Katharina Von Medici: Frankreichs Verkannte Königin (German Edition) 3506703323, 9783506703323

Blick ins Buch Bis in die Gegenwart ist Katharina von Medici (1519 - 1589) eine sehr umstrittene Herrscherin geblieben.

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German Pages 412 [411] Year 2020

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Kapitel 1 Schwarze und hagiographische Legenden
Kapitel 2 Turbulente Kindheit und Jugend in Florenz und Rom
Kapitel 3 Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans und ihre Aufnahme am Königshof
3.1 Katharinas Leben und Agieren am Hof bis zum Tod des Dauphins Franz am 10. August 1536
3.2 Katharinas Leben an der Seite des Dauphins Heinrich von Orléans bis zum Tod des Königs Franz I. (1547)
Kapitel 4 Katharina: Gemahlin König Heinrichs II. von Frankreich (1547–1559)
4.1 Frankreich um die Mitte des 16. Jahrhunderts: Territorium, Bevölkerung, Gesellschaft und Institutionen
4.2 König Heinrich II. (1547–1559): Persönlichkeit, Grundlinien seiner Außen- und Innenpolitik
4.3 Katharina von Medici: Königin von Frankreich
4.4 Der unerwartete Tod Heinrichs II. im Juli 1559 und die unmittelbaren Folgen für Katharina
Kapitel 5 Katharinas Agieren im Konkurrenzkampf um Macht und Einfluß unter Franz II. (1559/1560)
5.1 Franz II., Maria Stuart, Katharina von Medici, Franz von Guise, Karl von Guise, Kardinal von Lothringen: Revirement im Conseil du Roi
5.2 Verschärfung der politisch-konfessionellen Spannungen und die Verschwörung von Amboise (1560)
5.3 Katharina von Medici gegen Ende der Herrschaft Franz’ II.
Kapitel 6 Katharina an der Macht
6.1 „Regentin Frankreichs“ – „gouvernante de France“
6.2 Propaganda und Inszenierung Katharinas: Demonstration von Autorität und Macht
6.3 Ringen um religiöse Eintracht (concorde religieuse)
6.4 Kampf um Ziviltoleranz und um die Bewahrung des inneren Friedens
6.5 Der Ausbruch der politisch-konfessionellen Bürgerkriege
6.6 Die „große Tour“ und der Zweite Bürgerkrieg
Kapitel 7 Die Bartholomäusnacht (23./24. August 1572) und ihre Folgen bis zum Tod Karls IX. (30. Mai 1574)
7.1 Der Hof und der Hofstaat Katharinas von Medici
7.2 Der Dritte Bürgerkrieg
7.3 Die Bartholomäusnacht (23./24. August 1572): Rahmenbedingungen, Ereignisse, Akteure
7.4 Von der Bartholomäusnacht bis zur Thronfolge Heinrichs III. (30. Mai 1574)
Kapitel 8 Katharina von Medici und Heinrich III. von 1574 bis 1589: Zäsur im politischen Leben der Königinmutter?
8.1 Heinrich III. und Katharina bis zum Frieden von Bergerac (14. September 1577) und dem Edikt von Poitiers (17. September 1577)
8.2 Katharinas unermüdlicher Kampf für den Frieden im fortgeschrittenen Alter und trotz zunehmender gesundheitlicher Probleme (1577–1584)
8.3 Immens steigende fiskalische Belastungen, Hausse der Preise und deren Folgen für Handel und Gewerbe in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
8.4 Finale Krise der Dynastie und drohender Zerfall der Monarchie: Das Agieren Heinrichs III. und Katharinas bis zu deren Tod am 5. Januar 1589
Kapitel 9 Epilog
Bildteil
Karten
Stammbäume
Bibliographie
Quellen
Literatur
Personenregister
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Katharina Von Medici: Frankreichs Verkannte Königin (German Edition)
 3506703323, 9783506703323

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Katharina von Medici

Klaus Malettke

Katharina von Medici Frankreichs verkannte Königin

Umschlagillustration: Katharina von Medici als Königin, Kopie eines in den Uffizien in Florenz befindlichen Originals von etwa 1548 (Schloss Chaumont, Orléanais) (public domain)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlags nicht zulässig. © 2020 Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland) Internet: www.schoeningh.de Einbandgestaltung: Nora Krull, Hamburg Herstellung: Brill Deutschland GmbH, Paderborn ISBN 978-3-506-70332-3 (hardback) ISBN 978-3-657-70332-6 (e-book)

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 1 – Schwarze und hagiographische Legenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 2 – Turbulente Kindheit und Jugend in Florenz und Rom . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans und ihre Aufnahme am Königshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.1 Katharinas Leben und Agieren am Hof bis zum Tod des Dauphins Franz am 10. August 1536 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.2 Katharinas Leben an der Seite des Dauphins Heinrich von Orléans bis zum Tod des Königs Franz I. (1547) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Kapitel 4 – Katharina: Gemahlin König Heinrichs II. von Frankreich (1547–1559) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 4.1 Frankreich um die Mitte des 16. Jahrhunderts: Territorium, Bevölkerung, Gesellschaft und Institutionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 4.2 König Heinrich II. (1547–1559): Persönlichkeit, Grundlinien seiner Außen- und Innenpolitik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.3 Katharina von Medici: Königin von Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4.4 Der unerwartete Tod Heinrichs II. im Juli 1559 und die unmittelbaren Folgen für Katharina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Kapitel 5 – Katharinas Agieren im Konkurrenzkampf um Macht und Einfluß unter Franz II. (1559/1560)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.1 Franz II., Maria Stuart, Katharina von Medici, Franz von Guise, Karl von Guise, Kardinal von Lothringen: Revirement im Conseil du Roi  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5.2 Verschärfung der politisch-konfessionellen Spannungen und die Verschwörung von Amboise (1560)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5.3 Katharina von Medici gegen Ende der Herrschaft Franz’ II. . . . . . . . . . . . . . 125 Kapitel 6 – Katharina an der Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 6.1 „Regentin Frankreichs“ – „gouvernante de France“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 6.2 Propaganda und Inszenierung Katharinas: Demonstration von Autorität und Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 6.3 Ringen um religiöse Eintracht (concorde religieuse) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 6.4 Kampf um Ziviltoleranz und um die Bewahrung des inneren Friedens . . 173

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Inhalt

6.5 Der Ausbruch der politisch-konfessionellen Bürgerkriege . . . . . . . . . . . . . . 181 6.6 Die „große Tour“ und der Zweite Bürgerkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht (23./24. August 1572) und ihre Folgen bis zum Tod Karls IX. (30. Mai 1574)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 7.1 Der Hof und der Hofstaat Katharinas von Medici . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 7.2 Der Dritte Bürgerkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 7.3 Die Bartholomäusnacht (23./24. August 1572): Rahmenbedingungen, Ereignisse, Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 7.4 Von der Bartholomäusnacht bis zur Thronfolge Heinrichs III. (30. Mai 1574)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III. von 1574 bis 1589: Zäsur im politischen Leben der Königinmutter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 8.1 Heinrich III. und Katharina bis zum Frieden von Bergerac (14. September 1577) und dem Edikt von Poitiers (17. September 1577) . . . 293 8.2 Katharinas unermüdlicher Kampf für den Frieden im fortgeschrittenen Alter und trotz zunehmender gesundheitlicher Probleme (1577–1584)  . . 314 8.3 Immens steigende fiskalische Belastungen, Hausse der Preise und deren Folgen für Handel und Gewerbe in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 8.4 Finale Krise der Dynastie und drohender Zerfall der Monarchie: Das Agieren Heinrichs III. und Katharinas bis zu deren Tod am 5. Januar 1589  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Kapitel 9 – Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bildteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Karten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Stammbäume  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Personenregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Vorwort Katharina von Medici, die Ehefrau König Heinrichs  II. von Frankreich (1547–1559), kämpfte nach dessen plötzlichem Tod im Jahr 1559 als Regentin mit Entschlossenheit und aller Kraft nicht nur für die Befriedung Frankreichs, sondern auch für die – zumindest zeitweilige – friedliche Koexistenz von Katholiken und Protestanten. Gedankt haben es ihr sehr wenige ihrer Zeitgenossen – schon gar nicht ihre Gegner, die ultrakonservativen Katholiken und die Calvinisten. Auf diese Gegner geht die Entstehung der bis heute nachwirkenden „Schwarzen Legende“ über Katharina von Medici zurück, mit der ihre Lebensleistung geradezu in das Gegenteil dessen verdreht wird, worum sie sich zeitlebens bemüht hat: um Frieden und das Wohlergehen der Menschen in Frankreich, dem Königreich, das ihre Heimat wurde. In Deutschland ist die Geschichte des Nachbarstaats Frankreich nur wenig bekannt, sieht man einmal von den Ereignissen des Ersten und Zweiten Weltkrieges ab. Daher will dieses Buch einen Beitrag zum besseren Verständnis der französischen Geschichte während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts leisten, als Frankreich Schauplatz blutiger Religions- und Bürgerkriege war – Kriege, die selbst in unserer so „modernen und aufgeklärten“ Gegenwart in der einen oder anderen Region der Welt nach wie vor ausbrechen, Angst und Schrecken verbreiten und Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingen. Heute hört man oft nicht nur von Jugendlichen, sondern gelegentlich auch von Erwachsenen – selbst von dem einen oder anderen Politiker – den Satz: „Das muß ich nicht wissen, das war lange vor meiner Zeit.“ Dabei wird aber übersehen, daß Geschichte unsere Gegenwart in vielfältiger Weise beeinflußt. Das gilt selbst in umgekehrtem Sinne, denn unsere Erfahrungen und das Zeitgeschehen beeinflussen auch die Perspektive, in der Geschichte wahrgenommen bzw. erforscht wird. Der Blick auf die Vergangenheit kann zum besseren Verständnis der Gegenwart beitragen. Ich möchte einigen Personen danken, die mich bei der Erarbeitung dieser Biographie in vielfältiger Weise mit Rat und Tat unterstützt haben. Mein Dank gilt insbesondere meinem französischen Kollegen Denis Crouzet, der gegenwärtig zu den besten Kennern der französischen Geschichte des 16. Jahrhunderts zählt. Von seinen Forschungsergebnissen zur Geschichte der „Religionskriege“ und von seinen Arbeiten über Katharina von Medici sowie von den mit ihm geführten Fachgesprächen habe ich sehr profitiert. Herzlicher Dank gebührt auch Colette Born-Demeulenaere, die mir bei der Beschaffung neuester französischer Fachliteratur sehr behilflich war. Bei der Erstellung des druckfertigen Manuskripts konnte ich auf die vielfältig erprobte Unterstützung durch meine ehemalige Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Frau Kornelia Oepen, zählen. Dafür sei ihr an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt. Danken möchte ich auch dem Verlag Schöningh in Paderborn und hier insbesondere Herrn Dr. Diethard Sawicki, der die Drucklegung des hier vorgelegten Buches mit Rat und Tat sowie in sehr angenehmer Weise begleitet hat.

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Vorwort

Für tatkräftige Unterstützung beim Korrekturlesen danke ich ebenso herzlich Frau Ursula Liebnitz und meiner lieben Frau Waltraut, der ich dieses Buch widme. Marburg, im Herbst 2019

Klaus Malettke

Kapitel 1

Schwarze und hagiographische Legenden Wenn diejenigen, die den Krieg begonnen haben, die Geduld aufgebracht hätten, uns zu Ende bringen zu lassen, was wir so gut in Saint-Germain begonnen hatten [bei der Versammlung von namhaften Präsidenten oberster Gerichtshöfe (parlements) und Beratern des Königs, bei der man sich auf das Edikt von Saint-Germain vom 17. Januar 15621 einigte] und […] wenn sich die Dinge noch schlechter dargestellt hätten, als sie nach diesem Krieg sind, dann hätte man die Regierung einer Frau tadeln können; aber es ist viel angemessener, die Regierung jener Männer zu tadeln und zu verleumden, die sich mit ihren Aktionen zu Königen aufschwingen bzw. die wie Könige agieren wollen; wenn man mich künftig nicht abermals an meinem politischen Handeln hindert, wird man, so hoffe ich, erkennen, daß die Frauen entschlossener sind, das Königreich zu bewahren und zu erhalten, als diejenigen, die es in den [bedrohlichen] Zustand versetzt haben, in dem es sich jetzt befindet. Ich bitte Sie, denen, die darüber sprechen, zu sagen, was wirklich ist, denn das ist die Wahrheit aus dem Munde der Mutter des Königs, die nur ihn liebt und die Bewahrung des Königreiches und seiner Untertanen.2

In diesem Satz, den Katharina von Medici am 19. April 1563 in einem Brief an den damaligen Oberintendanten der Finanzen (surintendant des finances – dieses „Amt“ entsprach in etwa jenem eines Finanzministers) Artus de Cossé, baron de Gonnor (1512–1582), richtete, manifestierten sich das ganze Dilemma, die Probleme und die sehr häufig nicht zu überwindenden Schwierigkeiten, mit denen sich die Königin in den Jahren nach dem Tod ihres Mannes, Heinrichs II. (1547–1559), konfrontiert sah. Während der Herrschaft der Könige Franz II. (1559–1560) und Karl IX. (1560–1574), ihrer noch sehr jungen oder minderjährigen Söhne, lag die Regierung Frankreichs in ihren Händen. In diesen Jahren dominierte sie mehr oder minder die Politik.

1  Details zum Edikt: Kap. 6, 4, S. 175 f. 2  „A Monsieur de Gonnor, 19 avril 1563. […] (De sa main) Monsieur de Gonnort, si seulx qui aunt comensé la guerre heuse heu passiense de nous léser achever set que avoyons si bien comensé à Saynt-Jermayn […] si lé chause eus’ été plus mal qu’ele ne sont après sete guere l`ons heu peu blamer le gouvernement d’eune femme; mès oneystement l’on ne doyst blamer ni calonier que seluy des hommes, quant y veule fayre les roys; et daurnavent, si l’on ne m’enpesche encore, j’espère que l’on conestra que lé femme aunt milleur volanté de conserver le royaume que seulx qui l’ont mis a l’état, en quoy yl est et vous prie que seulx qui en parleron leur monstrer sest, car s’et la vérité diste par la mére du Roy qui n’ayme que luy et la conservation du royaume et de ses sugés.“ Lettres de Catherine de Médicis publiées par M. Le Cte Hector de La Ferrière, Bd. II (1563–1566), Paris 1885, S. 17. – Diese von Katharina von Medici eigenhändig geschriebene Passage belegt, daß sie die französische Orthographie nicht beherrschte und eine an ihrer Phonetik orientierte Schreibweise praktizierte. – Große Teile dieses Zitats befinden sich in der Originalfassung auch bei Denis Crouzet, Le haut cœur de Catherine de Médicis. Une raison politique aux temps de la Saint-Barthélemy, Paris 2005, S. 123 f.; Arlette Jouanna zitiert Teile dieser Passage in modernisierter Orthographie. Arlette Jouanna, La France du XVIe siècle 1483–1598, 2. Aufl., Paris 2012, S. 416 f.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2020 | doi:10.30965/9783657703326_002

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kapitel 1 – Schwarze und hagiographische Legenden

Als Königin italienischer Herkunft, der von Anfang an xenophobe Einstellungen entgegenschlugen, die in der französischen Monarchie virulent waren, aber insbesondere als Frau, die ganz bewußt eine führende politische Rolle in Frankreich spielen und die in der die Monarchie damals existentiell bedrohenden Krise die Krone für ihre Söhne und damit für die Dynastie der herrschenden Valois sowie die Einheit der Monarchie im Angesicht der religiösen Spaltung bewahren wollte, sah sie sich in einer von Männern dominierten Gesellschaft in wachsendem Maße persönlichen Angriffen und Verleumdungen ausgesetzt. Sie wurde schon früh als skrupellose Machiavellistin, als Anhängerin der Lehre des berühmten – ebenfalls aus Florenz stammenden – Niccolò Machiavelli (1469–1527) attackiert, der in seinem Werk „Il Principe“ (1513) eine ethische Rechtfertigung des Bösen in der Politik propagierte, wenn dies aus Gründen der Staatsräson erforderlich sein sollte. Um ihre Ziele zu erreichen, habe sie vor keinem brutalen Mittel, nicht einmal vor Massenmord zurückgeschreckt, wie es zum Beispiel die von ihr angeblich angeordneten Massaker im Zusammenhang mit der sog. „Bartholomäusnacht“ in Paris (23./24. August 1572) belegten. Bis in unsere Gegenwart hinein, also noch rund 450 Jahre nach ihrem Agieren und politischen Wirken in und für Frankreich, ist diese Königin für viele die Inkarnation des Bösen in der Politik geblieben. Wenn auch dank der Ergebnisse der einschlägigen modernen Forschung die „Schwarze Legende“ korrigiert werden konnte, so ist Katharina von Medici dennoch in vieler Hinsicht rätselhaft geblieben. Nach wie vor reizt sie zu kontroversen Beurteilungen sowohl ihres politischen Wirkens als auch ihrer charakterlichen Eigenschaften – selbst in der Fachwelt. In der rund drei Jahre nach der „Bartholomäusnacht“ publizierten und nicht nur in Frankreich verbreiteten Schmähschrift „Discours merveilleux“3 nahm ihr anonymer Autor eine Generalabrechnung mit der Medici vor. Der Verfasser, der entweder dem Umfeld intransigenter Calvinisten oder militanter Katholiken zuzuordnen ist, attackierte die Königin auf das heftigste, verurteilte deren bisheriges politisches Agieren und ließ keinerlei Entschuldigung für ihre „kriminellen Entscheidungen und Maßnahmen“ gelten. Er verleumdete Katharina von Medici als Ausländerin, als von allen gehaßte Feindin, als Tochter einer niederen durch Wuchergeschäfte reich gewordenen und emporgekommenen Kaufmannsfamilie und als Atheistin.4 Jegliches Schamgefühl sei ihr fremd, was sich bereits kurz nach ihrer Ankunft in Frankreich manifestiert habe, obwohl sie damals erst vierzehn Jahre alt gewesen sei. In den folgenden Jahren habe sie sich als 3  Die Vortreffliche Rede über das Leben, die Aktionen und Missetaten Katharinas von Medici, in der die Mittel dargelegt sind, derer sie sich bedient hat, um die Regierung des Königreichs Frankreich zu usurpieren und um den Staat zugrunde zu richten; im Original: Discours merveilleux de la vie, actions et déportements de Catherine de Médicis, reine mère, auquel sont récités les moyens qu’elle a tenus pour usurper le gouvernement du royaume de France et ruiner l’état d’icelui, 1575 et 1576, éd. par Nicole ­Cazauran, Genève 1995. 4  „Une étrangère, une ennemie et haïe de chacun, fille d’une maison de marchand, élevée par usures, nourrie en athéisme.“

kapitel 1 – Schwarze und hagiographische Legenden

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Giftmischerin und als Mörderin von Hugenotten und des Hugenottenführers Gaspard de Coligny (1519–1572) einen abscheulichen Namen gemacht. Sie sei in die lange Reihe skrupelloser und blutrünstiger Regentinnen seit den Zeiten der Merowinger einzuordnen. Sie verdiene es, am Schwanz eines Pferdes durch die Straßen geschleift und danach in Stücke gerissen zu werden. Diesem haßerfüllten Pamphlet könnten weitere analogen Inhaltes hinzugefügt werden. Hier sei nur noch auf den Traktat des exilierten französischen Calvinisten und Staatsrechtlers Innocent Gentillet (1535–1588) hingewiesen. In seinem 1576 publizierten „Discours sur les moyens de bien gouverner“,5 warf er Katharina von Medici und ihren italienischen Beratern vor, sich bei der Ausübung der Regierungstätigkeit der übelsten Mittel bedient zu haben. Diese und zahlreiche andere Pamphlete – darunter auch weniger polemische Schriften, Romane, Abhandlungen, Theaterstücke usw. späterer und durchaus namhafter Autoren – stellen sozusagen die Matrix dar, die der „Schwarzen Legende“ über Katharina von Medici zugrunde liegt. Es gab aber auch glühende zeitgenössische Bewunderer Katharinas von Medici. Zu ihnen gehörte der Abt Pierre de Bourdeille, seigneur de Brantôme (1540–1614). In seiner Abhandlung „Vies des hommes illustres“,6 rühmte der Memorialist ihre Schönheit, ihr majestätisches Auftreten, das jedoch sanft und ruhig gewesen sei, wenn es die jeweilige Situation erforderte. Nach dem Tod ihres Mannes Heinrich II. 1559 habe sie als exemplarische Witwe und liebende Mutter ihrer Kinder und als große Souveränin agiert. Sie habe sich im Kampf um die Bewahrung der Einheit Frankreichs, um die Befriedung der Monarchie, als Gesetzgeberin und Förderin der schönen Künste bleibende Verdienste erworben. „Kurz, sie verfügte über so viel innere und äußere Schönheit, daß sie sehr geliebt wurde.“7 Die sehr negativen Kommentare überwogen aber bei weitem die weniger kritischen und positiven Stellungnahmen, Berichte und Publikationen. Daran hat sich auch in den nachfolgenden Jahrhunderten nichts Wesentliches geändert. Der bekannte französische Historiker des 17. Jahrhunderts und Autor einer „Histoire de France“ (Geschichte Frankreichs), François Eudes de Mézeray (1610–1683), bezeichnete Katharina 1646 als „eine Frau, deren Vorliebe darin bestand, Zwietracht zu stiften und wie ein Salamander – ein Feuergeist – inmitten von Flammen zu agieren“.8 Demgegenüber brachte der b­ erühmte 5  Rede darüber, mit welchen Mitteln ein Königreich oder ein anderes Fürstentum gut regiert und dort der Friede erhalten werden kann. Eine Entgegnung auf Niccolò Machiavelli; im Original: Innocent Gentillet, Discours sur les moyens de bien gouverner et maintenir en bonne paix un Royaume ou autre Principauté […] contre Nicolas Machiavel Florentin, 1676, éd. par C. Edward Rathé, Genève 1968. 6  Leben der illustren Männer und großen französischen Militärs und Leben der galanten Damen; im Original: Vies des hommes illustres et grands capitaines français et Vies des dames galantes, in: Pierre de Bourdeille, abbé de Brantôme, Œuvres complètes, éd. par Ludovic Lalanne, 12 Bde., Paris 1864–1896; hier Bd. IV. 7  „Bref, elle avait beaucoup de beauté en soi pour se faire fort aimer.“ 8  „une femme dont le plus agréable exercice était d’attiser la discorde et de s’entretenir comme une salamandre au milieu des flammes“.

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kapitel 1 – Schwarze und hagiographische Legenden

französische Romancier und Schriftsteller Honoré de Balzac (1799–1850) durchaus Verständnis für ihr Agieren im Kontext mit der „Bartholomäusnacht“ auf, für ihr „angebliches Verbrechen“, das er als einen in der damaligen Situation gerechtfertigten Akt wertete. In seiner fantastischen Erzählung „Les deux rêves“ (Die beiden Träume, 1828) läßt er Katharina von Medici mit Bezugnahme auf dieses Ereignis folgende Worte sprechen: „Glauben Sie etwa, ich hätte mich von Haß dominierten Gefühlen, nur von Rache und Wut leiten lassen? […] Ich war ruhig und kalt wie die personifizierte Vernunft. Ich habe die Hugenotten ohne Erbarmen verurteilt, ohne Zornesausbruch; sie waren eine verdorbene Orange in meinem Korb.“9 Auf derartige oder ähnliche „Quellen“ stützten sich auch nicht wenige moderne Filmemacher und Regisseure für ihre Historienfilme, die bei ihren Zuschauern bis in die Gegenwart hinein ein sehr problematisches Bild der berühmten Medici hinterlassen und auf diese Weise zum Weiterleben der „Schwarzen Legende“ beigetragen haben. Daran vermochten auch moderne kritische Untersuchungen von Historikern, die sich um eine unvoreingenommene Sicht Katharinas von Medici nachdrücklich und erfolgreich bemüht haben, insgesamt gesehen doch nur recht wenig ändern. Deshalb kann man eine Empfehlung, die der berühmte französische Historiker Fernand Braudel (1902–1972) im Hinblick auf den ebenfalls umstrittenen und verkannten spanischen König Philipp  II. (1556–1598) gegeben hat, von dem in den folgenden Kapiteln immer wieder die Rede sein wird, auch auf den Fall Katharina von Medici übertragen. Braudel empfahl, „[…] erst einmal Tabula rasa zu machen, das heißt vorsichtshalber zunächst mit sämtlichen Verleumdungskampagnen und Lobeshymnen aufzuräumen, deren Gegenstand [diese Königin] war. Denn Freund und Feind haben [sie], ohne sich um Beweise zu kümmern, unter wenig glaubwürdigen Geschichten und Anekdoten buchstäblich begraben.“10 Mit der hier vorgelegten und auf der Basis der modernen Forschung sowie jahrzehntelanger eigener Beschäftigung mit der französischen Geschichte und der Geschichte der internationalen Beziehungen des 16. und 17. Jahrhunderts11 erarbeiteten Biographie Katharinas von Medici verbindet ihr Autor die Hoffnung, einem breiten historisch interessierten Leserpublikum Leben, Wirken und Leistung dieser Königin in ihren vielfältigen Facetten sowie in ihren positiven wie negativen Seiten näher bringen zu können. 9  „Croyez-vous donc que j’aie été dominée par des sentiments de haine, que je n’aie respirée que vengeance et fureur? J’étais calme et froide comme la raison même. J’ai condamné les huguenots sans pitié, mais sans emportement, ils étaient l’orange pourrie de ma corbeille.“ Zitiert über Ivan Cloulas, Catherine de Médicis, Paris 1979, S. 15. 10  Vgl. dazu Markus Reinbold, Philipp II. von Spanien. Machtpolitik und Glaubenskampf (=Persönlichkeit und Geschichte, Bd. 168), Gleichen u. a. 2009, S. 13. 11  Es wurden die publizierten Quellen, insbesondere die veröffentlichte Korrespondenz Katharinas von Medici, herangezogen. Selbstverständlich wurde die neueste Fachliteratur benutzt. – Die Übersetzungen der Zitate französischer Quellen ins Deutsche stammen, wenn nicht anders angegeben, vom Autor.

kapitel 1 – Schwarze und hagiographische Legenden

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Verbunden damit ist der Wunsch, dem Leser zugleich einen fundierten Einblick in das damalige Geschehen in Frankreich und in die Geschichte der internationalen Beziehungen jener Zeit zu vermitteln. Wie jeder Historiker ist sich auch der Autor dieser Biographie Katharinas von Medici durchaus bewußt, daß er bei all’ seinem Bemühen und bei aller quellenkritischen Sorgfalt sich der behandelten Persönlichkeit und der jeweiligen historischen Realität nur annähern, sie aber in ihrer ganzen Komplexität nicht exakt erfassen, sie nicht in jeder Hinsicht und in sämtlichen Aspekten „sozusagen fotografisch abzubilden“ vermag.

Kapitel 2

Turbulente Kindheit und Jugend in Florenz und Rom In der Nacht zum 19. Juli 1530 wurde Katharina, ein Waisenkind im Alter von elf Jahren, in Florenz mit einer für sie gefährlichen Lage konfrontiert, bei der sich bereits ihre Fähigkeit manifestierte, mit derartigen Situationen mutig und – zumindest nach außen hin – besonnen sowie gefaßt umzugehen. Außerdem bewies sie schon damals ihre Gabe, ihre wahren Gefühle und Intentionen zu verschleiern, sich des Mittels der Dissimulation zu bedienen. Zu jenem Zeitpunkt befand sie sich in der Obhut der Benediktinerinnen des Klosters Santissima Maria Annunziata delle Murate. Es handelte sich dabei um eine vom Zentrum der Stadt am Arno etwas entfernte große und reiche Abtei, in der die Töchter der namhaften Familien erzogen wurden und wohin sich ältere Damen und angesehene Witwen zurückzogen, um dort ihren Lebensabend zu verbringen. Katharina war auf Initiative des französischen Boschafters im Dezember 1527 in diese Abtei gebracht worden, nachdem sie bereits in zwei anderen Klöstern untergebracht und unterrichtet worden war. Bereits die Tatsache, daß sich der französische Botschafter veranlaßt sah, sich um das Schicksal und Wohlergehen dieses Mädchens persönlich zu kümmern, das einer mit dem Papst und namhaften italienischen Häusern verbundenen Familie entstammte, deutet darauf hin, daß der französische König Franz I. (1515–1547) aus politischen Gründen die kleine Medici als interessante Kandidatin für eine Ehe mit einem seiner Söhne ins Auge gefaßt hatte. Während ihres Aufenthaltes bei den Benediktinerinnen genoß Katharina von Medici eine vertiefte und für die damalige Zeit bemerkenswert umfassende Ausbildung. Sie lernte Latein und Griechisch, wofür sie ein lebenslanges Interesse pflegte. Große Neigung entwickelte sie dort aber auch für die in jener Zeit gerade in Mode kommenden Naturwissenschaften, für Physik und Astronomie. Außerdem liebte sie die Mathematik. Wie viele Zeitgenossen, aber auch wie viele Herrscher dieser Epoche war Katharina fasziniert von der Astrologie. Das brachte sie für spätere Geschichtsforscher und Romanciers, die ihr Bild formten und dabei auch auf die eine oder andere Art Legenden schufen, ungerechterweise in Verruf, und es trug zu ihrer unheilvollen und dunklen Reputation bei, die man über alle Jahrhunderte weiterspann. In Wirklichkeit ist die Astrologie ein absolut gängiges Zeitphänomen, und Nostrodamus [Michel de Nostre-Dame, 1503–1566], Katharinas „Hofast­rologe“, zugleich auch ihr Leibarzt, war ein geachteter Mann seiner Zeit.1

Florenz befand sich seit April/Mai 1527 in den Händen von Aufständischen, die das damalige Stadtregiment der Medici vertrieben hatten und die kleine Katharina als ihre politische Geisel betrachteten. Im Laufe der Zeit hatten sich die Aufständischen zunehmend 1  Sabine Appel, Katharina von Medici. Strategin der Macht und Pionierin der Neuzeit, Stuttgart 2018, S. 28 f.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2020 | doi:10.30965/9783657703326_003

Kapitel 2 – Turbulente Kindheit und Jugend in Florenz und Rom

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radikalisiert. Die Stimmung in der Stadt eskalierte weiter, als sie von Oktober 1529 bis August 1530 von einer kaiserlich-päpstlichen Armee eingeschlossen und belagert wurde. Ihr Auftrag war, die Rechte der Medici und deren Herrschaft in der Stadt wiederherzustellen. In Anbetracht der sich für sie zuspitzenden Lage verfielen einige der Radikalsten unter den Aufständischen auf die Idee, sich der jungen Katharina zu bedienen, sie an der äußeren Stadtmauer festzubinden und sie sozusagen als Schutzschild gegen den Beschuß durch die Artillerie der Belagerungsarmee zu verwenden. In den „Histoires […] de Paolo Jovio“2 heißt es mit Bezugnahme auf diese Ereignisse u. a.: „Ein von scharfmacherischer Boshaftigkeit getriebener Bürger hatte jegliche einvernehmliche Lösung gehaßt. Zudem hatte er sich mit der Forderung durchgesetzt, sich der Nichte des Papstes, des neun [sic!] Jahre alten Mädchens, das sich in einem Nonnenkloster befindet, zu bemächtigen und sie zwischen zwei Mauerzinnen der Artillerie der Feinde zu präsentieren.“3 Andere Radikale forderten, man solle die kleine Medici in ein Freudenhaus einsperren und sie von Soldaten entehren lassen. Dann wäre sie auf immer als Kandidatin für politischdynastische „Geschäfte“ auf italienischer oder internationaler Ebene wertlos. Tatsächlich erschien in der Nacht zum 19. Juli 1530 eine vierköpfige Abordnung des aufständischen Stadtregiments (Signorìa) an der Pforte des Klosters Santissima Maria Annunziata delle Murate und forderte die Auslieferung Katharinas von Medici. Gerüchte über dieses Vorhaben waren bis in das Kloster gedrungen, in dem sich auch Nonnen befanden, die den Medici nicht wohlgesonnen waren. In der fraglichen Nacht informierten die vier Abgesandten die Oberin, daß sie von der „Signoria“ den Befehl erhalten hätten, die junge Medici abzuholen. Über deren weiteres Schicksal erteilten sie aber keine Auskunft, so daß ungewiß war, ob Katharina nur in das im Zentrum gelegene Kloster Santa Lucia transferiert werden sollte, wo man sie vor einer Befreiungsaktion seitens der Belagerungsarmee sicherer wähnte, oder ob man Schlimmeres mir ihr vorhatte. Die umlaufenden Gerüchte ließen letzteres vermuten. Jedenfalls war Katharina, die man herbeigerufen hatte, nicht bereit, sich widerstandslos in ihr ungewisses Schicksal zu fügen. Sie weinte und schrie so heftig, daß sie schließlich von der Abordnung einen Aufschub bis zum nächsten Tag erhielt. Wie berichtet wird, verbrachte sie die Nacht mit Gebeten und intensivem Nachdenken darüber, welche Möglichkeiten ihr blieben, um ihr Schicksal so weit wie möglich selbst zu bestimmen. Wohl in Absprache mit einigen ihr gewogenen Nonnen entschied sie, sich die Haare abschneiden zu lassen und die Gewänder einer Novizin der Benediktinerinnen 2  Geschichten von Paolo Jovio, aus dem Lateinischen ins Französische von Denis Sauvage übersetzt; im Original: Histoires […] de Paolo Jovio […] traduites du latin en français par Denis Sauvage, Paris, 1570. 3  „[Battista] Cei, citoyen d’âpre malignité […] avait détesté la concorde […]. Encore avait-il [per]suadé de colloquer et présenter à l’artillerie des ennemis […] entre deux créneaux la nièce du pape, jeune fille de neuf ans gardée en un monastère de nonnains […]; [Bernardo] Catiglione […] avait été d’avis […] qu’il la faudrait chasser au plus déshonnête lieu de Florence.“ Histoires […] de Paolo Jovio […] traduites du latin en français par Denis Sauvage, Paris 1570, fol. 95 verso–96 recto; zitiert über Thierry Wanegffelen, Catherine de Médicis. Le pouvoir au féminin, Paris 2005, S. 58.

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anzulegen. Als dann am folgenden Morgen die Abgesandten der „Signoria“ erneut an der Klosterpforte erschienen, trat ihnen Katharina, die sich durch ihre Verkleidung als Novizin geschützt wähnte, mit dem Mute der inneren Anspannung und Verzweiflung entgegen. Zu den sie begleitenden Nonnen soll sie mit fester Stimme gesagt haben: „Ich gehöre zu Euch“. Wer würde, so hoffte sie wohl, einer angehenden Nonne Zwang antun und damit seine Exkommunizierung riskieren. Die Abgesandten soll sie mit aller Entschiedenheit aufgefordert haben, wieder zu ihren Auftraggebern zurückzukehren und diesen mitzuteilen, daß sie sich entschlossen habe, dem Orden der Benediktinerinnen beizutreten und sich niemals mehr von ihren Ordensschwestern zu trennen. Ihr entschiedenes und mutiges Auftreten half ihr aber letztlich nichts. Ob Novizin oder nicht – die Abgesandten setzten die sich wehrende Katharina auf einen Maulesel und brachten sie in das Kloster Santa Lucia, das ihr von einem früheren Aufenthalt bekannt war. Daß die Nonnen des Klosters Santissima Maria Annunziata delle Murate dies schließlich geschehen ließen, ist wohl auch darauf zurückzuführen, daß sie in der gefährlichen Lage, in der sie sich befanden, es letztlich nicht riskieren wollten, wegen der jungen Medici größere Risiken einzugehen oder gar Repressalien ausgesetzt zu werden. Schließlich nahm das Geschehen für die Elfjährige aber ein glückliches Ende. Am 12. August 1530 mußten sich die Aufständischen den kaiserlich-päpstlichen Truppen ergeben. Die als Geisel gefangengehaltene Katharina von Medici wurde befreit. Bei den Kämpfen sollen rund 8.000 Verteidiger der Stadt Florenz und etwa 14.000 Soldaten der Belagerungsarmee den Tod gefunden haben. Ende September 1531 konnte sich Katharina nach Rom begeben, wo sie von Papst Klemens VII., Giulio de’ Medici (1523–1534), mit allen ihr gebührenden Ehren empfangen wurde. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die schlimmen Ereignisse und Erfahrungen, mit denen sie während der Herrschaft der Aufständischen in Florenz konfrontiert worden war, tiefe Spuren in ihrem Gedächtnis hinterlassen haben. Sie, die sehr kurz nach ihrer Geburt ihre Eltern verloren hatte und danach von häufig wechselnden Personen und an ebenfalls wechselnden Orten aufgezogen und versorgt worden war, hatte sehr früh lernen müssen, mit gefährlichen Schicksalsschlägen umzugehen, zu lavieren und zu dissimulieren, wenn es die Umstände zwingend erforderten, um eine persönliche Katastrophe zu vermeiden. Ganz sicher haben diese Erfahrungen auch bei ihren späteren Entscheidungen eine Rolle gespielt.4 Katharina von Medici kam am 13. April  1519 zur Welt. Ihr Vater war der Herzog ­Lorenzo II., Herr von Florenz und (Gegen-) Herzog von Urbino (Lorenzo di Piero de’ Medici geb. 1492, 1516–1519 Hg. v. Urbino), also ein Medici. Ihre Mutter Magdalena stammte aus dem französischen Haus der La Tour d’Auvergne (Madeleine de La Tour d’Auvergne, 4  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 41 ff.; Jean Orieux, Catherine de Médicis ou La reine noire, Paris 1986, S. 45–59; Simone Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. I, Le beau XVIe siècle. Anne de Bretagne, Jeanne de France, Marie d’Angleterre, Éléonore d’Autriche, Catherine de Médicis, Paris 1994, S. 252 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 56–59; Jean-François Solnon, Catherine de Médicis, Paris 2009, S. 17–22; Raphaël Dargent, Catherine de Médicis. La Reine de fer, Esqualons 2011, S. 51 ff.; Henri Pigaillem, Catherine de Médicis. La diabolique, Paris 2018, S. 24 ff.

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1501–1519). Ihre Großmutter mütterlicherseits war Jeanne de Bourbon-Vendôme, die nicht nur über ein sehr großes Erbe verfügen konnte, sondern auch mit der französischen Herrscherdynastie der Valois liiert war. Wie in allen dynastischen Eheverbindungen der damaligen Zeit hatten auch beim Zustandekommen dieser Verbindung gewichtige politische Gründe eine Rolle gespielt. Zum besseren Verständnis sind diese Gründe und die damit verknüpften politischen Zielsetzungen in der gebotenen Kürze im folgenden zu skizzieren. Gleiches gilt für die in diesem Kontext agierenden Hauptakteure und für die damaligen politischen Rahmenbedingungen, mit denen sich die zentralen handelnden Personen konfrontiert sahen.5 Die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts war durch die politischen und militärischen Konflikte konkurrierender Mächte geprägt, die im Kampf um die Hegemonie in Europa ausgetragen wurden. Die französische Monarchie hatte im Innern bis 1494 eine so weitgehende Stabilisierung erfahren, daß König Karl VIII. (1483–1498) in der Lage war, einen Feldzug nach Italien zu unternehmen, um dort die politischen Interessen wahrzunehmen, die aus der Herrschaft des französischen Hauses Anjou in Neapel vor 1435 resultierten. Im Gefolge dieses Feldzuges kam es zum Zusammenbruch des italienischen Staatensystems, so daß die italienische Halbinsel bis ins 18. Jahrhundert hinein von äußeren Mächten und Akteuren abhängig wurde. Aus eigener Kraft war die damalige Staatenwelt Italiens nicht mehr fähig, ihre weitere politische Entwicklung maßgeblich mitzubestimmen. 1494/95 änderten sich die Bündniskonstellationen in West-, Süd- und Mitteleuropa für längere Zeit. Dies war der Wendepunkt in den internationalen Beziehungen Europas; seitdem entfalteten das Konfliktpotential und die entsprechende Bündniskonstellation Habsburg/ Trastámara6 gegen das Haus Valois bzw. das französische Königtum seine Wirkungen. Philipp der Schöne wurde, wenn auch nur für kurze Zeit, König von Kastilien, ihm folgte 1516 sein Sohn Karl als König nach, 1519 erlangte er auch noch die Kaiserwürde [Karl V.]. Das Haus Habsburg hatte nun die besseren Voraussetzungen, die Hegemonie in Europa zu entfalten. Es besaß Herrschaftsgebiete, die eine solche Position begünstigten und ermöglichten: die Niederlande, die spanischen Königreiche einschließlich Neapel und Sizilien sowie die Kaiserwürde im Heiligen Römischen Reich [deutscher Nation]. Der französische König Franz I. hingegen war als Bewerber um die Kaiserwürde 1519 der große Verlierer.7

5  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 30–34; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 248 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 50–54; Solnon, Catherine de Médicis, S. 25–28. 6  Im Gefolge der Eheschließung zwischen Isabella von Kastilien mit Ferdinand, dem Thronfolger der aragonesischen Reiche, im März 1469 vereinigte die Dynastie Trastámara ihre Linien in Kastilien und Aragon. Rund ein Jahrzehnt später kam es schließlich realiter zur Vereinigung der Kronen Kastilien und Aragon. Nach dem Tode Heinrichs IV. (1454–1474) von Kastlien im Jahre 1474 war ihm seine Halbschwester Isabella auf dem Thron gefolgt. Ferdinand hatte als Ferdinand II. im Jahre 1479 die Thronfolge in Aragon angetreten. Damit waren beide Königreiche in Personalunion vereinigt. 7  Alfred Kohler, Expansion und Hegemonie. Internationale Beziehungen 1450–1559 (=Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen, Bd.1), Paderborn u. a. 2008, S. 7.

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Im Ringen zwischen Franz I. und Kaiser Karl V. um die Hegemonie in Europa, einem Ringen, das nicht nur mit politisch-diplomatischen Aktivitäten, sondern immer wieder auch mit militärischen Mitteln auf verschiedenen Kriegsschauplätzen ausgetragen wurde, erlitt der französische König am 24. Februar 1525 vor Pavia, das zuvor monatelang von französischen Truppen belagert worden war, durch die kaiserliche Entsatzarmee eine schwere Niederlage. Franz I. und ein Großteil seines adligen Gefolges gerieten dabei in Gefangenschaft. Dieses für den französischen König katastrophale Ereignis fand ausgerechnet am Tage des 25. Geburtstages Kaiser Karls V. statt, was einer symbolischen Bedeutung nicht entbehrte. Der spanische Großkanzler Mercurino de Gattinara (1465–1530) riet dem Kaiser, sich in den alsbald beginnenden Verhandlungen mit dem französischen König zwar großmütig zu erweisen, aber unbedingt auf dem burgundischen Erbe entsprechend den bereits vor Jahrzehnten abgeschlossenen Verträgen von Arras (1435), Conflans (1465) und Péronne (1468) zu bestehen. Karl V. folgte diesem Rat. Die in Madrid und in Lyon geführten spanisch-französischen Verhandlungen scheiterten zunächst aber an der Weigerung Franz’ I., in die Rückgabe Burgunds einzuwilligen. Schließlich sah sich der französische König Ende November  1525 gezwungen, auf diese Bedingung des Kaisers einzugehen, denn er wollte sich so schnell wie möglich aus seiner Gefangenschaft lösen. Er erklärte sich zur Rückgabe Burgunds bereit, deren Übergabe wollte er indessen selbst erst nach seiner Rückkehr nach Frankreich vollziehen. „Am 19. Dezember 1525 waren sich beide Seiten einig; Franz versprach, die kaiserlichen Forderungen zu erfüllen, nämlich den Vertrag sechs Wochen nach seiner Rückkehr nach Frankreich bzw. durch die Parlamente, die obersten Gerichtshöfe, innerhalb von vier Monaten ratifizieren zu lassen.“8 Dieser Friedensschluß von Madrid wurde am 14. Januar 1526 feierlich beschworen, aber zu diesem Zeitpunkt war er bereits faktisch wertlos, weil Franz I. schon am 16. August 1525 in einem geheimen und notariell beglaubigten Protest diesen ihm während seiner Gefangenschaft abgerungenen Vertrag für null und nichtig erklärt hatte. Nachdem der König am 17. März 1526 wieder französischen Boden betreten hatte – am selben Tag waren seine beiden Söhne, die Prinzen Franz und Heinrich am Grenzfluß zwischen Frankreich und Spanien, an der Bidassoa, als Geiseln an Spanien übergeben worden – ließ er erklären, daß ihm der Vertrag in Madrid aufgezwungen worden sei. Er habe deshalb nicht

8  Kohler, Expansion und Hegemonie, S.  357; vgl. auch Alfred Kohler, Franz  I. 1515–1547, in: Peter  C.  Hartmann, Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III., 1498–1870, München 1994, S. 52–70, 456 f.; der von Hartmann herausgegebene Band ist 2006 in München im Verlag Beck unter identischem Titel und mit identischer Paginierung als Taschenbuch erschienen. Ich zitiere im folgenden nach der 1. Auflage von 1994; vgl. auch Ivan Cloulas, Henri II, Paris 1985, S. 17–55; Laurent Bourquin, La France au XVIe siècle (1483–1610), Paris 2007, S. 21–26; Arlette Jouanna, La France du XVIe siècle 1483–1598, 2. Aufl., Paris 2012, S. 177–183. – In ihrer kürzlich erschienenen Biographie Katharinas von Medici erwähnt Sabine Appel zwar die „Schlacht bei Pavia“ und den „Frieden von Madrid“, sie gibt aber weder die entsprechenden Daten an, noch ordnet sie diese auch nur ansatzweise in den gesamthistorischen Kontext ein. Appel, Katharina von Medici, S. 31.

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die Absicht, die Rückgabe von Burgund zu realisieren. Unverzüglich setzte er alles daran, die schmachvolle Niederlage zu revidieren. Am 22. Mai 1526 schloß Franz I. in Cognac mit Papst Klemens VII., Francesco II. Sforza (1521–1525; 1529–1535), von Kaisers Gnaden Herzog von Mailand, mit Venedig und mit Florenz die Heilige Liga von Cognac. Ihr Ziel war die Vertreibung der Spanier aus Neapel, die Rückgewinnung Mailands für die angestammte Dynastie und die Befreiung der Söhne des französischen Königs. All das sollte die Fortsetzung des Krieges in Italien zur Folge haben, denn der Papst ging wieder zu den Feinden des Kaisers über. Auch Heinrich VIII. stand der Liga von Cognac freundlich gegenüber.9

Damit haben wir dem Verlauf der Ereignisse aber vorgegriffen. Um seine politischen Ambitionen im Hinblick auf Italien zu realisieren, hatte Franz I. sich schon bald nach seiner im Jahr 1515 erfolgten Thronbesteigung bemüht, sich der Unterstützung des Papstes und der Medici zu versichern. Papst Leo X. (Giovanni de’ Medici, 1513–1521) war seinerseits daran interessiert, seinem jungen Neffen Lorenzo von Medici die Herrschaft über Florenz und über Urbino zu sichern. Das im Mai 1516 von einer päpstlichen Armee eroberte Herzogtum Urbino hatte der Papst seinem Neffen übertragen. Um dessen Herrschaft zu stabilisieren, erachtete Leo X. eine Verbindung mit Franz I. als erfolgversprechend, zumal er wußte, daß der französische König für das Königreich Neapel die päpstliche Investitur brauchte. Aus der gemeinsamen Interessenlage resultierte die Ehe zwischen Lorenzo de’ Medici und Madeleine de La Tour d’Auvergne. Die zehn Tage dauernden Hochzeitsfeierlichkeiten fanden im April 1518 im Schloß Amboise statt. Am 7. September kehrte das jungvermählte Paar nach Florenz zurück. Zu diesem Zeitpunkt war die Herzogin von Urbino bereits schwanger. Am 13. April 1519 brachte sie im Palais der Medici in Florenz eine Tochter zur Welt, die drei Tage später getauft wurde. Sie erhielt den Namen ihrer Urgroßmutter väterlicherseits Catarina. Ihr zweiter Namen Maria war ihr zu Ehren der Mutter Gottes gegeben worden. Der dritte Name Romola wurde in Reminiszenz an Romulus, den legendären Gründer von Fiesole, der Wiege von Florenz, von Florentiner Adelsfamilien häufig ihren Töchtern verliehen. Aber bereits rund zwei Wochen nach der Geburt Katharinas verstarb ihre Mutter am 28. April 1519. Am folgenden 4.Mai verlor sie auch ihren Vater. Nach diesen beiden Todesfällen im Hause Medici kursierte alsbald das Gerücht, die Herzogin Madeleine sei an der Syphilis gestorben, mit der sie ihren Ehemann Lorenzo angesteckt habe. Die Symptome der Krankheit, die zum Tode des Herzogs geführt hatte, deuten indessen darauf hin, daß er an einer Lungeninfektion, möglicherweise an einer Tuberkulose, gestorben ist.10

9  Kohler, Expansion und Hegemonie, S. 358; vgl. auch Anm. 8. 10  Vgl. Anm. 5.

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Katharina war also bereits im Säuglingsalter zur Vollwaise geworden. Zunächst nahm sie ihre Großmutter väterlicherseits, Alfonsina Orsini (1472–1520), die Witwe von Piero de’ Medici (1471–1503), in ihre Obhut. Im Oktober 1519 begab diese sich nach Rom, wo Leo X. sie auf das herzlichste empfing. Als Alfonsina im Februar 1520 starb, reklamierte Franz I. aus politischen Gründen die Vormundschaft über die Vollwaise und reiche Erbin. Nicht nur in seinen Augen stellte die kleine Herzogin (duchessina) eine willkommene Kandidatin für zukünftige dynastische Verbindungen dar, denen damals immer der Wunsch zugrunde lag, auf diese Weise vorteilhafte politische Allianzen zu schließen bzw. abzusichern. Deshalb wünschte der französische König, Katharina nach Frankreich zu holen und sie damit in seine Obhut zu nehmen. Auf Grund seiner spezifischen politischen Interessenlage erteilte Papst Leo X. diesen französischen Ambitionen jedoch eine Absage. Er entschied, daß Katharina unter seiner Kontrolle aufwachsen sollte, weil er mit ihr ebenfalls politische Pläne verfolgte. Ihre früheste Kindheit verbrachte Katharina zunächst in Rom unter der Obhut ihrer Großtante Lucrezia de’ Medici und ihrer Tante Clarissa Strozzi. Sie wuchs dort gemeinsam mit ihren Cousins Strozzi auf. „Clarice oder Clarissa Strozzi, wie ihr Vorname eingedeutscht wird, war eine bemerkenswerte Frau ihrer Zeit. Bildungsbeflissen und diszipliniert, widmete sie ihre ganze Kraft der Erziehung ihrer eigenen zehn Kinder und Katharinas […].“11 An der Seite Katharinas befanden sich zumeist auch zwei Bastarde der Medici. Bei diesen handelte es sich einmal um Hippolyt (Ippolito), den natürlichen Sohn von Guiliano de’ Medici, Herzog von Nemours, der 1516 verstarb. Hippolyt war zwei Jahre älter als Katharina. Großgewachsen, von bemerkenswerter Schönheit und mutig übte er eine verständliche Faszination auf das heranwachsende Mädchen aus. Bei dem zweiten Bastard handelte es sich um den 1510 oder 1511 geborenen Alexander (Alessandro). Papst Klemens VII. ließ immer wieder verlauten, dieser sei ein natürlicher Bruder Katharinas. Es existieren aber nicht von der Hand zu weisende Indizien, daß Alexander ein Sohn von Giulio de’ Medici war, der am 19. November 1523 zum Papst Klemens VII. gewählt wurde.12 Das Pontifikat Klemens’ VII., des Cousins Leos X., verlieh den Medici in Florenz neuen Glanz. Der Papst entsandte Alexander und Hippolyt von Rom in die Stadt am Arno. Katharina hatte ihnen alsbald zu folgen. Als Vorwand wurde nach außen hin kolportiert, in Rom sei die Luft zu schlecht für die kleine Herzogin. Der eigentliche Grund dürfte aber gewesen sein, daß Katharina mit ihrer Anwesenheit in Florenz die Legitimität des neuen Herzogs Alexander untermauern sollte. Im Alter von rund drei Jahren fand sie sich also im Palais der Medici in Florenz wieder, wo sie unter der Vormundschaft ihrer Verwandten Maria Salviati, die einen Mann aus der jüngeren Linie der Medici geheiratet hatte, erzogen wurde. Dort verbrachte sie eine insgesamt behütete und wohl auch glückliche frühe Kindheit bis zum Ausbruch des Aufstandes 1527 und der abermaligen Vertreibung der Medici aus Florenz. 11  Appel, Katharina von Medici, S. 21. 12  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 39–41; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 54 ff.

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Die Rebellion in Florenz gegen die Medici und die Vertreibung von Alexander und Hippolyt, sind im Zusammenhang zu sehen mit den sich wieder zuspitzenden Differenzen zwischen Franz I. von Frankreich und Kaiser Karl V. und den daraus resultierenden politisch-militärischen Ereignissen in Italien, in die auch die Kurie involviert war. Die damals achtjährige Katharina wurde von Freunden in der Familienvilla der Medici in Poggio a Caiano, also außerhalb von Florenz, in Sicherheit gebracht. Die Villa in Poggio hatte Lorenzo de’ Medici, der Prächtige (1449–1492), errichten lassen. Ihr Grundriß und ihre Dachverzierungen dienten als Vorbilder beim Bau des berühmten Schlosses Chambord, das Franz I. südlich von Blois hatte gestalten lassen. Im Zuge der kriegerischen Ereignisse wurden die spanischen Besatzungen aus Mailand und Genua verdrängt, und Klemens VII. rief am 13. Juni 1526 im Konsistorium die Heilige Liga aus. Deren Verbände rückten von Süden her gegen die kaiserlichen Truppen vor. Auf das wechselvolle und komplexe militärische Geschehen ist hier nicht näher einzugehen. Schließlich zogen die wegen des Ausbleibens ihres Soldes meuternden kaiserlichen Truppen nach Rom. Dazu mag aber auch die antipäpstliche Propaganda des Kaisers ebenso beigetragen haben wie die Verunglimpfung des Papstes als Antichrist, die unter den Landsknechten verbreitet war. Am 5. Mai 1527 befand sich die Armee des Kaisers vor Rom. Am folgenden Tag begann sie mit der Erstürmung der Stadt. Der Papst wurde in seiner Festung, der Engelsburg, belagert. Er mußte sich am 5. Juni ergeben und geriet in die Gefangenschaft Karls V. Die nach der Eroberung Roms einsetzende rund einwöchige Plünderung hatte katastrophale Folgen. Rund 10.000 Menschen fielen wahrscheinlich den Exzessen der Soldateska zum Opfer. Nach Angaben der Kurie soll sich der Wert der erbeuteten Schätze Roms auf 10 Millionen Dukaten belaufen haben, was für damalige Verhältnisse eine immense Summe darstellte. Im Gefolge des „Sacco di Roma“ formierten sich in Italien wieder die alten Gegner des Kaisers. Dies geschah unter der Parole, daß der Papst aus kaiserlicher Gefangenschaft befreit werden müsse. Eine weitere Folge der Ereignisse in Rom war, daß 1527 der Bürgerkrieg in Florenz ausbrach, bei dem die herrschenden Medici aus der Stadt vertrieben wurden. Die Haft des Papstes wurde jedoch am 6. Dezember 1527 wieder aufgehoben. Am 29. Juni 1529 kam es schließlich zum Friedensschluß von Barcelona zwischen Karl V. und Klemens VII. In der unmittelbar folgenden Phase sah der Papst seinen Vorteil wieder auf seiten des Kaisers, zumal dieser ihm berechtigte Hoffnung auf militärische Unterstützung bei der Wiederherstellung der Herrschaft der Medici in Florenz machte. Tatsächlich gelang es mit kaiserlicher militärischer Hilfe, das Regiment der Aufständischen in Florenz am 12. August 1530 zur Kapitulation zu zwingen. Der päpstliche Nepot Alexander wurde wieder erblicher Herzog von Florenz, der eigentliche Herr der Stadt blieb aber Klemens VII. Der Friedensschluß zwischen Karl V. und Franz I. ging auf eine erfolgreiche Initiative der Statthalterin der Niederlande, der Erzherzogin Margarete von Österreich (1506– 1530), der Tante Karls V., zurück, die diese bei ihrer Schwägerin, der Mutter von Franz I., ­Luise von Savoyen (1476–1531), unternommen hatte. Seit dem 5. Juli 1529 verhandelten

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die beiden Fürstinnen in Cambrai, wo es dann am 3. August zur Unterzeichnung des Friedensvertrages kam. Unter Bezugnahme auf die beiden Fürstinnen nannte man diesen Frieden alsbald den „Damenfrieden von Cambrai“. Dieser Vertrag bestätigte den von Madrid unter Verzicht auf einige Artikel, nicht aber im Hinblick auf den grundsätzlichen Rechtsanspruch der Restitution Burgunds. Die französische Seite erkannte die Souveränität Karls über Flandern und das Artois an und verzichtete auf ihre Ansprüche im Hinblick auf Mailand, Genua und Neapel […]. Für die Freigabe seiner in Geiselhaft befindlichen Söhne sollte Franz I. ein Lösegeld von zwei Millionen Soleils zahlen. Die Heirat von Karls Schwester Eleonore mit Franz I. war als Bekräftigung des Friedensvertrages gedacht […].13

In einer Zeit, in der nicht nur die Herrscherdynastien, sondern auch die Großen und die Adelshäuser eines Landes aus überwiegend politischen Motiven sich bereits kurz nach der Geburt ihrer Kinder mit der Frage beschäftigten, welche lukrative Eheprojekte sich für ihre Nachkommen boten, war natürlich auch Katharina von Medici auf Grund ihrer Herkunft und ihrer familiären Verbindungen eine umworbene Kandidatin. Entstammte sie doch einem florentinischen Geschlecht, das durch seine Betätigung in internationalen Bankgeschäften nicht nur zu großem Reichtum, sondern durch eine geschickte Politik in Verbindung mit der Florentiner „Partei“ der „popolani“ auch zu politischem Ansehen gelangt war und schließlich die Herrschaft in der Stadt am Arno erringen konnte. Mit Unterbrechungen von 1494 bis 1512 und 1527 bis 1530 beherrschten die Medici vom 15. Jahrhundert bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts Florenz (seit 1531 als Herzöge, seit 1569 als Großherzöge der Toskana). Berücksichtigt man diese Gegebenheiten und die Verbindung der „duchessina“ mütterlicherseits mit dem französischen Haus der La Tour d’Auvergne sowie die daraus resultierenden Erbansprüche, so ist zu konstatieren, daß die später in Frankreich kursierende Behauptung, ihre Ehe mit einem engen Angehörigen der französischen Herrscherdynastie, der Valois, sei eine Mesalliance, denn die italienische „Bänkerin“ sei niederer Herkunft, falsch ist und eine üble Verleumdung darstellt. Die Republik Florenz war mit einer Gesamtfläche von 15.000 Quadratkilometern und mit einer Bevölkerung von rund 750.000 die kleinste Macht der Pentarchie Italiens. Dank der florierenden Wirtschaft, insbesondere der Textilproduktion, war es Florentiner Kaufleuten gelungen, im Handel mit dem Reich der Osmanen die Nachfolge der Venezianer und Genuesen anzutreten sowie im Kommerz mit Nordafrika und Ägypten jene Rolle zu übernehmen, die die Pisaner dort früher gespielt hatten. „Die Florentiner Kaufleute und Bankiers wurden von der Familie Medici dominiert, das galt auch im politischen Sinn, denn als Florenz sich von der Republik zum ‚principato‘ entwickelte, übte ­Cosimo de’ Medici der Ältere (1434–1464) die tatsächliche Macht aus.“14 Der Veränderungsprozeß von 13  Kohler, Expansion und Hegemonie, S. 362; vgl. auch Cloulas, Catherine de Médicis, S. 46–55; Kohler, Franz I., S. 65 f.; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 26; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 180. 14  Kohler, Expansion und Hegemonie, S. 112.

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der Republik zum „principato“ gelang, weil Cosimo bei äußerer Schonung die überkommenen republikanischen Strukturen sehr behutsam in oligarchischem Sinne umzugestalten verstand, wobei er sich bei seinem politischen Agieren ostentativ auf das „niedere Volk“ – den „popolo basso“ – stützte. Die Außenpolitik Cosimos des Älteren war wesentlich vom merkantilen Charakter des Stadtstaates Florenz geprägt. Nachdem er die militärische Allianz mit Francesco Sforza [I., 1450–1466] in Mailand von Florenz aus finanziert hatte, war nach dem Frieden von Lodi [1454] die Bewahrung des Friedens in Italien sein Hauptziel. Auch sein Einfluß auf den Kirchenstaat war weit mehr Ausdruck finanzieller Stärke als expansiver Politik. Militärischem Engagement gegenüber war er zurückhaltender; dies verdeutlicht seine Abneigung gegen päpstliche Aufrufe zum Kreuzzug gegen die Osmanen.15

Seinem Enkel Lorenzo I. (Lorenzo il Magnifico) gelang es, die Herrschaft der Medici in Florenz nicht nur zu festigen, sondern schließlich auch weiter auszubauen. Dabei profitierte er von seinem höchst geschickten Agieren bei einer gegen ihn wohl in Rom vorbereiteten Verschwörung, die er schließlich mit der tatkräftigen Unterstützung des „popolo basso“ erfolgreich überstehen konnte. Lorenzo de’ Medici nützte die Niederwerfung der Verschwörung, um seine Position zu stärken und seine fürstenähnliche Autorität institutionell zu festigen, indem er die Florentiner Verfassung, den Rat der Siebzig, ändern ließ. Während in Florenz auf diese Weise die Herrschaft der Medici stabilisiert werden konnte, versuchte Papst Sixtus IV. [1471–1484] mit Interdikt und Exkommunikation Politik gegen Florenz zu machen, allerdings vergeblich.16

Lorenzo II. de’ Medici, Herzog von Urbino, der Vater Katharinas von Medici, war ein Enkel von Lorenzo dem Prächtigen. In diesen genealogischen Kontext ist Katharina von Medici einzuordnen. Dieser Kontext und die bereits in anderem Zusammenhang thematisierten Verbindungen zu Frankreich und zum Papst verdeutlichen, warum schon die kleine Medici eine begehrte Kandidatin für dynastische Eheschließungsprojekte war, bei denen – wie damals stets in den Staatenbeziehungen – sehr handfeste politische Interessen eine zentrale Rolle spielten.17 Der in der Schwarzen Legende verbreitete Vorwurf, sie sei eine „dicke italienische Bänkerstochter“, unterschlägt ebenso ihre enge Verbindung zum französischen Hochadel. Katharinas Mutter Magdalena von La Tour d’Auvergne, die 1501 geboren wurde, stammte aus einer sehr begüterten Familie des französischen Hochadels. Die Genealogie dieses 15  Ebenda. 16  Ebenda, S. 113. 17  Zum Gesamtkomplex der Medici: Emmy Cremer, Lorenzo de Medici. Staatsmann, Mäzen, Dichter, Frankfurt am Main 1970; James Cleugh, Die Medici. Macht und Glanz einer europäischen Familie, München 1998; Volker Reinhardt, Die Medici. Florenz im Zeitalter der Renaissance, 3. Aufl., München 2004; Marcel Brion, Les Médicis XIV e–XVIIIe siècle, Paris 2015.

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Kapitel 2 – Turbulente Kindheit und Jugend in Florenz und Rom

Hochadelsgeschlechtes reicht auf der Basis sicherer Quellen bis ins frühe 10. Jahrhundert zurück. Nach dem großen Aderlaß, den der französische Adel während des Hundertjährigen Krieges (1339–1453) erlitten hatte, konnten danach nur noch wenige französische Adelsdynastien auf einen derartigen Stammbaum verweisen. Zu den Vorfahren Magdalenas gehörten auch die Bourbonen. Ihre Großmutter Jeanne de Bourbon-Vendôme war die Urgroßtante des ersten Bourbonen auf dem Thron Frankreichs, des Königs Heinrich IV. (1589–1610). Die älteste Schwester Magdalenas Anne von La Tour d’Auvergne hatte 1505 John Stewart, den Herzog von Albany und Grafen de La Marche, geheiratet. Dieser war der Sohn eines Bruders des Königs Jakob III. von Schottland (1460–1488). Das Adelsgeschlecht derer von La Tour d’Auvergne hatte sich in der bewegten Geschichte Frankreichs gegenüber der Krone stets loyal erwiesen. Dessen Güter und Grundbesitz befanden sich in den Bergen der Auvergne und in der Limagne, der Ebene der Auvergne. 1424 gelangte es auf dem Wege einer Erbschaft in den Besitz der Grafschaften der Auvergne und von Boulogne-sur-Mer. 1518 wurde der Gesamtkomplex der Güter und Herrschaften, wozu auch die Grafschaften Lauraguais und Castres sowie zahlreiche Baronien und Grundherrschaften im Limousin, im Nivernais und in La Marche gehörten, zwischen Anne und Madeleine de La Tour d’Auvergne geteilt. Sechs Jahre später (1524) vermachte Anne, die kinderlos geblieben war, ihrer Nichte Katharina von Medici testamentarisch ihren gesamten Besitz, so daß Katharina nunmehr mit dem von ihrer Mutter geerbten Anteil wieder den Gesamtbesitz der La Tour d’Auvergne in ihren Händen vereinigte.18 Für Katharina interessierten sich zahlreiche Bewerber: von Edinburgh bis Mailand, von Paris bis Nancy, von London bis Urbino oder Ferrara. Schon 1524 ließ Franz I. bei Klemens VII. sein Interesse an einer Familienallianz mit den Medici durch eine Ehe zwischen einem seiner Söhne und der damals erst fünfjährigen Katharina signalisieren. Der Zeitpunkt war kein Zufall, denn er deckte sich mit jenem, an dem die „duchessina“ gemäß dem Testament ihrer Tante Anne de La Tour d’Auvergne den bedeutenden Feudalkomplex im Zentrum Frankreichs erbte. Im Juni 1529 berichtete der florentinische Botschafter am französischen Königshof: Seine Majestät [Franz I.] hat mir zu verstehen gegeben, daß es Ihr Wunsch sei, daß die ‚duchessina‘ nach Frankreich in Ihre Obhut komme. Seiner Majestät sei es nämlich zu Ohren gekommen, daß der Papst sehr darum bemüht sei, eine Familienallianz zu schmieden, die dessen Intentionen entspreche. Dessen Projekte seien aber Seiner Majestät in keiner Weise recht. Deshalb erachte Seine Majestät es für angemessener, daß die kleine Herzogin einen Franzosen heirate, der Seiner Majestät genehm sei und den sie für die Monarchie als würdig genug erachte.19 18  Cloulas, Henri II, S. 68–70; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 61–70. 19  „Sa Majesté m’a laissé entendre que son désir était que la duchessina vienne en son pouvoir, parce qu’il entend que le pape fait force de l’avoir pour lui faire faire une alliance de famille qui lui convienne; ce qui ne satisfait en aucune façon Sa Majesté; ainsi, il serait plus convenable qu’elle ait [pour époux] un

Kapitel 2 – Turbulente Kindheit und Jugend in Florenz und Rom

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Konkrete Verhandlungen wurden seit Beginn 1531 in Rom geführt, bei denen es um die Eheschließung Katharinas mit dem französischen Prinzen Heinrich von Orléans, dem späteren König Heinrich II., ging. Am 3. Mai 1533 stimmte Klemens VII. diesem Projekt schließlich endgültig zu, nachdem er bereits im April 1530 einen entsprechenden „Vorvertrag“ unterzeichnet hatte.20 Die Tatsache, daß zwischen dem „Vorvertrag“ und dem endgültigen Vertragsabschluß mehr als drei Jahre vergingen, ist darauf zurückzuführen, daß nicht nur damals die politischen Hauptakteure in der Regel mehrere Projekte gleichzeitig verfolgten, mehrere Eisen im Feuer hatten, bevor sie sich dann für das unter den gegebenen Rahmenbedingungen günstigste und für die Zukunft vielversprechendste entschieden. Der Botschafter Mailands, der Katharina 1532 gesehen hatte, zeichnete folgendes Bild von ihr: Ich habe sie zweimal auf einem Pferd reiten gesehen [Katharina war schon früh eine gute und leidenschaftliche Reiterin]. Ich habe sie aber nicht lange genug beobachtet, um mich detailliert und umfassend über sie äußern zu können. Sie ist für ihr Alter von großer Gestalt, eine angenehme Erscheinung, sie ist völlig ungeschminkt und vielleicht ein wenig füllig. Sie hat einen weißen Teint [was dem damaligen Geschmack entsprach]. Insgesamt macht sie noch den Eindruck eines kleinen Mädchens, das – so glaube ich – erst in eineinhalb Jahren eine Frau sein wird. Man sagt, daß sie über für ihr Alter erstaunlich hehre Gefühle verfügt und daß sie geistvoll sowie intelligent ist.21

Katharina und ihr zahlreiches Gefolge brachen am 1. September  1533 von Florenz in Richtung Frankreich auf. Am 12. Oktober trafen sie per Schiff in Marseille ein. Vierzehn Tage später, am 26. Oktober, wurde der Ehevertrag in der Hafenstadt unterzeichnet, und am 27./28. fand dort die Vermählung der „duchessina“ mit dem Prinzen Heinrich von Orléans in einem bei derartigen Anlässen üblichen aufwendigen Rahmen und mit großer Prachtentfaltung statt. Die aus diesem Anlaß veranstalteten Festivitäten dauerten 34 ­Tage.22 Unter den Teilnehmern befanden sich Papst Klemens VII., Franz I., der König und die K ­ önigin von Navarra, Heinrich II. von Albret (1502–1555) und Margarete von Valois (1492–1549), die Schwester des französischen Königs, sowie andere namhafte Français, qui convienne à Sa Majesté et soit digne de cet état.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 65. 20  Solnon, Catherine de Médicis, S.  30  f.; vgl. auch Cloulas, Catherine de Médicis, S.  46  ff.; Orieux, ­Catherine de Médicis, S. 59–62, 87–93; Dargent, Catherine de Médicis, S. 53–56; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 30 ff. 21  „Je l’ai vue deux fois à cheval, mais pas suffisamment pour en parler longuement. Elle semble grande pour son âge, agréable d’apparence, sans le moindre fard, un peu lourde, peut-être, et blanche de peau. L’ensemble est d’une fillette qui ne sera pas femme avant un an et demi, je crois. On dit qu’elle a des sentiments élevés pour son âge, beaucoup d’esprit et d’intelligence.“ Zitiert über Wanegffelen, ­Catherine de Médicis, S. 71. 22  Alfred von Reumont, Die Jugend Catherina’s de’ Medici, Berlin 1856, S. 213–215; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 19.

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Kapitel 2 – Turbulente Kindheit und Jugend in Florenz und Rom

Würdenträger. Heinrich und Katharina waren fast gleichaltrig – sie waren beide vierzehn Jahre alt, wenn man von einer Differenz von 13 Tagen absieht, die der französische Prinz älter war. Der am 26. Oktober 1533 unterzeichnete Ehevertrag enthielt einen Verzicht Katharinas auf das florentinische Erbe. Im Gegenzug stattete Klemens VII. die Braut mit einer Mitgift von 130.000 französischen „écus“ aus, also mit einer damals sehr stattlichen Geldsumme. Die weiteren Artikel des Vertrages betrafen politische und territoriale Vereinbarungen zwischen dem Papst und dem französischen König, die sich auf Italien bezogen. Im wesentlichen sollten sie Franz I. dazu dienen, seine politisch-militärischen Ambitionen in Italien, die er trotz seiner Rückschläge nicht aufgegeben hatte, gegenüber Kaiser Karl V. mit päpstlicher Unterstützung weiter verfolgen und die Position Frankreichs in Italien, wenn nicht auszubauen, so doch festigen zu können. Klemens VII. lag daran, in Italien eine Art Gleichgewicht zwischen den Medici und den Valois zu etablieren, das seinen Interessen entsprach. Diese Vereinbarungen und die damit verbundenen politischen Hoffnungen des französischen Königs wurden kurze Zeit später obsolet, weil Papst Klemens VII. am 25. September 1534 starb.23 Als Franz I. darüber benachrichtigt wurde, soll er dieses Ereignis mit folgenden Worten kommentiert haben: „Ich habe eine völlig nackte Tochter bekommen.“24 Die Ehe des zweitältesten Sohnes Franz’  I. mit Katharina von Medici war aber bei realistischer Betrachtung der Gegebenheiten keine Mesalliance. Katharina war kein Parvenü, auch wenn sie das in den Augen mancher französischen Aristokraten und insbesondere ihrer späteren Feinde war. Damals zählten die Medici schon seit Jahrzehnten zu den größten Bankiers der Welt, die zahlreichen Fürsten Kredite zur Verfügung stellten. Als große Mäzene der Renaissance hatten sie sich weit über Florenz hinaus einen Namen gemacht. Auf Grund ihrer Herrschaft in Florenz waren sie ebenfalls von verschiedenen Mächten umworbene Bündnispartner. Schließlich hatten sie bereits zwei Päpste gestellt. In den Augen der damaligen Welt war Katharina von Medici eher die Nichte des Papstes Klemens VII. als die Tochter des Herzogs von Urbino.

23  Coulas, Henri II, S. 68 ff.; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 46–58; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 257 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 71–85; Solnon, Catherine de Médicis, S. 28–32. 24  „J’ai eu la fille toute nue.“ Zitiert über Cloulas, Catherine de Médicis, S. 57; vgl. auch Solnon, Catherine de Médicis, S. 44.

Kapitel 3

Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans und ihre Aufnahme am Königshof In Frankreich ist man mit dieser Heirat nicht einverstanden, denn alle sind der Ansicht, daß der Papst den König geprellt hat. Aber Madame Katharina gehört am Hof zu den Fügsamsten, und der König wie die Königin [Eleonore, 1498–1558, Schwester Kaiser Karls V.], der Dauphin [Franz/François, 1518–1536] und die Prinzen scheinen sehr an ihr zu hängen.1

Wie fast alle Diplomaten Venedigs vor und nach ihm, so war auch Marino Giustiniani ein sehr gut informierter Beobachter der Gegebenheiten und Vorgänge in Frankreich, wohin die Signoria Venedigs ihn als Botschafter entsandt hatte. Der langsame Aufstieg Katharinas von Medici am französischen Königshof und in der Monarchie beanspruchte die ganze Dauer ihres Ehelebens mit Heinrich von Orléans, der nach dem Tod seines älteren Bruders, des Dauphins Franz, am 10. August 1536 Thronfolger und nach dem Tod seines Vaters, Franz I., am 31. März 1547 als Heinrich II. König von Frankreich wurde. Für Katharina waren es rund sechsundzwanzig Jahre stets lächelnder Höflichkeit, beherrschter Fügsamkeit, zur Schau getragener Unterwürfigkeit und Anpassung, sehr aufmerksamer und geduldiger Beobachtung ihrer Umgebung, der Spannungen innerhalb der Königsfamilie und der Konkurrenzkämpfe unter den jeweiligen Hoffaktionen sowie der – zumindest nach außen hin – klaglosen Hinnahme mannigfacher Verletzungen und Zumutungen. Sie verfügte aber über die Fähigkeit, sich dank ihrer großen Intelligenz und ihrer rhetorischen Mittel zielstrebig Anerkennung und einen gewissen Einfluß zu verschaffen, was vielen Beobachtern einige Zeit verborgen blieb und manchen Historikern bis in die Gegenwart entgangen ist. Wäre sie wie ihr Ehemann 1559 gestorben, so wäre sie der Nachwelt und im kollektiven Gedächtnis wohl als liebenswürdige, aber unbedeutende Königin in Erinnerung geblieben. Dies war aber nicht der Fall. Wie eine angemessene Analyse ihres gesamten Lebensweges und ihres politischen Agierens nach 1559 zweifelsfrei erkennen läßt, hat Katharina von Medici die französische Innen- und Außenpolitik bis zu ihrem Tod am 5. Januar 1589 weitgehend geprägt, ja lange Jahre sogar dominiert.

1  „On n’est pas content de ce mariage en France, car tous sont d’avis que le pape a dupé le roi. Mais Madame Catherine est des plus soumises, et le roi, ainsi que la reine, le dauphin et les princes, paraissent lui être fort attachés.“ Bericht des venezianischen Botschafters Marino Giustiniani aus dem Jahr 1535. Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 89.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2020 | doi:10.30965/9783657703326_004

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

3.1

Katharinas Leben und Agieren am Hof bis zum Tod des Dauphins Franz am 10. August 1536

Bei ihrer Hochzeit in Marseille war Katharina von Medici vierzehn Jahre alt. Herzog ­Heinrich von Orléans, war fast gleichaltrig. Er hatte sich schon vor der Eheschließung ein Bild von der äußeren Erscheinung, der Physiognomie, seiner zukünftigen Gemahlin machen können, denn ihm war während der Verhandlungen, die der Verbindung vorausgegangenen waren, ein Portrait Katharinas zugeleitet worden. Der bekannte italienische ­Maler, Architekt und Kunsthistoriker Giorgio Vasari (1511–1574) hatte einen entsprechenden Auftrag erhalten und die „duchessina“ porträtiert. Über sein damaliges Modell schrieb er: Ich empfinde große Zuneigung zu ihr – einmal wegen der ihr eigenen Qualitäten und zum anderen wegen ihrer Anhänglichkeit, die sie nicht nur mir gegenüber, sondern auch gegenüber meinem Land erkennen läßt. Ich bete sie so an wie die Heiligen des Paradieses – wenn ich mich so ausdrücken darf. Ihren Charme kann man nicht malen, wenn doch, dann hätte ich die Erinnerung daran mit meinen Pinseln zurückgelassen.2

Wie manche andere überlieferte zeitgenössische Berichte, in denen deren Verfasser sich zur äußeren Erscheinung und zur Persönlichkeit der „duchessina“ äußerten, schmeichelte ihr wohl auch Vasari, denn selbst wenn ihm die Bestimmung seines Portraits unbekannt war, so ahnte er doch deren Zweck. Keinesfalls wollte er seinen Auftraggeber enttäuschen. Katharina war eher von kleiner Gestalt und damals noch recht schlank. Wie Heinrich hatte sie schwarze Haare und eine etwas stark ausgeprägte Nase. Aus ihrem runden Gesicht stachen ihre Augen unter ihren dichten Augenbrauen hervor. Ihr Blick ließ ihre Intelligenz und aufmerksame Beobachtungsgabe erahnen. Sie war anmutig, aber keine ausgesprochene Schönheit. Sie war grazil, lebhaft und in Florenz sah man auf ihrem Gesicht zumeist ein Lächeln. In Frankreich und am französischen Hof angekommen, verhielt sie sich vorsichtig, zurückhaltend, abwartend, ihre neue Umgebung aufmerksam beobachtend, um sich dort zurechtzufinden und sich zu etablieren. Alles in allem machte sie dabei sehr schnell Fortschritte. Daß ihr dabei die eine oder andere Ungeschicklichkeit unterlief, ist in Anbetracht ihres Alters verständlich. Bei diesem sicherlich nicht ganz leichten Lern- und Anpassungsprozeß kamen ihr zweifellos die oftmals leidvollen Erfahrungen zugute, die sie als Kind gemacht hatte. Vor diesem Hintergrund betrachtet ist es nachvollziehbar, daß sie in mancher Hinsicht schon als Vierzehnjährige reifer erschien als manche Erwachsene.

2  „J’ai beaucoup d’affection pour elle à cause de ses qualités propres et pour l’affection qu’elle porte non seulement à moi mais à mon pays si bien que, si je peux m’exprimer ainsi, je l’adore autant que les saints du Paradis. Son charme ne peut se peindre, sinon j’en aurais laissé le souvenir avec mes pinceaux.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 29.

3.1 Katharinas Leben und Agieren am Hof

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Als klar wurde, daß sie einen französischen Prinzen heiraten werde, hatte man sie fast drei Jahre lang und intensiv in der französischen Sprache unterweisen lassen, die sie schließlich sehr gut beherrschte. Aber zeitlebens verlor sie nicht ihren leichten italienischen Akzent, der ihren jeweiligen Gesprächspartner sofort ihre Herkunft erkennen ließ. Die Orthographie ihrer Texte stellte indessen jeden Leser vor große Probleme, sofern diese Schriftstücke nicht von französischen Sekretären oder anderen Personen ihres Hofstaates redigiert worden waren. Bei der Abfassung eigener Texte oder Briefe ließ sie nämlich ihrer phonetischen Fantasie recht freien Lauf.3 Obwohl wir über keine Informationen verfügen, welche Personen Katharinas Lehrer waren und wie ihr Unterricht gestaltet war, hatte sie eine sehr gute Erziehung genossen, wovon deren offensichtliche Resultate zeugen. Sie beeindruckte ihre Umgebung mit ihren umfangreichen Kenntnissen dessen, was man damals Mathematik nannte, worunter man sich realiter eine Mischung vorzustellen hat aus Physik, Naturwissenschaften, insbesondere Astronomie, die damals von der Astrologie nicht zu trennen war. Auf Grund ihrer Aufenthalte am päpstlichen Hof in Rom hatte sie dank der dort sich einfindenden Botschafter von Herrschern der ganzen Christenheit vielfältige Informationen in Geographie und Geschichte sammeln können. Der häufige Wechsel im Besitz der verschiedenen italienischen Territorien und Herrschaften hatte ihr auch die politische und geographische Zersplitterung Italiens vor Augen geführt. Schließlich hatte sie aus der Nähe die Bemühungen des Papstes beobachten können, die Idee eines Kreuzzuges gegen die von den Osmanen ausgehenden Gefahren wiederzubeleben. Alle diese hier nur verkürzt angesprochenen Vorgänge, hatten ihr erste – wenn auch nur recht vage – Einblicke in die Politik eröffnet. Der bei den Medici und am Hof des Papstes stark ausgeprägte Sinn für die schönen Künste hatte ihr die Welt der italienischen Renaissance erschlossen. Zeitlebens bewahrte sie sich ihre Vorliebe für weitläufige und weiträumige Bauwerke, deren Grundrisse und künstlerische Ausgestaltung gleichmäßige Proportionen aufwiesen und die von namhaften Architekten im prachtvollen Stil der Renaissance errichtet sowie diesem Stil entsprechend im Innern künstlerisch ausgestaltet worden waren. Mehr als die Literatur schätzte sie die Musik und die Poesie. In Rom und in Florenz hatte sie an zahlreichen glanzvollen Empfängen und Festen teilgenommen. Dabei hatte sie schon früh beobachten können, welche positiven Konsequenzen daraus für das Prestige und das Renommee der herrschaftlichen Veranstalter resultierten. Auf diese Weise hatte sie aus eigener Anschauung erkennen können, welche Bedeutung derartige höfische Festlichkeiten als Mittel der Kommunikation mit der zumindest als aufmerksamer Zuschauer daran teilhabenden Bevölkerung hatten. Am Hof des prachtliebenden französischen Königs Franz I., der ein großer Mäzen und Förderer der Künste und Wissenschaften war sowie die Kunst und Kultur Italiens liebte, konnte 3  Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 260.

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

Katharina die bereits in Rom und Florenz gesammelten diesbezüglichen Erfahrungen weiter vertiefen. Katharina war als Verwandte des Papstes im katholischen Glauben erzogen worden. Sie blieb zeitlebens eine gläubige Katholikin, auch wenn sie später auf Grund ihrer auf Ausgleich zielenden Maßnahmen gegenüber den Calvinisten von den ultrakonservativen Katholiken oftmals der heimlichen Annäherung an den Protestantismus bezichtigt werden sollte. Als Katholikin bewahrte sie aber Distanz zu intransigenten und einer überzogenen Dogmatik verhafteten konfessionellen Positionen. Insofern war und blieb sie Realistin und frei von Vorurteilen. Ihren Realismus verdankte sie hauptsächlich den in ihrer Kindheit durchlebten Wechselfällen des Lebens. Sie hatte unmittelbar erleben müssen, daß Gut und Böse oft nicht klar voneinander zu unterscheiden und beim Handeln der sie jeweils umgebenden Akteure die Grenzen zwischen Gutem und Bösem fließend sind. Insofern machte sie sich schon früh darüber keine Illusionen mehr. Sie hatte gelernt zu beobachten, zu registrieren, zu schweigen und ihre wahren Gefühle sowie ihr persönliches Denken hinter nach außen hin demonstrierter Beherrschtheit beziehungsweise hinter einem freundlichen Lächeln zu verbergen. Sie war sich schon früh ihrer schwachen Position als Vollwaise bewußt geworden, die zum Spielball politisch motivierter dynastischer Interessen wurde. Sie hatte aber alsbald erkannt, daß eine nach außen hin demonstrierte Schwäche ihr auch einen Vorteil verschaffen konnte. Sie verstand es meisterhaft, sich zu beherrschen. Nur ganz selten sollte sie ihren wahren Gefühlen freien Lauf lassen. Sie verbarg sie ebenso wie ihren Stolz und ihren durchaus vorhandenen politischen Ehrgeiz. Ihre Intelligenz und ihre Verletzlichkeit pflegte sie hinter der Maske demonstrativer Freundlichkeit und Verbindlichkeit zu verbergen. Das Leben hatte sie früh die Fähigkeit des Dissimulierens gelehrt. Dazu bedurfte es nicht der Lektüre der einschlägigen Schriften Niccolò Machiavellis, der in der Macht und in der Staatsräson konstituierende Elemente der Politik sah und den Rekurs auf das Böse im Rahmen der Staatsnotwendigkeit als ethisch gerechtfertigt propagierte. Die „simulatio“, das Simulieren, und die „dissimulatio“, das Dissimulieren, waren für ihn und für die meisten Politiker seiner Zeit durchaus probate Mittel politischen Agierens. Katharina von Medici wollte ihre Unabhängigkeit erreichen und ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen, darüber selbst bestimmen. Vielleicht wollte sie diejenige werden, die die anderen leitet, anstatt fremdbestimmt zu sein. Wenn das der Fall war, so war sie sich, als sie im Herbst 1533 in Marseille zu ihrer Vermählung eintraf, bewußt, daß dieses Ziel nicht schon morgen zu erreichen war. Instinktiv dissimulierte sie ihre exzeptionelle Reife und beugte sich allem, was man von ihr verlangte oder erwartete. Sie war bemüht, dem konventionellen Bild, das man sich von ihr machte, so weit wie möglich zu entsprechen. Darin war sie so geschickt, daß niemand das ganze Ausmaß ihrer Intelligenz und Fähigkeiten sowie ihren stark ausgeprägten Willen erkannte. Man sah in ihr vielmehr die „duchessina“, die kleine Herzogin, die die Laune und die

3.1 Katharinas Leben und Agieren am Hof

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politischen Ambitionen Franz’  I. in eine Position erhoben hatten, die ihrer Herkunft nicht entsprach.4 Nachdem die Hochzeitsfeierlichkeiten in Marseille beendet waren, traten die Frau Franz’  I., die Königin Eleonore mit ihren beiden Töchtern, und Katharina im November 1533 ihre Reise nach Paris an. Der König, seine beiden Söhne und sein adliges Gefolge begaben sich zunächst in die Dauphiné, bevor sie die Königin und die Prinzessinnen am 8. Dezember wieder in Lyon erreichten. Der Aufenthalt in Marseille war nur eine, wenn auch in politischer Hinsicht sehr wichtige Station einer langen Reise gewesen. Franz I., die Königin Eleonore, die Prinzen, die Angehörigen des Staatsrates (Conseil du Roi), das gesamte Hofpersonal und die vielen der beim König akkreditierten Botschafter hatten bereits im November 1531 eine lange Instruktionsreise durch die Provinzen Frankreichs angetreten. Zur damaligen Zeit waren derartige Inspektionsreisen nichts Außergewöhnliches. Der Hof war noch nicht dauerhaft an eine Residenz gebunden – er war vielmehr noch „ein reisender Hof“. So berichtete der venezianische Botschafter in seiner Schlußrelation: „Während meiner ganzen Gesandtschaft hat sich der Hof niemals länger als vierzehn aufeinanderfolgende Tage am selben Ort aufgehalten.“5 In Anbetracht der noch im frühen Auf- und Ausbauprozeß befindlichen Strukturen der königlichen Administration und der daraus resultierenden vielfältigen Probleme für die Regierung war es ein probates Mittel, daß der König mit großem Gefolge die verschiedenen Teile der Monarchie persönlich inspizierte und mit den lokalen Repräsentanten, Organen der Krone, mit den Angehörigen seiner Klientel, mit den regionalen Adelsfamilien und mit seinen Untertanen in persönlichen Kontakt trat. Auf diese Weise konnte er nicht nur seine Autorität für alle deutlich sichtbar demonstrieren, sondern auch die Sorgen und Nöte seiner Untertanen zur Kenntnis nehmen und die zu ihrer Beseitigung erforderlichen Maßnahmen einleiten. Diese Reisen dienten auch der Pflege der Loyalität gegenüber der Krone. Auf eine kurze Formel gebracht – regieren bedeutete damals oftmals reisen, und reisen bedeutete stets regieren. Insofern waren derartige Inspektionsreisen keine Vergnügungsveranstaltungen. Katharina hat die damals gelernte Lektion zeitlebens nie vergessen. Sie sollte später immer wieder auf dieses probate Mittel zur Durchsetzung politischer Maßnahmen in den Provinzen zurückgreifen. Die lange Reise nach Paris, wo der Hof erst am 9. Februar 1534, also rund zwei Monate nach dem Aufbruch in Marseille, eintraf, hat Katharinas Horizont im Hinblick auf ihre Kenntnisse von der Größe und den territorialen Verhältnissen Frankreichs zweifellos ganz erheblich erweitert. Waren ihr bisher nur die Gegebenheiten in und um die 4  Vgl. Cloulas, Henri II, S. 82; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 259–262; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 90 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 35 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 93–102; Dargent, Catherine de Médicis, S. 53–64; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 31–35; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 21–27. 5  „Durant toute mon ambassade jamais la Cour n’est restée au même endroit plus de quinze jours consécutifs.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 39.

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

Großstädte Florenz und Rom geläufig, so lernte sie durch eigenen Augenschein nicht nur die weiten Regionen der französischen Monarchie, sondern auch die große und reiche Handelsmetropole Lyon mit ihren rund 60.000 Einwohnern kennen, eine Stadt, die durchaus mit Florenz konkurrieren konnte. Die Reise verlief über das Lyonnais, das Herzogtum Burgund, die Champagne und die Île-de-France. Sie wurde durch zahlreiche Kurzaufenthalte in manchen Städten unterbrochen, die dem König und seinem Gefolge einen ihrem Rang angemessenen prächtigen Empfang bereiteten. Nachdem die königliche „Karawane“, die mehrere Tausend Personen und lange Wagenkolonnen umfaßte, in denen das für die Unterbringung des Hofes erforderliche Mobiliar sowie die für die Wahrnehmung der Regierungsaufgaben notwendigen Unterlagen der Kanzlei transportiert wurden, Anfang 1534 auch noch die östlichen Provinzen der Monarchie durchquert hatte, endete die jahrelange Inspektionsreise in Paris.6 Dort residierte Katharina zusammen mit der Familie Franz’ I. im Louvre, der damals noch eher eine Furcht einflößende Festung war als eine prächtig und stilvoll gestaltete Schloßanlage, wie sie die junge florentinische Prinzessin aus ihrer Heimat kannte. Dessen war sich auch der König bewußt, denn er ließ Katharina unverzüglich wissen, daß er ambitionierte Umbau- und Modernisierungspläne hege, bei denen er sich vom Stil der italienischen Renaissancebauten inspirieren lassen werde. Der Urenkelin Lorenzos des Prächtigen gefielen diese Pläne ganz sicherlich, aber einstweilen mußten sich die „duchessina“ und die königliche Familie gedulden und mit den wenig einladenden Gegebenheiten abfinden. Immerhin bewohnten sie den zur Seine hin ausgerichteten Flügel des Louvre, dessen großer noch aus der Zeit des Königs Philipp II. Augustus (1180–1223) stammende Burgfried aber bereits abgerissen worden war. Bei seinen Verschönerungs- und Umbauprojekten bevorzugte Franz  I. aber andere, in der Nähe von Paris gelegene Residenzen, die zu erkunden Katharina alsbald Gelegenheit hatte und die sie auch mit Freuden aufgriff. Dazu gehörte einmal die Schloßanlage Madrid (château de Madrid) im Bois-de-Boulogne, die ihren ursprünglich defensiven Charakter bereits verloren hatte und bei deren Modernisierungsarbeiten der Florentiner Girolamo della Robbia (1488–1566) eine wichtige Rolle gespielt hatte. Er hatte ein Ensemble italienischer Loggias entworfen und realisiert, die auf zwei Etagen die ganze Schloßanlage umgaben. Noch größere Aufmerksamkeit schenkte Franz I. dem Schloß Fontainebleau. Hier war die Gesamtgestaltung des inneren Dekors Florentiner Architekten und Malern übertragen worden. Bei den Loire-Schlössern konzentrierte Franz I. seine ganze Aufmerksamkeit auf die Anlage von Chambord, die sein Werk war. Bei Hofe und in Kreisen der damaligen höher gestellten Schichten und Gelehrten erzählte man sich, daß bei deren Planung der berühmte italienische Maler, Bildhauer, Architekt, Naturforscher und Techniker Leonardo da Vinci (1452–1519) beteiligt gewesen sei. Im Jahr 1517 war er einer Einladung Franz’ I. gefolgt und hatte sich in Frankreich niedergelassen, wo er in dem bei Amboise gelegenen 6  Vgl. dazu Cloulas, Catherine de Médicis, S. 59 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 37 ff.

3.1 Katharinas Leben und Agieren am Hof

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Landschlößchen Cloux (Clos Lucé), das der König ihm überlassen hatte, die letzten Jahre seines bewegten Lebens verbrachte. Seine Zeichnungen vom Untergang der Welt stellen das ergreifendste Dokument seines letzten künstlerischen Schaffens dar. Bei ihren Aufenthalten in Chambord hat sich Katharina sicherlich sehr wohl und in ihre florentinische Heimat zurückversetzt gefühlt.7 Zunächst mußte sich Katharina in ihre neue Umgebung bei Hof einfügen und sich dort ihren Platz verschaffen. Sieht man einmal von ihrem italienischen Gefolge ab, das sie nach Frankreich begleitet hatte und längerfristig bei ihr blieb, so waren ihr die näheren und weiteren Angehörigen der königlichen Familie und deren Gefolge fremd. Beziehungen zu ihnen mußte sie erst aufbauen. Dabei kamen ihr zwei Trümpfe zugute. Sie war keine Schönheit, aber sie war intelligent. Ihre alles in allem nicht gerade sehr attraktive äußere Erscheinung trug wesentlich dazu bei, daß die Mätresse Franz’ I. und die nicht mehr im Zentrum der Gunst stehenden Favoritinnen sowie insbesondere jene jungen Hofdamen, die sich noch Hoffnungen auf die Gunst des Königs machten, in Katharina keine Konkurrentin sahen, die ihnen gefährlich werden könnte. Die Königin Eleonore, ihre „Schwiegermutter“ – sie war nicht die leibliche Mutter ihres Mannes Heinrich von Orléans – empfing ihre „Schwiegertochter“ mit offenen Armen. Katharina erwiderte deren Offenherzigkeit, obwohl sie sehr schnell erkannt hatte, daß sie von ihr nur wenig Förderung erwarten konnte, denn ihre Position und ihr Einfluß bei Hofe waren recht gering. Der Mätresse Franz’  I., Anne de Pisseleu, Herzogin von Étampes, will sie – wie sie später selbst berichtete – nur recht widerwillig den Hof gemacht haben, denn der König schätzte sie sehr. Außerdem verfügte sie über großen politischen Einfluß.8 Der englische Gesandte berichtete über sie 1527: „Wie man hört, zieht er [Franz I.] allen Damen ein Mädchen […] vor, die Hely [Anne de Pisseleu, dame d’Heilly, duchesse d’Étampes] heißt und deren Schönheit meiner Ansicht nicht sehr erwähnenswert ist.“9 Die fünfundzwanzigjährige Herzogin bildete aber das Zentrum jener Damengesellschaft, zu der sich der König allabendlich hingezogen fühlte und zu der auch Katharina recht bald Zutritt erlangen sollte, worauf später näher einzugehen ist. Zur Herzogin von Étampes und jener Damengesellschaft äußerte sich Katharina rückschauend gegenüber einer ihrer Töchter recht distanziert und mit einem moralisierenden Unterton: „Ich mußte alle diese Personen frequentieren und mit ihnen umgehen, weil ihm [Franz I.] das gefiel.“10 Es 7  Solnon, Catherine de Médicis, S. 40 f. – Zu Leonardo da Vinci: Daniel Arasse, Leonardo da Vinci, Köln 2002; Boris von Brauchitsch, Leonardo da Vinci, Berlin 2010. 8  Man darf aber die politische Rolle und den Einfluß der Mätressen der französischen Könige – von Einzelfällen abgesehen – nicht pauschal überbewerten. Es ist zumindest problematisch, zu konstatieren, daß auf Grund des Einflusses, den Mätressen auf französische Könige ausgeübt haben, sich „damit auch die Geschicke des Landes“ in deren Händen befunden hätten. Hier gilt es, sorgfältig jeden Einzelfall zu prüfen. Vgl. Appel, Katharina von Medici, S. 55. 9  Zitiert über Kohler, Franz I., S. 57. 10  „[Il] me fallait obéir et hanter tout ce qu’il souhaitait.“ Zitiert über Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 266.

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

ist verständlich, daß Katharina, als Mutter, sich in der Rückschau in dieser Weise über die Mätresse des Königs und andere „Gespielinnen“ äußerte, hatte sie doch selbst lange Jahre die dominierende Mätresse ihres Gemahls ertragen müssen, was in anderem Zusammenhang näher zu erörtern ist. Als sie aber kurz nach ihrer Eheschließung mit Heinrich von Orléans erst einmal am Hof Fuß fassen mußte, hatte es sicherlich keiner Aufforderung des Königs bedurft, um zu erkennen, daß es für sie mehr als angebracht war, dessen Mätresse zu schmeicheln, die ihr das Leben mehr als schwer machen konnte. Zudem hätte ihr ein gespanntes Verhältnis zur Herzogin von Étampes den Zugang zum „inneren Damenzirkel“ Franz’  I. dauerhaft versperrt. Ihre äußere Erscheinung und ihr nicht gerade überbordender weiblicher Charme erwiesen sich gegenüber der Mätresse geradezu als beste Empfehlung. Katharina gelang es relativ schnell, die Gunst von Margarete von Navarra, Herzogin von Angoulême (Marguerite d’Angoulême, 1492–1549), der Schwester des Königs, zu erlangen. Die verwitwete Herzogin hatte 1527 Heinrich  II. von Albret, den König von Navarra, geheiratet. Bei dieser Eheschließung hatten – wie damals in ähnlich gelagerten Fällen zumeist – politische Interessen Franz’ I. eine wesentliche Rolle gespielt. Auf diese Weise wollte der König auf das Agieren Navarras Einfluß nehmen, dessen Territorien an der französisch-spanischen Pyrenäengrenze von strategischer Bedeutung waren – insbesondere vor dem Hintergrund des in jener Phase eskalierenden Konflikts zwischen der französischen Krone und dem Hause Habsburg. Margarete von Angoulême hatte ein enges Verhältnis zu ihrem Bruder. Ihre Beziehungen zueinander gestalteten sich nach dem Tod ihrer Mutter, Louise von Savoyen, noch enger. Margarete stand den Ideen des Kreises von Meaux nahe. Diese, mit dem Namen von Guillaume Briçonnet [1472–1534], Bischof von Meaux [1516–1534], verbundene mystische Frömmigkeitsbewegung nach den Ideen des Lefèvre d’Etaples [um 1450–1537] stand dem paulinisch-augustinischen Gedankengut und damit der reformierten Gnadenlehre nahe. Aus diesem Grund gerieten ihre Anhänger häufig in den Verdacht, Lutheraner zu sein.11

Dank ihrer Intelligenz und ihrer beeindruckenden Allgemeinbildung hatte Katharina sehr schnell auch ein sehr gutes, ja freundschaftliches Verhältnis zur jüngsten Tochter Franz’ I., zu Margarete von Valois, Herzogin von Berry (1523–1574), aufbauen können, die 1559 den Herzog von Savoyen, Emanuel Philibert (1553–1580), heiraten sollte. Die enge Freundschaft mit Margarete von Valois sollte alle Widrigkeiten unbeschadet überdauern. Zur älteren Tochter des Königs, Madeleine (1520–1537), haben sich ebenso enge freundschaftliche Beziehungen nicht entwickelt, denn diese verließ bereits 1537 Frankreich, um

11  Kohler, Franz I., S. 57.

3.1 Katharinas Leben und Agieren am Hof

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ihrem Mann König Jakob V. von Schottland (1513–1542) zu folgen. Sie starb wenige Monate später in Schottland.12 Waren diese Beziehungen für Katharina und für ihre Bemühungen, möglichst schnell und effektiv in ihrer neuen Umgebung Fuß zu fassen, zweifellos von nicht zu unterschätzender Bedeutung, so gilt das in noch viel stärkerem Maße für das Faktum, daß es ihr zügig gelang, die Gunst des Königs Franz  I. zu erlangen und Teil seines Kreises junger Hofdamen zu werden, der „kleinen Bande“ (la petite bande), wie man diesen Kreis allgemein am Hof zu bezeichnen pflegte. Dabei kamen ihr ihre brillante Rhetorik, ihr Kunstsinn, ihre Bildung, Willensstärke, Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, ihre robuste körperliche Konstitution und ihre stark ausgeprägte Leidenschaft, zu reiten, sehr zustatten. Alsbald durfte sie den König, der, wann immer es ihm möglich war, der Jagd frönte, auf seinen regelmäßigen Ausritten hoch zu Roß begleiten. Es war Katharina, die die damals in Frankreich noch unbekannte Kunst des Reitens als Amazone bekannt machte. Der französische Botschafter beantwortete eine entsprechende Frage Margaretes von Parma (1522–1586) mit dem Satz: „Seit ihrer Ankunft in Frankreich habe ich sie nicht anders reiten gesehen. Von ihr haben alle anderen Damen am Hof diese Art des Reitens gelernt.“13 Franz I. gefiel diese Fähigkeit, die ihr ein ausdauerndes und schnelles Reiten ermöglichte, ihre Diskretion, ihre Intelligenz, ihr bescheidenes und unprätentiöses Auftreten. Immer wieder ließ der König auch nach außen hin erkennen, daß er seine Schwiegertochter – „ma bru“, wie er sie nannte – sehr schätzte.14 Der König sah in ihr – zu Recht – die Repräsentantin jenes Landes, dessen Renaissancekultur die damalige Epoche prägte, jener Kultur, der er sich nicht nur verbunden fühlte, sondern auch weitgehend Eingang in sein Königreich verschaffen wollte. Im Rahmen ihrer in jenen Jahren zweifellos noch begrenzten Möglichkeiten, ihre Reputation und ihre Stellung am Hof zu stärken und auszubauen, bediente sich Katharina geschickt und zielstrebig auch noch anderer Mittel. Sie war sich der Wirkung ihrer gewinnenden Rhetorik, aber auch ihres geduldigen Zuhörens auf ihre jeweiligen Gesprächspartner sehr bewußt und setzte diese Mittel gezielt ein, um zwischen den bei Hof miteinander konkurrierenden Faktionen und Gruppierungen ausgleichend und vermittelnd zu agieren. Das verschaffte ihr relativ früh Anerkennung nicht nur bei den jeweils Betroffenen. Außerdem gelang es ihr auf diese Weise, sich ganz allmählich eine zunächst nur kleine Klientel aufzubauen, zuerst unter ihren nach Frankreich gezogenen Landsleuten, dann aber auch unter Angehörigen des französischen Adels.15 12  Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 266; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 90 f. 13  „Je ne l’ai jamais vue autrement depuis son avènement en France. Et c’est d’elle que l’ont appris toutes les autres dames en sa cour.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 93 f. 14  Cloulas, Catherine de Médicis, S.  62; Solnon, Catherine de Médicis, S.  41  ff.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 268 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 93–97. 15  Vgl. dazu Denis Crouzet, Catherine de Médicis à l’épreuve de la vertu de charité (1533–1559): discours et métadiscours; diesen Beitrag hat mir Denis Crouzet freundlicherweise im Manuskript zur Verfügung

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

Rund achteinhalb Monate nach ihrer Ankunft in Paris wurde Katharina direkt mit jenen Problemen konfrontiert, die aus dem sich auch in Frankreich ausbreitenden Protestantismus resultierten. Am 21. Januar 1535 nahm sie gemeinsam mit der gesamten Königsfamilie und dem Hof an einer Bußprozession teil, die von Saint-Germainl’Auxerrois, der katholischen Kirchengemeinde des Louvre, zur Kathedrale von Notre-Dame führte. Eröffnet wurde diese Prozession vom weltlichen Klerus und den Bettelmönchen. Hinter ihnen folgten die Königin, die Prinzessinnen – unter ihnen Katharina –, die alle in Schwarz gekleidet waren. Dem heiligen Altarsakrament (SaintSacrement) schritt der König voran. Nach der Ankunft der Bußprozession vor NotreDame warnte Franz I. höchst persönlich alle diejenigen, die „schlecht vom katholischen Glauben dachten“ (mal sentants de la foi) und verkündete unter anderem: „Wenn ein Arm meines Körpers von dieser Krankheit infiziert würde, möchte ich ihn abschneiden; und wenn meine Kinder von diesem Übel befallen sein sollten, möchte ich sie eigenhändig hinschlachten.“16 Die Prozession endete damit, daß schließlich sechs Häretiker den Flammen übergeben und unter haßerfüllten Kommentaren der Menge verbrannt wurden, nachdem sie öffentlich Abbitte für ihre Häresie geleistet hatten. Dieser Bußprozession war die „Plakataffäre“ (affaire de placards) der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober 1534 vorausgegangen. In dieser Nacht waren an zahlreichen Gebäuden und öffentlichen Plätzen in Paris und in anderen Städten Plakate angebracht worden, deren Inhalt einen schweren Angriff auf den katholischen Glauben darstellte. Dies kam bereits im Titel der Anschläge zum Ausdruck, der folgendermaßen lautete: „Wahrhaftige Artikel betreffend die schrecklichen, großen und unerträglichen Mißbräuche der päpstlichen Messe, die direkt gegen das Heilige Abendmahl Unseres Herrn, des alleinigen Mittlers und Retters Jesus Christus, erfunden wurden.“17 Es handelte sich um ein Pamphlet gegen die Heilige Messe, in dem gegen die Realpräsenz Christi in der Hostie in polemischer Weise zu Felde gezogen wurde. Dieses Pamphlet war eine Gemeinschaftsproduktion eines aus Lyon stammenden Predigers und eines Druckers, die beide in Neuchâtel lebten. Die Motivation Franz’ I. für sein hartes Durchgreifen in Kooperation mit den Parlamenten wird oft mit der legendenhaften Übersteigerung in Zusammenhang gebracht, daß ein „placard“ an seiner Schlafzimmertür befestigt gewesen sei. Jedenfalls wurden innerhalb kurzer gestellt; ders., Une princesse qui voulait faire rêver de paix et de sérénité, in: Bernard Barbiche, JeanPierre Poussou, Alain Tallon (Hrsg.), Pouvoirs, contestations et comportements dans l’Europe moderne. Mélanges en l’honneur du professeur Yves-Marie Bercé, Paris 2005, S. 123–164. 16  „Si un des bras de mon corps était infecté de cette farine, je le voudrais couper; et si mes enfants en étaient entachés, je les voudrais moi-même immoler.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 44. – Vgl. zur Bußprozession: Cloulas, Catherine de Médicis, S. 63; Orieux, Catherine de Médicis, S. 127 ff. 17  „Articles véritables sur les horribles, grands et importants abus de la messe papale, inventée directement contre la Saincte Cène de Nostre Seigneur, seul médiateur et seul Sauveur Jesus-Christ.“ Zitiert über Kohler, Franz I., S. 59.

3.1 Katharinas Leben und Agieren am Hof

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Zeit eine nicht genau bekannte Zahl (mindestens 200) Personen verhaftet und hingerichtet (wenigstens 25). Im Edikt von Coucy vom 17.6.1535 setzte Franz I. den offiziellen Schlußpunkt der „affaire des placards“, indem er sich von jeder Art der „sacramentaires“ abgrenzte. Allerdings wurde damals auch der Begriff der „luthériens“ damit in Verbindung gebracht.18

Die verfügbaren Indizien lassen die Annahme zu, daß Katharina die sich in diesem Geschehen manifestierenden konfessionellen und politischen Probleme und Spannungen aufmerksam zur Kenntnis nahm und sie auch in der Folgezeit dementsprechend verfolgte. Sie interpretierte sie sehr wahrscheinlich schon in dieser frühen Phase als Konsequenzen vorrangig politischer Konflikte und nicht als Ausfluß einer fundamental theologisch-konfessionellen Auseinandersetzung. „Es gibt kein einziges Zeugnis darüber, daß sie selbst sich zu irgendeiner Zeit ihres Lebens in religiösen Gewissenskämpfen erging oder in dieser Hinsicht intensiv auf der Suche war.“19 An ihrem katholischen Glauben, in dem sie aufgewachsen und erzogen worden war, hat sie indessen zeitlebens festgehalten. Für extreme und militante Positionen hatte sie kein Verständnis – weder auf katholischer noch auf protestantischer Seite. In Frankreich hatten seit spätestens 1519 die Gedanken Martin Luthers (1483–1546) Eingang gefunden. Obwohl die Pariser Universität Sorbonne bereits am 15. April 1521 dessen Lehre verworfen und das Pariser Parlament, der wichtigste Gerichtshof, der nicht nur in juristischen Angelegenheiten für ein sehr großes Gebiet der Monarchie zuständig war, zwei Monate später die Verbreitung seiner Schriften bei Strafe untersagt hatte, gewann seine Lehre dennoch mehr und mehr an Boden. Die weitere Ausbreitung des Protestantismus in Frankreich erfolgte dann jedoch – sowohl in theologischer als auch in organisatorischer Hinsicht – im Zeichen der Lehre des aus der Picardie stammenden Jean Calvin (1509–1564). Er hatte nach dem Besuch des Kollegiums Montaigu in Paris, in Orléans und Bourges Jura studiert und war 1531 als Lizentiat der Rechte nach Paris zurückgekehrt, wo er sich humanistischen Kreisen anschloß und sich wahrscheinlich gegen Ende 1533 als Anhänger des Protestantismus öffentlich zu betätigen begann. Um sich der Verfolgung zu entziehen, floh er im folgenden Jahr nach Basel, wo er 1536 sein theologisches Hauptwerk, die „Christianae religionis institutio“ erstmals publizierte, was ihm die Berufung nach Genf eintrug. Nach mehreren weiteren Bearbeitungen veröffentlichte er 1541 eine französische Fassung. Seit 1536 wirkte Calvin als Prediger in Genf, von wo er aber 1538 wegen allzu großer Sittenstrenge ausgewiesen wurde. Bis 1541 lebte er als Seelsorger der französischen Flüchtlingsgemeinde in der Freien Reichsstadt Straßburg. Hier traf er mit den berühmten Reformatoren Philipp Melanchthon (1497–1560) und Martin Bucer (1491–1551) zusammen. 1541 konnte er nach Genf zurückkehren, wo er mit der endgültigen Einrichtung der Genfer Kirche die dortige Reformation beendete. 18  Ebenda. 19  Appel, Katharina von Medici, S. 62.

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans Im Gegensatz zu der Einführung der Genfer Reformation im Jahre 1537, die als wichtiger verfassungsgeschichtlicher Tatbestand und wegen ihres reformatorischen Gehalts den Bruch mit der alten Kirche bezeichnet, wäre die Vollendung der Reformation nach 1541 bestenfalls von kirchenhistorischem oder lokalem Interesse, wenn sie nicht dank der überragenden Persönlichkeit Calvins, seiner Organisations- und unermüdlichen Arbeitskraft weit über Genf hinausreichende Impulse ausgestrahlt hätte, die dank der klaren Präzision seiner Theologie aufgenommen und festgehalten wurden. Die strenge Systematik der Calvinschen Theologie stellte dazu ein besseres Fundament der Lehre dar als das unsystematische, spontane und nicht selten in der Wahl der Themen und Worte impulsive Theologisieren eines Luther.20

Die allerdings mit Unterbrechungen von der französischen Krone ergriffenen Maßnahmen zur Unterdrückung des Protestantismus und seiner Ausbreitung in Frankreich erwiesen sich letztlich als erfolglos. In der Form der calvinistischen Glaubenslehre gelang es diesem, hier dauerhaft Fuß zu fassen. Das konnten schließlich auch die repressiven Edikte von Juli 1535, Juni 1539, Juni 1540, Juli 1543, November 1549 usw. nicht verhindern. Nach 1555 vollzog sich eine spektakuläre Ausbreitung reformierter Kirchen, die nach dem Vorbild der Genfer Kirche organisiert waren und aus der Verborgenheit heraustraten. Nach dem endgültigen Scheitern aller Bemühungen, der im Gefolge der Reformation Luthers eingetretenen Glaubensspaltung durch verschiedene Reforminitiativen zu begegnen und schließlich eine Wiedervereinigung zu erreichen, setzte seit der Mitte des 16. Jahrhunderts die sogenannte Konfessionalisierung ein, die die Herausbildung von drei rechtlich, organisatorisch und theologisch-dogmatisch scharf voneinander unterschiedenen Konfessionskirchen vorantrieb – einer lutherischen, einer reformiert-calvinistischen und einer tridentinisch-katholischen, denen man – will man die theologisch reformierte, rituell und institutionell aber eher traditionelle Kirche Englands gesondert zählen – als vierte Variante die anglikanische Kirche hinzufügen mag. Indem sie von ihren Mitgliedern, und zwar auch und gerade von Personen, die in Staat und Gesellschaft eine herausgehobene Position bekleideten, eine „confessio“, ein formelles Bekenntnis, als Glaubenseid forderten, wurden diese Konfessionskirchen zu den wohl entschiedensten Akteuren frühneuzeitlicher Integration und Abgrenzung. Diese konfessionell-religiöse bedeutete zugleich eine politische und gesellschaftliche Integration und Abgrenzung. Denn so sehr Reformation und Konfessionalisierung im Kern ein innerkirchlicher Vorgang war, so sehr ergaben sich angesichts der strukturellen Verschränkung von Religion und Politik in Alteuropa daraus unmittelbare Konsequenzen für Staat und Gesellschaft, und zwar innerhalb wie zwischen den europäischen Ländern und Völkern.21

20  Josef Engel, Von der spätmittelalterlichen respublica christiana zum Mächte-Europa der Neuzeit, in: Ders. (Hrsg.), Die Entstehung des neuzeitlichen Europa (=Handbuch der Europäischen Geschichte, Bd. 3), Stuttgart 1971, S. 126; zum Gesamtkomplex vgl. jetzt auch Irene Dingel, Volker Leppin (Hrsg.), Das Reformatorenlexikon, 2. Aufl., Darmstadt 2013; dort auch weiterführende Literaturangaben. 21  Heinz Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen. Internationale Beziehungen 1559–1660 (=Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen, Bd. 2), Paderborn u. a. 2007, S. 35.

3.2 Katharinas Leben an der Seite des Dauphins Heinrich

3.2

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Katharinas Leben an der Seite des Dauphins Heinrich von Orléans bis zum Tod des Königs Franz I. (1547)

Bei ihrer Ankunft in Frankreich im Herbst 1533 war Katharina noch zu jung, aber bereits klug und vorsichtig genug, um am dortigen Königshof für sich eine – wenn auch nur bescheidene – Rolle offen beanspruchen zu wollen. Sie war sich sehr bewußt, daß die gesamte Hofgesellschaft sie mit Argusaugen und mit der gegenüber jedem Neuankömmling praktizierten Unnachsichtigkeit beobachtete. Deshalb verhielt sie sich zunächst als aufmerksame Zuschauerin, die bestrebt war, so weit wie möglich Fehler zu vermeiden, keine Angriffsflächen zu bieten und kein Mißfallen zu erregen. Da der Dauphin Franz, der älteste Sohn des Königs, und Prinz Karl von Angoulême (1522–1545), der jüngere Bruder Heinrichs von Orléans, zum Zeitpunkt des Eintreffens Katharinas in Paris unverheiratet waren, konzentrierten sich die neugierigen Blicke des ganzen Hofes auf die kleine Medici. Ihr war durchaus klar, daß sie sich diesen Blicken nicht entziehen konnte. Ihre bisher gemachten Erfahrungen versetzten sie aber in die Lage, mit diesen Gegebenheiten nicht nur fertig zu werden, sondern sie im Rahmen der sich ihr eröffnenden Möglichkeiten zu ihren Gunsten zu nutzen. Auch nach dem Tod des Papstes Klemens VII. am 25. September  1534 gab Franz  I. seine Italienambitionen nicht auf. Nach dem Ableben Francescos II. Sforza, des Herzogs von Mailand, am 1. November 1535 erneuerte der französische König seine Erbansprüche auf das wichtigste oberitalienische Fürstentum und setzte auf eine militärische Entscheidung in Italien. Mailand wollte er für seinen Sohn Heinrich von Orléans sichern. Mit seinem Feldzug reagierte er zugleich auf das manifeste Engagement Kaiser Karls V. im Mittelmeerraum. Der Krieg begann 1536 in Italien. Im Juli dieses Jahres marschierte eine kaiserliche Armee in die Provence ein. „In einem Präventivschlag gegen Herzog Karl III. von Savoyen [1504–1553] konnten französische Truppen innerhalb kürzester Zeit Savoyen und Piemont erobern. Franz I. nahm diese Gebiete in Besitz und machte Ansprüche seiner verstorbenen Mutter [Louise von Savoyen] geltend. An der Grenze zum Herzogtum Mailand hielt er allerdings an.“22 Der Krieg, der von kombinierten Land- und Seeoperationen geprägt war, dauerte bis zum Abschluß des zehnjährigen Waffenstillstandes von Nizza im Juni 1538 an, der auf Vermittlung des Papstes Paul III. (1534–1549) zustande gekommen war. Auf nähere Einzelheiten dieses Krieges ist hier nicht einzugehen. In dessen Verlauf kam es jedoch zu einem Ereignis, das für Heinrich von Orléans und Katharina folgenreich war. Franz I. und seine Söhne – der Dauphin Franz, Heinrich von Orléans und Karl von Angoulême – hatten sich im Januar 1536 nach Lyon begeben, von wo sie sich der Armee anschließen wollten, die sich auf dem Marsch gegen die kaiserlichen Truppen befand. Kurz nach der Reiseunterbrechung in Lyon starb plötzlich der Dauphin Franz am 10. August  1536, so daß Heinrich von Orléans gemäß der in Frankreich geltenden 22  Kohler, Franz I., S. 67.

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

Thronfolgeordnung, der sog. „Loi salique“ (Salisches Gesetz), Dauphin wurde. Katharina wurde damit Gemahlin des Thronfolgers. Da auch König Franz I. an in immer kürzeren Abständen sich wiederholenden Krankheitsschüben litt, war jeder am Hof bemüht, sich auf den in mehr oder minder naher Zukunft zu erwartenden Thronwechsel einzustellen. Heinrich von Orléans war nunmehr Thronfolger, aber sein jüngerer Bruder Karl von ­Angoulême war und blieb der Lieblingssohn des Königs. Aus dem Umfeld Karls von Angoulême wurde alsbald das Gerücht gestreut, daß es bei dem so plötzlichen Ableben des Dauphins Franz nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könne – dieser sei vielmehr das Opfer eines Giftanschlages geworden. Man verdächtigte zunächst Kaiser Karl V., hinter diesem Anschlag zu stecken. Als dieser sich erfolgreich gegen derartige Verdächtigungen mit der Frage zur Wehr setzte, wem der Tod am meisten nütze, geriet Katharina von Medici in Verdacht, weil man den neuen Dauphin Heinrich nicht offen einer solchen Tat zu verdächtigen wagte. Generell war man damals bei derartigen unerwarteten Ereignissen innerhalb der Königsfamilie oder in Kreisen des hohen Adels immer sehr schnell mit entsprechenden Verdächtigungen zur Hand. Zudem war der Dauphin zu einem Zeitpunkt gestorben, als sich Frankreich in einer militärisch und politisch schwierigen Situation befand. In der Provence war es gerade zu einer Invasion der Truppen Karls  V. gekommen, und im Norden Frankreichs war auf kaiserlichen Befehl Graf Heinrich von Nassau einmarschiert. In Anbetracht dieser Umstände erschien manchen Akteuren der plötzliche Tod des Dauphins suspekt. Schließlich richtete sich der Verdacht gegen den Grafen Sebastian von Montecuccoli, der im Gefolge Katharinas von Medici nach Frankreich und an den Königshof gelangt war. Zuvor hatte er in den Diensten Kaiser Karls V. gestanden. Er hatte am 2. August 1536, an einem sehr schwülen Tag, in Lyon dem Dauphin nach einem Schlagballspiel ( jeu de paume), bei dem sich Franz sehr erhitzt hatte, zur Erfrischung ein Glas mit Eis versetztem Wasser gereicht. Der erschöpfte Dauphin soll diesen sehr kalten Trunk recht hastig zu sich genommen haben. Kurz darauf stellte sich bei ihm heftiges Fieber ein, und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide. Gleichwohl entschied er sich, mit seinem Vater und seinen Brüdern zur Armee weiterzureisen. Schließlich mußte er aber umkehren. Am 10. August verstarb er in Tournon. Obwohl eine ärztliche Autopsie keinerlei Indizien für einen unnatürlichen Tod des Dauphins Franz erbracht hatte, wurde Montecuccoli dennoch der Prozeß gemacht. Er wurde gefoltert und gestand schließlich, das Wasser mit Arsen vergiftet zu haben. Das daraufhin am 7. Oktober 1536 gegen ihn gesprochene Todesurteil wurde in Lyon – wie damals bei derartigen Fällen von Majestätsverbrechen üblich – durch Vierteilung des Delinquenten in Anwesenheit des Königs und seiner Familie vollstreckt. Der gegen ­Katharina gestreute Verdacht, für den Giftanschlag verantwortlich zu sein, war damit aber nicht ausgeräumt. Er blieb weiterhin an ihr haften und sollte sie ihr ganzes Leben verfolgen. Bereits damals wurden also die Grundlagen der sie betreffenden Schwarzen Legende gelegt.

3.2 Katharinas Leben an der Seite des Dauphins Heinrich

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König Franz I. war intelligent genug, um den gegen Katharina in Umlauf gebrachten Gerüchten keinen Glauben zu schenken. Jedenfalls hatten sie keinerlei negative Folgen für seine Zuneigung gegenüber seiner Schwiegertochter und seine enge Beziehung zu ihr. Auf Grund der Tatsache, daß ihr Ehemann nunmehr Dauphin und damit der zukünftige Thronfolger war, änderten sich auch ihr bisheriger Rang und ihre Position am Hof. Heinrich von Orléans und ihr selbst stand nunmehr bei allen offiziellen Zeremonien nach dem Königspaar der erste Rang zu. Daraus resultierte für sie nicht automatisch politischer Einfluß. Sie war aber im Alter von siebzehn Jahren die zukünftige Königin Frankreichs geworden, was natürlich nicht zu unterschätzen war. Infolgedessen erschien ihre Gunst erstrebenswert.23 Ihre erste Pflicht als Frau des Dauphins war nun noch stärker als zuvor, der Krone Frankreichs so schnell wie möglich einen Sohn zu schenken und damit die Nachfolge der Valois auf dem Königsthron für die weitere Zukunft sicherzustellen. Das unerwartete Ableben des Dauphins Franz hatte einmal mehr die Fragilität der regierenden Dynastie signalisiert. Die diesbezüglichen Erwartungen an Katharina wurden auf seiten ihres Mannes noch dadurch potenziert, daß dessen Beziehungen zu seinem jüngeren Bruder Karl von Angoulême recht gespannter Natur waren. Das übertrug sich natürlich auch auf deren Anhänger und Klientel, so daß die jeweiligen Adelsfaktionen, die sich um die beiden Prinzen schon zu Lebzeiten des Königs Franz I. formiert hatten, erbitterte Positionskämpfe um Einfluß und Macht nicht nur hinter den Kulissen, sondern auch öffentlich austrugen. Die daraus resultierenden politischen Spannungen wurden noch weiter dadurch potenziert, daß der Dauphin Heinrich mehr und mehr zur Politik seines Vaters Franz auf Distanz ging. Katharina war klug genug, sich gegenüber den in diesem Zusammenhang inszenierten Hofintrigen neutral zu verhalten. Ihre Stellung wurde aber durch die Tatsache gefährdet, daß sich auch drei Jahre nach ihrer Heirat keinerlei Anzeichen auf eine Schwangerschaft einstellten. Sämtliche gutgemeinten Ratschläge ihrer Umgebung, alle ihr verabreichten und nach damaliger Meinung erfolgversprechenden Mittel, bei denen viel Aberglaube im Spiel war, und alles Flehen um den Beistand von Heiligen waren und blieben vergeblich. Das Leiden Katharinas nahm noch weiter zu, als sie erfuhr, daß der Dauphin, bei einer kurzfristigen Beziehung zu einer Italienerin, bei der er nach einem siegreichen Gefecht in Italien eine Nacht verbracht hatte, eine uneheliche Tochter gezeugt hatte. Im August 1538 kam diese zur Welt. Sie wurde unmittelbar nach ihrer Geburt nach Frankreich gebracht. Dort wurde Diana von Frankreich (Diane de France) eine standesgemäße Erziehung zuteil. Ihre Mutter kam in ein Kloster.24 23  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 64 f.; ders., Henri II, S. 90 ff.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 235; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 99–104; Solnon, Catherine de Médicis, S. 46 ff.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 141 f.; Garrisson, Catherine de Médics, S. 33 f. 24  Cloulas, Henri II, S. 102, 175 f., 179; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 278 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 49 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 142 ff.; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 34; Dargent, Catherine de Médicis, S. 67; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 40.

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

Für Katharina hatte die Geburt des unehelichen Mädchens zur Folge, daß man nun nicht mehr – wie bisher – Heinrich dafür verantwortlich machte, daß ihre Ehe auch noch drei Jahre nach ihrer Heirat kinderlos war, sondern sie selbst. Damit geriet sie in eine für sie höchst gefährliche Lage. Die Indizien schienen dafür zu sprechen, daß die „duchessina“ steril sei und deshalb auch in Zukunft keine Kinder haben werde. Eine derartige Aussicht war wiederum aus politischen und dynastischen Gründen nicht akzeptabel. Wie der venezianische Botschafter Lorenzo Contarini wohl um 1539 an die Serenissima in Venedig berichtete, soll König Franz I. deshalb erwogen haben, die Ehe Heinrichs und Katharinas durch den Papst auflösen zu lassen, damit der Dauphin eine neue Ehe eingehen könne, die dann für den erhofften Kindersegen sorgen werde. Katharina konnten natürlich derartige Erwägungen oder auch nur entsprechende Gerüchte nicht verborgen bleiben. Sie war aber schon allein auf Grund ihrer bisherigen Erfahrungen nicht die Frau, die sich in Anbetracht der gegebenen Umstände passiv verhielt und das weitere Geschehen reaktionslos abwartete. Rückschauend berichtete Contarini 1551: „Katharina parierte diesen ‚coup‘ mit der für sie charakteristischen Geschicklichkeit.“25 Nach glaubwürdigen Überlieferungen wartete Katharina die weitere Entwicklung nicht ab, sondern sie ergriff selbst die Initiative. Sie soll König Franz I. aufgesucht haben, um ihm für alle ihr erwiesenen Wohltaten zu danken. Dabei habe sie ihm unter Tränen das Angebot unterbreitet, sich in ein Kloster zurückzuziehen. Sie sei sogar bereit, der neuen und glücklichen Frau ihres Mannes zu Diensten zu sein, wenn der König das wünsche. Sollte sich die Szene so abgespielt haben, dann hatte sie den von Katharina beabsichtigten Effekt. Der für seine Ritterlichkeit bekannte König soll sich vom Auftreten und vom uneigennützigen Angebot seiner Schwiegertochter auf das höchste gerührt erwiesen haben. Laut dem späteren Bericht Contarinis soll Franz I. das Angebot Katharinas mit folgenden Worten abgewiesen haben: „Meine Tochter, da Gott es gewollt hat, daß Ihr meine Schwiegertochter und die Frau des Dauphins seid, will ich nicht, daß es anders ist, und vielleicht hat Gott mit Ihren und Unseren Wünschen Erbarmen.“26 Bei der anrührenden Reaktion des Königs dürften wohl aber dessen Mätresse und die vom Dauphin Heinrich geradezu angebetete Favoritin, eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben. Beide hatten ganz sicher kein Interesse daran gehabt, Katharina durch eine andere Frau ersetzen zu lassen. Katharina hatte sich durch ihre kluge Zurückhaltung, ihre Selbstbeherrschung, ihr generell freundliches Verhalten und Auftreten und sowie ihre unaufdringliche Intelligenz auch die Wertschätzung der beiden Favoritinnen 25  „Catherine para ce coup avec son habilité habituelle.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 106. 26  „Ma fille, Dieu a voulu que vous soyez ma bru et la femme du dauphin, je ne veux pas qu’il en soit autrement, et peut-être Dieu voudra-t-il se rendre à vos désirs et aux nôtres.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 108; vgl. auch Cloulas, Catherine de Médicis, S. 66 f.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 278 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 50 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 144 ff.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 67; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 48; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 34.

3.2 Katharinas Leben an der Seite des Dauphins Heinrich

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erworben. Von einer anderen Ehefrau des Dauphins, die ihm die so ersehnten Söhne schenken würde, war ein so duldsames Verhalten und Agieren wohl nicht zu erwarten. Deshalb haben beide Favoritinnen schon in eigenem Interesse auf Franz I. entsprechend und damit zu Gunsten Katharinas eingewirkt. Katharina gab sich aber nicht der Illusion hin, daß mit der für sie positiven Reaktion des Königs ihr Problem und damit zugleich auch jenes der Sicherung der Dynastie der Valois gelöst sei. Sie hatte allenfalls Zeit gewonnen. Sollte sie dauerhaft kinderlos bleiben, dann bestand für sie weiterhin die große Gefahr, daß nach dem Ableben Franz’ I. und der Thronbesteigung Heinrichs sich ihr Mann von ihr trennen werde, um mit einer zweiten Gattin die zukünftige Thronfolge zu sichern. Schließlich wurde Katharina im Mai 1543 schwanger, und nach zehnjähriger Sterilität gebar sie am 19. Januar 1544 im Schloß Fontainebleau ihren ersten Sohn Franz (François). Im Gedenken an den 1536 verstorbenen Dauphin gab man dem zukünftigen Dauphin – auch zu Ehren seines Großvaters König Franz – ebenfalls den Namen Franz. Als Franz II. sollte er seinem Vater Heinrich II. 1559 auf dem französischen Thron folgen. Die Freude der Eltern, des Königs und aller der Krone ergebenen Personen war über dieses glückliche Ereignis riesengroß. Margarete von Navarra kommentierte die Geburt des zukünftigen Dauphins überschwänglich in einem Brief an ihren Bruder König Franz I. wie folgt: Die Tränen, die aus Ihren Augen sprudeln, resultieren aus der – dessen bin ich sicher – von Ihnen empfundenen größeren Freude als jener, die ich in Ihrem Gesicht anläßlich der Geburt Ihres eigenen ersten Sohnes sah. Ihre Freude ist jetzt desto größer, weil diese Geburt stärker erwartet und weniger erhofft war. Ich sehe nunmehr Ihr ganzes Königreich durch 100.000 Mann gesichert und bereichert durch einen unermeßlichen Schatz. Jede noch so heftige Erkrankung wird bei mir sofort von Genesung abgelöst, so daß ich nicht gehindert sein werde, zur Prozession zu gehen und mit dem Volk die Freudenfeuer zu entfachen.27

Nach der Geburt des ersten Sohnes folgten in relativ kurzen Abständen eine ganze Reihe weiterer Schwangerschaften und Geburten. In zwölf Jahren brachte Katharina noch weitere zehn Kinder zur Welt, von denen sieben überlebten. Am 2. April 1545 gebar sie ­Elisabeth28 (Élisabeth, 1545–1568), die 1559 den König Philipp  II. von Spanien (1556– 1598) ehelichte. Der Geburt von Elisabeth folgte am 12. November 1547 jene der Prinzessin Claudia (Claude, 1547–1575), die 1558 mit Herzog Karl III. von Lothringen (1552–1608) 27  „Regardant les larmes qui, je suis sûre, saillent de vos yeux par une joie d’autant plus grande que celle que je vous vis à la naissance de votre premier-né [un autre François, le dauphin mort en 1536], que celle-ci était plus attendue et moins espérée; je vois tout votre royaume fortifié de cent mille hommes, enrichi d’un trésor infini. La maladie serait bien forte qui ne se tournerait en santé, ou qui me garderait de m’en aller à la procession, faire avec le peuple les feux de joie.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 117 f. 28  Manchmal wird fälschlich auch das Datum 2. April 1546 genannt. Das ist bei Babel, Heinrich II., S. 71, der Fall. Vgl. dazu das Dokument in Kap. 4.3, S. 77, Anm. 89.

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

vermählt wurde. Am 3. Februar 1549 wurde Ludwig, Herzog von Orléans (Louis, duc d’Orléans) geboren, der aber bereits am 24. Oktober desselben Jahres starb. Rund neun Monate später, am 27. Juni 1550, brachte Katharina Karl Maximilian (Charles-Maximilien, 1550–1574) zur Welt. Er heiratete 1570 Elisabeth (1554–1592), die Tochter Kaiser Maximilians II. (1564–1576). Als Karl IX. bestieg er 1560 den Thron Frankreichs, den er bis 1574 innehatte. Am 20. September  1551 wurde Eduard Alexander Heinrich, Herzog von Anjou (Édouard-Alexandre-Henri, duc d’Anjou, 1551–1589) geboren, der 1573 zum König von Polen gewählt und 1574 als Heinrich  III. König Karl  IX. auf dem Thron Frankreichs folgte. Am 14. Mai 1553 kam die Prinzessin Margarete (Marguerite, 1553–1615) zur Welt, die am 18. August 1572 König Heinrich von Navarra ehelichte, der nach der Ermordung des letzten Valois Heinrich III. im Jahr 1589 als Heinrich IV. gemäß der Thronfolgeordnung der „Loi salique“ und als erster Bourbone den Thron erlangte. Der Geburt der Prinzessin Margarete folgte am 18. März 1555 jene des Herzogs Franz Herkules von Alençon – später von Anjou (François-Hercule, duc d’Alençon, ab 1576 duc d’Anjou, 1555–1584), der 1574 Dauphin wurde. Schließlich wurden am 24. Juni 1556 die Zwillinge Johanna (Jeanne) und Victoria (Victoire) geboren. Johanna verstarb im August desselben Jahres. Bei der Geburt Victorias kam es zu Komplikationen, die Katharina fast das Leben kosteten. Der Säugling starb im Mutterleib und mußte zerschnitten werden, um Katharina das Leben zu retten. Wie zeitgenössische Quellen berichten, soll Katharina nach der Geburt der Zwillinge, bei der sie fast im Kindbett verstorben wäre, beschlossen haben, nicht mehr schwanger zu werden. Mit den bereits damals bekannten Mitteln und Methoden gelang es ihr, ihre Entscheidung in die Realität umzusetzen. Generell ist zu konstatieren, daß sie über eine erstaunlich robuste Konstitution und Gesundheit verfügte, denn sonst hätte sie die zahlreichen Geburten unter den damaligen hygienischen und medizinischen Gegebenheiten wohl nicht so unbeschadet überstanden, wie es bei ihr der Fall war.29 Schon die Zeitgenossen Katharinas haben sich die Frage gestellt, welche Ursachen ihrer rund zehnjährigen Unfruchtbarkeit zugrunde lagen und auf welche Weise diese dann doch beendet werden konnte. In den überlieferten Quellen findet man eine Reihe von Hinweisen, die jedoch mit größter Skepsis zu betrachten sind, denn in der damaligen Zeit herrschte insbesondere für die intimen, physischen, moralischen, ja sogar für die spirituellen Dinge und Realitäten eine extreme Diskretion. In Anbetracht dieses Tatbestandes kann der Historiker die überlieferten Angaben nur unter größtem Vorbehalt referieren. Schlußendlich muß er gestehen, daß er auf die obigen Fragen keine gesicherten Antworten geben kann. 29  Cloulas, Catherine de Médicis, S.  71  f.; Rainer Babel, Heinrich  II. 1547–1559, in: Peter  C.  Hartmann (Hrsg.), Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III., 1498–1870, München 1994, S. 71–90, 457 f.; hier S. 71; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 279 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 117–120; Solnon, Catherine de Médicis, S. 56 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 157 f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 70 f.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 50; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 36.

3.2 Katharinas Leben an der Seite des Dauphins Heinrich

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Nach außen hin verstand es Katharina, ihre tiefe Verunsicherung und ihren Ärger über ihre andauernde Unfruchtbarkeit zu kaschieren. Sie war aber fest entschlossen, alles – absolut alles – zu tun, um ein Kind zu bekommen. Sie nahm zu „Medikamenten“, speziellen Teemischungen und „Wundermitteln“ – darunter Eselurin – Zuflucht, die in Anbetracht des damaligen Standes der Medizin und der verbreiteten Praxis, auf die Hilfe von „Wunderheilern“ zu rekurrieren, auch in Kreisen des Hochadels und sogar in der Königsfamilie nicht verschmäht wurden. Daß sie auch Kartenleger und Astrologen konsultierte, sei hier nur erwähnt. Sie hatte offensichtlich auch den Favoriten Heinrichs, den Herzog Anne de Monmorency (1493–1567), um Rat und Unterstützung gebeten. In einem undatierten, aber wahrscheinlich aus dem ersten Trimester des Jahres 1543 stammenden Brief, dankte sie ihrem „Gevatter“ – wie sie ihn zu nennen pflegte – für ein Mittel gegen die Unfruchtbarkeit, das er ihr hatte zukommen lassen: Mein Gevatter, ich werde Ihnen keineswegs dafür danken, was Sie mir geschickt haben, denn – sollte es Gott gefallen, daß es mir hilft – werde ich diese Wohltat, welche die größte ist, die mir zuteil werden kann, ganz allein von Ihnen erhalten haben. Ich werde dann keine Mühen scheuen, Ihnen zu beweisen, daß Sie keine besseren Freunde und keine bessere Freundin haben als Ihre gute Gevatterin und Freundin Katharina.30

Im Juni desselben Jahres teilte sie Montmorency mit verständlicher Freude mit, daß sie endlich schwanger sei: Mein Gevatter, weil ich weiß, daß Sie ebenso wie ich wünschen, daß ich Kinder bekomme, schreibe ich Ihnen gern, um Sie teilhaben zu lassen an meiner Hoffnung, daß ich schwanger bin. Ich tue das um so lieber, weil ich sicher bin, daß es niemanden gibt, der darüber mehr erfreut ist als Sie; ich tue das auch, weil Ihnen Dank für alles Gute und für mein Glück gebührt, das ich – hoffentlich – zu einem guten Ende bringen werde. Darum bitte ich Gott und diesen auch, daß er Ihnen gebe, was Sie so wünschen. Ihre gute Gevatterin und Freundin Katharina.31

30  „Mon compère, je ne vous remercierai point de ce que [vous] m’avez envoyé, car, s’il plaît à Dieu qu’il serve, je ne tiendrai ce bienfait, qui est le plus grand qui me serait à venir, que de vous, et mettrai peine, si je puis jamais, de vous donner à connaiître que vous n’avez point de meilleurs ami ni amie que votre bonne commère et amie, Catherine.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 114. 31  1543, Juin. „Au connétable de Montmorency, Mon compère, pour se que que je say byen que vous désirés autant que moy de me voyr des enfans, je vous ay bien veoleu ayscrypre pour vous mander l’espéranse que j’é d’estre grose, aystant aseuraye qu’y n’y é personne quy an souyt plulx ayse que vous, comme set ayle (c’est elle) qui hayst le comansement de teut mon byen ayt heur, aysi ay ayspéranse que le paracheveré, de quoy je prye à Dieu et vous douyent set que désyreés. Vostre bonne comère et amye. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis publiées par M. Le Cte Hector de La Ferrière, Bd. I (1533–1563), Paris 1880, S 6. – In modernisierter Orthographie auch wiedergegeben bei Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 114. – Anne de Montmorency (1493–1567), maréchal de France (August 1522), Gouverneur des Languedoc (März 1526, connétable (Februar 1538), getötet im November 1567 in der Schlacht von Saint-Denis.

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

Ob das ihr von Montmorency zugeleitete Mittel wirklich den so sehr gewünschten Effekt gehabt hat, läßt sich auf Grund der gegebenen Quellenlage nicht sagen. Gleiches gilt für andere Berichte, auf die im folgenden in der gebotenen Kürze einzugehen ist. Wahrscheinlich hatte Katharina auch Marie Catherine de Pierrevive, dame Du Perron, um Rat gebeten, die mit Antonio Gondi, einem exilierten Florentiner Landsmann, verheiratet war. Er hatte sich in Lyon unter dem Namen eines „sieur“ (Herr) Du Perron niedergelassen. Madame Du Perron war für Katharina insofern eine erfahrene Frau, als sie in den Jahren 1522, 1532 und 1536 kräftige Jungen geboren hatte. Die Du Perron waren die Stammfamilie des Geschlechtes der Gondi de Retz, die in der Geschichte Frankreichs eine große Rolle spielen sollten. Katharina von Medici hat ihren Aufstieg ebenso wie denjenigen anderer Landsleute gefördert. Madame Du Perron wurde die Gouvernante des zweiten überlebenden Sohnes, des am 27. Juni 1550 geborenen Karl Maximilian.32 Vielleicht hat bei der Überwindung der Unfruchtbarkeit Katharinas aber auch eine Intervention des ersten Leibarztes Heinrichs, des Dauphins, eine Rolle gespielt. In seiner 1618 publizierten Abhandlung über Entbindungen, „Traité sur les accouchements“, führte der Chirurg Dionis u. a. aus, daß Heinrich II. mehrere Jahre mit Katharina von Medici verheiratet gewesen sei. Die Ehe sei aber lange kinderlos gewesen. Deshalb habe der Dauphin seinen ersten Leibarzt, Jean Fernel, konsultiert. Nachdem dieser auf Grund einer Untersuchung die Ursache gefunden habe, habe er Heinrich eine Stellung empfohlen, die er bei den Liebkosungen seiner Gemahlin einnehmen solle.33 Der Memorialist Pierre de Bourdeille, seigneur de Brantôme, berichtete in seinem Werk „Vies des hommes illustres“34, daß Heinrich von Orléans eine Deformation seiner Harnröhre gehabt habe35. In der Medizin bezeichnet man diesen Defekt als Hypospadie. Darunter versteht man einen angeborenen Bildungsfehler der männlichen Harnröhre, die nicht an der Spitze, sondern an der Unterseite oder an der Wurzel des Penis endet. Ob die Angaben Brantômes zutreffen, ist nicht sicher, denn er war ein glühender Verehrer Katharinas. Deshalb ist nicht auszuschließen, daß er sie in dieser Angelegenheit entlasten wollte. Es gibt Hinweise, daß der Leibarzt Jean Fernel auch gynäkologische Nachforschungen im Hinblick auf die entsprechenden Gegebenheiten Katharinas vorgenommen hat. Das war ihm allerdings nur über den Umweg von Hofdamen aus deren engstem Umfeld 32  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 114 f. 33  „Henri II [en fait alors seulement dauphin] fut plusieurs années marié avec Catherine de Médicis sans avoir d’enfants. Le roi consulta Ferrel, son premier médecin, qui après avoir examiné d’où venait le défaut, lui enseigna la posture dont il devait se servir en caressant la reine.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 115. 34  Leben der illustren Männer und großen französischen Militärs und Leben der galanten Damen; im Original: Vies des hommes illustres et grands capitaines français et Vies des dames galantes. Verfügbar in: Pierre de Bourdeille, abbé de Brantôme, Œuvres complètes, éd. par Ludovic Lalanne, 12 Bde., Paris 1864–1896, Bd. IV. 35  „avait le vit tort qui n’était pas dans la matrice“.

3.2 Katharinas Leben an der Seite des Dauphins Heinrich

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möglich, die er gebeten hatte, ihm entsprechende Informationen zukommen zu lassen. Er soll zu dem Ergebnis gekommen sein, daß bei Katharina eine leichte Deformation im Genitalbereich vorhanden sein mußte. Auf Grund seiner Erkenntnisse habe er ihr auf diskretem Wege geraten, beim Geschlechtsverkehr eine spezielle Position einzunehmen. Gesicherte Angaben lassen sich zu diesem Komplex aber nicht machen. Vielleicht hat Katharina selbst nicht gewußt, was entscheidend für sie war und was schließlich zu dem fast nicht mehr erwarteten Kindersegen geführt hat.36 Die rund zehn Jahre andauernde Kinderlosigkeit war nicht das einzige große Problem, das Katharina innerlich aufwühlte und ihr das Leben in jeder Hinsicht schwer machte. Sie mußte sich auch mit der Mätresse Heinrichs, mit Diane de Poitiers (1499–1566), arrangieren. Diane de Poitiers war die Ehefrau des erheblich älteren Louis II de Brézé (?–1531), des „Großseneschalls der Normandie“,37 der mit der königlichen Familie verwandt war. Seine Ehefrau, Madame de Brézé, hatte eine lange Reihe illustrer Vorfahren. Außerdem waren die Brézé eng mit dem Haus der Montmorency liiert. Madame de Brézé war zunächst Oberhofmeisterin (dame d’honneur) des Hofstaates von Louise de Savoie, der Mutter König Franz’ I., und diente danach in selbiger Charge seiner Frau Eleonore. Sie war auch verwandt mit dem Haus La Tour d’Auvergne und damit weitläufig ebenfalls 36  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 71; ders., Henri II, S. 119; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S.  279  f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S.  113–117; Solnon, Catherine de Médicis, S. 55 f. 37  sénéchal de Normandie; unter einem Seneschall (sénéchal) oder einem „bailli“ – beide Begriffe sind faktisch Synonyme – versteht man – einen komplexen Sachverhalt stark vereinfachend – den „Leiter/ Spitzenbeamten“ (officier) einer der mittleren Instanzen der königlichen Gerichtsbarkeit, einer „sénéchaussée“ bzw. einer „bailliage“, die den obersten königlichen Gerichten, den „Parlamenten“ nicht nur in Berufungsverfahren, sondern auch organisatorisch unterstanden. Sie übten auch gewisse administrative Funktionen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich aus. – Die Parlamente hatten sich aus dem alten Rat des Königs (curia regis) herausentwickelt und allmählich in gewisser Weise verselbständigt. Als oberste Quelle des Rechts rangierte der König nach wie vor aber über ihnen. Gleichwohl hatten sie im Lauf der Zeit ihr sog. Einregistrierungsrecht (droit d’enregistrement) von gesetzgeberischen Akten des Königs dazu instrumentalisiert, politische Ambitionen zu verfolgen. Ohne die Einregistrierung der gesetzgeberischen Akte der Krone konnten diese in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen der Parlamente nicht ausgeführt werden. Dem König standen indessen einige Mittel zur Verfügung, um die Einregistrierung zu erzwingen. „Konnte kein Kompromiß erzielt werden, schritt die Regierung bisweilen, um den Widerstand der Parlamente zu brechen, zum sog. Lit de justice (Bett der Gerechtigkeit), einem Staatsakt, der im Pariser Parlament durch den König in eigener Person, in den anderen Pariser Obergerichten im Auftrag des Königs durch Prinzen von Geblüt, in den Souveränen Höfen der Provinzen meist durch den Gouverneur vorgenommen wurden.“ Wolfgang Mager, Frankreich vom Ancien Régime zur Moderne 1630 bis 1830, Stuttgart u. a. 1980, S. 128. Zu den Parlamenten vgl. auch Roland Mousnier, Les institutions de la France sous la monarchie absolue 1598–1789, Bd. II: Les organes de l’État et la Société, Paris 1980, S. 318–338, 359 f., 538 f., 569 ff., 588–599, 635–640; Bernard Barbiche, Les institutions de la monarchie française à l’époque moderne, Paris 1999, S. 106–119, 340–347. – Zum Komplex „sénéchaussée“ und „bailliage“ siehe: Mager, Frankreich vom Ancien Régime zur Moderne 1630 bis 1830, S. 124, 129; Mousnier, Les institutions de la France sous la monarchie absolue, Bd. II, S. 310–314, 343–349, 352 ff.; Barbiche, Les institutions de la monarchie française à l’époque moderne, S. 140 f., 348 f.

