolle und leicht verständliche Filme)

=

Filme, die ab 12 Jahren geeignet sind (Kinderfilme, Pioniermonatsschauen, abenteuerliche und spannende Filme, die Kinder dieser Altersstufe bereits verstehen)

*(11) Vgl. Heinz Kersten,

Das Filmwesen in der S B Z , a.a.O., S. 268

169

Deutsche Demokratische Republik

Pl4

=

P-|g =

Filme, die ab 14 Jahren geeignet sind (für Jugendliche geeignete Erwachsenenfilme bzw. spezielle Jugendfilme) Filme, die ab 16 Jahren geeignet sind.

Die Sonderprogramme für die beiden untersten Altersstufen (P-| und P2) werden vom Progress Film-Vertrieb und der Kinderfilmkommission der V V B Film zusammengestellt. Sie bestehen in der Regel aus sogenannten Sammelprogrammen, worunter man eine Zusammenstellung von Kurzfilmen aus verschiedenen Bereichen versteht (in erster Linie Trickfilme, informative und belehrende Filme, populärwissenschaftliche und Kurzspielfilme). Nachfolgende Aufstellung gibt einen Überblick über die Art und die Zahl der innerhalb eines Jahres zum Einsatz gelangenden Filme:

170

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle III

Art der Filme

Herkunft

1958

1959

1960

1961

1962

110

119

116

116

130

14

22

19

21

25

1

3

5

7

7

94

94

92

88

92

23

23

30

25

71

69

58

67

-

-

12

13

12

20

28

DEFA

3

6

5

7

8

Ausland insges.

9

7

7

13

20

kapital. Länder

3

2

20

soz. Länder

4

11

-

Programmf.Spielfilme insges. DEFA BRD Ausland insges. kapit. Länder soz. Länder Reprisen Kinderfilme über 1000 m insges.

Dokumentarfilme insges.

1

6

83

87

105

97

73

DEFA

40

38

40

36

40

Pioniermonatsschau

11

11

12

Ausland insges.

32

38

53

61

33

104

104

104

52

104

66

62

91

75

63

DEFA

50

38

43

33

37

Ausland insges.

16

24

48

42

26

D Ε F A-Wochenschau "Der Augenzeuge" Populärwissensch. Filme insges.

Deutsche Demokratische Republik

Art der Filme Trickfilme insges.

Herkunft

1958

1959

1960

1961

1962

29

31

35

49

41

DEFA

10

16

18

15

12

Ausland insges.

19

15

17

34

29

15

31

25

14

26

"Stacheltier"

12

31

25

13

25

Magazin

3

1

1

14

27

22

10

21

21

Satirische Kurzfilme insges.

172

Kinderprogramme mit Kinderspielfilmen

13

10

Kinderprogramme aus Kurzfilmen

9

12

Matineeprogramme

16

19

28

20

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle IV

Übersicht über die zur Aufführung gelangten Kinderspielfilme (1958 -1962)

Art der Filme

Herkunft

Kinderspielfilme über 1000 m insges. DEFA

1958

1959

1960

1961

1962

12

13

12

20

28

3

6

5

7

8

Bulgarien

1

China

1

CSSR

2

2,5

Jugoslawien Rumänien Ungarn BRD 0,5

Frankreich

1

1

Norwegen Filme aus nicht sozialistischen Ländern insgesamt (in Prozent)

+)

8,3%

3,8%

25%

10%

0%

Co-Produktionen zwischen zwei Ländern

Quelle: Jahrbuch des Film, 1958 · 1962, Berlin 1959 - 1963.

173

Deutsche Demokratische Republik

Wie aus der Aufstellung hervorgeht, ist der Anteil von Kinderfilmen aus "westlichen" Ländern am Gesamtangebot sehr gering. Dies ist mit Sicherheit aber nicht allein auf politische, sondern auch auf andere Gründe zurückzuführen. Außer Großbritannien, Japan und Indien verfügt kein nichtsozialistisches Land über eine kontinuierliche Spielfilmproduktion für Kinder. Abgesehen davon dürfte der Mangel an Devisen eine nicht unerhebliche Rolle spielen, denn er führt in der Praxis dazu, daß beim Ankauf stets einem Unterhaltungsfilm, der von vornherein mit sehr guten Kassenergebnissen rechnen kann, der Vorzug vor einem Kinderfilm gegeben wird.

Es würde zu weit führen, in diesem Zusammenhang auch noch im einzelnen auf Entwicklungen im Bereich der Filmtheater, ihre Arbeitsweise und strukturbedingte Probleme einzugehen. So sei lediglich am Rande vermerkt, daß die - wie alle anderen Betriebe - verstaatlichten Filmtheater zentraler Anleitung und politischer Kontrolle unterliegen. Die in den vierzehn Bezirken der D D R jeweils vorhandenen stationären Filmtheater und die Wanderspielstellen sind in den "Volkseigenen Lichtspielbetrieben" zusammengefaßt und unterstehen dem Rat des Bezirkes (ein Bezirk umfaßt im Durchschnitt 15 Kreise). Eine Unterorganisation der "Volkseigenen Lichtspielbetriebe" sind die Kreisfilmstellen, die in kulturpolitischen Fragen dem Rat des Kreises Rechenschaft ablegen müssen. Die Spielplangestaltung der Filmtheater ist offiziell zwar Aufgabe der Kreisfilmstellen, tatsächlich aber haben diese nur wenig Einfluß. Sie geben ihre Wünsche an die Lichtspielbetriebe des Bezirkes weiter, die dann die andgültige Spielplangestaltung zusammen mit der Bezirksvertretung des Progress Film-Vertriebs vornehmen. Wie eng der Spielraum für eine abwechslungsreiche und individuelle Programmgestaltung ist, zeigt sich am besten daran, daß von neu anlaufenden Filmen der Bezirksvertretung des Verleihs im Durchschnitt nur zwischen zwei und vier Kopien zur Verfügung stehen. In letzter Konsequenz entscheidet damit eigentlich der Verleih über alle Spielpläne; denn von ihm hängt es ab, welche Filme und wieviele Kopien bereitstehen. Jedes Filmtheater hat ein vorgeschriebenes Besuchersoll zu erfüllen. Ferner muß jedes Kino und jede ländliche Spielstelle (Wanderspielstelle) mindestens einmal wöchentlich (meistens Sonnabend, Sonntag oder Mittwoch) und nach Möglichkeit in zwei Vorstellungen (für die 8 - 11 und 12 - 14-jährigen) ein Kinderprogramm zeigen. Bei diesen Vorstellungen zahlen Kinder einen Eintrittspreis von 0.25 D M (Ost). Dieser Eintrittspreis bedeutet gegenüber den normalen Preisen, die zwischen 1.00 und 2.50 D M (Ost) schwanken, eine Ermäßigung zwischen 75 und 90 Prozent.

174

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle V Zahl der Filmtheater und - besuchter

Jahr

Ortsfeste Filmtheater

Besucher (in Mill.)

1951

1.494

189

1952

1.414

198

1953

1.486

211

1954

1.447

272

1955

1.423

266

1956

1.409

287

1957

1.391

316

1958

1.404

273

1959

1.389

259

1960

1.369

238

1961

1.327

219

1962

1.277

191

1963

1.206

158

1964

1.024

141

1965

973

119

Quelle:

Filmstatistisches Taschenbuch (1960-1965) Hrsg.von der Statistischen Abteilung der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V., Wiesbaden

Anmerkung: Über die Zahl der Wanderspielstellen liegen keine Angaben vor; es bestanden: 1958 = 1.690 1960 = 2.148

175

Deutsche Demokratische Republik

Vergleicht man die Zahlen von 1951 mit denen von 1965, so ergibt sich bei den ortsfesten Filmtheatern eine Verminderung um 35 % (1951 = 100 %) und ein Besucherrückgang um 37 %, d.h. 1965 wurden in den ortsfesten Kinos 70 Mill, weniger Besucher als 1951 gezählt.

176

Entwicklung der Filmproduktion

8. Der Kinderfilm in den sechziger Jahren

Die Ende der fünfziger Jahre abgehaltenen Tagungen und teilweise leidenschaftlich geführten Auseinandersetzungen mit dem Spielfilmschaffen (einschließlich Kinderspielfilm) der D E F A führten direkt und indirekt zu einer stärkeren Politisierung der Filme. Im Bereich des Kinderfilms bedeutete das, daß der Formung des sozialistischen Kinderfilms erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Mit der Absicht, die verschiedenen Bemühungen um die Förderung des Kinderfilms zu koordinieren, wurde im April 1961 das "Nationale Zentrum für Kinderfilm der D D R " gegründet, das sich mit Erfolg um die Mitgliedschaft im "Centre International du Film pour I' Enfance et la Jeunesse" (Sitz: Brüssel) bewarb und damit die Interessen des deutschen Kinderfilms auch auf internationaler Ebene wahrzunehmen begann. Das Ziel des Nationalen Zentrums ist es, "durch eine Konzentrierung aller für den Kinderfilm tätigen Kräfte nicht nur die guten Absichten zu koordinieren, sondern diesen Prozeß schöpferischer Arbeit für einen nationalen deutschen Kinderfilm zu beschleunigen und das pädagogische Anliegen des Films für Kinder noch weiter zu vertiefen." *(12) Die fortschreitende Ausdehnung des Fernsehens blieb - wie in allen Ländern mit Ausnahme der U d S S R - selbstverständlich auch in der D D R nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung des Films allgemein. So verringerte sich zwischen 1960 (= 100 % ) und 1965 die Zahl der ortsfesten Filmtheater um 29 % (= 396 Filmtheater). Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Filmbesucher von 238 Mill, im Jahre 1960 auf nunmehr 119 Mill, im Jahre 1965 (Abnahme = 50 % ). A u c h die Spielfilmproduktion nahm ständig ab (Kinderspielfilme in Klammern): 1960

=

19

(5)

1961

=

16

(10)

1962

=

18

(6)

1963

=

14

(6)

1964

=

11

(5)

1965

=

12

(3)

Demgegenüber blieb die Zahl der produzierten Kinderspielfilme relativ konstant, womit sich teilweise automatisch der Anteil des Kinderfilms an der Gesamtproduk*(12) Filme, die unsere Kinder sehen, Hrsg.vom Nationalen Zentrum für Kinderfilm der D D R und dem V E B Progress Film-Vertrieb, Berlin, o.J., S.6

177

Deutsche Demokratische Republik

tion vergrößerte. Dieser Anteil betrug: 1960

=

20,8 %

1961

=

38,4 %

1962

=

25,0%

1963

=

30,0 %

1964

=

31,0%

1965

=

20,0 %

(Anteil aller zwischen 1946 und 1965 hergestellten Kinderspielfilme an den im gleichen Zeitraum entstandenen Spielfilmen überhaupt = 2 1 , 9 % ) . Dieses für den Kinderfilm an sich positive Bild verschiebt sich allerdings noch etwas, wenn man es in Beziehung setzt zu der folgenden Aufstellung:

178

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle V I Angelaufene Kinderspielfilme über 1000 m

Jahr

Ursprungsland

1963

UdSSR

Gesamtzahl 10

DDR

5

Kinderprogramme

CSSR

3

insgesamt

China

3

Polen

1 22

1964

UdSSR

6

DDR

6

CSSR

4

Bulgarien

1

Polen

1

Rumänien

1 19

1965

UdSSR

40

46

11

CSSR

2

DDR

2

Albanien

1

Jugoslawien

1 17

Quelle:

angelaufene

29

Film-Katalog, Hrsg.vom V E B Progress Film-Vertrieb

179

Deutsche Demokratische Republik

Läßt man die ideologische und erzieherische Funktion, die die D E F A - K i n d e r filme zu erfüllen haben und die das Entstehen und den Fortbestand dieser Filmgattung überhaupt erst ermöglichte, einmal außer Betracht, so m u ß man erkennen, daß es in der D D R trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse gelungen ist, eine kontinuierliche Kinderfilmproduktion aufzubauen und ihr eine optimale Abspielbasis einzuräumen. Diese Tatsache fordert zu dem in dem nachfolgend wiedergegebenen Zitat angestellten Vergleich heraus, ohne allerdings die damit beabsichtigte Wertung zu rechtfertigen. " S o wie auf allen Gebieten muß auch im Jugendfilmschaffen die Initiative weiterhin von der D D R ausgehen, denn wenn ein Land wie die B R D es nicht einmal schafft (oder schaffen will? ) ihre Jugend vor den Brutalität und Unmenschlichkeit verbreitenden Machwerken geldhungriger Produzenten zu schützen, wie können wir da in absehbarer Zeit erwarten, daß sich eine humanistische Jugendfilmproduktion entwickelt. Die nationale Verantwortung liegt bei uns, und es sind alle Voraussetzungen gegeben, um ihr gerecht werden zu können." *(13) Die Richtigkeit des sachlichen Gehalts dieser Feststellung kann und soll gar nicht bestritten werden; letzteres aber sollte nicht dazu verleiten, Produktionsbedingungen, die auf diametral entgegengesetzten wirtschaftlichen und organisatorischen Voraussetzungen basieren, einfach miteinander zu vergleichen. Ein solcher Vergleich muß zwangsläufig zugunsten der verstaatlichten Filmwirtschaft ausfallen, zumal ihr konkrete Auflagen erteilt und Aufgaben gestellt werden können, sie keine Konkurrenz zu fürchten braucht, und sie nicht den Gesetzen der freien Marktwirtschaft unterliegt.

* ( 1 3 ) Ursula Geisler,Von " I r g e n d w o in Berlin" bis " D i e Reise nachSundevit" Maßstäbe in 20 Jahren DEFA-Jugendspielfilmschaffen, in: Film.Fernsehen,Filmerziehung, Heft 1, 1966,S.26

180

Entwicklung der Filmproduktion

III. Thematische Gliederung und Analyse der Kinderfilme Eine mehr oder weniger pauschale Gliederung, so wie sie hier versucht wird, birgt die Gefahr in sich, daß mit der Reduzierung von Filminhalten auf bestimmte und zunächst nur äußerliche Schlag- oder Stichworte ihrer inneren Vielfalt nur noch bedingt Rechnung getragen wird. Insbesondere der künstlerisch gelungene und anspruchsvolle Film wird sich in der Regel nur schwer einem einzigen Stichwort zuordnen lassen, was bei der statistischen Aufschlüsselung der Filme berücksichtigt wurde. Andererseits ist es auch nicht möglich, auf eine Klassifizierung von vornherein zu verzichten, zumal die Analyse jedes einzelnen Films den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde und sich allein dadurch auch keine Übersicht gewinnen läßt. Es ist deshalb unumgänglich, die Filme nach thematischen Schwerpunkten zu ordnen, womit zunächst keine Wertung verbunden ist. 1. Märchenfilm, verfilmte und moderne Märchen Ähnlich wiedie westdeutschen Produzenten griff auch die D E F A immer wieder auf die populären deutschen Volksmärchen zurück. Die Beliebtheit dieser Stoffe und der Erfolg der Filme, die nach ihnen gedreht wurden, ließ mit der Zeit auch jene Kritiker verstummen, die die Verfilmung von Märchen vor allem deshalb ablehnten, weil sie zu wenig Bezug auf die Gegenwart und die neue soziale Ordnung nahmen. Dessen ungeachtet entstanden zwischen 1950 und 1965 insgesamt 17 Märchenfilme, d.h. 26,5 % der Spielfilmproduktion für Kinder waren Märchenfilme. Nicht weniger als 9 Filme waren direkte Verfilmungen oder Bearbeitungen von Märchen der Gebrüder Grimm, 5 Filmen dienten Sagen und Volksmärchen als Vorlage, 2 Filme gehen auf Märchen von Hauff und 1 auf ein Märchen von H.C.Andersen zurück. Diese Märchenfilme können allerdings nicht nur unter dem Gesichtspunkt phantasieanregender und archetypebildender Funktion betrachtet werden; sie sollen nicht nur unterhalten und schon gar nicht wie es die Dramaturgin Gerda Kohlmey einmal ausdrückte "einlullen"; es genügt auch nicht, daß die Märchenfilme dem jungen Publikum allgemein moralische Werte wie Gut und Böse, Recht und Unrecht vermitteln. Sie müssen vielmehr noch einen Schritt weitergehen. Denn: " . . . Man darf unsere Kinder nicht vor der gesellschaftlichen Realität abschirmen, wie sie besteht. Die antagonistischen Widersprüche zwischen dem Lager des Sozialismus und des Kapitalismus zwingen uns, sie mit dem Kampf des Guten gegen das Böse so früh wie möglich vertraut zu machen und ihnen auch das Böse in seinen verschiedenen Varianten und Wirkungsweisen vorzustellen. .. In Anwendung dieses Prinzips auf die Darstellung alter Volksmärchen in der sozialistischen Kunst wird anerkannt und betont, daß ein wesentliches Kriterium der heutigen Interpretation des Märchengutes darauf gerichtet sein muß, die in ihm zumeist sehr allgemein erfaßte Beziehung

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des Guten und des Bösen in seiner Auseinandersetzung, soweit es das Sujet erlaubt und anbietet, im Ästhetischen zu konkretisieren, d.h. die Kollision weitgehend als Kollision antagonistischer Klassen erkennen zu lassen. Es kann also bei der Gestaltung eines Märchens nicht genügen, das Böse durch das Gute besiegen zu lassen, sondern den Kindern muß im ästhetischen Erleben das Wesen des Bösen sichtbar gemacht werden. Nur so werden sie in die Lage versetzt werden, es zu erkennen und einzuschätzen." *(1) Von derartigen, über den Märchenstoff selbst hinausführenden Interpretationen noch frei waren die beiden ersten Märchenfilme der D E F A : "Das kalte Herz" (nach Hauff, 1950) von Paul Verhoeven und "Die Geschichte vom kleinen Muck" (nach Hauff, 1953) von Wolfgang Staudte. Beide Filme gelten als Vorläufer der späteren Kinderfilmproduktion und besitzen ein für damalige Verhältnisse beachtliches technisches und künstlerisches Niveau. Zwar erreichte der nächste, auf einer aus dem Harz stammenden Sage basierende Märchenfilm dieses Niveau nicht, aber dafür konnte sein Inhalt für die politische Erziehung direkt nutzbar gemacht werden. "Der Teufel vom Mühlenberg" (1954) von Herbert Ballmann berichtet von der Solidarität der Bauern und einfachen Leute, die sich mit Hilfe der guten Geister erfolgreich gegen ihre Unterdrücker auflehnen. Folglich sah der Dramaturg des Films, Walter Schmitt, in ihm nicht nur "Elemente revolutionärer Romantik", sondern auch einen konkreten aktuellen Bezug:"... Zu allen Zeiten, bis in unsere Gegenwart hinein, kämpften und kämpfen die einfachen Menschen gegen Unterdrückung und Ausbeutung. Und immer werden sie den zeitlich und örtlich begrenzten Sieg nur erringen können, wenn sie klug und mutig sind und einig zusammenhalten. So sind auch die Köhler" (die guten Geister) "in unserem Film keineswegs übersinnliche Kräfte, sondern nichts als übersinnliche Verkörperungen, Versinnbildlichungen dieser alten Weisheit des Volkes." *(2) Zwei ihrer Anlage nach extrem unterschiedliche Märchenfilme, "Das tapfere Schneiderlein" (frei nach Grimm, 1956) von Helmut Spiess und "Das singende, klingende Bäumchen" (nach Grimm, 1957) von Francesco Stefani, belebten die Diskussion über dieses Filmgenre und umrissen die Grenzen der gegensätzlichen Positionen. Spiess verwandelte das Grimm' sehe Märchen in eine Geschichte mit übertrieben klassenkämpferischer Tendenz und ersann dramaturgische Lösungen, die es ermöglichten, den König und alle Adligen als dumme, primitive und lächerliche Figuren abzustempeln. Gegen diese Art der Charakterisierung polemisierte selbst der Kritiker des "Neuen Deutschland". Er schrieb: "Die Schöpfer des Films *(1) *(2)

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H. Häntzsche in: Film, Sonderheft, 1962, S. 3 f. W. Schmitt in: Beiträge zu Fragen der Filmkunst, 'Deutsche Filmkunst', Anhang 5, 1954, S. 3

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haben alle Märchenfiguren klassenmäßig grob rubriziert. Das Schneiderlein ist ein Handwerksbursche, der vom Meister, dem Unternehmer, schlecht behandelt und ausgebeutet wird. Der Meister und seine Frau katzbuckeln vor einem jungen Prinzen, dem Prototyp eines dummen, aber hinterlistigen Junkers. Der König ist von vornherein dazu verurteilt, dumm, betrügerisch und ein Schmarotzer zu sein, die Königstochter ist es nicht minder. Damit nun das Schneiderlein nicht gezwungen ist, eine vom Adel als Frau nehmen zu müssen, erfindet der Autor eine Dienerin der Königstochter, die ja zum werktätigen Volk gehört und nun mit dem Schneiderlein den Thron besteigt. Zum Schluß flieht die ganze Adelsbrut Hals über Kopf aus dem Lande, denn die Sympathien des Volkes gehören dem Schneiderlein und seiner jungen Frau." *(3) Demgegenüber versuchte Francesco Stefani, die literarische Vorlage unangetastet zu lassen, um dadurch nicht in den gleichen Fehler wie Spiess zu verfallen. Dieser Versuch scheiterte allerdings daran, daß die Wandlung einer eitlen und hochmütigen Prinzessin zum Guten hin als ein Thema verstanden wurde, für das es keinen Platz im Rahmen der sozialistischen Erziehung der Jugend gibt."Der (Film) ist.. in seiner ganzen vorliegenden Konzeption voll verlogener Monarchenromantik und nicht dazu geeignet, zur Charakter-und Willensbildung unserer Kinder beizutragen. Wir sind also, das muß man offen aussprechen, in der künstlerischen Auseinandersetzung um die richtige Auswahl von Märchenstoffen keinen Schritt weitergekommen. Auch - oder gerade - von Künstlern, die Märchen filmisch gestalten, müssen wir verlangen, daß sie vom Standpunkt unserer Weltanschauung aus an diese... Aufgabe herangehen, und nicht, wie es hier geschehen ist, in bürgerlich idealistischer Sicht alte Konventionen wohl kultivieren." *(4) Nach neuen Wegen bei der Bearbeitung von Märchenstoffen suchte 1958 Gerhard Klein mit seinem Film "Die Geschichte vom armen Hassan", dem Motive eines uigurischen Volksmärchens zugrunde lagen. Klein verzichtete auf prunkvolle und aufwendige Dekorationen und begnügte sich mit einem konsequent stilisierten Hintergrund, der den parabelhaften Charakter der Erzählung vom armen Lastenträger Hassan, der im Verlauf der Handlung zu sich selbst findet, sich auflehnt und sich selbst befreit, verstärkt. Kleins Film erinnert seiner ganzen Anlage nach an ein Lehrstück Brechts, aber gerade dadurch entfernte er sich vom Auffassungsvermögen des jungen Zuschauers. Indem er keine Emotionen, sondern den Intellekt im Zuschauer beschwor, vermochte - wie die Kritik feststellte seine "kaltlassende Schönheit" in erster Linie nur den Erwachsenen anzusprechen. *(3) *(4)

H. Knietzsch, in: Neues Deutschland vom 3.10.1956 Deutsche Filmkunst, 1958, S. 2

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Die Märchenfilme der folgenden Jahre erregten weder besonderes Aufsehen noch Anstoß. Sie verschrieben sich weder dem künstlerischen Experiment, noch versuchten sie Interpretationen, die sich vollständig von der Vorlage lösen. Das gilt sowohl für " D a s Feuerzeug" (nach H.C.Andersen, 1959) von Siegfried Hartmann als auch für den Film "Hatifa" (1960) des gleichen Regisseurs und die Verfilmung des Grimm' sehen Märchens "Schneewittchen" (1961) von Gottfried Kolditz. Während Hartmanns Film "Das Feuerzeug" vor allem wegen der schlichten und auf Effekte verzichtenden Darstellung Anerkennung fand, wurde sein zweiter Film "Hatifa", der nach einem Kinderbuch von Willi Meinck entstand, nicht zuletzt deshalb ein Publikumserfolg, weil seine spannende Handlung mehr exotische und abenteuerliche als märchenhafte Elemente aufwies. Weniger erfolgreich war die verfilmte Inszenierung von "Rumpelstilzchen" ("Das Zaubermännchen", frei nach Grimm, 1960) des Hans-Otto-Theaters in Potsdam. Die beiden Regisseure Christoph Engel und Erwin Anders (zugleich Kamera) machten aus dem ursprünglich bösen Geist einen guten, der den armen und einfachen Menschen mit seinen Zaubermitteln hilft. Trotz aller Versuche, die Geschichte auch optisch zu beleben, vermochten sie sich nicht von der stilistisch uneinheitlichen Theaterinszenierung zu lösen, so daß vor allem die Dialoge und Dekorationen stets an die Bühnenherkunft des Stückes erinnern. Auf heftige Kritik stieß auch " D a s hölzerne Kälbchen" (frei nach "Bürle" von Grimm, 1961) von Bernhard Thieme, der in der "Deutschen Filmkunst" (1961, Seite 314) als "einer der schwächsten (Filme) seiner A r t " bezeichnet wurde. Für das Mißlingen wurden vor allem "die vergröbernde naturalistische Umsetzung der literarischen Vorlage und die vordergründig didaktische Inszenierung" verantwortlich gemacht. Nach der phantasievoll gestalteten und optisch durch das fremde Milieu ansprechenden Co-Produktion mit der Mongolischen Volksrepublik, " D i e goldene Jurte" (1961), kehrte die D E F A mit Filmen wie "Rotkäppchen" (verfilmte Theaterinszenierung, 1962), "Frau Holle" (1963) oder "Die goldene Gans" (1964) zu bewährten Märchenfilmformen zurück. Erst 1965 brach Walter Beck mit seiner Verfilmung des Märchens "König Drosselbart" (nach Grimm) aus dem Schema wieder aus. Ähnlich wie seinerzeit Gerhard Klein versuchte auch Beck, den Märchenfilm von rein äußerlichen Schauwerten zu befreien, um dadurch den Blick auf die im Mittelpunkt der Handlung stehenden Figuren, ihren Charakter und ihre Wandlung konzentrieren zu können. Da sich die grundsätzliche Problematik, die mit der Verfilmung klassischer Märchen und Sagen verbunden ist, kaum lösen lassen wird, sollte eigentlich dem Genre des sogenannten modernen Märchens eine sehr viel größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Hier bieten sich künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten, die noch weitgehend unbekannt und ungenutzt sind. Losgelöst von der Fessel literarischer Vor-

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lagen kann im modernen Märchen, das eine Verbindung zwischen Realität und Märchen, zwischen Alltäglichem und Phantastischem, zwischen möglichem Erleben und poetisch überhöhtem Wunschtraum anstrebt, die schöpferische Phantasie von Autoren und Regisseuren sich endlich einmal aller Mittel und Möglichkeiten des Films bedienen. Noch allerdings ist die Zahl derjenigen Filmschöpfer und vor allem auch - autoren, die von diesen Möglichkeiten nicht nur Gebrauch machen wollen, sondern auch können, mehr als gering. Bärbel Bergmann war 1959 mit ihrem mittellangen Film " E i n ungewöhnlicher T a g " die erste, die sich im Genre des modernen Märchens versuchte. Sie erzählt von der kleinen Maja, die keine Lust hat, ihre Hausaufgaben zu machen und plötzlich erleben muß, daß alle Menschen, von denen sie etwas will, gleichfalls keine Lust haben. S o lernt das Mädchen an praktischen Beispielen, daß das Zusammenleben der Menschen nur funktioniert, wenn jeder seine Pflicht tut und dabei nicht gegen, sondern für die Gemeinschaft arbeitet. Als exemplarisch ist dieser Film insofern anzusehen, weil er - wie viele moderne Filmmärchen für Kinder - sich selbst zum reinen Transportmittel für erzieherische Absichten degradiert und mit erhobenem Zeigefinger seine schlichte Moral überdeutlich verkündet. Es ist sicherlich richtig, daß der Film ein praktikables Mittel ist, um Kinder mit ihrer näheren und weiteren Umwelt vertraut zu machen, um sie Einblick in einfache und komplizierte gesellschaftliche Vorgänge nehmen zu lassen und um ihnen unmerklich auch gesellschaftliche Normen zu vermitteln. Dabei liegt die Betonung auf dem Wort "unmerklich"; denn es ist ein Irrtum anzunehmen, daß sich die mit einem Film beabsichtigte Wirkung dadurch potenzieren lasse, daß man die Moral einer Geschichte dick aufträgt, unterstreicht und nach Möglichkeit noch stereotyp wiederholt. In diesen Fehler verfiel Kurt Jung-Alsen mit seinem Film " D e r kleine K u n o " ( 1959 ) nicht. Er schildert aus der Perspektive eines sechsjährigen Jungen und in episodenhafter Aneinanderreihung verschiedene Berufe, die nachts ausgeübt werden. Der Streifzug des Jungen und seine Erlebnisse sind für Jung-Alsen der Ausgangspunkt für optische Impressionen von einer nächtlichen Großstadt. Dieser poetische Film mit seinen liebevoll beobachteten Momentaufnahmen warf die Frage auf, ob und inwieweit Kinder von der Poesie der Bilder genauso angesprochen werden wie Erwachsene. Noch größerer Wertschätzung als " D e r kleine K u n o " erfreuten sich " D a s Märchenschloß" (1961) von Hermann Zschoche und " D i e Suche nach dem wunderbunten Vögelchen" (1963) von Rolf Losansky. " D a s Märchenschloß" handelt von drei Brüdern, die ausziehen, um das zu suchen, was sie am liebsten sehen wollen. Während die beiden älteren Jungen ihre Suche nach einem roten Traktor und einem Mähdrescher bald aufgeben, fährt Peter unbeirrt in seiner

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Suche nach dem Schimmel aus dem Märchen fort, der ihn zu dem im Bilderbuch entdeckten Märchenschloß bringen soll. Endlich hat Peter Glück: er findet Pferd und Schloß, wenngleich sich letzteres bei näherer Betrachtung auch als Kinderheim einer LPG herausstellt. Peter erlebt mit den Kindern ein herrliches Fest und erkennt jetzt, daß die Wirklichkeit eigentlich viel schöner ist als seine Märchenwelt, die er ursprünglich zu finden hoffte. Besaß " D a s Märchenschloß" die konkret zu fassende Aufgabe, Kindern zu zeigen, daß man mit Mut und Ausdauer an sein Ziel gelangen und Hindernisse überwinden kann und daß vor allem die Wirklichkeit unvergleichlich viel schöner und aufregender ist als die Bilder im Märchenbuch, so entfernte sich Losansky demgegenüber mit seinem Film von der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Zwar ist auch sein Film nicht frei von erzieherischen Absichten, aber diese treten hinter den abenteuerlich-turbulenten Geschehnissen zurück. Die wenigen angeführten Beispiele zeigen bereits, daß das sogenannte moderne Märchen im Bereich des DEFA-Kinderfilms weder formal noch inhaltlich "bewältigt" ist. Das bisher Geleistete zeugt zwar von gut gemeinten Absichten, aber zugleich auch von großer Unsicherheit - in dramaturgischer, gestalterischer und psychologischer Hinsicht. A u s der Angst heraus, das jüngste Publikum zu überfordern, sich ihm nicht verständlich genug zu machen, schlagen die Filme ins andere Extrem um, werden sie zu sehr einfach und phantasielos gestalteten Vermittlern von Grundregeln des Lebens, zu Gebrauchsanweisungen für das Leben in der Gemeinschaft. Sie gehen, wie etwa " D a s Märchen von Jens und dem Kaspar" (1964, Regie: Kurt Tetzlaff) oder "Daniel und der Weltmeister" (1963, Regie: Ingrid Meyer), davon aus, daß die Hauptfiguren faul oder trotzig sind, daß sie kleine Fehler haben oder sich in die Gemeinschaft nicht einordnen wollen, und daß sie im Verlauf der Handlung dann bekehrt, d.h. zur Erkenntnis, Einsicht und Besserung gebracht werden.