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

mit Katharina von Medici. Auf Grund ihrer Hofchargen hatte Diana von Poitiers, die in allen zeitgenössischen Quellen als außerordentliche Schönheit geschildert wird, einen hohen Rang am Hof, wo sie als eine präsente, vielbeachtete und verehrte Persönlichkeit bekannt war. Schon in jungem Alter war Prinz Heinrich von Orléans bei Hofe diese außerordentliche Schönheit aufgefallen. Obgleich sie rund zwanzig  Jahre älter war als er, war er sofort für sie in frühpubertärer Liebe und Verehrung entflammt und machte ihr zunächst in ritterlicher Manier den Hof. Bei dem aus Anlaß der Krönung der Königin Eleonore im März 1531 veranstalteten Ritterturnier wählte der damals zwölfjährige Prinz Heinrich ­Diane de Poitiers als Ehrendame, für die er seine Lanze mit seinem Turniergegner kreuzte. Mit dieser öffentlichen Geste demonstrierte der junge Prinz vor den Augen der königlichen Familie und des ganzen Hofes seine Verehrung und Zuneigung für die „Dame seines Herzens“. Diana fühlte sich natürlich durch die ihr von Heinrich entgegengebrachte Bewunderung und Verehrung geschmeichelt. Sie war aber zu intelligent, um in dieser leidenschaftlichen Verehrung etwas anderes zu sehen als ein frühpubertäres und nicht ernstzunehmendes Verhalten. Sie wahrte gegenüber Heinrich Distanz, aber sie tat auch nichts, um ihn eindeutig zurückzuweisen. Das verbat sich schon allein aus Rücksichtnahme auf dessen Herkunft und Position innerhalb der königlichen Familie. Als ihr Ehemann Louis de Brézé am 23 Juli 1531 im Alter von zweiundsiebzig Jahren starb, wurde Diane de Poitiers mit einunddreißig Jahren Witwe. Aus ihrer Ehe waren zwei Töchter hervorgegangen. Der Tod Brézés machte Diane de Poitiers frei, um sich um die weitere Erziehung des Prinzen Heinrich zu kümmern, worum sie König Franz I. persönlich gebeten hatte. Sie sollte den auf Grund seiner längeren Gefangenschaft als Geisel in Spanien38 verschlossenen und verstörten jungen Prinzen für das Leben bei Hofe formen und ihm die dementsprechenden Manieren und Verhaltensweisen beibringen. Nachdem Franz I. sie um diesen Dienst gebeten hatte, soll sie scherzend folgende Antwort gegeben haben: „Vertrauen Sie mir, Sire, ich werde ihn zu meinem ‚Galan‘ machen.“39 Diese Mission hob ihre Beziehungen auf eine Ebene, bei der der Altersunterschied für Diana nicht nur kein Handicap darstellte, sondern ihr vielmehr von Nutzen war. Mit diesem Auftrag wurde sie sozusagen Patin, eine Art Mutterersatz, ältere Schwester bzw. Mentorin, die den ihr Anvertrauten auf die Welt vorbereiten sollte. Von körperlicher Liebe kann zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein. Vergegenwärtigt man sich diesen Sachverhalt, versteht man auch, daß Diana beim Zustandekommen der Ehe zwischen Heinrich und Katharina von Medici eine Rolle gespielt und diese Verbindung im Rahmen ihrer Möglichkeiten nachdrücklich gefördert hat. Es ist sicherlich kein Zufall, daß schon

38  Vgl. Kap. 2, S. 10. 39  „Fiez-vous à moi, Sire, j’en fais mon galant.“ Zitiert über Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 273. – Zu Diane de Poitiers: Ivan Cloulas, Diane de Poitiers, Paris 1996; Adrien Thierry, Diane de Poitiers, Chaintreaux, éditions France-Empire monde, 2012.

3.2 Katharinas Leben an der Seite des Dauphins Heinrich

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im April 1531 Gespräche über die Konditionen des Ehevertrages in ihrem Schloß Anet (im heutigen Departement Eure-et-Loir gelegen) geführt worden waren.40 Sicherlich haben auch eigene Interessen Diana von Poitiers geleitet, als sie sich zugunsten dieses Eheprojekts einsetzte. Ihre Großmutter war eine La Tour d’Auvergne, die Schwester des Großvaters mütterlicherseits von Katharina von Medici. Diana und Katharina waren also Cousinen. Die Ehre, die mit dieser Heiratsverbindung dem französischen Familienzweig der kleinen Florentinerin erwiesen wurde, strahlte insofern auch auf Diana von Poitiers aus, die mit der Realisierung dieses Eheprojekts in die königliche Verwandtschaft gelangte. Zum anderen bot ihr diese entfernte Verwandtschaft die Chance, die zukünftige Frau Heinrichs unter ihre Fittiche zu nehmen mit dem Argument, die italienische „duchessina“ am Hof zu beschützen und ihr beim Einleben in die neue Umgebung zur Seite zu stehen. Zum ersten Mal begegneten sich Diana und Katharina bei deren Hochzeit in Marseille, denn die Madame de Brézé gehörte zum Gefolge des Hofes, das an den dort aus diesem Anlaß organisierten Feierlichkeiten teilnahm.41 Diana ließ den hitzigen, aber ungeschickten jungen Prinzen einige Jahre schmachten. Der genaue Zeitpunkt, an dem sie schließlich seinem stürmischen Werben nachgab, ist nicht bekannt. Bei ihrer Entscheidung dürfte aber der Tod des Dauphins Franz am 10. August 1536 eine zentrale Rolle gespielt haben. Denn mit dem Ableben des Dauphins wurde Heinrich von Orléans Dauphin und damit der zukünftige König Frankreichs. Die Mätresse eines nachgeborenen Prinzen zu werden, erschien der nach außen so unnahbaren und auf ihre Reputation bedachten Madame de Brézé wohl nicht attraktiv genug. Das änderte sich, als Heinrich von Orléans Dauphin geworden war. Zweifellos liebte sie ihn auf ihre Art, aber sie schätzte auch das Geld und die Annehmlichkeiten, die ihr die Beziehung zum zukünftigen König verschaffen würde. Sie war außerdem sehr machtbewußt. Nun sah sie eine reelle Chance, zu Einfluß und Macht am Hof zu gelangen. Die meisten Historiker stimmen darin überein, daß die platonische Beziehung zwischen Diana und Heinrich im Frühjahr 1538 endete. Dabei hat Anne de Montmorency, der kurz zuvor zum Konnetabel, also zum Oberbefehlshaber der Landtruppen nach dem König erhoben worden war und als solcher über außerordentliche Prärogativrechte ­verfügte42, als Komplize mitgewirkt. Montmorency stellte Diana und Heinrich sein Schloß in Écouen (bei Pontoise im heutigen Departement Seine-et-Oise gelegen) für ihr erstes intimes Tête-à-tête zur Verfügung. Für ihren Liebhaber verfaßte Diana kurz danach

40  Cloulas, Henri II, S.  71–75; ders., Catherine de Médicis, S.  60  f.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 270–274; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 108 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 51 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 158–161; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 35–38; Dargent, Catherine de Médicis, S. 69 ff.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 51–55. 41  Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 274 f. 42  Dazu: Mager, Frankreich vom Ancien Régime zur Moderne, S. 143 f.; Mousnier, Les institutions de la France sous la monarchie absolue, Bd. II, S. 106 f.; Barbiche, Les institutions de la monarchie française à l’époque moderne, S. 144–148.

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

ein Gedicht, in dem sie diesem ihren „vergeblichen Kampf gegen ihre Hingabe“ vortrug. Darin führte sie folgendes aus: Eines Morgens erschien mir Amor und offerierte mir ein allerliebstes Blümchen […]. Dieses so niedliche Blümchen war ein stattlicher, gesunder und blutjunger Knabe. Aber zitternd und die Augen abwendend sagte ich nein. Ah, sei nicht enttäuscht! Amor insistierte und hielt mir plötzlich einen wunderbaren Lorbeerzweig vor Augen. Ich antwortete: Es ist besser, besonnen zu sein als Königin. Aber ich fühlte, wie mir die Sinne schwirrten und ich zu zittern begann. Diana tat einen Fehltritt, und Sie verstehen ohne Mühe, von welchem Morgen ich wieder spreche […].43

Heinrich antwortete weit weniger poetisch und elegant mit folgenden Zeilen. Wie oft habe ich mir gewünscht, / Diana als meine alleinige Mätresse zu haben, / Aber ich fürchtete, daß sie, die eine Göttin ist, / sich nicht dazu herablassen wolle / Von mir überhaupt Notiz zu nehmen, / Der ohne diese weder Vergnügen, noch Freude noch Zufriedenheit empfand / Bis zu der Stunde, in der sie entschied / daß ich ihrem Befehl gehorche.44

Obwohl beide sehr bemüht waren, ihre Beziehung vor der Hofgesellschaft und der übrigen Öffentlichkeit zu verbergen, gelang ihnen dies allenfalls nur kurze Zeit. Die Zeitgenossen erkannten alsbald den wahren Charakter ihres Verhältnisses. Aber sie schwiegen oder spielten aus gebotener Diskretion oder auch aus eigenem Interesse das Schauspiel mit. Katharina war zu intelligent und eine zu versierte Beobachterin, als daß ihr der wahre Charakter dieser Beziehung lange verborgen geblieben wäre. Unglücklicherweise war sie aber nicht in der Lage, dagegen zu protestieren oder die geringste Forderung zu erheben. Schon in Anbetracht ihrer Kinderlosigkeit war ihre Lage so prekär, daß sie ihren Gefühlen in der Öffentlichkeit keinen Raum geben durfte. Nachdem Franz’ I. am 31. März 1547 in Rambouillet gestorben war und Heinrich II. sein Nachfolger auf dem Thron und Katharina Königin geworden waren, charakterisierte der venezianische Botschafter deren Lage wie folgt: Ihre Position war ebenso peinlich wie schwierig. Da sie nichts tun konnte, weder als Ehefrau noch als Königin […], hatte sie die Weisheit und die Kraft, an ihrem einmal gefaßten 43  „Voici vraiment qu’Amour un beau matin / S’en vint m’offrir fleurette très gentille […]. / Car, voyezvous, fleurette si gentille / Était garçon, frais, dispos et jeunet. / Ains [Mais], tremblant et détournant les yeux, Nenni, disais-je. Ah! Ne soyez déçue! / Reprit l’Amour et soudain à ma vue / Va présentant un laurier merveilleux. / Mieux vaux, lui dis-je, être sage que reine. / Ains me sentis et frémir et trembler. / Diane faillit [fauta] et comprenez sans peine / Duquel matin je prétends reparler […].“ Zitiert über Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 275 f. Vgl. auch Cloulas, Henri II, S. 100. 44  „Combien de fois je me suis souhaité / Avoir Diane pour ma seule maîtresse, / Mais je craignais qu’elle, qui est déesse, / Ne se voulût abaisser jusque-là / De faire cas de moi qui, sans cela, / N’avais plaisir, joie ni contentement / Jusques à l’heure que se délibéra [décida] / Que j’obéisse à son commandement.“ Zitiert über Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 276. Vgl. auch Cloulas, Henri II, S. 100.

3.2 Katharinas Leben an der Seite des Dauphins Heinrich

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Verhaltensplan festzuhalten und sich nicht der Verzweiflung und einem allzu gerechtfertigten Ressentiment hinzugeben. Alles auf die Zeit und die Zukunft setzend, resignierte sie schweigend, indem sie sich dem Willen ihres Ehemannes unterwarf. Voller Traurigkeit und ergeben folgte sie ihm, wenn er sich zu ihrer hochmütigen Rivalin begab.45

Die überlieferten Quellen belegen, daß Katharina – selbst in Anbetracht der damaligen Praktiken der Kindererziehung bei adligen und bürgerlichen Familien, die ihre Neugeborenen in die Hände von Ammen gaben – eine fürsorgliche und sehr um das Wohl ihrer Kinder besorgte Mutter war. Aber auch in diesem Bereich stellte sich die Mätresse zwischen sie und ihre Kinder. Mit Zustimmung Heinrichs nahm Diana die Erziehung der Kinder in ihre Hände. Im Sommer 1546 veranlaßte sie den König, Jean d’Humières, den Ehemann ihrer Cousine Françoise de Contay, zum Oberhofmeister – Gouverneur – der Kinder der Königsfamilie zu bestellen. Das Ehepaar d’Humières war in der Kindererziehung erfahren, denn es hatte selbst achtzehn Kinder, was natürlich eine sehr große Seltenheit war. Diana empfand sicherlich große Zuneigung zu den königlichen Kindern, was ihre in diesem Zusammenhang mit deren Gouverneur geführte Korrespondenz belegt.46 Katharina, die über diese Gegebenheiten alles andere als erfreut war, nutzte jede Gelegenheit, um zwar höflich und unter Einhaltung der von ihr erwarteten Formen, aber dennoch unmißverständlich zu demonstrieren, daß es ihre Kinder waren. Das lassen die Briefe erkennen, die sie in kurzen Abständen an die d’Humières richtete. So dankte sie in einem Brief vom 21. Dezember 1546 Jean d’Humières für die Nachrichten, die er ihr über den Prinzen Franz und die Prinzessin Elisabeth hatte zukommen lassen. Dem Dank fügte sie folgende Zeilen hinzu: Ich bin glücklich darüber, daß Madame d’Humières zu Ihnen gestoßen ist, um Sie bei der Wahrnehmung Ihrer Aufgaben als Oberhofmeister (Gouverneur) meiner [Kursiv Malettke] vorgenannten Kinder zu unterstützen. Da Monsieur [König Heinrich] und ich sich sicher sind, daß Sie und Madame von Humières sich mit Hingabe um unsere Kinder kümmern, erübrigt es sich, daß wir sie Ihrer Fürsorge anempfehlen.47

45  „Sa position était aussi pénible que difficile. Ne pouvant rien, ni comme épouse ni comme reine […], au lieu de se livrer au découragement et de s’abandonner à un trop juste ressentiment, elle eut la sagesse et la force de persévérer dans le plan de conduite qu’elle avait adopté. Espérant tout du temps et de l’avenir, elle se résigna en silence, se soumettant aux volontés de son époux. Triste et dévouée, elle le suivait chez son orgueilleuse rivale.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 110. 46  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 123 f.; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 72; Orieux, Catherine de Médicis, S. 160; Dargent, Catherine de Médicis, S. 76. 47  „A Monsieur De Humyères […] Je suys bien ayse de quoi madame de Humyères est arrivée là pour le soullaigement qu’elle vous fera au gouvernement des mes dits enfants. Monsieur et moy ne les vous recommondons poinct, pour l’asseurance qu’avons du soing que vous et madame de Humyères prenez à leur traictement. Escript à Compiengne, le XXIe jour de décembre MVXLVI. La byen vostre Catherine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 18.

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Kapitel 3 – Katharinas erste Ehejahre mit Herzog Heinrich von Orléans

Und am 4. Mai 1548, als Katharina bereits Königin war, forderte sie den Oberhofmeister mit einigem Nachdruck auf, Porträts aller ihrer Kinder anfertigen zu lassen: „Ich bitte Sie, Herr von Humières, alle meine [Kursiv Malettke] Kinder malen zu lassen. Aber sie sollen mit einem anderen Profil porträtiert werden, als es der Maler bisher gewohnt war zu tun. Senden Sie mir die Bilder unverzüglich nach ihrer Fertigstellung!“48 Noch deutlicher und unmißverständlicher trat sie als Königin auf, die Gehorsam und Respekt für sich reklamierte, in einem eigenhändigen Postskriptum, das sie einem Brief an Madame d’Humières vom 23. Mai 1551 hinzufügte: Ich bitte Sie, lassen Sie sich nicht wieder um etwas ersuchen, worum Sie bereits mehrfach zuvor gebeten worden sind. Und lassen Sie sich es für die Zukunft gesagt sein, wenn der König oder ich Sie aufgefordert haben, etwas zu tun, dann tun Sie es, sonst sind wir keineswegs zufrieden! Was meine kleine Tochter [wohl die kleine Prinzessin Claudia] betrifft, so wird Ihnen der Überbringer dieses Briefes sagen, daß ich ihm befohlen habe, nicht früher zurückzukehren, bis Sie die bisherige Amme entlassen und durch eine andere ersetzt haben. Der Überbringer ist angewiesen, für unverzügliches Handeln Ihrerseits Sorge zu tragen und nicht hinzunehmen, daß er seinen Auftrag mehrfach wiederholen muß. Im übrigen glauben Sie das, was er Ihnen sagen wird. Ihre gute Freundin. Katharina.49

Als zutiefst verletzend empfand Katharina auch, daß ihr Ehemann ein in der Öffentlichkeit verbreitetes Monogramm wählte, das nicht nur die Anfangsbuchstaben seines Vornamens mit jenem seiner Gemahlin, sondern auch mit jenem seiner Mätresse vereinigte. Einem großen H wurden im inneren Bereich die Buchstaben C in der Weise hinzugefügt, daß das erste C auch wie ein D – – gelesen werden konnte und von aller Welt dann auch so verstanden wurde. Außerdem übernahm Heinrich die von Diana seit dem Zeitpunkt, als sie Witwe wurde, demonstrativ zur Schau gestellten Farben Schwarz und Weiß. Überall wo Heinrich in der Öffentlichkeit auftrat und bei Zeremonien, die ihm zu Ehren organisiert wurden, nachdem er 1547 König geworden war, konnte man bei den aus diesen Anlässen angefertigten Prunktafeln, Portalen und mythischen Anspielungen sein Monogramm und die Farben Schwarz und Weiß sehen. 48  „A Monsieur de Humyères, Chevalier de l’Ordre du Roy. Je vous prye, Monsieur de Humyères, de me faire paindre tous mes enffans, mais que ce soit d’un autre cousté que le painctre n’a acoustumé de les paindre et portraire, et m’envoyez les painctures incontinant qu’elles seront faictes. De Vauluysant, ce IIIIe jour de may (1548). La byen vostre, Caterine“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 23 f. 49  „A Madame d’Humyères. […] (De sa main] Je vous prye, ne lesé plulx fayre coment l’ons a fayst sete fouys de re[de]mander tant de fouys heune chause, ay que d’iysy en avent, quand le Roy au moy le vous arons mandé, fayte le, ou aultrement nous n’an seryon pas contant. Quant à ma petytte fille, set porteur vous en dyré ynsyn que lui ay comandé, et de ne bouger de là que [vous] n’ayés an anvoyé la nouryse retenue et an trové heunne autre bonne en sa place, et quy ne vous falle plulx mander à terteux; au demourant croyé le de set quy vous dyré. Vostre bonne amye Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 41. – In modernisierter Orthographie zitiert von Wanegffelen, ­Catherine de Médicis, S. 126.

3.2 Katharinas Leben an der Seite des Dauphins Heinrich

45

In Anbetracht dessen ist es verständlich, daß sich Katharina in ihrem Stolz zutiefst verletzt fühlte. Sie ertrug ihr Schicksal schweigend, aber keineswegs zustimmend. Es blieb ihr einstweilen nichts anderes übrig, als die Realität hinzunehmen, aber sie resignierte nicht. In diesem Sinne hat man die Zeilen eines Briefes zu verstehen, den sie in der Rückschau am 25. April 1584 an Pomponne de Bellièvre (1529–1607) schrieb und in dem sie diesen bat, den Inhalt an ihre Tochter Margarete zu übermitteln, die mit den außerehelichen Affären Heinrichs von Navarra, dem zukünftigen König Heinrich IV., konfrontiert war. In diesem Brief finden sich folgende aufschlußreiche Sätze: Wenn ich gute Miene zum bösen Spiel der Madame de Valentinois [Diana von Poitiers] gemacht habe, war es deshalb, weil der König es verlangte. Gleichwohl habe ich ihm immer zu verstehen gegeben, daß ich es zu meinem sehr großen Bedauern tat, denn keine Frau, die ihren Mann liebt, hat seine Hure geliebt – man kann es nicht anders bezeichnen, obwohl dieses häßliche Wort uns anderen nur schwer über die Lippen geht.50

Ob Katharina von Medici ihren Mann tatsächlich so innig und aufrichtig geliebt hat, wie sie immer wieder betonte, diese Frage läßt sich nicht eindeutig und zweifelsfrei beantworten. Bei damaligen Verbindungen war in den seltensten Fällen Liebe im Spiel. Handlungsleitend waren stets politische und dynastische Gründe. Katharina hat Heinrich wohl aber sehr geschätzt. In Anbetracht ihrer Lage blieb ihr schon allein aus Gründen der Selbstachtung nichts anderes übrig, als nach außen und ihrem Mann gegenüber ihre Liebe zu bekunden, um ihm damit zumindest indirekt vor Augen zu führen, welches Unrecht er ihr antat und wie sehr er sie verletzte. Für Katharina änderte sich die Lage insofern, als sie mit dem Tod Franz’  I. im Jahr 1547 einen wichtigen Beschützer und Freund verlor und sie damit als Frau König Heinrichs II. selbst Königin wurde. Katharina war an seiner Seite, als Franz in Rambouillet ernsthaft erkrankte und bettlägerig wurde. Bezeichnenderweise war Heinrich zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend. Franz hatte zwar versucht, die Spannungen, die zwischen ihm und Heinrich seit einiger Zeit bestanden, auszuräumen, nachdem auch sein jüngerer Sohn Herzog Karl von Orléans 1545 gestorben war und ihm nur noch Heinrich blieb. Weil dieser aber von der Favoritin des Königs auf Distanz gehalten wurde, hatte er es vorgezogen, sich zu seiner Mätresse Diana nach Anet zu begeben. Erst als sein Vater in Agonie lag, eilte er in aller Hast an dessen Sterbelager. Franz I. starb am 31. März 1547. Als sich Heinrich vom Sterbebett seines Vaters erhob, war er König von Frankreich und mit ihm die in Tränen ausgebrochene Katharina Königin.

50  „Si je faisais bonne chère à Madame de Valentinois, c’était le roi [qui l’exigeait], et encore je lui faisais toujours connaître que c’était à mon très grand regret, car jamais femme qui aimait son mari n’aima sa putain, car on ne peut appeler autrement, encore que le mot soit vilain à dire à nous autres.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 110. Vgl. auch Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 287 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 53 f.

Kapitel 4

Katharina: Gemahlin König Heinrichs II. von Frankreich (1547–1559) „Die Geschichte Heinrichs  II., die ich Ihnen hier vorlege, handelt von der Herrschaft desjenigen Ihrer Vorgänger, der sein Werk unter den glücklichsten Umständen begann und unter den unglücklichsten endete.“1 Mit diesen Worten begann ein französischer Hofhistoriograph am Ende des 17. Jahrhunderts seine an König Ludwig XIV. (1643–1715) adressierte Widmung seiner Abhandlung, um im direkten Anschluß die diskutablen Resultate der Ära Heinrichs II. in sehr scharfen Worten mit den herausragenden Leistungen seines Herrn, des „Sonnenkönigs“, zu kontrastieren. Zwar haben sich später nur relativ wenige Biographen mit Heinrich  II. intensiv befaßt, aber dennoch hat die neuere historische Forschung in vielen Bereichen entscheidende Fortschritte erzielt. Gleichwohl sind die Lebensleistung und das Profil dieses Valois-Königs nach wie vor zwiespältig zu beurteilen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten sich für Katharina ergaben, in der Phase der Herrschaft ihres Ehemanns ihrerseits Aktivitäten zu entfalten, um ihre alles in allem doch sehr schwierige und problematische Position bei Hof nicht nur weiter zu stabilisieren, sondern zumindest gewisse eigenständige politische Aufgaben und Funktionen wahrnehmen zu können. Die Behandlung dieser Frage und der damit im Zusammenhang stehenden Probleme muß jedoch vor dem Hintergrund der generellen politischen, sozialen und institutionellen Gegebenheiten in Frankreich um die Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgen. 4.1

Frankreich um die Mitte des 16. Jahrhunderts: Territorium, Bevölkerung, Gesellschaft und Institutionen

Ebenso wie bei den übrigen Mächten Europas waren auch in Frankreich um die Mitte des 16. Jahrhunderts der Prozeß der Staatswerdung im Hinblick auf die Konzentration der Macht beim König sowie der Aufbau staatlich-administrativer Strukturen und die Orientierung der noch weitgehend autonomen Provinzen und Regionen auf die Zentrale der Macht hin noch im Fluß. Wie schon in anderem Zusammenhang erwähnt, stand damals der Konflikt zwischen dem Hause Habsburg und der französischen Krone im Zentrum der Außenpolitik. Die eskalierenden konfessionellen Spannungen im Gefolge der Reformation beeinflußten in zunehmendem Maße das innen- und außenpolitische Handeln der politischen Hauptakteure. 1  In deutscher Übersetzung zitiert über Babel, Heinrich II., S. 71.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2020 | doi:10.30965/9783657703326_005

4.1 Frankreich um die Mitte des 16. Jahrhunderts

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Die französische Monarchie umfaßte im 16. Jahrhundert einen Gesamtkomplex von Territorien, deren Fläche sich auf 450.000 bis 460.000 km2 erstreckte. Deren Heteroge­ nität und die im Hinblick auf die einzelnen Landschaften noch sehr stark divergierenden rechtlichen und politischen Gegebenheiten sowie die regionalen Partikularismen und Autonomiebestrebungen, die insbesondere in den von den Calvinisten dominierten Gebieten zunahmen, machten es der Krone schwer, ihre Entscheidungen in den Provinzen durchzusetzen. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß sich der frühmoderne Bürokratisierungsprozeß im wesentlichen noch in seiner Anfangsphase befand und die Krone bei der Wahrnehmung und Realisierung ihrer vielfältigen Regierungsaufgaben noch weitgehend auf das vielschichtige Geflecht von lehnsrechtlichen Bindungen und Abhängigkeiten sowie auf das auch von ihr aufgebaute Netz von Klientelbeziehungen angewiesen war, gewinnt man einen ungefähren Eindruck davon, wie sehr sich die damalige Staatlichkeit unterschied von gegenwärtigen staatlich-administrativen Strukturen, die das Leben der Menschen weitgehend bestimmen, ja reglementieren.2 Auch hinsichtlich des Verlaufs der Außengrenzen Frankreichs war noch vieles im Fluß. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts war er im Detail viel weniger zu erfassen, als es eine auch nur grobe Beschreibung vermuten läßt. Weil über den exakten Verlauf der Grenzen Unklarheiten und in manchen Regionen zwischen der französischen Krone und benachbarten Herrschern divergierende territoriale Ansprüche bestanden, gehörte es zu den Aufgaben der französischen Kronjuristen, diese Ansprüche zu klären, damit der König sie bei sich bietender Gelegenheit geltend machen konnte. Den französischen Königen war stets bewußt, daß an den Grenzen der Monarchie ihre Souveränität endete. Nur im Kriegsfall durften sie das Territorium ihres Königreiches verlassen. Der Entwicklungsprozeß von der „Grenzzone“ zur „Grenzlinie“ war im 16. Jahrhundert noch in vollem Gange. Bei diesem Prozeß waren erst im ausgehenden 17. und im Verlauf des 18. Jahrhunderts signifikante Fortschritte zu verzeichnen. Im Norden Frankreichs waren die Grafschaften Flandern und Artois – ein Teil der an die Habsburger gefallenen burgundischen Erbschaft – zu Beginn des 16. Jahrhunderts lehnsrechtlich noch von den französischen Königen als Oberherren (suzerains) abhängig, die von deren Grafen den Lehnseid entgegennahmen. Im Vertrag von Madrid von 1526 hatte jedoch Franz I. auf die lehnsrechtliche Oberherrlichkeit (suzeraineté) zu Gunsten des Kaisers Karl V. verzichten müssen. Die beiden Grafschaften wurden schließlich Teil der Niederlande und seit 1555 immer stärker in den Herrschaftskomplex der spanischen Krone einbezogen. Die Küstenstadt Calais war seit dem Hundertjährigen Krieg bis 1558 noch eine englische Enklave, als sie im Januar dann vom Herzog Franz von Guise (François d’Aumale,

2  Vgl. zu diesem Gesamtkomplex: Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 1–37; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 125–139; Klaus Malettke, Richelieu. Ein Leben im Dienste des Königs und Frankreichs, Paderborn 2018, S. 19–23; ders., Heinrich IV. Königsherrschaft, Konfessions- und Bürgerkriege. Der erste Bourbone auf dem Thron Frankreichs (1553–1610), Gleichen u. a. 2019, S. 18–36.

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Kapitel 4 – Katharina: Gemahlin König Heinrichs II

duc de Guise, 1519–1563) für die französische Krone erobert wurde.3 Im Osten waren, stark vereinfachend formuliert, Lothringen bis in die 1540er Jahre und das Elsaß weitaus länger noch Teil des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation.4 1542 hatte allerdings Herzog Ulrich von Lothringen (1508–1544) eine günstige politische Konstellation nutzen können, um im Vertrag von Nürnberg eine sehr vorteilhafte Regelung der rechtlichen Beziehungen Lothringens zum Reich zu erwirken. In diesem Vertrag wurde sein Territorium als „nicht zu inkorporierendes Herzogtum“ anerkannt. Damit wurde klar fixiert, daß Lothringen kein Reichslehen war, das künftig an das Reich heimfallen konnte. Außerdem wurde vertraglich gesichert, daß jede Appellationsmöglichkeit der Untertanen des Herzogs an das Reichskammergericht für die Zukunft entfiel. An das Reich gebunden blieb das Herzogtum in bezug auf Angelegenheiten des Landfriedens und durch die Verpflichtung zur Zahlung einer reduzierten Kontribution, für die ihm allerdings die Protektion des Reichs zugesichert wurde. Reichslehen der lothringischen Herzöge waren nur noch einige kleinere Herrschaften. Seit dem Nürnberger Vertrag von 1542 bestanden also für die Herzöge von Lothringen-Bar in staats- und lehnsrechtlicher Hinsicht besondere Gegebenheiten in ihren Beziehungen zum Reich und zu Frankreich. Für das „Barrois mouvant“ waren sie Lehnsmänner des französischen Königs. Als Inhaber kleinerer Reichslehen waren sie Reichsfürsten. Seit 1542 sah sich jeder Herzog von Lothringen demzufolge in einer spezifischen Doppelstellung gegenüber dem Reich wie gegenüber Frankreich.5 In der lothringischen Region und an den östlichen Grenzgebieten Frankreichs lagen auch die drei Reichsstädte Metz, Toul und Verdun, die von den gleichnamigen Bistümern zu unterscheiden sind. Die drei Reichsstädte besaßen ebenfalls eigene Territorien im Umfeld der engeren Stadtgebiete. Die territorialen und staatsrechtlichen Gegebenheiten in dieser Grenzregion waren indessen insofern noch komplizierter, weil dort außerdem einige geteilte Souveränitäten und „Gemeinherrschaften Lothringens mit Frankreich oder den spanischen Territorien der Niederlande, Luxemburgs oder der Freigrafschaft Burgund“6 vorhanden waren. Belastet wurden die französisch-lothringischen Beziehungen sowie das Verhältnis zwischen Frankreich einerseits und Kaiser und Reich andererseits dadurch, daß der französische König die drei Reichsstädte und teilweise auch die gleichnamigen Bistümer (Stifter) unter seine Protektion hatte bringen können. Schon im Mittelalter hatte die französische Krone zeitweilig Protektionsrechte über die Städte und die Bistümer ausgeübt. Als dann die deutsche Fürstenopposition gegen Kaiser Karl V. 1552 im Vertrag von Chambord (15. Februar 1552), in dem sich Heinrich II. zur Zahlung von Subsidien an 3  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 112. 4  Im folgenden als „Reich“ bezeichnet. 5  Vgl. dazu: Rainer Babel, Zwischen Habsburg und Bourbon. Außenpolitik und europäische Stellung Herzog Karls von Lothringen und Bar vom Regierungsantritt bis zum Exil (1624–1634) (=Beihefte der Francia, Bd. 18), Sigmaringen 1989, S. 12–27. 6  Ebenda, S. 24.

4.1 Frankreich um die Mitte des 16. Jahrhunderts

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die Fürsten zur Finanzierung der protestantischen Liga verpflichtete, dem französischen König das Reichsvikariat über die Städte antrug, nahm die französische Krone diese Protektionsbeziehungen wieder auf. Französische Protektion bedeutete in der Regel militärische Präsenz. Daraus resultierten immer wieder Konflikte zwischen Frankreich, Kaiser und Reich. „Die [gleichnamigen] Stifter gerieten formell erst später in ähnliche Protektionsverhältnisse, auch wenn der Bischof von Metz 1556 französischen Schutz annahm, was jedoch ohne Konsequenzen für das Stift blieb.“7 Ähnlich kompliziert – wenn nicht noch verwirrender – waren die territorialen, herrschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse im zum Reich gehörenden Elsaß. Das Elsaß war damals eine Grenzlandschaft des Reiches – nicht eine „Grenzlandschaft zwischen Deutschland und Frankreich“8. Das Elsaß bestand aus zwei Teilen: aus dem Oberelsaß und dem Unterelsaß, die ein eigenständiges Leben führten. Seit dem hohen Mittelalter waren es die beiden gleichnamigen Landgrafschaften. Im Unterelsaß war der Prozeß der Auflösung der alten Grafengewalt im Laufe der Zeit am weitesten fortgeschritten. Während die Landgrafschaft Unterelsaß in herrschaftlich-politischer Hinsicht keineswegs einen in sich geschlossenen territorialen Komplex darstellte, war das in der Landgrafschaft Oberelsaß jedoch weitgehend der Fall. Dort hatten die österreichischen Habsburger eine dominierende Position etablieren können.9 Die Freigrafschaft Burgund (Franche-Comté) war seit dem Vertrag von Senlis des Jahres 1493 im Besitz der Habsburger, seit Beginn der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun­ derts des spanischen Zweiges der Habsburger.10 Die Präsenz der Habsburger an der östlichen Flanke Frankreichs stellte eine ernstzunehmende potentielle Gefahr für die französischen Könige dar. Die bedeutende Handels- und Finanzmetropole Lyon war quasi eine Grenzstadt. Eines der Ziele der französischen auswärtigen Kriege des 16. Jahr­ hunderts war es, deren Sicherheit auf Dauer zu gewährleisten. Die Besetzung des Herzogtums Savoyen von 1536 bis 1559 diente im wesentlichen diesem Ziel. Im Südosten gehörten die Dauphiné seit 1349 und die Provence seit 1481 zur französischen Krone. Im Süden war das Rousillon seit dem Vertrag von Barcelona vom Januar 1493 spanisch. Das Béarn war ein souveränes Fürstentum und Navarra ein unabhängiges Königreich. Tatsächlich handelte es sich aber um Niedernavarra (Basse-Navarre), weil der südliche Teil des Königreiches 1484 von König Ferdinand II. (1479–1516) von Aragon besetzt und 1512 annektiert worden war.11 Die bedeutendsten ausländischen Enklaven waren der Comtat Venaissin mit Avignon, der päpstliches Territorium war, und das Fürstentum Orange, das im Frieden von 7  Ebenda. 8  Wolfgang Hans Stein, Protection Royale. Eine Untersuchung zu den Protektionsverhältnissen im Elsaß zur Zeit Richelieus 1622–1643 (=Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte e. V., Bd. 9), Münster 1987, S. 26. 9  Malettke, Richelieu, S. 733–738. 10  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 4. 11  Ebenda.

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Kapitel 4 – Katharina: Gemahlin König Heinrichs II

Cateau-Cambrésis (1559) Wilhelm I. von Nassau-Oranien (1545–1584) restituiert worden war. Die Bewohner des Comtats Venaissin wurden indessen als „Königsgeborene“ (régnicoles) betrachtet, was realiter bedeutete, daß sie sich bei der Ausübung ihrer vielfältigen Alltagsgeschäfte darauf berufen konnten, daß ihnen dieselben Rechte und Privilegien wie den Untertanen des französischen Königs zustünden.12 Frankreich zählte zu den bevölkerungsreichsten Ländern Europas. Dank moderner Schätzungen hat man geschlußfolgert, daß sich am Ende des 15. Jahrhunderts die Gesamtbevölkerung auf rund 15 Millionen Menschen belief. Spanien und England wiesen hingegen jeweils rund 4 Millionen auf. Nur das Römische Reich und das Osmanische Reich erreichten mit 15 bzw. 12 bis 13 Millionen Einwohnern eine mit Frankreich vergleichbare Größenordnung. Durch einschlägige Forschungen erscheint als gesichert, daß Frankreich während der Jahrzehnte von 1500 bis ungefähr 1545 eine starke demographische Zunahme erlebte. Diese wurde zwischen 1545 und 1560 von einer Rezession abgelöst, der wiederum von 1560 bis 1580 eine demographische Erholung folgte. Während dieser Phase nahm die französische Gesamtbevölkerung in etwa auf 18 bis 20 Millionen Einwohner zu. Dabei ist indessen zu berücksichtigen, daß die modernen Schätzungen auf dem zur Zeit des Vertrages von Cateau-Cambrésis (1559) gegebenen bzw. auf dem aktuellen Staatsgebiet basieren. Die einzelnen Regionen wiesen jedoch sehr variierende Einwohnerzahlen auf. Zwischen 1585 und 1595 nahm die demographische Entwicklung einen negativen Verlauf. Extrem kalte Winter, eine Folge der sog. „kleinen Eiszeit“, daraus resultierende Mißernten, das Wiederauftreten der Pest in den Jahren 1583, 1586 und 1591/1592 sowie die mannigfachen Belastungen der Religions- und Bürgerkriege verursachten in den am stärksten betroffenen Gebieten Menschenverluste bis zu 20%. Damals lebten 85% bis 90% der Franzosen auf dem Land – im Durchschnitt rund 30 bis 35 Personen pro km2. Nach neueren Schätzungen existierten in Frankreich zu Beginn des Jahrzehnts von 1560 bis 1570 rund 1.400 häretische, also calvinistische Kirchengemeinden, die über das ganze Land verstreut waren. Die Zahl der in jenen Jahren in der Monarchie lebenden Calvinisten wird auf 8,75 % der Gesamtbevölkerung geschätzt. Auf der Basis von 17 bzw. 18 Millionen Franzosen berechnet, gehörten also zwischen 1.487.500 und 1.575.000 Personen dem calvinistischen Glauben an. Als gesichert gilt, daß die Calvinisten im Süden und Südwesten – vom Poitou bis zur Dauphiné – innerhalb der dortigen Bevölkerung einen nicht nur zahlenmäßig bedeutenden Faktor darstellten. Signifikant geringer war ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung in den nördlichen Gebieten des Königreichs, in der Normandie, der Bretagne, der Île-de-France, im Anjou, im Orléanais und im östlich gelegenen Herzogtum Burgund. Die erdrückende Mehrheit der Franzosen war katholisch und lebte auf dem platten Lande.13 12  Ebenda, S. 5. 13  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 26–34; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 130–133, 137, 195; Klaus Malettke, Hegemonie – multipolares System – Gleichgewicht. Internationale Beziehungen

4.1 Frankreich um die Mitte des 16. Jahrhunderts

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Frankreich zählte nicht nur zu den bevölkerungsreichsten, sondern auch zu den in t­ erritorialer Hinsicht größten Monarchien Europas. Nach damaligen Vorstellungen umfaßte es einen immensen Raum. Wegen der in jener Zeit noch begrenzten Verkehrs- und Transportmittel sowie der sehr reduzierten Möglichkeiten des Reisens und der Kommunikation benötigte man infolgedessen viel Zeit, um sich von einem Ende der Monarchie zum anderen zu begeben. Gleiches gilt, wenn Nachrichten vom jeweiligen Aufenthaltsort des Hofes in die entlegenen Provinzen bzw. von dort aus an den König und seine Minister zu übermitteln waren. Um zu Pferd von Paris nach Amiens zu gelangen, brauchte man zwei Tage. Für die Überwindung der Entfernung von Paris nach Lyon waren acht bis zehn Tage und für die Strecke von Paris nach Marseille sechzehn bis zwanzig Tage erforderlich. Vergegenwärtigt man sich diese Realitäten, kann man nachvollziehen, mit welchen Problemen die damals noch kaum entwickelten administrativen und institutionellen Organe konfrontiert waren, um diesen immensen Raum einigermaßen kontrollieren zu können. Eine Folge dessen war, daß sehr häufig auch wichtige Entscheidungen am jeweiligen Ort des Geschehens getroffen werden mußten, ohne daß der König bzw. seine unmittelbaren Berater zuvor damit befaßt worden waren. In solchen Fällen blieb der Krone nur übrig, diese Entscheidungen entweder zu bestätigen oder sie revidieren zu lassen. Unter diesem Aspekt betrachtet, waren die rechtlichen und politischen Autonomien mancher Städte und Provinzen der Monarchie nicht nur ein Vermächtnis ihrer komplizierten Geschichte, sondern auch eine Konsequenz der räumlichen und kommunikationstechnischen Gegebenheiten. In Anbetracht dieser Rahmenbedingungen sahen sich die Monarchen immer wieder veranlaßt, in Begleitung großer Teile des Hofes und der wichtigsten Mitglieder des Staatsrates die Provinzen zu bereisen, sich dort ihren Untertanen nicht nur zu zeigen, sondern deren Probleme direkt an Ort und Stelle zur Kenntnis zu nehmen und Entscheidungen zu deren Lösung zu treffen. Auch Katharina von Medici hat diese Notwendigkeit früh verinnerlicht und dementsprechend agiert.14 Der starke demographische Aufschwung der Jahrzehnte von 1500 bis um 1545 korrespondierte mit einer Zunahme der Agrarproduktion. Streiten kann man allerdings über die Frage, ob diese Zunahme eine Folge des Bevölkerungswachstums war, das eine Steigerung der Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln und damit eine Erhöhung der agrarischen Produktivität auslöste, oder ob erst die Zunahme der Produktivität das demographische Wachstum ermöglichte. Gesichert ist, daß die Produktion 1648/1659–1713/1714 (=Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen, Bd. 3), Paderborn u. a. 2012, S. 119–125; ders., Richelieu, S. 21. f. – Zur demographischen Entwicklung: Pierre Goubert, L’Ancien Régime, Bd. 1: La société, Paris 1969, S. 35–47; Emmanuel Le Roy Ladurie, Les masses profondes: la paysannerie, in: Emmanuel Le Roy Ladurie, Michel Morineau (Hrsg.), Histoire économique et sociale de la France, Bd. 2: Paysannerie et croissance, Paris 1977, S. 483–726; Jacques Dupâquier, La France avant la transition démographique, in: Jean-Pierre Bardet, Jacques Dupâquier (Hrsg.), Histoire des populations de l’Europe, Bd. I: Des origines aux prémices de la révolution démographique, Paris 1997, S. 443–446. 14  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 11; Malettke, Richelieu, S. 24 f.; vgl. Kap. 6.6, S. 213–220.

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landwirtschaftlicher Erzeugnisse bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts gesteigert werden konnte. Im Jahrzehnt zwischen 1560 und 1570 stabilisierte sie sich dann auf hohem Niveau, um danach bis zum Ende des 16. Jahrhunderts deutlich abzusinken. Seit 1580/1585 sah sich die Bevölkerung in fast allen Landesteilen mit einer zunehmend negativ verlaufenden konjunkturellen Entwicklung im wirtschaftlichen Bereich konfrontiert. Ursachen dafür waren die demographischen Verluste und die daraus resultierende Abnahme der verfügbaren Arbeitskräfte, das Wüten der Soldateska beider „Konfessionsparteien“, insbesondere auf dem platten Lande und in den unbefestigten kleinen Städten, sowie ein in Europa generell zu konstatierender Einbruch der Wirtschaftskonjunktur.15 Aber auch andere Faktoren haben eine Rolle gespielt, auf die später in anderem Zusammenhang näher einzugehen ist.16 In seinem 1582 veröffentlichten „Vierten Traktat über die Domanialrechte“ stellte der Jurist Jean Bacquet fest: „In Frankreich gibt es zwei Sorten von Personen: die einen sind Adlige, die anderen Nichtadlige. Und unter diesen beiden Arten sind alle Bewohner des Königreiches zu subsumieren: die Leute der Kirche und der Justiz, die Leute, die das Waffenhandwerk praktizieren, die Schatzmeister, die Steuereinnehmer, die Kaufleute, die Landarbeiter und andere.“17 Bacquet erfaßte die damalige soziale Realität insofern etwas präziser als sein berühmter Kollege Charles Loyseau (1564–1627) in seinem „Traktat über die Ordines und einfachen Würden“,18 denn für Bacquet war der „Klerus eher eine Art berufsständischer Korporation, der sowohl Adlige als auch Nichtadlige angehörten“19. Aber auch für ihn bestimmte das Prinzip der sozialen Qualität eine Klassifizierung, welche die Einordnung in die damals existierenden gesellschaftlichen Hierarchien auf der Basis von Berufen, ausgeübten Funktionen, überlagerte und diese quasi transzendierte; für ihn gelangte man vom Tun, Handeln ( faire), zum Sein. Beim Adel waren für ihn nicht mehr das von diesem ausgeübte Waffenhandwerk, sondern dessen soziale Exzellenz oder die diesem zu attestierenden besonderen Tugenden charakteristisch. Jede spezifische Gruppe von Personen repräsentierte für ihn einen speziellen Grad der Perfektion von Menschen, eine Perfektion, die mehr oder weniger hoch einzuschätzen war. Für Loyseau war die damalige französische Gesellschaft eine Ständegesellschaft. Nach seiner Überzeugung können die von Gott mit freiem Willen ausgestatteten Menschen nicht ohne Ordnung (ordre) und nicht in völliger Gleichheit existieren. Notwendigerweise 15  Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 167 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 625–630; Malettke, Richelieu, S. 24 f. 16  Vgl. Kap. 8.3, S. 325–331. 17  „En France il y a deux sortes de personnes: les uns sont des Nobles, les autres Roturiers et non nobles. Et soubs ces deux espèces sont compris tous les habitants du Royaume; soient gens d’Église, gens de justice, gens faisans profession des armes, tresoriers, receveurs, marchans, laboureurs et autres.“ Titel im Original: Quatriesme traicté des drois du domaine. Zitiert über Jouanna, La France au XVIe siècle, S. 58. 18  Im Original: Traité des ordres et simples dignitez, 1613. 19  Ilja Mieck, Die Entstehung des modernen Frankreich 1450–1610. Strukturen, Institutionen, Entwicklungen, Stuttgart u. a. 1982, S. 65.

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müssen die einen befehlen und die anderen gehorchen.20 Diejenigen, welche befehlen, sind in mehrere „ordres“ oder Ränge abgestuft. Die einen – also der Klerus (le clergé) – haben sich insbesondere dem Dienst Gottes gewidmet. Die anderen – der Adel (la noblesse) – dienen mit ihren Waffen der Erhaltung und dem Schutz des Staates. Schließlich sorgen die übrigen – die Angehörigen des Dritten Standes (le tiers Estat) – für die Ernährung des Gemeinwesens. Das sind, so betont Loyseau ausdrücklich, die drei Stände oder „die Generalstände Frankreichs“ (Estats generaux de France). Des weiteren führt er aus, daß jeder dieser drei Stände in weitere Stufen oder subalterne „ordines“ untergliedert ist.21 Für Loyseau ist die französische Gesellschaft also eine Ständegesellschaft (société d’ordres), in welcher die sozialen Gruppen stratigraphisch-hierarchisch gegliedert sind. „Stand“ (ordre) definiert er als „Würde verbunden mit der Befähigung zur Ausübung öffentlicher Macht“ – also zur Bekleidung und Ausübung von königlichen „Ämtern“ bzw. Funktionen (commissions).22 Im Sinne Loyseaus waren Stände politische und soziale Gruppen, „Gemeinschaften, deren Mitglieder nicht lediglich auf der Basis von Besitz und Vermögen zusammenfanden und zusammenstanden, sondern auf Grund ‚der Wertschätzung, der Achtung, der Würde, die (ihnen) die Gesellschaft oder Teile derselben‘ beimaßen“.23 Die Historiker der Gegenwart bedienen sich mehrheitlich dieser Definition der europäischen Gesellschaft des Ancien Régime und der entsprechenden Terminologie. In einer ersten Annäherung kann man „Stand“ mit Jürgen Kocka als „eine gesellschaftliche Großgruppe“ bezeichnen, „die sich durch eigenes Recht, durch ein bestimmtes Maß der Teilhabe an der politischen Herrschaft, durch eine besondere Form materieller

20  „Quant aux (créatures) animées, les intelligences ont leurs degrez hierarchiques, qui sont immuables. Et pour le regard des hommes, qui sont ordonnez de Dieu, pour commander aux autres créatures animées de ce bas monde, bien que leur Ordre soit muable & suiet à vicisitude, à cause de la franchise & liberté particulière, que Dieu leur a donné, au bien & au mal, si est-ce qu’ils ne peuuent susbsister sans Ordre. Car nous ne pourrions pas viuvre en egalité de condition, ains il faut par necesité, que les uns commandent & que les autres obeissent […].“ Charles Loyseau, Traité des ordres et simples dignitez. A Paris, Chez la veufue Abel L’Angelier, au premier pillier de la grand’ Salle du Palais, 1613, Avec privilege du Roy, S. 5; vgl. auch Malettke, Richelieu, S. 25. 21  „Voylà quant à ceux qui commendent, & quant au peuple qui obeit, pour ce que c’est un corps à plusieurs testes, on le diuise par Ordres, estats ou vacations particulieres. Les uns sont dediez particulierement au seruice de Dieu: les autres à conseruer l’Estat par les armes: les autres à le nourrir et maintenir par les exercices de la paix. Ce sont nos trois Ordres ou Estats generaux de France, le clergé, la noblesse & le tiers Estat. Mais chacun de ces trois Ordres est encor subdiuisé en degrez subordinez, ou Ordres subalternes […].“ Loyseau, Traité des ordres et simples dignitez, S. 6; vgl. auch Malettke, Richelieu, S. 25 f. 22  „Et en un mot, l’Ordre peut estre definy, Dignité auec aptitude à la puissance publique.“ Loyseau, Traité des ordres et simples dignitez, S. 8; vgl. auch Malettke, Richelieu, S. 26. 23  Ernst Hinrichs, Einführung in die Geschichte der Frühen Neuzeit, München 1980, S. 67.

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Subsistenzgründung und durch spezifisches Prestige (‚Ehre‘) von anderen Ständen unterscheidet“.24 Die Analogie dieser Definition zu jenen frühneuzeitlicher Staatstheoretiker und Juristen ist offensichtlich. Für die Franzosen des Ancien Régime war die ständische Ordnung der Gesellschaft eine alltägliche Erfahrung. Sie waren sich weitgehend einig hinsichtlich der groben Gliederung der Stände in Klerus, Adel und in die große Masse der Nichtadligen, vereinfacht der Bürger und Bauern. Ihnen war aber auch bewußt, daß diese grobe Gliederung nur ein rechtliches Konstrukt war, das zwar für die Versammlungen der Generalstände (États généraux) und der Provinzialstände (États provinciaux) Frankreichs seine offensichtliche Berechtigung hatte, aber kein ausreichend präzises Instrument darstellte, um mit ihm die vielfältigen Abstufungen und Untergliederungen zu erfassen, die innerhalb eines jeden Standes existierten. Dessen war sich auch Loyseau sicher. Er bezeichnete die Untergliederungen der drei „Hauptstände“ als „partikulare ‚ordines‘“, Ränge oder als „subalterne ‚ordines‘“.25 Innerhalb des Ersten Standes, des Klerus, existierten zwischen den Kardinälen, Bischöfen und Äbten geistlicher Orden einerseits und der Vielzahl kleiner Weltgeistlicher bzw. niederer Ordensbrüder andererseits große Rangunterschiede. Von den in mannigfacher Weise – insbesondere in fiskalischer Hinsicht – privilegierten Ständen war der Klerus in den Städten seit jeher stärker verwurzelt und präsent, weil er für die Wahrnehmung und Ausübung zahlreicher Aufgaben im öffentlichen und privaten Leben nicht nur zuständig, sondern auch unentbehrlich war. Kleriker hatten nicht nur für die Abhaltung von Gottesdiensten, für die Gewährleistung der allgemeinen Seelsorge und des Elementarunterrichts zu sorgen, sondern sie hatten sich auch um die noch recht spärlich vorhandenen Einrichtungen zur Behandlung von Kranken und um die Armenfürsorge zu kümmern. Dem auf Grund dieser hier nur skizzierten seelsorgerlichen, sozialen und karitativen Funktionen zu attestierenden Gewicht der Kirche Frankreichs kam wegen ­ihres großen Grundbesitzes letztlich auch noch eine politische Dimension zu. Schließlich spielte die Kirche als Versorgungsinstitution sowohl für den Adel als auch für die Söhne wohlhabender Kaufleute und königlicher Amtsträger eine wichtige Rolle. Auch innerhalb des zweiten privilegierten Standes, des Adels, existierte eine Vielfalt abgestufter Ränge, eine breite Skala unterschiedlicher rechtlicher und sozialer Gegebenheiten. So hing die Rangfolge innerhalb des Adels ganz entscheidend vom Grad der verwandtschaftlichen Nähe zur Königsdynastie, von der Zugehörigkeit zu Dynastien sehr alter Hochadelsgeschlechter bzw. anderer Adelsfamilien oder davon ab, ob man den Status eines Adligen (gentilhomme, noble) erst durch die Ausübung nobilitierender königlicher Ämter oder Chargen oder sogar nur dank eines sich über einen langen Zeitraum hinziehenden Assimilierungsprozesses erlangt hatte. Die Gruppe derjenigen Familien, 24  Vgl. Klaus Malettke Die Bourbonen. Bd. I: Von Heinrich IV. bis zu Ludwig XIV. 1589–1715, Stuttgart 2008, S. 46. 25  Siehe Anm. 21.

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denen der soziale Aufstieg in den Adel über den Kauf und die Ausübung nobilitierender Ämter der Krone gelungen war, bezeichnete man in Anspielung auf die von diesen Amtsträgern getragene Amtsrobe seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als „Robenadel“ (noblesse de robe). Nach seriösen Schätzungen gab es in Frankreich um 1500 rund 30.000 bis 40.000 Adels­familien, also etwa 200.000 Adlige. Ihr Anteil an der damaligen Gesamtbevölkerung belief sich zu jenem Zeitpunkt auf rund 1,5%. Für die Jahre um 1560 ist eine Zahl von 41.600 bis 50.200 Adelsfamilien anzusetzen. Diese machten damals wohl zwischen 1,2% bis 1,4% der Untertanen der Krone aus.26 Innerhalb des Dritten Standes wies das Statussystem noch vielfältigere Differenzierungen und Abstufungen auf, worauf hier im einzelnen nicht einzugehen ist. Signifikant ist jedoch, daß Loyseau beim „tiers état“ die Haupttrennungslinie zwischen den Inhabern von öffentlichen, königlichen, Ämtern sowie den Angehörigen von nicht durch Handarbeit bestimmten Berufen einerseits und der großen Masse von Handwerkern, Lohnarbeitern und Bauern andererseits zog. Letztere, die ihren Lebensunterhalt vor allem durch die Ausübung körperlicher Arbeit und nicht durch Handelsgeschäfte oder durch geistige Tätigkeiten bestritten, bezeichnete er als „Leute niederen und nicht ehrenhaften Standes“ (personnes viles). Neben der bei Loyseau und anderen Juristen und Gelehrten seiner Zeit thematisierten Vielfalt von Statusebenen und Rängen fällt bei diesen Autoren die Betonung jener diskriminierenden Trennungslinie auf, welche diejenigen, die körperliche Arbeit verrichteten, von jenen trennte, die geistig-intellektuelle Funktionen ausübten, die also mit dem Kopf arbeiteten und deren Berufe eine entsprechende Ausbildung bzw. Universitätsstudien voraussetzten. Körperlicher Arbeit wurde allgemein die Eigenschaft des Niederen, das Attribut des Gemeinen attestiert. Diese soziale Schranke wirkte universell, weil mit ihr ein Kriterium zur Hand war, das von allen leicht gehandhabt werden konnte. Für die „kleinen Leute“, – um eine moderne Terminologie zu verwenden – für Angehörige sozialer Unterschichten, war gesellschaftliche Aufstiegsmobiltät nur innerhalb der „niederen“, „gemeinen“, Statusgruppen möglich, nicht jedoch – oder zumindest nur sehr schwer – über diese eherne Trennungslinie hinweg. Nur wenn es in einem langwierigen Prozeß gelang, die dominierenden Merkmale der niederen Statusgruppen abzulegen bzw. verschwinden zu lassen, konnte man einen allmählichen sozialen Aufstieg seiner Familie in die höheren Statusgruppen vorbereiten und im günstigen Fall auch erfolgreich realisieren. Wenn sich darin, aber auch in anderen Verhaltensweisen und Erscheinungsformen, soziale Statik, ja sogar soziale Abschließungsphänomene manifestierten, so dürfen diese Phänomene nicht verabsolutiert werden. Auch die Ständegesellschaft gestattete ein 26  Bourquin, La France au XVIe siècle, S.  181–195; Jouanna, La France du XVIe siècle, S.  71; vgl. auch François Bluche, Pierre Durye, L’anoblissement par charges avant 1789, Les Cahiers nobles, 1962; Laurent Bourquin, La noblesse dans la France moderne XVIe–XVIIIe siècle, Paris 2002.

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beachtliches Maß an sozialer Mobilität. Diese soziale Mobilität im Sinne „der vielfachen Positionsveränderungen von Individuen einer Gesellschaft“ (Winfried Schulze) fand innerhalb der Ständegesellschaft als horizontale oder vertikale Mobilität statt – in der Form von Migrationsbewegungen vom Lande in die Städte bzw. auf dem Wege des Standesgrenzen überwindenden Auf- oder Abstiegs. Während der zehn Dekaden von 1479 bis 1570/80 vollzog sich nicht nur in Frankreich eine Phase beschleunigten sozialen Aufstiegs. Jenen Familien, die auf Grund ihrer gesellschaftlichen Voraussetzungen und hinreichender Vermögensverhältnisse entsprechende Ambitionen verfolgen konnten, war es möglich, ihre Nobilitierung zu erreichen. Dominierte in Frankreich während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch die Praxis, über den Erwerb einer adligen Grundherrschaft (seigneurie) und durch die Führung eines „adelsgemäßen“ Lebensstils über einige Generationen hinweg den Aufstieg in den Adel zu realisieren, so gewannen seit 1560 der Kauf und die Ausübung nobilitierender Ämter zunehmende Bedeutung für den Nobilitierungsprozeß.27 Ebenso wie andere altständisch-europäische Gesellschaftsformationen wies auch die französische Ständegesellschaft des Ancien Régime eine Vielfalt horizontaler Verflechtungen und die Existenz weitgespannter Netze von Patronage- und Klientelverbindungen auf. Charakteristisch für diese Sozialbeziehungen, die wiederum von den damals geltenden rechtlichen, gesellschaftlichen und politischen Normen reguliert wurden, waren „die Ungleichheit der Macht und Mittelausstattung von Patron und Klient und ein relativ dauerhaftes, zunächst persönliches Verhältnis dieser Partner auf Gegenseitigkeit, wobei Schutz und Chancen, Dienste und Ergebenheit [sich] gegenüberstanden“ (Peter Moraw). Klient eines Patrons konnte nicht jeder Beliebige werden. Voraussetzung für das Zustandekommen eines Klientelverhältnisses war, daß zwischen den diese Klientelbeziehung konstituierenden beiden Partnern ein Minimalkonsens hinsichtlich ihrer sozialen und politischen Positionen bestand. Der Patron verlangte von seinen Klienten absolute Loyalität. Ein Klient erwartete als Gegenleistung den Schutz sowie Gunsterweise seines Patrons und daß dieser sich für ihn „höheren Ortes“ fördernd einsetzte und ihm auf diese Weise materielle Zuwendungen verschaffte.28 Das Patron-Klient-Verhältnis wies enge Zusammenhänge, Überschneidungen und Wechselbeziehungen mit den übrigen Hauptformen von Personenverbindungen auf, d. h. mit Verwandtschaft, Freundschaft und Landsmannschaft. Für den sozialen Aufstieg sowie für das Erreichen politisch einflußreicher Positionen in der Monarchie und in der Gesellschaft hatten die Patronage- und Klientelbeziehungen eine zentrale Bedeutung. Selbst der König war zur Durchsetzung seiner Entscheidungen in den vom jeweiligen 27  Malettke, Die Bourbonen, Bd. I, S. 48; ders. (Hrsg.), Ämterkäuflichkeit: Aspekte sozialer Mobilität im europäischen Vergleich (17. und 18. Jahrhundert) [=Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 26], Berlin 1980; Ilja Mieck (Hrsg.), Ämterhandel im Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert (=Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 45), Berlin 1984; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 65 f., 87 f.; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 186–193. 28  Malettke, Die Bourbonen, Bd. I, S. 49 f.; ders., Richelieu, S. 28 f.

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Zentrum der Macht entlegenen Provinzen und Regionen immer wieder auf sein weitgespanntes Netz von Klienten angewiesen. Gleiches gilt für seine Minister und sonstige hochgestellte Funktionsträger. Um das weiträumige und in vieler Hinsicht noch recht autonome Erscheinungsformen aufweisende Frankreich, dessen administrative Strukturen sich in einem permanenten Entwicklungsprozeß befanden, regieren zu können, war es für den Monarchen und seine Minister unerläßlich, daß sie sich auf ein weitgespanntes und funktionierendes Netz von Klientelbeziehungen stützen konnten.29 Die Ergebnisse neuerer historisch-demographischer Untersuchungen lassen die Feststellung zu, daß um 1550 nur ungefähr 10% der Fläche Frankreichs urbanisiert war. Vom Ende des 15. Jahrhunderts bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts hatte die Zahl der in Städten lebenden Franzosen zwischen 10% und 100% zugenommen. An der Spitze der sieben größten Städte rangierte um 1550 Paris, dessen Einwohnerzahl in jener Phase von rund 180.000 auf etwa 300.000/350.000 Personen anstieg. Hinter Paris folgte die Handels- und Finanzmetropole Lyon, in der um 1550 rund 60.000 oder 70.000 Menschen lebten. Entsprechende Schätzungen haben für Rouen 30.000 bis 60.000, für Bordeaux 20.000 bis 30.000, für Toulouse 40.000 bis 50.000, für Orléans nahezu 50.000 und für die Hafenstadt Marseille 10.000 bis 30.000 Einwohner ergeben. Die mittleren Städte beherbergten um 1550 zwischen 10.000 und 25.000 Franzosen. Im 15. und 16. Jahrhundert lebten von hundert Untertanen des Königs im Durchschnitt allenfalls zehn in den Städten.30 Faßt man den Komplex der politisch-administrativen Regierungsinstitutionen ins Auge, ist zu konstatieren, daß deren Entwicklungsprozeß sich noch in seiner frühen Phase befand. Wenn auch die letzte Entscheidung in allen Angelegenheiten dem König vorbehalten war und blieb, so gehörte es seit jeher zu den Fundamenten seiner Herrschaftspraxis, daß dieser sich beraten ließ. Als zentrales Beratungsgremium hatte sich im Laufe der Zeit der Rat des Königs herausgebildet. Seit 1578 setzte sich für dieses Gremium die Bezeichnung Conseil d’État (Staatsrat), durch. Waren ursprünglich in dieser Institution unter dem Vorsitz des Königs alle zentralen Angelegenheiten beraten worden, so hatten sich im Laufe der Zeit vom Staatsrat einige Gremien abgespaltet, in denen spezifische Agenden und Sachfragen behandelt wurden. Hauptursache dafür war, daß Franz I. und Heinrich II. in politischer Hinsicht besonders wichtige Angelegenheiten nicht mehr im Plenum des Conseil du Roi beraten lassen wollten, zu dem ein vergleichsweise großer Personenkreis Zutritt hatte, sondern in einem wesentlich kleineren Gremium, zu dem sie jeweils nur die ihnen besonders vertrauten Persönlichkeiten bzw. ihre jeweiligen Favoriten hinzuzuziehen pflegten. Dieses kleine Gremium, in dem generell die Agenden von zentraler politischer Bedeutung in Anwesenheit des Königs beraten und auch entschieden wurden, bezeichnete man als Conseil étroit (Engen Rat), Conseil des affaires (Rat für Staatsgeschäfte), oder auch als Conseil secret (Geheimen Rat). Daneben bildeten 29  Zum Klientelwesen: Sharon Kettering, Patrons, Brokers and Clients in Seventeenth-Century France, Oxford 1986; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 78 f. 30  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 105 f.; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 136–139.

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sich auch der Finanzrat (Conseil des finances) für den Komplex der Staatsfinanzen, der Conseil privé (Privatrat) für die Behandlung und Entscheidung von administrativen Routineangelegenheiten und allmählich weitere Ratsgremien heraus, die sich mit speziellen Materien zu befassen hatten. Diese Ratsgremien waren weniger bedeutend. Während 1547 dem Conseil du Roi fünfzehn Persönlichkeiten angehörten, wurden vom König nur fünf zu den Beratungen und Entscheidungen im Engen Rat, hinzugezogen. De jure wurde durch den hier nur skizzierten Abspaltungs- bzw. Ausgliederungsprozeß die Einheit des Conseil du Roi nicht gesprengt.31 Für das wichtigste informelle Beratungsgremium, den Engen Rat, bzw. den Rat für Staatsgeschäfte, der in der Regel unter dem Vorsitz des Königs zusammentrat und in dem die wichtigsten Agenden behandelt und entschieden wurden, gab es keine Geschäftsordnung im modernen Sinne. Zumeist wurden die hinzugezogenen Persönlichkeiten vom König gemäß ihrer Anciennität zur Abgabe ihres Votums aufgefordert. Das war aber keine festgefügte Regel. Ein Protokoll wurde auch nicht geführt. Im allgemeinen forderte der König den- oder diejenigen zur Teilnahme an den jeweiligen Beratungen auf, dessen bzw. deren Anwesenheit er wünschte und der bzw. die sich seiner besonderen Gunst erfreuten. Unter Heinrich III. gehörten zu diesem Kreis seine „mignons“. Diese Bezeichnung hatte damals nicht jene zweideutige Konnotation, die man ihr oft attestiert. Sie war ein Synonym für den Begriff „favori“, Günstling.32 Eine wesentliche Rolle in der Administration der Monarchie spielten in dem hier zu betrachtenden Zeitraum die Gouverneure. Der König rekrutierte die Inhaber dieser in politischer, militärischer und administrativer Hinsicht sehr wichtigen Charge, deren Zuständigkeitsbereich jeweils ein „gouvernement“ (Statthalterbezirk) war, in der Regel aus dem erlauchten Kreis der Prinzen von Geblüt (princes de sang) und aus den Familien des sehr alten und hohen Adels. Ihr vollständiger Titel lautete: „gouverneur et lieutenant général“ (Gouverneur und Generalstatthalter). Der zweite Teil ihres Titels deutete bereits darauf hin, daß die Inhaber dieser Charge Stellvertreter des Königs in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich waren. Entsprechend allgemein und weitgefaßt waren ihre Kompetenzen in der Administration, im militärischen Bereich und auf dem Sektor der Rechtsprechung ihres Statthalterbezirks. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts gab es zwölf große „gouvernements“: Paris und Île-de-France, Burgund, Normandie, Guyenne, Bretagne, Champagne-Brie, Languedoc, Picardie, Dauphiné, Provence, Lyonnais-Auvergne und Orléanais-Berry-Poitou. Auf Grund von Abtrennungen bzw. Ausgliederungen wuchs ihre Zahl im weiteren Verlauf.33

31  Malettke, Die Bourbonen, Bd. I, S. 40 f.; ders., Richelieu, S. 30; Cloulas, Henri II, S. 146 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 189–192; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 35 f. 32  Jouanna, La France du XVIe, S. 561; Malettke, Richelieu, S. 30. 33  Barbiche, Les institutions de la monarchie française à l’époque moderne, S.  323–328; Jouanna, La ­France du XVIe siècle, S. 203 f.; Malettke, Richelieu, S. 31 f.

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Um den aus den Religions- und Bürgerkriegen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts resultierenden Problemen in den Provinzen der Monarchie besser begegnen zu können, stellte Franz II. im Jahr 1560 den Gouverneuren Kommissare an die Seite. Diese Kommissare rekrutierte er zumeist aus Familien des Amts- bzw. Robenadels. Sie wurden mit präzisen Instruktionen ausgestattet. Ihre Tätigkeit war zeitlich begrenzt, und sie konnten jederzeit abberufen werden. Sie waren damit stärker abhängig von der Krone als die Gouverneure.34 Kurz einzugehen ist in diesem Kontext auch auf die Generalstände (États généraux) und die Provinzialstände (États provinciaux). Die Versammlung der Generalstände trat nicht regelmäßig zusammen; sie wurde bei besonderen Anlässen vom König einberufen. Das geschah insbesondere dann, wenn er sich veranlaßt sah, die Vertreter des Klerus, des Adels und des Dritten Standes Frankreichs in wichtigen Fragen zu konsultieren bzw. einen politischen Dialog mit ihnen zu führen. De jure blieb das Recht der Generalstände unbestritten, neue Steuern zu bewilligen; aber die Krone setzte sich regelmäßig darüber hinweg. „Kompetenzen und Bedeutung der Generalstände waren umgekehrt proportional zu einer starken Krongewalt.“35 Der Wahlmodus, der bei der Entsendung der Ständevertreter angewendet wurde, war für den jeweiligen Stand recht unterschiedlich, aber auch nach modernem Verständnis relativ „demokratisch“.36 Eine Reihe von Provinzen verfügte über Ständeversammlungen, zu denen die verschiedenen Stände auf Grund des jeweils geltenden Wahlmodus ihre Repräsentanten entsandten. Die Provinzialstände traten in bestimmten Abständen zusammen und berieten über Angelegenheiten der jeweiligen Provinz, insbesondere über Steuerforderungen der Krone. Vergleichsweise mächtige Stände gab es in der Bretagne, in Burgund, in der Provence, im Languedoc und in einigen kleineren Gebieten im Umkreis der Pyrenäen. Auf die kleineren und weniger mächtigen Provinzialstände ist hier nicht einzugehen. Man bezeichnete jene Provinzen, in denen die Stände regelmäßig zusammentraten, als „pays d’États“. Die Provinzialstände verfügten auch über administrative Befugnisse.37 Um 1559 wiesen die reformierten Kirchen in Frankreich folgende vereinfacht dargestellte Organisationsstrukturen auf: An der Spitze der einzelnen Kirchengemeinden befand sich das Konsistorium. Dieses setzte sich aus seinem Leiter, dem jeweiligen P ­ astor, und weiteren Predigern sowie Gemeindeältesten und Diakonen zusammen. Auf der 34  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 204 f.; Malettke, Die Bourbonen, Bd. I, S. 43; ders., Richelieu, S. 33. 35  Mieck, Die Entstehung des modernen Frankreich, S. 169. 36  Zu den Generalständen siehe: Barbiche, Les institutions de la monarchie française à l’époque moderne, S. 90–93; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 151 f., 366–371, 516–522, 593–596; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 44 f.; James Russell Major, The Deputies to the Estates in Renaissance France, Madison 1960; J. Michael Hayden, France and the Estates General of 1614, Cambridge 1974; Manfred Orlea, La noblesse aux États généraux de 1576 et de 1588, Paris 1980. 37  Zu den Provinzialständen: Barbiche, Les institutions de la monarchie française à l’époque moderne, S. 98–102; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 153 ff.; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 45; Mieck, Die Entstehung des modernen Frankreich, S, 172–175; Malettke, Richelieu, S. 33.

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Ebene der Provinzen existierte jeweils eine Provinzialsynode, die in der Regel zweimal jährlich tagte. An ihr nahmen die Pastoren, die Gemeindeältesten und die Diakone der ganzen Kirchenprovinz teil. Geleitet wurde die Provinzialsynode von einem gewählten Präsidenten, der für die Dauer der jeweiligen Zusammenkunft amtierte. Die Provinzialsynoden entschieden über die in ihrem Zuständigkeitsbereich anfallenden Probleme. Auf gesamtnationaler Ebene wurde – falls erforderlich – eine Generalsynode einberufen. An dieser nahmen Pastoren, Gemeindeälteste und Diakone aus ganz Frankreich teil. Für die Dauer ihrer Tagung wurde auch sie von einem Präsidenten geleitet.38 4.2

König Heinrich II. (1547–1559): Persönlichkeit, Grundlinien seiner Außenund Innenpolitik

Wer war dieser König, den Katharina wohl nicht – wie sie immer betonte – innig liebte, aber auf ihre Weise sicherlich sehr schätzte, und an dessen Seite sie zwar äußerlich beherrscht und still, aber dennoch innerlich entschlossen um Anerkennung und Einflußnahme rang? Welche innen- und außenpolitische Ziele verfolgte er? Wie sah seine politische Bilanz am Ende seiner Herrschaft aus? Diese Fragenkomplexe sind – wenn auch nur kurz – zu thematisieren, denn vor diesem Hintergrund und unter diesen Rahmenbedingungen agierte die Königin Katharina bis zum Tode ihres Mannes am 10. Juli 1559. In der Beurteilung des Lebens und der Leistung dieses Königs ist sich die einschlägige Forschung nach wie vor uneinig. Der am 31. März 1519 in Saint-Germain-en-Laye geborene Heinrich wuchs als mittlerer der drei Söhne Franz’ I. auf. Wenn es im Leben Heinrichs eine Phase gegeben hat, die die Formung seines Charakters nachhaltig bestimmte, so waren es die annähernd fünf Jahre, die er zusammen mit seinem älteren Bruder als Geisel in Spanien zubringen mußte, um ihrem nach der Schlacht von Pavia (1525) in kaiserliche Gefangenschaft geratenen Vater die Rückkehr nach Frankreich zu ermöglichen. Den weitaus größten Teil dieser Zeit – bis zum Abschluß und zur Durchführung des Friedens von Cambrai (1530) – verbrachten die beiden Königssöhne – da man Flucht- oder Befreiungsversuche unmöglich machen wollte –, unter teilweise ungünstigen, wenn nicht unwürdigen Bedingungen in mehreren kastilischen Festungen. Die mit dieser Gefangenschaft verbundene Demütigung hat Heinrich niemals vergessen und Karl V. als ihrem Urheber immer unauslöschlichen Haß entgegengebracht.39

38  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 334–339. 39  Babel, Heinrich II., S. 74. Der Friedensvertrag von Cambrai wurde am 3. August 1529 unterzeichnet. – Zu Heinrich II.: Janine Garrisson; Les derniers Valois, Paris 2001; René de Belleval, Les derniers Valois, Paris 2012.

4.2 König Heinrich II.

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Heinrich blieb zeitlebens ein sich zurücknehmender, ja weitgehend verschlossener Mann, der zwar untadelige Manieren erlernt hatte und Ritterlichkeit praktizierte, dem aber die „prachtliebende Flamboyanz“ und die „gesellige Strahlkraft“ seines Vaters Franz’ I. fremd waren und blieben. „Während sein Bruder, der dem Vater sehr ähnelte, und zwar nicht nur durch den gemeinsamen Vornamen, sich von den Erlebnissen wieder erholte, behielt Heinrich, wie es scheint, eine Art Trauma, eine verhaltene Trauer und tiefe Verschlossenheit“ aus den Jahren der Gefangenschaft in Spanien zurück. „Er war lesebegeistert und neigte zu Träumereien – ein einzelgängerischer, zurückhaltender Charakter, trotz der sportlichen Höchstleistungen, die dieser muskulöse Jüngling vollbrachte und die den Königssohn am exponierten Hof seines Vaters doch auch wieder in ein standesgemäßes Licht rückten.“40 Zwischen Heinrich und seinem Vater hatten sich je länger desto mehr politische Differenzen und Spannungen aufgebaut. Weil er von den politischen Entscheidungen ferngehalten wurde, fühlte er sich zurückgesetzt. Zum anderen war er mit manchen außenpolitischen Entscheidungen seines Vaters nicht einverstanden, insbesondere dann, wenn aus seiner Sicht bei diesen Entscheidungen die Interessen Frankreichs gegenüber Kaiser Karl V. nicht entschieden genug vertreten wurden. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß der achtundzwanzigjährige Heinrich bereits am 1. April  1547, also schon am Tag nach dem Ableben seines Vaters, ein großes personelles Revirement im Staatsrat vornahm. Dabei hatte sicherlich auch eine Rolle gespielt, daß er bisher keine großen politischen Erfahrungen durch aktive Einbeziehung in die politischen Entscheidungsprozesse hatte sammeln können und deshalb politisch weitgehend unerfahren war. Er benötigte Beratung durch loyale und erfahrene Persönlichkeiten. Heinrich veranlaßte Anne de Montmorency, den ehemaligen Jugendgefährten und engen politischen Vertrauten seines Vaters, der aber 1535 bei diesem in Ungnade gefallen war, an den Hof zurückzukehren, und erörterte mit ihm am 1. April 1547 zwei Stunden lang eine Reorganisation der Regierung. Der neue König hatte völliges Vertrauen in diesen vierundfünfzigjährigen Mann und machte ihn deshalb zum Chef des Staatsrates. Faktisch besaß Montmorency damit die Autorität eines Vizekönigs und „blieb bis zu Heinrichs Tode die beherrschende Figur an dessen Seite“41. Heinrich bestätigte Montmorency in seinen hohen Chargen eines Konnetabels, der in der Hierarchie der Großoffiziere der Krone (grands officiers de la couronne42) nach dem Kanzler an zweiter Stelle rangierte, und eines „grand-maître“ (Großmeisters) seines Hofstaates (maison du roi), dem damit dessen innere Leitung oblag. Montmorency wurde des weiteren das Kommando (capitaine) über die Festungen Bastille, Vincennes (bei Paris), Saint-Malo und 40  Appel, Katharina von Medici, S. 51 f. 41  Babel, Heinrich II., S. 76. – Zu Anne de Montmorency: Marc Blancpain, Anne de Monmorency le toutpuissant, 1493–1567, Paris 1988. 42  Dazu: Mieck, Die Entstehung des modernen Frankreich, S. 164 f.; Barbiche, Les institutions de la mo­ narchie française à l’époque moderne, S. 145–152.

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Kapitel 4 – Katharina: Gemahlin König Heinrichs II

Nantes (beide in der Bretagne gelegen) übertragen. Außerdem erhielt er als „lieutenant général“ das „gouvernement“ im Languedoc zurück. Sein Bruder, Antoine de La Rochepot, wurde Gouverneur von Paris.43 Später sollte sich Katharina in manchen Fragen mit Montmorency auseinanderzusetzen haben. Von der mächtigen und einflußreichen Position Montmorencys profitierten aber auch seine nahen Verwandten. So erhielt sein Neffe Odet de Châtillon de Coligny (1517–1571), der seit 1534 bereits Kardinal und Erzbischof von Toulouse war, zusätzlich das Bistum Beauvais (évêché-pairie de Beauvais), womit die Würde eines Pairs von Frankreich verbunden war. Der zweite Neffe Gaspard de Coligny wurde Generaloberst der Infanterie (colonel général de l’infanterie).44 Beide spielten später als Anführer der Hugenotten eine zentrale politische Rolle in den Religions- und Bürgerkriegen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, mit denen sich Katharina konfrontiert sehen sollte. Die Wohltaten Heinrichs kamen aber auch den Guise zugute, die sich als schärfste Rivalen Montmorencys im Ringen um Macht und Einfluß beim König erwiesen. Als Katharina nach seinem Tod 1559 während der Jahrzehnte seit Anfang 1561 die Politik Frankreichs maßgeblich bestimmte, hatte auch sie immer wieder Kontroversen mit den Guise auszutragen. Deshalb ist bereits hier kurz auf das Haus der Guise einzugehen. „Die Guise bezogen hohes Selbstbewußtsein aus ihrer Zugehörigkeit zum lothringischen Herzogshaus, dessen jüngerer Zweig sie waren.“45 Franz  I. hatte dem alten und ersten Herzog Claude de Guise (1496–1550) die Charge eines Gouverneurs von Burgund und seinem ältesten Sohn Franz von Aumale, der nach dem Tode des Vaters den Titel eines Herzogs von Guise annahm (François d’Aumale, duc de Guise), das Gouvernement der Dauphiné und Savoyens übertragen. Franz hatte aber seinem Sohn Heinrich geraten, gegenüber den Guise Vorsicht walten zu lassen. Dieser hielt sich aber nicht an den Rat des Vaters, denn bei dessen Begräbnisfeierlichkeiten tauchten fünf Söhne des Herzogs Claude von Guise unter den Prinzen von Geblüt auf. Es waren dies Charles de Guise, Erzbischof von Reims (Charles de Guise, 1524–1574, archevêque-duc de Reims, cardinal de Lorraine), und sein jüngerer Bruder Louis de Lorraine (1527–1578), Bischof von Troyes, Kardinal von Lothringen. Die anderen drei Brüder waren René, Marquis von Elbeuf, Franz, Ritter von Lothringen (chevalier de Lorraine) und schließlich Claude, Marquis von Mayenne.46 Herzog Franz von Aumale hatte sich bei zahlreichen Kämpfen den Ruf eines glänzenden Militärs erworben. Er war aber auch ein durchaus fähiger Politiker. Bei einer Schlacht hatte er eine schwere Verletzung im Gesicht erlitten, die eine bleibende lange Narbe hinterließ. Das hatte ihm den Beinamen „le balafré“ (der Mann mit dem Schmiß) eingetragen. 43  Cloulas, Henri II, S. 139 f. 44  Cloulas, Henri II, S. 140. – vgl. auch Jules Delaborde, Gaspard de Coligny, amiral de France, Paris 2013. 45  Babel. Heinrich II., S. 76. 46  Cloulas, Henri II, S. 140. Vgl. auch Jean-Marie Constant, Les Guise, Paris 1984; Daniel Cuisiat; Lettres du cardinal Charles de Lorraine (1525–1574), Genf 1998; René de Bouillé, Histoire des ducs de Guise, Paris 2002; Joseph de Croze, Les Guise, les Valois et Philippe II, Paris 2010.

4.2 König Heinrich II.

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Zumindest an politischen Fähigkeiten stand ihm sein jüngerer Bruder Karl nicht nach. Bald nach dem Wechsel auf dem Thron war er dank der Unterstützung Heinrichs durch den Papst in den Kardinalsrang (cardinal de Lorraine) erhoben worden. In Montmorency und den Brüdern Guise verkörperten sich während der gesamten Ära Heinrichs II. nicht nur die Konflikte zweier um Macht und Einfluß ringender Familien samt ihrem jeweiligen Anhang, sondern darüber hinaus zwei entgegengesetzte Konzepte wenigstens der äußeren Politik. Der schroffe und unzugängliche Konnetabel [Montmorency] neigte – in seltsamem Gegensatz zu aller Härte, ja Grausamkeit, die er gegen die Feinde des Königs auf dem Schlachtfeld durchaus an den Tag legen konnte – als Militär wie als Politiker zur Vorsicht, ja selbst immer zu einer grundsätzlichen Friedensbereitschaft. Die Guise waren meist auf der Seite der Partei der kühnen Aktionen und des kalkulierten Wagnisses zu finden, unter anderem deswegen, weil Bewährung als Feldherr für den Herzog Franz das beste Mittel war, den Abstand zu den einflußreichen Montmorency zu verringern.47

Eine Vertrauensposition hatte aber auch Jacques d’Albon de Saint-André (1505–1562) bei Heinrich inne. Er war dessen Erster Kammerherr (premier gentilhomme du roi). Der Botschafter Karls V. in Frankreich hatte dessen enormen Einfluß durchaus erkannt, denn er berichtete: „Der König gewährt morgens bis zu seiner Ankleidung keiner anderen Person Zugang zu seinem Gemach als dem jungen Saint-André.“48 Sein Vater Jean d’Albon de Saint-André und er hatten Sitz und Stimme im Staatsrat, so daß sie nicht nur Einfluß auf die persönlichen Angelegenheiten des Königs, sondern auch auf die große Politik nehmen konnten. Die wichtigsten Persönlichkeiten im Staatsrat waren der Konnetabel Montmorency, der Herzog Franz von Aumale und sein Bruder, der Erzbischof Karl von Guise, sowie die beiden Saint-André. Über ihre Kreatur und ihren Schwiegersohn Robert IV de La Marck, comte de Bouillon, und über eine weitere Vertrauensperson – beide gehörten zu den einflußreichen Persönlichkeiten im Staatsrat – erhielt auch Diana von Poitiers von allen dort behandelten Agenden Kenntnis, so daß sie auf ihre Weise indirekt intervenieren konnte, wenn sie es für opportun erachtete.49 Wie es bereits unter seinem Vater Franz der Fall war, so stand auch die Herrschaft Heinrichs – trotz aller zwischen ihnen bestehenden politischen Differenzen – von Anbeginn im Zeichen der Außenpolitik. Ein auch nur summarischer Blick auf die Abfolge der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Valois und dem Haus Habsburg belegt diesen Sachverhalt. Während der Herrschaft Franz’ I. kam es zu vier offenen militärischen Konflikten. Im ersten Krieg erlitt der König im Februar 1525 eine vernichtende Niederlage bei Pavia und geriet in spanische Gefangenschaft; der Konflikt endete mit 47  Babel, Heinrich II., S. 77. 48  „Le roi n’admet personne en sa chambre du matin et jusqu’à ce qu’il soit habillé, sinon le jeune SaintAndré.“ Zitiert über Cloulas, Henri II, S. 141 f. 49  Ebenda, S, 145 f. – Mit dem Begriff Kreatur (créature) bezeichnete im damaligen Klientelsystem der Herr (patron) seinen von ihm abhängigen und durch ihn geförderten Klienten. Vgl. dazu: Malettke, Richelieu, S. 543–565.

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dem Vertrag von Madrid vom 13. Januar 1526. Dem zweiten Krieg, der 1527 begann, ging die Bildung der Liga von Cognac vom 22. Mai 1526 zwischen Franz I. mit dem Papst, Venedig und mehreren italienischen Fürsten voraus. Er fand am 3. August 1529 sein Ende mit dem Friedensvertrag von Cambrai. Rund sechs Jahre später, im Januar/Februar 1536 kam es zum dritten Krieg, der wegen divergierender Ansprüche auf das Herzogtum Mailand ausgelöst worden war. Er endete auf päpstliche Vermittlung mit dem Abschluß des Waffenstillstandes von Nizza vom 18. Juni 1538. Nur vier Jahre später, im Juli 1542, brach der vierte Krieg aus, bei dem es erneut um die Realisierung der oberitalienischen Ambitionen des französischen Königs ging. Von einer kaiserlich-englischen Allianz bedrängt, schloß Franz I. am 18. September 1544 mit Kaiser Karl V. den Friedensvertrag von Crépyen-Laonnois. Der Krieg mit England endete aber erst mit dem Frieden von Ardres (im heutigen Departement Pas-de-Calais gelegen), der für die französische Krone den vorläufigen Verzicht auf das im Krieg verlorengegangene Boulogne implizierte. Im Vertrag von Crépy war der Austausch aller seit einem bestimmten Zeitpunkt von beiden Kontrahenten gemachten Eroberungen vorgesehen, darunter die Restitution des 1536 von Frankreich eroberten Savoyen unter Einschluß von Piemont. Außerdem wurden Vereinbarungen über eine dynastische Verbindung zwischen dem jüngsten Sohn Franz’ I. und einer territorial reich ausgestatteten Habsburgerin getroffen. Als Morgengabe sollte die Habsburgerin entweder mit den Niederlanden oder mit dem Herzogtum Mailand ausgestattet werden. Karl V. behielt sich aber eine endgültige Entscheidung darüber innerhalb einer gewissen Frist vor. Sollte der Kaiser Mailand als Mitgift bestimmen können, mußte freilich zuvor unbestritten sein, daß er es auch rechtens besaß, d. h. der ins Auge gefaßte Transfer an Heinrichs jüngeren Bruder setzte den Verzicht auf einen traditionellen Rechtsanspruch der Krone Frankreichs voraus, so wie der Vertrag im übrigen auch die Aufgabe alter Ansprüche auf das Königreich Neapel und die Grafschaften von Asti, Flandern und Artois bestimmte. Obwohl der Kaiser im Gegenzug seinen Anspruch auf Burgund fallenließ, war ein solcher Verzicht problematisch, denn die Grundgesetze der französischen Monarchie legten die Unveräußerlichkeit des gesamten Kronbesitzes fest.50

Heinrich hatte jedoch grundsätzliche Reserven gegenüber diesem Friedensvertrag. Vor zwei Notaren und in Anwesenheit zweier von ihm ausgewählten hochadligen Zeugen legte er deshalb am 12. Dezember 1544 gegen den Vertrag einen geheimgehaltenen Protest ein. Dabei hat bei ihm wohl einerseits die Befürchtung eine Rolle gespielt, daß sein jüngerer Bruder mit der Realisierung des darin vorgesehenen dynastischen Projekts eine zu mächtige und unabhängige Position erlangen könne. Andererseits leitete ihn seine stark ausgeprägte Überzeugung, die territoriale Integrität Frankreichs dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. Das unerwartete Ableben des Heiratskandidaten Karl von Orléans 50  Babel, Heinrich II., S. 75; zum Frieden von Crépy vgl. auch: Cloulas, Henri II, S. 122 ff; Alfred Kohler, Expansion und Hegemonie. Internationale Beziehungen 1450–1559, S. 125.

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1545 verhinderte den Vollzug des Friedens, was nichts daran änderte, daß Heinrich weiterhin Distanz gegenüber der Politik seines Vaters hielt. Als Heinrich am 31. März 1547 Franz auf dem Thron Frankreichs gefolgt war, änderte sich nichts an der jahrzehntelangen Gegnerschaft zwischen den Valois und dem Haus Habsburg. Insofern setzte der neue König die Außenpolitik seines Vaters fort. Hauptschauplätze des 1552 erneut ausgebrochenen und bis zum Waffenstillstand von Vaucelles vom 6. Februar 1556 andauernden fünften Krieges zwischen den Valois und dem Haus Habsburg waren Italien und das Reich. Schon die heimlich eingelegte Verwahrung gegen den Frieden von Crépy hatte in gewisser Weise die Richtung gewiesen, die durch die Kontakte des Dauphin mit den Feinden des Kaisers im Reich dann ja konsequent eingehalten wurde. Die protestantischen Fürsten des Reiches freilich, die bei Franz I. einst Rückhalt gegenüber ihrem Kaiser gefunden hatten, waren nach dem Ende des Schmalkaldischen Krieges [1546–1547] in ihrem Bewegungsspielraum stark eingeengt. Wollte Heinrich, wie es schien, den Kampf Frankreichs gegen Habsburg wieder aufleben lassen, boten sich Ansatzpunkte vorerst in Italien, obwohl dem fest verankerten habsburgischen Einfluß sowohl im Herzogtum Mailand als auch im Königreich Neapel und in Sizilien hier zunächst nur Frankreichs Präsenz im 1536 annektierten Piemont entgegenstand.51

Der Hof Heinrichs und Katharinas hatte sich zum Sammelpunkt der italienischen ­Opposition gegen die habsburg-spanischen Ambitionen auf der Apenninenhalbinsel entwickelt. Am 26./27. Juli 1552 rebellierte die Stadtrepublik Siena gegen ihre kaiserlichspanische Garnison, die diese Stadtrepublik seit zwölf Jahren besetzt hielt. Heinrich bot sich damit eine willkommene Gelegenheit zu intervenieren, nachdem Siena ihn um Protektion gebeten hatte. Unterstützt wurde seine offensive Italienpolitik von den Guise und den zahlreichen italienischen Exulanten am französischen Hof. Der König ernannte Piero Strozzi (1510–1558), den Cousin Katharinas von Medici, zum Oberbefehlshaber einer Armee, die der rebellierenden Stadt zu Hilfe eilen sollte. Wenn Siena in die französische Hände fiel, konnte die Stadt den „fuorusciti“, den aus Florenz geflohenen Landsleuten Katharinas, als Basis dienen, um Cosimo I. von Medici (1537–1574), Herzog von Florenz, von dort zu vertreiben, die diesbezüglichen Rechte Katharinas wieder zur Geltung zu bringen und das Herzogtum der Protektion des französischen Königs zu unterstellen. Zuvor hatte sich bereits Ottavio Farnese (1547–1586), der Herzog von Parma, unter französischen Schutz gestellt.52 Aber während die französische Intervention in Italien einen zunächst erfolgreichen Verlauf nahm, gerieten auch die Vorgänge im Reich wieder stärker in das Blickfeld der französischen Außenpolitik. Schon seit einiger Zeit hatte die französische Diplomatie 51  Babel, Heinrich II., S. 78. – Die Abtei Vaucelles lag an der niederländisch-französischen Grenze. 52  Dazu: Heinrich Lutz, Italien von Lodi bis zum spanischen Erbfolgekrieg (1454–1700), in: Josef Engel (Hrsg.), Die Entstehung des neuzeitlichen Europa (=Handbuch der Europäischen Geschichte, Bd. 3), Stuttgart 1971, S. 883 ff.; Babel, Heinrich II., S. 78 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 70 ff.

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das Reich als Terrain für ihre Aktivitäten gegen Karl V. ins Auge gefaßt. Festzuhalten ist, daß die protestantische Fürstenopposition in Heinrich einen geeigneten Bündnispartner für ihre antikaiserlichen Aktionen sah. Treibende Figur war der Kurfürst Moritz von Sachsen (1548–1553) aus dem Hause Wettin. Im Oktober 1551 schloß er in Lochau eine Allianz mit zwei weiteren Reichsfürsten, der Heinrich im Februar 1552 beitrat. Vereinbart wurde ein gemeinsames Agieren gegen Karl V. Begründet wurde das Vorgehen mit dem gerechten Kampf gegen die „viehische spanische Servitut“, die der Kaiser dem Reich auferlegen wolle. Frankreich nahm als Schutzmacht der „Libertät“ der deutschen Fürsten an dem Bündnis teil. Heinrich verpflichtete sich zu umfassender Militär- und Finanzhilfe; um einen französischen Feldzug ins Reich strategisch zu sichern, wurden ihm von seinen deutschen Vertragspartnern – in reichsrechtlich höchst fragwürdiger Weise – [im Vertrag von Chambord vom 15. Februar 155253] die lothringischen Reichsstädte Metz, Toul und Verdun sowie Cambrai als Reichsvikar anvertraut.54

Die militärischen Operationen begannen im Frühjahr 1552, womit der sechste Krieg zwischen den Valois und der „Casa de Austria“ ausbrach. Das vom Herzog Franz von Guise verteidigte Metz konnte von kaiserlichen Truppen nicht zurückerobert werden. Weitergehende Ambitionen zu realisieren, war Heinrich aber wegen des Verhaltens der deutschen Reichsfürsten ebenfalls nicht möglich. Aber auch in Italien kam es nach anfänglichen Erfolgen im Jahr 1554 zu einer Reihe von Rückschlägen. Am 2. August 1554 wurde Piero Strozzi von den Truppen Cosimos geschlagen. Schließlich mußte auch Siena am 17. April 1555 kapitulieren. Die Franzosen konnten sich dank der Unterstützung durch eine osmanische Flotte nur in Korsika längere Zeit behaupten. Da Karl V. sich in zunehmendem Maße mit inneren Schwierigkeiten konfrontiert sah, kam es im Frühjahr 1555 unter englischer Vermittlung in Ardres, unweit von Calais, zu Verhandlungen, die aber wegen der von beiden Seiten präsentierten Maximalforderungen ergebnislos abgebrochen wurden. Es ist wohl vor allem die Abdankung Karls V. [1555/1556] gewesen, welche […] weitere Verhandlungen ermöglichte. Heinrichs tiefsitzende Abneigung gegen die Person des Kaisers war nun weniger hinderlich; die Aufteilung des habsburgischen Machtbereichs zwischen Philipp [II.], der Spanien, die Niederlande und die italienischen Besitzungen erhielt, und Karls Bruder Ferdinand [Kaiser 1556–1564] mußte auch in französischen Augen die Gefahr einer Universalmonarchie in milderem Lichte erscheinen lassen.55

Am 6. Februar 1556 kam es zum Abschluß des bereits genannten fünfjährigen Waffenstillstandes von Vaucelles, in dem sich die Kontrahenten über die vorläufige Wahrung des jeweiligen Besitzstandes einigten. Für Heinrich war der weitere Besitz der drei 53  Vgl. dazu Kap. 4.1, S. 48 f. 54  Babel, Heinrich II., S. 79. 55  Babel, Heinrich  II., S.  82. Zu Philipp  II.: Reinbold, Philipp  II. von Spanien. Machtpolitik und Glaubenskampf.

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Reichsstädte, Korsikas sowie einiger kleinerer Plätze in Italien besonders wichtig. Die Verhandlungen waren vom Admiral Coligny, des bereits genannten Neffen Montmorencys, geführt worden. Die Guise hatten indessen dagegen opponiert und verharrten in ihrer ablehnenden Haltung. So überrascht es nicht, daß sich der Waffenstillstand alsbald als fragil erwies. Dazu trugen aber auch einige Ereignisse in Italien bei. Im September 1556 rückte der spanische Herzog von Alba (Fernando Alvarez de Toledo, 1507–1582) in den Kirchenstaat ein. Weil der Papst zuvor ein Bündnis mit dem französischen König abgeschlossen hatte, das sich gegen die spanische Vormacht in Italien richtete, sah sich Heinrich zu einer entschiedenen Reaktion veranlaßt. Im Frühjahr vereinigte der zum Generalleutnant ernannte Herzog Franz von Guise in Piemont eine Armee, mit der er nach Rom marschierte. Dessen militärische Operationen brachten indessen nicht den erhofften Erfolg, denn die Truppen des Herzogs von Guise erwiesen sich jenen Albas als unterlegen. Für Heinrich gestaltete sich schließlich die Lage noch bedrohlicher, als er sich an der Nordgrenze Frankreichs, also an der Grenze zu den spanischen Niederlanden, einer zunehmenden Bedrohung ausgesetzt sah. Dort gelang es dem Herzog Emanuel Philibert von Savoyen am 10. August  1557, den Konnetabel Montmorency bei Saint-Quentin vernichtend zu schlagen. Dieser geriet in spanische Gefangenschaft. Durch diese schwere militärische Niederlage wurde das Kernland der französischen Monarchie, ja selbst Paris, akut bedroht. Auch dank des energischen Handelns von Katharina von Medici in Paris – worauf in anderem Zusammenhang näher einzugehen ist56 – konnten Entsatztruppen rekrutiert werden. Im Staatsrat setzte sich aber schließlich der Gedanke durch, daß auf eine schnelle Rückeroberung von Saint-Quentin zugunsten eines militärischen Vorgehens gegen Calais, das sich seit über hundertfünfzig Jahren in englischer Hand befand, verzichtet werden sollte. „Hier konnte England [das sich damals auf der Seite der Gegner des französischen Königs befand] am empfindlichsten getroffen und von hier aus konnten auch die spanischen Kräfte in den Niederlanden in Schach gehalten werden.“57 Am 8. Januar 1558 mußte schließlich Calais kapitulieren. Aber sowohl die französische als auch die spanische Seite sahen sich mit wachsenden finanziellen Problemen bei der Deckung der Kriegskosten konfrontiert, so daß in Paris und Madrid die Bereitschaft wuchs, den Krieg zu beenden und in Friedensverhandlungen einzutreten. Heinrich übertrug dem in spanischer Gefangenschaft befindlichen Konnetabel Montmorency die Verhandlungsführung. Im Februar 1559 trafen sich die Unterhändler in der Nähe von Cambrai. Dort einigte sich die englische und französische Seite dahingehend, daß Calais zunächst acht Jahre bei Frankreich verbleiben solle. Zwischen Spanien und Frankreich wurde der vollständige Austausch der Eroberungen beider Seiten vereinbart. Dem Herzog von Savoyen wurden seine Stammlande unter Einschluß Piemonts restituiert. Allerdings waren davon die Festungen Turin, Pinerolo, 56  Vgl. Kap. 4.3, S. 86 ff. 57  Babel, Heinrich II., S. 84; vgl. Kohler, Expansion und Hegemonie, S. 384 ff.

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Kapitel 4 – Katharina: Gemahlin König Heinrichs II

Chieri, Chivasco und Villanova d’Asti ausgenommen. Der Status und das Schicksal der drei Reichsstädte Metz, Toul und Verdun kamen indessen im Friedensschluß von CateauCambresis vom 2./3. April  1559 nicht zur Sprache, weil es sich hierbei in rechtlicher Hinsicht um eine Reichsangelegenheit handelte. Faktisch blieben die drei Reichsstädte aber bei Frankreich.58 Gemessen an den weitergehenden Intentionen in Italien und im Hinblick auf die Absicht Heinrichs, den machtpolitischen Ambitionen des Hauses Habsburg erfolgreich Grenzen zu setzen, bedeutete der Friedensschluß von Cateau-Cambrésis das Scheitern seiner Außenpolitik. Ihm blieb wenig im Vergleich zu seinem Hauptgegner Spanien, das aus der Auseinandersetzung gestärkt hervorging. Eine Reihe der Weggefährten Heinrichs, insbesondere die Guise, haben die Ergebnisse dieses Friedens deshalb auch unmißverständlich kritisiert. Andererseits dürfte aber auch Heinrich der Entschluß keinesfalls leichtgefallen sein, diesen Frieden zu schließen, der in vieler Hinsicht ein Verzichtfriede war. Die schwere Finanzkrise und die zunehmenden konfessionellen Probleme, mit denen er sich konfrontiert sah, dürften bei seiner Entscheidung eine signifikante Rolle gespielt haben. Indessen ist nicht auszuschließen, daß er sich ein Revirement insgeheim vorbehielt, wenn sich ihm dazu zukünftig eine günstige Gelegenheit bieten sollte. Dazu sollte es dann aber wegen seines plötzlichen Todes am 10. Juli 1559 nicht kommen. […] mit dem Frieden von Cateau-Cambrésis war der französisch-habsburgische Zweikampf [für einige Jahrzehnte bis zum Prinzipat Richelieus von 1624 bis 1642] zugunsten Spaniens beendet worden, das fortan in seinen italienischen Besitzungen Mailand und Neapel unbestritten war und somit auf der Apenninenhalbinsel den Ton angab. Zudem trat Frankreich in eine lange Periode innerer Konflikte ein und war daher auf internationaler Ebene kaum noch präsent.59

Wegen der ambitionierten Außenpolitik Heinrichs und der daraus resultierenden enormen Kriegskosten war die Monarchie, trotz der in vieler Hinsicht wirtschaftlichen Prosperität, in eine kaum noch zu beherrschende Verschuldung geraten. Die Einnahmen aus dem Domanialbesitz der Krone sowie aus den traditionellen direkten Steuern (taille), aus den Verbrauchssteuern (aides), und aus der Salzsteuer (gabelle) sowie aus neu geforderten fiskalischen Abgaben reichten bei weitem zur Deckung der laufenden Ausgaben nicht aus. Deshalb war Heinrich in stärkerem Maße als alle seine Vorgänger auf den Rekurs von Renten angewiesen, also auf den Verkauf von Einnahmen aus bestimmten Gerechtsamen der Krone, die als Verzinsung für die Überlassung einer rückzahlbaren Summe an finanzkräftige Gläubiger vergeben wurden. Hinzu kam die Begehung großer Anleihen bei den Bankiers des wichtigsten französischen Handels- und Finanzplatzes 58  Cloulas, Henri II, S. 306 ff; Babel, Heinrich II., S. 85; Kohler, Expansion und Hegemonie, S. 384 ff. – Appel erliegt einem Irrtum, wenn sie von Bistümern spricht und schreibt: „Nur die lothringischen Bistümer durfte der französische König behalten […].“ Appel, Katharina von Medici, S. 120. 59  Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen. Internationale Beziehungen 1559–1660, S. 195.

4.3 Katharina von Medici

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Lyon. Ein weiteres Mittel der Geldbeschaffung war der Verkauf von königlichen Ämtern, der unter Heinrich stark zunahm. Am Ende belief sich die Verschuldung der Krone auf rund 43 Millionen livres. Das entsprach dem Dreifachen der jährlichen Staatseinkünfte.60 Diese enormen finanziellen Probleme haben wohl mit dazu beigetragen, daß der König eine Reihe von strukturellen Reformen in Angriff nahm, die der Effektivierung der Administration des Landes dienen sollten. Wahrscheinlich waren einige von ihnen bereits von Franz  I. initiiert worden. „In diesen Zusammenhang gehört die erstmalige Ernennung von vier Staatssekretären im Jahre 1547, die sich mit jeweils festgelegter geographischer Zuständigkeit nach Provinzen und Staaten der den eigentlichen Entscheidungsprozeß vorbereitenden Bearbeitung innerer und äußerer Angelegenheiten anzunehmen hatten.“61 In diesen Kontext ist auch die weitere Ausdifferenzierung der Finanzadministration einzuordnen. Gleiches gilt für die Entsendung von „maîtres de requêtes“, deren Amt durch das Edikt von Compiègne 1553 eine präzise Organisation erfuhr. Diese maîtres de requêtes wurden mit regelmäßigen Missionen in bestimmten administrativen Bezirken der Krone in den Provinzen betraut, wo sie kontrollierende Funktionen wahrzunehmen und Informationen über die jeweiligen Gegebenheiten und Probleme zu sammeln hatten. In die eroberten, okkupierten oder annektierten Gebiete wurden außerordentliche königliche Kommissare entsandt, die mit präzisen Aufgaben betraut wurden. Damit wurden weitere Grundlagen gelegt, die den Prozeß des Ausbaus staatlich-administrativer Strukturen vorantrieben. Trotz aller außenpolitischen Rückschläge hat die Herrschaft Heinrichs also durchaus einige bleibende positive Ergebnisse aufzuweisen. Seine Maßnahmen im administrativinstitutionellen Bereich gehören zweifellos dazu. Immerhin waren auch Calais gewonnen und – zumindest faktisch – die drei Reichsstädte Metz, Toul und Verdun in französischen Besitz gelangt. Aus der Sicht des Königs „waren die genannten Erwerbungen wichtige Schritte, aber doch nur Elemente eines größeren Gesamtplanes gewesen, von dem er sich unter dem Druck der Umstände abwenden mußte“.62 4.3

Katharina von Medici: Königin von Frankreich

In ihrer im Jahr 2018 erschienenen Biographie Katharinas von Medici hat Sabine Appel unter anderem darauf hingewiesen, daß die florentinische Schwiegertochter Franz’  I. „geistreich zu parlieren verstand“63. Auf Grund der umfassenden Untersuchungen des hervorragenden Kenners der französischen Geschichte des 16. Jahrhunderts und der Geisteswelt dieser Epoche, Denis Crouzet, über das politische Denken und Agieren der 60  Cloulas, Henri II, S. 163–166; Babel, Heinrich II, S. 87. 61  Babel, Heinrich II, S. 88; vgl. auch Cloulas, Henri II, S. 147 f. 62  Babel, Heinrich II., S. 90. 63  Appel, Katharina von Medici, S. 54.

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Kapitel 4 – Katharina: Gemahlin König Heinrichs II

„duchessina“ ist im Hinblick auf die zitierte Feststellung darauf hinzuweisen, daß sich hinter diesem „geistreichen Parlieren“ viel mehr verbarg, als fast alle bisherigen Biographen zu erkennen in der Lage waren. Von dem Augenblick an, als Katharina im Oktober 1533 Teil der herrschenden Königsdynastie geworden war, begann sie, die bis dahin die kleine Herzogin von Urbino genannt wurde, ihren langen Parcours im Herzen der monarchischen Macht. Im Unterschied zu dem Eindruck, den die historiographische Stereotype davon vermittelt, einer Historiographie, in der von einer in ihren Optionen unsicheren politischen Lenkerin die Rede ist, die auf Grund der mehr oder minder gegebenen Handlungsspielräume und Wahlmöglichkeiten bei ihren Entscheidungen gegenüber den politischen und religiösen Kräften im Königreich Frankreich hin und her schwankte, um die Macht zu erhalten, ist dieser schwierige Parcours in seinen lichten und Schattenseiten durch eine gewisse Kontinuität gekennzeichnet. Während ihres gesamten Lebens und ganz sicher auf jenen Feldern der kontrollierten Repräsentation, die sie selbst zielstrebig aufbauen ließ und denen sie sich entschieden zuwandte, schien Katharina von Medici mit vollem Engagement die Spenderin von Licht und Frieden, eine Vermittlerin und entschiedene Befürworterin eines Lebens sein zu wollen, das sich – so lange es möglich war – gegen die subversiven Aktionen der finsteren Mächte mit dem Wort oder vielmehr mit einer Vereinigung von Wort und Weisheit, von Sprache und Klugheit stemmte.64

In völligem Widerspruch dazu steht folgende Feststellung: „Von Gesinnungsethik wird man indessen bei ihr wenig finden, wenn nicht vielleicht überhaupt nichts.“65 Die diesbezüglichen Ergebnisse der internationalen Forschung haben bewiesen, daß derartige Aussagen nicht mehr aufrechtzuerhalten sind.66 Für Katharina stellten das Wort, die Sprache, die Rhetorik, umfassende Bildung und die Kenntnis der Antike ein Instrumentarium dar, das dazu geeignet war, nach der Zeit der Prüfungen eine Rückkehr in das Zeitalter der Aussöhnung oder der „Concordia“ zwischen den Menschen zu ermöglichen. In dieser Überzeugung, ja in dieser Vorstellung (imaginaire) manifestierte sich die Ideenwelt, wie sie für die Gelehrten, die Philosophen, Dichter und sonstigen Geistesgrößen der maßgeblich von Italien und in diesem spezifischen Fall von Florenz beeinflußten Renaissance charakteristisch war. Für sie war die 64  „À partir de cet instant [27./28. Oktober 1533], celle qui avait jusqu’alors été nommée la petite duchesse d’Urbino entame un long parcours au cœur du pouvoir monarchique. Ce parcours difficile, dans ses ombres comme ses lumières, est marqué par une certaine continuité, contrairement à ce que donnerait à penser le stéréotype historiographique d’une gouvernante incertaine dans ses options, oscillant, avec plus ou moins de liberté et de capacité de choix et pour conserver le pouvoir, entre les forces politico-religieuses du royaume de France. Tout au long de sa vie et bien sûr dans le champ contrôlé d’une représentation qu’elle fit évolutivement fabriquer d’elle-même et à laquelle elle s’acharna à adhérer, Catherine de Médicis paraît s’être obstinément voulue la dispensatrice d’une lumière et d’une paix, la médiatrice d’une vie entravant, quand cela demeurait possible, l’action subversive des forces de mort par la parole, ou plutôt par la conjonction de la parole et de la sagesse, du langage et de la prudence.“ Crouzet, Catherine de Médicis, S. 19. 65  Appel, Katharina von Medici, S. 83. 66  Crouzet, Catherine de Médicis; siehe auch die darin enthaltenen einschlägigen Literaturangaben.

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Rhetorik ein Mittel, dessen sich die Fürsten zu bedienen hatten, um ihre Untertanen davon zu überzeugen, sich nicht von ihren Leidenschaften beherrschen zu lassen, sondern für ein Leben in Frieden, in Eintracht – kurz in „Concordia“ – einzutreten.67 Um dieses Ziel zu erreichen, genügte es nicht, nur zu reden; man mußte auch in der Lage sein, gut zu reden. Das bedeutete konkret, daß die Worte des Sprechenden Energie und Engagement erkennen lassen mußten und nicht hohle Phrasen sein durften. Eloquenz war in gewisser Weise ein Synonym für Frieden und Zufriedenheit. Die wohlverstandene Eloquenz hatte zum Ziel, die Menschen zu veranlassen, an Frieden und Zufriedenheit zu denken. Aus dieser Perspektive betrachtet läßt sich auch die von Katharina ganz bewußt und auf lange Sicht praktizierte Eloquenz interpretieren. „Das Wort besaß für sie eine Magie, die positiv war, jedoch negativ, wenn man seine Worte nicht kontrollierte“68; wenn man sich in seiner Ausdrucksweise und Wortwahl nicht beherrschte, sich also unkontrolliert seinen jeweiligen Gefühlsausbrüchen hingab. Darauf nahm offenbar der bekannte französische Humanist Etienne Pasquier (1529–1615) in einem Brief Bezug, in dem er seinem Sohn Nicolas vom Ableben Katharinas am 5. Januar 1589 berichtete. Darin betonte er ihre Gutmütigkeit, Freigebigkeit, Klugheit, Zugänglichkeit und ihr entschiedenes Bestreben, niemanden persönlich zu beleidigen, aber auch nicht wegen eines anderen beleidigt zu sein.69 Als Katharina in Frankreich eintraf, verfügte sie bereits über eine breite humanistische Bildung, die sie in den folgenden Jahren noch weiter vertiefte. Neben anderen Beobachtern hob dies auch ein toskanischer Gesandter in seinem Bericht vom 27. Dezember 1554 hervor. Sie beherrsche – so führte er aus – die alten Sprachen. Das war damals für eine Frau ungewöhnlich. Sie spreche nicht nur Latein, sie widme sich auch weiterhin den klassischen Studien und sei sehr kultiviert, insbesondere im Griechischen, was alle Männer in Erstaunen versetze.70 Von ihrem zeitlebens ungebrochenen Streben nach Erweiterung und Vervollständigung ihres Wissens zeugen auch die Bestände ihrer Bibliothek. Deren überlieferte Inventarlisten führen 780 Handschriften auf, darunter 40 hebräische, 437 theologische, philosophische oder poetische und solche griechischer Rhetorik sowie 303 lateinische. Unter den Autoren findet man Platon, Plotin, Aristoteles, Pythagoras, Homer, Hesiod, Thukydides, Xenophon, Titus Livius, Flavius Josephus – um nur diese berühmten Vertreter der Antike zu nennen. Neben diesen Manuskripten befanden sich in ihrer Bibliothek noch 2118 gedruckte Bücher. Dazu kamen sechs Bibeln in französischer Sprache, drei in 67  Crouzet, Cathérine de Médicis, S. 24. 68  „La parole possédait pour elle une magie qui pouvait être autant positive que, si elle n’était pas contrôlée, négative.“ Crouzet, Catherine de Médicis, S. 34. 69  Estienne Pasquier, Lettres historiques pour les années 1556–1594, éd. par Donald Thicket, Genève, ­Paris 1966, Livre XIII, Lettre VII, S. 388; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 14. 70  „[…] elle est très attentive à l’étude, elle est si cultivée, en particulier en grec, qu’elle étonne tous les hommes.“ Zitiert über Jean H. Mariéjol, Catherine de Médicis, 1519–1589, Paris 1979, S. 61; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 47.

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Latein, neun in Italienisch, die Episteln von Paulus und die Psalmen, die Schriften von Augustinus und anderer frühchristlicher Heiliger.71 Der Memorialist Brantôme stellte in seiner „Vie des hommes illustres“ fest, daß Katharina „sehr gut Französisch sprach“ und daß sie eine Prinzessin sei, die mit ihrer graziösen und majestätischen Sprache „die Großen, die Ausländer und die Botschafter“ beeindruckt habe.72 In der Tat war sie stets bemüht, ihre jeweiligen Gesprächspartner bzw. diejenigen, mit denen sie später verhandeln sollte, mit ihren Argumenten zu überzeugen. Sie brachte dabei immer wieder eine erstaunliche Geduld auf. Wenn sie es für nützlich erachtete, war sie in der Lage, sich ohne unhöfliche Reaktionen lange Zeit, manchmal sogar tagelang, die Ausführungen ihres Gegenübers anzuhören. Wenn es aus ihrer Sicht erforderlich war, zog sie Verhandlungen in die Länge, um die jeweiligen Akteure, mit denen sie es zu tun hatte, zu ermüden bzw. mürbe zu machen, damit sie ihre eigenen Ziele schließlich doch erreichen konnte. Häufig agierte sie gemäß der Devise, daß solange verhandelt und miteinander noch gesprochen wird Schlimmeres wenn nicht verhindert, so doch für eine Weile aufgehalten wird. Immer wieder versteckte sie geschickt – sozusagen zwischen den Zeilen – gewisse Botschaften, welche die ebenfalls rhetorisch geschulten Gesprächspartner zu entschlüsseln in der Lage waren. Es gelang ihr auch, ihrem jeweiligen Gegenüber Informationen, ja oft sogar Geheimnisse zu entlocken. Dies war zum Beispiel bei Franz I. der Fall, der mit ihr sehr lange Unterhaltungen führte und der ihr dabei – wohl nicht immer beabsichtigt – von politischen Vorgängen Kenntnis gab. In diesem Sinne ist folgende Feststellung Brantômes zu verstehen, in der es heißt: „[…] sie wußte sehr wohl, wann und wo sie einen Stein zu werfen und ihr Wort zu sagen hatte, wann und wo sie widersprechen mußte“73. Diese Fähigkeit Katharinas hatte der spanische Botschafter bereits bei seinem ersten Treffen mit ihr 1559 erkannt. Er wurde sich sofort des Risikos bewußt, das Gespräche mit ihr implizierten. Er sah in ihr sogleich eine Diskutantin, bei der größte Aufmerksamkeit und Vorsicht geboten waren, denn sie war fähig, nicht nur ihre Worte und Argumente in ihrem Sinne geschickt zu wählen und einzusetzen, sondern eine Unterhaltung auch in der Weise zu führen, wie es ihren jeweiligen Intentionen entsprach.74 Weil sie verinnerlicht hatte, wie wichtig möglichst umfassendes Wissen, Gelehrsamkeit und exzellente Rhetorik für die Wahrnehmung politischer Aufgaben und das Regieren generell waren, veranlaßte sie dementsprechende Maßnahmen bei der Erziehung insbesondere ihrer Söhne, die – was anfangs so nicht vorhersehbar gewesen war – dann 71  Dazu: Garrisson, Les Derniers Valois, S.  142–160; Crouzet, Catherine de Médicis, S.  48  f.; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 336 f. 72  „[…] elle faisoit fort paroistre son beau dire aux grands, aux estrangers et aux ambassadeurs […].“ Brantôme, Œuvres complètes, Bd. V, S. 62; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 46. 73  „[…] et connaissait bien où il fallait jeter sa pierre, et son mot, et où il y avait à redire.“ Zitiert über Edith Sichel, Catherine de Médicis and the French Reformation, London 1905, S. 11; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 45. 74  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 43.

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nacheinander den französischen Thron besteigen sollten. Dank ihrer profunden Kenntnisse der Geschichte machte sie ihren Sohn Karl frühzeitig auf die Wechselfälle in der Geschichte aufmerksam. Damit befolgte sie nicht nur den Rat des bekannten französischen Lyrikers Pierre de Ronsard (1524–1585), der ihr empfohlen hatte, ihrem Sohn folgende Einsichten zu vermitteln: „Wenn Ihr Euch so viele denkwürdige Ereignisse vergegenwärtigt, dann seht Ihr, daß sich die vergangenen Jahrhunderte nicht einander ähnelten. Der eine König war grausam, der andere war es nicht. Die Ambition des einen verursachte tausend Debatten. Der eine war ignorant, der andere klug und weise. Der eine hatte kein Herz, der andere war zu wagemutig […].“75 Dank dieser Fähigkeiten nahm Katharina indirekt und zunächst recht passiv – wenn auch nur in begrenztem Umfang und mehr oder minder in verdeckter Weise – am politischen Geschehen teil. Sehr aufmerksamen Beobachtern blieb dies nicht verborgen, auch wenn Katharina nach außen hin ihre Rolle als freundliches, zurückhaltendes, duldsames und sich immer selbst verleugnendes Mitglied der Königsfamilie spielte. Ihre Position und ihr Ansehen bei ihrem Ehemann und bei Hofe waren nach der Geburt des Dauphins und der ihm folgenden Kinder zweifellos gestiegen. Dazu trug ebenfalls bei, daß sie nach der am 25. Juli 1547 erfolgten Krönung Heinrichs in Reims zwei Jahre später, am 10. Juni 1549, in Saint-Denis mit allem bei derartigen Anlässen gezeigten Pomp zur Königin gekrönt wurde. Mit diesem Akt war zwar keine offizielle Teilhabe an der Macht verbunden, aber mit ihm erhielt sie für alle Welt sichtbar in der Hierarchie des Hofes den zweiten Rang unmittelbar nach dem König. Die Krönung näherte sie sozusagen der Majestät des Königs an, ohne diese realiter zu erlangen. Immerhin konnte ihr nunmehr im Falle der längeren Abwesenheit des Königs oder falls bei dessen Tod sein legitimer Nachfolger noch nicht die Volljährigkeit erlangt hatte, die Regentschaft übertragen werden, wofür es in der Vergangenheit Präzedenzfälle gab.76 Vom König und den anderen politischen Hauptakteuren des Staatsrates77 wurde sie von den Prozessen der politischen Entscheidungsfindung gleichwohl weitgehend ferngehalten. Erst mit gewisser Verzögerung und dann auch noch sehr restriktiv betraute sie Heinrich mit der Wahrnehmung der Regentschaft, wenn er für längere Zeit den Hof in Paris verließ, um sich zu seinen Truppen zu begeben, die außerhalb der französischen Grenzen kämpften.78 Mit der Aussage, Katharina habe „schon 75  „Vous sçavez, en voyant tant de faits memorables,/ Que les siecles passez ne furent pas semblables./ Un tel Roy fut cruel, l’autre ne le fut pas ;/ L’ambition d’un tel causa mille debats ;/ Un tel fut ignorant, l’autre prudent et sage, / L’autre n’eut point de cœur, l’autre trop de courage […].“ Pierre de Ronsard, „Discours des misères de ce temps. A la Royne, mère du Roy, Catherine de Médicis“. „Discours a la Royne“ in: Pierre de Ronsard, Œuvres complètes, éd. par Gustave Cohen, 2 Bde., Paris 1938; Zitat, Bd. II, S. 544 f.; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 48. 76  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 86; ders., Henri II, S. 228 f., 245 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 66 f.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 296. 77  Vgl. dazu S. 61 ff. 78  Vgl. S. 79–85.

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als Dauphine, in der Regierungszeit ihres Schwiegervaters Zugang zu den Ratssitzungen gehabt“79, wird jedoch suggeriert, daß ihre offizielle politische Bedeutung schon zu dieser Zeit größer gewesen sei, als es der Realität entsprach.80 Tagtäglich mußte sich die Königin mit der Allgegenwart ihrer Konkurrentin, mit Diana, arrangieren und zumindest nach außen hin gute Miene zum bösen Spiel machen. Das gelang ihr jedoch nicht immer; in seltenen Fällen ließ auch sie sich dazu hinreißen, Heinrich eine Szene zu machen, was die Hoföffentlichkeit registrierte. Sofort war sie aber bemüht, die Situation und ihre Folgen dadurch zu entschärfen, daß sie sich bei ihrem Ehemann entschuldigte. Sogar bei ihrer feierlichen Krönung in Saint-Denis mußte Katharina es hinnehmen, daß Diana eine quasi ebenbürtige Position einzunehmen gestattet war. Diana, die bereits 1548, also kurz nach der Thronbesteigung Heinrichs II. von diesem zur Herzogin von Valentinois erhoben worden war81, nahm an der Seite der Herzoginnen von Guise, Nevers und Aumale die liturgischen Opfergaben vor. Für jedermann wurde auf diese Weise öffentlich demonstriert, daß sie sich der uneingeschränkten Gunst des Königs erfreute und eine sehr einflußreiche Position bei Hofe, ja im Königreich, innehatte. Offiziell gebührte der Königin Katharina zwar der erste Rang nach dem König, realiter rangierte sie jedoch an zweiter Stelle nach der Favoritin Heinrichs.82 Diese Realität war bereits durch die Gunst- und Gnadenerweise unterstrichen worden, die Heinrich unmittelbar nach seiner Thronfolge Diana hatte zuteil werden lassen. Die Generosität ihr gegenüber schien unerschöpflich zu sein. Sie erhielt die schönsten Juwelen der Krone sowie die Schlösser Limours und Chenonceau an der Loire. Ihr Familienschloß Anet, in der Nähe von Dreux (im gegenwärtigen Departement Eure-et-Loir) konnte sie auf Kosten der Krone kontinuierlich ausbauen und verschönern. Mit Chenonceau war Anet eine ihrer bevorzugten Residenzen, in denen sie Heinrich oft aufsuchte, wenn sie sich dort einige Zeit aufhielt. Außerdem gewährte ihr der König die Zahlungen, die die Inhaber königlicher Ämter bei Beginn einer jeden neuen Thronfolge (droit de joyeux avènement) der Krone zu leisten hatten. Hinzu kamen Einnahmen aus der Besteuerung von Kirchenglocken, aus der Verwertung konfiszierter Ländereien, deren Eigentümer nicht zu ermitteln waren, und aus der Verwertung von beschlagnahmten Gütern von Protestanten oder Juden – um nur diese Vergünstigungen zu nennen.83 Aber auch Katharina ging nach der Thronbesteigung Heinrichs nicht leer aus. Verglichen mit den Vergünstigungen, die Diana erhalten hatte und weiterhin erhielt, waren sie indessen bescheidener. Die Königin erhielt eine Gratifikation in Höhe von 200.000 Pfund (livres). Außerdem wurde ihr Hofstaat vergrößert. Des weiteren konnte 79  Appel, Katharina von Medici, S. 82. 80  Vgl. dazu Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 129 f. 81  Solnon, Catherine de Médicis, S. 62. 82  Ebenda, S. 66 ff. 83  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 80 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 61.

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Katharina über die Einkünfte, die aus ihrem Erbe mütterlicherseits resultierten, frei verfügen. Ihr Budget konnte indessen mit jenem sehr opulenten der Favoritin des Königs nicht konkurrieren. Das recht schmucklose Schloß Chaumont an der Loire versetzte sie nicht gerade in helle Begeisterung, und jenes in Monceaux-en-Brie, das ihr der König geschenkt hatte, war eher eine unscheinbare Anlage. Immerhin erwies sich Heinrich gegenüber seiner Katharina insofern großzügig, als er ihrem italienischen Gefolge und ihren nahen italienischen Verwandten Vergünstigungen, Chargen und Ämter ihres vergrößerten Hofstaates gewährte. Außerdem erhielt Piero Strozzi die Charge eines Generalkapitäns der italienischen Infanterie (capitaine général de l’infanterie italienne). Dem Malteserritter Leone Strozzi wurde die Charge des Generalkapitäns der Galeeren der Levante und des westlichen Mittelmeeres84 übertragen. Damit verfügten beide über die Möglichkeit, gegebenenfalls militärische Schritte zur Rückgewinnung von Florenz für ihre rechtmäßige Erbin Katharina einzuleiten. Neben seiner militärischen Charge bekleidete Piero Strozzi noch jene eines ordentlichen Kammerherrn (gentilhomme ordinaire de la Chambre). Außerdem war er Ritter des Ordens des Heiligen Michael. Lorenzo Strozzi erhielt das Bistum Béziers. 1561 sollte er Erzbischof von Albi und 1566 von Aix werden.85 Katharina war es möglich, mit Einverständnis des Königs ihre Ambitionen im Hinblick auf Florenz zu verfolgen. In diesem Kontext konnte sie auch verschiedene Aktionen in den angrenzenden italienischen Gebieten vorbereiten und realisieren. Diese politischen Aktivitäten entsprachen durchaus den politischen Intentionen des Königs, der entschlossen war, die Auseinandersetzung mit Karl V. fortzusetzen und eine endgültige Entscheidung zu Gunsten Frankreichs herbeizuführen. Die Aktivitäten Katharinas kamen ihm insofern nicht ungelegen, weil die Königin sie zunächst mehr oder weniger unter Rekurs auf italienische Landsleute entfaltete. Heinrich hatte somit die Möglichkeit, sich erforderlichenfalls von ihnen zu distanzieren. Außerdem bezahlte Katharina die Aktivitäten der „fuoriusciti“ in Italien zu beträchtlichen Teilen mit eigenen finanziellen Mitteln, die sie sich durch den Verkauf von Liegenschaften ihres mütterlichen Erbes verschaffte. Zu Cosimo I. de’ Medici hatte Katharina, die sich als legitime Nachfolgerin in Florenz betrachtete, ein gespaltenes Verhältnis. In ihrer mit ihm geführten Korrespondenz verbarg sie ihre wahren Gefühle und Intentionen. Sie bediente sich darin der aus politischtaktischen Erwägungen praktizierten Verhüllung der wahren Absichten. Zum besseren Verständnis der Beziehungen Katharinas zu Cosimo und ihrer Intentionen im Hinblick auf Florenz ist es angebracht, auf die entsprechenden politischen und personellen Gegebenheiten kurz einzugehen.

84  „capitaine général des galères du Levant et du Ponant“. 85  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 80 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 62 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 138 ff.

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Nach der Eroberung von Florenz durch kaiserlich-päpstliche Truppen am 12. August 1530 entsandte Papst Klemens VII. Alexander von Medici in die Stadt, um dort die Herrschaft der Medici wiederherzustellen.86 Dieser proklamierte sich 1532 zum Herzog von Florenz. Er wurde aber am 6. Januar 1537 von einem anderen Medici ermordet, der dann jedoch selbst das Opfer eines Mordes wurde, der von Cosimo I. in Auftrag gegeben worden war. Der General der kaiserlichen Garnison von Florenz ließ ihn am 28. Februar 1537 auf Befehl Karls V. zum erblichen Herzog proklamieren. Fortan wurde und wird dieser Medici als Cosimo I. bezeichnet. Rund dreißig Jahre später erhob ihn Papst Pius V. (1566–1572) zum Großherzog der Toskana. Seither führten die Medici diesen Titel. Die Mutter Cosimos war Maria Salviati, die sich als Vormund der jungen Katharina eine Zeitlang in Florenz um deren Erziehung gekümmert hatte.87 Weil sich aber Katharina als legitime Erbin von Florenz betrachtete, unterstützte sie mehr oder minder insgeheim die Gegner – die „fuoriusciti“ (Verbannten) – Cosimos, der nicht zu Unrecht als Werkzeug des Kaisers betrachtet wurde. Bereits im August 1537 hatten die Verbannten einen Angriff auf den Herzog unternommen, der jedoch scheiterte. Filippo Strozzi (der Jüngere, 1488–1538), der Anführer dieses Unternehmens, geriet in Gefangenschaft und nahm sich das Leben. Katharina unterhielt gleichwohl mit Cosimo I. eine rege Korrespondenz. Diese war aber in der Realität diplomatische Fassade. Nicht nur sie selbst, sondern auch die Verbannten betrachteten sie als die alleinige legitime Repräsentantin des ältesten Zweiges der Medici, der infolgedessen das Erbe ihres Vaters zustehe. In ihrer Korrespondenz sprach sie dies aber nur sehr verklausuliert an, wenn sie dem Herzog gegenüber fortwährend von „unseren Vorfahren“ (nos prédécesseurs) oder von „unserem Haus“ (notre maison) sprach. Etwas deutlicher wurde sie am 20. Januar 1546, als sie Cosimo in Erinnerung rief, daß er und sie gegenwärtig die einzigen seien, die die Interessen des Hauses ihrer Vorfahren zu vertreten und wahrzunehmen hätten.88 Ansonsten unterstrich sie in ihrer dissimulierenden Korrespondenz die freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihr und dem Herzog. So hatte sie ihm am 5. Mai 1545 die Geburt ihrer Tochter Elisabeth mit folgenden Worten mitgeteilt, die eines doppelten Sinnes nicht entbehrten: 86  Vgl. dazu Kap. 2, S. 12 f., Kap. 3, S. 77. 87  Brion, Les Médicis, S. 219, 243 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 69 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 143; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 49 f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 97; vgl. auch Kap. 2, S. 12. 88  [Paris, 20. Januar 1546]. „A mon cousin, Monseigneur le duc de Florence. […] je vous ay bien voulu escripre et prier davantaige que, à ma faveur et contemplation, quelque foys vous luy [betr. einen ihrer Diener, der sich nach Florenz zurückziehen möchte.] donnez à cognoistre la bonne amitié que je pense estre correspondante à celle que je porte à vous et à toute vostre famille, estans seulz aujourdhuiz que debvons porter le fetz de la maison de nos prédécesseurs. […] Escript à Paris, le XXme jour de janvier MV et XLV [1546]. Vostre bonne cousine, Caterine“. Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 13.

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Mein Cousin, wenn ich so lange gewartet habe, um Ihnen meine neuen Nachrichten zukommen zu lassen und um Ihnen mitzuteilen, daß ich – Gott sei es gedankt – von einer Tochter entbunden habe vor ungefähr einem Monat, dann lag das daran, daß ich bis jetzt fast immer indisponiert war und ich erst – Gott sei es gedankt – beginne, mich besser zu fühlen. Ich hoffe, daß diese Geburt der Knoten sein wird, um alle Allianzen mit noch größerer Festigkeit zu etablieren und zu sichern, mit einer Festigkeit, worüber alle Mitglieder unseres Hauses noch mehr erfreut sein werden und was diese um so mehr trösten wird.89

Drei Monate später schrieb sie anläßlich der Abberufung des florentinischen Botschafters bei Franz I. folgende Zeilen an ihren Cousin: Obwohl ich von den Fähigkeiten des Herrn von Fearly (Forly) überzeugt bin und obwohl ich sicher bin, daß Ihr dem Glauben schenken werdet, was er sagt, gebe ich ihm diesen Brief mit, mit dem ich Euch bitte, ihm zu glauben, daß ich kein Mittel ungenutzt gelassen habe, um meine Liebe zu unterstreichen, die ich Euch entgegenbringe. Ich tue dies in gleicher Weise, wie ich es gegenüber meinem seligen Bruder [Alexander von Medici] getan habe, denn ich schätze Euch genauso. Es mißfällt mir sehr, daß Euer Botschafter aus einem derartigen Anlaß heimkehren muß. Ich hätte gewünscht, daß die Dinge einen anderen Verlauf genommen hätten und ich mächtiger wäre, was er Euch selbst berichten wird. Er [der abberufene Botschafter] ist sehr beunruhigt und fürchtet, gegen Eure Befehle zu handeln, was er, dessen bin ich sicher, niemals tun wird, denn ich habe keine Person gekannt, die ihren Pflichten besser nachgekommen und die Euch ergebener gewesen ist.90

Daß die wahren Gefühle und Intentionen Katharinas gegenüber Cosimo ganz andere waren, beweist ihr Agieren im Sommer 1552. Die Stadtrepublik Siena rebellierte am 26./27. Juli 1552 gegen ihre kaiserlich-spanische Garnison. Katharina und die „fuoriusciti“ sahen darin eine höchst willkommene Gelegenheit, um den Aufständischen von Siena 89  [5. Mai 1545] „A mon cousin, Monseigneur le duc de Florence. Mon cousin, si j’ay si longtemps actendu de vous faire scavoir de mes nouvelles, et comment, graces à Dieu, je suys accouchée d’une fille, il y a ung moys ou environ, ce a esté à couse que j’ay demeuré depuis quasi tousjours toutte mal disposée jusques à présent, et commance à me bien porter, Dieu merci. J’espère que ce sera le neud pour former et asseurer touttes les alliances en plus grande fermeté, par laquelle tous ceulx de nostre mayson seront plus resjouys et consollez. […] Escrript à Fontainebelleau, le Ve jour de may MV et XLV. Vostre bonne cousine, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 10 f. 90  [Ende Juli 1545] „A mon cousin, Monsieur le deuc de Floranse. Mon cousin, je n’ay voleu fallir, ancore que je sache byen que la seufisanse de Monsieur de Fearly [Forly] souit asés, et le personnage pour aystre creu de set que ie luy ay pryé vous dyre de ma part, vous pryant le volouyr croire et vous aseurer que je n’é moyen omys de vous pouoyr donner à conestre l’amour que je vous porte, que se [=comme si] s’étoyt à mon feu frère [Alexandre de Médicis], car je vous aystyme tout ynsyn, et [il] me deplayst grandement de set quy faut que vostre Ambassadeur s’an reteurne pour heune tele aucasyon. Je veudré que lé chose [se] feusent pasé autrement, et sy je use plulx pleusent [puissante] aysté, coment luy meme vous dyré, quy an’ etet faurt tourmenté, de peur de faillyr à vostre comandement, set que je suys seure, quy ne fere iaennais, car je ne vys ieannais personne myeux fayre son devoir, ny aystre plulx afectyoné à personne quy l’ayt à vous. […]. Vostre bonne cousine. Caterine“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 11 f. – In Teilen in modernisierter Orthographie zitiert bei Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 144.

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zu Hilfe zu kommen, um sich auf diese Weise eine Basis für ein militärisches Vorgehen gegen den Herzog Cosimo von Florenz zu verschaffen. Die Königin hatte keine Mühe, Heinrich für ein Eingreifen zu gewinnen, zumal sie selbst eine erhebliche Summe zur Finanzierung dieses Projekts aus eigener Kraft aufbrachte. Der König gewährte Siena nicht nur die von den Aufständischen erbetene Protektion, sondern er übernahm auch den größeren Teil der Kosten der Intervention. Im Oktober 1553 wurde Piero Strozzi auf Bitten Katharinas mit einer entsprechenden Mission beauftragt. Im Januar 1554 traf dieser in Siena ein. In den folgenden Monaten versuchte er, von dort eine Invasion in das Herzogtum Cosimos zu organisieren. Tatsächlich gelang es ihm, auf florentinisches Territorium vorzudringen. Sein Vorhaben, die Florentiner zu einem Aufstand gegen den Herzog zu mobilisieren und damit dessen Sturz herbeizuführen, scheiterte jedoch. Am 4. August 1554 wurde er bei Marciano von den Truppen Cosimos geschlagen. Auch nachdem man Katharina die Nachricht von dieser Niederlage mit einiger Verzögerung – weil sie schwanger war – hatte zukommen lassen, gab sie ihre Hoffnungen auf einen Erfolg dieses Unternehmens nicht auf. Am 29. September 1554 versprach sie in einem Schreiben an die damaligen Machthaber in Siena, sie werde sich weiterhin mit ganzer Kraft bei Heinrich für diese Sache einsetzen. Katharina schrieb: „Da Wir ebenso wie Sie das Vaterland lieben, versichern Wir Ihnen, daß Wir beim König dafür plädieren, daß er es Ihnen an Unterstützung zur Erhaltung Ihres Staates und Ihrer Freiheit nicht mangeln läßt, so gering sie auch sein mag.“91 Schweren Herzens mußte sie jedoch ihre Ambitionen einstweilen zurückstellen, denn am 17. April 1555 kapitulierte schließlich auch Siena.92 Bei ihrem Engagement im Hinblick auf Siena und Florenz ließen sich Katharina und Heinrich von folgenden Hauptmotiven leiten: Bei der Königin spielten nicht nur ihre starke Verbundenheit mit ihrer Heimat Florenz und ihre Ambitionen auf das Herzogtum eine Rolle, sondern sie hoffte auch, durch französische militärische Erfolge in Italien Herrschaften für ihre nachgeborenen Söhne konstituieren zu können. Dieses Ziel sollte sie zeitlebens nicht aus den Augen verlieren und fand zu Lebzeiten Heinrichs auch dessen Unterstützung, zumal dieser im fortdauernden Konflikt mit Karl V. zu einem Nachgeben noch nicht bereit war. Montmorency konnte sich schließlich im Hinblick auf Italien beim König – zumindest partiell – durchsetzen und diesen für den Abschluß des fünfjährigen Waffenstillstandes von Vaucelles vom 6. Februar 1556 gewinnen. In diesem Vertrag

91  „Pour l’amour égal au vôtre que nous portons à la patrie, soyez assurés qu’auprès du roi nous agirons en sorte que sa puissance ne vous fera pas défaut si peu que ce soit dans la conservation de votre État et de votre liberté.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. X, Supplément 1537–1587, publiées par M.  le  Cte Baguenault de Puchesse, Paris 1909, S.  13; vgl. auch Dargent, Catherine de Médicis, S.  98; ­Cloulas, ­Catherine de Médicis, S. 101. 92  Babel, Heinrich II., S. 82; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 98–102; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 296 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 69–72; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 142 ff; Dargent, Catherine de Médicis, S. 97–100; vgl. auch Kap. 4, S. 65.

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hatten sich die Kontrahenten über die befristete Wahrung ihres jeweiligen Besitzstandes geeinigt. Katharina nahm ihrem „Gevatter“ Montmorency diese politische Entscheidung übel. Deshalb näherte sie sich damals den Guise an, die für eine Fortsetzung des Kampfes ­plädierten.93 Generell ist zu konstatieren, daß Katharina ihre zentralen Ziele nie aus den Augen verlor. Wenn sie Rückschläge hinnehmen mußte, bedeuteten diese für sie nicht das Ende ihrer politischen Bemühungen. Sie war davon überzeugt, daß die Dinge, Konstellationen und politischen Gegebenheiten ständig im Fluß waren und sich den Akteuren immer wieder Chancen eröffneten, wenn nicht zu endgültigen Lösungen zu gelangen, so doch Schlimmeres zu verhindern, bis sich günstigere Perspektiven und Konstellationen eröffneten. Als Heinrich 1548 wegen seines militärischen Engagements außerhalb des Königreichs Katharina erstmals und dann erneut in den Jahren 1552, 1553, 1554 und 1557 offiziell mit der Wahrnehmung regierungsamtlicher Funktionen betraute, kamen der Königin ihre rhetorischen Fähigkeiten zustatten. Im Sommer 1548 begab sich der König ins Piemont nach Norditalien. Sein Ziel war nicht offensiver Natur; er wollte lediglich an der Grenze zum spanischen Herzogtum Mailand eine Machtdemonstration vornehmen und Madrid die Präsenz Frankreichs in dieser Region signalisieren. Die Königin und der Hof begleiteten ihn bis nach Mâcon im Herzogtum Burgund. Da Heinrich keine längere Abwesenheit aus Frankreich beabsichtigte, installierte er am 27. Juli 1548 in Mâcon ein Ratsgremium (conseil de gouvernement), das er damit beauftragte, die laufenden Regierungsgeschäfte zu erledigen. Diesem Gremium gehörten an: der Kanzler François Olivier (1487–1560, Kanzler von 1540–1560), der Herzog Franz von Guise und sein Bruder, der Kardinal Karl von Lothringen, Jacques d’Albon de Saint-André und Philippe de Cossé-Brissac, Erzbischof von Coutances. Den Vorsitz dieses Gremiums übertrug Heinrich der Königin. Dieser Conseil war jedoch kein Regentschaftsrat im eigentlichen Sinne und Katharina infolgedessen keine Regentin. Außer dem Vorsitz wurden ihr keine spezifizierten Machtbefugnisse vom König anvertraut. Aber zum ersten Mal eröffnete sich ihr damit eine – wenn noch sehr begrenzte – Möglichkeit, die Erledigung laufender Regierungsagenden aus der Nähe zu beobachten, auch wenn sie selbst nicht direkt beteiligt wurde und sie nur der Form halber die Ausübung dieser Regierungsagenden durch die Akteure zu legitimieren hatte. Immerhin gewann sie einen Einblick in die Beratungs- und Entscheidungsvorgänge im Hinblick auf die tagtäglichen politisch-administrativen Vorgänge der Monarchie.94 Vier Jahre später, am 25. März 1552, übertrug Heinrich seiner Frau in aller Form die Regentschaft. Der Grund dafür war, daß sich der König auf seine Reise nach Deutschland (voyage d’Allemagne) begab, wo er im April desselben Jahres im Bündnis mit 93  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 144 f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 100. 94  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 110; Solnon, Catherine de Médicis, S. 72 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 129.

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protestantischen Reichsfürsten den sechsten Krieg zwischen den Valois und dem Haus Habsburg begann.95 Vor seiner Abreise suchte der König am 12. Februar das Pariser Parlament auf, dem er in einer Erklärung die Gründe für seinen Feldzug gegen Karl V. darlegte. Darin führte er vor den Mitgliedern dieses obersten Gerichtshofes und vor den ihn begleitenden Würdenträgern u. a. aus: Was Uns veranlaßt hat, diese Körperschaft [compagnie] aufzusuchen, war, Ihnen die Gründe für das Unternehmen darzulegen, das Uns persönlich an der Spitze einer starken Armee an die Grenze der Champagne und – falls notwendig – darüber hinaus im Einverständnis zwischen Uns und einigen der wichtigsten Fürsten Deutschlands führen wird, um demjenigen [gemeint ist Kaiser Karl V.], der durch seine Taten seinen Worten ständig zuwider gehandelt und sich damit seit langem in verdeckter Weise zu Unserem Todfeind erklärt hat, klarzumachen, daß Wir nicht länger bereit sind, sein Unrecht und seine Beleidigungen, die Uns von ihm widerfahren sind, hinzunehmen und daß wir im Reich die Libertät wiederherstellen wollen, die er auf tyrannische Weise hat usurpieren wollen.96

Hier tauchte auch das vorher und danach immer wieder von französischer Seite verwendete Argument auf, daß der König Frankreichs sich nicht nur gegen verdeckte und offene Angriffe der „Casa de Austria“ verteidige, sondern im Bündnis mit der deutschen Fürsten­ opposition auch gegen die Ambitionen Karls V. vorgehe, eine Universalmonarchie zu errichten und das Reich der „spanischen Servitut“ zu unterwerfen. Weiterhin informierte Heinrich das Parlament auch darüber, daß er die erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, damit während seiner Abwesenheit in Frankreich die Kontinuität der Regierungsgeschäfte gewährleistet sei. In seiner Erklärung führte er dazu aus: Wir setzen für die Zeit Unserer Abwesenheit die Königin, Unsere Gemahlin, als Regentin und Leiterin der Administration Unseres Königreiches ein. Ihr zur Seite stehen Unser Sohn, der Dauphin und eine gewisse Zahl tugend- und namhafter Persönlichkeiten Unseres ‚Privatrates‘ [Rat für die Behandlung und Entscheidung von juristischen und administrativen Routineangelegenheiten].97

95  Nähere Einzelheiten dazu im Kap. 4, S. 66. 96  „Ce qui nous a mû de voir cette compagnie [=Parlement de Paris] a été pour vous faire entendre notre délibération sur l’entreprise que nous voulons faire en personne avec une armée forte du côté de notre frontière de Champagne et passer outre, s’il est besoin, avec la bonne intelligence qui est entre nous et aucuns des principaux princes de la Germanie, pour faire connaître à celui qui, toujours par effets contraires à ses paroles, s’est longtemps couvertement déclaré notre ennemi mortel, que nous sommes non seulement pour nous ressentir des torts et injures que avons reçus de lui, mais aussi pour aider à restituer et rétablir la liberté germanique que par tyrannie il a voulu usurper.“ Zitiert über Cloulas, Henri II, S. 315. 97  „Nous laissons en notre absence la reine, notre compagne, régente à l’administration de notre royaume, accompagnée de notre fils le dauphin et d’un bon nombre de vertueux et notables personnages de notre Conseil privé […].“ Zitiert über Cloulas, Henri II, S. 315; siehe auch Cloulas, Catherine de Médicis, S. 110; Solnon, Catherine de Médicis, S. 74; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 130.

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Damit wurden dem Regentschaftsrat insbesondere Befugnisse auf dem Sektor der Justiz, aber auch in militärischen Angelegenheiten übertragen. Dieses Gremium hatte die entsprechenden Edikte und Ordonnanzen zu erlassen. Einmal abgesehen davon, daß die Kompetenzen dieses Gremiums damit insgesamt begrenzter Natur waren, verdeutlicht die Tatsache, daß der Regentin noch weitere Mitglieder des Conseil privé zur Seite gestellt wurden, daß sie faktisch keine eigene Machtposition erlangt hatte. Neben anderen Mitgliedern gehörten dem Regentschaftsrat der Siegelbewahrer Jean Bertrand und der Admiral Frankreichs Claude d’Annebaut an. Jean Bertrand war eine Kreatur der Mätresse des Königs und faktisch für die Aushebung weiterer Truppen zuständig, falls das zur Verteidigung der Monarchie erforderlich sein sollte. Bei allen weiteren Agenden sollten allfällige Entscheidungen im Regentschaftsrat nach dem Mehrheitsprinzip gefaßt werden, wobei davon auszugehen ist, daß sich die vom König nominierten Angehörigen nach Möglichkeit eng mit diesem abstimmten. Bei genauerer Analyse der Gegebenheiten ist offensichtlich, daß es sich bei der Einsetzung ­Katharinas als Regentin nur um einen reinen formalen Akt handelte. Weil sie die Königin war, konnte sie Heinrich wegen früherer Präzedenzfälle bei der Einrichtung einer Regentschaft nicht übergehen. Ihr Status als Regentin war aber nur Fassade. Die eigentliche Macht im Regentschaftsrat übten die von Heinrich nominierten übrigen Mitglieder dieses Gremiums aus. Von einer Machtposition Katharinas kann jedenfalls nicht die Rede sein.98 Ihre Aktionsmöglichkeiten als Regentin waren realiter sehr begrenzter Natur, und man signalisierte ihr sofort in zwar höflicher Weise, aber doch unmißverständlich, wenn sie aus der Sicht der anderen oder des mächtigen Konnetabels Montmorency zu sehr eigene Initiativen ergriff oder ihre Kompetenzen überschritt. Dies zeigte sich, als die Königin eigene Aktivitäten im Bereich der Truppenversorgung, der Militärintendantur, entwickelte, was gemäß den Vorgaben des Königs zu den Aufgaben des Regentschaftsrates zählte. Um diese – wie sie meinte ihr zustehenden – Funktionen effektiv wahrnehmen zu können, hatte sich Katharina nach Châlons an der Marne begeben, um in der Nähe der kämpfenden französischen Truppen agieren zu können. In Wahrnehmung ihrer Funktionen kümmerte sie sich auch um den Nachschub von Munition. An Montmorency schrieb sie am 20. Mai 1552 aus Châlons, daß sie keine Zeit verloren habe, dem Status und der Charge eines Armeelieferanten gerecht zu werden. Der Konnetabel solle sie insbeson­ dere darüber aufklären, was sie und wo sie was zu tun habe. Sie werden dem Brief, den ich dem König schreibe, entnehmen, daß ich keine Zeit verloren habe, mich mit dem Status und den Aufgaben eines Armeelieferanten vertraut zu machen. Wenn jeder seine Pflicht tut und beachtet, was er versprochen hat, versichere ich Ihnen, werde ich mich bei der Wahrnehmung meiner Aufgaben selbst übertreffen. Stündlich kümmere ich mich darum und beschäftige die meiste Zeit den Herrn Siegelbewahrer und alle 98  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 110; ders., Heinri II, S. 315 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 74 f.; ­Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 130 ff.

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Kapitel 4 – Katharina: Gemahlin König Heinrichs II Angehörigen des Rates aus Furcht, daß etwas falsch laufen könnte […]. Ich bitte Sie, mein Gevatter, mich besonders darauf aufmerksam zu machen, was ich bei allem und überall zu tun haben werde, denn ich werde dabei gemäß Ihrem guten Rat und Ihren Hinweisen agieren.99

Daraufhin antwortete Montmorency ihr am 30. Mai wie folgt: „Weil der König sich in unmittelbarer Nähe zu Ihnen befindet, scheint mir, daß Sie keinerlei Ausgaben veranlassen und keine Verfügung treffen sollten, ohne es diesen zuvor wissen zu lassen.“100 Das war zwar eine in der Form höfliche, aber dennoch unverhohlene Aufforderung an die Königin, nichts auf eigene Faust zu unternehmen. In solchen Fällen war es unumgängliche Praxis, keine Maßnahmen oder Entscheidungen ohne das Wissen und das Einverständnis des Souveräns zu treffen. Am 9. Juni 1552 teilte sie dem Herzog Franz von Guise daher mit, daß sie auf Grund dessen, daß sich der König in der Nähe aufhalte, sich nicht in den Erlaß von ­Ordonnanzen einmischen werde und sie es dem Herzog überlasse, diejenigen Depeschen auf den Weg zu bringen, die er unter den gegebenen Umständen für richtig erachte.101 Selbst H ­ einrich signalisierte ihr, daß sie sich nicht weiter um derartige Angelegenheiten kümmern solle.102 Die Reaktionen der Ratsmitglieder deuten darauf hin, daß diese auf die Inkompetenz Katharinas sowie darauf gesetzt hatten, daß sie sich in nichts einmischen und keinerlei eigene Initiativen ergreifen werde. Trifft diese Annahme zu, so hatten sie sich gründlich getäuscht. Wohl zu ihrer Überraschung mußten sie nun auch zur Kenntnis nehmen, daß die Königin in diesem Fall nicht bereit war, ihre Enttäuschung für sich zu behalten. Sie wünschte, das Dokument zu sehen, mit dem sie als Regentin eingesetzt wurde und in 99  [Châlons, 20. Mai 1552] „A mon compère, Monsieur le Conestable.Vous verrez par la lectre que j’écris au Roy que je n’ay pas perdu [de] temps à apprendre l’estat et [la] charge […] de munitionnaire; en quoy si chacun fait son devoir de tenir et observer ce qu’il a promis, je vous assure que je m’en vais maistresse passée; car d’heure à autre je n’estudie que cela et y occupe pour la pluspart du temps Monsieur le garde des sceaux, et ceux du Conseil pour la peur et crainte que j’ay qu’il y ayt aucune faute […] Je vous prie, mon compère, de m’avertir particulièrement de ce que j’auray à faire en tout et partout, car je m’y gouverneray selon votre bon conseil et avis, priant Dieu qu’il vous ait en sa saincte garde. A Chalons, 20 may [1552]. Vostre bonne commère et amye, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 56. 100  „Il me semble, étant le roi si prochain de vous, [que] vous ne devez entrer en aucune dépense ni faire aucune ordonnance sans premièrement le lui faire savoir“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 132. 101  [Châlons, 9. Juni 1552] „A mon cousin le duc de Guyse. Mon cousin, […] car, le Roy estant si près, je ne me mesle plus d’ordonnance; et d’autre costé vous adviserez au demeurant à ce qu’il faut donc faire promptement pour les choses qui se offrent pour éviter aux inconvéniens; […]. Escript à Châlons, le IXe jour de juing 1552. Vostre bonne cousine, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533– 1563), S. 63. 102  „Ma mie [amie], vous m’écrivez que la provision des vivres se continue par-delà [le Rhin], mais je vous avise que jusques ici nous ne nous sommes aucunement sentis [= nous n’avons aucunement ressenti les effets] de secours qui soient de votre côté.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 132.

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dem ihre Bevollmächtigung (pouvoir) fixiert war. In seinem diesbezüglichen Bericht an Montmorency führte André Guillart folgendes aus: „Es kam der Königin in den Sinn, ihre Bevollmächtigung zu sehen. Und nachdem sie diese aus ihren Truhen hatte hervorholen lassen, bat sie mich, diese in Gegenwart des Herrn Admiral [d’Annebaut] und des Herrn de Sacy vorzulesen. Nach der Lektüre sagte sie lächelnd zu mir, in einigen Passagen habe man ihr viel, in anderen recht wenig [an Kompetenz] gegeben.“103 Im übrigen gab sie Guillart deutlich zu verstehen, daß zwischen dem Inhalt des Dokumentes und dem, was ihr der König im Hinblick auf ihre Regentschaft bei seiner Abreise gesagt habe, eine Diskrepanz bestand. Katharina ließ es damit nicht bewenden. Sie insistierte darauf, daß man ihr die schriftliche Vollmacht vorlege, die Franz I. wahrscheinlich mit dem Edikt von 1527 seiner Mutter, Luise von Savoyen, ausgestellt hatte, als er diese für die Zeit seiner Abwesenheit als Regentin eingesetzt hatte. Als Katharina dieses Dokument gesehen und dessen Inhalt zur Kenntnis genommen hatte, soll sie konstatiert haben: „Es ist umfassender als das sie betreffende und enthält keine Aufteilung der Autorität.“104 Gleichzeitig habe sie aber auch betont, daß sie selbst, wenn ihre Vollmacht dem entsprochen hätte, was der König ihr bei seiner Abreise zugesichert habe, sie von dieser stets nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht und nur gemäß den Vorgaben gehandelt hätte, die ihr der König mündlich oder schriftlich erteilt hätte. Ihr alleiniges Bestreben sei, diesem zu gehorchen.105 Auf diese Weise signalisierte Katharina dem König und dessen politischen Beratern dreierlei: Sie machte deutlich, daß sie das Spiel, das man mit ihr trieb, durchschaute und sie sich in ihrer Ehre und Würde verletzt sah. Sie gab des weiteren zu verstehen, daß man ihre politischen Fähigkeiten unterschätze. Aber sie versicherte gleichzeitig, daß man von ihr nicht nur nichts zu befürchten habe, sondern jeglicher Zweifel an ihrer Loyalität und an ihrem Gehorsam gegenüber dem König unberechtigt sei. Daß sie sich durch das ihr gegenüber praktizierte Verhalten in ihrer Würde und in ihrer Autorität verletzt und öffentlich gedemütigt fühlte, belegt ihre Entscheidung, das sie betreffende Dokument ihrer Bevollmächtigung nicht durch eine Einregistrierung des Pariser Parlaments zu

103  „Il a pris fantaisie à la reine de vouloir voir son pouvoir, et l’ayant fait tirer de ses coffres, elle me l’a fait lire en présence de Monsieur l’amiral [d’Annebaut] et de Monsieur de Sacy; après lecture, elle m’a dit, en souriant, qu’en aucuns [=certains] endroits on lui donnait beaucoup et en d’autres bien peu.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 133. 104  „Il est plus ample que le sien sans partage d’autorité.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 133. 105  „Elle se borne à répondre qu’elle trouverait toujours bon ce que l’on voudrait, pourvu que le roi l’entendît ainsi […] Quand même son pouvoir eût été aussi ample que le roi le lui avait dit au départ, elle se fût toutefois bien gardée de n’en user que sobrement, et selon ce que le roi lui eût fait entendre de bouche ou par écrit, car elle ne veut penser qu’à lui obéir“ Zitiert über ebenda.

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veröffentlichen, „denn dadurch werde die Autorität, von der jeder glaube, daß sie diese besitze, eher geschmälert als erhöht“.106 Dieses Geschehen und das dabei von Katharina an den Tag gelegte Auftreten und Verhalten lassen erkennen, daß sie schon zum damaligen Zeitpunkt ein geschickter und scharfsinniger Machtmensch war. In Anbetracht ihrer Intelligenz, ihrer Auffassungsund Beobachtungsgabe, ihrer fundierten Bildung und Kenntnisse, ihres ständigen Reflektierens über die Vorgänge am Hof sowie über das politische Agieren des Königs und seiner Berater ist dies nicht weiter erstaunlich. Ihre Stunde war aber noch nicht gekommen. Daß sie sich der gegebenen politischen Realitäten im Umfeld Heinrichs und der permanenten Konkurrenzkämpfe zwischen den politischen Faktionen in vollem Umfang bewußt war, belegt auch der im April  1552 zwischen ihr und dem Konnetabel Montmorency geführte Schriftwechsel. Ihr war klar, daß diejenigen Akteure, die direkten Zugang zum König hatten und tagtäglich mit ihm sprechen konnten, bei den politischen Entscheidungsprozessen im Vorteil waren. In jenen Wochen, in denen sich der König bei seinen Truppen aufhielt und im Reich gegen Karl V. engagiert war, war es der Konnetabel Montmorency, dessen politisches Gewicht dominierte. Außerdem hatte er gegenüber Katharina den Vorteil, daß er sich in unmittelbarer Nähe des Königs befand und deshalb dessen Ohr hatte. Wie dargestellt, hatte er der Königin die Grenzen mehr oder minder deutlich aufgezeigt, die ihr beim Agieren als Regentin realiter gesetzt waren. In sehr subtiler Weise machte die Königin ihm in ihrer Korrespondenz deutlich, daß sie diese ganze Problematik erkannt hatte. In einem ihrer Schreiben vom April 1552 an den Konnetabel ging sie sehr detailliert nicht nur auf diese Problematik, sondern – zwischen den Zeilen – auch auf die spezifischen Probleme ein, mit denen eine Frau im Unterschied zu einem Mann konfrontiert war, wenn sie auf dem Felde der Politik zu agieren hatte. In diesem Dokument führte sie aus: Ich habe Ihr Schreiben gelesen und ich danke Ihnen sehr dafür, daß Sie mir versichert haben, daß der König sehr zufrieden ist mit dem, was ich tue. Das ist es, was ich mir in dieser Welt wünsche. Ich bin darüber hinaus sehr zufrieden über das, was Sie mir im Hinblick auf meine Vollmacht mitteilen, denn es ist erforderlich, daß ich diese vorzeigen kann, damit ich zu beweisen vermag, daß das, was Sie mir sagen, auch der Wahrheit entspricht und daß ich das Wohlwollen des Königs besitze. Um dem König zu Diensten zu sein, wünschte ich, mehr Macht zu haben immer dann, wenn es erforderlich ist. Vor allem möchte ich nicht sein Mißfallen erregen. Ich weiß aber sehr wohl, daß ich nicht das Glück habe, ihm ganz nahe zu sein. Deshalb möchte ich für den Fall, daß der König mich wieder braucht, daß Sie meinen Platz innehaben und ich den Ihren einnehme [d. h. in unmittelbarere Nähe Heinrichs II.], so lange der Krieg andauert, und daß ich dem König ebenso große Dienste leisten kann, wie Sie sie ihm geleistet haben. Weil dies aber nicht so sein kann, bitte ich Sie, das für mich zu 106  „Mais elle ‚fera garder‘ le document ‚dans ses coffres‘ et n’aura garde de le faire enregistrer par le parlement de Paris, ‚car ce serait diminuer plutôt qu’augmenter l’autorité que chacun estime qu’elle a‘.“ Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 134.

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tun, was sie wünschten, daß ich für Sie täte, wenn ich in Ihrer Position wäre. Ich bitte Sie, mir kontinuierlich von ihm zu berichten, insbesondere, wenn Sie dem Feind nahe sind, wie man uns hier berichtet und was uns Angst macht.107

Offensichtlich wollte Katharina damit Montmorency sagen, daß alles für sie als Regentin leichter wäre, wenn sie – und nicht der Konnetabel – in unmittelbarer Nähe des Königs sein und damit bei diesem Gehör finden könne. Es gab in jenen Tagen aber noch einen anderen Vorgang, der die Königin in große Unruhe versetzte. Während der Fastenzeit, zu Anfang des Jahres 1552, traten in Paris mehrere Ordensgeistliche auf, die in ihren Predigten die Politik Heinrichs und insbesondere dessen Agieren im Bündnis mit protestantischen Reichsfürsten heftig kritisierten. Die Königin sah in diesem Verhalten einen Angriff auf die Autorität des Königs und eine Gefahr für Ruhe und Sicherheit in der Kapitale, weil diese Wanderprediger das einfache Volk aufwiegelten. Außerdem – so argumentierte sie – mischten sich diese Ordensgeistliche in Angelegenheiten des Staates ein, was ihnen nicht zustünde. Am 21. April 1552 berichtete sie dem Kardinal und Erzbischof von Rouen, Charles de Bourbon (1523–1590), darüber und schrieb ihm, daß man sie vor einer Gefahr gewarnt habe, die Paris bedrohe. Einige Ordensleute, die bei der Bevölkerung wegen ihres Auftretens und ihrer Predigten generell beliebter seien als die Priester in den jeweiligen Pfarrsprengeln, hätten – so führte sie aus – nichts anderes zu tun, als von Staatsangelegenheit zu sprechen, um das ganze Volk zum Aufruhr anzustacheln. Vor diesen Leuten müsse man sich mehr in acht nehmen als vor Feuer und Pest.108 107  [Ende April 1552] „A mon compère. Monsieur le Conestable. Mon compère, j’ai veu set que me mandés et vous mercie byen fort de l’aseurance que me donés deu contantement que le Roy ha de moy, qui ayst tout set que je désire an set monde, et quant à set que me mandés mon pouvoyr, je suys byen ayse, puysqu’i fault qu’i souyt veu, qu’i souyt de fason que l’on conese que set que me mandés ay vray que je suys an la bonne grase deu Roy; mé quant à avoyr puysance davantage, je sayré byen marry, toutte lé foys qu’i foudré que je an n’é pour luy fayre servise [au roi], non pas que je luy an fase à regrest, mès je say byen qu’i fault que je n’aye pas set heur [bonheur] de aystre auprès de luy, qui me fayst saueter [souhaiter] que, quand yl aviseret heun aultre fouys besouyin que vous heusié ma place et moy la vostre, pourtant [=pour autant] que la guerre deurerayt [durerait], et que je luy peusse fayre aultant de servise que luy en n’avès fayst; je vous prie, puysque sela ne peult aystre, de fayre pour moy come véodryés [voudrais] que je fyse pour vous, de me fayre aystre byentot auprès de luy et me mander de ses nouvelles et si vous aystes sy près des anemis [ennemis] que l’on nous an faystt ysi peur. […]. Vostre bonne commère et amye, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 52. 108  [Châlons, 21. April 1552] „A mon cousin. Le Cardinal de Bourbon. Mon cousin, j’ay esté advertie qu’à Paris il y a quelques prescheurs qui n’ont aultre chose à dire que de parler des affaires d’Estat pour soullever à mutinerie tout le peuple, dont nous nous debvons plus garder que du feu et de la peste. […] Semblablement est requis quant à ce qu’ils ont touché de l’alliance que le Roy a prise, et de l’aide qu’il fait aux princes allemans, qu’il leur fasse bien entendre que l’intention dudit seigneur à cet endroit est si bonne et bien fondée, que l’on pourra succéder, que le tout ne tend qu’au bien, repos et union de l’Eglise, utilité et augmentation de nostre religion, qui est tout ce que je vous scaurois dire […]. A Chaalons, 21 avril 1552.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 50 f.

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Auf drei Aspekte ist in diesem Zusammenhang besonders hinzuweisen. Einmal erachtete Katharina zu diesem Zeitpunkt die katholischen Wanderprediger für gefährlicher als die protestantischen Pfarrer. Von den militant auftretenden katholischen Ordensleuten sah sie die Sicherheit des Staates und die öffentliche Ruhe mehr bedroht als von Protestanten. Es dauerte noch etwas, bis sie eine andere Realität zur Kenntnis nahm, nämlich eine Realität, in der von militanten protestantischen Pfarrern zumindest eine ebenso große Gefahr für die Ruhe und Sicherheit des Landes ausging. Zweitens manifestierte sich in den damaligen Stellungnahmen Katharinas großes Mißtrauen, das sie gegenüber dem gemeinen Volk (le peuple) hegte und von dem sie sich nie freimachen sollte. Die kleinen Leute würden schnell in Unruhe und Aufruhr abgleiten, wenn man auf sie – wie es die fraglichen Prediger täten – „unter dem Deckmantel christlichen Engagements und christlicher Devotion“109 einrede. Darin sah Katharina – drittens – einen Mißbrauch der Sprache. Die Prediger usurpierten auf diese Weise eine Position, ja Macht, die ihnen nicht zustünde. Derartiges Verhalten der katholischen Prediger interpretierte die Königin als eine unzulässige Überschreitung der ihnen gesetzten Grenzen. Schlechte Worte (mauvaises paroles) waren für sie nicht nur solche, hinter deren Maske sich Verleumdung verberge, sondern auch solche, mit denen man sich etwas anmaße, was einem nicht zustehe, mit denen man etwas usurpiere – im vorliegenden Fall die Autorität des Königs und des Staates. Aus diesem Grunde plädierte Katharina mit Nachdruck dafür, daß die Krone reagieren müsse. Andere Prediger müßten aufgefordert werden, die Position des Königs und dessen Politik zu verteidigen, eine Politik, die sich gegen die Feinde Frankreichs richte. Wenn die Feinde die französische Grenze überschritten, würden sie das Volk in Armut stürzen. Des Königs Politik liege auch im wohlverstandenen Interesse der Kirche.110 Die Wahrung der Autorität der Krone und die Sorge für den Erhalt von Sicherheit und Ordnung in der Monarchie standen schon damals im Zentrum ihres politischen Denkens und Agierens. Daß sie aber ständig noch weitere politische Erfahrungen sammelte und auf diese Weise den Prozeß ihrer politischen Ausbildung perfektionierte, soll damit nicht bestritten werden. Das gilt auch für die weiteren Jahre, in denen sie von Heinrich in ihrer Position als Regentin durch entsprechende Dekrete bestätigt wurde. Nachdem das französische Heer im August 1557 bei Saint-Quentin vernichtend geschlagen und der Konnetabel Montmorency in spanische Gefangenschaft geriet, war auch Paris im Falle eines weiteren erfolgreichen Vormarschs der feindlichen Truppen in Gefahr.111 Katharina, die von dieser Niederlage unverzüglich von Heinrich aus Compiègne informiert worden war, reagierte sofort. Sie ergriff die Initiative und begab sich am 13. August in Begleitung ihrer Schwägerin Margarete von Valois, des Kardinals von Bourbon, des Siegelbewahrers und einiger ihrer Hofdamen zum Pariser Hôtel de Ville, wo sie eine Zusammenkunft der 109  „sous telles couleurs de zèle et devotion“; ebenda, S. 50 110  Beleg: siehe Anm. 108. 111  Vgl. Kap. 4, S. 67.

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Mitglieder des Magistrats und zahlreicher anderer Honoratioren der Kapitale und des Pariser Parlaments organisiert hatte.112 Schon auf Grund der Erfahrungen der vorangegangenen Jahre, in denen Katharina amtliche Funktionen als Regentin wahrgenommen hatte, wußte sie, daß der König in Anbetracht der gegebenen Lage dringend Geld brauchte, um so schnell wie möglich eine neue Armee zu rekrutieren. Mit ihr sollte der Feind an einem weiteren Vormarsch nicht nur gehindert, sondern auch verlorengegangenes Terrain wieder zurückerobert werden. Im Register des Magistrats ist folgendes Resümee über die Intervention der Königin überliefert: Sie führte der Körperschaft das Desaster und das Unglück vor Augen, das sich am Tage des Heiligen Laurentius ereignet hatte, bei dem Monseigneur der Konnetabel und andere Große in Gefangenschaft geraten waren und Monsieur d’Enghien [Jean de Bourbon, comte d’Enghien] den Tod gefunden hatte. Sie berichtete über die verlorene Schlacht, über die Besetzung von Saint-Quentin und Le Catelet und verdeutlichte die Gefahr, die daraus für Paris entstanden war, weil ein Großteil der militärischen Kräfte im Krieg gegen das [spanische] Königreich Neapel gebunden war. Deshalb sei es erforderlich, neue Truppen aufzustellen, um den Feind an einem weiteren Vormarsch zu hindern. Sie bat die die ganze Stadt repräsentierende Körperschaft sehr demütig, dem König mit Geld zu helfen, damit er unverzüglich 10.000 Mann an Fußtruppen ausheben könne. Für den Fall, daß man ihr diese Wohltat erweise, versprach sie, daß sie ihr ganzes Leben lang Fürsprecherin der Bewohner dieser Stadt beim König sein und dies auch gegenüber ihrem Sohn, dem Herrn Dauphin, bleiben werde.113

Katharina, die während ihrer Rede sogar weinte und ihre Emotion nicht verbarg, hatte Erfolg. Die Versammlung reagierte positiv auf ihre Bitte und entschied, eine beachtliche Summe aufzubringen, mit der neue Truppen rekrutiert werden konnten. Natürlich ist dieses Votum nicht nur als eine Folge des geschickten Agierens der Königin zu interpretieren, denn die Honoratioren der Kapitale hatten ebenso wie deren Bewohner ein 112  Vgl. dazu jetzt: Christian Wenzel, Der städtische Raum und die bedrohte Sicherheit. Paris am Vorabend der französischen Religionskriege des 16. Jahrhunderts, in: Horst Carl, Rainer Babel, Christoph Kampmann (Hrsg.), Sicherheitsprobleme im 16. und 17. Jahrhundert. Bedrohungen, Konzepte, Ambivalenzen. Problèmes de Sécurité aux XVIe et XVIIe Siècles. Menaces, Concepts, Ambivalences (=Politiken der Sicherheit/Politics of Security, Bd. 6), Baden-Baden 2019, S. 141–169; hier besonders S. 153 ff. 113  „Et remontra à lad. Compagnie le desastre et fortune [= mauvaise fortune] advenus le jour SaintLaurent, la prise de Monseigneur le Connestable et autres grans seigneurs, la mort de Monsr d’Anguyen [d’Enghien], la bataille perdue, la prinse de Sainct Quentin et du Catelet, et le danger où était la ville de Paris, attendu que les forces de ce Royaume étaient au royaulme de Naples, par quoi était besoin [de] lever gens pour empêcher l’ennemi de venir plus avant, suppliant bien humblement la compagnie représentant toute la ville d’aider au roi d’argent pour lever en diligence dix mille hommes de pied; promettant que, si on lui voulait faire ce bien, elle serait toute sa vie avocate envers le roi pour les habitants de cette dite ville, et qu’elle le ferait entendre et reconnaître à son fils Monseigneur le dauphin.“ Zitiert über Wenzel, Der städtische Raum und die bedrohte Sicherheit. Paris am Vorabend der französischen Religionskriege, S. 154, und Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 147. – Vgl. auch Cloulas, Catherine de Médicis, S. 11 f.; ders., Henri II, S. 472 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 78 f.

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Kapitel 4 – Katharina: Gemahlin König Heinrichs II

vitales Interesse daran, daß die feindlichen Truppen an einem durchaus möglichen Vormarsch auf Paris gehindert wurden. Gleichwohl hatte sich Katharina mit ihrem Auftreten, das – bar jeglicher Arroganz – eine gelungene Mischung aus rhetorischer Brillanz, demonstrierter Festigkeit, gewinnender Überzeugungskraft und ehrlicher Demut war, nicht nur die Anerkennung der Versammlung, sondern auch der Pariser Bevölkerung erworben. In aller Öffentlichkeit hatte sie demonstriert, daß sie eine kluge, umsichtige, geschickte, gut informierte und mit den gegebenen politischen Konstellationen bestens vertraute Akteurin war, die ihre politischen Fähigkeiten nun erstmals auch in aller Öffentlichkeit, auf sich allein angewiesen unter Beweis gestellt hatte. In seinem Bericht faßte der Botschafter Venedigs Lorenzo Contarini die Wirkung der Intervention Katharinas wie folgt zusammen: „Diese Sitzung endete mit so großem und anhaltendem Applaus für die Königin und mit solch lebhaften Zeichen der Anerkennung ihres Verhaltens, daß dies nicht in Worte zu fassen ist. In der ganzen Stadt spricht man von nichts anderem als von der Klugheit [prudence] Ihrer Majestät. […] Sie ist weise und klug, und es gibt keinen Zweifel, daß sie fähig ist, zu regieren.“114 Mit dem Wort „prudence“ – lateinisch „prudentia“ (Klugheit, Umsicht, intellektuelle Kraft) attestierte der Botschafter Katharina jene vielschichtige intellektuelle Fähigkeit, die für die Gelehrten der Renaissance generell und für die Königin insbesondere einen wesentlichen Platz in ihrem politisch-philosophischen Diskurs einnahm.115 Scharfsinnig hatte Contarini das große politische Talent Katharinas erfaßt. Künftig war mit ihr nicht nur am Hof, sondern auch auf der politischen Bühne generell zu rechnen. Heinrich sah nunmehr seine Ehefrau in neuem Licht. Dazu trug aber auch bei, daß sich seine Beziehung zu seiner nunmehr fast sechzigjährigen Mätresse Diana abgekühlt hatte, und er sich Katharina wohl deshalb mehr zuwandte. Ihre Position bei Hofe erfuhr aber auch dadurch eine Stärkung, daß der Konnetabel Montmorency, der sich in zunehmendem Maße der Konkurrenz der Guise ausgesetzt sah, der Königin mehr annäherte, um deren Unterstützung zu gewinnen. Die Königin profitierte also vom Konkurrenzkampf der Hoffaktionen und der verschiedenen politischen „Fraktionen“. Sie war und blieb jedoch stets entschlossen, sich von keiner vereinnahmen zu lassen, sondern diese Gegebenheiten in ihrem Interesse und zum Wohle der Monarchie zu instrumentalisieren.116 114  „Ainsi s’acheva cette séance avec tant d’applaudissements pour la reine et des marques si vives de satisfaction de sa conduite que rien n’en peut donner l’idée. Par toute la ville, on ne parle d’autre chose sinon que de la prudence de Sa Majesté. […] Elle est sage et prudente, nul doute qu’elle ne soit apte à gouverner.“ Zitiert über Armand Baschet, La Diplomatie vénitienne. Les princes de l’Europe au XVIe siècle. François Ier, Philippe II, Catherine de Médicis. Les papes, les sultans, etc., d’après les rapports des ambassadeurs vénitiens, Paris 1862, S. 482; vgl. auch Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 147. 115  Dazu: Crouzet, Catherine de Médicis, passim. Siehe auch das Kapitel 5 „L’école de la prudence“ in: Nicolas Le Roux, Le roi, la cour, l’État. De la Renaissance à l’absolutisme, Paris 2013, S. 95–110. 116  Zum Gesamtkomplex siehe: Cloulas, Catherine de Médicis, S. 111 f.; ders., Henri II, S. 472 f.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 300 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 78 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 146–149.

4.4 Der unerwartete Tod Heinrichs II.

4.4

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Der unerwartete Tod Heinrichs II. im Juli 1559 und die unmittelbaren Folgen für Katharina

Seit Katharinas spektakulärem Auftreten im August 1557 im Hôtel de Ville von Paris wurde sie als Königin und ernstzunehmende politische Akteurin nicht nur bei Hofe, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit Frankreichs und von den ausländischen Diplomaten wahrgenommen. Mit ihr hatte man in Zukunft zu rechnen. Respekt, Anerkennung und Verehrung wurden ihr nunmehr entgegengebracht. Welch’ ein Unterschied zu ihrer Wahrnehmung in den vorausgegangenen Jahren! Von den Poeten besungen, von den Künstlern geschmeichelt und im Ansehen sowie in der Wertschätzung ihres Mannes gestiegen, schien Katharina auch in den folgenden Jahren vom Glück und Erfolg verwöhnt zu sein. Da sie an den repressiven Aktionen des Königs gegen die Reformierten nicht beteiligt war und erkennen ließ, daß sie Gewaltmaßnahmen ablehnte, für eine friedliche Beilegung der eskalierenden konfessionellen Spannungen und für die Bewahrung von Ruhe und Sicherheit in der Monarchie sowie für einen respektvollen Umgang mit der Autorität des Königs eintrat, konnte sie sich in jener Phase auch der Gunst in großen Teilen der Bevölkerung erfreuen. Die folgenden Ereignisse und Entwicklungen sollten dann aber einen Verlauf nehmen, der mit ihren Hoffnungen und Erwartungen kollidierte. Am 2./3. April 1559 kam es zum Abschluß des Friedens von Cateau-Cambrésis zwischen Heinrich II. und Philipp II. von Spanien. Gemessen an den französischen Ambitionen in Italien und vor dem Hintergrund betrachtet, daß der französische König seine Herrschaft mit der festen Absicht angetreten hatte, den machtpolitischen Intentionen des Hauses Habsburg erfolgreich Grenzen zu setzen, bedeutete der Friedensschluß das Scheitern der ambitionierten Außenpolitik des französischen Königs.117 Seit November 1558 gab Katharina zu erkennen, daß sie gegen einen Frieden um jeden Preis war. Insbesondere stand sie dem Verzicht auf französische Positionen in Italien und damit der Nichtberücksichtigung ihrer eigenen Interessen in Oberitalien sehr kritisch, ja ablehnend gegenüber. Da der Konnetabel Montmorency und die Herzogin Diana von Valentinois entschieden für den Frieden plädierten, ergriff die Königin mehr oder minder Partei für die Guise, die sich mit Nachdruck für eine Fortsetzung des Krieges engagierten. In einer dramatischen Sitzung des Engen Rates am 15. November 1558 hatte Heinrich, der sich zuvor mit Diana abgestimmt hatte, entschieden, auf die französischen Eroberungen in Italien zu verzichten, um die Friedensverhandlungen zu beschleunigen und um auf diese Weise seinen wichtigsten Berater Montmoremcy, aus der spanischen Gefangenschaft zu befreien. Nachdem Katharina von dieser Entscheidung des Königs Kenntnis erhalten hatte, warf sie sich diesem zu Füßen, um ihn doch noch zu einer Änderung seiner Haltung zu bewegen. Wie berichtet wird, soll sie dabei folgende Worte gemurmelt haben: „Der Konnetabel hat stets nur schlecht agiert.“118 Verärgert soll Heinrich erwidert 117  Vgl. dazu Kap. 4, S. 63–69. 118  „Le connétable n’a jamais fait que du mal.“ Zitiert über Cloulas, Henri II, S. 568.

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Kapitel 4 – Katharina: Gemahlin König Heinrichs II

haben: „Er hat immer nur Gutes getan, und was das Schlechte betrifft, so haben jene es getan, die mir rieten, den Waffenstillstand von Vaucelles zu brechen.“119 Danach habe sich Katharina enttäuscht zurückgezogen und zu einem Buch gegriffen, um sich durch Lektüre abzulenken. Wie der Botschafter Giulio Alvarotti an seinen Herrn, den Herzog von Ferrara, berichtete, soll es kurz darauf zwischen der Königin und der Herzogin von Valentinois zu einer Szene gekommen sein, in der sich die seit Jahren angestaute Wut Katharinas und deren Verärgerung über das Engagement der Mätresse zu Gunsten eines Verzichtfriedens in bisher ungekannter Heftigkeit Luft machte. Diana soll die in ihre Lektüre versunkene Katharina gefragt haben, welches Buch sie lese. Diese soll ihr folgende, zutiefst verletzende Antwort gegeben haben: „Ich beschäftige mich mit der Geschichte dieses Königreiches, und dabei finde ich, daß von Zeit zu Zeit in einer jeden Epoche Huren die Angelegenheiten der Könige dirigiert haben.“120 Wenn sich diese Szene tatsächlich so abgespielt hat, dann belegt sie einmal die große Enttäuschung Katharinas über die Konzession Heinrichs im Hinblick auf Italien und zum anderen die tiefe Verachtung, die die Königin für ihre jahrelange Rivalin empfand. Außerdem kann sie als Indiz für das gewachsene Selbstbewußtsein Katharinas interpretiert werden, die nach dem Geschehen vom August 1557 nicht mehr länger bereit war, sich in der Öffentlichkeit zu verleugnen. Auch der Frieden von Cateau-Cambrésis sollte durch dynastische Verbindungen zwischen den Vertragschließenden besiegelt und damit – so hoffte man – für längere Dauer abgesichert werden. Infolgedessen hatte man sich in den Verhandlungen darauf geeinigt, den Frieden durch ein doppeltes Eheband zu sanktionieren. „Der seit dem Tod Maria Tudors [1516–1558, 1553–1558 Königin von England, 1554 Ehefrau Philipps II.] verwitwete Philipp von Spanien sollte Heinrichs Tochter Elisabeth, der wieder in seine Länder eingesetzte Herzog Emanuel Philibert von Savoyen des Königs Schwester Margarethe heiraten.“121 Die vereinbarte Eheschließung zwischen Philipp  II. von Spanien und Prinzessin ­Elisabeth entsprach durchaus der von Katharina sehr früh begonnenen und intensiv verfolgten Heiratspolitik. Schon zuvor hatte sie sich erfolgreich bei der Realisierung der Einheirat des Dauphins und der Tochter Claudia in souveräne Häuser engagiert. Franz hatte 1558  Maria Stuart, die Königin von Schottland (1542–1568) geheiratet, und die Prinzessin Claudia war am 22. Januar desselben Jahres mit Herzog Karl III. von Lothringen vermählt worden.122 Durch die Eheschließung zwischen Margarete von Valois, mit

119  „Il a toujours fait du bien et quant au mal, ceux-là l’ont fait qui me conseillèrent de rompre la trêve de Vaucelles.“ Zitiert über Cloulas, Henri II, S. 568. Zum Waffenstillstand von Vaucelles vgl. Kap. 4, S. 66. 120  „Je lis les histoires de ce royaume, et j’y trouve que de temps en temps, à toute époque, les putains ont dirigé les affaires des rois.“ Zitiert über Cloulas, Henri II, S. 568; vgl. Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 153. 121  Babel, Heinrich II., S. 85. 122  Vgl. Kap. 3, S. 35 f.

4.4 Der unerwartete Tod Heinrichs II.

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dem Herzog Emanuel Philibert von Savoyen wurde die Königin indessen von einer sehr engen Vertrauten getrennt. Trotz der immensen finanziellen Probleme der Krone wurde die Doppelhochzeit in Paris mit aller dem Anlaß angemessenen Prachtentfaltung und entsprechenden Festlichkeiten, die mehrere Tage andauerten, inszeniert. Die prokuratorische Vermählung Philipps mit Elisabeth fand am 22. Juni 1559 in der Kathedrale von Notre-Dame statt. Der Heiratsvertrag mit dem Herzog von Savoyen, der am 21. Juni in Paris eingetroffen war, wurde am 28. Juni unterzeichnet. Ein großes Ritterturnier begann am selben Tag und dauerte bis zum folgenden Sonntag, dem 2. Juli. Mit diesem Turnier sollte symbolisch die Aussöhnung alter Gegner demonstriert und inszeniert werden. Für das Turnier wurde die „grand-rue Saint-Antoine“ – in der Nähe der Bastille und in unmittelbarer Nachbarschaft des königlichen Schlosses des Tournelles gelegen – entsprechend präpariert. Neben dem König und dem Dauphin Franz nahmen teil der Herzog Karl III. von Lothringen, der Herzog Franz von Guise, Jakob von Savoyen, Herzog von Nemours, und der Prinz Alphons von Ferrara sowie andere Große. Nachdem Heinrich schon zuvor einige Zweikämpfe bestritten hatte, wollte er am Freitag, dem 30. Juni, um 17 Uhr nachmittags sich nochmals in einem Duell – die Farben seiner Mätresse, schwarz und weiß, tragend – der versammelten Hofgesellschaft als tapferer und siegreicher Ritter präsentieren. Katharina, die die Ritterturniere nicht schätzte, weil sie stets um das Leben ihres Mannes besorgt war, hatte sich trotzdem schon während der ersten zwei Tage unter den Zuschauern befunden. Entsprechen die überlieferten Berichte der Realität, soll die Königin in der Nacht vom zweiten auf den dritten Tag einen Alptraum gehabt haben. Im Traum sei ihr der König verletzt und blutüberströmten Kopfes erschienen. Ob sie Heinrich davon berichtet hat, muß ebenso offenbleiben wie der Wahrheitsgehalt der Berichte über ihren Alptraum. Wie dem aber auch sein mag, gesichert ist, daß der König am Nachmittag des 30. Juni 1559 aus den beiden Treffen mit dem Herzog von Nemours und dem Herzog von Guise als Sieger hervorging. Das Reglement sah deshalb ein drittes Treffen vor. Als Gegner wurde der Kapitän der Schottischen Garden, Graf Gabriel de Montgomery (Gabriel de Lorges de Montgomery, 1530–1574), nominiert. Dieses Treffen hatte keinen Sieger, und den Regeln entsprechend hätte das Duell damit beendet werden sollen. Der König wollte aber ein weiteres Treffen, obwohl ihn Katharina beschwor, davon abzusehen. Heinrich beharrte jedoch auf seiner Entscheidung. Bei diesem Treffen kam es dann zu einem schweren Unglück. Beide Reiter trafen mit ihren Lanzen so heftig aufeinander, daß diese brachen. Beide Pferde gingen zu Boden. Während sich Montgomery erhob, war der König, der aus dem Kopf heftig blutete und alsbald das Bewußtsein verloren hatte, dazu nicht in der Lage. Aus dem Visier seines Helmes ragte ein großer Holzsplitter der zerbrochenen Lanze seines Gegners heraus. Wie sich sehr schnell herausstellte, waren Teile dieses Holzsplitters durch sein linkes Auge in das Innere des Kopfes eingedrungen. Katharina soll beim Anblick dessen, was sie sah, in Ohnmacht gefallen sein.

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Kapitel 4 – Katharina: Gemahlin König Heinrichs II

Der schwerverletzte König wurde in das nahe Hôtel des Tournelles getragen, wo er noch kurz sein Bewußtsein wiedererlangte. Sehr bald erkannten die herbeigerufenen Ärzte, daß für den König keinerlei Hoffnung bestand. Am 4. Juli informierten sie ­Katharina darüber, die am Bett des Sterbenden wachte. Nach zehntägiger Agonie starb Heinrich II. am 10. Juli 1559 um 13 Uhr im Alter von vierzig Jahren. Katharina war damit Königin-Witwe geworden. Sie war nur noch die Mutter des Königs Franz II., der im Alter von fünfzehneinhalb Jahren Nachfolger seines verstorbenen Vaters geworden war. Die Regierung war an ihn übergegangen, und das weitere Schicksal Katharinas sowie ihre Position am Hof erschienen ungewiß. Im Rückblick auf die Ereignisse und das Geschehen seit 1557 ist jedoch zu konstatieren, daß Katharina zum Zeitpunkt des Todes Heinrichs eine Frau der Macht und entschlossen war, dementsprechend zu agieren, sobald sich ihr eine Chance dazu bieten sollte. Die gegebenen Umstände hinderten sie dann nur einige Monate daran, tatsächlich zur Macht zu gelangen. Die dazu erforderlichen intellektuellen und politischen Fähigkeiten besaß sie. Nicht nur ihre – wenn zunächst auch nur begrenzten – amtlichen Funktionen als Regentin hatten ihr die Möglichkeiten gegeben, Einblicke in die Praxis der Regierung zu erhalten und dementsprechende persönliche Erfahrungen zu sammeln.123 Mit dem Tod Heinrichs verlor Diana von Valentinois ihre bisherigen Privilegien, ihre informelle Macht und ihre Position bei Hof. Aber wohl nicht zuletzt dank des alles in allem großzügigen Verhaltens Katharinas hielten sich die gegenüber der Herzogin ergriffenen Maßnahmen in Grenzen. Natürlich verlangte man von ihr die unverzügliche Herausgabe der Kronjuwelen und den Verzicht auf einen Großteil der ihr von Heinrich gewährten Einnahmen. Das herrliche Loire-Schloß Chenonceau mußte sie gegen das bescheidenere Schloß Chaumont, ebenfalls an der Loire gelegen, eintauschen. Aber Katharina, die nach dem Tod ihres Mannes als Emblem und Devise eine zerbrochene Lanze und den sich darauf beziehenden lateinischen Satz „Lacrimae hinc, hinc dolor“124 wählte, verzichtete in nobler Geste darauf, Diana den Sturz durch rigoroses Vorgehen gegen sie sowie durch allzu große materielle Strafen zu sehr spüren zu lassen. Ihre Großzügigkeit soll Katharina mit den durchaus vielsinnigen Worten kommentiert haben: „Ich kann nicht vergessen, daß sie meinem teuren Heinrich Vergnügen bereitet hat.“125

123  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 119–122; ders., Henri II, S. 589–594; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 302–305; Solnon, Catherine de Médicis, S. 84 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 153–157. Die entsprechenden Schilderungen Appels entsprechen teilweise nicht dem Stand der Forschung. Appel, Katharina von Medici, S. 123 f. 124  „Sie [die Lanze] ist die Ursache meiner Tränen und meines Schmerzes“. 125  „Je ne puis oublier qu’elle faisait les délices de mon cher Henri.“ Zitiert über Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 1, S. 306.

Kapitel 5

Katharinas Agieren im Konkurrenzkampf um Macht und Einfluß unter Franz II. (1559/1560) Auf die ihr am 20. Juli 1559 von Giambattista Ricasoli, dem Botschafter von Florenz, überbrachte Beileidsadresse des Herzogs Cosimo de’ Medici antwortete die Königinwitwe Katharina von Medici am 8. August mit einem längeren Schreiben, das ihre offensichtlich tief empfundene Trauer über den plötzlichen und tragischen Tod ihres Ehemanns erkennen läßt. Darin schrieb sie: Der höfliche Brief, den mir Ihr Botschafter von Ihnen überbracht hat, und das, was dieser mir in Ihrem Auftrag gesagt hat, haben mich in meinem grausamen Kummer und Leid so sehr getröstet, daß es sich sehr ziemt, Ihnen dafür zu danken, was ich sehr herzlich tue. Im Augenblick meines Unglücks habe ich auch nicht versäumt, Ihren klugen Rat zu befolgen, d.  h. mich nach dem Willen Gottes zu richten und alle Dinge so zu nehmen, als kämen sie aus seiner Hand, da ich mir der Unsicherheit und der Instabilität alles dessen bewußt bin, was unter dem Himmel ist. Aber Sie werden sich denken können, wie schwer es trotz allen Muts und aller Klugheit ist, sich einen gerechtfertigten Schmerz nicht anmerken zu lassen, der aus einer so traurigen Lage, die sich meinen Augen und meinem Herzen bietet, resultiert. Die wahre Medizin [zur Linderung meines Schmerzes] ist der gute Trost, den mir Verwandte und Freunde spenden. Auch Sie haben sich – zu meiner großen Zufriedenheit – in die Zahl derer eingereiht, die mir Trost gespendet haben. Ich nehme und akzeptiere von Ihnen alles so, wie Sie es sagen und wie Sie es mir in Ihren Brief versichern, ohne daß ich an Vergangenes denke […]1

An diesen Sätzen fällt einmal neben der tiefen Trauer der Königinwitwe die offensichtliche Distanz auf, die sie nach wie vor gegenüber Ihrem Verwandten hegte.2 Außerdem findet man in diesen Zeilen erneut die Termini Klugheit (prudence bzw. prudent) und Tugend (vertu – virtus), die für sie zeitlebens zu den Leitbegriffen politischen Handelns 1  [8. August 1559] „A mon cousin le duc de Florence. Mon cousin, l’honneste lettre que vous m’avez escripte par votre ambassadeur, oultre ce qu’il m’a dict de vostre part, m’a tellement consolée en ma cruelle affliction, qu’il est bien raisonnable que je vous en remercye, comme je faiz de bien bon cueur, n’ayant failly au mesme instant de mon infortune de suyvre le semblable advis et prudent conseil que vous me donnez: c’est assavoir de me conformer à la volonté de Dieu et prandre toutes choses comme venant de sa main, considérant l’incertitude et instabilité de tout ce qui est soubz le ciel; mais vous pouvez penser comme il est bien difficille, quelque vertu et prudence qu’il y ayt, de pouvoir dissimuler une juste douleur procédante d’une si triste occasion que celle qui se présente à mes œils et à mon cueur, ausquels la vraye médecine est la bonne consolation des parens et amys, dont entre autres vous vous estes bien acquitté, avec ma grande satisfaction, prenant et acceptant de vous toutes choses, ainsi que vous les dictes et m’en asseurez par vostre dicte lettre, sans avoir esgard à ce qui est passé […]. Vostre bonne cousine, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 122 f. 2  Vgl. Kap 4, S. 75–79.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2020 | doi:10.30965/9783657703326_006

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Kapitel 5 – Katharinas Agieren um Macht und Einflus

gehörten. Und schließlich lassen diese Zeilen erkennen, daß sie sich damals der unsicheren und instabilen Lage sehr bewußt war, in der nicht nur sie, sondern auch Frankreich durch den so plötzlichen Tod des Königs gestürzt worden waren. Man kann es nicht oft genug wiederholen – für die meisten damaligen Zeitgenossen war sie nun die Königinwitwe. Infolgedessen war sie in Anbetracht der Tatsache, daß es einen zwar noch sehr jungen, aber gemäß der Ordonnanz des französischen Königs Karl V., des Weisen (1364–1380), aus dem Jahre 13743 gleichwohl volljährigen Nachfolger des verstorbenen Königs gab, aus dem politischen Spiel ausgeschieden. Dies galt um so mehr, als sie schon in der Zeit zuvor von Heinrich, seiner Mätresse und dem Konnetabel Montmorency von der Übernahme politischer Funktionen sehr weitgehend ferngehalten wurde. Wäre Katharina vor ihrer Witwenschaft gestorben, so hätte sie auch in der Geschichte Frankreichs und im kollektiven Gedächtnis der Nachwelt keine großen Spuren hinterlassen.4 Gleichwohl war sie schon 1559 eine „Machtfrau“ geworden, was wohl nur die aufmerksamsten Beobachter der damaligen politischen Szene erkannt hatten. In den folgenden Jahrzehnten sollte sie dies aber für jedermann erkennbar unter Beweis stellen und zu einer dominierenden Figur auf der politischen Bühne Frankreichs werden. 5.1

Franz II., Maria Stuart, Katharina von Medici, Franz von Guise, Karl von Guise, Kardinal von Lothringen: Revirement im Conseil du Roi Franz II., König von Frankreich und durch seine Heirat mit Maria Stuart zumindest nominell auch König von Schottland, war ein unvorbereiteter, kränklicher und psychisch labiler Jüngling von nicht einmal sechzehn Jahren, als der Turnierunfall seines Vaters ihn im Juli 1559 auf den Thron Frankreichs brachte. Im Sinne der gängigen Rechtsauffassung war der König volljährig, weshalb trotz seiner gebrechlichen Verfassung keine Regentschaft in Frage kam. Doch konnte kein Zweifel daran bestehen, daß die Auswahl seiner engsten Ratgeber angesichts der natürlichen Schwäche seiner Autorität eine ganz besondere Bedeutung gewinnen mußte.5

Die französischen Reformierten betrachteten Franz II. damals jedoch als noch nicht volljährig. Dabei machten sie sich die Tatsache zunutze, daß nach dem Tod König Karls V. am 16. September 1380 dessen Edikt von 1374 nicht angewendet worden war. Damals wurde sein Nachfolger, Karl VI. (1380–1422), für volljährig erklärt, obwohl er noch nicht einmal 3  In dieser Ordonnanz war die Volljährigkeit der Könige Frankreichs auf das Alter von 14 Jahren festgelegt worden. Später wurde aber darüber gestritten, ob damit der Eintritt in das 14. Lebensjahr nach Vollendung des 13. oder die Vollendung des 14. Lebensjahres gemeint war. Im Falle von Franz II. war die Sachlage klar, denn er war beim Tode seines Vaters fünfzehneinhalb Jahre alt. 4  Bertière, Les reines de France au temps des Valois. Bd. 2: Les années sanglantes. Catherine de Médicis, Marie Stuart, Élisabeth d’Autriche, Louise de Lorraine, Marguerite de Valois, Paris 1994, S, 13 f. 5  Rainer Babel, Franz II. 1559–1560, in: Peter C. Hartmann, Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III., 1498–1870, München 1994, S. 91–98, 458 f.; Zitat S. 91. – Zu Franz II.: Ivan Gobry, François II, fils d’Henri II, 1559–1560, Paris 2012.

5.1 Revirement im Conseil du Roi

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zwölf Jahre alt war. In seinem Namen übten aber seine Onkel die Regierungsgeschäfte aus, bis er das Alter von 20 Jahren erreicht hatte. Dieser Präzedenzfall und die daraus resultierende Unklarheit ermöglichten es den Reformierten, die Regelung gemäß der Ordonnanz von 1374 und damit die Volljährigkeit Franz’  II. zu bestreiten. Bei der Minderjährigkeit unterschieden sie zwei Stufen: die Vormundschaft (tutelle) bis zum Alter von 14 Jahren und die Kuratel (curatelle) bis zum Alter von 25 Jahren.6 Für seine Zeitgenossen und insbesondere für seine nähere Umgebung schien Franz II. kaum geeignet und fähig zu sein, selbst zu regieren. Tatsächlich mangelte es ihm an affektiver Reife. Aber im Unterschied zu dem, was man über ihn seit seiner Epoche gesagt und geschrieben hat, war er intelligent und sehr kultiviert. Bei der Beurteilung seiner Fähigkeiten ließen sich seine Zeitgenossen wohl eher von seiner kränklichen Konstitution leiten. Sie neigten deshalb gemäß der in der Renaissance gängigen Meinung, daß die körperliche Verfassung ein Spiegelbild der Seele und des Geistes sei, dazu, von der physischen Konstitution eines Menschen auf dessen moralische und intellektuelle Fähigkeiten zu schließen.7 Unstrittig ist, daß die meisten politischen Akteure und die miteinander um Macht und Einfluß konkurrierenden Adelsfaktionen von Anfang an Franz II. – wenn überhaupt – nur geringe Autorität attestierten. Selbst seine Mutter zweifelte an seiner Durchsetzungsfähigkeit und an seiner Standhaftigkeit, an den von ihm allein getroffenen Entscheidungen auch gegen Widerstände aus seiner Umgebung festzuhalten. Es kann auch nicht bezweifelt werden, daß der König auf seine Herrschaft nicht hinreichend vorbereitet war. Das Verhalten Katharinas in den Tagen und Wochen unmittelbar nach dem unerwarteten Tod Heinrichs läßt erkennen, daß sie bei dem in Anbetracht der damaligen Gegebenheiten alsbald zu erwartenden Gerangel um politische Macht und Einfluß am Königshof nicht die Rolle einer unbeteiligten Beobachterin spielen wollte. Ostentativ brach sie nämlich mit einer bis dahin als unumstößlich geltenden Tradition. Wie der Autor Louis Régnier de La Planche (1530?–1580?) ausführte, habe die Königinwitwe diesen noch zu jungen und schwachen, aber volljährigen König nicht allein lassen wollen. Sie habe deshalb „mit der zuvor unverletzbaren Gewohnheit gebrochen, der zufolge die Königinnen beim Tode ihrer Ehemänner ihre Gemächer für die Dauer von vierzig Tagen nicht verließen“.8 Sie blieb nicht im Palais des Tournelles, sondern zog in den Louvre, um sich in unmittelbarer Nähe ihres Sohnes aufzuhalten, um dessen Gunst die ambitionierten politischen Akteure erfahrungsgemäß und geradezu zwangsläufig konkurrieren würden. Die Königin trug auch nicht, wie es bisher bei den französischen Königinnen üblich war, weiße Trauerkleidung, sondern schwarze. Offensichtlich bezog sie sich damit 6  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 345 f. 7  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 159. 8  „[…] la coutume auparavant inviolable qui portait que les reines, advenant le décès de leurs maris, ne départaient de la chambre de quarante jours.“, 1576. Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 160.

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Kapitel 5 – Katharinas Agieren um Macht und Einflus

auf das Beispiel von Anne de Bretagne (1477–1514), der Ehefrau der Könige Karl VIII. und Ludwig XII. (1498–1514), die 1498 ebenfalls schwarze Trauerkleidung getragen hatte und als für ihre Zeit sehr selbständig agierende Königin galt. Rund ein Jahrhundert nach dem Tod Heinrichs gab der Jurist Barthélemy de Riez für diese Vorgänge folgende Erklärung: Als „weiße Königinnen“ (reines blanches) bezeichne man jene Königinwitwen, die keine Kinder zur Welt gebracht hätten, die dann den Thron bestiegen. Der Ausdruck „weiße Königin“ habe deshalb eine negative Konnotation. Außerdem verwende man ihn für autoritätslose Königinnen.9 In den 1670er Jahren dachte man zweifellos an Maria von Medici (1573–1642), seit 1600 verheiratet mit Heinrich IV., der 1610 einem Attentat zum Opfer gefallen war. Maria übernahm damals in aller Form die Regentschaft in Frankreich. Ob die Erklärung von Barthélemy de Riez auch schon für die Zeit Katharinas von Medici relevant ist, sei dahingestellt. Wenn das der Fall war, dann dürfte aber auch noch ein anderes Faktum bei ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Weiß mit schwarz gemischt war die Farbe Dianas von Poitiers. Weiß kam wohl auch deshalb als Trauerkleidung für Katharina nicht in Frage, da sie diese Trauerkleidung zeitlebens – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht mehr ablegen sollte.10 Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß Katharina mit ihrem damaligen Agieren signalisieren wollte, daß man auf der politischen Bühne mit ihr zu rechnen habe. Noch am Todestag ihres Ehemannes erwies sich Franz II. ihr gegenüber als anhänglicher Sohn, der auch in politischer Hinsicht auf sie zu setzen schien. Er überreichte ihr die Liste mit den Investituren in Chargen, deren Vergabe Angelegenheit des Königs war. Gleichzeitig erklärte er ihr, daß sie die würdigste sei, die Staatsgeschäfte zu leiten. Alle Autorität liege nun bei ihr. Sie werde das Königreich regieren.11 Treffen die Ausführungen von Henri Pigaillem zu, soll sie auch die ausländischen Botschafter in einem schwarz ausgekleideten Raum, der nur von zwei auf einem Altar brennenden Kerzen etwas beleuchtet gewesen sei, empfangen haben. Diesen habe sie mit fester Stimme mitgeteilt, daß sie die Leitung der Staatsgeschäfte faktisch übernehme.12 An der Exaktheit der Ausführungen Pigaillems bestehen aber erhebliche Zweifel, denn der Bericht, den der spanische Botschafter Ruy Gomez de Salva über das Geschehen des 11. Juli an Philipp II. sandte, enthält sehr präzise Angaben, die der Position Pigaillems widersprechen. Der spanische Botschafter informierte seinen König, daß er und der Herzog von Alba von Franz II. in einem schwarz ausgekleideten Raum des Louvre empfangen wurden. In dem Raum hätten, so führte er aus, zwei Kerzen auf einem Altar gebrannt. 9  „comme qui dirait reines en blanc et sans autorité“; Barthélemy de Riez, L’Incomparable Piété des Très-Chrestiens Roys de France, 2 Bde., Paris 1672–1674, Bd. 2, S. 181. Vgl. auch Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 160. 10  Solnon, Catherine de Médicis, S.  87  f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S.  160  f.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 97. 11  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 125; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 162; Solnon, Catherine de Médicis, S. 89. 12  Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 97.

5.1 Revirement im Conseil du Roi

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Anwesend gewesen seien die schwarzgewandete Katharina, Maria Stuart, die junge Frau des Königs in weißen Trauerkleidern, die Töchter des Verstorbenen und K ­ atharinas, die beiden Brüder Guise und Ludwig von Condé (Louis I de Bourbon, prince de Condé, 1530–156913). Die Königinwitwe habe vor Trauer kaum sprechen können. Der spanische Botschafter berichtete auch, daß sich die beiden Brüder Guise als diejenigen präsentiert hätten, die mit der Regierung des Königreiches beauftragt worden seien. Der Prinz von Geblüt Ludwig von Condé habe dagegen eingewandt, daß man vor einer derartigen Entscheidung erst die Ankunft seines älteren Bruders, des Ersten Prinzen von Geblüt Anton von Bourbon, abwarten solle. Dem Einwand Condés sei aber nicht entsprochen worden.14 Anton von Bourbon (Antoine de Bourbon, duc de Vendôme et de Beaumont, 1518– 1562) nahm als Erster Prinz von (königlichem) Geblüt (premier prince de sang) unter den hochadligen Geschlechtern eine besondere Position ein. Auf Grund dieser Würde und dieses hohen Ranges war er gemäß dem sog. Salischen Gesetz nach den „Söhnen Frankreichs“, also – vereinfachend formuliert – nach den legitim geborenen Söhnen Frankreichs beim Aussterben der herrschenden Dynastie der Valois thronfolgeberechtigt. Allein schon aus diesem Grund war und blieb er eine nicht zu vernachlässigende Figur auf dem politischen Parkett. Im Alter von dreißig Jahren hatte Anton von Bourbon am 20. Oktober 1548 ­Johanna III. von Albret, die Tochter des Königs Heinrich  II. von Navarra und Margaretes von An­ goulême, der Schwester des französischen Königs Franz I., geheiratet. Er war also auch mit der herrschenden Dynastie der Valois verwandt. Nachdem Heinrich II. von Navarra am 24. oder 25. Mai 1555 gestorben war, war Johanna von Albret dessen Nachfolgerin, also Königin von Navarra, geworden, weil dort im Unterschied zu Frankreich eine weibliche Thronfolge möglich war. Als ihr Ehemann war auch Anton von Bourbon König von Navarra geworden. Er war somit in den erlauchten Kreis der souveränen Monarchen Europas gelangt. Im Gefolge der Eheschließung zwischen Anton und Johanna waren die Länderkomplexe und Herrschaften der Bourbonen mit jenen der Albret vereinigt.15 Wie erklärt sich das Geschehen vom 10. und 11. Juli 1559? Hatte Katharina oder hatten die Brüder Guise die Führung der Regierungsgeschäfte im Namen des Königs erhalten? Welche Entwicklungen und Gründe lagen den geschilderten Vorgängen und den diesbezüglichen Entscheidungen zugrunde, über deren Abläufe und Details der Historiker nur über mehr oder minder gesicherte Informationen verfügt? Manche Frage muß deshalb unbeantwortet bleiben, und manches läßt sich nur mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit rekonstruieren. Der Bericht des venezianischen Botschafters Giovanni Michieli vom September 1559 ist eher zugunsten Katharinas zu interpretieren. Darin führte er aus:

13  Zu den Condé: Christian Bouyer, Les Condés, Paris 2014. 14  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 164. 15  Malettke, Heinrich IV., S. 15 f.

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Kapitel 5 – Katharinas Agieren um Macht und Einflus Seine Majestät scheint sehr zufrieden zu sein mit allen Ehrbezeugungen, die in der Öffentlichkeit und im Privaten der Königinmutter bekundet werden. Zu deren großer Ehre hat er gewollt, daß man sich bei allen wichtigen Schriftstücken und öffentlichen Akten folgender Formel bedient: Weil es der gnädigste Wille der Königin, meiner Mutter und Königin, ist, und weil ich den Dingen zustimme, zu denen sie rät, bin ich einverstanden und befehle daß […].16

Als aber eine Delegation des Pariser Parlaments, die altem Brauch gemäß Franz II. die Glückwünsche dieses hohen Gerichtshofes zu seiner Thronbesteigung überbracht hatte, den König fragte, an wen sich das Parlament zuerst wenden solle, wenn es sich nach seinem Willen erkundigen wolle, antwortete dieser: „daß er die Charge über sämtliche Sachen dem Kardinal von Lothringen und dem Herzog von Guise, seinen Onkeln, übertragen habe.“17 Drei Jahre später, 1562, stellte der venezianische Botschafter Antonio ­Suriano in der Rückschau auf die kurze Herrschaft Franz II. ebenfalls fest: „[…] seit der Thronfolge Franz’ II. schien es so, als habe sie die höhere Autorität innegehabt, gleichwohl war das alles nur zum Schein so.“18 Dieser Widerspruch löst sich auf, wenn man die damalige Realität genauer betrachtet. Dann erweist sich, daß Antonio Suriano die Dinge richtig gesehen und beurteilt hat. Im Hinblick auf das Zentrum der Macht stellte sich die damalige politische Realität folgendermaßen dar. Tatsächlich hatte Katharina Sitz und Stimme im Conseil du Roi. Insofern erklärt es sich, daß Franz II. seiner Mutter die Ehre erweisen wollte, daß in allen offiziellen Schriftstücken, Dekreten und Gesetzen mit der zitierten Schlußformel auf die Königinwitwe Bezug genommen werden sollte. Über die wahren Machtverhältnisse im Kreis der politischen Akteure – innerhalb der Regierung, um einen modernen Terminus zu verwenden – sagte die Verwendung dieser Formel aber nichts aus. Für diese Schlußfolgerung spricht auch, daß dem Conseil du Roi insgesamt rund dreißig Persönlichkeiten angehörten. Neben dem König, dem der Vorsitz zustand, und der Königinwitwe zählten zu diesem Gremium die Königin Maria Stuart, Anton von Bourbon, die Guise, der Herzog von Savoyen und andere Würdenträger. Katharina war also nur ein Mitglied unter zahlreichen anderen. Darüber hinaus trat dieser Rat höchst selten zusammen, denn die wichtigen und zentralen Entscheidungen wurden in der Regel in einem sehr reduzierten Gremium unter der Leitung des Königs getroffen. Hier waren zunächst Karl von Guise

16  „Sa Majesté [François II] paraît très satisfaite de tous les honneurs qui, en public comme en privé, sont faits à la reine mère, pour le plus grand honneur de laquelle il a voulu que, dans toutes les écritures et les actes publics importants, on use à l’avenir de cette formule: Étant le bon plaisir de la reine mère ma mère et dame, moi aussi approuvant les choses dont [elle] est d’avis, je suis content et je commande que […].“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 163. 17  „[…] qu’il avait donné la charge entière de toutes choses au cardinal de Lorraine et au duc de Guise.“ Zitiert über Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 47. 18  „[…] depuis que succéda le roi François II, il semblait qu’elle [Catherine de Médicis] eût autorité supérieure, pourtant tout était en apparence.“ Zitiert über ebenda.

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und sein Bruder Franz ganz eindeutig die dominierenden Figuren. Katharina wurde zu den Beratungen dieses sehr kleinen Gremiums selten hinzugezogen. Der Herzog Franz von Guise war – stark vereinfachend formuliert – Kriegsminister. Karl befaßte sich im wesentlichen mit der Innen- und Außenpolitik sowie mit der Justiz. Assistiert wurden die Guise von vier Staatssekretären. Wie diese Kompetenzverteilung bereits signalisiert, war Kardinal Karl offensichtlich der mächtigere der beiden Brüder. Diese Schlußfolgerung findet ihre Bestätigung durch einen Bericht des venezianischen Botschafters Niccolò Tommaso, in dem er Karl wie folgt charakterisierte: Er verfügte über eine derartige geistige Präsenz und Scharfsichtigkeit, daß die ausländischen bevollmächtigten Gesandten darüber erstaunt waren, wie schnell er erriet, ja durchschaute, worauf diese hinaus wollten, nachdem sie ihren Mund auch nur geöffnet hatten. Er besaß ein so wunderbares Gedächtnis, daß er kein Detail der Angelegenheiten und Vorgänge in Europa vergaß, über die er sich konstant auf dem Laufenden halten ließ. Schließlich hatte er das Talent, andere Menschen für sich zu gewinnen und sich auf diese Weise ihrer Ergebenheit zu versichern. Diese außerordentlichen Qualitäten wurden aber durch seine Habsucht verdorben, die selbst vor dem Rekurs auf unehrenhafte Mittel nicht zurückschreckte, um diese Habgier zu befriedigen. Außerdem war er doppelzüngig, so daß er den Ruf hatte, niemals die Wahrheit zu sagen.19

Welche Faktoren, welche Einflußnahmen und welche Abläufe haben im Ergebnis dazu geführt, daß die beiden Brüder Guise eine dominierende Position unter den übrigen Akteuren erlangten und Katharina von Medici sich damit einstweilen arrangieren mußte? Die vorhandenen Quellen erlauben es nicht, die diesbezüglichen Vorgänge und Entscheidungen zweifelsfrei zu ermitteln. Deshalb soll im folgenden auf der Basis von Indizien und einigen gesicherten Fakten eine zumindest plausible Erklärung vorgetragen werden. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß die Guise bereits unter Heinrich II. eine wichtige Rolle gespielt hatten. Auch sie hatten von den Wohltaten des Königs profitiert und sich schließlich als schärfste Rivalen des Konnetabels Montmorency im Ringen um Macht und Einfluß in der Monarchie erwiesen.20 Mitentscheidend für ihren Aufstieg unter Franz II. dürfte aber die Tatsache gewesen sein, daß sie die Onkel der jungen Königin Maria Stuart waren. Deren Mutter war Maria von Guise (Marie de Guise, 1515–1560), die 1538 König Jakob V. von Schottland geheiratet hatte. Als dieser 1542 starb, war seine kurz zuvor geborene Tochter Maria Stuart Thronerbin. Ihre Mutter übernahm für die minderjährige Tochter die Regentschaft, sah sich aber in zunehmendem Maße mit einer 19  „Il était d’une telle vivacité d’intelligence que les ministres étrangers s’étonnaient de le voir deviner où ils voulaient en venir, aussitôt qu’ils avaient ouvert la bouche; d’une mémoire si merveilleuse qu’il n’oubliait aucun détail des affaires de l’Europe dont il se faisait constamment rendre compte; enfin de talents de séduction qui lui gagnaient les dévouements. Ces extraordinaires qualités étaient gâtées par une cupidité qui ne reculait pas pour se satisfaire devant les moyens déshonnêtes et une duplicité qui le faisait considérer comme ne disant jamais la vérité.“ Zitiert über Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 99. 20  Vgl. Kap. 4, S. 62 f., 79.

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innerschottischen Opposition konfrontiert. Die protestantischen Lords versuchten, die katholische Maria von Guise und ihre französischen Söldner aus Schottland hinauszudrängen. Ihre Tochter Maria Stuart war schon allein aus eigenem Interesse bemüht, dieses zu verhindern und ihr Reich für sich dauerhaft zu sichern und zu stabilisieren. Sie war deshalb nachdrücklich und nicht ohne Erfolg bemüht, in diesem Sinne auch auf Franz II. einzuwirken. Katharina stand ihren Bemühungen aber kritisch gegenüber. Insbesondere lehnte sie einen Krieg gegen England an der Seite Schottlands ab. Vergegenwärtigt man sich diesen Zusammenhang, ist verständlich, daß Maria Stuart die politischen Ambitionen der Guise bei ihrem Ehemann nach Kräften förderte. Nicht zu Unrecht erwartete sie von diesen eine tatkräftige Unterstützung ihrer Pläne.21 Die Beziehungen zwischen Maria Stuart und ihrer Schwiegermutter Katharina waren nicht spannungsfrei. Maria Stuart habe sich nach zeitgenössischer Überlieferung gegenüber Katharina des öfteren anmaßend verhalten, auch in der Öffentlichkeit. Der päpstliche Nuntius Prospero Santa Croce berichtete an seine Auftraggeber, daß die aufgebrachte junge Königin eines Tages Katharina als „florentinische Händlerin“ (marchande florentine) bezeichnet habe. Damit spielte diese auf die zwischen ihnen beiden bestehende Differenz im Hinblick auf ihre Herkunft an. Verglichen mit ihrer Abstammung aus einem Königshaus, war Katharina in den Augen Maria Stuarts nur ein Emporkömmling. Damit tat sie dieser aber Unrecht, so daß verständlich ist, daß sich Katharina gegenüber ihrer Schwiegertochter distanziert verhielt. Dennoch respektierte sie nach außen hin strikt die Etikette. So überließ sie sofort nachdem Franz II. seinem verstorbenen Vater auf dem Thron gefolgt war, demonstrativ der neuen jungen Königin den Vortritt. Glaubt man hingegen den Memoiren des Marschalls Gaspard de Saulx de Tavannes (1509–1573), so soll Katharina die junge Königin gehaßt haben. Tavannes schrieb: „Sie haßte die Königin, ihre Schwiegertochter, weil diese sie von den Regierungsgeschäften fernhielt und den König veranlaßte, seine Gunst den Herren von Guise zuzuwenden. Diese gewährten ihr nur jenen Anteil an den Agenden, von denen sie wußten, daß sie ihnen dabei nicht schaden könne. Sie gaben ihr nur zum Schein eine wirkungslose Autorität.“22 Ob die Distanz Katharinas gegenüber Maria Stuart so weit ging, daß sie in Haß umschlug, erscheint insofern eine übertriebene Aussage zu sein, als sie ihrem alles in allem beherrschten Auftreten, das sie in der Vergangenheit – von seltenen Ausnahmen abgesehen – gegenüber Diana von Poitiers praktiziert hatte, zu widersprechen scheint. Wie dem auch sein mag, Katharina hatte sich mit den politischen Konstellationen, die sich unmittelbar nach der Thronbesteigung Franz’  II. ergeben hatten, zu arrangieren. 21  Zu Maria Stuart und ihren Verbindungen zu den Guise vgl. Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 17–60; vgl. auch Kohler, Expansion und Hegemonie. Internationale Beziehungen 1450–1559, S. 152, 155. 22  „Elle [Catherine de Médicis] haïssait la reine sa fille, qui l’éloignait des affaires et portait l’amitié du roi son fils à MM. de Guise, lesquels ne lui départaient du gouvernement qu’en ce qu’ils connaissaient qu’elle ne pouvait nuire, lui donnant crédit en apparence sans effet.“ Zitiert über Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 46.

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Immerhin stellt sich die Frage, inwieweit sie selbst an den sich in diesem Zusammenhang vollziehenden Entscheidungsprozessen beteiligt gewesen ist. Sie hatte offenbar erkannt, daß sie – zumal als Frau – den Aufstieg der Guise nicht verhindern konnte, wenn sie das überhaupt entschieden gewollt hatte. Bei ihrer Analyse der gegebenen Konstellation war sie sicherlich zu der Einsicht gelangt, daß sie sich in Anbetracht der politischen Unerfahrenheit ihres Sohnes auf dessen Wort nicht dauerhaft verlassen konnte. Außerdem hatte Katharina die außerordentlichen politischen Fähigkeiten des Kardinals von Lothringen durchaus erkannt, die sie 1559 sehr schätzte.23 Ihr stark ausgeprägter Realitätssinn hat schließlich wohl auch ihre Entscheidung mitbeeinflußt, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren und das Beste aus der gegebenen Lage für sich zu machen. Sie akzeptierte, daß sie die leitende Machtposition nicht erreicht hatte, nicht erreichen konnte – noch nicht. Zweifellos hatte sie sich aber der Macht ein wesentliches Stück angenähert – sie war ihr nun näher als jemals zuvor. Immerhin war sie als politische Autorität anerkannt, auch wenn sie die größere Autorität der Guise hinzunehmen hatte. Auszuschließen ist aber auch nicht, daß sie am Zustandekommen dieses Arrangements in der einen oder anderen Weise beteiligt gewesen ist. Katharina war aber nicht – wie Sabine Appel konstatiert – von Franz II. „in einem königlichen Dekret […] offiziell zur Regentin“ bestimmt worden.24 Ob Katharina in das unmittelbar nach der Thronbesteigung Franz’ II. realisierte personelle Revirement im Kreis der leitenden Berater des Königs involviert gewesen ist, läßt sich nicht entscheiden. War dies der Fall, so hatte sie dabei ganz sicher nicht das letzte Wort gehabt. Vieles spricht dafür, daß hierbei die Guise, insbesondere der Kardinal von Lothringen, federführend gewesen sind. Der Konnetabel Montmorency mußte seine Charge als „grand-maître de France“ an den Herzog Franz von Guise abtreten. Die Entmachtung des ehemaligen Favoriten Heinrichs II. war durchaus im Sinne Katharinas, denn sie hatte ihm die Aushandlung des Friedens von Cateau-Cambrésis, der zu großen Teilen sein Werk war, übelgenommen. Gleichwohl war sie nicht daran interessiert, daß Montmorency völlig verstoßen wurde. Er behielt die Charge des Konnetabels, und sein Sohn, François de Montmorency, wurde sozusagen im Gegenzug Marschall von Frankreich. François von Montmorency war und blieb im übrigen Gouverneur von Paris und der Île-de-France. Seinem Vater wurde das Gouvernement des Languedoc belassen, wo er quasi als Vizekönig weiterhin fungierte. Außerdem sicherte Franz II. dem Konnetabel einen Sitz im Conseil du Roi zu. Sein Appartement im Louvre mußte er aber an den Herzog Ludwig von Guise (1527–1578) abtreten. Dessen Bruder Karl bezog die freigewordenen Gemächer Dianas im Louvre.25 23  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 171. 24  Appel, Katharina von Medici, S. 125 f. 25  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 126 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 164 f.; Solnon, ­Catherine de Médicis, S.  91  f.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S.  98  f., 101  f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 112–115.

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Montmorency und seine Neffen, Odet de Coligny, genannt „cardinal de Châtillon“, Gaspard de Coligny, und François de Châtillon, seigneur d’Andelot (?–1569), stellten weiterhin eine durchaus ernstzunehmende Adelsfaktion dar, mit der Katharina von Medici in Zukunft zu rechnen hatte. Sie behielt dabei die Möglichkeit im Auge, sich zukünftig dieses Clans als Gegenspieler gegen die Guise zu bedienen, was sie dann auch tat.26 Der Kardinal François de Tournon (1489–1562), Erzbischof von Lyon (1551–1562), dem der Konnetabel Montmorency übel mitgespielt hatte, wurde im Zuge des politischen Revirements ebenfalls in den Conseil du Roi berufen. Sozusagen rehabilitiert wurde auch François Olivier, Kanzler von 1545–1560, dem der Konnetabel die Staatssiegel von ­Heinrich  II. hatte entziehen lassen. Er durfte in Gnaden wieder seines hohen Amtes walten. Mit diesen Maßnahmen gelang es den Guise, ihre Position zu stärken und ihre Klientel zu vergrößern.27 Die Prinzen von Geblüt Anton von Navarra und Ludwig von Condé verfolgten diese Entwicklungen nicht reaktionslos, liefen sie doch ihren eigenen politischen Ambitionen zuwider. Sie trafen sich im August 1559 in Vendôme, im heutigen Departement Loir-etCher gelegen, um über geeignete Gegenmaßnahmen zu beraten. Ihnen schlossen sich der Admiral Coligny, dessen beide Brüder und ein Vertreter Montmorencys an. Sie konnten aber keine Einigung über ein gemeinsames Vorgehen erzielen. Condé und François d’Andelot drängten darauf, mit Waffengewalt zu reagieren. Anton von Bourbon und ­Coligny bevorzugten Verhandlungen mit Katharina mit dem Ziel, ebenfalls hohe Chargen zu erreichen. Dieser kam ihr Vorstoß nicht ungelegen, bot er ihr doch die Chance, sie gegebenenfalls als potentielle Unterstützer für sich instrumentalisieren zu können. Einerseits lag ihr nicht daran, sie zu mächtig werden zu lassen, was ihren eigenen politischen Ambitionen widersprochen hätte. Andererseits wollte sie es keineswegs zu einem offenen Zerwürfnis mit den ernstzunehmenden Prinzen von Geblüt kommen lassen. Man fand eine für alle Seiten reputations- und gesichtswahrende Lösung. Dem König von Navarra wurde die ehrenvolle, aber in politischer Hinsicht unergiebige Aufgabe zuteil, die Schwester des Königs, Elisabeth28, auf dem Weg nach Spanien zu begleiten. Ähnlich verfuhr man mit Condé. Er wurde beauftragt, sich nach Flandern zu begeben, um dort den Friedensvertrag von Cateau-Cambrésis im Namen Franz’  II. feierlich zu ratifizieren.29 Das Agieren Katharinas in jenen Tagen und Wochen ist typisch für sie. In eigenem Interesse vermied sie eine Konfrontation, wog ihre politischen Optionen unter den gegebenen Bedingungen scharfsinnig ab und bemühte sich, die miteinander konkurrierenden Faktionen auszutarieren bzw. sie gegeneinander auszuspielen. Sie selbst agierte 26  Vgl. Kap. 5, S. 104 ff. 27  Solnon, Catherine de Médicis, S. 92. 28  Zu ihrer Heirat vgl. Kap. 4, S. 90 f. 29  Solnon, Catherine de Médicis, S. 92 f.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 48; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 108 f.; vgl. auch Dargent, Catherine de Médicis, S. 113–116.

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besonnen und zurückhaltend, ohne jedoch ihr Streben nach der führenden Machtposition (nach dem König) in der Monarchie aufzugeben, um in Anbetracht der schon allein auf Grund der konfessionellen Probleme immer schwieriger werdenden innenpolitischen Lage Frankreich vor dem Ausbruch offener interner Auseinandersetzungen zu bewahren und die Krone für ihre Söhne zu erhalten. Dies sollte auch zukünftig Leitmotiv ihres Handelns bleiben. Franz  II. schätzte seine Mutter nach wie vor sehr und setzte als König seine affektiven Beziehungen zu ihr fort. Das manifestierte sich zum Beispiel darin, daß er kurz nach Beginn seiner Herrschaft ihre materielle Sicherheit gewährleistete, indem er ihr durch entsprechende Dekrete (lettres patentes, „Offene Briefe“30) vom 15. August  1559 ein stattliches Wittum konstituierte. Es war das opulenteste Leibgedinge, das jemals für eine französische Königinwitwe eingerichtet worden ist. Katharina erhielt eine ordentliche Pension in Höhe von 72.000 livres. Außerdem wurden ihr die Schlösser in VillersCotterets und in Monceaux sowie das Herzogtum Alençon in der Normandie mit den daraus fließenden Einnahmen übertragen. Das Schloß in Villers-Cotterets war Teil der Grafschaft Meaux, die ihr Heinrich am 1. Juli 1558 geschenkt hatte. Hinzu kamen die Zinsen aus den 130.000 Golddukaten (écus d’or), die Katharina als Mitgift in ihre Ehe eingebracht hatte. Diese Zinsen beliefen sich auf 8 666 écus, die aus entsprechenden Anweisungen auf die Einnahmen aus dem Herzogtum Valois und der Grafschaft Montfortl’Amaury flossen. Franz II. übertrug ihr des weiteren die Hälfte sämtlicher Einnahmen, die die Krone bei der Bestätigung von Amtsträgern in ihren (käuflichen) Ämtern sowie aus Anlaß der Erneuerung von Lehen und Privilegien erzielte. Am 17. Januar 1560 fügte Franz II. die Einnahmen von Dombes, Forez,31 und des Beaujolais hinzu. Zu Beginn der Herrschaft ihres Sohnes Karl IX., der am 5. Dezember 1560 Nachfolger seines an diesem Tag verstorbenen Bruders Franz II. geworden war, gab Katharina das Herzogtum Alençon an die Krondomäne zurück. In Anbetracht der finanziellen Probleme des Königs wollte sie damit einen Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen leisten.32 Die Finanzkrise der Krone hatte sich aber bereits während der Herrschaft Heinrichs manifestiert und war mit ein Grund für den Abschluß des Friedens von Cateau-Cambrésis (1559) gewesen, in dem der französische König große territoriale Konzessionen machte. Die Kriege der vergangenen Jahrzehnte hatten ein enormes Budgetdefizit entstehen lassen, das sich bei Beginn der Herrschaft Franz’  II. auf insgesamt 43 Millionen livres belief. Damit hatte die Staatsschuld eine Gesamtsumme erreicht, die das Dreieinhalbfache der jährlichen Einnahmen der Krone ausmachte. Der spanische Botschafter informierte Philipp II. detailliert über diese Finanzkrise, über deren Lösung er folgende 30  Vgl. dazu: Mager, Frankreich vom Ancien Régime zur Moderne 1630 bis 1830, S. 126, 150; Barbiche, Les institutions de la monarchie française à l’époque moderne, S. 153 f., 166–170. 31  Dombes ist heute Teil des Departements Ain in der Region Auvergne-Rhône-Alpes, Forez eine ehemalige Provinz, die in etwa dem Zentralbereich des Departements Loire und einem Teil des Departements Haute-Loire entsprach. 32  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 129; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 101.

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pessimistische Prognose abgab: „Das Geld ist so knapp [in diesem Land], daß es für lange Zeit kein Mittel gibt, um eine [Sanierung] der Finanzen zu organisieren.“33 Wegen der Finanzkrise sahen sich die Guise zu einem radikalen Sparprogramm gezwungen, das sicherlich seine Früchte getragen hätte, wenn die davon direkt Betroffenen es einigermaßen akzeptiert hätten. Naturgemäß war das nicht der Fall, denn die beschlossenen Sparmaßnahmen und weitere fiskalische Verfügungen waren unpopulär und stießen weitgehend auf Ablehnung und Widerstand. Die daraus resultierenden Spannungen wurden zudem dadurch verschärft, daß die Guise ihre Unterstützer und ihre Klientel nach Kräften verschonten, weil sie in Anbetracht ihrer ohnehin fragilen eigenen Lage, auf deren Rückhalt angewiesen waren. Die Guise verschafften ihrer Klientel weiterhin finanzielle Wohltaten, Pensionen und lukrative Chargen, was sie aber anderen verwehrten. Das hatte zur Folge, daß sie sich in weiten Teilen der Bevölkerung zunehmender Kritik, ja Opposition ausgesetzt sahen. Man warf ihnen vor, den „König in ihrem Sinne zu manipulieren“ ( façonner le roi à leur mode) und sich wie Tyrannen aufzuspielen. Da sie einer Familie ausländischer Fürsten entstammten, stellten ihre entschiedenen Gegner ihre Legitimität als Minister des Königs in Frage.34 Zur Verschärfung der inneren Lage trug ebenfalls bei, daß nach Beendigung des Krieges große Teile des Adels ihre Verwendung im Heer verloren hatten und auch deshalb zu einem Unruhefaktor wurden. Hinzu kamen die wachsenden konfessionellen Spannungen. Diese Entwicklung spielte Katharina in die Hände, weil sie die Autorität und die Machtposition der Guise schwächte. Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist es verständlich, daß sie ihre nach wie vor bestehenden Kontakte zum Konnetabel Montmorency intensivierte und dessen Rückkehr an den Hof des Königs auf subtile Weise betrieb. Damit wollte sie ein Gegengewicht gegen die sich immer machtbewußter gerierenden Guise in der näheren Umgebung des Königs installieren. In diesen Zusammenhang ist ein Brief einzuordnen, den sie im September 1559 an Montmorency richtete. Darin teilte sie dem Konnetabel mit, daß sie sich bei Franz II. erfolgreich für die Übertragung einer lukrativen Abtei an seine Tochter Louise eingesetzt habe. In dem Schreiben führte sie unter anderem aus: 33  „L’argent est si court qu’il n’y a moyen d’arranger les finances pour longtemps.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 93. – Die „livre tournois“ war eine reine Rechnungseinheit. Eine „livre“ entsprach 20 „sous“ oder „sols“. Ein „sous“ hatte den Wert von 12 „deniers“. „Sous“ und „deniers“ waren im Unterschied zur „livre“ reale Münzen, die aus einer Kupferlegierung bestanden. Der „écu d’or“ und der „teston“ waren Gold- bzw. Silbermünzen, denen jedoch keine Wertangaben aufgeprägt waren. Für einen „teston“ erhielt man 10 bis 15 „sous“. Im Jahre 1475 mußte man einen „écu“ vorlegen, um 33 „sous“ (1 livre 13 sous) zu bezahlen. Für das Jahr 1561 belief sich die entsprechende Relation im Gefolge des Wertverlustes der „livre“ – eine Folge der massiven Edelmetallimporte aus den spanischen Kolonien – auf folgenden Wert: einem „écu“ entsprachen nunmehr 50 „sous“. Wenn man die Devaluation der „livre“ in realem Goldgewicht berechnet, so verlief die Entwicklung von 1560 bis 1561 wie folgt: 1560: 1 „livre“ = 4,64 Gramm; 1561: 1 „livre“ = 3,34 Gramm; 1589: 1 „livre“ = 2, 57 Gramm. Cloulas, Catherine de Médicis, S. 142 f. 34  Solnon, Catherine de Médicis, S. 93 f.

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Gestern hat man [einige hochgestellte Interessenten, die direkten Zugang zum König hatten] den König, meinen Sohn, ersucht, die Abtei Maubuisson zu vergeben. Da ich mich daran erinnerte, daß es sich um eine reiche Pfründe handelt und daß seinerzeit Ihre Schwester sie besaß und diese Abtei außerdem nahe an Ihre Besitzungen grenzt, habe ich sie beim König für Ihre Tochter erbeten, was dieser auch gewährt und den Nonnen hat schreiben lassen, daß diese keine Wahl vornehmen, weil er die Abtei Ihrer Tochter gegeben hat.35

Der Intervention Katharinas verdankte also Louise, daß ihr der Titel und die Funktionen einer Äbtissin und die Einnahmen aus einem reichen Kloster übertragen wurden, das in der Nähe von Paris lag und zudem an die Lehen, Grundherrschaften und Domänen grenzte, über die das Haus der Montmorency bereits verfügte. Katharina hat ebenfalls darauf hingewirkt, daß der Sohn des Konnetabels, François, von Franz II. zum Marschall von Frankreich ernannt wurde – sozusagen als Entschädigung dafür, daß sein Vater die hohe Hofcharge des grand-maître de France hatte abtreten müssen.36 Auf diesen ganzen Vorgang bezugnehmend schrieb die Königinwitwe Ende November 1559 an ihren „Gevatter“: Ich wollte Ihnen auf einem Zug mitteilen, was der König, mein Sohn, für Ihren Sohn getan hat, nachdem er die Prokuration gesehen hat, die Sie mir geschickt haben, damit die Charge des ‚grand-maître‘ wieder in seine Hände gelangt. Den König hat Ihr ehrenhaftes Verhalten in dieser Angelegenheit dazu bewogen, unverzüglich die Übertragung der Charge eines Marschalls von Frankreich an Ihren Sohn zu veranlassen, also ohne daß Sie noch des längeren darum ersuchen müssen. Außerdem hat er die Anweisung Ihres Lösegeldes [für die seinerzeitige Freilassung des Konnetabels aus spanischer Haft] angeordnet. Der König bleibt Ihnen und Ihren Kindern sehr gewogen, und ich werde – für meinen Teil – mich bei ihm dafür stark machen, daß er Ihnen auch zukünftig gewogen bleiben wird. Sie können sicher sein, daß ich stets bereit bin, mich Ihnen und den Ihren gefällig zu erweisen.37

35  [September 1559] „A mon compère, Monsieur le Conestable. Mon compère, yer au souyr l’on vint demender au Roy mon fils l’abeye de Maubison [Maubuisson], et me resovenant qu’el est bonne [riche] et que vostre seur la tînse, et [qu’elle est] près de vos méson [maisons], je la luy demandis pour vostre fille, […] cet qu’il ha acordé et fayst ayscripre aus religieuses de ne fayre neule aylection d’aultant qu’il la donnaye à vostre fille […]. Vostre bonne commère et amye, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 125. 36  Siehe Kap. 5, S. 101. 37  [Ende November 1559] „A mon compère, Monsieur le Conestable, je vous veolais mander tout d’eun traiyn, set que le Roy mon fyls avest fayst pour vostre dist fils, après avoyr veu la procouratyon que [vous] m’aviés envoyé pour lui remestre [au roi] la grant mestrise entre ses mayns, set qu’il a trové si bon de l’auneste fason que [vous] en navés hausé que yncontynent yl a fayst dépéché la marichausyé à vostre fyls, ynsin que plulx au long y vous pouré mender, et a comendé ausi votre asinasion pour votre ranson, et vous aseure que yl é en très bonne volenté ver vous et veos enfens; et de ma part, je meteré pouyne de la lui fayre tourjour contynuer tyeule, et vous prie vous en naseurer et que me troverés tourjour preste à fayre plésir à vous et au vostres […]. Vostre bonne commère et amye, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 128 f.

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Kapitel 5 – Katharinas Agieren um Macht und Einflus

Die Charge eines Marschalls von Frankreich war nicht nur ein sehr hoher militärischer Rang, sondern mit ihr erhielt ihr Inhaber auch keinesfalls zu unterschätzende militärische Kompetenzen. War der Konnetabel der Chef aller Truppen des Königs, so unterstanden die nicht von ihm selbst kommandierten Truppen dem Kommando der vier Marschälle Frankreichs.38 Mit der Ernennung von François de Montmorency zum Marschall war infolgedessen eine signifikante Zunahme der militärischen Machtkompetenzen des Clans der Montmorency verbunden. Auch in den folgenden Monaten pflegte Katharina weiterhin diese Kontakte. So ließ sie am 3. Januar 1560 Diana von Montmorency, der Frau des Marschalls Franz, einen längeren und von ihr nach den Regeln progressiver Rhetorik abgefaßten Brief überbringen mit der Bitte, diesen an ihren Ehemann weiterzuleiten. Darin versicherte die Königinwitwe dem Adressaten in stilistischer Formvollendung, daß, falls er in der Vergangenheit das Gefühl gehabt habe, sie sei ihm feindlich gesonnen, er nunmehr in jeder Hinsicht auf sie zählen könne. Sie werde ihn niemals täuschen. Er solle wie seine Vorfahren gegen alle jene kämpfen, die falsche Nachrichten verbreiten und die nur darauf aus seien, Unruhe zu stiften und die Monarchie zu spalten. Sie bat ihn, als „wahres Abbild der geistigen Fähigkeiten und der Güte“ (vraye ymage de corps d’esprit et de bonté) seines Vaters mit all’ seinen Kräften den jungen Franz II. zu unterstützen.39 Der Konnetabel verstand natürlich sofort die Signale Katharinas. Ihm war bewußt, daß die Königinwitwe in Anbetracht des absehbaren Ablebens von Franz  II. und der Minderjährigkeit seines Nachfolgers, Karl IX. für die Gestaltung der zukünftigen Machtverhältnisse in ihrem Sinne seine Unterstützung gewinnen wollte. Katharina brauchte für diesen Fall seine Hilfe gegen die Ambitionen der Guise. Der Konnetabel ging darauf auch in eigenem Interesse ein. Und um diese Allianz mit den damals üblichen Mitteln zu bekräftigen, bat er Katharina im Mai 1560, seinem Haus die Ehre zu erweisen, die Patenschaft für seinen Enkelsohn zu übernehmen. Katharina entsprach seiner Bitte und antwortete ihm unverzüglich mit folgenden Worten: Mein Gevatter, ich habe den Brief gelesen, den Sie mir geschrieben haben. Ich habe auch zur Kenntnis genommen, was [Karl von Montmorency, Herr von] Méru [der dritte Sohn des Konnetabels] mir gesagt hat, daß nämlich Ihre Tochter von Damville [Antoinette von La Marck, verheiratet mit dem zweiten Sohn von Anne von Montmorency, Heinrich von Montmorency, 1534–1614, seit dem 26. Januar 1559 Herr von Damville] einen Sohn geboren hat. Darüber freue ich mich ebenso wie Sie. Und was das betrifft, worum Sie mich bitten, nämlich den Neugeborenen [über dem Taufbecken] zu halten, so schreibe ich diesbezüglich an Madame von Montmorency, damit diese an meiner Stelle und in meinem Namen entsprechend bei der Taufe agieren möge. Ich bitte Sie, diese zu mir kommen zu lassen, nachdem sie für mich diese Handlung vorgenommen hat.40 38  Seit 1566 gab es fünf und seit 1574 sechs Marschälle. 39  Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 130. 40  [Mai? 1560] „A mon compère, Monsieur le Conestable. Mon compère, j’ay veu par la laystre que vous m’avez hayscrypte ay ausi à set que m’a dyst [Charles de Montmorency, sieur de] Méreu [le troisième

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Katharina übernahm also die erbetene Patenschaft. An ihrer Stelle und in ihrem Namen agierte Madame von Montmorency bei der Taufe. Das war bei Mitgliedern des Königshauses und in Kreisen des Hochadels durchaus gängige Praxis. 5.2

Verschärfung der politisch-konfessionellen Spannungen und die Verschwörung von Amboise (1560)

Die wachsende Unzufriedenheit mit dem Regiment der Guise hatte sowohl konfessionelle als auch politische Gründe. Die von ihnen verfolgte Politik zur Sanierung der Staatsfinanzen stieß generell beim französischen Adel, der von deren Demobilisierungsmaßnahmen nach dem Frieden von Cateau-Cambrésis besonders betroffen war, auf Ablehnung. Die unzufriedenen Adligen warfen den Guise vor, das komplexe System königlicher Gunst- und Gnadenerweise und der Regierung mit dem Staatsrat, an dem nach altem Herkommen der Adel zu beteiligen sei, zerrüttet und allein für sich sowie für ihre Klientel usurpiert zu haben. Zu Recht hatte aber auch Magarete von Parma, in ihrem Bericht vom Oktober 1560 an Philipp II. von Spanien betont, daß es sich um „eine bei allen Ständen Frankreichs verbreitete Unzufriedenheit gegenüber den Herren von Guise“ handele, denn diese „haben die absolute Regierung übernommen ohne jedwede Beteiligung anderer“41. Politische und konfessionelle Motive seien eng miteinander verwoben. Im Jahrzehnt von 1560 bis 1570 sollen in Frankreich rund 1.400 häretische, also calvinistische, Kirchengemeinden existiert haben, die über die ganze Monarchie verstreut waren.42 Nach neuesten und alles in allem seriösen Schätzungen sollen um 1560 nahezu 2 Millionen Calvinisten in Frankreich gelebt haben.43 Die erdrückende Mehrheit der französischen Bevölkerung war aber katholisch und lebte hauptsächlich auf dem platten Lande. Für das Jahrzehnt um 1560 wird ihre Gesamtzahl auf rund 16 Millionen geschätzt.44

fils du connétable], comment vostre fylle de Damvylle [Antoinette de La Marck, mariée au deuxième fils d’Anne, Henri de Montmorency, sieur de Damville depuis le 26 janvier 1559] eayst accuchée d’ung fyls, de quoy j’ay haysté byen ayse pour le playsir que, je suys seure, vous an navez reseu; et quant à set que [vous] me mandés de le faire tenyr [sur les fonts baptismaux], j’en hayscryptz à madame de Montmorency, laquelle je vous prye m’envoyer après qu’elle aura fayst pour moy sest offyse. […]. Vostre bonne coumère et amye, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), 135 f. – In modernisierter Orthographie auch bei Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 175. 41  „Il n’est [pas] question de la religion seulement, mais plus du mécontentement universel que tous [les] États de France ont du gouvernement de Messieurs de Guise. [Ils] ont pris le gouvernement absolu, sans adjonction quelconque de nulle part.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 186. 42  Vgl. Kap. 4, S. 50, 59 f. 43  Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 98; Solnon, Catherine de Médicis, S. 94. Dargent nennt hingegen für die Jahre um 1560 folgende Zahlen: rund 2.100 protestantische „Kultorte“; rund 400.000 Protestanten bezogen auf eine Gesamtbevölkerung von 16 Millionen. Dargent, Catherine de Médicis, S. 126. 44  Le Roy Ladurie, L’État Royal, S. 204.

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Kapitel 5 – Katharinas Agieren um Macht und Einflus

Zum Adel sind damals wahrscheinlich 41.600 bis 50.200 Familien zu zählen. Ungefähr ein Drittel der rund 200.000 Adligen waren zum reformierten Glauben konvertiert. Während Montmorency katholisch blieb, schlossen sich seine Neffen dem Calvinismus an. Der Benjamin, François de Châtillon, sieur d’Andelot, Oberst der Französischen Infanterie, der die Jahre von 1551 bis 1556 als spanischer Gefangener in Mailand verbrachte, war 1555 konvertiert. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich veranlaßte er einen großen Teil seiner Klientel und der von ihm Abhängigen in der Bretagne und im Tal der Loire, seinem Beispiel zu folgen. Sein älterer Bruder, der Admiral Gaspard de Coligny, wechselte etwas später, im Zusammenhang mit seiner Gefangenschaft nach der Schlacht von Saint-Quentin45, in den letzten Monaten des Jahres 1557 ebenfalls zur reformierten Konfession.46 Während auch Ludwig von Condé, der Bruder Antons von Bourbon, relativ früh konvertierte und alsbald einer der politisch führenden Hugenotten wurde, blieb das religiöse Verhalten des Königs von Navarra einige Zeit undurchsichtig. Einerseits ließ er durchaus Sympathien für die Reformierten erkennen, andererseits zögerte er, den endgültigen Schritt des Glaubenswechsels zu vollziehen. Dabei dürften seine Bemühungen eine Rolle gespielt haben, ein Arrangement mit Philipp II. im Hinblick auf eine Restituierung des von Spanien annektierten Teiles von Navarra zu erreichen. Außerdem lag ihm daran, als Erster Prinz von Geblüt die Beziehungen zum Hof der Valois nicht über Gebühr zu belasten. Alles in allem hat man um 1560 wohl rund ein Drittel der Eliten dem Calvinismus zuzurechnen. Um die Anhänger der Glaubenslehre Calvins zu benennen, verwenden nicht nur die Historiker zumeist die Bezeichnungen „Reformierte“, „Hugenotten“ oder „Calvinisten“. Der Begriff Hugenotten war vor 1560 nicht geläufig. Man benutzte ihn danach insbesondere, um die je länger desto mehr und in Reaktion auf die repressiven Maßnahmen der Krone sich manifestierende politische Dimension der französischen Reformation anzusprechen. Die französischen Reformierten hatten jedoch gegenüber dem Gebrauch der Bezeichnung Calvinisten einige Reserven, weil sie der Meinung waren, daß sie damit allzu sehr auf die Person Calvins reduziert, ja als „Sektierer“ angesehen würden. In offiziellen Verlautbarungen wurden sie später dann als Anhänger der „vorgeblich reformierten Konfession“ (confession prétendue réformée) benannt. Am 2. Juni 1559, bald nach der Unterzeichnung des Friedens von Cateau-Cambrésis, war noch unter Heinrich II. das Edikt von Écouen verkündet worden. Darin war die „Ausrottung der Häresie“ (extirpation de l’hérésie) in allen Landen und Besitzungen des Königs von Frankreich verfügt worden. Dieses Edikt wurde von den Reformierten – nicht zu Unrecht – als wahre Kriegserklärung gegen sie aufgefaßt. Unter ihnen wuchs nunmehr die Zahl derer, die überzeugt waren, daß ihnen nur noch die Wahl zwischen Flucht oder Aufstand bleibe.

45  Vgl. Kap. 4, S. 86. 46  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 176 f.

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Acht Tage später ließ [Heinrich II.] den Parlamentsrat Anne du Bourg, Sohn eines früheren chancelier de France [Kanzlers von Frankreich], verhaften, der in der gemeinsamen Mittwoch-Sitzung (mercuriale) der Grand’Chambre und der Chambre de la Tournelle in Anwesenheit des Königs eine mutige Rede gehalten hatte. Als er am 23. Dezember 1559 verbrannt wurde, war Heinrich II. schon ein halbes Jahr tot.47

Die Guise setzten die repressive Politik gegen die Reformierten fort. Auf ihre Initiative erließ Franz II. am 4. September 1559 das Edikt von Villers-Cotterêts, als er sich auf dem Weg nach Reims befand, in dessen Kathedrale am 18. September der traditionelle Akt der Weihe, Salbung und Krönung des jungen Königs vollzogen wurde. In diesem Edikt wurden der Abriß und die Schleifung aller Häuser angeordnet, in denen reformierte Gottesdienste abgehalten worden waren. Im übrigen stieg während der ersten sechs Monate der Herrschaft Franz’ II. die Zahl der Exekutionen der wegen ihres Glaubens zum Tode verurteilten Hugenotten weiter an. In Paris, das um die Mitte des 16. Jahrhunderts 300.000 bis 350.000 Einwohner hatte, wurden zwischen Juli und Dezember 1559 dreizehn Lutheraner (luthériens) verbrannt.48 Katharina, die sich extreme Positionen sowohl in konfessionellen als auch in politischen Fragen – sieht man von der Extremsituation der „Bartholomäusnacht“ (23./24. August 1572) ab – nie zu eigen machte und aus tiefster Überzeugung möglichst moderate Lösungen durch Verhandlungen bevorzugte, hatte zu diesem Zeitpunkt weder die Macht noch die Autorität, dem Vorgehen der Guise offen zu widersprechen oder entgegenzutreten. Sie war aber davon überzeugt, daß die Scheiterhaufen „die Häretiker in ihrem Glauben nur bestärkten“ und daß „ein Tod tausend Lebende verdirbt“.49 Nicht zu Unrecht war sie überzeugt, daß der Märtyrertod nicht abschreckend wirke, sondern die Hugenotten vielmehr nur in ihrem Glauben bestärken werde. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten plädierte sie deshalb für eine Milderung des Vorgehens gegen die Reformierten, die sich im Mai 1559 auf ihrer ersten nationalen Synode in La Rochelle das nach dieser Hafenstadt benannte Glaubensbekenntnis (confession de foi de La Rochelle) gegeben und dort auch ihre Kirchenorganisation nach Genfer Beispiel erarbeitet hatten. Die Reformierten erhofften sich von Katharina, daß diese sich für ein Ende der Repressionspolitik, zumindest aber für eine Verbesserung ihrer Lage einsetze. So berichtete der calvinistische Pfarrer François Morel am 1. August 1559 an Calvin, daß sich die reformierte Gemeinde von Paris, die seit langem „viel von ihrer [Katharinas] Sanftmut und Güte erhofft hatte“50, in einer Supplik an die Königinwitwe gewendet habe. Darin sei die Königinmutter ersucht worden, „nicht zu erlauben, daß die neue Herrschaft durch das

47  Mieck, Die Entstehung des modernen Frankreich 1450 bis 1610, S. 236. 48  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 178 f. 49  „confirmaient les hérétiques“; „une mort en gâte mille vivants“. Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 95. 50  „avaient beaucoup espéré de sa douceur et de sa bénignité“.

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Blut Unschuldiger besudelt werde“51. Wie Morel ausführte, hätten die Pariser Reformierten Gott inständig angefleht, daß er Katharina in seinem Geist so sehr festigen möge, daß diese wie eine zweite Esther handeln werde.52 Nach dem Buch Esther des Alten Testaments war es dieser Jüdin, die mit Xerxes, dem König von Persien, verheiratet war, gelungen, einen Anschlag gegen die Juden zu verhindern, nachdem das Volk Israel nach Babylon in die Gefangenschaft deportiert worden war. Der Vergleich Katharinas mit Esther zeigt, daß sich die Verfasser der Supplik über die Haltung der Königinmutter ihnen gegenüber einer Illusion hingaben. Diese hatte zwar das Bittgesuch freundlich entgegengenommen und sich dahingehend geäußert, daß sie sich für eine Verbesserung des Schicksals der Reformierten einsetzen wolle. Sie hatte sogar der Prinzessin von Condé und Gaspard de Coligny eine Beendigung der Verfolgungen versprochen. Ihre Bedingung war aber, so wird berichtet, daß die Reformierten darauf verzichteten, sich zu versammeln und Gottesdienste in der Öffentlichkeit abzuhalten.53 Indirekt gab sie damit zu verstehen, daß die Ausübung ihres Glaubens im Privaten, also in der Abgeschlossenheit ihrer Häuser, hinnehmbar sei. Sie sollten aber jegliche Provokation (scandale) unterlassen. Ihrer damaligen Linie entsprach, daß Katharina auf ihrer Reise zur Salbung und Krönung Franz’ II. in Reims eine Delegation der Reformierten in Villers-Cotterêts empfing. Auch bei dieser Gelegenheit beschwor man sie, eine „neue Esther“ zu sein. Als ihre reformierten Gesprächspartner sich aber erkühnten, ihr für den Fall der Fortsetzung der Repressionspolitik mit dem Zorn Gottes zu drohen, der ja bereits ihren Mann mit dem Tod bestraft habe, soll sie sehr ungehalten reagiert und erwidert haben: „Womit droht man mir? Was könnte mir Gott noch Schlimmeres antun, nachdem er mir den genommen hat, den ich am meistens schätzte und liebte.“54 Und als man ihr später sogar drohte, Gott werde seine Rache bei ihr und ihren Kindern vollenden, reagierte sie voller Zornesröte im Gesicht noch unmißverständlicher. „Sie drohen mir und glauben, mir Angst machen zu können. Aber sie sind noch nicht dort, wo zu sein sie vermuten.“55 Sie war nicht bereit, über ihren Rat an die Adresse der Hugenotten hinauszugehen, nämlich auf jegliche Ausübung ihres Kultes in der Öffentlichkeit zu verzichten und auf 51  „[…] ne permettre ce nouveau règne être souillé de sang innocent.“ Zitiert über Cloulas, Catherine de Médicis, S. 139. 52  „[…] qu’ils avaient prié Dieu particulièrement qu’il lui plût [de] la [Catherine de Médicis] fortifier tellement en son esprit qu’elle pût servir d’une seconde Esther.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 183. – Esther war der persische Name der jüdischen Jungfrau Hadassa. Als Gemahlin des persischen Königs Ahasverus (Xerxes) verhinderte sie einen Mordanschlag des Wesirs Haman gegen die Juden. Esther ist das gleichnamige Buch des Alten Testamentes gewidmet. 53  „[…] pourvu qu’on ne s’assemblât et que chacun vécut secrètement et sans scandale.“ Zitiert über Cloulas, Catherine de Médicis, S. 140. 54  „De quoi me menace-t-on? Comment Dieu pourrait-il me faire pis, m’ayant ôté ce que je prisais et aimais le plus?“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 96. 55  Auf die Drohung „[…] parachever sa vengeance sur elle et ses enfants“ erwiderte sie: „Ils me menacent, croyant me faire peur, rugissait-elle, mais ils n’en sont pas encore où ils pensent.“ Zitiert über ebenda.

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diese Weise jegliche Störung der öffentlichen Ruhe zu vermeiden. In diesem Sinne reagierte sie auch auf die Bitte der Hugenotten von Metz, sich bei Franz  II. dafür einzusetzen, daß dessen Verbot des Protestantismus in ihrer Stadt nicht realisiert werde. Am 14. November 1559 erteilte Katharina Ihnen folgende Antwort: Ich hätte mich in dieser Angelegenheit gern in der Weise verwendet, wie ich es bei derartigen Dingen immer tun werde, weil ich der Ansicht bin, Ihnen etwas Gutes und Nützliches tun zu können. Weil ich aber weiß, wie schädlich und gefährlich die Diversität der Religion in einer Stadt ist und welche Zwietracht und Zerstörungen diese für gewöhnlich auslöst, wüßte ich in dieser Sache nichts Besseres anzuraten, als den Inhalt des Briefes, den der König, mein Herr und Sohn, Ihnen geschrieben hat, wortwörtlich zu befolgen und auch dem Folge zu leisten, was er Ihnen gegenwärtig antwortet, weil es um die Ehre Gottes geht und weil das dem Wohl und der Ruhe Ihrer Stadt dienlich ist.56

Auf die Ausübung der reformierten Religion in der Öffentlichkeit zu verzichten, bedeutete nach der Überzeugung der Königinmutter folglich nicht, daß man sich selbst verleugnen müsse. Ihrer Meinung nach konnten die Einwohner von Metz Protestanten bleiben unter der Voraussetzung, daß sie sich gegenüber Franz II. wie loyale Untertanen verhielten. Im Rahmen ihres engagierten Agierens gegen die Repressionspolitik des Königs inszenierten die Wortführer der Reformierten eine Kampagne, mit der sie die Legitimität Franz’ II. und der Guise in Frage stellten und die Forderung propagierten, die Generalstände Frankreichs einzuberufen. Die Generalstände müßten über die Einsetzung der Regentschaft eines Prinzen von Geblüt beraten. Damit sollten Anton von Bourbon und im Falle seiner Weigerung sein jüngerer Bruder Ludwig von Condé ins Spiel gebracht werden. Von Condé wußte man, daß er zum Calvinismus konvertiert war. Bei seinem Bruder war man sich in dieser Hinsicht noch nicht sicher. Aber immerhin war bekannt, daß er im Mai 1558 am öffentlichen Psalmensingen der Reformierten von Paris im Préaux-Clercs, einer damals frequentierten Promenadenanlage gegenüber der Abtei SaintGermain-des-Près, teilgenommen hatte. Von Anton von Bourbon und Ludwig von Condé sowie von den Generalsständen erhofften sich die Reformierten die Einleitung von Maßnahmen zur grundlegenden Verbesserung ihrer Lage. 56  [14. November 1559] „Au magistrats de la ville de Metz. Messieurs, j’ay veu par la lettre que m’avez escripte du cinquieme de ce moys la priere que vous me faictes de faire supercéder l’exécution des lettres que le Roy monsieur mon fils vous a escriptes pour le faict de la Religion, en quoy je me feusse voluntiers employée comme je feray toujours en toutes choses que j’estimeray vous pouvoir apporter quelque bien, proffict et utilité, mais saichant combien pernicieuse et dangereuse est la diversité de la religion en une ville et quelz troubles et ruynes elle y apporte ordinairement, je ne vous scauroys mieux conseiller en cela que de satisfaire à la lettre que le Roy mon dit sieur et filz vous en a escripte, et à ce qu’il vous en respond présentement, comme à chose qui appartient à l’honneur de Dieu et qui aidera au bien et repoz de votre cité, et sur ce, Messieurs, je prie Dieu qu’il vous ayt en sa très saincte et digne garde. Escript à Bloys, le quatorsieme jour de novembre mil cinq cent cinquante neuf. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 128.

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Wie bereits dargelegt, hielten die calvinistischen Wortführer Franz II. für noch nicht volljährig.57 Diese These vertrat zum Beispiel Pfarrer François Morel in seinem an Calvin gerichteten Brief vom 15. August 1559. Darin führte er aus: Wenn der König bei seinem Tod minderjährige Kinder (pupili) hinterläßt, will es das Gesetz in Frankreich, daß sogleich die Stände des Königreiches [Generalstände] versammelt werden, damit diese über die Vormünder und Gouverneure (moderatores custodesque) entscheiden, die für die genannten Minderjährigen zu benennen sind. Die Generalstände befinden des weiteren, daß andere, die mehr oder minder nahe Blutsverwandte des Königs sind, für die Führung der Staatsgeschäfte zu bestellen sind. Diese sollen alle Staatsgeschäfte so lange ausüben, bis die genannten Kinder die Volljährigkeit erlangt haben. Von Gesetzes wegen ist es also zulässig, die Stände des Königreiches einzuberufen.58

Calvin hatte sich also zu diesem Zeitpunkt mit der Frage beschäftigt, Sondierungen über die diesbezüglichen Intentionen Antons von Bourbon vorzunehmen. Die These, daß dem Bourbonen entsprechende Rechte zustünden, hatte aber auch Anhänger am Hof Franz’ II., wie der Botschafter des Herzogs von Ferrara zu berichten wußte.59 Derartige Diskussionen entsprachen aber in keiner Hinsicht den Interessen Katharinas. Sie unterstützte deshalb in dieser Angelegenheit die Guise, die damals Anton von Bourbon, der sich zu jenem Zeitpunkt auf seinen Besitzungen in Nérac (südwestlich von Agen im heutigen Departement Lot-et-Garonne gelegen) aufhielt, ebenfalls vom Hof fernhalten wollten. Vor dem Hintergrund dieser Krisensymptome hat man die „Verschwörung von Amboise“ (conjuration d’Amboise) zu sehen, deren Beteiligte Anfang 1560 zur Tat schritten. Unter ihrem Anführer, dem aus dem Périgord stammenden und in Genf zur Lehre Calvins konvertierten Landadligen Jean du Barry, seigneur de La Renaudie (um 1510–1560), hatte eine Reihe von Adligen aus den Provinzen eine Aktion gegen die Guise geplant. Deren Ziel war es, diese gefangenzunehmen und Franz  II. auf diese Weise von deren „­Tyrannei“ zu befreien. Bei den Adligen handelte es sich zum großen Teil um bereits zum Calvinismus konvertierte oder der neuen Glaubenslehre nahestehende Personen aus dem Südwesten der Monarchie. Bei ihrer Aktion ließen sie sich von konfessionellen und politischen Motiven leiten.

57  Vgl. Kap. 5, S. 94 f. 58  „La loi veut en France, si le roi laisse à sa mort des enfants mineurs (pupili), que les ordres du royaume [les États généreaux] soient tout d’abord assemblés, que ce soit eux qui décident des tuteurs et gouverneurs (moderatores custodesque) à donner auxdits mineurs, et que d’autres soient préposés aux affaires du royaume, selon qu’ils seront plus ou moins proches du roi par le sang, qui aient la direction de tout jusqu’à la majorité desdits enfants. De par le droit, il est licite de convoquer les états du royaume.“ Französische Übersetzung des lateinischen Originals (Opera Calvini, Bd. XVII, Sp. 597) durch Henri Naef. Henri Naef, La conjuration d’Amboise et Genève, Genève, Paris 1922, S. 78; vgl. auch Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 346. 59  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 347.

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La Renaudie konnte rund fünfzig Angehörige des Provinzadels um sich scharen, die sich bereit erklärten, sich an seiner Aktion zu beteiligen und dafür eigene Leute zu mobilisieren sowie Geld zur Verfügung zu stellen. Einzelheiten des Vorhabens wurden offenbar bei einem Treffen besprochen, das am 1. Februar 1560 in Nantes stattfand. Dabei bekräftigten die Anwesenden ihren Entschluß, die Guise gefangenzunehmen. Sie forderten die Einberufung der Generalstände, die sich mit der Krise der Monarchie befassen und vor denen sich die Guise für ihre Untaten verantworten sollten. Den König versicherten sie aber ausdrücklich ihrer Loyalität. Ihre Aktion sollte sich nicht gegen ihn richten. Entgegen den alsbald schon kursierenden Gerüchten bzw. den von interessierter Seite gestreuten Anschuldigungen scheint Anton von Bourbon nicht direkt in die Vorbereitung und Durchführung der Aktion verwickelt gewesen zu sein. Die verfügbaren Quellen enthalten jedenfalls keine stichhaltigen Beweise. Alle Indizien sprechen ebenfalls dafür, daß weder die Montmorency noch die Châtillon an den Planungen beteiligt waren. Erhebliche Zweifel bestehen auch an den später von den Guise und anderen erhobenen Anschuldigungen, Ludwig von Condé sei der heimliche Chef der Verschwörung gewesen. Daß letztere im Vorfeld überhaupt nichts von dem Vorhaben gewußt hätten, erscheint indessen wenig glaubhaft, denn bereits Mitte Februar 1560 kursierten darüber Gerüchte. Zum selben Zeitpunkt setzte auch der Kardinal von Lothringen Katharina davon in Kenntnis, daß ein Komplott gegen die Regierung drohe. Eindeutige Beweise für eine Beteiligung Bourbons, Condés, Montmorencys und der Châtillon gibt es aber nicht. ­Calvin, der von den Aktivitäten Kenntnis erhalten hatte, hat sich nachdrücklich von ihnen distanziert.60 Die am 12. Februar 1560 am Hof eintreffenden Informationen über die Vorbereitung eines Komplotts waren zunächst noch vage und widersprüchlich. In den folgenden Tagen und Wochen verdichteten sie sich indessen, so daß der Hof, der sich damals im Schloß von Blois aufhielt, es aus Sicherheitsgründen vorzog, diese Stadt an der Loire zu verlassen und sich am 22. Februar nach Amboise zu begeben, wo man sich gegen einen Handstreich besser verteidigen konnte. Dort befürchtete man bereits für den 6. März einen Angriff. Erkundungen in dessen näherer Umgebung führten jedoch zu dem Ergebnis, daß keine unmittelbare Gefahr drohe. Diesbezüglich beruhigt, begaben sich Franz II. und sein Gefolge nach Chenonceaux auf die Jagd. Zunächst hatte wohl auch Katharina Zweifel an der Realität eines sich im Gange befindlichen Komplotts gehegt. Ohne ausländische Unterstützung – sei es von England oder von protestantischen Fürsten des Reichs – erachtete sie offenbar den Erfolg eines derartigen Unternehmens für unrealistisch. Es kann aber auch sein, daß sie glaubte, mit 60  Cloulas’, Dargents und Pigaillems Positionen in dieser Frage sind diskutabel. Cloulas, Catherine de Médicis, S. 144 f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 128 f.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 113 ff.; anderer Meinung sind dagegen: Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 186–191; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 350–353; Solnon, Catherine de Médicis, S. 97–100; Appel, Katharina von Medici, S. 135. Ihre Argumente erscheinen plausibel.

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dem von Franz II. am 2. oder 8. März 1560 unterzeichneten Edikt von Amboise sei die Lage entspannt worden. Gesichert ist, daß Franz II. dieses Pazifikationsedikt auf Initiative seiner Mutter erlassen hatte. Es war ihr gelungen, den König und die Mehrheit des Conseil du Roi davon zu überzeugen, daß dieses Edikt erforderlich sei, um den inneren Frieden zu bewahren. An der fraglichen Sitzung hatten auch die drei Neffen von Montmorency teilgenommen. Der Herzog Franz von Guise war allerdings abwesend. Katharina war es auch, die dafür sorgte, daß das Edikt unverzüglich zum Pariser Parlament gebracht wurde, damit es nach der Einregistrierung durch diese Körperschaft – „auf ausdrückliche Anordnung der Königinmutter“61 – sofort in die Tat umgesetzt werden konnte. Offenbar war auch der Kardinal Karl von Lothringen zu der Auffassung gelangt, daß es in der gegebenen Situation besser sei, ein Zeichen der Mäßigung zu setzen. Die Eintragung des Textes des Ediktes in die Register (enregistrement) des Pariser Parlaments erfolgte am 11. März. Weil dieser Gerichtshof die höchste Gerichtsbarkeit in seinem sehr großen Zuständigkeitsbereich innehatte und faktisch als Appellationsinstanz für zwei Drittel der Monarchie fungierte, hatten sich die königlichen Richter bei ihren Verfahren und Prozessen in Angelegenheiten des „neuen Glaubens“ an den Wortlaut des Ediktes von Amboise zu halten.62 In der Sitzung des Staatsrates hatte Coligny, als Chef des Clans der Brüder Châtillon, Klage geführt über die Politik der Guise und die von diesen betriebene Politik der Verfolgung der Reformierten als schweren Fehler kritisiert, weil letztere inzwischen so zahlreich in der Monarchie zu finden seien, daß man sie nicht mehr ausrotten könne. Von Coligny war bekannt, daß er jegliche illegale, ja gewalttätige Aktion seiner Glaubensgenossen ablehnte. Der Admiral riet, die Regierung möge ein Edikt erlassen, das es jedem erlaube, mit seinem Gewissen in Frieden zu leben und das so lange, bis auf einem wahrhaft freien Generalkonzil über die Probleme der Glaubensspaltung beraten werde. Sein Rat fand wohl auch deshalb die Zustimmung der Königinmutter, weil Coligny damit das Recht und die Fähigkeit des Königs bekräftigte, die Ruhe im Lande wiederherzustellen.63 Im Edikt wurde verfügt, daß es zukünftig keinerlei Verfolgung bzw. Anklagen wegen des Verdachts der Häresie mehr geben solle. Das setzte allerdings voraus, daß sich die Reformierten keiner Gewaltakte oder gar Rebellion schuldig machten. Die friedliebenden Angehörigen der reformierten Konfession sollten begnadigt und freigelassen werden. Den Unruhestiftern und Rebellionsbeteiligten drohte weiterhin die staatliche Verfolgung und Verurteilung. Erstmals wurde zwischen den Angelegenheiten des Glaubens, Gottes, und jenen der Zivilgesellschaft, also zwischen dem Reich Gottes und dem Diesseits der Menschen, unterschieden.64 61  „commandement exprès de la reine mère“. 62  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 145; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 187 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 98 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 352 f.; vgl. auch Denis Crouzet, Dieu en ses royaumes. Une histoire des guerres de religion, Seyssel 2008, S. 207. 63  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 188. 64  Solnon, Catherine de Médicis, S. 97 f.

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Für die Verschwörer kam das Edikt zu spät, um sie von ihrem Vorhaben abzuhalten. Es ist aber zu bezweifeln, ob sie überhaupt bereit gewesen wären, Abstand zu nehmen, denn die Konzessionen der Krone erfüllten ihre viel weitergehenden Forderungen nicht. Am 10. März 1560 waren bereits die ersten Verschwörer in der Nähe von Amboise gefangengenommen worden. Am 14. zog sich das Netz um die Rebellen weiter zu. Die sich unter ihnen befindenden Spione der Krone bestätigten die Befürchtungen des Hofes. Indessen waren die meisten der Gefangenen mehr oder minder bewaffnete kleine Leute, welche behaupteten, nur den König sprechen und bitten zu wollen, ihnen die Freiheit zu gewähren, „für ihr Seelenheil gemäß ihrer Religion zu leben“.65 Deshalb ließ man sie unter der Bedingung frei, daß sie sich schleunigst und in kleinen Gruppen zurückzögen. Franz II. erklärte sich weiterhin bereit, ihre Abgesandten zu empfangen und sich ihre Anliegen anzuhören. Am 17. März 1560 kam es jedoch zum Sturm auf Amboise, an dem rund 200 Bewaffnete beteiligt waren. Sie beabsichtigten, ein Stadttor im Handstreich zu nehmen. Am Hof des Königs kam es zeitweise zu Panikreaktionen. Da man aber auf einen möglichen Angriff vorbereitet war, endete der ungleiche Kampf für die Angreifer in einem Desaster. Auf die überlebenden Aggressoren ging ein furchtbares Strafgericht nieder, bei dem es zu massenhaften Hinrichtungen kam. Man schreckte dabei nicht davor zurück, gefesselte Gefangene in die Loire zu werfen und sie dort ertrinken zu lassen. La Renaudie wurde in der Nähe von Amboise bei seiner Gefangennahme am 19. März getötet. Nicht zu Unrecht waren manche Beobachter des Geschehens der Meinung, daß die Angreifer unvorsichtig und gutgläubig in eine Falle geraten seien. Dieser Auffassung war auch der spanische Botschafter, denn er berichtete nach Madrid: „Diese Unglücklichen sind so töricht, daß sie sich alle im Netz verfangen, ohne zu wissen, daß ihr Unternehmen aufgedeckt ist, so daß sie reihenweise in die Falle tappen.“66 Katharina sah durch das Geschehen ihre auf friedliche Beilegung der Spannungen ausgerichtete Politik durchkreuzt. Das Vorgehen der Verschwörer, die sich durch ihre offene Rebellion eines Majestätsverbrechens schuldig gemacht hatten, hatte die Position der Guise zunächst noch gestärkt, was keineswegs im Sinne der Königinmutter war. Daß die Guise davon profitierten, manifestierte sich zum Beispiel darin, daß Franz II. den Herzog Franz von Guise zum „lieutenant général du royaume“ ernannte, ohne seine Mutter überhaupt zu konsultieren. Damit erlangte Franz von Guise in der Theorie die Position eines Stellvertreters des Königs. Vor dem Hintergrund dieser Fakten betrachtet, überrascht es nicht, daß auch Katharina für eine strenge Repression der des Majestätsverbrechens 65  „vivre selon leur religion pour le salut de leurs âmes“. 66  „Ces malheureux sont si dépourvus d’esprit qu’ils viennent tous donner dans le filet sans savoir que leur entreprise est découverte, et se suivent file à file.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 98. – Zur Verschwörung von Amboise: Henri Naef, La conjuration d’Amboise, Genève 1922; Lucien Romier, La conjuration d’Amboise, Paris 1932; Corrado Vivanti, La congiura d’Amboise, in: Yves-Marie Bercé, Elena Fasano Guarini (Hrsg.), Complots et conjurations dans l’Europe moderne (=Collection de l’École Française de Rome, Bd. 220), École Française de Rome, Palais Farnese, 1996, S. 439–450.

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schuldigen Adligen eintrat. Es gehört aber in das Reich der Schwarzen Legende, daß sie höchst persönlich die Exekutionen organisiert und ihnen höchst zufrieden, ja geradezu in sadistischer Manier beigewohnt habe. Derartigen kolportierten Berichten traten bereits damals einige Reformierte entgegen. Ebenso wie der berühmte Theodor Beza (Théodore de Bèze, 1519–1605), ein Schüler Calvins, lobten diese vielmehr die Milde und Nachsicht (clementia) der Königinmutter. In diesem Sinne äußerte sich auch Michel de Castelnau: „Es ist sicher“, so schrieb er, „daß [sie] viele Exekutionen von Verschwörern verhinderte, die Seine Majestät auf ihre Bitten hin frei- und in großer Zahl ziehen ließ.“67 Wenn Katharina eine strenge Bestrafung der Rebellen auch für erforderlich erachtete, so fand sie daran keineswegs Gefallen. Aus Gründen der Staatsräson hielt sie dies für unvermeidbar. Aber das von den Guise bei diesem Geschehen praktizierte repressive Vorgehen und die massenweisen Hinrichtungen erachtete sie als exzessiv. Im Unterschied zu den „neuen Königen“ (nouveaux rois) – wie sie die Lothringer nannte – wollte sie die Besiegten nicht in die schiere Verzweiflung stürzen. In der Rückschau betrachtet, stellt die Verschwörung von Amboise insofern eine Zäsur dar, als sich damals die ersten Anzeichen manifestierten, daß die akute Gefahr bestand, das sich zuspitzende konfessionellpolitische Krisensyndrom könne zu einem Bürgerkrieg eskalieren. Das war auch die Befürchtung, der Katharina mit geeigneten Maßnahmen begegnen wollte. Zu diesen Maßnahmen gehörte der Dialog mit den widerstreitenden konfessionellen und politischen Gruppierungen ebenso wie der Verzicht auf exzessive Repressionen gegenüber den friedfertigen Reformierten. Sie setzte auf eine Politik der „doulceur“68 (Milde, Sanftmut) und war bemüht, mit politischer Mäßigung „religiöse Eintracht“ (concorde religieuse) im Lande zu erreichen. Auch darin manifestierte sich, daß Katharina von der Kultur der Renaissance geprägt war, in deren Vorstellungswelt das Streben nach Harmonie, Vermittlung und Aussöhnung von zentraler Bedeutung war. Unter der „concorde religieuse“ verstand man damals eine Rückkehr zur religiösen Einheit im katholischen Glauben, wobei jedoch von den existierenden beiden Konfessionen erwartet wurde, daß sie zu Konzessionen in Fragen der Doktrin und der Disziplin bereit waren. Wenn man von „Ziviltoleranz“ (tolérance civile) sprach, meinte man damit in den allermeisten Fällen, daß aus politischen Motiven – um den inneren zivilen Frieden zu bewahren – religiös-konfessionelle Differenzen vorübergehend zu akzeptieren seien. „Religiöse Toleranz“ bedeutete die definitive Akzeptanz unterschiedlicher Konfessionen – sei es aus Respekt vor dem anderen oder weil man glaubte, daß es verschiedene Wege zu Gott gebe. Die damaligen Befürworter oder Parteigänger der

67  „Il est certain [qu’elle] adoucit beaucoup d’exécutions qui devaient se faire contre les conjurés, desquels Sa Majesté, par son avis, en fit délivrer et renvoyer un grand nombre.“ Zitiert über Solnon, ­Catherine de Médicis, S. 100. 68  Vgl. dazu Crouzet, Catherine de Médicis, S. 123–135.

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religiösen Concordia bezeichnete man als „moyenneurs“69, was man wohl am besten mit „Vermittler“ übersetzen kann. Als Frankreich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zum Schauplatz blutiger Bürgerkriege wurde, nahm die Zahl der Moyenneurs und der Befürworter der Ziviltoleranz erheblich zu, Anhänger der religiösen Toleranz waren nach wie vor extrem seltene Ausnahmen.70 Katharina handelte nach der Verschwörung von Amboise, die sie – allerdings dank ihres geschickten Agierens – ganz nach vorne auf die politische Bühne katapultiert und faktisch zur Herrin der Politik des Königs gemacht hatte, im Sinne der Moyenneurs. Als sie diese Politik später für endgültig gescheitert hielt, setzte sie auf die Ziviltoleranz. Tatkräftige Unterstützung für eine Politik der „concorde religieuse“ fand sie bei Michel de L’Hôpital (1505/06–1573). Daß die Königinmutter im Zusammenhang mit den Ereignissen von Februar/März 1560 ganz signifikant an Macht gewonnen hatte und die Guise nicht mehr – wie bis dahin – ihren Anspruch aufrechterhalten konnten, alleine zu regieren, belegt ein bezeichnender Vorgang. Als am 30. März 1560 der seit 1545 amtierende Kanzler François Olivier starb, wurde nicht ein enger Gefolgsmann der Guise dessen Nachfolger, wie diese es gewünscht hatten. Die Staatssiegel wurden provisorisch an Charles de Marillac, Bischof von Vienne, und an Jean de Morvillier (1506–1577), Bischof von Orléans, übergeben. Auf beide konnte die Königinmutter zählen. Das galt in noch viel stärkerem Maße für Michel de L’Hôpital, der am 30. Juni 1560 dank der Initiative Katharinas Kanzler wurde. Diese eminent wichtige Charge, die im 16. Jahrhundert ihrem Inhaber eine sehr einflußreiche Position im Zentrum der Macht verschaffte, übte er bis 1573 aus. Der Kanzler war für das gesamte Rechtswesen in der Monarchie zuständig, und in dieser Eigenschaft rangierte L’Hôpital vor allen anderen Mitgliedern der Regierung. In Abwesenheit des Königs präsidierte er im Conseil du Roi. Im Normalfall führte er die Staatssiegel, mit denen alle Regierungsakte und Gesetze des Königs gesiegelt wurden. Man kann L’Hôpital als eine Art Ersten Minister bezeichnen, ohne daß er freilich diese Bezeichnung trug.71 Zum Zeitpunkt seiner Ernennung zum Kanzler war er noch davon überzeugt, daß die Koexistenz zweier Konfessionen in einem Staat auf Dauer unmöglich sei. In seiner Rede vom 13. Dezember 1560 anläßlich der Eröffnung der Generalständeversammlung in Orléans sagte er: „Es ist Irrsinn, Frieden, Ruhe und Freundschaft zwischen den Personen zu erhoffen, die verschiedenen Religionen angehören.“72 Er beschwor erneut den in Frankreich seit jeher geltenden Grundsatz „Ein Glaube, ein Gesetz, ein König“ (Une foy, une 69  Dazu: Mario Turchetti; Concordia o tolleranza? François Baudoin e i „moyenneurs“ Genève 1984; vgl. auch Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 355; Le Roux, Le roi, la cour, l’État. De la Renaissance à l’absolutisme, S. 185 f. 70  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 353 ff. 71  Wangeffelen, Catherine de Médicis, S. 202 ff. 72  „C’est une folie d’espérer paix, repos et amitié entre les personnes qui sont de diverses religions.“ Zitiert über Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 356; siehe auch Solnon, Catherine de Médicis, S. 102.

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loy, un roi). Aber einige Monate zuvor, im Juli 1560, hatte er in einer Rede auch betont, daß die Häresien, diese „Krankheiten des Geistes“ (maladies de l’esprit), mit Milde und nicht mit Zwang behandelt werden müssen.73 „Die Ernennung Michel de L’Hôpitals, eines humanistisch gebildeten und vom Geist des konfessionellen Ausgleichs geprägten Juristen, als Nachfolger des im Frühjahr verstorbenen Kanzlers Olivier war Katharinas Werk gewesen.“74 Bei ihrem Engagement für die „concorde religieuse“ und in ihrem entschiedenen Eintreten für die Bewahrung von Ruhe und Ordnung in der Monarchie sowie insbesondere für die Sicherung der Autorität des Königs konnte Katharina auf die loyale Unterstützung ihres Kanzlers zählen. Michel de L’Hôpital stammte aus der Auvergne, also aus jener Region, in der die Familie der Mutter Katharinas ansässig war und sie einige Ländereien, Grundherrschaften und sonstige Besitzungen geerbt hatte. Ihr war es gelungen, sich in dieser Region eine ihr ergebene Klientel zu verschaffen. Insofern ist es kein Zufall, daß sie sich für Michel de L’Hôpital stark gemacht hatte, er zählte zu ihrem dortigen Netzwerk. L’Hôpital beeindruckte außerdem durch seine humanistische Bildung, die er während seines Jurastudiums in Padua zusammen mit der italienischen Renaissancekultur verinnerlichte. Er war sowohl in politischer als auch in genereller Hinsicht ein Mann der „Mitte“, des „juste milieu“, der nicht zu extremen Positionen neigte. L’Hôpital wurde im Schloß La Roche, nahe bei Aigueperse (rund 15 Kilometer von Riom gelegen), geboren. Sein Vater, Jean de L’Hôpital, war vor 1523 Arzt und Berater (conseiller) des Konnetabels Karl von Bourbon (Charles duc de Bourbon, 1490–1527), der unter Franz I. als Militär und als Politiker eine herausragende Rolle gespielt hatte. Nach einem Zerwürfnis mit dem König war er aber 1523 in die Dienste des Kaisers Karl V. getreten.75 Michel de L’Hôpital, hatte 1537, im Alter von etwas mehr als dreißig Jahren, Marie Robin geheiratet. Sie war eine reiche Erbin und hatte ihrem Ehemann das Amt eines Richters am Pariser Parlament (conseiller au parlement de Paris) als Teil ihrer Mitgift verschafft. Auf Grund seines Talents und seiner Kompetenz erlangte er alsbald eine gewisse Bekanntheit, so daß er als Vertreter des französischen Königs zum Konzil von Trient (1545–1563) entsandt wurde. Margarete von Valois schätzte L’Hôpital so sehr, daß sie ihm 1550 die Charge des Kanzlers in ihrem Herzogtum Berry übertrug. Dank ihrer Fürsprache wurde er 1553 zum „außerordentlichen Assessor im Staatsrat“76 ernannt. Damit wurde er nur kommissarisch Inhaber dieses (käuflichen) Amtes. Wiederum auf Empfehlung von Margarete von 73  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 356. 74  Babel, Franz II., S. 95. – Zu Michel de L’Hôpital: Denis Crouzet, La Sagesse et le malheur. Michel de L’Hospital chancelier de France, Paris 1998. 75  Zum Herzog und Konnetabel Karl von Bourbon: Denis Crouzet, Charles de Bourbon, connétable de France, Paris 2003. 76  Im Original: Maître des requêtes de l’hôtel du roi. Vgl. dazu: Mager, Frankreich vom Ancien Régime zur Moderne, S.  84, 145, 148, 150; Barbiche, Les institutions de la monarchie française à l’époque moderne, S. 121 ff.

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Valois, aber auch mit Unterstützung des Kardinals von Lothringen, gelangte er 1554 in das hohe Amt des „Ersten Präsidenten der Oberrechnungskammer von Paris“77. Schließlich begleitete er im Frühjahr 1560 seine Protektorin nach Savoyen, die 1559 Herzog Emanuel Philibert von Savoyen geheiratet hatte.78 L’Hôpital leistete dem Herzog in Nizza, das zu dessen Herrschaftskomplex gehörte, treue Dienste. Er ließ sich in keinerlei Intrigen verwickeln. Auch am französischen Hof genoß er weiterhin großes Vertrauen. So stieß Katharina dort auf keinen Widerstand, als sie diesen allseits geschätzten und klugen Mann als Nachfolger für die vakant gewordene Charge des Kanzlers ins Spiel brachte. Es war der Kardinal Karl von Lothringen, der ihn über dessen Ernennung informierte und an den Hof Franz’ II. zurückbeorderte. Auf seinem Weg nach Frankreich empfing ihn der Herzog Franz von Guise mit allen traditionellen Ehren, die dem neuen Kanzler gebührten. Katharina konnte 1559 auch auf die kompetente Unterstützung des Clans der L’Aubespine und der mit ihnen eng verbundenen Personen zählen, die zusammen drei der damals amtierenden vier Staatssekretäre stellten.79 Gleiches gilt für den neun Jahre jüngeren Antoine de Crussol, seigneur d’Uzès, der 1555 die Charge eines Kammerherrn Heinrichs erhielt. Er heiratete im April 1556 eine der Hofdamen der Königin Katharina und avancierte auf diesem Weg zu einem der engsten ihrer Getreuen. Als sie nach dem Tod Franz II. faktisch Regentin (gouvernante) des minderjährigen Königs Karl IX. geworden war, ernannte sie ihn im Februar 1561 zum Staatsrat und übertrug ihm im folgenden Dezember die Charge eines Stellvertreters des Gouverneurs im Dauphiné, in der Provence und im Languedoc80. Da sowohl er als auch seine Ehefrau zur reformierten Konfession konvertiert waren, konnte sich Katharina der Uzès erfolgreich als Verbindung zu den Reformierten bedienen. Sie leisteten der Königinmutter insgesamt so große Dienste, daß diese deren Grundherrschaften 1565 zum Herzogtum erhob und dessen Herzog 1572 zum Pair von Frankreich machte.81 Im Frühjahr und im Sommer 1560 kam Katharina in Anbetracht der sich verschärfenden Spannungen in Frankreich diese Unterstützung ihrer Getreuen, ihrer Klientel und all’ jener, die ihr wohlgesonnen waren, mehr als gelegen. Das von ihr initiierte und in wesentlichen Teilen erarbeitete Edikt von Romorantin vom Mai 1560, mit dem den friedfertigen Reformierten faktisch erneut Gewissensfreiheit zugestanden worden war,82 hatte nicht die von ihr erhoffte Beruhigung der inneren Lage gebracht. Im April  1560 hatten militante Reformierte die Dominikanerkirche in Agen geplündert. Am 19. Juni wurden in Lectoure (in der Nähe von Condom im heutigen Departement Gers gelegen) 77  Im Original: Président de la chambre des comptes de Paris. 78  Vgl. Kap. 3, S. 26. 79  Vgl. Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 198 ff. 80  Im Original: Lieutenant en Dauphiné, Provence et Languedoc. 81  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 196 f. 82  Cloulas, Catherine de Médicis, S.  146; Solnon, Catherine de Médicis, S.  102; Dargent, Catherine de Médicis, S. 130; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 120.

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in katholischen Kirchen die Bilder von Heiligen zerstört. In den Tagen vom 19. bis zum 21. Juni wurden in Montpellier 200 Katholiken massakriert sowie sechzig Kirchen und Kapellen in Schutt und Asche gelegt. Im August griffen die Ausschreitungen auf die ganze Provence über. Katharina war sich des Ernstes der Lage bewußt und davon überzeugt, konkrete Maßnahmen im Sinne ihrer Politik der „concorde religieuse“ ergreifen zu müssen. Sie verkannte keineswegs, daß es ein langer und schwieriger Weg sein werde, um ihr Ziel zu erreichen. Dies ist in aller Klarheit einem Schreiben zu entnehmen, das sie am 28. Juli 1560 an Sébastien de L’Aubespine, den französischen Botschafter in Madrid, richtete. Darin schrieb sie, daß es jetzt an der Zeit sei, „einen guten Entschluß im Hinblick auf alle inneren Probleme zu fassen und für Ordnung zu sorgen“.83 In realistischer Beurteilung der damaligen Gegebenheiten fügte sie hinzu: „Wie Sie sich sehr wohl denken können, ist das weder das Werk eines Tages noch eines Monats.“84 Am 3. August 1560 ließ sie auch Anton von Bourbon an ihren Sorgen teilhaben. Sie lud ihn zu einer Versammlung ein, auf der über die großen Probleme, mit denen sich die Monarchie konfrontiert sah, beraten werden sollte. In ihrem Einladungsschreiben führte sie aus: Mein Bruder, ich habe seit einem Jahr so sehr getrauert und habe dieses arme Königreich von so vielen Kalamitäten heimgesucht gesehen, daß ich mich bis jetzt diesen Dingen nicht mit großer Hingabe gewidmet habe. Weil ich nun aber die großen Probleme – die Unruhen und Revolten, die seit einiger Zeit in diesem Königreich begonnen haben – sehe, mit denen der König, mein Sohn konfrontiert ist, erkenne ich, daß es keinen besseren Weg gibt, um den gegenwärtigen Erfordernissen zu begegnen, als alle jene, die die Ehre haben, dem Staatsrat anzugehören, zu bitten, zusammenzukommen, damit sie in einem so kompetenten und großen Gremium die geeigneten Mittel finden, mit denen dem gegenwärtigen Übel und allen gewalttätigen Manifestationen von Unzufriedenheit erfolgreich entgegengetreten werden kann, damit wieder Ruhe und Ordnung im Lande einkehren. Und weil Sie, mein Bruder, die Ehre haben, dem König, meinem Sohn, so nahezustehen, und weil Sie zu den ersten Personen seines Staatsrates gehören, möchte ich gern, daß man mit Ihnen [bei den Einladungen zur Teilnahme] beginnt. Da Sie dem König als Erster Prinz von Geblüt am nächsten sind, bin ich mir sicher, daß Sie ihm auch am ergebensten sind, so wie Sie es auch gegenüber dem verstorbenen König, meinem Herrn gewesen waren. Ich bitte Sie also, unverzüglich zum König zu kommen, wie dieser es wünscht und es Sie hiermit wissen läßt. Der König und ich werden keine Mühe scheuen, Sie, mein Bruder, gut zu empfangen und vorzüglich bewirten zu lassen. Sie werden dann nicht nur die Genugtuung empfinden, ihm in der gegenwärtigen Notlage gedient zu haben, sondern auch bemerken, daß Sie keinen Grund haben, Ihre Teilnahme an dieser Versammlung zu bedauern, einer Zusammenkunft, in der Sie so geliebt und geschätzt sein werden.85 83  „pour prendre une bonne résolution en tous noz affaires, et y establir quelque bon ordre et réglement“. 84  „[…] ce qui n’est pas, comme vous pouvez très bien penser, une œuvre d’un jour ni d’un mois.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 115. 85  [3. August 1560] „Au Roy de Navarre. Mon frère, j’ai tant souffert de deuil depuis ung an et [j]ay veu ce pauvre royaulme affligé de tant de calamitez l’une sur l’autre que je n’ay pu jusques icy prendre grant

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Die Versammlung, die realiter wohl eher eine Zusammenkunft von Notabeln war, fand vom 21. bis zum 26. August 1560 in Fontainebleau statt. Kanzler L’Hôpital unterstützte Katharina dabei. Aber auch Coligny hatte sich bei der Königinmutter für die Einberufung dieser Versammlung stark gemacht. Bezeichnenderweise fanden die Sitzungen in den Gemächern Katharinas statt, sie wollte den Ablauf unter ihrer Kontrolle halten. Eine Reihe von Indizien deutet ebenfalls darauf hin, daß sie mehr im Hintergrund auf die Auswahl der Teilnehmer, die Gestaltung der zu erörternden Themen und der Rednerliste Einfluß genommen hat. An der Versammlung nahmen vierundfünfzig Persönlichkeiten teil. Den Kern bildeten – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – die rund dreißig Angehörigen des Conseil du Roi. Hinzu kamen die Schatzmeister des königlichen Schatzamtes (trésoriers de l’Épargne), die vier Staatssekretäre, die Assessoren im Staatsrat (maîtres des requêtes de l’hôtel du roi) und die Ritter des königlichen Ordens vom Heiligen Michael (ordre royal de Saint-Michel), deren Zahl Franz  II. kurz zuvor durch die Ernennung neuer Mitglieder erhöht hatte. Auffallend war, daß beide Prinzen von Geblüt, Anton von Bourbon und Condé, in Fontainebleau nicht anwesend waren. Sie hielten sich zu jenem Zeitpunkt in Nérac auf. Manche Interpreten haben deshalb geschlußfolgert, daß deren Abwesenheit als eine Schlappe für Katharina zu werten sei, weil durch ihr Nichterscheinen die Versammlung erheblich an Legitimität eingebüßt habe. Gegen diese Interpretation spricht allerdings, daß die Entfernung von Nérac bis Fontainebleau rund sechshundert Kilometer beträgt. Das Einladungsschreiben der Königinmutter an Anton von Bourbon datierte aber vom 3. August. Berücksichtigt man die Zeit, die die Übermittlung von Nachrichten und das Reisen in jener Epoche in Anspruch nahmen, spricht viel dafür, daß es Bourbon beim besten Willen nicht möglich gewesen war, innerhalb von weniger als drei Wochen nach Fontainebleau zu kommen. Es kann aber auch sein, daß Katharina das Einladungsschreiben ganz bewußt kurzfristig gesandt hat. Möglicherweise störte sie das Kommen von

loisir, mais voyant les grands affaires en quoy se trouve le Roy mon filz, outre les troubles et émotions [=révoltes] qui sont depuis quelques moys commencez en ce royaume, il ne m’a semblé ni à tous bons serviteurs se pouvoir trouver meilleur moyen en la nécessité présente que d’assembler tous ceulx qui ont cest honneur d’estre de son conseil, affin qu’en une si bonne et grande compaignie l’on puisse trouver le remède du mal présent et apaiser tous les troubles que nous voyons en ce royaulme, et pour ce, mon frère, que vous avez cest honneur d’appartenir de si près au Roy mon filz, que vous faictes, et que vous estes des premières personnes de son conseil, j’ai bien voulu qu’on commençast par vous, m’asseurant que tout ainsi que vous estes le premier qui le touche de par le sang, vous serez aussi le premier en la dévotion que vous avez toujours montré porter au feu Roy mon seigneur et à luy. Je vous prie doncque vous en venir le trouver incontinent suivant le désir qu’il a comme il le vous mande et vous asseurer, mon frère, que luy et moy metrons peyne de vous faire si bonne chère que, oultre le contentement qui vous demeurera de luy avoir fait service en une telle nécessité de tant d’affaires que nous avons, vous n’aurez pas aucasion de plaindre vostre venue en une compaignie où vous serez tant aimé et estimé. Vostre bonne seur. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 146.