2. Alltag und neue Gesellschaft

Wer die ideologische und erzieherische Aufgabenstellung des Kinderfilms in der D D R kennt, wird mit einiger Verwunderung zur Kenntnis nehmen, daß der realistische, d.h. der an konkrete gesellschaftliche Verhältnisse gebundene und sie widerspiegelnde Kinderfilm quantitativ gesehen nur an zweiter Stelle steht. Zwar ist der Stoff von fast jedem zweiten Film in der Gegenwart angesiedelt, aber nur 26,5 % aller Kinderfilme können den Anspruch erheben, eine als realistisch zu bezeichnende Handlung zu besitzen. Dieser Prozentsatz ist vergleichsweise gering, wenn man berücksichtigt, daß der Kinderfilm bei der Erziehung und Heranbildung

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des sozialistischen Menschen und beim Aufbau und Sieg des Sozialismus helfen soll. Innerhalb der hier beschriebenen Gruppe von Filmen kommt jenen die größte Bedeutung zu, die sich mit der Rolle des Kollektivs oder, besser ausgedrückt, der Beziehung zwischen Individuum und Kollektiv auseinandersetzen. Die theoretische und ideologische Grundlage für diese Beziehung liefert Joachim Plötzner, der seinen Ausführungen ein Zitat aus Eisensteins "Ausgewählte Aufsätze"*(5) voranstellt: " D e r bürgerliche Film kennt kein Gefühl für Kollektivität, für die absolute Einheit von einzelnem und Kollektiv. Charakteristisch für ihn ist der Kampf der Einzelpersönlichkeit mit der Gesellschaft. Die Konfrontierung des einzelnen mit der Gesellschaft. Der Zusammenprall der Interessen der Gesellschaft mit den Interessen des einzelnen. Daher ist uns die bürgerliche Tradition des Persönlichkeitsfilms naturgemäß fremd; sie entbehrt alles dessen, was uns, die wir als Verfechter der Interessen der Arbeiterklasse eine unverbrüchliche Einheit bilden, heilig ist. " U n d Plötzner fährt fort:"Der bürgerlichen Moral ist das Prinzip des Individualismus und des Egoismus immanent. Es entspricht den gesellschaftlichen Verhältnissen, daß das im Gefüge dieser Gesellschaftsordnung verwurzelte Individuum zwangsläufig im anderen vorrangig ein Objekt zur Ausnutzung sehen muß und daß alle gesellschaftlichen Beziehungen als Mittel für persönliche Ziele genutzt werden... Dem Sozialismus ist der Kampf der Einzelpersönlichkeit gegen die sie umgebende Gesellschaft fremd. Das Prinzip der Kollektivität ist das hervorragendste Charakteristikum der sozialistischen Moral, da die Ziele des einzelnen und die Ziele der Gesellschaft zum ersten Male in der menschlichen Entwicklung einander bedingen, eine harmonische Einheit bilden." *(6) Für sozialistisch handelnde und denkende Menschen kann es, nach Plötzner, demnach keinen Gegensatz oder Widerspruch zwischen dem einzelnen und der Gruppe, zwischen Individuum und Kollektiv geben. K o m m t es dennoch zu Konflikten und Auseinandersetzungen, so ist ihre Existenz allein darauf zurückzuführen, daß der Gedanke des Kollektivs sich noch nicht allgemein durchgesetzt hat und verschiedentlich noch gegen Reste der als bürgerlich bezeichneten Moral ankämpfen muß. Plötzner bezeichnet diesen Kampf bei der Durchsetzung des Kollektivprinzips im Denken und Handeln des Menschen als eine der kompliziertesten, einschneidendsten und deshalb für die Kunst interessantesten Revolutionen in den Köpfen der Menschen. Die ersten Kinderfilme allerdings, die sich mit den neuen Themen befaßten, machten sich deren inhaltliche und dramaturgische Bewältigung mehr als einfach. Sie gingen von zwei möglichen Grundkonstellationen aus und variierten diese beliebig. *(5) *(6)

Berlin 1960,S. 115/116 in: Film, Sonderheft, 1962, S. 222 ff.

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Demnach gibt es einerseits ein Kollektiv, das den progressiven und guten Außenseiter zunächst ablehnt. Durch eine herausragende Tat oder überdurchschnittliche andere Qualitäten zwingt der Außenseiter das Kollektiv, seine Haltung zu überprüfen und den Außenseiter zu integrieren. Im entgegengesetzten Fall kann das Kollektiv positive Eigenschaften und Überlegenheit für sich in Anspruch nehmen. Es wird demnach den mit Fehlern und Charakterschwächen ausgestatteten Außenseiter bekehren und anschließend in die Gemeinschaft aufnehmen bzw. wieder aufnehmen. Präzise angesprochen wird das Verhältnis Außenseiter - Kollektiv in nicht weniger als zehn Filmen, die zwischen 1950 und 1963 entstanden sind und alle mehr oder weniger auffällig einer der beiden genannten Grundformen entsprechen, wie die folgende Zusammenstellung aufzeigt:

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Tabelle V I I Außenseiter positiv Kollektiv negativ Wandlung des Kollektivs

Außenseiter negativ Kollektiv positiv Wandlung des Außenseiters

Die Jungen von Kranichsee

Die Störenfriede

( 1953)

(19501

Ski meister von morgen

(1957)

Natürlich die Nelli

( 1958 )

Claudia

(1958)

Der neue Fimmel ( 1960 )

Küßchen und der General (1961)

Dielgelfreundschaft

(1961)

Rüpel

( 1962 )

Piraten auf der Pferdeinsel (1963)

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Problematisch sind diese Filme nicht allein aufgrund der schematischen Abhandlung von Konflikten; oft genug wurde ihnen auch zum Vorwurf gemacht, daß der Außenseiter lebensnaher und überzeugender gezeichnet war als das Kollektiv. "Die Ursachen der schematischen Gestaltung dieser Filme sind Überbleibsel der... dramaturgischen Konstruktionen des bürgerlichen 'Persönlichkeits'-Films. Eine allseitige und gültige Widerspiegelung unserer Wirklichkeit war auf diese Weise von vornherein nicht möglich. Immer treffen von außen Gestalten auf eine vorhandene Gemeinschaft. Sind diese Fremden negativ, ist das Kollektiv positiv, wurden sie jedoch in einem imaginären Kollektiv bereits erzogen, so ist selbstverständlich die neue Umwelt, die neue Schulklasse noch indifferent, noch ungefertigt... Das 'Warum' (der Spaltung zwischen Kollektiv und Außenseiter) bleibt zumeist unbegründet. Die Außenseiter bzw. die Fremden reiben sich mit der neuen Umwelt, bis sie sich entweder mit ihr ausgesöhnt oder im anderen Falle die Positiven den negativen Helden untergraben haben. Stets jedoch nehmen sie am Schluß des Films führende Rollen ein, wobei sich die bisherigen Gegenspieler in den meisten Fällen die Führungsposition im Kollektiv teilen." *(7) Um die Gestaltung alltäglicher Ereignisse und Erlebnisse, die dem Auffassungsvermögen und Verständnis von Kindern unmittelbar angepaßt sind, bemühten sich vor allem Filme wie "Die Fahrt nach Bärnsdorf" (1956) von Konrad Petzold, "Fiete im Netz" (1957) von Siegfried Hartmann und "Lütt Matten und die weiße Muschel" (1963) von Hermann Zschoche. Diese Filme gehören zu den besten der bisherigen DEFA-Kinderfilmproduktion, wenngleich gegen sie auch der Vorwurf erhoben wurde, daß sie "moralisch und gesellschaftlich indifferent" und in ihrer Aussage unverbindlich seien, da sie eine weltfremde Idylle heraufbeschwörten. So erkannte die Kritik zwar die Leistungen von Regie und Kamera an, aber sie wandte sich mit kompromißloser Entschiedenheit gegen die Unverbindlichkeit dieser Filme. " E s geht darum, daß einige Streifen ("Die Fahrt nach Bärnsdorf", Abenteuer in Bärnsdorf", "Fiete im Netz") in einer gesellschaftlich nicht faßbaren Sphäre angesiedelt sind, was letzten Endes dazu führt, daß ihr Inhalt banal und ihre Aussage verwaschen erscheint. .. Das Auffallendste ist zweifellos der Mangel an jeglicher Zeit-und Ortsbezogenheit. Irgendwann und irgendwo spielt das alles, und nur der ganz aufmerksame Betrachter wird die Tatsache, daß der Großvater (in"Fiete im Netz") einmal im 'Freien Bauern' liest, entnehmen können, wo man sich befindet: in der D D R . Aber was ist das für eine D D R ? Der Weg zum Sozialismus hat in der Realität mittlerweile das Gesicht auch des kleinsten Ortes bei uns geprägt." Die "Deutsche Filmkunst" beschließt ihre Kritik mit der Aufforderung: "Heraus aus dem plüschigen Großväter-und Großmüttermilieu gestriger Landstädtchen und Dörfer und hinein in unsere Wirklichkeit, unsere Schulen und Pioniergruppen - das wäre sicherlich nicht das schlechteste Rezept für die Zukunft. Dieses Neo-Biedermeier hat in unseren Filmen nichts zu suchen." *(8) *(7) *(8)

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Joachim Plötzner in: Film, Sonderheft, 1962.S. 228/229 Deutsche Filmkunst, 1958,S. 168/169

Entwicklung der Filmproduktion

Gab es bei der Einschätzung dieser Filme noch sehr unterschiedliche Meinungen *(9), so dürfte Einigkeit darüber bestehen, daß der begabte Nachwuchsregisseur Heiner Carow mit seinem Film "Die Reise nach Sundevit" (1965) den sowohl formal als auch inhaltlich überzeugendsten Beweis für die Möglichkeiten des an der Gegenwart orientierten und trotz künstlerischer Überhöhung realistischen Kinderfilms lieferte. "Tim (der Held der Geschichte) ist kein Suchender... Er lebt von vornherein in prinzipieller Übereinstimmung mit seiner Umwelt, und in seiner moralisch-ethischen Verhaltensweise, in seiner Lebenshaltung ist er ihr prädestiniertester und exponierter Vertreter. Vor allem sind es zwei, dem Menschen der sozialistischen Gesellschaft eigene Charakterzüge, die sein Handeln bestimmen: bedingungslose Hilfe für jeden, der sie braucht, und sein Sehnen nach dem Kollektiv. . . Und seine Entscheidungsfrage ist: Behalte ich meine Lebenseinstellung bei, auch wenn die Menschen meiner Umwelt sie nicht immer zu würdigen wissen und mir Schwierigkeiten daraus erwachsen, oder lege ich sie ab und vermeide damit Unbequemlichkeit und Konflikte für mich? Um es durch Verallgemeinerung noch deutlicher zu machen: Lohnt es sich in der konkreten Umwelt der sechziger Jahre in der DDR, an sozialistischen Lebensnormen festzuhalten, wenn daraus Nachteile entstehen? . . . Und Tim erlebt im Prozeß seiner Begegnungen, wie sehr es sich lohnt, und daß es richtig ist, sozialistisch zu handeln, auch wenn es im Augenblick der Verzweiflung nicht so scheint." *(10) Obgleich sich "Die Reise nach Sundevit" und das Verhalten des kindlichen Helden sicherlich auch noch anders interpretieren lassen, zumal die Hilfsbereitschaft eines Kindes und seine Sehnsucht nach Spielgefährten (als Sohn eines Leuchtturmwärters ist Tim oft allein) nicht nur Eigenschaften oder Wünsche eines sozialistisch erzogenen Kindes repräsentieren, so verweist dieser Film auch auf ein Problem, das von grundsätzlicher Bedeutung ist; gemeint ist die Frage nach dem positiven Helden, nach der Vorbildfunktion des Helden.

3. Geschichte der Arbeiterklasse

". . . Für den Kinderfilm steht als höchste Forderung, der heranwachsenden jungen sozialistischen Generation Heldenbilder zu formen, die im Sinne unserer sozialistischen Moralauffassung tiefe Leitbilder vermitteln. Es geht beim sozialistischen Kinderfilm um das Problem der Vorbildfunktion des Helden." *(11) *(9)

Vlg. Jahrbuch des Films, 1958, S. 3 6 / 3 7 ; Film, Fernsehen, Filmerziehung, H e f t 2, 1966 S. 4 7

* ( 1 0 ) Ursula Geisler, V o n "Irgendwo in Berlin" bis " D i e Reise nach Sundevit" - Maßstäbe in 2 0 Jahren DEFA-Jugendspielfilmschaffen, in: Film,Fernsehen,Filmerziehung, Heft I, 1966, S. 7 * ( 1 1 ) H. Häntzsche, in: Film, Sonderheft, 1 9 6 2 , S. 17

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Wie kaum eine andere bietet die an tatsächlichen oder erdachten historischen Ereignissen orientierte Filmgattung Gelegenheit, dem Zuschauer Vor- und Leitbilder zu präsentieren, an denen er sein eigenes Verhalten und Denken messen kann und denen er nacheifern soll. Diese Vorbildfunktion müssen aber nicht nur die Helden historischer Filme, sondern gleichermaßen auch die aller anderen Filme erfüllen und zwar unabhängig vom Genre. Der sozialistische Realismus und alle daraus für die Gestaltung und den Inhalt der Massenmedien resultierenden Forderungen besitzen für den Kinderfilm die gleiche Verbindlichkeit wie für alle anderen künstlerischen Aussagen, d.h. allen Aussagen von Massenkommunikationsmitteln. Die Kinderfilme der DEFA haben diese Prinzipien nicht immer streng genug befolgt. Sie mußten sich deshalb auch den Vorwurf gefallen lassen, daß sie in ihrer Mehrzahl noch "keinen wesentlichen Beitrag zur sozialistischen Erziehung" geleistet hätten. Denn "eine nur allgemein-humanistische Parteinahme macht nicht das Wesen der sozialistischen Kunst aus. A u f einer marxistischen Position steht nur, wer die Parteilichkeit in der Kunst bis zur kämpferischen Parteinahme gegen das System des Imperialismus, für den SozialismusKommunismus ausdehnt." *(12) Zum Thema positiver Held bemerkt Ackermann:". . . Wer will bestreiten, daß es in der Masse des Volkes, in der Arbeiterklasse und ihrer Partei nicht nur vereinzelt, sondern massenhaft großartige Menschen, vorbildliche Kämpfer für die gute Sache gibt, Menschen, bei denen die positiven Eigenschaften das Wesentliche, die Hauptsache, das für diese Individualität Typische sind, während ihre einzelnen Fehler und Schwächen das Unwesentliche, Nebensächliche, für sie Nichttypische sind. Dies eben ist der dialektische Begriff der Gestalt des positiven Helden für die Kunst, der in unserem Leben. . . überall anzutreffen ist und dessen meisterhafte Gestaltung in echten Kunstwerken so dringend gefordert wird, weil natürlich das anfeuernde positive Beispiel von der größten erzieherischen Wirkung sein wird, weil besonders unsere Jugend das Vorbild des sozialistischen Menschen braucht, um selbst zu sozialistischen Menschen werden zu können." *(13) Unter dem Stichwort "sozialistische Parteilichkeit" und "positiver Held" sind vor allem 6 Spielfilme einzuordnen, deren Handlung in der Vergangenheit angesiedelt ist und die sich mit Einzelschicksalen oder -aspekten der Geschichte der Arbeiterbewegung befassen. Der erste Film, der sich diesem Thema widmete, war "Sie nannten ihn Amigo" (1958) von Heiner Carow. Dieser Film genießt in der DDR, neben "Die Reise nach Sundevit", die höchste Wertschätzung, da hier "zum ersten Male im Kinderfilm das Ideal eines kommunistisch denkenden und handelnden Jungen künstlerisch vollendet gestaltet" *(14) wurde. Amigo, der dreizehnjährige Junge und Sohn eines von den Nazis verfolgten Kommunisten, wurde zum Inbegriff des kämpferischen, positiven Helden. *(12) A n t o n Ackermann, Zur Parteilichkeit in der Filmkunst, in: Einheit, Heft 4, April 1958. *(13) Ebda. *(14) Ursula Geisler, a.a.O., S. 60

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Entwicklung der Filmproduktion

Die überragenden Charaktereigenschaften dieser Figur prädestinieren sie dafür, Vorbild und Märtyrer zugleich zu sein. Amigo deckt und versteckt einen entflohenen KZ-Häftling, einen Kommunisten, der einen wichtigen Auftrag zu erfüllen hat. Amigos freiwillig und aus Überzeugung übernommene Aufgabe wird dadurch erschwert, daß er sich dem aufgrund seiner Weltanschauung ständig gefährdeten und verfolgten Vater nicht anvertrauen kann, daß der Flüchtling es zunächst ablehnt, sich von einem Jungen helfen zu lassen, und daß er gleichzeitig noch seinen Freund, dessen Vater ein kleinbürgerlicher und feiger Mitläufer ist, für sich gewinnen, d.h. von der Richtigkeit seines Tuns und Denkens überzeugen muß. So wird Amigo nicht nur zum Widerstandskämpfer, der die Notwendigkeit des Kampfes gegen das NS-Regime erkannt hat, sondern auch zum Klassenkämpfer, der aus der Überlegenheit seiner politischen Weltanschauung die Kraft zum Handeln gewinnt. Alle nachfolgenden Filme mit gleicher oder ähnlicher Thematik mußten es sich gefallen lassen, an "Sie nannten ihn Amigo" gemessen zu werden. Nur selten allerdings fiel dieser Vergleich positiv aus. Während bei Siegfried Menzels Film "Kuttel" (1961) die pädagogisch-didaktische Direktheit der Gestaltung und Aussage, die zum Mißlingen des Films wesentlich beitrugen, bemängelt wurden, setzte sich im darauffolgenden Jahr Konrad Petzold mit seinem Film "Die Jagd nach dem Stiefel" (1962) der Kritik aus, weil "er sein politisches Engagement durch vordergründige, abenteuerlich-kriminalistische Momente verdeckte. Zwei Jahre später behandelte Petzold abermals einen historischen Stoff ("Das Lied vom Trompeter", 1964). Wenngleich er auch durch die episodenhafte Aneinanderreihung von Details aus dem Leben des Arbeiterjungen Fritz Weineck, der sich für Ernst Thälmann geopfert haben soll und in revolutionären Liedern und Romanen fortlebt, dem Bedürfnis des Publikums nach romantischer Verklärung von Helden entgegenkam, so konnte dies kaum über die oberflächliche und rein illustrative Gestaltung des Stoffes hinwegtäuschen. Ähnliches gilt auch für Zschoches Film "Engel im Fegefeuer" (1964). Auf Ereignisse, die vor der nationalsozialistischen Machtergreifung liegen, greift auch Walter Beck zurück. In seinem Film " A l s Martin 14 war" (1964) stellt er den Entwicklungsprozeß dar, den ein politisch zunächst indifferenter Dorfjunge während des Kapp-Putsches (1920) auf dem Weg zum klassenbewußt handelnden Revolutionär durchmacht. Äußere Umstände und das Vorbild des Bruders zwingen Martin, sich seiner Situation bewußt zu werden und Partei zu ergreifen für die Ziele der Revolutionäre, für deren Verwirklichung er sich mit jugendlichem Fanatismus einsetzt. Mögen für das Verhalten Martins zunächst auch nur Neugier und Abenteuerlust bestimmend gewesen sein, so reift er im Verlauf der abenteuerlichen Handlung; er wächst über sich hinaus und übernimmt schließlich alle Funktionen eines positiven Helden, der als

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Vorbild die optimistische Tendenz des Films zu unterstreichen hat.

4. Abenteuerliche Stoffe mit kriminalistisch-politischer Tendenz

Obgleich bei der Themenplangestaltung des Spielfilm-Studios der D E F A zeitweilig Agentenfilme mit entsprechender politischer Tendenz eine große Rolle spielten, gewannen sie im Bereich des Kinderfilms kaum Bedeutung. Zwar entsprach der erste Film, den die seinerzeit neu geschaffene Kinderfilm-Produktionsgruppe schuf, diesem Genre, aber das Lob, das ihm aufgrund seiner "hochstehenden moralischen Konzeption" *(15) gezollt wurde, hielt nicht lange an. Zeitgenössische Kritiker sahen in " D a s geheimnisvolle Wrack" (1954) von Herbert Ballmann einen Aufruf zur Wachsamkeit gegenüber feindlich gesinnten Saboteuren und Agenten. Ferner glaubten sie, daß der Film sich besonders gut eigne, um auf die verantwortungsvolle und nicht immer leichte Arbeit der Volkspolizei hinzuweisen. *< 16) Später wurde die Geschichte von den Kindern, die einen westlichen Agentenring aufspüren und dazu beitragen, daß er auffliegt, sehr viel kritischer eingeschätzt. "Die Schöpfer des Films unterlagen aber nicht nur Tendenzen einer schematischen und gesellschaftliche Widersprüche verkleinernden Konzeption des Geschehens..., sondern deutlich ablesbar ist eine bewußte Vereinfachung der 'Welt der Erwachsenen' erfolgt... Da die Schöpfer offensichtlich einfache und dem 'kindlichen Verständnis angemessene' Typen statt Charaktere anstrebten, werden diese beiden (die Saboteure) zu Bösewichtern a priori, die ohne erkennbare subjektive und objektive politische wie psychologische Motivierungen ihre Anschläge vorzubereiten bemüht sind." *(17) Der nächste Film, "Alarm im Zirkus" (1954) von Gerhard Klein, war zeitlich und gesellschaftlich bereits klarer fixiert und gilt, trotz zugegebener dramaturgischer und gestalterischer Schwächen, als richtungsweisend für den Kriminalfilm für Kinder. Die Drehbuchautoren hingen ihre abenteuerliche Geschichte an einem tatsächlichen Vorfall auf: Nach seiner Enteignung hatte der ehemalige Besitzer des Zirkus "Barley"von West-Berlin aus versucht, in den Besitz seiner Pferde zu gelangen. Diesen Vorfall nahmen Autoren und Regisseure zum Anlaß, um Jugendprobleme in der geteilten Stadt darzustellen und um zu zeigen, welche katastrophalen Zustände in dem unter negativem amerikanischen Einfluß stehenden Westen der Stadt herrschten. Zur wirkungsvollen Betonung * ( 1 5 ) Vgl., Kleine Enzyklopädie des Films, Hrsg.von Albert Wilkening, Heinz Baumert, Klaus Lippert, Leipzig, 1966, S. 290 *(16) Vgl., Neue Filmwelt, Nr. 11, 1953 * ( 1 7 ) Film,Fernsehen, Filmerziehung, Heft I, 1966.S. 12 f

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Entwicklung der Filmproduktion

ihrer Beweisführung lassen sie einen amerikanischen Soldaten und einen zweifelhaften Barbesitzer als Drahtzieher des geplanten Verbrechens auftreten, das selbst dann von einer Bande verwahrloster Halbstarker ausgeführt werden soll. Mit dem Berlin-Thema befaßten sich auch noch zwei weitere Filme: "Sheriff Teddy" (1957) von Heiner Carow und "Berlin - Ecke Schönhauser" (1957) von Gerhard Klein. "Sheriff Teddy" handelt von den Schwierigkeiten und Konflikten eines West-Berliner Jungen, dessen Eltern in dein anderen Teil der Stadt übersiedeln und der sich in seiner neuen Umgebung zunächst nicht zurecht findet. Obwohl der junge Pionier Andreas sich redlich um Kalle bemüht, geht dieser in den Westen zurück. Erst als Kalle von seinem Bruder dazu mißbraucht werden soll, ihm bei einem Einbruch in Ost-Berlin zu helfen, und er von Andreas davor bewahrt wird, auf die schiefe Bahn zu geraten, gelangt Kalle zur Besinnung. Carows Film löste eine lang anhaltende Diskussion aus, die sich insbesondere an der Frage positiver oder negativer Held entzündete. Carow selbst war es schließlich, der die Urteile der Kinderfilmkommission bei der Spielfilmkonferenz (1958) zusammenfaßte und feststellte: "Diese Filme ("Sheriff Teddy", "Berlin - Ecke Schönhauser" u.a.) helfen bis zu einem gewissen Grade aktiv, Probleme unseres sozialistischen Aufbaus zu lösen. In ihnen wurde versucht, das Alltagsleben darzustellen. Ihr großer Mangel ist aber, daß sie unsere gesellschaftliche Entwicklung nicht als revolutionären Prozeß gestalten. Dadurch gelangen sie zu einer defensiven Gestaltung der Überlegenheit unserer Gesellschaftsordnung. Damit sind diese Filme im Endeffekt nicht realistisch." *(18) Dieser als "zeitbedingt" bezeichneten Auffassung wurde später energisch widersprochen, indem der Film als ein "Meilenstein in der Entwicklung des sozialistisch-realistischen deutschen Jugendfilms" *(19) bezeichnet wurde. "Ohne den für die damalige Zeit fast obligatorischen Ausgang in einer Demonstration oder ähnlichem offenbaren sich sozialistische Parteilichkeit und Optimismus in einer überzeugenden Lösung des Konflikts als historische Notwendigkeit. Einmal mit unserer sozialistischen Welt konfrontiert, muß ein Junge wie Kalle, der nicht Bequemlichkeit sucht, sondern das Leben, in dem er sich als Held beweisen kann, den Weg zu ihr finden, sofern ihm verständnisvolle Hilfe geboten wird." *(20)

Gerhard Klein, der Regisseur von "Alarm im Zirkus", widmete sich in seinen Filmen "Eine Berliner Romanze" (1956, Liebesgeschichte im geteilten Berlin) und "Berlin - Ecke Schönhauser" (1957) immer wieder Fragen, die sich aus der *(18) Deutsche Filmkunst, Beilage zu Heft 11, 1958, S. 369 *(19) Film, Fernsehen, Filmerziehung, Heft I, 1966, S. 18 *(20) Film, Sonderheft, 1962,S. 44 f

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besonderen Situation Berlins heraus entwickelten. Da Klein aber in "Berlin Ecke Schönhauser" die Schicksale negativer Helden gestaltete und seine Geschichte nicht optimistisch, sondern eher pessimistisch enden ließ, entfernte er sich allzusehr von den Gesetzen des sozialistischen Realismus; denn "die Auswahl der zu den wesentlichen Figuren gemachten Menschen und der künstlerischen Mittel zu ihrer Darstellung reicht nicht aus, die gestellte Aufgabe im Sinne des sozialistischen Realismus zu erfüllen." *(21 > Als letzter Streifen in der Gruppe der Agentenfilme bzw. Filme mit kriminalistischer und politischer Tendenz ist "Der Moorhund" (1960) von Konrad Petzold zu erwähnen. Im Mittelpunkt des Films steht ein Junge, der beim Besuch seines Vaters, eines Offiziers der Grenzpolizei, das Geheimnis des "Moorhundes" aufdecken und einen scheinbar harmlosen Fischer der Agententätigkeit überführen kann. Die naive Konstruktion der Handlung bedingte erhebliche Einwände. So urteilte das "Jahrbuch des Films" (1960, Seite 43): "Sicherlich ist der Film spannend, aber die Spannung ist letzten Endes aufgesetzt und äußerlich.. . Demgegenüber (gemeint sind die Spannungsmomente) stehen viele UnWahrscheinlichkeiten, die die Glaubwürdigkeit der Fabel einschränken. Schon allein die Tatsache, daß der Junge am ersten Tag seines Ferienaufenthaltes den seit Monaten von den Grenzpolizisten gesuchten Moorhund findet, wirkt gewaltsam konstruiert. Ganz abgesehen davon erscheint die pädagogische Konzeption dadurch völlig verworren, daß erst durch eine streng verbotene Handlung (das Betreten des Grenzwaldes durch den Jungen) das Aufspüren des Agenten möglich war."