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Condé, der sicherlich mit seinem älteren Bruder erschienen wäre. Trifft diese Annahme zu, würde das kritische Verhalten Condés gegenüber dem Hof an Kohärenz gewinnen.86 In der Eröffnungssitzung kam der Kanzler L’Hôpital, der im Namen des Königs sprach, als erster zu Wort. In seiner Rede plädierte er dafür, daß man sich mit den Wurzeln und Ursachen (la cause et la racine) der gefährlichen Krankheit (dangereuse maladie) befassen solle, die das Königreich befallen habe. Ausdrücklich sagte er aber, daß er die Einberufung der Generalstände, die im Vorfeld von interessierter Seite gefordert worden war, nicht für erforderlich erachte. Für die Beratung der anstehenden Probleme sei diese Versammlung von Fontainebleau, bei der die Anwesenheit von Vertretern des Dritten Standes nicht nötig sei, legitimiert. Ob er mit der Nichterwähnung der Generalstände vom mit der Königinmutter abgesprochenen Drehbuch abwich oder ihm auch in diesem Punkt folgte, läßt sich nicht klären. Es kann aber sein, daß sein diesbezügliches Agieren den Interessen Katharinas insofern entsprach, weil sie in dieser Frage die Guise nicht von offizieller Seite provozieren lassen wollte. Es war natürlich bekannt, daß die Politik der Guise in Verlautbarungen großer Teile des Adels, von seiten der Reformierten, in Flugschriften und Pamphleten scharf kritisiert wurde und daß die Forderung, die Generalstände seien einzuberufen, gegen die Guise gerichtet war. Im Anschluß an L’Hôpital erstatteten die Guise Bericht über die Lage in ihren Zuständigkeitsbereichen, nämlich in der Armee und im Bereich der Finanzen. Obwohl auch Katharina durch ihr Agieren während der letzten Monate signalisiert hatte, daß die Guise die Monarchie nicht mehr nach ihren eigenen Vorstellungen und allein regieren sollten, lag ihr gleichwohl daran, nach außen hin Einigkeit und Geschlossenheit der Hauptak­ teure zu demonstrieren, um die Versammlung zum Erfolg zu führen. Diese sollte über die dringend erforderlichen Reformen – über die Reduzierung der Last der Steuern, über die Tilgung der Schulden sowie über die Revision des Geld- und Zahlungswesens beraten.87 Wunschgemäß verlief der folgende Tag nach der Eröffnungssitzung ohne kontroverse Debatten, wofür ihr die Guise dankbar waren. Am dritten Tag kam der Admiral von Coligny zu Wort. Zu Beginn seiner Ausführungen erinnerte er daran, daß er von der Königinmutter den Auftrag erhalten hatte, Informationen über die Einstellung und Haltung der Reformierten in seinen Gouvernements der Normandie und der Picardie einzuholen. Infolgedessen trug er zwei Petitionen der dortigen Calvinisten vor, in denen diese um die Gewährung von Kultfreiheit baten. Sie wollten sich also nicht mehr mit der tolerierten Gewissensfreiheit zufriedengeben, vielmehr wünschten sie, daß man ihnen gestatte, ihre reformierten Gottesdienste öffentlich abzuhalten und auch die dafür vorgesehenen Kirchen zu errichten.

86  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 223. 87  Ebenda, S. 223 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 102 f.

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Die zweite Petition war in der Weise abgefaßt, daß darin ein gewisses Einvernehmen zwischen den Hugenotten und Katharina suggeriert wurde. In dem verlesenen Text hieß es u. a.: Sie, die Sie eine tugendhafte und großherzige Prinzessin sind, haben Sie Erbarmen mit dem von Gott erwählten Volk, um es von den Gefahren zu befreien, denen es sich bis jetzt ausgesetzt fühlt […]. Erhabenste und souveräne Fürstin, wir flehen Sie um Ihrer Liebe willen an, die Sie Jesus Christus schulden, dessen wahren Gottesdienst (service) zu etablieren und alle Irrtümer sowie jeden Mißbrauch zu vertreiben, die es verhindern, daß der wahre Glaube regiert.88

Katharina wurde damit aufgefordert, sich nicht nur für ein Ende der Repression der Protestanten einzusetzen, sondern vielmehr den Siegeszug der „wahren“ Herrschaft Gottes zu favorisieren. Die Reformierten forderten, daß sie ihren Glauben nicht mehr in aller Heimlichkeit ausüben müßten und sie nicht mehr als der Häresie Verdächtigte verfolgt würden.89 Erstmals gab Coligny bei dieser Gelegenheit in aller Offenheit zu erkennen, daß er nicht nur zum Calvinismus konvertiert war, sondern sich auch an der Seite der Reformierten mit Nachdruck engagierte. Die Intervention Colignys rief sofort den Widerspruch des Herzogs Franz von Guise hervor. Er verwies darauf, daß die von Coligny verlesenen Texte keine Unterschriften trügen. Er wollte damit also sagen, daß diese beiden Petitionen (requêtes) irrelevant seien. Auf den Einwand des Herzogs antwortete Coligny, es sei ihm ein Leichtes, zehntausend Unterschriften zu erhalten. Guise reagierte aufgebracht und erklärte, 100.000 Edelleute des Königreiches seien bereit und stünden hinter ihm, um mit ihrem Blut eine Gegenpetition zu signieren. Um die Kontroverse nicht weiter eskalieren zu lassen, rekurrierte Katharina auf Jean de Monluc (1502/1508–1579). Für ihren jüngsten und außerdem hinkenden Sohn hatte die Familie ursprünglich entschieden, ihn in den Orden der Dominikaner eintreten zu lassen. Er war intelligent, kultiviert und ein exzellenter Redner sowohl im Lateinischen als auch im Französischen. Deshalb war Margarete von Navarra alsbald auf ihn aufmerksam geworden. Am Hof von Nérac hatte er Bekanntschaft mit Personen gemacht, die dem neuen Glauben nahestanden. Er hatte deren Ansichten hinsichtlich der Kirche und der Religion kennengelernt. 1524 wurde er dank der Protektion Margaretes nach Rom entsandt, wo er in der französischen Botschaft tätig wurde und Italienisch lernte. Seine exzellenten Kenntnisse dieser Sprache haben Katharina später sehr beeindruckt. Margarete erreichte schließlich von der Kurie, daß diese ihn vom Gelübde eines 88  „Vous, comme vertueuse et magnanime princesse […], ayez pitié du peuple élu de Dieu pour le délivrer des […] périls auxquels il s’est senti exposé jusqu’à présent […]. Très illustre et souveraine princesse, nous vous supplions […], pour l’affection que vous devez à Jésus-Christ, d’établir son vrai service, et de chasser toutes erreurs et abus qui empêchent qu’il ne règne comme il faut.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 103. 89  „[…] leurs assemblées ne fussent plus secrètes et suspectes“.

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Ordensgeistlichen löste. Monluc wurde somit Weltgeistlicher und bekleidete als solcher diplomatische Posten in Konstantinopel (1536, 1545–1546), in Rom (1537–1540), in Venedig (1542–1545) und 1548 in Schottland. Als Belohnung für seine zahlreichen der Krone geleisteten diplomatischen Dienste übertrug man ihm 1553 das Bistum von Valence und Die. In religiösen Fragen vertrat er stets moderate Positionen.90 Monluc hielt am dritten Tag der Versammlung in Fontainebleau eine Rede, die ganz im Sinne Katharinas war. Er lobte zunächst ihre auf Zurückhaltung und Mäßigung setzende Rolle, die sie im Zusammenhang mit der Verschwörung von Amboise gespielt und die wesentlich zu deren letztlichem Scheitern beigetragen hatte. Dann äußerte er sich verständnisvoll und unterstützend zum Vorstoß Colignys. Er machte ebenfalls einen Unterschied zwischen gewalttätigen und rebellierenden Reformierten, denen Einhalt geboten werden müsse, und jenen Anhängern der neuen Religion, die friedfertige und loyale Untertanen des Königs seien. Letztere verirrten sich, aber eine Reform der Kirche und des religiösen Lebens könne ihnen helfen, den Weg in den „Schoß der Kirche“ (bergerie de l’Église) wiederzufinden. Außerdem kritisierte er offen das Papsttum, das das Gedeihen der Mißbräuche innerhalb der Kirche zuließe.91 Es war aber Charles de Marillac, der Erzbischof von Vienne, der die großen Linien einer neuen Politik vortrug. Er gehörte damals ebenso wie Monluc und L’Hôpital zu den wichtigsten Stützen der Moyenneurs im Conseil du Roi.92 Nach seiner Überzeugung werde die Fortsetzung der Verfolgung der französischen Reformierten einen Bruch Frankreichs mit seinen zahlreichen protestantischen Nachbarn zur Folge haben. Der französische König werde damit vom guten Willen Madrids abhängig. Die Sicherheit des Staates erfordere die „concorde religieuse“ und die Treue der Untertanen zum König. Um diese religiöse Concordia zu erreichen, brauche man die Abhaltung eines Generalkonzils. Das sei die einzige Instanz, die in der Lage sei, die Mißbräuche innerhalb der Kirche und des französischen Klerus abzustellen, eine Reform an deren Haupt und Gliedern vorzunehmen. Um die politische, finanzielle und soziale Krise der Monarchie zu lösen, erachtete Marillac – im Unterschied zur diesbezüglichen Position, die L’Hôpital zwei Tage zuvor bezogen hatte – die Einberufung der Generalstände für unumgänglich.93 Am 24 August 1560 kam Coligny erneut zu Wort. Auch er forderte nun die Einberufung der Generalstände. Außerdem sollte den Reformierten bis zu den vom Generalkonzil zu verabschiedenden Reformen eine Interimslösung gewährt werden – Kultfreiheit in jenen Orten, die vom König festgelegt werden sollten.94 Katharina hatte dank ihrer präzisen Regieführung ihre Hauptziele erreicht. Sie konnte mit den Ergebnissen der Versammlung in Fontainebleau vollauf zufrieden sein. Das um 90  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 180. 91  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 227; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 147 f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 130. 92  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 356. 93  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 227. 94  Ebenda.

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so mehr, als auch der Kardinal von Lothringen so reagierte, wie sie es von ihm erwartet hatte. Er äußerte sich schließlich im Sinne Colignys. Auch er plädierte für die Einberufung der Generalstände und versprach, Untersuchungen der in der Kirche eingerissenen Mißbräuche vornehmen zu lassen, um auf diese Weise die Arbeit des zukünftigen Nationalkonzils vorzubereiten.95 Nachdem bei der Versammlung in Fontainebleau in diesen zentralen Punkten Übereinstimmung erzielt worden war, kündigte die Krone am 26. August ihre Entscheidungen an. Die Generalstände wurden für den 10. Dezember 1560 nach Meaux, östlich und unweit von Paris gelegen, einberufen. Die Versammlung des französischen Klerus sollte am 20. Januar 1561 eröffnet werden. Zur allgemeinen Zufriedenheit der beteiligten Hauptakteure wurde damit die Veranstaltung in Fontainebleau beendet.96 Im Edikt vom 31. August 1560 fanden die zentralen Ergebnisse dieser Versammlung ihren offiziellen Niederschlag. Darin wurden zur Lösung der Probleme folgende Mittel aufgeführt: „Erstens, die Reform der Kirche durch ein Generalkonzil, wenn es denn realisierbar ist. Andernfalls eine Versammlung der Bischöfe, Prälaten und anderer Mitglieder der Kirche unseres Königreiches. Zweitens, die Einberufung der drei Stände, die man die Generalstände nennt.“97 Als der Kanzler L’Hôpital am 7. September vor dem Pariser Parlament eine Rede hielt, führte er aus, alle diejenigen in der Monarchie, die noch unter Waffen stünden, sollten diese nunmehr guten Gewissens niederlegen, „denn, wenn sie sich aus religiösen Gründen bewaffnet hatten, wird das Konzil sie zufriedenstellen; wenn sie es aus anderen Gründen getan hatten, werden die Generalstände für Abhilfe und Ordnung sorgen.“98 Indessen zeigte sich Franz II. über die zunehmende Aggressivität bei Teilen der Reformierten höchst irritiert. 5.3

Katharina von Medici gegen Ende der Herrschaft Franz’ II.

Am 26. August 1560, am Tag der Beendigung der Versammlung in Fontainebleau, wurde ein baskischer Edelmann namens Jacques de La Sague von einem Spion der Guise verhaftet. Bei dem Basken fand man mehrere Briefe von François de Vendôme, Stiftsamtmann (vidame) von Chartres, die an den Prinzen Ludwig von Condé adressiert waren. Darin sicherte Vendôme dem Prinzen seine Ergebenheit und seine Unterstützung zu bei 95  Ebenda, S. 226. 96  Ebenda; vgl. auch Cloulas, Catherine de Médicis, S.  147  ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S.  104  ff.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 130 f.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 121 f. 97  „Le premier, la réformation de l’Église par un concile général, si tant est qu’il se puisse obtenir, ou bien et cependant par une assemblée des évêques, prélats et autres membres de l’Église de notre royaume; l’autre, la convocation des trois ordres qu’on appelle les états généraux“ Zitiert über Wanegffelen, ­Catherine de Médicis, S. 226. 98  „[…] car si c’est pour la religion, le concile leur satisfera, si c’est pour autre cause, les états y donneront ordre.“ Zitiert über ebenda.

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dessen Opposition gegen die Guise und selbst gegen den König. Weiterhin berichtete er, daß Anton von Bourbon beabsichtige, seine Gefolgsleute zu mobilisieren und 8.000 écus für eine Aktion zur Verfügung zu stellen. Außerdem fand man bei dem Verhafteten einige Depeschen, die ein Einvernehmen mit führenden Protestanten im Reich zu belegen schienen. Als man La Sague der Folter unterzog, gestand er, daß eine neue Verschwörung vorbereitet werde, an der hochgestellte Persönlichkeiten aus der Normandie, der Bretagne und der Provence beteiligt seien. Der Konnetabel Montmorency habe zugesagt, dank der Unterstützung seines Sohnes François den Verschwörern die Kapitale auszuliefern. Condé werde nach der Eroberung von Poitiers, Tours und Orléans an der Spitze einer Armee zu den übrigen Verschwörern stoßen. Vendôme hatte zuvor eine Zeitlang im Hofstaat Katharinas gedient. Er wurde am 29. August verhaftet und starb um den 22. Dezember 1560 in der Haft. Montmorency konnte nachweisen, daß er zu Unrecht der Beteiligung an der Vorbereitung eines Komplotts beschuldigt worden sei.99 Inwieweit die Aussagen des Basken und der Inhalt der bei ihm gefundenen Schriftstücke der Realität entsprachen, läßt sich nicht feststellen. Insbesondere im Hinblick auf seine Geständnisse unter Folterung sind erhebliche Zweifel angebracht. Gleiches gilt für die Aussagen, Bourbon und Condé seien direkt und in führender Position an der Vorbereitung einer erneuten Verschwörung beteiligt. Schon im Zusammenhang mit der Verschwörung von Amboise hatten die Guise und wohl auch Franz II. sowie andere Akteure am Hof Condé verdächtigt, der eigentlich Verantwortliche für diese Aktion gewesen zu sein. La Renaudie habe also nur als Strohmann des Prinzen von Condé fungiert. Stichhaltige Beweise existieren weder dafür noch für die Angaben des verhafteten Basken. Daß Condé ein entschiedener Gegner der Guise war und für ein offensives Agieren gegen sie plädierte, ist ein nicht zu bestreitendes Faktum. Bourbon gehörte sicherlich auch zu den Oppositionellen, die die Politik der Guise kritisierten, aber schon allein wegen seiner Bemühungen, durch Verhandlungen mit Madrid den von Spanien annektierten Teil Navarras wiederzuerlangen, war er auf das Wohlwollen der Guise angewiesen. Außerdem hütete er sich, durch kompromittierende offene Aktionen in Verbindung mit den Reformierten Philipp II. von Spanien zu provozieren, der die Guise schätzte und schon allein aus eigenen politischen Interessen ein entschiedener Gegner der französischen Hugenotten war. Diese waren in seinen Augen – nicht zu Unrecht – die natürlichen Verbündeten der Protestanten und oppositionellen Adligen in den Niederlanden, die dem spanischen König in zunehmendem Maße Probleme bereiteten. Ob die beiden Prinzen von Geblüt und der Konnetabel Montmorency so kurz nach dem Scheitern der Verschwörung von Amboise, in deren Kontext sie ohnehin in Verdacht geraten waren, tatsächlich das Risiko eingegangen waren, sich an einer offenen Aktion aktiv und zumal in führender Position zu beteiligen, ist und bleibt mangels stichhaltiger Beweise zweifelhaft. Auszuschließen ist nicht, daß sie mehr oder minder 99  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 149; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 122 f.

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informiert waren, daß erneut etwas im Gange war und sie die weiteren Entwicklungen abwarten wollten. Gesichert ist, daß die Guise und Franz II. alarmiert waren. Der König soll in diesem Kontext gesagt haben: „Ich werde alle unmißverständlich wissen lassen, daß ich [Kursiv Malettke] König bin.“100 Zuvor waren er, Katharina und L’Hôpital informiert worden, daß Bourbon seinen eigenen Rat einberufen hatte. Teilgenommen hatten der bekannte reformierte Jurist François Hotman (1524–1590) und Theodor Beza.101 Verständlicherweise sah man am Hof in diesem Vorgang eine Provokation. In Anbetracht der vorliegenden bedrohlichen Informationen entschied man sich, rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Bourbon und Condé wurden deshalb aufgefordert bei Hofe zu erscheinen. Einige Indizien sprechen dafür, daß Katharina an dieser Entscheidung des Königs beteiligt war. Als nämlich Bourbon seine Ankunft verzögerte, schrieb ihm die Königinmutter am 17. Oktober 1560: „Mein Bruder, ich war sehr erstaunt zu sehen, was Sie mir über den Grund geschrieben haben, der Ihre Weiterreise verzögert hat, um vor dem König, meinem Sohn, zu erscheinen […] setzen Sie Ihren Weg fort, um so schnell zu uns zu stoßen, wie ich es wünsche […] und wie ich mir sicher bin, daß Sie mir das glauben […].“102 Ob der an Bourbon ergangene Befehl des Königs, mit Condé bei Hofe zu erscheinen, als Zeichen dafür zu werten ist, daß sich Franz II. damit von seiner Mutter emanzipieren wollte,103 läßt sich ebensowenig entscheiden wie die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise diese in den Vorgang und in die dann folgenden Ereignisse direkt involviert gewesen war. Daß die Anwesenheit der Prinzen von Geblüt am Hof wohl auch in ihrem Sinne war, ist zu vermuten, denn man hoffte, sie dort besser kontrollieren zu können. Coligny erschien ebenfalls bei Hofe , der sich zu diesem Zeitpunkt in Orléans aufhielt, wohin in Abweichung einer früheren Entscheidung vom Sommer die Generalstände Ende Oktober 1560 einberufen worden waren. Katharina empfing ihn zuvorkommend, wie es ihre Art war. Obwohl auch Franz II. ihm höflich begegnete, so sagte er dem Admiral, daß er wünsche, daß Bourbon und Condé ohne Eskorte erscheinen sollten. Beide trafen am 29. Oktober in Orléans ein. Der Hof hielt in Anbetracht der inzwischen getroffenen Vorbereitungen den Atem an. Die Stadttore waren streng bewacht, und an allen neuralgischen Punkten Orléans’ waren Soldaten des Königs postiert. Den Prinzen von Geblüt stand das Privileg zu, hoch zu Roß oder in einer Karosse bis unmittelbar vor die Residenz des Königs anzureisen. Diesmal trafen Bourbon und Condé 100  „Je saurai fort bien faire connaître que je suis roi.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 106. 101  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 149. 102  [17. Oktober 1560] „A mon frère le Roy de Navarre. Mon frère, j’ay esté bien esbahie de veoir ce que vous m’avez escript de l’occasion qui vous retarde de poursuivre votre voyage à venir trouver le Roi mon fils. […] de continuer vostre chemyn pour nous venir trouver aussi tost que je le désire […] dont je m’asseure que vous me croyrez bien ; […]. Escript à Arthenay, le XVIIe jour d’octobre 1560. Vostre bonne seure. Caterine“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 150. 103  Solnon, Catherine de Médicis, S. 106 f.

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aber auf verschlossene Stadttore. Sie waren gezwungen, abzusteigen und sich zu Fuß durch die leicht zu bewachende Pforte neben dem Stadttor zum König zu begeben. In einer Gesellschaft, in der die Etikette, der Rang und die damit verbundenen Ansprüche auf Respekt und strikte Beachtung der jeweiligen Vortrittsregeln eine nicht zu überschätzende Bedeutung hatten, stellte das vom König angeordnete Vorgehen gegen die Prinzen von Geblüt einen offenen Affront dar und kündigte für sie nichts Gutes an. Franz II. bereitete ihnen einen eisigen Empfang. Das Verhalten Katharinas wirkte neutral. Sie empfing beide in ihrem Appartement mit denselben Ehrenbezeugungen, die sie ihnen üblicherweise erwies. Wie berichtet wird, soll sie jedoch einen traurigen Eindruck gemacht und einige Tränen vergossen haben.104 Am 31. Oktober 1560 ließ Franz  II. den Prinzen von Condé wegen aufrührerischen Verhaltens verhaften. Dieser hatte daran insofern einen gewissen Anteil, als von ihm keinerlei Signale ausgingen, daß er zu einem Entgegenkommen bzw. zur Aussöhnung bereit sei. Stattdessen rechtfertigte er sein Verhalten mit dem Hinweis auf das jugendliche Alter des Königs und stellte deshalb dessen Autorität in Frage. Franz II. sah sich in seiner Würde herausgefordert und verletzt. Einem Vertrauten soll er gesagt haben: „Ich habe mich entschlossen, ihn fühlen zu lassen, daß ich der König bin, der über die Macht und die Mittel verfügt, ihn zu zwingen, mir zu gehorchen.“105 Eindeutige Beweise dafür, daß er an der Verschwörung von Amboise beteiligt gewesen und auch in die von La Sague berichteten konspirativen Aktivitäten involviert sei, gab es indessen gegen Condé nicht. Die vom Profoß des Königs seinerzeit im Domizil des Prinzen in Amboise vorgenommene Durchsuchung hatte keine belastenden Hinweise erbracht. Es wurden weder Waffen noch verdächtige Papiere gefunden. Wenn man ihn zu beschuldigen wage, er habe versucht, die Franzosen zu einem Verbrechen gegen den König aufzuwiegeln, so wolle er – so erklärte Condé – seine Unschuld mit den Waffen verteidigen. Ob Katharina an der Entscheidung, Condé zu verhaften, Anteil gehabt hat, läßt sich nicht schlüssig entscheiden. Denjenigen, die sie anflehten, eine Verurteilung des Prinzen nicht zuzulassen, soll sie mit dem Hinweis geantwortet haben, daß es der Wille ihres Sohnes gewesen sei, ihn verhaften und vor Gericht stellen zu lassen.106 Wahrscheinlich waren Franz II. und die Guise die Hauptakteure beim Vorgehen gegen Condé. Am Tag nach seiner Verhaftung wurde ein Sondertribunal konstituiert. Seinem Privileg, nur von seinesgleichen gerichtet zu werden, wurde nicht entsprochen. Am 13. November begann der Prozeß gegen ihn. Am 26. wurde Condé des Majestätsverbrechens für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Daß ein Prinz von Geblüt zum Tode 104  Ebenda, S. 107. 105  „Je me suis résolu de lui faire sentir que je suis roi, qui ai puissance et moyen de me faire obéir.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 107. Vgl. auch Cloulas, Catherine de Médicis, S. 150; Dargent, ­Catherine de Médicis, S. 133; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 123; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 227. 106  Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 123.

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verurteilt wurde, war ein außerordentlicher Vorgang. Nun stellte sich die Frage, ob das Urteil auch vollstreckt werden würde. Immerhin hatten zwei seiner Richter – der Kanzler L’Hôpital und der Staatsrat Mortier, also zwei Vertraute Katharinas, – ihre Unterschrift unter das Urteil verweigert.107 François d’Andelot und Anton von Bourbon wurde es gestattet, den Hof zu verlassen.108 Von welchen Erwägungen ließ sich Katharina damals leiten? Welche Ziele verfolgte sie unter den damaligen Gegebenheiten? Verläßliche Aussagen ihrerseits liegen nicht vor. Der Historiker ist infolgedessen gezwungen, sich anhand von Indizien und auf der Basis von gesicherten Fakten sowie unter Berücksichtigung des Agierens der jeweiligen Hauptakteure der Beantwortung dieser Fragen anzunähern. Wenn die Königinmutter überhaupt einen Prozeß gegen Condé gewollt hat, so wünschte sie ganz sicher nicht, daß das gegen ihn gefällte Todesurteil vollstreckt würde. Dagegen spricht ihre bisherige Politik, die auf einen Ausgleich der vorhandenen politisch-religiösen Spannungen, auf eine dauerhafte Befriedung der Monarchie und die Wahrung der Autorität der Krone abzielte. Ein hartes Vorgehen der Krone war nach ihrer Überzeugung nur in Fällen gewaltsamen Widerstands bzw. offener Rebellion angezeigt. Condé konnte aber nicht nachgewiesen werden, daß er sich in dieser Hinsicht schuldig gemacht hatte. Andererseits war ihr klar, daß eine Vollstreckung des Urteils an Condé die Mehrheit der Reformierten – und wohl nicht nur diese allein, sondern auch Teile des gegen die Guise opponierenden Adels – veranlassen werde, zu den Waffen zu greifen. Es war also mit dem Ausbruch eines Bürgerkriegs zu rechnen, den die Königinmutter ganz sicher vermeiden wollte. Eine Vollstreckung des Urteils hätte zudem alle Hoffnungen zunichte gemacht, die sie und ihre Unterstützer mit der Durchführung des anvisierten Nationalkonzils und der Abhaltung der Generalstände verknüpften. Die Hinrichtung Condés hätte zudem den Guise in die Hände gespielt. Außerdem ist zu vermuten, daß die Weigerung L’Hôpitals und Mortiers, das Todesurteil zu unterzeichnen, in Absprache mit Katharina erfolgt ist. Auch die Tatsache, daß sich der ohnehin sehr angegriffene Gesundheitszustand Franz’ II. in jenen Wochen und Tagen dramatisch verschlechterte, spricht dafür. Schon seit einiger Zeit litt der König an einer Fistel in seinem linken Ohr. Die Ärzte waren damals nicht in der Lage, sie zu entfernen und damit dem König Erleichterung zu verschaffen – geschweige denn, ihn zu heilen. Es begann für ihn ein sehr schmerzhaftes Siechtum ohne Aussicht auf Heilung. Franz’ präsumtiver Nachfolger war sein erst zehnjähriger Bruder Karl, was den Schatten einer Regentschaft mit allen ihren Risiken für das Königreich heraufbeschwor – einer Regentschaft, an der nach hinlänglich bekannter Auffassung der Protestanten die „princes du sang“ entscheidenden Anteil haben mußten. Für die Königinmutter ging es folglich darum, die Zeit bis zum voraussehbaren Tode ihres Sohnes zu nutzen, um die Machtverhältnisse 107  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 150; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 227. 108  Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 124.

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Kapitel 5 – Katharinas Agieren um Macht und Einflus in ihrem Sinne neu zu ordnen und das Versinken der Monarchie in einem Strudel von Fraktions- und Parteikämpfen zu verhindern. Und an nichts konnte ihr weniger gelegen sein, als den Einfluß der Guise, der mit dem Tode ihres Sohnes erlöschen mußte, durch die Herrschaft eines bourbonischen Regenten abgelöst zu sehen.109

Aus diesem Grund nutzte Katharina die gegebenen Umstände, um Bourbon zu einer Übereinkunft in ihrem Sinne zu bewegen. Am 2. Dezember 1560 kam es zu einer Unterredung zwischen ihnen. Was dabei im einzelnen besprochen wurde und wie diese Unterredung genau verlaufen ist, ist nicht überliefert. Sehr wahrscheinlich hat ­Katharina sich dabei die Verunsicherung des „prince du sang“, der ohnehin nicht als ein Mann von besonderer Stand- und Charakterfestigkeit galt, zunutze gemacht und ihn unter Druck gesetzt. Man habe – so soll sie ihm gesagt haben – Zweifel an seinen Unschuldsbeteuerungen, und auch er stünde unter dem schweren Verdacht, in die Umtriebe involviert zu sein, deretwegen sein Bruder verurteilt worden sei. Gegen das Versprechen Bourbons, beim absehbaren Ableben von Franz II. nicht auf seinen Rechten zu bestehen, bei der dann anstehenden Regelung der Regentschaft vorrangig berücksichtigt zu werden, soll Katharina ihm den Verzicht auf ein Untersuchungsverfahren zugesichert haben. Sie soll auch das Verhindern des Hinrichtung Condés versprochen haben. Als Gegenleistung soll sie von Bourbon die Zusage verlangt haben, sie bei der Übernahme der Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Karl zu unterstützen. In diesem Fall solle er „lieutenant général du royaume“ werden. Bei dieser Unterredung sollen die Guise anwesend gewesen sein.110 Gleichzeitig erwies Katharina den Guise, die sich keinen Illusionen darüber hingaben, daß die Zeit der unmittelbaren Teilhabe an der Macht für sie vorerst beendet war, im Gegenzug für ihre Zustimmung zu diesem Manöver einen für die Zukunft wichtigen Dienst. Durch eine von dem sterbenden König erwirkte Erklärung, aus freiem Entschluß gehandelt zu haben, wurden der Herzog [Franz von Guise] und der Kardinal [von Lothringen] von dem Odium der Verantwortung für Condés Verhaftung und Verurteilung befreit – was ihre wenigstens äußerliche Versöhnung mit den Bourbonen ermöglichte.111

Auf Grund dieses Agierens könnte man zu der Schlußfolgerung kommen, Katharina sei es damals nur um die eigene Machterweiterung gegangen. Sie sei also eine gefühllose und kalte Machiavellistin gewesen. Eine derartige Charakterisierung würde aber zu kurz greifen. Natürlich ist nicht zu bestreiten, daß es ihr darum ging, ihre eigene Macht zu sichern und – wenn möglich – auszubauen. Da sie in Anbetracht der Minderjährigkeit Karls IX. mit Sicherheit Fraktions- und Parteikämpfe erwartete, war es eher ihr vorrangiges Ziel, ein Verfahren zu organisieren, das einen möglichst konfliktlosen Übergang der Herrschaft auf den Nachfolger Franz’ II. und damit die Erhaltung von Frieden und 109  Babel, Franz II., S. 97. 110  Solnon, Catherine de Medici, S. 108 ff.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 134. 111  Babel, Franz II., S. 97 f.

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Sicherheit in der Monarchie gewährleistete. Sie wollte vor allen Dingen den Ausbruch eines Bürgerkriegs verhindern. Es war ihr völlig klar, daß sie als Frau dabei zwischen den Fronten und den miteinander konkurrierenden Faktionen zu lavieren hatte und sie für ihre Politik des Ausgleichs möglichst zahlreiche Unterstützer gewinnen mußte. Sie handelte aber auch als Mutter, die in der schweren Krise, in die Frankreich zu stürzen drohte, ihren Söhnen den Thron erhalten wollte. Sie war und blieb eine Mutter, die ihre Kinder aufrichtig liebte und die sie fürsorglich umhegte. Einen Einblick in ihre Sorgen und seelische Verfassung in der damaligen Lage gewährt ein Brief, den Katharina Ende November 1560 an ihre Schwägerin Margarete schrieb. Darin ließ sie diese mit folgenden Worten an ihren Nöten teilhaben: Madame, ich weiß nicht, womit ich meinen Brief beginnen soll, wenn ich an den Kummer und die Trübsal denke, die es Gott nach so vielen Übeln und Unglück mir zu schicken gefallen hat, und wenn ich den Zustand sehe, in dem sich der unter extremen Kopfschmerzen leidende König, mein Sohn, befindet. Dennoch hoffe ich, daß unser Herr und Gott mir das Unglück ersparen wird, mir ihn zu nehmen.112

Ihre Hoffnung erfüllte sich aber nicht, denn am 5. Dezember 1560 erlag Franz  II. in Orléans seiner Erkrankung. Voller Schmerz über diesen Verlust und in großer Sorge schrieb sie an ihre Tochter Elisabeth: Madame, meine Tochter, ich habe dem Überbringer dieses Briefes aufgetragen, Ihnen vieles mündlich zu berichten. Das erspart mir, Ihnen einen langen Brief zu schreiben. Ich will Sie nur bitten, sich nicht zu beunruhigen. Ich möchte Ihnen des weiteren versichern, daß ich mich sehr bemühen werde, mich so unter Kontrolle zu halten, daß Gott und alle Welt mit mir zufrieden sein können. Mein Hauptziel ist, in allem Gott zu ehren und meine Autorität zu bewahren – nicht für mich, sondern um dem Erhalt dieses Königreiches zu dienen und zum Wohle aller Ihrer Brüder, die ich ebenso liebe wie den Ort und denjenigen, von dem Ihr alle abstammt. […] Ich war stets bestrebt, vom König, Ihrem Vater, der mich mehr geehrt hat, als ich es verdiente, ebenso geliebt zu werden. Ich habe ihn so sehr geliebt, daß ich um ihn große Befürchtungen gehegt habe, wie Sie wissen. Gott hat ihn mir genommen. Er hat es aber damit nicht bewenden lassen, denn er hat mir [auch] Ihren Bruder genommen, den ich liebte. Er hat mich mit drei kleinen Kindern und mit einem völlig gespaltenen Königreich allein gelassen. Ich habe keine Person, der ich ganz vertrauen kann. Jeder verfolgt seine persönlichen Interessen und frönt seinen Leidenschaften. […].113 112  [Ende November 1560] „A Madame ma seur, Madame la duchesse de Savoie. Madame, je ne sé par heu comensé ma lestre, quant je pense l’état en quoy je me trove des ennuis et afflictyons qui plest à Dieu m’envoyer après ten de maulx et de malheur de voyr l’estat en quoy ayst le Roy mon fils de une douleur de teste si aystrème, encore que je ayspère que Nostre Seigneur ne me fayré pas tant de malheur que de me l’auter […]. Vostre très humble é très hobéysante seur. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 154. 113  [Mitte Dezember 1560] „A Mme ma fille la reine Catolyque. Madame ma fille, je donne cherge à set pourteur vous dyre bocup de chauses de ma part, qui me gardera de vous fayre longue letre, seulement vous diré ne vous troubler de ryen et vous aseurer que je feré pouyne de me gouverner de fason que Dyeu et le monde aront aucasion d’estre contens de moy, car set mon prinsypale bout de avoyr

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Kapitel 5 – Katharinas Agieren um Macht und Einflus

In diesen Zeilen offenbarte Katharina ihr ganzes Leid über den Verlust ihres Mannes und ihres Sohnes. Zugleich ließ sie ihre Tochter teilhaben an ihren Sorgen, die sie sich wegen der spannungsgeladenen Lage im Königreich und wegen der aus politischkonfessionellen Gründen eingetretenen Spaltung Frankreichs machte. Außerdem ließ sie erkennen, daß ihr klar war, keinem der politischen Akteure, mit denen sie es zu tun hatte, trauen zu können. Weil sich Katharina dessen bewußt war, waren und blieben aber ihre Briefe sowie ihre mündlichen Äußerungen in der Regel sehr kontrolliert. Sie verstand es meisterlich, ihre tiefsten und wahren Gefühle und Absichten zu verbergen.

l’heuneur de Dyeu en tout devent les yeux et de conserver mon auterité, non pour moy, més pour servir à la conservatyon de set royaume et pour le byen de tous vos frères, que j’ayme, comme du lyeu où vous aytes tous veneus. […] ne pensant jeamés avoyr autre tryboulatyon que n’estre asés aymayé à mon gré du Roy, vostre père, qui m’onoret pluls que je ne mérités; mes je l’aymé tant que je avès tousjour peur, comme vous savez fayrememaut osés; et Dieu me l’a haulté, et ne se contente pas de sela, m’a haulté vostre frère que jé aymé come vous savés, et m’a laysée avecque troys enfans petys, et heun royaume tout dyvysé, n’y ayent heun seul à qui je me puise du tout fyer, et qui n’aye quelque pasion particoulyère […]. Vostre bonne mère. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 158. – In modernisierter Orthographie, aber nicht ganz fehlerfrei auch bei Dargent, Catherine de Médicis, S. 135.

Kapitel 6

Katharina an der Macht Der französische Humanist und Advokat am Pariser Parlament Etienne Pasquier, der 1585 Generaladvokat des Königs an der dortigen Oberrechnungskammer1 wurde, konstatierte im 1562 erschienenen ersten Band seines Werkes „Des Recherches de la France“: „Es gibt drei Dinge, die man in jedem Fürstentum unendlich fürchten muß: immense Schulden, die Minderjährigkeit eines Königs und religiöse Unruhen; denn jedes von diesen drei Dingen ist in besonderer Weise in der Lage, tiefgreifende Veränderungen in einem Staat zu verursachen.“2 Nach dem Tod Franz’  II. sah sich Katharina mit diesen drei großen Problemen gleichzeitig konfrontiert. Darauf zu reagieren, verlangte ihr politisches Geschick ab, ständige Konzentration, Auseinandersetzung mit den divergierenden Interessen der verschiedenen und miteinander konkurrierenden Faktionen sowie insbesondere das permanente Bemühen, die zunehmenden religiösen und politischen Spannungen zumindest einzudämmen und zu verhindern, daß sie zu einem offenen Bürgerkrieg eskalierten. 6.1

„Regentin Frankreichs“ – „gouvernante de France“

Am zweiten Tag nach dem Ableben ihres Sohnes Franz II., am 7. Dezember 1560, schickte Katharina an den Herzog von Aumale (Claude II de Lorraine, duc d’Aumale, 1526–1573) aus Orléans einen Brief, in dem sie diesen Angehörigen des Hauses der Guise bat, sie bei der Führung der Regierungsgeschäfte für den minderjährigen König Karl IX. zu unterstützen. Die Guise hatten unter dem verstorbenen König Franz II. wichtige politische Funktionen innegehabt, die sie mit dessen Tod verloren hatten. Da Katharina sicherlich klar war, daß sie auch weiterhin mit den politischen Interessen der Guise zu rechnen hatte, lag ihr daran, sie sich nicht zu Feinden ihrer eigenen politischen Ambitionen zu machen. Mit der für sie typischen Art, auf ihren jeweiligen Korrespondenten zuzugehen, schrieb sie an Aumale: Mein Cousin, Sie werden sich sicherlich den Kummer und das schmerzhafte Leid vorstellen können, den mir der Verlust meines seligen Sohnes bereitet. Das entschuldigt, daß ich Ihnen keinen langen Brief schreibe, sondern Ihnen nur diese Zeilen zukommen lasse als 1  Im Original: Avocat général du roi à la chambre des comptes. 2  „Il y a trois choses que l’on doit craindre infiniment en toute principauté: immensité de dettes, minorité d’un roi et remuement de religion; car il n’y a celle de ces trois qui ne puisse particulièrement apporter mutation d’un Etat.“ Estienne Pasquier, Des Recherches de la France, Bd. I, Paris 1562; siehe auch ­Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 229.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2020 | doi:10.30965/9783657703326_007

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht Begleitung des Briefes, den mein anderer Sohn an Sie richtet, der auf Grund des Ablebens dessen Krone erlangt hat. Da Sie in der Vergangenheit der Krone so gute Dienste geleistet haben, bitte ich Sie, darin fortzufahren und den Interessen der Krone mit jenem Wohlwollen zu dienen, das Sie dieser stets erwiesen haben. Was mich betrifft, habe ich in Anbetracht des noch zarten Alters meines genannten Sohnes und gemäß seinem Wunsch sowie auf Bitten der Prinzen und der Großen seines Königreiches die Absicht, die Mühen der Administration des Königreiches auf mich zu nehmen, um dieses in Gänze zur Ehre Gottes zu bewahren und für das Wohl seiner Untertanen zu sorgen. Ich bin mir sicher, daß auch Sie dazu sich zu verwenden nicht weniger bereit und disponiert sind, wie Sie es in der Vergangenheit stets gewesen sind. Ich bitte Gott, mein Cousin, Sie in seinem heiligen Schutz zu bewahren.3

Eine aufmerksame Analyse der Ereignisse und des Geschehens während jener Tage des Thronwechsels läßt indessen erkennen, daß diese Vorgänge viel komplexer waren, als die Ausführungen Katharinas an den Herzog von Aumale diesem suggerieren sollten. An sich war es keine Sensation, daß die Ehefrau des verstorbenen Königs für dessen legitimen und minderjährigen Nachfolger die Vormundschaft und die Regierungsgeschäfte bis zu dem Zeitpunkt übernahm, an dem dieser gemäß den in der Monarchie geltenden Regelungen seine Volljährigkeit erreichte und damit die Regierungsgeschäfte in die eigenen Hände nehmen konnte. Dafür gab es in der Geschichte Frankreichs bekannte Präzedenzfälle. Außerdem hatte schon Heinrich seiner Frau mehrfach die Regentschaft für die Zeit seiner Abwesenheit übertragen. Allerdings hatte er damals dafür gesorgt, daß die realen Kompetenzen der Regentin recht begrenzter Natur waren.4 Beim Thronwechsel von Franz II. auf den minderjährigen Karl IX. stellten sich die politischen Rahmenbedingungen komplexer dar. Unter den miteinander konkurrierenden Großen des Landes herrschte ein latenter Kampf um die zentralen Machtpositionen in der Monarchie. Die Prinzen von Geblüt – unter ihnen insbesondere Bourbon – konnten auf Grund ihres Ranges und ihrer herausragenden Position in der Monarchie legitimerweise Ansprüche auf ihre Berücksichtigung bei der Einrichtung einer Regentschaft anmelden. Im Falle von Katharina kam erschwerend hinzu, daß sie zwar gekrönte Königin und Mutter des minderjährigen Karls IX. war, sie aber in den Augen eines großen Teils 3  [7. Dezember 1560] „A mon cousin le duc d’Aumale. Mon cousin, vous penserez assez l’ennui et douloureuse affliction que je puis avoir de la perte que j’ay faicte du feu Roy mon filz [François II], qui m’excusera de vous faire longue lettre, estant ceste-cy pour accompagner celle de mon autre filz [Charles IX] qui par son décès a receu sa couronne, affin de vous prier si vous aviez bien faict en ce qui concerne le service d’icelle, par le passé, vouloir continuer et embrasser ce que vous verrez y appartenir avecque l’affection que vous y avez toujours desmontré. De ma part, je me délibère à l’aage tendre de mon dict filz, et puisqu’il luy plaist et en suis priée par les princes et grans personnaiges de son royaulme, prendre le soin nécessaire à l’administration d’icelluy pour le conserver en son entier à l’honneur de Dieu et pour le bien de ses subjectz, à quoy je suis certaine que de vostre part, vous ne serez jamais moins prest et disposé de vous employer que vous avez toujours esté. Priant Dieu, mon cousin, vous avoir en sa saincte garde. Escript à Orléans, le VIIe jour de décembre 1560. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 157. – In modernisierter Orthographie, aber mit kleineren Fehlern auch wiedergegeben bei Dargent, Catherine de Médicis, S. 145. 4  Vgl. Kap. 4, S. 80–85.

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des französischen Adels und der Franzosen nach wie vor eine Ausländerin und nicht standesgemäßer Abstammung war. Katharina war sich über all’ diese Probleme und politischen Unwägbarkeiten im klaren. Deshalb hatte sie sich bereits in jener Unterredung am 2. Dezember 1560 mit Bourbon von diesem die Zusicherung geben lassen, daß er nicht auf seine vorrangige Berücksichtigung bei der Regentschaft bestehen werde.5 Als Gegenleistung hatte ihm Katharina den Schutz seines zum Tode verurteilten Bruders und vor einer möglichen strafrechtlichen Verfolgung zugesagt. Diese Zusagen hielt sie auch ein, denn bereits einen Tag nach dem Ableben Franz’ II. veranlaßte sie die Freilassung des Prinzen von Condé.6 Daß Katharina in jenen kritischen Tagen des Herrschaftswechsels die faktisch entscheidende Machtposition in der Monarchie für sich beanspruchte, um nicht nur die Krone Frankreichs langfristig für die regierende Dynastie zu sichern, sondern auch um in Anbetracht der unsicheren inneren Lage Ruhe und Ordnung im Lande zu gewährleisten, daran kann kein Zweifel bestehen. Das beweist ihr Agieren in jener Phase, bei dem sie ihre politischen Fähigkeiten, ihr Verhandlungsgeschick, ihre Geschmeidigkeit im Umgang mit Widerständen und potentiellen Gegnern sowie ihre Hartnäckigkeit in der Verfolgung ihrer strategischen Hauptziele erkennen ließ. Wenn sie auch an ihrer Strategie keine Abstriche machte, so erwies sie sich in ihrer Taktik durchaus als flexibel, was viele ihrer Kritiker als konzeptionsloses Lavieren interpretierten. Sofort nach dem Ableben Franz’ II. sorgte Katharina dafür, daß niemand ohne ihre Einwilligung zu dessen minderjährigem Nachfolger Karl IX. vorgelassen wurde. Sie verbrachte sogar die Nächte im Gemach ihres Sohnes. Auf diese Weise wollte sie gewährleisten, daß sich niemand der Gunst des völlig unerfahrenen jungen Königs bemächtigte. Bereits in diesen Tagen spielte Katharina die entscheidende Rolle. Der aufmerksamen Beobachtung der entsprechenden Vorgänge durch den Botschafter Venedigs war dies nicht entgangen. Am 8. Dezember 1560 berichtete er seinen Auftraggebern, der „Serenissima“, daß „die Königinmutter in der Regierung als diejenige betrachtet wird, deren Wille in allen Angelegenheiten entscheidend ist“. Und er prognostizierte: „Die Autorität [der Krone] wird durch Ihre Majestät intakt gehalten werden, und im Staatsrat wird es keinen anderen Chef geben als sie.“7 Tatsächlich waren die in Orléans anwesenden Mitglieder des Staatsrates bereits am Morgen des 6. Dezember 1560 zu Beratungen zusammengetreten. Sie kamen dabei zu dem Ergebnis, daß für die Leitung der Staatsgeschäfte nur die Königinmutter in Frage komme. Sicherlich hatte sie zu diesem Votum entscheidend beigetragen, denn 5  Vgl. Kap. 5, S. 130. 6  Vgl. Kap. 5, S. 128 ff. Vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 119. 7  „Dans le gouvernement, la reine mère est considérée comme celle dont la volonté est suprême en toutes choses; c’est elle qui aura la main la plus haute aux négociations; de telle sorte, l’autorité sera conservée intacte par Sa Majesté et, dans le conseil, il n’y aura d’autre chef qu’elle seule; on espère ainsi éviter les rivalités.“ Zitiert über Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 128; vgl. auch Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 230. – Zu Karl IX.: Michel Simonin, Charles IX, Paris 1995.

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unmittelbar danach begab sie sich in namhafter Begleitung zum minderjährigen König. Sie wurde begleitet vom König Anton von Navarra, fünf Kardinälen, den Prinzen, dem Kanzler L’Hôpital, zwei Marschällen von Frankreich, dem Admiral von Frankreich und einigen anderen Mitgliedern des Staatsrates. Nachdem sie dem neuen König gehuldigt hatten, bat dieser die Begleiter Katharinas, seiner Mutter in allem zu gehorchen, was diese ihnen in seinem Namen befehlen werde. Dieselbe Anweisung erhielten auch die Staatssekretäre. Ihnen wurde aufgetragen, sich zukünftig ständig in der Nähe der Königinmutter aufzuhalten, nur ihr und sonst niemandem zu folgen. Sie hätten Befehle nur von ihr entgegenzunehmen und Schriftstücke nur auf deren ausdrückliche Anweisung auszufertigen.8 Die oben zitierten Ausführungen Katharinas vom 7. Dezember an den Herzog von Aumale und der Bericht des Botschafters von Venedig vom 8. Dezember 1560 entsprachen also im wesentlichen der Realität. Katharina wußte aber durchaus, daß sie zur Stabilisierung ihrer Machtposition sowohl der rechtlich erforderlichen Absicherung als auch der Akzeptanz durch die Prinzen von Geblüt und seitens der verschiedenen Faktionen bedurfte. Anton von Bourbon hielt sich grundsätzlich an die mit Katharina getroffenen Abmachungen, auch wenn zu Beginn der am 13. Dezember 1560 in Orléans erfolgten Eröffnung der Versammlung der Generalstände noch einmal versucht wurde, ihn als Regentschaftskandidaten ins Spiel zu bringen. Die Königinmutter vermochte jedoch, derartige insbesondere von protestantischer Seite propagierte Forderungen ins Leere laufen zu lassen. Dabei hat sicherlich eine wesentliche Rolle gespielt, daß es ihr gelang, innerhalb der Regierung die miteinander konkurrierenden Faktionen auszutarieren. So hatte sie die Rückkehr der Montmorency an den Hof veranlaßt. Am 19. Dezember 1560 informierte sie ihre Tochter Elisabeth mit folgenden Worten über diesen Schritt: „Ich hole zu mir in meine Nähe den Konnetabel und alle ehemaligen Diener Ihres Großvaters und Vaters. Deren Beratung berechtigt mich zu der Hoffnung, daß sich alle Dinge gut für die Ehre Gottes, gut für die Religion sowie für die Ruhe und den Frieden dieses Königreiches entwickeln werden.“9 Mit diesen Zeilen wollte Katharina Madrid signalisieren, daß die dort gehegten Befürchtungen, die französische Krone trete der Ausbreitung des Protestantismus nicht tatkräftig genug entgegen, unbegründet seien, denn der Konnetabel Montmorency war und blieb ein entschiedener Verfechter der Sache des Katholizismus. Gleiches gilt für die 8  „Relation de ce qui s’est passé à Orléans le lendemain de la mort du Roy François II, au commencement du règne du Roy Charles IX, le 6e iour de décembre, extraite du registre de Monsieur de Laubesine, secrétaire d’Estat“, veröffentlicht in: Pierre Dupuy, Traité de la maiorité de nos rois et des régences du royaume[…], Paris 1655, S. 347–349. Vgl. auch Michel Antoine, Le cœur de l’État. Surintendance, contrôle général et intendance des finances 1552–1791, Paris 2003, S. 45 f. 9  „Je rappelle auprès de moi Monsieur le connétable et tous les vieux serviteurs des rois votre grand-père et père, et tout ce conseil me fait espérer, l’ayant auprès de moi, que toutes choses iront si bien pour l’honneur de Dieu et pour la religion et repos et paix de ce royaume.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 233.

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Guise, denen Katharina ebenfalls Funktionen im Conseil du Roi durch Karl IX. übertragen ließ. Im selben Schreiben führte sie auch aus, daß sie auf Grund der in Frankreich gegebenen Rechtslage „gezwungen“ gewesen sei, Anton von Navarra, den man in Madrid wegen dessen lange Zeit undurchsichtigen Verhaltens gegenüber dem Calvinismus für einen Häretiker hielt, in ihre Nähe zu beordern.10 Man brauche sich darüber aber keine Sorgen zu machen, denn der Bourbone könne nichts ohne ihre ausdrückliche Anordnung unternehmen. Mit Verfügung des Conseil du Roi vom 21. Dezember 1560, bei deren Zustandekommen Katharina einen entscheidenden Anteil gehabt hatte, wurden schließlich die Modalitäten der Regentschaft in rechtlich angemessener Weise geregelt und öffentlich gemacht. Katharina wurde zwar nicht offiziell zur Regentin für Karl IX., aber zur „gouvernante de France“ proklamiert. Faktisch wurden ihr die mit der Wahrnehmung einer Regentschaft traditionell verbundenen Kompetenzen übertragen. Wohl aus Rücksichtnahme auf die Empfindlichkeiten und die Stellung des Ersten Prinzen von Geblüt sowie in Anbetracht der beträchtlichen Reserven unter den Großen des Landes gab sich die Königinmutter mit diesem offiziellen Titel zufrieden, was indessen an ihren Kompetenzen und an der realen Machtverteilung zu ihren Gunsten nichts änderte. Das belegen die in diesem Erlaß fixierten detaillierten Regelungen. Den Vorsitz im Staatsrat führte Katharina. Sie allein war befugt, ausländische Diplomaten in Audienz zu empfangen, die Berufung in königliche Ämter und Chargen vorzunehmen und mit königlichen Kommissionen zu konferieren. Sie kontrollierte die gesamte offizielle Korrespondenz des Königs. Das bedeutete, daß jede eingehende Depesche, jeder Bericht aus dem In- und Ausland und jedes offizielle Schreiben an den König zuerst ungeöffnet an sie weitergeleitet werden mußte. Jegliche Verfügung und jeder Erlaß an die Untertanen waren ihr zur Prüfung vorzulegen, bevor sie dann expediert werden konnten. Gleiches gilt für die Depeschen an die französischen Botschafter und sonstigen diplomatischen Vertreter der Krone im Ausland. Diese offiziell im Namen des Königs erfolgenden Agenden wurden jeweils von Schreiben der Gouvernante de France begleitet. Der entsprechende Schriftwechsel erfolgte also jeweils in doppelter Form. Daraus resultierte, daß Katharina täglich mit einem enormen Arbeitspensum belastet war. Um die Authentizität ihrer Amtsführung als Gouvernante de France zu legitimieren und damit ihre dementsprechenden Anweisungen für ihre jeweiligen Adressaten als Ausfluß ihrer Befehlsgewalt kenntlich zu machen, ließ sie ein spezielles Siegel anfertigen. Darauf war nur das Konterfei Katharinas mit ihrer Krone und nicht jenes des Königs Karl IX. abgebildet. Bei diesem Konterfei handelte es sich allerdings um eine stehende Figur. Dies war kein Zufall. Die damaligen Franzosen verstanden auch sofort die sich darin manifestierende Symbolik. Auf den Siegeln von Königen erschienen diese nur als 10  „contrainte d’avoir le roi de Navarre auprès de moi, d’autant que les lois de ce royaume le portent ainsi“.

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Majestät auf ihrem Thron sitzend. Die Gestaltung des Siegels Katharinas als Gouvernante de France brachte also die für die damaligen Zeitgenossen klar verständliche Botschaft zum Ausdruck: Katharina von Medici und kein anderer regiert (gouverne), aber nur Karl IX. herrscht (règne), auch wenn er noch minderjährig ist. Die Inschrift des Siegels Katharinas hatte folgenden Wortlaut. „Katharina, von Gottes Gnaden Königin Frankreichs, Mutter des Königs.“11 Damit wurde signalisiert, daß sie als Witwe eines Königs und als Mutter eines minderjährigen Königs in dessen Namen in legitimer Weise die höchste Macht und Autorität im Königreich ausübte. Anton von Bourbon wurde Lieutenant général du royaume und gemäß den mit diesem Titel verbundenen Funktionen Stellvertreter des minderjährigen Königs. Er war auch Mitglied des Staatsrates. Insofern wurde er faktisch im Rahmen der am 21. Dezember 1560 verkündeten Modalitäten der Regentschaft berücksichtigt. Damit verbunden war das Recht, die von den Provinzen an den König gesandten Depeschen und sonstigen offiziellen Schriftstücke in Empfang zu nehmen. Er mußte diese jedoch ungeöffnet sofort an Katharina weiterleiten, in deren Händen alle weiteren Entscheidungen lagen. Realiter verfügte Bourbon also über nicht mehr Kompetenzen als ein damaliger Staatssekretär innehatte. Als er bei sich bietender Gelegenheit während einer Sitzung des Conseil reklamierte, im Falle einer Abwesenheit der Gouvernante de France die Beratungen im Staatsrat zu leiten und damit tatsächlich politische Macht auszuüben, trat Katharina diesem Ansinnen sofort mit aller Entschiedenheit entgegen. Sie erwiderte ihm, daß sie niemals so krank sein werde, daß sie ihre Aufgaben nicht erfüllen könne. Im übrigen fand Bourbon bei den anderen Mitgliedern des Conseil bei seinem Vorstoß auch keine Unterstützung. Bourbon war auf Grund seiner hohen Charge theoretisch auch Oberkommandierender der Truppen des Königs, wenn dieser nicht selbst das Oberkommando führte. Realiter übte die Befehlsgewalt aber der Herzog Franz von Guise aus. Das Kommando über die Marine lag bei Coligny. Der nun recht alte Konnetabel Montmorency nahm die mit seiner Charge verknüpften militärischen Funktionen nicht wahr. Diese lagen faktisch in den Händen des Marschalls François de Montmorency und des Obersts der Infanterie Frankreichs, François d’Andelot. Um den Konnetabel für dessen Zurücksetzung zu entschädigen, gewährte Katharina ihm die Zahlung von rund 250.000 livres. Dies geschah allerdings gegen den Rat des Kanzlers L’Hôpital, zu dessen Aufgabenbereich auch die Finanzen gehörten. Die letzte Entscheidung in allen zentralen Fragen und Angelegenheiten lag jedoch bei der Gouvernante de France, die reale Macht befand sich in den Händen Katharinas.12 Der 11  „Catherine, par la grâce de Dieu reine de France, mère du roi“. Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 115; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 235. 12  Zu den Modalitäten der „Regentschaft“ Katharinas von Medici siehe: Cloulas, Catherine de Médicis, S. 153 ff.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 61 ff.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S., 365 f.; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 78 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 111–115; Antoi­ ne, Le cœur de l’État. Surintendance, contrôle général et intendances des finances 1552–1791, S. 45 f.;

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bereits zitierte venezianische Botschafter Giovanni Michieli behielt mit seiner Prognose vom 8. Dezember 1560 durchaus recht, als er bereits damals konstatierte, daß alle Fäden in der Hand Katharinas zusammenlaufen würden und daß jedermann nur ihr Rechenschaft über sein Agieren zu geben haben werde. Weder der Konnetabel Montmorency noch der Kardinal von Lothringen blieben die mächtigen Ansprechpartner, die sie zuvor gewesen seien. „Man wird sich geradewegs und direkt zur Königin begeben, und wenn sie den Staatsrat braucht, wird sie diesen kraft eigener Macht und Autorität einberufen und danach ihre Antwort geben.“13 Die noch von König Franz II. nach Orléans einberufene Versammlung der Generalstände fand dort vom 13. Dezember 1560 bis zum 31. Januar 1561 statt. Es war das erste Mal seit 76 Jahren, daß die États généraux wieder zusammentraten. Nach den Forschungsergebnissen des amerikanischen Historikers James Russell Major nahmen insgesamt 455 Deputierte teil. Auf den Ersten Stand, den Klerus, entfielen 127. Der Zweite Stand, der Adel, war mit 107 Repräsentanten vertreten und der Dritte Stand mit 221. Für das Abstimmungsverfahren waren diese Differenzen ohne besondere Relevanz, denn es wurde nicht nach Köpfen abgestimmt. Die Meinungsbildung und die jeweiligen Entscheidungen erfolgten innerhalb eines jeden Standes, so daß jeder Stand ein Votum für sich abgab. Die Calvinisten waren eindeutig in der Minorität. Einigermaßen verläßliche Zahlen lassen sich indessen dazu nicht nennen. Es war das erste Mal, daß sich die Deputierten nach der feierlichen Eröffnungssitzung am 13. Dezember 1560 zu ihren Beratungen in drei nach Standeszugehörigkeit getrennten Gremien versammelten. Der Hauptgrund dafür war, daß der Klerus den Deputierten des Zweiten und Dritten Standes mißtraute und befürchtete, von den Vertretern dieser beiden Stände in einem ganz zentralen Punkt majorisiert zu werden: bei der Bewilligung von Zahlungen, die zur Tilgung der immens angestiegenen Schulden der Krone dienen sollten.14 Erst am 13. Januar 1561, also rund einen Monat nach Beginn der Ständeberatungen, ließ Katharina die Generalstände durch den Kanzler L’Hôpital darüber in Kenntnis setzen, daß die aufgelaufenen finanziellen Verbindlichkeiten der Krone 43,5 Millionen livres ausmachten. Dieses enorme Defizit war auf das Vierfache der jährlichen Einnahmen angewachsen. Wenn auch den Deputierten genauere Zahlen vor deren offizieller Bekanntgabe am 13. Januar durch den Kanzler wohl nicht bekannt waren, so war die hohe Verschuldung des Königs für sie doch kein Geheimnis mehr. Aus leidvoller Erfahrung in der Vergangenheit befürchtete die französische hohe Geistlichkeit, daß sich die begehrlichen Blicke der politischen Hauptakteure der Krone in erster Linie auf sie richten würden und diese bei ihren Forderungen mit der Unterstützung der Deputierten des Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 229–238; Dargent, Catherine de Médicis, S. 145 ff.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 125–129. 13  „Mais on ira tout droit à la reine, et, si elle a besoin du Conseil, elle le réunira de sa propre autorité, et donnera la réponse.“ Zitiert über Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 128. 14  Zu diesen Generalständen: Major, The Deputies to the Estates in Renaissance France.

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Adels und des Dritten Standes rechnen könnten. Wohl deshalb bestanden sie auf Beratungen und Abstimmungen in nach Ständen getrennten Gremien.15 Die feierliche Eröffnung der Generalstände am 13. Dezember 1560 fand in Anwesenheit König Karls IX., Katharinas, der jüngeren Brüder des Königs sowie eines beachtlichen Gefolges statt. Zu diesem Gefolge gehörten Bourbon, die Prinzessin Renée von Frankreich, Herzogin von Ferrara (1510–1575) und Tochter des Königs Ludwig XII. (1498–1514), die Kardinäle Charles de Bourbon, François de Tournon (1489–1562), Charles de Lorraine (de Guise), Odet de Châtillon, der Konnetabel Montmorency, der Admiral Coligny, die vier Marschälle von Frankreich, die Großoffiziere der Krone, die Ritter des Königlichen Ordens des Heiligen Michael, die Staatsräte und weitere Würdenträger. Ganz offensichtlich sollten die Deputierten der Generalstände mit dem Erscheinen dieses stattlichen Gefolges beeindruckt werden.16 Nachdem der minderjährige König die Eröffnung der Generalstände erklärt hatte, ergriff der Kanzler L’Hôpital das Wort. Seine Ausführungen waren mit Katharina abgestimmt. Deshalb war es kein Zufall, daß er gleich zu Beginn erklärte, der Herrschaftswechsel habe dem Land wohlgetan und erheblich zur Beruhigung der bestehenden Konflikte und oppositionellen Manifestationen beigetragen. Besonders lobend hob er Bourbon hervor, der den anderen Prinzen „den Weg gewiesen und ein Beispiel des Gehorsams“17 gegeben habe. Es schlossen sich rühmende Worte im Hinblick auf „das unermüdliche und fürsorgliche Wirken der sehr tugendhaften und sehr weisen Fürstin, der Königinmutter“18 an. In seinen anschließenden Ausführungen, in denen er die zentralen Probleme der Monarchie und die zu deren Lösung unumgänglichen Maßnahmen skizzierte, widmete er besondere Aufmerksamkeit den religiösen Spannungen, die eine nicht zu übersehende große Gefahr für die Monarchie darstellten. Wenn er auch am Ziel der Wiederherstellung religiöser Einheit festhielt, so trug er doch ein unmißverständliches Plädoyer vor für ein gewaltfreies Agieren gegenüber allen friedfertigen Anhängern einer „Religion, die diese als reformiert bezeichnen“. Eindringlich forderte er eine Reform der katholischen Kirche – vor allem die Beseitigung der in ihr sichtbar gewordenen Mißstände. Dies sei Aufgabe „eines heiligen Konzils“ (un saint concile). Dabei hatte er sicherlich das Konzil von Trient im Auge, das mit zweimaliger Unterbrechung fast zwei Jahrzehnte von 1545 bis 1563 tagte. Bis dahin sollte man den Protestanten mit Milde begegnen, solange sich diese friedlich verhielten und die öffentliche Ruhe nicht durch gewalttätiges Agieren störten. In den innerhalb der katholischen Kirche sichtbar gewordenen Mißständen (la dissolution de notre Église) sah er die Ursache für das Aufkommen der Häresien. Würden diese Mißstände behoben, so könne diesen Häresien ein Ende bereitet werden (la réformation 15  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 157; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 368 f. 16  Vgl. Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 238. 17  „[…] a montré le chemin aux autres et donné exemple d’obéissance“. 18  „la diligence de très vertueuse et très sage princesse la reine, mère“.

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pourra être cause de les éteindre). Den Häresien müsse man mit wahrhaft christlichem Auftreten und Verhalten begegnen und sie mit „den Waffen der Barmherzigkeit, des Gebetes, der Überzeugung, mit dem Wort Gottes bekämpfen“.19 Barmherzigkeit und Milde bedeuteten für L’Hôpital aber weder Kapitulation vor der Häresie noch konfessionelle Neutralität. Allen denjenigen, die die Autorität des Königs in Frage stellten oder gar gegen ihn rebellierten, müsse mit Entschlossenheit sowie mit Rekurs auf die königliche Justiz und auf legitime militärische Macht entgegengetreten werden. Milde und Barmherzigkeit dürften nicht als Schwäche mißverstanden werden. Gegen diese Aufständischen und Rebellen müsse der König – zu dessen großem Bedauern – mit seinen Truppen einschreiten. In diesen Kontext ist folgende berühmte und immer wieder zitierte Passage der Rede des Kanzlers einzuordnen: Beten wir für sie [die Protestanten] unaufhörlich zu Gott und tun wir alles, was uns möglich sein wird, so lange Hoffnung besteht, sie zur Rückkehr zu bewegen und zum Glaubenswechsel zu veranlassen! Milde wird mehr bewirken als Strenge. Benutzen wir nicht mehr diese diabolischen Worte, jene Partei-, Faktions- und Aufstandsbezeichnungen wie Lutheraner, Hugenotten, Papisten […]! Ändern wir nicht den Namen „Christen“!20

Dieses von L’Hôpital vorgetragene politische Konzept entsprach in den zentralen Punkten exakt der damaligen Überzeugung Katharinas. Das beweist der Inhalt ihres Schreibens, das sie am 31 Januar 1561 aus Orléans an den Bischof von Limoges Sébastien de L’Aubespine, den französischen Botschafter am Hof des spanischen Königs, richtete. Zunächst legte sie Gründe dar, die sie bewogen hatten, die Versammlung der Generalstände zu beenden. Danach entwickelte sie in großen Linien die Politik, die sie in Anbetracht der damaligen Gegebenheiten für erforderlich erachtete, um den zentralen politischreligiösen Problemen mit der Aussicht auf Erfolg begegnen zu können. Bezeichnenderweise bediente sie sich dabei in wesentlichen Teilen der Argumente, die L’Hôpital in seiner Rede vorgetragen hatte. Was die Religion betreffe, so habe die jüngere Vergangenheit bewiesen, daß es kein alleiniges Rezept gebe, um die Krankheit zu heilen, unter der das Königreich leide. Man müsse mehrere Medikamente ausprobieren, bis man jenes finde, das Heilung bringe. Die Politik müsse also flexibel und pragmatisch auf die jeweiligen Vorgänge reagieren. Seit zwanzig oder dreißig Jahren habe man sozusagen durch ein Ausbrennen des Übels eine weitere Ansteckung, also eine weitere Ausbreitung der neuen Ideen, zu verhindern 19  „[…] les assaillir avec les armes de charité, prière, persuasion, Parole de Dieu, qui sont propres à tel combat.“ 20  „Prions Dieu incessamment pour eux [les protestants], et faisons tout ce que possible nous sera, tant qu’il y ait espérance de les réduire et convertir; la douceur profitera plus que la rigueur. Ôtons ces mots diaboliques, noms de partis, factions et séditions: luthériens, huguenots, papistes […]. Ne changeons le nom de chrétiens.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 239; vgl. ebenso Solnon, ­Catherine de Médicis, S. 116.

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versucht. Der Rekurs auf gewaltsame Unterdrückung habe sich aber als inoperabel erwiesen. Das repressive Vorgehen gegen die Anhänger der neuen Lehre habe bei einer „Unzahl des armen Volkes“21 nur das Gegenteil bewirkt. Repressive Maßnahmen hätten die Anhänger des Calvinismus nur noch in ihrem Glauben bestärkt. Die Dinge hätten sich derart zum Schlechten gewendet, daß das Königreich das Erscheinungsbild eines Landes abgegeben habe, das einem großen Aufstand zum Opfer gefallen sei. Dank der Gnade und Güte Gottes habe sich die augenblickliche Lage beruhigt. Wenn man nun ein neues Mittel ausprobiere, so geschehe dieses auf Anraten der Prinzen von Geblüt sowie der anderen Prinzen und Würdenträger des Staatsrates. In Anbetracht der Minderjährigkeit Karls IX. und insbesondere auf Grund der Tatsache, daß das Feuer des Aufstandes gerade erst erloschen sei, daß es unter der Asche aber noch glühe und nur ein Funken genüge, um das Feuer neu zu entfachen und eine Feuersbrunst heraufzubeschwören, müsse man der inneren Lage größte Aufmerksamkeit widmen. Deshalb müsse man eine Wende herbeiführen.22 An diesem Punkt wich Katharina von der Logik ab, die der Rede L’Hôpitals zugrunde lag. Sie wandte sich in den folgenden Ausführungen anderen Perspektiven zu als der vom Kanzler herangezogenen Metapher der Applikation einer alternativen Medizin, denn sie war überzeugt, daß man sich auf ein anderes Feld der politischen Rationalität begeben müsse. Auf ein Feld, das man nur unter dem Zwang der Ereignisse beschreite, in einer Lage also, in der man sich gezwungen sehe „viele Dinge zu dissimulieren, was man sonst nicht ertragen würde“.23 Damit beschrieb Katharina ein politisches Agieren, das auf ihren eigenen Erfahrungen basierte. Sie definierte Politik geradezu empirisch als einen Lernprozeß, in dem man eine Welt erkenne, in der sich alles ständig in Bewegung, in Fluß befinde. Insofern bedeutete Politik für sie das Agieren, das Reagieren auf sich ständig verändernde Konstellationen, als Reagieren auf „das Übel der Zeiten“ (malice des temps). Auf Grund ihrer Erfahrungen müsse ein politischer Akteur fähig sein, sich bei 21  „infinité de pauvre peuple“. 22  [31. Januar 1561] „A Monsieur de Limoges. […] Nous avons, durant vingt ou trente ans, essayé le cautère pour ayder arracher la contagion de ce mal d’entre nous, et nous avons veu par expérience que ceste violence n’a servy qu’à le croistre et multiplier, d’aultant que par les rigoureuses pugnitions qui se sont continuellement faictes c’est confirmé en ceste oppinion jusques à avoir esté dict de beaucoup de personnes de bon jugement qu’il n’y avoit riens plus pernicieux pour l’abollissement de ces nouvelles opinions que la mort publique de ceulx qui les tenoyent, puisqu’il se voyoit que par icelles estoyent fortiffiez. […] j’ay esté conseillée par tous les princes du sang et aultres princes et seigneurs du Conseil du Roy monseigneur et mon filz d’avoir esgard à la saison où nous sommes, où quelquesfoys nous sommes contrainctz de dissimuler beaucoup de choses que en aultre temps l’on n’endureroyt pas, et pour ceste raison de suivre la voye de doulceur en ce faict, affin d’essayer par honnestes remontrances, exhortations et prédications de réduire ceulx qui se trouveront errer au faict de la foy et de pugnir sévèrement ceulx qui feront scandales ou séditions, affin que la sévérité en l’ung et la doulceur en l’autre nous puissent préserver des inconvéniens d’où nous ne faisons que sortir. […]. D’Orléans, ce dernier jour de janvier 1561. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 577 f. 23  „dissimuler beaucoup de choses que en aultre temps l’on endureroyt pas“.

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seinem Tun und Lassen ständig in Funktion der jeweiligen Gegebenheiten und der sich darin manifestierenden Handlungsoptionen zu überdenken, ja in Frage zu stellen, und daraus seine Schlußfolgerung für sein weiteres Agieren zu ziehen.24 Deshalb bestand für die Königinmutter der Primat in der gegenwärtigen Politik im Rekurs auf Argumente – auf „angemessene Warnungen, Ermahnungen, Predigten und Darlegungen“25. Kurz – in der damaligen fragilen Situation hatten Argumente, intensive Gespräche, Verhandlungen, Überzeugungsarbeit Vorrang vor repressiven Maßnahmen. Katharina hielt Distanz gegenüber allen ideologisch-dogmatischen Positionen und ließ sich bei ihren Entscheidungen von Pragmatismus leiten. Wenn sich aber die jeweiligen Adressaten nicht loyal gegenüber der Autorität des Königs verhielten und die öffentliche Ruhe und Ordnung durch gewalttätige Aktionen störten, dann – aber auch nur dann – sah sich auch die Gouvernante de France gezwungen, Gewalt mit Gewalt zu beantworten.26 Es entsprach dieser politischen Linie, daß Katharina den königlichen Gerichten am 28. Januar 1561 die Weisung erteilte, alle Personen freizulassen, die wegen Vergehen gegen den katholischen Glauben bzw. gegen die katholische Kirche inhaftiert worden waren. Gleichzeitig wurde den Hugenotten verboten, unerlaubte Versammlungen – also öffentliche Gottesdienste – abzuhalten. Etwas später wurde der Generalanwalt des Königs am Pariser Parlament aufgefordert, bei den Ermittlungen wegen des Vergehens der Veranstaltung von reformierten Gottesdiensten in den Häusern von Hugenotten nicht allzu akribisch vorzugehen.27 Auf derselben Linie der Politik der „doulceur“ gegenüber den Reformierten lag das Edikt vom 19. April 1561. Darin wurde einerseits die Abhaltung reformierter Gottesdienste untersagt und jenen Hugenotten strenge Bestrafung angedroht, die sich der Bilderstürmerei in katholischen Kirchen und Einrichtungen schuldig machten. Andererseits sollte nicht untersucht werden, was sich in den Privathäusern der Reformierten abspielte. Im Edikt vom Juli 1561 wurden der private und öffentliche reformierte Kultus erneut verboten, aber den reuigen Reformierten eine Amnestie gewährt und auf Nachforschungen in deren Privathäusern abermals verzichtet. Den Amtsträgern des Königs in den Provinzen ließ Katharina bezeichnenderweise folgende schriftliche Empfehlung zustellen: „Lassen Sie dieses Edikt nur verlesen und die Verkündung nicht unter Trompetenschall erfolgen, wie es üblich ist, und machen Sie sich keine allzu große Mühe bei der Überwachung der strikten Befolgung dieses Edikts.“28

24  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 243. 25  „honnestes remontrances, exhortations et prédications“. 26  Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S.  587, 599  f.; siehe auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 243; Solnon, Catherine de Médicis, S. 115 ff. 27  „[…] de ne pas trop curieusement rechercher ceux qui seront en leurs maisons ni trop exactement s’enquérir de ce qu’ils y feront.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 119. 28  „Vous ferez seulement lire ledit édit sans en faire la publication à son de trompe, comme il est accoutumé, et ne vous mettrez en nulle peine d’en requérir l’observation si exacte.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 119. Zu den Edikten vgl. auch Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 390.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Schon allein diese behutsamen Schritte stießen nicht nur bei vielen Franzosen auf Ablehnung. Den militanten Katholiken gingen diese Erleichterungen für die Reformierten bereits zu weit und letzteren gingen sie nicht weit genug. Auch in Madrid verfolgte man das entsprechende Agieren Katharinas mit großem Mißtrauen. Deshalb war sie kontinuierlich bemüht, ihr Handeln mit speziellen auf den Adressaten zielenden Argumenten zu erklären, zu rechtfertigen und auf diese Weise dem Argwohn Philipps II. zu begegnen. Am 17. Januar 1561 schrieb sie aus Orléans an den Bischof von Limoges, den französischen Botschafter in Madrid, folgende Zeilen: Ich habe die Darlegungen zur Kenntnis genommen, die Ihnen der katholische König [Philipp II.] und der Herzog von Alba […] mit Bezugnahme auf die Religion vorgetragen haben. Ich kann Ihnen versichern, daß es das ist, woran ich arbeite. Ich ziehe dazu die guten und großen Diener heran, die mir zur Seite stehen, und konsultiere selbst die Kardinäle und andere Prälaten, mit deren Unterstützung jene Mittel gefunden und durchdacht werden sollen, mit denen man die Dinge auf einen guten Weg bringt und die geeignet sind, die große Zwietracht zu beenden, die das Königreich heimsucht. In der Erwartung dessen, was von einem guten Konzil angeordnet werden wird, einem Konzil, dessen wir bedürfen in Anbetracht der Tatsache, daß die Hirne der Menschen so bizarr sind, wie sie nun einmal sind, hoffe ich, daß unser Herrgott mir das Glück zuteil werden lasse, daß während meiner Zeit nur das geschehe, was ihm zur Ehre und aller Welt zum Wohle gereicht. Denn ich wünsche nichts sehnlicher, als dieses Königreich in Ruhe zu sehen und daß Gott so verehrt werden möge, wie es sich geziemt. Sagen Sie überall mit Nachdruck, daß ich nur gut beraten agieren und alles zur Ehre Gottes tun werde. Ich wünsche nichts sehnlicher, als zum Wohlgefallen des Königs, meines Sohnes, zu handeln.29

Nachdem es erneut zu Differenzen zwischen den Guise und den Bourbonen gekommen, von einigen Deputierten der Stände die Entfernung der Guise aus dem Staatsrat gefordert worden war und die Pariser Wähler bei den Beratungen zur Entsendung ihrer Vertreter zur der für den 1. März 1561 erneut einberufenen Ständeversammlung abermals

29  [17. Januar 1561] „A Monsieur l’évëque de Limoges. Monsieur de Lymoges, J’ay aussi sceu les propos que le roi catholique et le duc d’Albe vous ont tenuz […] aussi les propoz qui passerent entre vous pour le faict de la religion. Vous le pourrez le[s] [assurer] que c’est à quoy je travaille et que je n’employe les bons et grandz serviteurs que j’ay, mesmes les cardinaux et aultrez prélatz, qu’à regarder les moyens de tenir les choses au bon chemyn et faire cesser tant de troubles que cella a apporté en cedict royaume, actendant ce que par un bon concille en sera ordonné, dont nous avons grant besoing, estant les cerveaux des hommes si bizarres qu’ilz sont, et espere que Nostre Seigneur me fera tant d’heur qu’il n’adviendra riens durant mon temps qui ne soyt à son honneur, et satisfaction de tout le monde; car je n’ay craincte ne voye de chose tant que ceste là, pour veoir ce royaulme en repoz et Dieu servy comme il appertient. […] Respondrez hardiment partout que je ne feray jamaiz riens que par bon conseil, et que avecques l’honneur de Dieu je desire singulierement le contantement du Roy mon filz. A Orléans, ce XVIIe janvier (1561). Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, publiées par M. le Cte Baguenault de Puchesse, Bd. X, Supplément (1537–1587) S. 26 ff. – Die Wiedergabe in modernisiertem Französisch bei Dargent, Catherine de Médicis, S. 148 f., ist fehlerhaft. Er verwechselt Konzil (concille) mit Rat (conseil).

6.1 „Regentin “ Frankreich

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die Regentschaft für Anton von Bourbon reklamiert hatten30, sah sich Katharina in ihrer Autorität in Frage gestellt.31 Sie war deshalb gezwungen, auch in dieser Richtung wieder zu verhandeln und die untereinander sowie mit ihr um Macht und Einfluß konkurrierenden Kräfte auszutarieren. Vor diesem Hintergrund ist zu sehen, daß sie am 27. März 1561 Bourbon erneut als „lieutenant général du Roy“ bestätigte. Im Gegenzug verzichtete dieser in aller Form auf seine Rechte, bei der Einrichtung einer Minderheitsregentschaft in erster Linie berücksichtigt zu werden. Unverzüglich informierte Katharina aus Fontainebleau Sébastien de L’Aubespine über diesen Vorgang. Ganz offensichtlich wollte sie damit Madrid signalisieren, daß sie alles im Griff habe und weiterhin im Besitz der uneingeschränkten Autorität sei. Die zentrale Passage dieses Schreibens vom 27. März 1561 lautete wie folgt: Als gegen Ende der Generalstände alle schrien und die einen mir zustimmten sowie nicht akzeptieren wollten, daß meine Autorität in irgendeiner Weise geschmälert werde, und die anderen, die im Sinne Antons von Bourbon bearbeitet worden waren, diesem die Autorität [Regentschaft] übergeben wollten, haben wir uns dank der Vermittlung meiner Cousine von Montpensier, des Konnetabels und des Kanzlers geeinigt. In Artikeln wurde schriftlich festgelegt, daß ich zustimme, daß er [Anton von Bourbon] ‚Generalleutnant des Königs‘, meines Sohnes, für das ganze Königreich wird und daß er unter mir [Kursiv Malettke] das Kommando über alle Streitkräfte ausübt, wie es beim Herrn von Guise unter dem verstorbenen König, meinem Sohn, der Fall gewesen war. Gemäß dieser Vereinbarung und auf Grund seines auch von seinen Brüdern unterschriebenen und ratifizierten Versprechens tritt er mir ab und übergibt mir alles, was ihnen von den Generalständen an Macht und Autorität zuerkannt worden sein konnte. Anton von Bourbon will und stimmt zu, daß ich allein und überall die absolute Macht ausübe, ohne daß ich darin von wem auch immer behelligt werde. Ich halte die zentrale Autorität für immer in meinen Händen – über alle Staatsangelegenheiten zu befinden, Ämter und Benefizien zu vergeben, über das Staatssiegel zu verfügen sowie alle Depeschen entgegenzunehmen und über die Finanzen zu entscheiden. Auf diese Weise haben wir unsere Differenzen beigelegt […]32

30  Die Generalständeversammlung in Orléans war am 31. Januar 1561 beendet worden. 31  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 370; Solnon, Catherine de Médicis, S. 120 f. 32  [27. März 1561] „A Monsieur de Limoges. Monsieur de Lymoges […] A la fin, pendant que Messieurs des Estats faisoient leurs crieries, et que les ungs m’approuvoient et ne voulloient consentir qu’on diminuast de mon authorité, et que les aultres qui avoient esté practiquez la luy vouloient bailler, nous nous sommes par le moien de ma cousine de Montpensier, de mon cousin le connestable et de monsieur le chancellier, accordez, ayans mis les articles par escript, par lesquelz je consentz qu’il soit lieutenant général du Roy mon filz par tout le royaume et commande soubz moy à toutes les forces, comme estoit monsieur de Guyse, du temps du feu Roy mon filz; et ce faisant il me cedde et quicte par sa promesse signée de sa main tant pour luy que ses frères, ausquelz il l’a faict signer et rattifier, tout ce qui leur pouvoit estre attribué par les Estats de puissance et d’authorité, et veult et consent que je commande absolument partout sans jamais m’y pouvoir donner aucun trouble ou empeschement. Je retiens toujours la principalle authorité, comme de disposer de tous les estatz de ce royaume, pourvoir aux offices et bénefices, le cachet et les dépesches et le commandement des finances, et par ce moien nous avons paciffié nos différendz […]. De Fontainebleau ce XXVIIe jour de mars 1561. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 176–179; Zitat S. 177 ff.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Der französische Botschafter konnte also etwaige Bedenken zerstreuen, Bourbon, den Philipp  II. nach wie vor verdächtigte, sich den Reformierten anschließen zu wollen, habe eine effektive Machtposition in Frankreich erreicht. Katharina wollte dem spanischen K ­ önig auf diesem Wege versichern, sie und nicht Bourbon übe die Macht in Frankreich aus. In anderer Hinsicht war Katharina jedoch weniger erfolgreich. Mit ihrer Forderung, die Stände Frankreichs sollten einen erheblichen Teil bei der Tilgung des enormen Staatsdefizits übernehmen, stieß sie auf entschiedenen Widerstand. Als der Kanzler L’Hôpital die Stände darüber in Kenntnis setzte, daß die Verschuldung der Krone rund 43 Millionen livres ausmache, denen ein Jahresbudget von nur 12 Millionen gegenüberstünde, reagierten die Deputierten sehr irritiert. Nach zehntätigen Beratungen erklärten die Repräsentanten des Dritten Standes, daß sie über kein Mandat ihrer Wähler verfügten, um in dieser Angelegenheit Entscheidungen im Sinne der Krone zu treffen. Die Deputierten des Ersten und Zweiten Standes lehnten sogar jedwede Zahlung rundweg ab. Vor diesbezüglichen Beschlüssen wollten die Stände ihre Wähler konsultieren und deren Weisungen einholen. Katharina entschied deshalb, die Versammlung der Generalstände am 31. Januar 1561 für beendet zu erklären. Gleichzeitig wurde eine auf neununddreißig Deputierte reduzierte Ständeversammlung zum 1. August 1561 nach Pontoise einberufen. Jeder Stand sollte jeweils dreizehn Repräsentanten pro Regierungsbezirk entsenden. Mit einem neuen und präzisen Mandat ausgestattet, sollten sich diese mit den finanziellen Problemen der Krone befassen.33 6.2

Propaganda und Inszenierung Katharinas: Demonstration von Autorität und Macht

Zur Zeit Katharinas standen den politischen Akteuren noch nicht die fast unerschöpflichen Möglichkeiten der Informationsverbreitung und der Meinungsbeeinflussung zur Verfügung, die in unserer multimedial geprägten und vernetzten Gegenwart existieren. Aber die politischen Akteure, Publizisten, Pamphletisten sowie die sonstigen Autoren und Meinungsmacher konnten bereits eine Reihe von Instrumenten nutzen, um ein breites Publikum und nicht nur die an Informationen interessierten Eliten zu erreichen und auf diese propagandistisch einzuwirken. Die verschiedenen Erscheinungsformen des Herrscherkultes sowie der Inszenierung von Herrschaft und Macht, die von den Monarchen und ihren politischen Hauptakteuren zur Steigerung des Ruhmes und der Reputation sowie zur Stabilisierung ihrer Macht bzw. ihrer jeweiligen Positionen praktiziert wurden, haben eine weit in die Geschichte zurückreichende Tradition. Die Architektur, die Malerei, das Theater, die Literatur, die Publizistik, die höfischen Feste, das 33  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 157; Solnon, Catherine de Médicis, S. 120 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 241.

6.2 Propaganda und Inszenierung Katharinas

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Zeremoniell, die feierlichen Einzüge der neugekrönten Monarchen in ihre jeweiligen Residenzen bzw. die Besuche, welche die Könige und ihr Hof aus besonderen Anlässen den Städten ihres Landes abstatteten, boten zudem eine Fülle weiterer Möglichkeiten.34 Bekannte politische Akteure, Schriftsteller und Publizisten waren bereits im frühen 17.  Jahrhundert davon überzeugt, daß die europäische Öffentlichkeit Anteil am innen- und außenpolitischen Geschehen nahm. Der Außenpolitik, der Diplomatie, den zahlreichen militärischen Aktivitäten, den Vorgängen an den Höfen, dem Agieren der Hofgesellschaft – kurz sämtlichen Bereichen, die zu den Arkana der jeweiligen Landesherren gehörten, war eine öffentliche Dimension zu eigen. Gleichwohl hat „das Spannungsfeld zwischen Diplomatie und Öffentlichkeit in der Forschung zur Publizistik der frühen Neuzeit [bisher] wenig Beachtung gefunden“35. Sicher kann nicht bestritten werden, daß die Begriffe „Öffentlichkeit“, „öffentliche Meinung“ und „Propaganda“ im 16. und 17. Jahrhundert noch nicht existierten. „Das bedeutet freilich nicht, daß im siebzehnten Jahrhundert nicht versucht wurde, Zuschauer und Zuhörer zu überreden oder gar zu manipulieren. Wenn wir bedenken, welch’ bedeutende Rolle die Rhetorik bei der Ausbildung der damaligen Elite spielte, so war man sich der Überredungstechniken vermutlich sehr viel stärker bewußt als die meisten von uns es heutzutage sind.“36 Das gilt natürlich auch für das 16. Jahrhundert und insbesondere für Katharina von Medici. Sowohl Kommunikationswissenschaftler als auch Historiker haben nachgewiesen, daß es seit den Anfängen des Pressewesens im Zeitalter der Reformation durchaus eine relativ breite politische Öffentlichkeit gegeben hat, in der auch der „gemeine Mann“ aktiv am Diskurs über aktuelle politische Vorgänge und Fragen teilgenommen hat. Jedoch waren und blieben dessen Möglichkeiten recht begrenzt, die Obrigkeit mehr oder minder direkt zum Handeln und zu Entscheidungen zu veranlassen, die seinen Vorstellungen und Forderungen entsprachen. Ist es also legitim, mit dem in dieser Weise präzisierten Begriff Öffentlichkeit auch für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zu operieren, so gilt dies auch für den Terminus Propaganda, sofern er nur weit genug gefaßt wird. Unter Propaganda sollen im folgenden alle Aktivitäten und Versuche von Einzelpersonen, Gruppen, staatlichen Institutionen und Organen verstanden werden, die über die erforderliche Macht bzw. über hinreichende Möglichkeiten verfügten, politische und gesellschaftliche 34  Vg. dazu Malettke, Hegemonie – multipolares System – Gleichgewicht, S.  75; Barbara StollbergRilinger, Zeremoniell, Ritual, Symbol. Neue Forschungen zur symbolischen Kommunikation, in: Zeitschrift für Historische Forschung 27 (2000), S. 389–405; Klaus Malettke, Dynastischer Aufstieg und Geschichte. Charakterisierung der Dynastie durch bourbonische Könige und in der zeitgenössischen Historiographie, in: Christoph Kampmann, Katharina Krause, Eva-Bettina Krems, Anuschka Tischer (Hrsg.), Bourbon – Habsburg – Oranien. Konkurrierende Modelle im dynastischen Europa um 1700, Köln u. a. 2008, S. 13–26. 35  Markus Baumanns, Das publizistische Werk des kaiserlichen Diplomaten Franz Paul Freiherr von Lisola (1613–1674). Ein Beitrag zum Verhältnis von absolutistischem Staat, Öffentlichkeit und Mächtepolitik in der frühen Neuzeit, Berlin 1994, S. 12. 36  Peter Burke, Ludwig XIV. Die Inszenierung des Sonnenkönigs. Aus dem Englischen von Matthias Fienbork, Berlin 1993, S. 13.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Konzeptionen, Ideen und Zielvorstellungen mit allen verfügbaren Kommunikationsmitteln zu verbreiten in der Absicht, Verständnis, im Idealfall sogar Zustimmung und Unterstützung für die Realisierung derartiger Konzeptionen, Ideen und Wertvorstellungen sowie politischer Entscheidungen im eigenen Lande, aber auch über die Landesgrenzen hinweg zu erlangen.37 Katharina legte Wert darauf, sich nicht nur für die Franzosen, sondern auch für alle Welt als weise, umsichtige, friedfertige, fürsorgliche Regentin und Mutter ihrer Kinder zu inszenieren. Wie alle Herrscher der Epoche der Renaissance, aber auch auf Grund ihrer Abstammung von der Dynastie der Medici, kultivierte sie die Dimension des Imaginären, der antiken Mythologie. Für Katharina kamen die Göttinnen des Olymps als Bezugspersonen aus vielen Gründen nicht in Frage. Juno, die „Königin der Götter“, war deshalb nicht geeignet, weil diese als Gemahlin Jupiters nicht regiert hat. Minerva war niemals Mutter und Witwe. Diana, die Göttin der Wälder und der Jagd konnte für Katharina schon allein deshalb nicht in Erwägung gezogen werden, weil der Name Diana von den damaligen Franzosen viel zu sehr mit Diana von Poitiers, der Mätresse ihres Mannes, assoziiert wurde. Katharina war infolgedessen gezwungen, sich einer weniger prominenten Figur der Antike zuzuwenden. Diese mußte aber geeignet sein, mit ihr jene Kompetenzen und Fähigkeiten in Szene setzen zu können, welche die französische Gesellschaft des 16. Jahrhunderts traditionell mit Witwen aus Herrscherdynastien in Verbindung brachte. Im Falle von Katharina sollte es eine Witwe sein, die die reale Macht in der Monarchie ausübte und zwar auf Grund ihrer unerschütterlichen Treue gegenüber ihrem verstorbenen Mann und nicht wegen persönlicher Ambitionen. Anfang 1562 bot ein Pariser Apotheker, der sich sehr darum bemühte, die Gunst des Königs zu erlangen, Katharina das, was sie für sich suchte. Bei diesem Apotheker und Mäzen handelte es sich um Nicolas Houel, der Katharina 1562 ein langes Gedichtwerk widmete, das außerdem mit zahlreichen Abbildungen ausgestattet war.38 Die darin dargestellten Szenen und die in ihnen enthaltene Symbolik ließen den Betrachter unschwer Bezüge zur Königinmutter erkennen. Houel hat sich von Valerius Maximus, dem römischen Schriftsteller der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus, der dem Kaiser Vespasian (69–79 n. Chr.) ein (unvollendetes) Epos gewidmet hatte, von Plinius dem Älteren (23/24–79 n. Chr.), vom griechischen Historiker des ersten Jahrhunderts vor Christus Diodorus von Sizilien, der eine Geschichte des Altertums bis 54 vor Christus geschrieben hatte, und insbesondere vom griechischen Geographen und Historiker Strabon (ca. 63 v. Chr.–26 n. Chr.) inspirieren lassen. Möglicherweise hatte er auch den vom italienischen Dichter Giovanni Boccaccio (1313–1375)

37  Vgl. dazu Malettke, Hegemonie – multipolares System – Gleichgewicht, S. 75. 38  Zu Nicolas Houel: S. E. Lepinois, Nicolas Houel. Apothicaire et bourgeois parisien, fondateur du jardin de l’Ecole des apothicaires de Paris. Notes biographiques d’après des documents inédits, Dijon 1911.

6.2 Propaganda und Inszenierung Katharinas

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verfaßten und um 1362 publizierten Traktat „De claris mulieribus“39 gelesen. Vielleicht hatte Houel sich ebenfalls vom 1405 erschienenen „Livre de la cité des dames“ der französischen Schriftstellerin und Philosophin Christine de Pisan (1364–nach 1429) inspirieren lassen. Christine de Pisan war wohl die erste französische Autorin, die vom Verkauf ihrer Werke existieren konnte. Ihr bekanntestes Werk war das „Livre de la cité des dames“.40 Heldin des von Houel verfaßten und Katharina 1562 als Manuskript dedizierten Gedichtwerkes war Artemisia, die Gemahlin des persischen Satrapen in Karien Mausolos, des Sohnes des Hekatomnos. Mausolos regierte von 377 bis 353 vor Christus. Seine Residenz verlagerte er von Mylasa in das von ihm gegründete Halikarnassos (heute Bodrom in Anatolien). Ihm war es gelungen, die von ihm als Satrapen des persischen Königs verwaltete Provinz Karien in ein kleines unabhängiges Königreich umzugestalten. Karien (lateinisch Caria) war die in der Antike verwendete Bezeichnung für die Küstenlandschaft des südwestlichen Kleinasiens zwischen dem Großen Mäander und dem Fluß Dalaman. Das Grabmal des Mausolos – Mausoleum – wurde bereits zu seinen Lebzeiten begonnen und von seiner Schwester und Gemahlin Artemisia (?–351 v. Chr.) vollendet. Nach dem Tod von Mausolos herrschte Königin Artemisia als dessen Witwe und damit als seine legitime Nachfolgerin von 353 bis 351 vor Christus über Karien und Rhodos. Das prächtig und herrscherlich gestaltete Mausoleum war in der Antike sehr berühmt und zählte zu den damaligen Sieben Weltwundern. Mit den historischen Fakten seiner Helden – Mausolos und Artemisia – nahm es Houel nicht so genau, denn deren Geschichte mußte so dargestellt werden, daß sie sich für einen allegorischen Diskurs eignete, der der Identität der Witwe Heinrichs II. und damit der Identität der idealisierten Artemisia entsprach. Deshalb erfand Houel für das Königspaar Mausolos und Artemisia einen Sohn – Lygdamis, der in der Realität nicht existiert hatte. Auch die Anweisung an die Richter in den Provinzen als ersten Akt Artemisias nach dem Tod des Königs, sich über die Sorgen und Klagen der Untertanen Kariens zu informieren, damit unverzüglich für Abhilfe gesorgt werden könne, entstammte seiner Phantasie. Mit dieser Schilderung spielte Houel auf die Einberufung der französischen Generalstände nach Orléans im Dezember 1560 und auf das fürsorgliche sowie umsichtige Agieren Katharinas an. Eindringlich legte Houel in seinem Gedichtwerk dar, wie sich die verwitwete Artemisia voller Liebe zu ihrem verstorbenen Mann für den Frieden des Königreichs Karien und für dessen Fortexistenz engagiert habe. Sie habe ihr Reich gegen die inneren und äußeren Feinde verteidigt. Ihrem Sohn Lygdamis habe sie außerdem eine exemplarische Erziehung angedeihen lassen, um ihn zu einem weisen, umfassend gebildeten und

39  Über die illustren Frauen. 40  Im Original: Buch über die Stadt der Damen. Zu den möglichen von Houel herangezogenen oder von ihm gelesenen Werken siehe: Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 245; Crouzet, Catherine de Médicis, S, 160 f.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

intellektuellen Prinzen zu formen, der zudem über eine robuste Physis verfügte.41 Die entsprechenden Ausführungen Houels stellen sozusagen eine multiinszenierte Transkription Katharinas Träume, Intentionen und ihres Handelns dar, denen die Idee des Neoplatonismus von der möglichen Wiederkehr der Zyklen der Zeit durch die Aktionen von Personen zugrunde lag, von Personen, die sich bei ihrem Agieren an den Aktionen von Personen in der Vergangenheit orientieren.42 Die von Houel verfolgte Intention, Katharina als neue Artemisia zu inszenieren, manifestiert sich auch in den in seinem Gedichtwerk enthaltenen 59 Illustrationen. Sie sollen dem Betrachter die vielfältigen Verpflichtungen veranschaulichen, mit denen sich die antike Artemisia – und damit auch Katharina – als Witwe und als Königin konfrontiert sah. Die meisten Zeichnungen stammten von Antoine Caron (1521–1599), einem damals bekannten und aus Beauvais stammenden Maler und Dekorateur. In seiner allegorischen Interpretation des Handelns der antiken Artemisia ging Caron noch weiter als Houel. Seine Zeichnungen orientierten sich noch mehr am Agieren Katharinas zu Beginn ihrer Regentschaft. Er bediente sich ganz offensichtlich der Versammlung der Generalstände von Orléans als Modell für seine zeichnerische Wiedergabe der Versammlung der Stände Kariens. Bei der Betrachtung dieser Zeichnung, die als Stiche eine relativ große Verbreitung fand, war den zeitgenössischen Franzosen sofort klar, daß Caron das Agieren Katharinas und des minderjährigen Königs Karl IX. während der Generalstände in Orléans thematisiert hatte. Während aber bei anderen zeitgenössischen Stichen die Generalstände in der Frontalansicht dargestellt wurden, zeichnete Caron diese in der Seitenansicht. Diese Änderung der Perspektive ermöglichte es ihm, die Rolle Katharinas visuell stärker hervorzuheben als jene Karls IX. Der junge König erscheint zwar im Zentrum der dargestellten Szene unter einem Baldachin, aber seine zu seiner Linken sitzende Mutter wirkt viel größer, viel zentraler und viel aktiver. Dem Betrachter wird suggeriert, daß sich die reale Macht in den Händen Katharinas befindet. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß Katharina sich als neue Artemisia inszenieren lassen wollte. Es ist sicherlich kein Zufall, daß Katharina das Werk Houels bis zu ihrem Tod in ihrer Bibliothek sicher aufbewahrte.43 Houel erreichte, was er mit seinem Werk angestrebt hat. Katharina wurde nicht nur auf ihn aufmerksam, sie holte ihn auch an ihren Hof und nahm ihn in ihren Dienst. Viele Zeichnungen Carons bildeten die Vorlage bei der Anfertigung von prunkvollen Tapisserien, die dann die Wände zentraler Räumlichkeiten in den Schlössern Katharinas schmückten. Als Stiche fanden sie auch größere

41  Dazu: Sheila Folliot, Catherine de’ Medici as Artemisia: Figuring the Powerfull Widow, in: Margaret  W.  Ferguson, Maureen Quilligan, Nancy  J.  Vickers (Hrsg.), Rewriting the Renaissance. The Discourses of Sexual Difference in Early Modern Europe, Chicago u. a. 1986, S. 227–241. 42  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 161. 43  Die nach ihrem Ableben erstellte Inventarliste ihrer Bibliothek belegt dies.

6.2 Propaganda und Inszenierung Katharinas

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Verbreitung in Frankreich. Sie hatten somit eine wichtige Funktion bei der öffentlichen Inszenierung der Position und der Macht der Gouvernante de France.44 Die von Katharina entfalteten Aktivitäten beim Bau von Palästen bzw. bei der Modernisierung und Verschönerung bestehender Schloßanlagen entsprachen nicht nur ihrem persönlichen Komfortbedürfnis, sondern sie dienten auch und vor allem der Inszenierung königlicher Herrschaft. In der damaligen höchst prekären finanziellen Lage der Krone sollten diese Bauvorhaben dem Ausland aber auch signalisieren, daß die Krone trotz allem durchaus fähig war, derartige Projekte zu realisieren. Bei diesen Projekten ließ sich Katharina von ihren Kenntnissen leiten, die sie während ihrer Kindheit und Jugend bei ihren Aufenthalten in den prächtigen Renaissancepalästen in Florenz und Rom hatte erwerben können. Sie legte größten Wert darauf, daß ihre jeweiligen Residenzen, ihre Schlösser, die unter ihrer direkten Beteiligung organisierten Festlichkeiten, Empfänge und Bälle – kurzum ihre gesamte Umgebung – jene Pracht und Luxus ausstrahlten, mit denen Macht und Größe der herrschenden Dynastie der Valois, aber auch ihre eigene Position in Szene gesetzt werden sollten. Gleich nach dem Tod Heinrichs hatte sie ihre bisherige Residenz, das Palais des Tournelles, das sie an die schrecklichen Ereignisse erinnerte, die zum plötzlichen Ableben des Königs geführt hatten, verlassen und sich in unmittelbare Nähe ihres Sohnes Franz II. in den Louvre begeben. Das „hôtel des Tournelles“ ließ sie 1566 abreißen. Der Louvre war vom bekannten Architekten Pierre Lescot (1515–1578) in den Jahren von 1546 bis 1574 im Renaissancestil ausgebaut und verschönert worden. Den Vorstellungen Heinrichs und Katharinas gemäß sollte der Louvre so ausgestaltet werden, daß er mit den Palästen der italienischen Fürsten konkurrieren konnte. Die erste Etage war den Gemächern der jeweiligen Königin vorbehalten. Dementsprechend residierten dort von 1559 bis 1561 Maria Stuart, die Frau Königs Franz II., Elisabeth von Österreich, die Tochter Kaiser Maximilians II. und Ehefrau Karls  IX. seit 1570 und seit 1576 Louise-Lorraine de Vaudemont (1553–1601), die Heinrich III. (1574–1589) am 15. Februar 1575 geheiratet hatte. Katharina von Medici bewohnte das Parterre des Louvre, wo sie sich sehr wohlfühlte. Im Jahr 1575 schrieb sie, daß sie den Louvre nunmehr noch viel schöner finde als je zuvor.45 Der von Katharina bevorzugte Architekt war Philibert Delorme (auch De L’Orme, 1510/1515–1570). Unter seiner maßgeblichen Leitung entstand das Schloß der Tuilerien, und er dirigierte die Verschönerungs- und Erweiterungsarbeiten an den Schlössern von Fontainebleau, von Saint-Germain-en-Laye, Villers-Cotterêts und Chenonceau. Das Schloß von Anet hatte er für Diana von Poitiers gebaut. Die Arbeiten zum Bau des Schlosses der Tuilerien46 begannen im Jahr 1564. Als Delorme 1570 starb, betraute K ­ atharina 44  Vgl. dazu: Wanegffelen, Catherine de Médicis, S.  245–252; Crouzet, La Nuit de la Saint-Barthélemy, S. 220 ff.; ders, Catherine de Médicis, S. 59 f., 160–163. 45  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 319 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 252 f. 46  Der Name ist abgeleitet von einer Ziegelei, die sich ehemals auf dem Gelände befunden hatte und in der Dachpfannen (tuiles) gebrannt worden waren.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

den Architekten Jean Bullant (1515–1578) mit der Fortführung der Arbeiten. Er hatte für Montmorency das Schloß Ecouen (in der Nähe von Pontoise, im Departement Seine-etOise gelegen) gebaut. Katharina hatte ihm auch die Errichtung der prächtigen Grabanlagen für Heinrich und für sich selbst übertragen. Die Arbeiten an den Tuilerien wurden im Sommer 1572 unterbrochen. Damals kursierte das Gerücht, Katharina habe sie aus Aberglauben unterbrechen lassen. Ein Magier oder ein Astrologe habe ihr – so wird kolportiert – vorausgesagt, sie werde in der Nähe der Pfarrei Saint-Germain-l’Auxerrois sterben. Nun befanden sich die Tuilerien ebenso wie der Louvre in unmittelbarer Nähe von Saint-Germain-l’Auxerrois. Es ist nicht zu bestreiten, daß Katharina wie viele ihrer Zeitgenossen an Magie glaubte und immer wieder Astrologen konsultierte, um sich von diesen die Zukunft vorhersagen zu lassen. Im konkreten Fall sind aber Zweifel am Wahrheitsgehalt des Gerüchts angebracht, denn in der Folgezeit hielt sich Katharina immer wieder in den Tuilerien, im Louvre und in SaintGermain-en-Laye auf. Wahrscheinlich ließ sie die Arbeiten an den Tuilerien aus finanziellen Gründen unterbrechen. Sehr wahrscheinlich spielten aber auch noch andere Gründe eine Rolle, denn am Vorabend der blutigen Ereignisse der Bartholomäusnacht47 war es den Hugenotten gelungen, den Palast der Königinmutter zu umzingeln. Vielleicht hatte sie um ihre Sicherheit in den relativ ungeschützten Tuilerien gefürchtet, denn die ebenfalls 1565 begonnenen Arbeiten, um eine Verbindung zwischen dem neuen Schloß und dem Louvre herzustellen, waren bis zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend unvollendet. Deshalb reifte bei ­Katharina der Entschluß, für sich eine sicherere Anlage errichten zu lassen. Schon 1570 hatte sie in der Nähe von Saint-Eustache, also unweit vom Louvre, ein bereits bestehendes Palais gekauft. Dieses ließ sie nach der Bartholomäusnacht durch weitere Zukäufe arrondieren und zu einer besser geschützten Anlage ausbauen. Man nannte diese seither „Hôtel de la Reine“. 1575 ließ Jean Bullant auf Veranlassung von Katharina in der Mitte der prächtigen Gartenanlage, die sich innerhalb der von Mauern und Gebäuden umschlossenen Anlage befand, eine hohe und breite Säule errichten, in deren Innern es eine Treppe gab. Diese führte zu einer oberen Plattform. Lange glaubte man, daß diese den Astrologen der Königin als Observatorium gedient habe. Tatsächlich handelte es sich aber um eine Turmanlage. Von dort konnte man die ganze nähere und fernere Umgebung beobachten und mit Hilfe optischer Signale mit dem Louvre kommunizieren.48 Die Bautätigkeiten Katharinas konzentrierten sich aber nicht allein auf Paris. Sie betrafen auch eine Reihe anderer Schloßanlagen. Besondere Beachtung verdient das berühmte Renaissanceschloß von Chenonceau, das sich unweit von Tours am Ufer des Cher befindet. Kurz nach Heinrichs Tod hatte Katharina dessen Mätresse Diana gezwungen, dieses Schloß an sie abzutreten. Unverzüglich beauftragte sie Delorme mit dem Ausbau 47  Vgl. dazu Kap. 7, S. 257–282. 48  Cloulas, Catherine de Médicis, S.  319–328; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S.  253  ff.; Garrisson, ­Catherine de Médicis, S. 133–138.

6.2 Propaganda und Inszenierung Katharinas

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und der Verschönerung dieser bereits prächtigen Anlage. Philibert Delorme kam ihrer Bitte nach und legte ihr einen äußerst ambitionierten und deshalb auch sehr kostspieligen Entwurf vor. Aus finanziellen Gründen beschränkte sich Katharina dann aber zunächst auf die Verschönerung der Gartenanlagen. Erst 1581, als sie über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen konnte, ließ sie von Denis Courtin nach den Plänen Delormes die schloßähnliche Galerie bauen, die auf der Brücke entstand, die zuvor über den Cher errichtet worden war.49 Bis in unsere Gegenwart zählt diese prächtige Gesamtanlage zu jenen Schlössern an der Loire, die alljährlich von Tausenden von Touristen besucht und bewundert werden. Ebenso wie die Artemisia der Antike wollte auch Katharina zum Ruhm ihres verstorbenen Mannes und für ihr eigenes Gedenken in der Nachwelt ein monumentales Grabmal, ein Mausoleum, errichten lassen. Damit verknüpfte sie die Intention, sowohl den Lebenden als auch den folgenden Generationen in künstlerisch und architektonisch vollendeter Form zu veranschaulichen, von wem sie in letzter Konsequenz ihre Machtposition ableitete. Gleichzeitig sollte mit diesem Werk ihre ungebrochene Liebe zu ihrem verstorbenen Mann und ihre untröstliche Trauer über dessen vorzeitiges Ableben dokumentiert werden. Die architektonische und künstlerische Gestaltung des Grabmahls hatte Katharina Jean Bullant und dem italienischen Maler, Dekorateur und Baumeister Francesco Primaticcio (1504–1570) übertragen, der 1530 von Franz I. nach Fontainebleau gerufen worden war. Katharina wollte es jedoch nicht bei der Errichtung dieses prächtigen Grabmahls belassen. Deshalb beschloß sie im Jahr 1563, in der Basilika von Saint-Denis, der traditionellen Grablege der französischen Könige, eine spezielle Kapelle errichten zu lassen, in der das Grab für Heinrich und für sie selbst seinen endgültigen Platz finden sollte. Die Pläne für diese Kapelle erinnerten an das Pantheon, an die Baptisterien von Pisa und Florenz sowie an die Grabanlage eines berühmten Medici im Dom von Mailand. An der Konzeption und Errichtung dieser Kapelle war maßgeblich Primaticcio beteiligt. Nach dessen Tod lagen die entsprechenden Arbeiten in den Händen von Pierre Lescot, Jean Bullant und schließlich von Baptiste Androuet du Cerceau (um 1540/1544–1590). Die Kapelle wurde erst unter König Heinrich IV. vollendet. Wegen Baufälligkeit wurde sie aber bereits 1719 abgerissen. Das Grabmal Heinrichs und Katharinas und einige erhalten gebliebene dekorative Elemente der Kapelle fanden dann im nördlichen Querschiff der Basilika von Saint-Denis ihren Platz.50 Der Inszenierung und Demonstration königlicher Macht diente auch der große Hofstaat Katharinas. In den Jahren von 1575 bis 1583 nahm die Zahl ihrer Hofdamen und Hoffräulein von 58 auf 111 zu, die Zahl ihrer männlichen Bediensteten verdoppelte sich in diesem Zeitraum. 1585 umfaßte ihr Hofstaat nahezu 800 Personen. Diese mußten ihrem Stand und ihrer Position gemäß in den jeweiligen Residenzen Katharinas untergebracht 49  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 339 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 255 f. 50  Cloulas, Catherine de Médicis, S. S. 346–351.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

werden. Allein das machte zahlreiche Baumaßnahmen erforderlich, wenn man einmal vom Kunstsinn Katharinas absieht.51 In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bedeutung der zahlreichen Festivitäten, Bälle, Theateraufführungen am Hof sowie auf die Funktion der von Katharina besonders geliebten Gartenanlagen einzugehen, bei deren Ausgestaltung sie in der Regel federführend beteiligt gewesen ist. Zu thematisieren ist aber auch die „große Tour“, zu der der ganze Hof im März 1564 von Paris aus aufbrach. „Wohl wissend, was eine unmittelbare Vergegenwärtigung der königlichen Autorität und Majestät im ganzen Reich für die Stellung der Krone bedeuten konnte, begab sich Katharina im März 1564 mit dem inzwischen für volljährig erklärten Karl IX. auf eine zwei Jahre dauernde Reise durch die Provinzen Frankreichs.“52 Die besondere Wertschätzung der prächtigen Gartenanlagen ist nicht nur auf ihre italienische Herkunft, sondern auch auf ihre Abstammung aus dem Haus der La Tour d’Auvergne zurückzuführen. Sie sorgte dafür, daß in diesen Gärten die erst einige Jahre zuvor von den Portugiesen aus China importierten Orangen angebaut und kultiviert wurden. Damit diese selbst in nördlichen Regionen Frankreichs gedeihen konnten, ordnete sie den Bau von Orangerien an, in denen die Orangenbäume während des Winters untergebracht werden konnten. Sie propagierte auch die Verbreitung des Tabaks, der vom französischen Forscher und Kosmographen André Thevet (1516–1590) bei seiner Rückkehr aus Rio de Janeiro 1556 in Frankreich eingeführt worden war. Katharina schnupfte Tabak, der damals als Heilmittel galt. Bezeichnenderweise verwandten die Zeitgenossen zur Benennung der Schnupftabakpriese den Terminus „médicée“ (Mediceerin). Die prachtvollen Gartenanlagen, mit denen die Residenzen der Krone ausgestattet waren, dienten aber nicht nur dem Komfort und der Entspannung der Hofgesellschaft, sondern sie hatten für Katharina auch noch eine andere Funktion. Sehr häufig führte sie in ihren Gärten wichtige politische Gespräche, bei denen sie besonderen Wert auf Vertraulichkeit und Geheimhaltung legte. Diese waren innerhalb der Residenzen nicht in gleichem Maße gewährleistet. Die Gärten spielten aber auch bei der Gestaltung der Festlichkeiten eine ganz wesentliche Rolle. Es ist nicht zu bestreiten, daß die in den zweieinhalb Jahrzehnten von 1560 bis 1585 veranstalteten zahlreichen Festivitäten von der Gouvernante de France als Machtinstrument eingesetzt worden sind. Damit sollte einerseits den Vertretern ausländischer Mächte signalisiert werden, daß – wie der Memoirenschreiber Brantôme konstatierte – „das Königreich wegen der Kriege der Vergangenheit nicht so gänzlich ruiniert und verarmt ist, wie kolpoltiert wird“.53 Andererseits boten diese Veranstaltungen die gezielt herbeigeführte Gelegenheit, katholische und protestantische Adlige und Würdenträger zusammenzuführen, ihnen die Gelegenheit zu Gesprächen zu bieten, so daß 51  Ebenda, S. 319–369; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 256 f. 52  Babel, Karl IX., S. 105. 53  „si totalement ruiné et pauvre, à cause des guerres passées, comme il s’estimait“.

6.3 Ringen um religiöse Eintracht

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diese in möglichst entspannter Atmosphäre ihre religiösen und politischen Differenzen und Spannungen zumindest für eine kurze Zeit vergessen konnten. Außerdem sollten sie durch ihr Erscheinen bei Hof und durch ihre Teilnahme an den von Katharina bis ins Detail gestalteten Festlichkeiten, die zumeist mehrere Tage andauerten, ihre Loyalität gegenüber der Krone demonstrieren.54 Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist der These von Denis Crouzet zuzustimmen, daß die von Katharina konzipierten Veranstaltungen auch dem Friedensdiskurs zwischen verfeindeten Faktionen dienen sollten. Sie waren also auch ein wesentliches politisches Instrument, das sie bei ihren kontinuierlichen Bemühungen zur Wiederherstellung des Friedens bzw. zu dessen Absicherung einsetzte. Ganz besonders augenfällig ist dies bei den entsprechenden Festlichkeiten im Februar 1564 in Fontainebleau und im Juni 1565 in Bayonne. „Die Feste stellten sozusagen [im neoplatonischen Sinne] gleichzeitig Zeremonien dar, mit denen die Beendigung von Phasen der Zwietracht und der Aufbruch in ein friedliches, goldenes Zeitalter symbolisch inszeniert wurden.“55 In diesem von Katharina ganz bewußt praktizierten Agieren manifestierte sich ihre ganz subtile Art der Machtausübung. Es war eine feminine Form, derer sie sich bediente, um in einer von Männern dominierten Welt und Politik in der Öffentlichkeit nicht zu schockieren oder provokant zu erscheinen, zumal es einen – wenn auch noch minderjährigen – König gab. Auf diese Weise ließ sie diesem in der öffentlichen Wahrnehmung den Vortritt. Sie trat sozusagen hinter ihm zurück und übte dennoch die eigentliche Macht in der Monarchie aus.56 6.3

Ringen um religiöse Eintracht (concorde religieuse)

Das zentrale Problem, dem sich die Gouvernante de France zu Beginn widmen mußte, waren die zunehmend eskalierenden religiösen Spannungen und Konflikte, die stets auch eine sehr politische Dimension hatten. Katharina und ihre maßgeblichen politischen Berater hatten die Gefahr erkannt, daß diese Spannungen und Konflikte die Monarchie in einen Bürgerkrieg stürzen würden, wenn es nicht gelang, eine Entschärfung der äußerst konfliktgeladenen Lage zu erreichen. 54  Sheila Folliot, A queen’s garden of power: Catherine de’ Medici and the locus of female rule, in: ­Mario A. Di Cesare (Hrsg.), Reconsidering the Renaissance. Papers from the Twenty-First Annual Conference, Binghamtom u. a. 1992, S. 245–255; Roy Strong, Les Fêtes de la Renaissance. Art et Pouvoir, Arles 1991. 55  „Les fêtes sont ainsi des rites de fermeture et d’ouverture. Elles expriment la fin d’une durée qui était celle de la discorde et l’entrée dans ce qui doit être un nouvel âge d’or, et il faut que les assistants se prêtent à cette magie qui proclame aussi qu’il n’y a de force guerrière juste et vraie que celle du roi, innervée par ses ‚perfections‘, n’ayant pour fin la seule paix […].“ Crouzet, Catherine de Médicis, S. 171; vgl. auch S. 169–175. 56  Zum Gesamtkomplex: Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 252–264; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 123–129.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Auf Grund der zu Beginn der Herrschaft Karls IX. von Katharina mit Nachdruck praktizierten Politik der Milde gegenüber den friedfertigen Reformierten sahen sich diese immer mehr ermutigt, ihr bisheriges Verhalten zu verändern und ihren Glauben nicht mehr in aller Heimlichkeit auszuüben. Weil sie glaubten, daß sich für sie die Perspektive einer Konversion des ganzen Königreiches eröffne, agierten sie in zunehmendem Maße in der Öffentlichkeit. Die Zahl ihrer Anhänger und ihrer Gemeinden wuchs in jener Phase rasant. In den Jahren 1561 und 1562 entsandten Genf, Neufchâtel und Bern rund 150 reformierte Pastoren nach Frankreich, wo sie reformierte Gemeinden betreuten.57 Die Zahl der Anhänger des neuen Glaubens stieg damals auf rund zwei Millionen an. Parallel dazu vollzog sich nicht nur der Aufbau kirchlicher Strukturen58, sondern es lassen sich in jener Phase auch die ersten Ansätze einer politischen Organisation erkennen. Die zweite Nationalsynode der reformierten Gemeinden Frankreichs, die am 10. März 1561 ihre Beratungen begann, faßte entsprechende politische Beschlüsse. So wurde entschieden, daß jede Provinz einen Delegierten an den Hof entsenden solle. Diese mit präzisen Instruktionen ausgestatteten Delegierten sollten dem König das reformierte Glaubensbekenntnis und eine Petition unterbreiten, die darauf abzielte, den Reformierten die Ausübung ihres Kultes in der Öffentlichkeit zu erlauben. Auf der Generalsynode von Poitiers wurde auch eine Denkschrift erarbeitet, die den nach Pontoise einberufenen Generalständen präsentiert werden sollte. Diese Denkschrift enthielt ein Programm, das jenen von den Vertretern des Dritten Standes in Paris formulierten Forderungen entsprach. Die Prinzen von Geblüt sollten im Hinblick auf die Regentschaft wieder ins Spiel gebracht werden. Außerdem wurde gefordert, daß die Mitglieder des Staatsrates von der Versammlung der Generalstände gewählt werden sollten. Die Kardinäle und der Kanzler sollten aus diesem Gremium entfernt werden. Und schließlich wurde beschlossen, jeder Pastor solle selbst entscheiden, ob die Edikte, die die Ausübung des reformierten Kultes in der Öffentlichkeit untersagten, befolgt werden sollten. Damit wurde implizit die Frage, ob die Ausübung des Rechtes auf Widerstand gegen tyrannische Herrscher, die Menschen wegen ihres Glaubens verfolgten, durch untergeordnete Amtsträger – Magistrate (magistrat inférieur) – legitim sei, positiv beantwortet. In diesen Zusammenhang ist auch einzuordnen, daß die Provinz von Aquitanien anläßlich der in Sainte-Foy im Jahr 1561 abgehaltenen Synode entschied, zwei militärische Protektoren zu wählen – einen für den Bezirk des Parlaments von Bordeaux und einen für jenen von Toulouse. Damit wurde eine solide militärische Infrastruktur geschaffen, auf die sich im Frühling 1562 Condé stützen sollte, als er als Generalprotektor

57  Dazu: Robert Kingdon, Geneva and the Coming of the Wars of Religion in France, Genf 1956; Crouzet, Dieu en ses royaumes, passim. 58  Vgl. dazu Kap. 4, S. 59 f.

6.3 Ringen um religiöse Eintracht

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der reformierten Kirchen Frankreichs zum bewaffneten Widerstand gegen repressives Vorgehen von katholischer Seite aufrief.59 Zur Destabilisierung der ohnehin schon sehr fragilen Lage trugen die von intransigenten Reformierten begangenen Übergriffe auf katholische Kirchen und Einrichtungen bei, bei denen es immer wieder auch zu Akten der Bilderstürmerei und der Zerstörung von Altären sowie sonstiger katholischer Devotionalien kam. Waren es von 1528 bis 1555 nur isolierte Akte radikalisierter Individuen, so setzten im Frühling des Jahres 1560 systematische Verwüstungen ein, die von militanten und organisierten Gruppen ausgingen. Davon betroffen war in erster Linie der Midi Frankreichs: die obere Provence, das Rhônetal, das untere Languedoc und der Südwesten der Monarchie. Im Sommer 1561 nahmen derartige Akte weiter zu. In diesen Akten, die sehr oft durch kämpferische antikatholische Predigten reformierter Pfarrer ausgelöst worden waren, manifestierte sich im wahrsten Sinne des Wortes der handgreifliche Bruch mit dem Papsttum, mit den „Irrlehren der Kirche Roms“, von denen sich die Reformierten nicht nur abgewandt hatten, sondern die ihre militanten Vertreter auch mit allen Mitteln bekämpfen zu müssen glaubten.60 Zahlreiche katholische Priester und insbesondere intransigente Wanderprediger waren, über die in ihren Augen zu nachgiebige Politik Katharinas gegenüber den Häretikern in hohem Maße irritiert. Sie hatten nicht erst auf die Gewaltausbrüche der militanten Reformierten gewartet, um von der Krone nicht nur eine angemessene Reaktion, sondern auch repressive Maßnahmen zu verlangen, um der weiteren Ausbreitung des Protestantismus Einhalt zu gebieten. Deren Agitation trug wesentlich zu einer Mobilisierung der französischen Katholiken bei. In Paris, Toulouse, Rouen kam es zu Übergriffen eifernder Katholiken gegen jene Reformierte, die sich weigerten, den an Straßenecken und auf zentralen Plätzen aufgestellten Statuen der Jungfrau Maria und anderer Heiliger sowie Kreuzen Respekt und Ehrerbietung zu erweisen. Diese ebenfalls militanten Akteure propagierten, daß die Katholiken ihrerseits zur Gewalt greifen und sozusagen als bewaffneter Arm Gottes reagieren müßten. Unter den katholischen Großen des Landes machte sich ebenfalls Verärgerung über das zu nachgiebige Agieren der Gouvernante de France Luft. In Reaktion auf das – in ihren Augen – eklatante Versagen Katharinas und des Königs, die man manchmal sogar verdächtigte, sich insgeheim dem Protestantismus anzunähern, entstanden gegen Ende 1561 erste katholische Ligen oder Vereinigungen militanter Gleichgesinnter. Das waren bündische Zusammenschlüsse intransigenter Katholiken zur Verteidigung des einzig wahren Glaubens. So formierte sich im Oktober/November 1561 im Agenais eine Adelsliga, deren Mitglieder gegen die Häresie zu kämpfen entschlossen waren. In Bordeaux gründete 59  Vgl. Kap.  6, S.  186  f.; zum hier nur skizzierten Gesamtkomplex siehe: Denis Crouzet, Les guerriers de Dieu. La violence des troubles de religion, 2 Bde., Paris 1990; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 375 ff. 60  Vgl. dazu: Olivier Christin, Une révolution symbolique. L’iconoclasme huguenot et la reconstruction catholique, Paris 1991.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

sich in jener Phase ein entsprechendes Syndikat, dem es in kurzer Zeit gelang, auch die städtischen Massen zu mobilisieren. Im Winter 1561 und im Frühjahr 1562 schlossen sich die Präsidenten, die Räte, Advokaten und Prokuratoren des Parlaments von Toulouse zu einer „Assoziation zur Verteidigung der katholischen Kirche“ zusammen.61 Der zunehmenden Mobilisierung der Reformierten antwortete man also auf katholischer Seite in gleicher Weise. Neben den religiös-konfessionellen Problemen hatte Katharina nach wie vor den Machtambitionen der Großen des Landes und unter diesen insbesondere der Guise und der Bourbonen Rechnung zu tragen. Um ihre eigene Machtposition zu sichern, mußte sie diese ständig im Auge behalten und sie so weit wie möglich gegeneinander ausspielen, am Hof und im Staatsrat für eine Konstellation sorgen, in der sich diese Granden einander blockierten. Besondere Aufmerksamkeit schenkte sie in jenen Wochen und Tagen dem Verhältnis zwischen den Guise einerseits und Bourbon und Condé andererseits. Trotz der von Katharina unmittelbar nach dem Ableben ihres Sohnes veranlaßten Entlassung Condés aus der Haft62, bestanden die gravierenden Spannungen zwischen den Guise und den Bourbonen unter der Oberfläche weiter. Daraus konnten für die politische Position der Gouvernante de France weitere Probleme resultieren. Und schließlich war die finanzielle Krise der Krone nach wie vor virulent, weil sich die Generalständeversammlung in Orléans geweigert hatte, den entsprechenden Geldforderungen des Kanzlers nachzukommen. Weil die in Orléans versammelten Stände von ihren Wählern kein Mandat erhalten hatten, sich mit dem Problem der Reduzierung des immensen finanziellen Defizits des Königs zu befassen, war die Behandlung dieser zentralen Frage den nach Pontoise einberufenen reduzierten Generalständen aufgetragen worden.63 Alle diese Vorgänge und Entwicklungen alarmierten die Königinmutter und jene ihr nahestehenden politischen Akteure, die eine weitere Eskalation der höchst instabilen Lage durch eine Politik des Dialogs und des Aufeinanderzugehens nach Kräften aufzuhalten sich bemühten. Dabei legten sie großen Wert darauf, allen Seiten zu signalisieren, ihre Kompromißbereitschaft nicht als Schwäche zu interpretieren. Zunächst bemühte sich Katharina, die zwischen den Bourbonen und den Guise virulenten Spannungen abzubauen und zumindest nach außen hin einen Akt der Aussöhnung zu organisieren. Weil sich Condé für zu Unrecht verurteilt erachtete, war er auch nach der Entscheidung, ihn freizulassen, noch einige Zeit in der Haft verblieben. Er bestand darauf, daß ein erneutes Verfahren gegen ihn eingeleitet werde, in dem er seine Unschuld beweisen könne. Nur auf diese Weise könne seine Ehre wiederhergestellt werden. Weil Condé für die Reformierten, zu deren Glauben er konvertiert war, eine zentrale Rolle spielte, konnte Katharina dieses Problem nicht auf die leichte Schulter nehmen. Außerdem stellte er als Prinz von Geblüt einen nicht zu unterschätzenden Machtfaktor dar. 61  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 384 ff.; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 103–106. 62  Vgl. Kap. 5.3, S. 127 ff.; 6.3, S. 159. 63  Vgl. Kap. 6.1, S. 146.

6.3 Ringen um religiöse Eintracht

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Am 6. Dezember 1560, dem Tag nach dem Ableben Franz’ II., war Condé auf Veranlassung Katharinas aus der Haft entlassen worden. Dieser weigerte sich jedoch bis zum 20. des Monats, sein Gefängnis zu verlassen. Damit begann sein langer Kampf um die Anerkennung seiner Unschuld und um die Wiederherstellung seiner Ehre, die er durch seine Verurteilung zum Tode und durch die falschen Anschuldigungen, die gegen ihn erhoben worden seien, aufs gröbste verletzt sah. Nicht zu Unrecht hielt er die Guise für die Hauptschuldigen, daß er des Majestätsverbrechens angeklagt und zum Tode verurteilt worden war. Er wollte nicht akzeptieren, daß er seine Freilassung einem Gnadenakt verdankte. Er wollte die öffentliche Anerkennung, daß er unschuldig sei, und die Entlarvung jener, die ihn zu Unrecht beschuldigt und angeklagt hätten. Den meisten war klar, daß damit die Guise gemeint waren. Zunächst zog er sich in die Picardie zurück. Dann erreichte er dank der Bemühungen seiner Frau Éléonore de Roye und der Interventionen des Konnetabels Montmorency bei Katharina, daß er bei Hofe, der sich zu diesem Zeitpunkt in Fontainebleau aufhielt, erscheinen durfte. In Begleitung eines Gefolges von rund zweihundert Berittenen, zu denen auch der „lieutenant général“ der Picardie gehörte, brach er auf. Er trennte sich jedoch alsbald von seiner Truppe, um den naheliegenden Eindruck zu zerstreuen, er wolle der Königinmutter und Karl IX. drohen. Am 12. März 1561 traf er in Fontainebleau ein, wo er von Katharina und dem König freundlich empfangen wurde. Sein erstes Zusammentreffen mit den Guise verlief sehr unterkühlt, wie von jenen berichtet wurde, die bei diesem Treffen anwesend waren. Am 13. März wurde er namens des Königs – tatsächlich war Katharina die treibende Kraft – aufgefordert, vor dem Staatsrat zu erscheinen. Auf die Initiative L’Hôpitals hin konstatierte der Conseil, daß Condé unschuldig sei. Diese Erklärung genügte Condé aber nicht. Gegen den Willen Katharinas bestand er darauf, daß das Pariser Parlament in einem förmlichen Entscheid (arrêt) die Rechtmäßigkeit seines Anliegens anerkenne. Hinter seinem Verlangen, vollständig und uneingeschränkt rehabilitiert zu werden, sowie hinter den entsprechenden Reaktionen der Guise verbarg sich der nach wie vor virulente Kampf beider Faktionen um Macht und Einfluß in der Monarchie. Katharina war sich natürlich völlig darüber klar, daß sich deren politische Ambitionen auch gegen sie richteten. Deshalb unternahm sie die erforderlichen Schritte, diesen Konflikt möglichst schnell auf gütliche Weise zu entschärfen und damit die Gefahr einer weiteren Eskalation im Keim zu ersticken. Mit ihren Schreiben vom 20. und 27. Mai 1561 intervenierte sie beim Parlament zu Gunsten Condés. Daraufhin entschied dieses am 13. Juni, daß der Prinz zu Unrecht angeklagt worden sei. Die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen seien nicht rechtens gewesen. Infolgedessen sei er völlig rehabilitiert. Nachdem damit die Angelegenheit in juristischem Sinne uneingeschränkt zu Gunsten Condés erledigt worden war, organisierte Katharina bei Hof eine Zeremonie, mit der sie in der für sie charakteristischen Weise die Aussöhnung Condés mit den Guise in der Öffentlichkeit demonstrieren wollte. Dabei zeigte sich einmal mehr, welche politische Rolle sie derartigen Veranstaltungen beimaß und wie sehr sie auf die friedenstiftende

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Funktion des Wortes, des Gesprächs zwischen Kontrahenten in einer entspannten Atmosphäre setzte. Diese Zeremonie und die Begegnung zwischen Condé und dem Herzog Franz von Guise fanden am 24. August 1561 in Saint-Germain-en-Laye statt. Sowohl der Ablauf dieser Zeremonie als auch die dabei von den Protagonisten gewechselten Worte und jede ihrer Gesten waren zuvor bis in jedes Detail im von Katharina gewünschten Sinne fixiert worden. Bei der Zeremonie waren der gesamte Staatsrat sowie die Prinzen von Geblüt und der Kanzler zugegen. Als erster wandte sich der König an den Herzog von Guise. Er forderte diesen auf, Condé über den wahren Sachverhalt des Vorgangs aufzuklären und darzulegen, daß dessen Ansicht nicht fundiert sei (l’opinion qu’il en a eu). Franz von Guise verteidigte sich daraufhin gegen den Vorwurf, er habe den Prinzen von Condé in seiner Ehre verletzen wollen. Außerdem habe er dessen Arretierung nicht veranlaßt. Condé erwiderte, daß er seine Ankläger für bösartige Personen halte. Nach Beendigung dieses Wortwechsels forderte der König beide auf, sich zu umarmen und sich in der rituell üblichen Form gegenseitig zu versprechen, zukünftig miteinander freundschaftlich zu verkehren. Im Anschluß an diese offizielle Zeremonie lud Katharina alle Anwesenden zu einem großen Festessen ein. Mit diesem Bankett sollte die zwischen den Protagonisten wiederhergestellte „Freundschaft“ für die Öffentlichkeit inszeniert werden. Sicherlich war keiner der Anwesenden davon überzeugt, daß mit dieser arrangierten Aussöhnungszeremonie das Problem dauerhaft bereinigt worden sei. Für Katharina zählte aber in erster Linie, daß die beiden Großen des Landes dank dieser Veranstaltung unmittelbar und realiter spürten und empfanden, daß sie jetzt und zukünftig wieder miteinander sprechen und kommunizieren konnten. Sie hoffte, auf diese Weise die sich abzeichnenden Gefahren von Rebellion bzw. Unruhen bereits im Vorfeld entschärfen zu können nach der Devise: Solange man miteinander spricht und argumentiert, greift man noch nicht zur Waffe. Katharina beabsichtigte Ende Dezember 1561 sogar, Condé in die Guyenne zu entsenden, wo er seine reformierten Glaubensgenossen auffordern sollte, die Waffen niederzulegen, die von ihnen okkupierten katholischen Kirchen und geistlichen Einrichtungen zu restituieren und die aus ihren Ämtern vertriebenen Stadtobrigkeiten wieder zurückkehren zu lassen. Dieses Vorhaben kam dann aber nicht zur Ausführung, weil es bei den Gegnern Condés auf Widerstand stieß, deren Einfluß bei Hofe wieder zugenommen hatte.64 Die Guise interpretierten das auf Reduzierung der religiösen Spannungen und auf das Austarieren der miteinander konkurrierenden politischen Faktionen zielende Agieren Katharinas als Annäherung an den Protestantismus. Der Herzog Franz von Guise warf ihr vor, „aus zwei Quellen zu trinken“65, d.  h. in Glaubensfragen nicht eindeutig Stellung zu beziehen. Er forderte sie auf, sich unmißverständlich zwischen Katholiken und 64  Zum Gesamtkomplex siehe Crouzet, Catherine de Médicis, S. 119 ff.; vgl. auch Cloulas, Catherine de Médicis, S. 159. 65  „[…] de boire à deux fontaines“.

6.3 Ringen um religiöse Eintracht

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Reformierten zu entscheiden. Gleichzeitig gossen die Guise und ihre Anhänger sowohl in Rom beim Papst als auch in Madrid bei König Philipp II. Öl ins Feuer, indem sie bei diesen gegen die Gouvernante de France agitierten. Schließlich brachte in ihren Augen folgende Entscheidung Katharinas das Faß zum Überlaufen. Diese hatte Jean de Monluc, den Bischof von Valence, zum Hofprediger für die Dauer der Fastenzeit des Frühjahrs 1561 bestellt. Wegen seiner offensichtlichen Zurückhaltung gegenüber den Reformierten war er den intransigenten Katholiken suspekt. Tatsächlich vermied er in seinen Predigten Aussagen, die als Ermunterung der Katholiken zum Vorgehen gegen die Calvinisten interpretiert werden konnten. Montmorency begegnete Monluc ebenfalls voller Argwohn. Aufgebracht über dessen – wie er meinte allzu nachsichtiges – Verhalten gegenüber den Anhängern der Lehre Calvins verließ er die Ostermesse, an der die Königsfamilie und deren Gefolge teilnahmen. Er begab sich in die Schloßkapelle, in der für das niedere Hofpersonal von einem orthodoxen Dominikaner eine Ostermesse zelebriert wurde, die seinen Vorstellungen entsprach. Dort traf er den Herzog Franz von Guise und den Marschall von Saint-André, die ebenfalls die Messe Monlucs gemieden hatten. Mit ihrem Verhalten demonstrierten sie der Hoföffentlichkeit, daß sie mit dem Agieren Katharinas auf dem Felde der Religion keineswegs einverstanden waren. Am 7. April 1561 schlossen sich dann die drei genannten Großen demonstrativ zu einer „Allianz zur Verteidigung des katholischen Glaubens“ zusammen. Diese wurde von ihren Gegnern alsbald als „Triumvirat“ bezeichnet. François de Guise, Anne de Montmorency und Jacques d’Albon, maréchal de Saint-André, bezeichneten die Hugenotten als Triumvirn in Anlehnung an die bekannten Triumvirn der römischen Antike – also an Cassius, Caesar und Pompeius.66 Katharina verkannte nicht die Probleme und Gefahren, mit denen sie gleich zu Beginn ihrer Regentschaft konfrontiert war. Das geht aus einem Schreiben hervor, das sie unter dem Datum vom 21. April 1561 an den französischen Botschafter in Madrid senden ließ. Darin erhielt Sébastien de l’Aubespine den Auftrag, Elisabeth von Frankreich und Philipp II. selbst darüber zu informieren, daß sie und Karl IX. sich nachdrücklich für die Sicherung des katholischen Glaubens gegenüber den Angriffen durch die Reformierten einsetzten. Sie halte nach wie vor alle Fäden der Macht in ihren Händen. Im einzelnen führte Katharina aus: Um Uns meinen Sohn [Philipp II.] am besten gewogen zu machen, glaube ich, daß es angebracht ist, die Probleme der Religion und des Königs von Navarra [Anton von Bourbon] anzusprechen, weil das Punkte sind, die ihn mehr als andere beschäftigen. Weil Sie, Herr von Limoges, ein geschickter und erfahrener Mann sind und die Einstellungen derer kennen, die uns nützlich sein können, sollten Sie alles das der Königin, meiner Tochter, vortragen und diese genau instruieren, was diese zu tun hat. […] Was ich am meisten an diesem Ort 66  Orieux, Catherine de Médicis, S. 273 f.; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 160; Solnon, Catherine de Médicis, S. 120 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 243 f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 149 f.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 133–146.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht [Saint-Germain-en-Laye] suche, ist ein Mittel, mit dem ich die genannte Problematik der Religion in Grenzen halte und den genannten König von Navarra so disponiere, daß ich die offene Frage im Hinblick auf Navarra und die daraus resultierenden Querelen mit ihm heilen kann, die andernfalls zum Dauerproblem werden. Durch Beendigung dieses Streites wird auch der Sache der Religion am besten gedient. Beide Angelegenheiten können im Laufe der Zeit Unannehmlichkeiten und Gefahren heraufbeschwören, wenn es nicht gelingt, ihrer Herr zu werden. […]. Das heißt nicht, daß es in diesem Königreich etwas zu bedauern gäbe und daß etwas im Argen läge; daß ich mangels Macht und Gehorsam die Dinge nicht so handhabe, wie es erforderlich ist; das bedeutet auch nicht, daß mein [Schwieger] sohn, der katholische König, etwas für die Zukunft zu befürchten hat. Derartige Vermutungen sind unbegründet, solange ich beide Enden der Zügel in meinen Händen halte, was der Fall ist.67

Etwas später betonte sie in einem Brief an ihre Tochter Elisabeth erneut, daß sie realiter über die ganze Macht verfüge. Sie schrieb: „Die Hauptsache ist, daß ich – Gott sei Dank – die ganze Befehlsgewalt habe.“68 Das war in der damaligen Lage tatsächlich der Fall. Gleichwohl war und blieb ihre Position insofern fragil, als sie sich gleichzeitig mit einer ganzen Reihe von akuten politischen und religiösen Problemen konfrontiert sah, die ihr ihre ganze Aufmerksamkeit, ihr Verhandlungsgeschick, Durchhaltevermögen, ihre Standhaftigkeit, aber auch politische Flexibilität abverlangten. Die nach Pontoise einberufene Versammlung der zahlenmäßig reduzierten Generalstände wurde am 1. August 1561 eröffnet. Die jeweils dreizehn Deputierten des Zweiten Standes und jene des Dritten Standes tagten in dieser Stadt. Die Deputierten des Ersten Standes berieten sich die meiste Zeit im nahegelegenen Poissy, wo sich bereits seit dem 31. Juli eine Versammlung der Prälaten eingefunden hatte. Pontoise und Poissy lagen im Nordwesten unweit von Paris. Die Ständevertreter sahen sich erneut mit der desaströsen Finanzlage der Krone konfrontiert. Die Kassen des Königs (Trésor royal) waren leer. Die Krone mußte Schulden in der Gesamthöhe von rund 7.5 Millionen livres bedienen, eine Summe, die sie sich zum prohibitiven Zinssatz von 8,33 % geliehen hatte. Jährlich 67  [21. April 1561] „A Monsieur de Limoges. […] pour mieulx mouvoir mon filz [Philipp II.] à cela, je juge que vous ne pourriez entrer en chose qui lui soit plus agréable que sur le faict de la dicte religion et du roy de Navarre, qui sont deux points le poignent plus que nuls autres, et comme vous estes dextre et advisé et cognoissez les humeurs de ceulx qui peuvent servir, faudroit, monsieur de Limoges, communiquer tout cela à la Reyne ma fille, et bien l’instruire, et bien advertir de ce qu’elle auroit à faire […] que ce que je cherche le plus en cet endroit, est d’avoir moyen de contenir le faict de la dicte religion et aussi luy disposer le dict roy de Navarre, de sorte que je guérisse cette plaie de la querelle de Navarre, qui sera autrement perpétuelle, et mesme au confesseur que ce seroit pour pourvoir tant mieulx au fait de la religion; lesquelles deux choses peuvent, avec le temps, apporter incommodité et danger. […] Ce n’est pas à dire qu’il y ait rien de déploré ni gâté en ce royaume, ni que j’aye faulte de puissance ni d’obéissance pour y faire aller toutes choses, ainsi qu’il appartient, quelque advis que l’on en donne par delà, ni que mon dict fils le Roy catholique doibve craindre qu’il doivbe survenir, tant que je tiendray, comme fais, les deux bouts de la courroye […].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 188–191. 68  „Le principal est, Dieu merci, que j’ai tout le commandement.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 197.

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waren dafür 630.000 livres an Zinszahlungen zu leisten. Der Schuldendienst lief über die Stadt Paris (l’Hôtel de Ville de Paris), die die Anleihe begeben hatte, weil die kapitalkräftigen Finanziers es vorgezogen hatten, der Stadt Paris diese Summe zu leihen und nicht dem König, was einiges über das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Schuldendienstes der Krone aussagt. Der König hatte im Gegenzug der Munizipalität von Paris entsprechende Einnahmen aus den Krondomänen, aus dem Aufkommen der Salzsteuer und sonstigen Verbrauchssteuern sowie aus anderen indirekten Steuern übertragen müssen. Das bedeutete, daß diese Einnahmen nicht mehr direkt in die Kassen des Königs flossen. Die in den Ständegremien geführten Debatten über die von der Krone geforderten Finanzhilfen verliefen sehr kontrovers. Es wurde sehr bald klar, daß die Repräsentanten des Adels und des Dritten Standes ihre Blicke auf den Klerus richteten. Katharina fand bei ihren finanziellen Forderungen und auch bei anderen – sie direkt tangierenden – Problemen Unterstützung bei Bourbon und Coligny. Beide traten erfolgreich Forderungen protestantischer Deputierter entgegen, die auf eine Reduzierung der Macht Katharinas abzielten. Die Gouvernante de France profitierte aber auch von einer mächtigen Strömung in der öffentlichen Debatte, deren Protagonisten dem immensen Reichtum der katholischen Kirche Frankreichs sehr kritisch gegenüberstanden und deshalb von dieser den größten Beitrag zur Tilgung der Schulden des Königs verlangten. Die Deputierten des Zweiten und Dritten Standes verwiesen ebenfalls auf die Zahlungsfähigkeit des Klerus. Gegenüber der geschlossenen Koalition zwischen der Krone und den beiden Ständen des Adels und des „Tiers état“ sah sich schließlich der Klerus nach langem Kampf gezwungen, der Krone für die Dauer von sechs Jahren eine jährliche Zahlung in Höhe von 1.600.000 l­ ivres als „freiwillige Gabe“ (don gratuit) zu bewilligen. Dieses Geld sollte zur Tilgung eines Teiles der Schulden des Königs verwendet werden. Der dementsprechende Kontrakt wurde am 21. Oktober 1561 in Poissy geschlossen und unterzeichnet. Als Gegenleistung erlangte der französische Klerus von der Krone die Erlaubnis, daß ihre Repräsentanten in bestimmten Abständen – es entwickelte sich schließlich ein Fünfjahresturnus – zu einer Versammlung zusammentreten durften. Das war die Geburtsstunde der Versammlung des Klerus (assemblée du clergé). Deren Hauptaufgabe war zunächst, das Aufbringen und die Zahlungen des „don gratuit“ zu organisieren. In der Folgezeit sah sich der Klerus der Forderung der Krone ausgesetzt, ihr namhafte Zahlungen als „don gratuit“ zu bewilligen. Aber auch diese Konzessionen der katholischen Kirche Frankreichs hinderten den französischen König schließlich nicht daran, zu massiven Verkäufen von Kirchengütern zu schreiten. Dazu kam es 1563, 1568 und 1569, 1574, 1576, 1586, 1587 und 1588.69 Dieses Vorgehen der Krone hatte verständlicherweise negative Reaktionen des französischen Klerus zur Folge, der sich wiederholt um

69  Vgl. zu dem oben erörterten Gesamtkomplex: Cloulas, Catherine de Médicis, S. 163 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 282 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 369 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S, 123 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 267 f.; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 99.

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Intervention des Papstes bemühte, von dem er sich Unterstützung bei der Abwehr der als unrechtmäßig erachteten Forderungen der Krone erhoffte. Gleichzeitig mit dem Problem der immensen Verschuldung hatte sich Katharina mit den stetig zunehmenden religiösen Spannungen und Konflikten zu befassen. Ihr Hauptanliegen auf diesem dornigen Feld war es, eine Lösung im Sinne der religiösen Eintracht zu erreichen. Zunächst hatte sie auch einige Hoffnungen in das vom Papst im November 1560 wiedereinberufene Konzil von Trient gesetzt, das nach zwölfjähriger Unterbrechung dann aber erst am 18. Januar 1562 seine Beratungen aufnahm. Indessen hatte sich das Konzil bereits lange zuvor nicht – wie von Katharina und anderen reformorientierten katholischen Kräften gewünscht – als ein „neues und freies“ (nouveau et libre) Reformkonzil entpuppt. Die darüber empfundene Enttäuschung stärkte das Lager derjenigen in Frankreich, die für die Einberufung eines französischen Nationalkonzils eintraten, zu dem auch protestantische Theologen zugelassen werden sollten. Nachdrücklich hatte Katharina dafür plädiert. Mit Offenen Briefen (lettres patentes) des Königs vom 25. Juli 1561 wurde angekündigt, daß in Poissy ein Treffen stattfinden sollte, an dem Katholiken und Reformierte sowie namhafte katholische und reformierte Theologen teilnehmen sollten.70 Wie Katharina bereits am 22. April 1561 durch ihren Botschafter in Wien, durch Bernardin Bochetel, Bischof von Rennes, dem Kaiser hatte ausrichten lassen, sollte diese Veranstaltung der Kirchenreform und der Befriedung der Monarchie dienen. Sie schrieb: […] wir bedienen uns des Rates der genannten Versammlung, um das zu beschließen, was die Reform der Kirchen dieses Königreiches betrifft, um auf diese Weise für die Befriedung und für die Vereinigung des Volkes in ein und derselben Religion zu sorgen; denn es gibt niemanden auf dieser Welt, der es für möglich hält, Menschen in Gehorsam und in Eintracht zu bewahren, wenn sie innerlich so hin- und hergerissen und so sehr mit divergierenden Meinungen und Doktrinen beschäftigt sind.71

Die Veranstaltung wurde am 9. September 1561 in Poissy feierlich eröffnet. Sie ist unter der Bezeichnung „Kolloquium von Poissy“ (colloque de Poissy) in die französische Geschichte eingegangen. Diese Veranstaltung war sowohl religiös-konfessioneller als auch politischer Natur. Beide sehr vielschichtigen Komplexe waren eng miteinander verwoben. In der Perspektive Katharinas hatten aber die politischen Implikationen vorrangige Bedeutung. Deshalb ist es gerechtfertigt, im folgenden die Perspektive und das Agieren der Gouvernante 70  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 371 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 124 f. 71  [22. April 1561] „A Monsieur de Rennes […] que nous servirons de l’adviz de la dicte assemblée pour arester [=décider] ce qui touche à la refformation des églises de ce royaulme, affin de pourveoir à l’entière pacification des troubles et union de ce peuple en une mesme religion; car de le penser contenir en obéissance et concorde pendant que les espritz seront ainsi agitez et occuppez de diversitez d’opinions et de doctrines, il n’y a personne en ce monde qui ne le juge impossible […]. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 191.