5. Abenteuerliche oder abenteuerlich-phantastische Stoffe

Eine strenge Trennung zwischen dieser Gruppe von Filmen, die an der DEFAKinderfilmproduktion einen Anteil von rund 20 % hat, und beispielsweise dem Genre des modernen Märchens ist nicht möglich. Vielfältige Überschneidungen sind nicht nur denkbar, sondern auch natürlich, da sich mühelos selbst noch in jenen Filmen, die hier unter den Stichworten "Alltagserlebnisse" oder "Neue Gesellschaft" zu erfassen versucht wurden, sowohl abenteuerliche als auch abenteuerlich - phantastische Handlungselemente nachweisen lassen. Die Grenzen zwischen den Filmgattungen sind fließend - auch im Kinderfilm. Nur selten gelingt eine eindeutige Fixierung, zumal jede Klassifizierung zumindest in die Nähe einer Interpretation gelangt. * ( 2 1 ) Alexander Abusch auf der Spielfilmkonferenz, zitiert nach: Film, Fernsehen, Filmerziehung, Heft I, 1966, S. 15

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Entwicklung der Filmproduktion

Rückblickend lassen sich die ersten drei Filme der zunächst noch sporadischen Kinderfilmproduktion der D E F A dem abenteuerlichen Genre zuordnen, wenngleich sie sich in erster Linie auch um die Darstellung allgemein menschlicher und zeitbedingter Probleme bemühten. Es ist selbstverständlich, daß weder "Irgendwo in Berlin" (1946) von Gerhard Lamprecht, noch " 1 - 2 - 3 Corona" (1948) von Hans Müller oder " D i e Kuckucks" (1949) von Hans Deppe als typisch sozialistische Filme anzusprechen sind. Sie entstanden in den Gründungsjahren der D E F A und zu einer Zeit, in der auch in der Sowjetischen Besatzungszone die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse noch keineswegs endgültig waren. Folglich ist es ungerechtfertigt, daß diesen Filmen später zum Vorwurf gemacht wurde, daß sie sich "auf ein 'Ja' zum Leben überhaupt beschränken" und daß sie es offenließen, "wie dieses Leben sozialökonomisch bestimmt sein sollte" bzw. daß "sie wesentliche nationale Fragen (wie " D i e Kuckucks") falsch beantworteten."*(22) Mag sein, daß die dramaturgischen Mittel, deren sich diese Filme bedienten, und ihre optimistischen, lebensbejahenden Lösungen, die sie anboten, sehr einfach waren und an bestimmte Ufa-Traditionen erinnerten, aber zur Zeit der Entstehung der Filme nahm daran noch niemand Anstoß. Die Verbindung von abenteuerlichen und phantastischen Elementen gehört zu den großen, ungelösten Problemen des DEFA-Kinderfilms. Die meisten Filmschöpfer, die das Experiment wagten, scheiterten, da sie den Sprung vom Realen zum Phantastischen nur ungenügend oder gar nicht bewältigen konnten, da sie die künstlerische Überhöhung zwar meinten, aber nicht erreichten. Das gilt sinngemäß auch für die sogenannten modernen Märchen. Die offizielle Kritik hat die Mehrzahl dieser Filme schweigend übergangen. Und sofern sie überhaupt einmal erwähnt wurden, so dienten sie als negative Beispiele, an denen sich sowohl künstlerisches ("Die Achatmurmel", 1959, Regie: Bärbel Bergmann) als auch politisches oder ideologisches Versagen ("Abenteuer in Bärnsdorf", 1958, Regie: Konrad Petzold) demonstrieren ließ.

6. Zusammenfassung und Ausblick

Die Darstellung der Entwicklung und Struktur des Kinderfilms in der D D R zeigt, welche Bedeutung die Partei, der Staat oder die Gesellschaft dieser speziellen Filmgattung beimessen und welche enormen Anstrengungen unternommen werden, damit der Kinderfilm immer mehr und immer besser die ihm auferlegten erzieherischen Funktionen erfüllen kann. Die strukturellen und materiellen Voraussetzungen dafür sind gegeben. Während die Besucherzahlen der Kinos ständig abnehmen, wächst der Anteil von Kinderfilmvorführungen, wachsen die Besucherkontingente, * ( 2 2 ) Vgl., Kleine Enzyklopädie des Films, a.a.O.,S. 4 2 6

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die Kinder und Jugendliche stellen. Im Verlauf der zwölf Jahre, die seit der Gründung spezieller Kinder- und Jugendfilm-Produktionsgruppen innerhalb der DEFA-Studios vergangen sind, konnte sich der Kinderfilm in der D D R eine Stellung erobern, die vergleichbar eigentlich nur noch der des sowjetischen Kinderfilms ist. Diese beispiellose Entwicklung ist in erster Linie allerdings nicht das Verdienst einsichtiger Pädagogen oder überragender filmischer Leistungen, vielmehr wurde sie ermöglicht und wird sie getragen von dem vielfach erklärten Willen der Regierung und der Partei, möglichst weitreichenden Einfluß auf die Erziehung, Bildung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen auszuüben. Folgerichtig wurden deshalb in der D D R gewaltige Anstrengungen unternommen, um das gesamte schulische und außerschulische Erziehungs-und Bildungswesen im Sinne einer sozialistischen Erziehung und Bildung von Grund auf zu erneuern, umzubilden und wirkungsvoller zu gestalten. Es war deshalb nur konsequent, daß die Massenmedien aufgrund ihrer Verbreitung und der von ihnen ausgehenden Faszination von vornherein in die ideologische und erzieherische Gesamtkonzeption mit aufgenommen und daß ihnen gleichzeitig auch festumrissene Aufgaben zugewiesen wurden: sie sollten und sollen der Erziehung des sozialistischen Menschen dienen, d.h. sie sollen helfen, den bewußt sozialistisch denkenden und handelnden Menschen zu erziehen. Gegenüber der Forderung, den Film - auch den Kinderfilm - primär in den Dienst des Aufbaus und der Verteidigung einer neuen Gesellschaftsordnung zu stellen, in ihm ein Mittel zur Propagierung der sozialistischen Moral und Ethik zu sehen und ihn ggf. auch als ein Mittel politischer Agitation einzusetzen, vermochten sich die Erkenntnisse von der zentralen Funktion der Massenkommunikationsmittel nur bedingt durchzusetzen. Nachdem auf der fünften Plenarsitzung des Z K der S E D (März 1951) für alle Bereiche der Kunst der sozialistische Realismus als das allein gültige Schaffensprinzip und der allein gültige Maßstab für die Bewertung von künstlerischen Aussagen proklamiert worden war, war es undenkbar, daß Filme - ohne sich heftiger öffentlicher Kritik auszusetzen - nur aus der Absicht heraus entstanden, Unterhaltung, Entspannung oder Abwechslung zu bieten. Der sozialistische Realismus ist nicht unbedingt ein Gestaltungsprinzip, er bezeichnet vielmehr eine bestimmte, politisch oder weltanschaulich zu begründende Grundeinstellung. So gehört die Darstellung klassenbewußter, kämpferischer und fortschrittlich gesinnter Menschen genauso zu den Maximen des sozialistischen Realismus wie der Sieg des Kollektivs über Egoismus und Individualismus. Indifferenz gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen und politischen Ereignissen läßt der sozialistische Realismus nicht zu. Er verlangt nach Parteilichkeit und nach der Gestaltung positiver Helden. " E r richtet" - wie es Hermann Axen einmal formulierte - "sein Hauptaugenmerk auf das Neue, das Wachsende, auf die positiven Erscheinungen des Lebens; positiv im Sinne des Kampfes um Frieden, Einheit, Demokratie, natio-

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Entwicklung der Filmproduktion

nale Unabhängigkeit und Sozialismus. Indem er das Neue, Wachsende, Positive in den Mittelpunkt der künstlerischen Darstellung rückt, wird der sozialistische Realismus zum Träger und Verkünder der höchsten Ideen, besitzen die Kunstwerke des sozialistischen Realismus den höchsten Ideengehalt." (23)

*(23) Herman Axen, Für den Aufschwung der fortschrittlichen deutschen Filmkunst, in: Neues Deutschland vom 18. 9. 1952

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Großbritannien

I. Entwicklung der britischen Filmproduktion Bis zum Ausbruch des II. Weltkrieges stand die britische Filmproduktion völlig im Schatten Hollywoods. Amerikanisches Kapital, amerikanische Firmen und Filme beherrschten den britischen Markt. Der einheimische Spielfilm, für den das Quota-Gesetz (vergl. Kapitel über Filmförderung) nur einen relativ wirkungslosen Schutz darstellte, unterlag entweder der erdrückenden Konkurrenz oder aber versuchte, wie Alexander Korda mit seinen Produktionen, sich mit aufwendigen Ausstattungsfilmen ihr weitgehend anzupassen. Der Ausbruch des Krieges veränderte schlagartig die Situation des britischen Films und stellte ihn vor neue Aufgaben und Probleme. Während Hollywood seine Friedensproduktion noch bis zum Beginn des Kriegseintritts der USA fortsetzte, wandte sich das britische Publikum mehr und mehr von diesen Filmen ab, da sie seinen Bedürfnissen entgegengesetzt waren. Unter dem Druck der Ereignisse begannen sich die amerikanischen Firmen vom britischen Markt zurückzuziehen. Dies war der Anfang einer der schwierigsten,aber auch fruchtbarsten Perioden der britischen Filmwirtschaft. Die Regierung erkannte die propagandistische Möglichkeit einer nationalen Filmproduktion und förderte zunächst direkt (Empire Marketing Board und General Post Office und später dann Informationsministerium) und indirekt (durch Aufträge staatlicher Stellen) die Herstellung von Dokumentarfilmen und Reportagen. Der Aufschwung des Dokumentarfilms blieb auch auf den Spielfilm nicht ohne Einfluß. Zwar vollzog sich die Anpassung an die veränderten Zeitumstände und die sich wandelnden Bedürfnisse des Publikums beim kommerziellen Film langsam, aber auch er verschloß sich nicht länger den durch den Krieg geschaffenen Realitäten, begann, sich politischen, sozialen und menschlichen Fragen zu widmen und aktuelle Stoffe zu bearbeiten. Auf diese Weise gewann der britische Spielfilm nicht nur deutlich erkennbare nationale Züge, sondern widmete sich zugleich auch mit einem bis dahin unbekannten Ernst seinen neuen Aufgaben. Zwischen 1942 und 1945 erlebte der dokumentarische Spielfilm, der die Kriegsereignisse weder heroisierte noch ihnen auszuweichen versuchte, eine kurze Blütezeit. Einen wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung des britischen Spielfilms nahm in diesen Jahren ein einziger Mann: Joseph Arthur Rank. Rank, der als Mühlenbesitzer und Getreidehändler zum Millionär avanciert war, entdeckte bereits in den Vorkriegsjahren seine Liebe zum Film, zumal er in ihm ein geeignetes Propagandamittel für die Methodistenkirche sah. Zwischen 1939 und 1941 erwarb Rank die beiden führenden Filmtheaterketten Odeon und Gaumont-British mit zusammen über 600 Filmtheatern, darunter die meisten Großkinos. Für Rank aber war dies erst der Anfang. Gegen Ende des Krieges gehörten der Rank Organisation die

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Entwicklung der Filmproduktion

Hälfte aller Ateliers und etwa 60 % des kommerziellen Filmverleihs. Ihr Einfluß beschränkte sich aber nicht nur auf alle Zweige der britischen Filmindustrie. Rank erwarb oder errichtete in Europa und in den Dominions Filmtheater und faßte vorübergehend auch in den U S A und in Hollywood Fuß. Diesen Vorstoß auf den Weltmarkt mußte Rank allerdings teuer bezahlen. U m sich gegenüber den Monumentalfilmen der großen amerikanischen Konzerne behaupten zu können, finanzierte Rank kostspielige Kostümfilme, die in Großbritannien ihre Herstellungskosten nicht einspielen konnten und auf dem internationalen Markt von der amerikanischen Konkurrenz geschlagen wurden. Millionenverluste und politischer Druck zwangen Rank schließlich, seine Beteiligung an ausländischen Unternehmen aufzugeben und sich auf den einheimischen Markt zurückzuziehen. Als 1950 die Quote zum Schutz des britischen Films von 40 % auf 20 % wieder gesenkt wurde, wurde damit der Schlußstrich unter eine Periode des materiellen und künstlerischen Aufschwungs gezogen. Abgesehen von einigen Lustspielen mit typisch britischem Humor, die auch internationale Anerkennung fanden, versank der britische Film in Mittelmäßigkeit. Selbst die Dokumentaristen und Regisseure dokumentarischer Spielfilme, die in der Kriegs- und Nachkriegszeit so etwas wie eine "englische Schule" gegründet hatten, vermochten an ihre früheren Erfolge nicht mehr anzuknüpfen. Eine Erneuerung des britischen Spielfilms zeichnete sich erst Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre ab. Die besten Filme der jüngeren Regisseure wie Karel Reisz, Lindsey Anderson und Tony Richardson knüpften an die Tradition des britischen Dokumentarfilms an, wenngleich sie sich zwangsläufig auch anderen Themen widmeten als die Filme der vierziger Jahre. Die jungen Regisseure, die ihre Laufbahn mit Kurzfilmen begonnen hatten, zeigten in den Jahren 1956 und 1957 im National Film Theatre des British Film Imstitute erstmals eine Auswahl von Filmen, die unter dem Motto "Free Cinema" angekündigt wurden. Später wurde "Free Cinema" der Name der Erneuerungsbewegung, die parallel zu ähnlichen Bemühungen im Bereich des Theaters und der Literatur verlief. Die Zusammenarbeit zwischen diesen verschiedenen Gruppen lag nahe und wurde schließlich dadurch begünstigt, daß der Dramatiker John Osborne 1958 die Woodfall-Produktion ins Leben rief, bei der die meisten Filme der jungen Regisseure hergestellt wurden.

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Großbritannien

II.

Entwicklung der britischen Kinderfilmproduktion

Fast zwei Jahrzehnte lang stand Großbritannien in dem Ruf, einer der führenden Kinderfilmproduzenten der Welt zu sein. Großbritannien war in der Nachkriegszeit und ist es noch heute, sieht man von den gescheiterten Bemühungen westdeutscher Produzenten einmal ab, das einzige nichtsozialistische Land, das über eine nennenswerte und kontinuierliche Spielfilmproduktion für Kinder verfügt. Die britischen Kinderfilme fanden eine beispiellose internationale Verbreitung, die sich keineswegs nur auf die Englisch sprechenden Länder beschränkte. Diese Verbreitung begründete letztlich nicht nur die enorme Popularität des britischen Kinderfilms im In- und Ausland, sondern machte auch die zahllosen Versuche, das Erfolgsrezept des britischen Kinderfilms zu kopieren, verständlich. Ohne Übertreibung läßt sich deshalb heute feststellen, daß Großbritannien die Entwicklung des internationalen Kinderfilmschaffens der Nachkriegszeit entscheidend beeinflußt hat. Dabei wird im einzelnen allerdings noch zu untersuchen sein, ob dieser Einfluß grundsätzlich positiv oder negativ war, d.h. welche Wirkungen er auslöste und zu welchen Ergebnissen sie führten. Aber nicht allein die weltweite Verbreitung und Popularität britischer Kinderfilme und damit verbundener Namen veranlaßten uns, Großbritannien in diese Untersuchung einzubeziehen. Der britische Kinderfilm ist nicht nur inhaltlich und formal, sondern darüber hinaus auch organisatorisch und wirtschaftlich gesehen völlig eigene Wege gegangen. Ursprünglich war er der Ableger einer mächtigen privaten Filmfirma, dann begann er, sich von einem einzigen Unternehmen zu lösen und sich parallel zum kommerziellen Film zu entwickeln. Obgleich diese Parallelität bis heute förmlich erhalten blieb, hat der britische Kinderfilm im Verlauf seiner Entwicklung so sehr an Eigenleben gewonnen, daß er zwar als eine fest etablierte, aber auch vollständig isolierte Erscheinung innerhalb des britischen Filmschaffens gewertet werden muß. Nur so ist das praktisch einmalige Phänomen zu erklären, daß der britische Kinderfilm auf eine fast absolut gradlinig verlaufende historische Entwicklung zurückblicken kann, daß er weder quantitativ noch qualitativ extremen Schwankungen unterworfen war und weder auf die Krisen noch auf die Erneuerungstendenzen innerhalb der übrigen Filmproduktion reagierte oder zu reagieren brauchte. Sieht man von der Veränderung des Zeitgeschmackes einmal ab, so hat der Kinderfilm dieses Landes selbst im Verlauf von zwei Jahrzehnten keine entscheidenden und auf den ersten Blick hin sichtbaren Veränderungen durchgemacht; er hat sich als das stabilste, konstanteste und krisenunanfälligste Element der britischen Filmproduktion erwiesen. O b hierin allerdings ein besonderer Vor- oder aber Nachteil gesehen werden muß, soll gleichfalls Gegenstand dieser Untersuchung sein. Großbritannien verfügt noch heute über eine kontinuierliche und voll subven-

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Entwicklung der Filmproduktion

tionierte Kinderfilmproduktion. Diese Tatsache stellt insofern eine einzigartige oder beispiellose Erscheinung dar, als Staat und Gesellschaft sich zwar verschiedentlich und eingehend mit den Problemen "Kind und Kino" befaßt haben und mit konkreten Wünschen und Vorstellungen der Filmproduktion gegenübertraten, aber dennoch zu keinem Zeitpunkt den Versuch unternahmen, durch direkte oder indirekte Subventionen, durch Bürgschaften, Prämien oder andere finanzielle Vorteile Einfluß auf die allgemein als wichtig und notwendig angesehene Kinderfilmproduktion auszuüben.

1. Anfänge der Kinderfilmproduktion (1944 - 1950)

Die Entstehung einer speziellen Filmproduktion für Kinder in Großbritannien ist eigentlich auf einen im Bereich der Industrie höchst selten anzutreffenden Umstand zurückzuführen. Während normalerweise für ein neues Produkt erst ein Absatzmarkt gesucht oder geschaffen werden muß, war in Großbritannien lange bevor überhaupt der erste Kinderfilm entstand, bereits ein mehr oder weniger gut organisierter Absatzmarkt vorhanden. Gemeint ist damit nicht das überall und zu jeder Zeit vorzufindende potentielle Publikum für Kinderfilme, d.h. die-Gesamtzahl der im Idealfall betroffenen und ansprechbaren Kinder. Gemeint ist damit vielmehr die für das Entstehen und die Weiterentwicklung der britischen Kinderfilmproduktion so bedeutsame Existenz von Matinnee - Vorstellungen für Kinder einerseits und speziellen Kinderfilm - Clubs andererseits. Bereits 1927 erließen die im Granada - Filmtheaterring zusammengeschlossenen Kinos einen Aufruf mit folgendem Wortlaut:" An Eltern und Lehrer. Wir wissen, daß Ihnen die Absicht Ihrer Kinder, alle Erwachsenen - Filme zu besuchen, nicht gefällt. Wir haben deshalb beschlossen, am Samstagmorgen spezielle Filmprogramme für Kinder zu zeigen. Wir versichern Ihnen, daß wir Ihren Kindern nur solche Filme zeigen werden, die sowohl wirklich belehren als auch unterhalten werden - saubere, gesunde Filme, die ihnen nur Gutes tun wollen." *(1) So entstanden auf der Basis des in Großbritannien weit verbreiteten, traditionellen Club - Gedankens die ersten Kinderfilm - Clubs, d.h. von den Filmtheatern und auch in ihrem eigenen Interesse eingerichtete Clubs für Kinder, deren vornehmlichste Aufgabe darin bestand, Kinder mit mehr oder weniger für sie geeigneten Filmen zu unterhalten. Bald griffen den Gedanken der Granada Filmtheater auch die beiden großen zur Rank Organisation gehörenden Kino Ketten, Odeon National Cinema und Gaumont British Cinema, auf. 1939, *(1)

Children' s Film Foundation, London o.J.,S. 4

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Großbritannien

kurz nach Ausbruch des II. Weltkrieges, wurden alle Clubs geschlossen und auch die Matinee-Vorstellungen für Kinder eingestellt, da viele Kinder aus London und den größeren Städten des Landes evakuiert worden waren. Bei ihrer Wiedereröffnung im Jahre 1943 gewannen die Odeon National Cinema Clubs und die Gaumont British Junior Clubs schnell an Bedeutung, da die Schulen an Lehrermangel und Überfüllung litten und zahlreiche Kinder, deren Väter eingezogen waren und deren Mütter arbeiten gehen mußten, sich weitgehend selbst überlassen waren. So versammelten sich allein in den Odeon- und Gaumont - Clubs jeden Samstagvormittag annähernd 400.000 Kinder. Da es speziell für Kinder hergestellte Filme nicht gab, wurden in der Regel solche Filme gezeigt, die Kindern zumindest nicht schaden konnten. Vor diesem Hintergrund mußder historische Entschluß des damaligen Verwaltungsratsvorsitzenden der Odeon- und Gaumont - Filmtheater, J. Arthur Rank, gesehen werden, die Mittel und Möglichkeiten der weit verzweigten und mächtigen Rank Organisation für die Produktion von Kinderfilmen einzusetzen. "Seine ursprüngliche Idee war, für die Rank - Kino - Clubs wöchentlich einen Film von 10 Minuten Länge herstellen zu lassen, der eine Kindergeschichte mit starkem moralischen Akzent erzählen sollte - ein Programm von 52 Kurzfilmen im Jahr." *(2) Ausschlaggebend für die besondere erzieherische Absicht, die J.A.Rank mit den geplanten Kurzfilmen verfolgen wollte, war nicht zuletzt die Tatsache, daß sich Filmtheaterleiter in zunehmendem Maße über die mangelhafte Disziplin der Kinder und die ständig zunehmende Zahl kleiner Diebstähle beschwerten. Trotz der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, die Rank zur Verfügung standen, stieß die Verwirklichung seiner Idee auf mannigfache Schwierigkeiten. Die gesamte britische Filmindustrie war auf Kriegsproduktion eingestellt und mit Staatsaufträgen eingedeckt; das Rohmaterial war rationiert, und überall fehlte es an Personal. Innerhalb der Rank Organisation gab es allerdings eine Produktionsfirma, G.B.Instructional, die besondere Erfahrungen auf dem Gebiet der Herstellung von Unterrichts- und Dokumentarfilmen besaß. Obwohl auch diese Firma mit Aufträgen der Regierung und der Armee voll eingedeckt war, übergab ihr Direktor, H.Bruce Woolfe, im September 1943 einem seiner Regisseure ein Treatment mit dem Titel "The Bicycle". Dieses Treatment, das in Zusammenarbeit zwischen einer Drehbuchautorin und einigen Aufsehern des Kinder - Kino - Clubs entstanden war, charakterisierte Mary Field später als "eine moralische Belehrung, die nur durch sehr wenig Handlung abgemildert wurde." *(3) Da die Kino - Clubs den Film nicht nur spielen, sondern auch finanzieren sollten, mußten sie offiziell ihre Einwilligung dazu geben, daß die Filmhandlung um eine Verfolgungssequenz erweitert und in diesem Sinn attraktiver gestaltet werden konnte.

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*(2)

Mary Field, Good Company, London 1952, S. 2

*(3)

Mary Field, a.a.O., S. 3

Entwicklung der Filmproduktion

Die Dreharbeiten an "Tom' s Ride", wie der endgültige Titel lautete, der im Hinblick auf nie verwirklichte Fortsetzungen gewählt wurde, begannen im Oktober 1943 und zogen sich bis März 1944 hin. Die für einen nur 10 Minuten dauernden Film ungewöhnlich lange Drehzeit wirft ein bezeichnendes Licht auf die Schwierigkeiten, die es bei der Produktion des ersten britischen Kinderfilms zu überwinden galt. Der Film erzählt mit einem Minimum an Aufwand die Geschichte eines kleinen Jungen, der sich sehnsüchtig ein Fahrrad wünscht. Eines Tages findet Tom eine Brieftasche, in der sich eine fünf Pfund - Note befindet. Tom kämpft mit sich, ob er das Geld zurückgeben oder aber sich ein Fahrrad kaufen soll. Auf Veranlassung seiner Schwester macht Tom die Besitzerin der Brieftasche ausfindig. Er fährt ihr zum Bahnhof nach, so daß die Frau sich eine Fahrkarte kaufen kann, um bei der Ernennung ihres Sohnes zum Offizier durch den König anwesend zu sein. Der schlichte und ohne jede künstlerische Ambition gemachte Film hatte einen unerwartet großen Erfolg. Dieser Erfolg bestärkte J.Arthur Rank in seinem Entschluß. Er erteilte Mary Field *(4) den Auftrag, innerhalb der Rank Organisation eine kleine Produktionsgruppe für Kinderfilme aufzubauen und die Realisierung seiner ehrgeizigen Pläne voranzutreiben. Rank, der Mary Field und ihren Mitarbeitern weitgehende Unabhängigkeit gewährte, stellte lediglich eine Grundforderung auf: die kontinuierliche Herstellung kurzer Unterhaltungsfilme für Kinder. Die mit dieser Forderung verbundenen Probleme mußten ein Team, das zwar mit Freude und innerer Überzeugung von der Bedeutung seiner Aufgabe an die Arbeit ging, aber über keinerlei praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Kinderfilmproduktion verfugte, nahezu überfordern, zumal die auf Kriegsproduktion umgestellte Filmindustrie langwierige Untersuchungen und Experimente nicht zuließ und auf die Erfahrungen anderer Länder aufgrund der besonderen Zeitumstände nicht zurückgegriffen werden konnte. *(5) "Was wir vorerst und vor allem brauchten, war Rat. Der Versuch, die Moral von 400.000 Kindern pro Woche zu beeinflussen, war eine zu große Anforderung für ein geschäftliches Unternehmen, so gut seine Absichten auch immer sein mochten. Vor uns hatten wir das warnende Beispiel, was Hitler und Mussolini zustande gebracht hatten, indem sie die deutsche und italienische Filmindustrie zu Propagandazwecken verwendeten."(Selbstverständlich war auch die Filmwirtschaft aller anderen, am Krieg beteiligten Länder in den Dienst der offiziellen Propaganda gestellt, wenngleich auch mit anderer Zielrichtung.).. ."So schlugen wir Mr.Rank die Bildung eines völlig unabhängigen und ehrenamtlich tätigen Nationalen Beirats *(4)

Mary Field war seit rund zwei Jahrzehnten bei G.B.Instructional beschäftigt. Sie war insbesondere auf dem Gebiet des Schul- oder Unterrichtsfilms tätig und hatte, bevor sie den Aufbau der Kinderfilm - Abteilung übernahm, die Stelle eines der Direktoren dieser Firma inne.

*(5)

Eine nennenswerte Kinderfilmproduktion hatte vor Beginn des II. Weltkrieges - mit Ausnahme von Deutschland - nur in der UdSSR bestanden. Diese Tatsache war aber

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Großbritannien

(National Advisory Council) vor, der uns bei unserer Arbeit beraten sollte."*(6) In dem bereits 1944 ins Leben gerufenen Beirat, der am 26. 9. 1944 erstmals zusammentrat, waren folgende staatliche Stellen und nationale Institutionen bzw. Organisationen vertreten: Ministry of Education (1944 - 1950) nur durch Beobachter vertreten Home Office (1944- 1950) Scottish Office (1944 - 1950) National Union of Teachers (1944 - 1950) British Broadcasting Corporation (1944 - 1947) Association of Education Commitees (1944 - 1950) National Association of Girl' s Clubs an Mixed Clubs (1944- 1950) National Association of Boys' Clubs (1944 - 1950) Christian Cinema Council (1944 - 1950) Library Association (1944 -1950) National Union of Townswomens' Guild (1944 -1950) National Federation of Womens' Institutes (1944 - 1950) The National Council for Mental Health (1947 - 1950) Commitee of Children' s Cinema Clubs (1947 - 1950) Präsidentin: Lady Allen of Hurtwood I Der Beirat hielt zwischen 1944 und 1950 insgesamt 58 Sitzungen ab.) *(5)

*(6)

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. . . im westlichen Ausland bis zum Beginn der 50iger Jahre, als die ersten sowjetischen Kinderfilme bei der Kinderfilm - Biennale in Venedig auftauchten, praktisch unbekannt. Mary Field, a.a.O.,5. 6 u. 7

Entwicklung der Filmproduktion

Bei der zweiten Sitzung des Beirats (Dezember 1944) legte der Vertreter des Innenministeriums (Home Office) ein Memorandum vor, in dem die zukünftigen Aufgaben des Beirats umrissen und abgegrenzt wurden. Das Memorandum verlangte die Errichtung einer einheitlichen Kinderfilmproduktion, damit die Filme bereits während ihrer Herstellung begutachtet und die Herstellung selbst ggf. beeinflußt werden konnte. Aber, obwohl sich die Zusammenarbeit zwischen Beirat und privatwirtschaftlich orientiertem Produzenten sehr harmonisch und für beide Teile fruchtbar gestalten ließ, erhielt der Beirat nie die in dem Memorandum des Innenministeriums vorgesehenen Kompetenzen. Hierfür gab es eine Reihe von Gründen. Einerseits mußte sich die Kinderfilm - Abteilung darauf beschränken, nach geeigneten Themen und Büchern Ausschau zu halten und die Verfilmung der Stoffe anzuregen. Die Herstellung der Filme selbst war nicht mehr Aufgabe der Kinderfilm • Abteilung, sondern wurde einer der vorhandenen Filmproduktionsfirmen übertragen. Andererseits muß man berücksichtigen, daß die Rank Organisation kein staatliches oder halbstaatliches, sondern ein privatwirtschaftliches Unternehmen war und ist, das zwar aufgrund eigener Initiativen ein beratendes Gremium geschaffen,aber gleichzeitig auch konkrete und völlig legale wirtschaftliche Interessen zu vertreten hatte.

2. Die ersten Kinderfilme

Da die Einrichtung einer Kinderfilmabteilung innerhalb der Rank Organisation mehr oder weniger einer spontanen Einsicht von J.Arthur Rank zu verdanken war, verfügte sie zunächst weder über ein fest umrissenes Programm noch über eine langfristige Planung. Die ersten Filme machen dies deutlich. G.B.Instructional drehte eine Art Kulturfilm, "Sally Sparrow at the Zoo", während G.B. Screen Services (auch diese Firma gehörte zum Rank - Konzern) einen Kurzfilm mit dem Titel "Sports Day" herstellte. Bei Wallace Production entstand "Our Club Magazine" und der Zeichentrickfilmproduzent Anson Dyer schuf den Trickfilm "Robbie Finds a Gun". Alle diese Filme waren nicht länger als 10 und maximal 15 Minuten. Die Beschränkung der Laufzeit war aus finanziellen und praktischen (Mangel an Rohfilm) Gründen notwendig. Soweit es sich um Reiseberichte, Kulturfilme, Trickfilme oder auch populärwissenschaftliche Lehrfilme handelte, reichte der Kurzfilm völlig aus. Hingegen zeigte sich bei der Herstellung von kleinen Spiel- und Fortsetzungsfilmen mit Spielhandlung sehr bald, daß es fast unmöglich war, in 10 oder 15 Minuten eine Handlung und Charaktere sich entfalten zu lassen. Dementsprechend waren "Tom' s Ride" und "Sports Day" ausgefallen: Die Darsteller wirkten steif und unbeholfen, die Handlung war nach dem simplifizierenden Muster krasser Schwarzweiß - Malerei gebaut.

207

Großbritannien

Verständlicherweise nahmen die Kinder an den technischen und gestalterischen Mängeln der Filme keinen Anstoß. Um so ernüchternder wirkte auf die Kinderfilm - Abteilung das Ergebnis der ersten öffentlichen Pressevorführung, die die Presseabteilung der Rank Organisation am 31. 5. 1944 in London veranstaltete. Öffentlichkeit und Presse reagierten kühl und reserviert. Die Kritik richtet sich vor allem dagegen, daß die Hersteller der Kinderfilme offenbar den Weg des geringsten Widerstandes gegangen waren, und daß sie die Moral ihrer Geschichte mit penetranter Aufdringlichkeit dem Publikum aufzuzwingen versuchten. Diese Kritik war verständlich und auch gerechtfertigt. Die Kinderfilm - Abteilung zog zumindest teilweise Konsequenzen aus ihr, indem sie sich eine neue Arbeitsformel stellte: "Alle unsere Filme sollten einen dokumentarischen Hintergrund haben. Die Moral sollte eher angedeutet als unterstrichen werden, wenngleich wir sie auch auf keinen Fall aufgeben wollten." *(7) Für 1945 war ein umfangreiches Produktionsprogramm vorgesehen. Es sollten Kurzfilme über landwirtschaftliche Fragen, die englischen Kanäle, die Niagarafälle sowie über natur- und völkerkundliche Themen gedreht werden. Ferner sollte eine Serie von kurzen Slapstick - Comedies entstehen. Begonnen wurde in Australien mit den Dreharbeiten zu dem Fortsetzungsfilm (8) "Bush Christmas" *(9) und in Süd - Devon mit den Arbeiten zu einem weiteren Fortsetzungsfilm, der allerdings nicht beendet werden konnte. Das gleiche Schicksal widerfuhr auch einigen der geplanten anderen Filmvorhaben, da die meisten Ateliers noch immer beschlagnahmt waren und die Kinderfilm - Abteilung als neue Produktionsgruppe bei der Zuteilung von Rohfilm nicht berücksichtigt werden konnte. Da die von der Kinderfilm - Abteilung angeregten bzw. in Auftrag gegebenen Kurzfilme in dem in der Regel zweistündigen Programm der Matinees oder Kino Club - Vorstellungen, das aus Kurzfilmen der verschiedensten Art, aus Fortsetzungs- und normalen Spielfilmen zusammengesetzt war, einfach unterzugehen drohten, wurden erhöhte Anstrengungen unternommen, um die Produktion auf Spielfilme für Kinder auszudehnen. In späteren Jahren bildete die Herstellung von Spielfilmen mit einer Mindestlänge von 50 Minuten (einschließlich Fort-

208

*(7) *(8)

Mary Field, a.a.O., S. 15 Dieser Begriff wird imfolgenden als sinngemäße Übersetzung des Wortes "serial" verwendet. Man versteht darunter Filme mit einer fortlaufenden Handlung, die in 4 - 7 mehr oder weniger in sich abgeschlossene Episoden von durchschnittlich 14 - 2 0 Minuten Länge zerlegt ist. Ähnlich wie bei den später populär gewordenen TV-Serien werden die einzelnen Episoden getrennt voneinander vorgeführt. Da die Herstellung derartiger Filmserien nur dann sinnvoll ist, wenn sie in regelmäßig und in nicht allzu großen Abständen stattfindenden Vorführungen vor einem relativ konstant bleibenden Publikum gezeigt werden können, vermochten sie sich auf dem Kontinent - außer im T V - nicht durchzusetzen.

*(9)

Der Film wurde später nicht in einzelnen Episoden ausgeliefert.

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle I Kinderfilme

1944 -

1951

Jahr

Spielfilme

1944

-

-

1945

-

-

1946

2

1947

3

2

5

1948

4

-

4

1949

3

1

4

1950

1

-

1

1951

2

Gesamt

Fortsetzungsfilme

Gesamtzahl 0 0 2

2

15

3

18

Tabelle II Kinderfilme 1944 -

1951

( Kurz — und Langfilme) Club - Magazine

76

Kurzfilme

11

Langfilme

18

Zeichentrickfilme

7

Filme für gemeinsames Singen (Community Singing Films)

6

Filmserien (Episoden)

27

Naturfilme

33

Verkehrsfilme

16

Dokumentarfilme Gesamt

7 201

Quelle: Mary Field, a.a.O., S. 161

209

Großbritannien

Mitarbeiter von Children' s Entertainment Films

1944- 1950

Direktor

Mary Field

1944- 1950

Production Adviser

H.Bruce Woolfe

1944- 1950

Scenario Editor

Mary Cathcart Borer

1945- 1950

Production Manager

William d'Arcy

1945 - 1950

Assistant Scenario Editor

Patricia Latham

1947- 1950

Business Manager

Alex F. Primrose

1947- 1949

Research and Lecturer

Martha McCulloch

1949- 1950

Assistant Production Manager

James Kinross

Quelle:

Mary Field, a.a.O., S. 158

210

Entwicklung der Filmproduktion

setzungsfilmen, deren Gesamtlaufzeit zwischen 80 und 120 Minuten schwankte) den eigentlichen Schwerpunkt der Arbeit. Im Juni 1946 konnte "Bush Christmas" fertiggestellt werden. Dieser Film erhielt im Hinblick auf die weitere Entwicklung der britischen Kinderfilmproduktion programmatische Bedeutung. Mit einer Spieldauer von 77 Minuten war "Bush Christmas" nicht nur der erste Spielfilm mit und vor allem für Kinder, den die junge britische Kinderfilmproduktion überhaupt hervorbrachte; er war zudem auch der erste Film, in dem Kinder aus eigenem Antrieb heraus Diebe oder Verbrecher beobachten und schließlich stellen. Auf dieses dramaturgische und gestalterische Prinzip, das zu einem dominierenden Stereotyp-im britischen Kinderspielfilm werden sollte, wird an anderer Stelle noch ausführlich eingegangen.

3. Ausdehnung und Konsolidierung der Produktion

Die bisher entstandenen Kinderfilme wurden von den beiden Filmtheatergesellschaften der Rank Organisation, Odeon National und Gaumont British finanziert. Vertragliche Vereinbarungen, in denen Art und Umfang der Zusammenarbeit von Produktion einerseits und Filmtheatern (die besondere wirtschaftliche Struktur der Rank Organisation machte die Einschaltung fremder gewerblicher Verleihe überflüssig) andererseits festgelegt wurden, bestanden nicht. Zwar nahmen die Theatergesellschaften direkten und indirekten Einfluß auf die Produktion, nicht zuletzt auch aufgrund der von den einzelnen Theaterleitern abgegebenen Erfolgsberichte, gleichzeitig besaßen sie auch ein unmittelbares Interesse an geeigneten Filmen für ihre Kindervorstellungen. Dabei ging es zweifellos nicht nur um eine Steigerung der Qualität, sondern in erster Linie und vom Standpunkt der Filmtheater aus um die Steigerung der Quantität des Angebots. Eine Änderung der praktizierten Finanzierung der Kinderfilme wurde 1947 durchgeführt. Mit der Umbenennung der Kinderfilm - Abteilung (Children's Film Department) in Children's Entertainment Films (kurz C.E.F. genannt) erhielt diese einen eigenen Jahresetat *(10) und zusätzliche Aufgaben. C.E.F. hatte fortan nicht nur die Möglichkeit, nach geeigneten Stoffen zu suchen und produktionsreife Drehbücher zu entwickeln, sie konnte darüber hinaus auch Produktionen direkt in Auftrag geben, Verhandlungen mit in- und ausländischen Verleihen führen und die Werbung für die eigenen Filme beaufsichtigen bzw. übernehmen. Die Produktionsplanung wurde nach wie vor mit den Vertretern der Filmtheatergesellschaften abgesprochen und ging vom Bedarf der Kinos aus. *(10) Angaben über die Höhe dieses Etats liegen nicht vor

211

Großbritannien

Mit Beginn des Jahres 1947 ging C.E.F. dazu über, vollständige Programme bestehend aus 2 bis 4 Kurzfilmen und einem Langfilm - herstellen zu lassen. Zielgruppe dieser Programme waren die Sieben- bis Zwölfjährigen, die zahlenmäßig den größten Anteil der Mitglieder bzw. Besucher der Kino - Clubs stellten. Das pädagogische Anliegen der Filme oder Filmprogramme umriß Mary Field mit folgenden Sätzen: " I n dem Vorwort von Michael Sadler zu 'Report on Moral Education' lasen wir, daß, während die moralische Unterweisung (moral instruction) Aufgabe des Elternhauses, der Kirche und der Schule sei, die moralische Erziehung (moral education) bei allen unseren Kontakten mit dem Leben vervollständigt wird, und daß eines der bedeutendsten Mittel der moralischen Erziehung der Kontakt mit guten Beispielen sei. Hier entdeckten wir endlich unsere Bezugspunkte - hier war die Möglichkeit, um unserem Publikum 'Gutes' zu tun. Wir begannen, dafür zu sorgen, daß Samstag für Samstag die Kinder in den Kinos die Gelegenheit erhielten, mit Erwachsenen und Kindern konfrontiert zu werden, die unbewußt gute Beispiele waren. Diese Leinwand-Helden benahmen sich in Situationen, in die sich unser junges Publikum wirklich hineinversetzen konnte, gut, aber nicht zu gut.. ." *(11)

4.

Kritik und internationale Erfolge

Die zurückhaltende oder sogar negative Beurteilung der ersten britischen Kinderfilme durch die einheimische Presse und der wachsende Zulauf, den die Kino - Clubs verzeichnen konnten, verursachten nach Beendigung des II. Weltkrieges in Großbritannien eine öffentliche Diskussion, in deren Mittelpunkt das Thema Kind und Film stand. Die kritischen Stimmen, die vor einem verfrühten und vor allem gewohnheitsmäßigen Filmbesuch von Kindern warnten, nahmen zu. Wortführer bei der teilweise sehr heftig und polemisch geführten Auseinandersetzung waren neben einigen Wohlfahrtsorganisationen verschiedene Zeitungen (allen voran " T h e Times") und einige Abteilungen der BBC, die 1947 sogar ihren Vertreter aus dem Beirat zurückzog. Die Kritik richtet sich nicht ausschließlich gegen die Filme oder einzelne Filme, was naheliegend gewesen wäre, sondern auch gegen die Kinder - Kino - Clubs der Rank Organisation. Und obwohl Odeon National und Gaumont British nur knapp 1/5 der Gesamtzahl der vorhandenen Clubs kontrollierten, wurde der Rank Organisation vorgeworfen, daß sie die Initiative an sich gerissen hätte, bevor die Regierung etwas habe unternehmen oder Stellung nehmen können. *(11) Mary Field, a.a.Q, S. 27

212

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle

III

Übersicht über die Spielfilmproduktion für Kinder in Großbritannien (Spielfilme mit einer Länge von mehr als 45 Min. )

Jahr

Kinderspielfilme

Fortsetzungsfilme

Gesamt

1944





1945

-

-

-

1

3

1946

22)



1947

3

1

4

1948

4

-

4

1949

3

1

4

1950

1

-

1

1951

2

-

2

1952

3

-

3

1953

5

-

5

1954

3

-

3

1955

3

-

3

1956

4

2

6

1957

5

-

5

1958

3

2

5

1959

-

1

1

1960

3

3

6

1961

5

1

6

1962

1

2

3

1963

5

4

9

1964

2

1

3

1965

3

1

4

60

20

80

Gesamt Anmerkung:

1. 1944 und 1945 entstanden nur Kurzfilme 2. darunter ein Spielfilm von weniger als 4 5 Min. Länge

213

Großbritannien

C.E.F. begegnete der öffentlichen Kritik, indem sie 1946 und 1947 in verschiedenen Teilen Großbritanniens Kinderfilmkonferenzen veranstaltete, zu denen Pädagogen, Eltern und Vertreter von Organisationen und Institutionen eingeladen wurden. Ziel der Konferenzen war es, eine möglichst breite Öffentlichkeit mit den bisher entstandenen Kinderfilmen und damit verbundenen speziellen Fragen und Problemen vertraut zu machen sowie über Beobachtungen, Erfahrungen und Pläne zu diskutieren. Direkt oder indirekt führten die intensivierten Bemühungen von C.E.F. und die ihnen vorausgegangenen kritischen Kommentare dazu, daß am 19. 12. 1947 vom Innenministerium (Home Office), dem Ministerium für Schottland (Scottish Office) und dem Erziehungsministerium (Ministry of Education) eine Kommission mit dem Auftrag eingesetzt wurde (Departmental Committee on Children and Cinema), den ganzen Fragenkomplex Kind, Film und Kino zu untersuchen. Der Bericht der Kommission (nach ihrem Vorsitzenden Prof. K.C. Wheare, kurz Wheare - Report genannt) wurde im Mai 1950 veröffentlicht. Eine zweite, 1948 gebildete Regierungskommission erhielt den Auftrag, die Verwendung von Kindern als Filmdarsteller, beim Theater und Ballett zu studieren (Employment of Children as Film Actors, in Theatrical Work and in Ballet). Unabhängig von den Entwicklungen im eigenen Land gewannen britische Kinderfilme im Ausland innerhalb kurzer Zeit Ansehen und Anerkennung. Zum ersten Mal im Rahmen eines internationalen Film-Festivals wurden 1947 in Brüssel drei britische Kinderspielfilme gezeigt. Anläßlich dieses Festivals veranstaltete das Internationale Katholische Filmbüro (Office Catholique International du Cinfema) eine Tagung, bei der Mary Field über ihre Arbeit berichtete. Eine ähnliche Konferenz wurde im darauffolgenden Jahr in Holland abgehalten, bei der abermals die britische Kinderfilmproduktion im Mittelpunkt stand. Im gleichen Jahr fand zum ersten Mal ein spezielles Kinderfilm - Festival in Venedig *(12) statt, dessen Hauptpreise - wie auch in den nachfolgenden Jahren nach Großbritannien gingen. Der vorerst größte internationale Erfolg für C.E.F. war allerdings, daß 1948 die U N E S C O dem Drängen von Mary Field nachgab und den belgischen Dokumentarfilmregisseur Henri Storck *(13) beauftragte, eine Studie über den Unterhaltungsfilm für Kinder zu verfassen (The Entertainment Film for Juvenile Audiences, UNESCO, Paris 1950). Das auf internationaler Ebene und in verschiedenen Ländern plötzlich erwachende Interesse an speziellen Unterhaltungsfilmen für Kinder verhalf der britischen Kinderfilmproduktion zu einem ungeahnten und einmaligen Aufschwung. Lange Jahre hindurch galt Großbritannien als das Zentrum der Kinderfilmproduktion. Seine Filme wurden nicht nur in der gesamten englischsprachigen Welt, *(12) La Biennale di Venezia: Mostra internationale del Film per Ragazzi (seit 1948 jährlich) *(13) Storck wurde international bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Joris Ivens bei der Verwirklichung des Dokumentarfilms "Borinage" (1933), der die soziale Not und den Kampf belgischer Bergarbeiter beschreibt.

214

Entwicklung der Filmproduktion

sondern auch in Skandinavien, Mitteleuropa und in Übersee verbreitet. Sie beeinflußten nachhaltig und nachweislich die Produktionen anderer Länder, zumal fälschlicherweise ihr Erfolg zum Maßstab dafür genommen wurde, was unter einem " g u t e n " oder "geeigneten" Kinderfilm zu verstehen sei. Diese Tatsache wurde nicht zuletzt auch dadurch bestätigt, daß Ende der 40iger und Anfang der 50iger Jahre bei allen einschlägigen Festivals und ähnlichen Veranstaltungen der britische Kinderfilm als beispielhaft herausgestellt wurde. A u s heutiger Sicht betrachtet, ist diese Entwicklung durchaus verständlich. In allen mittelbar oder unmittelbar vom Krieg betroffenen Ländern nahm in den ersten Nachkriegsjahren aufgrund besonderer politischer, wirtschaftlicher, sozialer und individueller (familiärer) Bedingungen das Interesse am Film als einem billigen, leicht zugänglichen und allgemein verständlichen Unterhaltungsmedium sprunghaft zu. Kinder und Jugendliche waren von diesem Trend keineswegs ausgenommen, im Gegenteil. Diese Entwicklung war nicht aufzuhalten. Wer sie seinerzeit allerdings erkannte und ernst nahm, mußte sich gleichzeitig resignierend eingestehen, daß es praktisch kaum Möglichkeiten gab, sie positiv zu beeinflussen. Die Zahl der Spielfilme, die auch oder gerade für die Heranwachsenden geeignet erschienen, war verschwindend gering. Filme, die in besonderer Weise das Interesse, das Verständnis und die Aufnahmefähigkeit von Kindern berücksichtigten, gab es nicht oder aber nur höchst selten. Es ist daher kaum verwunderlich, daß die britischen Kinderfilme zu internationalem Ansehen und Erfolg gelangten; denn einerseits stießen sie in eine deutlich sichtbare Lücke im allgemeinen Filmangebot vor und andererseits konnten sie unschwer in zahlreichen Ländern eine zeitweilige Monopolstellung einnehmen, weil es weder Vergleichsfilme noch Alternativen gab. Die umfangreiche sowjetische Kinderfilmproduktion war zu diesem Zeitpunkt außerhalb der U d S S R und außerhalb der unter sowjetischem Einfluß stehenden Länder praktisch unbekannt.

5. Publikum und Publikumsreaktionen

Die internationalen Erfolge, die C.E.F. für sich und seine Filme verbuchen konnte, veranlaßten die Rank Organisation in der Verleihsaison 1948/1949, den Absatzmarkt für ihre Kinderfilme zu vergrößern. Da der in Hollywood geprägte Begriff des Familienfilms sich auch in Großbritannien durchzusetzen begann, ohne daß bereits entsprechende einheimische Filme vorlagen, gab die Rank Organisation die Kinderfilme von C.E.F., die ursprünglich ausschließlich für Vorführungen in den Kinder - Kino - Clubs zur Verfügung standen, nunmehr auch für die kommerzielle Auswertung frei. Diese Entscheidung konnte nicht ohne Folgen für die weitere Entwicklung der Kinderfilmproduktion bleiben, da rein kommerzielle Gesichts-

215

Großbritannien

punkte wie Wettbewerbsfähigkeit, Besucherzahlen und Publikumswünsche bei den bisherigen Überlegungen nur von sekundärer Bedeutung gewesen waren. S o barg die Aufgabe der freiwillig auferlegten Beschränkung im Hinblick auf ein spezielles Publikum und einen speziellen Markt die Gefahr einer langsamen Nivellierung der ohnehin noch nicht hinreichend erkannten und erprobten Charakteristika von Kinderfilmen in sich. V o n Anfang an legten die Mitarbeiter von C.E.F. großen Wert darauf, das Kinderpublikum, das die Samstagvormittag - Vorstellungen besuchte, näher kennenzulernen und sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche Filme ankommen und welche nicht und wie dieses Publikum reagiert. Bei einigen wenigen Vorstellungen wurden die akustisch (mit Hilfe von Mikrophon und Tonband) und optisch (Blitzlicht- und Infrarot - Aufnahmen) wahrnehmbaren Reaktionen von Kindern aufgezeichnet und anschließend ausgewertet. Diese vereinzelten unsystematischen Experimente wurden aus finanziellen Gründen allerdings nicht weitergeführt. Und, obwohl eine exakte wissenschaftliche Auswertung der vorhandenen Ergebnisse weder angestrebt noch durchgeführt wurde, waren die Mitarbeiter von C.E.F. der festen Meinung, Wesentliches über das Verhalten ihres Publikums und die Wirkung einzelner Filme bzw. Sequenzen und Einstellungen erfahren zu haben. *(14) Tatsächlich aber neigte auch der Beirat dazu, undifferenzierte Meinungsäußerungen von Kindern höher einzuschätzen als die eigene Meinung. S o verweigerte der Beirat beispielsweise der Fortsetzungskomödie " T h e Voyage of Peter J o e " (1946/47) seine Anerkennung, weil der Film seiner Ansicht nach in geschmacklicher Hinsicht unbefriedigend und "nicht genügend s c h ö n " war. Nachdem die Mitglieder des Beirats die erste Folge des Films in einer Vorführung mit Kindern gesehen hatten, zogen sie ihre Kritik zurück, da sie nunmehr davon überzeugt waren, daß "die Groteskkomödie alten Stils, die auf Erwachsene eher langweilig als unterhaltsam wirkte, bei 1.500 Kindern, für die alle alten Gags völlig neu sind und die selten Gelegenheit haben, über etwas zu lachen, das weder brutal noch zweideutig oder auf Erwachsene zugeschnitten ist, ein ungeheuerer Erfolg ist." *(15) Später wurde von C.E.F. dann ein Fragebogen entwickelt und an die Theaterleiter, die bei den Vorführungen anwesend waren, zur Beantwortung verteilt.