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de France stärker in den Mittelpunkt zu rücken und die theologisch-dogmatischen Auseinandersetzungen zwischen den katholischen und reformierten Hauptakteuren nur insofern zu thematisieren, wie sie sich direkt auf den Ablauf des Kolloquiums und die Entscheidungen Katharinas auswirkten. Wenn der venezianische Botschafter Antonio Suriano in seinem Rapport an die „Signoria“ kritisch anmerkte, daß sich Katharina nur wenig für die theologisch-dogmatischen Aspekte der Debatten interessiere, so hatte er damit nicht Unrecht. Bei seiner Kritik verkannte er aber, daß sie sich von folgendem Prinzip leiten ließ, wenn sie sich der konfessionellen Problematik zuwandte: der Staat bzw. der König ist der Souverän, und es ist nicht die Theologie oder die Kirche, die ihm sein Handeln vorzuschreiben haben. Natürlich war sie sich aber bewußt, daß die damaligen religiösen Spannungen und Konflikte jedwedes politisches Agieren ausschlossen, das nicht auch dem Ziel verpflichtet war und blieb, eine Lösung der akuten religiösen Fragen und Probleme, zumindest aber deren Entschärfung anzustreben. Daß hier die Monarchie direkt in der Pflicht war, darin war sie sich mit dem Kanzler L’Hôpital einig.72 In seiner Rede bei der Eröffnung der Generalstände von Orléans im Dezember 1560 hatte der Kanzler betont, daß es ein Zeichen von Wahnsinn ( folie) sei, zu hoffen, daß es Frieden, Ruhe und Freundschaft zwischen Personen geben könne, die verschiedenen Religionen anhängen. Es gebe keine Meinung, die das Herz der Menschen so sehr belaste wie jene bezüglich der Religion, die die einen von den anderen so sehr trenne.73 Die daraus resultierenden Differenzen und Konflikte kollidierten aber sowohl mit dem christlichen als auch mit dem monarchischen Ideal. Die Religion, insbesondere die christliche und evangelische setze auf Frieden und Freundschaft unter den Menschen. Religiöse Zwietracht, Diversität der Religionen beflügeln den Ungehorsam der Untertanen gegenüber ihrem König und verursachen Rebellionen.74 In der Rede des Kanzlers waren die religiöse und politische Argumentation sowie die Bezugnahme auf die Idee der religiösen bzw. der zivilen Eintracht (concorde religieuse, concorde civile) geradezu unentwirrbar miteinander verknüpft. In einer Hinsicht unterschieden sich aber die Überzeugungen des Kanzlers und Katharinas. Während L’Hôpital damals noch überzeugt war, daß man die Spaltung der Christenheit in zwei miteinander rivalisierende Kirchen verhindern müsse, er also in erster Linie für die concorde religieuse plädierte, setzte Katharina in letzter Konsequenz auf die concorde civile, sollten sich alle Bemühungen als vergeblich erweisen, in der Monarchie die religiöse Eintracht wiederherzustellen. Sie war jedoch entschlossen, alles zu tun, um mit friedlichen Mitteln dieses Ziel zu erreichen.

72  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 270. 73  „Il n’y a opinion qui tant perfonde le cœur des hommes que l’opinion de religion, ni qui tant les sépare les uns des autres.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 270. 74  „c’est ce qui [la diversité de religions] éloigne le sujet de porter obéissance à son roi et qui engendre les rébellions“.

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Katharina verknüpfte mit dem Kolloquium von Poissy im Grunde genommen zwei Intentionen: indem man die Anhänger beider miteinander rivalisierender Konfessionen aussöhnte, hoffte sie ebenso wie die Moyenneurs, die gefährlichen Umtriebe beruhigen und somit den zivilen Frieden in der Monarchie wieder etablieren zu können. Anders formuliert: mit der Wiederherstellung der religiösen Eintracht sollte die zivile Eintracht erreicht werden. Das alles sollte jedoch unter strikter Respektierung der Autorität des Königs durch alle Beteiligten geschehen.75 Dementsprechend hatte sie am 2. September 1561 an den Präsidenten eines Gerichtshofes in Poitiers geschrieben: Es sei ihre Absicht, „mit allen möglichen Mitteln zu versuchen, in allem und überall die Autorität des Königs, meines Herrn Sohnes, zu bewahren und zu gewährleisten, daß das Volk den Frieden, die Einheit und Eintracht respektiert“.76 Vergegenwärtigt man sich diese Aspekte, wird deutlich, welchen hohen Stellenwert das Kolloquium von Poissy für das damalige politische Agieren Katharinas hatte. Dementsprechend hatte Katharina keine Mühen gescheut, um den Ablauf dieser Veranstaltung vorzubereiten und zu gewährleisten, daß deren Ergebnisse ihren Erwartungen so weit wie möglich entsprachen. Im Vorfeld hatte sie die Fragen und Themen präzisiert, über welche die Teilnehmer diskutieren und beraten sollten: sie sollten sich befassen mit dem Gebrauch und der Verwendung von Bildern christlichen Inhaltes, mit der Handhabung des Sakraments der Taufe, dem Sakrament der Eucharistie, dem Auflegen der Hände und mit der Berufung der Priester und der Pfarrer. Ganz offensichtlich wollte sie auch auf die Debattenkultur und darauf einwirken, daß die Diskussionen zwischen den Repräsentanten der beiden Konfessionen vom gegenseitigen Bemühen um Verständnis und einen respektvollen Umgang miteinander geprägt sein sollten. Besondere Aufmerksamkeit sollten die Diskutanten den Ursachen schenken, die in erster Linie zur religiösen Spaltung geführt hatten. In gleicher Weise sollten sie aber auch über die Mittel und Wege beraten, die geeignet seien, die Kirchenspaltung zu überwinden und die Einheit der französischen Kirche wiederherzustellen.77 Ganz in diesem Sinne hatte der Kanzler L’Hôpital seine Rede konzipiert, die er anläßlich der Eröffnung des Kolloquiums am 9. September 1561 hielt. Das Kolloquium fand im Refektorium des Dominikanerklosters von Poissy statt. Zu Beginn seiner Rede verglich der Kanzler Karl  IX. mit dem römisch-byzantinischen Kaiser Konstatin  I., dem Großen (306–337). Zu dessen bedeutenden Leistungen zählt die Schaffung der christlichen Staatskirche nach dem Toleranzedikt von Mailand des Jahres 313. Die von ihm realisierte Verschmelzung des römischen Staatsgedankens mit dem Christentum ist in den letzten Auswirkungen der von ihm etablierten Institutionen noch in einem Teil der christlichen 75  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S, 270 ff. 76  „[…] de chercher par tous les moyens possibles de garder l’autorité du Roi, monsieur mon fils, en tout et partout, et contenir le peuple en paix, union et concorde.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 233; vgl. auch Le Roux, Le roi, la cour, l’État, S. 142. 77  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 143.

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Kirchen der Gegenwart erkennbar. Der skrupellose und ganz an der Machtpolitik orientierte Kaiser wurde gleichwohl in die Reihe der christlichen Heiligen aufgenommen.78 L’Hôpital legte den anwesenden Prälaten eindringlich ans Herz, in ihren Verlautbarungen nicht mehr fortzufahren, die Anhänger der Lehren Luthers und Calvins (les religionnaires) zu verdammen. Diese seien Christen wie alle anderen. Man dürfe ihnen „nicht die Tür schließen“ ( fermer la porte) für eine Rückkehr in den Schoß der katholischen Kirche. Vielmehr müsse man sie „in aller Milde empfangen“.79 Hier tauchte abermals der Terminus „douceur/doulceur“ auf, der immer wieder von Katharina als Leitbegriff verwendet wurde. Die Königinmutter hatte dafür gesorgt, daß einige ihr nahestehende Prälaten sich sehr aktiv an den theologischen Debatten mit den reformierten Pastoren beteiligten. Unterstützung fand sie bei den Moyenneurs, zu denen neben anderen Jean de Montluc, der Bischof von Valence, und der katholische Theologe und Diplomat Claude d’Espence (1511–1571) gehörten. D’Espence, der Rektor der Sorbonne, war ein enger Berater des Erzbischofs von Reims und Kardinals Karl von Lothringen.80 Entgegen mancher Überlieferung war der Kardinal von Lothringen keineswegs ein Gegner der Idee, ein Kolloquium unter Theologen zu veranstalten. Wie viele Moyenneurs konnte er sich durchaus vorstellen, daß es perspektivisch möglich sei, mit den Protestanten – zumindest mit den deutschen Lutheranern – eine Verständigung in Fragen der Kirchenlehre, der Ekklesiologie, zu erreichen. Darunter verstand er im wesentlichen das Problem der institutionellen Organisation der Kirche und die Frage, worauf sich diese gründe und womit sie zu rechtfertigen sei. Auf diesem Feld sah er große Chancen einer Verständigung zwischen Katholiken und Protestanten. Dadurch werde dann – so hoffte er – ein für beide Seiten akzeptabler Kompromiß im Hinblick auf das zentrale Problem der Eucharistie, des Sakraments des Abendmahles, zu erreichen sein. In dieser Hoffnung sah er sich durch den Verlauf eines informellen Treffens gestärkt, welches zwischen ihm und Theodor von Beza am 24. August  1561 stattfand. Dieses Treffen war bezeichnenderweise im Vorfeld des Kolloquiums von Katharina arrangiert worden. In diesem Gespräch hatte Beza mit seiner Argumentation im Hinblick auf das Abendmahl wohl ganz bewußt den Eindruck erweckt, daß die Reformierten die Idee von der Realpräsenz Christi beim Abendmahl keineswegs – wie von ihren Gegnern 78  Am 21. Mai gedenkt man seiner am Tag des Heiligen Konstantin. 79  „[…] recevoir en toute douceur“. Zitiert über Joël Cornette, Le Livre et le Glaive. Chronique de la ­France du XVIe siècle, Paris 1999, S. 358; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 143. 80  Zu Claude d’Espence: Henry Outram Evenneth, Claude d’Espence et son „Discours du colloque de Poissy“. Étude et texte, in: Revue historique 114 (1930), S.  40–78. Alain Tallon (Hrsg.), Un autre catholicisme au temps des Réformes? Claude d’Espence et la théologie à Paris au XVIe siècle. Études originales, publication d’inédits, catalogue de ses éditions anciennes, Turnhout 2010. Zum Kardinal von Lothringen: Henry Outram Evenneth, The Cardinal of Lorraine and the Colloquy of Poissy, in: Cambridge Historical Journal 2 (1927), S. 133–150; Nicola Mary Sutherland, The Cardinal of Lorraine and the Colloque of Poissy, 1561: A Reassessment, in: Princes, Politics and Relgion, 1547–1589, London 1984, S. 113–138.

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behauptet – leugneten. Sehr überrascht und erstaunt über das Gehörte erwiderte ihm der Kardinal von Lothringen, daß sowohl er selbst als auch seine Kollegen sowie seine Glaubensbrüder ihn, also Beza, nicht „so schwarz fänden, wie man ihn darstellt“. Bereits am folgenden Tag unterrichtete Beza Calvin über den Verlauf des Gesprächs. Fünf Tage später, am 30. August, schrieb er dann, der Kardinal spreche fast nur noch über das lutherische Glaubensbekenntnis, über das Augsburgische Glaubensbekenntnis – die „Confessio Augustana“.81 Der Kardinal wollte den Glauben der Lutheraner in den zu führenden Debatten thematisieren und auf diese Weise die Reformierten argumentativ in Schwierigkeiten bringen. Da ihm die unterschiedlichen Lehrmeinungen unter den Protestanten geläufig waren, bediente er sich dieser sehr geschickt, um die daraus resultierenden Konfliktstränge innerhalb des Protestantismus offenzulegen und auf diese Weise die auf seiten der Protestanten schon ohnehin existierenden Spannungen zu verschärfen. Er verband damit wohl ebenso die Absicht, den zwischen der französischen Krone und den Hugenotten bestehenden Differenzen und Konflikten „ein Äquivalent auf seiten der Protestanten hinzuzufügen. Dies schloß freilich nicht aus, daß der Kardinal sich in theologischen Fragen recht liberal zeigte, ja eine gewisse Sympathie für die Confessio Augustana hegte und einer via media zwischen Genf und Rom in Fragen der Eucharistie nicht abgeneigt war.“82 Die Augsburgische Konfession war ein von Philipp Melanchthon verfaßtes „Dokument evangelischer Glaubenslehre“, das am 25. Juni 1530 Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu Augsburg überreicht worden war. Mit diesem Dokument wollte Melanchthon, beraten von Theologen und Juristen, einen Beitrag leisten zu der damals „noch nicht grundsätzlich in Frage gestellten Einheit von Kirche und Glauben“. In der damaligen in vieler Hinsicht sehr bedrohlichen Lage erhoffte er sich eine Deeskalation von einer „engen Anlehnung an die Ordnungen der alten Kirche, die die evangelische Bewegung“83 ja nicht völlig beseitigen, sondern vielmehr reformieren wollte. Wenn also der Kardinal von Lothringen sich auf die Augsburgische Konfession bezog, dann meinte er diesen soeben – freilich stark verkürzt – wiedergegebenen Sachverhalt. Die Argumentation des Kardinals belegt aber auch, daß er mit der fraglichen Materie sehr vertraut war. Letztlich war die von Katharina und den Moyenneurs angestrebte concorde religieuse nur erreichbar und konnte auf Dauer nur dann die gewünschte Wirkung entfalten, wenn es am Ende der in Poissy zu führenden Debatten weder Sieger noch Besiegte gab. Das bedeutete aber auch, daß sich die Protestanten, die bereit waren, im Hinblick auf die concorde religieuse Zugeständnisse zu machen, nicht gezwungen sahen, ihren Glauben und damit sich selbst zu verleugnen. Ob sich alle in Poissy versammelten Akteure dessen 81  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 275 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 125 f. 82  Markus Reinbold, Jenseits der Konfession. Die frühe Frankreichpolitik Philipps II. von Spanien 1559– 1571 (=Beihefte der Francia, Bd. 61), Ostfildern 2005, S. 112. 83  Walther Peter Fuchs, Das Zeitalter der Reformation, in: Herbert Grundmann (Hrsg.), Von der Reformation bis zum Ende des Absolutismus 16. bis 18. Jahrhundert (= Bruno Gebhardt, Hrsg., Handbuch der Deutschen Geschichte, Bd. 2), Stuttgart 1955, S. 83. Die beiden obigen Zitate ebenda.

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bewußt waren, ist – aus der Rückschau betrachtet – mehr als fraglich. Der Ablauf des Kolloquiums und das Agieren der Hauptakteure sollten alsbald erweisen, daß die auf beiden Seiten vorhandenen Differenzen und Reserven zur Enttäuschung Katharinas und der Moyenneurs weitaus größer waren als die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Kurz vor der Eröffnung des Kolloquiums hatte Beza aus Genf von Calvin eine Antwort auf seinen Brief vom 30. August 1561 erhalten. In seiner Antwort hatte Calvin nicht nur sehr reserviert auf das entgegenkommende Verhalten Bezas gegenüber dem Kardinal von Lothringen reagiert, sondern ihn auch angewiesen, in der Frage der Eucharistie eine unnachgiebige Position zu beziehen. Der Genfer Reformator schrieb an seinen „sehr rechtschaffenen Bruder“ ( frère très intègre), daß es gut sei, wenn das Kolloquium am Verhalten der „Gegner“ (adversaires) der Reformierten scheitere. Deshalb solle sich Beza nicht als „gefällig“ ( facile) erweisen.84 Als dann Beza noch am Eröffnungstag des Kolloquiums das Wort ergriff, agierte er gemäß den Vorgaben Calvins. Seine Stellungnahme zur Kommunion kulminierte schließlich in folgendem – immer wieder zitierten – Satz: „Der Körper Christi ist vom Wort und vom Wein ebenso weit entfernt wie der höchste Himmel von der Erde.“85 Damit leugnete Beza in aller Schärfe die Realpräsenz Christi bei der Zelebrierung des Sakraments der Kommunion. Der Vertreter des Papstes, der Kardinal und Erzbischof von Lyon, François de Tournon, rief voller Entrüstung in das Auditorium, zu dem auch der König Karl IX., einige seiner Geschwister, Katharina und zahlreiche Mitglieder des Hofes gehörten: „Das ist Blasphemie“ (blasphemavit).86 Damit war es in einer zentralen theologischdogmatischen Frage zu einem offenen Eklat gekommen. In der allgemeinen Erregung hatte Beza große Mühe, seine Rede fortzusetzen. Deshalb griff der König – möglicherweise auf einen Wink Katharinas hin – beruhigend ein und forderte Beza auf, in seinen Darlegungen fortzufahren. In den folgenden Tagen setzte Katharina ihre Bemühungen fort, die Stimmung zu entspannen, damit das Kolloquium fortgesetzt werden konnte. Selbst der Kardinal von Lothringen versuchte, die Reformierten zu einem Entgegenkommen zu bewegen. Deshalb bat er diese am 16. September eindringlich, das „lutherische“ Augsburgische Bekenntnis und die Realpräsenz Christi in Brot und Wein wenigstens für die Dauer der Feier der Eucharistie zu akzeptieren. Aber auch diese Bitte blieb schließlich erfolglos. Als Beza am 24. September 1561 erneut zu Wort kam, war er in dieser zentralen Frage zu keiner Konzession bereit. Das wiederum hatte heftige Reaktionen eines in Paris ansässigen katholischen Theologen und anderer katholischer Geistlicher zur Folge. Daraufhin erteilte der Kardinal– sicherlich nicht zufällig – dem ruhigen und besonnenen 84  Thierry Wanegffelen, Ni Rome ni Genève. Des fidèles entre deux chaires, Paris 1997, S.  170; ders., Catherine de Médicis, S. 278. 85  „Le corps du Christ est éloigné du pain et du vin autant que le plus haut ciel est éloigné de la terre.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 127; vgl. auch Cloulas, Catherine de Médicis, S. 165; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 373; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 278 f. 86  Vgl. ebenda.

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d’Espence das Wort. Aber auch dessen Intervention hatte keine positive Resonanz bei den Reformierten. Daraufhin drohte der General des Jesuitenordens schließlich allen mit der Exkommunikation, die die Diskussion mit „diesen Affen und Füchsen“87 fortsetzen. In Anbetracht dieser verfahrenen Lage gab der Kardinal von Lothringen vor den anwesenden Prälaten und reformierten Pfarrern eine Erklärung ab, in der er konstatierte, daß die Christen in der zentralen Frage der Eucharistie uneinig seien. Wegen dieser unüberbrückbaren Differenzen sei es deshalb nicht sinnvoll, die Diskussion fortzusetzen. Er erklärte die Sitzung für beendet.88 Die Stimmen der Mäßigung hatten sich nicht durchsetzen können. Katharina verließ schweigend und mit ernster Miene – wie von zeitgenössischen Beobachtern berichtet wird – das Refektorium des Dominikanerklosters in Poissy und begab sich zurück nach Saint-Germain-en-Laye. Dort hatte sie die Muße, um über das weitere Procedere nachzudenken. Sie gelangte zu dem Ergebnis, daß eine Fortsetzung der Debatten im großen Kreis und in der Öffentlichkeit wohl nur eine weitere Eskalation zur Folge haben werde. Um zu gewährleisten, daß die Repräsentanten der Moyenneurs sachlich mit den Reformierten diskutieren konnten, mußten – nach ihrer Überzeugung – einmal der Kreis der Akteure reduziert und vor allem die Debatten der Einflußnahme durch die intransigenten katholischen Bischöfe und die unnachgiebigen Doktoren der Theologie der streng dogmatischen Sorbonne entzogen werden. Am folgenden Morgen, am 25. September  1561, erteilte sie dem ihr nahestehenden Monluc, und dem Theologen d’Espence, der zur Klientel des Kardinals von Lothringen gehörte, den Auftrag, zu veranlassen, daß die Gespräche in kleinem Kreis, sozusagen im Privaten, in Saint-Germain-en-Laye fortgesetzt werden. Beide sollten nur mit Beza und dem reformierten Pfarrer Nicolas Des Gallars debattieren und sich bemühen, in der strittigen Frage der Eucharistie eine Formel zu finden, die für beide Seiten akzeptabel sei. In den folgenden Tagen wurden mehrere entsprechende Formeln verfaßt sowie Wort für Wort und Punkt für Punkt geprüft. Als es am 26. September im Plenum des Kolloquiums erneut zu exzessiven Kontroversen kam, in denen die Gegner sich auch in der Wortwahl nichts schenkten, brach die anwesende Katharina in Tränen aus. Verzweifelt und innerlich aufgewühlt – so berichtet d’Espence – soll sie den Ort des Geschehens in Poissy verlassen haben. Die theologischen Auseinandersetzungen gingen im Refektorium des dortigen Dominikanerklosters weiter.89 Aber selbst nach diesem für sie so enttäuschenden Verlauf des Kolloquiums und den dabei gesammelten bitteren Erfahrungen war Katharina nicht bereit, zu kapitulieren. Das entsprach in keiner Weise ihrem Charakter und ihrer Überzeugung, sich mit ganzer Kraft zum Wohle der Monarchie und für die Wahrung der Autorität des Königs engagieren 87  „[…] ces singes et ces renards“. 88  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 278 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 127 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 373. 89  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 279 f.

6.3 Ringen um religiöse Eintracht

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zu müssen. Sie setzte nach wie vor auf Argumente. Widerstand und Gegnerschaft betrachtete sie als persönliche Herausforderungen, die sie nur noch zu mehr Engagement und zu entschiedenerem, aber friedlichem Einsatz für die gute Sache motivierten. Deshalb erging auf ihre Initiative am Morgen des 29. September  1561 folgende Order des Königs: Monluc und d’Espence sollten sich ein weiterer Bischof und zwei Generalvikare des Kardinals Odet de Châtillon anschließen. Châtillon sollte schließlich 1562/1563 zur reformierten Kirche konvertieren und mit Wirkung vom 31. März 1563 vom Papst exkommuniziert werden. Er hatte schon länger mit den Hugenotten sympathisiert. Diese Persönlichkeiten sollten in kleinem Kreis und an einem ruhigen Ort die Gespräche mit den reformierten Theologen weiterführen. In der Auswahl dieser Persönlichkeiten manifestiert sich einmal mehr das politische Geschick Katharinas. Mit d’Espence waren der Kardinal von Lothringen und mit den beiden Generalvikaren indirekt der Kardinal de Châtillon und dessen Bruder, der Admiral von Coligny, eingebunden. Châtillon und Coligny waren Neffen von Montmorency. Diese fünf Katholiken sollten mit fünf reformierten Theologen – mit Beza, Nicolas Des Gallars und drei weiteren Pfarrern – die theologischen Diskussionen an einem neutralen Ort fortsetzen. Sie konnten sich im Hinblick auf das zentrale Problem der Eucharistie schließlich zu einer Kompromißformel verständigen.90 Diese Formel wurde am 4. Oktober 1561 der Versammlung des katholischen Klerus übermittelt. D’Espence war aber schon am 1. Oktober klar, daß die Differenzen mit den katholischen Prälaten in diesem Punkt unüberbrückbar waren. Die in Poissy versammelten katholischen Prälaten lehnten am 9. Oktober die Kompromißformel ab, die der Kardinal von Lothringen ihnen als seine eigene, persönliche Formel vorgelegt hatte. Infolgedessen schloß der Kardinal am 13. Oktober die Versammlung des französischen Klerus.91 Schließlich mußte sich auch Katharina eingestehen, daß ihre intensiven Bemühungen, die concorde religieuse zu erreichen, vergeblich waren. Das Kolloquium von Poissy war gescheitert, am 14. Oktober 1561 wurde es beendet. An diesem Scheitern änderten auch die sog. „Konferenzen von Saint-Germain-en-Laye“ nichts, die in den Tagen vom 28. Januar bis zum 11. Februar 1562 wiederum auf Veranlassung Katharinas stattfanden. Bei diesen Konferenzen sollten die beteiligten katholischen und reformierten Theologen die Problematik der Eucharistie ausklammern und sich auf die Erörterung rein praktischer Fragen beschränken. Sie sollten zum Beispiel über den Ritus bei Taufen und die Funktion von Bildern in den Kirchen diskutieren. Aber auch hier konnte man sich schließlich nicht einigen.92 Katharina zeigte sich zutiefst enttäuscht über das kompromißlose Verhalten der großen Mehrheit der katholischen Prälaten. Deren Debatten hätten – so schrieb sie am 23. Oktober 1561 an den Bischof von Rennes – „die Konfusion von Disput zu Disput nur 90  Le Roux, Le roi, la cour, l’État, S. 148. 91  Ebenda, S. 149; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 279 ff. 92  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 282 ff.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

verstärkt und viel mehr zum Dissens und zur Zwietracht als zur Eintracht“93 beigetragen. Und am folgenden 27. Oktober beklagte sie, daß die Prälaten nichts unternommen hätten, um die „religiösen Unruhen zu entschärfen“.94 Letztlich hatte das Kolloquium von Poissy nicht nur nicht die erhoffte Entschärfung der Konflikte gebracht, sondern die bereits sehr bedrohlich gewordenen Spannungen noch weiter erhöht. Das fand seinen sinnfälligen Ausdruck darin, daß der Herzog Franz von Guise am 19. Oktober 1561 begleitet von seinen Brüdern und siebenhundert Berittenen den Hof demonstrativ verließ. Der Kardinal von Lothringen begab sich später nach Reims und von dort ins Elsaß nach Saverne. Dort hielt er sich zusammen mit seinem Bruder, dem Herzog Franz, vom 15. bis zum 18. Februar 1562 auf, wo beide Gespräche mit dem lutherischen Herzog Christoph von Württemberg (1550–1568) und einigen anderen lutherischen Theologen führten. Der Herzog von Guise beklagte die Intransigenz, die die Calvinisten in Poissy an den Tag gelegt hätten, und betonte, daß er im Glauben seiner Vorfahren erzogen worden sowie ein Mann des Krieges und in religiösen Dingen unwissend sei. Sein Bruder, der Kardinal von Lothringen, äußerte sich auch in diesen Gesprächen weitaus kompromißbereiter. Er erklärte, daß „wir alle Gott so anbeten sollen wie er im Himmel ist, und daß unser alleiniger Vermittler, Verteidiger und Fürsprecher Jesus Christus ist, keineswegs die Mutter Gottes und auch nicht die anderen Heiligen“95. Damit ging er nach wie vor auf die Protestanten zu. Nachdem der Herzog von Guise am 19. Oktober 1561 den Hof verlassen hatte, folgte einige Tage später auch Montmorency seinem Beispiel. Wenn hochgestellte Adlige den Königshof demonstrativ verließen, signalisierten sie damit in aller Öffentlichkeit, daß sie gegen den jeweiligen politischen Kurs oder die Entscheidungen der Regierung bzw. des Königs opponierten. Oftmals kamen derartige Aktionen einer „Kriegserklärung“ gleich, denn sie mündeten zumeist in offene Rebellion. Eine derartige Eskalation, die schließlich zum Bürgerkrieg führen konnte, wollte aber Katharina mit allen ihr zur Verfügung stehenden diplomatisch-politischen Mitteln und auf dem Wege von Verhandlungen vermeiden.96 93  „[…] confusion de disputes sur disputes, nourrices de dissensions et discordes beaucoup plus que l’union.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 239; vgl. auch Le Roux, Le roi, la cour, l’État, S. 150. 94  „[…] apaiser les troubles de la religion“. Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 243; vgl. auch Le Roux, Le roi, la cour, l’État, S. 150. 95  „[…] nous devons adorer Dieu seulement tel qu’il est au ciel, et que notre unique médiateur, avocat et intercesseur, c’est Jésus-Christ, nullement la mère de Dieu ni les autres saints.“ Zitiert über Le Roux, Le roi, la cour, l’État, S. 149. 96  Zum Gesamtkomplex des Kolloquiums von Poissy: Donald G. Nugent, Ecumenism in the Age of the Reformation: the Colloquy of Poissy, Cambridge, Mass., 1974; Nicolas Le Roux, Le colloque de ­Poissy: l’invention du dialogue interconfessionnel en France, in: Commémoration du colloque de Poissy 1561/2011. Catholiques et protestants: dialogue et tolérance? Catalogue de l’exposition du musée du Jouet de Poissy, Poissy 2011, S. 13–54; ders., Le roi, la cour, l’État, S. 144–149; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 163–167; Bertière, Les reines de France aux temps des Valois, Bd. 2, S. 81–84; Jouanna, La France

6.4 Kampf um Ziviltoleranz

6.4

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Kampf um Ziviltoleranz und um die Bewahrung des inneren Friedens

Die spektakuläre Abreise der Guise und der Montmorency vom Hof des Königs war für Katharina eine zweischneidige Angelegenheit. Einerseits bedeutete dies, daß sie sich dadurch von den unmittelbaren Pressionen des Triumvirats einstweilen befreit fühlen und deshalb ihre auf friedlichen Ausgleich zielende Politik leichter fortsetzen konnte. Andererseits manifestierte sich in dem Verhalten der Triumvirn, daß sie sich offen von der Politik der Gouvernante de France distanzierten. Damit schwächten sie ihre Position. Um diese Schwächung zu kompensieren, mußte Katharina möglichst viele Diener der Krone um sich scharen, die ihre Ausgleichspolitik mittrugen. Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist es verständlich, daß in der damaligen Situation der Admiral von Coligny und der Prinz Ludwig von Condé im Staatsrat an Einfluß gewannen. Das waren deutliche Signale an die Adresse der friedfertigen Reformierten. Dem waren bereits im September 1561 Anordnungen des Königs vorausgegangen, mit denen er seine mit besonderen Missionen in die Provinzen entsandten Funktionsträger unmißverständlich beauftragt hatte, für Zurückhaltung gegenüber den dortigen Reformierten zu sorgen. So hatte Karl IX. seinen ins Agenais geschickten Repräsentanten folgendermaßen angewiesen: „Sie werden den dortigen Hauptakteuren zu verstehen geben, daß Sie nicht gekommen sind, um sie für ihr religiöses Verhalten zu bestrafen […]. Sie werden sie wegen ihrer Religion weder behelligen noch zur Rechenschaft ziehen. Das setzt allerdings bei diesen voraus, daß sie in ihrem Verhalten so viel Bescheidenheit und Zurückhaltung an den Tag legen und Ihnen somit keinen Anlaß geben, anders gegen sie vorgehen zu müssen.“97 Dieser Repräsentant des Königs, der von Blaise de Monluc (1500/02–1577), einem Vertrauten Katharinas, begleitet wurde, interpretierte seinen Auftrag sehr weitgehend zu Gunsten der Reformierten. So dekretierte er am 8. Oktober 1561 in Agen, daß in denjenigen Städten der Guyenne, in denen es mehrere Kirchen gebe, jeweils eine den Reformierten zur Verfügung zu stellen sei. In den Städten, die nur über eine Kirche verfügten, sollte diese von den Katholiken und Reformierten alternativ genutzt werden. Immerhin betonte er, daß es sich dabei lediglich um provisorische Maßnahmen handele. Damit würden den Protestanten keine eigenen Kirchen (temples) konzediert. Die Nutzung von Kirchen durch die Reformierten werde nur „toleriert“, um den Ausbruch von Unruhen zu verhindern (pour éviter les troubles). Im übrigen stehe es nur dem König zu, in seiner „Güte und Macht“ (bonté et puissance) zu entscheiden, ob

du XVIe siècle, S. 372 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 126–130; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 269–284; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 99–102; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 142–147; Dargent, Catherine de Médicis, S. 153 ff. 97  „Vous ferez bien entendre aux principaux que vous ne venez point là pour les châtier pour le fait de la religion qu’ils tiennent […]. Pour leur religion, vous ne les molesterez ni travaillerez aucunement, pourvu aussi que de leur part ils se comportent avec tant de modestie et de discrétion qu’ils ne vous donnent occasion de changer de délibération.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 284.

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den „Kirchengemeinden, die als reformierte bezeichnet werden“ (Églises nommées réformées) das Recht eingeräumt wird, ihren Gottesdienst (culte) abzuhalten.98 Trotz des Scheiterns des Kolloquiums von Poissy und trotz der von militanten Katholiken und Reformierten immer wieder verursachten gewalttätigen Übergriffe war und blieb Katharina fest davon überzeugt, daß eine repressive Politik der Krone die Lage nur noch mehr eskalieren lassen würde. Eine solche Politik entsprach auch nicht ihrer generellen politischen Linie, die Monarchie, die Autorität des Königs nicht zum Spielball der miteinander um Macht und Einfluß konkurrierenden Clans und politisch-religiösen Parteien werden zu lassen. Im Interesse des Friedens und der Wahrung der Autorität Karls IX. sollte der König eine Position über diesen Clans und Parteien einnehmen. Das galt auch für sie, die Gouvernante de France. Sie wollte weder sich noch den König und dessen Geschwister – die Kinder Frankreichs – der Macht der Guise und der Montmorency, aber ebensowenig den Bourbonen und den mächtigen Anführern der Reformierten, also Condé, Coligny und d’Andelot, ausliefern. Deshalb war und blieb sie bemüht, diese Clans und Gruppierungen gegeneinander auszuspielen. Sie sollten sich wechselseitig blockieren, woraus sich größere Handlungsspielräume ergaben für das politische Agieren der Gouvernante de France und damit für die Krone. Die Ende 1561 von den friedfertigen Reformierten ausgesandten Signale konnte Katharina als Ermunterung auffassen, an ihrer auf Deeskalation setzenden Politik festzuhalten. Im November oder Dezember 1561 baten die Reformierten in einer dem Hof zugeleiteten Petition, „sich unserer Sache anzunehmen und zu veranlassen, daß unsere Glaubenslehre und unser Leben auf der Basis von Gottes Wort geprüft werden.“99 Sie ersuchten des weiteren darum, den außer Landes geflohenen Reformierten die Rückkehr nach Frankreich zu gestatten und ihnen zu erlauben, ihren Kultus in der Öffentlichkeit zu praktizieren an Orten, die ihnen von der Krone benannt werden sollten. Mit ihrer Petition erkannten diese Reformierten die Autorität des Königs implizit an, denn sie erhofften diese Konzessionen von der Gnade des Königs.100 In Anbetracht der skizzierten Entwicklungen und Gegebenheiten wurde Katharina klar, daß die zivile Sphäre von der religiösen getrennt werden müsse. Alle Franzosen – Katholiken und Reformierte – seien in gleicher Weise Untertanen des Königs und hätten dessen Gesetze zu befolgen. Es gehe jetzt vorrangig darum zu gewährleisten, daß die Katholiken und die „Untertanen, die sich zur neuen Religion bekannten“,101 in Frieden miteinander leben. Zur Beratung und Erarbeitung der dafür erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen berief sie eine Versammlung der „vornehmsten und renommiertesten 98  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 284 f., 417 f. 99  „[…] prendre connaissance de notre cause et commander que notre doctrine et notre vie soient exa­ minées selon la Parole de Dieu.“ Zitiert über Nicola Mary Sutherland, Princes, Politics and Religion, 1547–1589, London 1984, S. 125 f.; vgl. auch Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 286 f. 100  Sutherland, Princes, Politics and Religion, S. 132; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 287. 101  „sujets de la nouvelle religion“.

6.4 Kampf um Ziviltoleranz

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Präsidenten und Richter der obersten Gerichtshöfe“102 ein. Diese Versammlung, der insgesamt 49 Persönlichkeiten angehörten – hauptsächlich Angehörige der Parlamente –, trat am 3. Januar 1562 in Anwesenheit des Königs und der Gouvernante de France zu ihrer ersten Sitzung in Saint-Germain-en Laye zusammen. In seiner Eröffnungsrede stellte der Kanzler L’Hôpital fest, daß sich das Königreich am Rande eines Bürgerkrieges befinde. Diejenigen, die dem König raten werden, er solle sich ganz auf eine Seite schlagen, handelten so, als würden sie ihm sagen, er solle zu den Waffen greifen, um sozusagen ein Körperglied durch das andere bekämpfen zu lassen, was den Ruin des ganzen Körpers zur Folge haben werde.103 Es gehe hier nicht – so führte er weiter aus – um die Religion, sondern um das Gemeinwesen. Man könne dessen Bürger sein, ohne Christ sein zu müssen.104 Damit machte der Kanzler allen Teilnehmern klar, daß sie über praktisch-politische Lösungen und nicht über religiös-dogmatische Fragen beraten sollten. Es wurde Konsens darüber erzielt, daß den reformierten Pfarrern erlaubt werden sollte, in der Öffentlichkeit zu predigen. Mit einer Mehrheit von 27 Voten wurde aber die Forderung der Reformierten abgelehnt, ihnen eigene Kirchen innerhalb der Städte zu konzedieren. Das würde noch mehr Unruhe provozieren, wie es die Konflikte bewiesen, die durch die gewaltsame Inbesitznahme katholischer Kirchen durch die Calvinisten bereits ausgelöst worden seien. Wenn jedoch die Reformierten Kultstätten in den Vorstädten, also außerhalb der Stadtbefestigungen errichteten, würden ihre katholischen Mitbürger dagegen wohl keine Einwände erheben. Die Reformierten hätten allen Grund, sich mit dieser Erlaubnis zufriedenzugeben.105 Die Ergebnisse der Beratungen dieses Gremiums, die am 15. Januar 1562 beendet wurden, fanden Eingang in das von Karl IX. am 17. Januar unterzeichnete Edikt „über die Mittel, die am besten geeignet sind, um die in Sachen der Religion ausgebrochenen Unruhen und Aufstände beizulegen“106. Gemäß den Vorgaben Katharinas und mit Zustimmung der Mehrheit dieses Gremiums enthielt das Edikt ganz sorgfältig und sehr diplomatisch formulierte Maßnahmen und Konzessionen gegenüber den Reformierten, die aus der Sicht seiner Verfasser und der im Hintergrund agierenden Hauptakteure geeignet waren, die innere Lage zu entspannen. In der Präambel wurde festgestellt, daß sich die von den Vorgängern des Königs ergriffenen repressiven Maßnahmen als ineffizient 102  „principaux et plus notables présidents et conseillers des cours souveraines“. Cloulas, Catherine de Médicis, S. 168. 103  „[…] ceux qui conseilleront au roi de se mettre tout d’un côté font autant qu’ils lui disaient qu’il prît les armes pour faire combattre le membre par le membre, à la ruine du corps.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 287 f. 104  „Il ne s’agit pas ici de constutuenda religione, sed de constituenda republica, et plusieurs peuvent être ­cives, qui non erunt christiani.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 288; vgl. auch Loris ­Petris, La Plume et la Tribune. Michel de L’Hospital et ses discours (1559–1562), Genève 2002, S. 433–439. 105  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 168 f.; Sutherland, Princes Politics and Religion, S. 135; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 288; Le Roux, Le roi, la cour, l’État, S. 150. 106  „sur les moyens plus propres d’apaiser les troubles et séditions pour le fait de la religion“.

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erwiesen hätten. Danach wurden die Reformierten in den ersten Artikeln angewiesen, sämtliche Kirchen zu restituieren, derer sie sich in den Städten bemächtigt hatten. Ihnen wurde außerdem untersagt, jedwede Kulthandlung – auch keine private – innerhalb der Stadtmauern sei es am Tage oder in der Nacht vorzunehmen. Mit dieser Formulierung sollte dem Schwur Genüge getan werden, den jeder französische König bei seiner Krönung und Salbung ablegte, die (katholische) Kirche zu verteidigen. Außerdem sollten mit dieser Formulierung auch die katholischen Untertanen des Königs dahingehend beruhigt werden, daß sie sich um den Fortbestand ihres Glaubens keine Sorgen machen müßten. Um aber die zivile Eintracht zu erreichen, mußte man – was den Hauptakteuren klar war – den Reformierten Konzessionen machen. Das geschah mit folgendem, sehr sorgfältig formuliertem und abgewogenem Text: „Damit unsere Untertanen in Frieden und Eintracht leben und in der Erwartung, daß Gott uns die Gnade erweisen möge, sie wieder zu vereinen in der Obhut desselben Hirten [d. h. im Schoß der katholischen Kirche] […],“ wird „vorläufig und bis zur Entscheidung [eines] Generalkonzils“ verfügt, ein Moratorium „der sowohl im Edikt vom Juli [1561] als auch in den vorausgegangenen Edikten ausgesprochenen Verbote im Hinblick auf die Versammlungen, die am Tage außerhalb der genannten Städte stattfinden, um dort ihre Predigten, Gebete und andere Handlungen ihrer Religion zu verrichten.“107 Mit dieser verklausulierten Formulierung wurde den Katholiken, insbesondere den militanten unter ihnen, und anderen Kritikern der Politik der Regentin signalisiert, daß dies nur ein Gnadenakt des Königs war. Die Krone erlaubte damit den Reformierten nicht explizit, ihre Religion in den dargestellten Grenzen auszuüben, sie duldete es vielmehr nur.108 Faktisch war damit zwar die Existenz der reformierten Religion konzediert, aber nur provisorisch. Wenn in manchen Darstellungen ganz pauschal festgestellt wird, daß mit dem Januar-Edikt von 1562 die Existenz zweier Konfessionen von der Krone offiziell anerkannt worden sei, dann werden damit die im Edikt enthaltenen Einschränkungen und insbesondere die Relevanz der höchst verklausulierten Formulierungen unterschlagen.109 107  „Pour entretenir nos sujets en paix et concorde, en attendant que Dieu nous fasse la grâce de les pouvoir réunir et remettre en une même bergerie […], par provision et jusques à la détermination [d’un] concile général“ est en fait instauré un moratoire „des défences et peines apposées tant à l’édit de juillet [1561] qu’autres précédents, pour le regard des assemblées qui se feront de jour hors desdites villes pour faire leurs prêches, prières et autres exercices de leur religion.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 289. 108  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 289; Le Roux, Le roi, la cour, l’État, S. 150 f.; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 169; Solnon, Catherine de Médicis, S. 129 f. 109  So bei Appel, Katharina von Medici, S.  158. Ob man – wie Garrisson – vom „ersten Toleranzedikt“ (le premier édit de tolérance) sprechen kann, ist zumindest diskutabel. Garrisson, Catherine de Médicis, S. 102. Irreführend ist ebenso Garrissons Festellung, daß Frankreich das erste Land in Europa gewesen sei, in dem die Koexistenz von zwei Religionen durch ein Staatsgesetz garantiert worden sei. Garrisson, Catherine de Médicis, S. 103. Denis Crouzet hat überzeugend nachgewiesen, daß derartige Positionen auf einem eklatanten Mißverständnis des Januaredikts und der Intentionen Katharinas

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Im übrigen wurden die Amtsträger des Königs angewiesen, in ihren Zuständigkeitsbezirken für die Einhaltung von Ruhe und Ordnung zu sorgen. Sie sollten jeden Versuch – sei es von seiten der Protestanten oder der Katholiken – unterbinden, aus religiösen Motiven Unruhen oder Aufstände anzuzetteln. Wenn sie es für erforderlich erachteten, sollten diese königlichen Amtsinhaber selbst bei den Versammlungen der Reformierten präsent sein. Der Inhalt des Edikts und insbesondere die verschleiernde Art und Weise, in der die Konzessionen zu Gunsten der Reformierten formuliert worden waren, lassen erkennen, daß sich Katharina der Brisanz ihres Vorgehens sehr bewußt war. Sie rechnete mit den kritischen Reaktionen ihrer Gegner und trug ihnen antizipierend Rechnung. Tatsächlich stieß dieses Edikt sofort auf heftigen Widerspruch. Der spanische Botschafter, dem der Inhalt des Edikts von interessierter Seite bereits vor dessen Verkündung zugespielt worden war, bat Katharina unverzüglich um eine Audienz, die ihm auch gewährt wurde. In dieser Unterredung kritisierte er nicht nur die Tatsache, daß sie die Einberufung der Konferenz von Saint-Germain-en-Laye veranlaßt hatte, sondern er verurteilte auch den Inhalt des Edikts. „Dieses könne nur den völligen Ruin des Königreiches zur Folge haben, indem es in Frankreich eine Art Interim110 einführe und jedermann gestatte, nach seinem Ermessen zu leben.“111 In ihrer Erwiderung brachte Katharina ihr Erstaunen darüber zum Ausdruck, daß der Spanier so gut über Staatsgeheimnisse informiert war. Bei seinen Informanten, so führte sie aus, könne es sich nur um Feinde des Königs und ihrer selbst handeln. Deren Ziel sei es, die Menschen gegeneinander aufzuwiegeln und somit die Ruhe und den Frieden in der ganzen Christenheit zu gefährden. Sie habe mit dem Edikt nur das realisiert, wozu ihr die in Poissy versammelten Prälaten geraten hätten.112 beruhen. Crouzet, Dieu en ses royaumes, S.  243–350. Vgl. auch Hugues Daussy, Le parti huguenot. Chronique d’une désillusion (1557–1572), Genève 2014, S.  472–492; ders., Entre sécurité et garantie. Places fortes et places de sûreté dans le discours politique huguenot de la seconde moitié du XVIe siècle, in: Horst Carl, Rainer Babel, Christoph Kampmann (Hrsg.), Sicherheitsprobleme im 16. und 17. Jahrhundert. Bedrohungen, Konzepte, Ambivalenzen. Problèmes de Sécurité aux XVIe et XVIIe Siècles. Menaces, Concepts, Ambivalences (=Politiken der Sicherheit/Politics of Security, Bd. 6), Baden-Baden 2019, S. 195–211; hier S. 196 f. 110  In der Kirchengeschichte bedeutet der Begriff Interim, daß in einer strittigen Angelegenheit der Religion bis zu einer endgültigen Entscheidung durch ein Konzil eine vorläufige Regelung gelten soll. Im Reich wurde den Protestanten nach ihrer Niederlage im Schmalkaldischen Krieg (1546–1547) auf dem „geharnischten Reichstag“ von Augsburg im Juni 1548 von Kaiser Karl V. das Augsburger Interim auferlegt. Darin wurde die Wiederherstellung der katholischen Kirche im ganzen Reich unter nur geringen Konzessionen an den lutherischen Kultus (Priesterehe, Abendmahl unter beiderlei Gestalt) verfügt. Gegen heftigen Widerstand konnte das Interim nur dort durchgesetzt werden, wo dem Kaiser genügend Truppen zur Verfügung standen. 111  „[…] qui ne pouvait apporter que la ruine totale du royaume, tendant à y metrre une forme d’Interim et laisser vivre tout le monde à sa discrétion.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 132. 112  „Je n’ai fait que ce que les principaux de l’Église et des évêques assemblés dernièrement à Poissy m’ont conseillé.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 133.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Weil Katharina bekannt war, daß der Kaiser Ferdinand I. ihre Religionspolitik ebenfalls nicht nur mit großem Mißtrauen verfolgte, sondern ihr auch ein heimliches Einvernehmen mit den Protestanten unterstellte, ließ sie ihm bereits am 22. Januar 1562 eine Kopie des Januar-Edikts übermitteln. In dem Begleitschreiben an den französischen Botschafter in Wien betonte sie, daß dieses Edikt rein pragmatischer Natur sei. Sie habe damit nur die innerfranzösische Lage befrieden und keineswegs etwas gegen die katholische Kirche unternehmen wollen. Der französische Botschafter solle dies seinem Gesprächspartner deutlich machen und ihm gegenüber hervorheben, daß sie sich nur von einer Passion leiten lasse, nämlich von ihrem Wunsch, die Einheit der Kirche und die Ruhe des Königreichs zu bewahren.113 In diesem Sinne hatte Katharina bereits am 31. Januar 1561 auch an Sébastien de L’Aubespine, den französischen Botschafter in Madrid, geschrieben. In ihrer Depesche wurde dieser beauftragt, mit Philipp II. das ganze Dossier zu erörtern und diesen davon zu überzeugen, daß dessen Befürchtungen im Hinblick auf ihre Religionspolitik völlig unbegründet seien: „[…] ich werde, wie es meine Pflicht ist, den Schutz der Religion und des katholischen Glaubens gewährleisten und keinerlei Neuerungen zulassen“.114 Mit großem Nachdruck ließ die Regentin Philipp  II. über ihren Botschafter bitten, dieser solle keineswegs denen Glauben schenken, die ihm völlig falsche Informationen über ihre Intentionen zukommen ließen. Sie ließ den spanischen König darauf hinweisen, daß für viele Akteure die Religion nur ein Vorwand sei, um egoistische Ambitionen zu realisieren.115 Anfang Januar 1562 kam Katharina in einem Schreiben an Philipp II. auf diese ganze Problematik zurück. Darin führte sie unter anderem aus: Aber die Religion ist ein Deckmantel, dessen man sich oft bedient, um böse Absichten zu kaschieren. Aus diesem Grund bitte ich Sie, mein Herr Sohn darum, als weiser, vorsichtiger und kluger Fürst sehr aufmerksam die Absicht derer zu prüfen, die sich dieses Deckmantels bedienen, aber mit der Religion nichts im Sinn haben. Wenn also einer von jenen es darauf anlegt, daß Sie seine Leidenschaft als entschiedenen Einsatz zu Gunsten der Religion interpretieren, dann schenken Sie dessen Beteuerungen ebensowenig Glauben wie es Ihre Majestät auch gegenüber dessen Handlungen nicht tun möge. Und weil es nicht schwer ist, zu wissen, daß bei denjenigen, die sich bei jeder Gelegenheit über die Ungleichheit beklagen, die Sie im Hinblick auf die Verirrten und die Katholiken anführen, die Leidenschaft die Vernunft dominiert, kann ich Ihnen, mein Herr Sohn, versichern, daß ich immer einen 113  [22. Januar 1562] „A Monsieur de Rennes. Monsieur de Rennes, […] choses que vous ferez entendre à l’Empereur mon bon frère, affin que, sçachant la sincérité de mes actions, il juge s’il y a autre passion en cela qui me meuve que le seul désir que j’ay à l’union de l’église et au repos de ce dict royaulme et si je y procède par autre voye que sçauroit faire parmy tant de troubles la plus chrestienne et catolique princesse qui soit aujourd’huy en la Chrestienté […].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 269–272; Zitat S. 272. 114  „je tiendray la main comme je doys à l’entretien de la religion et de la foy catholique, sans permettre que chose au monde y soyt innovée“. 115  Siehe Auszüge dieses Schreibens in Anm. 22, S. 142, dieses Kapitels 6.

6.4 Kampf um Ziviltoleranz

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großen Unterschied machen werde zwischen denjenigen, die sich an unsere gute Religion [Katholizismus] halten, und den anderen, die sich von dieser entfernen. Ich bedauere es sehr, daß das Alter des Königs, meines Sohnes, und die Unruhen, die ich – als er auf dem Thron nachfolgte – vorgefunden habe, es mir nicht vergönnt haben, aller Welt zu beweisen, was mich in meinem Herzen bewegt. Diese Umstände haben mich gezwungen, viele Dinge zu tun, die ich unter anderen Gegebenheiten nicht getan hätte. Und was den Rat anbetrifft, den Sie mir in dieser Sache erteilen, kann ich nur sagen, daß ich ihn wegen der Minderjährigkeit des Königs, meines Sohnes, nicht befolgen kann, weil ich nicht gegen die Gesetze des Königreiches handeln kann, ohne alles nur noch mehr zu zerrütten […].116

Damit wollte Katharina Philipp II. klarmachen, daß sie nur unter dem Zwang der gegebenen Probleme pragmatisch agiert habe. Sie sei und bleibe aber Katholikin und werde sich auch weiterhin mit friedlichen Mitteln und guten Argumenten für die Wiederherstellung der Einheit im Glauben sowie für den Erhalt von Frieden und Ruhe in Frankreich mit aller Kraft einsetzen. Auf Grund der Kritik, die sich unter den französischen Katholiken immer massiver gegen das Januar-Edikt artikulierte, sah sich Katharina am 14. Februar 1562 zur Veröffentlichung einer Erklärung des Königs gezwungen. Darin wurde noch einmal betont, daß es sich bei den Maßnahmen im Hinblick auf die Reformierten lediglich um ein Provisorium handele. Das Edikt „habe nur provisorischen Charakter und mit dieser Ordonnanz sei keineswegs beabsichtigt gewesen, der Existenz zweier Religionen im Königreich zuzustimmen“.117 Aber auch diese präzisierende offizielle Verlautbarung des Königs reichte dem Pariser Parlament nicht aus, um den Text des Januar-Edikts in seine Register zu übertragen, damit es als authentisches Dokument bei allfälligen juristischen Auseinandersetzungen herangezogen werden konnte. Die Verweigerung der Einregistrierung 116  [Anfang Januar 1562] „A Mr mon fils le Roy Catolyque. Monsieur mon fils, […] mès la religion ayst heune couverture, dont sovent l’on se sert pour cacher heune mauvèse volanté, et pour sete cause je vous prie, monsieur mon filz, pour aystre prinse sage, prudent et avisé, aysaminé bien l’intention de seus qui se servet de set manteaulx et setpendent n’on rien moins que la religion au cour, afin que si quelque heun seubz set hombre vous volet yntrepéter sa pasion heun zelle de religion, vous leui ajoutiés ausi peu de fouys, come ses actions feront e mestre à V. M. en devoyr aystre peu ajousté et d’autant qu’il est aysé à conestre que la pasion domine plus que la rayson en seus qui prandroynt sete aucasion de se playndre de l’ynégalité que vous alégués aystre les dévoyés et les catoliques, je vous puis aseurer, monsieur mon fils, que je fayré tousjour grande diféranse entre seus qui tiene nostre bonne religion et les aultres qui s’en départent, et suis bien marrie que aage du Roy mon fils et lé troubles que j’aye trové à l’avénement de sa couronne ne m’on permis d’avoyr peu fayre conestre à tou le monde set que je an né dans le cour et m’ont contreynt fayre bocup de chause que en heun aultre sayson je n’euse fayt; et quant au consel que seur se me donnés, set chause que durant la minorité du Roy mon fils je ne dois fayre, d’aultant que je ne peu aller au contrère dé loys du royaume s’an troubler touttes chauses […]. Vostre bonne seur et afectionné mère, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 264 f. – Der von Dargent, Catherine de Médicis, S. 159 f., wiedergegebene modernisierte Text enthält eine Reihe von Fehlern. 117  Das Januar-Edikt ist erlassen „par manière de provision et sans que par notre ordonnance nous ayons entendu approuver deux religions en notre royaume“. Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 292.

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durch das Pariser Parlament am 18. Februar 1562 hatte den für die Krone höchst mißlichen Effekt, daß das Edikt in dem großen Zuständigkeitsbereich dieses Obersten Gerichtshofes in der Praxis nicht realisiert werden konnte. Erst nach tagelangen Verhandlungen und zweier schriftlicher Anweisungen (lettres de jussion) des Königs gab das Pariser Parlament seinen Widerstand am 6. März auf. Bei den Parlamenten in Aix und in Dijon mußte die Krone ebenfalls mit Nachdruck intervenieren, um auch dort die Einregistrierung des Edikts zu erzwingen.118 Wenn sich Katharina aus den dargelegten Gründen für die Durchsetzung der zivilen Eintracht beziehungsweise der Ziviltoleranz im Königreich engagierte, dann darf das nicht insofern mißverstanden werden, als habe sie damit eine konfessionelle Toleranz gemeint in dem Sinne, wie uns dieser Begriff heute geläufig ist. Wenn die Gouvernante de France nachdrücklich für ein friedliches Zusammenleben und Miteinander der Menschen – also der Katholiken und Reformierten, ohne letztere direkt so zu bezeichnen – plädierte, dann propagierte sie damit ganz sicher nicht Toleranz im modernen Sinne, in jenem Verständnis, wie sie uns seit der Aufklärung bekannt ist.119 Sie trat nicht für Religionsfreiheit ein, wie sie erst viel später in den Menschenrechtsdeklarationen der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und der Französischen Revolution verfassungsmäßig verankert worden ist als ein unveräußerliches Recht eines jeden Individuums, sich seinem persönlichen Gewissen gemäß für eine Religion zu entscheiden und seinen Glauben in der Öffentlichkeit zu bekunden und zu praktizieren. Katharina war – und nur wenn es nicht anders möglich war, um die Erhaltung und Sicherung des inneren Friedens zu gewährleisten, – allenfalls bereit, die Protestanten vorübergehend zu dulden, zu tolerieren, und ihnen gewisse konfessionelle und zivilrechtliche Konzessionen zu gewähren. Sie hat immer wieder betont, daß sie an dem Ziel der Wiederherstellung der Glaubenseinheit in der Monarchie – allerdings auf friedliche Weise und mit dem Mittel der Überzeugung – festhalte.120 Eine intransigente katholische Dogmatikerin war sie indessen nicht. An der Rechtgläubigkeit und an der Treue Katharinas gegenüber dem Katholizismus zu zweifeln, erachtete auch Papst Pius IV. (1559–1565), dessen Pontifikat von seiner nüchternen Klugheit und Maßhaltung geprägt wurde, für haltlos. So ließ er am 20. März 1562 Philipp II. folgende Aussage übermitteln: „Man hat mir sehr oft gesagt, daß die Königin 118  Zum Gesamtkomplex des Edikts vom 17. Januar 1562 siehe: Cloulas, Catherine de Médicis, S. 169 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 295 f.; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 102; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 84–86; Solnon, Catherine de Médicis, S. 130–134; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S.  288–294; Pigaillem, Catherine de Médicis, S.  142  f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 158 ff.; Appel, Katharina von Medici, S. 158 f. 119  Zum Gesamtkomplex: Hans R. Guggisberg, Wandel der Argumente für religiöse Toleranz im 16. und 17. Jahrhundert, in: Heinrich Lutz (Hrsg.), Zur Geschichte der Toleranz und der Religionsfreiheit (=Wege der Forschung, Bd. 246), Darmstadt 1977, S. 455–481; Klaus Malettke, Kommentar zum Beitrag von Stefi Jersch-Wenzel, „Toleranz und Ökonomie im 18. Jahrhundert“, in: Frédéric Hartweg, Stefi Jersch-Wenzel (Hrsg.), Die Hugenotten und das Refuge: Deutschland und Europa (=Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 74), Berlin 1990, S. 159–164. 120  So auch Crouzet, Dieu en ses royaumes, S. 343–350.

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eine Hugenottin sei; ich habe das niemals geglaubt. Ich weiß, daß sie sich niemals vom Heiligen Stuhl trennen wird, wo sie aufgewachsen ist und ihre Erziehung erfahren hat. Ich weiß, daß sie den Glauben ihrer Vorfahren, ihres Geschlechts, nicht verleugnen wird.“121 6.5

Der Ausbruch der politisch-konfessionellen Bürgerkriege

Im Gefolge der offenen Opposition des Triumvirats, der Parlamente und des größten Teils der französischen Katholiken gegen das Januar-Edikt nahm auch der Druck auf Anton von Bourbon, den Lieutenant général du royaume, zu, seine zumindest nach außen hin zwiespältige Position in der Frage der Konfession aufzugeben und sich eindeutig für die Sache des Katholizismus zu erklären. In diesem Sinne übte nicht nur Franz von Guise, sondern auch Philipp II. Pressionen auf ihn aus. Ende Januar 1562 entschied sich Bourbon und erklärte sich gegen das Januar-Edikt. Dabei dürften aber wohl auch mehr oder minder ernstgemeinte Angebote des spanischen Königs eine Rolle gespielt haben, ihm Herrschaften in Italien oder in den Niederlanden zu verschaffen. Navarra war ebenso wie die Guise für den spanischen König eine wichtige Figur im Rahmen seiner Frankreichpolitik und seines Agierens gegen die Kompromißpolitik Katharinas. Mit größter Sorge hatte auch der Botschafter Philipps II. am französischen Königshof beobachtet, daß die Guise bei der Gouvernante de France immer mehr an Einfluß verloren hatten und kaum noch etwas zu bewirken schienen. Dies war jedenfalls der Tenor des Schreibens, das der spanische Diplomat unter dem Datum des 26. Novembers 1561 nach Madrid gesandt hatte. Darin führte er unter anderem aus: Die Dinge werden jeden Tag mit mehr Wucht zugrunde gerichtet, und wenn Gott in seinem Erbarmen dies nicht abwehrt, werden die Katholiken irgendwann an einem Punkt angelangt sein, von dem der Untergang nicht mehr weit sein wird und die Guise ihrem Verderben entgegenblicken. Wenn diese auf irgendeine Weise an den Hof gelangen, sehe ich es als gewiß an, daß der Herzog von Guise festgenommen wird. Ich werde unternehmen, was ich kann, um die zu unterstützen, die hier ihren guten Willen gegenüber Eurer Majestät an den Tag legen; die anderen muß man mit Blick auf die Problematik Flanderns im Auge behalten, da sie gemeinsame Sache mit jenen machen.122

Im Hinblick auf Bourbon hatten des Botschafters Bemühungen offensichtlich den erwünschten Erfolg. Was den zweiten Punkt seines Schreibens betrifft, nämlich das Agieren der anderen in Flandern, war das weniger der Fall, denn unter den reformierten 121  „On m’a dit bien souvent que la reine était huguenote; je ne l’ai jamais cru. Je sais qu’elle ne se séparera jamais du Saint-Siège, d’où lui est venue son élévation. Je sais qu’elle ne reniera pas la foi de son lignage.“ Zitiert über Lucien Romier, Le Royaume de Catherine de Médicis. La France à la veille des guerres de Religion, 2 Bde., Paris 1925; Zitat, Bd. 1, S. 48 f.; Nachdruck in einem Band, Genève 1978. Vgl. auch Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 293. 122  In deutscher Übersetzung zitiert über Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 114.

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Hauptakteuren und innerhalb der Gemeinden der französischen Reformierten generell nahm der Wunsch zu, ihre Glaubensbrüder in den Niederlanden, die gegen die repressive Politik Madrids rebellierten, auch unter Einsatz von Waffengewalt zu unterstützen. Mit dem offenen Frontwechsel Bourbons auf die Seite der Triumvirn sahen sich diese zu Recht gestärkt. Dieser Meinung waren auch Coligny und d’Andelot, so daß sie ihrerseits den Hof verließen. Das war ein spektakuläres Signal in der damaligen politischen Lage. Für Franz von Guise eröffnete sich damit die Chance, wieder an den Hof zurückzukehren. Katharina mußte reagieren, um ihre Politik des Ausgleichs und der Sicherung der Autorität des Königs über den miteinander konkurrierenden politisch-konfessionellen Clans und Parteien hinweg fortsetzen zu können. Sie blieb ihrer Linie treu, niemals aufzugeben. Wenn sie auf der einen Seite einen Rückschlag hinnehmen mußte, handelte sie desto engagierter auf anderen Ebenen. Das tat sie auch in der damaligen Lage. Bereits am 31. Januar 1561 und abermals Anfang Januar 1562 hatte sie Philipp II. die Botschaft zukommen lassen, daß die Gegebenheiten in Frankreich im Hinblick auf die Religion keineswegs so besorgniserregend seien, wie man es ihm von interessierter Seite zu suggerieren sich bemühe. Sie habe die Lage nach wie vor unter Kontrolle. Aber gegenüber dem Erzherzog Maximilian von Habsburg (1527–1576, als Maximilian II. Kaiser 1564–1576) hatte sie signalisieren lassen, daß sich die Dinge zum Schlechteren zu entwickeln drohten. Maximilian möge sich beim Papst dafür verwenden, dieser möge sich bei den Beratungen des Konzils von Trient – die am 18. Januar 1562 wieder aufgenommen wurden – konziliant erweisen. Werde das nicht der Fall sein, so würden sie und diejenigen, die in Frankreich die politische Verantwortung trügen, sich gezwungen sehen, zu handeln „wie die schwer Erkrankten, die alle Medizinen ausprobieren und – wenn alles nicht hilft – schließlich zu einem extremen Mittel greifen“123. Sie wollte damit wohl einerseits ihr eindeutiges Festhalten am katholischen Glauben und andererseits auch unterstreichen, daß sie die Hoffnung nicht aufgegeben habe, daß auf dem Konzil von Trient doch noch Ergebnisse erreicht werden könnten, mit denen die Einheit im Glauben zu gewährleisten sei. Sollte sie damals tatsächlich noch diese Hoffnung im Hinblick auf das Konzil von Trient gehabt haben, wurde sie darin durch die kommenden Ereignisse und Entwicklungen enttäuscht. Am 1. März 1562 ereignete sich in Vassy (auch Wassy genannt), einem Städtchen der Champagne mit rund 3.000 Einwohnern, jenes blutige Geschehen, das unter dem nicht ganz zutreffenden Namen „Massaker von Vassy“ in die Geschichte eingegangen ist. Es löste eine Kette von gewalttätigen Auseinandersetzungen und wechselseitigen Mordtaten zwischen intransigenten Katholiken und Calvinisten aus, die das bisher Geschehene an Brutalität und im Hinblick auf das Ausmaß übertrafen. Diese gewaltsamen Auseinandersetzungen mündeten schließlich in innerfranzösische militärische .

123  „[…] comme les bien fort mallades qui essayent toutes medecines et à la fin sont contraintz de venir à l’extresme remede.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 172; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 214 f.

6.5 Der Ausbruch der politisch-konfessionellen Bürgerkrieg

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Konflikte, die allgemein und die realen komplexen Vorgänge sowie die Hintergründe stark vereinfachend als „Religionskriege“ bezeichnet werden. Sie waren aber sowohl religiöse als auch politisch motivierte Bürgerkriege, so daß im folgenden der Terminus Bürgerkrieg verwendet wird. Auf dem Weg zum Hof Karls IX. gelangte Franz von Guise, der wieder an politischem Einfluß gewonnen hatte, in Begleitung eines beachtlichen Gefolges nach Vassy. In diesem Städtchen, das zu dem Bezirk gehörte, in dem er administrative Funktionen wahrnahm, machten er und sein Troß Halt, um die Messe zu besuchen. Auf dem Weg dorthin wurden er und seine Begleiter einer Versammlung gewahr, die in einer Scheune abgehalten wurde, welche sich höchstwahrscheinlich innerhalb der Mauern des Ortes befand. An dieser Versammlung nahmen ca. 600 Hugenotten teil. Damit war aber der Tatbestand der Verletzung des Edikts vom Januar 1562 gegeben, denn den darin enthaltenen Regelungen zufolge waren reformierte Gottesdienste innerhalb von Städten verboten; außerhalb der Stadtmauern waren sie nur am Tage gestattet.124 Franz von Guise beauftragte zunächst drei Männer, sich zum Versammlungsort der Reformierten zu begeben, um genauere Informationen über das dortige Geschehen einzuholen. Als diese dort eintrafen, sollen sie nicht nur mit Verbalattacken empfangen worden sein. Die Hugenotten ließen die Pforten schließen. Steine sollen nicht nur in Richtung der Emissäre, sondern auch auf den inzwischen am Ort des Geschehens eingetroffenen Herzog von Guise geschleudert worden sein. Daraufhin soll dieser seinen Männern den Befehl erteilt haben, einzuschreiten. Die Lage geriet schließlich außer Kontrolle. Zwischen 25 und 50 unbewaffnete Hugenotten wurden getötet. Es gab rund 150 weitere Verletzte. „Bei differenzierter Sicht der Dinge läßt sich also festhalten, daß die Härte des Vorgehens sicher diskussionswürdig ist; aber es wäre wissenschaftlich unredlich, den genauen Vorgang zu verschweigen und außer acht zu lassen, daß sich die versammelten Hugenotten über eindeutige Bestimmungen des königlichen Edikts hinweggesetzt und mit Provokationen nicht gespart hatten.“125 In der ohnehin schon aufgeheizten innenpolitischen Lage hatte das Geschehen von Vassy, dessen detaillierter Ablauf noch immer nicht völlig aufgeklärt ist, die Wirkung eines Funkens, der das Pulverfaß zur Explosion brachte. Anfang April 1562 begann der Erste Bürgerkrieg, dessen Ausbruch sich bereits seit 1560 abgezeichnet hatte. In diesem Krieg entluden sich die aufgestauten politisch-konfessionellen Spannungen und Antagonismen im Königreich. Für die Hugenotten war es das Gemetzel (tuerie) von Vassy, das den Beginn des Ersten Bürgerkrieges markierte. Für die Katholiken hingegen war dafür das Agieren Condés verantwortlich, der am 2. April 1662 zu den Waffen griff.126 124  Vgl. Kap. 6.4, S. 175 ff. 125  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 118. 126  Zum „Massaker von Vassy“: Cloulas, Catherine de Médicis, S.  170  f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 303 ff.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 395 f.; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 107 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 137 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 314 f.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 143 f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 160–163; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 268 f.;

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Katharina hielt sich in ihrem Schloß Monceaux auf, als sie am 8. März 1562 die für sie sehr beunruhigende Nachricht von den Ereignissen in Vassy erhielt. Dieses kleine Schloß, welches das Tal der Marne beherrschte, schätzte sie wegen seiner Abgeschiedenheit sehr, denn hier fand sie Ruhe und Entspannung. Ohne über präzise Informationen des Geschehens zu verfügen, konnte sie nicht beurteilen, ob es sich um ein ungewolltes Unglück handelte, wie es Franz von Guise verlauten ließ, oder um einen geplanten Akt der Aggression, wie es von seiten der Reformierten behauptet wurde. Deren Klagen und Anschuldigungen nahmen alsbald bedrohliche Formen an. Katharina erkannte die Brisanz dieses Ereignisses, zumal die Mehrheit der sich voller Glaubenseifer artikulierenden Katholiken nicht nur klammheimliche Freude über das Vorgehen des Herzogs von Guise empfand. In deren Augen hatte er als engagierter Verteidiger des „wahren“ Glaubens gehandelt. Der calvinistische Publizist und Lehrer an der Lateinschule und am Gymnasium von Straßburg, der Wiege der späteren Universität127, François Hotman, berichtete in seiner 1577 publizierten Biographie Colignys wie folgt über das Geschehen von Vassy: […] als die Erholung des Staates, der zu atmen begonnen hatte, herbeigeführt zu sein schien, und nachdem in den Vierteln der größten Städte […] die Predigt möglich geworden war, traf die Neuigkeit ein, daß der Herzog von Guise, der sich in die Champagne zurückgezogen hatte, ein Massaker in der Stadt Vassy an ungefähr 200 Personen verübt hatte, die unter der Garantie des königlichen Edikts an der Predigt teilnahmen, Psalmen singend und Gott preisend.128

Um sich aus erster Hand berichten zu lassen, bestellte Katharina Franz von Guise zu sich nach Monceaux. Dieser mißachtete jedoch die Aufforderung und zog es vor, sich in Begleitung und unter dem Schutz von Bewaffneten nach Paris zu begeben. Wie der englische Botschafter berichtete, traf er dort in Begleitung von 3.000 Edelmännern am 16. März 1562 ein. Vom Konnetabel Montmorency und den Parisern wurde er geradezu wie ein Triumphator empfangen. Sie erwiesen ihm königliche Ehren, indem sie ihm den feierlichen Einzug von der „Pforte des Heiligen Martin“ (Porte de Saint-Martin) bis zum Le Roux, Le roi, la cour, l’État, S. 157; Appel, Katharina von Medici, S. 159 f.; Harm Klueting, Das Konfessionelle Zeitalter 1525–1648, Stuttgart 1989, S. 241; Lucien Romier, Catholiques et Huguenots à la cour de Charles IX. Les États généraux d’Orléans, le colloque de Poissy, le ‚concordat‘ avec les protestants, le massacre de Vassy (1560–1562], Paris 1924, S. 320 f. 127  Dazu: Anton Schindling, Histoire du Gymnase Jean Sturm. Berceau de l’Université de Strasbourg 1538– 1988, Strasbourg 1988. 128  „[…] comme le repos de l’estat, qui commençoit a respirer, sembloit estre establi, & que dans les faubourgs des plus grandes villes […] le presche se faisait paisiblement, arriuerent les nouvelles, que le Duc de Guise, qui s’etoit retiré en Champagne, auoit faict massacrer, en la ville de Vassy, environ deux cens personnes, qui soubs l’asseurance de l’Edict du Roy estoient au presche, chantans des psaumes, & prians Dieu.“ François Hotman, La Vie de Messire Gaspar de Coligny Admiral de France [1577], Faksimile der Edition Elzévier von 1643, hrsg. von Émile V-Telle, Genève 1987, S. 32. Deutsche Übersetzung des Zitats von Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 117 f.

6.5 Der Ausbruch der politisch-konfessionellen Bürgerkrieg

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Rathaus gewährten, also einen Einzug, der normalerweise dem König zustand. ­Innerhalb kurzer Zeit war in der Kapitale das Triumvirat, sozusagen der Generalstab der militanten Katholiken, versammelt, deren Intention es war, das Januar-Edikt annullieren zu ­lassen.129 Die Reaktionen und das Agieren Katharinas in jenen Tagen lassen unzweifelhaft erkennen, daß sie erkannt hatte, daß sich das Königreich am Rande des Ausbruchs eines Bürgerkrieges befand. Um das zu verhindern, bemühte sie sich unverzüglich, durch in ihrer Sicht geeignete Maßnahmen und Kontaktaufnahmen die höchst gefährliche Lage zu entspannen und die potentiellen Kandidaten davon abzuhalten, zu den Waffen zu greifen. Wegen der unsicheren Lage in Paris und um zu vermeiden, unter die Kontrolle der sich dort aufhaltenden Triumvirn, denen sich Bourbon angeschlossen hatte, zu geraten, zog es Katharina einstweilen vor, die Kapitale zu meiden und sich mit dem König nach Fontainebleau zu begeben. In Paris hielt sich in jenen Tagen jedoch auch Condé auf, der von Hunderten reformierter Adliger Unterstützung erfuhr. Das Agieren Katharinas in jenen Tagen läßt einmal mehr erkennen, welcher subtiler und auf den jeweiligen Adressaten exakt abgestimmter Mittel sie sich bediente, um ihre Position nicht zwischen den Fronten zerrieben zu sehen bzw. um nicht in eine Falle zu geraten. Noch am 16. März 1562, also am Tage des Eintreffens des Herzogs Franz von Guise in Paris, ließ sie Ludwig von Condé ein Schreiben zukommen. Diesem Schreiben ­folgten bis zum 26. März drei weitere Briefe. Sie schrieb an Condé, den Bruder von Bourbon, die beide nun aus konfessionellen und politischen Motiven verschiedenen Lagern angehörten, folgende Zeilen: „Ich sehe so viele Dinge, die mir mißfallen, daß ich noch ärgerlicher wäre, wenn ich nicht auf Gott und auf Ihre Versicherung vertrauen könnte, daß Sie mich – trotz der Aktivitäten derer, die alles zugrunde richten möchten – darin unterstützen, das Königreich zu bewahren und dem König zu Diensten zu sein. Aber ich hoffe, daß wir mit Ihrem guten Rat und Ihrer Hilfe alles zum Guten wenden können.“130 Sie bat Condé, sich für sie, ihre Kinder und das Königreich zu engagieren. „Ich werde niemals vergessen“, so fuhr sie fort, „was Sie für mich tun. Sollte ich sterben, bevor ich Ihnen gegenüber mein Versprechen einlösen kann, wozu ich fest entschlossen bin, werde ich meinen Kindern eine entsprechende Instruktion hinterlassen […] Ich bitte Sie, zu glauben – und ich bin mir sicher, daß Sie es erkennen –, daß alles, was ich tue, dazu dient, den Frieden und die

129  Vgl. dazu: Cloulas, Catherine de Médicis, S. 170; Orieux, Catherine de Médicis, S. 306 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 397; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 107 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 137 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 214 f.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 145; Dargent, Catherine de Médicis, S. 162; Le Roux, Le roi, la cour, l’État, S. 158. 130  [16.–26. März 1562] „A mon cousin, Monsieur le prince de Condé. Mon cousin, je voy tant de choses qui me déplaisent que, si ce n’estoit la fiance que j’ay en Dieu, et asseurance en vous que m’ayderez à conserver ce royaume et le service du Roy mon filz, en despit de ceulx qui veullent tout perdre, je seroys encores plus faschée; mais j’espère que nous remédirons bien à tout avec vostre bon conseil et ayde. […] Vostre bonne cousine, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 283.

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Ruhe wiederherzustellen. Ich weiß, daß Sie das ebenso wünschen wie Ihre gute Cousine Katharina.“131 Vergegenwärtigt man sich die politischen Leitlinien Katharinas und ihre politischen Überzeugungen, dann ist auszuschließen, daß sie sich in Anbetracht der damaligen Umstände auf die Seite Condés und seiner reformierten Gefolgschaft schlagen wollte. Damit hätte sie sich in deren Abhängigkeit begeben, was sie jedoch keineswegs wollte. Wie Denis Crouzet überzeugend dargelegt hat, handelte sie bereits damals viel subtiler. Sie wußte, daß ihre Schreiben an Condé und deren Inhalt den Triumvirn nicht verborgen bleiben würden. Ja, sie zog sogar in ihr politisches Kalkül mit ein, daß sie davon Kenntnis erhielten. Sie wollte Franz von Guise, Montmorency und Bourbon auf diese subtile Weise unter Druck setzen und ihnen mit diesem Winkelzug signalisieren, daß sie riskierten, in der Politik marginalisiert zu werden, wenn sie an ihren Optionen festzuhalten gedachten. Das Ziel Katharinas war es, sie alle wieder am Hof zusammenzuführen und sie davon zu überzeugen, daß es auch in ihrem wohlverstandenen Interesse läge, sie – die Gouvernante de France – in ihrer Politik der concorde civile zu unterstützen. Auf dem Umweg über Condé wollte Katharina an dessen Bruder Bourbon appellieren, er solle seine Positionen modifizieren. Sollte sie damit beim Bourbonen Erfolg haben, so hoffte sie, über ihn auch die Triumvirn wieder für ihre Politik der Milde gewinnen zu können. Es ging Katharina in letzter Konsequenz darum, nicht in eine Falle, in einen Hinterhalt ihrer Gegner zu geraten.132 Die subtilen Aktivitäten Katharinas hatten aber nicht den gewünschten Erfolg. Bereits am 10. März 1562 hatte Condé an die reformierten Kirchen von Paris aus eine Mobilisierungsorder ergehen lassen. Gleichzeitig hatte er die Regentin aufgefordert, dem Herzog Franz von Guise zu untersagen, in die Kapitale zu kommen. Als dieser dann doch am 16. März in Begleitung einer großen Zahl von Adligen in Paris einzog, durfte Condé – von Katharina ausdrücklich autorisiert – den Hof verlassen, sich zu seinem Schutz bewaffnen und sich in die Picardie begeben. Er zog es dann aber vor, ebenfalls wieder nach Paris zurückzukehren und an einem reformierten Gottesdienst teilzunehmen. Am folgenden Tag schickte Katharina den Kardinal Karl von Bourbon und zwei Marschälle Frankreichs nach Paris mit der Mission, Condé und die Triumvirn aufzufordern, sich aus der Kapitale zu entfernen. Franz von Guise und Montmorency sandten jedoch den Marschall von Brissac (Charles de Cossé, comte de Brissac, 1505–1563), den damaligen Kommandeur von 131  [16–26. März 1562] „A mon cousin, Monsieur le prince de Condé. Mon cousin, je vous remercye de la peine que prenez de si souvent me mander de voz nouvelles et pour espérer vous veoir bientost, je ne vous feray plus longue lectre, et vous prye seullement vous asseurer que je n’oublyeray jamais ce que vous faictes pour moy et, si je meurs avant d’avoir le moyen de le pouvoir recongnoistre, comme j’en ay la voulonté, j’en lairray [laisserais] une instruction à mes enffans. […] je vous prye de croire, et m’asseure que vous connoistrez que tout ce que je faictz est pour remectre tout en paix et en repoz, ce que je sçay que désirez autant que Vostre bonne cousine, Caterine“. Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1563–1563), S. 283 f. 132  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 268–273.

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Paris, zur Regentin nach Monceaux zurück. Er war beauftragt, dieser auszurichten, daß sie nicht das Risiko eingehen möchten, Paris einem Häretiker, also Condé, zu überlassen.133 In klarer Erkenntnis, daß sich damit die Lage in Paris weiter zuspitzte, und in Reaktion auf die zunehmende Unzufriedenheit der Pariser mit François de Montmorecy, dem Gouverneur der Kapitale, den man zu großen Entgegenkommens gegenüber den Reformierten verdächtigte, löste Katharina diesen (einstweilen) durch den Kardinal Karl von Bourbon ab, einen untadeligen Katholiken. Er war von der Regentin außerdem beauftragt, in Paris zwischen den gegnerischen Faktionen zu vermitteln und auf diese Weise wieder für Ruhe in der Kapitale zu sorgen. In den Tagen vom 20. zum 21. März versuchte er vergeblich, eine Übereinkunft zwischen den Gefolgsleuten des Herzogs von Guise und jenen Condés zustande zu bringen und diese zu veranlassen, sich aus der Stadt zurückzuziehen. Am 22. März 1562 traf dann auch Bourbon – von Fontainebleau kommend, wohin sich Katharina inzwischen begeben hatte – in Paris ein. Demonstrativ nahm er an der Seite der Triumvirn und zahlreicher anderer katholischer Adliger und Würdenträger an einer großen Prozession teil. Am folgenden Tag ließ der Lieutenant général du royaume auf den Straßen von Paris eine Proklamation ausrufen, mit der angeordnet wurde, daß alle Soldaten die Stadt zu verlassen hätten. Außerdem war das Tragen von Waffen untersagt. Konfrontiert mit diesen Entwicklungen und in Anbetracht der Tatsache, daß er sich von zahlenmäßig überlegenen katholischen Kräften bedroht sah, verließ Condé am 23. März 1562 Paris. Über La Ferté-sous-Jouarre, im heutigen Département Seine-etMarne gelegen, begab er sich nach Meaux an der Marne. Zu diesem Schritt habe er sich im Einvernehmen mit dem Kardinal von Bourbon entschlossen und mit diesem abgesprochen, daß auch der Herzog von Guise aus Paris abziehen solle. Das war wohl ein Zeichen seines guten Willens gegenüber Katharina. In Meaux traf er Coligny. Sie berieten sich und gelangten zu dem Entschluß, sich nicht an den Hof nach Fontainebleau zu begeben. Sie fürchteten offenbar, auf dem Weg dorthin von überlegenen Truppen des Herzogs von Guise abgefangen zu werden. Coligny schrieb an die Regentin, daß er sich durch Franz von Guise sehr bedroht fühle. Condé habe ihn in seiner Befürchtung bestätigt.134 Am 27. März 1562 erschienen dann zur Überraschung Katharinas die Triumvirn in Fontainebleau und veranlaßten die Regentin und den König mit einigem Nachdruck, mit ihnen und gedeckt durch eine militärische Eskorte nach Paris zurückzukehren. Die Triumvirn argumentierten, die Königsfamilie sei in Fontainebleau einer zu großen Bedrohung durch militante Reformierte ausgesetzt. Dem Bericht des päpstlichen Nuntius ist der Tenor ihrer Gespräche mit Katharina zu entnehmen. Der Nuntius führte in seiner Depesche folgendes aus: 133  Romier, Catholiques et Huguenots à la cour de Charles IX, S.  330; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 270 f. 134  Junko Shimizu, Conflict of Loyalties. Politics and Religion in the Career of Gaspard de Coligny, Admiral of France, 1519–1572, Genève 1970, S. 73; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 270–274.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht In ihrer Unterredung mit der Königin ersuchten die katholischen Herren diese, sich schriftlich oder auf andere ihr genehme Weise zu verpflichten, ihre Autorität zu wahren bzw. sie noch zu steigern. Sie gaben ihr aber auch ausdrücklich zu verstehen, daß sie die Maske fallen lassen und ihre auf Aussöhnung zielende politische Praxis beenden müsse, weil sich die Dinge inzwischen in einer Weise entwickelt hätten, die zum totalen Ruin der einen oder anderen Partei führen würden. Im weiteren Verlauf ihrer Unterredung kündigten sie schließlich gegenüber Ihrer Majestät an, daß sie nicht zögern würden, sich für einen anderen König zu entscheiden, für den Fall, daß sie nicht ihren Rat befolge und der König daran denke, die Religion zu wechseln. Unter dem Eindruck dieser Erklärungen und nach dem Eingeständnis, daß sie bis jetzt getäuscht worden sei, habe die Regentin sich fest entschlossen gezeigt, sich den Triumvirn ganz anzuschließen, um die Häretiker auszurotten.135

Beim letzten Punkt war aber ganz sicher der Wunsch des Nuntius und der Triumvirn Vater des Gedankens, denn Katharina hatte keineswegs die Absicht, die Häretiker auszurotten. Vor dem Hintergrund der geschilderten Ereignisse und Aktivitäten ist verständlich, daß man sich auch auf seiten der Reformierten mehr und mehr gezwungen sah, zu den Waffen zu greifen und sich auf den sie bedrohenden Krieg vorbereiten zu müssen. Am 2. April  1562 bemächtigten sie sich schließlich unter der Führung Condés der Stadt Orléans, was die Regentin als einen Akt der Rebellion gegen die Autorität der Krone betrachtete. Damit begann der offene Konflikt – der Erste Bürgerkrieg. Besonders bemerkenswert am geschilderten Agieren der Hauptakteure ist, daß Condé nicht der Kriegstreiber gewesen ist, für den ihn manche Autoren gehalten haben. Der Herzog Franz von Guise hat wohl auch nicht von vorneherein auf einen Krieg gegen die Häretiker hingearbeitet. Auf katholischer Seite empfand man aber – und nicht zu Unrecht – die Ausbreitung des Calvinismus in Frankreich in zunehmendem Maße als einen Angriff auf die Existenz des Katholizismus. Auf beiden Seiten sah man schließlich die Hauptverantwortung für die zunehmende Eskalation auf der jeweils anderen Seite. Religiöse und politische Motive vermischten sich schließlich in so unheilvoller Weise, daß sie letztlich als Brandbeschleuniger in einem latenten Konflikt wirkten. Den Ausbruch des offenen Krieges hatte auch Katharina nicht verhindern – allenfalls eine Zeitlang aufhalten können. Im folgenden soll jedoch das Augenmerk weniger auf dessen Verlauf im Detail und auf den Einzelereignissen liegen als vielmehr auf dem Agieren, den Reaktionen und Maßnahmen der Hauptakteure – in erster Linie Katharinas.

135  „Les seigneurs catholiques parlant à la Reine, lui offrirent de s’engager par écrit ou de telle autre manière qui lui plairait à maintenir ou à accroître son autorité. Mais ils lui signifièrent qu’elle devait lever le masque et cesser toute pratique de conciliation, vu que les choses étaient désormais sur une voie telle qu’il en résulterait la ruine totale de l’un ou de l’autre parti. Poursuivant leur discours, ils finirent par déclarer à sa Majesté que si elle refusait d’agir d’après leurs conseils et si le roi son fils pensait à changer de religion, eux n’hésiteraient pas à changer de roi. Forte de ces assurances et reconnaissant que jusqu’alors elle avait été trompée, la régente a pris la ferme résolution de s’unir entièrement pour l’extermination des hérétiques.“ Zitiert über Romier, Catholiques et Huguenots à la cour de Charles IX, S. 336; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 274.

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Die Gouvernante de France blieb ihrer bisherigen politischen Linie insofern treu, als sie nicht bereit war, das Faktum hinzunehmen, daß die intransigenten Hugenotten unter der Führung Condés zu den Waffen gegriffen und sich damit all’ ihren Bemühungen entgegengestellt hatten, die eskalierenden Spannungen mit friedlichen Mitteln zu entschärfen. Offene Rebellion gegen die Autorität des Königs akzeptierte sie nicht. Das galt im übrigen für alle Seiten. In Anbetracht der Ereignisse sah sie sich gezwungen, ihrerseits unter Rekurs auf Waffengewalt zu reagieren. Das bedeutete jedoch nicht, daß sie damit ihre zahlreichen Kontakte zu den rebellierenden Hauptakteuren und ihre Bemühungen abbrach, sie doch noch zu einem Einlenken sowie zur möglichst schnellen Beendigung des Krieges zu bewegen. Sie sah sich schließlich gezwungen, ihrerseits Krieg zu führen, um den inneren Frieden wieder zu erreichen. Der Herzog Franz von Guise und die übrigen Mitglieder des Triumvirats erlagen aber einem gründlichen Mißverständnis, als sie die Reaktion Katharinas, die sich nicht scheute, sich persönlich zu den königlichen Truppen zu begeben, in ihrem Sinne und als offene Kampfansage der Regentin an die Reformierten interpretierten mit dem Ziel, die Häresie ein für alle Mal in der Monarchie zu beenden. „Am 21. April 1562 vermeldeten [nämlich] der Herzog von Guise, der Konnetabel Montmorency und der Marschall Saint-André [Philipp II.] den guten Willen der Regentin, endlich für Ruhe und Ordnung zu sorgen; sie bedaure zudem, dies nicht schon viel früher getan zu haben.“136 Bereits drei Tage später glaubte auch der spanische Botschafter in Paris, Thomas Perrenot de Chantonnay (1521– 1571),137 seinem König berichten zu können, daß Katharina von Medici in Anbetracht der Ereignisse den Ernst der Lage erkannt habe und diejenigen Katholiken auch materiell unterstützen werde, die den Unverschämtheiten der Reformierten mit Entschlossenheit entgegenträten. Doch wenige Tage später ereiferte sich der spanische Botschafter in Paris über das Verhalten Katharinas, die immer noch in Kontakt zu den Protestanten stehe, vornehmlich zu Condé, worunter ihr Ruf erheblich zu leiden habe. Immerhin war Philipp II. nun zuversichtlicher als vorher, daß bei den jetzigen einflußreichen Ratgebern [den Triumvirn] die Frage des universalen Konzils und die religiösen Angelegenheiten insgesamt gut aufgehoben seien. Was die erhoffte Unterstützung der französischen Krone durch spanische Truppen betraf, so wies Philipp II. die Bedenken auf seiten Frankreichs zurück, er werde das Versprechen nicht einlösen […].138

Damit haben wir aber dem Gang der Ereignisse vorausgegriffen. Kehren wir also noch einmal zu den Vorgängen vom 27. März 1562 in Fontainebleau zurück, um die Gründe für das Vorgehen der Triumvirn und für die darauf erfolgende Reaktion Katharinas näher zu beleuchten. Waren die von Franz von Guise und seinen Begleitern der Königinmutter vorgetragenen Argumente auch nicht völlig aus der Luft gegriffen, daß die Königsfamilie 136  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 118. 137  Zu Thomas Perrenot de Chantonnay siehe: Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 34–38. 138  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 118 f.

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in Fontainebleau nicht sicher genug sei vor einem möglichen Überfall Condés und seiner Truppen, so verbargen sich hinter ihrem Agieren jedoch viel gewichtigere und hauptsächlich egoistische Motive. Tatsächlich tauchten Condé und Coligny in Begleitung von 1.000 Kavalleristen und 300 Mann der leichten Reiterei in der Nähe von Paris, an der Brücke von Saint-Cloud, auf. Als sie jedoch gewahr wurden, daß sich Katharina und der König unter dem „Schutz“ der Triumvirn in Paris befanden, trafen sie die Entscheidung, in Richtung Orléans zu marschieren. Bei der Entscheidung Condés dürften wohl auch zwei weitere Aspekte eine Rolle gespielt haben. Zum einen ließ ihm sein Bruder, der Kardinal von Bourbon, die Aufforderung zukommen, nichts gegen die Kapitale zu unternehmen. Zum anderen erhielt er von Katharina die Order, die Waffen niederzulegen und zu ihr an den Hof zu kommen. Dem Risiko, dort in Gefangenschaft zu geraten, wollte er sich verständlicherweise nicht aussetzen. Natürlich war Condé sofort klar, daß die Regentin unter den damaligen politischen Umständen in ihren Entscheidungen nicht frei war, sondern der Tatsache Rechnung zu tragen gezwungen war, daß sie und der König zwar nicht die Gefangenen der Triumvirn waren, aber sich deren „Schutz“ ausgesetzt sahen.139 Mit ihrer überraschenden Aktion in Fontainebleau hatten die Triumvirn nämlich ihre Absicht realisiert, den König unter ihren direkten Einfluß zu bringen. Damit konnten sie der damaligen politischen Praxis gemäß aller Welt demonstrieren, daß mit dem König auch die Legitimität des Handelns auf ihrer Seite war. Katharina hatte dies durchschaut. Ihr standen in Fontainebleau aber nicht die erforderlichen militärischen Mittel zur Verfügung, um deren Ansinnen zu durchkreuzen. Wollte sie also nicht von Karl IX. getrennt und damit in ihrer politischen Position marginalisiert werden, war sie einstweilen gezwungen, das Spiel der Triumvirn so lange mitzuspielen, bis sich die Lage zu ihren Gunsten änderte und sich größere Aktionsmöglichkeiten für sie als Regentin eröffneten, in denen sie wieder einigermaßen eigene Entscheidungen durchzusetzen in der Lage war. Am 2. April 1562 gelang es dann Condé und d’Andelot, mit der Unterstützung der reformierten Bewohner die Stadt Orléans zu besetzen und unter ihre Kontrolle zu bringen. In einer für den politischen Diskurs der Renaissance charakteristischen Flut von Signalen und Gegensignalen, von Repliken und Gegenrepliken waren die beteiligten Hauptakteure bemüht, ihre jeweiligen Entscheidungen vor der Öffentlichkeit als rechtens zu begründen. Katharina verfolgte mit ihren auf den verschiedenen Ebenen und mit den Hauptakteuren geführten direkten bzw. indirekten Korrespondenzen, Unterredungen sowie variablen Vorstößen ihre eigenen politischen Intentionen. Dabei paßte sie sich geschmeidig den jeweiligen Konstellationen an. Wenn es sich in einer bestimmten Situation als unmöglich erwies, ein Vorhaben zu realisieren, dann verlegte sie sich aufs Temporisieren bzw. aufs Lavieren. Ein Aufgeben ihrer Grundpositionen, nämlich für den Frieden, die Wahrung der Autorität des Königs und der Interessen der Dynastie der Valois zu kämpfen, war für sie keine Option. War sie gezwungen, von einem Vorhaben 139  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 275 f.

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einstweilen Abstand zu nehmen, dann war das für sie eine Reaktion auf die jeweilige „nécessité“, auf die in der jeweiligen Lage für sie nicht zu überwindenden Hindernisse bzw. auf die Widerstände, die sie wegen der zu starken Machtposition derjenigen Akteure, die sie an ihrer Seite hinnehmen mußte, einstweilen nicht ausräumen konnte.140 Die Regentin spielte, bildlich gesprochen, auf zwei Instrumenten. Einerseits zeigte sie sich insofern solidarisch mit der Faktion, die sie von Fontainebleau nach Paris geholt hatte, als sie die Anführer der Hugenotten beschuldigte, die allein Schuldigen für die Krise zu sein, in die sie die Monarchie durch ihr gewaltsames Vorgehen gestürzt hätten. Andererseits deutet die von ihr praktizierte Doppeldeutigkeit bzw. die Hintersinnigkeit ihrer Korrespondenzen mit den rebellierenden reformierten Hauptakteuren und der darin benutzten Argumente darauf hin, daß sie glaubte, den Konflikt doch noch entschärfen zu können. Offenbar wollte sie Coligny und Condé damit klarmachen, daß ihr in offene Erhebung abgleitendes Verhalten und Agieren zur Folge haben werde, sie, die Regentin immer mehr in die Arme der Triumvirn zu treiben. Zum anderen war sie bemüht, Condé durch speziell auf ihn abgestellte Argumente und Gesprächsangebote von Coligny zu lösen, denn im Admiral sah sie in jenen Wochen und Monaten denjenigen Akteur, der Condé zur Unnachgiebigkeit antrieb. An diesem subtilen Vorgehen hielt Katharina bis Anfang Juli 1562 fest. Mit der Publikation von Manifesten sowie mit Briefen an den König und an die Gouvernante de France war Condé bemüht, sich und seine Gefolgsleute gegen den Vorwurf zu verteidigen, sie seien für die Krise der Monarchie und den sich allenthalben manifestierenden Aufruhr verantwortlich. Im vom 8. April  1562 datierenden Manifest, das in den wesentlichen Teilen aus der Feder von Beza stammte und das von Condé sowie von den anderen hugenottischen Führungspersönlichkeiten unterzeichnet war, wurde betont, daß letztere zu den Waffen gegriffen hätten, um den „festgesetzten und gefangengehaltenen König“141 sowie dessen Mutter und Geschwister zu befreien. Sie warfen den Triumvirn – und indirekt der Königinmutter – vor, diese wollten das Edikt vom Januar 1562 außer Kraft setzen. Sie hätten sich zum Handeln gezwungen gesehen, „um den armen in Treue Ergebenen dieses Königreiches die Gewissensfreiheit zu bewahren, die der König – beraten von den Prinzen von Geblüt, den Mitgliedern des Staatsrates und den Notabeln aller Parlamente dieses Königreiches sowie den meisten Ständevertretern – geruht hat, mit seinen Edikten zu gewähren.“142 Dieses Manifest wurde allen protestantischen

140  Vgl. dazu Crouzet, Charles de Bourbon, connétable de France, S. 239–356; ders., Catherine de Médicis, S. 275–335. 141  „le roi détenu et captif“. 142  „[…] conserver les pauvres fidèles de ce royaume en la liberté de conscience qu’il a plu au roi leur permettre par ses édits, faits par l’avis des princes de sang, des seigneurs du conseil du roi et des plus notables de toutes les cours des Parlements de ce royaume assemblées et par la délibération de la plupart des États.“ Zitiert über Cloulas, Catherine de Médicis, S. 172; vgl. auch Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 315 f.

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Reichsfürsten, dem Reichstag, der Königin Elisabeth von England, den Schweizer Kantonen und dem Herzog von Savoyen zugeleitet. Katharina wies die in diesem und in weiteren Manifesten Condés erhobenen Vorwürfe nicht nur zurück, sondern erhob ihrerseits gegen ihn und dessen Gefolgsleute schwere Anklagen. Andererseits versuchte sie auf Umwegen, Coligny und Condé zum Einlenken zu bewegen. In diesem Sinne hat man ihr Schreiben zu interpretieren, das sie am 10. April 1562 an den Kardinal von Châtillon, den Bruder des Admirals von Coligny, richtete. Darin führte sie unter anderem aus: Mein Cousin, obwohl ich zwar die Absicht hatte, meinem Cousin, dem Prince de Condé, nicht mehr zu berichten, sehe ich mich nun doch dazu veranlaßt auf Grund dessen, was mir Bouchavene [Antoine de Bouchavannes] hat ausrichten lassen, nachdem dieser Paris verlassen hatte. Condé ist um seine Sicherheit besorgt und hat sich deshalb in La Ferté mit Bewaffneten umgeben. Dies geschehe aber nur, so behauptet er, um dem König, meinem Sohn, und mir zu Diensten zu sein […] Aus folgenden Gründen bitte ich Sie deshalb, alle Mittel in Betracht zu ziehen, die Sie für geeignet halten, um die Lage zu beruhigen: Weil ich gehört habe, daß ‚Monsieur le Prince‘ [Condé] ein Verwandter und Freund des Herrn von Guise sein möchte und daß er keinen Streit mit diesem hat, scheint es mir ein Leichtes zu sein, alles zu arrangieren. Was das Januar-Edikt betrifft, so will niemand daran rühren. Was den Herrn von Guise betrifft, so habe ich ihn niemals schlecht über ihren Bruder sprechen gehört. Wenn Sie es wünschen, daß ich in dieser Angelegenheit etwas tun soll, werde ich es frohen Herzens tun, denn ich wünsche nichts mehr als die Ruhe sowohl in diesem Königreich als auch an diesem Hof. Wenn behauptet wird, daß etwas Böses gegen die Akteure in Orléans beabsichtigt wird, dann sagen Sie diesen, niemand wolle ihnen etwas Übles antun. Aber sie müssen gehorchen und die Waffen niederlegen. Daß sie die Waffen niederlegen müssen und es darüber keine Diskussionen geben kann, muß klar sein, denn in diesem Königreich gibt es keine anderen Armeen als die des Königs, meines Sohnes, der keine anderen Waffen als jene der Liebe und des Gehorsams seiner Untertanen wünscht. Ich habe Ihnen das alles darlegen wollen, damit Sie reiflich überlegen, ob Sie die Möglichkeit sehen, ihn zu veranlassen, die Waffen ruhen zu lassen und damit das Feuer zu ersticken, daß mit solcher Heftigkeit entfacht ist, daß ich nicht weiß, wann man es beenden möchte, wenn man das überhaupt noch kann. Was uns betrifft, so versichere ich Ihnen, daß überall unter Androhung einer Ahndung wegen Majestätsverbrechens das Verbot ergangen ist, nach Orléans zu ziehen. Kein Untertan – seien es Adlige oder andere – darf sich ohne ausdrücklichen Befehl des Königs, meines Sohnes, ohne meine Anordnung oder jene des Königs von Navarra bewaffnen. Seien Sie versichert, daß wir nichts vergessen, um uns stark zu machen. Wenn Sie in der Sache etwas bewegen können, möchte ich, daß Sie es so schnell wie möglich tun. Ich wünsche sehnlichst, die Ruhe im Lande wiederherzustellen, und ich würde sogar mein Leben dafür einsetzen.

Im direkten Anschluß folgt das Postskriptum: Nach der Niederschrift dieses Briefes kam Herr Gonnor an, der berichtete, was die anderen stets gesagt haben. Dementsprechend habe ich keine große Hoffnung; wenn sie [Coligny, Condé und Anhänger] halsstarrig bleiben, dann befürchte ich den sicheren Untergang der ganzen Monarchie. Da Sie sich in der Vergangenheit immer als guter Patriot erwiesen haben, stellen Sie auch jetzt unter Beweis, daß weder Sie noch ihre Brüder der Grund für den

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Ruin Ihres Vaterlandes sein möchten; daß Sie vielmehr dessen Erhalt wollen. Das können Sie beweisen, indem Sie es bewerkstelligen, daß ‚Monsieur le Prince‘ seine Halsstarrigkeit aufgibt, und indem Sie ihm sagen, daß es sich für einen Untertanen nicht geziemt, derart gewaltsam gegenüber seinem Fürsten aufzutreten, wie dieser hat verlauten lassen, als er denjenigen drohte, die man gegen ihn einschreiten lassen möchte. Weil er Teil dieses Hauses ist, möchte ich doch glauben, daß auch er nicht dessen Ruin wünscht. […] Wenn er die Waffen nicht niederlegt, wird er sich ins Unrecht setzen, worüber ich unendlich betrübt sein würde.143

Dieser lange Brief an Châtillon ist ein Paradebeispiel des subtilen Agierens der Regentin; er stellt sozusagen eine Mischung aus „Zuckerbrot und Peitsche“ dar und enthält

143  [10. April 1562] „A mon cousin, Mr le cardinal de Chastillon. Mon cousin, encore que j’euse délibéré de ne rien plus mender à mon cousin Monsieur le prinse de Condé, voyent que y m’avest mandé par Bouchavene, le lendemayn qui sortit de sete ville de Paris, que je ne trovise mauvés, si, pour sa seureté, luy aytent à la Ferté, yl étayt armés, et que se n’étoyt que pour le servise du Roy mon fils et le mien […]. Velà pourquoy je vous prie de regarder tous les moyens que vous pourés trover afyn d’apéser seci, et parse que j’é entendeu que Monsieur le Prinse dict qu’yl veut l’aytre parant et amis de Monsieur de Guise et qu’il n’a neule querèle avecque luy, il me samblet’il qu’yl est aysé acommoder tout; car quant â l’édiyst, neul n’i veult toucher. Quant â Monsieur de Guise et vostre frère, je ne luy en né heuy parler en neule mauvèse fason, et set vous voyés qu’i feut besouyn que je y fisse quelque chause en cela, je désire tant le repos et du royaume et de sete court que je m’y emploieré de bon cour; et de dyre que l’on fayré déplaisir â seus qui sont â Orléans, neul ne leur veult mal, mès qu’il aubéise et qu’i s’an nallet [qu’ils obéissent et qu’ils se désarment], y ne faut plus parler de sela, car lé [les] chause[s] sont en termes que ysi n’i a plus armes que le Roy mon fils [Que ceux-ci se désarment et qu’ils s’en aillent, ne se discute pas, car les choses sont ainsi qu’en ce royaume il n’y a plus d’autres armées que celle du roi mon fils], qui ne veult pas d’autres armes que l’amour et l’aubéisanse de ses seugès [sujets], mès qu’i ne sayt point armés, y naré poynt d’aultre qu’il a acoutumé. Je vous ay vouleu tout mander, afin que [vous] consydériez si [vous] avés le moyen de le fayre désarmer et d’apéser set feu qui s’aleume avecque tele violance que je ne sé [sais] quand l’on le voldré apaiser, set l’on pourra; car quant à nous, je vous aseure que avons mandé partout, sous pène de crime de lèse-magesté, d’aler â Orléans, et de neul seuget, geantilshommes et aultres de prandre les armes sans aysprès commandement du Roy mon fils, et de moy ou du roy de Navarre, et tout set que povons pour nous fayre fors, asseuré, vous que n’an noblyons ryen. Pour se, je désirerès que, set pouvés quelque chause, que le feysiez le plus tot que pourrés et je le désire infiniment et y voldrés mestre ma vie pour voyr tout en tel repos […] Vostre bonne cousine Caterine.“ Im Anschluß daran folgt als Postskriptum: „Depuis sete letre aysripte, Monsieur de Gounort [Gonnor] ayst arivé, lequel n’a raporté que set que les aultres ont tousjour dist; par ainsin je n’i voy pas grant aysperanse; car, set y veulet demeuré obstinay, je voy la perte manifeste de toutte sete monarchie. Pour se, vous qui avés tousjours faict profésion de bon patri[ote], montré à set coup [occasion] que vous et vos frères ne volés pas aystre cause de la rouine de votre patrie, mès au contraire de sa conservation, come vous ferés, si vous trovés fason de fayre déostiner [désobstiner] Monsieur le Prince, et luy dyre que se n’é pas à heun souget de vouloyr montrer tant de forse à son prinse, comme il a dist qu’i monstreré [qu’il montrerait] â seus que l’ons y an voyré [lui enverrai]t; car je m’aseure que, aystant de sete mayson, y n’an veult [il n’en veut] pas la ruyne […] si ne se désarme [pas], il se meteré le tort [mettrait en tort], chause de quoy je serés ynfiniment [ce dont je serais infiniment] marrie.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 290–293. – Verkürzt und in modernisierter Ortohographie auch bei Dargent, Catherine de Médicis, S. 169 f.

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einen dringenden Appell an den Patriotismus der in dem Schreiben direkt oder indirekt Angesprochenen. Gegenüber Philipp  II. wollte Katharina jedoch in aller Deutlichkeit demonstrieren, daß sie gegen die rebellierenden Hugenottenführer entschlossen vorzugehen gedenke und sie die Triumvirn unterstütze. Deshalb richtete sie am 11. April 1562, einen Tag, nachdem der Brief an Châtillon abgegangen war, aus Paris eine Depesche an L’Aubespine, ihren Botschafter in Madrid, deren Inhalt speziell auf den spanischen König abgestellt war. Darin schrieb sie, daß diejenigen, die sie für ihre Politik habe gewinnen wollen, endlich die Maske hätten fallen lassen. Diese Akteure bedienten sich einer Sprache der Heuchelei und des Argwohns, um damit ihren Griff zu den Waffen zu rechtfertigen. Deren Behauptung, sie müßten befürchten, massakriert zu werden, diene ihnen nur als Vorwand für ihr Agieren. Die auf ein Einlenken zielenden Missionen, die bei ihnen auf Befehl des Königs und auf ihre eigenen Bitten hin unternommen worden seien, hätten keinen Erfolg gehabt. Die Anführer der Hugenotten seien zu Männern der Simulation geworden, sie hätten sich den Argumenten zugunsten eines Friedens verschlossen.144 Ebenso wie die Triumvirn Philipp II. nicht nur um diplomatische Unterstützung baten, wandten sich Condé und Coligny in gleicher Weise an die Königin Elisabeth von England, an die lutherischen Reichsfürsten, an Genf und sogar an den Kaiser Ferdi­nand I. Bereits am 2. April 1562 hatten sie einen Emissär nach London geschickt. Fünf Tage später erfolgte ein entsprechender Vorstoß bei den lutherischen Reichsfürsten. Am 8. April wandten sie sich an den Großen Rat von Genf. Die Verhandlungen mit der englischen Königin mündeten schließlich in den Vertrag von Hampton Court, der am 20. September 1562 unterzeichnet wurde.145 Darin sagte die englische Seite Condé und seinen Gefolgsleuten nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch die Entsendung einer Truppe von 6.000 Mann zu. Als Gegenleistung verpflichtete sich Condé, den Hafen Le Havre zu übergeben. Le Havre sollte später gegen Calais ausgetauscht werden. Mit dieser Vereinbarung wollte Elisabeth I. den dauerhaften Besitz von Calais sichern. Im Friedensvertrag von Cateau-Cambrésis von 1559 war nämlich fixiert worden, daß das damals in französischer Hand befindliche Calais erst nach acht Jahren in englischen 144  [11. April 1562] „A Monsieur de Limoges. Monsieur de Lymoges, […] Usant en cela comme femme, mère du Roy pupille, qui a pensé la doulceur plus convenable à ceste maladye que nul autre remedde […], mais à la fin il n’a pas pleu à Nostre-Seigneur que cela suit venu à effect; car au contraire le mal est tellement empiré que ceulx qui couvoient le feu, voyans et congnoissans que le progrès de mes intentions estoit autre qu’ilz ne vouloient, ont levé le masque, faignans et simullans une certaine deffiance que l’on voulait offenser et courir sus; et soubz ce prétexte, qu’ilz couvroient tousjours du mateau de la religion, pris les armes […] c’est une pure sédition, et que leur dessaing tend à l’entière ruyne et éversion de ce royaume; […] J’ay tenté tous moyens pour les faire désarmer et séparer, et cherché tous expédiens pour leur faire changer de volunté; mais je congnoys telle dureté et veoy tant de venyn caché que je me suys délibéré (et à mon très grand regret forcée) de mectre le verd et le sec pour leur faire sentir et congnoistre que j’ay toute ma vye esté et seray bien esloignée de leur intelligence […]. De Paris, le XIe jour d’avril 1562. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 293–296. 145  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 403; Solnon, Catherine de Médicis, S. 143 f.

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Besitz übergehen sollte.146 Mit Le Havre wollte sich Elisabeth I. also ein Faustpfand dafür verschaffen, daß die Friedensvertragsregelung von 1559 Calais betreffend auch realisiert werden würde. Katharina waren die Verhandlungen Condés und Colignys mit auswärtigen Mächten nicht verborgen geblieben. Durch ihre Spione erfuhr sie recht schnell von deren Winkelzügen, über die sie erbost war, denn sie stellten eine eklatante Verletzung der Autorität und der Souveränität des Königs dar. Gleichwohl waren derartige Aktivitäten in der damaligen Zeit nichts Außergewöhnliches. Von den damaligen Staatstheoretikern und Juristen – insbesondere von Jean Bodin (1530–1596) – wurde zwar das Recht, mit auswärtigen Mächten zu verhandeln und mit ihnen Verträge abzuschließen, als zentraler Bestandteil der Souveränität des Königs definiert, als ein Recht, das ihm allein zustehe.147 In der politischen Alltagspraxis konnte aber die alleinige Souveränität des Königs damals noch nicht generell durchgesetzt werden. Trotz dieser Aktivitäten Condés und seiner Gefolgsleute hielt Katharina an ihrer subtilen politischen Linie einstweilen fest. Am 6. Juni 1562 traf sie in Begleitung von Bourbon auf Condé in Toury (Thoury), rund zehn Meilen von Orléans entfernt. Dem Bericht des Botschafters der Toskana ist zu entnehmen, daß die Regentin bei diesen Unterredungen ein Abkommen mit Condé zu erreichen versuchte. Dazu hätten sie nicht nur die großen finanziellen Probleme des Königs veranlaßt, die einem Kriege entgegenstünden. Sie habe außerdem gegenüber Condé mit Nachdruck ihre Befürchtung zum Ausdruck gebracht, daß der Ausbruch eines Krieges im Ruin des ganzen französischen Adels und damit auch des Königreichs enden werde. Condé erwies sich aber in der Frage des Januar-Edikts nicht konzessionsbereit. Er argumentierte, daß dieses mit Zustimmung der Prinzen von Geblüt und aller Mitglieder des Staatsrates erlassen worden sei. Außerdem hätten der Konnetabel Montmorency und der Marschall von Saint-André „in die Hände des Königs“ geschworen, daß dieses Edikt strikt eingehalten werde. Er betonte auch, die französischen Calvinisten praktizierten einen Glauben, der sich streng an der Reinheit des Evangeliums orientiere. Sie lehnten jeden Götzendienst und Aberglauben ab. Damit erwiesen sich diese Unterredungen – sehr zum Leidwesen Katharinas – als Mißerfolg.148 Trotz dieses Fehlschlags resignierte die Regentin nicht. In den Tagen des 28. und 29. Juni 1562 kam es zu drei weiteren Treffen im Schloß Talcy, im heutigen Departement 146  Vgl. Kap. 4, S. 67. 147  Vgl. dazu Malettke, Hegemonie – multipolares System – Gleichgewicht. Internationale Beziehungen 1648/1659–1713/1714, S.  9  f., 50  f., 103, 117, 222; Helmut Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1: Die Grundlagen, Frankfurt (M.) 1970; ders., Souveränität. Entstehung und Entwicklung des Begriffs in Frankreich und Deutschland vom 13. Jahrhundert bis 1806 (=Schriften zur Verfassungsgeschichte, Bd. 38), Berlin u. a. 1986; Jean Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Buch I–III übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Bernd Wimmer, eingeleitet u. herausgegeben von P. C. Mayer-Tasch, München 1981; Buch IV–VI, Berlin u. a. 1986. 148  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 296 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 319; Solnon, Catherine de Médicis, S. 142 f.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Loir-et-Cher. Beteiligt waren auf der einen Seite Katharina, Bourbon, der Kardinal von Lothringen, der Marschall von Saint-André, der Herzog Guise und Montmorency. Auf der anderen Seite nahmen Condé, Châtillon und dessen Bruder François d’Andelot teil. Für die Regentin boten diese Unterredungen die letzte Chance, um einen offenen Zusammenstoß zu verhindern, worin sich dann Gottes Zorn über das Königreich manifestieren werde, das sich seiner Größe nicht mehr bewußt sei. „Wenn sich Gott wegen unserer Sünden in seinem Zorn nicht mehr besänftigen läßt und es ihm gefällt“ – so schrieb sie am 22. Juni 1562 an ihre Botschafter in Spanien –, „dieses arme Königreich noch mehr zu bestrafen, als es nicht bereits durch die während der letzten drei Jahre erfahrenen Leiden bestraft worden ist, dann wird dies zu meinem größten Bedauern geschehen.“149 Um das zu verhindern, werde sie alles tun, was Menschen tun können.150 Zunächst schien die Angelegenheit im Sinne Katharinas zu verlaufen. In Orléans hatte Jean de Monluc in Präliminargesprächen erreicht, beide Seiten zu beträchtlichen Zugeständnissen zu bewegen. Nachdem Condé Zusicherungen dahingehend erhalten hatte, daß Franz von Guise, Montmorency und der Marschall de Saint-André akzeptierten, sich auf ihre Besitzungen zurückzuziehen, hatte der Hugenottenführer zugesagt, sich als Garant in die Hände der Königinmutter und danach bis zu dem Zeitpunkt außer Landes zu begeben, bis Karl IX. seine Volljährigkeit erlangt haben werde. Von Orléans zog Condé nach Beaugency, unweit von Orléans, wo er von seinem Bruder Bourbon und Katharina erwartet wurde. Von dort zog man gemeinsam weiter zum Schloß Talcy. Die dortigen Gespräche nahmen zunächst einen günstigen Verlauf. Katharina demonstrierte dabei, daß sie die entscheidende Figur war, weil sie in Anbetracht der Minderjährigkeit des Königs nach wie vor allein die Legitimität der Macht im Königreich verkörperte. Obwohl die Triumvirn entgegen ihrer den Reformierten gemachten Zusage, sich auf ihre Besitzungen zurückzuziehen, sich nur ins Lager der königlichen Truppen nach Châteaudun begaben, ließ sie erklären, daß sie für die Realisierung dieser Zusage sorgen werde. Alles, was zwischen ihr und Condé beschlossen werde, sei als unverletzlich zu betrachten. Vom Januar-Edikt war allerdings nicht mehr die Rede. Offensichtlich erfreut über das in den Unterredungen von Talcy Erreichte, entschied Katharina nach dem Ende des Treffens sogar, Condé mit einer Eskorte von einigen Adligen und Domestiken eine Wegstrecke zu begleiten. Es war aber ein ungünstiges Zeichen, 149  [22. Juni 1562] „Aux ambassadeurs d’Espagne (L’Évêque de Limoges et Me de Saint-Sulpice) […] Mais si Dieu pour noz péchez ne veult point fleschir son ire, et qu’il luy plaise voulloir plus avant pugnir ce pauvre royaume qu’il n’a esté par tant d’afflictions qu’il a receues depuys trois ans, ce sera à mon grand regrect; en quoy ayant faict tout ce que les hommes peuvent, il ne m’aura faict la grace d’en raporter le fruict que je désire, non pour moy, mais pour tout le monde […]. Vous priant, Messieurs, faire entendre ce que dessus au Roy monsieur mon beau-filz, affin de l’advertir de l’estat de noz affaires et luy faire congnoistre comme nous ne perdons une seulle heure de temps pour estaindre le feu qui est allumé et appaiser le mal présent. Dieu par sa grace parachévera ce que nous ne pouvons faire […]. D’Estampes, ce XXIIe jour de juing 1562. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 336 ff. 150  „[…] tout ce que les hommes peuvent“.

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daß der Admiral von Coligny am 29. Juni 1562 nicht – wie mit ihm zuvor vereinbart – ­allein, sondern in Begleitung von vierhundert Berittenen und zahlreichen Männern zu Fuß erschien. Katharina machte indessen gute Miene zum „bösen Spiel“. Nachdem sie eine gewisse Wegstrecke gemeinsam zurückgelegt hatten, trennte sich die Reisegesellschaft. Coligny und Condé zogen weiter in Richtung Orléans. Coligny ließ dann aber alsbald erkennen, daß er und seine militärischen Kommandeure nicht bereit seien, Frankreich zu verlassen. Schließlich beugte sich auch Condé im Rahmen einer Beratung dem ablehnenden Votum Colignys und d’Andelots vom 30. Juni 1562. Condé eröffnete damit die Feindseligkeiten. Der Punkt schien erreicht zu sein, von dem es kein Zurück mehr gab. Am 1. Juli 1562 traf in Paris die Nachricht ein, daß die in Talcy getroffenen Vereinbarungen zwischen Condé und Katharina gebrochen worden waren. Katharina – von Châteaudun kommend – und Karl IX., der Fontainebleau verlassen hatte, trafen sich am 8. Juli im Wald von Vincennes. Die lange Kette gegenseitiger Repressalien und brutaler Übergriffe nahm ihren Anfang. Der Erste Bürgerkrieg entbrannte in voller Heftigkeit, unter der die Bevölkerung beider Lager zu leiden hatte.151 Ihrer Enttäuschung und tiefen Verärgerung über den im wesentlichen unter dem Einfluß von Coligny erfolgten Bruch der Vereinbarungen, die sie in Talcy mit Condé erzielt hatte, machte Katharina in folgenden Zeilen Luft. Sie befinden sich in einem Brief, den sie in jenen Tagen an den Gouverneur der Bretagne, Jean de Brosses, duc d’Étampes (um 1505–1564), schrieb: Sie [Coligny und seine Leute] taten mir diesen Hohn an, ihn [Condé] gegen meinen Willen wegzuführen. Sie zeigten mir damit, wie wenig sie mich respektierten. Das war der schlechte Lohn für meine Mühen, die ich mir gegeben hatte, um zu verhindern, daß man sie in Stücke schlug […]. Sie versprachen mir alle, heute noch abzuziehen, aber sie haben das Gegenteil davon getan, indem sie sich mit ihrer Armee aufmachten und damit ihr mir gegebenes Versprechen nicht eingehalten haben. Sie werden, mein Cousin, nachempfinden, wie ich mich fühle nach allem, was ich bis zu dieser Stunde für sie getan habe von dem Wunsch geleitet, dieses Königreich in Ruhe zu sehen und ein grausames Blutvergießen zu verhindern, das sich jetzt abzeichnet. Sollten sie sich nicht zurückziehen, ist abzusehen, daß es alsbald nach meiner morgigen Abreise zu offenem Kampf kommen wird und daß man sie nur mit Gewalt dazu zwingen kann, zu gehorchen.152 151  Crouzet, Catherine de Médicis, S, 301–306; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S.  319  f.; Solnon, ­Catherine de Médicis, S. 143; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 171–181; Dargent, Catherine de Médicis, S. 165–177. 152  [Juli 1562] „A mon cousin, Monsieur d’Estampes. Mon cousin, je croy que vous avez bien entendu la peine que j’avois prinse de venir jusques icy pour mectre une fin à ce[s] troubles et les paciffier plutost par quelque honneste composition que de les laisser terminer par ung faict d’armes; […] ilz me firent cette honte de l’emener [Condé] malgré moy, me faisant en cela congnoistre le peu de compte qu’ilz faisoient de moy, et la mauvaise récompense qu’ilz me faisoient de tant de peyne que j’avois prinse pour empescher qu’on ne les taillast en pièces […]. [Ils] me promirent tous, dès aujourd’huy, de s’en aller, mais ilz ont faict tout le contraire, car ilz ont marché avec leur armée en çà et m’ont en cela manqué de la promesse qu’ilz m’avoient faicte, et vous pouvez, mon cousin, juger par tant d’occasions quelle satisfaction je puys avoir d’eulx après avoir tant faict pour eulx que j’ay faict jusques â ceste

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Bereits am 30. Juni 1562 hatte Katharina die Lage, in der sie sich und die Monarchie sah, wie folgt beschrieben: „Ich sehe sehr wohl, daß wir uns bis zu den Augen in Schwierigkeiten befinden.“153 In Reaktion auf das Geschehen nahm Katharina demonstrativ direkten Anteil – oder sie wollte zumindest diesen Eindruck vermitteln – an den militärischen Aktionen. Offensichtlich wollte sie auf diese Weise eine Internationalisierung des inneren Konflikts verhindern. Am 16. Mai 1562 hatte sie an Bourbon geschrieben: „Nach meiner Ankunft an Ort und Stelle habe ich mich als erstes über die Zufahrtswege zu diesem Ort und über die nahegelegenen Flußpassagen informiert. Zu diesen habe ich die Fähnriche der Garden abkommandiert. Dem Befehl, den ich auf der Durchreise gebe, entnehmen Sie, daß ich ein guter Kapitän bin.“154 Damit wollte sie dem Lieutenant général du Roy zu verstehen geben, daß sie sich ganz persönlich auch um die militärischen Belange kümmere. Einige Zeit später, am 6. Juli, wies sie den Marschall de Vieilleville (François de Scépeaux, comte de Durtal, maréchal de, 1510–1571) an, jedweden Versuch der Engländer zu verhindern, in der Normandie zu landen. Außerdem ersuchte sie den spanischen Botschafter Chantonnay, seinen Herrn zu bitten, Druck auf Königin Elisabeth dahingehend auszuüben, daß sie sich aus den inneren Problemen Frankreichs heraushalten möge. Ende Juli versuchte die Regentin erneut, die Landung eines englischen Expeditionscorps in der Normandie zu vereiteln.155 Andererseits war sie sich der Gefahr bewußt, daß eine kriegsentscheidende Niederlage der königlichen Truppen Philipp II. dazu veranlassen könne, seinerseits mit allen ihm zur Verfügung stehenden militärischen und politischen Mitteln in Frankreich zu intervenieren. Dieser Gefahr wollte sie auf diplomatischem Wege rechtzeitig begegnen. Deshalb wandte sie sich am 13. Juni 1562 an L’Aubespine und informierte ihn über ihre diesbezüglichen Sorgen. Offensichtlich verfolgte sie damit die Intention, den Botschafter zu

heure, pour le désir que j’avois de veoir ce royaume en repoz, et éviter une cruelle effusion de sang, comme celle qui se prépare, d’aultant que je ne vois plus de moien, incontinent [=aussitôt que] je seray partie, qui sera dès demain, s’ilz ne se retirent, que bientost l’on ne vienne aux mains et que la force ne les contraigne d’obéir […].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 345 f. 153  [30. Juni 1562] „A Monsieur de Gonnor. Monsieur de Gonnort, […] à ce que je veoy, ceulx que nous pensions estre pacifiez sont plus roides que jamais et sommes aussi loing de la paix que nous en pensions estre près; […] car je veoy bien que nous sommes aux affaires jusques aulx yeulx, puisqu’il n’a pas pleu à Dieu que nous aions mis fin par la doulce voye; à quoi je n’ay rien oblyé, m’asseurant que de ce qui en deviendra je seray justiffié devant Dieu et les hommes […]. De Talsy, le dernier jour de juing 1562. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 344 f. 154  [16. Mai 1562] „A mon frère le Roy de Navarre. Mon frère, la première chose que j’aye faicte, après estre arrivée, a esté de m’enquérir des advenues de ce lieu et des passages qui sont sur les rivières prochaines, sur lesquelz j’ay départys les enseignes des gardes […].“ Es folgt das Postskriptum : „Vous voyré [verrez] par l’ordre que je donne au pasage coment je suys bon capiteyne […].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 314 f. 155  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 309.

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sensibilisieren und ihn damit aufzufordern, einer derartigen Entwicklung nach Kräften vorzubeugen. Sie schrieb: Ich sehe, daß alle Großen und namhaften Kapitäne des Landes sich mit Waffen gegenüberstehen – die einen gegen die anderen […]. Infolgedessen sind alle Wege und Pforten in dieses Königreich für Invasoren offen, weil dieses Königreich von allen jenen entblößt ist, die es verteidigen sollten […]. Herr von Limoges, die gegenwärtige Krise, die Angst, die ich empfinde, und andere Gründe veranlassen mich, Ihnen folgendes darzulegen: Ich erkenne, daß der Prince de Condé sehr stark ist und sich großen Zulaufs erfreut. Deshalb fürchte ich, falls den Befehlshabern unserer Armee das Mißgeschick einer Niederlage widerfährt und Condé siegt, daß in diesem Fall mein [Schwieger]sohn, der katholische König, Rache nehmen will und unter dem Vorwand, mir beizustehen bei der Verteidigung dieses Königreiches, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Truppen intervenieren wird. Er wird vorgeben, als Protektor und Tutor meines Sohnes zu agieren. Das wäre dann aber gleichbedeutend mit dem größten Unglück und dem völligen Ruin dieses Staates, was von so vielen Leuten und seit langem herbeigesehnt wird. Deshalb wird sich Philipp II. eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen. Weder eine Allianz noch eine Freundschaft ist eine Garantie, daß dieser Fall nicht eintritt. Ich schreibe Ihnen, Herr von Limoges, dieses rechtzeitig, damit Sie den genannten Katholischen König geschickt bearbeiten […] und ihm den Appetit nehmen können, sich in dieses Desaster einzumischen und mit starker Truppenmacht in dieses Königreich einzumarschieren […]156

Nachdem das Pariser Parlament am 28. Juli 1562 erklärt hatte, daß Condé und seine Mitkämpfer sich der Rebellion gegen den König schuldig gemacht hätten und infolgedessen wie Rebellen zu behandeln seien, ließ sich Katharina von Anton von Bourbon davon überzeugen, daß auch sie sich nunmehr zur Armee des Königs begeben solle, um gemeinsam mit ihm und den Guise gegen die reformierten Aufständischen zu kämpfen. Das Agieren und Verhalten der Regentin in der Folgezeit weisen darauf hin, daß eine Zusammenarbeit zwischen ihr und den Guise entstanden war. Wenn das wohl auch nur 156  [13. Juni 1562] „A Monsieur de Limoges. Monsieur de Limoges […] Je veoy premierement tous les plus grands hommes et dignes cappitaines de ce royaulme et les principaulx de la noblesse ayant les armes en la main les ungs contre les aultres […] de l’issue de cela le chemin et la porte ouverte à tous les estrangers qui voudront envahir ce royaume desnué et privé de ceulx qui devroyent deffendre […] vela [voilà], Monsieur de Limoges, la crise et l’angoisse d’esprit en quoy je suys et pour une aultre occasion aussi que je vous veulx bien déclarer, craignant tous inconvénients, qui est que je veoy le prince de Condé bien fort et grandement accompagné, et [je] ne puis ne craindre que, tournant la victoire de son cousté, mon filz le Roy catholique [Philipp II.], s’il [arrivait] medsaventure aux chefs qui sont en notre armée, ne voulust alors entreprendre la vengeance de cela, et, soubs umbre [prétext] de m’ayder à déffendre et conserver ce royaulme, n’y mecte et face entrer toutes ses forces, montrant vouloir prendre la protection et se rendre comme tuteur de mon filz, qui seroit le comble du malheur et la ruyne totale de cest État, envyé de tant de gens et de si longs temps qu’il est bien à croyre qu’il n’en perdroit pas l’occasion, et il n’y a alliance ni amytié qui n’en puisse donner aucune asseurance. Cecy vous escris-je de bonne heure, Monsieur de Limoges, afin que vous prépariez dextrement le dict Roy catholique […] et faire perdre l’appétit d’entrer en ce désastre avecque grande force en ce royaulme; chose que je veulx par tous les moins éviter […].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 330.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Fassade war, so entsprach das damals ihrer vollen Absicht. In diesem Sinne berichtete der toskanische Gesandte am 17. Juli an Cosimo I. von Medici.157 Seit Ende August datierte Katharina dann ihre Korrespondenz „aus dem Feldlager vor Bourges“.158 Auf den Verlauf der militärtaktischen Bewegungen beider Seiten und auf die einzelnen Gefechte ist hier nicht einzugehen. Näher zu beleuchten sind indessen das von Katharina in jenen Wochen und Monaten verfolgte Hauptziel und jene militärischen Ereignisse, die den Gang der Dinge und die politischen Entscheidungen der Konfliktparteien maßgeblich beeinflußt haben. Durch ihr Agieren wollte sie ihren Gegnern signalisieren, daß sie mit großem Engagement und dem dazu erforderlichen Einsatz finanzieller und militärischer Mittel zu kämpfen entschlossen war. Sie wünschte eine möglichst schnelle Entscheidungsschlacht gegen Condé und dessen Hauptarmee, weil sie sich von der Erwartung leiten ließ, daß dessen Niederlage die Dynamik des Krieges zugunsten der Krone brechen werde. Sie erhoffte sich davon die Wiederaufnahme zielführender Verhandlungen, mit denen der Krieg beendet werden könnte. Es ging ihr nicht um Rache an den reformierten Rebellen. Auch während des Krieges rissen ihre Kontakte zu Condé nie ab.159 Nachdem Condé in den Tagen vom 26. November bis zum 10. Dezember 1562 den Versuch unternommen hatte, Paris zu belagern, diesen Versuch aber hatte abbrechen müssen, weil starke königliche Verbände anrückten, um die Kapitale zu verteidigen, marschierte der Anführer der Hugenotten mit seinem Heer in Richtung Normandie, um sich mit den englischen Hilfstruppen zu vereinigen. Vor Dreux fing ihn der Konnetabel Montmorency ab und versperrte ihm den Weg. Am 19. Dezember kam es dann zur ersten geordneten Feldschlacht der Bürgerkriege, in der die zahlenmäßig unterlegene protestantische Streitmacht eine empfindliche Niederlage hinnehmen mußte, nachdem sie zuvor einige Erfolge erzielt und eine ganze Reihe von Städten unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Condé geriet in die Gefangenschaft des Herzogs Guise. Aber auch die königliche Armee erlitt herbe Verluste. Der Marschall de Saint-André fand in der Schlacht den Tod. Montmorency wurde seinerseits von den Reformierten gefangengenommen. Damit waren zwei der Triumvirn ausgeschaltet, was Katharina insofern gelegen kam, weil sich damit ihre Aktionsmöglichkeiten wieder erheblich erweiterten und sie nicht mehr den Pressionen Montmorencys und Saint-Andrés ausgesetzt war. Bereits am 17. November 1562 war Bourbon an den Folgen einer Schußverletzung gestorben, die er einen oder zwei Tage zuvor bei der Belagerung von Rouen erlitten hatte. Zusammen mit den Triumvirn hatte er an der Spitze der Armee des Königs gegen die reformierten Rebellen gekämpft. Der Tod des Ersten Prinzen von Geblüt kam Katharina insofern nicht ungelegen, als sie damit eines nicht zu unterschätzenden Konkurrenten um 157  Alain Tallon, La France et le concile de Trente (1518–1563), Rome 1997, S. 353; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 309. 158  „du camp devant Bourges“. 159  Solnon, Catherine de Médicis, S. 143–146; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 312–319.

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die Macht ledig wurde. Dessen politisches Agieren und dessen Verhältnis zu den Reformierten hatten immer wieder Anlaß zu Spekulationen gegeben. Den Spaniern war er bis zu seinem Ableben und darüber hinaus suspekt geblieben. Über seine politische Einstellung im Hinblick auf die innerfranzösischen Konflikte herrschte bei ihnen Unsicherheit. Im Zuge der Übermittlung des Todesfalls nach Spanien ist es für Chantonnay offen, ‚ob besagter Vendôme als Katholik gestorben ist, worüber ich noch mit keiner Person des Vertrauens Gelegenheit hatte zu sprechen‘. Über seine Rolle in den Unruhen, die das Königreich heimsuchten, werde ebenso spekuliert wie über seine Religion, zumal von einer ‚sehr hochrangigen Person‘ von seinem innigen Verhältnis zum Prince de Condé berichtet worden sei. Letztlich interpretiere ein jeder die Dinge so, wie er sie sehen wolle.160

Katharina berief keinen Nachfolger in der Charge des Generalleutnants der Krone. Die Regentin übernahm offiziell selbst den Oberbefehl über die Truppen des Königs, was sie bei der weiteren Belagerung von Rouen durch ihr militärisches Engagement unter Beweis stellte. Ohne eine Spur von Ironie oder Mißbilligung schrieb der alte Montmorency damals an die Herzogin von Guise (Anna d’Este, 1531–1607): „Ich versichere Ihnen, daß die Königin ein sehr guter Kapitän geworden ist.“161 Der militärische Erfolg von Dreux und die daraus resultierende Erweiterung der Handlungsspielräume Katharinas markierten einen Wendepunkt im Ersten Bürgerkrieg. Sie nutzte den Erfolg sofort, um Verhandlungen zu initiieren mit dem Ziel, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Neben ihrem grundsätzlichen Streben nach Frieden zwangen auch die immensen finanziellen Probleme der Krone zu einer schnellstmöglichen Beendigung der Kämpfe. Nur durch die Gewährung von Krediten des spanischen Königs und der italienischen Medici war es möglich gewesen, den immensen finanziellen Belastungen, die der Bürgerkrieg zur Folge hatte, mehr schlecht als recht nachzukommen. Um den Boden für die Aufnahme von Verhandlungen vorzubereiten, sollte auf Initiative des Kanzlers L’Hôpital bereits am 8. Januar 1563 ein Edikt ergehen, mit dem ein Generalpardon gewährt werden sollte. Drei Tage später ließ Katharina verlauten, daß schon spürbare Erfolge im Bemühen um die Wiederherstellung von Ruhe und Frieden in der Monarchie zu verzeichnen seien. Sie beabsichtigte, daß dementsprechende Verhandlungen zwischen Condé, Montmorency, dem Kardinal Charles de Bourbon und dem Duc François de Guise geführt werden sollten. Die Regentin erwartete eine Antwort der Hugenotten, denn diese sollten sich erklären, ob sie dem von ihnen gefangengehaltenen Montmorency gestatteten, sich an den Ort der Verhandlungen zu begeben. Die katholische Seite sollte ihrerseits Condé vor Beginn der Verhandlungen aus der Gefangenschaft entlassen.

160  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 120. 161  „Je vous assure que la reine est devenue fort bon capitaine.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 321.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Wie sehr Katharina an der Aufnahme von Friedensverhandlungen gelegen war, verdeutlicht die Passage eines Briefes, den sie am 18. Januar 1563 aus Chartres Louis de SaintGelais, sieur de Lansac (1519–1589), zukommen ließ: Nachdem ich festgestellt habe, daß sich die Dinge noch weiter in die Länge ziehen, daß die Engländer sich in Le Havre und in Dieppe verschanzen und daß es dem Königreich von Tag zu Tag mehr an Soldaten und Geld mangelt, bin ich bereit, die erforderlichen Mittel bereitzustellen und die Sicherheitszusagen zu geben, um in Absprache mit den Herren eine Versammlung zu organisieren, damit durch einen glücklichen Vertrag ein Friede und eine Befriedung erreicht werden können. Als Hauptvertreter unserer Seite habe ich meinen Cousin, den Herzog von Guise, und meinen Cousin, den Konnetabel vorgesehen […].162

In einem weiteren Schreiben vom selben Tag an den Botschafter in Wien vertrat sie in der für sie typischen Weise die Ansicht, daß mangelnde Kommunikation zwischen den Konfliktparteien die Hauptursache für den Ausbruch der Unruhen gewesen sei. Weil die Sprache, die Kommunikation, nicht mehr ihre regulatorische Funktion ausgeübt habe, seien die Menschen ins Mißtrauen (deffiance) und in die Verhärtung (dureté) ihrer Positionen abgedriftet.163 Am 4. Februar 1563 glaubte Katharina einer Lösung näher gekommen zu sein, obwohl Coligny am 1. Februar in Richtung Normandie aufgebrochen war, wo er mit Hilfe der von Elisabeth von England zugesagten Subsidien die kurz zuvor von d’Andelot im Reich ausgehobenen und den Reformierten zugeführten Söldner zu bezahlen gedachte. Franz von Guise hatte sein Feldlager am 5. Februar eine halbe Meile von Orléans entfernt aufgeschlagen. Katharina hatte in Blois Quartier bezogen, um in der Nähe der königlichen Truppen zu sein, die für die Befreiung der von den Reformierten okkupierten Stadt Orléans kämpften. Dann kam es aber am 18. Februar zu einem unerwarteten Ereignis, das den bereits vorangeschrittenen Friedensbemühungen Katharinas einen herben Rückschlag bereitete. In einem Hinterhalt vor Orléans wurde der Herzog von Guise schwer verwundet. Rund eine Woche später, am 24. Februar, erlag er seinen schweren Verletzungen. Durch die Aussagen des festgesetzten calvinistischen Attentäters, Poltrot de Méré 162  [18. Januar 1563] „A Monsieur de Lansac. Monsieur de Lansac, […] Je suis après (voyant que les choses sont encores pour tirer en longueur, et que cependant les Angloys s’establissent et fortifient dedans le Havre et Dieppe et que au conraire ce royaulme diminue tous les jours de gens et d’argent) à faire accorder les moyens et seuretés nécessaires pour faire une assemblée en communication entre ses seigneurs et essayer, si par quelque gracieux traicté l’on pourra conduire les choses à une paix et pacification, ayant resolu d’y employer mon cousin le duc de Guise et mon cousin le conestable pour les principaulx députés de nostre parti; […].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 479 f. 163  [18. Januar 1563] „A Monsieur de Rennes. Monsieur de Rennes, […] Je suys après, voyant que les choses sont encores pour aller à la longue, à essayer par tous les moyens qui me sont possibles de les conduire à une paix et paciffication et espère d’assembler et aboucher dedans quelques jours tous ces seigneurs ensemble, ayant estimé que la faute qu’il y a eu de se bien entendre les ungs les aultres a pu causer tout ce qui s’y est trouvé de deffiance et de dureté jusques à présent […]. Escript à Chartres, le XVIIIe jour de janvier 1563. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 481.

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(um 1537–1563), geriet Coligny in Verdacht, Auftraggeber dieses Anschlags zu sein. Diesem Verdacht leistete der Admiral ungeschickterweise selbst Vorschub, weil er öffentlich verlauten ließ, daß der Tod des Herzogs von Guise das Beste sei, was dem Königreich, der Kirche Gottes und insbesondere ihm selbst sowie seinem Haus passieren konnte. Coligny bestritt jedoch, das Attentat in Auftrag gegeben zu haben. Allerdings gab er zu, von dem Vorhaben gewußt und Poltrot de Méré davon nicht abgehalten zu haben.164 Poltrot de Méré wurde am 21. Februar 1563 der Regentin vorgeführt, die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Feldlager in Saint-Mesmin, in der heutigen Region „pays de la Loire“ gelegen, aufhielt. Katharina unterzog den Attentäter einem Verhör. Dieser belastete mehrere Personen – darunter Beza und Coligny –, ihn zu dieser Tat angestiftet zu haben. Ausdrücklich warnte er Katharina, Coligny habe die Absicht, alle diejenigen ermorden zu lassen, die nach dem Tod des Herzogs von Guise an die Spitze der königlichen Armee gestellt würden. Außerdem seien sie selbst und weitere Große der Partei des Königs von Attentaten bedroht. Deshalb ordnete Katharina an, daß der Schutz und die Bewachung ihrer Person und ihrer Kinder verstärkt wurden. Zwar widerrief der Attentäter am 15. März seine Geständnisse, um sie dann aber vor seiner Hinrichtung am 18. März 1563 zu wiederholen.165 Am folgenden Tag fanden die Beisetzungsfeierlichkeiten des Herzogs von Guise unter großer Anteilnahme der Pariser Bevölkerung statt. Henri de Lorraine, der älteste Sohn des Ermordeten, trat als Henri duc de Guise (1550– 1588) dessen Nachfolge im Hause der Guise an. Er und der ganze Clan der Guise verlangten nicht nur die Bestrafung des Attentäters, sondern auch ein unnachsichtiges Vorgehen gegen dessen Hintermänner – insbesondere gegen Coligny. In den Chor derer, die den Anführer der Hugenotten stigmatisierten, stimmte zunächst auch Katharina ein, sah sie doch in ihm – nicht zu Unrecht – den Hauptstörenfried, der die bisher so hoffnungsvoll angelaufenen Friedenssondierungen mit Condé gefährdete. Die Eröffnung eines offiziellen Untersuchungsverfahrens oder gar eines Prozesses gegen Coligny kam aber für Katharina zum damaligen Zeitpunkt nicht in Frage. Wie sie sich auch entschieden hätte, sie hätte in jedem Fall eine Verschärfung der Lage riskiert, was sie unbedingt vermeiden wollte. Deshalb griff sie zu einem Mittel, dessen sie sich bereits in der Vergangenheit in ähnlichen Situationen bedient hatte und das sie auch zukünftig benutzen sollte. Sie setzte auf Zeitgewinn, indem sie ein mögliches Verfahren gegen Coligny durch den König hinausschieben ließ – in eine Zeit, in der sich die Lage wieder beruhigt haben würde. Bei ihrem Agieren ließ sich die Regentin keineswegs von Rachegefühlen dominieren. Sie reagierte rational und pragmatisch. Das beste Mittel, um den unheilvollen Absichten 164  „Cette mort est le plus grand bien qui pouvait arriver à ce royaume et à l’Église de Dieu, et particulièrement à moi et à toute ma maison.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 323. Zum Gesamtkomplex: Cloulas, Catherine de Médicis, S.  166  f.; Orieux, Catherine de Médicis, S.  314–321; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 404 f.; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 108; Solnon, Catherine de Médicis, S. 146–150; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 321 ff.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 89 ff.; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 324–332. 165  Shimizu, Conflict of Loyalties, S. 105–112; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 331 f.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Colignys, über die ihr mehr oder minder glaubwürdige Berichte zugingen, zu begegnen, bestand für sie darin, den von ihr eingeschlagenen politischen Weg fortzusetzen. Damit wollte sie ihre vor dem Tod des Herzogs von Guise begonnenen Bemühungen, sich mit Condé über einen Frieden zu verständigen, doch noch zum Erfolg führen. Unter der Hand ließ sie Condé andeuten, er könne als Nachfolger seines Bruders Bourbon dessen Charge des Lieutenant général du Royaume erhalten unter der Voraussetzung, daß er sich in den angestrebten Friedensverhandlungen zu Kompromissen bereit erweisen werde.166 In seiner Reaktion auf die Signale Katharinas zeigte sich Condé durchaus entgegenkommend. Um den Boden für erfolgreiche Friedensverhandlungen zu bereiten, hatte sie am 1. und 2. März 1563 auch mit der Frau Condés, Élénore de Roye, intensive Gespräche geführt. Roye erreichte in Orléans die Zustimmung, daß die Friedensverhandlungen auf einer Insel der Loire in unmittelbarer Nähe des Feldlagers von Saint-Mesmin stattfinden sollten. Condé traf am 6. März im Feldlager ein. Die Verhandlungen begannen bereits nachmittags am dafür vorgesehenen Ort und entsprachen einer zuvor festgelegten Choreographie. Am 8. März hatten sich die beteiligten Hauptakteure schließlich geeinigt. Alles deutet darauf hin, daß Condé nicht auf der Wiederherstellung des Januar-Edikts von 1562 bestand, nachdem sich Montmorency in dieser Frage unnachgiebig gezeigt hatte. Man hatte sich auch darauf geeinigt, daß sich Condé unverzüglich und höchstpersönlich nach Orléans begeben sollte, um die dort anwesenden weiteren reformierten Akteure und die dortige calvinistische Einwohnerschaft über die Verhandlungsergebnisse zu informieren und diese zu deren Annahme zu bewegen. Zuvor hatte er versprochen, im Falle einer Ablehnung, sich öffentlich zu deren Feind zu erklären – also die Seite zu wechseln. Montmorency seinerseits sollte sich zum königlichen Feldlager begeben und die dortigen Akteure über die Verhandlungsergebnisse informieren. Condé stieß am Nachmittag des 8. März in Orléans auf heftigen Widerstand. Eine aus drei calvinistischen Pfarrern bestehende Delegation lehnte die von ihm vorgetragenen Ergebnisse mit dem Argument ab, daß weder er noch die Königinmutter legitimiert seien, Vereinbarungen zu treffen, die dem Januar-Edikt, das von allen Parlamenten der Monarchie sanktioniert worden sei, zuwiderliefen. Etwas später, aber noch am selben Tag, verkündeten 72 weitere reformierte Pfarrer ihre Ablehnung des von Condé unterbreiteten Vertragsprojekts. Daraufhin verlagerte Condé seine Bemühungen auf die in Orléans anwesenden reformierten Adligen, um diese auf seine Seite zu ziehen. Am Morgen des 9. März 1563 kehrte Condé ins Feldlager nach Saint-Mesmin zurück. Dort wollte man bis zum 11. oder 12. März auf die Rückkehr Colignys warten. In den Tagen des 11. und 12. März begleiteten dann d’Andelot und “alle anderen seiner Partei“167 – so wird berichtet – Katharina aus dem in der Mitte der Loire auf einer Insel errichteten Zelt, in dem die Verhandlungen stattgefunden hatten, zu dem Boot, das sie ans Ufer der Loire 166  Crouzet, Catherine Médicis, S. 332 f. 167  „tous les autres de son parti“.

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bringen sollte. Am 12. und 13. März 1563 wurde schließlich der Vertragsabschluß in Abwesenheit Colignys bekräftigt. Es handele sich – wie Katharina in einem Brief ausführte – um einen „aus der Not heraus geborenen Frieden“ (nécessité), in der Erwartung, daß das Konzil von Trient das „perfekte Heilmittel“ (parfaict remède) zur Beilegung der religiöskonfessionellen Probleme finden werde.168 Der Vertrag ging als Edikt von Amboise vom 19. März 1563 in die Geschichte ein. In einem Schreiben vom 13. März an einen Vertrauten gab Montmorency seiner Genugtuung über den erzielten Erfolg wie folgt Ausdruck: „Der Friede ist geschlossen, und ich bin sicher, dass Sie ihn für gut befinden, insbesondere vor dem Hintergrund der Armut dieses Königreiches. Ich melde Ihnen, daß alle ‚Es lebe Frankreich!‘ rufen – von hier bis Bayonne.“169 Waren aber wirklich alle über den Friedensschluß erfreut, wie es der Konnetabel seinem Adressaten suggerierte? Die Antwort hängt davon ab, aus welcher Perspektive das Edikt von Amboise betrachtet wurde: aus der Perspektive des Königs und der Regentin, aus jener der Katholiken oder aus jener der Reformierten. Betrachten wir vor der Beantwortung dieser Frage zunächst die zentralen Bestimmungen dieses Edikts. Es bedeutete für die Reformierten einen Rückschritt gegenüber dem Januar-Edikt von 1562, denn es schränkte die ihnen damals in sehr verklausulierter Form gewährten Freiheiten hinsichtlich der Ausübung ihres Kultes wieder ein.170 Der reformierte Kultus durfte jetzt nur noch in der Vorstadt einer einzigen Stadt im Bezirk einer „bailliage“ bzw. einer „sénéchaussée“ – also eines unteren Verwaltungsbezirks – ausgeübt werden. Ausgenommen davon waren Paris und der Hof des Königs, wo jegliche Ausübung des reformierten Kultus verboten war. Das Edikt besagte weiterhin, daß dieser in jenen Städten erlaubt sein sollte, wo er bis zum Stichtag des 7. März 1563 praktiziert worden war. Die Bedingung war jedoch, daß die Hugenotten dort alle katholischen Kirchen, Gebäude und Einrichtungen restituierten, die sie den Katholiken entzogen hatten. Diese Bestimmung enthielt insofern Konfliktstoff, als alsbald zwischen den Konfessionsparteien darüber Streit ausbrach, für welche Städte diese Regelung realiter zutraf. Schließlich durften Adlige, die in ihren Grundherrschaften das Recht besaßen, die hohe Gerichtsbarkeit auszuüben, in ihren Häusern den reformierten Kultus mit ihren Familien und ihren Grundholden abhalten. Adligen Grundherren, die nicht über das Privileg der hohen Gerichtsbarkeit verfügten, war die Abhaltung reformierter Gottesdienste in ihren Herrenhäusern nur im Kreis ihrer Familienangehörigen gestattet. Die beiden letztgenannten Bestimmungen spiegeln die Bedeutung wider, die der französische Adel inzwischen innerhalb der reformierten Kirche erlangt hatte. Allen denjenigen, die das Edikt nicht respektieren 168  Lettres de Catherine de Médicis, Bd. I (1533–1563), S. 539; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 335. 169  „La paix est faite, que je suis sûr que vous trouvez très bonne, vu la pauvreté de ce royaume. Je vous avise que tout crie: Vive la France ! d’ici à Bayonne.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 324. 170  Vgl. Kap. 6, S. 175 ff.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

sollten, wurden strenge Strafen angedroht. Sie sollten wie Majestätsverbrecher juristisch belangt werden.171 War Katharina mit dem Frieden, der ihre Handschrift trug, verständlicherweise sehr zufrieden, weil sie sich von ihm eine dauerhafte Befriedung der Monarchie erhoffte, so manifestierten sich alsbald Widerstände und Opposition. Coligny, der am 23. März 1563 aus Orléans zurückkehrte, kritisierte das Edikt sofort mit allem Nachdruck. Sowohl im Staatsrat als auch gegenüber Condé erklärte er, mit einem Federstrich habe man mehr reformierte Kirchen ruiniert, als es deren Feinde während der letzten zehn Jahre getan hätten. Er war davon überzeugt, daß das Edikt noch heftigere Unruhen zur Folge haben werde, als jene, mit denen die Reformierten zuvor konfrontiert worden waren. Trotz seiner offensichtlichen Kritik an dem, was vertraglich vereinbart worden war, ging er indessen nicht so weit, eine Rückkehr zum Status quo ante zu verlangen. Er sah sich zwar vor vollendete Tatsachen gestellt, er kritisierte das Edikt scharf, aber er nahm es – zumindest nach außen hin – als Realität hin. Dabei dürfte wohl auch eine Rolle gespielt haben, daß er sich damals wegen der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen, für das Attentat gegen Franz von Guise mitverantwortlich zu sein, in einer nicht ungefährdeten Lage befand. Im übrigen dürfte ihm auch klar gewesen sein, daß eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zweifellos am Widerstand der Regentin scheitern würde.172 Für Katharina hatte die Realisierung des Edikts von Amboise insofern große Bedeutung, weil es für sie ein zentrales Instrument zur Durchsetzung der Ziviltoleranz in der Monarchie darstellte. Keineswegs sollte mit ihm aber die dauerhafte Existenz zweier Konfessionen in Frankreich sanktioniert werden. Über die Herstellung der concorde civile hoffte sie wohl, langfristig doch noch die concorde religieuse wiedererreichen zu können. Zumindest interpretierte sie in ihrem Schreiben vom 20. April 1563 aus Chenonceau an Bernardin Bochetel, Bischof von Rennes und Botschafter am Kaiserhof in Wien, das Edikt von Amboise in diesem Sinne, wenn sie ausführte: […] welches auch immer die Umstände und Notwendigkeiten unseres Abkommens gewesen sein mögen, Absicht des Königs, meines Sohnes, und meine eigene Intention ist nicht, durch das genannte Pazifikationsedikt zuzulassen, daß sich eine neue Form und Praxis der Religion in diesem Königreich etablieren, sondern um mit weniger Widerstand und

171  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 177 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 323 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 405 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 150; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 299; Sarah Hanley, Le Lit de justice des rois de France, Paris 1991, S. 161, 170; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 154; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 92; Dargent, Catherine de Médicis, S. 184; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 106; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 335 ff.; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 108; Babel, Karl IX., S. 105; Daussy, Entre sécurité et garantie, S. 196 ; Jérémie Foa, Le tombeau de la paix. Une histoire des édits de pacification (1560–1572), Limoges 2015, passim. 172  Shimizu, Conflict of Loyalties, S. 114; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 336.

6.5 Der Ausbruch der politisch-konfessionellen Bürgerkrieg

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geringeren Schwierigkeiten zur Vereinigung aller unserer Völker in einer selben, heiligen und katholischen Religion zu gelangen.173

Auszuschließen ist aber auch nicht, daß Katharina mit ihren speziell für ihren Adressaten, den Kaiser, gewählten Formulierungen bei diesem den Eindruck erwecken wollte, sie werde die Existenz zweier Konfessionen in der Monarchie nicht dulden und arbeite auf eine Rückführung der Reformierten zum Katholizismus hin. Zumindest verfolgte sie mit ihrem Schreiben die Absicht, beruhigend auf den Kaiser einzuwirken. Während die Parlamente von Bordeaux, Rouen und Toulouse das Edikt von Amboise bereits am 10., 15. und 16. April und jenes in Dijon Ende Juni 1563 einregistrierten und damit rechtlich absicherten, daß es in ihren jeweiligen Kompetenzbezirken durchgeführt und eingehalten werden mußte, verweigerten die Parlamente von Aix-en-Provence und Paris die Vornahme dieses Aktes. Am 12. September trug eine dreiköpfige Delegation des Pariser Parlaments dessen Einwände (remontrances) Karl IX. vor. Von seiner Mutter offenbar sorgfältig instruiert, reagierte der König ungehalten und entschieden auf deren Darlegungen. „Sie haben sich einreden lassen, daß Sie meine Vormünder sind; Sie werden sehen, daß ich Ihnen demonstrieren werde, daß Sie das keineswegs sind. Sie sind meine Diener und Untertanen, von denen ich erwarte, daß sie mir gehorchen und das tun, was ich ihnen befehlen werde.“174 Es dauerte aber noch zwei Wochen, bis die Pariser Körperschaft der Anordnung Karls  IX. Folge leistete. Weil das Parlament von Aix sich dauerhaft als halsstarrig erwies, wurde es im März 1564 suspendiert. An dessen Stelle wurde ein provisorisches Gremium etabliert, das aus vom König nominierten Angehörigen des Pariser Parlaments und seines Grand Conseil175 zusammengesetzt war. Bei der Mehrheit der Reformierten – nicht nur bei ihren militanten Repräsentanten – und auch bei den Katholiken stieß das Edikt von Amboise nicht nur auf Kritik, sondern an zahlreichen Orten auch auf offen artikulierte Ablehnung bzw. Widerstand. Darauf

173  [20. April 1563] „A Monsieur de Rennes, […] quelles ont esté les occasions et nécessitez de notre accord, et comme l’intention du Roy monsieur mon filz et la myenne n’est pas de laisser establir, par le moyen de ladicte paciffication [d’Amboise] une nouvelle forme et exercice de religion en ce royaume, mais bien pour parvenir avec moings de contradiction et difficulté à la réunion de tous noz peuples en une mesme sainte et catholique religion.“ Lettres de Catherine de Médicis, publiées par M. le Cte Hector de La Ferrière, Bd. II (1563–1566), Paris 1885, S. 19 f. 174  „Vous vous êtes fait accroire que [vous] étiez mes tuteurs; vous trouverez que je vous feray cognoistre que [vous] ne l’estes point, mais mes serviteurs et subjets, que je veulx qui m’obéissent à ce que je vous commanderay.“ Zitiert über Hanley, Le Lit de justice des rois de France, S. 187; vgl. auch Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 300; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 421. 175  „Der Grand conseil bildete eine Sondergerichtsbarkeit (justice d’attribution) für die ihm eigens zugewiesenen Traktanden, so für Pfründenangelegenheiten und für Prozesse bestimmter Orden. Der Grand conseil hatte ferner über Zuständigkeitsstreitigkeiten zu befinden, die zwischen unterschiedlichen Instanzen der Judikatur auftraten, beispielsweise zwischen Parlamenten und Présidiaux.“ Mager, Frankreich vom Ancien Régime zur Moderne, S. 125.

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mußte Katharina reagieren, um das von ihr Erreichte nicht sofort wieder von interessierter Seite zerstören zu lassen. Da Karl IX. am 27. Juni 1563 sein dreizehntes Lebensjahr vollendete und in sein vierzehntes eintrat, war es mit Hilfe einer entsprechenden Interpretation des Gesetzes über die Salische Thronfolge möglich, nach diesem Datum den rechtlich wichtigen Akt zu vollziehen, mit dem er für volljährig erklärt wurde. Damit endete faktisch die Phase, in der Katharina als Gouvernante de France die Regierungsgeschäfte in ihren Händen hielt. Der nunmehr volljährige König übernahm sie dann persönlich. Für die bisherige Regentin bedeutete dies, daß sie die damit verbundenen Befugnisse und Kompetenzen verlor, was zum damaligen Zeitpunkt sicher nicht ihrer Interessenlage entsprach. Deshalb mußte eine Form der Übergabe der Regierungsgeschäfte in die Hände des volljährigen Königs gefunden werden, welche mit den rechtlichen und traditionellen Gegebenheiten zwar konform war, die aber dennoch die Position Katharinas realiter nicht schwächte, sondern stärkte. Der Akt der Erklärung der Volljährigkeit erfolgte auf Veranlassung Katharinas am 17. August 1563 in einem „lit de justice“ im Parlament von Rouen. Ganz bewußt überging sie damit das in der Hierarchie der Parlamente an der Spitze rangierende Pariser Parlament, um diesem damit zu signalisieren, daß sie über dessen zu diesem Zeitpunkt noch andauernde Hinhaltetaktik im Verfahren der Einregistrierung des Edikts von Amboise verärgert war.176 In der feierlichen Zeremonie wandte sich Karl IX. folgendermaßen an seine Mutter – mit Worten, die zweifellos zuvor mit ihr genau abgestimmt worden waren: „Ich werde niemals die Mühen vergessen, die die Königin, meine Frau Mutter, auf sich genommen hat, um meine Krone und meinen Staat zu behüten. Ich habe das Alter erreicht, das mich befähigt, sie zu entlasten, ein Alter, in dem mir auf Grund der Gesetze des Königreiches die vollständige Gewalt und Autorität über meine Untertanen gebührt.“177 Wäre es bei diesen Worten geblieben, dann hätte der König seine Mutter sozusagen aufs Altenteil geschickt. Dem war aber nicht so, denn dem Ersten Präsidenten des Parlaments von Rouen war die Aufgabe übertragen worden, sofort im Anschluß zu betonen, daß die Herrschaft Karls IX. um so größer und segensreicher sein werde, wenn er bei der Wahrnehmung der damit verbundenen Aufgaben und Funktionen „durch die weise Beratung der Königin, seiner Mutter, assistiert werde, die sich während ihrer Regentschaft wie eine Olympia für Alexander, eine Helena für Konstantin, wie eine Bianka [von Kastilien] für Ludwig [IX.]

176  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 419 ff.; Hanley, Le Lit de justice des rois de France, S. 187. 177  „Je n’oublierai jamais les peines que la reine Madame ma mère a prises pour conserver ma couronne et mon État. Je suis en âge qui me rend capable de la soulager et qui, par les lois du royaume, me remet l’entière autorité sur mes sujets.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 157.

6.5 Der Ausbruch der politisch-konfessionellen Bürgerkrieg

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erwiesen habe“.178 Damit wurde den Anwesenden klargemacht, daß Katharina weiterhin die entscheidende Rolle in der Monarchie spielen sollte. Der folgende Dialog zwischen Mutter und Sohn ließen daran keinen Zweifel aufkommen. An den König gewandt, sagte Katharina: „Ich gebe [die Regentschaft] jetzt in Ihre Hände mit dem Bedauern, es nicht besser gemacht zu haben […]. Ich habe getan, was ich konnte, und wenn irgend jemand meine Aktionen getadelt hat, dann hat er aber nichts gegen meine Absicht sagen können, die stets gut war.“179 Als Katharina ihre Erwiderung beendet hatte, stieg Karl  IX. barhäuptig die Stufen, die ihn von seiner Mutter trennten, hinunter, um ihr mit folgenden Worten zu danken: „Madame, Ihre Autorität wird noch mehr anerkannt werden als jemals zuvor in meinem Königreich, und ich werde niemals etwas tun, ohne zuvor Ihren Rat eingeholt zu haben.“180 Seinen Worten ließ der König entsprechende Taten folgen. So wurde durch eine Verfügung des Staatsrates vom 23. Oktober 1563 präzisiert, daß die Königinmutter – wie bisher – alle Briefe öffnen werde, die ihr die Staatssekretäre zu überbringen hatten. Des weiteren sollte kein Schriftstück vom König signiert werden, wenn es nicht zuvor von seiner Mutter durchgesehen worden war. Im Staatsrat blieb Katharina weiterhin die entscheidende Figur. Nicht nur dem engeren Hof und den politischen Akteuren, sondern auch der breiteren interessierten Öffentlichkeit war klar, daß Katharina zwar nicht mehr die offizielle Gouvernante de France, aber realiter erneut mit einer Machtvollkommenheit ausgestattet worden war, die sie faktisch gar nicht verloren hatte. In gewissem Sinne ging sie aus dem Vorgang noch gestärkt hervor, denn wenn sie nunmehr im Auftrag und im Namen des Königs agierte, konnte sie gegenüber ihren Gegnern stets darauf verweisen, daß sie dies im Auftrag und im Namen des uneingeschränkt regierungsfähigen Monarchen tat, dessen Souveränität und höchste Autorität nicht mehr mit dem Argument seiner Minderjährigkeit in Frage gestellt werden konnten. Katharina mußte nicht mehr mit Bourbon und mit Franz von Guise rechnen, die von der politischen Bühne abgetreten waren. Die verbliebenen Prinzen von Geblüt konnten mit dem früheren Hinweis auf die Minderjährigkeit des Königs für sich nicht mehr eine Beteiligung an der Regentschaft reklamieren. Daß Katharina politisch gestärkt aus den geschilderten Ereignissen hervorgegangen ist, manifestierte sich auch darin, daß sie ein personelles Revirement im Conseil du Roi realisieren konnte, das ganz ihren Intentionen entsprach. Auf ihren Rat hin berief Karl IX. Angehörige beider Konfessionen in den Staatsrat: sechzehn mehr oder minder intransigente Katholiken – darunter die Kardinäle von Lothringen und von Guise – und 178  „assistée des sages conseils de la reine sa mère qui s’était montrée en sa régence une Olympias pour Alexandre, une Hélène pour Constantin, une Blanche [de Castille] pour Louis [IX]“. 179  „Je remets [la régence] maintenant entre vos mains avec regret de n’avoir mieux fait […]. J’ai fait ce que j’ai pu, et si quelqu’un a blamé mes actions, il n’a rien à dire contre mon intention qui a toujours été bonne.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 157. 180  „Madame, votre autorité sera plus reconnue qu’elle n’a jamais été en mon royaume, et je ne ferai jamais rien sans votre avis.“ Zitiert über ebenda.

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sechs Reformierte – unter ihnen Condé und die drei Brüder Châtillon (Coligny, d’Andelot, Kardinal Odet de Châtillon). Diese wurden aber neutralisiert durch ungefähr zwanzig weitere Mitglieder des Staatsrates, die gemäßigte Positionen vertraten und die Pazifikationspolitik Katharinas unterstützten. Zu diesen zählten der Kanzler L’Hôpital, Jean de Morvillier (1506–1577), Bischof von Orléans, und Monluc, Bischof von Valence. Als wichtigste Beraterin des Königs und unterstützt von ihren Gefolgsleuten im Staatsrat war ­Katharina infolgedessen in der Lage, ihre Politik der Ziviltoleranz fortzusetzen.181 Dem Ziel der inneren Stabilisierung und der Zusammenführung der sich im beendeten Krieg gegenüberstehenden Großen des Landes diente auch das entschlossene Vorgehen Katharinas gegen die Invasion der Engländer, die im Bündnis mit Condé und dessen Gefolgsleuten in der Normandie erfolgt war.182 Sie appellierte an den Patriotismus der Franzosen, um die englischen Invasoren, die Le Havre besetzt hatten, wieder aus dem Land zu vertreiben. Die Beendigung des Ersten Bürgerkrieges und der Vertrag von Amboise hatten ihr dazu Handlungsspielräume eröffnet, die sie sogleich nutzte. Katholiken und Reformierte sollten gemeinsam mit dem König militärisch gegen Le Havre vorgehen und die Hafenstadt von den englischen Invasoren befreien. Mit Genugtuung hatte Katharina zur Kenntnis genommen, daß sich Condé und Coligny aus der Allianz mit Elisabeth von England gelöst hatten. Ihrem Appell, mit der Armee des Königs gegen die englischen Truppen in Le Havre zu kämpfen, waren aber nur Condé und dessen treue Anhänger gefolgt. Coligny und d’Andelot hatten auf den Appell nicht positiv reagiert. Die Belagerung von Le Havre begann im Juli 1563. Katharina hielt sich in unmittelbarer Nähe des königlichen Feldlagers auf, in das sie sich täglich begab. Am 23. Juli kapitulierte Le Havre, und die Truppen der Königin Elisabeth zogen sich über den Ärmelkanal nach England zurück. Förmlich beendet wurde der englisch-französische Konflikt aber erst neun Monate später durch den Friedensvertrag von Troyes vom 12. April 1564. Darin erreichte der französische König die endgültige Rückkehr Calais’ zur französischen Krone. Im Gegenzug erhielt die englische Königin eine Entschädigungszahlung in Höhe von 120.000 Kronen.183 Diesen außenpolitischen Erfolg, der den langjährigen englischfranzösischen Differenzen über den Besitz des wichtigen Hafens Calais ein einstweiliges Ende setzte, konnte Katharina durchaus auf ihrem Habenkonto verbuchen. In den Kontext der damaligen Pazifikationspolitik sind auch die von ihr veranlaßten Maßnahmen Karls IX. einzuordnen, mit denen der nach wie vor schwelende Konflikt zwischen den Guise und dem Admiral von Coligny, der nicht nur vom Hause Guise verdächtigt wurde, einer der Hauptverantwortlichen für das Attentat auf den Herzog Franz von Guise zu sein, eingehegt und zumindest formaliter aus der Welt geschafft werden 181  Solnon, Catherine de Médicis, S. 158. 182  Vgl. Kap. 6, S. 194 f. 183  Solnon, Catherine de Médicis, S. 155 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 332; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 422; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 93 f.; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 179; Dargent, Catherine de Médicis, S. 184.

6.5 Der Ausbruch der politisch-konfessionellen Bürgerkrieg

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sollte.184 Katharina wollte verhindern, daß diese nicht zu unterschätzenden Spannungen zwischen zwei mächtigen Adelsclans eskalierten und die gerade erst mühsam erreichte Beendigung des Krieges wieder in Gefahr brachten. Deshalb zog sie diese Affäre im Januar 1564 vor den Staatsrat. Auf ihre Initiative entschied der Conseil du Roi am 5. Januar, den von den Guise geforderten Prozeß gegen Coligny für drei Jahre auszusetzen. Den Konfliktparteien wurde in aller Deutlichkeit untersagt, die Angelegenheit weiterzuverfolgen. Widrigenfalls riskierten sie die „Indignation [des Königs] und eine Bestrafung wegen Mißachtung seiner Ordonnanzen und Befehle“.185 Der spanische Botschafter Chantonnay führte diese Entscheidung auf den schädlichen Einfluß zurück, den die Partei der Reformierten bei Hofe hätte. Er berichtete am 8./10. Januar 1564 an Philipp II. von Spanien: „Der Allerchristlichste König hat ein Verfahren festgelegt, das naheliegenderweise vom Konnetabel und dem Admiral [Coligny] angezettelt sowie vom Kanzler und der Königin [Katharina] unterstützt wurde, weil sie letztlich das Haus Châtillon favorisiert, weshalb diese so hochmütig sind und über so viele Getreue verfügen.“186 Mit der Verdächtigung des Kanzlers und der Königinmutter, sie würden die Châtillon unterstützen, lag Chantonnay aber falsch. Von deren Unterstützung kann keine Rede sein. L’Hôpital und Katharina wollten lediglich eine durchaus mögliche Eskalation verhindern. Immerhin wurde durch die Entscheidung im Conseil erreicht, daß der seit fast einem Jahr schwelende Konflikt einstweilen von der politischen Tagesordnung verschwand. Rund zwei Jahre später, am 29. Januar 1566, erfolgte eine Erklärung des Staatsrats in Moulins, wo sich der Hof damals aufhielt, daß Coligny unschuldig sei. Katharina brachte Angehörige der Guise und die Châtillon mit einigem Nachdruck dazu, sich bei einer speziell dafür organisierten Zeremonie zu umarmen und damit der Öffentlichkeit zu signalisieren, daß ihr Konflikt beigelegt sei. Das war natürlich nicht der Fall, denn Henri de Lorraine, der neue Herzog von Guise, blieb dieser Zeremonie fern. Beide Häuser pflegten nach wie vor tiefe gegenseitige Abneigung. Diese manifestierte sich auch darin, daß Antoinette de Bourbon, die Mutter der Guise, Katharina eine Denkschrift zuleitete und das Pariser Parlament ersuchte, ein Untersuchungsverfahren gegen Coligny einzuleiten. Am 30. September 1566 erschien sie in Begleitung ihrer Schwiegertochter Anne d’Este, der Witwe des ermordeten Franz von Guise, und zweier renommierter Anwälte im Justizpalast (Palais de Justice), um im Namen des Hauses Guise die Eröffnung der Untersuchung zu verlangen. Das Parlament entsprach ihrem Ersuchen, was aber keineswegs im Sinne Katharinas war. Deshalb ließ sie am 17. Januar 1567 das laufende juristische Verfahren beenden. 184  Vgl. Kap. 6, S. 202 ff. 185  „sur peine d’encourir son indignation et d’estre puny comme contempteur de ses ordonnances et commandements“. Cloulas, Catherine de Médicis, S. 185; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 332; Dargent, Catherine de Médicis, S. 183 f. 186  In deutscher Übersetzung zitiert über Reinbold, Jenseits der Konfessionen, S. 124.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

Außerdem berief sie am selben Tage den Conseil zu einer außerordentlichen Sitzung ein, die von ihren Gefolgsleuten dominiert wurde. In dieser Sitzung gab Coligny in Anwesenheit des Königs folgende Erklärung ab: „Ich schwöre, Sire, vor Gott, daß ich diese Mordtat nicht begangen, sie nicht angestiftet und auch nicht gutgeheißen habe.“187 Daraufhin plädierte der Generaladvokat für einen Freispruch des Admirals. Der Erste Präsident des Pariser Parlaments, Christophe de Thou (1508–1582), widersprach ihm aber: „Ich finde in dem Prozeß des Admirals nichts, das es erlaubt, ihn für unschuldig zu erklären. Ich rate, Anklage gegen ihn zu erheben.“188 Daraufhin wandte sich der alte Konnetabel Montmorency mit folgenden Argumenten an den König: Wenn Eure Majestät es mir gestatten, werde ich Ihr darlegen, daß dieses Verfahren einen so großen Skandal provozieren wird, den man nicht leicht wird reparieren können. Ein solches Verfahren ist geeignet, innerhalb einer Stunde alles zunichte zu machen und zu verderben, was man seit sechs Monaten mit großer Mühe in Sachen der Pazifikation erreicht hat. Ich spreche insbesondere vom Edikt von Amboise, das dem ganzen Königreich Ruhe verschafft. Majestät, sollte diese Versammlung ein Urteil in einem persönlichen Streit fällen, riskiert sie, alles wieder aufs Spiel zu setzen.189

Mit seiner Intervention gegen die Einleitung eines Prozesses gegen Coligny vor dem Pariser Parlament entsprach Montmorency exakt der von Katharina eingeschlagenen politischen Linie. Schließlich votierten von 24 Anwesenden in der außerordentlichen Sitzung des Conseil 19 für einen Freispruch Colignys. Bei letzteren handelte es sich überwiegend um Gefolgsleute Katharinas. Daraufhin befand Karl IX. am 29. Januar 1567, daß C ­ oligny unschuldig und vom Vorwurf, eine Mordtat begangen zu haben, entlastet sei.190 An der Feindschaft und an dem Haß, den die Guise gegenüber Coligny hegten, änderte aber auch diese Entscheidung des Königs nichts.

187  „Je jure, Sire; comme devant Dieu, que je n’ai fait, ni fait faire, ni approuvé ledit homicide.“ Zitiert über Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 166. 188  „Je ne trouve rien dans le procès de l’amiral qui permette de le proclamer innocent. Je conseille d’instruire l’accusation“ Zitiert über ebenda. 189  „Si Sa Majesté me l’accorde, je lui remontrerai que cette audience pourrait faire un si grand esclandre qu’on ne le saurait aisément réparer. C’est un bon moyen pour détruire et gâter en une heure tout le fondement de ce qui a été bâti à grand-peine depuis six mois en matière de pacification. Je veux parler en particulier de l’édit d’Amboise, qui apporte le repos à tout le royaume. Cette assemblée, Majesté, en jugeant une querelle personnelle, peut tout renverser.“ Zitiert über Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 167. 190  „purgé, déchargé et innocent du fait dudit homicide“.

6.6 Die „grose Tour “ und der Zweite Bürgerkrieg

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Die „große Tour“ und der Zweite Bürgerkrieg

In den Kontext der Friedens- und Pazifizierungspolitk Katharinas ist auch die von ihr bis in die Details konzipierte und an den jeweiligen Aufenthaltsorten inszenierte zweijährige Rundreise des Königs sowie des gesamten Hofes durch die Monarchie einzuordnen, die von Januar/März 1564 bis April 1566 stattfand. Sie ist unter der Bezeichnung „die große Tour“ (le grand tour) in die Geschichte eingegangen.191 Derartige Reisen des französischen Königs mit großem Gefolge durch die Provinzen waren damals, als Frankreich im wesentlichen noch durch feudalstaatliche Strukturen geprägt war, nichts Außergewöhnliches. In Anbetracht der im 16. Jahrhundert im Vergleich zum heutigen multivernetzten und institutionalisierten Staat nur recht spärlich vorhandenen und noch im Aufbau befindlichen staatlich-administrativen Strukturen sowie auf Grund der noch recht begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten sahen sich nicht nur die damaligen französischen Könige immer wieder veranlaßt, sich persönlich ihren Untertanen in den Provinzen zu zeigen. Damit wollten sie zugleich ihre Macht sowie Autorität an Ort und Stelle demonstrieren, Regierungshandlungen vornehmen, Recht sprechen und für Ruhe und Ordnung sorgen. Daß der französische König sich in einer der wenigen festen Residenzen dauerhaft aufhielt, wie das später unter Ludwig XIV. (1643–1715) in Versailles der Fall sein sollte, war noch nicht gängige Praxis. Völlig zu Recht spricht man für die Zeit des 16. Jahrhunderts im Hinblick auf Frankreich noch vom „reisenden Hof“. Während der Herrschaft Franz’ I. hatte Katharina aus nächster Nähe miterleben und beobachten können, daß derartige Besuche des Königs in seinen verschiedenen Provinzen ein wichtiges politisches Instrument des Regierungshandelns darstellte. Wenn Ihr Ehemann, Heinrich II., von seinen jeweiligen Residenzen zumeist nur zu Kriegszügen aufbrach und keine großangelegten Inspektionsreisen durch seine Lande durchführte, so ist dieser Tatbestand auch darauf zurückzuführen, daß seine Herrschaft nicht allzu lange andauerte und er noch nicht mit derart schweren inneren Krisen und Konflikten konfrontiert war, wie sie die Jahrzehnte nach seinem Tod im Jahr 1559 Frankreich prägten. Nach der Beendigung des Ersten Bürgerkrieges durch das Edikt von Amboise vom März 1563 sprachen wichtige Gründe für die Organisation und Durchführung dieser „großen Tour“, die aus dem Rahmen früherer und späterer Unternehmen dieser Art fällt. Das gilt im Hinblick auf ihre Dauer von zwei Jahren, auf die Anzahl der aufgesuchten Provinzen, auf die große Zahl der daran beteiligten Akteure als auch in Bezug auf die von Katharina bis ins Detail inszenierten feierlichen Einzüge in die jeweiligen größeren Städte, auf die ganz bewußt auf die jeweiligen Teilnehmer hin konzipierten Treffen mit benachbarten Herrschern sowie hinsichtlich der dabei inszenierten prächtigen Festlichkeiten und Bankette. Deshalb ist es angemessen, auf diese „grand tour“ etwas näher einzugehen, 191  Vgl. dazu Jean Boutier, Alain Dewerpe, Daniel Nordman, Un tour de France royal. Le voyage de Charles IX (1564–1566), Paris 1984.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

zumal deren Organisation und Realisierung wiederum zentrale Elemente des politischen Handelns Katharinas erkennen lassen. Außer den skizzierten generellen Gründen spielte für Katharina ein ganzes Bündel weiterer Gründe für die Durchführung der Großen Tour eine Rolle. Einer der Hauptgründe war, daß sie an Ort und Stelle die Umsetzung und Einhaltung des Edikts von Amboise gewährleisten und damit für die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung in der Monarchie sorgen wollte. Wenn nun der König selbst in den unruhigen Gebieten und Städten erschien und Gehorsam gegenüber seinen Anordnungen verlangte, dann hatte man diese wohl oder übel zu befolgen, wenn man sich nicht des Widerstandes gegen seine Autorität schuldig machen wollte. Außerdem konnten bei dieser Gelegenheit auch andere lokale und regionale Probleme geregelt sowie Gesetzesvorhaben realisiert werden. Schließlich war es eine Ehre für die besuchten Gebiete und Städte, wenn der Monarch mit seinem Gefolge dort erschien und mit aller dem Anlaß entsprechenden Pracht empfangen werden konnte. Zugleich sollte der junge Karl  IX. bei dieser Großen Tour sein Königreich aus eigener Anschauung kennenlernen. Ein weiteres zentrales Anliegen Katharinas bestand darin, das bereits bestehende Netz der eigenen Klientel und des Königs nicht nur zu pflegen, sondern weiter auszubauen. Fidelitäts- und Klientelbeziehungen sowie das vielfältig abgestufte Beziehungsgeflecht zwischen dem Patron und seinen Kreaturen spielten in der damaligen Ständegesellschaft eine in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Rolle. Das gilt nicht nur für den König und die gesamte Herrscherdynastie, sondern auch für die verschiedenen Gruppierungen des Adels sowie für die städtischen Eliten. Insbesondere der Adel stellte eine Elite dar, deren politische und soziale Macht die Könige in ihr politisches Kalkül stets einbeziehen mußten. Der Protestantismus hätte sich auch in Frankreich nicht so schnell ausgebreitet, wenn sich ihm nicht relativ bald beträchtliche Teile des Adels angeschlossen hätten. Adlige spielten in den sich alsbald etablierenden institutionellen und militärischen Strukturen des Calvinismus eine zentrale Rolle. Dieser Entwicklung hatte die Krone Rechnung zu tragen. Um die Unterstützung einflußreicher Angehöriger des Provinzadels für sich und ihre Sache zu gewinnen bzw. um sie sich weiterhin als treue Gefolgsleute zu bewahren, übernahmen Katharina oder ihr Sohn z. B. Patenschaften bei deren Kindern. Das war im September 1564 in der Dauphiné und im selben Monat des Jahres 1565 im Poitou der Fall. Außerdem erhob Karl IX. auffällig zahlreiche Adlige in den Provinzen zu Rittern des angesehenen Ordens vom Heiligen Michael – in Valence waren es im August 1564 neun, vier im September dieses Jahres in der Dauphiné und gar 31 Kandidaten im Februar 1565 in Toulouse.192 Es war aber für Katharina und den jungen König auch wichtig, unter den städtischen Eliten ein Netz von Vertrauenspersonen und Klienten aufzubauen, die in ihren jeweiligen Tätigkeitsbereichen und Bekanntenkreisen im Sinne der Krone nicht nur deeskalierend 192  Boutier, Dewerpe, Nordman, Un tour de France royal, S. 257.

6.6 Die „grose Tour “ und der Zweite Bürgerkrieg

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agieren, sondern auch als wichtige Informanten eingesetzt werden konnten. Neben den noch im Auf- und Ausbau befindlichen administrativen Institutionen stellte das weitgespannte Netz von Klientel- und Fidelitätsbeziehungen für die Krone ein unverzichtbares Instrument dar, um ihre Entscheidungen und Maßnahmen im Lande schneller oder überhaupt realisieren zu können. Das hatte auch Katharina sehr früh erkannt. Sie war deshalb bemüht, ihrem Sohn die zentrale Bedeutung dieses Instruments nachdrücklich ans Herz zu legen. In einem an ihn gerichteten Brief vom 8. September 1563 riet sie ihm, in allen wichtigen Städten des Königreiches drei oder vier der angesehensten, einflußreichsten und mächtigsten Bürger und ebenso viele der großen Kaufleute für sich zu gewinnen, die bei ihren Mitbürgern über großen Kredit verfügten. Dies sollte unter der Hand geschehen und ohne daß der Rest den Eindruck hätte oder sagen könne, er, der König, wolle die bestehenden Privilegien antasten. Auf diese Weise könne er erfahren, was innerhalb der städtischen Magistrate sowie in den Kreisen der führenden Familien gesagt und gedacht werde. Bei anstehenden Wahlen für die jeweiligen Stadtobrigkeiten könnten dann die dortigen Vertrauensleute des Königs bzw. dessen Klientel dafür mobilisiert werden, daß Personen gewählt würden, auf die sich die Krone verlassen könne.193 Auffällig sind auch die vergleichsweise zahlreichen großen Festlichkeiten oder Turniere, die Katharina im Verlauf der Großen Tour veranstalten ließ.194 Trotz der hohen Verschuldung der Krone und der aus diesen Veranstaltungen resultierenden zusätzlichen Kosten wollte sie darauf keineswegs verzichten. Mit diesen prächtigen Festen, an denen auch die breite Masse des Volkes als Zuschauer Anteil nahm, sollte der Glanz der Monarchie und zugleich demonstriert werden, daß der König nach wie vor zur Durchführung derartiger Festlichkeiten in der Lage war. Viel wichtiger war aber, daß Katharina bei diesen Festen die führenden Vertreter der Konfessionsparteien und der miteinander um Macht und Einfluß konkurrierenden Adelsclans zusammenführen konnte. Sie sollten wieder miteinander ins Gespräch gebracht werden. Nicht mehr die Waffen, sondern der friedliche Meinungsaustausch, das Wort, sollte die Oberhand gewinnen, wovon sich Katharina die Stabilisierung der inneren Verhältnisse, ja letztlich die Herbeiführung 193  [8. September 1563] „Au Roy Monsieur mon fils. Monsieur mon fils, […] J’ay oublié ung autre poinct, qui est bien nécessaire que mectiez peine, et cela se fera aisément, si le trouvez bon, c’est qu’en toutes les principalles villes de vostre royaume vous y gagniez trois ou quatre des principaulx bourgeois, et qui ont le plus de pouvoir en la ville, et autant des principaulx marchans qui aient bon crédit parmy leurs concitoyens, et que, soubz main, sans que le reste s’en aperçoive ny puisse dire que vous rompiez leurs privillèges, les favorisant tellement par bienfaits ou autres moiens, que les aiez si bien gagnez qu’il ne se fasse ni die rien au corps de ville, ny par maisons particulières que n’en soiez adverty; et que, quand ilz viendront à faire leurs eslections pour leurs magistrats particuliers selon leurs privillèges, que ceux-ci, par leurs amis et practiques, facent tousjours faire élire ceulx qui seront à vous du tout; qui sera cause que jamais ville n’aura autre volonté que la vostre et n’aurez poinct de peine à vous faire obéyr; car, eng [un] mot, vous le serez toujours en ce faisant. […].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. II (1563–1566), S. 95. 194  Vgl. dazu Victor Ernest Graham (Hrsg.), The Royal Tour of France by Charles IX and Catherine de’ Medici. Festivals and Entries 1564–6, Toronto 1979.

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eines dauerhaften Friedens im Sinne der Ziviltoleranz erhoffte. Das mag aus heutiger Sicht, auch aus der Rückschau des einen oder anderen Historikers betrachtet, als naiv erscheinen. Naiv war Katharina aber ganz gewiß nicht, denn sie war und blieb sich der stets gegebenen Risiken und der Tatsache bewußt, daß sich die Verhältnisse sehr schnell wieder zum Schlechten wenden konnten. Dem trug sie dadurch Rechnung, daß sie nie resignierte, nie zum Aufgeben neigte und immer wieder von neuem nach Auswegen bzw. nach Lösungen suchte oder zumindest auf Zeitgewinn setzte in der Hoffnung, es würden sich schließlich doch noch Chancen für die Realisierung ihrer jeweiligen Pazifikationsprojekte ergeben.195 Katharina brach am 24. Januar 1564 mit ihren Kindern und einem Teil ihres Hofstaates in Paris auf und begab sich zu ihrem Domizil in Saint-Maur, das in der Nähe von Vincennes lag. Saint-Maur war eine ehemalige Abtei, die um 1543 vom damaligen Besitzer im italienischen Renaissancestil umgebaut und modernisiert worden war. Sie hatte diese Anlage, an der sie Gefallen gefunden hatte, am 28. Januar 1563 im Tausch erworben. In den nächsten drei Jahren ließ sie diesen Besitz zu einem prächtigen Schloß gestalten und erweitern. Von Saint-Maur zogen Katharina und ihre Begleitung nach Fontainebleau, wo sie am 31. Januar 1564 eintrafen. Dort fanden in den folgenden 43 Tagen die abschließenden Vorbereitungen für die Große Tour statt. Dann setzte sich die lange Karawane am 13. März in Marsch.196 Die Realisierung dieses in jeder Hinsicht imponierenden Projekts hatte immense organisatorische und logistische Vorbereitungen und Maßnahmen erfordert, denn an der Tour waren mindestens 10.000 vielleicht sogar 15.000 Personen beteiligt. Diese reisten entweder zu Fuß, zu Pferde, in Transportwagen und in mehr oder minder gut ausgestatteten Karossen. Katharina benutzte häufig eine Sänfte. Die Versorgung aller Beteiligten mit Nahrungsmitteln und mit Übernachtungsmöglichkeiten war eine große Herausforderung für die damit beauftragten königlichen Funktionsträger. Gleiches galt für den großen Troß. Hinzu kam, daß während der langen Reise die Regierungsgeschäfte erledigt werden mußten. Deshalb gehörten die Mitglieder des Conseil du Roi zur Reisegesellschaft. Gleiches galt für den Hofstaat Katharinas und Karls  IX. Weil das Regierungshandeln auf Dauer nicht möglich war, wenn die Minister des Königs und die Hauptakteure seines Staatsrates nicht über die dazu erforderlichen Dokumente und Unterlagen verfügen 195  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 180–220; Orieux, Catherine de Médicis, S. 337–395; Solnon, Catherine de Médicis, S. 163–166; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 102–123; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 421–425; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 155–165; Dargent, Catherine de Médicis, S. 188–194; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 105–115; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 301–312; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 153–156. 196  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 193 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 342–345; Solnon, Catherine de Médicis, S. 166; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 155 ff.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 181 f.; Bertière, Les reine de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 105 f. – Reinbold gibt irrtümlich als Datum der Abreise den 24. Januar 1563 an, was eindeutig falsch ist. Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 126.

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konnten, mußten auch die Kanzlei und das Archiv des Königs mitgeführt werden. „Auch die Botschafter reisten mit dem königlichen Troß: Alava (Spanien), Smith (England), Tornabuoni und Petrucci (Toskana), Barbaro und Suriano (Venedig).“197 Die Karawane zog von der Île-de-France in die Champagne, von Burgund in die Provence, vom Languedoc an die französisch-spanische Grenze nach Bayonne, von der Gascogne in die Bretagne und von der Loire in die Auvergne. Das Itinerar war zuvor unter der Leitung von Katharina sorgfältig ausgearbeitet worden, denn der reisende Hof kehrte nur sehr selten an einen bereits aufgesuchten Ort zurück. Die wichtigsten Stationen und Aufenthaltsorte waren Fontainebleau, Troyes, Lyon, das Roussillon, Avignon, Arles, wo der Hof und seine gesamte Begleitung wegen Hochwassers der Rhône 21 Tage lang verweilen mußten, Toulouse, Bordeaux, Bayonne, Châteaubriant und Moulins. Die Große Tour endete am 30. April 1566 in Saint-Maur. Am folgenden 1. Mai traf man wieder in Paris ein.198 Ein Ereignis dieser Grand Tour hat nicht nur die Zeitgenossen, sondern auch die späteren Biographen Katharinas ganz besonders beschäftigt. Es ist Bestandteil ihrer Schwarzen Legende geworden. Deshalb ist darauf näher einzugehen. Es handelt sich um ein für den Sommer 1565 geplantes Treffen hochrangiger Repräsentanten Frankreichs und Spaniens. Katharina war daran nicht nur aus politischen Gründen interessiert, hoffte sie doch bei dieser Gelegenheit sowohl Philipp II. als auch ihre Tochter Elisabeth wiederzusehen. Ihr Hauptanliegen war es, die in Madrid gehegten gravierenden Vorbehalte wegen ihrer zu nachsichtigen Konfessionspolitik gegenüber den Hugenotten zu entkräften und ihrem Gesprächspartner darzulegen, daß man ihr vertrauen könne. Sie hoffte, den spanischen König davon zu überzeugen, daß sie die innere Lage Frankreichs beherrschte. Außerdem wollte sie eine mögliche militärische Invasion Spaniens in Frankreich bereits im Keim ersticken. Schon Mitte 1564 sprach der „lieutenant-général“ der Guyenne, Blaise de Monluc [Blaise de Lasseran de Massencome, seigneur de Montluc, genannt Blaise de Monluc, 1500/1502–1577], „von der Notwendigkeit eines Zusammentreffens des spanischen Königs mit Katharina von Medici, da der sonstige diplomatische Gedankenaustausch meist zuviel verschleiere und von Personen ausgeführt werde, deren Integrität manches Mal angezweifelt werden dürfe“199. Im November 1564 wurde im „Consejo de Estado“ über das Projekt beraten. Dabei wurden dessen Vor- und Nachteile detailliert erörtert und gegeneinander abgewogen. „Zwar sah man drei kritische Punkte: den Aufruhr in Deutschland, England und Frankreich selbst, den ein solches Treffen hervorriefe, die Vorbehalte 197  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 126. 198  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 183–219; Orieux, Catherine de Médicis, S. 394 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 166–186; Michel Simonin, Charles IX, Paris 1995, S. 117–161. 199  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 126 f. – Der renommierte französische Historiker Fernand Braudel vermutete, daß Monluc, „halber Agent Spaniens“, der Initiator dieses Projekts gewesen sei. Fernand Braudel, Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II., Bd. 3, Frankfurt am Main 1994, S. 172. Nicht auszuschließen ist aber auch, daß er Sprachrohr Katharinas von Medici gewesen ist. Sicher ist, daß sie ein großes Interesse am Zustandekommen dieses Treffens hatte.

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des Papstes angesichts seiner Nichtberücksichtigung und die persönliche Gefahr für Leib und Leben des spanischen Königs; doch überwogen laut den Mitgliedern des Staatsrats die Chancen, die ein solches Treffen bot, zumal Gerüchte zu vernehmen waren, denen zufolge bereits im kommenden Sommer ein neuerlicher Waffengang der Hugenotten bevorstand. Um keinen Verdacht heraufzubeschwören, solle Katharina zunächst auf französischem Boden mit ihrer Tochter zusammentreffen, bevor sie die spanische Grenze überschreite, um mit dem spanischen König für einige Tage zu verhandeln.“200 Diplomatisch solle man aber Katharina signalisieren, man wünsche nicht, daß sie sich von Calvinisten begleiten lasse, die man auf spanischer Seite nach wie vor als Ketzer betrachtete. Dieser Vorbehalt bezog sich auf Condé, aber in erster Linie auf den Kanzler L’Hôpital, den man in Madrid fälschlicherweise für einen „hartnäckigen Häretiker“ (Reinbold) hielt. Am 8. Februar 1565 legte sich Philipp II. auf Bayonne fest, wo das Treffen stattfinden sollte. Nachdem Katharina zugesichert hatte, daß Condé nicht erscheinen werde, sorgte aber das Eintreffen eines türkischen Gesandten am französischen Hof bei den Spaniern für Verstimmung. Sehr irritiert schrieb der spanische Botschafter in Frankreich Alava (Alava y Beamonte, Francés de, 1564–1571) am 31. Mai nach Madrid: Obwohl bereits zwei oder drei Tage verstrichen sind, seit mir von der Ankunft eines Botschafters des Türken berichtet wurde, konnte ich es nicht glauben, bis mir aus Bordeaux bestätigt wurde, daß es wahr ist – was mich in Erstaunen versetzte; denn wie konnte es wahr sein, daß dort in Bayonne, wo Gott all die Wohlgesonnenen mit der Königin hinschickt, die Tür offen steht für den Botschafter des Teufels, aus dem Fegefeuer entsandt, um die Guten, die Gott geschickt hat, zu entzweien. Bevor ich dies Eurer Majestät schrieb, wollte ich von ihr und ihrem Sohn selbst hören, ob dies alles wahr sein kann.201

Obwohl keine Zweifel mehr am Besuch des türkischen Diplomaten bestanden, fand das Treffen dann doch statt. Allerdings verzichtete Philipp II. auf sein persönliches Erscheinen. Er entsandte nur Elisabeth und den Herzog von Alba. Der französische Hof traf am 3. Juni 1565 in Bayonne ein. Am 14. Juni kam es in dem Ort Hendaye in der Nähe des französisch-spanischen Grenzflusses Bidassoa zum ersten Zusammentreffen zwischen Karl  IX. und seiner Schwester Elisabeth. Katharina hatte ihren Sohn gebeten, der spanischen Königin entgegenzureisen und sie dort – d.  h. in der Mitte des Flusses – in einem bei derartigen Ereignissen üblichen symbolträchtigen Rahmen zu begrüßen.202 Nach gut einer Stunde, die diese feierliche Zeremonie dauerte, begab sich die Gesellschaft über Saint-Jean-de-Luz nach Bayonne, wo die Gespräche schließlich aufgenommen werden konnten. Die beiden Verhandlungsführer konnten gegensätzlicher nicht sein: auf französischer Seite die geschmeidige, rhetorisch höchst begabte und in schwierigen Verhandlungen 200  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 127. 201  In deutscher Übersetzung zitiert über Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 128. 202  Vgl. dazu detaillierte Angaben bei Abel Jouan, Recueil et discours du voyage du Roy Charles IX, in: Graham (Hrsg.), The Royal Tour of France by Charles IX and Catherine de’ Medici, S. 71–143, hier: S. 115 f.

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erfahrene Katharina, die zwar flexibel agierte, aber an ihrer bisherigen Pazifikationspolitik festhielt, und auf spanischer Seite der geradlinige und sich für die Sache der katholischen Kirche und die Interessen Spaniens unbeirrbar einsetzende Herzog von Alba. Zu konstruktiven Gesprächen kam es dann auch nicht. Ihr Verlauf war für beide Seiten insgesamt enttäuschend. Zur Überraschung von Katharina erwies sich auch ihre Tochter als entschiedene Vertreterin der spanischen Interessen und als Kritikerin ihres politischen Agierens gegenüber den rebellierenden Hugenotten. Elisabeth soll ihre Mutter gefragt haben, warum sie die Rebellen nicht der verdienten Bestrafung habe zuführen lassen, wenn sie – wie von ihr dargelegt – der Unterstützung durch die Mehrheit ihrer Untertanen sicher sei. Insgesamt gesehen, vermieden es beide Seiten, über allzu unangenehme Fragen zu reden. Nach außen sollte zumindest Einvernehmen demonstriert werden. Die zahlreichen Festivitäten zu Wasser und zu Lande, mit denen man sich über die mangelnde politische Bedeutung hinwegtröstete, entsprach der Einvernehmlichkeit, die das Treffen von Bayonne kennzeichnete. Es bot beiden Regierungen Gelegenheit, auf unverbindlicher Basis ‚Garantien auszutauschen, Heiratspläne zu schmieden (die Hauptbeschäftigung von Fürstentreffen dieses Jahrhunderts), dann mit leeren Händen auseinanderzugehen, da jede mehr denn je an der Aufrichtigkeit der anderen Seite zweifelte. Große Geschichte wurde aus unserer heutigen Sicht nicht gemacht; die Akteure sahen dies natürlich anders‘.203

Mangels realer politischer Erfolge auf beiden Seiten, nimmt sich aus der Rückschau die französisch-spanische Zusammenkunft von Bayonne wie ein Familientreffen aus, bei dem man miteinander sprach, auftauchende Differenzen nicht eskalieren ließ und nach außen möglichst Einvernehmen demonstrierte. Jede Seite hielt an ihren zentralen Positionen zwar fest, aber man hatte zumindest in atmosphärischer Hinsicht die gegenseitigen Beziehungen kurzfristig wieder positiver gestaltet. Freundschaftlich ging man am 2. Juli 1565 auseinander. In diesem Tenor war auch der Brief abgefaßt, den Katharina am 6. Juli 1565 Philipp II. zuschicken ließ. „Mein Herr und Sohn“, schrieb sie, ich kann Ihnen niemals genug danken für das Gute, das Vergnügen und die Ehre, die Sie mir erwiesen haben, die Königin, meine Tochter, haben wiedersehen zu lassen. Der König, mein Sohn, ich selbst und das ganze Königreich sind Ihnen sehr verpflichtet wegen der guten Behandlung, die diese genießt. Wir versichern Sie der Freundschaft, die der König, Ihr Bruder, gegenüber Eurer Majestät empfindet, eine Freundschaft, die durch dieses Treffen bestärkt werden wird […]. Wir versichern Sie des weiteren unseres Engagements für unsere Religion und unseres Verlangens, alle Dinge so zu sehen, daß sie dem Dienst und dem Eintreten für Gott gerecht werden.204 203  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 132. – Das Zitat im Zitat stammt von Braudel, Das Mittelmeer, Bd. 3, S. 173. 204  [6. Juli 1565] „A Mr mon fils le Roy Catolique. Monsieur mon fils, je ne vous puis asés affectionnément remersier du bien, du plaisir et hauneur que vous m’avés fayst de me donner le contentement de voyr

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Auf protestantischer Seite hatte man nicht nur in Frankreich dieses Treffen von Bayonne mit großem Argwohn verfolgt. Die französischen Calvinisten befürchteten, daß es in Bayonne zu politischen Absprachen zu ihren Lasten gekommen sei. Ja, man vermutete sogar, daß dort insgeheim ein gemeinsames militärisches Vorgehen gegen sie verabredet worden sei. Das war aber nachweislich nicht der Fall. Die Imagination war diesmal [aber] stärker als die Realität: Was passierte wohl, wenn sich der Allerchristlichste und die Abgesandten des Katholischen Königs hinter verschlossenen Türen zusammenfanden? Was hatten insbesondere die Protestanten von einer möglichen Übereinkunft zu erwarten? Daß man kein nennenswertes Ergebnis erzielt hatte, mochten die Hugenotten nicht glauben. Spätestens die Massaker der Bartholomäusnacht [August  1572205] schienen ihre Befürchtungen sieben Jahre später zu bestätigen. Auch wenn zwischen beiden Ereignissen keinerlei Zusammenhang bestand, so war doch nichts einfacher, als die Wirklichkeit den Erwartungen anzupassen.206

Daß Katharina sich in Bayonne zu einer solchen Absprache mit Madrid herbeigelassen habe, wurde später Teil der insbesondere von militanten Calvinisten propagierten Schwarzen Legende.207 Wenn der spanische Staatsrat in jenen Tagen Informationen über in Frankreich kursierende Gerüchte208 erhielt, es sei im Jahr 1567 erneut mit Unruhen, ja mit Krieg im Nachbarland zu rechnen, so waren solche Gerüchte – wie sich zeigen sollte – nicht unbegründet. Trotz aller Bemühungen, dem Edikt von Amboise in der ganzen Monarchie dauerhafte Akzeptanz zu verschaffen, war Katharina dies allenfalls in begrenzter Weise gelungen. Immerhin konnte sie als nicht zu unterschätzenden Erfolg verbuchen, daß es während der Dauer der Großen Tour in Frankreich vergleichsweise ruhig blieb und der im März 1563 wiederhergestellte innere Friede von keiner der Konfliktparteien gebrochen wurde. Solange man miteinander sprach, schwiegen die Waffen. Die innere Lage la royne ma fille, laquele j’é [j’ai] trové tele que le Roy mon fils et moy avecques tout set royaume vous sommes aubligés du bon trétement qu’ele rejouit; qui vous peult assurer de plus en plus de l’amytié que porte le Roy vostre frère hà Vostre Majesté, laquele [amitié] par ceste veneu sera redublay ynsin que la royne vostre femme pourra plus emplement dire hà V. M. […] et cela qui vous pourra asseurer de la volanté et zèle [du zèle] que [nous] avons à nostre religion et envie de voyr toutes chauses au contantement du servise de Dieu, chause que [nous] n’oubliron et metron payne de si bien aysécuter [exécuter] qu’il an aura le contentement et nous le bien qu’en désirons, ynsin que plus emplement la royne madicte fille dira hà Vostre Majesté […] Vostre bonne mer et seur, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. II (1563–1566), S. 297. Unvollständig, aber in modernisierter Orthographie wiedergegeben bei Dargent, Catherine de Médicis, S. 191. 205  Siehe dazu Kap. 7, S. 257–281. 206  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 133. 207  Zum Komplex des Treffens von Bayonne: Cloulas, Catherine de Médicis, S. 209–211; Orieux, Catherine de Médicis, S. 374–381; Solnon, Catherine de Médicis, S. 175–180; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 122 ff. ; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 309–312; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 111 ff.; Garrisson, Bayonne, in: Dies. u. a. (Hrsg.), Histoire et dictionnaire des guerres de religion, Paris 1998, S. 703. 208  Vgl. Kap. 6, S. 224.

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blieb aber instabil und fragil. Ein großer Teil der Katholiken war zumindest auf lange Sicht nicht willens, die im Edikt von Amboise verkündete Ziviltoleranz zu akzeptieren, obwohl durch dieses Edikt die im vorausgegangenen Januar-Edikt von 1562 den Hugenotten gewährten Konzessionen teilweise wieder zurückgenommen worden waren. Für diese Katholiken paktierte Katharina mit der Häresie. Die Hugenotten empfanden dagegen die im Edikt von Amboise verordneten Restriktionen als skandalös. Diese auf beiden Seiten artikulierte Unzufriedenheit schwächte die Position aller Moderaten, deren Einsatz und Kampf für die Bewahrung des inneren Friedens in wachsendem Maße auf Hindernisse stießen. Erschwerend für Katharina kam in jener Phase hinzu, daß sich die internationale Lage durch den in den Niederlanden ausbrechenden Bürger- und Glaubenskrieg insgesamt verschlechterte. Dieser Bürger- und Glaubenskrieg entwickelte sich „Schritt für Schritt zum Staatsbildungs- und Staatenkrieg“ (Heinz Schilling). Nachdem Philipp II. als Antwort auf die Freiheitspetition des Adels von 1566 und den Bildersturm von 1567 spanische Truppen unter dem „eisernen Herzog“ Alba ins Land geschickt und durch ein Blutgericht an „Ketzern“ und Adelsführern – 1568 Hinrichtung des Grafen Hoorn [Philipp  II., Graf von Montmorency-Nivelle-Hoorn, 1524–1568] und Egmont [Lamoral, Graf von Egmont, 1522–1568] – dumpfe Ruhe, aber auch eine gewaltige Flüchtlingswelle ausgelöst hatte, existierte der niederländische Aufstand faktisch nur noch in Form solcher außerhalb des Landes agierender informeller Akteure. Das waren im wesentlichen drei Gruppen und deren internationale Netze – der Hochadel, repräsentiert durch Wilhelm von Oranien, der rechtzeitig vor Albas Blutgericht in sein deutsches Heimatterritorium Nassau ausgewichen war; die Diaspora der calvinistischen Fremdengemeinden vor allem in Deutschland und England, die sich seit den späten vierziger Jahren gebildet hatte und sich nun durch Albas erbarmungslose niederländische Politik rasch ausbreitete; schließlich die Busch- und vor allem die Seegeusen, die mit einer Handvoll Kaperschiffen das freie Niederland gleichsam auf See geflüchtet hatten.209

Beunruhigt durch den Anmarsch der Armee Albas hatte Katharina zur vorsorglichen Sicherung der französischen Grenzen im Frühjahr 1567 rund 6.000 Schweizer und 10.000 Fußsoldaten ausheben lassen. Nachdem die spanische Armee in ihrem niederländischen Ziel eingetroffen war, ohne bei ihrem Zug die französischen Grenzen ernsthaft behelligt zu haben, hatte die Königinmutter die Schweizertruppe jedoch nicht aufgelöst. Das hatte auf seiten der Hugenotten die Befürchtung zur Folge, diese Truppe könnte gegen sie verwendet werden.210 Das erbarmungslose Vorgehen Albas gegen ihre niederländischen Glaubensbrüder verstärkte bei den Hugenotten den Wunsch, diese nicht nur finanziell, sondern auch militärisch zu unterstützen. Das beunruhigte wiederum Katharina, denn sie befürchtete, Philipp  II. könne sich dadurch zu einer militärischen Intervention in Frankreich 209  Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen 1559–1660, S. 294 ff. 210  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 439.

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provoziert sehen. Das durchaus nicht unbegründete Mißtrauen gegenüber den Intentionen des spanischen Königs war ein wesentlicher Bestandteil ihres politischen Agierens. Deshalb war sie immer wieder bemüht, ihm zu signalisieren, daß sie die Lage in Frankreich völlig im Griff habe. So hatte sie Philipp II. am 12. Mai 1566 durch ihren Botschafter Fourquevaux (Raymond de Beccarie de Pavie, baron de) folgendes berichten lassen: „Gott sei Dank sind die Einigkeit und der Gehorsam aller Untertanen des Königs, meines Herrn Sohnes, so gesichert und will dieser auch so sehr dafür Sorge tragen, daß es so bleibt, daß es unpassend ist anzunehmen, daß diese Einigkeit und der Gehorsam gestört werden könnten.“211 In seinen zahlreichen Schreiben an seine Botschafter am französischen Königshof hatte Philipp II. seinerseits diese immer wieder angehalten, den Allerchristlichsten König und Katharina „daran zu erinnern, den katholischen Glauben zu verteidigen und keine Kompromisse mit den Protestanten einzugehen“212. Die unter den französischen Hugenotten stark ausgeprägte Bereitschaft, ihren in den Niederlanden von Philipp II. bedrängten Glaubensbrüdern beizustehen, ist in den größeren Kontext des von den Calvinisten ausgebildeten „entschiedenen Internationalismus“ (Heinz Schilling) einzuordnen. Dieser calvinistische Internationalismus war bestrebt, nicht nur die Kirchenangelegenheiten im engeren Sinn zu beeinflussen, sondern auch politischen Einfluß zu nehmen. Das lag weniger in einer spezifischen, sich prinzipiell von der lutherischen unterscheidenden Theologie begründet als in der spezifischen Kirchenverfassung des Calvinismus und seiner kontingenten geographischen Verteilung. Abgesehen von Genf, wo er zur „Staatsreligion“ aufstieg, außenpolitisch aber immer gefährdet blieb, trat der Calvinismus seinen Siegeszug als Flüchtlingskirche an, die sich unter feindlicher Obrigkeit unabhängig, nicht selten auch im Widerstand zu einem fremdkonfessionellen Staat organisierte. Ekklesiologisch wie rechtlich und im alltäglichen Leben war die Einzelgemeinde die Schlüsselinstitution. Sie war eingefügt in ein Synodalsystem, das von regionalen über die nationale zur internationalen Ebene reichte, eine Organisationsweise also, die die internationale Perspektive in Denken und Handeln geradezu erzwang.213

Als am französischen Königshof Nachrichten eintrafen, der Herzog von Alba lasse in ­Luxemburg Fußtruppen und rund 3.000 Berittene ausheben, zeigte sich auch Katharina davon beunruhigt. Deshalb beauftragte sie d’Andelot, sich mit 5.000 bzw. 6.000 Mann in die Champagne zu begeben und sich dort mit den erst kürzlich angeworbenen Schweizern zu vereinigen. Für den Fall, daß es doch zu einer von der Königinmutter keineswegs gewünschten militärischen Auseinandersetzung mit Spanien kommen sollte, hatte 211  [12. Mai 1566] „A Monsieur de Fourquevaulx. Monsieur, […] Dieu mercy, l’union est telle et l’obéissance de tous les subjects du Roy mondit seigneur et fils si assurée et il la veut tant maintenir, qu’il est mal aisé qu’elle puisse être troublée […] De St-Maur, ce douziesme de may 1566, Caterine.“ Lettres de ­Catherine de Médicis, Bd. II (1563–1566), S. 360 f. 212  Reinbold, Philipp II. von Spanien, S. 76. 213  Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen 1559–1660, S. 114 f.

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Condé sein großes Interesse bekundet, das Kommando über die französische Armee zu führen. Er traf am 3. Juli 1567 in Saint-Germain-en-Laye ein, wo er gegenüber der Königinmutter seinen diesbezüglichen Wunsch bekräftigte. Katharina erachtete jedoch das Risiko eines Krieges für gering. Am 2. Juli hatte sie an den Stellvertreter des Gouverneurs in der Picardie folgendes geschrieben: „Was den Krieg betrifft, so liegen darüber – Gott sei Dank – keinerlei neue Nachrichten vor.“ Gleichwohl hielt sie einen solchen Krieg auch nicht für ausgeschlossen, denn sie ordnete an, die Garnisonen in der Champagne zu verstärken, bis man Genaueres über die „Vorbereitungen wisse, die in Luxemburg stattfinden“.214 Als Condé erneut und nachdrücklicher Katharina ersuchte, ihm das Kommando über die Armee Karls IX. übertragen zu lassen, antwortete sie zu dessen Enttäuschung ausweichend. Andererseits reagierte sie positiv auf die Bitte ihres jüngeren Sohnes, des Herzogs von Anjou, ihn vom König zum „lieutenant général“ ernennen zu lassen. Alexander Heinrich von Valois, der Lieblingssohn Katharinas, war während der Großen Tour mit dem Herzogtum von Anjou sowie mit den Herzogtümern des Bourbonnais, Maine und der Auvergne als Apanagen ausgestattet worden. Von nun an führte er den Namen eines Herzogs Heinrich von Anjou (Henri, duc d’Anjou, 1551–1589). Seit der Thronfolge Karls IX. im Jahr 1560 war er der Dauphin. Tatsächlich erhielt er das Oberkommando über die königlichen Truppen. Das Patent seiner Ernennung (lettres patentes) wurde indessen erst am 12. November 1567 bekannt gemacht. Der jüngste Sohn Katharinas François-Hercule erhielt das Herzogtum Alençon als Apanage. Man nannte ihn fortan den Herzog Franz von Alençon (François, duc d’Alençon, 1555–1584). Mit dem Tode Karls IX. im Jahr 1574 und der Thronfolge des Herzogs Heinrich von Anjou als Heinrich III. wurde er Dauphin und 1576 Herzog von Anjou. Condé reagierte auf die ausweichende Antwort Katharinas verärgert. Er sah sich in seiner Ehre verletzt und verließ am 11. Juli 1567 den Hof, um sich auf sein Schloß Valéry zurückzuziehen. Seine brüske Abreise war wie jede derartige Geste im 16. Jahrhundert ein deutlicher Ausdruck seines Mißtrauens und seiner Unzufriedenheit mit der Krone, zumal er bei seinem Aufbruch gesagt haben soll: „Ich habe hier nichts mehr zu tun“.215 Durch das Verhalten Katharinas ihm gegenüber wurden die bei ihm bereits seit dem Ersten Bürgerkrieg angestauten Animositäten weiter angefacht. Er sah sich in seinen wiederholt artikulierten Vorwürfen bestätigt, Katharina und der König hätten die zahlreichen Verstöße gegen das Edikt von Amboise, die zu Lasten der Hugenotten erfolgt seien, nicht energisch genug geahndet. Dabei überging er allerdings mit Schweigen, daß auch die Calvinisten immer wieder zu Lasten der Katholiken gegen das Pazifikationsedikt agiert hatten. Auf beiden Seiten war es immer wieder zu Gewaltakten gekommen. 214  „préparatifs qui se font en Luxembourg où les Espagnolz marchent“. Lettres de Catherine de Médicis, publiées par M. le Cte Hector de La Ferrière, Bd. III (1567–1570), Paris 1887, S. 41 f.; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 342. 215  „Je n’ai plus rien à faire ici.“

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Für Argwohn sorgte bei den Hugenottenführern auch, daß nach ihrer Überzeugung Karl von Guise zu großen Einfluß auf den jungen Karl IX. gewonnen habe. Er sei es, der den König dazu dränge, die den Hugenotten gemachten Konzessionen zu widerrufen. Hinzu kamen Gerüchte, Katharina plane im Einvernehmen mit Philipp II. von Spanien, die Anführer des französischen reformierten Adels zu neutralisieren. Man bereite sich in Frankreich vor, gegen diese ebenso vorzugehen, wie es der spanische König in den Niederlanden gegen die dortigen adligen Akteure getan habe. Es gäbe bereits Pläne, Coligny und Condé ermorden zu lassen. Andererseits kursierten auch Gerüchte, die Hugenottenführer zögen ihrerseits bereits Truppen zusammen und planten Aktionen gegen den König und dessen Mutter. Am 4. September 1567 schrieb Katharina an den Marschall de Cossé, sie habe erfahren, daß in der Nähe von Montargis und von Châtillon 1.200 bis 1.500 Berittene zusammengezogen worden seien.216 Außerdem kursierten Gerüchte über Umtriebe, für die es indessen keinen Grund gebe.217 Katharina schien noch nicht sonderlich beunruhigt zu sein, oder sie wollte nur nach außen diesen Eindruck erwecken. Zu diesem Zeitpunkt war ihr nicht bekannt, daß es in Châtillon-sur-Loing und in Valéry zwei Treffen der Hugenottenführer gegeben hatte. Ein drittes fand ebenfalls in Valéry statt. An diesem hatten auch Coligny und Condé teilgenommen. Bei diesem Treffen hatte allerdings Coligny auf die übrigen Teilnehmer mäßigend eingewirkt und diese aufgefordert, Geduld zu haben.218 Schließlich ließen die Hugenottenführer doch die Waffen sprechen. Am 24. September 1567 besetzten ihre Truppen Rozay-en-Brie. Katharina erfuhr von diesem Handstreich am selben Tag. Zu diesem Zeitpunkt hielten sie und der König sich in ihrer Residenz Monceaux-en-Brie auf. Der Herzog Heinrich von Anjou sollte dort zu ihnen stoßen.219 Katharina hatte mit diesem Handstreich nicht gerechnet. Er traf sie unvorbereitet und sozusagen desorientiert. Diese damalige negative Erfahrung hat sich tief in ihr Gedächtnis eingegraben. Sie verstärkte ihr ohnehin ausgeprägtes Mißtrauen gegenüber Zusicherungen, die man ihr gegeben hatte oder hatte zukommen lassen. In der Nacht vom 24. auf den 25. September beriet sie sich mit den anwesenden Mitgliedern des Staatsrates. Es wurde beschlossen, dem Kontingent der Schweizer, das zu diesem Zeitpunkt in ChâteauThierry stationiert war, den Befehl zu erteilen, zu ihrem Schutz nach Monceaux zu marschieren. Außerdem wurde François de Montmorency beauftragt, in Kontakt mit den Anführern der Hugenotten zu treten und mit ihnen Gespräche aufzunehmen. Katharina ließ in jenen Stunden verlauten, daß sie nicht verstehe, was vor sich gehe. Sie begreife nicht, warum die Hugenotten zu den Waffen gegriffen hätten, zumal sie erst kürzlich die 216  „[…]il y a de grandes assemblées jusques à douze à quinze cents chevaux“. 217  „quelque remuement dont il n’y a aucune cause“. Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III (1567–1570), S. 56 f.; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 343. 218  Shimizu, Conflict of Loyalties, S.  124; Crouzet, Catherine de Médicis, S.  344, Anm. 1; Wanegffelen, ­Catherine de Médicis, S. 337. 219  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 225 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 193 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 337 f.; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 344 f.

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Gouverneure in den Provinzen erneut angewiesen hatte, für die Einhaltung des Edikts von Amboise Sorge zu tragen und allen Gerüchten entgegenzutreten, die die Untertanen des Königs in Unruhe versetzen könnten. Die innere Zerrissenheit und die vorübergehende Desorientierung, die bei Katharina in jenen kritischen Stunden zu beobachten war, manifestierte sich auch in einem Bericht der Ehefrau des Marschalls von Brissac, die ihren Söhnen berichtete, Katharina habe in der Tatsache, daß Condé, Châtillon und Coligny zu den Waffen gegriffen hätten, deren Absicht erkannt, sich des Königs und seiner Brüder zu bemächtigen und sie selbst zusammen mit allen denjenigen zu töten, die sich dem Agieren der Hugenottenführer entgegenstellen würden.220 Tatsächlich rückten die Anführer der Hugenotten mit ihren Abteilungen auf Monceaux vor, um Karl IX. und Katharina unter ihre Kontrolle zu bringen. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung Katharinas und des Königs vom 26. September  1567 zu sehen, das Schloß von Monceaux zu verlassen und sich in das leichter zu verteidigende Städtchen Meaux zurückzuziehen. Dort beriet man über das weitere Vorgehen. Es wurde schließlich der Entschluß gefaßt, am sehr frühen Morgen des 28. September von Meaux aufzubrechen und sich unter dem Schutz des herbeigeeilten Kontingents der Schweizer zurück nach Paris zu begeben. Unter den argwöhnischen Blicken der Truppen Condés, der sich dann doch nicht für einen offenen Angriff entschied, erreichte der Hof am Morgen des 28. Septembers Paris, wo er sich fürs erste in Sicherheit befand. Am Tag zuvor, am 27. September, hatte Karl  IX. in einem Zirkularschreiben seine Amtsträger in den Provinzen darüber unterrichtet, daß „eine unglaubliche und bisher nicht dagewesene Verschwörung aufgedeckt wurde, die sich gegen mich und meinen Staat richtet und die sogar das Leben der Königin, meiner Mutter, sowie meiner Brüder und das meinige bedroht, wenn sich die Informationen, die bei mir von zahlreichen Orten eintreffen, als zutreffend erweisen.“221 Jedes Exemplar dieser Zirkulare war begleitet 220  „ceux qui leur feront résistance“. Die Marschallin schrieb an ihren Sohn: „Ils ont délibéré de prendre le Roy et tous Messieurs ses frères, tuer la Royne et tous ceux qui leur feront résistance. Tous lesdits huguenots les plus sages ont renvoié quérir leurs filz qu’ilz ont à la court et ont averty secrètement de leurs amis pour fayre le semblable, disant qu’ilz ne voullent point estre meslés en cette faulte […].“ Der Herausgeber des Bandes III der „ Lettres de Catherine de Médicis“, hat den Brief der Marschallin von Brissac in der Handschriftenabteilung der Pariser Nationalbibliothek ermittelt und die zitierte Passage als Anmerkung 1 dem im folgenden wiedergegebenen Schreiben Katharinas von Medici vom 27. September 1567 an Matignon beigefügt. – [27. September 1567] „A Monsieur de Matignon. Monsieur de Matignon, vous entendrez par ce que le Roy monsieur mon filz vous escript ce qui est ici survenu de nouveau, dont nous sommes assez esbahis pour n’en congnoistre ne sçavoir aucune occasion (1) vous priant pourvoyr de vostre côté que toutes choses soient, s’il est possible, maintenues au repos […]. Escript à Meaulx, le XXVIIe jour de septembre 1567. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III (1567–1570), S. 60. 221  „[…] s’est découverte une incroyable et jamais ouïe conspiration, faite contre moi et mon État, et qui va jusques à la vie de la reine mère, de mes frères et de moi, si les avis que j’en ai d’infinis endroits sont véritables.“ Zitiert über Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 338.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

von einem persönlichen Schreiben Katharinas. Darin findet sich folgender Satz: „Durch das Schreiben meines Sohnes erfahren Sie, was sich hier erneut ereignet hat und worüber wir sehr überrascht sind, weil wir dafür keinen Grund erkennen […].“222 Offenbar hatte Katharina zu diesem Zeitpunkt die Hoffnung nicht aufgegeben, eine Eskalation der vorhandenen Spannungen zu verhindern. In der Nacht vom 28. auf den 29. September 1567 sprach sie dann aber in einem Schreiben an ihren Botschafter in Madrid, Fourquevaux, von einem „infamen Unternehmen“ (infâme entreprise), das gerade stattgefunden habe und vor dem – so hoffe sie – Gott sie bewahren werde.223 Und am 29. September fügte sie einem Bericht an den Herzog von Savoyen eigenhändig hinzu, daß Gott „uns“ geholfen habe, „der größten Boshaftigkeit der Welt“224 zu entkommen. Damit meinte sie die glückliche Rückkehr nach Paris. Trotz allem blieb Katharina ihrer bisherigen politischen Linie treu, durch Kontaktaufnahme und Korrespondenzen mit Condé doch noch eine Beilegung des Konflikts zu erreichen. Parallel dazu ordnete sie aber alle erforderlichen Vorbereitungen an, um beim Scheitern ihrer Bemühungen militärisch gegen die Aufständischen vorgehen zu können. Es ist aber auch nicht auszuschließen, daß diese Kontakte mit Condé ihr nur Zeitgewinn für die Mobilisierung einer möglichst schlagkräftigen Armee verschaffen sollten. Katharinas Bemühungen scheiterten aber schließlich an den überzogenen Forderungen Condés und seiner Mitverschwörer. Auf beiden Seiten sprachen nunmehr die Waffen. Die sog. „Überraschung von Meaux“ (la surprise de Meaux) – wie bereits die Zeitgenossen das Geschehen vom 26. bis zum 28. September 1567 nannten – war der Beginn des Zweiten Bürgerkriegs. In dessen wechselvollem Verlauf, bei dem die Vorteile auf der Seite des Königs lagen, trafen die Armee Karls IX. und die Truppen Condés am 10. November 1567 in der Ebene von Saint-Denis aufeinander. Bei diesem Gefecht behielten die Königlichen die Oberhand, so daß die aufständischen Hugenotten am 14. November von Saint-Denis abrückten. Bei dem Gefecht wurde aber der Konnetabel Montmorency getötet. Das war sicherlich ein schmerzlicher Verlust für die Krone, aber Katharina beeilte sich, durch Fourquevaux Philipp II. die Nachricht zukommen zu lassen, daß sie nunmehr die Zeit für gekommen erachte, „das Übel und das Böse, das in uns ist, zu bereinigen“.225 Bei dieser Äußerung 222  [28. September  1567] „Vous entendrez par ce que le Roy monsieur mon fils vous escript ce qui est ici survenu de nouveau, dont nous sommes assez esbahis pour n’en congnoistre ne sçavoir aucune occasion […].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III (1567–1570), S. 60; vgl. dazu auch das zitierte Schreiben an Matignon vom 27. September 1567 in Anmerkung 220. 223  [28. September 1567] „A Monsieur de Fourquevaulx. Monsieur de Fourquevauls, vous entendrez, par ce que le Roy monsieur mon fils vous escript, en quel estat sont les affaires de deçà et l’infame entreprinse qui est en termes dont Dieu nous préservera, s’il luy plaist.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III (1567–1570), S 61. 224  „de la plus grande méchanceté du monde“. Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III (1567–1570), S. 63. 225  „quand nous aurons nettoyé le mal qui est en nous“. Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III (1567– 1570), S. 75.

6.6 Die „grose Tour “ und der Zweite Bürgerkrieg

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ist aber zu berücksichtigen, daß sie speziell für Philipp II. konzipiert war. Sie sollte ihm signalisieren, sie und ihr Sohn seien entschlossen, den Rebellen, die die Autorität des Königs mißachteten und gegen dessen ausdrückliche Anordnungen agierten, mit Entschiedenheit entgegenzutreten. Diese Äußerung ist jedoch nicht als eine grundsätzliche Abkehr von den politischen Grundüberzeugungen Katharinas zu interpretieren, die sich an der Wiederherstellung von Frieden, an der Sicherung und Bewahrung der Macht des Königs, am Wohl der Dynastie der Valois und an der Durchsetzung der Ziviltoleranz in der Monarchie orientierte. Diese Position findet ihre Bestätigung darin, daß sie im November 1567 ein Verhandlungsangebot an Condé richtete, in dem die Bestätigung des Edikts von Amboise enthalten war. Zwar stimmten die im Feldlager des Herzogs von Anjou anwesenden Großen und militärischen Kommandanten zu, aber von seiten der Hugenotten kamen wenig ermutigende Reaktionen. Diese spielten auf Zeitgewinn, denn sie erwarteten militärische Unterstützung vom Kurfürsten der Pfalz und sogar aus Bayern. Eine derartige Ausweitung des Krieges widersprach aber völlig den Intentionen Katharinas. Deshalb nahm sie am 4. Januar 1568 von Châlons aus die Dinge wieder mehr in eigene Hände. Diesmal aber nicht, um eine Beschleunigung des „diplomatischen“ Prozesses zur Beendigung des Krieges zu bewirken, sondern um „einen glücklichen und finalen Sieg“226 über die aufständischen Reformierten zu erringen. Man müsse den Männern widerstehen, die „uns beleidigen“,227 so ließ sie in jenen Tagen verlauten. Aber weder wurde ein vernichtender Sieg über die Rebellen erzielt, noch führte der am 19. Januar 1568 in Paris begonnene Dialog mit dem Kardinal von Châtillon zu einem schnellen Erfolg. Schließlich kam es auch zu ersten Differenzen zwischen Mutter und Sohn, denn Karl  IX. war einem schnellen Kompromißfrieden abgeneigt. Er wünschte eine Bestrafung derjenigen, die er als seine „Feinde“ (mes ennemis) bezeichnete.228 Letztlich war es die gravierende Geldnot, die beide Seiten Ende Februar 1568 zur Aufnahme seriöser Verhandlungen zwang. Sie mündeten im Erlaß des Pazifikationsedikts von Longjumeau vom 23. März 1568, mit dem das Edikt von Amboise wieder vollständig in Kraft gesetzt wurde, das zwischenzeitlich erhebliche Einschränkungen zu Lasten der Reformierten erfahren hatte. Coligny und Condé gaben am folgenden Tag dazu ihre schriftliche Zustimmung. Die öffentliche Bekanntgabe des Edikts von Longjumeau erfolgte am 27. März 1568. Das Zustandekommen des Edikts war eine Folge der finanziellen Notlage beider Seiten, wirklich zufrieden war keine der Konfliktparteien. Die Zeit war noch nicht reif für „einen 226  „pour parvenir à une heureuse et finale victoire“. Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III (1567–1570), S. 97. 227  „nous offensent“. Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III (1567–1570), S. 118. 228  Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III (1567–1570), S. XX; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 352.

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Kapitel 6 – Katharina an der Macht

dauerhaften und festen Frieden“,229 wie es Estienne Pasquier so treffend f­ormulierte. Und Katharina schrieb in einem Brief nach der Unterzeichnung des Edikts: „Es gibt Umstände, in denen man gezwungen ist, sich selbst Gewalt anzutun, um noch größere Übel zu vermeiden. Deshalb muß man sich [manchmal] dem unterwerfen, was man sich nicht gewünscht hat.“230 Die in jenen Tagen gemachten bitteren Erfahrungen über das – aus ihrer Sicht rechtswidrige – Vorgehen Condés, Colignys und ihrer Gefolgsleute hat sich tief in das Gedächtnis Katharinas eingebrannt. Sie hat diese „surprise de Meaux“ nie vergessen. Es verstärkte ihr ohnehin schon ausgeprägtes Mißtrauen gegenüber diesen und anderen Hugenottenführern. Sie hatte ihrem Lernprozeß über die Unwägbarkeiten der Ereignisse und über die daraus resultierenden Notwendigkeiten (nécessités) ein weiteres Kapitel hinzufügen müssen. In den folgenden Jahren sollte sie sich daran wiederholt erinnern.231

229  „une paix bien fermée“. Estienne Pasquier, Lettres Historiques pour les années 1556–1594, hrsg. von Donald Thicket, Livre V, Lettre VI, „À Monsieur de Querquifinen“; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 353. 230  „Il y a des circonstances où l’on est obligé de se faire violence à soi même pour éviter de plus grands maux et se soumettre à ce que l’on n’aurait pas voulu.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médics, S. 201. 231  Zum Gesamtkomplex der „surprise de Meaux“ siehe: Cloulas, Catherine de Médicis, S. 226–233; Orieux, Catherine de Médicis, S. 408–417; Solnon, Catherine de Médicis, S. 187–201; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 335–344; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 439 ff.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 125–129; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 171–176; Dargent, Catherine de Médicis, S. 198–204; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 341–354. – Zur Problematik der „nécessité“ bei Katharina von Medici siehe auch Crouzet, Dieu en ses royaumes, S. 381–388; 562–570.

Kapitel 7

Die Bartholomäusnacht (23./24. August 1572) und ihre Folgen bis zum Tod Karls IX. (30. Mai 1574) Der Friede von Longjumeau (23. März 15681) war – wie der Hugenottenführer und Schriftsteller François de La Noue (seigneur de La Noue-Briord, 1531–1591) in seinen Memoiren schrieb – „ein Friede und kein Friede“.2 Damit hatte er die innere Lage in Frankreich nach dem Edikt von Longjumeau realistisch erfaßt. Nicht nur die intransigenten Hugenotten und Katholiken, sondern auch die große Mehrheit der Franzosen reagierten auf dieses Edikt entweder mit offener Ablehnung oder zumindest mit mehr oder minder laut artikulierten Reserven. Fast überall in der Monarchie wurde den Bestimmungen des Edikts zuwider gehandelt. Immer wieder weigerten sich zum Beispiel die Hugenotten, von ihnen zuvor okkupierte bzw. widerrechtlich in Besitz genommene katholische Kirchen und Einrichtungen an ihre ehemaligen Eigentümer zu restituieren. Andererseits kam es auch fast unaufhörlich zu gewalttätigen Übergriffen von seiten militanter Katholiken auf Calvinisten. Es kursierten Gerüchte, daß sowohl intransigente Katholiken und Hugenotten Gewaltaktionen, ja sogar Mordanschläge gegen führende Repräsentanten der jeweils anderen Seite im Schilde führten. So beklagte sich am 12. Juli 1568 der Admiral von Coligny in einem Schreiben an Katharina über die nicht aufhörenden Angriffe gegen seine Glaubensbrüder und deutete unmißverständlich an, daß Gott die Angreifer ihrer gerechten Bestrafung zuführen werde. Das hieß im Klartext nichts anderes, als daß die Hugenotten entsprechend reagieren würden. Coligny schrieb: „Ich möchte mir nicht anmaßen, Gottes Handeln zu beurteilen, aber ich will doch unter Bezugnahme auf dessen Wort sagen, daß alle diejenigen, die gegen einen öffentlich praktizierten Glauben mit Gewalt vorgehen, dafür gezüchtigt werden.“3 Coligny und Condé beklagten sich mehrfach sowohl bei Karl IX. als auch bei Katharina darüber, daß beide auf die von katholischer Seite erfolgten Verstöße gegen das Edikt von Longjumeau nicht entschieden genug reagierten. Beide warfen ihnen „zu lange Tolerierung derartiger Übergriffe und Verschleierungshaltung“4 vor. Außerdem informierten

1  Vgl. Kap. 6.6, S. 227 f. 2  „paix et non paix“. François de La Noue, Mémoires, in: M. Petitot (Hrsg.), Collection complète des mémoires relatifs à l’Histoire de France …, Bd. XXXIV, Paris 1823, S. 292; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 357. 3  „Je ne veulx pas estre si presomptueux de juger des faits de Dieu mais je veulx bien dire avecques tesmoignage de sa parole que tous ceux qui violent une foy publique en seront châtiés.“ Zitiert über Shimizu, Conflict of Loyalties, S. 128 f.; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 356. 4  „la longue tolérance et dissimulation“.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2020 | doi:10.30965/9783657703326_008

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

sie den König und dessen Mutter darüber, daß sie Grund hätten, um ihr Leben fürchten zu müssen, weil man Mordanschläge auf sie vorbereite. Katharina bemühte sich nach Kräften, den eskalierenden Spannungen mit entschlossenem Reagieren entgegenzutreten. Sowohl sie als auch der König wiesen die königlichen Funktionsträger in den Provinzen an, alles zu tun, um für die Durchsetzung und Einhaltung des Pazifikationsedikts zu sorgen. Dementsprechende Zusicherungen ließ sie auch wiederholt Condé und Coligny zukommen. Katharina forderte in ihrem Schreiben vom 7. August  1568 Coligny außerdem auf, ihr präzise Informationen zu übermitteln, damit sie geeignete Maßnahmen zu deren Schutz veranlassen könne: „Was Ihre Befürchtungen und Ängste betrifft“, so schrieb sie, die Sie auf Grund von Warnungen hegen, die man Ihnen hat zukommen lassen, worunter sich sogar Warnungen von Mitbeteiligten befinden, daß man Sie zu töten beabsichtigt, bitte ich Sie, mein Cousin, Uns mitzuteilen, was zu tun ist, damit der König, mein Herr und Sohn, und ich jene Bestrafung veranlassen, die Sie zufriedenstellen wird. Im übrigen glaube ich, daß diese Personen Ihnen derartige Informationen auch deshalb geben, um das bei Ihnen ohnehin vorhandene Mißtrauen noch weiter zu schüren […]. Aus diesen Gründen bitte ich Sie, Uns die Namen der Informanten mitzuteilen, damit die Angelegenheit verifiziert werden kann und diejenigen einer Bestrafung zugeführt werden, die sich als die Übeltäter erweisen […].5

Nicht gerade spannungsentschärfend wirkte sich aus, daß Katharina am 28. April 1568 erkrankte. Deshalb war sie bis zum 13. Mai in ihrem Handeln und ihren Entscheidungen sehr stark eingeschränkt. Weil sie aus Nase und Mund blutete, war man am Hof sehr beunruhigt, zumal die behandelnden Ärzte überfordert waren. Karl IX. beriet sich mit seinen engsten Getreuen, was zu tun sei, wenn er nicht mehr auf die Beratung und Führung durch seine Mutter zurückgreifen könne. Diese Beratungen zeitigten jedoch keine Ergebnisse, die für den Fall des Ablebens von Katharina die zukünftige Entwicklung der Monarchie in günstigem Licht hätten erscheinen lassen. Karl IX. erkannte, wie sehr er auf die politische Unterstützung und Führung seiner Mutter angewiesen war. Ein Zeitgenosse notierte, daß in jenen Tagen das politische Leben geradezu suspendiert war.6 5  [7. August 1568] „A Monsieur l’amiral [Coligny]. Mon cousin, […] quant aux peurs et craintes que vous distes devoir avoir pour les advertissements qui vous sont donnez et ceulx mesmes qui sont invytés d’estre de la partie pour vous tuer, je vous prie, mon cousin, de nous mander qui est à faire, veu que le Roy mondict sieur et filz et moy en ferons telle punition que vous en demeurez contens, aultrement je penseray que ce sont des personnes qui vous mandent cela pour vous entretenir en la deffiance en laquelle vous estes. […] Par quoy, je vous priye, que vous nous nommiez ceux qui vous en advertissent, afin qu’on vériffie si cela est vrai et que l’on chastye [châtie] ceulx qui se trouveront meschans; […].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III 1567–1670), S. 167 f. 6  Zum Gesamtkomplex der Lage in Frankreich nach dem Frieden von Longjumeau: Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 445–452; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 110 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 201–205; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 355–358; Michel Pernot, Henri III. Le Roi Décrié, Paris 2013, S. 58–62.

7.1 Der Hof und der Hofstaat Katharinas von Medici

7.1

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Der Hof und der Hofstaat Katharinas von Medici

Bekanntlich waren die Höfe der Könige und sonstiger Herrscher nicht nur deren Residenzen, sondern sie waren gleichzeitig auch Zentren der Macht und ihrer Inszenierung, Orte der Begegnung, der Empfänge, Bankette und Festivitäten sowie der Selbstdarstellung der Monarchen. Der Hof war ein Mikrokosmos der Hofgesellschaft, der Inhaber der verschiedenen Hofchargen sowie der zahlreichen adligen und nicht-adligen Funktionsträger und Bediensteten. Zugleich war der französische Hof – wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt – ebenso wie die meisten anderen europäischen Höfe des 16. Jahrhunderts noch ein reisender Hof, denn die Monarchen pflegten sich noch nicht über einen langen Zeitraum oder gar dauerhaft in einer festen Residenz aufzuhalten, wie das später in Frankreich seit Ludwig XIV. im Schloß Versailles der Fall sein sollte.7 Schon Franz I. hatte seinen Hof als politisches Instrument, als Zentrum der Selbstinszenierung, der Demonstration von Macht und Pracht der Renaissance sowie als einen Ort der schönen Künste konzipiert, an dem sich täglich die verschiedenen Angehörigen der Regierung, die Höflinge und Hofdamen des Hofstaates des Königs, der Königin und der Prinzen sowie zahlreiche Adlige, die Pagen, die große Zahl der Diener, der Kammerherren und Kammerfrauen, die Leibärzte, Hofapotheker, Astrologen und andere Personen begegneten. Bereits dieser König ließ Festbankette, Bälle und vielfältige Lustbarkeiten für den Adel, für ausländische Souveräne, die er nach Frankreich eingeladen hatte, und für die an seinem Hof akkreditierten Botschafter ausländischer Potentaten organisieren. Damit wollte er sowohl seinen herausgehobenen Rang als Allerchristlichster König unter den europäischen Herrschern unterstreichen als diesen auch den Reichtum Frankreichs greifbar vor Augen führen.

7  Zu diesem Gesamtkomplex siehe: Le Roux, Le roi, la cour, l’État, S.  83–94; Barbara Stollberg-Rilinger, Zeremoniell, Ritual, Symbol. Neue Forschungen zur symbolischen Kommunikation, in: Zeitschrift für Historische Forschung 27 (2000), S. 389–405; dies., „Honores regii“. Die Königswürde im europäischen Zeichensystem der Frühen Neuzeit, in: Johannes Kunisch (Hrsg.), Dreihundert Jahre Preußische Königskrönung. Eine Tagungsdokumentation, Berlin 2001, S. 1–26; dies., Die Wissenschaft der feinen Unterschiede. Das Präzedenzrecht und die europäischen Monarchien, in: Majestas 10 (2002), S.  125–150; dies., Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – Thesen – Forschungsperspektiven, in: Zeitschrift für Historische Forschung 31 (2004), S. 489–528; Klaus Malettke, Jürgen Voss (Hrsg.), Humanismus und höfisch-städtische Eliten im 16. Jh. – Humanisme et élites des cours et des villes au XVIe siècle. 23. Deutsch-französisches Historikerkolloquium des Deutschen Historischen Instituts in Paris in Verbindung mit dem Fachbereich Geschichtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg vom 6.–9. April  1987 (=Pariser Historische Studien, Bd. 27), Bonn, 2. Aufl., 1990; Klaus Malettke, Chantal Grell (Hrsg.), Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jh.) – Société de cour et courtisans dans l’Europe de l’époque moderne (XV e–XVIIIe siècle). Internationales Kolloquium veranstaltet vom Seminar für Neuere Geschichte des Fachbereichs Geschichte und Kulturwissenschaften der Philipps-Universität Marburg in Zusammenarbeit mit der Universität Versailles Saint-Quentin (ESR 17–18) vom 28. bis zum 30. September 2000 in Marburg (=Forschungen zur Geschichte der Neuzeit. Marburger Beiträge, Bd. 1), Münster u. a. 2001.

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

Als Katharina, die junge Gemahlin des Prinzen Heinrich, am Hof des Königs Franz I. eintraf und von nun an zur engsten Herrscherfamilie zählte, war sie von alledem, was sie dort sehen und beobachten konnte, sehr beeindruckt, obwohl sie bereits in Rom und Florenz die Pracht von Renaissancehöfen kennengelernt hatte. Sobald sie dann als Gouvernante de France und danach als faktische Regentin über die erforderlichen politischen und finanziellen Mittel verfügen konnte, hat sie den Hof als Instrument der Regierung, der politischen Inszenierung und der Ausstrahlung sowie als Ort der Begegnung gezielt eingesetzt, an dem die führenden Vertreter der „Konfessionsparteien“ und die Angehörigen der miteinander um Macht und Einfluß konkurrierenden Adelsclans sozusagen auf neutralem Boden zusammengeführt und zum Meinungsaustausch unter ihrer wachsamen Kontrolle und im Respekt vor der Autorität des Königs angeregt werden konnten. Wie ihr Schwiegervater Franz I. war sie davon überzeugt, daß der mächtige französische Hochadel am besten durch dessen fortdauernde Präsenz am Hof zu kontrollieren sei. Auf diese Weise könne man ihn davon abhalten, Komplotte zu schmieden und die Monarchie in Unruhe zu versetzen. Als Frau der Renaissance entsprach das Hofleben ihrer Bildung und Kultur, aber auch insbesondere ihrem Temperament. Sie liebte es, sich selbst sowie gemeinsam mit ihren Söhnen und Töchtern in einem kurialen System in Szene zu setzen, in dem sie sozusagen als Inkarnation von Harmonie und Schönheit auf die Anwesenden einwirken konnte. Katharina schätzte die Geselligkeit, die prächtig gestalteten Lustbarkeiten und die gediegenen Zerstreuungen, das Theater, aber auch die festlichen Bankette, bei denen die damaligen Spezialitäten der feinen Küche kredenzt wurden. Es ist überliefert, daß sie den Gaumenfreuden sehr zugetan war und wiederholt an den Folgen übermäßigen kulinarischen Genusses gelitten hat. Ihre äußere Erscheinung ließ alsbald die Folgen ihrer Vorlieben für exzellente Speisen für jedermann sichtbar werden. Die aus ihrer prächtigen Hofhaltung resultierenden hohen Kosten, in die auch die enormen Ausgaben für ihren Hofstaat einflossen, haben sie nicht veranlaßt, Einschränkungen vornehmen zu lassen, obwohl die Krone zu ihrer Zeit ständig mit enormen Defiziten konfrontiert war. „Idealtypisch gesehen bestand der frühneuzeitliche Hof aus zwei Personengruppen, die unterschiedliche Funktionen wahrnahmen, wenn auch oftmals in Personalunion. Die eine Gruppe – der sog. ‚Hofstaat‘ – war mit der persönlichen Betreuung des Fürsten und seiner Familie betraut, die zweite Gruppe agierte in den Staatsorganen, etwa dem Hof- oder Geheimen Rat.“8 Diese für die deutschen Fürstenhöfe charakteristischen Gegebenheiten lassen sich im wesentlichen auch im Frankreich der Frühen Neuzeit beobachten, wenn man einmal von gewissen Unterschieden im Hinblick auf die Staatsorgane und auf Spezifika in der personellen Ausstattung des Hofstaates absieht. Aber auch in der französischen Monarchie waren beide Funktionsbereiche, also jener der Betreuung 8  Rainer A. Müller, Hofstaat – Hofmann – Höfling. Kategorien des Personals an deutschen Fürstenhöfen der Frühen Neuzeit, in: Malettke, Grell (Hrsg.), Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jh.), S. 37–53; Zitat S. 43.

7.1 Der Hof und der Hofstaat Katharinas von Medici

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des Königs, der Königin und der Prinzen sowie jener der Regierung nicht prinzipiell voneinander getrennt. „‚Hofdienst‘ bedeutete weitgehend auch ‚Staatsdienst‘. Die Institution ‚Hof‘ war staatlicher Regierungssitz einerseits und fürstlicher Haushalt andererseits. Arbeit in der Zentralverwaltung blieb mit Fürstendienst gekoppelt […].“9 Charakteristisch war des weiteren, daß sich bei der Struktur des französischen Hofstaates in sozialgeschichtlicher Hinsicht während des 16. Jahrhunderts die Dominanz von Angehörigen des Hochadels beobachten läßt. Angehörige von Familien, die erst vor nicht allzu langer Zeit den Aufstieg in den Adel realisiert hatten, sowie Repräsentanten des „Robenadels“ waren während des hier zu behandelnden Zeitraumes weniger zahlreich vertreten. Man findet Vertreter des „Amtsadels“, der „noblesse de robe“, in wachsender Zahl unter den Ministern des Königs. Das ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß Angehörige der „noblesse de robe“ im Vergleich zu Angehörigen des Hochadels über eine bessere Ausbildung verfügten. Hinzu kam, daß sie weitaus stärker von der Gunst des Monarchen abhängig waren, weil sie nicht wie die meisten Mitglieder des Hochadels über eine eigene Machtbasis bzw. über eine große Klientel in den Provinzen verfügten. Katharina besaß einen eigenen Hofstaat. Die Zahl seiner Angehörigen wuchs kontinuierlich, seit sie nach dem Tode ihres Heinrichs die Leitung der Regierung übernommen hatte. Im Jahr 1570 umfaßte ihr Hofstaat 330 Personen. Laut Angaben des venezianischen Botschafters Girolamo Lippomano (1538–1591) soll ihr engerer Hofstaat im Sommer 1577 auf nahezu 435 Personen angewachsen sein. Im Jahr 1585 gehörten zu ihrem Hofstaat 666 Personen. Damit kam er der Zahl der Bewohner eines größeren Dorfes sehr nahe. Der Hofstaat Katharinas war nur ein wenig kleiner als derjenige des Königs.10 Wie neuere Forschungen ergeben haben, gehörten in den Jahrzehnten von 1515 bis 1560 immerhin 155 Ausländer dem königlichen Hofstaat an. Am stärksten nahm ihre Zahl unter Franz I., Heinrich II. und während der Regentschaft Katharinas bis 1570 zu. In den Jahren von 1515 bis 1530 sind 12 Italiener und 4 Spanier unter dem Personal des Hofstaates zu finden. Danach kamen noch Personen flämischer Abkunft hinzu. Dieses Phänomen ist auf die Anwesenheit der Königin Eleonore, der Frau Franz’ I., am Hof zurückzuführen, die aus Flandern stammte, das damals zum spanischen Herrschaftskomplex gehörte. Mit der Ankunft Katharinas stieg die Zahl von Personen italienischer Herkunft im Hofstaat. Ihr Anteil am Personal des Hofstaates machte zwischen 1531 und 1545 71% aus. In den folgenden 15 Jahren nahm ihr Anteil aber auf 52 % ab. Zwischen 1546 und 1560 tauchten aber auch drei Deutsche und 10 Schotten unter dem Personal des Hofstaates auf. Was die Schotten betrifft, so läßt sich ihr Erscheinen damit erklären, daß Franz II. mit Maria Stuart verheiratet war.11 9  Ebenda. 10  Garrisson, Catherine de Médicis, S. 117–120. 11   Jean-François Dubost, Les étrangers à la cour de France: de la polémique à l’évaluation numérique, 1515–1630, in: Malettke, Grell (Hrsg.), Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jh.), S. 55–66, hier S. 60 ff.

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

Wie man sich vorstellen kann, verursachte der Hofstaat Katharinas selbst für die damalige Zeit exorbitante finanzielle Aufwendungen. Es mußten nicht nur die Gagen der zahlreichen Amtsträger des Hofstaates gezahlt werden, sondern es fielen auch die enormen Kosten für deren Ernährung, Bekleidung und Unterbringung an. Hinzu kamen die Ausgaben für den Marstall der Königin und die Wartung ihrer Karossen etc. Im Jahr 1587, also zwei Jahre vor ihrem Tod, beliefen sich die gesamten Kosten ihres Hofstaates auf die enorme Summe von 400.000 livres. Davon entfielen allein 50.000 livres auf den Marstall. Da auch Katharina sehr häufig ihre jeweiligen Residenzen wechselte, kamen zusätzliche Kosten hinzu. Sie wurde nicht nur von ihrem Hofstaat begleitet, sondern zumeist auch von den wichtigsten Funktionsträgern der Regierung. Außerdem mußten das gesamte Mobiliar, das Geschirr und alles, was sonst noch für eine standesgemäße Hofhaltung erforderlich war, an die Orte ihrer jeweiligen Residenzen transportiert werden. Ihre bevorzugten Residenzen waren die Schloßanlagen von Chenonceau, Saint-Maur, Fontainebleau, Monceaux und Blois. Während ihrer Großen Tour12 und bei ihrer häufigen Anwesenheit bei der Armee hielt sie sich zumeist in Schlössern derjenigen Familien des dortigen Hochadels auf, die sich ihr und dem König gegenüber loyal verhielten. Insgesamt gesehen führte Katharina einen selbst nach damaligen Kriterien sehr aufwendigen Lebensstil. Sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich legte sie großen Wert auf ein prächtiges und ihre jeweilige Umgebung beeindruckendes Erscheinungsbild. Ohne sich um den Zustand ihrer Finanzen zu kümmern – wenn man von wenigen Ausnahmen absieht –, gab sie mit beiden Händen aus: für den Bau von Schlössern, für die Verschönerung ihrer Residenzen, für den Kauf antiker Handschriften, für den Erwerb von Kunstobjekten, von Schmuck usw. Aber auch ihre persönliche Toilette verschlang enorme Summen. Hinzu kam, daß sie aus Freundschaft, aber ebenso aus politischen Gründen sehr freigebig war, was große Ausgaben verursachte. So gab sie z. B. 1587 der Herzogin von Mercœur, der Gemahlin Philipp Emanuels von Mercœur (Philippe Emmanuel de Lorraine, duc de Mercœur, 1558–1602), 60.000 écus. Möglicherweise wollte sie die Herzogin mit dieser großzügigen Gabe veranlassen, sich von der Liga zu trennen. Ihre enormen Ausgaben zwangen sie, Teile ihrer ererbten Besitzungen in der Auvergne zu veräußern. Aber selbst die dabei erzielten Einnahmen reichten nicht aus, um ihrer finanziellen Probleme längerfristig Herr zu werden. Deshalb mußte sie sich immer wieder an ihre italienischen Cousins wenden, um sich bei diesen Bankiers Geld zu leihen, wofür sie Zinsen in Höhe von 5% zu zahlen hatte. Schließlich war sie nicht mehr in der Lage, ihren finanziellen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Auch außerordentliche Zuwendungen ihres Sohnes, des Königs Heinrich III., konnten daran letztlich nichts ändern. Treffen die Angaben einiger ihrer Vertrauten zu, dann beliefen sich die Schulden Katharinas bei ihrem Tod am 5. Januar 1589 auf 800.000 écus, also auf rund 2,5 Millionen livres. Zahlreiche Gläubiger mußten warten, bis ihre Schlösser 12  Vgl. Kap. 6, S. 213–220.

7.1 Der Hof und der Hofstaat Katharinas von Medici

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Chenonceau, Saint-Maur und Monceaux veräußert waren, um zumindest einen Teil ihrer Forderungen zurückzuerhalten.13 Es ist glaubhaft überliefert, daß der Tagesablauf Katharinas präzise organisiert war. So hat sie nachweislich 1576 ihrem Sohn Heinrich III., der es mit der Einhaltung der rigiden Hofetikette und der Wahrnehmung seiner täglichen Herrscherpflichten nach Auffassung seiner Mutter nicht besonders ernst nahm, detaillierte Verhaltensregeln unterbreitet. Demzufolge hatte die offizielle Zeremonie des „lever“ des Königs, also des Aufstehens, der Morgentoilette und der Morgenaufwartung, täglich zur exakt festgelegten Zeit zu erfolgen. In dem Augenblick, in dem ihm von den dafür zuständigen adligen Würdenträgern die Kleider gereicht wurden, durften alle Prinzen, die Herren königlicher Orden, die Kammerherren und sonstige adlige Inhaber von Hofchargen das Gemach des Königs betreten. Nachdem dieser angekleidet war und einige Worte an die Anwesenden gerichtet hatte, hatte er sich zur vormittäglichen Staatsratssitzung zu begeben, an der in der Regel nur eine vergleichsweise kleine Zahl von Ministern, hohen Herren und Prälaten sowie die vier Staatssekretäre teilnahmen. Dort blieb er ein bis zwei Stunden, in denen ihm die wichtigsten Depeschen vorgelesen und die wichtigsten Agenden beraten wurden. Um 10 Uhr wurde die Sitzung unterbrochen, denn zu diesem Zeitpunkt hatten der König und sein Gefolge die morgendliche Messe zu besuchen. Nach der Teilnahme an der Messe sollte er zur Pflege seiner Gesundheit (pour sa santé) ein wenig in den königlichen Gärten spazieren gehen und danach speisen (dîner). Anschließend hatte er seiner Mutter oder der „regierenden“ Königin, seiner Gemahlin, für eine halbe oder volle Stunde seine Aufwartung zu machen. Gegen drei Uhr nachmittags sollte er sich in der Öffentlichkeit zu Pferde oder zu Fuß zeigen. Dies sollte, wenn nicht täglich, so doch mindestens zwei- oder dreimal pro Woche geschehen. Danach schloß sich das „souper“ im Kreis der Königsfamilie an. Zweimal wöchentlich sollten Bälle stattfinden, denn – so führte Katharina aus – ich habe gehört, wie man Ihrem Großvater geraten hat, daß es zweier Dinge bedürfe, um mit den Franzosen in Ruhe zu leben und damit sie ihren König lieben: sie bei Laune halten und mit etwas beschäftigen. Das waren oft Turniere oder andere ehrenhafte Spiele, an denen auch Ihr Vater teilgenommen hat oder die er zur Beschäftigung des Adels organisiert hat, denn die Franzosen sind so sehr an solchen Aktivitäten oder an der Ausübung des Kriegshandwerks gewöhnt, daß sie sich zu viel gefährlicheren Unternehmungen hinreißen lassen, wenn ihnen nicht jener andere Zeitvertreib geboten wird.14

13  Zum Gesamtkomplex der Hofhaltung Katharinas von Medici: Cloulas, Catherine de Médicis, S. 319– 369; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 99–102; Garrisson, Catherine de Médicis, S. 115–123. 14  „J’ai ouï dire au roi votre grand-père qu’il fallait deux choses pour vivre en repos avec les Français et qu’ils aimassent leur roi: les tenir joyeux et occuper à quelque exercice; pour cet effet, souvent il fallait combattre à cheval et à pied, coure la lance; et le roi votre père aussi, avec des autres exercices honnêtes auxquels il s’employait et les faisait employer, car les Français ont tant accoutumé, s’il n’est

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

Ganz besonders legte Katharina dem König als politische Regel ans Herz, daß er sich in seiner Residenz nicht isolieren dürfe. Er müsse den regelmäßigen und direkten Kontakt mit dem Adel und seinen Untertanen pflegen. Deshalb müsse er sich seinen Untertanen immer wieder zeigen und für diese zugänglich sein. Feste, Bälle und Bankette am Hof seien für die Pflege guter Kontakte zum Adel von zentraler Bedeutung. Als Regentin hat Katharina sich dieser Mittel und Instrumente geradezu meisterhaft zu bedienen gewußt. 7.2

Der Dritte Bürgerkrieg

Das Pazifikationsedikt von Longjumeau (23. März 1568) stieß bei der Mehrheit der Franzosen auf große Reserven. Das galt sowohl für die Katholiken als auch für die Calvinisten. Die Intransigenten beider Seiten beließen es nicht bei verbaler Kritik oder bei Nichtbefolgung der Regelungen dieses Edikts. Alsbald häuften sich wieder die gewalttätigen Übergriffe. In den Provinzen attackierten militante Katholiken Calvinisten und deren kirchliche Einrichtungen. Sehr häufig waren aber auch militante Calvinisten die Angreifer. Deshalb kam es auf beiden Seiten zu Vergeltungs- und Racheakten. Katharina verkannte nicht die aus dieser Problematik resultierenden Gefahren. Sie war darüber sehr beunruhigt, daß auch mit Longjumeau die sich seit einiger Zeit allenthalben manifestierenden und eskalierenden Differenzen und Spannungen nicht beigelegt waren. Bereits vor dem Zustandekommen des Friedens von Longjumeau hatte sie gegenüber dem spanischen Botschafter Alava geäußert, daß sie sich im Hinblick auf die Loyalität der französischen politischen Hauptakteure gegenüber dem König Sorgen mache und daß sie für die Ablehnung einer Übereinkunft mit den Calvinisten nicht die Mehrheit im Staatsrat auf ihrer Seite habe. Unter dem Datum des 18. Januar 1568 hatte Alava dem Herzog von Alba berichtet, Katharina habe ihm dargelegt, daß sie für eine Ablehnung nur auf fünf Persönlichkeiten am Hof zählen könne: auf die beiden Kardinäle von Bourbon und Lothringen, auf den Marschall Gaspard de Saulx de Tavannes, auf Louis de Saint-Gelais, sieur de Lansac (ein natürlicher Sohn Franz’ I.) und auf Claude de Lorraine, Herzog von Aumale. Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß Katharina mit dieser gezielten Information Philipp II. von Spanien signalisieren wollte, sie sei sozusagen gegen ihren Willen zu einem Arrangement mit den Calvinisten und zur Beendigung des Krieges gezwungen gewesen, kann kein Zweifel daran bestehen, daß sie und ihr Sohn sich tatsächlich in einer Zwangslage befanden und vor die Notwendigkeit gestellt sahen, zu einer Übereinkunft mit den Protestanten zu gelangen. Mit ihren vertraulichen Informationen für die spanische Seite erzielte Katharina wie zuvor auch jetzt nicht die erhoffte Wirkung. Deshalb ließ sie in einem heftigen

guerre, de s’exercer que, qui ne leur fait faire, ils s’emploient à autres choses plus dangereuses.“ Zitiert über Cloulas, Catherine de Médicis, S. 343.

7.2 Der Dritte Bürgerkrieg

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Wortgefecht mit dem Botschafter Alava ihrer darüber seit langem empfundenen Verärgerung freien Lauf. Alava berichtete am 19. Januar 1568 an Philipp II.: Sehr aufgebracht sagte sie, daß heute der Tag sei, um Wahrheiten auszusprechen, und daß man das Ziel der Minister Seiner Majestät genau verstünde: daß sich die Franzosen gegenseitig zerfleischen sollen. Und dies alles sagte sie mir mit erhobener Stimme, damit es ihre älteste Kammerzofe hörte, die eine Vertraute des Admirals [Coligny] und des Kardinals Châtillon ist. Ich entgegnete: „Ja, ja, Madame, Sie haben vieles gesagt; entlohnt Ihr so den König, meinen Herrn?“ Sie bedauerte dies sehr, wollte es zurücknehmen und verrannte sich heftig bei ihren diesbezüglichen Versuchen. Ich sagte Ihr später: „Dies ist ein Vorwurf, den Ihr den Eurem Sohne blutsverwandten Fürsten machen solltet, die sich in seinem Heer befinden“.15

Dieser Wortwechsel belegt, daß sich Katharina gelegentlich auch impulsive und undiplomatische Reaktionen gegenüber einem Botschafter erlaubte. Allerdings ist nicht auszuschließen, daß sie bei dieser Gelegenheit mit Absicht so handelte. Sicher ist, daß sie mit ihrer unverhohlenen Beschwerde bei Philipp  II. keineswegs erreichte, auf ihre Politik gegenüber den Reformierten verständnisvoller zu reagieren. In einem Schreiben vom 22. März 1568 an den Kardinal von Lothringen wiederholte Philipp II. in aller Deutlichkeit, daß er ein Entgegenkommen der französischen Regierung gegenüber den Calvinisten ablehne. In diesem Schreiben erwähnte der spanische König zwar nicht den Namen Katharinas, aber es ist nicht daran zu zweifeln, daß er sie persönlich dafür verantwortlich machte. Philipp II. kritisierte, „daß man eine Einigung mit den Rebellen des Königs […] herbeigeführt hat, was meinen größten Abscheu und mein höchstes Mißfallen, das ich hier kundtun kann, hervorgerufen hat, da ich bekanntermaßen stets ablehne, was seiner [Karls IX.] Ehre, Autorität und Reputation abträglich ist.“16 An dieser Linie hielt Philipp II. weiterhin fest. Daß sich Katharina gezwungenermaßen und nicht zuletzt auf Grund der desaströsen finanziellen Lage der Krone zum Frieden von Longjumeau mit den calvinistischen Rebellen herbeigelassen hatte, gestand sie auch gegenüber dem Botschafter Venedigs, Giovanni Correro. Laut dessen Bericht hatte sie ihm folgendes gesagt: „Der Friede wurde allein der Not gehorchend geschlossen. Es gibt Umstände, in denen man gezwungen ist, sich selbst Gewalt anzutun, um größere Übel zu verhindern, und sich dem zu unterwerfen, was man nicht gewollt hätte. Dennoch erwarte ich mir davon einen guten Effekt.“17 Zwei Punkte der Feststellung Katharinas verdienen besondere Beachtung: zum einen ihr 15  In deutscher – aus dem Spanischen – Übersetzung zitiert nach Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 156. – Mein Schüler Markus Reinbold hat für seine Dissertation bisher unveröffentlichte Dokumente des „Archivo Documental Español, Negociaciones con Francia“ des „Archivo General de Simancas“ benutzt. 16  In deutscher – aus dem Spanischen – Übersetzung zitiert nach Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 157. 17  „La paix a été conclue uniquement par nécessité. Il y a des circonsances où l’on est obligé de se faire violence à soi-même pour éviter de plus grands maux et de se soumettre à ce qu’on n’aurait voulu. Toutefois j’en attends bon effet.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III (1567–1570), S. XXVIII.

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Hinweis auf die „nécessité“ – auf die damalige Notlage; zum anderen die darin zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, daß sich dank des Edikts von Longjumeau die Dinge doch noch zum Guten wenden können. Immer wieder kam sie darauf zurück, daß man pragmatisch handeln und den jeweiligen Notlagen Rechnung tragen müsse. Katharina war außerdem davon überzeugt, Ihr Anliegen sei auch im Interesse Gottes und der ganzen Christenheit und Gott werde sie niemals verlassen. Die politisch-konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen den Calvinisten und Katholiken fanden ihren Niederschlag in der Publizistik. Jede der Konfliktparteien war bemüht, in Traktaten, Flugschriften und Libellen ihr Agieren zu rechtfertigen und den Gegner für die Eskalation der Spannungen verantwortlich zu machen. Auch 1567 rechtfertigte Condé seinen Griff zu den Waffen mit einer Reihe von Flugschriften, in denen er eine gewagte politische Argumentation entwickelte. Darin wurde eine These aufgegriffen und vertieft, mit der opponierende Adlige in der Vergangenheit ihr Vorgehen zu rechtfertigen sich bemühten. So wurde zum Beispiel in der 1567 publizierten Schrift „Advertissement sur la Protestation de Monseigneur de Condé“ (Vorwort zum Protest des Monseigneur Condé) dargelegt, daß dieser zu den Waffen gegriffen habe, um das „Öffentliche Wohl“ aller „guten Untertanen des Königs“ (bons sujets du roi), welcher Konfession sie auch sein mögen, und die „gute alte Ordnung“ (l’ordre ancien) zu verteidigen. In der damals ebenfalls in Umlauf gebrachten Schrift „De la nécessité d’assembler les États“ (Von der Notwendigkeit, die Generalstände zu versammeln) wurde die Einberufung der „États généraux“ gefordert. Ihnen müsse die Kontrolle über die Monarchie zurückgegeben werden. Sie müßten als „legitimes Beratungsgremium“ (légitime conseil) dem König ständig zur Seite gestellt werden. Gemäß dem im Titel des Traktats „Requeste et remonstrance du peuple adressante au Roy“ (Gesuch und Ermahnung des Volkes an die Adresse des Königs) formulierten Appell an Karl IX. wurde ausgeführt, daß die französischen Könige nur dank der „freiwilligen Zustimmung“ (consentement volontaire) des Volkes Herrscher der Monarchie geworden seien. Implizit wurde damit Bezug genommen auf die Theorie vom Herrschaftsvertrag zwischen dem Volk, vertreten durch seine Stände, und dem König, in dem ihm die Macht und die Herrschaft übertragen worden sei. Daraus resultierte aber für die Ständevertreter das Recht, gegen einen „vertragswidrig“ handelnden oder gar „vertragsbrüchig“ gewordenen König Widerstand zu leisten und ihn gegebenenfalls abzusetzen.18

18  Zur Lehre vom Staatsvertrag und Widerstandsrecht: Jürgen Dennert (Hrsg.), Beza, Brutus, Hotman. Calvinistische Monarchomachen, übersetzt von H. Klingelhöfer (=Klassiker der Politik, Bd. 8), 1968; Gerhard Oesterreich, Die Idee des religiösen Bundes und die Lehre vom Staatsvertrag, in: W. Berges, C.  Hinrichs (Hrsg.), Zur Geschichte und Problematik der Demokratie. Festgabe für Hans Herzfeld, Berlin 1958, S. 11–29; erneut gedruckt in: H: H. Hofmann (Hrsg.), Die Enstehung des modernen souveränen Staates (=Neue Wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 17), 1967, S. 137–151; vgl. auch das Kapitel „Das Widerstandsrecht“ in: Klaus Malettke, Opposition und Konspiration unter Ludwig XIV. Studien zu Kritik und Widerstand gegen System und Politik des französischen Königs während der ersten Hälfte

7.2 Der Dritte Bürgerkrieg

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Im Verlauf des Jahres 1568 radikalisierte sich der Tenor in den Schriften calvinistischer Autoren. So wurde in dem zwischen Oktober 1568 und März 1569 verfaßten Traktat „Question politique“19 die Lehre vom Herrschaftsvertrag noch dezidierter propagiert. Zum Zeitpunkt der Publikation dieses Traktates war der Dritte Bürgerkrieg bereits ausgebrochen. Der Autor dieser Schrift vertrat die These, daß das französische Königtum auf einem ursprünglich zwischen dem Volk und dem Fürsten abgeschlossenen Vertrag basiere, in dem beide Vertragspartner gegenseitige Verpflichtungen eingegangen seien. Die Untertanen seien ihrem Monarchen nur so lange Gehorsam schuldig, wie dieser sich an die Vertragsbedingungen halte. Spuren dieses Grundlagenvertrags seien noch in dem Schwur zu finden, den jeder König bei seiner Salbung und Krönung zu leisten habe und in dem er sich verpflichte, den Frieden zu bewahren und gerecht zu regieren. Die Privilegien der Städte und Provinzen und deren Rechte (chartes) seien ein weiterer Beleg für die Existenz dieses Grundlagenvertrags. Ihm zufolge sei die höchste Gewalt in der Monarchie zwischen dem König und folgenden drei Instanzen, drei „Körperschaften“ (compagnies), geteilt: den Generalständen, den Parlamenten und dem Rat der Pairs von Frankreich: Die Geschichte […] beweist uns, daß die Könige ehemals diesen Versammlungen [Gremien] einen so großen Respekt entgegenbrachten, daß sie keine Kriege begannen, keine Gesetze oder Edikte verkündeten, keine Steuererhebungen verfügten und auch sonst nichts anderes das öffentliche Wohl betreffend unternahmen, ohne den guten und wohlbegründeten Rat eines dieser Gremien eingeholt zu haben. Deren Urteil trugen die Fürsten Rechnung.20

Infolgedessen sei es notfalls legitim, mit Rekurs auf Waffengewalt Widerstand gegen Entscheidungen der Regierung zu leisten. Konkret richtete sich die Kritik des Autors gegen den informellen Geheimen Rat, der in den „Kabinetten, in der Ecke eines Kamins oder in einem der schmalen Gänge am Bett des Königs“21 abgehalten werde, was dem „paradox“ agierenden Kardinal von Lothringen (paradoxeur) noch mehr Einfluß verschaffe.

seiner persönlichen Regierung (=Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 48), Göttingen 1976, S. 101–120. 19  Question politique: s’il est licite aux subjets de capituler avec leur prince; Eine politische Frage: Ist es den Untertanen erlaubt, mit ihrem Fürsten Verträge abzuschließen. Dieser Traktat wurde 1989 von Robert Kingdon in Paris im Verlag Droz ediert. Möglicherweise war der Kanzler von Jeanne d’Albret, der calvinistischen Königin von Navarra, die nach La Rochelle geflohen war, sein Verfasser. Vgl. Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 453. 20  „Les histoires […] nous certifient qu’en tel temps [autrefois] les roys portoient si grand respect à telles assemblées, qu’ils n’entreprenoyent aucunes guerres, ne publioyent aucunes lois ou édicts, n’imposoyent aucunes levées de deniers, et n’entreprenoyent autres choses appartenantes à la police publique sans le bon et meur [mûr] conseil de l’une des trois compagnies à la censure desquelles se modéroyent toutes les volontez des Princes.“ Seite 12 der in Anm. 19 genannten Edition der Schrift von Kingdon; vgl. auch Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 454. 21  „[…] dedans des cabinets, ou au coing d’une cheminée, ou en une ruelle de lit“.

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Wenn sich die Verbalattacken in erster Linie direkt nur gegen die „papistischen und türkischen Tyranneien“ (tyrannies papistes et Turquoises) und noch nicht gegen den „guten König“ (le bon roi) Karl IX. richteten, so stellte der kämpferische Inhalt dieses Traktats gleichwohl eine Warnung an dessen Adresse dar. Der König wurde nämlich aufgefordert, er möge sich das Schicksal des letzten Königs der Merowinger vor Augen halten. Childerich III. wurde von den Söhnen Karl Martells, Pippin und Karlmann, 743 auf den Thron erhoben, aber bereits 751 wieder abgesetzt und in ein Kloster verbannt, wo er 754 starb. Die signifikante Zunahme derartiger Schriften und der darauf reagierenden Flugblätter katholischer Provenienz sowie das Agieren der Anführer der Konfliktparteien ließen für die nähere Zukunft nichts Gutes erwarten. Dies erkannte Katharina, die für derartige Entwicklungen und die daraus resultierenden Gefahren ein in der Regel gut funktionierendes Gespür entwickelt hatte. Das gilt ebenso für die Entwicklungen auf internationaler Ebene und die daraus für Frankreich resultierenden Gefahren, die insbesondere wegen des Vorgehens Philipps II. gegen die „Rebellen“ in den Niederlanden zunahmen. Das Blutgericht an den Ketzern und den Adelsführern, den Grafen Hoorn und Egmont im Jahr 1568, hatte eine immense Flüchtlingswelle ausgelöst.22 Vor der Repression des Herzogs von Alba flohen viele niederländische Protestanten in die französische Picardie. Die Hugenotten dieser Provinz organisierten deshalb eigene Truppenkontingente, mit denen sie ihren Glaubensbrüdern in der unmittelbaren Nachbarschaft zu Hilfe eilen wollten. Damit manifestierte sich für Katharina und Karl IX. ein Dilemma, das die französische Politik für die nächsten Jahrzehnte vergiften sollte. Ihnen stellten sich immer wieder folgende Fragen und Probleme: Sollte man die Rebellen in den Niederlanden unterstützen der klassischen Taktik folgend, daß man die inneren Schwierigkeiten eines zu mächtig gewordenen Nachbarn befeuern soll, um ihn damit zu schwächen? Diese Taktik barg aber enorme Risiken. Einerseits war der spanische König sehr mächtig, und seine Armee hatte den Ruf, unbesiegbar zu sein. Es bestand also die Gefahr, daß er eine offene militärische Unterstützung der Aufständischen in den Niederlanden als Provokation empfinden und dementsprechend mit einer militärischen Intervention in Frankreich reagieren werde. Andererseits würden die intransigenten französischen Katholiken eine Aggression Frankreichs gegen den entschiedenen Verteidiger des Katholizismus als Beweis dafür interpretieren, daß der französische König in das Lager der Häretiker wechseln wolle. Sämtliche Indizien sprachen dafür, daß sie darauf ihrerseits mit massivem Widerstand reagieren würden. Außerdem war Katharina und den Akteuren, die ihre Politik unterstützten, klar, daß die ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen und militärischen Mittel nicht ausreichten, eine offene militärische Konfrontation mit Spanien zu riskieren – einmal ganz abgesehen von den ohnehin gegebenen immensen inneren politisch-religiösen Problemen. Katharina war nicht zuletzt deshalb darum bemüht, beruhigend auf Philipp II. einzuwirken und ihn nicht zu provozieren. Außerdem verkannte sie nicht, daß sie nötigenfalls 22  Vgl. dazu Kap. 6, S. 221.

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auch auf die finanzielle Hilfe und den weitreichenden politischen Einfluß des spanischen Königs angewiesen war, wenn ihr kein anderer Ausweg mehr blieb, um Frankreich für die Dynastie der Valois, also für ihre Söhne, dauerhaft zu erhalten. All’ diese Faktoren erklären, daß ihre Politik gegenüber Philipp II. stets eine Gratwanderung darstellte zwischen der Rücksichtnahme auf dessen politisch-religiöse Interessen und Überzeugungen, der Vermeidung jeder offenen Provokation und dem Bemühen, ihren Schwiegersohn davon zu überzeugen, daß ihr ausgleichendes Agieren zwischen den innerfranzösischen Konfliktparteien, ihre Politik der “via media“, im wohlverstandenen Interesse des Katholizismus und damit auch Spaniens sei. Außerdem war sie wiederholt bemüht, Philipp II. geschickt im Sinne ihrer Politik zu instrumentalisieren, womit sie allerdings nur ganz punktuell und alles in allem nur in sehr bescheidenem Maße erfolgreich war. Als Hugenotten unter Mißachtung eines entsprechenden königlichen Verbots eine Expedition organisiert hatten, um ihre Glaubensbrüder in den Niederlanden militärisch zu unterstützen, ließ Katharina an den Marschall Cossé (Artus de Cossé) den Befehl ergehen, diese Truppe abzufangen und an der Ausführung ihres Vorhabens zu hindern. Das Kontingent der Hugenotten wurde im Juli 1568 bei Saint-Valéry an der Somme (im heutigen Departement bei Abbeville gelegen) gestellt und vernichtend geschlagen. Ihr Anführer wurde exekutiert. Philipp  II. ließ es sich nicht nehmen, Katharina dazu zu beglückwünschen.23 Im August  1568 kam es zu einer förmlichen Entente zwischen Condé, Coligny und ­Wilhelm I. von Nassau-Oranien. Die französischen Hugenotten und Wilhelm von Oranien „warfen [in letzter Konsequenz] den Königen von Frankreich und Spanien vor, sich als ungöttliche Herrscher erwiesen zu haben, was ein Eingreifen derjenigen, die sich demgegenüber im Besitz der Gnade Gottes wähnten, rechtfertige“24. Condé, Coligny und Wilhelm von Oranien legitimierten ihre im August 1568 abgeschlossene Allianz ausweislich des Vertragsdokumentes mit folgenden Argumenten: In Verantwortung gegenüber Gott und aus Loyalität gegenüber ihren Herrschern seien sie verpflichtet, diese eindeutig darauf hinzuweisen, daß sie ihr Ohr gänzlich schlechten Ratgebern geliehen und deshalb nicht erkannt hätten, daß sie Hab und Gut nicht nur beider Könige, sondern auch der Untertanen ruinierten. Die Absicht dieser schlechten Ratgeber sei es, die wahre Religion, den Adel und andere rechtschaffene Leute, ohne die die Könige in ihren Königreichen nicht weiterhin herrschen könnten, zu exterminieren und ihre Tyrannei überall zu etablieren sowie ihre Machtbereiche zu vergrößern. Um dieses zu verhindern, hätten die Vertragschließenden nach reiflicher Überlegung sich selbst und im Namen des Adels gegenseitig versprochen und versichert, sich für den Ruhm Gottes, für die Interessen, den

23  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 235; Orieux, Catherine de Médicis, S. 418; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 448; Solnon, Catherine de Médicis, S. 203; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 361. 24  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 55.

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Dienst ihrer Fürsten, das öffentliche Wohl und für die Freiheit der Religion zu engagieren, ohne die sie nicht in Frieden leben könnten.25 In dieser „heiligen Allianz“ (sainte alliance) sicherten sich die Vertragspartner gegenseitig zu, einander zu unterstützen. Die Kosten der jeweiligen Unterstützung sollten von derjenigen Seite beglichen werden, die um diese Hilfe gebeten habe.26 Auf der Basis dieser Abmachungen ließen Wilhelm von Oranien und sein Bruder, der niederländische Feldherr Ludwig von Nassau-Dillenburg (1538–1574), ihre Armeen im Zeitraum von November 1568 bis Januar 1569 in Frankreich intervenieren, um ihren französischen Glaubensbrüdern im zuvor ausgebrochenen Dritten Bürgerkrieg Beistand zu leisten. Seit diesem Zeitpunkt sah sich Coligny mit dem Problem der Reziprozität und der Bezahlung der ihm gewährten Unterstützung konfrontiert, was für sein politisches Agieren zu Beginn der 1570er Jahre eine wesentliche Rolle spielen sollte.27 Katharina erfuhr alsbald von diesen Abmachungen, was ihr schon seit der Affäre von Meaux (September 156728) gewachsenes Mißtrauen gegenüber Condé und Coligny weiter verstärkte. In dieser Phase trat auch eine Verhärtung der Haltung der katholischen Mächte insofern ein, als sie noch entschiedener als bisher für die Beendigung der Häresie eintraten. Das gilt insbesondere für Philipp II., für den das mehr oder minder offensichtliche Kooperieren der Hugenotten mit den Aufständischen in den Niederlanden zu einem Alptraum wurde. Diese Problematik wurde durch die Vorgänge auf der britischen Insel noch komplizierter. Dort war nämlich Maria Stuart vor den schottischen Aufständischen zu ihrer Cousine Elisabeth, der Königin von England, geflohen. Diese behandelte aber ihre geflohene Cousine wie eine Gefangene. Das Verhalten Elisabeths rief den Kardinal von Lothringen auf den Plan, der nachdrücklich für eine Intervention zur Rettung der mit ihm verwandten Maria Stuart eintrat. In dessen politischem Agieren sahen aber sowohl die englische Königin als auch die Hugenotten eine Bedrohung, so daß sich 25  „Nous, Louys de Bourbon, Prince de Condé […], Gaspar de Coligny, Admiral de France […] et nous Guilliaulme de Nassau, Prince d’Orange […], Ayants devant les yeulx la gloire de Dieu, la loyaulté et obligation que nous debvons à nos Princes, lesquels nous voyons par mauvais conseillers qui ont occupés leurs oreilles, estre tombez en telle mécognaissance qu’ils ruinent leurs propres biens et fidelles subjects, et aliènent les affections d’iceulx, […] Nous doncques, consydérans ces choses, pour obvier à ces inconvéniens et retrancher les desseings des sudicts conseilliers, après avoir meurement pesé les affaires et cognu que leur intention est d’exterminer la vraye religion et aussy la noblesse et autres gens de bien, sans lesquels les Roys ne peuvent estre maintenus en leurs Royaulmes, espérant sur le prétexte de cela establir leurs Tyrannies par tout et agrandir leurs dominations, avons, tant pour nous qu’au nom de la Noblesse, ausquels le faict touche à ceste heure de près pour les sudictes raisons, promis en foy de Princes et d’hommes de bien de pourchasser, tant qu’en nous est, la gloire de Dieu, le profict et service de nos Roys, et le bien publicq, et la liberté de la religion, sans laquelle nous ne pouvons vivre en paix.“ Das vollständige Dokument ist ediert in: G. Groen Van Prinsterer, Archives ou Correspondance inédite de la maison d’Orange-Nassau, 1re série, t. III, Leide 1836, S. 282–286; vgl. auch Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 449. Siehe auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 358. 26  „le secours envoyé se payera par celuy-là de nous qui l’aura demandé“. 27  Vgl. Kap. 7, S. 261–265. 28  Vgl. Kap. 6, S. 225 f.

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beide Seiten über eine gegenseitige Unterstützung verständigten. Für den spanischen Botschafter Alava waren diese Vorgänge ein Beweis für die Existenz einer international und subversiv agierenden Entente der Protestanten, vor denen Spanien – so führte er gegenüber seinem Herrn Philipp II. aus – auf der Hut sein und gegen die man effektive Gegenmaßnahmen ergreifen müsse. Der spanische König reagierte auf dessen alarmierende Berichte, indem er ihn mit Schreiben vom 4. Mai 1568 anwies, er solle Karl IX. und Katharina auffordern, sie sollten den „Hugenottenführern die Köpfe abschneiden lassen“. Wenn sie es nicht täten, riskiere der französische König seine Krone und sein Leben.29 Auf diese Entwicklungen mußte Katharina reagieren, um den Beginn neuer Unruhen, ja den Ausbruch eines neuen Bürgerkriegs in Frankreich und möglicher internationaler Verwicklungen noch zu verhindern. In diesen Kontext ist das Ausscheiden des langjährigen Kanzlers L’Hôpital aus seiner Charge einzuordnen. Im Juni 1568 wurde er aus dem Conseil du Roi entfernt, und im folgenden September wurde er veranlaßt, die Staatssiegel auszuhändigen. Häufig wurde dieser Vorgang als eine völlige Abkehr Katharinas von ihrer Politik der Ziviltoleranz interpretiert, bei der sie auf die engagierte Unterstützung L’Hôpitals hatte zählen können. Es mag sein, daß die Königinmutter mit dieser Entscheidung ein Signal des Entgegenkommens an die intransigenten Katholiken, an den Papst und auch an Philipp II. senden wollte, aber in der Demission L’Hôpitals manifestierte sich sicher nicht eine völlige Abkehr von der von ihr bisher verfolgten politischen Linie. Die Staatssiegel wurden nämlich nicht einem militanten Katholiken übertragen. Siegelbewahrer (garde des Sceaux) wurde auf Veranlassung Katharinas Jean de Morvillier, Bischof von Orléans, der als Vertreter einer gemäßigten Politik gegenüber den Hugenotten galt und der in dieser Funktion bis 1571 amtieren sollte.30 Condé und Coligny waren über die allenthalben sich manifestierenden Verstöße gegen die Regelungen des Pazifikationsedikts von Longjumeau in wachsendem Maße beunruhigt. Sie führten darüber bei Karl IX. und Katharina Klage, wobei sie aber geflissentlich übergingen, daß es die calvinistische Seite mit der Respektierung dieses Edikts ebenfalls nicht genau nahm. Sie hatten aber auch Gründe, sich persönlich bedroht zu sehen. So teilte Condé am 23. Juli 1568 dem König mit, daß einige Tage zuvor ein Spion festgenommen werden konnte, der einen Plan seines Schlosses von Noyers, in Burgund, angefertigt und bei sich getragen habe. Am 27. Juli informierte er Karl IX. darüber, daß ein Amtsträger aus Dijon kürzlich deren Bewohner dazu aufgerufen habe, „mit Waffen und zu Pferde“ (avec armes et chevaux) gegen eine calvinistische Adelsfamilie in seiner unmittelbaren Nachbarschaft vorzugehen. Katharina schenkte den Klagen Condés durchaus 29  „[…] cortan las cabezas“. Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 449 f. 30  Zu Michel de l’Hôpital: Crouzet, La Sagesse et le malheur de Michel de L’Hospital chancelier de France; vgl. des weiteren Cloulas, Catherine de Médicis, S. 236–239; Orieux, Catherine de Médicis, S. 428; Solnon, Catherine de Médicis, S. 204 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 450, 462; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 345 f.; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 371.

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Aufmerksamkeit. Sie sicherte ihm zu, den von ihm gemeldeten Vorgängen nachzugehen und die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen zu lassen. Sie bat Condé, ihr die Namen derer zu nennen, von denen er sich bedroht fühlte.31 Coligny führte in jenen Tagen Klage darüber, daß Soldaten, die in einem Schloß in Burgund stationiert waren, auf ihn geschossen hätten, In einem längeren Antwortschreiben an Katharina vom 22. August  1568 rekapitulierte er außerdem alle Beleidigungen und Übergriffe, welche die Hugenotten seit Erlaß des Edikts von Longjumeau hätten erdulden müssen. Er schloß seinen Brief mit der unverhohlenen Warnung an sie und an Karl IX.: „Wir sind nicht so leicht zu schlagen und zu vernichten, wie sich dessen der Kardinal von Lothringen alle Tage rühmt.“32 Seit Mai/Juni 1568 war der Kardinal tatsächlich wieder ein einflußreicher Mann im Conseil du Roi. Ende August 1568 hielten sich Condé und Coligny in ihren burgundischen Besitzungen auf: Condé in Noyers und Coligny in Tanlay. Am 23. August verließen sie diese fluchtartig mit ihren engsten Angehörigen unter dem Schutz von einigen hundert Bewaffneten. Sie machten sich auf den Weg nach La Rochelle, in die leicht zu verteidigende und von See her gut zu versorgende Hafenstadt, die sich zu einer Hochburg und zu einem Machtzentrum der Hugenotten entwickelte. Nachdem Condé und Coligny mit ihrem Gefolge am 19. September in La Rochelle eingetroffen waren, wurde diese Hafenstadt das Hauptquartier der Hugenotten, was bis dahin Orléans gewesen war. Die meisten der übrigen Hugenottenanführer trafen nach und nach ebenfalls in La Rochelle ein: unter ihnen François de La Noue, Montgomery (Gabriel de Lorges, comte de, jener Hauptmann der Schottischen Garde, durch dessen Hand Heinrich  II. 1559 bei einem Ritterturnier die tödlichen Verletzungen erlitten hatte), La Rochefoucauld (François III de La Rochefoucauld), Jeanne d’Albret, die Königin von Navarra, und ihr Sohn, Prinz Heinrich von Navarra. Treffen die Angaben von La Noue zu, dann hätten Condé und Coligny gleich zu Beginn ihrer Flucht an alle wichtigen Repräsentanten der französischen Calvinisten Warnungen und die Aufforderung ergehen lassen, zu den Waffen zu greifen und sich ihnen in La Rochelle anzuschließen. Außerdem sollten entsprechende Warnungen und Aufforderungen an die Herrenhäuser calvinistischer Adliger sowie an die calvinistischen Kirchen und Gemeinden ergangen sein.33 Vor diesem gesamten Hintergrund betrachtet, markiert die Flucht Condés und Colignys den Beginn des Dritten Bürgerkrieges. Als Katharina und Karl IX. die Nachricht von deren Flucht erhielten, traf der Hof gerade Vorbereitungen, um vom Schloß Madrid (im Bois de Boulogne unweit von Paris gelegen), wo er sich einige Zeit aufgehalten hatte, wieder nach Paris zurückzukehren.

31  Vgl. Kap. 7, S. 229 f., 244 ff. 32  „Nous ne sommes pas si aysés à battre et deffayre comme le cardinal de Lorraine s’en vante tous les jours.“ Zitiert über Shimizu, Conflict of Loyalties, S. 128 f.; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 356. 33  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 359.

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Die überlieferten Quellen lassen keine zweifelsfreien Aussagen darüber zu, welches Geschehen sich um den 23. August 1568 in Noyers und in Tanlay exakt abgespielt hat. In der Bewertung dieser Ereignisse und der Gerüchte, die Verhaftung oder gar die Tötung Condés und Colignys seien damals geplant gewesen, gehen die Meinungen der Historiker und Biographen auseinander. Gleiches gilt für die Frage, ob und gegebenenfalls inwiefern Katharina aktiv in derartige Pläne involviert gewesen sei. Glaubwürdige Indizien legen nahe, daß Condé und Coligny sich entschieden zu fliehen, weil sie den – aus ihrer Sicht – begründeten Verdacht hatten, man beabsichtige, sie zu arretieren oder gar zu töten. Deshalb stellten sie in ihren Verlautbarungen ihre plötzliche Flucht nach La Rochelle als eine präventive Entscheidung dar, um der Ausführung dieses Vorhabens zuvorzukommen. Es ist nicht auszuschließen, daß es tatsächlich einen Plan gegeben hat, Condé und Coligny in Noyers und Tanlay nicht nur beobachten, sondern insgeheim auch umstellen zu lassen, wohl aber nicht, um sie zu verhaften, sondern um sie daran zu hindern, von dort aus aufzubrechen, um erneut Unruhen anzuzetteln. Daß Katharina beabsichtigt habe, Condé und Coligny umbringen zu lassen, dafür gibt es keine stichhaltigen Beweise. Ein derartiger Akt hätte auch ihrer bisher praktizierten politischen Linie widersprochen. Mordaktionen gegen die beiden Hugenottenführer hätten die Hugenotten mit Sicherheit insgesamt mobilisiert und sie erst recht zu den Waffen greifen lassen, um sich zu verteidigen. Dessen war sich Katharina zweifellos bewußt. Ihr damaliges Agieren legt die Schlußfolgerung nahe, daß ihr daran lag, den Bruch des Friedens und die Rebellion als einen einseitigen Akt der Hugenotten erscheinen zu lassen. Deren Friedensbruch und offene Rebellion rechtfertigten dann eine angemessene Reaktion der Krone, ja machte sie geradezu erforderlich, um die Autorität des Königs und den Frieden im Lande wiederherzustellen.34 Daß Katharina an ihrer bisher verfolgten politischen Linie festhielt, dafür sprechen ihr Agieren und die von ihr in jenen Tagen und Wochen getroffenen Maßnahmen. Am 8. September 1568 hatte sie königlichen Verbänden den Befehl erteilen lassen, sich gegen Condé und dessen Truppen in Marsch zu setzen, um diese auf ihrem Weg nach La Rochelle noch aufzuhalten und – wenn möglich – zu vernichten. Als sich herausstellte, daß die Expedition Condés nicht mehr zu stoppen war, schickte sie einen Adligen zu diesem mit dem Auftrag, ihn aufzufordern, sich in eine Stadt seiner Wahl zu begeben, wo dann Verhandlungen auf höchster Ebene stattfinden könnten. Außerdem bat sie mit einem Schreiben Johanna von Albret, sich nicht an der Mobilmachung der Hugenotten zu beteiligen. Diesen Bemühungen war aber kein Erfolg beschieden. Als Katharina an den 34  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 237 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 451 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 205 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 345 ff.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 179 ff.; Crouzet, Catherine de Médicis, S, 355–363. Dargent vertritt hingegen die Ansicht, Katharina von Medici habe am 29. Juli die Order ergehen lassen, sich Condés zu bemächtigen. Er liefert dafür aber keine zweifelsfreien Beweise. Dargent, Catherine de Médicis, S. 205. Orieux argumentiert ähnlich wie Dargent. Aber auch Orieux legt keine stichhaltigen Belege für seine These vor. Orieux, Catherine de Médicis, S. 419 f.

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Reaktionen der Hugenotten, die in Flugschriften die Guise beschuldigten, den Ruin der calvinistischen Adligen zu betreiben, erkannte, daß ihre Versuche, doch noch zu einem Arrangement zu kommen, vergeblich waren, traf sie Gegenmaßnahmen, die von den Hugenotten als Repressalien angesehen wurden. Zur Verhärtung der Haltung Katharinas trug auch bei, daß die Hugenotten mit Unterstützung aus England und von protestantischen Reichsfürsten rechnen konnten.35 In diesen Zusammenhang ist der Erlaß der Ordonnanz von Saint-Maur-des-Fossés vom 23. September 1568 einzuordnen. Darin wurde jegliche reformierte Kulthandlung in der Öffentlichkeit untersagt. Die Ausübung „jedweder anderen Religion als der römischkatholischen“36 wurde verboten. Die calvinistischen Pfarrer mußten das Königreich innerhalb von 14 Tagen verlassen. Gleichwohl blieb den einfachen Hugenotten die Freiheit des Gewissens erhalten. Dieses Edikt enthielt zudem eine Klausel, derzufolge die Calvinisten nicht wegen ihres „intimen“ Glaubens behelligt und außerdem nicht gezwungen werden sollten, an katholischen Zeremonien oder sonstigen Kulthandlungen der Katholiken teilzunehmen. Dieser Klausel lag eine entsprechende Intervention Katharinas zugrunde. Es ist demzufolge unangemessen, nur aus der Präambel den Satz zu zitieren, in dem den Calvinisten vorgeworfen wurde, „in diesem Königreich eine andere souveräne Herrschaft zu etablieren und zu konstituieren und damit die Unsere von Gott gegebene zu zerstören“37, um daraus eine völlige Kehrtwende in der bisherigen Politik Katharinas abzuleiten. Dieses Edikt war sicherlich auch als ein Signal an die intransigenten französischen Katholiken und an Philipp II. gedacht, aber es war kein Bruch mit der bisherigen Politik der Königinmutter. Im übrigen hatte es in der Vergangenheit bereits ähnliche Maßnahmen gegeben, die jedoch später nach erfolgtem Friedensschluß entweder völlig zurückgenommen oder doch zumindest durch neue Pazifikationsedikte wesentlich entschärft wurden. Diese Feststellung gilt auch für ein weiteres Edikt, das am 25. September erlassen wurde und demzufolge alle nichtkatholischen Funktionsträger ihrer Ämter für verlustig erklärt wurden.38 Bezeichnenderweise fand dieses Edikt nicht im Hinblick auf die „Drahtzieher der hugenottischen Opposition“ Anwendung, „deren Stellung bislang unangetastet blieb“39. Der spanische Botschafter Alava erkannte sehr bald, daß die Umsetzung des Edikts von Saint-Maur und des Edikts vom 25. September in der Realität keineswegs den darin verkündeten Verfügungen entsprach. In seiner Depesche vom 22. Dezember 1568 an Philipp II. kritisierte er deshalb Katharina und Karl IX., ohne sie direkt zu nennen. 35  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 363 f. 36  „tout exercice d’autre religion que de la catholique et romaine“. 37  „établir et constituer en ce royaume une autre principauté souveraine pour défaire la nôtre ordonnée de Dieu“. 38  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 239 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 452; Solnon, Catherine de Médicis, S. 207; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 345 ff. 39  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 164.

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Keinem der Bischöfe, denen der Ruf anhafte, Schismatiker zu sein, sei die Diözese entzogen worden. Es sei ihnen auch der Zugang zum Hof nicht untersagt worden. „Und obwohl man es dem spanischen König zugesagt habe, seien weder Châtillons Ämter und Einkünfte noch jene anderer Häretiker angetastet worden, obgleich genau dies auch das letzte Edikt vorgesehen habe, ‚das man mit all den Inhalten ein gutes nennen kann‘. Auch über die Charge des Admirals fälle man einstweilen keine Entscheidung.“40 Zwischen dem Kardinal von Lothringen und Katharina war es in jenen Wochen offenbar zu erheblichen Differenzen gekommen, worüber Philipp II. von Alava informiert wurde. Darüber zeigte sich der spanische König sehr beunruhigt. Er fürchtete sogar, der Guise wolle die Königinmutter aus der Regierung verdrängen. Deshalb schrieb Philipp II. am 25. Juni 1569 an Alava, er solle auf den Kardinal Karl von Lothringen mäßigend einwirken: Mir scheint, daß Ihr für den Fall, daß die Dreistigkeit und der Ehrgeiz des Kardinals von Lothringen so sehr anwachsen, er sich also nicht mit den Ämtern und zu seinen Gunsten getroffenen Verfügungen zufriedengibt, ihm in meinem Auftrag und gemäß dem von mir eigenhändig […] verfaßten Brief ausrichtet, daß ich das, von dem ich gehört habe, mithin die Versuche, sie aus der Regierung zu verdrängen, äußerst bedaure.41

Daß der spanische König sich in dieser Weise vom Agieren des Kardinals von Lothringen distanzierte, der als Verteidiger des Katholizismus in Madrid geschätzt wurde, belegt, wie groß dort die Sorge über dessen Agieren gegenüber Katharina geworden war. Philipp II. lehnte zwar die von ihr gegenüber den Calvinisten praktizierte Politik ab, aber ihre Eliminierung aus der französischen Regierung wollte er offenbar ebensowenig wie eine dominierende Rolle des Lothringers im Staatsrat. Die zurückhaltende Umsetzung der Edikte änderte aber nichts daran, daß nicht nur die Anführer der Calvinisten, sondern auch die Hugenotten insgesamt diese Edikte als eine offene Kampfansage an ihre Adresse empfanden. Für viele Hugenotten bedeuteten sie das Ende ihres Traums, ihrer Hoffnungen, unter den vorhandenen Gegebenheiten der französischen Monarchie ihrem Glauben zum Sieg verhelfen zu können. Infolgedessen setzte bereits in den Jahren 1567/1568 und nicht erst im Gefolge der Bartholomäusnacht (23./24. August 1572) eine Radikalisierung im politischen Denken der Calvinisten und bei deren daraus resultierenden Forderungen und Aktivitäten ein.42 Der Prozeß der Konstituierung eigenständiger, administrativer und militärischer Strukturen hatte zwar schon in den frühen 1560er Jahren im Midi (also im Süden) Frankreichs eingesetzt, er erfuhr aber um 1567/1568 eine Beschleunigung, um dann im Gefolge der Bartholomäusnacht

40  Ebenda, S. 171. 41  Zitiert in der von Reinbold aus dem Spanischen ins Deutsche übersetzten Fassung. Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 171. 42  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 454 f.