*(14) Vgl. Mary Field, a.a.O., S. 70 ff. *(15) Mary Field, a.a.O.,S. 47

216

Entwicklung der Filmproduktion

Der Fragebogen umfaßte folgende Punkte: *(16) A. Einschätzung der Reaktion des Publikums durch den Theaterleiter 1. a) Hielt der Film das Interesse der Kinder ständig wach? b) Wenn nicht, an welcher Stelle bzw. Stellen bemerkten Sie Anzeichen von Langeweile? 2. a) Welche Personen weckten das Interesse der Kinder? b) Welche Personen weckten das Interesse der Kinder nicht? c) Erzwang irgendeine einzelne Stimme die Aufmerksamkeit? d) Können Sie mögliche Gründe für die Reaktionen angeben, die Sie unter 2.a - c anführten? 3. a) Wo lagen bei Ihrem Publikum die Höhepunkte des Interesses am Film? b) Erregten irgendwelche Kamera - oder Toneffekte Aufmerksamkeit? B. Welche persönliche Meinung von diesem Film haben Sie? C. Wie lauteten die persönlichen Bemerkungen der Kinder? Bei der Auswertung der Fragebogen ergab sich die auf folgender Seite wiedergegebene Statistik, die als eine Art Erfolgsbarometer bezeichnet werden kann. Mehr war wohl kaum zu erwarten, denn erfahrungsgemäß interessieren sich Filmtheater in erster Linie für ihre Kasseneinnahmen, womit ursächlich die Frage verknüpft ist, ob oder wie ein Film " a n k o m m t " . Unabhängig aber davon ist der normale Filmtheaterleiter schlicht überfordert, wenn er detaillierte Angaben über die Wirkung eines Films auf ein Publikum machen soll, das aus mehreren Hundert Kindern im Alter zwischen 7 und 14 Jahren besteht.

*(16)

Mary Field, a.a.O., S. 162

217

Großbritannien

Tabelle IV Ergebnisse der Berichte von Filmtheaterleitern Filmgattung Titel des Films

Adventure

Anzahl sehr der gut Berichte

Secret Tunnel L Under the Frocen Falls L

gut

130

90% 8 %

2%

71

88% 6 %

2%

L

21

90% 5 %

5%

Fortune Lane L

128

86% 5 %

Little Ballerina L

10

80%

Achievement Circus Boy

Slapstick

Stage Frights

Κ

104

44% 1 9 %

Fantasy

The Boy who Stopped Niagara + Κ

40

5 0 % 15%

63% 1 5 %

Travel

1 % 20%

2%

19%

14%

2%

15%

17 %

2 %

1 %

14%

6 %

1 %

115

Poland

Κ

32

40%

19%

3%

22%

16%

Κ

39

64%

17%

5%

10%

3%

Κ

30

67%

7%

7%

3%

16%

Tales of the Woodland L/F

107

89%

5%

2%

Lapland" "

Cartoon

Who Robbed the Robins?

Serials

Squirrel War K/F The Adventures of Dusty Bates L/F

218

4%

Magazine

Κ

26

4%

52% 16%

12%

6

67%

17%

16%

9

89%

11 %

80%

sehr schlec

4%

Κ

1

Miscellaneous

4%

schlecht

The Elefant and the Skipping Rope +

CSSR

Nature

befried. mäßig

20%

2 0 % ohne bes.Klassifizierung

Entwicklung der Filmproduktion

Anmerkung:

+ = ausländische Produktionen L =

Langfilm

Κ = Kurzfilm F = Fortsetzungsfilm

Quelle:

Mary Field, a.a.O., S.66

219

Großbritannien

6. Ende der Rank - Ära

Als im Mai 1950 der "Report of the Departmental Committee on Children and Cinema" veröffentlicht wurde, fand damit die mutige und beispiellose Initiative der Rank Organisation nachträglich Lob und Anerkennung. In dem Bericht der Regierungskommission hieß es u.a.: "Wir möchten der Arbeit des Beirats und der C.E.F. - Abteilung für den Abwechslungsreichtum und die Qualität der Filme, für die sie gemeinsam verantwortlich sind, hohes Lob spenden. Es ist eine Arbeit von großer Originalität und Unternehmungsgeist. Ob sie in jedem Fall den idealen Film für Kinder gefördert hat - und dies wird von ihnen nicht behauptet - oder nicht, scheint verhältnismäßig unwichtig. Wir stellen das Vorhandensein dieses Apparates, den wir billigen und der nach praktischen und wohlüberlegten Richtlinien arbeitet, für die Produktion von Unterhaltungsfilmen für Kinder fest und sind beeindruckt von der erfinderischen Auffassung und dem bahnbrechenden Geist derjenigen, die ihn leiten. Erfreuliche und oft schöne und interessante Filme werden den Kindern durch ihre Bemühungen in wachsendem Maße zugänglich gemacht. Wir messen dem Fortbestand und der Weiterentwicklung dieses Projekts größten Wert bei." *(17) Zwar streifte der Bericht am Rande auch die finanziellen Fragen, gleichzeitig aber wurde in ihm ausdrücklich betont, daß eine Untersuchung der finanziellen Seite der Produktion, Filmauswahl und des Verleihs außerhalb der Zuständigkeit der Kommission gelegen habe. Rückblickend muß diese Entscheidung als ein Irrtum angesehen werden: Durch die Ausklammerung der wirtschaftlichen Seite der Kinderfilmproduktion mußte in der Öffentlichkeit und bei den Auftraggebern der Untersuchung der völlig falsche Eindruck entstehen, daß die gegebene wirtschaftliche Struktur der Kinderfilmproduktion als gesund und entwicklungsfähig anzusehen sei. Das Gegenteil stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichtes bereits fest. Im Juni 1950 mußte C.E.F. seine Arbeit einstellen. Die gesamte britische Filmindustrie war in eine sehr ernsthafte Finanzkrise geraten, von der selbst so große und mächtige Konzerne wie die Rank Organisation nicht verschont blieben. Rank sah sich deshalb gezwungen, die Kinderfilmproduktion kurzfristig aufzugeben, da die unverhältnismäßig lange Amortisationszeit dieser Filme dementsprechend langfristige Planungen und Investitionen verlangte, die angesichts der allgemeinen Krise nicht länger zu verantworten waren.

*(17) Report of the Departmental Committee on Children and Cinema, London 1950, S. 78 (Wheare - Report)

220

Entwicklung der Filmproduktion

Zwar hatte Rank, noch bevor sich die filmwirtschaftliche Krise abzuzeichnen begann, den Absatzmarkt für Kinderfilme erheblich verbreitert, aber selbst die Freigabe einzelner Filme für eine kommerzielle Auswertung, ihre Bereitstellung für andere, nicht zum Rank - Konzern gehörende Filmtheater *(18), die Erschließung des nichtkommerziellen Raumes (16 mm) und der ständig zunehmende Export der Filme *(19) durften insgesamt gesehen nicht ausreichend gewesen sein, um das Geschäft mit dem Kinderfilm gewinnträchtig zu gestalten. Dies beweisen bereits die wenigen vorliegenden Zahlenangaben. Trotz scharfer Kalkulation und unter Brücksichtigung aller möglichen Einsparungen (Verfilmung von Originalstoffen *(20) oder Ideen, Verzicht auf bekannte Darsteller, Regisseure und Drehbuchautoren, weitgehender Verzicht auf Atelieraufnahmen etc.) mußten für die Herstellung eines Kinderspielfilms (schwarz - weiß, 50 - 60 Min. Länge) im Durchschnitt DM 210.000 aufgewendet werden. Um allein die Herstellungskosten wieder einzuspielen, hätte ein Film (1950) insgesamt rund 18.000 Einsätze erzielen müssen, da die Filmtheater bei Kindervorstellungen und für Kinderspielfilme nur eine Pauschalleihmiete von ca. DM 12.-- zu entrichten hatten. Selbst wenn man davon ausgeht, daß Kinderfilme nur langsam veralten und dank des ständig nachwachsenden Publikums etwa alle zwei bis drei Jahre zum Wiedereinsatz gebracht werden können, hätte ein einzelner Film alle in Großbritannien vorhandenen KinoClubs und Matinee - Vorstellungen etwa 8 bis 9 Mal durchlaufen müssen, um nur seine Herstellungskosten wieder einzuspielen. Die einfachste Konsequenz aus diesem keineswegs theoretischen Rechenbeispiel wäre eine drastische Erhöhung der Leihmieten gewesen. Dies hätte wiederum zumindest für die kleinen und mittleren Filmtheater unzumutbare Mehrbelastungen zur Folge gehabt, vorausgesetzt, daß die Mehrbelastung nicht automatisch und in voller Höhe auf den Endabnehmer, das Publikum, abgewälzt werden könnte. Für ein zweistündiges Filmprogramm (bestehend aus Kurzfilm, einer Fortsetzungsserie und einem Spielfilm) hatte ein Filmtheater 1950/51 im Durchschnitt eine Pauschalleihmiete von ca. DM 50.- zu entrichten. Geht man von einem Eintrittspreis von 7 d. (die Eintrittspreise bei Kindervorstellungen lagen zwischen 5 d. und 9 d., d.h. zwischen DM 0.30 und DM 0.50) und 400 Besuchern pro Vorstellung aus, dann hat das Theater eine Bruttoeinnahme von DM 140.- Es verblieb, nach Abzug der Leihmiete, demnach ein Betrag von DM 90.-, der zur Bestreitung der laufenden Kosten (Personal, Licht, Heizung etc.) zwar ausreichte, aber darüber hinaus nur einen bescheidenen Gewinn erhoffen ließ. Dabei waren 400 Besucher auch für * (18) Sobald die Filme bei der Erstauswertung die Odeon- und Gaumont - Clubs durchlaufen hatten, konnten sie von jedem anderen Kino - Club oder Filmtheater entliehen werden. * ( 1 9 ) Die Lizenzgebühren waren vergleichsweise sehr gering. Für den Erwerb der Auswertungsrechte für ein bestimmtes Land mußten umgerechnet nur zwischen D M 6 0 0 . - und D M 1.200,--(je nach Länge des Films) aufgewendet werden. * ( 2 0 ) Der Erwerb von Verfilmungsrechten an bereits veröffentlichten Werken ist, je nach Popularität des betreffenden Stoffes, in der Regel sehr viel kostspieliger.

221

Großbritannien

britische Verhältnisse ein guter Durchschnitt. Die Erhöhung der Eintrittspreise schließlich war nicht unmöglich, aber sie hätte unweigerlich zu einer schwerwiegenden Veränderung der Struktur der Abspielbasis geführt. Eine Verdoppelung oder gar Verdreifachung der Eintrittspreise hätte mit Sicherheit die Besucherzahlen rapide absinken lassen, oder aber die Filmtheater wären gezwungen worden, von dem eingespielten System wöchentlich stattfindender Vorstellungen abzugehen, was letztlich gleichfalls zu einer spürbaren Verminderung der Besucherzahlen (im Monats- oder Jahresdurchschnitt) geführt hätte. Wenn sich unter den beschriebenen Umständen die britische Kinderfilmproduktion bis 1950 überhaupt am Leben erhalten ließ, so war dies ausschließlich der Tatsache zu verdanken, daß die Produktion unabhängig von den Einspielergebnissen war. Ihre Finanzierung übernahmen zunächst die zur Rank Organisation gehörenden Filmtheater Odeon und Gaumont, während in den späteren Jahren C.E.F. einen eigenen Etat erhielt, der selbstverständlich aber auch nur wieder aus Mitteln der Rank Organisation bestand.

7.

Ein neuer Anfang: Children' s Film Foundation

A u f die für Fachkreise wohl nicht ganz unerwartet gekommene Nachricht von der Auflösung der Kinderfilm - Abteilung bei Rank reagierte die britische Filmwirtschaft schnell und vorbildlich. Ihre Dachorganisation, Trades Associations, handelte unverzüglich. Sie beschloß, daß die Produktion von Unterhaltungsfilmen für Kinder fortgesetzt werden müsse und daß aus dem soeben veröffentlichten Wheare - Report die entsprechenden Schlußfolgerungen gezogen und in die Praxis umgesetzt werden müßten. S o kam es am 7. 6. 1951 zur Gründung von Children' s Film Foundation (nachfolgend C.F.F. genannt), einer nichtkommerziellen Organisation, deren alleiniger Träger die britische Filmwirtschaft war und ist. Mit der Leitung der neuen Organisation, die aus Mitteln des British Production Fund eine Starthilfe von 50.000 Pfund (rund D M 590.000) zur Verfügung gestellt bekam, wurde Mary Field beauftragt, die dieses A m t bis Januar 1959 inne hatte.

7.

(1) Aufgaben und Arbeitsweise von C.F.F.

" Es besteht kein Zweifel daran, daß eine der Wirkungen des Films auf Kinder darauf beruht, daß er Vergnügen bereitet, Kinder gehen zur Unterhaltung ins Kino. Wir versuchten, uns während unserer Untersuchungen und der Vorberei tung des Berichts stets daran zu erinnern, daß für Kinder die Unterhaltung immer an erster Stelle steht und daß, obwohl einige Unterhaltungsfilme auch die

222

Entwicklung der Filmproduktion

Meinungen der Kinder positiv beeinflussen, wir nicht versuchen sollten, die Samstagvormittag - Unterhaltung der Kinder in eine andere Richtung der formalen Erziehung zu lenken." *(21) Gestützt auf diese offizielle Anerkennung der bereits von C.E.F. verfolgten Politik, sah auch C.F.F. seine wichtigste Aufgabe stets darin, Unterhaltungsfilme für Kinder herzustellen bzw. in Auftrag zu geben. Diese Filme waren und sind (zumindest in Großbritannien) ausschließlich für die Vorführung in Filmtheatern gedacht: "C.F.F. - Filme sind für ein großes Publikum gemacht, das Publikum in den Kinder - Kino - Clubs. In der Praxis hat das Fernsehen ein Publikum, das nur aus ein oder zwei Personen besteht, während Filme ein in die Hunderte gehendes Publikum haben. Die Zuschauerreaktion und insbesondere auch die Anteilnahme der Zuschauer sind völlig unterschiedlich... Die gemeinsame Freude an der Unterhaltung ist in dieser Form beim Kino, dem Theater und dem Zirkus einmalig." *(22) Charakteristisch sind diese Sätze nicht nur für eine bestimmte Ideologie, die ihren Ursprung in der wachsenden Konkurrenz zwischen Filmwirtschaft und Fernsehen hat, sondern gleichermaßen auch für die Naivität, mit der Teile der Filmwirtschaft an eine selbstgestellte Aufgabe von großer pädagogischer und kultureller Bedeutung herangehen. Eine der Hauptaufgaben von C.F.F. besteht zunächst darin, nach für eine Verfilmung geeigneten Themen, Stoffen und Drehbüchern zu suchen. Das geschieht einerseits dadurch, daß alle von Schriftstellern, Autoren und Agenturen u.a. eingesandten Vorschläge (pro Jahr etwa 100 - 200 Geschichten, Bücher oder Drehbuchentwürfe) genau geprüft und in Listen aufgenommen werden. Andererseits kauft C.F.F. Ideen oder Stoffe, die ihr interessant oder ausbaufähig erscheinen, selbst auf oder aber erhält Vorschläge aus den Reihen der Mitarbeiter. Ein vom Vorstand der Stiftung eingesetzter Produktionsausschuß, der in der Regel monatlich zusammentritt, prüft abermals die eingegangenen Vorschläge und entscheidet dann, welche Vorhaben realisiert werden sollen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung sind einerseits selbstverständlich die zur Verfügung stehenden Produktionsmittel und andererseits die Wünsche des Publikums und der Filmtheater. Mit anderen Worten: die wechselnden Bedürfnisse und Anforderungen des Filmmarktes werden genauso berücksichtigt wie die Absicht, ein möglichst vielseitiges und abwechslungsreiches Programm (das sowohl Spielfilme, Fortsetzungsserien als auch Magazine, Kurz- und Trickfilme der verschiedensten Art umfassen soll) anbieten zu können. *(21) Wheare - Report, a.a.O., S. 42 *(22) Children' s Film Foundation Ltd., Report on the Work (1951 - 1960), London o.J., S. 7

223

Großbritannien

Die für eine Realisierung vorgesehenen Treatments oder Drehbücher müssen folgende Voraussetzungen erfüllen: a) Sie müssen unterhaltsam sein, um für "eine gesunde Erholung der Kinder zu sorgen, die die von den Filmtheatern organisierten speziellen Vorführungen besuchen", b) "Sie müssen ein größtmögliches Maß an gutem Geschmack und Benehmen aufweisen, um die Intelligenz der Kinder und ihre Liebe zum Abenteuer anzusprechen", c) "Sie müssen sich in künstlerischer und technischer Hinsicht auf dem jeweils höchsten Niveau bewegen und gleichzeitig eine gute und verständliche Geschichte erzählen." *(23) Nach der Ausarbeitung der Produktionspläne vergibt C.F.F. an bestehende Produktionsfirmen Aufträge, wobei nach Möglichkeit keine Bevorzugung stattfinden soll. Bei der Verwirklichung der einzelnen Projekte erhalten die jeweiligen Firmen weitgehende Freiheiten. C.F.F. beschränkt sich darauf, seine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen und den Verlauf der Produktionen zu beaufsichtigen.

7. (2) Finanzierung der Produktion

Seit ihrem Bestehen ist die britische Kinderfilmproduktion voll von der sie tragenden Filmindustrie subventioniert worden. A n diesem Prinzip hat sich auch nach der Gründung von C.F.F. nichts geändert. Zwischen 1951 und 1957 erhielt C.F.F. einen Teil der Mittel, die von den Filmtheatern freiwillig an British Film Production Fund abgeführt wurden. 1957 wurde diese freiwillige Abgabe durch den "Cinematograph Levey A c t " gesetzlich geregelt. Gleichzeitig beauftragte das "Board of Trade" die "British Film Fund Agency", die von den Steuerbehörden eingezogenen Beträge zu verwalten und für ihre Verteilung zu sorgen. In dem erwähnten Gesetz wurde C.F.F. ein nicht näher bezeichneter jährlicher Zuschuß garantiert. Dieser Zuschuß belief sich in den Jahren 1958 - 1960 auf umgerechnet D M 1.468.750. Später wurde er auf D M 1.551.000 erhöht und betrug 1966 erstmals D M 2.261.875.

*(23) Children' s Film Foundation Ltd., a.a.O., S. 6

224

Entwicklung der Filmproduktion

Diese Mittel wurden wie folgt verwendet: *(24)

Tabelle V

Einnahmen British Film Production Fund ( 1951 - 1957 )

ca. D M

9.516.125

British Film Fund Agency ( 1 9 5 8 - 1960 )

ca. D M

4.406.250

Netto - Verleiheinnahmen

ca. D M

494.464

Zinsen etc.

ca. D M

66.681

Gesamt

ca. D M

14.483.520

Fertiggestellte Produktionen

ca. D M

12.034.000

Laufende Produktionen

ca. D M

724.042

Laufende Kosten

ca. DM

1.059.409

geplante Produktionen

ca. D M

666.069

Gesamt

ca. D M

14.483.520

Ausgaben

Detaillierte Angaben über die Höhe der für einzelne Filme aufgewendeten Produktionskosten liegen nicht vor, da von C.F.F. und seinen Vertragspartnern Kalkulationen als streng vertraulich behandelt werden. Aufgrund zuverlässiger Informationen

*(24) Children's Film Foundation Ltd., a.a.O., S. 8

225

Großbritannien

dürften sich die durchschnittlichen Herstellungskosten für einen Kinderspielfilm in einer Größenordnung zwischen D M 230.000 und D M 300.000 bewegen. *(25) Diese Kosten sind mit denen kommerzieller Produktionen nur bedingt vergleichbar, da C.F.F. von verschiedenen filmwirtschaftlichen Sparten Vergünstigungen eingeräumt werden.

8. Kinder - Kino - Clubs (Children' s Cinema Clubs)

Zu den Besonderheiten der Entwicklung des britischen Kinderfilms zählt auch die Organisation der Abspielbasis, d.h. die Einrichtung von speziellen Filmvorführungen für Kinder. Während sog. Matinees, die bevorzugt von Kindern besucht werden, auch in anderen Ländern ein mehr oder weniger fester Bestandteil der Programmgestaltung von Filmtheatern sind, gibt es für die britischen Kinder - Kino Clubs (nachfolgend Club genannt) praktisch keine Parallelen. Mit nur wenigen Ausnahmen finden alle Kinderfilm - Veranstaltungen in Großbritannien regelmäßig an den schulfreien Samstagen statt, wobei von den Clubs die Vormittage und von den Matinees die Nachmittage bevorzugt werden. Die Matinees sind gewöhnliche Filmveranstaltungen mit stark reduzierten Eintrittspreisen, die denen der Clubs angeglichen sind *(26) und werden hauptsächlich, aber nicht ausschließlich von Kindern und Jugendlichen besucht. Die Verbreitung von Clubs und Matinees ist gebietsweise (vergl. die hier folgenden Statistiken) verschieden. So sind in Städten sowie im Süden und Osten des Landes (einschließlich London) vornehmlich Clubs zu finden, während in den übrigen Gebieten (Midland, Wales, Norden) die Matinees dominieren. Die Mitgliedschaft in einem Club und der gleichzeitige Besuch von Matinees ist höchst selten anzutreffen. *(27) Die Zahl der Clubs hat in den letzten Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren stark zugenommen. Diese Entwicklung hielt bis zum Anfang der fünfziger Jahre an. Mit der Einführung des Fernsehens und seiner zunehmenden Verbreitung machten sich rückläufige Tendenzen bemerkbar. A b 1954 gingen in Großbritannien nicht nur die Gesamtbesucherzahlen der Kinos zurück, sondern verminderte sich auch die Zahl der Filmtheater stetig. Ende 1948 gab es in Großbritannien 1.644 Clubs und Matinees sowie 53 Filmtheater, deren Kinderfilm - Vorstellungen entweder nicht am Samstag oder aber weniger als einmal wöchentlich stattfanden. Die durchschnittlichen (geschätzten) Besucherzahlen pro Woche, die Clubs und Matinees gemeinsam erzielten, bewegten sich in der Größenordnung von 880.000 bis 890.000 Kindern zwischen 5 und 15 Jahren. 1950 gab es rund 1.900 Clubs und Matinees mit wöchentlich mehr als 1,2 Mill. Besuchern. 1965 hingegen gab es nur noch bei 900 Filmtheatern regelmäßige Club- und Matinee - Vorstellungen, die wöchentlich von rund 250.000 Kindern besucht wurden.

226

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle V I

Norden

Altersgruppe 5 - 9 Jahre

x

Midlands

Süden

Wales

Osten

London Schottl. Total

Club-Mitgliedschaft

10

10

36

33

8

19

Besuch von Matinees

25

51

9

3

11

22

keins von beiden

67

39

57

64

81

60

233

156

172

141

100

Sample (100%)

Altersgruppe 11 - 1 5 Jahre

Anmerkung

Gebiet

C)ub

. Mitgliedschaft in %

832

Sample (100%)

xx

Norden

17

239

Midlands/Wales

17

203

Süden / Osten

38

159

London

25

127

England/Wales

23

728

Schottland

10

191

χ = Angaben der Eltern xx = Angaben von Kindern

Quelle:

The Social Survey, S. 29

227

Großbritannien

Die Clubs beruhen auf einer Eigeninitiative der Filmtheater, die auch ihre örtlichen Träger sind. Obwohl auch eine große Anzahl der selbständigen Theaterbesitzer Clubs eingerichtet haben und unterhalten, sind die Clubs - wie der WheareReport seinerzeit feststellte-, die den einzelnen Kinos der großen Filmgesellschaften unterstehen, besser organisiert und weniger auf Profit angewiesen, da hinter ihnen das Kapital der Gesellschaften steht. Clubs werden im wesentlichen durch folgende Merkmale charakterisiert: 1)

"Kinder tragen sich als Mitglieder ein (die Mitgliedschaft ist kostenlos). Dies ermöglicht die Registrierung der Geburtstage, die Verwendung von Club - Abzeichen und u.U. den Gebrauch von Club - Liedern, -Mottos oder Gelöbnissen

2)

Die Einrichtung von Spezialabteilungen bei den Zentralen der Filmtheatergesellschaften für die Filmauswahl und -terminierung sowie - sofern dies gewünscht wird - für die Unterstützung von Club - Aktivitäten innerhalb oder außerhalb der Filmtheater

3)

Die gemischten Club - Programme beschränken sich nicht auf die Vorführung von Filmen, sondern umfassen auch verschiedene andere Punkte wie gemeinsames Singen, Gespräche über nützliche Themen (z.B. Sicherheit oder Hygiene), Wettbewerbe, Tänze oder Rezitationen von Kindern

4)

Die Ernennung von Kindern zu Club - Helfern oder zu Mitgliedern der Club - Kommitees

5)

Die Ernennung von lokalen Kommitees oder von örtlich interessierten Personen zu beratenden Organen der Clubs

6)

Den Ausschluß von Erwachsenen bei den Vorstellungen." *(28)

Bei der Organisation und Programmgestaltung der Clubs sind gewisse Unterschiede zu erkennen, und zwar richten sich diese nach der jeweiligen Theatergesellschaft, zu der ein Club gehört. Man kann drei Hauptgruppen unterscheiden, die zusammen 1/3 aller Clubs kontrollieren. *(25) Durchschnittswerte für die Jahre 1960 - 1 9 6 5 *(26) Die Eintrittspreise schwanken zwischen 4 d. und 9 d. *(27) Soweit nicht ausdrücklich vermerkt, beziehen sich alle Zahlenangaben und Statistiken auf die Jahre 1948 - 1950. Sie wurden entweder dem "Social Survey" (April 1949) oder dem "Wheare - Report" (Mai 1950) entnommen. *(28) Wheare - Report, a.a.O., S. 20

228

Entwicklung der Filmproduktion

A. Odeon National Cinema Clubs und Gaumont British Junior Cinema Clubs

Diese Clubs gehören zu den Theatergesellschaften der Rank Organisation. 1950 gab es 395 Clubs dieser Art (241 Odeon- und 154 Gaumont - Clubs), die wöchentlich 150.000 bis 180.000 (Odeon) bzw. 100.000 bis 120.000 (Gaumont) Besucher hatten. Beide Gruppen werden von der Zentrale in London, der ein Stab von Kontrolleuren und örtlichen Mitarbeitern zur Verfügung steht, geleitet. Diese Leitung umfaßt insbesondere auch die Filmauswahl und -terminierung. Zu diesem Zweck wurden die vom British Board of Film Censors in die Kategorie ' U ' (Freigegeben für allgemeine Filmvorführungen, zu denen Kinder unter 16 Jahren uneingeschränkt Zugang haben) eingestuften Filme noch einmal unterteilt in die Kategorien ' C ' (Filme, die Kindern nicht schaden können, d.h. sie weder verängstigen noch verstören) und ' D ' (Filme, die Kinder erfreuen und weder furchterregend noch verwirrende Elemente enthalten). Die Club - Mitgliedschaft können Kinder zwischen 7 und 15 Jahren erwerben. Zum Geburtstag erhält jedes Kind eine Glückwunschund 2 Freikarten. Die Odeon - Clubs, für die ein vielfach heftig kritisiertes Club Versprechen kennzeichnend war, besaßen Kinder - Komitees, während die G a u mont - Clubs, die lediglich ein Club - Lied hatten. Erwachsene dafür zu gewinnen versuchten, sich in einem beratenden Ausschuß zusammenzufinden, der dem Kinder - Komitee übergeordnet war. Für die Zusammenstellung der gemischten Programme und die Entfaltung weiterer Clubaktivitäten sind die jeweiligen Theaterleiter zuständig.

B. A.B.C. Minor' s Matinees

Hierbei handelt es sich um die von Associated British Cinema Ltd. seit 1945 aufgebauten Clubs, von denen es 1950 insgesamt rund 300 mit wöchentlichen Besucherzahlen zwischen 140.000 und 160.000 gab. Trotz der irreführenden Bezeichnung Matinee haben auch die A.B.C. - Clubs Mitglieder, Mitgliederausweise und -abzeichen. Neben den obligatorischen Geburtstags- und Freikarten und einem Club Lied war für diese Clubs kennzeichnend, daß über zwölf Jahre alte Jungen und Mädchen die Funktionen von mit Armbinden versehenen Helfern ausübten. Sie wiesen die Plätze an, halfen den jüngeren Kindern und sorgten für Ruhe und Ordnung. Die in den Clubs gezeigten Filme werden gleichfalls zentral ausgewählt und terminiert. Im Wheare - Report wurden die Qualität der Filme als unterschiedlich und die Programme als nur selten ganz und gar für Kinder geeignet bezeichnet.