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weitere Veränderungen im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung dieser Strukturen zu erfahren.43 Auf die militärischen Ereignisse des Dritten Bürgerkrieges ist nicht im einzelnen einzugehen. Festzuhalten ist, daß keine der Konfliktparteien einen kriegsentscheidenden Sieg erringen konnte. Erwähnenswert ist auch, daß der Herzog von Anjou, der spätere König Heinrich III., dank der tatkräftigen Unterstützung seiner Mutter von Karl IX. formaliter das Oberkommando als Lieutenant général du royaume erhielt und in diesem Krieg seine ersten militärischen Erfahrungen sammeln sowie erste Sporen auf dem Schlachtfeld verdienen konnte.44 Festzuhalten ist weiterhin, daß Katharina aktiv am Kriegsgeschehen teilnahm, sich wiederholt in unmittelbarer Nähe der Truppen des Königs aufhielt und persönlich Einfluß nahm auf militärisch-taktische Entscheidungen. Unvorbereitet traf Katharina im Oktober 1568 die Nachricht vom Tode ihrer Tochter Elisabeth. Nach einer Frühgeburt verstarb sie am 3. Oktober im Alter von 22 Jahren. Philipp II. reagierte auf das plötzliche Ableben seiner Gemahlin, das er als Gottes Willen hinnahm, mit tiefster Betroffenheit. Wie es damals sehr häufig vorkam, spekulierten seine Feinde – unter ihnen der renommierte französische Historiker und Chronist JacquesAuguste de Thou (1533–1617) – darüber, daß er Schuld am Tod seiner Ehefrau habe. Allein die integrierende Funktion, die Elisabeth in der Politik Spaniens mit Frankreich erfüllt hatte und die Philipp nicht nur bei der Konferenz von Bayonne 1566 zu nutzen wußte, entzog solcherlei Spekulationen jede Grundlage. Auf beiden Seiten hatte ihr Wort Gewicht, und sowohl Philipp als auch Katharina von Medici vertrauten sich in schwierigen politischen Fragen der klugen und mit einem einnehmendem Wesen gesegneten „Königin des Friedens“, wie man sie nach Cateau-Cambrésis 1559 getauft hatte, an. Die Übermittlung der Todesnachricht geriet so zu einer äußerst unliebsamen Angelegenheit, die Alava doch lieber den französischen Vertrauten der Königinmutter und ihres Sohnes zu überlassen gedachte.45

Als Katharina die Nachricht vom Tod ihrer Tochter überbracht wurde, zog sie sich für einige Zeit in ihre Gemächer zurück, um ihre Trauer der Hoföffentlichkeit gegenüber zu verbergen. Der spanische Botschafter Alava berichtete am selben Tag Philipp II., daß Katharina und Karl IX. von dieser Nachricht so sehr mitgenommen seien, daß man sich Sorgen um deren Gesundheit mache. „Es dürfte sich in der Tat nicht um eine gespielte Gefühlsduselei gehandelt haben, denn die Frau des Katholischen Königs war ohne Zweifel das stärkste Band in den persönlichen Beziehungen beider Königshäuser.“46 Es überrascht deshalb nicht, daß Katharina alsbald wegen einer erneuten dynastischen Verbindung beider Königshäuser in Madrid sondieren ließ, womit ihr aber zu ihrem Leidwesen kein Erfolg beschieden war. Ihr Vorstoß belegt einmal mehr, daß der Königinmutter trotz aller bestehenden politischen Differenzen mit Philipp II. an der Pflege guter 43  Vgl. Kap. 7, S. 283 ff. 44  Pernot, Henri III., S. 55–76. 45  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 165. 46  Ebenda, S. 166.

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dynastischer und politischer Beziehungen mit Spanien als gewichtigem Machtfaktor nicht nur im damaligen Staatensystem, sondern auch in der französischen Innenpolitik gelegen war und blieb. Von Philipp II. erwartete und erhielt sie nicht nur immer wieder finanzielle und notfalls militärische Unterstützung, sondern er war auch auf Grund seiner weitreichenden politisch-militärischen Möglichkeiten in der Lage, Interventionen ausländischer Verbündeter der calvinistischen Rebellen in Frankreich wenn nicht gänzlich zu verhindern, so doch zu erschweren. Die von den Hauptakteuren der Hugenotten im Dritten Bürgerkrieg praktizierte Strategie unterschied sich von jener, die sie in den beiden vorangegangenen Kriegen angewandt hatten, als sie insbesondere die Städte an der Loire unter ihre Kontrolle brachten und diese dauerhaft zu erhalten versuchten. Während des Dritten Bürgerkrieges legten sie Wert auf die Verteidigung ihrer Positionen im Südwesten. Deshalb wurden Garnisonen in die befestigten Städte wie z. B. Cognac, Angoulême, Castres und Montpellier verlegt. Die Besetzung bzw. die dauerhafte Kontrolle der Städte im Poitou und in der Saintonge waren erforderlich, um die Sicherheit von La Rochelle, des damaligen Machtzentrums der Hugenotten, zu gewährleisten.47 „Nützlich bei den militärischen Operationen waren die Truppen unter Führung von Wilhelm von Oranien und dessen Bruder Ludwig von Nassau sowie das Söldnerheer, das der Herzog von Zweibrücken im Juni 1569 nach Frankreich führte.“48 Obwohl Katharina und der Kardinal von Lothringen Philipp II. eindringlich darum gebeten hatten, mit seinen politisch-militärischen Möglichkeiten deren Intervention in Frankreich zu verhindern, wurden der Oranier und der Herzog von Zweibrücken zunächst nicht effektiv davon abgehalten. Zwar hatte Philipp II. seine Hilfe prinzipiell zugesagt, aber der Herzog von Alba wurde zunächst nicht tätig. Erst als der spanische Statthalter in den Niederlanden direkte Anweisungen von Philipp II. erhalten hatte, änderte sich dessen Verhalten.49 Obwohl Condé und Coligny über tatkräftige militärische Unterstützung von ihren Glaubensbrüdern in Frankreich sowie von den Oraniern und dem Herzog von Zweibrücken verfügen konnten, unterlagen die Hugenotten in den ersten beiden Schlachten des Krieges bei Jarnac (an der Charente im Angoumois) am 13. März 1569 und bei Montcontour (im Norden des Oberen Poitou gelegen) am 3. Oktober dieses Jahres. Beide Schlachten waren aber nicht kriegsentscheidend. Dies gilt auch für die vorher errungenen militärischen Erfolge der Hugenotten. Die Niederlage bei Jarnac hatte für die französischen Calvinisten aber insofern besondere Bedeutung, als ihr politischer und militärischer Führer Condé in dieser Schlacht – wahrscheinlich auf Befehl des Herzogs von Anjou50 – ermordet wurde, als er nach einem Sturz seines Pferdes verteidigungsunfähig 47  Jouanna, La France du XVIe siècle, S.  454  f.; Mack  P.  Holt, The French Wars of Religion 1562–1629, Cambridge 1995, S. 69. 48  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 172. 49  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 169 ff. 50  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 368; Jouanna, La France au XVIe siècle, S. 455.

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am Boden lag. Der spanische Historiker Córdoba (Luis Cabrera de Córdoba, 1559–1623) schilderte in seiner „Geschichte Philipps II.“51 dieses für Spanien und für die militanten französischen Katholiken „willkommene Ereignis“ sehr anschaulich: Condé stürzte zu Boden, sein Pferd tot, und zwei Kriegsleute machten sich über ihn her. Angsterfüllt bot er ihnen ohne zu zögern 100.000 ducados Lösegeld für seine Freilassung an. Sie entfernten das Visier, und als man ihn erkannt hatte, verwundeten sie ihn mit zwei Pistolenschüssen, andere mit zwölf Dolchstößen, und auf einem Vieh [Esel] schafften sie Louis de Bourbon fort, den Prince de Condé, Ketzer und Ehrgeizling, Urheber großer Mühsal für Frankreich und Verfolger der katholischen Kirche, von den Seinen als tapfer, umgänglich und großzügig geschätzt.52

Für die Mehrheit der Hugenotten waren die Ermordung Condés und der demonstrativ entwürdigende Umgang mit seiner Leiche, die zwei Tage lang dem Gespött der Armee des Königs unter dem Kommando des Herzogs von Anjou ausgesetzt wurde, eine Provokation. Sie sahen darin einen weiteren Beweis dafür, daß man höheren Ortes die gewaltsame Beseitigung ihrer Anführer beschlossen habe. Als dann am 6. Mai 1569 auch noch François d’Andelot starb, argwöhnte man auf hugenottischer Seite, er sei vergiftet worden. Man verdächtigte Katharina, dafür verantwortlich zu sein. Das war aber pure Verleumdung, denn d’Andelot erlag einem – wie man es damals nannte – pestilenzartigen Fieber. Gleichwohl äußerte sich die Königinmutter erleichtert über dessen Ableben: „Die Nachricht vom Tod Andelots“, schrieb sie, „hat Uns sehr gefreut. Ich hoffe, Gott wird am Ende dafür sorgen, daß die anderen dieselbe Behandlung erfahren, die sie verdienen.“53 Aus dieser Äußerung ist jedoch nicht zu schließen, daß Katharina für die Ermordung Condés und den Tod d’Andelots verantwortlich gewesen sei oder sogar entsprechende Anweisungen erteilt habe. Daß sie glaubte, mit dem Tod der beiden hochgestellten Calvinisten habe sich die innere Lage immerhin zu ihren Gunsten entwickelt, daran ist wohl nicht zu zweifeln. Ihr war aber auch klar, daß die Hugenotten damit nicht fundamental geschwächt waren, denn an die Stelle Condés rückte nun Coligny als oberster politischer und militärischer Anführer der Hugenotten. Dieser blieb es dann so lange, bis der Sohn Ludwigs von Condé, Henri Ier de BourbonCondé (1552–1588) herangewachsen war, um seinem Vater in dieser Position nachfolgen zu können. Ein weiterer Anwärter auf diese Position war aber auch Heinrich von Navarra, der Sohn der überzeugten Calvinistin und Königin von Navarra, Jeanne d’Albret. Sie bemühte sich bereits, ihren Sohn in diese Position zu lancieren. Im Ton und in der nach außen hin demonstrierten Haltung Katharinas gegenüber den militanten Hugenotten manifestierte sich seit Juni 1569 eine wahrnehmbare Verhärtung. 51  Im Original: Historia de Felipe II, Rey de España. 52  Zitiert in der von Reinbold aus dem Spanischen ins Deutsche übersetzten Fassung. Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 172. 53  „Cette nouvelle de la mort [d’Andelot] nous a fort réjouis. J’espère que Dieu fera aux autres à la fin recevoir le même traitement qu’ils méritent.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. III (1567–1570), S. XLVII.

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Diese Verhärtung in der Tonlage läßt sich seit jenem Zeitpunkt auch in ihrer Korrespondenz erkennen. Im Gefolge der Ereignisse konzedierte sie ab Juli 1569 dem Kardinal von Lothringen nolens volens einen größeren Einfluß und Anteil bei der Führung der Staatsgeschäfte.54 Vor diesem Hintergrund – wohl auch auf Grund des immer nachdrücklicher zum Ausdruck gebrachten Drängens Philipps II. – erließ das Pariser Parlament am 13. September  1569 ein „Regelungsurteil“ (arrêt), demzufolge der Admiral von Coligny aller seiner Ämter und Würden für verlustig erklärt und zum Tode verurteilt wurde. Da man seiner nicht habhaft war, wurde er aufgefordert, binnen dreier Tage persönlich vor dem Gerichtshof zu erscheinen. Nach Ablauf dieser Frist erging dann das Todesurteil in Abwesenheit, „in absentia“. Coligny war für schuldig befunden worden, Verbrechen gegen die Majestät des Königs, gegen die Majestät Gottes und gegen die Gesellschaft begangen zu haben. Außerdem wurde ihm seine Zugehörigkeit zum Adel aberkannt. Für seine Ergreifung wurde eine Belohnung in Höhe von 50.000 écus ausgesetzt. Das Urteil wurde schließlich „in effigie“, also symbolisch, vollstreckt. In diesem Kontext betrachtet, überrascht es nicht, daß Anfang Oktober 1569 einer der höheren Offiziere der Armee Colignys ermordet wurde.55 Der Admiral war in der Schlacht von Jarnac zwar verwundet worden. Ihm gelang es aber, nach der erlittenen Niederlage die Reste seiner Armee zu reorganisieren, so daß er den Krieg weiterführen konnte. Dabei profitierte er vom Verhalten seiner Kriegsgegner. Der offizielle Sieger in dieser Schlacht, der Herzog von Anjou, und der faktische Oberkommandierende der königlichen Truppen, der Marschall von Tavannes, hatten es nach ihrem Sieg über die Hugenottenarmee unterlassen, deren Reste weiter zu verfolgen und sie völlig zu vernichten. In der Öffentlichkeit wurde der Herzog von Anjou gleichwohl als glorreicher Sieger gefeiert. Die Hofpoeten widmeten ihm Gedichte, in denen sie seine Tapferkeit und Kühnheit überschwänglich lobten.56 Seine Mutter Katharina war auf ihren Lieblingssohn sehr stolz. Im Juli 1569 ergriff Coligny die Initiative zu einer Annäherung. Er ließ dem Hof ein Gesuch zuleiten, in dem er erneut die Rechtmäßigkeit des Anliegens der Hugenotten darlegte, zugleich aber dem König und dessen Regierung klar zu machen sich bemühte, daß sie einem Irrtum erlägen, wenn sie glaubten, sie seien in der Lage, auf dem Schlachtfeld über die Hugenotten „einen unheilvollen und blutigen Sieg“57 erringen zu können. Stattdessen schlug er vor, beide Armeen – die des Königs und jene der Calvinisten – sollten sich vereinigen zu einer mächtigen Streitmacht, mit der man dann gemeinsam gegen den „Erbfeind“ der Franzosen, also gegen Spanien, kämpfen könne.58 Später sollte Coligny immer wieder auf dieses Projekt zurückkommen. Ihm lag der Gedanke zugrunde, 54  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 369 f.; ders., La nuit de la Saint-Barthélemy, S. 567–570. 55  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 253; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 455; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 371; Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 173. 56  Pernot, Henri III, S. 68–76. 57  „une funeste et sanglante victoire“. 58  Shimizu, Conflict of Loyalties, S. 131–134.

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daß man die Franzosen – Katholiken und Hugenotten – in einem gemeinsamen Kampf gegen den traditionellen Feind Frankreichs würde wieder zusammenführen und auf diese Weise von den inneren Problemen ablenken können. Coligny war davon überzeugt, daß damit Ruhe und Ordnung in der Monarchie und letztlich eine Lösung der konfessionellen Differenzen erreicht werden könnten. Es war im Prinzip nichts anderes als das in der Politik oftmals aufgegriffene Konzept, großen innenpolitischen Schwierigkeiten mit dem Beginn eines äußeren Krieges zu begegnen. Wie es aber zu erwarten war, führte dieser Vorstoß Colignys nicht zu dem von ihm erhofften Ergebnis. Katharina lehnte einen Krieg gegen Spanien strikt ab aus Gründen ab, die bereits dargelegt wurden.59 Der Krieg ging weiter. Am 3. Oktober 1569 erlitt Coligny eine erneute Niederlage in der Schlacht bei Montcontour. Aber auch dieser Sieg der königlichen Truppen war nicht kriegsentscheidend. Die großen Hoffnungen, die man im Lager des Königs mit diesem militärischen Erfolg verknüpfte, erfüllten sich nicht. Das lag nicht zuletzt daran, daß es Anjou abermals unterlassen hatte, die geschlagenen hugenottischen Truppen zu verfolgen und damit zu verhindern, daß sie reorganisiert und durch Herbeiführung ausländischer Hilfskontingente verstärkt werden konnten. Zu Recht stieß dieses Agieren Anjous auf heftige Kritik Cabraras: Heinrich [von Anjou] unterließ es ein weiteres Mal, die Häupter der Hugenotten zu jagen, und schlug ein Lager bei Saint-Jean-d’Angély auf, um nachher bei der Belagerung von La Rochelle Zeit zu verschwenden, in der die Prinzen von Béarn [Heinrich von Navarra] und Condé mit 3.000 deutschen Reitern und 2.000 Franzosen herumvagabundierten. […] Das eine ist zu siegen, das andere zu wissen, sich des Sieges zu erfreuen. Der Herzog von Anjou erlangte jenen [Sieg] von Jarnac und den von Montcontour, aber unglücklicherweise bot sich ihm kein dritter.60

Je länger der Krieg andauerte, desto weniger konnten sich beide Konfliktparteien der Erkenntnis verschließen, daß aus finanziellen, militärischen und politischen Gründen ein entscheidender Sieg über die jeweils andere Seite nicht erreichbar war. Während des Marschs der hugenottischen Truppen unter Coligny, der im Frühjahr [1570] durch den Midi führte, zeigten die [königlichen] Marschälle Henri de MontmorencyDamville [Gouverneur des Languedoc], François de Montmorency [1530–1579] und François de Vieilleville wenig Engagement bei der Bekämpfung der protestantischen Truppen. Dies war insofern symptomatisch, als dieser Umstand die aktuelle Situation im Hochadel und im Rat widerspiegelte, wo sich die moderaten Kräfte in der Mehrzahl befanden.61

59  Vgl. Kap. 7, S. 240 f., 274 f. 60  Zitiert in der von Reinbold erfolgten Übersetzung aus dem Spanischen ins Deutsche. Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 174. 61  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 179; vgl. auch Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 456 f.

7.2 Der Dritte Bürgerkrieg

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Dies blieb den Anführern der Hugenotten nicht verborgen. Den von Katharina nie aufgegebenen Bemühungen, den Krieg zu akzeptablen Bedingungen zu beenden, kam das Verhalten der moderaten Kräfte im Staatsrat natürlich entgegen. Die bereits seit dem Sommer 1569 aufgenommenen Verhandlungen wurden im Winter intensiviert. Bei den in La Rochelle geführten Gesprächen war Jeanne d’Albret führend beteiligt. Dann wurde Armand de Gontaut, seigneur de Biron (1524–1592), von königlicher Seite in die Verhandlungen eingeschaltet. Obwohl er den Hugenotten wohlgesonnen war, hatte er in den Schlachten von Dreux, Saint-Denis und Montcontour auf seiten des Königs gegen die Calvinisten gekämpft. In den Augen von Katharina war er also für die schwierigen Verhandlungen sehr geeignet. Er war schließlich einer derjenigen, die zu deren erfolgreichem Abschluß wesentlich beigetragen hatten. Während sich die Friedensgespräche zunächst hinzogen, weil Coligny mit Verstärkungen aus dem Languedoc, der Provence und dem Dauphiné rechnete, erfuhren sie seit Februar 1570 eine veritable Dynamik, woran Katharina, Karl IX. und – wenn auch in eher distanzierter Weise – schließlich der Kardinal von Lothringen interessiert waren. Nach Treffen mit hugenottischen Vertretern in Angers, wo zum zweiten Mal die Problematik der Gewährung von Sicherheitsplätzen für die Calvinisten thematisiert wurde, begaben sich Biron und Henri de Mesmes, sieur de Malassise (1532–1596), die Beauftragten des Königs, zunächst nach La Rochelle und von dort zu Coligny nach Carcassonne. Ihre Mission verlief aber erfolglos, weil sowohl Katharina als auch ihr Sohn die Forderung der Hugenotten ablehnten, ihnen Kultfreiheit zu konzedieren. Schließlich kam es nach erneuten Vorstößen von hugenottischer Seite bei Hofe und im Gefolge der dort eintreffenden Nachricht, daß protestantische Reichsfürsten beabsichtigten, militärische Verstärkungen für Coligny in Marsch zu setzen, am 5. August 1570 zu intensiven Beratungen im Staatsrat. Man erreichte letztlich eine Einigung, die im Edikt von Saint-Germain-en-Laye vom 8. August 1570 ihren Niederschlag fand, das am 11. August vom Pariser Parlament einregistriert wurde.62 Damit wurde der Dritte Bürgerkrieg beendet. Das Edikt besteht aus einer Präambel und 54 Artikeln.63 Obwohl es das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Vertretern der Krone und der Hugenotten war, haben Karl IX. und Katharina offensichtlich auf einer Textfassung und einer Form der Veröffentlichung bestanden, die nach außen hin dokumentierten, daß der König dieses Edikt, das im übrigen „als ewig geltend und unwiderruflich“64 bezeichnet wurde, aus eigener Machtvollkommenheit und kraft seiner alleinigen Souveränität und Autorität erlassen hat. Es wurde in diesem Fall ebenso verfahren wie bei allen 62  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 252–257; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 456 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 231 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 347 ff.; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 370–389. 63  Der Text des Edikts von Saint-Germain-en-Laye ist mit geringfügigen und zu vernachlässigenden Kürzungen abgedruckt bei Ilja Mieck (Hrsg.) Toleranzedikt und Bartholomäusnacht. Französische Politik und europäische Diplomatie 1570–1572 (=Historische Texte, Neuzeit, Bd. 8), Göttingen 1969, S. 9–13. 64  „Edit perpetuel & irrevocable“.

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

Gesetzesakten (ordonnances) der Krone. Das Edikt sei erlassen worden, so lautet es in der Präambel, auf Grund der großen Übel und schweren Not, die Unser Königreich wegen des Aufruhrs und der Kriege für lange Zeit heimgesucht haben und auch noch gegenwärtig heimsuchen. Deshalb haben Wir nach guter und kluger Beratung über dieses Geschehen und auf Grund anderer guter Erwägungen mit diesem ewigen und unwiderruflichen Edikt gesagt, erklärt, statuiert und ordnen an, wollen wir und gefällt es uns, das, was sich aus diesem Edikt ergibt, zu verfügen.65

Im ersten Artikel wurde angeordnet, daß die Erinnerung an alle Taten beider Seiten, d. h. beider Konfliktparteien, die seit Beginn der Unruhen (troubles) im Königreich geschehen waren, dem Vergessen anheimgegeben sein sollten. Alle diese Taten sollten als nicht geschehen betrachtet und weder von den Kronanwälten (Procureurs generaux) noch von irgendwelchen anderen öffentlichen oder privaten Personen juristisch verfolgt werden. Sie sollten nicht einmal erwähnt werden. Es handelte sich um eine weitgehende Amnestie für diejenigen, die wegen ihres Agierens oder wegen ihrer Taten im Krieg hätten zur Rechenschaft gezogen werden können.66 In Artikel II wurde angeordnet, daß alle Untertanen miteinander in Frieden leben und wie Brüder, Freunde und Mitbürger67 untereinander umgehen sollen. Jeder, der dem zuwiderhandeln sollte, sollte wie ein Friedensbrecher und Störer der öffentlichen Ruhe und Ordnung bestraft werden.68 Im Artikel IV wurde allen Untertanen im gesamten Königreich Gewissensfreiheit zugesichert; sie durften wegen ihres Glaubens nicht behelligt werden.69 Das galt aber nur, sofern sie nicht gegen die Bestimmungen dieses Edikts verstießen.70 Allen Adligen im Besitz der hohen Gerichtsbarkeit oder von Panzerlehen (plain Fief de Haubert) war gemäß Artikel V gestattet, in ihren Herrenhäusern, so lange sie selbst oder ihre Frauen während ihrer Abwesenheit sich dort aufhielten, reformierte Gottesdienste 65  „Charles par la grace de Dieu Roy de France, à tous presens & avenir, Salut. Considerans les grands maux & calamitez avenus par les troubles & Guerres desquelles nôtre Royaume a été longuement, & est encores de present affligé […], savoir faisons, qu’après avoir sur ce pris l’avis bon & prudent conseil […], avons par iceluy avis & bon conseil […] & autres bonnes & grandes considerations […] par cettui nôtre present Edit perpetuel & irrevocable, dit, declaré, statué, & ordonnons, voulons & nous plaît, ce qui s’ensuit.“ Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Bartholomäusnacht (wie Anm. 63), S. 9. 66  Artikel I des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Bartholomäusnacht, S. 9. 67  „comme Frères, amis & concitoyens“. 68  „Defendans à tous nos Sujets […], qu’ils n’ayent à en renouveler la memoire […], mais se contenir & vivre paisiblement ensemble comme Freres, amis & concitoyens: sur peine aux contrevenans d’être punis comme infracteurs de Paix, & perturbateurs du repos public […].“ Artikel II des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Batholomäusnacht, S. 9. 69  „sans être enquis, vexez ni molestez, n’astraints à faire chose pour le fait de la religion contre leur conscience“. 70  „pourveu qu’ils s’y comportent selon qu’il est contenu en ce present Edit“. Artikel IV des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Bartholomäusnacht, S. 9.

7.2 Der Dritte Bürgerkrieg

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abzuhalten.71 An diesen reformierten Kulthandlungen durften deren Familienangehörige, deren Grundholde – vereinfacht formuliert, deren Bedienstete (sujets) – aber auch andere Reformierte teilnehmen, deren Zahl bemerkenswerter Weise nicht begrenzt war. Bedingung war allerdings, daß diese Adligen den zuständigen Bezirksbehörden (Baillifs & Senechaux) diese Herrenhäuser deklarierten.72 Für die Adligen, die nicht über die hohe Gerichtsbarkeit oder Panzerlehen verfügten, galt diese Regelung nur mit folgender Einschränkung: an reformierten Kulthandlungen durften nur ihre Familienangehörigen und nur bis zu zehn andere Personen teilnehmen.73 Bemerkenswert ist, daß diese Regelungen für Adlige den entsprechenden Regelungen, die die übrigen nichtadligen Calvinisten betrafen, vorangestellt waren. Darin manifestierte sich einmal mehr der Tatbestand, welch’ wichtige Rolle der französische Adel innerhalb des französischen Protestantismus spielte. Die Ausübung reformierter Gottesdienste und Kulthandlungen war in den Vorstädten (Fauxbourgs) zweier Städte eines jeden Gourvernements gestattet. Die jeweiligen beiden Städte in den einzelnen Gourvernements wurden namentlich aufgeführt.74 Das war insofern von zentraler Bedeutung, weil es nun keine Unklarheiten mehr darüber geben konnte, welche Städte gemeint waren. Bei früheren ähnlichen Regelungen war es wiederholt zu Auseinandersetzungen darüber gekommen, für welche Städte diese Regelungen gelten sollten. Die Ausübung des reformierten Bekenntnisses in der Öffentlichkeit war aber auch in denjenigen Städten gestattet, in denen sie bis zum 1. August 1570 praktiziert worden war.75 Jedoch durften keine reformierten Gottesdienste und Kulthandlungen in Paris und in der Umgebung der Kapitale im Umkreis von bis zu zehn Meilen stattfinden. Dieses Verbot galt auch für jene Orte, an denen sich der Hof jeweils aufhielt, sowie für die Städte und Vorstädte Senlis, Meaux, Melun, Rembouillet und Houdan. Dort herrschte aber weiterhin Gewissensfreiheit. Stille Erbauung im reformierten Glauben innerhalb der Häuser war ebenfalls gestattet. Die Reformierten sollten hier auch in keiner Weise behelligt werden, sofern sie sich strikt an die Regelungen des Edikts hielten.76 Sie hatten jedoch generell die „politischen Gesetze des Königreiches“ (Lois Politiques de nôtre Royaume) sowie die für Feste und Feiertage der Katholiken geltenden Verbote einzuhalten. Sie durften also an solchen Tagen nicht arbeiten oder ihre Geschäfte öffnen. Während der Fastenzeit mußten alle Metzgereien geschlossen bleiben.77

71  „l’exercice de la Religion qu’ils disent Reformée“. 72  Artikel V des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Batholomäusnacht, S. 9 f. 73  Artikel VI des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Bartholomäusnacht, S. 10. 74  Artikel VIII des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Bartholomäusnacht, S. 10. 75  „Et d’abondant leur avons accordé faire & continuer l’exercice de ladite Religion, en touts villes où il se trouvera publiquement fait le premier jour du present mois d’Août.“ Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Bartholomäusnacht, S. 10. 76  Artikel X, XI des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Bartholomäusnacht, S. 10 f. 77  Artikel XXIV des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Batholomäusnacht, S. 11.

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

Den Hugenotten wurden – nicht zuletzt auf deren während der vorausgegangenen Verhandlungen immer wieder vorgetragenen Forderungen – vier „Sicherheitsplätze“ konzediert, in die sie sich bei den sie bedrohenden Gefahren zurückziehen konnten und wo sie eigene Truppen zu ihrer Verteidigung stationieren durften. Es waren dies die Städte La Rochelle, Montauban, Cognac und La Charité. Nach Ablauf von zwei Jahren sollten sie diese Städte wieder an die Repräsentanten des Königs zurückgeben. Diese Konzession sollte also nur für zwei Jahre gelten. Außerdem sollten katholische Geistliche ungehinderten Zugang zu diesen Städten behalten, damit sie für die dort lebenden katholischen Bewohner Gottesdienste abhalten und ihren sonstigen Pflichten als Seelsorger nachkommen konnten.78 Mit Recht hat Hugues Daussy darauf aufmerksam gemacht, daß weder im Edikt von Saint-Germain-en-Laye noch in den folgenden Pazifikationsedikten der Begriff „places de surete“ (Sicherheitsplätze) auftaucht. Im Artikel XXXIX des Edikts von Saint-Germainen-Laye hieß es nur, daß „denjenigen der vorgenannten Religion“79 – gemeint waren die Reformierten –, „die sich der Ruhe beraubt sehen und die erwarten, daß der ihnen gegenüber gehegte Groll und die gegen sie demonstrierte Feindschaft gelindert werden mögen“80, „die Städte“ La Rochelle, Montauban, Cognac und La Charite für die Dauer von zwei Jahren übergeben werden. Aus dem Kontext der vorausgegangenen Verhandlungen, in denen die Hauptakteure der Hugenotten auf Grund der in der Vergangenheit gemachten leidvollen Erfahrungen sichere Zufluchtsstätten für sich gefordert hatten, geht aber hervor, daß sie befestigte Orte für sich reklamierten, in die sie sich bei drohender Gefahr flüchten und in denen sie zumindest für eine begrenzte Zeit Sicherheit finden konnten. Der Terminus „Sicherheitsplätze“ (places de surete) erscheint gleichwohl weder in Schriften hugenottischer Provenienz noch in amtlichen Verlautbarungen der Krone. Um derartige Rückzugsorte zu bezeichnen, wurden entweder die Begriffe „Platz“ (place) – jedoch relativ selten – oder „Stadt“ (ville) verwendet. Nur im weiteren Kontext wird auf die „Sicherheit“ (seurte, seurete) Bezug genommen.81 Der Terminus Sicherheitsplätze wurde wahrscheinlich erstmals von Philippe Duplessis-Mornay (1549–1623) im Jahr 1605 verwendet. Wenn also der Sache nach solche Sicherheitsplätze den französischen Reformierten bereits im Edikt von Saint-Germainen-Laye im August 1570 von der Krone offiziell konzediert wurden, so setzte sich für diesen Sachverhalt erst später der Begriff Sicherheitsplätze durch, der dann aber zu Recht auch für die dementsprechenden Regelungen und Verfügungen seit 1570 Verwendung fand und findet. Diese in offiziellen Verlautbarungen und selbst unter jenen der Hugenotten zu konstatierende Vermeidung des Begriffs Sicherheitsplätze ist wohl darauf zurückzuführen, daß man die Tatsache nicht offen zugeben wollte, daß realiter ein ganzes 78  Artikel XXXIX des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Bartholomäusnacht, S. 12. 79  „ceux de ladite Religion“, (ladite Religion pretendue Reforme). 80  „d’etre privez de repos, attendant que les rancunes & inimitiez soient adoucis“. 81  Daussy, Entre sécurité et garantie, S. 199 f., 202 f., 210 f.

7.3 Die Bartholomäusnacht

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Netz von mehr oder minder stark befestigten Städten und Plätzen entstanden war, das sich unter der Kontrolle der Hugenotten befand. In diese festen Städte und Plätze konnten diese sich bei Gefahren, die sie existenziell bedrohten, zurückziehen und das selbst auch dann, wenn der König offiziell ein militärisches Vorgehen gegen hugenottische Rebellen angeordnet hatte.82 Aus Sicht der Krone betrachtet, ist es verständlich, daß ihr daran gelegen war, diese Realität nach Möglichkeit zu verschleiern. Offensichtlich haben die reformierten Akteure dies stillschweigend hingenommen. Zentral für sie war, daß ihnen vom König offiziell solche Schutz- und Rückzugsorte gewährt wurden. Im Edikt von Saint-Germain-en-Laye wurde Reformierten des weiteren Zugang zu sämtlichen Universitäten, Schulen, Krankenhäusern, Einrichtungen der öffentlichen Armenpflege etc. zugesichert. Außerdem durften sie aus religiösen Gründen an der Bekleidung, dem Erwerb und der Ausübung königlicher Ämter und Chargen sowie grundherrschaftlicher und städtischer Ämter nicht gehindert werden.83 Die gegen die Reformierten seit dem Tod Heinrichs II. ergangenen Urteile und Dekrete sollten kassiert werden. Die konfiszierten Besitzungen sollten den Reformierten restituiert werden.84 Schließlich wurde in Artikel XL angeordnet, daß die Reformierten die Waffen niederzulegen hatten. Nur der König als Souverän und sein Bruder, der Herzog von Anjou als stellvertretender Oberkommandierender, waren und blieben berechtigt, bewaffnete Streitkräfte zu unterhalten. Außerdem wurden sämtliche zukünftige Edikte und Verfügungen, die den Bestimmungen des Edikts von Saint-Germain-en-Laye zuwiderlaufen sollten, für null und nichtig erklärt.85 Das Edikt von Saint-Germain-en-Laye trug eindeutig die Handschrift Katharinas. Mit diesem Edikt, mit dem der Dritte Bürgerkrieg sein Ende fand, verband sie zweifellos die Hoffnung, den Frieden im Lande dauerhaft wiederhergestellt zu haben. Diese Hoffnung sollte sich jedoch nicht erfüllen. 7.3

Die Bartholomäusnacht (23./24. August 1572): Rahmenbedingungen, Ereignisse, Akteure

Wie es schon bei den zuvor erlassenen Pazifikationsedikten der Fall gewesen war, so empfanden nicht nur die ultrakonservativen und militanten Katholiken die im Edikt von Saint-Germain-en-Laye den Reformierten gewährten Konzessionen als Provokation. Der spanische Botschafter Alava reagierte in seiner Depesche vom 1. August 1570 an Alba mit offensichtlichem Sarkasmus, „als er es […] als einzigen Vorzug der sich abzeichnenden Friedensvereinbarungen ansah, daß man sich damit den Gehorsam der Hugenotten 82  Daussy, Entre sécurité et garantie, S. 210. 83  Artikel XV, XVII des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Bartholomäusnacht, S. 11. 84  Artikel XXXII des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Bartholomäusnacht, S. 11. 85  Artikel XL, XLIII des Edikts, in: Mieck (Hrsg.), Toleranzedikt und Batholomäusnacht, S. 12.

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gesichert habe und es sich erübrige, ihnen irgendeine Unverfrorenheit vorzuhalten, da sie nun gleichsam qua Edikt zu Stützen ihres Königs geworden seien“86. Die sich nach der Verkündung des Edikts manifestierenden gewalttätigen Übergriffe von katholischer Seite auf die Hugenotten bestätigten Alava in seiner Ablehnung der auf dauerhaften Ausgleich und Befriedung der Monarchie abzielenden Politik Katharinas und ihres Sohnes. Philipp II. kamen die Berichte seines Botschafters, der ihm mit unverhohlener Schadenfreude über die Anschläge militanter Katholiken auf die Hugenotten berichtete, sehr gelegen, bestätigten sie ihn doch in seiner grundsätzlichen Ablehnung der Politik der via media Katharinas und Karls IX. Symptomatisch für die nach wie vor vorhandene Aggressivität intransigenter Katholiken waren einige Ereignisse, die sich im Frühjahr und im Dezember 1571 in Rouen, in Orange und in Paris abspielten. Am 18. März wurden in Rouen Reformierte, die von einem Gottesdienst kamen, von Katholiken angegriffen, weil sie sich geweigert hatten, vor einem katholischen Priester niederzuknien, der sich auf dem Weg zu einem Sterbenden befand, um diesem die Sterbesakramente zu erteilen. Ungefähr vierzig Hugenotten fanden bei diesem Geschehen den Tod. Von Repräsentanten der königlichen Justiz wurden fünf Angreifer verhaftet, aber von einer wütenden Menge wieder befreit. Auf diese Aktion reagierte der Herzog Franz von Montmorency im Namen der Krone mit unnachsichtiger Repression. Sechsundsechzig Katholiken wurden zum Tode verurteilt. Gegen weitere Beschuldigte wurden empfindliche Strafen verhängt. Diese Reaktion seitens der königlichen Justiz, mit der die Respektierung der Regelungen des Edikts von Saint-Germainen-Laye durchgesetzt werden sollte, stieß auf Unverständnis, ja auf Entrüstung bei den Katholiken.87 Ein ähnlich strenges Vorgehen der Krone in Orange hatte die dortigen Katholiken ebenfalls aufgebracht. Am 3. Februar 1571 hatten diese auf einen fehlgeschlagenen Coup von Hugenotten mit heftigen Repressalien reagiert. Daraufhin hatten sich die Reformierten an Wilhelm von Oranien gewandt und diesen aufgefordert, bei Karl IX. vorstellig zu werden, um eine Bestrafung der katholischen Angreifer zu erreichen. In seinem Bemühen um Deeskalation und um dem Oranier gegenüber Konzilianz zu signalisieren, hatte der König diesem gestattet, für die Stadt einen Gouverneur seiner Wahl zu benennen und dort zu etablieren. Dieser Gouverneur veranlaßte, daß mehreren Katholiken der Prozeß gemacht wurde und diese hingerichtet wurden.88 Offene Empörung löste im Dezember 1571 in Paris das Vorgehen der Behörden gegen eine von den dortigen Katholiken errichtete Gedächtnisstätte aus. An der Stelle, an dem das Haus von drei Hugenotten gestanden hatte, die während des Krieges zum Tode 86  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 180 f. 87  Vgl. dazu Philip Bendict, Rouen during the Wars of Religion, Cambridge 1981, passim; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 466. 88  Vgl. Marc Venard, Réforme protestante, Réforme catholique dans la province d’Avignon, XVIe siècle, Paris 1993; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 466.

7.3 Die Bartholomäusnacht

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verurteilt und hingerichtet worden waren, hatten die Katholiken ein Kreuz errichtet, das jedoch nicht der Erinnerung an die Toten, sondern als Mahnmal dienen sollte, wie es Häretikern ergeht, wenn diese nicht zum wahren Glauben, also in den Schoß der katholischen Kirche, zurückkehren wollen. Im Edikt von Saint-Germain-en-Laye waren indessen dergleichen Monumente verboten worden. Gemäß der Intention derer, die maßgeblich an den diesem Edikt vorausgegangenen Verhandlungen beteiligt gewesen waren, sollte ja dieses Edikt der Beruhigung im Lande und der Deeskalation der Spannungen zwischen Katholiken und Hugenotten dienen. Deshalb wurde auf Ersuchen von hugenottischer Seite und auf Anordnung des Königs dieses Kreuz am frühen Morgen des 20. Dezembers 1571 entfernt. Dieser Akt löste brutale Reaktionen militanter Katholiken aus. Daraufhin verfügte der Gouverneur von Paris, Franz von Montmorency, repressive Maßnahmen gegen die gewalttätigen Katholiken. Mit seinen mit Rückendeckung Katharinas und des Königs ergriffenen Maßnahmen wollte er zwar für die strikte Anwendung des Pazifikationsediktes in Paris sorgen, er erreichte aber das Gegenteil. Es stieß beim größten Teil der katholischen Bewohner von Paris auf Ablehnung, die durch aggressive Predigten katholischer Wanderprediger und Pfarrer noch verstärkt wurde.89 Zur Fragilität des Friedens trug weiterhin bei, daß die Hugenottenführer Coligny und Condé sich alsbald nach dem Friedensschluß vom Hof entfernt hatten, weil sie nach wie vor um ihre Sicherheit fürchteten. Ihr Verhalten deutete zudem darauf hin, daß sie bereit waren, wieder zu den Waffen zu greifen, wenn sie sich bedroht fühlten. Vor dem Hintergrund der zunehmenden gewalttätigen Verstöße gegen das Pazifikationsedikt und der nach wie vor bestehenden massiven Spannungen zwischen den Häusern G ­ uise und ­Coligny90 betrachtet, ist das bei den Hugenottenführern zu beobachtende große Mißtrauen verständlich. Sämtlichen von Katharina veranlaßten Schritten, mit denen eine „Aussöhnung“ zwischen beiden Häusern erreicht werden sollte, war letztlich kein durchschlagender Erfolg beschieden. In einer Ständegesellschaft, in der insbesondere innerhalb des Adels die Verteidigung der Ehre eine so zentrale Rolle spielte, konnte deren Verletzung durch einen feigen Mord nur durch Blut geahndet werden.91 Die Vertreter der ultra-katholischen Aristokratie manifestierten ihre Ablehnung des „Pazifikationsedikts“ damit, daß sie sich ebenfalls vom Hof zurückzogen. Weil also sowohl Coligny und Condé als auch die Guise den Hof eine Zeitlang mieden, gewannen dort gemäßigte Akteure an Boden. Zu ihnen zählte insbesondere Franz von ­Montmorency. Er unterstützte Katharina und Karl IX. in deren Bemühungen, ihre Politik der Ziviltoleranz weiterzuverfolgen. Das Edikt von Saint-Germain war in großen Teilen sein Werk. Im Staatsrat erlangte er zeitweilig einen präponderierenden Einfluß. Ihm zur Seite standen 89  Vgl. dazu Barbara Diefenbach, Beneath the Cross. Catholics and Huguenots in XVIth-Century Paris, Oxford 1991; Jouanna, ebenda; Arlette Jouanna, La Saint-Barthélemy. Les mystères d’un crime d’État (24 août 1572), Paris 2007, S. 65–71; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 431; ders., La nuit de la SaintBarthélemy, S. 270. 90  Vgl. Kap. 5.1, 5.2, 6.4, 6.5, 7.2. 91  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 413 f.; ders., La nuit de la Saint-Barthélemy, S. 270–275.

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der Siegelbewahrer und ehemalige Bischof von Orleans, Jean de Morvillier, und Paul de Foix de Carmaing (1528–1584), der Erzbischof von Toulouse.92 Auf erhebliche Reserven stieß das Pazifikationsedikt aber auch in weiten Teilen der Reformierten. Deren reservierte Haltung war nicht allein eine Folge der Tatsache, daß sich die Zuwiderhandlungen gegen das Edikt bzw. dessen mehr oder minder offene Mißachtung seitens der Katholiken häuften. Diese Reserven resultierten auch aus der bei den Hugenotten wachsenden Erkenntnis, daß das Edikt für die Lage und Rahmenbedingungen ihrer Kirche letztlich keine grundlegenden Verbesserungen gebracht hatte.93 Auf diese inneren Probleme, zu denen noch außenpolitische Differenzen und Schwierigkeiten hinzukamen, mußten Katharina und Karl IX. reagieren. Sie waren deshalb vom Herbst 1570 bis zum Sommer 1572 mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln bemüht, die destabilisierenden Kräfte in der Monarchie zu neutralisieren. Insbesondere Katharina setzte ihre ganze Kraft dafür ein, die Hauptakteure der miteinander konkurrierenden politischen Faktionen und der Konfessionsparteien an den Hof zu ziehen. Sie war nach wie vor davon überzeugt, daß sich durch kontinuierliche Begegnung, durch das Gespräch und den friedlichen Austausch von Argumenten ein Ausgleich der bestehenden Differenzen erzielen und damit letztlich die Harmonie unter den Menschen und in der Welt generell wiederherstellen lasse. Mit dieser Überzeugung erwies sich Katharina als engagierte Verfechterin der Ideen des Neuplatonismus ihrer Zeit.94 Katharina und Karl  IX. mußten in ihr politisches Kalkül nach wie vor vorrangig Philipp II. von Spanien einbeziehen, der sowohl in außen- als auch in innenpolitischer Hinsicht ein schwieriger, ja gefährlicher Akteur war und blieb. Auf dessen entschiedene Ablehnung des Agierens Katharinas und des Königs gegenüber den Hugenotten, das aus seiner Sicht viel zu nachgiebig war, wurde bereits mehrfach hingewiesen. Belastet wurden die spanisch-französischen Beziehungen aber auch durch die sich seit einiger Zeit häufenden Angriffe französischer Piraten auf spanische Handelschiffe, die wertvolle Waren – darunter Gold und Silber – aus den spanisch-amerikanischen Kolonien ins Mutterland transportierten. In der Korrespondenz des spanischen Botschafters nahmen die Klagen über die fast permanenten Attacken französischer Piraten gegen die spanische Handelsflotte und dessen vergebliche Forderungen, die französische Krone möge effektiv gegen die Piraten vorgehen, einen vergleichsweise breiten Raum ein. Katharina und die Kardinäle im Conseil du Roi würden zwar immer wieder versprechen, so berichtete am 27. Juli 1568 Alava nach Madrid, Gegenmaßnahmen zu treffen, aber in der Realität sei davon nichts zu sehen. Vielmehr sei zu konstatieren, „daß die Piraten sich rühmten und gar unverhohlen zeigten, daß sie von den Ministern des Königs unterstützt wurden. […]

92  Crouzet, La nuit de la Saint-Barthélemy, S. 270; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 461 f. 93  Crouzet, La nuit de la Saint-Barthélemy, S. 271 f. 94  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 431 f.

7.3 Die Bartholomäusnacht

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Eure Majestät werden mir glauben, daß es allen Anwesenden peinlich war – ohne daß sie mir eine Antwort darauf zu geben wußten“95. Für Alava war es offensichtlich, daß die Hugenottenführer, insbesondere der Admiral von Coligny, die Hauptverantwortlichen für diese permanenten Übergriffe seien. Diese hätten kein Interesse daran, für deren Beendigung zu sorgen. In der Tat spielten der Hafen und die Hugenottenhochburg La Rochelle in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Das freimütige Eingeständnis Karls IX., seine Autorität werde systematisch in den betreffenden Regionen des Königreiches mißachtet, und seine Klage über den Hauptschuldigen dieses Zustandes, Gaspard de Coligny, kamen zwar einem Offenbarungseid königlicher Autorität gleich; doch nur so konnte er den immer vehementer vorgetragenen Forderungen der Spanier begegnen: Wer keine Macht besitzt, kommt auch nicht in Verlegenheit, sie einsetzen zu müssen.96

Alarmierend für Spanien blieben nach wie vor die von hugenottischer Seite, vor allem von Coligny, ausgehenden Aktivitäten, die niederländischen „Rebellen und Glaubensbrüder“ in ihrem Kampf gegen die spanische Repression militärisch zu unterstützen. Empört war man in Madrid aber auch darüber, daß der „Allerchristlichste König“ sich nicht bereit zeigte, Spanien im Kampf gegen die Osmanen, den „Feind der Christenheit“, im Mittelmeerraum effektiv beizustehen. Den Bemühungen des spanischen Königs und des Papstes, eine „Heilige Liga“ gegen die Türken zustande zu bringen, begegnete die französische Krone mit einer „unverhohlene[n] Obstruktionspolitik“ (Reinbold). ­Madrid verdächtigte Karl  IX. sogar, durch ein militärisches Vorgehen in den Niederlanden Philipp II. an der Durchführung seines großen Schlages gegen die Osmanen im Mittelmeer zu hindern. Schließlich kam es am 20. Mai 1571 zum Abschluß der „Heiligen Allianz“ gegen die Türken. Ihr gehörten der Papst, der spanische König und Venedig an. Frankreich war bezeichnenderweise nicht beteiligt.97 In diesen Kontext sind auch die von Katharina in jenen Monaten und Wochen betriebenen Heiratsprojekte einzuordnen. Die Zusammenführung von Gegnern und der Ausgleich von Gegensätzen entsprachen aber auch einer Vision der Welt, einer Vision, die im 16. Jahrhundert im Denken und Handeln der Gebildeten einen zentralen Platz einnahm. In der Imagination und im Narrativ der damaligen Zeit beruhte das wunderbare Gleichgewicht des Universums auf der Verbindung der ungleichen Elemente Wasser, Land, Luft und Feuer. Man war überzeugt, daß entsprechendes auch für die Gemeinschaft der Menschen galt, deren Ordnung dank geheimnisvoller Kräfte jene des Kosmos widerspiegele. Die Heirat, die Verbindung bzw. das Zusammenbringen zerstrittener bzw. 95  Zitiert in der von Reinbold erfolgten Übersetzung aus dem Spanischen ins Deutsche. Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 159. 96  Reinbold, Jenseits der Konfession, S. 163. 97  Ebenda, S. 195.

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in Gegnerschaft lebender Personen oder Angehöriger einander feindlich gegenüberstehender Adelsgeschlechter bzw. regierender Dynastien spielten in diesem Narrativ eine besondere Rolle. Sie stellten Instrumente der Politik der „concordia“, des Ausgleichs und der Beilegung von konfliktuellen Beziehungen zwischen Staaten, Famlienclans und Angehörigen der katholischen bzw. der reformierten Konfession dar.98 Es waren im wesentlichen vier dynastische Heiratsprojekte, die Katharina damals mit großem Engagement verfolgte: eine dynastische Verbindung mit England, eine erneute Verbindung mit Spanien, eine Verbindung mit den österreichischen Habsburgern, die den Kaiser des Reiches stellten, und das Projekt einer Vermählung ihrer Tochter Margarete von Valois mit dem reformierten Prinzen Heinrich von Navarra. Mit der Eheschließung zwischen ihrem Sohn Heinrich von Anjou und der Königin Elisabeth von England hoffte Katharina, nicht nur einen Thron für ihren jüngeren Sohn, sondern auch eine Personalunion zwischen Frankreich und England erreichen zu können. Gleichzeitig sollte mit diesem Projekt ein Signal an die französischen Hugenotten ausgesandt werden, die in der englischen Königin nicht zu Unrecht eine Unterstützerin ihrer Sache sahen. Erste ernsthafte Sondierungen ließ Katharina im Oktober 1570, also kurze Zeit nach dem Zustandekommen des Pazifikationsediktes von Saint-Germain-enLaye in London vornehmen. Bezeichnenderweise beauftragte sie den Kardinal von Châtillon, den Bruder Colignys, die entsprechenden Verhandlungen zu führen. Katharina verband mit diesem Projekt wohl die Intention, die dem mächtigen Spanien feindlich gesonnenen europäischen Mächte zu einer antispanischen Koalition zusammenzuführen. Die Realisierung der dynastischen Verbindung scheiterte schließlich daran, daß Heinrich von Anjou, der den katholischen Aktivisten in Frankreich sehr nahestand, im Mai 1571 deutlich seine Ablehnung des von seiner Mutter ins Auge gefaßten Projekts artikulierte. Die vorliegenden Fakten lassen auch erkennen, daß Elisabeth von England letztlich ebenfalls nicht ernsthaft an einer Heirat mit einem französischen Prinzen interessiert gewesen ist. Immerhin kam es am 19. April 1572 zur Unterzeichnung eines Defensivvertrages zwischen England und Frankreich.99 Das Projekt, nach dem frühen Tod der Königin Elisabeth am 3. Oktober 1568100 eine weitere Ehe zwischen Philipp II. von Spanien und einer Tochter Katharinas zustande zu bringen, scheiterte daran, daß sich der spanische König anders entschied. Er heiratete am 12. November 1570 die älteste Tochter Kaiser Maximilians II., die Erzherzogin Anna von Österreich. Dabei spielte das politische Kalkül eine zentrale Rolle. „Eine Festigung der Bande zwischen spanischen und österreichischen Habsburgern sei am besten für die Geschicke in den Niederlanden, so Philipps engste Berater.“101 98  Jouanna, La Saint-Barthélemy, S. 75 ff. 99  Nicola M. Sutherland, The Massacre of St Bartholomew and the European Conflict 1559–1572, London 1973, S. 138 f.; Crouzet, La nuit de la Saint-Barthélemy, S. 281 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 462; Jouanna, La Saint-Barthélemy, S. 80. 100  Vgl. dazu Kap. 7, S. 248. 101  Reinbold, Philipp II. von Spanien, S. 47.

7.3 Die Bartholomäusnacht

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Dagegen konnte Katharina das Projekt einer Verbindung mit den österreichischen Habsburgern realisieren, ein Projekt, das auch die Unterstützung Philipps II. fand. König Karl IX. von Frankreich ehelichte am 26. November 1570 die zweitälteste Tochter Kaiser Maximilians II., die Erzherzogin Elisabeth von Österreich. Gleiches gilt für die von ­Katharina ins Auge gefaßte Verbindung zwischen dem reformierten Prinzen Heinrich von Navarra und ihrer Tochter Margarete von Valois, worauf etwas später näher einzugehen ist. Bei den bezeichnenderweise nach dem Pazifikationsedikt von Saint-Germain-en-Laye intensivierten Bemühungen Katharinas, diese dynastischen Projekte zu realisieren, spielten mehrere politische Faktoren eine zentrale Rolle. Zweifellos war sie daran interessiert, für ihre Kinder standesgemäße Ehen zu arrangieren. Viel wichtiger waren aber innenund außenpolitische Erwägungen. Sie ließ sich auch bei diesen Vorhaben von ihrem politischen Konzept der via media, des Austarierens der politischen Kräfte und Akteure leiten. Die angestrebten und zum Teil verwirklichten Verbindungen mit den spanischen und österreichischen Habsburgern sollten diesen einmal signalisieren, daß Frankreich an guten Beziehungen mit ihnen sehr interessiert sei. Gleichzeitig hoffte Katharina, diese Mächte, die mit ihrer Religionspolitik keineswegs einverstanden waren, damit beruhigen und von einer möglichen Intervention in Frankreich zur Verteidigung des Katholizismus abhalten zu können. Andererseits hatten diese dynastischen Projekte auch eine zentrale innenpolitische Dimension. Damit sollte den französischen Katholiken signalisiert werden, daß ihre Sorgen wegen der königlichen Kompromißpolitik gegenüber den Reformierten unbegründet seien. Es sollte ihnen suggeriert werden, daß die Religionspolitik der Krone in erster Linie dem Erhalt des inneren Friedens diene und keineswegs als Kapitulation vor den Reformierten zu verstehen sei. Nach wie vor sei es das Ziel der Politik der Krone, die Hugenotten – zumindest langfristig – wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen und die Einheit des Glaubens wiederherzustellen. In der spannungsgeladenen und fragilen innenpolitischen Lage nach dem Edikt von Saint-Germain-en-Laye erforderte es die auf die Durchsetzung der Ziviltoleranz und die Erhaltung des inneren und äußeren Friedens ausgerichtete Politik Katharinas aber auch, daß sie auf die Hugenotten zuging, die ihre Eheprojekte mit den katholischen Habsburgern ohnehin mit größtem Mißtrauen verfolgten. Deshalb forcierte sie ihre Bemühungen, die Vermählung zwischen dem reformierten Prinzen Heinrich von Navarra und ihrer Tochter Margarete zu realisieren. Auf diese Weise und mit der Rückkehr Colignys in den Conseil du Roi hoffte sie, die Hugenottenführer neutralisieren und die innenpolitischen Faktionen austarieren zu können. Damit wollte sie ihre Handlungsspielräume erweitern, um ihr Ziel – die Verwirklichung der Ziviltoleranz – zu erreichen. Daß diese Verbindung auf entschiedene Kritik der katholischen Mächte und der Mehrheit der französischen Katholiken stoßen würde, dessen war sie sich bewußt. Deshalb ließ sie das Gerücht streuen, daß Heinrich von Navarra im Gefolge dieser Eheschließung wieder zur Rückkehr in den Schoß der katholischen Kirche bewegt werden könne. Katharina hielt also an ihrer politischen Linie fest, die innen- und außenpolitischen Gegner ihrer Politik durch

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wohldosierte und gezielte politische Schritte ruhigzustellen und von gewalttätigen Eruptionen abhalten zu können. Dem Projekt der Vermählung des reformierten Prinzen Heinrich mit der katholischen Prinzessin Margarete kommt im Kontext der dramatischen Ereignisse der Bartholomäusnacht (23./24. August 1572) eine zentrale Bedeutung zu. Deshalb ist darauf im folgenden detaillierter einzugehen. Heinrich von Navarra, der zukünftige König Heinrich  IV. (1589–1610), wurde am 13. Dezember 1553 im Schloß von Pau, im Béarn, geboren. Sein Vater war Antoine de Bourbon, duc de Vendôme, Erster Prinz von (königlichem) Geblüt, seine Mutter die bereits genannte Jeanne III d’Albret. Bourbon kam als „premier des princes de sang“ unter den hochadligen Geschlechtern ein besonderer Rang zu. Auf Grund dieses hohen Ranges war er gemäß dem Salischen Gesetz nach den „Söhnen Frankreichs“, also (etwas vereinfachend formuliert) nach den legitim geborenen Söhnen des herrschenden Königs beim Aussterben der Dynastie der Valois thronfolgeberechtigt. Anläßlich des Todes Bourbons 1562 wurde Prinz Heinrich von Navarra Erster Prinz von Geblüt und damit ebenfalls thronfolgeberechtigt. Dank seiner Herkunft besaß Heinrich von Navarra – seit dem Tod seines Großvaters, des Königs Heinrich II. von Navarra, im Mai 1555 Prinz von Navarra – nicht zu unterschätzende Zukunftsperspektiven. Er war legitimer Anwärter auf das Erbe der Albret, auf die von der französischen Krone unabhängige Königskrone von Navarra und auf die in ihrem Umfang bedeutenden, aber recht zersplitterten Herrschaften und Territorien am Rande der westlichen Pyrenäen. Außerdem hatte er Erbansprüche auf die Besitzungen und Grundherrschaften seines Vaters Anton von Bourbon. Heinrichs Mutter, Johanna von Albret, hatte sich 1555 definitiv dem Calvinismus zugewandt und das Béarn der Lehre Calvins geöffnet. In den folgenden Jahren scheute sie keine Mühen, um ihren Sohn Heinrich zu einem Anhänger des Genfer Reformators Calvin zu machen. Das schloß eine Erziehung im Geiste des Humanismus nicht aus, von dem ihre Mutter Margarete von Angoulême (1492–1549), eine Schwester Königs Franz I., geprägt gewesen war.102 Am 28. September  1568, also zu Beginn des Dritten Bürgerkrieges103, traf Jeanne d’Albret mit ihren beiden Kindern und ihrem Schwager Condé in La Rochelle ein. Prinz Heinrich verließ alsbald die Hafenstadt und begab sich ins Hauptquartier der Armee der Protestanten, wo er nach dem Willen seiner Mutter sozusagen seine Lehre im Kriegshandwerk und in militärischer Führung absolvieren sollte. Als Ludwig von Condé am 13. März 1569 im Gefecht von Jarnac verwundet und danach ermordet wurde, ließ die Königin von Navarra ihren Sohn Heinrich in Tournay, in der Charente, bei einer Zeremonie vor den versammelten Truppen der Hugenotten zum neuen Oberkommandierenden 102  Vgl. dazu und zu den voranstehenden Ausführungen Malettke, Heinrich  IV. Königsherrschaft, Konfessions- und Bürgerkriege. Der erste Bourbone auf dem Thron Frankreichs (1553–1610), S. 1–42. 103  Vgl. Kap. 7, S. 236–257.

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proklamieren. Zwar übte bis zum Ende des Dritten Bürgerkrieges Coligny die effektive Kommandogewalt aus, aber Heinrich unterzeichnete von nun an die bedeutenden Schriftstücke und die wichtigen militärischen Anordnungen. Im Alter von rund fünfzehn Jahren wurde er faktisch nicht nur militärischer, sondern auch politischer Chef der Hugenottenpartei.104 Nach Beendigung des Dritten Bürgerkrieges mit dem Edikt von Saint-Germain-enLaye (1570) hielt sich Heinrich noch ein Jahr in La Rochelle auf. Dort hatten der im achtzehnten Lebensjahr befindliche Prinz und seine Mutter eine politische Führungsrolle inne. Zwar beteuerte Heinrich in seiner umfangreichen Korrespondenz mit der Krone immer wieder seine Loyalität gegenüber Karl  IX., seine diesbezüglichen Briefe stellen aber bereits Meisterstücke dissimulierenden Verhaltens und Agierens dar. Dies hatten ihn seine Mutter und die übrigen Anführer der Hugenottenpartei gelehrt. Im April 1571 nahmen Jeanne d’Albret und Prinz Heinrich an jener Synode in der Hafenstadt und Hugenottenhochburg teil, auf der von höchsten theologischen Autoritäten der reformierten Konfession das reformierte Glaubensbekenntnis ausgearbeitet wurde. Das Originaldokument trägt die Unterschriften von Johanna von Albret, Heinrichs von Navarra, Heinrichs von Condé, Colignys sowie des Grafen Ludwig von Nassau (1559–1674). „Konnte der junge [Prinz] an den Hof gezogen werden, waren die Vorteile für die königliche Seite offenkundig. So ließen sich die Hugenotten besser kontrollieren und ihr designiertes Oberhaupt – wer konnte es wissen? – auf lange Sicht vielleicht sogar für den Katholizismus zurückgewinnen.“105 Nach langen und schwierigen Verhandlungen zwischen Jeanne d’Albret, deren bereits angegriffene Gesundheit darunter stark litt, einerseits, Katharina und König Karl  IX. andererseits, kam es schließlich am 11. April  1572 zum Abschluß des Heiratskontrakts. ­Johanna erlebte die Realisierung dieser Verbindung nicht mehr, denn sie starb am 9. Juni in Paris. Prinz Heinrich, der zu diesem Zeitpunkt am Hof noch nicht eingetroffen war, reagierte auf die Nachricht vom Tod seiner Mutter, die ihn erst mit einiger Verzögerung erreichte, mit tiefer Betroffenheit. Als König Heinrich III. trat er nunmehr die Nachfolge Johannas in Navarra und im Béarn an.106 Auf Betreiben Katharinas war das 1569 gegen Coligny in dessen Abwesenheit gesprochene Todesurteil am 12. September 1571 von Karl IX. kassiert worden. Das war ein weiteres Signal an die Adresse der Hugenottenführer und der Reformierten dahingehend, daß die Königinmutter und der König auf diese zuzugehen entschlossen waren, um sie in die Politik der via media wenn nicht einzubinden, so doch wenigstens im Interesse der Krone dazu zu bewegen, das Pazifikationsedikt zu akzeptieren und zumindest nichts gegen dessen Anwendung zu unternehmen. In jedem Fall sollte damit auch der fragile Frieden stabilisiert werden. Von Karl IX. rehabilitiert, kehrte der Admiral aus der sicheren 104  Malettke, Heinrich IV. S. 63 f. 105  Babel, Karl IX., S. 110. 106  Malettke, Heinrich IV, S. 68.

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reformierten Hafenstadt La Rochelle an den Hof und in den Staatsrat zurück, wo er alsbald eine aktive Rolle spielen sollte. Coligny traf am 12. September 1571 am Hof ein, der sich zu diesem Zeitpunkt in Blois aufhielt. Er wurde begleitet vom Marschall Artus de Cossé und 50 adligen Hugenotten. Der Aufenthalt des Admirals am Hof dauerte zunächst nur fünf Wochen.107 Seiner von Katharina und Karl IX. betriebenen Rückkehr an den Hof waren Verhandlungen vorausgegangen, in denen der Admiral elf Zugeständnisse bei der Königsfamilie durchgesetzt hatte. Vor allem hatte Coligny verlangt, daß entsprechende Befehle des Königs zur Gewährleistung seiner persönlichen Sicherheit erlassen wurden. Außerdem hatte er darauf bestanden, daß die Krone für die strikte Realisierung und Einhaltung des Edikts von Saint-Germain-en-Laye sorge. Diese und andere Zusicherungen fanden Eingang in einen förmlich geschlossenen Vertrag. In Colignys Agieren manifestierte sich das bei ihm nach wie vor vorhandene Mißtrauen gegenüber dem König, seiner Mutter und den intransigenten Katholiken am Hof. Nach seiner Rückkehr an den Hof wurden Coligny seine Chargen und Würden restituiert, die ihm wegen seiner „Rebellion“ im September 1569 aberkannt worden waren.108 Außerdem erhielt er seinen früheren Platz im Conseil du Roi zurück. Es wurde ihm gestattet, seine Leibgarde von 30 auf 50 Mann zu vergrößern. Alle diese Gesten des Entgegenkommens Karls IX. gegenüber Coligny waren auch gezielte Signale an die Adresse der französischen Reformierten generell. Diese Gesten dürfen aber nicht dahingehend interpretiert werden, daß Coligny nunmehr eine besondere Vertrauensstellung beim König erlangt hatte. Was Karl IX. in seinem tiefsten Innern tatsächlich gegenüber dem Admiral empfand, läßt sich aus diesen Gesten nicht erschließen. Am Hof und im Staatsrat plädierte Coligny entschieden für die baldige Realisierung der Vermählung des jungen Heinrich von Navarra mit Margarete von Valois und für eine französische Intervention in die Niederlande. Ein direktes militärisches Engagement Frankreichs in den Niederlanden hätte aber einen offenen Konflikt mit dem spanischen König zur Folge gehabt. Philipp II. machte außerdem keinen Hehl daraus, daß er das von Katharina betriebene Heiratsprojekt entschieden ablehnte und sich dabei der Unterstützung des Papstes sicher war. Die Rückkehr Colignys ins Zentrum der Macht stieß auf offene Ablehnung der Guise. Demonstrativ zogen sie sich vom Hof zurück. Daraufhin bemühten sich Katharina und Karl  IX. ihrer Politik der via media und des Ausgleichs entsprechend intensiv darum, den sich im Verhalten der Guise wieder manifestierenden Konflikt zwischen ihnen und Coligny nicht weiter eskalieren zu lassen. Mit seiner öffentlichen Verlautbarung vom 27. März 1572 bestätigte der König erneut, daß Coligny an der Ermordung des Herzogs von Guise im Februar 1563 unschuldig sei. Herzog Heinrich von Guise verstand sich im Mai 1572 dazu, dies seinerseits öffentlich anzuerkennen. Dieser auf Drängen der Krone 107  Pernot, Henri III, S. 94. 108  Vgl. Kap. 7, S. 251.

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erreichten Übereinkunft hatte sich aber der Kardinal von Lothringen durch sein Fernbleiben ostentativ entzogen. Es kann deshalb nicht überraschen, daß ein englischer Diplomat nach London berichtete, Heinrich von Guise habe am 6. Juni 1572 Coligny keines Wortes gewürdigt, als dieser nach einer zeitweiligen Abwesenheit wieder an den Hof zurückkehrte.109 Dieses Agieren wie auch andere Aktionen Katharinas und Karls IX. belegen, daß sich beide zwischen Herbst 1570 und Sommer 1572 von ihrem Bestreben leiten ließen, alle jene Kräfte so weit wie möglich zu neutralisieren, die den ohnehin fragilen Frieden zu destabilisieren drohten. Diese Kräfte sollten wieder an den Hof geholt werden, wo man sie in die Politik des Ausgleichs, der Wiederherstellung der concorde civile und der Harmonie einzubinden hoffte. Zumindest sollten sie daran gehindert werden, durch aggressives Agieren den fragilen Frieden zu gefährden und schließlich einen erneuten Bürgerkrieg zu entfachen.110 Der neue König Heinrich von Navarra, seine Schwester Katharina (1559–1604), der junge Henri de Bourbon, prince de Condé, und der Graf de La Rochefoucauld trafen im Juli 1572 (zwischen dem 8. und 10. des Monats) in Paris ein. Die Hochzeit zwischen Heinrich III. und Margarete fand am 18. August statt. Die von großer Prachtentfaltung begleiteten Festlichkeiten hatten schon am Vorabend begonnen. Der noch von Johanna wesentlich geregelte Ablauf der kirchlichen Trauung verdeutlichte für jedermann, daß das Brautpaar unterschiedlichen Glaubens war. Vergeblich hatte Johanna gehofft, Margarete könne zur Konversion zum reformierten Bekenntnis veranlaßt werden. Weil auch Heinrich von Navarra nicht bereit war, sich katholisch trauen zu lassen und demzufolge an der katholischen Trauungsmesse in der Pariser Kathedrale von Notre-Dame teilzunehmen, hatte man sich zuvor auf folgende Kompromißlösung geeinigt: Das Ehegelöbnis legten Heinrich und Margarete in Anwesenheit zahlreicher Schaulustiger auf einem Podium ab, das gut sichtbar auf dem Vorplatz der Kathedrale errichtet worden war. Auf das rechtzeitige Eintreffen des päpstlichen Einverständnisses, daß die Katholikin Margarete den Häretiker Heinrich ehelichte, hatte man eine Zeitlang vergeblich gewartet und war dann ohne formelle päpstliche Zustimmung zur Tat geschritten. Nachdem die Verlobten auf dem Podium ihr Gelöbnis abgelegt hatten, erklärte sie der Kardinal Karl von Bourbon, der Onkel Heinrichs III., der damals eine herausgehobene Position im Staatsrat innehatte, für rechtmäßig vermählt. Im Anschluß daran begaben sich die Neuvermählten in die Kathedrale. Als das Paar den Chor erreichte, verließ Heinrich in Begleitung seines reformierten Gefolges durch einen Nebenausgang Notre-Dame. Margarete nahm ohne ihren soeben angetrauten Gemahl an der rund vierstündigen Trauungsmesse teil.111

109  Solnon, Catherine de Médicis, S. 229 ff.; Jouanna, La Saint-Barthélemy, S. 64 f. 110  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 432. 111  Malettke, Heinrich IV., S. 74.

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Während der folgenden drei Tage fanden aus Anlaß dieser Hochzeit, von der sich Katharina, Karl IX. und die moderaten Kräfte in der Monarchie eine dauerhafte Entspannung der konfessionellen und innenpolitischen Lage erhofften, prächtige Festlichkeiten statt. An ihnen nahmen auch zahlreiche calvinistische Adlige teil, die – man schätzt ihre Zahl auf 900 bis 1.200 – sich nach Paris begeben hatten, um der Hochzeit ihres Anführers beizuwohnen. Die tagelangen Feierlichkeiten und Veranstaltungen endeten dann jedoch in einem blutigen Drama, das gravierende Folgen nicht nur für die weitere innerfranzösische Entwicklung, sondern auch für die außenpolitischen Beziehungen hatte. Dieses Drama – die Ereignisse während und im Gefolge der sog. Bartholomäusnacht (23./24. August 1572) – sorgte in ganz Europa je nach politischer und religiöser Einstellung der Zeitgenossen für Abscheu und Empörung oder für Beifall bzw. zumindest für mehr oder minder deutlich bekundetes Verständnis für das Massaker an den Hugenotten. Es hat nicht nur die Miterlebenden und die unmittelbar folgenden Generationen, sondern auch die Nachwelt sowie die Historiker bis in die Gegenwart immer wieder beschäftigt. Ein katholischer Arzt aus Mantua und entschiedener Gegner der Reformierten, der sich in jenen Tagen in Paris aufhielt und Augenzeuge des Massakers war, berichtete in einem Brief vom 27. August 1572, was er gesehen hatte. Seine Zeilen lassen erkennen, daß ihn die Brutalität, mit der die Hugenotten abgeschlachtet wurden, zutiefst berührt und erschreckt hat. Er schrieb: Man sah in den Straßen nur nackte Körper, die von tausend Schlägen und Stichen geradezu durchbohrt waren. Der Fluß [die Seine] trug ebenso viele mit sich fort. Man übte keinerlei Nachsicht im Hinblick auf das Geschlecht, das Alter oder den Status der Opfer […]. Man sah Leute, die in den Straßen auf der Flucht waren, und andere, die sie mit dem Gebrüll ‚Tötet sie! Tötet sie!‘ verfolgten. Es war ein veritables Massaker. Besonders bemerkenswert war aber, daß einige Männer und Frauen, die ein Messer an der Kehle und die Möglichkeit hatten, ihr Leben zu retten, indem sie ihrem [reformierten] Glauben abschworen, es gleichwohl vorzogen, sich zu Märtyrern des Teufels zu machen, und wegen ihrer halsstarrigen Ignoranz nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Seele verloren […]. Bei den Unsrigen beobachtete man nicht jene Freude und jenes Jubilieren, das man zuvor bei ihnen gesehen hatte, denn das Spektakel war wahrhaftig zu schrecklich und abscheulich […]. Alle [d. h. die Verfolger und Mörder der Hugenotten] tragen ein weißes Kreuz [an ihren Hüten]; denn als das ‚Fest‘ ablief, hatten sie sich außerdem mit einer weißen Binde am linken Arm als Erkennungszeichen versehen. Ihre Parole lautete: ‚Es lebe Gott und der König‘! Daran konnte man die Unsrigen erkennen und von den Anderen unterscheiden.112 112  „On n’apercevait dans les rues que des corps nus percés de mille coups; le fleuve en charriait tout autant. On n’avait egard ni au sexe, ni à l’âge, ni à la condition des personnes […]. On voyait des gens qui fuyaient dans les rues et d’autres qui les poursuivaient en criant: ‚Tue ! Tue !‘, de sorte que c’a été un vrai massacre. Mais ce qu’il faut souligner, c’est l’obstination de quelques-uns, hommes et femmes, qui, bien qu’ils aient le couteau sur la gorge et la possibilité de sauver leur vie en abjurant, néansmoins voulurent se faire martyrs du diable et perdre à la fois l’ame et le corps par leur ignorance opiniatre […]. On ne constate pas chez les notres cette joie et cette jubilation que l’on avait coutume de voir auparavant, parce que vraiment le spectacle a été horrible et misérable […]. Tous portent la croix blanche au chapeau; car lorsque la fête se fit, on portait une manche de chemise au bras gauche, et le mot d’ordre

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Wie kam es zu diesem Massaker? Welche tieferen Ursachen und spontanen Entscheidungen lagen ihm zugrunde? Wer trug dafür die Verantwortung? Wer waren die Hauptakteure und die Mitläufer? Welche Rahmenbedingungen waren gegeben? Wie lief das Geschehen im einzelnen ab? Welche Ereignisse sind gesichert? Wie groß war die Zahl der Opfer, die das Massaker in Paris und später in anderen Städten in den Provinzen forderte? Wie reagierte man in Frankreich, als das ganze Ausmaß des Massakers allmählich bekannt wurde? Bis in unsere Gegenwart sind diese Fragen und die damit im Zusammenhang stehenden Probleme Gegenstand höchst kontroverser Debatten – und dies nicht nur unter Historikern. Weil die verfügbaren Quellen für viele Fragen überhaupt keine oder doch nur sehr wenig stichhaltige Auskünfte enthalten, sind und bleiben viele der darauf gegebenen Antworten spekulativ. Dem Massaker war am 22. August 1572 ein Attentat auf Coligny vorausgegangen, bei dem er zwar nicht getötet, aber erheblich verletzt worden war. In der Rückschau derjenigen, die diese blutigen Ereignisse miterlebt haben, der nachfolgenden Generationen und in der Historiographie ist zu Recht auf die engen Zusammenhänge hingewiesen worden, die zwischen dem Attentat auf Coligny und dem darauffolgenden Massaker an den Hugenotten bestehen. Am Tag des gescheiterten Attentats konnten jedoch Katharina, Karl IX., Coligny und die übrigen politischen Hauptakteure nicht wissen, welche brutalen Folgen dieses Ereignis und ihre in diesem Kontext getroffenen Entscheidungen in Paris und in den Provinzen auslösen würden. Sie waren zunächst nur mit dem Attentat konfrontiert und sahen sich veranlaßt, darauf angemessen zu reagieren, um das auf Grund des Attentats auf den Hugenottenführer unmittelbar drohende Ende der Politik des Ausgleichs zu verhindern und den fragilen Frieden sozusagen trotz allem doch noch zu retten. Über den Ablauf der Ereignisse am Tage des Attentats auf Coligny und in den darauffolgenden Tagen ist man dank der modernen historischen Forschung relativ gut informiert. Große Diskrepanzen und Unklarheiten bestehen aber nach wie vor im Hinblick auf die Frage, welche Akteure für die damals getroffenen Entscheidungen und die daraus resultierenden Ereignisse verantwortlich waren, sowie im Hinblick auf deren Motive und Ziele. Gleiches gilt für den Ablauf der Entscheidungsprozesse, aber auch für die Frage, wie die Ereignisse im Detail abliefen. In Anbetracht dieser Tatsache sollen im folgenden zunächst jene Ereignisse dargelegt werden, über die in der Forschung weitgehend Einigkeit besteht und die auf Grund der überlieferten Quellen als gesichert gelten. Am Vormittag des 22. August gegen 11 Uhr verließ Coligny den Louvre, um sich zu Fuß in Begleitung von zehn bis fünfzehn Adligen in sein unweit in der „rue de Béthisy“ gelegenes Pariser Domizil zu begeben. Er hatte an einer Sitzung des Staatsrates teilgenommen, die in Abwesenheit Karls IX. unter dem Vorsitz des Herzogs Heinrich von Anjou im etait: ‚Vive Dieu et le roi,‘ de facon à pouvoir reconnaître les notres et les distinguer des autres.“ [Filippo Cavriana] an den Sekretär Concini, Paris, 27. August 1572, in: Negociations diplomatiques de la France avec la Toscane, ed. Abel Desjardins, t. III, Paris 1855, S. 818 ff.; vgl. auch Jouanna, La Saint-Barthélemy, S. 11.

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Louvre stattgefunden hatte. Als sich Coligny ungefähr 100 Schritte vom Louvre entfernt in der „rue des Poulies“ (heute „rue de l’Amiral-Coligny“) befand, wurde ein Schuß aus einem Gewehr auf ihn abgegeben, der ihn aber nicht – wie beabsichtigt – tödlich traf, sondern an der rechten Hand und am linken Ellenbogen verletzte. Weitere angeblich präzise Angaben über die erlittenen Verletzungen, die sich in zeitgenössischen Berichten und in einschlägigen Darstellungen befinden, erwiesen sich als nicht stichhaltig, weil sie in den überlieferten Quellen widersprüchlich sind. Unsicher sind auch die Angaben, von welchem genauen Ort der Schuß abgefeuert wurde, mit dem Coligny getötet werden sollte. Coligny schickte unmittelbar nach dem auf ihn verübten Attentat zwei Adlige seiner Begleitung zum König, um diesen über das Geschehene zu informieren. Ein anderer Adliger versorgte seine Verwundungen mit einem improvisierten Verband.113 Am Nachmittag desselben Tages besuchten Karl  IX., dessen Brüder, Katharina und zahlreiche namhafte katholische Adlige den Verletzten im Stadtpalais in der „rue de Béthisy“, in dem er damals residierte. Der König sicherte Coligny zu, den Attentäter ausfindig machen zu lassen und diesen ebenso wie die hinter dem Anschlag stehenden Drahtzieher vor Gericht zu stellen. Nachdem Coligny das Angebot Karls IX., ihn in den Louvre und damit in Sicherheit bringen zu lassen, abgelehnt hatte, stellte der König ihm seinen Leibarzt zur Behandlung zur Verfügung. Außerdem ließ er das Domizil des Admirals durch Angehörige der königlichen Leibgarde unter Bewachung stellen. Unter den noch in Paris anwesenden Hugenotten wuchsen sofort die Spannungen, nachdem sie Kenntnis vom gescheiterten Attentat auf ihren Anführer erhalten hatten. Sie verlangten von Karl IX., den Vorfall unverzüglich untersuchen zu lassen und die dafür Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Ihr Verdacht richtete sich sofort gegen die Guise. Alles in allem verbreiteten sich ein Klima der Angst und eine aggressive Stimmung unter den Hugenotten. Daran änderte sich auch nichts in der Nacht vom 22. auf den 23. August. Am Sonnabend, dem 23. August, wiederholten hugenottische Adlige ihre Forderungen gegenüber Karl IX., die sie bereits am Vortag nach dem Attentat vorgetragen hatten. Daraufhin habe der König die Guise aufgefordert, Paris zu verlassen, um dem Risiko von gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Leuten der Guise und jenen Colignys vorzubeugen. Zunächst hätten die Guise dem auch zugestimmt, dann aber hätten sie sich anders entschieden und sich mit ihren Verwandten, Freunden und Bediensteten ins Pariser Palais des Herzogs von Aumale (Claude bzw. Charles de Lorraine-Guise, duc d’Aumale) zurückgezogen, um sich dort gegen mögliche Attacken besser verteidigen zu können.114 Am Abend des 23. August soll der Staatsrat im Louvre zu einigen mehr oder minder förmlichen Sitzungen zusammengetreten sein. Unter nicht exakt geklärten Umständen 113  Crouzet, La nuit de la Saint-Barthélemy, S. 378 ff.; ders., Catherine de Médicis, S. 413; Solnon, Catherine de Médicis, S. 244 f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 355; Jouanna, La Saint-Barthélemy, S. 122 f. 114  La Saint-Barthélemy devant le Sénat de Venise. Relations des ambassadeurs Giovanni Michiel et Sigismondo Cavalli, hrsg. von W. Martin, Paris 1872, S. 20–25; vgl. auch Crouzet, Catherine de Médicis, S. 413.

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und auf der Basis nach wie vor strittiger Stellungnahmen der daran Beteiligten ist entschieden worden, mit einer kurzfristigen und gezielten Operation eine unbestimmte Anzahl führender Hugenotten – in erster Linie – Coligny töten zu lassen, um den von diesen unmittelbar drohenden gewaltsamen Angriffen auf den König und seine Familie zuvorzukommen. Es hatte sich nämlich das Gerücht verbreitet, daß die Reformierten beschlossen hätten, für das Attentat an Coligny Vergeltung zu üben und sogar gegen Karl IX., dessen Brüder und Mutter gewaltsam vorzugehen. Die Guise sollten in die Präventivaktion gegen die Befehlshaber der Reformierten direkt miteinbezogen werden. Gegen 23 Uhr oder Mitternacht wurden der ehemalige „Vorsteher der Kaufmannschaft“ (prévôt des marchands – vergleichbar einem Chef des städtischen Magistrats), Claude Marcel und der amtierende Vorsteher Le Charron in den Louvre beordert. Sie wurden angewiesen, die Pariser Miliz zu mobilisieren, die Stadttore schließen und Artilleriegeschütze auf dem Rathausvorplatz (place de Grève) in Stellung bringen zu lassen.115 Zwischen ein und fünf Uhr des 24. August hätten – möglicherweise nachdem es zu Zusammenstößen zwischen Hugenotten und Katholiken gekommen war – bewaffnete Gruppen den Louvre und das Palais des Herzogs von Aumale verlassen. Sie verteilten sich in der Stadt, um eine unbestimmte Zahl der militärischen Anführer der Hugenotten zu töten. Erstes Ziel war der Admiral von Coligny. Im Verlauf der folgenden Stunden gerieten aber auch mehr und mehr die Zivilisten unter den Reformierten ins Visier der Angreifer. Um 7 Uhr erschien der Herzog Heinrich von Guise in Begleitung von katholischen Kommandeuren in der Vorstadt Saint-Germain, wo ein Großteil der aus Anlaß der Hochzeit Heinrichs von Navarra nach Paris gekommenen reformierten Adligen logierte. Der Herzog ließ öffentlich verlauten, daß er zu seinem Vorgehen vom König ermächtigt worden sei. Die Kapitale wurde nun von Angehörigen der Königlichen Garden, von Kontingenten der städtischen Bürgermiliz, aber auch von nicht exakt identifizierbaren Elementen des Pariser Proletariats durchkämmt. Sie machten Jagd auf die Hugenotten, beraubten und töteten sie, wo sie ihrer habhaft wurden. Diesen Mordaktionen versuchte Karl IX. am Sonntag dem 24. August ab 11 Uhr, Einhalt zu gebieten. Er ließ eine Deklaration verbreiten, in der er darlegen ließ, daß nicht er für das blutige Geschehen verantwortlich sei. Dieses sei vielmehr die Folge eines sehr alten Streites zwischen aristokratischen Familien. Der König beorderte außerdem den „Vorsteher der Kaufmannschaft“ Le Charron in den Louvre und befahl ihm, für die Beendigung der Mordaktionen zu sorgen. Die entsprechenden Befehle des Königs gingen aber ins Leere. Die ursprünglich als „begrenzte Aktion“ angeordnete präventive Maßnahme gegen die Anführer der Reformierten war zu einem generellen Massaker an den Hugenotten eskaliert, das sich verselbständigt hatte und tagelang andauerte.116 Während des Abends des 24. und eines Teiles des folgenden 25. August 1572 lassen sich intensive Aktivitäten Karls IX. und Katharinas auf einigermaßen sicherer Quellenbasis 115  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 413 f. 116  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 414.

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konstatieren. Beide richteten Briefe an die Provinzgouverneure und an deren Stellvertreter, in denen sie jegliche Verantwortung für den Ausbruch der Massaker zurückwiesen und als Ursache erneut eine aristokratische Vendetta zwischen rivalisierenden Adelshäusern nannten. Sie erteilten den Gouverneuren die Anweisung, alles zu unternehmen, um den Gewaltausbrüchen ein Ende zu setzen, das Leben der Hugenotten zu schützen und dafür zu sorgen, daß die Regelungen des Pazifikationsediktes von Saint-Germain-enLaye weiterhin beachtet und eingehalten werden. Am folgenden 26. August, als in Paris weiterhin Massaker an den Hugenotten, aber auch an anderen Personen – wohl aus Gründen der Habgier oder um alte Rechnungen zu begleichen – verübt wurden, trat insofern ein Wandel im Verhalten des Königs ein, als er sich persönlich ins Pariser Parlament begab und dort eine Erklärung abgab, in der er seine bisherige Argumentation völlig änderte. Er versicherte, daß die Tötung der Anführer der Hugenotten auf seine Anordnung erfolgt sei. Er habe diese Entscheidung getroffen, weil die „Chefs“ der Reformierten ein Komplott gegen ihn, gegen seine Familie und gegen den Staat geschmiedet hätten und daß dessen Ausführung unmittelbar bevorgestanden hätte. In Anbetracht dieser „Notstandssituation“ habe er von seinem Recht Gebrauch gemacht, als höchster Richter und Quelle des Rechts zu handeln und dafür zu sorgen, daß die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zugeführt wurden. Des weiteren befahl er die Beendigung der Gewaltexzesse und die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung. Das war – in Kurzfassung – der Tenor seiner Deklaration vor dem Parlament. Ruhe und Ordnung traten indessen immer noch nicht ein.117 Vom Beginn der Mordaktionen in Paris bis zu den letzten Massakern in Gaillac, im tiefen Süden der Monarchie (im heutigen Departement Tarn) gelegen, zogen sich die exzessiven Gewaltausbrüche über mehr als sechs Wochen hin. Nach zeitgenössischen Angaben sollen ihnen allein in Paris 1.500 bis 2.000 Menschen zum Opfer gefallen sein. Nach modernen Schätzungen soll sich die Gesamtzahl der Opfer auf 2.000 bis 4.000 belaufen haben. Es können indessen aber auch mehr gewesen sein. Selbst Säuglinge und kleine Kinder wurden nicht verschont. In Frankreich sollen insgesamt wohl 10.000 Personen auf zumeist grausame Weise umgebracht worden sein.118 Die Frage, wer für das Attentat auf Coligny und das darauffolgende Massaker in Paris und die Mordaktionen in den Provinzen verantwortlich war und welche Hauptgründe bzw. Motive dabei eine Rolle gespielt haben, kann mit den verfügbaren Quellen bis heute nicht zweifelsfrei beantwortet werden, auch unter Historikern der Gegenwart herrschen teilweise sehr stark divergierende Positionen. Gegen die These, daß Katharina „ein doppeltes Spiel“ betrieben und nach außen hin gegenüber den Calvinisten Entgegenkommen signalisiert habe, aber in Wahrheit deren gefährlichen Anführer Coligny, der zudem bei Karl IX. und im Staatsrat zu einflußreich geworden sei, habe aus dem Weg räumen wollen, wurden in der Forschung gewichtige 117  Ebenda, S. 414 f. 118  Solnon, Catherine de Médicis, S. 261.

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Argumente ins Feld geführt. Der französische Historiker Jean-Louis Bourgeon ist zu der Schlußfolgerung gelangt, daß sowohl Katharina als auch ihr drittältester Sohn, der Herzog von Anjou und spätere König Heinrich III. am Attentat nicht beteiligt, ja sogar über das Vorhaben nicht einmal informiert gewesen seien. „Spiritus rector“ sei der spanische König Philipp II. gewesen. Bourgeon glaubt nachgewiesen zu haben, daß der spanische Feldherr und Staatsmann, Herzog Fernando von Alba, die Planung und Durchführung des Attentats ferngesteuert habe, wobei er auf die Unterstützung einiger ultra-katholischer Gefolgsleute des Herzogs Heinrich von Guise habe zählen können.119 Gegen die These, daß Katharina für das Attentat auf Coligny verantwortlich zu machen sei, haben auch François Bayrou, ehemaliger französischer Erziehungsminister (1993), Thierry Wanegffelen, Jean-François Solnon, Denis Crouzet und Arlette Jouanna sehr gewichtige und alles in allem überzeugende Argumente in die Debatte eingeführt. Darauf und auf die Frage, wer die wahrscheinlichen Hintermänner gewesen sein mögen, ist hier nicht im Detail einzugehen.120 In der Tat sprechen einige ernstzunehmende Fakten und Argumente gegen die Hypothese, daß Katharina dieses Attentat angestiftet habe. Mit der Ermordung Colignys hätte sie ihre bisherige Politik des überparteilichen Ausgleichs zwischen den sich feindlich gegenüberstehenden Parteien und der concorde civile aufs Spiel gesetzt, eine Politik, die sie gerade mit der von ihr arrangierten Verbindung zwischen dem Calvinisten Heinrich von Navarra und der katholischen Schwester des Königs Margarete weiter vorantreiben wollte. Es ist deshalb in hohem Maße unwahrscheinlich, daß sie unmittelbar nach dieser Eheschließung mit einer solchen Tat alles das habe zunichte machen wollen, was sie bis dahin unter hohem persönlichen Einsatz glaubte, bewirkt zu haben. Es mußte ihr klar sein, daß alle aus Anlaß der Hochzeit nach Paris gekommenen protestantischreformierten Adligen und die Calvinisten in den Provinzen einen derartigen Anschlag auf ihren politisch-religiösen Anführer nicht ohne entschiedene Reaktionen hinnehmen und sich Genugtuung verschaffen würden für den Fall, daß der König nicht in ihrem Sinne gegen die hinter dem Attentat steckenden Täter vorgehen würde. Das Agieren Karls IX. und seiner Mutter unmittelbar nach dem gescheiterten Attentat sprechen ebenfalls gegen die These, daß Katharina die Anstifterin gewesen sei. Gewichtige Argumente sprechen auch gegen die häufig vertretene Annahme, Katharina habe Coligny deshalb aus dem Weg räumen wollen, weil er zu großen politischen Einfluß auf Karl IX. gewonnen habe. Der König sei deshalb mehr und mehr auf Distanz zu seiner Mutter gegangen, was diese nicht habe hinnehmen wollen. Sie habe deshalb aus Eifersucht bzw. aus verletztem Stolz gegen Coligny agiert. Außerdem habe sie befürchtet, daß 119   Jean-Louis Bourgeon, L’Assassinat de Coligny, Genève 1992; ders., Charles IX devant la SaintBarthélemy, Genève 1995. 120  Vgl. François Bayrou, Henri IV. Le Roi Libre, Paris 1998, S. 118 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 351–356; Solnon, Catherine de Médicis, S. 244–247; Crouzet, La nuit de la Saint-Barthélemy, S. 378 ff.; ders., Catherine de Médicis, S. 441 ff.; Jouanna, La Saint-Barthélemy, S. 136–141.

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

Coligny den König zu einer militärischen Intervention in die Niederlande habe bewegen wollen, was sie in jedem Fall zu verhindern entschlossen gewesen sei. In der Tat hat Coligny nach seiner Rückkehr in den Staatsrat entschieden für die Umsetzung seines Plans einer vom französischen König unterstützten militärischen Intervention in die Niederlande zu Gunsten der dortigen Aufständischen plädiert, für ein Projekt, das von einer breiten Mehrheit der französischen Calvinisten unterstützt wurde. Um den Conseil du Roi, aber insbesondere Karl IX., von seinem Projekt zu überzeugen, hatte Coligny im Juni 1572 dem Rat eine Denkschrift vorgelegt, die von dem jungen reformierten Humanisten und Politiker Philippe Duplessis-Mornay – wohl in enger Abstimmung mit dem Admiral – verfaßt worden war. Sie stellte einen „ersten bedeutenden programmatischen Beitrag der protestantischen Partei zur Außenpolitik Frankreichs“121 dar. Bisher wurde dieser Beitrag aber selbst in der jüngeren einschlägigen Forschung kaum beachtet. Im Zusammenhang mit der Beurteilung einer möglichen Beteiligung Katharinas am Attentat auf Coligny wurden diese Denkschrift und deren Schicksal bei den Beratungen im Staatsrat überhaupt noch nicht thematisiert. Die Denkschrift enthielt einen detaillierten Angriffsplan, der sich gegen die spanische Machtposition in den Niederlanden richtete und mit dessen Realisierung sowohl die innere Krise Frankreichs überwunden als auch dessen Gewicht auf internationaler Ebene gestärkt werden sollte. Im Kern ging es bei diesem Projekt darum, die innere Krise Frankreichs durch ein Zusammenführen der innerfranzösischen Konfliktparteien im Kampf gegen Philipp II. zu überwinden. Zugleich sollte damit die präponderierende Position Spaniens in Europa zu Gunsten Frankreichs zumindest erschüttert werden. In den Darlegungen Colignys manifestierte sich unverkennbar eine machtpolitische Taktik, mit der er Karl IX. zu einem gemeinsamen Vorgehen aller potentieller Gegner Philipps  II. – ungeachtet ihrer Konfessionszugehörigkeit – veranlassen wollte, zu einer militärischen Intervention in die Niederlande, die nach Überzeugung des Admirals Frankreich einen Vorteil im Kampf um die Hegemonie in Europa verschaffen werde. Möglicherweise dachte Coligny sogar an die Vertreibung der Spanier aus den Niederlanden und an die Realisierung einer dauerhaften französischen Präsenz in dieser in geostrategischer Hinsicht wichtigen Region. Von herausgehobenem Interesse ist hier aber der die Außenpolitik betreffende programmatische Eckpunkt der Denkschrift, der aus dem Blickwinkel der europäischen Staatengeschichte geradezu ‚modern‘ anmutet, indem er außenpolitischen Aktionismus als Heilmittel zur Überwindung innerer Spannungen empfiehlt. Der katholische und protestantische Franzosen vereinende Krieg gegen die Spanier in den Niederlanden soll eine Möglichkeit darstellen, das gesellschaftliche Gewaltpotential der Bürgerkriege zu disziplinieren und nach Außen umzuleiten, verbunden mit offensiv-expansionistischen Zielen: Frieden im Innern, Krieg außerhalb der eigenen Grenzen. […] Bestimmend war die Hoffnung, innenpolitisch 121  Friedrich Beiderbeck, Zwischen Religionskrieg, Reichskrise und europäischem Hegemoniekampf. Heinrich IV. von Frankreich und die protestantischen Reichsstände (=Innovationen. Bibliothek zur Neueren und Neuesten Geschichte, Bd. 8), Berlin 2005, S. 35.

7.3 Die Bartholomäusnacht

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die Teilhabe der Protestanten am nationalen Leben zu sichern und die fehlende religiöse Einheit durch eine im Krieg gegen Spanien zu gewinnende überkonfessionell-säkulare Einigung des Königreiches zu ersetzen.122

Im Staatsrat wurde dieses Projekt mehrfach beraten, aber von der Mehrheit abgelehnt, weil diese das Risiko eines Kriegs für zu groß erachtete. Zu den Kritikern zählte auch Katharina. Karl IX. schien indessen diesem Projekt nicht völlig abgeneigt zu sein. Weil er sich im Staatsrat aber mit einer deutlichen Ablehnungsfront konfrontiert sah, neigte er in diesem Fall zu einem „doppelten Spiel“. Ohne eine offene Intervention gegen die Position der Mehrheit im Conseil du Roi zu befürworten, ließ er insgeheim französische Reformierte gewähren, die ihren niederländischen Glaubensgefährten bei ihrem Kampf zu Hilfe eilten. Offiziell ließ er insbesondere gegenüber Spanien verlauten, daß er nichts dergleichen tue, ja derartige Aktionen der Hugenotten sogar ausdrücklich verboten habe. Warum sollte also Katharina in Anbetracht dieser Faktenlage zu der Schlußfolgerung gelangt sein, Coligny sei so gefährlich, daß er unbedingt aus dem Weg geräumt werden müsse. Hinzu kommt, daß die Beziehungen zwischen Karl IX. und Coligny keineswegs so eng waren, wie immer wieder behauptet wurde und gelegentlich auch noch wird. Auf Grund der in der Vergangenheit mit Coligny und anderen Hugenottenführern gemachten negativen Erfahrungen, hegte Karl  IX. ebenso wie seine Mutter gegenüber diesen Akteuren Mißtrauen, was beide jedoch nach außen hin weitgehend zu verbergen verstanden. Von einer Dominanz Colignys im Hinblick auf den König kann jedenfalls keine Rede sein. Wenn man außerdem berücksichtigt, daß sich Katharina ihrerseits bei ihrem politischen Agieren gegenüber den Hugenotten und dem spanischen König wiederholt verschleiernder bzw. von den jeweiligen Adressaten in deren Sinne zu interpretierender Argumente bedient hat, ist nicht auszuschließen, daß sie in der damaligen Lage sogar ein gewisses Maß an Verständnis für das Verhalten des Königs in dieser spezifischen Angelegenheit hatte. Alle diese Argumente sprechen gegen die These, Katharina habe den Auftrag erteilt, Coligny zu töten. Sehr bald geriet Charles de Louviers, seigneur de Maurevert, in den Verdacht, den Schuß auf Coligny abgefeuert zu haben. Nach seiner Tat war er unverzüglich geflohen. Seine Flucht war zuvor organisiert worden, denn er konnte über bereitgestellte Pferde verfügen. Sein in jenem Haus, aus dessen Fenster geschossen worden war, festgenommener Komplize war ein Diener seines Onkels. Er selbst rühmte sich später, das Attentat verübt zu haben. Maurevert war ein Adliger, dessen neuadlige Familie im Hurepoix, einer Gegend in der Îlede-France gelegen, ansässig war. Seine Karriere entsprach der eines Abenteurers, der sich von seiner jeweiligen Interessenlage und nicht von konfessionellen Erwägungen leiten ließ. Eine Zeitlang war er Page im Hause des Herzogs Franz von Guise. Dann trat er in den Dienst des Herzogs von Aumale, einem anderen Angehörigen des Adelsgeschlechts der Guise. Nachdem er wegen eines Mordes zeitweilig Frankreich verlassen hatte, verdingte 122  Beiderbeck, Zwischen Religionskrieg, Reichskrise und europäischem Hegemoniekampf, S. 37 f.

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

er sich bei seiner Rückkehr bei den Truppen Condés. Im Oktober 1569, also während des Dritten Bürgerkrieges, hatte er Artus de Vaudrey, einen Offizier der Armee Coligny, getötet. Coligny hatte daraufhin geschworen, die Ermordung seines Offiziers zu rächen. Infolgedessen schloß sich Maurevert dem Lager des Herzogs von Anjou und der Guises an. Das Haus, von dem aus Maurevert auf Coligny geschossen hatte, war zuvor von einem Kanoniker gemietet worden, der seinerzeit der Präzeptor des Herzogs von Guise gewesen war. Dieser Kanoniker zählte zur Klientel der Guise. Diese Indizien deuteten darauf hin, daß die Guise als Auftraggeber hinter dem Attentat steckten. Die gesamte Logistik, die allmählich zutage trat, schien nahezulegen, daß es sich bei dem Attentat wohl nicht um eine einfache Privataffäre handeln konnte, sondern daß im Hintergrund mehrere Akteure involviert gewesen sind. Das läßt es verständlich erscheinen, daß sich alsbald der Verdacht auf die Guise richtete und sehr schnell dementsprechende Gerüchte kursierten. Daß man im Lager der Hugenotten in erster Linie ebenfalls die Guise verdächtigte, ist nachvollziehbar, wenn man sich die nach wie vor gespannten Beziehungen vergegenwärtigt, die zwischen den Guise und Coligny herrschten. Eindeutige, zweifelsfreie Beweise dafür, daß die Guise als Initiatoren und Drahtzieher hinter dem Mordanschlag auf Coligny steckten, existieren aber nicht. Das Faktum, daß Maurevert und seine direkten Helfershelfer zum Netzwerk der Guise gehörten, beweist nur, daß dieses Netzwerk funktionierte und die für die Ausführung der Tat erforderliche Logistik bereitgestellt hatte.123 Ebenso kontrovers ist nach wie vor die Debatte im Hinblick auf die Frage, wer die Drahtzieher und die Hauptverantwortlichen für die Massaker gewesen sind, die sich im Kontext mit der Bartholomäusnacht in Paris und im unmittelbaren Anschluß daran in zahlreichen Provinzstädten ereigneten. Bourgeon glaubt nachgewiesen zu haben, daß die Ereignisse der Bartholomäusnacht einzuordnen sind in einen weitgespannten Verschwörungsplan, dessen Hauptinitiator und Drahtzieher Philipp II. von Spanien gewesen sei. Die mit der Realisierung dieses Plans betrauten Hauptakteure – der Herzog von Alba und der spanische Gesandte Zuñiga – befanden sich in Brüssel. In Paris hätten die Guise die Umsetzung dieses Planes organisiert. Sie seien indessen von Madrid und Brüssel ferngesteuert gewesen. Im Vergleich mit der intelligenten, ja verschlagenen Außenpolitik Philipps II. sei der französische König Karl IX. dem Urteil Bourgeons zufolge „ein Kind“ oder – wie ein namhafter Hugenotte meinte – nur „un petit roitelet“ (ein kleiner Schattenkönig) gewesen. Coligny habe in diesem Plan keine große Rolle gespielt.124 Zu Recht sind gegen die These und die Argumentation Bourgeons ernstzunehmende Einwände erhoben worden. 123  Jouanna, La Saint-Barthélemy, S. 110, 123–126, 132, 140; vgl. auch Orieux, Catherine de Médicis, S. 445, 485 f., 490, 523, 527; Solnon, Catherine de Médicis, S. 244; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 348; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 198 ff.; Bayrou, Henri IV, S. 119 ff.; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 372, 404, 442 f., 495, 534. 124  Bourgeon, L’Assassinat de Coligny; ders., Charles devant la Saint-Barthélemy.

7.3 Die Bartholomäusnacht

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Jean-Louis Bourgeon entwickelt seine Argumentation [über] die Kritik der Unstimmigkeiten in den – gedruckten – Quellen und die Kritik am naiven Zutrauen der Historiker. Bisweilen vergißt der Autor dabei im Eifer der Beweisführung die eigenen quellenkritischen Maßstäbe […]. Das eigentliche Problem des Vorgehens von Jean-Louis Bourgeon scheint jedoch darin zu liegen, daß er sich ausschließlich im Kreis des bekannten Quellenkorpus bewegt und dessen Elemente neu ordnet. Wenn hinter der Bartholomäusnacht eine Tradition der Rebellion des Parisers „peuple“ steht, dann führt nur eine (sozialgeschichtliche) Untersuchung weiter, die der Autor auch anmahnt. […] Liegt der Schlüssel in den Archiven in Simancas und Brüssel, muß man dort auf die „Pirsch“ gehen (auch wenn die Verschwörung mündlich geplant wurde […], wäre es doch erstaunlich, wenn sie keine mittelbaren Spuren hinterlassen hätte).125

Der bekannte französische Frühneuzeithistoriker Denis Crouzet, der an der Sorbonne lehrt, vertritt auf Grund seiner umfangreichen Recherchen dagegen mit gewichtigen und plausiblen Argumenten die These, daß Karl IX. und Katharina die Hauptbeteiligten bei der Entscheidung gewesen seien, die Anführer der Hugenotten in einer präventiven Aktion eliminieren zu lassen. Nach dem gescheiterten Attentat auf Coligny hätten sie am Samstagabend des 23. August im Rahmen der mehr oder minder förmlichen Sitzungen des Conseil du Roi die Entscheidung getroffen, mit einer kurzfristigen, gezielten und präventiven Operation eine unbestimmte Anzahl der Anführer der Hugenotten – als ersten Coligny – töten zu lassen. Der Hauptgrund für ihre Entscheidung sei gewesen, daß sie auf der Basis der ihnen vorliegenden Berichte und Informationen zu der Überzeugung gelangt seien, diese Calvinisten wollten in den kommenden Stunden einen Angriff auf den König, seine ganze Familie und den Staat führen, um sich für das Attentat gegen Coligny Genugtuung zu verschaffen. Crouzet spricht von „einer nicht zu leugnenden Verwicklung des Königs in die Exekution“126 der Präventivaktion. Die Guise und der Herzog von Anjou seien in führender Position an diesem Präventivschlag beteiligt gewesen. Es habe sogar „eine Vereinbarung zwischen Karl  IX. und seiner Mutter einerseits und dem Clan der Guise andererseits existiert“.127 Um ihre Politik der concorde civile trotz allem zu retten 125  Wolfgang Kaiser in seiner Rezension von Jean-Lois Bourgeon, L’Assassinat de Coligny, Genève 1992, in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte, Bd. 22/2 (1995), S. 227. Zur Kritik an den Ausführungen Bourgeons siehe auch: Jouanna, La France du XVIe siècle, S.  470  ff.; dies., La SaintBarthélemy, S. 20 f., 424, 436, 438, 446, 449, 454–458, 464, 478 f., 494; Solnon, Catherine de Médicis, S.  255  f.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S.  351–364; Crouzet, La nuit de la Saint-Barthélemy, S. 444 ff.; ders., Catherine de Médicis, S. 493–496; ders., La nuit de la Saint-Barthélemy: confirmations et compléments, in: Chantal Grell, Arnaud Ramière de Fortanier (Hrsg.), Le second ordre: l’idéal nobiliaire. Hommage à Ellery Schalk, Paris 1999, S. 57–81; Barbara Diefendorf, La Saint-Barthélemy et la bourgeoisie parisienne, in: Histoire, Economie, Société, juillet–septembre 1998 (1998), S. 341–351; dies., Prologue to a Massacre: Popular Unrest in Paris, 1557–1572, in: The American Historical Review 5 (1985), S. 1067–1091. 126  „indéniable implication royale dans l’‚exécutuion‘“. Crouzet, La nuit de la Saint-Barthélemy, S. 451. 127  „Pour user d’un terme moderne, il faudrait donc entrevoir l’existence d’un ‚contrat‘ entre Charles IX et sa mère d’une part, et le clan lorrain d’autre part.“ Crouzet, La nuit de la Saint-Barthélemy, S. 453. Vgl. auch S. 444–457; ders. Catherine de Médicis, S. 432–580.

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

und das Königreich vor dem Ausbruch eines neuen Bürgerkriegs und dem daraus für das ganze Land resultierenden Leid zu bewahren, hätten sie in dieser Ausnahmesituation, sozusagen im Angesicht eines Staatsnotstandes, den Befehl erteilt, die in Paris anwesenden Anführer der Hugenotten in einem Präventivschlag zu töten. Katharina habe sich bei ihrer Entscheidung davon leiten lassen, daß die gegebene Notsituation (nécessité), mit der die ganze Königsfamilie und der Staat plötzlich und unerwartet konfrontiert waren, diesen Präventivschlag zwingend erforderlich gemacht habe.128 François Bayrou betont, daß die Masse der Pariser Bevölkerung bereits einige Zeit vor den Ereignissen in höchstem Maße irritiert und mobilisiert gewesen sei, weil sie in ihrer eindeutigen Mehrheit die Eheschließung zwischen Heinrich von Navarra und der Prinzessin Margarete aus tiefster Überzeugung abgelehnt habe. In dieser Ablehnung sei sie durch die Predigten zahlreicher katholischer Priester der Kapitale und von Wanderpredigern, die zuweilen noch radikaler auftraten als die Pariser Gemeindepfarrer, bestärkt worden. Zudem könne nicht bestritten werden, daß sich nach dem gescheiterten Attentat auf Coligny die Gerüchte über unmittelbar bevorstehende Racheaktionen der Hugenotten immer mehr verdichteten und bei der breiten Masse auf offene Ohren stieß. So erkläre sich auch, daß die Stadtobrigkeit von Paris schon am Nachmittag des 22. August 1572 an die einzelnen Stadtbezirke die Order habe ergehen lassen, Maßnahmen zu ergreifen, um dem Ausbruch einer bewaffneten Erhebung der Reformierten entgegentreten zu können.129 Herzog Heinrich von Guise habe auf Grund seiner zahlreichen Klientel in Paris und seiner großen Reputation insbesondere bei den Katholiken die Kapitale faktisch dominiert. Er habe nicht nur über eine beträchtliche bewaffnete Macht verfügen, sondern auch auf die Angehörigen des städtischen Magistrats zählen und auf Unterstützung von Teilen des Pariser Parlaments vertrauen können. Bereits am Abend des 23. August hätten sich die Guise so sicher gefühlt, daß sie im Staatsrat erschienen und dort – so Bayrou – dessen Beratungen in ihrem Sinne lenkten. Sie und die Mehrheit der anderen Teilnehmer hätten dem König dargelegt, daß ein „hugenottisches Komplott“ im Gange sei. Dessen Ziel sei es, ihn, seine Brüder und seine Mutter in den nächsten Stunden zu entführen. Die geplante Aktion sei ein Staatsstreich, dessen Ausführung der König durch präventive Maßnahmen zuvorkommen müsse. Kurz vor Mitternacht sei es den Guise schließlich gelungen, Karl IX. mit den nachdrücklich vorgetragenen Argumenten der unmittelbar bevorstehenden Racheaktionen der Hugenotten und unter Verweis auf die daraus für die gesamte Königsfamilie resultierenden Gefahren für Leib und Leben sowie unter Rekurs auf psychischen Druck die Erlaubnis abzuringen, mit einem Präventivschlag die Anführer der Hugenotten, wahrscheinlich war von zwanzig bis dreißig Personen die Rede, umbringen zu lassen. Überzeugende und stichhaltige Beweise für die Zuverlässigkeit seiner Ausführungen vermag aber auch Bayrou nicht vorzulegen. 128  Crouzet, Catherine de Médicis, S. 461. 129  Bayrou, Henri IV, S. 122.

7.3 Die Bartholomäusnacht

279

Arlette Jouanna vertritt mit einleuchtenden Argumenten die These, daß der „Mordaktion der Bartholomäusnacht“ kein von Katharina und Karl IX. von langer Hand gefaßter und insgeheim vorbereiteter Plan zugrunde gelegen habe. Beide hätten nur auf die unmittelbar bevorstehenden Gewalttaten der Hugenotten, wovon sie überzeugt gewesen seien, reagiert und präventiv agiert. Sie hätten ihre Entscheidung selbständig getroffen und mußten nicht von anderen Beteiligten unter psychischen Druck gesetzt werden. Ihr Befehl zur gezielten Eliminierung Colignys und des übrigen Führungspersonals der Hugenotten sei ergangen, um die unmittelbare und – aus ihrer Sicht real bestehende – Gefahr für Leib und Leben der Königsfamilie sowie für alle Katholiken in Paris abzuwenden. Bei ihrer Entscheidung hätten sie sich darauf berufen können, daß der König die Quelle des Rechts und damit befugt sei, im Angesicht des Staatsnotstandes diejenigen Mittel anzuwenden und Maßnahmen zu ergreifen, die er zur Abwendung der unmittelbaren und existentiellen Bedrohung seiner selbst und der Angehörigen seiner Familie sowie zur Wiederherstellung friedlicher Verhältnisse und zur Bestrafung von Majestätsverbrechern für notwendig erachtet habe. Dieser „Majestätsakt“ sei dann aber in Paris unvorhergesehen eskaliert. Die Präventivaktion sei außer Kontrolle geraten, es sei zu tagelang andauernden Massakern in der Kapitale und mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auch in zahlreichen Städten der Provinz gekommen. Die alsbald von Karl IX. und Katharina erlassenen Befehle zur sofortigen Beendigung der Gewalttaten seien tagelang mißachtet worden. Welche Akteure dabei eine zentrale Rolle gespielt haben und aus welchen Motiven sie handelten, ist hier nicht zu erörtern. Aber auch Jouanna weist immer wieder darauf hin, daß viele Aspekte und Fragen letztlich nicht zweifelsfrei zu klären sind.130 Ein völlig anderes Szenario hat Thierey Wanegffelen auf der Grundlage der Ergebnisse seiner Untersuchungen entwickelt und in die Debatte eingebracht.131 Er ist zu der Schlußfolgerung gelangt, daß Katharina weder die Ermordung Colignys noch die Eliminierung der Hugenottenführer und auch keineswegs das darauf folgende generelle Massaker gewollt habe ebenso nicht im Vorfeld in die entsprechenden Vorbereitungen und Aktionen involviert gewesen sei. Die Exekution von zwanzig bis dreißig Führungspersönlichkeiten der Calvinisten sei auch nicht während der Beratungen des Conseil du Roi beschlossen worden, der am Nachmittag des 23. August einmal oder zweimal und in der Nacht vom 23. auf den 24. August nochmals zusammengetreten sei. Eine dementsprechende Entscheidung sei Katharina und Karl IX. auch nicht von einer Mehrheit antiprotestantischer Angehöriger des Staatsrates abgerungen oder geradezu aufgezwungen worden. Die Ereignisse hätten sie völlig unvorbereitet überrollt. Die entscheidende Rolle bei den fraglichen Ereignissen habe vielmehr der Herzog Heinrich von Anjou gespielt, den seine Mutter sehr geschätzt habe und der für die Massen in Paris auf Grund seiner militärischen Meriten ein Held gewesen sei. Anjou, unter 130  Jouanna, La Saint-Barthélemy, S. 169–179, 372–376. 131  Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 349–366.

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

dessen Kommando in den vorausgegangenen Jahren einige Siege für die Krone errungen worden waren, habe sich von Karl IX. nicht dementsprechend honoriert, ja zurückgesetzt gefühlt, so daß er eigene Machtambitionen entwickelt habe. In jenen entscheidenden Stunden habe Anjou die Chance erkannt, sich machtvoll in der Monarchie zu etablieren. Dazu sei er auch von seiner engen Klientel und seinen ihm in großer Loyalität ergebenen Weggefährten ermuntert worden, die sich dabei persönliche Vorteile erhofft hätten. Anjou habe sich sehr wahrscheinlich mit dem fast gleichaltrigen Heinrich von Guise geeinigt. Beide seien Verfechter der Sache der Katholiken gewesen. Sie habe außerdem ihre Ungeduld motiviert, ihr eigenes Schicksal und jenes des Königreiches in ihre Hände zu nehmen. In Unkenntnis sowohl des Königs als auch Katharinas hätten sie am 24. August gegen drei oder vier Uhr morgens die Operation gestartet. Guise habe sich mit seinen bewaffneten Leuten zum Domizil Colignys begeben. Dort wurden der Admiral sowie die meisten seiner dort anwesenden Gefährten ermordet. Mordaktionen fanden auch im Hof des Louvre, nicht aber im Innern des Schlosses statt. Die dort weilenden hugenottischen Adligen wurden entwaffnet und in den Hof getrieben, wo sie getötet wurden. Nur Heinrich von Navarra und sein Cousin Heinrich (I.) von Condé blieben verschont, weil Karl IX. ihnen als Prinzen von Geblüt Schutz gewährte. Der König verlangte jedoch von ihnen, daß sie zum katholischen Glauben konvertierten, was sie nach kurzer Bedenkzeit, um die sie Karl IX. gebeten hatten, dann auch taten. Am Abend des 24. August oder am frühen Morgen des folgenden Tages habe Anjou dann seine Mutter und seinen Bruder Karl  IX. informiert, daß er nicht nur eine aktive Rolle bei den Ereignissen gespielt habe, sondern auch einer der Initiatoren gewesen sei. Für den König und noch vielmehr für Katharina habe dieses völlig überraschende Geständnis eine schreckliche Prüfung dargestellt. Beide hätten sich nolens volens eingestehen müssen, übergangen worden zu sein. Nach den Ausführungen Anjous hätten sie nun nicht mehr die Guise für das Geschehene anklagen können. Das Geständnis Anjous durfte aber – so Wanegffelen – nicht publik werden, denn das wäre einer öffentlichen Desavouierung des Königs und Katharinas gleichgekommen. Für jedermann wäre damit deren zeitweiliger Macht- und Kontrollverlust offenbar geworden. Das aber habe nach der festen Überzeugung Karls IX. und seiner Mutter verhindert werden müssen. Deshalb habe der König alsbald öffentlich erklären lassen, daß er sich – und damit die Krone – zum präventiven Einschreiten gegen die Anführer der Hugenotten gezwungen gesehen habe, um die Ausführung ihres Komplotts zu verhindern. In diesem Sinne ließ Karl IX. in einem Schreiben vom 13. September 1572 dann auch die deutschen Reichsfürsten über das Geschehen in der Nacht vom 23. auf den 24. August informieren. Darin hieß es u. a.: „Er [Coligny] hatte mehr Macht und verfügte über mehr Gehorsam bei den Anhängern der neuen Religion als ich […]. Weil er sich eine derartige Macht über meine Untertanen angemaßt hatte, konnte ich mich nicht mehr als absoluter König bezeichnen. Ich konnte nur noch über einen Teil meines Königreiches regieren.“132 132  „Il [Coligny] avoit plus de puissance et estoit mieux obey de la part de ceux de la nouvelle Religion que je n’estois […] de sorte que s’estans arrogé une telle puissance sur mesdits sujets, je ne me pouvois plus

7.3 Die Bartholomäusnacht

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Wenn man der These Wanegffelens eine gewisse Plausibilität und Originalität nicht absprechen kann, muß man indessen doch konstatieren, daß auch er keine zweifelsfreien und stichhaltigen Quellenbelege für seine These vorlegen kann. Dessen ist er sich auch bewußt, denn er konzediert unumwunden, daß die von ihm präsentierte These nicht plausibler ist als die meisten von anderen modernen Fachhistorikern entwickelten Hypothesen. Mit Recht betont er jedoch, daß seine These nicht weniger plausibel sei.133 Auf der Basis der von der neuesten Forschung erbrachten Ergebnisse ist zu konstatieren, daß Katharina an der Planung des Attentats auf Coligny nicht nur nicht beteiligt gewesen ist, sondern daß sie auch keineswegs als dessen Initiatorin gelten kann. Ein derartiges Vorgehen hätte ihrer politischen Leitlinie widersprochen, an der sie trotz aller Rückschläge festgehalten hat. Wenn sie und Karl IX. sich schließlich am späten Abend oder in der Nacht des 23. auf den 24. August unter nicht exakt geklärten Umständen entschieden hatten, den Befehl für einen gezielten Präventivschlag gegen Coligny und die übrigen Anführer der Hugenotten zu erteilen, dann war das eine kurzfristige und keine von langer Hand geplante Entscheidung. Daß äußerst dringender Handlungsbedarf bestand, hatte ihnen am Nachmittag des 23. August auch der spanische Botschafter signalisiert. Er drohte damit, Frankreich zu verlassen, wenn die Krone im Zusammenhang mit dem Attentat auf Coligny gegen die Guise vorgehen würde. Ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch Madrid wäre faktisch aber einer Kriegserklärung gleichgekommen. Einen offenen Krieg mit Spanien wollten aber Katharina und Karl IX. in jedem Fall vermeiden, zumal sie dafür nicht mit einer militärischen Unterstützung Elisabeths von England rechnen konnten.134 Karl IX. und Katharina sahen sich also auf Grund der sie erreichenden Informationen sozusagen in eine äußerst große Notlage versetzt, die ein unverzügliches präventives Agieren zur Abwehr der unmittelbar drohenden Gefahren erforderlich erscheinen ließ. Daß diese Präventivaktion, zu der sie sich auf Grund der Machtbefugnisse des Königs für berechtigt erachteten, danach zu einem generellen Massaker eskalierte, war von ihnen nicht vorausgesehen worden und auch keineswegs gewollt. Insofern wird man der Position des spanischen Diplomaten Zuñiga zustimmen können, der in seinem Bericht vom 31. August 1572 an den Herzog von Alba seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, daß die Exekution der hugenottischen Adligen nicht geplant, sondern improvisiert gewesen sei.135 Ob man vor dem Hintergrund der damals von Kronjuristen entwickelten Rechtsauffassung, daß der König als Quelle des Rechts und konfrontiert mit einem Staatsnotstand dire Roy absolu mais commandant seulement à une des parts de mon Royaume.“ Zitiert über Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 471. 133  „C’est donc sur ces bases, et tout en reconnaissant que le point de vue adopté dans ce livre [im Buch Wanegffelens] n’est pas plus – ni moins – plausible que plusieurs autres, que je viens de suggérer dans les pages qui précèdent que Catherine de Médicis n’a en rien voulu ni l’assassinat de Coligny, ni même l’élimination des chefs huguenots, encore moins le massacre généralisé qui a suivi.“ Wanegffe­ len, ­Catherine de Médicis, S. 363. 134  Solnon, Catherine de Médicis, S. 252. 135  Jouanna, La Saint-Barthélemy, S. 179.

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

berechtigt sei, in einem Majestätsakt offensichtliche Majestätsverbrecher eliminieren zu lassen, mit Arlette Jouanna von einem „Staatsverbrechen“ (crime d’État136) sprechen kann, sei dahingestellt. Nicht zu leugnen ist, daß sich Katharina und Karl IX. in den Tagen nach dem 23./24. August scheinbar widersprüchlich verhalten und beide wohl auch mit verteilten Rollen agiert haben. Crouzet hat zu Recht deutlich gemacht, daß dies durchaus dem Argumentationsmuster und dem politischen Agieren Katharinas entsprochen hat.137 Abschließend bleibt aber festzuhalten, daß zum gesamten Komplex der Ereignisse im Kontext der Bartholomäusnacht und im Hinblick auf das Problem, welche Rolle die Hauptakteure gespielt haben, viele Fragen nach wie vor unbeantwortet sind und wahrscheinlich auf Grund der in den überlieferten Quellen bestehenden Lücken oder Widersprüche auch unbeantwortet bleiben werden. Zahlreiche in der modernen Historiographie enthaltene Szenarien stellen mehr oder minder plausible Hypothesen dar, was auch die meisten Autoren nicht bestreiten. 7.4

Von der Bartholomäusnacht bis zur Thronfolge Heinrichs III. (30. Mai 1574) Die Protestanten antworteten auf die Bartholomäusnacht mit dem vierten Bürgerkrieg. Er fand seinen Höhepunkt in der Belagerung von La Rochelle. Da Charles IX offiziell die Verantwortung für die Bartholomäusnacht übernommen hatte, ließen die Hugenotten von nun an die Loyalität gegenüber dem König, die sie bisher immer bewahrt hatten, fallen. La Rochelle fühlte sich wie eine unabhängige Republik und weigerte sich, den vom König entsandten Gouverneur […] überhaupt in die Stadt zu lassen.138

Deshalb entschieden Karl IX. und Katharina, gegen die sich einem königlichen Befehl offen widersetzende Hafenstadt militärisch vorzugehen. Das Kommando über die Belagerungsarmee wurde dem Herzog von Anjou übertragen, der am 11. Februar 1573 vor La Rochelle eintraf. Am 19. Juni erhielt er dann dort die Nachricht, daß er zum König von Polen gewählt worden sei. König Sigismund II. August (1548–1572) von Polen, der letzte aus dem Geschlecht der Jagiellonen, war am 7. Juli 1572 gestorben. Die Nachricht von seinem Tod traf am 19. Juli, rund einen Monat vor den Ereignissen der Bartholomäusnacht, in Paris ein. Katharina hatte bereits zuvor die Entwicklungen in Polen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Nun ergriff sie sofort die sich ihr und dem Hause der Valois bietende Chance, ihren Sohn, den Herzog von Anjou, als Nachfolgekandidaten ins Spiel zu bringen. Dabei ließ sie sich 136  Jouanna verwendet diesen Begriff im Untertitel ihres mehrfach zitierten Buches. Auch Dargent benutzt diesen Terminus. Dargent, Catherine de Médicis, S. 238. 137  Crouzet, La nuit de la Saint-Barthélemy: confirmations et compléments, S. 70 f. 138  Ilja Mieck, Heinrich III. (1574–1589), in: Hartmann (Hrsg.), Französische Könige und Kaiser der Neuzeit, S. 120–142, 459 ff.; Zitat S. 128. – Ob die von Mieck betonte Loyalität der Hugenotten gegenüber dem König bis zur Bartholomäusnacht tatsächlich immer ernst gemeint und aufrichtiger Natur gewesen ist, darüber läßt sich streiten. Zweifel sind zumindest bei einigen radikalen Vertretern angebracht.

7.4 Von der Bartholomäusnacht bis zur Thronfolge Heinrichs

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zweifellos von folgenden Motiven leiten: Zum einen war sie kontinuierlich bemüht, für ihre Kinder und damit auch für die Valois standesgemäße dynastische Verbindungen zu realisieren. Das bedeutete für die nicht in Frankreich herrschenden Söhne, ihnen durch entsprechende Eheschließungen – hier sei an die entsprechenden Vorstöße bei Königin Elisabeth von England erinnert – Throne im Ausland zu verschaffen bzw. sie in Wahlmonarchien als Kandidaten für die dortige Thronfolge zu lancieren. Darin aber nur ein Agieren aus reiner Mutterliebe sehen zu wollen, wäre eine unzulässige Verkürzung sehr komplexer und höchst politischer Sachverhalte. Bei der von Katharina sehr engagiert betriebenen Kandidatur für den Herzog von Anjou spielte wiederum ihr immer wieder zu beobachtendes Bemühen eine zentrale Rolle, positive Signale an die Hugenotten und die Katholiken sowohl im eigenen Lande als auch im Ausland zu senden. Polen war mehrheitlich katholisch, verfügte aber auch über eine protestantische Minderheit. Hinzu kommt, daß sie verhindern wollte, daß in Polen ein Angehöriger der österreichischen Habsburger zum Zuge kam. Mit einem Valois auf dem polnischen Königsthron eröffnete sich zudem die Möglichkeit, auf internationaler Ebene die Position Frankreichs gegen Spanien und den Kaiser zu stärken. Bei den französischen Bemühungen, die adligen Mitglieder des polnischen Reichstags, des Sejm, unter denen sich eine nicht zu unterschätzende protestantische Minderheit befand, positiv auf die Kandidatur Anjous einzustimmen, waren die Ereignisse der Bartholomäusnacht und die daran anschließenden Massaker in den französischen Provinzen nicht gerade hilfreich. Auch der daraus resultierende Vierte Bürgerkrieg hatte Einfluß auf die Thronfolgekandidatur Anjous. Diese Kandidatur spielte ihrerseits aber auch eine Rolle beim Agieren Karls IX. und seiner Mutter gegenüber den rebellierenden Hugenotten. Hatten sich die Akteure von ihrem Präventivschlag gegen die militärischen und politischen Anführer der Hugenotten in der Nacht vom 23. auf den 24. August erhofft, die Widerstandskraft der Calvinisten wenn nicht zu brechen, so doch signifikant zu schwächen, so mußten sie alsbald erkennen, daß sie sich einer Illusion hingegeben hatten. Die Ereignisse im Kontext der Bartholomäusnacht hatten vielmehr eine Stärkung des Widerstandswillens der Hugenotten zur Folge. „Von nun an festigte sich das politische Lehrgebäude des französischen Protestantismus, von nun an erhielt die Konfession einen politischen Unterbau, jetzt wurde sie zu einer ‚Partei‘.“139 Der Prozeß der Konstituierung eigenständiger politischer, administrativer und militärischer Strukturen hatte zwar schon in den frühen 1560er Jahren im Midi eingesetzt, nach der Bartholomäusnacht erfuhr er jedoch nicht nur eine Beschleunigung, sondern auch Veränderungen im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung dieser Strukturen. Orientierten sich die Reformierten zunächst – wie z. B. im Languedoc – am Vorbild der existierenden Provinzialständeversammlungen, spielten nach der Bartholomäusnacht 139  Ernst Hinrichs, Heinrich IV., in: Hartmann (Hrsg.), Französische Könige und Kaiser der Neuzeit, München 1994, S. 143–170, 461–464; Zitat S. 148.

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

die Generalstände als Anknüpfungspunkt eine zentrale Rolle. So bezeichnete sich schon die Versammlung der Calvinisten in Millau (Juli 1574), in der Gascogne, als „Reformierte Kirchen Frankreichs vertreten durch eine Generalversammlung“. Auf dieser Versammlung wurde Heinrich von Condé zum Generalgouverneur und Protektor und Heinrich von Montmorency-Damville zum „Gouverneur und Statthalter des Königs im Languedoc“ gewählt.140 Montmorency-Damville sollte Condé bei dessen Abwesenheit vertreten und „über die Erhaltung der Krone wachen“.141 Die Generalversammlung von Nîmes, die im Januar und Februar 1575 tagte, bezeichnete sich in aufschlußreicher Weise als „Generalstände der Provinzen der genannten Union“.142 Die Wortwahl „Generalstände der Provinzen der genannten Union“ verdeutlicht zweierlei: Die Generalversammlung von Nîmes verstand sich einmal ausdrücklich als Vertretung der Reformierten ganz Frankreichs. Zum anderen sollte die Formel „Provinzen der Union“ signalisieren, daß die „Union“ Bestandteil der ganzen Monarchie sein sollte. Von einem Rückzug der Hugenotten des Midi Frankreichs oder gar vom Vorhandensein realistischer separatistisch-republikanischer Projekte nach dem Modell der Vereinigten Provinzen der Niederlande kann also – wie oft behauptet – keine Rede sein. Die Generalversammlung von Millau hatte vielmehr versichert, daß es den Reformierten „niemals in den Sinn gekommen ist, sich in unwürdiger Weise dem Gehorsam zu entziehen und von ihm zu befreien, den sie als wahre und natürliche Untertanen dieser Krone und ihrem wahren natürlichen König, ihrem Fürsten und Souverän schulden“143. Es ging ihnen um die Reform des Staates. Deshalb wurde Condé beauftragt, den König zu ersuchen, die Generalstände der Monarchie einzuberufen. Ausdrücklich wurde in Nîmes beschlossen, daß sich die „Provinzen der Union“ auch den Katholiken öffnen werden, die mit den Reformierten einen „Assoziierungsvertrag“ schließen sollten. Den einschlägigen Quellen ist zu entnehmen, daß die politisch führenden Reformierten die Etablierung einer Konföderation der Provinzen anstrebten, also eine weitgehend autonome „Union“ wollten, an deren Spitze aber der französische König stehen sollte. Von besonderer Bedeutung ist, daß bereits die Generalversammlung von Millau einen Appell zur Ziviltoleranz sowohl an die Reformierten als auch an die Katholiken richtete. In dem von der Generalversammlung beschlossenen „Assoziierungsvertrag“ mit den Katholiken wurde mit folgenden Worten auf das Ideal der Ziviltoleranz Bezug genommen: In der Erwartung, daß Gott in seiner Gnade uns in der Religion geeint hat, müssen die einen mit den anderen leben im Respekt der Gewissensfreiheit […] in dieser Hinsicht besitzt 140  Heinrich von Condé wurde zum gouverneur général et protecteur, Heinrich von MontmorencyDamville zum gouverneur et lieutenant général pour le roi en Languedoc gewählt. 141  „veiller à la conservation de la Couronne“. Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 506. 142  Im Original: États généraux des Provinces de ladite Union. 143  „[…] jamais ne leur est entré au cœur de […] se soustrere, licentier ou dellivrer indignement de l’obeissance qu’ils doivent comme vrais et naturels sujets de cette couronne à leur vray et naturel Roy leur prince et souverain seigneur.“ Zitiert über Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 506.

7.4 Von der Bartholomäusnacht bis zur Thronfolge Heinrichs

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jeder völlige Freiheit des Gewissens, so daß der eine den anderen nicht an der gewohnten Ausübung seiner Religion hindert, sich jeder mit Barmherzigkeit begegnet und keiner den anderen weder mit abfälligen Worten noch sonstigen Beleidigungen zu nahe tritt.144

Die von den Hugenotten aufgebauten politisch-administrativen Strukturen waren erkennbar vom Gedanken politischer Autonomie geprägt. Außerdem wurde bereits für das Konzept der Ziviltoleranz plädiert. Das bedeutet indessen nicht, daß man schon damals an Toleranz in uns heute geläufigem Sinne dachte. Die führenden Akteure beider Konfessionen hielten letztlich am Ziel fest, die Angehörigen der jeweils anderen Konfession zu bekehren und auf diese Weise die Glaubenseinheit wiederherzustellen. Das sollte aber nicht durch Gewaltanwendung, sondern nur durch Überzeugung mit Argumenten geschehen. Insofern war die Ziviltoleranz zeitlich befristet. Für militante und radikale Angehörige beider Konfessionen war und blieb indessen jedwede Form von Ziviltoleranz inakzeptabel. Aber selbst wenn es keine überzeugenden Belege dafür gibt, daß die Hugenotten separatistisch-republikanische Projekte ventilierten – was nicht ausschließt, daß derartige Projekte in radikalen Kreisen doch herumgeisterten –, so war der Aufbau einer Konföderation weitgehend autonomer Provinzen, an deren Spitze zwar der König fungieren sollte, mit dem monarchischen Selbstverständnis Heinrichs III. nicht vereinbar. Herzog Heinrich von Anjou und seit 1573 König von Polen hatte nach dem Tod Karls  IX. am 30. Mai 1574 die Thronfolge als König Heinrich III. in Frankreich angetreten, worauf später näher einzugehen ist. Mit seiner Thronfolge wandelte sich der Charakter der auch während seiner Herrschaft die Monarchie heimsuchenden Bürgerkriege. Es handelte sich nunmehr nicht so sehr um einen Kampf der Krone und der Katholiken gegen die „Partei der Reformierten“, sondern in zunehmendem Maße um einen Konflikt zwischen der Krone – verkörpert durch Heinrich III., der sich als absoluter König verstand – und einem Block dissidierender Provinzen. Der König konnte diese Herausforderung und Infragestellung seiner absoluten Macht nicht hinnehmen. Er war zu Beginn seiner Herrschaft, als er sich noch nicht von der Rolle eines „Chefs der Katholiken“ gelöst hatte, zwar zu einem Entgegenkommen gegenüber den Hugenotten bereit, als Vorbedingung verlangte er aber von ihnen ihre Unterwerfung. Dazu waren diese aber nicht bereit. Sie waren und blieben sich ihrer Macht und Widerstandsfähigkeit bewußt. Die durch die Massaker im Zusammenhang mit der Bartholomäusnacht ihrer militärischen und politischen Anführer beraubten Hugenotten waren nach diesen schrecklichen Ereignissen in ihrer großen Mehrheit entschlossen, Widerstand zu leisten und für die Existenz ihres Glaubens zu kämpfen. Das belegen insbesondere deren Reaktionen in 144  „‚Attendant que Dieu par sa grâce nous ait unis en religion‘ il faut ‚vivre les uns avec les autres, pour rendre paisible la conscience d’un chacun […] chacun à cet égard demeurera en son entière liberté de conscience, sans que l’un empêche l’autre en l’exercice accoustumé de sa religion […] paisiblement et en mutuelle charité, sans outrages ni paroles piquantes‘.“ Zitiert über Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 508; vgl. auch Pernot, Henri III, S. 154–162.

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Kapitel 7 – Die Bartholomäusnacht

den Städten des Midi Frankreichs seit Oktober 1572. Nîmes, Montauban, Sancerre, Privas und Aubenas schlossen ihre Stadtore vor den anrückenden Soldaten des Königs. Die Einwohner von Caussade, Millau und Saint-Antonin arbeiteten fieberhaft an der Verstärkung ihrer Stadtmauern. La Rochelle weigerte sich, den vom König entsandten Gouverneur zu akzeptieren und in die Stadt hereinzulassen. Reformierte Adlige organisierten in den fraglichen Regionen militärische Strukturen. Diesen adligen militärischen Befehlshabern wurden aber zivile Räte zur Seite gestellt, deren Angehörige aus den Kreisen der städtischen Notabeln rekrutiert wurden. Diese Ratsgremien waren beauftragt, die militärischen Anführer zu kontrollieren.145 Zentrum des Widerstands war erneut die Hugenottenhochburg La Rochelle. Bevor Katharina und Karl IX. sich entschieden, deren Widerstand durch den Einsatz militärischer Macht zu brechen und zum Gehorsam gegenüber der Krone zu zwingen, versuchten sie abermals, die rebellierende Hafenstadt auf dem Verhandlungswege zum Einlenken zu bewegen. Sie entsandten zu diesem Zweck den dem König loyal ergebenen Heerführer der Hugenotten François de La Noue – „Eisenarm genannt“ (le bras de fer), – nach La Rochelle. Nach einigen Schwierigkeiten übertrugen ihm die Stadtoberen das Kommando über die dortigen Truppen, welches er mit der Erlaubnis des Königs auch annehmen durfte. Er versetzte danach die Stadt in Verteidigungsbereitschaft, versuchte aber gleichzeitig, sie zur Unterwerfung unter die Krone zu veranlassen. Weil er bei seinen Bemühungen, eine Kompromißlösung in La Rochelle zu erreichen, bei den intransigenten Hugenotten auf massiven Widerstand stieß, sah er sich schließlich in eine paradoxe und letztlich unhaltbare Lage versetzt. Daraufhin gab er im März 1573 seine sich als unrealistisch erweisende Mission auf.146 Der von Karl IX. entsandte Gouverneur Armand de Gontaut hatte bereits im Dezember 1572 begonnen, La Rochelle mit den ihm zur Verfügung stehenden Truppen einzuschließen und zu belagern. Weil sich dann dort die Dinge nicht so entwickelten, wie es Katharina und Karl IX. erhofft hatten, verstärkten sie ihren militärischen Einsatz gegen die rebellierende Stadt. Auch darin folgten sie ihrer bisherigen politischen Linie, nämlich gegen die Krone rebellierende Akteure mit Entschiedenheit zu agieren und nötigenfalls militärisch gegen sie vorzugehen. Karl IX. ernannte – wohl auf entsprechende Intervention seiner Mutter – den Herzog von Anjou zum Oberkommandierenden und sandte diesen mit weiteren Truppen nach La Rochelle, wo er am 11. Februar 1573 eintraf. Anwesend bei seiner Belagerungsarmee waren auch sein jüngerer Bruder, Prinz François von Alençon – „Monsieur le duc“ genannt –, der König Heinrich von Navarra, Heinrich von Condé, die Herzöge von Guise und andere katholische und reformierte Adlige. Beim Kampf des Königs gegen die Rebellen in La Rochelle fanden sich also Reformierte und Katholiken Seite an Seite. Daraus und aus der Anwesenheit des Herzogs von Alençon, des 145  Janine Garrisson, Protestants du Midi, 1559–1598, Toulouse 1980; Neuausgabe Toulouse 1991; Pernot, Henri III, S. 109; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 473 f. 146  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 474; Pernot, Henri III, S. 110.

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jüngeren Bruders des Herzogs von Anjou, des Oberkommandierenden, resultierten mannigfache Konflikte und Spannungen, die sich bei den Beratungen über die im einzelnen zu treffenden militärischen Maßnahmen nicht gerade als förderlich erwiesen. Zwischen Anjou und Alençon herrschte alsbald eine ungute und von Eifersucht geprägte Konkurrenz. Deshalb sah sich ihre Mutter Katharina wiederholt veranlaßt, beschwichtigend und vermittelnd einzugreifen. Die Verluste bei der königlichen Belagerungsarmee und die anfallenden Kosten waren enorm, ohne daß das anvisierte Ziel – die Eroberung der Hugenottenhochburg – letztlich erreicht werden konnte. Es ist auf der Basis aussagekräftiger Quellen berechnet worden, daß ein Jahr Bürgerkrieg die Krone im Durchschnitt 16 bis 18 Millionen livres kostete. Dem standen durchschnittlich jährliche Einnahmen von nur 11 Millionen gegenüber, Einnahmen, die jedoch in den Krisenjahren realiter nicht nur sehr unregelmäßig eingingen, sondern auch erhebliche Mindererträge aufwiesen. Die Krone sah sich deshalb gezwungen, Schulden durch kurzfristige und damit teure Anleihen zu machen.147 Katharina war nicht nur mit dem Geschehen um La Rochelle, mit den Ereignissen des Vierten Bürgerkrieges und den daraus resultierenden inneren und internationalen Problemen intensiv befaßt, sondern auch mit der von ihr sehr engagiert betriebenen Kandidatur ihres Sohnes Heinrich von Anjou bei der Wahl eines neuen Königs in Polen. Welche zentrale politische Bedeutung sie dieser Kandidatur beimaß, wird daraus ersichtlich, daß sie für diese schwierige Mission den der Krone loyal ergebenen Jean de Monluc auswählte. Außerdem setzte sie große Summen ein, um eine Mehrheit der beim Sejm wahlberechtigten polnischen Adligen zugunsten ihres Sohnes zustande zu bringen. Die Wahl gestaltete sich insofern schwierig, weil die in Polen eintreffenden Informationen von den Massakern im Kontext der Bartholomäusnacht für erheblichen Unmut gesorgt hatten und den Gegnern der Kandidatur Anjous willkommene Argumente lieferten. Deshalb mußte Monluc mit allen Mitteln der Überzeugung sowie der Verbreitung entsprechender Traktate und Flugschriften versuchen nachzuweisen, daß Anjou nur am Rande beteiligt und das Vorgehen der Krone gegen die Hugenottenführer wegen des von diesen inszenierten und unmittelbar bevorstehenden Komplotts gegen die Familie des Königs und den Staat völlig gerechtfertigt gewesen sei.148 In seiner 1573 vom Juristen Guy du Faur de Pibrac (1529–1584) anonym publizierten Schrift „L’Epître à Stanislas Elvide“, die er wohl auf Veranlassung von Katharina und im Kontext mit der Kandidatur Anjous verfaßt hatte, betonte dieser, daß Karl IX. in Anbetracht des Staatsnotstandes und aus Gründen der Staatsräson so agieren mußte, wie er gehandelt hat.149 147  James B. Wood, The Royal Army during the Early Wars of Religion, 1559–1579, in: Mack P. Holt (Hrsg.), Society and Institutions in Early Modern France, University of Georgia Press 1991, S. 1–35; vgl. auch ders., The French Wars of Religion, 1562–1629, Cambridge 1995; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 475; Pernot, Henri III, S. 113. 148  Vgl. dazu Pernot, Henri III, S. 119–122. 149  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 531 f.

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Monluc konnte die von Katharina in ihn gesetzten Erwartungen schließlich erfüllen. Am 9. Mai 1573 stand das Ergebnis der Wahl fest. Der Sejm hatte Heinrich von Anjou zum König von Polen gewählt. Am folgenden Tag informierte Monluc den französischen Hof über das positive Ergebnis. An Katharina schrieb er: „Madame, ich habe gehalten, was ich Ihnen versprochen habe, d. h. so zu agieren, daß Sie Monseigneur als König dieses Königreiches sehen werden.“150 Den Herzog von Anjou informierte Monluc am selben Tag mit folgenden Worten: „Sire, ich nenne Sie so, weil Sie zum König von Polen gewählt worden sind.“151 Die frohe Kunde von der Wahl Anjous zum polnischen König traf am 27. Mai 1573 in Paris ein. In Anbetracht dieser positiven Entwicklung hatten Katharina und Karl IX. ein großes Interesse daran, die Belagerung von La Rochelle, die ohnehin schon zu lange andauerte und sehr verlustreich verlaufen war, so schnell wie möglich zu beenden. Wegen dieser Verluste und des ungebrochenen Widerstandes von La Rochelle, das inoffiziell von englischer Seite unterstützt sowie mit Waffen, Munition und Nahrungsmitteln versorgt wurde, mehrten sich innerhalb der Belagerungsarmee die Stimmen, die für eine Beendigung der Kämpfe plädierten. Von Karl IX. und Katharina wurde der Staatssekretär Nicolas de Neufville, seigneur de Villeroy (1542–1617), beauftragt, mit La Rochelle eine Beendigung des Konflikts auszuhandeln. Seine Verhandlungen verliefen erfolgreich und endeten am 29. Juni 1573 mit der Unterzeichnung der sog. Kapitulation (capitulation) von La Rochelle. Das Abkommen stellte aber keine Unterwerfung der Hafenstadt dar, wie es der Begriff „capitulation“ suggeriert. Außerdem betrafen die Klauseln dieses Abkommens sämtliche Hugenotten der Monarchie. Die darin enthaltenen Abmachungen fanden dann Eingang in das Edikt von Boulogne vom 11. Juli. Dieses Pazifikationsedikt wurde am 11. August 1573 vom Pariser Parlament einregistriert und damit in dessen großen Zuständigkeitsbereich, der weite Teile der Monarchie umfaßte, implementiert. Insgesamt gesehen, gingen dessen Bestimmungen zu Lasten des den Hugenotten zuvor konzedierten Status’. Sie behielten zwar die Freiheit des Gewissens, mußten aber beträchtliche Beschneidungen bei der öffentlichen Ausübung ihres religiösen Kultes hinnehmen. Dieser war nur noch in La Rochelle, Nîmes, Montauban und schließlich in Sancerre möglich. Zwar erschienen die Regelungen des Edikts einer Mehrheit der Hugenotten im Norden der Monarchie in Anbetracht der Belastungen des Bürgerkriegs, die diese besonders hart getroffen hatten, akzeptabel, aber im Süden, im Midi, stießen sie

150  „Madame, j’ai tenu ce que je vous avais promis: c’est de faire en sorte que vous verriez Monseigneur roi de ce royaume.“ Zitiert über Maciej Serwanski, Henri de Valois et la Diète de Pologne, in: L’Europe des Diètes au XVIIe siècle. Mélanges Jean Bérenger, Paris 1996, S. 234; vgl. auch Pernot, Henri III, S. 123. 151  „Sire, je vous appelle ainsi parce que vous avez été fait roi de Pologne.“ Zitiert über Serwanski, ebenda; vgl. auch Pernot, ebenda.

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bei den dort zahlenmäßig stark präsenten Reformierten auf scharfe Ablehnung und auf energischen Widerstand.152 Am 19. August traf eine verhältnismäßig große polnische Delegation in Paris ein, um mit Anjou die rechtlichen Modalitäten zweier Verfassungsdokumente – der „Pacta conventa“ und der „Articuli henriciani“ – zu erörtern und die Dokumente vom Herzog als Vorbedingung für dessen Thronbesteigung unterzeichnen zu lassen. Das Königreich Polen besaß in dieser Phase seiner Geschichte eine „für Europa einmalige extremrepublikanische Adelsverfassung“153. Die fremdartig gekleideten polnischen Adligen erweckten in der Pariser Gesellschaft großes Aufsehen. Zu Ehren der hochrangigen polnischen Delegation ließ Katharina am Hof große und aufsehenerregende Festlichkeiten veranstalten. Damit wollte sie trotz aller finanziellen Probleme die Polen beeindrucken sowie die Macht und Handlungsfähigkeit Frankreichs demonstrieren. Außerdem spielten derartige Festlichkeiten am Hof in dem von Katharina zielstrebig und sehr erfolgreich aufgebauten Kommunikationsgeflecht eine zentrale Rolle. Nachdem Heinrich von Anjou am 10. September  1573 in der Kathedrale von NotreDame geschworen hatte, die oben genannten Verfassungsdokumente zu respektieren, näherte sich der Zeitpunkt seines Aufbruchs in Richtung Polen. Rund einen Monat später am 12. November, nahm der neue König von Polen Abschied von seinem älteren Bruder Karl IX. und von seinem jüngeren Bruder, dem Herzog Franz von Alençon. Anjou reiste mit gemischten Gefühlen ab, denn er wußte, daß auf Grund des sich stetig verschlechternden Gesundheitszustandes des Königs, der unter einer Lungentuberkulose litt, in Kürze mit dessen Tod zu rechnen war. Gemäß der in Frankreich geltenden Thronfolgeordnung stand ihm die Thronfolge zu. Weil er nun aber König von Polen geworden war, ließen sich mehr und mehr Stimmen vernehmen, die seinen jüngeren Bruder, den Herzog von Alençon, als Thronfolger ins Spiel brachten. Hinzu kam, daß die Beziehungen zwischen ihm und Alençon ohnehin gespannter Natur waren, was sich die verschiedenen Faktionen am Hof bei ihren jeweiligen Bemühungen um Macht und Einfluß zunutze machten. Nicht zuletzt deshalb sah sich Katharina wiederholt genötigt, vermittelnd auf die miteinander konkurrierenden Brüder einzuwirken. Katharina begleitete Anjou eine Strecke auf seinem Zug in sein Königreich. Am 21. November  1573 erreichte die Reisegesellschaft Nancy, die Kapitale des Herzogtums Lothringen. Dessen Herzog, Karl III., war am französischen Königshof aufgewachsen und erzogen worden. Seit 1558 war er mit Claudia von Valois, der zweiten Tochter Heinrichs 152  Vgl. zum Gesamtkomplex: Pernot, Henri III, S. 111 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 263–268; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 303; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 217–222; Dargent, Catherine de Médicis, S. 251 f.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 246–249; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 476 f.; Bourquin, La France au XVIe siècle, S. 113 ff.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 521–532. 153  Jörg  K.  Hoensch, Geschichte Polens, 2. Aufl., Stuttgart 1998, S.  95; vgl. auch Kohler, Expansion und Hegemonie. Internationale Beziehungen 1450–1559, S. 241.