229

Großbritannien

Tabelle VII Zahl der wöchentlich von verschiedenen Filmtheatergesellschaften, unabhängigen Filmtheatern und Einrichtungen des Erziehungswesens durchgeführten Filmvorführungen für Kinder Name der Theatergesellschaften oder anderer Träger

Scotland North Midland & Wales

South & East

London

Total

%

14

Odeon

12

32

37

82

80

243

Gaumont British Α. B. C.

13 2

33

26

137

8

29

26 40

39

49

37

157

9

-

2

2

3

20

2

-

-

1

5

13 2

27 14 31 19

2

Granada

1

Shipman and King Southan and Morris

-

Caledonian Assoc.

19

-

-

Andere Theaterketten

33

170

94

43

24

364

22

Unabhängige Filmtheater

74

354

185

81

6

700

41

Einrichtungen d. Erziehungswesens Gesamt Quelle:

230

-

17

2 153

659

-

-

3 378

7

293

-

214

1

5 1.697

The Social Survey, Children and the Cinema, Hrsg.: Central Office of Information, London 1949, S. 98

100

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle V I I I Geschätzte Zahl der Besucher bei den einmal wöchentlich (Samstag) durchgeführten Veranstaltungen

Gebiet

Zahl der Vorstellungen

Geschätzte Gesamtzahl aller Besucher (Kinder) pro Woche

Geschätzte Gesamtzahl der Besucher Kinder unter 7 Jahren pro Woche

Scotland

139

60.095

9.604

North

641

303.453

50.093

Midland und Wales

368

186.723

28.303

South und East

283

165.021

14.370

London

213

166.779

4.776

Gesamt

1.644

882.071

107.146

Quelle:

The Social Survey, Children and the Cinema, Hrsg.: Central Office of Information, London 1949, S. 98

231

Großbritannien

Tabelle IX Zahl der Filmvorstellungen in England, Wales und Schottland, aufgeschlüsselt nach der durchschnittlichen Besucherzahl Durchschnittliche Besucherzahl pro Vorstellung

Zahl dieser Vorstellungen

%

100 500

91 899

5 53

501 - 1.000

574

34

1.001 - 1.500

101

6

1.501 - 2 . 0 0 0

17

bis zu 101 -

2.250

1

1

-

1.683

nicht regelmäßige Vorstellungen

Gesamtzahl der Vorstellungen

Quelle:

232

14

1

1.697

100

The Social Survey, Children and the Cinema, Hrsg.: Central Office of Information, London 1949, S.98

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle

X

Geschätzte wöchentliche Besucherzahl bei den einmal wöchentlich am Samstag stattfindenden Vorstellungen

a) Gebiet

-

sowie mittlere Besucherzahl pro Vorstellung

Zahl der

Geschätzte Geschätzte

Vorstellung. Gesamtzahl Gesamtzahl aller Besucher

d.Besuch.

Durchschnittl.

Durchschnittl.

Blesucherzahl

Zahl d.Besucher

bei jeder

unter 7 Jahren

(Kinder)

Kinder unter Vorstellung

pro Woche

7 Jahren pro Woche

68

37.735

2.770

555

41

Scotland

139

60.095

9.604

432

70

N o r t h West

380

168.549

31.182

444

82

North

110

65.319

8.421

594

77

N o r t h East

151

69.585

10.490

461

70

N o r t h M i d l a n d 119

62.300

9.655

524

81

69

40.630

3.622

589

52

213

166.779

4.776

783

22

South

63

37.592

4.562

597

72

S o u t h West

83

49.064

3.416

591

41

S o u t h East

East London

Wales Midlands

Gesamt

87

32.178

5.199

370

60

162

92.245

13.449

569

83

1.644

882.071

107.146

537

65

233

Großbritannien

Tabelle XI b) Filmtheater

Zahl der Geschätzte Geschätzte Durchschnittl. Durchschn. Vorstellungen Gesamtzahl Gesamtzahl Besucherzahl Zahl d.Besualler Besucher Besucher bei jeder Vorst, eher unter (Kinder) (Kinder)u.7 Jhm. 7 Jahren pro Woche pro Woche

Odeon

243

171.409

8.171

705

34

Gaumont British

137

106.713

2.582

779

19

A. B. C.

156

138.576

16.503

888

106

Granada

27

25.425

2.350

942

87

Shipman and King

14

6.715

1.042

480

74

Southan and Morris

31

15.884

1.957

512

63

Caledonian Assoc.

17

5.485

1.010

323

59

Andere Filmtheater 348

166.860

27.734

479

80

Unabhängige Filmtheater

669

244.104

45.797

365

68

2

900

1.644

882.071

Einrichtungen des Erziehungswesens

Gesamt

-

107.146

450

537

Anmerkung:

Alle Angaben beziehen sich auf Oktober 1948

Quelle:

The Social Survey, Children and the Cinema, Hrsg.: Central Office of Information, London 1949, S. 99

234

-

65

Entwicklung der Filmproduktion

C. Granadier Clubs

Granada Theatres Ltd. führt in den ihr unterstehenden Filmtheatern bereits seit 1928 Kinderfilmveranstaltungen durch. Die ersten Clubs wurden 1937 gegründet. 1950 gab es 34 Clubs mit wöchentlich 30.000 bis 35.000 Besuchern. Sie besitzen eingeschriebene Mitglieder, Club - Abzeichen und verschicken gleichfalls Geburtstagsglückwünsche und Freikarten. Auf den Mitgliederausweisen standen Aufforderungen wie z.B. täglich eine gute Tat zu vollbringen. Die Filme werden zentral ausgewählt und terminiert. Die Qualität der Filme ließ, wie der Wheare - Report kritisierte, oftmals zu wünschen übrig. Die Programme der Clubs dauern in der Regel 2 Stunden. Sie umfassen vier und mehr Filme, wobei die Programmgestalter offenbar von der Annahme ausgehen, daß für jeden Geschmack etwas geboten werden muß. So werden hintereinander Trickfilme, Informations- oder Lehrfilme, Fortsetzungsfilme und Spielfilme gezeigt. Die Clubs der Rank Organisation bringen außerdem ihr 'Club - Magazin' heraus, andere Clubs wiederum zeigen die Wochenschau. Etwa 15 Minuten des Programms nehmen jene Aktivitäten in Anspruch, die zwar den Club - Charakter unterstreichen und damit das Zusammengehörigkeitsgefühl der Kinder stärken sollen, aber selbst mit Film nichts zu tun haben. Darunter fallen das gemeinsame Singen, die zumeist im allgemeinen Lärm untergehenden Gespräche über aktuelle Themen und Fragen wie Rotes Kreuz, Sicherheit, Erste Hilfe, Tierschutz etc. und Darbietungen von Kindern auf der Bühne (Tanz, Gesang, Spiel etc.). Hinzu kam ursprünglich (bis Anfang der fünfziger Jahre) in vielen Clubs noch das Absingen eines Club - Liedes oder die gemeinsame Wiederholung des sog. Club - Gelöbnisses, das bei den Odeon · Clubs beispielsweise folgenden Wortlaut hatte: "Ich verspreche, die Wahrheit zu sagen, anderen zu helfen, meinen Eltern zu gehorchen. Ich verspreche, alten Leuten mit Aufmerksamkeit zu begegnen, freundlich zu Tieren zu sein und immer mit ehrlichen Mitteln zu kämpfen.

235

Großbritannien

Ich verspreche, alles zu tun, um aus unserem Land ein Land zu machen, in dem man am besten leben kann." *(29) Die Meinungen über den Wert oder Unwert derartiger Programmergänzungen, was sich zugleich auch auf andere, innerhalb oder außerhalb der eigentlichen Filmvorführungen entwickelten Aktivitäten bezieht, gingen weit auseinander. Tatsache allerdings war, daß die außerfilmischen Programmteile nicht zuletzt auch deshalb umstritten waren, weil sie oftmals von erschütternder Primitivität und Naivität waren.

9.

Filmzensur (Jugendfreigabe von Filmen)

Aufgrund des "Cinematograph A c t " aus dem Jahre 1905 unterliegen alle öffentlichen Filmvorführungen in Großbritannien einer staatlichen bzw. kommunalen Kontrolle. Diese Kontrolle üben die sog. "Licensing Authorities", d.h. örtliche Behörden aus, die nicht nur die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen (wie Sicherheitsvorkehrungen) überwachen, sondern Filmtheatern auch grundsätzlich genehmigen, ob und zu welchen Zeiten sie öffnen und welche Filme sie zeigen dürfen. So müssen z.B. Filmtheater, die am Samstagvormittag Kinderfilm - Vorstellungen abhalten wollen, eine gesonderte Lizenz beantragen, deren Genehmigung die Behörden von der Erfüllung bestimmter Auflagen (z.B.Beginn der Vorstellung, Mindestalter der Besucher, Anwesenheit von erwachsenen Aufsichtspersonen etc.) abhängig machen können. Obwohl die Licensing Authorities in der Regel die vom British Board of Film Censors *(30) vorgenommene Kategorisierung von Filmen übernehmen, Besitzen sie durchaus die Möglichkeit, von diesen Klassifizierungen abzuweichen. Bis 1955 gab es in Großbritannien keine generelle Regelung, in der eine untere Altersbegrenzung'festgesetzt war. Es war demnach keineswegs verwunderlich, daß z.B. 11 % der Kinder unter 7 Jahren bereits einem Kino - Club angehörten ( vergl. Statistik). Nach dem neuen Filmgesetz von 1955 besteht ein allgemeines Zulassungsverbot bis zum 5. Lebensjahr, mit Ausnahme von Kindern in Begleitung Erwachsener. Ohne Begleitung Erwachsener erhalten Kinder unter 12 Jahren nach 19 Uhr keinen Zutritt mehr.

* (29) Vergl. Wheare - Report, a.a.O., S. 32 f. *{30) Das BBFC ist eine inoffizielle Einrichtung, die durch bei der Prüfung von Filmen erhobene Gebühren finanziert wird und deren Prüfer gemeinsam vom Staat und den Licensing Authorities sowie in Übereinstimmung mit den sozialen Wohlfahrtsorganisationen ernannt werden.

236

Entwicklung der Filmproduktion

Tabelle XII Häufigkeit des Filmbesuchs (Angaben in % für England, Wales U.Schottland)

Häufigkeit Alter 5 - 9

Jahre

Jungen

Mädchen

Total

nie

17

23

20

weniger als 1 χ wöchentlich

36

43

39

1 χ wöchentlich

31

26

29

mehr als 1x wöchentlich

16

8

12

Sample (100% )

565

474

Alter 10 -

Jungen

Mädchen

15 Jahre

nie

1.039

Total

2

2

2

weniger als 1 χ wöchentlich

26

32

28

1 χ wöchentlich

37

39

38

mehr als Τ χ wöchentlich

35

27

32

447

393

840

Sample ( 1 0 0 % )

Quelle:

The Social Survey, S. 11

237

Großbritannien

Tabelle X I I I Verbreitung von Kino-Club-Mitgliedschaften unter Jungen und Mädchen zwischen 5 und 15 Jahren (Angaben in %)

Alter

Jungen

Mädchen

Total

a) 5 - 6 Jahre

10

11

11

7 - 8 Jahre

22

15

18

9 Jahre

31

27

29

20

16

19

10 - 11 Jahre

35

22

29

12 - 13 Jahre

24

20

22

14 - 15 Jahre

8

4

12

25

16

21

b)

Anmerkung:

a) = Angaben der Eltern b) = Angaben der Kinder

Quelle:

The Social Survey, S. 27

238

Entwicklung der Filmproduktion

Das BBFC (British Board of Film Censors) kannte ursprünglich drei Kategorien für die Freigabe von Filmen. Hierbei handelte es sich nicht - ähnlich wie bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) in der Bundesrepublik um eine Klassifizierung nach qualitativen Gesichtspunkten. Die Kategorien waren: U =

(universal) Freigegeben für allgemeine Vorführungen, zu denen Kinder unter 16 Jahren uneingeschränkt Zutritt haben.

A =

(adult) Freigegeben für öffentliche Vorführungen, zu denen nur Erwachsene (ab 16 Jahren) Zutritt haben. Kinder unter 16 Jahren werden nur in Begleitung Erwachsener zugelassen.

Η =

(horrific) Freigegeben für öffentliche Vorführungen, zu denen Kinder unter 16 Jahren keinen Zugang haben.

Der Wheare - Report setzte sich ausführlich mit dieser Regelung auseinander und kam zu folgenden Ergebnissen: *(31) "Die gegenwärtigen Kategorien (U, A, H), in die die Filme eingeteilt werden, sind unbefriedigend und sollten vermehrt werden. Die gegenwärtige A - Film Regelung... ist unzweckmäßig, weithin unbeachtet und sollte auch aufgeteilt werden. Die Filme sollten in folgende Kategorien aufgeteilt werden: a)

*(31)

Eine einzige Kategorie, die die gegenwärtige Η - Kategorie miteinschließen sollte, von der Kinder unbedingt auszuschließen sind . . . Diese Kategorie möge die Bezeichnung X bekommen.

Wheare - Report, S. 8 1 / 8 2 (Vgl. auch S. 5 9 f f )

239

Großbritannien

b)

Eine Kategorie von Filmen, die allein in Kindervorstellungen gezeigt werden sollen. Sie möge die Bezeichnung C tragen.. .

c)

Beratende Kategorien für alle übrigen Filme, zu denen Kinder uneingeschränkt Zutritt haben. Man sollte zwei derartige Kategorien einrichten, die jeweils angeben, ob ein Film sich für die Familienunterhaltung (Kategorie U) oder vorwiegend für Erwachsene (Kategorie A) eignet..."

Diese Vorschläge fanden 1955 ihre gesetzliche Verankerung. Demnach gibt es in Großbritannien folgende Einstufungen: U = Frei für alle A = Besser nur für ein erwachsenes Publikum X = Nur für Erwachsene (verboten unter 16 Jahren) In den Richtlinien für die Arbeitsausschüsse des B B F C wird die Kategorie A noch präziser gefaßt. Sie bedeutet folglich, daß der jeweilige Film zwar im allgemeinen für Kinder unter 16 Jahren nicht geeignet ist, aber überläßt den Eltern die Entscheidung darüber, ob das Kind aufgrund seiner geistigen und körperlichen Entwicklung bereits fähig ist, den Film zu verstehen und zu verarbeiten.

10. Filmförderung in Großbritannien

Die britische Filmindustrie ist nicht nur ähnlich strukturiert wie die anderer westeuropäischer Länder, sondern kämpft seit Jahrzehnten auch mit den gleichen strukturbedingten Schwierigkeiten. Andeutungsweise lassen sich diese mit chronischer Unterkapitalisierung und Konkurrenz durch amerikanische Filme charakterisieren. Da bereits in den zwanziger Jahren der britische Filmmarkt von Hollywood fast vollständig beherrscht wurde, erließ die Regierung zum Schutz des einheimischen Films ein sogenanntes Quotagesetz, das den Filmtheatern vorschrieb, im Jahr 1/5 ihres Programmbedarfs mit einheimischen Filmen zu decken. Um dieser gesetzlichen Vorschrift zu entsprechen, gaben die Verleiher Filme in Auftrag, die ohne jede künstlerische oder sonstige Ambitionen gemacht wurden und vor allem billig sein mußten. Die Filme liefen dann am Anfang der Vorstellungen, so daß das Publikum sich danach richten und erst nach Beendigung des britischen Films kommen konnte.

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Entwicklung der Filmproduktion

Diese Situation änderte sich erst während des II. Weltkrieges, als die Regierung im Film ein wichtiges Propagandamittel sah und selbst zum Auftraggeber wurde, zumal das plötzliche Ausbleiben der Masseneinfuhr amerikanischer Filme eine fühlbare Bedarfslücke entstehen ließ. So entwickelte sich unter dem Eindruck des Krieges und seiner Auswirkungen einerseits und unter dem Einfluß der britischen Dokumentarfilmschule, die bereits in den dreißiger Jahren unter Leitung von John Griersoi Weltruf erlangen konnte, erstmals eine eigenständige Spielfilmproduktion, die auch in späteren Jahren - trotz zeitweiligem Qualitätsverlust - vom Inlandsmarkt nicht mehr wegzudenken war. Die Frage allerdings, wie der britischen Filmproduktion unabhängig von dem noch immer bestehenden Quotagesetz auch finanziell geholfen werden konnte, blieb weiterhin ungelöst. Die Regierung konnte sich nicht dazu durchringen, einen Industriezweig durch direkte oder indirekte staatliche Maßnahmen zu unterstützen, auch wenn die Erhaltung dieser Industrie nicht nur von kulturpolitischer, sondern auch nationaler Bedeutung war. Ende der vierziger Jahre griff die britische Filmindustrie zur Selbsthilfe. Sie gründete den sogenannten Eadyfonds. Auf freiwilliger Basis führten die Filmtheater pro verkaufter Eintrittskarte eine Abgabe von 1 Penny an den Fonds ab. Erst 1957 wurde diese freiwillige Abgabe durch den "Cinematograph Levey Act" zum Gesetz erhoben. Die Abgabe wurde damit zur Pflicht und von den Steuerämtern eingezogen und an die "British Film Fund Agency" abgeführt. Das Gesetz unterteilt die britische Filmproduktion in vier Gruppen: 1.

High Cost Films

2.

Low Cost Films

3.

Kurzfilme unter 1000 m

4.

Dokumentär- u. Reportagefilme (Wochenschau etc)

Gruppe 1 umfaßt Spielfilme, bei deren Herstellung für Gagen, Honorare und Löhne mehr als 20.000 Pfund aufgewendet wurden. Diese Filme erhalten ein Jahr nach ihrer Uraufführung aus dem Eadyfonds einen Betrag, der 40 bis 60 % (der Prozentsatz hängt von der Höhe der jeweiligen Fondseinlagen ab) der inzwischen erzielten Bruttoeinnahmen ausmacht. Als " L o w Cost" - Filme werden solche Filme eingestuft, bei deren Herstellung für Gagen, Honorare und Löhne weniger als 20.000 Pfund aufgewendet wurden. Bei diesen Filmen wird die nach einem Jahr erzielte Brutto - Verleiheinnahme mit dem Faktor 2,5 multipliziert. Von dieser Summe erhält der Produzent des Films dann zwischen 40 und 60 %. Bei Kurzfilmen wird

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Großbritannien

genauso verfahren wie bei Filmen der Gruppe 2, während bei Filmen der Gruppe 4 die Einspielsumme nur mit 2 multipliziert wird. Es handelt sich hierbei also um eine automatische Förderung und nicht um eine Qualitätsförderung. Die Förderungsbeträge erhält der Produzent ausbezahlt. Sofern ein Verleiher die Finanzierung eines Films ganz oder teilweise übernimmt, läßt er sich vertraglich eine entsprechende Beteiligung an den Einnahmen aus dem Eadyfonds zusichern. Ohne auf weitere Einzelheiten der gesetzlichen Bestimmungen einzugehen, kann festgehalten werden, daß es in Großbritannien seit 1957 eine gesetzlich geregelte Filmförderung gibt, die als eine automatische Förderung unter Zugrundelegung der innerhalb eines Jahres erzielten Einspielergebnisse angesprochen werden kann. Die Mittel für die Förderung bringt die Filmwirtschaft selbst auf, d.h.der Staat ist an ihr finanziell weder direkt noch indirekt beteiligt. A u s den Mitteln des Eadyfonds wird jährlich ein bestimmter Betrag abgezweigt, der - wie bereits erwähnt wurde-C.F.F. zur Finanzierung der Kinderfilmproduktion zur Verfügung gestellt wird. Da die vollsubventionierten Kinderfilme auf einer anderen als der herkömmlichen gewerblichen Basis in den Filmtheatern ausgewertet werden, sind sie an der allgemeinen Filmförderung nicht beteiligt.

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Entwicklung der Filmproduktion

III. Thematische Gliederung und Analyse der britischen Kinderfilme Fast zwei Jahrzehnte lang ist der britische Kinderfilm - nicht nur im Ausland - immer wieder mit einem emzigen Namen identifiziert worden: dem von Mary Field, der Direktorin von Children's Film Department, von Children' s Entertainment Films und schließlich von Children' s Film Foundation. Fünfzehn Jahre (1944 · 1959) lang hat Mary Field an führender Stelle und mit aufopfernder Hingabe die Geschicke des britischen Kinderfilms mitbestimmt und beeinflußt, obwohl sie selbst nicht ein einziges Drehbuch zu einem Kinderspielfilm verfaßte oder selbst Regie führte. Diese Feststellung bedeutet keine Schmälerung der Verdienste von Mary Field, vielmehr dient sie dazu, den weit verbreiteten und noch heute vielfach verwandten Begriff "Mary - Field - Filme" einzuschränken. Dieser sowohl in einem positiven als auch negativen Sinn angeführte Begriff meint also nicht den oder die Autoren und Regisseure von bestimmten Filmen, sondern bezieht sich in erster Linie auf thematische und gestalterische Grundmuster, auf Stereotypen oder, wenn man will, auch auf eine bestimmte Ideologie, die für den überwiegenden Teil der britischen Kinderspielfilme *(32) charakteristisch sind. Wenn es richtig ist, daß der britische Kinderspielfilm mehr oder weniger variablen Schemata oder Stereotypen folgt, und hinter dem einzelnen Film nurmehr bedingt variable Tendenzen sichtbar werden, dann ist dies nicht zuletzt auch das Verdienst von Mary Field und ihren engsten Mitarbeitern, zumal sie entscheidenden Einfluß auf die Auswahl der Themen, Stoffe und Drehbücher, die verfilmt wurden, auf die produktionsreife Gestaltung der Drehbücher, auf die Auswahl von Produktionsfirmen und durch unmittelbare Produktionsberatung auch auf die Herstellung der Filme selbst genommen haben. Aus den genannten Gründen bliebe eine Analyse der Themen und Gestalten britischer Kinderspielfilme unvollständig, wenn sie nicht von einer kritischen Auseinandersetzung mit den Erfahrungen und Erkenntnissen jener Personen ausginge, die maßgebend am Entstehen und Aussehen der Filme beteiligt waren. In zahlreichen Abhandlungen und bei Vorträgen hat Mary Field praktische und zugleich elementare Grundregeln für die Produktion von Kinderfilmen aufgestellt. Daß diese Prinzipien zumindest in Großbritannien für die für die Gestaltung von Kinderfilmen Verantwortlichen keine bloße Theorie waren und sind, kann bereits bei einer oberflächlichen Durchsicht der Spielfilme, die zwischen 1945 und 1965 entstanden, festgestellt werden. Im einzelnen handelt es sich um die folgenden Regeln:

*(32) Auf andere Filmarten wie Kurz- und Trickfilme, Magazine und die Mehrzahl der Fortsetzungsserien (-filme) kann in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden.

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Großbritannien

1. (1) Darsteller in Kinderfilmen "Kinder erwarten, daß die Personen eines Films von Kindern ihres eigenen Alters dargestellt werden; mit diesen können sie sich leichter identifizieren als mit Erwachsenen. .. Kinder interessieren sich hauptsächlich für Kinder oder für Tiere. Die Erwachsenen und deren Probleme können sie hingegen kaum fesseln. .. Im wirklichen Leben sehen die Kinder in ihrem Geist ihre Eltern, Lehrer und alle Erwachsenen, die sie lieben und achten, so wie sie sie gerne hätten, nicht so, wie sie wirklich sind. Folglich haben die Kinder eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wie ein in ihren Filmen mitspielender Erwachsener aussehen sollte. Alle Väter sollen groß und schlank sein und scharf geschnittene, ausgeprägte Gesichtszüge besitzen, während die Mütter jung, schlank, hübsch und gut, aber nicht zu auffallend gekleidet sein sollten. Alle Eltern, Lehrer, Polizisten, Beamten und alle Persönlichkeiten, die von den Kindern geachtet und respektiert werden sollen, sollten mit auf der Seite der Gerechtigkeit stehen und sollten im Film nicht älter als 30 Jahre sein... Zwischen Eltern sollte immer absolute Einigkeit herrschen.. . Stämmige, dicke Darsteller können, wenn nötig, im Film auftreten, vorausgesetzt, daß sie komische Rollen spielen... Dick, kahlköpfig und in mittleren Jahren können die negativen Typen sein... Sie sollen allerdings die konventionellen Zeichen ihres Schurkentums deutlich zeigen - schmutzige und geflickte Kleider, abstoßende (aber nicht Abscheu erregende) Gesichter. Einer der Schurken soll einen Fehler haben, der ihn lächerlich macht, damit die Kinder sich ihm überlegen fühlen. .. Da sich die Kinder mit den Figuren auf der Leinwand identifizieren, sollte man keine zwielichtigen und folglich undurchsichtigen Typen in die Handlung einführen... Da das Publikum sowohl aus Jungen als auch Mädchen besteht, ist es wichtig, daß auch ein Mädchen eine Hauptrolle spielt. Die Kinder erwarten das." *(33) Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die hier wiedergegebenen Regeln und ihre Befolgung zu einer ganz entscheidenden Beschneidung der schöpferischen Phantasie und gestalterischen Ausdruckskraft von Autoren und Regisseuren führen müssen. Schwerwiegender allerdings erscheint der Einwand, daß die vorgenommene Typisierung nicht nur wirklichkeitsfremd, sondern auch wirklichkeitsfeindlich ist. Sie entspricht, wenn auch unter bedingt anderen Voraussetzungen und mit teilweise anderen Absichten, dem folgenschweren, inzwischen historischen Versuch, den Film zu einer klischeebeladenen Traumfabrik zu machen. Hier wie da wurde das Publikum in eine verlogene Scheinwelt gelockt, die nur Glanz, Reichtum, Erfolg, Schönheit und Jugend kennt, in der es keine echten *(33) Mary Field, a.a.O., S . 78 ff Henry Storck, a.a.O., S. 3 9 f (Storck zitiert M.Field wörtlich) - (Die Seitenangaben beziehen sich auf die deutsche Übersetzung des Berichts, die unter dem Titel ' F i l m und Jugend', Bd.II., in der Schriftenreihe des Deutschen Instituts für Filmkunde, Wiesbaden 1954, erschien) Mary Field, Children and Films, Vortrag, veröffentlicht in Journal of the Royal Society of Arts, L o n d o n , Nr. 4 9 9 9 V o l . C V v o m 15.3.1957, S. 332 - 3 4 3

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Entwicklung der Filmproduktion

Konflikte und Probleme mehr gab und in der stets das Gute, Reine und Unverdorbene siegte. Dieser Vergleich mag ungerechtfertigt hart klingen, zumal der britische Kinderfilm primär sicherlich nicht aus kommerziellen, sondern eher aus falsch verstandenen erzieherischen Gründen zu einer Scheinwelt Zuflucht nahm. Diese pädagogischen Gründe kann man mit der Absicht umreißen, Kinder im weitesten Sinne des Wortes beschützen zu wollen. Dazu gehört vor allem: a)

Ihnen eine übersichtliche, einfachen Gesetzen und Regeln folgende Welt zu zeigen, in der es weder Widersprüche noch unlösbare Probleme gibt und in der Gut und Böse auch äußerlich deutlich sichtbar voneinander getrennt sind. " K i n d e r verlangen, daß die Filmstory im Geiste absoluter Gerechtigkeit abläuft - daß die Schlechten bestraft und die Guten belohnt werden" (Mary Field)

b)

Bei dem kindlichen Zuschauer den Eindruck zu erwecken, daß Unerschrokkenheit, Tatkraft und Optimismus ausreichen, um mit den auftauchenden Schwierigkeiten fertig zu werden

c)

Dem kindlichen Zuschauer zu suggerieren, daß es so etwas wie eine autonome Welt der Kinder gäbe, in der die Erwachsenen und ihre Probleme nur eine höchst nebensächliche Rolle spielen, und daß es folglich auch völlig natürlich sei, daß die Kinderdarsteller auf der Leinwand den Erwachsenen überlegen sind oder ihnen mit guten Beispielen vorangehen.

Daß diese durchaus gut gemeinte pädagogische Einstellung sowohl bereits der kindlichen Lebenserfahrung widerspricht als auch der Entwicklung des Kindes nicht förderlich, sondern eher abträglich ist, wird von den Verfechtern der "Abschirmungstheorie" offenbar übersehen. Es bedarf «igentlich gar keiner besonderen Erwähnung, daß Kinder im wirklichen Leben fast nie völlig von den Erwachsenen isoliert sind und nur miteinander agieren. Die Erwachsenen sind ein nicht wegzudiskutierender Bestandteil im Leben aller Kinder, sie bestimmen, gestalten oder beeinflussen zumindest die kindliche Umwelt, greifen ordnend und verordnend ein und setzen der Bewegungsfreiheit, dem Handeln der Kinder mehr oder weniger starre Grenzen. " O h n e die lebendige Gestaltung der Beziehung zwischen Kindern zu unterschätzen wesentliche Probleme und Konflikte der Kinder oder Jugendlichen entstehen aber doch oft aus der engen Berührung mit Erwachsenen, zuweilen durch falsche Reaktionen der Erzieher auf bestimmte Verhaltensweisen ihrer Kinder bzw. Schüler. Sicher streben Kinder und Jugendliche natürlicherweise nach Leitbildern aus der Erwachsenenwelt, bleiben aber doch in ihren physischen Prozessen Kinder oder Jugendliche, was eben eine pädagogische und psychologisch überlegte Einwirkung

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Großbritannien

der Erwachsenen bedingt. Nichts wäre abwegiger, als den 'kleinen Erwachsenen' heranzüchten zu wollen. Der mit der Jugend lebende Erwachsene ist vielmehr verpflichtet, das Kind in seinem 'Kind-Sein' und den Jugendlichen in seinem Jugendalter zu bestätigen, ernst zu nehmen." * (34) 1. (2) Thematik und Tendenz "Im sowjetischen Machtbereich und den meisten europäischen Ländern ist man der Ansicht, daß Kinder im Kino bis zu einem gewissen Grad von den wirklichen Ereignissen des Lebens bewahrt werden sollten. Man versorgt sie deshalb mit Zeichen- oder Puppentrickfilmen, die ihnen eine phantasievolle Märchenwelt zeigen, oder mit solchen Filmen, die eine direkte moralische Tendenz haben. Auf der anderen Seite glauben vor allem die Amerikaner, die keine spezielle Kinderfilmproduktion kennen, daß Kinder im Grunde kleine Erwachsene und daher auch in der Lage sind, die Filmunterhaltung der Erwachsenen zu verstehen. In Großbritannien huldigt man keiner dieser gegensätzlichen Anschauungen. Um aus dem Filmbesuch die größte Freude und den größten persönlichen Nutzen zu ziehen, ist man in Großbritannien der Ansicht, daß Kinder nur speziell für sie hergestellte Filme sehen sollten. Thematisch sollen diese Filme innerhalb der Lebenserfahrung und des Verständnisbereiches der Kinder liegen. In der Gestaltung sollen sie vor allem realistisch sein, und die erzieherische Tendenz sollte, im Gegensatz zum Unterhaltungszweck, eine zweitrangige Rolle spielen." *(35) In einem anderen Zusammenhang allerdings besteht Mary Field darauf, in jede Filmhandlung ein paar Situationen einzufügen, die den Kindern ein gutes, nachahmenswertes Beispiel geben. Auf diese Weise würde der allgemeine erzieherische Wert eines Filmes gesteigert. "Man erinnere sich.. . des therapeutischen Wertes, den das Gelächter und das (Mit-) Erleben von Abenteuern haben. Von etwa sechs Jahren an suchen die Kinder intensive Kontakte zu ihrer realen Umwelt, bevor sie wieder in eine Traumwelt, diesmal in die Pubertätsjahre, zurückkehren. Um für diese Umweltkontakte mit dem fremdartigen Leben der Erwachsenen eine gewisse Sicherheit zu gewinnen, glauben die Kinder, daß das Gute auf die Dauer hin immer das Schlechte besiegen wird.. . Direkte moralische Tendenz reizt im allgemei*(34) Siegfried Hämisch: Die Gestalt des Erziehers im Kinderfilm, in: Film Fersehen Filmerziehung, Berlin 1962, 2.Jg. Heft II, S. 27 *(35) Vgl. Anm. 33

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Entwicklung der Fiimproduktion

nen Kinder weniger zum Widerspruch als Erwachsene. Wenn wir trotzdem in allen neueren Filmen alle direkten Tendenzen eliminiert haben, so ist dies vor allem mit Rücksicht auf die (Film-) Kritik geschehen. . . Kinderunterhaltungsfilme müssen sich grundsätzlich um Kinder drehen - ihre Abenteuer, ihre Probleme, ihre Leistungen. Die Probleme der Erwachsenen interessieren nicht... Da die Kinder mit Gangster- und Cowboy - Filmen aufgewachsen waren, erwarten sie von einem Film, daß er seinen Höhepunkt in einer Verfolgungsjagd erreicht. Das behielten wir in allen unseren Filmen bei.. . Auch die Mehrzahl der Filme für Erwachsene enthalten irgendeine Art von Wettlauf gegen Distance und Zeit als wesentliches Element ihres Höhepunktes, und es scheint keinen Grund zu geben, diesen nicht auch in Kinderfilmen zu verwenden." *(36) Abgesehen davon, daß die Feststellung, im Ostblock und in den meisten europäischen Ländern würden die Kinder vornehmlich mit Trickfilmen versorgt, sachlich völlig unzutreffend ist (was nicht zuletzt auch dieser Untersuchung zu entnehmen ist), hat doch gerade der britische Kinderfilm - und zwar keineswegs nur in den Anfangsjahren nicht nur Linter einer allzu penetrant vorgetragenen moralischen Tendenz gelitten, sondern auch, wie im vorausgegangenen Kapitel dargelegt wurde, die Absicht verfolgt, bis zu einem gewissen Grad Kinder vor den Ereignissen des wirklichen Lebens zu bewahren. Dies kommt allein darin zum Ausdruck, daß einerseits der Sieg des Guten über das Böse und andererseits eine Vernachlässigung der Erwachsenenwelt gefordert wird. "Und obwohl die Filme stets optimistisch enden, sollen die guten Menschen niemals für ihre Anständigkeit belohnt werden. Der Film betont Pflichtgefühl. Das Filmende ist niemals ein endgültiger Schlußpunkt, sondern der Auftakt einer Hoffnung, wodurch die kindlichen Zuschauer angeleitet werden, auch im Leben immer hoffnungsvoll zu sein. " *(37) Der bedingungslose Sieg des Guten, die Einteilung der Menschen in gute und schlechte, das nachahmenswerte Beispiel, die Betonung von Pflichtgefühl und die Anleitung zur optimistischen Weltsicht, das alles ist nichts anderes als eine Aufzählung moralischer Kriterien, die in dieser Form elementare Bestandteile der britischen Kinderfilme waren und sind. *(36) Vgl. Anm. 33 *(37) Mary Field, zitiert nach Henri Storck, a.a.O. S. 42

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Im krassen Widerspruch zu Mary Fields gern zitierter Behauptung, die britischen Kinderfilme wären thematisch innerhalb der Lebenserfahrung von Kindern angesiedelt, steht das Ergebnis dieser Untersuchung, aus dem hervorgeht, daß der absolut überwiegende Teil aller britischen Kinderspielfilme abenteuerliche Stoffe mit kriminalistischem Einschlag oder abenteuerlich - phantastische Stoffe zur Vorlage hat. Selbst bei großzügigster Auslegung des Begriffes "Lebenserfahrung von Kindern" wird man die in britischen Kinderfilmen stereotyp wiederkehrende Jagd auf Einbrecher, Schmuggler, Diebe, Betrüger und ähnliche kriminelle Elemente, die in der Regel von Kindern aufgespürt, verfolgt und oft auch ohne Mithilfe der Polizei gestellt werden, kaum zur mittelbaren oder gar unmittelbaren Lebenserfahrung von Kindern rechnen können. Schließlich muß noch auf einen weiteren Irrtum, dem Mary Field und ihre Mitarbeiter erlegen waren, hingewiesen werden. Angesichts der großen Zahl einschlägiger wissenschaftlicher Untersuchungen ist die Behauptung, Kinder suchten ab ihrem 6. Lebensjahr intensiven Kontakt zu ihrer realen Umwelt, bevor sie während der Pubertät wieder in eine Traumwelt zurückkehren würden, nicht aufrechtzuerhalten. Auf den Film bezogen hieße das: Kinder zwischen dem 6. und etwa 11. Lebensjahr würden, adäquat zu ihrem angeblichen Bemühen, intensiven Kontakt zur Realität zu gewinnen, ein gewisses Realitätsbewußtsein und -verlangen zeigen, das sie anschließend wieder zugunsten von Illusionen oder Träumen aufgeben. Demgegenüber aber darf als bewiesen angesehen werden, daß Kinder - je nach Entwicklung und Reife - erst mit dem 8. oder 9. Lebensjahr aus dem sogenannten Märchenfilmalter heraustreten und anschließend - trotz Pubertät und dadurch bedingte Auswirkungen auf die psychisch - physische Verfassung der Individuen - in eine mehr realitätsbetonte und -bezogene Phase eintreten. 1. (3) Dramaturgischer Aufbau "Kindliche Zuschauer sind amüsiert und interessiert, wenn der Film aus einer Handlung besteht, welche von Anfang bis Ende klar übersichtlich ist, und wenn jede Episode der Handlung in sich abgeschlossen ist. Man darf niemals - auch nicht in einer Nebenhandlung - Filmvorgänge im Ungewissen lassen, weil die Kinder dann über das Schicksal der handelnden Personen besorgt sind... Kindliche Zuschauer lieben es nicht, überrascht zu werden. Sie wollen vielmehr genau voraussehen können, was geschehen wird, und dann verspüren sie Zufriedenheit darüber, daß sie richtig geraten haben. . . . Die englischen Filmproduzenten gehen bei ihrer Arbeit von der Annahme aus, daß der Filmgeschmack der Kinder gut ist, bevor er durch den Besuch zu vieler unverständlicher Erwachsenenfilme pervertiert wird. Das größte Verbrechen, das die Filmhersteller an Kindern begehen können, ist, sie mit Fil-

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men zu langweilen, deren dramaturgischer Konflikt, deren Darstellerführung und deren Hintergründe ihnen unverständlich bleiben... Ein sorgfältiges und auf die Praxis abgestelltes Studium Shakespeare' scher Dramaturgie war uns bei der Herstellung von Filmen stets von Nutzen... Das Publikum muß durch eine aktionsreiche Handlung (deren Höhepunkt bei der Verfolgungsjagd liegt) und eine fesselnde Einleitungsmusik gepackt werden... Die Geschichte muß so angelegt sein, daß die Handlung, die Charaktere und die Motivationen in einem Kinderfilm sich weitgehend von denen des Erwachsenenfilms unterscheiden müssen." *(38) Die genannte dramaturgische Konstruktion ist einfach und zugleich charakteristisch für viele Filme. Sie geht auf das vom Kasperltheater her bekannte Prinzip zurück, den Zuschauer stets mehr sehen und wissen zu lassen, als die agierenden Figuren. Der Betrachter hat deshalb die Möglichkeit, eintretende Ereignisse und die Reaktionen der Beteiligten auf diese Ereignisse vorauszusehen und sich dementsprechend auf sie einzustellen. Er gewinnt dadurch ein Gefühl der Überlegenheit, was in diesem Fall gleichbedeutend mit aktiver Anteilnahme ist."Folglich ist die Handlung in Kinderfilmen so gestaltet, daß die kindlichen Darsteller auf der Leinwand immer die Situation beherrschen und daß die kleinen Zuschauer über den Fortgang der Handlung schon vor den erwachsenen Personen, die im Film auftreten, informiert sind." *(39) Wenn Mary Field schließlich darauf hinweist, daß das Fehlen von logischen Zusammenhängen oder aber das Vorhandensein von Ungenauigkeiten die Gefahr in sich birgen würde, daß die jungen Zuschauer plötzlich in die Wirklichkeit zurückversetzt werden und danach Schwierigkeiten haben, wiederum in die Welt der Illusionen einzutauchen, so wird damit nur die Tendenz des britischen Kinderfilms unterstrichen, an die Stelle von echten Konflikten und Problemen, von alltäglichen Ereignissen und natürlich wirkenden Personen eine in mehrfacher Hinsicht manipulierte Scheinwelt zu setzen, in der nur noch zum Klischee erstarrte Typen Platz haben. Dieser Vorwurf mag hart klingen, daß er aber nicht ungerechtfertigt ist, mag ein Zitat aus der seinerzeit im Auftrag der UNESCO durchgeführten Untersuchung von Henri Storck belegen:"ln einer spezialisierten Filmproduktion (gemeint ist der Kinderfilm) wird ein Erziehungsprinzip reflektiert, dessen historische Wichtigkeit in der Pädagogik nicht verneint werden kann, das aber nur mit einiger Zurückhaltung in die Praxis umgesetzt werden kann - in die Praxis nämlich, die dem Kind helfen soll, mit seinen Problemen fertig zu werden... Größte Vorsicht ist geboten, wenn es sich um die *(38) * (39)

Vergl. Anm. S. 33 Mary Field, zitiert nach Henri Storck, a.a.O., S.40

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Frage handelt, das Kind von gewissen Erfahrungen auszuschließen, deren offenbar verheerende Konsequenzen alles andere als eben dies sind: sollten sie wirklich verheerend sein, so sind sie dies aus ganz anderen Gründen.. . Das zuletzt beschriebene Verfahren kann Kinderfilme in eine Sackgasse führen und sie auf gewisse Typen und auf den rücksichtslosen Ausschluß anderer Filme beschränken. Unter dem Vorwand, das Kind zu 'schützen', entstehen Filme, die in sehr unkluger Weise die Atmosphäre der Zeit wiedergeben - festgefahrene Produktionen, sozusagen, die nicht minder gefährlich sind als systematisch herausgebrachte düstere und zweifelhafte Filme... Wir meinen, daß zusätzlich zur spezialisierten Produktion auf sehr breiter Basis Filme ausgewählt werden sollten, deren innere Ausrichtung weniger eng und weniger begrenzt ist. Anderenfalls werden Kinderfilme entweder ein unerwünschtes Mittel, Kinderhirne zu informieren, oder sie werden durch übermäßige Sorgfalt und Bedenken so ausgelaugt und verarmt, daß sie bald überhaupt keinen Einfluß mehr ausüben werden." *(40)

2. Märchenfilme, verfilmte und moderne Märchen

Im Gegensatz zu allen anderen Ländern, die eine kontinuierliche Spielfilmproduktion für Kinder besitzen, konnte in Großbritannien nicht eine einzige Verfilmung populärer Volksmärchen nachgewiesen werden. Obwohl sich der britische Kinderfilm vornehmlich an die Altersgruppe der 7 bis 13jährigen wendet, d.h. der absolut überwiegende Teil seiner Zuschauer dieser Altersgruppe angehört, wurden weder klassische Märchen verfilmt noch ausländische Verfilmungen dieser Art eingeführt. Über die Gründe für diese Erscheinung lassen sich lediglich Vermutungen anstellen, zumal zu diesem Thema keine Stellungnahmen der für die Planung und Produktion Verantwortlichen vorliegen: Folglich ist es auch nicht sicher, ob die Gattung 'Märchenfilm' in Großbritannien auf eine grundsätzliche Ablehnung stößt, oder ob sich nur niemand mit ihr auseinandergesetzt hat, da der britische Kinderspielfilm von Anfang an thematisch eigene Wege zu gehen versuchte. Die kleine Gruppe von Filmen (7 Filme oder 8,7 %), die hier unter dem Oberbegriff 'Moderne Märchen' zusammengefaßt werden, könnte - mit einer Ausnahme - ebenso gut auch der Gruppe der abenteuerlich - phantastischen Stoffe zugerechnet werden. Sie verfügen weder über spezifische Märchenelemente noch über zeitlose Grundkonstellationen. Vielmehr bricht das Phantastische abrupt und unmotiviert in eine fast alltägliche Welt ein, wie etwa in "The Dragon of Pendragon Castle" (1950), wo ein junger Seedrache eine verarmte Aristokratenfamilie vor dem Ruin bewahrt. Der Drache ersetzt die Zentralheizung im Schloß und *(40) Henri Storck, a.a.O., S. 43

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hilft einigen Kindern, den vermißten Familienschatz zu finden. Die beiden nächsten Filme befaßten sich mit sozusagen utopischen Themen. In "The Flying Eye" (1955) geht es um eine phantastische technische Erfindung, den fliegenden Fernsehapparat, die feindliche Agenten in ihren Besitz zu bekommen versuchen. Und in "Supersonic Saucer" (1956) wurde das seinerzeit mal wieder aktuelle Thema der fliegenden Untertassen aufgegriffen. Bei ihrem Besuch auf der Erde erfüllt "Meba" nicht nur zwei Kindern jeden Wunsch, sondern erregt auch das Interesse von Gangstern, die sie entführen und für ihre Zwecke mißbrauchen wollen. Auch die Geschichte von dem kleinen Afrikaner Ali ("Ali and the Camel", 1960) und seinem wundersamen Kamel, das über menschliche Eigenschaften verfügt, handelt letztlich wieder von Verbrechern, die von einem Kind verfolgt und gestellt werden. "One wish too many" (1956) weicht insofern vom üblichen Schema ab, als er statt von Dieben oder Agenten von einem neunjährigen Jungen und seinen Erlebnissen mit einer Zaubermurmel erzählt. Mit der Murmel kann Peter sich jeden Wunsch erfüllen, aber er mißbraucht auch die magische Kraft der kleinen Kugel, indem er maßlos in seinen Wünschen wird und in der Schule Verwirrung und Ärger stiftet. Schließlich verwandelt Peter eine Spielzeugdampfwalze in eine echte, mit der er seine Freunde durch die Straßen der Stadt fährt. Da Peter unterwegs die Murmel verliert, können die Kinder das rollende Ungetüm, das den Klassenlehrer und eine griesgrämige Hausbesitzerin vor sich hertreibt, nicht mehr steuern. Erst das mutige Eingreifen von Peters Vater bereitet dem Spuk ein Ende.- "One wish too many" gehört zu den wenigen Filmen, die überhaupt einmal davon Kenntnis nehmen, daß Kinder gewöhnlich in die Schule zu gehen pflegen und mitunter auch Hausaufgaben zu erledigen haben. Die Schulsequenzen sind dem Film allerdings nur ein willkommener Anlaß, um das Spiel mit Klamauk und Gags anzureichern und schließlich in einer wilden Verfolgungsjagd münden zu lassen.

3.

Kinder, Abenteuer und Verbrecher

Die zahlenmäßig größte und folglich bedeutendste Gruppe bilden jene Filme, in denen kriminelle Elemente jeder Schattierung das Gegengewicht zu den auftretenden Kinder darstellen. Nicht weniger als 48 von 80 Spielfilmen (= 60 %) verwenden dieses Motiv, so daß die Jagd auf Halunken, Diebe, Agenten und Verbrecher zum eigentlichen Inhalt der Filme wird. Eine reichhaltige Skala von Vergehen und Verbrechen entstand im Laufe der Jahre:

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Großbritannien

Diebstahl allgemeiner Art

( 12 χ )

Schmuck- oder Juwelendiebstahl

(

8 χ)

Schmuggel

(

3 χ)

Wilddiebstahl

(

3 χ)

Betrug

(

3 χ)

Spionage

(

2 χ)

Bankraub

(

2 χ)

Je einmal kommen vor: Pferde-, Bilder-, Fahrrad- und Hundediebstahl, Mordanschlag, Attentat, Verschwörung, Luftpiraterei, Elfenbeinjagd, Verrat, Sabotage, Postzugraub sowie Gangster, Banden und Schatzsucher u.a. Das Schema, das diesen Filmen zugrunde liegt, ist seit " B u s h Christmas" (1946) fast unverändert geblieben - verändert wurden lediglich die Schauplätze und die Taten der Bösewichter, gegen die die Kinder ankämpfen mußten. " B u s h Christmas" erzählt von zwei Männern, die nachts von einer australischen Farm eine Stute und ein Fohlen stehlen. Als der Diebstahl entdeckt wird, alarmiert der Farmer die Polizei und einen Nachbarn. Während die Erwachsenen die Verfolgung bald wieder aufgeben, da sie die Spur verlieren, machen sich fünf acht- und dreizehnjährige Kinder auf den Weg. Nach zwei Tagen gehen ihnen der Proviant und das Wasser aus. Außerdem verwischt der Regen alle Spuren. Die Kinder aber lassen sich nicht entmutigen. Durch Zufall entdecken sie das Lager der Diebe. Nachts pirschen sie sich an die schlafenden Männer heran, machen die Pferde los und stehlen den Proviant und die Schuhe. Obwohl die Diebe bei der weiteren Verfolgung auch von der Schußwaffe Gebrauch machen, können die Kinder ihnen auch noch den Wassersack und das Gepäck stehlen. Die Verfolgung geht weiter und endet in einer verlassenen Goldgräberstadt, wo die Kinder in einen Hinterhalt gelockt und von den Verbrechern gefangen genommen werden. Aber die Diebe können sich ihres Triumphes nicht lange erfreuen, denn wenig später tauchen Polizisten und der Vater der Kinder auf.

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In " M y s t e r y on Bird Island" (1954) entdecken Kinder auf einer unter Naturschutz stehenden Vogelinsel das Lager und Versteck einer Schmugglerbande. Daraufhin mobilisieren die Kinder die Öffentlichkeit, um den Stadtrat zu zwingen, auf der Vogelinsel einen Wächter zu stationieren. Als es Mr. Bronson, dem Anführer der Bande, nicht gelingt, die Unterschriftenliste der Kinder in seinen Besitz zu bringen, läßt er sie ihnen gewaltsam abnehmen. Bei einer Verfolgungsjagd quer durch den Hafen können die Kinder den Dieb zwar stellen, aber in der Stadt laufen sie in eine Falle. Während die Kinder sich selbst befreien, läßt Mr. Bronson den Bürgermeister einsperren, damit er an der entscheidenden Ratssitzung nicht teilnehmen kann. Doch die Kinder befreien den Bürgermeister. Als Mr.Bronson, der selbst an der Sitzung teilnimmt, erkennt, daß der Antrag der Kinder angenommen wird, schleicht er aus dem Saal, um mit seinen Leuten die Schmuggelware in Sicherheit zu bringen. Mit Unterstützung der Kinder wird die Bande nun endgültig überwältigt. Noch dramatischer und gefährlicher verlaufen die Abenteuer von Kindern in " T h e Stolen Airliner" (1955). Drei Kinder decken eine Verschwörung gegen die Vertreter eines neuen Staates auf, die in England weilen, um ein Flugzeug zu kaufen. Da den Berichten der Kinder niemand Glauben schenken will, versuchen sie, auf eigene Faust das Flugzeug zu beschützen. Sie werden von den Verschwörern gekidnappt. Aber die Kinder wissen Rat: Zwei von ihnen springen über der Insel Elba mit dem Fallschirm ab, um die N A T O - Luftstreitkräfte zu alarmieren. Unterdessen befreit der an Bord gebliebene Junge seinen Onkel. Mit seiner Hilfe zwingt er die Revolutionäre, auf einem afrikanischen Flugplatz zu landen. A u c h in "Wings of M y s t e r y " (1962) sind zwei Kinder die Helden einer aufregenden Verbrecherjagd. Der ältere Bruder von D o n und Jane arbeitet in einem Werk, in dem eines Tages ein Stück von einer streng geheimgehaltenen Stahllegierung gestohlen wird. Der Verdacht fällt auf den Bruder der Kinder, die aber bereits eigene Beobachtungen und Vermutungen angestellt haben. Sie sehen in McCathy den Täter und nehmen seine Verfolgung auf. In Belgien können sie ihm die geheime Legierung abnehmen, aber er selbst entkommt. Die Kinder verfolgen ihn weiter, bis er endlich in England gestellt werden kann. Damit ist auch der Bruder von D o n und Jane rehabilitiert. Diese wenigen, willkürlich aus der Gesamtzahl der Filme ausgewählten Beispiele machen deutlich, daß ein mit Erfolg erprobtes Handlungsklischee während zwei Jahrzehnten nicht nur beibehalten, sondern sogar fast unverändert beibehalten wird. Die wichtigsten Bestandteile dieses Klischees sind:

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Großbritannien

1. Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren werden zu Hause oder in den Ferien auf verdächtig aussehende Männer aufmerksam, folgen ihnen, erhalten Kenntnis von den kriminellen Absichten der Männer und verhindern deren Verwirklichung. 2. Kinder im angegebenen Alter werden Zeuge von Vergehen oder Verbrechen bzw. in diese selbst verwickelt; mit kriminalistischem Spürsinn klären sie die Zusammenhänge, verhindern meist gleichzeitig weiteres Unheil, entlarven die Täter und ihre Hintermänner und stellen sie selbst oder mit Unterstützung von Erwachsenen bzw. der Polizei. 3. Die kindlichen Hauptdarsteller sind Träger der Handlung: Diese Stellung verlangt von ihnen, daß sie stets die Initiative an sich reißen und auch in scheinbar ausweglosen Situationen nicht resignieren; daß sie, sofern das Recht auf ihrer Seite ist, schließlich als Sieger aus der Auseinandersetzung mit bösen oder schlechten Menschen hervorgehen; daß sie für ihre gute Tat, ihren oft gefährlichen und viel M u t erfordernden Einsatz weder eine Belohnung erhalten noch beanspruchen (mit Ausnahme des Rechts oder der Sachen, die ihnen ohnehin zustanden). 4. Da Kinder Träger der Handlung sind, spielen Erwachsene nur eine zweitrangige Rolle, sofern sie nicht handlungsbedingt und in der Rolle von Bösewichtern zeitweilig die Übermacht gewinnen müssen. Zwar können Erwachsene den Kindern helfen, gesetzeswidrige Taten aufzuklären und die Übeltäter dingfest zu machen, das Gegenteil aber kommt nur sehr vereinzelt vor. Obwohl die Verhinderung oder Aufklärung von Verbrechen eigentlich Aufgabe der Polizei wäre, tritt diese oft gar nicht in Erscheinung oder bleibt erfolglos oder beschränkt sich darauf, erst in die Schlußauseinandersetzung einzugreifen, um die Übeltäter zu überwältigen und abzuführen. Mitunter darf die Polizei ihre kleinen Helfer und Konkurrenten auch einmal aus einer schwierigen Situation befreien. Das trifft auf andere Erwachsene nur selten zu, zumal in der Regel sie es sind, denen die Kinder zu Hilfe kommen sei es, daß sie bedroht, schlecht behandelt oder bestohlen wurden, sei es, daß sie ahnungslos, hilflos oder gefangen sind oder anderweitig Hilfe benötigen.

254

Entwicklung der Filmproduktion

5. Während für Spannung unerwartete Ereignisse und Schwierigkeiten, Intrigen, tätliche Auseinandersetzungen und vor allem Verfolgungsjagden zu Fuß, per Wagen, Zug, Schiff oder Flugzeug sorgen, unterstützt die Auswahl der Typen (z.B. dicker und tollpatschiger Junge, Junge mit Brille, kleine oder ängstliche Mädchen, alter und zerstreuter Mann, dicker und dummer Verbrecher u.a.) den Unterhaltungswert. Bei der weitergehenden Analyse ergibt sich, daß bei 44 von 80 Filmen ( = 55 % ) die in der Handlung vorkommenden Vergehen und Verbrechen von Kindern aufgedeckt werden, und daß Kinder den entscheidenden Anteil an der Entlarvung und Festnahme der Täter haben. Da letzteres ohne die filmisch so ungemein reizvolle Verfolgungsjagd kaum möglich ist, verwundert es nicht,daß in 52 von den hier erfaßten 80 Filmen ( = 65 % ) eine mehr.oder weniger ausführlich gezeigte Verfolgungsjagd den Höhepunkt der Handlung bildet. Schließlich wird die dominierende Rolle, die Kindern nicht nur in den abenteuerlichkriminalistischen Stoffen zufällt, noch dadurch unterstrichen, daß sie sich in 55 Filmen ( = 68,7 % ) den erwachsenen Mit- und Gegenspielern eindeutig überlegen zeigen. Überlegen sind sie dank ihrer Intelligenz, ihrer Reaktionsgeschwindigkeit, ihres Mutes, ihrer Unvoreingenommenheit, ihrer Kombinationsgabe, ihres Gerechtigkeitssinns u.a. Obwohl sie aus verständlichen Gründen den Erwachsenen hinsichtlich Größe und Körperkraftunterlegen sind, erfüllen sie dennoch alle Vorausetzungen, um als "kleine Erwachsene" bezeichnet werden zu können. 4. Abenteuerliche und abenteuerlich - phantastische Stoffe oder Erlebnisse Vom Handlungsverlauf her weisen die Filme dieser Gruppe, der schwerpunktmäßig 23 Filme (= 28,7 %, ohne Mehrfachnennung, d.h. Filme, die gleichzeitig in zwei verschiedenen Gruppen aufgeführt werden) zugerechnet werden, nur wenig Gemeinsamkeiten auf. Ihre inhaltliche Heterogenität erweist sich dabei durchaus als ein Vorteil, zumal sie weniger leicht als die im vorausgegangenen Kapitel behandelten Filme auf stereotyp wiederholte Handlungsklischees festgelegt werden können. Daß die Filme dennoch über bestimmte Gemeinsamkeiten verfügen, ist aus folgender Aufstellung zu entnehmen, die Thema und Inhalt der Filme zu berücksichtigen versucht.

255

Großbritannien

abenteuerl. Erlebnisse

abenteuerl.-phant. Erlebnisse

Abenteuer Komik

15

5

2

Phantasieerlebnisse 1

persönl. Bewährung 12

Die häufige Verbindung von Erlebnissen oder Abenteuern mit der moralisch ethischen Bewährung eines einzelnen oder einer Gruppe läßt den Schluß zu, daß es sich hier insbesondere um Filme handelt, die einen bestimmten erzieherischen Zweck verfolgen. Es sind Filme, die der bereits zitierten Forderung von Mary Field nach guten, nachahmenswerten Beispielen entsprechen, d.h. Filme mit vorbildähnlichen Entscheidungen, Verhaltensweisen und Hauptpersonen. Diese Absicht kann aber nur dann erfüllt werden, wenn von der bisher festgestellten schematischen oder plakativen Zeichnung der Figuren und Geschehnisse abgegangen und wenigstens der Ansatz zu einer psychologischen Durchdringung des Gezeigten versucht wird. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen helfen. " T h e lone Climber" (1949) berichtet von einer Gruppe von Kindern, die ihre Skiferien in den Bergen verleben. Als einer der Jungen versucht, allein einen Berg zu besteigen, lenken die übrigen Kinder den Lehrer ab, um ihren Klassenkameraden zurückholen zu können. Dabei stürzt ein Kind ab und verletzt sich. Schließlich brechen Suchmannschaften auf und retten die Kinder. Ein ähnliches Thema behandelt auch "Eagle R o c k " (1964). Mark ist im Bergsteigen zwar genauso unerfahren wie seine Klassenkameraden, aber er hat sich in den Kopf gesetzt, allein den Adlerfelsen zu bezwingen. Als ihm wegen Unvorsichtigkeit die Führung seiner Gruppe abgenommen werden soll, will Mark sein Können und seinen Mut unter Beweis stellen. Beim Versuch, den Adlerfelsen zu besteigen, stürzt er ab. Seine Kameraden retten ihn. "The Secret Cave" (1953) erzählt von zwei Jungen, die in einer Höhle einen Bach umleiten, um an Mammutknochen heranzukommen. Als die Jungen den Bach, der inzwischen zurüberschwemmungeiner Farm führte, abermals umleiten, werden sie in der Höhle eingeschlossen. Sie werden gerettet. Da die Umleitung des Baches aber zu Schwierigkeiten im Dorf führt, lenkt einer der Jungen unter Einsatz seines Lebens den Bach in sein altes Bett und sprengt den Höhleneingang. - Weniger gefährlich verlaufen die Erlebnisse zweier Kinder in "Circus Friends" (1956). Da ihr Onkel, dem ein kleiner Zirkus gehört, die Pacht nicht mehr bezahlen kann, nimmt sich der Farmer Beasley das Pony Pinto als Gegenleistung. Die Kinder holen das Pony zurück und erreichen, daß die Dorfkinder solange für die Tiere sorgen, bis es dem Zirkus wieder besser geht. Unterstützt von den Clowns bemühen sich die Kinder außerdem, mit Vorstellungen genug Geld zu verdienen, um die Pacht zu bezahlen.

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Entwicklung der Filmproduktion

" G o Kart G o " (1963) schließlich zeigt den Wettstreit zwischen zwei Gruppen, Nach mehreren Fehlschlägen gelingt es der Damson - Gruppe, ihre Eltern dazu zu überreden, beim Bau eines Go - Kart zu helfen, mit dem sie die Carven - Gruppe schlagen wollen. Als die Carven - Gruppe davon erfährt, beginnt sie, mit allen nur möglichen Mitteln erst den Bau des Wagens und dann den Start des Gegners zu verhindern. Das Rennen gewinnt aber dennoch die Damson - Gruppe.

5. Alltägliche Erlebnisse und Ereignisse

Verschiedene Filme, die der soeben behandelten Gruppe zugerechnet wurden, hatten zwar auch alltägliche Erlebnisse von Kindern zum Inhalt, aber sie bezogen ihre Wirkung und Spannung vornehmlich aus außergewöhnlichen Ereignissen, aus sich dramatisch zuspitzenden Abenteuern. Daß damit aber die Mittel und Möglichkeiten des Kinderfilms noch keineswegs erschöpft sind, zeigt eine kleine Gruppe von Filmen, in denen es zwar nicht ausschließlich, aber doch wenigstens zu einem Teil um die Gestaltunq von Erlebnissen und Erfahrungen aus einer als wahrscheinlich anzusehenden "kindlichen" Alltagswelt geht. Wenngleich diese Filme im Hinblick auf die Gesamtzahl der in Großbritannien entstandenen Kinderfilme auch kaum ins Gewicht fallen, so kommt ihnen dennoch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu: sie allein wären in der Lage, den jugendlichen Zuschauer mit echten Fragen, Konflikten und Entscheidungen zu konfrontieren, um ihm dadurch zu helfen, sich selbst und die unmittelbare Umgebung besser verstehen zu lernen. Ob und inwieweit die Filme diese Funktion übernehmen können, dürfte sich bereits bei der Skizzierung ihrer Inhalte erweisen. "The Little Ballerina" (1947): Ein etwa dreizehnjähriges Mädchen, das die Ballettschule besucht und hart an sich arbeitet, möchte gern eine große Tänzerin werden. Unterstützt von ihren Eltern geht sie unbeirrt ihren Weg. Als sie endlich einer namhaften Tänzerin ihr Können zeigen darf, verpaßt sie beinahe diese Gelegenheit, da ihr eine eifersüchtige und eingebildete Rivalin einen bösen Streich spielt. Das Mädchen aber überwindet auch diese Schwierigkeit. "Fortune Lane" (1947): Peter möchte später einmal Ingenieur werden. Um sich einen Spielzeugmotor kaufen zu können, verdient er sich gemeinsam mit einem Freund Geld. Als Peter aber einem richtigen Ingenieur behilflich sein kann und dafür Geld erhält, schenkt er es seinem Freund, der es dringend braucht. Zur Belohnung darf Peter an der Probefahrt einer neuen Lokomotive teilnehmen. "Circus B o y " (1947): Vor Aufregung verdirbt Michael bei einem Wettbewerb seiner Mannschaft den Sieg. Während der Ferien, die er bei Bekannten in einem Zirkus verbringt, lernt Michael, das Lampenfieber zu überwinden. Als der Zirkus

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Großbritannien

dann in der Stadt gastiert, springt Michael für einen erkrankten Artisten ein. Seinem Lehrer und seinen Mitschülern beweist er dadurch, daß er wieder in die Schwimmstaffel aufgenommen werden kann, der er beim nächsten Wettbewerb zum Sieg verhilft. "Looking for Trouble" (1949): Die Tochter eines in Deutschland stationierten Sergeanten haßt das Internat und läßt nichts unversucht, um von der Schule verwiesen zu werden. Schließlich rudert sie ohne Genehmigung auf einen See hinaus, wobei das Boot kentert und sie fast ertrinkt. Erst nach diesem Erlebnis ändert das Mädchen ihre Einstellung gegenüber dem Internat. "The Kid from Canada" (1957): Ein in Kanada lebender Junge verbringt seine Ferien in Schottland. Seine angeberischen Erzählungen führen zu Differenzen mit den Vettern, die erst beigelegt werden können, nachdem der Junge durch einen gefährlichen Ritt einem verletzten Hirten Hilfe gebracht hat. "Bungala Boys" (1961): Tony möchte Mitglied eines Lebensrettungsclubs werden. Sein älterer Bruder aber entscheidet, daß er selbst einen Club aufbauen soll. Da der Club ein eigenes Boot benötigt, wollen sich die Jungen an einem Wettbewerb beteiligen, was Tony durch seine Nachlässigkeit ungewollt verhindert. Bei einem anderen Wettbewerb strengt sich Tony nun besonders an, womit er seiner Gruppe zum Sieg verhilft. "Davey Jones' Locker" (1965): Ein Offizier erteilt Kindern Unterricht im Sporttauchen. Einer der Jungen macht sich selbständig und entdeckt auf dem Meeresgrund ein Schiffswrack, nach dem er nachts heimlich zu tauchen versucht. Dank der Wachsamkeit zweier Kinder entgeht der Junge knapp einem Unglück, das ihn zur Einsicht bringt. Den scheinbar unumstößlichen Prinzipien der britischen Kinderfilmproduktion folgend, neigen auch diese Filme zu einer Verharmlosung der Realität und wirklicher Probleme. Vertraut man der optimistischen Grundtendenz der Filme, dann sind Schwierigkeiten gleich welcher Art dazu da, daß sie überwunden werden. Und dieses sportliche Spiel lohnt sich in jedem Fall: es verlangt zwar erhöhte Anstrengungen, aber führt auch zu besseren Leistungen, was gleichbedeutend mit "besseren" Menschen ist (vergl. mit obenangeführten Filmen). Es paßt zu dieser Auffassung von Wirklichkeit, daß eindeutig negative Figuren entweder gar nicht vorhanden sind oder aber als eine Art dramaturgischer Hilfskonstruktion geduldet werden. Der Film "The Little Ballerina" macht dies

258

Entwicklung der Filmproduktion

besonders gut deutlich. Um den Aufstieg und Erfolg der kleinen Ballettschülerin nicht allein damit motivieren zu müssen, daß das Mädchen hart und ausdauernd gearbeitet hat, wird die von vornherein als negative Figur angelegte Rivalin ins Spiel eingeführt. Damit ist ein Gegenpol geschaffen, der der Heldin nur scheinbar gefährlich werden kann. Die negative Zeichnung der Rivalin (eingebildet, eifersüchtig, mißgünstig etc.) macht es dem Zuschauer leicht, sich für die Heldin des Films zu entscheiden und ihre Fähigkeiten und Qualitäten zu akzeptieren. So kann das gute Beispiel, das Vorbild triumphieren, ohne dabei unglaubwürdig zu wirken. Grundsätzlich ist selbstverständlich weder etwas gegen gute Beispiele noch gegen positive Helden einzuwenden. Beide sollten ihren Platz nicht nur im Film allgemein, sondern speziell auch im Kinderfilm haben. Die Reduzierung der Vielfalt und auch Widersprüchlichkeit der Lebenswirklichkeit auf zwei Arten von Menschen, gute und schlechte, und auf Situationen, in denen Kinder sich bewähren und Erwachsenen überlegen zeigen, bedeutet jedoch nicht nur Beschneidung, sondern auch Verfälschung der Wirklichkeit. " D e r beste Kinderfilm wird sicherlich der sein, in dem Erwachsene (und Dialoge) überhaupt nicht erscheinen." *(41) Zwar ist der britische Kinderfilm dieser radikalen Forderung noch nicht nachgekommen, aber sie wirft ein bezeichnendes Licht auf die Grundeinstellung derjenigen, die maßgeblich an der Produktion beteiligt sind. Es ist folglich auch durchaus verständlich, daß selbst in den Filmen, die sich bemühen, alltägliche Erlebnisse und Ereignisse zu erfassen und zu gestalten, Erwachsene nur Nebenrollen verkörpern und niemals entscheidend in das Geschehen eingreifen. Ihre Existenz ist sozusagen ein notwendiges Übel, das sich nicht ganz wegdiskutieren läßt, aber erträglich wird, indem man es entweder ignoriert oder an die Peripherie einer Filmhandlung schiebt.

6.

Zusammenfassung

Die Analyse der Entwicklung des britischen Kinderfilms und seiner besonderen organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur hat gezeigt, wo die Möglichkeiten und Grenzen dieser Filmproduktion liegen, die von der Filmwirtschaft aufgebaut und am Leben gehalten wurde und auf die weder der Staat noch einzelne, unmittelbar interessierte oder betroffene Gruppen der Gesellschaft direkten Einfluß nehmen können oder wollen. *(41) Henry Geddes in: 21 Years of Children' s Films, Hrsg.: The Society of Film and Television Arts, L o n d o n 1964, S. 23 (Henry Geddes hat bei mehreren Kinderfilmen Regie geführt und ist Direktor des National Centre of Films for Children, London)

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Großbritannien

Die für die Herstellung von Kinderfilmen in Großbritannien Verantwortlichen haben von Anfang an primär das Ziel verfolgt, Unterhaltungsfilme zu schaffen, die in besonderer Weise dem Geschmack, den Konsumgewohnheiten, den Interessen und der Aufnahmefähigkeit von Kindern (bis maximal 14 Jahren) entsprechen. Neben dem als dominant angesehenen Unterhaltungswert standen, zumindest in den ersten Nachkriegsjahren, erzieherische oder moralische Absichten im Vordergrund der Bemühungen. In späteren Jahren wurde der allzu vordergründig und aufdringlich belehrende Charakter der Filme zwar weitgehend nivelliert, aber dennoch wurde auf die Erhaltung bestimmter Erziehungsprinzipien, die die Auswahl der Stoffe und die Zeichnung der in den Filmen auftauchenden Figuren erkennen lassen, geachtet. Zu diesen Prinzipien zählen u.a.: die nach Möglichkeit bereits äußerlich sichtbar werdende Unterscheidung in 'gute' und 'schlechte' Menschen, wobei die 'guten' auf jeden Fall die 'schlechten' besiegen müssen; die optimistische Grundstimmung der Filme, die stets zu einem happy end führt; eine auffallende Bevorzugung abenteuerlicher, abenteuerlich - phantastischer und insbesondere abenteuerlich - kriminalistischer Stoffe; von wenigen Ausnahmen abgesehen werden die Filmhandlungen von Kindern getragen, die in der Regel den erwachsenen Mit - oder Gegenspielern überlegen sind, wobei die Erwachsenen selbst und ihre Probleme nur untergeordnete Rollen spielen. Gegen die Verwendung von Stereotypen im Film ist, sofern sie motiviert werden können und beispielsweise kommunikativen Zwecken dienen, nichts einzuwenden. Die britischen Kinderspielfilme verwenden allerdings nicht nur Stereotypen, sondern vor allem Klischees. Sobald für das Aussehen, Verhalten und Handeln von Personen oder Personengruppen in Filmen bestimmte Regeln aufgestellt werden, erstarren diese Figuren zum Klischee. Derartige Klischees stehen aber nicht nur im krassen Gegensatz zur freien künstlerischen Entfaltung von Filmschöpfern, sondern führen zwangsläufig auch den Film in eine formale und inhaltliche Sackgasse, die einer inneren Auszehrung gleichkommt. In ihrem Bemühen, Kinder zu unterhalten und alles von ihnen fernzuhalten, was diesem Anliegen oder den Kindern selbst schaden könnte, ist die britische Kinderfilmproduktion konsequent den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Gestützt auf angeblich objektive Analysen kindlicher Reaktionen, Bedürfnisse und Wunschvorstellungen hat sie den Erfolg einzelner Filme zum Maßstab für die Jugendeignung von Filmen schlechthin gemacht. Dieser Überbewertung bzw. falschen Interpretation kindlicher Reaktionen ist es letztlich zu verdanken, daß sich der britische Kinderfilm freiwillig in eine Art Getto begab. Da er stets von der nicht bewiesenen Voraussetzung ausging, daß Kin-

260

Entwicklung der Filmproduktion

der sich nur mit etwa Gleichaltrigen auf der Leinwand identifizieren würden, und daß sie für die Welt der Erwachsenen, ihre Probleme und Konflikte kein Verständnis und kein Interesse aufbrächten, beherrschte der "kleine Erwachsene" bald die Szenerie von Kinderfilmen. Damit aber wurde systematisch der Versuch unternommen, für das kindliche Publikum eine Scheinwelt zu konstruieren, die ihm die Konfrontation mit der Realität, d.h. mit echten Konflikten und Problemen erspart. Über die Gültigkeit eines derartigen erzieherischen Prinzips sollte es in einer aufgeklärten und modernen Gesellschaft keine Meinungsverschiedenheiten mehr geben, zumal Kinder in ihrer psychischen und physischen Entwicklung nicht nur nicht gefördert, sondern eindeutig auch behindert werden, wenn in den speziell für sie hergestellten Spielfilmen entscheidende Dimensionen, Lebensbereiche und auch individuelle oder kollektive Erfahrungen ausgespart werden. Diese Filme können dann nicht mehr den Anspruch erheben, der Enkulturation des Kindes zu dienen oder es zumindest indirekt auf seine Integration in die Gesellschaft vorzubereiten. Für den Außenstehenden mag es erstaunlich sein, daß der britische Kinderfilm den einmal eingeschlagenen Weg - von geringfügigen Veränderungen abgesehen - konsequent weiter verfolgt hat. Die nachfolgenden Aufstellungen zumindest lassen den Eindruck entstehen, daß bei der Auswahl der Regisseure und Autoren nicht einseitig verfahren wurde.

Tabelle X I V

47 Regisseure waren an der Herstellung von 80 Kinderspielfiemen (Zwischen 1944 und 1965) beteiligt; 28 Regisseure (=59,6%) schufen einen Film, 19 Regisseure (=40,4%) schufen mehr als einen Film

und zwar:

9 Regisseure (= 1 9 % ) schufen 2 Filme 8 Regisseure (= 17 %) schufen 3 Filme 1 Regisseur

(=

2 %) schuf

4 Filme

1 Regisseur

(=

2 %) schuf

7 Filme

261

Großbritannien

Ein etwas anderes Bild allerdings ergibt sich bei den Drehbuchautoren, wobei berücksichtigt werden muß, daß einerseits auch Regisseure ihre eigenen Drehbücher verfaßten und andererseits oftmals mehrere Autoren für ein Drehbuch verantwortlich zeichnen. Tabelle X V 60 Autoren waren an der Herstellung von 80 Kinderspielfilmen beteiligt; 38 Autoren (= 63 %) verfaßten das Buch zu einem Film 22 Autoren (= 37 %) verfaßten das Buch zu mehreren Filmen und zwar 12 Autoren (= 20 %) verfaßten das Buch zu 2 Filmen 4 Autoren (=

6 % ) verfaßten das Buch zu 3 Filmen

2 Autoren (=

3 % ) verfaßten das Buch zu 4 Filmen

1 Autor

(= 1,7 %) verfaßte das Buch zu 5 Filmen

1 Autor 1 Autor 1 Autor

(= 1,7 %) verfaßte das Buch zu 7 Filmen (= 1,7 %) verfaßte das Buch zu 9 Filmen (= 1,7 %) verfaßte das Buch zu 20 Filmen

Da die meist beschäftigten Autoren oder Mitautoren - Mary Cathcart Borer, Frank Wells und Patricia Latham - zum engsten Kreis der ständigen Mitarbeiter von Mary Field gehörten, läßt sich auch aus dieser Aufstellung entnehmen, welchen Einfluß C.E.F. bzw. C.F.F. auf die Produktion der Filme nahm.Obwohl die überwiegende Zahl der Regisseure und Autoren lediglich an der Herstellung eines einzigen Films beteiligt war, sorgten Mary Field und ihre Mitarbeiter durch Auswahl und Bearbeitung der Stoffe und Drehbücher sowie durch Auswahl der Regisseure und Drehbuchautoren einerseits für die Kontinuität der Produktion und andererseits für deren Festlegung auf die beschriebenen schematischen oder klischeehaften Darstellungsformen. Obwohl die technische und künstlerische Qualität der Filme nicht Gegenstand dieser Untersuchung war, soll doch zumindest erwähnt werden, daß die britische Kinderfilmproduktion zwar stets bemüht war, sich an dem jeweils gegebenen technischen und künstlerischen Standard zu orientieren, aber kein einziges Werk aufzuweisen hat, das sich von diesem Durchschnittsniveau wesentlich abzuheben vermag. Experimente waren und sind ihr genauso fremd wie beispielsweise herausragende künstlerische Leistungen. Nicht zuletzt wurden derartige Leistungen auch dadurch verhindert, daß aufgrund der geringen Produktionsmittel weder erstklassige Autoren noch Regisseure oder Darsteller verpflichtet werden konnten. Doch unabhängig von den durch scharf kalkulierte Produktionsetats gesetzten Grenzen bleibt die Frage offen, ob sich profi-

262

Entwicklung der Filmproduktion

lierte und eigenwillige Regiepersönlichkeiten u.a. überhaupt dazu bereit erklärt hätten, an Filmproduktionen mitzuwirken, die von vornherein auf bestimmte Gattungen, Handlungsklischees und Stereotypen festgelegt waren und der Phantasie und individuellen Gestaltungskraft von Filmschöpfern nur noch geringen Spielraum ließen. Die britische Kinderfilmproduktion hat, was sich retrospektiv betrachtet gleichfalls als schwerwiegender Mangel herausgestellt hat, nicht nur praktisch keine Notiz von der allgemeinen Entwicklung der einheimischen Spielfilmproduktion und ihren filmhistorisch bedeutsamen Ergebnissen genommen, sondern auch keine unmittelbar nachweisbaren Anregungen von der Kinder- und Jugendfilmproduktion anderer Länder empfangen. Sie erzielte ihre größten internationalen Erfolge Ende der vierziger Jahre und Anfang der fünfziger Jahre, d.h. zu einer Zeit, wo es außer den Kinderfilmen aus der UdSSR kaum ernst zu nehmende Konkurrenten auf dem internationalen Markt gab. Aber auch in späteren Jahren beharrten die britischen Kinderfilmproduzenten auf ihren Prinzipien, die nicht erst aufgrund der internationalen Anerkennung und Verbreitung, die den tschechoslowakischen Kinderspielfilmen u.a. zuteil wurde, fragwürdig geworden waren. Das britische Publikum hat so gut wie keine Möglichkeit gehabt, Kinderfilme anderer Länder (sofern sie nicht aus dem englischsprachigen Raum kamen) kennenzulernen und internationale Vergleiche anzustellen, zumal nur ein überaus geringer Prozentsatz dieser Filme nach Großbritannien eingeführt und dort gezeigt wurde. Die sich daraus ergebende Folgerung wurde bereits 1950 von Henri Storck in seinem Bericht für die U N E S C O richtig gesehen und beschrieben: "Wir meinen, daß zusätzlich zur spezialisierten Produktion auf sehr breiter Basis Filme ausgewählt werden sollten, deren innere Ausrichtung weniger eng und weniger begrenzt ist. Anderenfalls werden Kinderfilme entweder ein unerwünschtes Mittel, Kinderhirne zu informieren, oder sie werden durch übermäßige Sorgfalt und Bedenken so ausgelaugt und verarmt, daß sie bald überhaupt keinen Einfluß mehr ausüben werden." *(42)

*(42) Henri Storck, a.a.O., S. 43

263

statistische Ubersicht

Statistische Übersicht über die internationale Kinderfilmproduktion Die nachfolgende Übersicht geht auf eine bisher nicht veröffentlichte Umfrage zurück, die das "Centre International du Film pour I' Enfance et la Jeunesse (Brüssel)" 1966 durchführen ließ. Dabei wurden den Nationalen Kinderfilmzentren oder ähnlichen Organisationen von elf Ländern insgesamt sechsundzwanzig Fragen zur Struktur, Funktion und den wirtschaftlichen Voraussetzungen des Kinderfilms vorgelegt. Zu den angeschriebenen Ländern zählten: Tschechoslowakei (CSSR) Dänemark Deutsche Demokratische Republik (DDR) Finnland Großbritannien (GB) Indien Japan Norwegen Polen Schweden UdSSR Keine Antworten waren aus Indien zu erhalten, obwohl Indien sowohl über ein Nationales Kinderfilmzentrum als auch über eine spezielle Kinderfilmproduktion verfügt. Das Ausgangsmaterial wurde überarbeitet und ergänzt. Einige Fragen, die sich als unergiebig herausstellten, wurden nicht übernommen.

264

Statistische Übersicht

Frage 1)

Seit wann gibt es in Ihrem Land eine spezielle Kinderfilmproduktion (sporadisch oder kontinuierlich)?

BRD

seit Anfang der dreißiger Jahre sporadisch, zwischen 1948 und 1957 kontinuierlich &SR seit 1947 sporadisch, kontinuierlich seit 1954 Dänemark : nur sporadisch seit 1946 sporadisch, seit 1953 kontinuierlich DDR nur sporadisch Finnland seit 1946 kontinuierlich GB zwischen 1924 und ca. 1934 sporadisch, dann kontinuJapan ierlich mit Ausnahme der Kriegsjahre Norwegen : seit 1955 sporadisch Polen

seit 1950 kontinuierlich

Schweden : nur sporadisch UdSSR

seit 1919 kontinuierlich

Frage 2)

Welche Gründe waren ausschlaggebend für den Aufbau der Kinderfilmproduktion?

keine einheitlichen Gründe (u.a. private, erzieherische und geschäftliche Gründe, Interesse an der Verfilmung von Märchenstoffen) CSSR keine einheitlichen Gründe (allmähliche Entwicklung, erzieherische Motivation) Dänemark : Bedarf an Filmen, die über eine etwas unrealistische Geschichte verfügen und für Kinder geeignet sind BRD

DDR

für den Bereich des Films eine ideologisch-ästhetische Erziehung zu erreichen

Finnland

keine einheitlichen Gründe (private Interessen)

GB

Bedarf an Filmen, die sich zur Vorführung vor Kindern eignen

Japan

Kinder und Jugendliche sollen vor dem unerwünschten Einfluß des kommerziellen Films geschützt werden

265

Statistische Übersicht

Norwegen

Polen Schweden UdSSR

Frage 3)

Wie oder von wem wird die Kinderfilmproduktion finanziert?

BRD ESSR

private Produzenten oder Verleiher Staatsproduktion (Finanzierung über die einzelnen staatlichen Filmstudios)

Dänemark

private Produzenten Staatsproduktion (Finanzierung über die einzelnen staatlichen Filmstudios)

DDR Finnland GB Japan Norwegen Polen Schweden UdSSR

266

Gründung des Nationalen Kinderfilmzentrums, erkennbarer Bedarf, neue Zensurbestimmungen (Jugendfreigabe von Filmen ab 7 Jahren) erzieherische, ideologische und künstlerische Gründe Bedarf an Filmen Erziehung und Unterricht

private Produzenten Children' s Film Foundation erhält Mittel aus dem Filmfonds private Produzenten private Produzenten (staatliche Subventionen in Höhe von ca. DM 40.000 stehen pro Jahr zur Verfügung) Staatsproduktion (Finanzierung über die einzelnen staatlichen Studios) private Produzenten Staatsproduktion (Finanzierung aus dem Fonds des Komitees für die Cinematographie, mit Genehmigung der zuständigen Ministerien und dem Leiter des jeweiligen Filmstudios)

Statistische Übersicht

Frage 4)

Wieviele Kurz- und Langfilme wurden 1965 insgesamt in Ihrem Land hergestellt? Kurz-

Langfilme

BRD

309

72 (davon 47 Co-Prod.

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