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und Katharinas, verheiratet. In Nancy bereitete man dem neuen König von Polen und seiner Begleitung einen prächtigen Empfang. Katharina nutzte den Aufenthalt in Lothringen, um in Blâmont politische Gespräche mit einer Delegation deutscher Reichsfürsten zu führen. Zu dieser Delegation zählte auch Graf Ludwig von Nassau-Dillenburg und der Herzog Christoph, ein Sohn des protestantischen Kurfürsten von der Pfalz, Friedrich III. (1559–1576). Zentrales Thema der bei diesem Treffen geführten Besprechungen war das Projekt einer antispanischen Liga. Obwohl Katharina durchaus an der Pflege von Kontakten zu den Gegnern Spaniens und somit auch zu den niederländischen Aufständischen interessiert war, blieb sie jedoch aus guten Gründen auf Distanz zu diesem Ligaprojekt. Die von ihr in Blâmont geführten Unterredungen belegen aber erneut ihr kontinuierliches Bestreben, auch auf internationaler Ebene mit protestantischen Fürsten Gespräche zu führen mit dem Ziel, auf diese Weise nicht nur ihre außenpolitischen Handlungsspielräume zu erweitern, sondern auch den französischen Hugenotten zu signalisieren, daß sie ihnen gegenüber zu Entgegenkommen bereit sei. Das setzte allerdings auf deren Seite voraus, die Autorität des Königs nicht offen in Frage zu stellen und schon gar nicht gegen ihn zu rebellieren. Am 2. Dezember 1573 nahmen Mutter und Sohn in Lothringen voneinander Abschied. Anjou überquerte die Vogesen und zog dann durch das Reich weiter in Richtung Polen.154 Wie bereits dargelegt, stieß das Edikt von Boulogne bei den Hugenotten im Midi Frankreichs auf scharfe Ablehnung und Widerstand. Die dortigen Reformierten griffen schließlich im Frühjahr 1574 zu den Waffen. Ihnen schlossen sich alsbald reformierte und katholische Adlige an, die die Opposition gegen die Politik Karls IX. einten und die als die „Unzufriedenen“ (les Malcontents) bezeichnet wurden. Es kam schließlich zu einem Zusammenschluß der konföderierten Provinzen des Midi mit dem jüngeren Bruder Karls  IX., dem Herzog von Alençon. Alençon verfolgte eigene politische Ambitionen, weil er sich vom König zurückgesetzt fühlte. Er war mehr oder minder in Hofintrigen, die teilweise sogar die Form von Komplotten annahmen, verwickelt und wurde schließlich der Anführer der Malcontents. Beim Agieren Alençons spielte auch eine Rolle, daß er sich dank der Unterstützung seiner adligen Gefolgschaft Hoffnungen auf die Thronfolge in Frankreich machte. Trotz aller Bemühungen um Ausgleich, um die Fortsetzung ihrer Friedenspolitik – ungeachtet der ihr ablehnend gegenüberstehenden Konfliktparteien und -gruppierungen – war es Katharina nicht gelungen, den im Frühjahr 1574 ausgebrochenen Fünften Bürgerkrieg zu verhindern. Die Lage wurde für sie noch komplizierter, als Karl IX. am 30. Mai 1574 in Vincennes (heute zu Paris gehörig) seinem langen Leiden an Tuberkulose erlag.155 154  Pernot, Henri III, S. 124–129; Solnon, Catherine de Médicis, S. 263–274; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 498 f. 155  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 303–317; Solnon, Catherine de Médicis, S. 272–282; Dargent, Catherine de Médicis, S. 245–261; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 217–247; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 498–502; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 368 ff.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 249–257.

Kapitel 8

Katharina von Medici und Heinrich III. von 1574 bis 1589: Zäsur im politischen Leben der Königinmutter? Am 31. Mai 1574, einen Tag nach dem Tod Karls IX., richtete Katharina einen langen Brief an ihren Sohn Anjou, den zu diesem Zeitpunkt in Krakau residierenden König von Polen, in dem sie ihn über ihre tiefe Trauer informierte und aufforderte, auf schnellstem Wege Polen zu verlassen und nach Frankreich zurückzukehren, um dort die Thronfolge als Heinrich III. anzutreten. Eile war nach ihrer Überzeugung geboten, denn sein jüngerer Bruder, der Herzog von Alençon, hatte bereits seit einiger Zeit seine Ambitionen auf die Nachfolge erkennen lassen und dafür auch einige Unterstützung in Kreisen des Adels gefunden. In ihrem Brief schrieb Katharina an den neuen König Heinrich III.: Monsieur, mein Sohn, ich hatte gestern und unverzüglich Chémerault zu Ihnen entsandt, um Ihnen eine Nachricht zukommen zu lassen, die für mich ganz besonders traurig und erschütternd ist, weil ich so viele meiner Kinder habe sterben sehen. […] Der Tod Karls IX. war für mich extrem schmerzhaft, und ich finde keinen anderen Trost, als Euch bald hier und in guter Gesundheit zu sehen […], denn das Königreich braucht Euch. Würde ich auch Euch verlieren, würde ich mich lebend mit Euch beerdigen lassen. […] Was Eure Abreise aus Polen betrifft, so verzögert sie keineswegs und seid Euch bewußt, daß die Polen Euch zurückhalten und dementsprechende Maßnahmen ergreifen wollen. Wir benötigen Euch aber hier. […] Könnt Ihr nicht jemanden in Polen lassen, der an Eurer Stelle das Land regieren und es auf diese Weise für Euch oder Euren Bruder erhalten kann. Ich würde das sehr wünschen. Ihr könntet den Polen darlegen, daß Ihr Ihnen Euren Bruder oder Euren zweiten Sohn [den es aber zu diesem Zeitpunkt nicht gab und auch nicht geben sollte] schicken werdet […]. Das ist, was ich jetzt denke, um den Thron in Polen nicht zu verlieren. […] Laßt Euch nicht auf die Begehrlichkeiten und Leidenschaften Eurer Gefolgsleute ein, denn Ihr seid nicht mehr Monsieur, der gezwungen ist, zu sagen, ich werde diese Partie gewinnen, um schließlich der Stärkste zu sein. Ihr seid der König, und alle müssen Euch stark machen, denn alle müssen Euch zu Diensten sein. Ihr müßt alle lieben und nur diejenigen hassen, die Euch hassen […] Schätzt diejenigen, die Euch dienen, aber macht Euch nicht deren Egoismen und Parteilichkeiten zu eigen […] Deshalb bitte ich Euch, erteilt keine Gnadenerweise und vergebt keine Benefizien, Chargen und Ämter, bevor Ihr nicht hier seid, erst dann werdet Ihr wissen, wer Euch gut gedient hat und wer nicht. Ich werde sie Euch bei Eurer Ankunft benennen. Bis dahin werde ich sämtliche freigewordenen Benefizien, Chargen und Ämter unbesetzt lassen. […] Weil der verstorbene König, Euer Bruder, mir die Charge gegeben und mich damit beauftragt hat, das Königreich [Frankreich] für Euch zu bewahren, glaube ich, daß Ihr den verstorbenen König nicht desavouieren werdet. Ich werde alles, wozu ich in der Lage bin, tun, um das Königreich unversehrt und in Frieden zu übergeben, damit Ihr dann alles das machen könnt, was Ihr für Eure Größe für gut erachtet […] Eure gute und Euch liebende Mutter. Es gibt keine bessere auf dieser Welt. Katharina.1 1  [31. Mai 1574] „Au Roy Monsieur mon filz, Roy de Pologne. Monsieur mon fils, je vous envoyai yer en grant diligence Chémerault pour vous aporter une piteuse nouvelle pour moy pour avoyr veu tant mourir de

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2020 | doi:10.30965/9783657703326_009

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III.

Selbst wenn man in Betracht ziehen muß, daß einige sehr schmeichelhafte Formulierungen dem Stil der Zeit entsprachen, bleibt festzuhalten, daß Katharina ihren Sohn Anjou wohl mehr geschätzt und wohl inniger geliebt hat als dessen ältere Brüder. In Anbetracht der inneren Lage in Frankreich sah sie sich veranlaßt, den neuen König Heinrich  III. nachdrücklich aufzufordern, so schnell wie möglich Polen zu verlassen und seinen französischen Thron zu besteigen. Gleichwohl hatte Katharina die Hoffnung, das Königreich Polen sozusagen als Sekundogenitur für Heinrich III. erhalten oder aber dessen jüngeren Bruder, den Herzog von Alençon, dort als dessen Nachfolger etablieren zu können. In den entsprechenden Zeilen zeigte sich einmal mehr, daß Katharina jede sich bietende Möglichkeit nutzte, ihren nicht in Frankreich herrschenden Söhnen auswärtige Throne bzw. standesgemäße Herrschaften zu verschaffen. Ihre Zeilen lassen aber auch erkennen, daß sie in Kenntnis des Charakters Heinrichs III. diesen inständig darum bat, nicht voreilig und allzu freigebig Chargen, Benefizien und Ämter an seine Getreuen zu vergeben, die er um sich geschart und mit nach Polen genommen hatte. Offensichtlich mißtraute Katharina diesem Kreis von jüngeren und einflußreichen Adligen. Ohne es direkt zu sagen, wollte sie bei der Auswahl der Persönlichkeiten des Hofstaates des Königs und bei der Vergabe der wichtigen Posten und Ämter in der Regierung Einfluß nehmen. Deshalb legte sie ihm sehr nahe, derartige Entscheidungen erst nach seiner Rückkehr nach Frankreich und damit – faktisch – in Abstimmung mit ihr zu treffen. mes enfans. […] Cela n’a pu estre sans une extresme douleur pour moy et je [ne] trouve d’autre consolation que de vous voyr bientost ici, […] comme vostre royaume en a besoin, et en bonne santé, car si je venois à vous perdre, je me ferois enterrer avec vous toute en vie. […] Quant à votre partement [départ] de Pologne, ne le retardez en nulle façon et prenez garde qu’ils ne veuillent vous retenir jusqu’à ce qu’ils ayent donné ordre à leur faict et ne le faictes pas, car nous avons besoin de vous icy; […]. Si vous pouviez laisser quelqu’un où vous estes, qui peult conduire [pût gouverner] et que ce royaulme de Pollogne vous demeurast ou à votre frère, je le désirerois bien fort et leur dire que ou vostre frère ou le second enfant que vous aurez vous leur envoyrez [vous pourriez leur envoyer votre frère ou le second enfant que vous aurez] […]. Voilà ce que je pense, affin de ne rien perdre. […] et ne vous laissez aller aux passions de vos serviteurs, car vous n’estes plus Monsieur qui faille dire que je gagneray ceste part, affin d’estre le plus fort. Vous estes le Roi, car tous fault qu’ils vous servent et les fault tous les aymer et nul haïr que ceux qui vous haïront, mais les querelles particulières les appoincter et ne vous passionner et que vos serviteurs ne se fassent plus perdre [car tous doivent vous servir et il faut tous les aimer et nul haïr que ceux qui vous haïront]. Aymez-les et leur faictes du bien, mais que leur partialitez ne soient point les vostres [Aimez vos serviteurs et faites-leur du bien, mais que leurs partialités ne soient point les vôtres. […]; aussi je vous prie de ne rien donner que vous ne soyiez icy, car vous scaurez ceulx qui vous auront bien servy ou non; je vous les nommeray et montreray à vostre veneue, et vous garderay tout ce qui vacquera de bénéfices et d’offices; […] puisque le feu Roy vostre frère m’a donné la charge de vous conserver ce royaume, je croy que vous ne le désavoue[re]z pas, je mectrai peyne, si je puis, de vous le remectre tout entier et en repos, afin [que vous] n’ayiez à faire que ce que connoistrez [vous jugerez] bon pour vostre grandeur […]. Du boys de Vincennes, ce dernier de may 1574. Vostre bonne et affectionnée mère, s’il y a jamais au monde. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, publiées par M. le Cte Hector de La Ferrière, Paris 1891, Bd. IV (1570–1574), S. 310–312.

8.1 Heinrich III. und Katharina bis zum Frieden von Bergerac

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Schließlich bat sie Heinrich III., die Entscheidung Karls IX. zu bestätigen, mit der dieser sie im Angesicht seines Todes zur Regentin ernannt und ihr den Auftrag erteilt hatte, in dieser Funktion so lange zu agieren, bis sein Nachfolger nach Frankreich zurückgekehrt war und die Herrschaft angetreten hatte. Tatsächlich bestätigte Heinrich III. die entsprechende Deklaration Karls IX., die dieser auf dem Sterbebett hatte ergehen lassen. Es ist aber wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß Katharina auf ihren sterbenden Sohn entsprechend eingewirkt hat. Die in dem zitierten Schreiben enthaltenen Ausführungen lassen ebenfalls erkennen, daß Katharina wohl die unausgesprochene Intention hatte, wie zuvor während der Herrschaften Franz’ II. und Karls IX. auch während jener Heinrichs III. maßgeblich an der Regierung beteiligt zu werden. Möglicherweise wollte sie sogar indirekt die entscheidende Rolle spielen. Das Geschehen und die Entwicklungen in den folgenden Jahren sollten erweisen, ob und gegebenenfalls inwieweit ihr das gelungen ist. Heinrich III. unterschied sich aber in vieler Hinsicht von seinen beiden Vorgängern auf dem Thron Frankreichs. Wie die Forschung der letzten Jahrzehnte hat nachweisen können, verdient dieser König „nach Jahrhunderten einer eher negativen Einschätzung als Mensch und als Herrscher (eine ausgewogenere Gesamtbeurteilung)“.2 8.1

Heinrich III. und Katharina bis zum Frieden von Bergerac (14. September 1577) und dem Edikt von Poitiers (17. September 1577)

Dem dringenden Rat seiner Mutter folgend verließ Heinrich III. in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni 1574 in Begleitung weniger erst kurz zuvor in seine Pläne eingeweihter Getreuer fluchtartig die polnische Residenz Krakau. Der König, der damals 23 Jahre alt war, begab sich über Wien, wo er mit dem Kaiser Maximilian II. zusammentraf, über Venedig und Savoyen nach Frankreich. Dort traf er erst Anfang September 1574 ein. Am 5. dieses Monats konnte er in Bourgoin (eine Stadt im heutigen Departement Isère in der Region Auvergne-Rhône-Alpes gelegen) seine Mutter begrüßen. Sie war ihm in Begleitung ihres jüngsten Sohnes, des Herzogs Franz von Alençon, und Heinrichs von Navarra entgegengereist. Am 6. September bereitete das Handelszentrum Lyon der königlichen Reisegesellschaft einen sehr prächtigen und festlichen Empfang. Am selben Tag endete auch die Regentschaft Katharinas. Die Ausübung der Regierungsgeschäfte hatte also vom 31. Mai bis zum 6. September 1574 – rund drei Monate – in ihren Händen gelegen. Am 3. Juni hatte auf ihre Veranlassung das Pariser Parlament eine dementsprechende Deklaration verabschiedet. Sämtliche Gouverneure der Monarchie, alle französischen Botschafter 2  Mieck, Heinrich III. 1574–1589, S. 120–142, 459–461; Zitat S. 132. Zu Heinrich III.: Pierre Chevallier, Henri III roi shakespearien, Paris 1985; Mack P. Holt, The Duke of Anjou and the Politique Struggle during the Wars of Religion, Cambridge 1986; Georges Bordonove, Henri III, roi de France et de Pologne, Paris 1988; Pernot, Henri III.

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und alle auswärtigen Monarchen sowie regierenden Fürsten waren mit entsprechenden Schreiben darüber in Kenntnis gesetzt worden, daß Katharina als Regentin auf Anordnung des verstorbenen Königs Karl IX. die Regierungsgeschäfte mit unbegrenzten Vollmachten auszuüben berechtigt sei.3 Heinrich  III. und Katharina sowie ihre Begleitung hielten sich vom 6. September bis zum 16. November 1574 in Lyon auf. Eine der ersten wichtigen Amtshandlungen des jungen Königs war die personelle Reorganisation des Conseil du Roi. Dabei ließ er sich aber von einer Instruktion leiten, die ihm seine Mutter zuvor nach Turin hatte überbringen lassen. Der Staatsrat wurde auf acht Mitglieder reduziert. Die Söhne Frankreichs, also die engsten Angehörigen des Königs, und die Prinzen von Geblüt sollten nunmehr nicht mehr auf Grund eines ihnen zustehenden Rechts, sondern nur noch dann an dessen Sitzungen teilnehmen, wenn sie ausnahmsweise und von Fall zu Fall ausdrücklich dazu vom König aufgefordert wurden. Infolgedessen waren der jüngere Bruder Heinrichs III., der Herzog Franz von Alençon, und der Prinz von Geblüt und König Heinrich von Navarra, der sich seit den Ereignissen der Bartholomäusnacht faktisch noch wie ein Gefangener am Hof aufhalten mußte, von der Leitung des Königreiches ausgeschlossen.4 Fünf Mitglieder des reduzierten Conseil du Roi waren engste Vertraute, also Kreaturen, Katharinas. Sie gehörten zu ihrer Klientel und waren ihrer Patronin in Treue und Loyalität ergeben. Zu den Getreuen Katharinas gehörte der in Mailand geborene Kanzler René de Birague (1506–1583). Im Jahr 1565 war er „naturalisierter“ Franzose geworden. Er wurde Rat am Pariser Parlament und später Gouverneur des Forez, des Lyonnais und des Beaujolais. Im Jahr 1568 wurde ihm die wichtige Charge eines Oberintendanten der Finanzen übertragen, und am 22. März 1571 wurde er Siegelbewahrer. Am 17. März 1573 wurde er Kanzler als Nachfolger von L’Hôpital,5 der Katharina ebenfalls loyale Dienste geleistet hatte. 1578 entzog ihm Heinrich III. aber die Staatssiegel. Nachdem er bereits 1573 Bischof von Lodève geworden war, wurde er 1578 zum Kardinal erhoben. Obwohl er seit 1578 nicht mehr im Besitz der Staatssiegel war und er deshalb die damit verbundenen Funktionen nicht mehr ausübte, blieb Birague dem Gewohnheitsrecht entsprechend aber bis zu seinem Tod Kanzler und führte infolgedessen weiterhin diesen Titel. Er behielt auch seinen Sitz im Staatsrat, was belegt, daß er weiterhin in der Gunst Heinrichs III. und Katharinas stand.6 Zu den „fidèles“ Katharinas im Staatsrat zählten ebenfalls die Bischöfe Jean de Morvillier und Sébastien de L’Aubespine. Morvillier unterstützte tatkräftig die Ausgleichspolitik Katharinas und war einer ihrer loyalsten Gefolgsleute. Vom 7. Oktober 1568 bis März 1571 3  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 373–377; Solnon, Catherine de Médicis, S. 283–288; Pernot, Henri III, S. 168 ff.; Wanegffelen, Catherine de Médicis, S. 370–373. 4  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 376 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 290 f.; Pernot, Henri III, S. 171 f. 5  Vgl. Kap. 5.2, S. 117 ff. 6  Cloulas, Catherine de Médicis, S.  377, 549  f.; Pernot, Henri III, S.  172; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 362, 587.

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war er Siegelbewahrer. Sein Nachfolger wurde Birague. Wie sehr Katharina ihm vertraute, belegt die Tatsache, daß er in den Phasen, in denen diese sich während des Dritten Bürgerkriegs bei der königlichen Armee aufgehalten hatte, die Leitung der Sitzungen des Staatsrates übernehmen durfte.7 Sébastien de L’Aubespine, Bischof von Limoges, war Botschafter in Madrid. Dessen Bruder Claude I de L’Aubespine (1510–1567) hatte von 1561 bis 1567 für Katharina als Staatssekretär im Hintergrund eine nicht zu unterschätzende politische Rolle gespielt.8 Getreuer Gefolgsmann Katharinas im Staatsrat war ebenfalls der Bischof von Valence, Jean de Monluc. Den Reformideen der katholischen Kirche nahestehend war er alsbald verdächtigt worden, insgeheim zum Calvinismus konvertiert zu sein. Dieser Verdacht erwies sich indessen als falsch. 1545 wurde er französischer Botschafter in Venedig. Danach war er mit diplomatischen Missionen im Reich, in Italien, England und in Schottland betraut. 1553 erhielt er das Bistum von Valence.9 Paul de Foix (Paul de Foix de Carmaing) war der Fünfte im Kreise jener Mitglieder des Conseil du Roi, mit deren loyaler Unterstützung Katharina rechnen konnte. Paul de Foix war mit L’Hôpital eng befreundet und gehörte dem Kreis der Moyenneurs an.10 1561 wurde er Botschafter in England. Danach wurden ihm auch diplomatische Missionen in Venedig und in Savoyen übertragen. Katharina setzte auf sein Verhandlungsgeschick, als sie das Projekt der Eheschließung zwischen dem Herzog von Anjou und der Königin Elisabeth I., zu realisieren sich bemühte.11 Im Jahr 1566 berief ihn Karl IX. einem Wunsch seiner Mutter folgend in den Conseil du Roi. Schließlich ernannte ihn Heinrich III. 1577 zum Erzbischof von Toulouse. Weil er aber die Politik der Ziviltoleranz Katharinas mit so großem Nachdruck unterstützt hatte, geriet er in den Verdacht, ein Sympathisant der Hugenotten und der Ideen des Protestantismus generell zu sein. Aus diesem Grund hatte der Papst sich bis zum Jahr 1582 geweigert, seine Ernennung zum Erzbischof von Toulouse anzuerkennen.12 Pomponne de Bellièvre, Philippe Hurault de Cheverny und Guy Du Faur de Pibrac waren im reformierten Conseil du Roi die Männer Heinrichs  III. Sie hatten ihn nach Polen begleitet, nachdem er im Mai 1573 vom polnischen Wahlreichstag zum König von Polen gewählt worden war und am 18. Februar 1574 in Krakau seine „Herrschaft der 146 Tage“13 angetreten hatte. Pomponne de Bellièvre wurde von Heinrich III. 1574 zum Oberintendanten der Finanzen ernannt. Im Zusammenhang mit der Einberufung der Generalständeversammlung von 1588 nach Blois wurde er aber am 7. September  1588 7  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 377, 549; Pernot, Henri III, S. 172. 8  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 553 f.; Pernot, Henri III, S. 172. 9  Pernot, Henri III, S. 172; vgl. auch Kap. 7, S. 287 f. 10  Vgl. Kap. 5.2, S. 116 f. 11  Vgl. Kap. 7.3, S. 262. 12  Noël Didier, Paul de Foix à la mercuriale de 1559, son procès, ses idées religieues, in: Mélanges d’archéologie et d’histoire 56 (1939), S. 396–435; Pernot, Henri III, S. 172, 218, 248, 387. 13  Chevallier, Henri III, S. 209–231; Mieck, Heinrich III., S. 130.

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vom König in Ungnade entlassen. Nach 34 Jahren treuer Dienste mußte er sich auf seine Ländereien ins Exil begeben. Philippe Hurault, comte de Cheverny (1528–1599), erhielt 1578 von Heinrich III. die Charge des Siegelbewahrers. Nach dem „Tag der Barrikaden“ (12. Mai 1588) in Paris fiel er beim König in Ungnade wegen seiner zu engen Verbindungen zu den rebellierenden Ligisten.14 Guy Du Faur de Pibrac war seit 1565 Generaladvokat am Parlament von Paris und seit 1570 Staatsrat. Als Kanzler des Herzogs von Anjou hatte er diesen nach Polen begleitet. Als Poet und als begnadeter Redner hatte er sich bereits zu seinen Lebzeiten einen Namen in Frankreich gemacht.15 Zum Netz von treuen Gefolgsleuten Katharinas gehörten auch Nicolas de Neufville, sieur de Villeroy, Claude Pinart, seigneur de Cramailles, und Pierre Brûlart de Sillery. ­Nicolas de Neufville, sieur de Villeroy, war der Schwiegersohn des Staatssekretärs Claude I de L’Aubespine. Als dieser am 11. November 1567 starb, konnte Villeroy ihm im Amt des Staatssekretärs folgen. Alsbald erlangte er unter den übrigen Staatssekretären eine herausgehobene Position. Claude Pinart wurde im August 1570 Nachfolger des verstorbenen Staatssekretärs Claude II de L’Aubespine. Pierre Brûlart de Sillery war ebenfalls Staatssekretär. Die Genannten stellten mit Simon Fizes, einem weiteren Staatssekretär, der im November 1579 starb, eine Mannschaft Katharinas sehr vertrauter und in unverbrüchlicher Loyalität ergebener sowie höchst qualifizierter Funktionsträger dar, dank derer sie bis zu deren plötzlicher Entlassung am 8. September 1588 durch Heinrich III. die Politik des Königs maßgeblich mitbestimmen, wenn nicht lenken konnte.16 Manche Autoren neuerer Biographien Katharinas und von Büchern, in denen diese eine besondere Rolle spielt, vertreten die Ansicht, daß mit der Thronfolge Heinrichs III. eine Zäsur insofern eingetreten sei, daß sie nunmehr erheblich an politischer Macht und Einfluß eingebüßt habe. Ihr autoritäts- und machtbewußter Sohn habe den Anspruch gehabt, ein absolut regierender Herrscher sein zu wollen. Nicht zuletzt deshalb habe er seine Mutter in die Schranken gewiesen und ihr allenfalls nur eine sekundäre politische Position zugebilligt. Jean Orieux geht in seiner Biographie Katharinas noch weiter. Er schreibt, sie habe der Rückkehr Heinrichs aus Polen nicht nur mit großer Vorfreude auf das Wiedersehen mit ihm, sondern auch in der „Gewißheit“ entgegengesehen, daß sie in „totaler geistiger Übereinstimmung mit ihrem über alles geliebten Kind regieren werde (d. h., daß sie über die ganze Macht verfügen würde). […] sie ahnte nicht, daß er ihr das grausame

14  Vgl. dazu Kap. 8, S. 349. 15  Solnon, Catherine de Médicis, S. 291; Abbé Alban Cabos, Guy du Faur de Pibrac: un magistrat poète au XVIe siècle (1529–1584), Paris 1922; ders., Un essai de propagande française à l’étranger au XVIe siècle: l’apologie de la Saint-Barthélemy par Guy du Faur de Pibrac, Paris 1922; Pernot, Henri III, S. 88, 132, 135 ff., 143 ff., 147, 172, 188, 262, 268. 16  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 553–559; Crouzet, Catherine de Médicis, S. 581 f.

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Mißvergnügen bereiten werde, sie aus dem Machtzentrum zu entfernen. Das wurde für sie die bittere Überraschung des Wiedersehens.“17 Nicht ganz so dezidiert, aber gleichwohl ähnlich wie Orieux argumentiert Raphaël Dargent, wenn er im Zusammenhang mit dem Herrschaftsantritt Heinrichs III. feststellt: Heinrich zeigt vor allem einen Willen, selbst zu regieren; er erweist sich als gewissenhafter Arbeiter. Aber Katharina muß alsbald die Kehrseite der Medaille entdecken. Wenn Heinrich beabsichtigt, selbst zu regieren, dann vor allem deshalb, um sich von seiner Mutter zu emanzipieren! Deshalb trennt er sich bei seinen ersten personellen Maßnahmen von den Beratern Katharinas […], um seine in die entsprechenden Positionen zu bringen, Pomponne de Bellièvre und den Grafen von Cheverny […].“18

Sinngemäß bezieht Simone Bertière dieselbe Position, wenn sie schreibt: Sie hat ihm geraten, die Zügel der Macht in die eigenen Hände zu nehmen. Sie ist das erste Opfer dieses Rates. Er ist es, der entscheidet, und er läßt es sie spüren. Unter Karl IX. übte faktisch sie die souveräne Macht aus. Zukünftig ist sie nur noch der ‚Prinzipalminister‘ Heinrichs III.19

Die von Heinrich III. unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Frankreich auf Initiative von Katharina durchgeführte Reform und personelle Reorganisation des Conseil du Roi sowie die auch während seiner Herrschaft zu beobachtende enge Kooperation mit seiner Mutter bei der Regierung Frankreichs lassen die soeben dargelegten Charakterisierungen der politischen Rolle und ihrer Position im Kreis der Hauptakteure nicht zu. Bis in das Krisenjahr 1588, in dem Katharina fast siebzig Jahre alt war und in zunehmendem Maße mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, war und blieb sie eine zentrale und mitentscheidende Persönlichkeit, die einen nicht zu unterschätzenden Anteil an den politischen Entscheidungsprozessen und an der Gestaltung der Geschicke Frankreichs hatte. Sie spielte ohne jeden Zweifel eine mitlenkende Rolle im Zentrum der Macht. 17  „Au fond, l’espoir du prompt retour d’Henri et la certitude qu’elle allait gouverner en totale communion d’esprit avec son enfant chéri (c’est-à-dire qu’elle disposerait de tout le pouvoir) la consolaient assez vite de la mort de Charles IX. Elle bouillait d’impatience, elle se demandait combien de temps il lui faudrait encore attendre cet être merveilleux. […] mais elle ne se doutait pas qu’il lui donnerait aussi le cruel déplaisr de l’écarter du pouvoir. Telle fut l’amère surprise des retrouvailles.“ Orieux, ­Catherine de Médicis, S. 564. 18  „Surtout, Henri montre une volonté de gouverner par lui-même; il s’avère appliqué et travailleur. Mais Catherine ne tarde pas à découvrir le revers de la médaille. Si Henri entend gouverner par lui-même, c’est d’abord pour s’émanciper de sa mère! Aussi, lors des premières nominations, Henri III se sépare des conseillers de Catherine […] pour promouvoir les siens propres, Pomponne de Bellièvre et le comte de Cheverny […].“ Dargent, Catherine de Médicis, S. 272. 19  „Elle [Catherine de Médicis] lui [Henri III] a conseillé de prendre personnellement les rênes du pouvoir? Elle en est la première victime. C’est lui qui décide, et il le lui fait sentir. Sous Charles IX elle exerçait en fait le pouvoir souverain. Elle n’est plus désormais que le ‚principal ministre‘ de Henri III.“ Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 303.

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Jean-François Solnon gelangt auf der Basis seiner Forschungen zu einer wesentlich differenzierteren Beurteilung des politischen Agierens Katharinas während der Jahrzehnte nach der Thronbesteigung Heinrichs III., wenn er resümierend konstatiert: Heinrich war ein guter Sohn. Er liebte und bewunderte seine Mutter. Er brauchte sie, und sie wird stets an seiner Seite sein. Aber von nun an war er der Gebieter, zwar bereit, sich ihre Ratschläge ernsthaft anzuhören, ohne sich zu deren Gefangenem zu machen. Ihren Empfehlungen durchaus aufmerksames Gehör schenkend, lehnte er es indessen ab, diese als verpflichtend und ihn bindend zu betrachten. Das bemerkte Katharina sehr bald: sie half ihrem Sohn zu regieren; sie beherrschte ihn nicht.20

Kann man Solnon bei dieser Beurteilung der politischen Position und der Teilhabe Katharinas an den Regierungsgeschäften im wesentlichen zustimmen, so ist dessen an anderer Stelle seiner Biographie getroffene Feststellung, sie sei für Heinrich III. „nur eine Art Prinzipalminister“21 gewesen, zumindest diskutabel. Gleiches gilt für Simone Bertière, die diesen Begriff ebenfalls mit Bezug auf die Königinmutter verwendet.22 Mit diesem Begriff charakterisiert man – unter Rekurs auf eine zeitgenössische Terminologie – zu Recht die politische Position und das politische Handeln des Kardinals Armand Jean du Plessis de Richelieu unter Ludwig XIII. und des Kardinals Jules Mazarin während der Minderjährigkeit Luwigs XIV. und danach bis 1661.23 Seit dem Ministeriat Richelieus (1624–1642) fand der Titel Prinzipalminister (ministre principal) mehr und mehr Eingang in die amtliche Bezeichnung für den Leitenden Minister des französischen Königs. Mit dieser Titulatur wollte man die dirigierende und führende Position eines Ministers begrifflich fassen, die dieser nicht nur im Conseil du Roi, sondern auch sonst im Königreich erlangt hatte. Der Prinzipalminister war jedoch stets von der Gnade des Königs abhängig und war sich dessen auch bewußt. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang aber zu betonen, daß es sich bei den Prinzipalministern Richelieu und Mazarin und auch bei jenen der folgenden Jahrzehnte nicht um engste Mitglieder der Königsfamilie und schon gar nicht um eine Königin und Mutter eines herrschenden Königs gehandelt hat. Auf Grund dieses Tatbestandes wird man die politische Position, die Katharina zur Zeit Heinrichs III. innehatte und die politisch zentrale Rolle, die sie in jenen Jahrzehnten gespielt hat, nicht als diejenige „einer Art Prinzipalminister“ charakterisieren können.

20  „Henri était bon fils. Il aimait et admirait sa mère. Elle lui était nécessaire et elle sera toujours à ses côtés. Mais désormais il était le maître, prêt à entendre ses conseils mais sans en être prisonnier. Attentif à ses recommandations, il refusait de les recevoir comme des obligations. Catherine allait s’en apercevoir sans tarder: elle aidait son fils à gouverner; elle ne le gouvernait pas.“ Solnon, Catherine de Médicis, S. 289. 21  „Elle n’était qu’une sorte de principal ministre.“ Solnon, Catherine de Médicis, S. 332. 22  Vgl. Anm. 19. 23  Vgl. dazu Malettke, Die Bourbonen, Bd. 1, S. 95 f.; 132–140; Malettke, Richelieu, S. 305–317.

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Völlig zu Recht hat der herausragende Kenner der französischen Geschichte der Frühen Neuzeit und ausgewiesene Biograph Katharinas Denis Crouzet konstatiert, daß die Behauptung, Heinrich  III. habe seine Mutter politisch entmachtet und ihr nur noch eine sekundäre Rolle bei der Regierung des Landes zugebilligt, der Realität nicht gerecht wird. Die Rückstufung auf eine in politischer Hinsicht zweitrangige Position sei nur eine scheinbare gewesen.24 Katharina hat sich auch unter Heinrich III. mit dessen Wissen und in der Regel auf dessen ausdrückliche Bitten unermüdlich engagiert, um zur Erhaltung der Autorität des Königs zwischen den Parteiungen zu vermitteln und um die verschiedenen Faktionen zu neutralisieren. Sie intervenierte kontinuierlich selbst oder dank ihrer Repräsentanten im Conseil du Roi sowie mit Hilfe ihres Netzes treuer Gefolgsleute – wie z. B. der Staatssekretäre Villeroy, Pinart und Brûlart –, um Probleme zu lösen oder eskalierende Konflikte, mit denen sich die Krone immer wieder konfrontiert sah, zu lösen, einzuhegen oder um zumindest einen Zeitgewinn zu erreichen. Es war Katharina, die nach einem Treffen des Königs mit seinem jüngeren Bruder, welches sie in Chambord organisiert hatte, schließlich im Mai 1576 den Frieden von Beaulieu ausgehandelt und zustande gebracht hatte. Mit diesem Friedensschluß konnte der Fünfte Bürgerkrieg beendet werden.25 Erneut war sie es, die im Februar 1579 mit Heinrich von Navarra die Konvention von Nérac schloß.26 Es war wiederum Katharina, die trotz ihres fortgeschrittenen Alters vom August 1578 bis November 1579 die Mühen und Belastungen einer rund 16 Monate dauernden Rundreise durch den Midi Frankreichs auf sich nahm, um die sich im Languedoc, in der Provence und im Dauphiné manifestierende krisenhafte Zuspitzung der dortigen Gegebenheiten zu entschärfen und jene Regionen so weit wie möglich zu befrieden27 – um nur diese Beispiele hier zu erwähnen. Wenn es bei ihren politischen Unternehmungen auch manchmal zu Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Sohn kam, dann handelte es sich bei ihnen nicht um unüberwindliche Differenzen. Oft genug entsprachen diese einer von Katharina häufig schon in der Vergangenheit angewandten Taktik, um ihre jeweiligen Gesprächs- bzw. Verhandlungspartner zu täuschen oder diese zum Einlenken zu veranlassen. Ganz bewußt setzte sie das Mittel politischer Ambivalenzen ein, um sich von ihrem jeweiligen Gegenüber nicht auf eine bestimmte Position festlegen zu lassen. Damit gelang es ihr immer wieder, sich Handlungsoptionen zu bewahren oder neue zu eröffnen. Auf der Basis dieser Fakten und der dargelegten Argumente kann man wohl mit einiger Berechtigung schlußfolgern, daß es sich beim politischen Agieren Katharinas und Heinrichs  III. in der Regel um eine sehr enge Kooperation, um eine spezifische Form 24  „La secondarisation politique de la reine-mère sous le règne d’Henri III n’est qu’apparente.“ Crouzet, Catherine de Médicis, S. 581. 25  Nähere Einzelheiten dazu auf S. 308 ff. 26  Vgl. dazu S. 319 ff. 27  Vgl. dazu S. 318–321.

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einer Doppelherrschaft, eines Duumvirats bzw. einer Dyarchie, gehandelt hat. Dagegen spricht keineswegs, daß sie ihren Sohn stets und detailliert über ihr Handeln und Wirken informiert und bei Entscheidungen von zentraler politischer Bedeutung zuvor dessen Plazet eingeholt hat. Das tat sie zumeist auch dann, wenn sie vom König mit allen Handlungs- und Entscheidungsvollmachten ausgestattet worden war. Daß sie stets betonte, im Namen des Königs zu agieren und zu verhandeln, entsprach ganz der damaligen Praxis und kann nicht als Argument gegen die Verwendung des Begriffes Duumvirat verwendet werden. Als Heinrich III. seine Herrschaft in Frankreich antrat, hatte sich der Charakter des Bürgerkriegs gewandelt. Es handelte sich nicht mehr so sehr um einen Kampf der Krone und der Katholiken gegen die Partei der Reformierten, sondern um eine politisch und militärisch geführte Auseinandersetzung zwischen der Krone – verkörpert durch Heinrich  III., der sich als absoluter König verstand – und einem Block dissidierender Provinzen. Heinrich  III. und Katharina konnten und wollten diese offene Infragestellung der Autorität der Krone nicht dulden. Beide waren zwar zu einem Entgegenkommen gegenüber den Hugenotten bereit, als Vorbedingung verlangten sie aber von diesen ihre Unterwerfung. Dazu waren diese aber nicht bereit. Sie waren und blieben sich ihrer Widerstandsfähigkeit bewußt und dies insbesondere, als es schließlich zu einem förmlichen Zusammenschluß zwischen den hugenottischen Konföderierten und dem jüngeren Bruder des Königs, dem Dauphin und Herzog von Alençon, gekommen war. Alençon verfolgte eigene politische Ambitionen und fühlte sich von seinem älteren Bruder zurückgesetzt, zumindest nicht gebührend beachtet. Er wurde der Anführer der sog. „Unzufriedenen“, der „Malcontents“, also insbesondere jener Adliger, die mit der Politik Heinrichs III. nicht einverstanden waren und sich bei der Vergabe von Chargen, Benefizien und Pfründen nicht angemessen berücksichtigt fühlten. Alle diese Faktoren hatten eine Verschärfung des im November 1574 wieder ausgebrochenen Bürgerkrieges, des „Fünften“ (1574–1576), zur Folge. Ein Indiz für die Zunahme der inneren Spannungen und für die wachsende Kritik an der Politik Katharinas stellte das Anwachsen von Flugschriften und Pamphleten dar, zu deren Zielscheibe sie mehr und mehr wurde. Die heftigsten Attacken führte der anonyme Autor des im Sommer 1574, wohl nicht zufällig während ihrer Regentschaft und vor der Rückkehr Heinrichs III. nach Frankreich, veröffentlichten und alsbald in der Monarchie weit verbreiteten Pamphlets, das unter folgendem Titel erschien: „Vortreffliche Rede über das Leben, das Handeln und das schlechte Betragen von Katharina von Medici, der Königinmutter, in der die Mittel dargelegt werden, derer sie sich bedient hat, um die Regierung des Königreiches Frankreich zu usurpieren und dessen Zustand zu ruinieren“.28

28  Im Original: Discours merveilleux de la vie, actions et deportements de Catherine de Medicis royne mere auquel sont recitez les moyens qu’elle a tenu pour usurper le gouvernement du royaume de France et ruiner l’estat d’icluy.

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Schon im Titel wurden die Hauptvorwürfe und Anschuldigungen genannt, die in diesem Pamphlet detailliert ausgebreitet wurden. Intrigen, Doppelzüngigkeit und Verrat seien die von Katharina bevorzugten Mittel, derer sie sich bei ihrer Regierung bedient habe und ständig bediene. Sie habe ihren Kindern keine gute Erziehung angedeihen lassen, ja, sie habe sie absichtlich zur Passivität erzogen, um deren Energie frühzeitig zu brechen und um an ihrer Stelle regieren zu können. Für die Massaker der Bartholomäusnacht sei sie allein verantwortlich. Sie schüre innere Unruhen, um ihre Macht zu vergrößern. Diese Frau sei gewissenlos und nicht religiös.29 Wenn sie gegenüber den Hugenotten Nachsicht übe, dann geschehe das nur aus Eigennutz (pour son bien particulier). Und wenn sie dann gegenüber den Katholiken eine Kehrtwende vollziehe, dann tue sie das nur, um sich an den Reformierten zu rächen. Ihr politischer Lehrmeister sei der italienische Politiker und Historiker Niccolò Machiavelli. In seinem 1513 erschienenen, epochemachenden Werk „Il principe“ (Der Fürst) zeichnete er auf Grund seiner eigenen Erfahrungen in Florenz ein pessimistisches Menschenbild. Für ihn bestimmte sich staatliche Ordnung ausschließlich nach Maß und Kraft des Menschen selbst. Ausgangspunkt war darum auch nicht mehr irgendeine als bekannt vorausgesetzte und nur mehr interpretierbare geistliche Vorschrift, wie die Welt in gerechter Weise geordnet sein sollte. Sie war unbekannt. Dagegen waren wenigstens bis zu einem gewissen Grad einsichtig die vom Menschen selbst ausgegangenen Dinge. Darum konnte Gewißheit auch nur in der Durchleuchtung dessen errungen werden, was der Mensch vermag. In den Fragen dieser Welt stand da die Rationalität der alle Ordnung tragenden Macht im Vordergrund. Sie hat Gesetzlichkeiten. Folglich stellen diese erkennbaren Gesetzlichkeiten auch das Wesentliche dar.30

Die Macht war für ihn ein konstitutionelles Element der Politik. Im Rahmen der Staatsnotwendigkeit, zur Erhaltung der Macht, erachtete er den Rekurs des Fürsten auf skrupellose Mittel, auf die des „Bösen“, als ethisch gerechtfertigt (Machiavellismus). Sein „Principe“ war insbesondere für jene Fürsten konzipiert, die sich ihre Macht erst erkämpfen mußten und sich danach mit den vielfältigen Problemen konfrontiert sahen, die einmal errungene Machtposition dauerhaft zu sichern und zu festigen. Letztlich bedeutete das: Machterhalt unter extremen Bedingungen. Dazu war der Gebrauch fast aller Mittel gestattet.31 Um ihre Missetaten zu begehen, so fuhr der anonyme Autor fort, habe Katharina eine Reihe von italienischen Helfershelfern um sich geschart: den schon genannten Birague32, den ebenfalls schon erwähnten Strozzi, Louis de Gonzague, duc de Nevers (1539–1595) 29  „sans conscience et sans religion“. 30  Engel, Von der spätmittelalterlichen respublica zum Mächte-Europa der Neuzeit, S. 41. 31  Vgl. dazu Appel, Katharina von Medici, S. 237–273; Volker Reinhardt, Machiavelli oder: Die Kunst der Macht. Eine Biographie, München 2012. 32  Kap. 8, S. 294 f.

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und Albert de Gondi (1522–1602). Diese seien ihre Komplizen, sie plünderten die Staatskassen aus und stünden für jede Schandtat zur Verfügung. Sie würden sie dabei unterstützen, die Angehörigen alter hochadliger Familien von den hohen Chargen der Krone und von den Staatsämtern fernzuhalten. Letztlich ginge es Katharina nicht allein um die Eliminierung der Hugenotten, sondern aller Großen der Monarchie. Um das zu verhindern, gäbe es nur eine Möglichkeit: eine Koalition „aller guten und legitimen Franzosen, sowohl der einen als auch der anderen Religion“.33 Hinter diesem Vorschlag verbarg sich also das Projekt eines Zusammenschlusses zwischen den Malcontents, zu denen in führender Position auch der Herzog von Alençon und der Gouverneur des Languedoc, der Herzog und Marschall Henri de Montmorency-Damville gehörten, mit den Hugenotten und deren Anführern.34 Katharina von Medici hatte dieses Pamphlet ebenso gelesen wie den ebenfalls 1574 publizierten „Le Reveille-matin des Français“.35 Sie soll bei deren Lektüre gelacht und sich über die darin ausgebreiteten Vorwürfe mokiert haben. Diese Pamphlete waren sogar Gegenstand von Beratungen im Staatsrat. Dieser habe ihr geraten, gegen deren Autoren und die Inhaber der Druckereien, die diese Flugschriften gedruckt und verbreitet hatten, vorzugehen. Es spricht für Katharina, daß sie diesem Ratschlag nicht folgte, denn ihr war offensichtlich klar, daß ein derartiges Vorgehen diesen Machwerken nur noch mehr Aufmerksamkeit schenken würde.36 Wie in dem „Discours merveilleux“ mehr oder minder deutlich gefordert, kam es tatsächlich zu einem engen Zusammenschluß zwischen den Hugenotten und den Malcontents. Montmorency-Damville, den Katharina seines Postens als Gouverneur des Languedoc enthoben hatte, weigerte sich erfolgreich, dieser Entscheidung Folge zu leisten. Bei einem Treffen Heinrichs III. mit dem Marschall in Turin war der neue König mit Montmorency-Damville relativ glimpflich verfahren, weil er dessen politische und militärische Unterstützung gegen die im Midi rebellierenden Hugenotten zu erreichen hoffte. Bereits im Juli 1574 hatte die Versammlung der Reformierten in Millau Heinrich von Condé, dem zuvor die Flucht aus seiner Gefangenschaft am Königshof gelungen war, zum „Chef, Generalgouverneur und Protektor aller Kirchen Frankreichs“ gewählt.37 Noch gefährlicher für die Autorität des Königs entwickelten sich die Vorgänge im Midi insofern, als sich deren militante Anführer berechtigte Hoffnungen auf eine effektive Unterstützung durch den jüngeren Bruder des Königs machen konnten. Dessen gespannte Beziehungen zum König und dessen politische Ambitionen waren ihnen bekannt. Die 33  „bons et légitimes Français, tant d’une que d’autre religion“. 34  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 397 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 292–295; Dargent, Catherine de Médicis, S. 272 f.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 264 ff. 35  Der Wecker der Franzosen und ihrer Nachbarn, verfaßt von Eusebius Philadelphus; im Original: Le Reveille-matin des Français et de leurs voisins composé par Eusèbe Philadelphe. 36  Solnon, Catherine de Médicis, S. 294; Pernot, Henr III, S. 157 f. 37  „[…] chef, gouverneur général et protecteur de toutes les églises de France“. Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 281 ; vgl. auch Kap. 7, S. 284.

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Lage für die Krone spitzte sich weiter zu, als Alençon am 15. September 1575 ohne Genehmigung Heinrichs III. den Hof verlassen und damit in aller Öffentlichkeit demonstriert hatte, daß er gegen dessen Politik und das Agieren seiner Mutter opponierte. Bereits rund ein Jahr zuvor, am 13. November 1574, hatte Montmorency-Damville seinen offenen Bruch mit dem König verkündet.38 Zwei Monate später, am 10. Januar 1575, schlossen er und die Hugenotten in Nîmes einen „Unionspakt“ (pacte d’union).39 Die Flucht Alençons, des Dauphins, kam einer offenen Rebellion gleich, auch wenn er in seiner Deklaration vom 18. September 1575 seine Loyalität gegenüber dem König zu betonen bemüht war. Auf jeden Fall stärkte dieser unerhörte Vorgang die Front der Gegner des Königs und der Politik Katharinas. Der Bürgerkrieg erfuhr damit eine weitere Verschärfung. In seiner Deklaration vom 18. September 1575, deren Abfassung dem hugenottischen Juristen Innocent Gentillet zugeschrieben wird, erinnerte Alençon daran, daß er „Sohn und Bruder von Königen sowie Erster Pair von Frankreich“40 und deshalb berechtigt sei, sich in den Dienst der „öffentlichen Sache“ (cause publique) zu stellen. Im einzelnen wurden in dieser Erklärung Themen aufgegriffen, die bereits in den von Heinrich von Condé und Montmorency-Damville publizierten Manifesten eine zentrale Rolle gespielt hatten. Besonders heftig wurden die Ausländer am Hof attackiert, die für die exzessive Besteuerung der Franzosen und für alle anderen Übel in der Monarchie verantwortlich gemacht wurden. Diese Angriffe richteten sich in erster Linie gegen Katharina und deren Berater italienischer Herkunft. Alençon plädierte des weiteren für die Einberufung eines „heiligen und freien Konzils“, auf dem eine Lösung für die konfessionelle Spaltung des Landes gefunden werden sollte. Er griff damit wieder eine Idee auf, die schon zu Beginn der 1560er Jahre von Katharina sehr engagiert propagiert worden war, deren Realisierung sich aber als unrealistisch erwiesen hatte.41 Alençon forderte außerdem die Einberufung der Generalstände.42 Katharina hatte zunächst aus Gründen der Staatsräson dafür plädiert, gegen die offene Rebellion im Midi entschieden und unter Einsatz von Waffengewalt vorzugehen. Offene Rebellion und der Griff zu den Waffen gegen die Autorität des Königs war sie nicht bereit, hinzunehmen. Sie ließ sich in solchen Fällen erst dann zu Verhandlungen herbei, wenn militärische Mißerfolge und politisch-finanzielle Rückschläge es unbedingt erforderlich machten. Außerdem setzte sie 1574/1575 auf die militärischen Fähigkeiten Heinrichs III., die er in früheren Schlachten unter Beweis gestellt hatte.43 Durchschlagende militärische Erfolge der königlichen Truppen blieben dann aber aus. Kriegentscheidende 38  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 386; Solnon, Catherine de Médicis, S. 296–299; 302; Dargent, Catherine de Médicis, S. 275 f.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 283; Pernot, Henri III, S. 191–194. 39  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 382 f. 40  „fils et frère de rois, premier pair de France“. 41  Vgl. Kap. 6, S. 164–172. 42  Pernot, Henri III, S. 193 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 303; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 285; Dargent, Catherine de Médicis, S. 275 f. 43  Vgl. Kap. 7, S. 248–251.

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Siege konnten nicht errungen werden. Hinzukamen gravierende Probleme bei der Finanzierung der Truppen des Königs. Katharina und Heinrich III. sahen sich deshalb zu Verhandlungen gezwungen, um die Front der Gegner zu spalten und um schließlich eine Beendigung des Fünften Bürgerkrieges zu erreichen. Katharina war offenbar überzeugt, daß sie bei ihren diesbezüglichen Bemühungen bei ihrem Sohn, Franz von Alençon, am ehesten erfolgreich sein werde. Deshalb nahm sie Kontakt zu ihm auf, um mit ihm Gespräche zu führen und ihn zum Einlenken zu bewegen. Eskortiert von fünfzig Berittenen begab sie sich nach Chambord, an der Loire, wo am 30. September 1575 ein erstes Treffen mit ihrem Sohn stattfand. Bei diesem Treffen kam es noch nicht zu einer Einigung, obwohl Katharina erneut alle Register ihrer Verhandlungstaktik und Überredungskunst zog. Daraufhin schlug sie am 5. Oktober Heinrich III. vor, der Forderung Alençons nachzugeben, und die verhafteten Marschälle – unter ihnen den Marschall François de Montmorency – freizulassen. Wie ernst es ihr in Anbetracht der gefährlichen Lage war, in der sich die Monarchie damals nach ihrer Überzeugung befand, belegen folgende Zeilen, die sie an diesem Tag an Heinrich III. aus Blois schrieb: In erster Linie geht es darum, Frieden zu haben und den Gehorsam aller Eurer Untertanen zu erreichen. So lange der Krieg andauert, werdet Ihr weder das eine noch das andere haben. Infolgedessen brauchen wir Frieden. Um ihn zu erringen, darf nichts unterlassen werden, auf Grund der Lage, in der Ihr Euch befindet […]. Mir scheint, es reicht nicht aus, diese Marschälle aus dem Gefängnis entlassen zu haben. Man muß diese auch für die eigene Sache gewinnen. Es ist jetzt nicht mehr an der Zeit, zu sagen, ich will mich weder zwingen noch verstellen. Man muß alle Möglichkeiten nutzen.44

Am 11. Oktober entsprach der König insofern der eindringlichen Aufforderung seiner Mutter, als er dem Marschall Montmorency auch den Sitz im Conseil du Roi und sein Domizil im Louvre restituierte. Montmorency erklärte sich daraufhin bereit, ebenfalls als Vermittler zwischen dem König und Alençon zu fungieren. Am 23. Oktober stimmte er sich diesbezüglich mit Katharina ab. Drei Tage später traf der Marschall mit dem jüngeren Bruder des Königs in Châtillon-sur-Indre zusammen. Die Verhandlungen, bei denen Katharina eine entscheidende Rolle spielte, zogen sich über mehrere Wochen hin, weil jede Partei noch nicht die Hoffnung aufgegeben hatte, ihre militärische Position entscheidend verbessern zu können. Schließlich einigte man sich am 8. November 1575 auf 44  [5. Oktober 1575] „Au Roy Monsieur mon fils, Roy de Pologne. Monsieur mon fils, […] yl fault premièrement avoyr la paix et l’entière aubéisance de tous vos sugés, laquele, tent [tant] que la guerre durera, vous n’avés ni n’aurés; donc yl faut la pays [paix], pour laquele avoyr il ne fault rien omettre veu les termes en quoy vous aytes [vu la situation dans laquelle vous êtes] […] Yl me semble que ce n’et [est] pas assez d’avoyr mis hor de prison ces mareschaulx, més yl fault, puisqu’insin ayst, que lé guagnié [qu’il faut les gagner] et n’é pas temps de dire: je ne puis contreindre ni dissimuler; y le fault à ce coup s’eyder de tout. [Il n’est plus le temps de dire: je ne me puis contraindre ni dissimuler. Il faut s’aider de tout]. De Bloys, cet Ve octobre 1575. Vostre bonne et afectioné mère, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médici, publiées par M. le Cte Hector de La Ferrière, Bd. V (1574–1577), Paris 1895, S. 147 ff.

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eine siebenmonatige Waffenruhe (November 1575–Juni 1576). Der Waffenstillstand, der im Schloß von Champigny-sur-Eude geschlossen wurde, sollte am 24. Juni 1576 auslaufen. Die in Champigny erzielte Einigung wurde am 21. November vom König ratifiziert.45 In dem Abkommen verpflichteten sich die Vertragschließenden, sich nach Kräften um einen definitiven Friedensschluß zu bemühen. Dieses Abkommen enthielt aber einige Klauseln, die die Handlungsspielräume des Königs beträchtlich begrenzten. Während er konzediert hatte, mit Ausnahme der Schweizergarde alle ausländischen Truppen, die er für sich hatte rekrutieren können, zu entlassen, rüsteten die „Konföderierten“ nicht ab. Außerdem gewährte Heinrich III. ihnen eine Reihe von Sicherheitsplätzen, in denen sie eigene Garnisonen unterhalten durften. Es waren dies Angoulême, Niort, Bourges, Saumur und La Charité-sur-Loire, die an „Monsieur“, Franz von Alençon, fielen. Die an der Grenze der Champagne zu den Niederlanden liegende Stadt Mézières wurde Heinrich von Condé konzediert. In diesen Städten sollte die öffentliche Ausübung reformierter Gottesdienste und anderer hugenottischer religiöser Aktivitäten gestattet sein. Alençon wurde außerdem eine persönliche Garde von 2.000 Soldaten auf Kosten des Königs gewährt. Trotz dieser für ihn sehr vorteilhaften Abmachungen war Monsieur aber nicht bereit, an den Hof zurückzukehren. Er und seine Getreuen verbrachten den Winter in Charroux im Poitou.46 Die Umsetzung der Regelungen der Waffenruhe erwies sich – wie kaum anders zu erwarten – als schwierig. Zuerst weigerten sich die dem Herzog von Alençon überlassenen Städte, dessen Truppen als Garnison zu akzeptieren. Außerdem lehnten es die Gouverneure von Angoulême und Bourges ab, ihre Posten ohne entsprechende Entschädigung zu verlassen. Trotz allen Einsatzes des Marschalls François von Montmorency und anderer konnte Alençon auch die ihm als Sicherheitsplätze zur Verfügung gestellten Städte Niort und Saumur zum 1. Januar 1576 nicht unter seine Kontrolle bringen. Weil weder Condé, der sich damals ins Reich begeben hatte, noch der Herzog und Marschall Henri de Montmorency-Damville, der es zu seiner Sicherheit vorgezogen hatte, sein Gouvernement nicht zu verlassen, an den Verhandlungen beteiligt gewesen waren, die zum Abschluß des Waffenstillstandes geführt hatten, standen sie den Vereinbarungen sehr kritisch gegenüber. Condé und der deutsche Söldnerführer, der Pfalzgraf Johann Kasimier, der auf seiten der Rebellen gekämpft hatte, verlangten totale Kultfreiheit für alle französischen Hugenotten. Montmorency-Damville setzte seine militärischen Operationen insbesondere im Vivarais fort. In Anbetracht dieser Probleme und Widerstände glich die Implementierung der dank des entschiedenen Engagements Katharinas zwischen Alençon und dem Marschall François von Montmorency geschlossenen Waffenruhe einer Quadratur des Kreises.

45  Pernot, Henri III, S. 196 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 304 f.; Pardaillem, Catherine de Médicis, S. 285–288; 46  Pernot, Henri III, S. 197.

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Ende Dezember 1575 erreichte die Armee, die Condé für sich hatte mobilisieren können, eine Größe von rund 21.000 Mann, die dann in Richtung Frankreich marschierte. Am 2. Januar 1576 überschritt sie die Mosel bei Charmes. Dort versuchten Alençon und königliche Emissäre letztmalig, Heinrich von Condé zur Beendigung seiner Offensive zu bewegen. Dessen Antwort war eine kategorische Ablehnung. Ende 1575/Anfang 1576 vollzog auch Alençon eine Kehrtwende. Als Grund nannte er, daß man am 26. Dezember 1575 versucht habe, einen Giftanschlag auf ihn auszuüben. Sehr wahrscheinlich war dies aber nur ein Vorwand. Realiter war es wohl Henri de Montmorency-Damville gelungen, ihn davon zu überzeugen, daß er sich bei den Waffenstillstandsverhandlungen getäuscht habe. Damville forderte durch einen Emissär Alençon auf, zu ihm ins Languedoc zu kommen, sich Condé anzuschließen und gemeinsam mit ihm in Richtung Paris zu marschieren. Am 3. Januar 1576 kam es in der Nähe der Loire-Quellen zu einem Treffen zwischen Montmorency-Damville und Alençon, in dem letzterer veranlaßt werden konnte, seine Truppen mit jenen der Rebellen zu vereinigen.47 Unter dem Einfluß seiner engeren Umgebung legte auch Heinrich III. keine Eile an den Tag, seine im Waffenstillstandsvertrag zugesagten Konzessionen einzuhalten – im Gegenteil. Insofern trug auch er wesentlich zum Aufkommen neuer Spannungen bei. Davor hatte ihn aber bereits Ende November 1575 seine Mutter gewarnt. In einem langen Memorandum hatte sie ihm unter anderem unmißverständlich folgendes geraten: Im Wissen, daß Ihr den Frieden dringender braucht als den Krieg, bittet die genannte Dame [also sie selbst] Seine Majestät, unverzüglich die Order zu erteilen, daß alles, was Sie Ihrerseits versprochen und gewährt haben, realisiert wird. Verschafft Sie sich nicht Gehorsam, riskiert Sie zum großen Bedauern der genannten Dame und aller Ihr Wohlgesonnenen die totale Verheerung und den völligen Ruin Ihres Königreiches.48

Weil Heinrich III. ihren dringenden Bitten nicht nachkam, wurde Katharina dann in der ersten Dekade des Dezembers 1575 noch deutlicher und drohte damit, sich zurückziehen zu wollen: Ich bitte Euch inständig, mich zu beurlauben und mich in Begleitung aufrichtiger Leute in die Auvergne [auf ihre Besitzungen] ziehen zu lassen, von wo ich, wenn Euch alle verraten und nicht gehorcht haben, Euch in guter Begleitung wieder aufsuchen werde, um Euch Gehorsam zu verschaffen und alle diese kleinen Unruhestifter zu bestrafen, denn ich sehe sehr 47  Pernot, Henri III, S.  199  f.; Solnon, Catherine de Médicis, S.  304  ff.; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 388. 48  [Ende November  1575] „Mémoire de la Royne-Mère au Roy […] La dicte Dame prie Sa Majesté, congnoissant [sachant] combien la paix luy est plus nécessaire que la guerre, de donner ordre promptement que ce qui esté promis et accordé de son cousté [côté] soyt effectué, sans qu’il y soyt plus usé des longueurs, remises et difficultez, comme l’on a fait jusqu’icy, ne voyant point s’il ne se faict aultrement obéyr, qu’il puisse attendre qu’une totalle désolation et ruyne de son royaume, au grand regret de la dite Dame et de tous ceux qui lui sont affectionnés.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. V (1574–1577), S. 166 ff.

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wohl, daß sie Euch verraten und täuschen. Verzeihen Sie mir, wenn das, was ich Ihnen sage, nicht wahr ist.49

Zur angedrohten Abreise Katharinas kam es jedoch nicht, denn die weiteren Ereignisse und Entwicklungen bewiesen dem König, daß seine Mutter recht hatte. Ihre Verstimmung war also nur von kurzer Dauer. Heinrich III. wußte sehr genau, daß er auf deren politische Fähigkeiten und Erfahrungen sowie auf deren Verhandlungsgeschick angewiesen war und blieb. Deshalb war sie es, die im Mai 1576 den Frieden von Beaulieu aushandeln und zustande bringen sollte.50 Die Lage spitzte sich für die Krone weiter zu, als es Heinrich von Navarra am 3. Februar 1576 gelang, vom Hof des Königs, wo er bis zu diesem Zeitpunkt noch immer überwacht worden war, zu fliehen. Es gibt gewichtige Indizien, daß er kühl kalkulierend die Entwicklung der Dinge beobachtet hat, um den günstigsten Augenblick für seine Flucht zu nutzen. Ob Katharina dessen Flucht insgeheim begünstigt hat, wie gelegentlich vermutet wurde51, läßt sich mangels zuverlässiger Quellenbelege nicht beweisen. Völlig auszuschließen ist diese Vermutung aber nicht, denn das Auftauchen des Béarners bei seinen Glaubensgenossen konnte bei diesen Verwirrung stiften, was der Sache der Krone durchaus dienlich war. Tatsächlich wurde Heinrich von Navarra wegen seines recht freizügigen Lebenswandels und seines undurchsichtigen Verhaltens am Königshof in den Jahren zuvor nicht nur von den Anführern der Hugenotten mit einigem Argwohn und Mißtrauen beobachtet. Unmittelbar nach seiner gelungenen Flucht ließ Heinrich von Navarra durch zwei Boten dem König ausrichten, daß er wegen der permanenten Erniedrigungen und Demütigungen, denen er ausgesetzt gewesen sei, den Hof verlassen habe und nunmehr frei sein wolle. Indessen versicherte er Heinrich III., ihm gleichwohl in Treue ergeben zu bleiben. Der König antwortete – wohl auch in Abstimmung mit seiner Mutter – nicht nur höflich, sondern er folgte auch nicht dem Rat seiner Umgebung, die beiden Boten Navarras auf der Stelle exekutieren zu lassen. Vielmehr ließ er sie und auch noch andere zu Heinrich zurückkehren, wobei er sich ihrer als Überbringer seines Antwortschreibens bediente. Navarra vermied es zunächst, die Waffen gegen den König sprechen zu lassen. Vielmehr war er bemüht, das bei seinen Glaubensgenossen verlorene Vertrauen zurückzugewinnen, sich zielstrebig wieder eine eigene Machtbasis aufzubauen und den inzwischen 49  [8.–11. Dezember 1575] „Au Roy Monsieur mon fils. Monsieur mon fils, […] je vous suplie de me donner congé que je m’en elle [aille] en Auvergne et je auré dé jeans [j’aurai des gens] de bien avecques moy pour, quand tous vous auront tréy [trahi] et désobéi, vous venir trover si bien accompagnée, pour vous fayre haubéir et chatier lors cet petis [obéir et châtier alors ces petits] faiseurs de menées; car je voy bien qu’i vous tréise et vous trompet [qu’ils vous trahissent et vous trompent]. Pardonnez-moy, cet ne vous dis vray [si ce que je vous dis n’est pas vrai]. Vostre bonne et afectioné mère, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. V (1574–1577), S. 175. 50  Vgl. Kap. 8, S. 308 ff. 51  Solnon, Catherine de Médicis, S. 306.

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unter den Reformierten stark gewachsenen Einfluß Condés zu reduzieren. Eine der Voraussetzungen dafür war, daß er wieder zum reformierten Glauben zurückkehrte. Nach seiner Flucht ließ er aber einige Zeit verstreichen, bevor er diesen Schritt am 13. Juni 1576 öffentlich in Niort vollzog. Bei seinem Eintreffen in La Rochelle, an dessen Belagerung durch königliche Truppen er im Sommer 1573 teilgenommen hatte, wurde er nicht zuletzt auch deshalb von den Einwohnern dieser Hugenottenhochburg nicht gerade enthusiastisch empfangen. Es bedurfte der tatkräftigen Unterstützung seiner entschieden calvinistischen Schwester Catherine de Bourbon, um das dort Heinrich entgegengebrachte Mißtrauen schließlich abzubauen. Nachdem dieser sozusagen seine „Pilgerreise“ nach La Rochelle absolviert hatte, begab er sich in sein Gouvernement der Guyenne, in deren Stadt Agen er im August 1576 eintraf.52 Zu Beginn des Jahres 1576 verfügten die Konföderierten über beachtliche materielle und finanzielle Ressourcen, denn sie hatten bei der französischen Bevölkerung enorme Kontributionen eingetrieben. Ihre Armee erreichte schließlich eine Stärke von 30.000 Mann, nachdem sich die Truppen von Condé und Alençons Anfang März 1576 vereinigt hatten. Der jüngere Bruder des Königs hatte bereits im Januar 1576 öffentlich seine Absicht verlauten lassen, auf Paris zu marschieren. Da sich die politische Konstellation sowie die militärische und finanzielle Lage der Krone zugespitzt hatte, erklärte Heinrich III. am 4. März 1576 im Louvre: „Ich höre mit so großem Entsetzen, was man mir berichtet, und ich empfinde ein so großes Mitleid mit den von meinem Volk zu erduldenden Belastungen und Unterdrückungen, daß ich – um ihm Erleichterung zu verschaffen – mich entschieden habe, Frieden zu schließen, koste es, was es wolle, und müßte ich mich auch von der Hälfte meines Königreiches trennen.“53 Die offensichtlich kritische Lage, in der sich Frankreich befand, und die eindringlichen Appelle seiner Mutter, so schnell wie möglich Frieden zu schließen, hatten beim König ihre Wirkung nicht verfehlt. Es war wiederum Katharina, die schließlich die entscheidenden Verhandlungen führte, mit denen der Fünfte Bürgerkrieg einem Ende zugeführt werden konnte. Die finale Phase der Friedensverhandlungen vollzog sich in den Schlössern der Region von Sens, nachdem Katharina am 27. April 1576 in der Militärbasis von Alençon eingetroffen war und ihren Sohn zu einem schnellen Abschluß gedrängt hatte. Ihre sehr engagierten Bemühungen führten endlich am 6. Mai in Étigny, nahe bei Sens gelegen, zur Unterzeichnung des Friedensvertrages. Um die Beendigung des Krieges zu erreichen, mußte sie sich aber zu sehr schmerzhaften Konzessionen durchringen. Weil sie den immensen Forderungen Alençons – also von „Monsieur“ – hatte nachgeben müssen, nannte man diesen Frieden alsbald „paix de Monsieur“ (Friede des Monsieur). Am Tag nach der 52  Malettke, Heinrich IV., S. 96 f. 53  „J’ai si grand’horreur d’entendre les choses qu’on me mande, et si grande pitié de l’affliction et oppression de mon pauvre peuple, que pour y pourvoir, je me délibère d’avoir la paix et de la faire, voire à quelque prix que ce soit, et me dussé-je dépouiller de la moitié de mon royaume.“ Zitiert über Pernot, Henri III, S. 204.

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Unterzeichnung des Vertrages, am 7. Mai, wurden dessen zentrale Regelungen im Edikt von Beaulieu-lès-Loches vom König sanktioniert. Das als „ewig geltend und unwiderruflich“ erklärte Edikt von Beaulieu54 erfüllte den größten Teil der Forderungen der Konföderierten und der mit ihnen verbündeten Malcontents. Den Hugenotten gestattete es die Ausübung ihres Kultes in der Öffentlichkeit des ganzen Königreiches. Ausgenommen waren Paris und die jeweiligen Aufenthaltsorte des Hofes sowie dessen nähere Umgebung in einem Umkreis von sechs Meilen. Den Reformierten war erlaubt, Konsistorien und Synoden abzuhalten. Außerdem waren sie zu allen Chargen, Ämtern und Würden sowie zu allen Schulen, Kollegien, Universitäten und Hospitälern zuzulassen. Schließlich erhielten die Reformierten acht Sicherheitsplätze: Aigues-Mortes und Beaucaire im Languedoc, Périgueux und Le Mas-de-Verdun in der Guyenne, Nyons und Serres in der Dauphiné sowie Issoire in der Auvergne und Seyne-la Grand’tour in den Südalpen der Provence. Alle am Krieg aktiv beteiligten Hugenotten und „unierten Katholiken“ (catholiques unis, also die Malcontents) wurden amnestiert. Expressis verbis erklärte Heinrich  III. sein Bedauern über die Ereignisse der Bartholomäusnacht. Als Konsequenz dieses offiziellen Bedauerns wurden alle Witwen und Kinder der damals getöteten Opfer von der Besteuerung befreit. Coligny wurde rehabilitiert, so daß seine Kinder dessen konfiszierte Besitzungen wiedererlangten. In allen offiziellen Verlautbarungen sollte fortan die Bezeichnung „vorgeblich reformierte Konfession“ (religion prétendue réformée) Verwendung finden, wenn von den Angehörigen der neuen Konfession die Rede war. In einigen Punkten waren Katharina und Heinrich III. zu Konzessionen nicht bereit gewesen. Der katholische Kultus mußte überall dort wiederhergestellt werden, wo die Häresie beendet worden war. Die Hugenotten hatten dort alle kirchlichen Gebäude zu restituieren, die sie den Katholiken entwendet hatten. Sie mußten den Kirchenzehnten, die „dîme“, auch weiterhin an den katholischen Klerus entrichten und die traditionellen katholischen religiösen Feiertage sowie die damit verbundenen Verbote respektieren. Außerdem war es untersagt, diejenigen gerichtlich zu belangen, die sich im Rahmen der Ereignisse der Bartholomäusnacht an den damaligen Massakern aktiv beteiligt hatten. In Artikel 49 wurden der Herzog von Alençon namens des Königs als dessen „guter Bruder“ (bon frère) sowie Heinrich von Navarra und Heinrich von Condé als “gute Verwandte“ (bons parents) und schließlich Henri de Montmorency-Damville als „treuer Untertan“ ( fidèle sujet) ausdrücklich tituliert und aufgeführt. Sie alle hätten – hieß es dort weiterhin – nur im Interesse des Königs agiert. Die ihnen gewährten Pfründen und materiellen Vergünstigungen fanden allerdings nur in geheimen Artikeln ihren vertraglichen Niederschlag. Auf den Herzog von Alençon entfiel der Löwenanteil. Seine Apanage bestand nunmehr aus dem Anjou, der Touraine und dem Berry sowie aus der befestigten Stadt La Charité. Fortan führte er den offiziellen Titel eines Herzogs von Anjou (duc 54  „perpétuel et irrévocable“. Der Text dieses Ediktes ist vollständig publiziert in: André Stegmann (Hrsg.), Édits des guerres de Religion, Paris 1979, S. 97–120.

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d’Anjou). Heinrich von Navarra wurde der Besitz des Gouvernements der Guyenne und Montmorency-Damville jener des Gouvernements des Languedoc bestätigt. Heinrich von Condé wurde mit dem Gouvernement der Picardie und mit den Plätzen Péronne und Doullens ausgestattet. Der Pfalzgraf Johann Kasimier, der mit dem Erwerb von Metz, Toul und Verdun geliebäugelt hatte, mußte darauf verzichten. Er wurde mit dem Herzogtum Étampes und einigen anderen kleineren Herrschaften entschädigt. Schließlich sagte der König die Einberufung der Generalstände innerhalb der nächsten sechs Monate zu.55 Katharina hatte nach schwierigen Verhandlungen ihr Hauptziel erreicht – die Beendigung des Krieges und die – öffentlich und vertraglich bekundete – Aussöhnung zwischen Heinrich III. und Alençon, dem nunmehrigen Herzog von Anjou,56 sowie des Königs mit Heinrich von Navarra, Heinrich von Condé und Montmorency-Damville. Die inszenierte Aussöhnung zwischen Heinrich III. und dem Herzog von Anjou fand erst am 7. November 1576 im Schloß Ollainville (im heutigen Departement Essonne, in der Region der Île-de-France gelegen) statt.57 Die beiden Brüder umarmten und versprachen sich, die Vergangenheit zu vergessen und ruhen zu lassen. Von beiden war das sicherlich nicht aufrichtig gemeint, denn in ihrem Innern blieben die Reserven und Vorbehalte, die sie gegeneinander hatten, weiterhin bestehen. Ihrer Mutter war und blieb jedoch wichtig, zumindest nach außen hin den Anschein zu erwecken, daß innerhalb der Königsfamilie Harmonie herrsche. Den Hugenotten hatten Katharina und der König sehr weitreichende Konzessionen machen müssen – unter Ausnahme von Paris und des Königshofes die öffentliche Ausübung des reformierten Kultes im ganzen Königreich. Damit hatten die Reformierten quasi für das gesamte Land die Ziviltoleranz erreicht. Dies war jedoch auch ein zentrales Ziel der Politik Katharinas, mit dem sie eine dauerhafte Befriedung der Monarchie erreichen wollte. Es mußte sich aber erst erweisen, ob dieser Friedensschluß von Beaulieu überall im Lande durchsetzbar und mit ihm die innere Krise der Monarchie endgültig überwunden sein werde. Es war und blieb jedoch das Verdienst Katharinas, das Blutvergießen erst einmal beendet zu haben. Unmittelbar nachdem das Edikt von Beaulieu im ganzen Land bekannt geworden war, stießen die darin gegenüber den Hugenotten gewährten weitreichenden Konzessionen, insbesondere die Kultfreiheit, bei der übergroßen Mehrheit der Katholiken auf Ablehnung. In allen Regionen regte sich Widerstand und nicht nur intransigente Katholiken schlossen sich zu Assoziationen bzw. Ligen zusammen, um nicht nur den Katholizismus zu verteidigen, sondern auch die Glaubenseinheit im Lande wiederherzustellen. In den 55  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 390 ff.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 636–643; Solnon, Catherine de Médicis, S.  306–309; Dargent, Catherine de Médicis, S.  288  ff.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 291 ff.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 510; Pernot, Henri III, S. 205 ff.; Malettke, Heinrich IV., S. 98 ff. 56  Mit dem Tode Karls IX. im Jahr 1574 und der Thronfolge des Herzogs Heinrich von Anjou als Heinrich III. wurde er Dauphin Franz von Alençon, 1576 Herzog von Anjou. 57  Dargent, Catherine de Médicis, S. 289.

8.1 Heinrich III. und Katharina bis zum Frieden von Bergerac

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von derartigen Assoziationen bzw. Ligen veröffentlichten Manifesten fanden aber auch Forderungen des Adels und anderer Ständevertreter Eingang, ihre altehrwürdigen Rechte und Freiheiten wiederherzustellen. In fast allen Manifesten gelobten die Mitglieder dieser katholischen Vereinigungen, dem König gehorsam zu sein und zu bleiben. In Teilen der Historiographie wurde lange Zeit der Herzog Heinrich von Guise, in dem man den unnachgiebigen Verteidiger des Katholizismus gegen die häretischen Calvinisten sah, als Initiator und Förderer dieser bündischen Bewegung, der sog. „Ersten Liga“, genannt. In der neueren Forschung ist man jedoch zu einem nuancierten Urteil gelangt. Unstrittig ist, daß der Herzog diese bündische Bewegung gefördert hat. Aber er ist nicht an ihre Spitze getreten. Ziele dieser Ersten Liga waren die entschlossene Bekämpfung der Hugenotten und die Begrenzung der Macht des Königs. In einem zwölf Artikel umfassenden Manifest wurden die „uneingeschränkte Wiederherstellung des Gesetzes Gottes“ und der Gehorsam gegenüber der Autorität des Königs gefordert.58 Heinrich III. hatte sich nur notgedrungen zu den dargestellten weitreichenden Konzessionen an die Hugenotten und an seinen jüngeren Bruder herbeigelassen. Er war wohl von Anfang an nicht bereit, sämtliche Zusagen gegenüber den Reformierten zu erfüllen. Übereinstimmend wird berichtet, daß der König in Reaktion auf den von seiner Mutter unterzeichneten Friedensvertrag von Étigny diese zwei Monate nicht mehr aufgesucht habe.59 Mit diesem Verhalten wollte er wohl nach außen hin signalisieren, er habe sich von seiner Mutter unter großen Druck gesetzt gefühlt und nur deshalb die Verhandlungsergebnisse schließlich weitestgehend akzeptiert. Sie habe ihm Zugeständnisse abgerungen, die er eigentlich nicht habe machen wollen. In seiner Mutter sah er deshalb die Hauptverantwortliche für die von ihm so nicht gewollten Ergebnisse des Friedensvertrages von Étigny. Wenn auch der König seine Mutter für zwei Monate nicht gesehen haben mag, so bedeutet das keineswegs, daß er damit jeglichen Kontakt zu ihr abgebrochen hatte. Ihre Korrespondenz ging in dieser Zeit weiter, und insofern kann auch keine Rede davon sein, daß ihre politische Kooperation in dieser Zeit unterbrochen gewesen sei. Es ist im übrigen auch nicht auszuschließen, daß dieses demonstrative Agieren Heinrichs III. mit seiner Mutter abgestimmt war, denn derartige Praktiken – das politische Handeln mit verteilten Rollen – gehörte durchaus zum Repertoire Katharinas. Möglicherweise wollte sie damals erreichen, daß nicht ihr Sohn, der König, sondern sie ins Zentrum der öffentlichen Kritik gerückt wurde. Auf diese Weise sollten – so hoffte sie wohl – die Handlungsspielräume Heinrichs III. gegenüber den intransigenten Katholiken und gegenüber den Guise wieder erweitert werden. Insofern könnte man diesen Vorgang einordnen in die von Katharina immer wieder praktizierte Politik des Austarierens

58  „rétablir la loi de Dieu en son entier“. Constant, Les Guises; ders., La Ligue, Paris 1996; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 514 ff.; Pernot, Henri III, S. 211–216, 219 ff. 59  Pernot, Henri III, S. 208; Solnon, Catherine de Médicis, S. 307 ff.

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der miteinander konkurrierenden oder sich gar feindlich gegenüberstehenden politischen Kräfte.60 Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist nachvollziehbar, daß Heinrich eine Zeitlang schwankte zwischen seiner Furcht vor der anwachsenden Macht der Ersten Liga und seinem Wunsch, die Ligisten in seinem Interesse zu instrumentalisieren. Noch am 26. November 1576 ließ er ein Zirkular an alle Provinzgouverneure ergehen, in dem er diese aufforderte, den Zulauf zu den katholischen Assoziationen in ihren Zuständigkeitsbereichen nach Möglichkeit einzudämmen und zu verhindern, daß sie zu mächtig würden. Einige Tage später, am 2. Dezember, informierte er sie dann aber, daß er beabsichtige, sich an die Spitze der existierenden ligistischen Bündnisse zu stellen und weitere zu gründen, die jedoch von vornherein von ihm kontrolliert werden sollten. Dem Zirkular vom 2. Dezember fügte er ein Konstituierungsformular61 bei, das von „allen Fürsten, Herren, Edelleuten und anderen [Angehörigen] sowohl des geistlichen Standes als auch des Adels sowie des Dritten Standes“62 zu unterzeichnen sei, die der Liga beitreten wollten. Am Tage des Beginns der Versammlung der Generalstände in Blois63, am 2. Dezember 1576, kurz vor der feierlichen Eröffnungssitzung, machte Heinrich  III. seine Ankündigung wahr und erklärte sich zum „Chef“ der Ersten Liga. Hatte er damit die Hoffnung verknüpft, die dort versammelten Ständevertreter – es waren in erdrückender Mehrheit Katholiken, die das Edikt von Beaulieu ablehnten – für sich zu gewinnen, so hatte sich der König getäuscht. Die Versammlung der Generalstände verlief keineswegs in seinem Sinne. Die dort formulierten Forderungen entsprachen keineswegs seinen Interessen und ebenfalls nicht jenen seiner Mutter. So verlangten die Stände zum Beispiel, daß der König alle von ihnen gefaßten Beschlüsse zu ratifizieren habe und exekutieren müsse. Des weiteren forderten sie, daß alle von ihnen einstimmig getroffenen Entscheidungen zukünftig als Fundamentalgesetze des Königreichs zu gelten hätten und dementsprechend eingehalten werden müßten. Einen derartigen Angriff auf seine Souveränität und Autorität konnte und wollte Heinrich III. nicht akzeptieren. Außerdem reklamierten die Generalstände ein Steuerbewilligungsrecht und die Periodizität ihrer Einberufung. Der Klerus und der Adel wollten eine fünfjährige und der Dritte Stand eine zehnjährige Periode. Die von der Krone vorgetragenen fiskalischen und finanziellen Forderungen wurden abgelehnt. In einem Punkt entsprachen die Ständevertreter indessen den Erwartungen des Königs. Er wünschte, daß sie die für ihn demütigenden Klauseln des „Monsieurfriedens“ für 60  Vgl. dazu auch Solnon, Catherine de Médicis, S. 310 f. 61  Der Text dieses Formulars befindet sich in: Michel François, Lettres de Henri III roi de France recueillies par Pierre Champion, Bd. III, Paris 1972, S. 86 ff.; vgl. auch Pernot, Henri III, S. 220. 62  „les princes, seigneurs, gentilshommes et autres, tant de l’état ecclésiastique, de la noblesse que du tiers état“. 63  Zur Generalständeversammlung von Dezember 1576 bis März 1577 in Blois: Orléa, La noblesse aux États généraux de 1576 et de 1588; Major, The Deputies to the Estates in Renaissance France; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 516–520; Pernot, Henri III, S. 221–226.

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null und nichtig erklärten – daß diese damit aufgehoben würden. Als erster entsprach der Adel am 19. Dezember 1576 seinem Wunsch. Der Klerus folgte am 22. Dezember. Keineswegs einstimmig schloß sich der Dritte Stand erst am 26. Dezember dem Votum des Ersten und Zweiten Standes an. Die Mehrheit votierte damit für die Glaubenseinheit – die Einheit im katholischen Glauben. Den Rekurs auf Gewalt zur Wiederherstellung der Einheit im Glauben lehnten die Generalstände aber ab. Dieses Ziel sollte „auf den sanftesten und heiligsten Wegen [erreicht werden], die Seine Majestät ins Auge fassen werde“.64 In Reaktion auf die ligistischen Assoziationen, auf die Beschlüsse der Generalstände zu Lasten der Hugenotten und auf das Agieren Heinrichs III. ließen die militanten Anführer der Reformierten im Dezember 1576 erneut die Waffen sprechen. Damit begann der Sechste Bürgerkrieg, der jedoch nur rund neun Monate dauern sollte. Durch den Wechsel des Herzogs von Anjou auf die Seite des Königs hatte sich aber die Lage der kampfentschlossenen Hugenotten verschlechtert. Katharina hatte dazu das Ihre beigetragen, indem sie sehr erfolgreich auf ihre Politik des „divide et impera“ rekurrierte. Heinrich III. hatte sie geraten, dem Herzog Franz von Anjou das Kommando über die königliche Armee zu übertragen. Anjou war der Oberkommandierende aber nur in der Theorie; realiter führte Ludwig von Gonzaga, Herzog von Nevers (Louis de Gonzague, duc de Nevers), das Kommando. Ihm zur Seite standen der Herzog Heinrich von Guise und dessen Bruder, Karl von Lothringen, Herzog von Mayenne (Charles de Lorraine, duc de Mayenne, 1554–1611). Im März 1577 war es der Königinmutter auch gelungen, Montmorency-Damville zum Bruch mit den Reformierten zu bewegen. Durch geschicktes Einwirken auf Heinrich von Navarra, der ohnehin nicht zu den entschiedenen Kriegstreibern auf seiten der Reformierten zählte, konnte sie ebenfalls erreichen, daß dieser bei den Kämpfen eine auffallend zurückhaltende Position einnahm. Nicht zuletzt deshalb konnte die Armee des Königs einige militärische Erfolge erringen. Sie eroberte am 2. Mai La Charité und am 19. Juni Issoire. Beide Städte wurden von den Siegern geplündert. Einen längeren Krieg zu führen, waren aber weder Heinrich III. noch die militanten Anführer der Reformierten in der Lage. Dazu mangelte es ihnen an den dafür erforderlichen Ressourcen. Deshalb sahen sich beide Seiten alsbald zur Aufnahme von Verhandlungen gezwungen. Katharina hatte in diesem Sinne auf Heinrich III. eingewirkt. Sie war es dann auch, die dank ihres Vertrauten, des Staatssekretärs Villeroy, bei diesen Verhandlungen, die im Sommer 1577 in Bergerac, in der Guyenne, aufgenommen wurden, die maßgebliche Rolle spielte. Am 14. September 1577 mündeten die Verhandlungen schließlich in den Vertrag von Bergerac. Die darin fixierten Abmachungen fanden ihren Niederschlag im Edikt von Poitiers vom 17. September, das dann am 8. Oktober vom Pariser Parlament einregistriert wurde. Mit diesem Edikt wurde jenes von Beaulieu, das eigentlich „unverletzbar und von ewiger Dauer“ hatte sein sollen, annulliert. Die Regelungen des Edikts von Poitiers enthielten – wie in Anbetracht der vorausgegangenen Ereignisse nicht anders 64  „par les plus douces et saintes voies que Sa Majesté aviserait“. Pernot, Henri III, S. 224.

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zu erwarten – für die Hugenotten schmerzliche Einschränkungen. Die freie und öffentliche Ausübung des reformierten Kultes war nun nicht mehr – wie im Edikt von Beaulieu konzediert – im ganzen Königreich, sondern nur noch in den Vororten einer Stadt eines Gerichtsbezirks (bailliage) gestattet. Man griff also wieder auf eine Regelung zurück, die 1563 im Edikt von Amboise fixiert worden war. Gleiches sollte für jene Städte gelten, die sich zum Zeitpunkt des 17. Septembers in den Händen der Reformierten befanden. Gemischtkonfessionelle Kammern sollten jetzt nur noch in den Parlamenten von Aix, Bordeaux, Grenoble und Toulouse existieren. Für die Dauer von sechs Jahren wurden den Hugenotten sechs Sicherheitsplätze konzediert. Außerdem wurden alle Ligen verboten.65 Die Zukunft mußte erweisen, ob mit diesem Frieden und mit diesem Edikt Ruhe und Sicherheit in der Monarchie auf längere Dauer erreicht werden konnten. 8.2

Katharinas unermüdlicher Kampf für den Frieden im fortgeschrittenen Alter und trotz zunehmender gesundheitlicher Probleme (1577–1584)

Die von gegenseitiger Mißgunst und Abneigung geprägten Beziehungen zwischen Heinrich III. und seinem jüngeren Bruder zwangen ihre Mutter, im Interesse der Wahrung der Autorität des Königs, des Miteinanders innerhalb der Königsfamilie und nicht zuletzt aus Gründen der Staatsräson immer wieder vermittelnd und schlichtend einzugreifen. So hatte sie beim Zustandekommen der öffentlich inszenierten Aussöhnung zwischen beiden Brüdern am 7. November 1576 im Schloß Ollainville im Hintergrund eine zentrale Rolle gespielt. Es dauerte nicht lange, bis sie erneut mit dem Problem der immer wieder aufbrechenden Spannungen zwischen den Brüdern konfrontiert wurde. Bei Hofe sah sich der Herzog von Anjou oft dem Spott und den Provokationen der „­mignons“ Heinrichs  III. ausgesetzt. Bei diesen „mignons“ handelte es sich um einen Kreis mehr oder minder jüngerer Adliger, von „Favoriten“, denen der König nicht nur seine besondere Gunst, sondern auch wichtige Chargen an seinem Hof hatte zukommen lassen. Wenn der Terminus „mignons“ von den Feinden des Königs oftmals auch in seinem in sexueller Hinsicht zweideutigen Sinne verwendet und der König damit verdächtigt wurde, mit seinen „mignons“ homosexuelle Beziehungen zu unterhalten, so lassen sich derartige Gerüchte und Vorwürfe quellenmäßig nicht zweifelsfrei belegen. Zwar erweckte Heinrich III. auf Grund seiner Kleidung, die unverkennbar feminine Attribute aufwies, und wegen seiner exzessiven Vorliebe für sehr kostbare Geschmeide – darunter sehr auffallende Ohrringe – bei manchen den Eindruck, homosexuell zu sein; er war es

65  Zum Gesamtkomplex der geschilderten Ereignisse und Entwicklungen: Orieux, Catherine de Médicis, S. 655 ff; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 402–409; Solnon, Catherine de Médicis, S. 311–315; Dargent, Catherine de Médicis, S. 290 ff.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 295–300; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 522–525; Pernot, Henri III, S. 226–233.

8.2 Katharinas unermüdlicher Kampf für den Frieden

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aber wahrscheinlich nicht. Seine „Favoriten“, waren wohl nicht mehr als seine sehr engsten Vertrauten, mit denen er sich seit seiner Jugend verbunden fühlte. Die Mignons identifizierten sich in jeder Hinsicht mit den Interessen, Vorlieben, aber auch Abneigungen ihres Herrn. So kann es nicht überraschen, daß diese, die natürlich über das gespannte Verhältnis zwischen den Brüdern bis in die Details informiert waren, beim Erscheinen Alençons bzw. Anjous bei Hofe immer wieder ihn persönlich oder dessen Begleitung durch anzügliches Auftreten, durch spöttische Gesten oder gar durch mehr oder minder offene Attacken provozierten und Anjou selbst oder seine Begleitung der Lächerlichkeit preisgaben. Es ist durchaus möglich, daß Heinrich III. seine Mignons zu solchem Vorgehen gelegentlich auch ermuntert hat. Derartige Aktionen nahm der Herzog von Anjou am 14. Februar 1578 zum Anlaß, erneut vom Hof des Königs zu flüchten und nach Angers zu reiten, wo er am 19. des Monats eintraf. Bei seiner Flucht spielten wohl auch politische Ambitionen eine Rolle. Wenn er schon in Frankreich seine Ambitionen auf den Thron nicht realisieren konnte, so hoffte er, entweder durch eine Heirat mit Elisabeth I. von England eine standesgemäße Position zu erreichen oder von den führenden Akteuren der niederländischen Provinzen, die um ihre Unabhängigkeit von Spanien kämpften, mit der Herrschaft über deren im Entstehen befindlichen Staat betraut zu werden. Tatsächlich sollte am 23. Januar 1579 mit dem „Zusammenschluß der sieben Nordprovinzen Holland, Seeland, Friesland, Groningen, Utrecht, Geldern, Overijssel […] in der Union von Utrecht“ eine „Weichenstellung für die kleine, niederländische Lösung nördlich der großen Flußmündung“66 erfolgen. Gegenüber Katharina, die ihrem Sohn sofort nachgereist war und ihn in Bourgueil traf, gab Anjou an, er könne für sein niederländisches Vorhaben auf die Unterstützung der lokalen Großen in den aufständischen Provinzen zählen. Entscheidend für die Intervention Katharinas bei Anjou war ihre Befürchtung, wie während des Fünften Bürgerkriegs könne der gegen den König opponierende Herzog erneut zum Kristallisationsfaktor einer Rebellion der militanten Hugenotten und der Malcontents werden. Dem galt es zuvorzukommen und eine Eskalation bereits im Keim zu ersticken. In der Frage einer möglichen Kandidatur ihres jüngeren Sohnes in den Niederlanden nahm sie eine zwiespältige Haltung ein. Einerseits war es ihr durchaus recht, wenn sich ihr schwieriger und umtriebiger Sohn außerhalb Frankreichs engagierte und damit im eigenen Lande weniger Unruhe stiften konnte. Andererseits zweifelte sie nicht daran, daß eine offene militärische Intervention Frankreichs zugunsten der niederländischen Aufständischen das enorme Risiko einer dementsprechenden Reaktion Philipps II., ja eines direkten Einmarsches spanischer Truppen in Frankreich in sich berge. In Anbetracht der damaligen Lage Frankreichs wollte sie eine derartige Entwicklung verhindern. Deshalb wirkte Katharina bei ihrem Treffen mit Anjou, das vom 7. bis zum 9. Mai 1578 in Bourgueil stattfand, entsprechend auf ihren Sohn ein und legte ihm ausführlich die 66  Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen, S. 299.

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Gefahren und Risiken dar, die ein unvorsichtiges Vorgehen seinerseits heraufbeschwören könnte. In ihrem Bericht vom 7. Mai an Heinrich III. schrieb sie: Ich habe nochmals im Hinblick auf diese Unternehmungen in Flandern, denen er sich noch immer sehr zugetan zeigte, auf ihn eingewirkt, um einigen Einfluß auf ihn zu gewinnen oder um ihm zumindest alle guten Gründe zu vergegenwärtigen, die ihn von dem Unternehmen abhalten. Wenn er sich mir gegenüber öffnete, habe ich ihm eindringlich gesagt, daß er nichts Schriftliches von den Akteuren der aufständischen Provinzen erhalten hat. Er bat mich, anzuhören, was sich bisher in dieser Angelegenheit ergeben hat. Er werde mir alles darlegen. […] Daraufhin haben mein Sohn und ich abermals und detailliert die fraglichen Unternehmungen in Flandern thematisiert, und ich habe ihm mehrere schlagende Gründe vor Augen geführt, die ein derartiges Projekt als haltlos und zu risikoreich erscheinen lassen: man müsse die Zeit, in der wir sind, und die Lage in Betracht ziehen, in der sich unsere Staatsangelegenheiten befinden, denn er hatte bereits zu verstehen gegeben, daß er nichts unternehmen wolle und werde, wenn er nicht mit Ihrer Hilfe rechnen könne. Ich habe ihm daraufhin gesagt, daß es weder vernünftig noch angezeigt sei, daß Ihr das tun solltet in Anbetracht der Notlage, in der Sie sich befinden und dies um so mehr, als der spanische Botschafter unter Bezugnahme auf diesbezügliche Gerüchte mir kürzlich in aller Klarheit gesagt habe, daß sein Herr uns sofort den Krieg erklären würde, wenn Ihr in die Lande seines Herrn [also in die Niederlande] einmarschieren solltet. Ich habe [Anjou] eindringlich gewarnt, derartiges zu tun, wenn er nicht dem ganzen Königreich und Euren Angelegenheiten übel mitspielen wolle. Ich habe ihm vor Augen geführt, daß sich sein Vorhaben nicht nur gegen Euch und das Königreich, sondern auch gegen ihn selbst richte, denn er sei Thronfolger, so lange es Gott nicht gefällt, Euch Kinder zu schenken. Er solle von seinem Vorhaben Abstand nehmen, das nur übel ausgehen könne, zumal Ihr guter Hoffnung und auf gutem Wege seid, für Eure Untertanen den Frieden und die Ruhe [im Lande] wiederherzustellen […].67 67  [7. Mai 1578] „Au Roy Monsieur mon fils. Monsieur mon fils, […] De puis, me promenant avecques mondict fils, je l’ay mis encores en propos pour ces entreprises de Flandres où il montroit toujours estre très affectionné, et, affin de gaigner quelque chose sur luy ou pour le moyns luy imprimer toutes bonnes raisons pour l’en dissuader, à chascune foys que je luy en parle [chaque fois que lui en parle], voyant qu’il s’est ouvert à moy, [lui] disant qu’il n’avoit aulcune chose par escript de ceuls des Estats, mais qu’il me pryoit de vouloyr oyr [vouloir entendre] verbalement ce qu’il y a eu cela jusques icy, qu’il le me déclareroit et feroit tout entièrement; […] Cependant nous sommes encores entrez, mondict fils et moy, bien avant au faict [sujet] desdites entreprises de Flandres, et luy ay remis devant les yeux plusieurs grandes raisons pour lesquelles je ne trouvois aucun fondement à icelles [celles-ci]; qu’il falloit considérer le temps où nous estions et l’estat de voz affayres; car s’il s’étoyt desjà laissé entendre qu’il ne vouloit ni ne pouvoit entreprendre ny espérer aulcun fruict en cecy, si ne luy estiez aydant [si vous ne l’aidiez pas], ce que franchement je luy ai dit qu’il n’estoit pas raisonnable ny à propos que vous fissiez, veu les grandes nécessitez où vous estiez réduicts, et ce d’autant plus [davantage] que l’ambassadeur d’Espagne m’avoit clairement dict dernièrement au sujet sur ces bruicts que, si vous entriez [entreriez] dans le pais de son maistre, dès l’heure [aussitôt] sondict maistre nous déclareroit la guerre, et que partant [donc] il ne falloit pas, s’il ne voullait troubler tout le royaume et faire beaucoup de mal à vos affaires et service, ce qui debvoit estre considéré non seulement directement contre vous et le royaume, mais aussy contre luy mesmes, vous estant hère [héritier] et comme filz jusques à ce qu’il ayt pleu à Dieu vous donner des enfans; qu’il se desportàst desdictes entreprises, qui ne pouvoient apporter que tout mal, au lieu que vous estes en grande espérance et beau chemyn pour l’establissement de la paix et repoz de voz subjectz […]. Escript à Bourgueile, ce mercredy VIIeme jouir

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Insgeheim ließ Katharina den Herzog von Anjou jedoch insofern gewähren, als sie diskret die Order ergehen ließ, dessen Truppen zu erlauben, in Richtung französische Nordgrenze zu marschieren. Offiziell hatte aber Heinrich III. deren Auflösung befohlen.68 Es ist durchaus möglich, daß sich der König und seine Mutter in dieser Angelegenheit abgestimmt hatten und also erneut mit verteilten Rollen agierten. Das „Abenteuer Monsieurs in den Niederlanden“ fand erst im Dezember 1578 – zumindest aus der Perspektive Katharinas und Heinrichs III. betrachtet – ein passables Ende insofern, als dessen gefährlichen Aktivitäten durch das militärische Agieren der Spanier ein Riegel vorgeschoben wurde. Die Umtriebe und politischen Ambitionen Anjous stellten aber nicht das einzige Problem dar, mit dem der König und seine Mutter konfrontiert waren. Das Edikt von Poitiers stieß sowohl bei den Hugenotten als auch bei zahlreichen Katholiken auf große Reserven bzw. auf Widerstand. Die sich weiter ausbreitenden ligistischen Bündnisse und das Verhalten des Herzogs Heinrich von Guise, der dem Edikt sehr kritisch gegenüberstand, erwiesen sich als Hindernisse für die Umsetzung und Anwendung der darin fixierten Regelungen. In besonderem Maße galt das für die Hugenotten im Midi. In der Guyenne, im Languedoc, in der Provence und im Dauphiné weigerten sich die dortigen Hugenotten nicht nur, die für sie nachteiligen Bestimmungen des Edikts zu respektieren, sie ließen sich auch immer wieder zu Gewaltausbrüchen gegenüber den Katholiken hinreißen. Die sich 1578/1579 in einigen Provinzen manifestierenden und ausbreitenden antifiskalischen Proteste – eine Folge der durch die Bürgerkriege bedingten finanziellen und ökonomischen Probleme – trugen zur Verunsicherung weiter bei. In der Guyenne, in dessen Gouvernement Heinrich von Navarra bestätigt worden war, kam noch hinzu, daß dessen dortiger Stellvertreter (lieutenant général du roi), Armand de Gontaut, baron di Biron, der von Heinrich III. eingesetzt worden war, um auf Navarra einzugehen, sich diesem gegenüber noch weniger kooperativ erwies als sein Vorgänger. Er ignorierte Navarra und verkündete, nur den direkten Anordnungen des Königs Folge zu leisten.69 Trotz ihres fortgeschrittenen Alters und zunehmender gesundheitlicher Probleme stellte Katharina auch in dieser Phase ihre Entschlossenheit unter Beweis, sich mit ihrer ganzen Kraft für die Implementierung des Edikts von Poitiers in den Unruheregionen des Midi und damit für die Sicherung des fragilen Friedens zu engagieren. Abermals rekurrierte sie auf das bewährte Mittel, durch ihr persönliches Erscheinen in den kritischen Provinzen nicht nur die Präsenz der Krone zu demonstrieren, sondern durch zahlreiche Gespräche und Verhandlungen mit den dortigen Honoratioren, Amtsträgern und de may 1578.“ Lettres de Catherine de Médicis, publiées par M. le Cte Baguenault de Puchesse, Bd. VI (1578–1579), Paris 1897, S. 18–21. 68  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 416 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 320 ff.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 293 f.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 318 f.; Pernot, Henri III, S. 240–244. 69  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 418 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 669 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 322 ff.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 295; Pernot, Henri III, S. 244–248.

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Kritikern der Politik des Königs sowie durch die Zusammenführung der Anführer der konfessionellen Parteien eine Deeskalation der Spannungen in den von ihr besuchten Regionen zu erreichen. Katharina verabschiedete sich am 2. August  1578 von Heinrich  III. und brach am 8. August von Ollainville aus zu ihrer Reise in den Midi auf, eine Reise, die bis zum November 1579 dauern sollte. Ihr Gefolge hatte sie speziell für den Zweck ihres Vorhabens zusammengestellt. So findet man darunter zum Beispiel den Staatssekretär Pinart, auf den sie sich in jeder Hinsicht verlassen konnte, Jean de Monluc und die ehemaligen französischen Botschafter in Rom und in Madrid. Als Grund für diese Reise wurde offiziell angegeben, daß Katharina ihrem Schwiegersohn Heinrich von Navarra dessen Frau Margarete zuführen wolle, die von ihm seit seiner Flucht aus Paris getrennt war. Der eigentliche Zweck dieser Reise war aber die Implementierung des Edikts von Poitiers im Midi und insbesondere Verhandlungen mit Heinrich von Navarra, um zu verhindern, daß die intransigenten Hugenotten des Midi unter seiner Führung erneut zu Waffen greifen und schließlich einen neuen Bürgerkrieg beginnen könnten.70 Heinrich von Navarra war es nämlich inzwischen gelungen, seinen Cousin Condé als Generalgouverneur und Protektor der Konföderierten Provinzen zu verdrängen. 1577 hatte er erreicht, daß die Generalversammlung der Unierten Provinzen von Montauban ihn, den König von Navarra, zum Protektor der Union der Provinzen, also der Konföderation von Protestanten und moderaten Katholiken, proklamierte. In der Folgezeit sollte es ihm gelingen, seinen Einfluß auf die Generalversammlungen der Provinzen kontinuierlich auszubauen, so daß er von 1579 bis 1588 diese Versammlungen nicht nur ständig leitete, sondern deren Beschlüsse auch weitgehend in seinem Sinne herbeizuführen in der Lage war.71 In Anbetracht der geschilderten Fakten und Entwicklungen ist es verständlich, daß ­Katharina und Heinrich  III. die potentielle Gefahr sahen, es könne erneut zu einem Zusammenschluß der Hugenotten mit den Malcontents und mit dem umtriebigen „Monsieur“, dem jüngeren Bruder des Königs, kommen. Eine Wiederkehr der höchst konfliktträchtigen politischen Konstellation, die zum Ausbruch des Fünften Bürgerkriegs geführt hatte, sollte aber mit aller Entschiedenheit verhindert werden. Über Chenonceaux und Cognac traf die Reisegesellschaft am 18. September 1578 in Bordeaux ein. Katharina hielt sich dort zehn Tage auf und wartete vergeblich auf die Ankunft Heinrichs von Navarra. Dieser erschien deswegen nicht, weil er nicht auf seinen Intimfeind stoßen wollte, den bereits oben genannten Baron von Biron. Zu dem von Katharina angestrebten Treffen mit ihrem Schwiegersohn kam es erst am 2. Oktober in einem Herrenhaus nahe der Kleinstadt La Réole (im heutigen Departement Gironde gelegen). La Réole war einer der den Reformierten im Edikt von Poitiers konzedierten Sicherheitsplätze. 70  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 419; Solnon, Catherine de Médicis, S. 324 ff.; Pernot, Henri III, S. 248 f. 71  Malettke, Heinrich IV., S. 97 f.

8.2 Katharinas unermüdlicher Kampf für den Frieden

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Die dort zwischen Katharina und Heinrich von Navarra geführten Verhandlungen waren zäh. Beide schätzten sich zwar, aber sie mißtrauten einander. Sie versicherten sich gegenseitig ihrer Friedensliebe und ihrer guten Absichten. Aber jeder war bemüht, durch geschickte Argumente, Finten, durch Verzögerungen und durch vermeintliche oder tatsächliche Erkrankungen, Vorteile zu erzielen. Katharina berichtete täglich in ausführlichen Schreiben dem König über ihre Aktivitäten, über die Lage sowie über die Verhältnisse in den Regionen und Städten, durch die sie ihre Reise führte oder in denen sie für einige Tage Quartier bezog. Aus La Réole berichtete sie am 2. Oktober 1578 Heinrich III. u. a. folgendes über ihre Verhandlungen mit Heinrich von Navarra: „Soweit ich mir ein Urteil über ihn bilden kann, hoffe ich, daß er zu Diensten sein will, wie er es wörtlich gesagt hat. Es sei denn, daß er sich von gewissen Leuten der vorgeblich reformierten Religion davon abhalten läßt, von Leuten, die so viel Arglist im Herzen hegen, daß ich Euch noch nicht zu sagen vermag, ob man seiner sicher sein kann.“72 Wie diese Zeilen erkennen lassen, mißtraute Katharina ihrem Verhandlungspartner. Dann trat ein unerwartetes Ereignis ein, das dieses Treffen abrupt beendete. Während der Verhandlungen wurde Navarra darüber informiert, daß katholische Soldaten La Réole überfallen und im Handstreich eingenommen hatten. Daraufhin soll er zu seiner Schwiegermutter gesagt haben: „Madame, wir hofften, daß Ihr Kommen die Unruhen beruhigen würde; das Gegenteil ist der Fall, Sie fachen sie noch mehr an.“73 Unverzüglich schwang sich Heinrich von Navarra aufs Pferd, um sich mit Unterstützung einer Handvoll Getreuer im Gegenzug der Kleinstadt Fleurance (im heutigen Departement Gers in der Region Okzitanien gelegen) zu bemächtigen, die dem König treu ergeben war. Damit waren die Verhandlungen erst einmal zum Erliegen gekommen, obwohl mit einem Dekret Katharinas vom 4. Dezember 1578 verfügt worden war, daß La Réole den Reformierten unverzüglich restituiert werden müsse. Damit wollte die Katharina Heinrich von Navarra und den Reformierten im Midi auch signalisieren, daß sie nach wie vor an einvernehmlichen Lösungen interessiert sei.74 Am 15. Dezember 1578 trafen Katharina und ihre Begleitung in Nérac ein, einem kleinen Städtchen im heutigen Departement Lot-et-Garonne, in der Region Nouvelle Aquitaine gelegen. Die Stadt gehörte zu den Ländereien Heinrichs von Navarra. Trotz aller Bemühungen hatte sie es bisher nicht erreicht, ihren Schwiegersohn und die Hugenotten wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Am 3. oder am 4. Februar 1579 war es dann 72  [2. Oktober 1578] [Au Roi Monsieur mon fils] „Monsieur mon filz, […] j’espère, selon ce que je puis juger de luy, qu’il servira en effect comme il le dict de parolle, sy ce n’est qu’il soit détourné par aucuns de la religion prétendue réformée, qui ont tant de malice au cœur que je ne say encores que vous assurer […]. Escript à la Réolle, le jeudy IIe jour d’octobre 1578.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. VI (1578–1579), S. 46 ff. 73  „Madame, nous espérions que votre venue assoupirait les troubles, et, au contraire, vous les allumez.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 326. 74  Solnon, Catherine de Médicis, S. 326; Orieux, Catherine de Médici, S. 674.

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III.

aber soweit. Die Konferenzen zwischen den Vertretern beider Religionen konnten beginnen. Im Zentrum der Verhandlungen stand das Problem, das Edikt von Poitiers effektiv zu implementieren und eine Einigung im Hinblick auf die Garantien für die Sicherheit sowohl der Calvinisten als auch der Katholiken zu erreichen. Die Hugenotten stellten sehr hohe Forderungen. Sie verlangten sechzig Sicherheitsplätze. Katharina reagierte darauf mit kalkulierten Wutausbrüchen und mit der Drohung, die Verhandlungen zu beenden, wenn die Hugenotten nicht kompromißbereit sein sollten. Sie agierte dabei in enger Abstimmung mit ihrer Tochter Margarete, der Frau Heinrichs von Navarra. Sie hatte mit dieser verabredet, daß sie immer dann beschwichtigend und vermittelnd eingreifen sollte, wenn ihre Mutter mit gespielter Entrüstung die Verhandlungen mit der Delegation der Calvinisten brüsk abzubrechen schien. Nachdem auch Heinrich von Navarra und Turenne (Henri de La Tour d’Auvergne, vicomte de Turenne, 1555–1623) mäßigend auf ihre Glaubensbrüder eingewirkt hatten, kam es am 28. Februar 1579 zu einer Einigung. Im Vertrag von Nérac wurde das Edikt von Poitiers von beiden Parteien bestätigt. Außerdem erhielten die Hugenotten neunzehn Sicherheitsplätze – acht in der Guyenne und elf im Languedoc, allerdings nur für die Dauer von sechs Monaten. Den Sicherheitsplatz La Réole, der den Hugenotten zuvor gewährt worden war, mußten diese wieder der direkten Kontrolle des Königs unterstellen. Allerdings hatte Katharina deren Bitte zugestimmt, für die Stadt einen protestantischen Gouverneur zu nominieren. Jetzt galt es für Katharina, dafür zu sorgen, daß diese mit einiger Mühe und nach kontrovers verlaufenen Verhandlungen erreichten Vereinbarungen im Midi auch realisiert und auf Dauer eingehalten wurden. Um dieses Ziel und damit die Beendigung der dort immer wieder aufgetretenen Gewaltausbrüche sowie die Aufrechterhaltung des Friedens zu erreichen, hatte Katharina die Einsetzung einer paritätisch besetzten Kommission veranlaßt. Dieser Kommission gehörten ebenso viele Reformierte wie Katholiken an. Sie sollte die Munizipalitäten insbesondere jener Städte, in denen es wiederholt zu Gewaltakten gekommen war, dazu bewegen, das gerade erzielte Abkommen zu respektieren. In einer Rede, die Katharina in Agen hielt, sagte sie u. a., ein Kompromiß sei immer besser als die Wiederaufnahme des Krieges.75 Darin manifestierte sich einmal mehr eine ihrer politischen Grundüberzeugungen und Leitlinien, die für ihr Agieren zeitlebens eine zentrale Rolle gespielt haben. Wie erleichtert sie über die erzielte Einigung war, lassen die Zeilen erkennen, die sie am 28. Februar 1579, am Tage der Unterzeichnung des Abkommens, an Montmorency-Damville richtete. Sie schrieb an den Gouverneur des Languedoc: „Wir haben so viel für das glückliche Ende dieser schönen Konferenz getan, daß ich sehr betrübt gewesen wäre, wenn all’ meine Mühen vergeblich gewesen wären.

75  Solnon, Catherine de Médicis, S. 329; vgl. auch Cloulas, Catherine de Médicis, S. 420 ff.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 675 ff.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 297 ff.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 308 ff.; Pernot, Henri III, S. 249 f.

8.2 Katharinas unermüdlicher Kampf für den Frieden

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Deshalb bitte ich Sie, darauf hinzuwirken, daß deren Ergebnisse auch in die Tat umgesetzt werden.“76 Nach der Einigung von Nérac setzte Katharina ihre Befriedungsreise im Midi fort, bei der sie immer wieder mit den Vorbehalten bzw. mit mehr oder minder offener Ablehnung des Edikts von Poitiers, ja auch des Vertrags von Nérac konfrontiert wurde. Unermüdlich und mit ungebrochener Energie – trotz ihrer schwindenden körperlichen Konstitution – setzte sie sich an Ort und Stelle mit diesem Problem auseinander, erreichte einen akzeptablen Modus vivendi oder konnte zumindest erneut ausbrechende Gewalt einstweilen verhindern. Mitte April 1579 schrieb sie an die Herzogin von Uzès (Louise de Clermont, comtesse de Tonnere, duchesse d’Uzès, 1504–1596), eine sehr enge Vertraute ihres Hofstaates, aus der Gegend nahe Montpellier: Dieses Land gehört zu den abweisendsten Provinzen; die Menschen von Montpellier sind die unfreundlichsten und schlechtesten, die ich jemals gesehen habe – allesamt Galgenvögel: sie wollen weder den Frieden noch sonst irgend etwas Gutes […]. Ich werde morgen nach Balaruc-les-Bains [ein Bad in der Nähe von Montpellier] aufbrechen und von dort weiterziehen quer durch die Gebiete, in denen die Pest und sämtliche Straßenräuber und Schurken ihr Unwesen treiben; und wenn ich das glücklich überstehe, werde ich sagen können: Krieg, Pest, Hungersnot und alle anderen Bösartigkeiten – ich habe sie alle überlebt. Das hoffe ich mit Gottes Hilfe, der mich nie verlassen hat. […].77

Nach einer Reise, die sie rund sechzehn Monate vom Hof des Königs ferngehalten hatte, traf sie Heinrich III. am 9. November 1579 in Orléans. Am 14. November kehrte sie nach Paris zurück. Darüber berichtete der Botschafter Venedigs sehr treffend an die „Signoria“: Die Königinmutter kam am 14. November nach Paris zurück. Nach einer Abwesenheit von weniger als achtzehn Monaten [sic!] hatte sie, um die Wahrheit zu sagen, die Differenzen in der Guyenne, im Languedoc, in der Provence und im Dauphiné eher nur gelindert als geschlichtet. Es ist eine Fürstin, die sich unermüdlich um die Staatsangelegenheiten kümmert, eine Fürstin, die geradezu dazu geboren scheint, um ein so umtriebiges Volk wie die Franzosen zu bändigen und zu regieren: jetzt, in diesem Augenblick, erkennen die Franzosen ihre 76  [26.–28. Februar 1579] „A mon cousin, le maréchal de Dampville. Mon cousin, […] [Eigenhändiges Postskriptum Katharinas von Medici] Nous avons tent fest [tant fait] que nous avons achevé cete belle conférense, qui m’a donné tant de pouine [peine] que je serés bien marrye qu’ele feult ynutile, qui me fest vous prier de tenir la meyn [main] à l’exécution tent de steure [de cette heure] […]. Vostre bonne cousine, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. VI (1578–1579), S. 281 f. 77  [April 1579] „A ma cousine, Madame d’Usès. Ma comère […] C’et le peys le plus froyt, les jeans de Monpelyer [Ce pays est le plus froid, les gens de Montpellier] les plus revêches et mauvès que je veis jeamès et tent d’oyseaulx de rapine [que je vis jamais, et tant d’oiseaux de rapine]; yl [ils] ne veulent ni la pays [paix], ni rien de bien […] Je m’en voy demayn paser à Balareu-au-Bayns [Je m’en vais demain passer à Balaruc-les-Bains], et de là par la peste et par tous les brigans; et set je ann échappe, je pouré dire [et si j’en réchappe, je pourrais dire]: guere, peste, famyne et toutes méchansetés, que je les auré pasé [aurais passées]; cet que j’espère fayre avesques l’ayde deu bon Dieu, qui ne m’a jamès habandonnée. […].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. VI (1578–1579), S. 339.

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III. Meriten, ihre Mühen an, um ein friedliches Miteinander im Königreich zu bewahren, und sie bereuen es, sie nicht schon früher wertgeschätzt zu haben.78

Der Botschafter beurteilte durchaus realistisch, was Katharina im Midi erreicht hatte. Sie hatte die dortige Lage entschärfen können. Eine anhaltende und endgültige Befriedung der genannten Provinzen hatte sie indessen nicht erreicht, wie es die kommenden Ereignisse erweisen sollten. Sehr scharfsinnig hatte der Botschafter auch das unermüdliche Eintreten Katharinas für den Frieden gewürdigt, aber auch erkannt, daß die Franzosen damals – und man ist versucht zu sagen, nicht nur damals – ein nur schwer zu beherrschendes Volk waren, das sich von Unruhestiftern leicht mobilisieren und instrumentalisieren ließ. Bei ihrer Rückkehr bereitete Paris Katharina einen geradezu enthusiastischen Empfang, der ihr die vielen Mühen, Belastungen und Enttäuschungen, die sie während ihrer Reise durch die Provinzen hatte erdulden müssen, rückschauend erträglicher erscheinen ließ und der sie dafür entschädigte. Welch’ einen Kontrast stellte dieser Empfang dar, verglichen mit den vielfältigen Anfeindungen, Schmähungen und Verletzungen, denen sie sich in den Jahren zuvor auch in Paris ausgesetzt gesehen hatte. Sie hat sich bei aller Freude, die sie über diesen Empfang sicherlich empfunden hat, ihren Sinn für die damaligen Realitäten ganz sicher nicht trüben lassen. Auf Grund ihrer langjährigen Erfahrungen war ihr bekannt, wie wankelmütig nicht nur die Pariser Bevölkerung und wie fragil die Gesamtlage der Monarchie waren. Daß diese Lage nach wie vor instabil war, zeigten alsbald die Ereignisse im Midi. Trotz der Vereinbarungen, die im Edikt von Poitiers und im Vertrag von Nérac fixiert worden waren, glaubten die Hugenotten im Midi gleichwohl, sich unter Rekurs auf Waffengewalt behaupten zu müssen, nachdem Katharina nach Paris zurückgekehrt war. Schon im Juli 1579, als Katharina noch in der Dauphiné weilte, um sich dort deeskalierend und friedensstiftend zu engagieren, hatten die Anführer der Reformierten in Montauban eine Konferenz unter der Präsidentschaft Heinrichs von Navarra, des Protektors der reformierten Kirchen Frankreichs, abgehalten. Auf dieser Konferenz war beschlossen worden, an dem Tag wieder zu den Waffen zu greifen, an dem Heinrich III. die Restituierung der den Hugenotten im Vertrag von Nérac konzedierten festen Plätze verlangen sollte. Generell wurden die in Nérac getroffenen Vereinbarungen immer wieder gebrochen. Jede Seite versuchte, sich der Städte zu bemächtigen, welche die andere Seite kontrollierte. Condé hatte bereits am 29. September 1579 in aller Heimlichkeit die Saintonge verlassen und sich mit einem Überraschungscoup der Stadt La Fère (im heutigen Departement 78  „La reine-mère revint à Paris le 14 novembre. Après un peu moins de dix-huit mois d’absence, ayant, pour dire la vérité, plutôt assoupi qu’accordé les différends de la Guyenne, du Languedoc, de la Provence et du Dauphiné. C’est une princesse infatigable aux affaires, vraiment née pour maîtriser et pour gouverner un peuple aussi remuant que les Français: ils reconnaissent à présent son mérite, son souci de l’alliance et se repentent de ne l’avoir pas plus tôt appréciée.“ Zitiert über Cloulas, Catherine de Médicis, S. 431 f.; vgl. auch Pernot, Henri III, S. 251.

8.2 Katharinas unermüdlicher Kampf für den Frieden

323

Aisne, unweit von Laon gelegen) bemächtigt. Damit hatte er sich ein Faustpfand verschafft, weil ihn die Katholiken entgegen den im Vertrag von Bergerac getroffenen Vereinbarungen daran gehindert hatten, seine Charge als Gouverneur in der Picardie anzutreten. Er wollte sein Recht mit Waffengewalt durchsetzen. Auf Grund dieses Vorgangs sah sich Katharina veranlaßt, sich selbst auf schnellstem Wege nach La Fère zu begeben, um Condé zur Räson zu bringen und eine mögliche Eskalation im Keim zu ersticken. Die Hugenotten der Guyenne weigerten sich nicht nur, die ihnen dort konzedierten Sicherheitsplätze vertragsgemäß zu restituieren, sie gingen auch in zunehmendem Maße gegen dortige Katholiken gewaltsam vor. Außerdem hatten sie deutsche Söldner im Reich rekrutiert und diese in Richtung Frankreich in Marsch setzen lassen. Katharina und der König fürchteten, daß es erneut zu einer Allianz zwischen den Reformierten und den Malcontents kommen könne. Ihre Befürchtungen wurden noch größer, als sie erfuhren, daß Heinrich von Navarra am 15. April 1580 ebenfalls zu den Waffen gegriffen hatte. Katharina ließ ihm am 21. April aus Chenonceau folgende eindringliche Warnung zukommen: Mein Sohn, ich kann es nicht glauben, daß es möglich sein sollte, daß Ihr den Ruin des Königreichs, der eintreten wird, und Euren eigenen Ruin wollt, wenn der Krieg erneut beginnt. Ich bitte Euch zu bedenken, wer Ihr seid und was Ihr an Gutem erreichen könnt, wenn dieser Staat untergeht. […] Ich bin mir sicher, daß Gott Euch weder helfen noch beistehen wird und daß Ihr Euch allein wiederfinden werdet, nur begleitet von Schurken und Leuten, die für ihre Missetaten den Strick verdient haben. […] Wenn Gott Euch so verlassen hat, dann wart Ihr dafür der Grund und Ihr habt es so gewollt. Ich bin mir sicher, daß er Euch nicht helfen und beistehen wird. Ich möchte niemals glauben, daß Ihr, der Ihr so nobler Herkunft seid, der Chef und der General von Briganten, Dieben und Schurken dieses Königreiches sein wollt. […] Ich bitte Euch, mir zu glauben und die Dinge wieder so ins Lot zu bringen, wie es die Vernunft gebietet, damit diesem armen Königreich der Friede erhalten bleibt und man nicht sagen kann, daß Ihr es ins Unglück gestürzt habt. Ich bitte Euch, mir zu glauben, dann werdet Ihr den Unterschied erkennen, der besteht zwischen einem Rat einer Mutter, die Euch liebt, und dem Rat jener, die weder sich selbst noch ihren Herrn lieben, die nur plündern, alles ins Verderben stürzen und ruinieren wollen.79 79  [21. April 1580] „A Monsieur mon fils, le Roy de Navarre. Mon filz, je ne puis croire qu’il soit possible que vous vouliez la ruyne de ce royaulme, come elle sera, et la vostre, si la guerre se commence; et vous prie de considérer ce que vous estes et quel bien vous peut advenir de la ruyne de cet estat [État] […], je m’asseure que [Dieu] ne vous aideroit ni assisteroit et que vous vous trouveriez seul accompaigné de brigandz et gens qui par leurs mal faicts [mauvaises actions] ont méritté la corde; je ne croiray jamais qu’estant sorty d’une si noble race, vous vouliez estre le chef et le général des brigands, volleurs et malfaicteurs de ce Royaulme. […] en quoy si Dieu vous avoit tant abandonné qu’il fut vray que vous en fussiez cause et l’eussiez commandé, je m’asseure qu’il ne vous aideroit ny assisteroit. Je vous prie me croire et remettre les choses comme la raison le veult, […] affin que ce pauvre royaume demeure en repos et qu’il n’y ait occasion de dire que l’avet troublé [vous l’avez troublé]. Je vous prie me croire, et vous verrez la différence qu’il y a du conseil d’une mère qui vous aime à celuy de ceux qui n’aiment ny eux ny leur maistre, mais à piller et tout perdre et ruyner. De Chenonceaulx, ce XXIe jour d’avril 1580. Vostre bonne mère, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, publiées par M. le Cte Baguenault de Puchesse, Bd. VII (1580–1581), Paris 1899, S. 252 f.

324

Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III.

Trotz ihrer Intervention konnte Katharina das Wiederaufflammen der Feindseligkeiten nicht verhindern. Nach manchen zeitgenössischen Berichten lag diesem Wiederaufflammen des Krieges verletzte Eitelkeit Heinrichs von Navarra zugrunde. König Heinrich III. und seine Mignons hätten sich in der Hoföffentlichkeit über die Untreue und Seitensprünge der Gemahlin Navarras lustig gemacht. Navarra, der es jedoch selbst mit seiner ehelichen Treue nicht ernst nahm, habe die Waffen sprechen lassen, um sich Genugtuung zu verschaffen und seine verletzte Ehre wiederherzustellen. Deshalb bezeichneten die Zeitgenossen den Wiederbeginn der Feindseligkeiten in etwas irreführender Weise als „Krieg der Verliebten“ (guerre des Amoureux). Verletzte Eitelkeit Navarras hat wohl eine Rolle gespielt. Aber es kamen noch andere Gründe hinzu. Das waren die sich häufenden Klagen der Hugenotten und der Katholiken über die von beiden Seiten begangenen Verstöße gegen das Edikt von Poitiers und das Abkommen von Nérac. Außerdem waren die äußerst gespannten Beziehungen zwischen Navarra und Biron nach wie vor sehr virulent. Dank des abermaligen Engagements Katharinas war dieser Waffengang nur von kurzer Dauer und konnte durch Verhandlungen im Schloß Fleix, im Périgord, am 26. November 1580 beendet werden. Auf ihr Bitten hatte der Herzog Franz von Anjou die Verhandlungen mit Heinrich von Navarra geführt. Dieser Friedensschluß änderte aber nichts Grundlegendes an den Vereinbarungen, die im Februar 1579 in Nérac80 getroffen worden waren. Immerhin erreichten die Hugenotten, daß sie die Sicherheitsplätze für weitere sechs Jahre behalten durften. Ihnen wurden außerdem ihre Güter und Würden restituiert.81 Verglichen mit den vorangegangenen Jahrzehnten waren die Jahre vom Edikt von Poitiers (1577) bis zum Sommer 1584/1585 im Hinblick auf die innere Lage Frankreichs eine relativ ruhige Phase, wenn man vom kürzeren Aufflammen einiger Gewaltakte einmal absieht. Diese Beruhigung war im wesentlichen das Werk Katharinas, die sich immer wieder mit ganzer Kraft für die Schlichtung von eskalierenden Spannungen und für die Wahrung des fragilen Friedens eingesetzt hat. Dann trat im Juni 1584 ein Ereignis ein, das sowohl für die Monarchie als auch für Heinrich von Navarra von zentraler Bedeutung und folgenreich war. Am 10. Juni starb der jüngere Bruder Heinrichs III., der umtriebige, politisch ambitionierte und zum König stets in gespannten Beziehungen stehende Herzog Franz von Anjou, im Alter von rund dreißig Jahren an Tuberkulose. Zu Lebzeiten war er der potentielle Thronfolger gewesen. Er hinterließ keinen legitimen Sohn. Weil die Ehe Heinrichs III. mit Louise von Vaudemont (1553–1601), der Tochter des Herzogs Karl III. von Lothringen, bislang ebenfalls kinderlos geblieben war, wurde Heinrich von Navarra mit dem Ableben von Franz von Anjou 80  Vgl. Kap. 8, S. 319 f. 81  Zum „guerre des Amoureux“: Cloulas, Catherine de Médicis, S. 439–445; Orieux, Catherine de Médicis, S. 685–689; Solnon, Catherine de Médicis, S. 336 f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 305 ff.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 311–319; Pernot, Henri III, S. 254 f.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 569 f.

8.3 Immens steigende fiskalische Belastungen

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präsumtiver Thronfolger. Damit trat der insbesondere von den intransigenten Katholiken so gefürchtete Fall ein, daß der protestantische Chef des Hauses Bourbon, Heinrich von Navarra, der zu diesem Zeitpunkt unbestrittene Anführer der Hugenotten und Protektor der Konföderation der Provinzen, an die erste Stelle der Thronfolge rückte.82 Dies hatte eine gravierende Verschärfung der ohnehin schon seit einiger Zeit sich manifestierenden Krise der Monarchie und der Dynastie der Valois zur Folge. Für die große Mehrheit der katholischen Franzosen war Heinrich von Navarra, der in ihren Augen ein Häretiker und wiederholt rückfällig gewordener Ketzer war, als Thronfolger inakzeptabel. Dessen waren sich Heinrich III. und Katharina bewußt. Deshalb hatte der König auf Anraten seiner Mutter bereits am 16. Mai 1584, als das Ableben Anjous absehbar war, den Herzog von Épernon (Jean-Louis de Nogaret de La Valette, duc d’Épernon, 1554–1642), seinen damaligen Favoriten, zu Heinrich von Navarra entsandt. Der Herzog traf Navarra am 13. und 25. Juni zunächst in Saverdun (unweit von Pamiers gelegen) und dann in Pamiers (im Languedoc). Im Anschluß daran wurde Épernon im Juli von Navarra in Pau, im Béarn, empfangen. Eine letzte Unterredung fand am 6. August statt. Épernon hatte den Auftrag, Navarra zu veranlassen, zum Katholizismus zu konvertieren und an den Hof des Königs zurückzukehren. Der Herzog scheiterte jedoch mit seiner Mission. Zum damaligen Zeitpunkt lehnte es Heinrich von Navarra ab, erneut zu konvertieren. Bei seiner Entscheidung dürften folgende Gründe eine Rolle gespielt haben: Zunächst hätte dieser Schritt seiner persönlichen Überzeugung widersprochen. Außerdem erachtete er ihn wohl als unvereinbar mit seiner Ehre. Bei der Entscheidung Navarras dürfte aber dessen Einsicht besonderes Gewicht gehabt haben, daß er mit einer abermaligen Konversion zum katholischen Glauben bei den Protestanten jegliches Vertrauen und damit deren Unterstützung verspielen würde. Indessen schlug Navarra im Hinblick auf eine Konversion zum katholischen Glauben nicht alle Türen zu. Er ließ Heinrich III. ausrichten, daß er es nicht grundsätzlich ablehne zu konvertieren. Zuvor müsse man ihm aber die Bereitschaft signalisieren, ihm zu ermöglichen, sich über die theologischen Grundlagen der katholischen Konfession umfassend aufklären zu lassen. Außerdem müsse man ihn davon überzeugen, daß der Katholizismus die einzig wahre Religion sei. Mit diesen Argumenten sollte er auch zukünftig auf entsprechende Aufforderungen des Königs reagieren.83 8.3

Immens steigende fiskalische Belastungen, Hausse der Preise und deren Folgen für Handel und Gewerbe in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts

Die in den voranstehenden Kapiteln dargestellten Ereignisse, Entwicklungen und Entscheidungen der politischen sowie sonstigen Akteure und das noch zu behandelnde 82  Malettke, Heinrich IV., S. 99 f. 83  Malettke, Heinrich IV. S. 100 f.

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III.

Geschehen nach dem Tod des Dauphins am 10. Juni 1584 sind vor dem Hintergrund der ökonomischen und sozialen Probleme zu sehen, mit denen Frankreich während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts konfrontiert war. Diese wirtschaftlichen und sozialen Probleme sowie die längerfristigen Entwicklungen haben beim Agieren und Reagieren der Akteure und bei deren Entscheidungen eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt. Deshalb ist es angebracht, im folgenden darauf einzugehen. Auf der Basis der Ergebnisse der modernen Forschung läßt sich konstatieren, daß Frankreich in den Jahrzehnten von ca. 1470 bis ungefähr 1560/1570 von einer Phase der Prosperität profitierte.84 Auf Grund einer Reihe von Faktoren, die noch nicht in jeder Hinsicht zufriedenstellend erforscht worden sind und nach wie vor Anlaß zu kontroversen Debatten geben, trübte sich diese positive konjunkturelle Entwicklung seit 1560/1570 mehr und mehr ein, wobei die Religions- und Bürgerkriege sowie die daraus resultierenden vielfältigen Belastungen eine wesentliche Rolle spielten. Im Jahrzehnt von ca. 1560 bis ungefähr 1570, also innerhalb von zehn Jahren, stiegen die fiskalischen und finanziellen Forderungen des Staates inflationsbereinigt insgesamt um immense 80%. Diese Mutation des Finanzstaates betraf nicht nur die Masse der nicht-privilegierten Franzosen, also die Angehörigen des Dritten Standes und hier insbesondere diejenigen, die die direkte Steuer, die „taille“, zu entrichten hatten, sondern auch die Privilegierten. Das waren vor allem der Klerus, aber auch der Adel, der indirekt von den enorm gestiegenen fiskalischen Belastungen tangiert wurde. Die Versammlungen des französischen Klerus sahen sich fast ständig mit zunehmenden finanziellen Forderungen der Krone konfrontiert. Auch die Kirche Frankreichs sollte ihren finanziellen Beitrag zur Deckung der immensen Kosten leisten, welche der Kampf gegen die Calvinisten verursachte. Der katholische Klerus Frankreichs sah sich also mit dem Ansinnen der Krone konfrontiert, „Abgaben“ (dons gratuits) zu bewilligen, mit denen die vom König zumeist kurzfristig angehäuften Schulden getilgt werden sollten.85 Für den Adel, insbesondere den mittleren und niederen Provinzadel, der – von hier nicht zu erörternden Ausnahmen abgesehen – von der direkten Besteuerung, von der Entrichtung der „taille“, befreit war, wirkten sich die fast ständig zunehmenden fiskalischen Anforderungen der Krone, mit denen sich die breite Masse der Franzosen konfrontiert sah, insofern aus, als die Grundholden der adligen Herren wegen deren immensen Belastungen durch die „taille“ und andere zusätzliche Abgaben an den König ihre Zahlungen an ihre Grundherrn (seigneurs) verzögerten bzw. häufig gar nicht mehr zu leisten in der Lage waren. Anders formuliert: die Grundrente (rente seigneuriale), die eine wichtige Einnahmequelle für die Grundherren darstellte, sank. Einbußen resultierten aus den dargelegten Gründen auch bei den Einnahmen aus der Verpachtung von Grund und 84  Richard Gascon, La France du mouvement: les commerces et les villes, in: Pierre Chaunu, Richard Gascon (Hrsg.), Histoire économique et sociale de la France, tome I: De 1450 à 1660, Ier vol.: L’État et la ville, Paris 1977, S. 235–271. 85  Vgl. dazu Barbiche, Les institutions de la monarchie française à l’époque moderne, S. 96 f.

8.3 Immens steigende fiskalische Belastungen

327

Boden. Die Pächter ( fermiers), die in der Regel „taillepflichtig“ waren, gerieten oftmals in Verzug mit ihren Pachtzahlungen an den Adel. Berücksichtigt man diese Gegebenheiten, wird verständlich, warum eine wachsende Anzahl des Adels von der Krone forderte, die Masse der Steuerzahler zu entlasten durch eine Reduzierung der Ausgaben des Staates. Vor diesem Hintergrund ist auch zu sehen, daß Repräsentanten des Adels vom König mehr oder minder direkt verlangten, die „noblesse“ bei der Vergabe von Pfründen, Chargen und sonstigen Gnadenerweisen wieder stärker zu berücksichtigen. Die Forderung, der König solle wieder an die „alten und guten Zeiten“ anknüpfen, ist also auch als Reflex auf die immens gestiegenen fiskalischen Belastungen der breiten Masse der Steuerpflichtigen zu werten. In der Tatsache, daß sich eine große Zahl der Junker im Midi und im Westen der Monarchie der Partei der Reformierten anschloß, hat man infolgedessen auch eine Reaktion auf diese enorm gestiegenen finanziellen Anforderungen des Königs zu sehen.86 Von Heinrich II. bis 1580 hat sich der nominale Betrag der Steuern fast verdoppelt; er erfuhr eine Hausse von 95%. Gleichwohl stiegen die Schulden der Krone immens an, weil diese selbst mit den sehr stark erhöhten fiskalischen Einnahmen ihre rasant anwachsenden Kosten zu decken nicht in der Lage war. Sie war gezwungen, sich mehr und mehr zu verschulden, weshalb die Schulden der „öffentlichen Hand“ (la dette publique) ebenfalls sehr stark zunahmen. Allein von 1560 bis 1561, also innerhalb eines Zeitraums von etwas mehr als einem Jahr, stieg die Verschuldung der Krone von 41 Millionen livres auf 43,7 Millionen livres.87 In den Beschwerdeschriften (cahiers de doléances) der Stände fanden diese Phänomene in recht drastischen Schilderungen ihren Niederschlag. So hieß es bereits in einem „cahier“ des Jahres 1560: Viele arme Leute sind verhungert, andere haben Selbstmord begangen; andere wiederum sind wegen ihrer Schulden beim Fiskus gepfändet, eingesperrt und ohne Nahrung im Gefängnis zurückgelassen worden, wo sie dann gestorben sind; anderen hat man ihr Vieh weggenommen, so daß sie gezwungen sind, den Pflug mit eigenen Händen zu ziehen, um ihre Ländereien zu bewirtschaften; andere verlassen in großer Zahl ihre ererbten Bauernhöfe, ihre Frauen und Kinder und irren als Bettler durch die Gegend.88

Und in einer Beschwerdeschrift des Adels des Bezirks Paris, Vermandois, Senlis, Melun usw. wurde bezeichnenderweise darauf hingewiesen, daß diese Phänomene auch Konsequenzen für die adligen Grundherren hatten. So wurde in diesem „cahier“ 86  Pierre Chaunu, L’État, in: Chaunu, Gascon (Hrsg.), Histoire économique et sociale de la France I,1, S. 166. 87  Chaunu, L’État, S. 167 f. 88  „Beaucoup de pauvres gens ont péri par la famine, d’autres se sont suicidés; d’autres saisis pour cause de dettes envers le fisc, enfermés et abandonnés sans nourriture sont morts en prison; d’autres, privés de bestiaux, labourent en tirant eux-mêmes la charrue; d’autres, en grand nombre, délaissent leurs héritages, leurs femmes, leurs enfants et mènent une vie errante.“ Zitiert über Chaunu, L’État, S. 167.

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III.

unmißverständlich darauf aufmerksam gemacht, daß „die große Not des Volkes, wo jeder für die Ernährung eines jeden arbeitet, sich auf den Adel und andere Untertanen des Königs auswirkt“89. Im Jahr 1588, also rund drei Jahre nach Ausbruch des Achten Bürgerkriegs und kurz vor dem Tod Katharinas, beliefen sich nach zeitgenössischen Angaben die Einnahmen der Krone auf einen Gesamtbetrag von 27.895.665 livres. Diese Gesamtsumme setzte sich aus folgenden fiskalischen Einnahmequellen bzw. aus folgenden anderen Quellen zusammen: 17.950.296 livres resultierten aus der direkten Besteuerung von Nicht-Adligen (roturiers); 1.300.000 livres wurden als direkte Abgaben vom katholischen Klerus erhoben; auf 6.234.172 livres beliefen sich die Einnahmen aus den verschiedenen Konsumsteuern; 1.651.349 livres erzielte der König aus den Krondomänen und der Nutzung der dazugehörigen Wälder; 480.000 livres an Einnahmen fielen an aus dem Verkauf von Ämtern (parties casuelles), auf Sonstiges entfielen 279.836 livres.90 Belastet wurden die Franzosen auch durch die Hausse der Preise. Im 1560er Jahrzehnt begannen die Bewohner des Königreiches sich über den sich beschleunigenden Anstieg der Preise zu beunruhigen. Besonders spürbar war die Hausse bei agrarischen Produkten. Man kann diese Zunahme anhand der „Marktberichte“ (mercuriales) ermitteln, d. h. auf der Basis der überlieferten Preistabellen, die für den Verkauf von Nahrungsmitteln auf den Märkten erstellt wurden. Für Paris und für Toulouse liegen entsprechende Publikationen vor.91 Während die entsprechenden Indizes für Paris von 1526 bis 1557 nur einen moderaten Anstieg erkennen lassen – nämlich von 1,00 bis 1,21 –, stiegen diese Indizes seit 1558 signifikant an: von 1,76 in den Erntejahren 1558–1562 über 2,60 in den Erntejahren 1563–1567 und 1568–1572 bis auf 3,56 in den Erntejahren 1573–1577 und auf 4,45 in den Erntejahren 1583–1587. Im Hinblick auf die Weizenpreise in Toulouse konnten für die entsprechenden Jahre folgende Indizes berechnet werden: 1,25 für die Erntejahre 1558–1562, 2,07 für die Erntejahre 1563–1567, 3,13 für die Erntejahre 1573–1577, 3,35 für die Erntejahre 1588–1592.92 In den Verkaufshallen von Paris waren für einen Sester93 Weizen im Erntejahr 1563– 1564 4,33 livres zu bezahlen. Im folgenden Erntejahr war der Preis nur moderat auf 4,69 livres gestiegen. Ein Jahr später (1565–1566) hatte sich der Preis bereits auf 10,70 livres verdoppelt. Schließlich war im Erntejahr 1573–1574 das Niveau von 18,06 livres erreicht.94 89  „[…] grande misère du peuple qui travaille pour la nourriture d’un chacun retombe sur la noblesse et sur les autres sujets du Roy.“ Zitiert über ebenda. 90  Chaunu, L’État, S. 175. 91  Micheline Baulant, Jean Meuvret, Prix des céréales extraits de la Mercuriale de Paris (1520–1698), Bd. 1, Paris 1960; Georges u. Geneviève Frêche, Les prix des grains, des vins et des légumes à Toulouse, 1486– 1868, Paris 1967. 92  James Russell Major, From Renaissance Monarchy to Absolute Monarchy: French Kings, Nobles and Estates, Baltimore u. a. 1994, S. 77 u. 124; vgl. auch Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 542. 93  Der Sester (setier) war ein Getreidemaß, das etwa 11/2 Hektolitern entsprach. 94  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 543.

8.3 Immens steigende fiskalische Belastungen

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Die Preise für gewerbliche Produkte stiegen ebenfalls. So mußte das Armenhaus in Lyon für den Kauf von Schuhen, Mützen und Tüchern für seine Insassen zwischen 1550– 1554 und 1595–1599 Preise zahlen, die sich in diesem Zeitraum um das 3,5-fache erhöht hatten. Die starken Preiserhöhungen im Erntejahr 1565–1566 beschäftigten nicht nur die davon unmittelbar betroffenen Käuferschichten, sondern auch das Pariser Parlament. Es ordnete eine Untersuchung der ihnen zugrunde liegenden Ursachen an.95 Die Gründe für den signifikanten Preisanstieg sind vielfältiger Natur. Da ist einmal darauf hinzuweisen, daß die wachsende Einfuhr von Gold und Silber aus den spanischen Gebieten in Südamerika96 nach Spanien sich inflationssteigernd ausgewirkt hat. Durch den Handel und auf anderen Wegen profitierte auch Frankreich von den Edelmetallimporten. Aber dieses Phänomen kann nicht der Auslöser für den Preisanstieg gewesen sein, denn dieser setzte bereits ein, bevor sich die Effekte der Gold- und Silberimporte aus Potosi (Peru) auswirken konnten. Die Zunahme der Menge von Gold- und Silbermünzen spielte eine Rolle beim Preisanstieg, aber keine entscheidende. Andererseits ist zu konstatieren, daß sich die Geldzirkulation insgesamt beschleunigt hat. Außerdem hat sich das demographische Wachstum, insbesondere in den Städten, preissteigernd bei den Nahrungsmitteln und sonstigen Konsumartikeln ausgewirkt. Ganz sicher haben die sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts häufenden Mißernten die Preise für Getreide stark ansteigen lassen, wobei allerdings regionale und lokale Unterschiede zu verzeichnen sind. Das gilt auch für die Bürgerkriege, die sich in den besonders stark betroffenen Regionen negativ für die Landwirtschaft, aber auch für den Handel und das Gewerbe ausgewirkt haben.97 Außerdem dürfte die demographische Erholungsphase von 1560 bis 1580 eine Rolle gespielt haben. Das Phänomen der Preissteigerung blieb längerfristig nicht ohne Auswirkungen auf den Handel und die gewerbliche Produktion. Dieses Phänomen war sicherlich ein sehr wesentlicher Faktor bei der ökonomischen Entwicklung, gleichwohl spielten auch andere Faktoren und die jeweiligen speziellen lokalen und regionalen Gegebenheiten eine Rolle, worauf von Fall zu Fall einzugehen ist. Zunächst profitierten Handel und Gewerbe vom Preisanstieg, solange er moderat blieb. Dann aber wirkten sich dessen rapide Beschleunigung und die dabei auftretenden Ungleichmäßigkeiten in zunehmendem Maße negativ aus, bis es in den beiden Jahrzehnten von 1575 bis 1595 zu einer manifesten Handelskrise kam.98 Da die Lohnsteigerungen nicht die enormen Preissteigerungen bei Getreide auszugleichen vermochten, sank die Kaufkraft ganz allgemein. Weil nun aber immer mehr Geld für das Essen und Trinken aufgewendet werden mußte, ging der Verkauf von 95  Ebenda, S. 543. 96  Earl Hamilton, American Treasure and the Price Revolution in Spain, Cambridge, Mass., 1934. 97  Gascon, La France du mouvement: les commerces et les villes, S. 326; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 544 f. 98  Gascon, La France du mouvement: les commerces et les villes, S. 327.

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III.

gewerblichen Erzeugnissen zurück. Diese Entwicklung läßt sich auch auf dem Sektor von Waren mittlerer Qualität beobachten, die normalerweise selbst für minderbemittelte Bevölkerungsschichten erschwinglich waren. Insgesamt gesehen, waren nun französische Produkte nicht mehr konkurrenz- und wettbewerbsfähig gegenüber billigeren ausländischen Importen – das zu einem Zeitpunkt, an dem diese Importe ohnehin stark zunahmen. Bei Tuchwaren machte sich die englische Offensive besonders bemerkbar. Sie hatte negative Auswirkungen für viele französische Produktionszentren wie Paris, Troyes, das Poitou und – in vergleichsweise geringerem Maße – das Languedoc. Englische Exporte von Tuchen, Strümpfen, Schuhen und Hüten nach Spanien verdrängten mehr und mehr auch die französischen Produzenten und Händler von diesem Markt, der für diese lange eine große Bedeutung gehabt hatte. Bei der Herstellung und der Verarbeitung von Seide zu Stoffen verdrängten ausländische Konkurrenten ebenfalls die französischen Produzenten und Händler mehr und mehr vom Markt. Die Konkurrenz kam aus Italien (Turin, Mailand, Modena, Reggio), aus der spanischen Freigrafschaft Burgund (Besançon) und aus Genf. Deren Produkte waren billiger als die französischen. Das lag zum Teil auch daran, daß die Einfuhr von Rohseide, die der Herstellung von Seidenstoffen dienen sollte, 1563 sogar zu 50% subventioniert wurde. Als Lyon dagegen bei Karl IX. protestierte, setzte der König 1566 dieser Subvention ein Ende. Ein Jahr später wurde diese Subventionierung aber zugunsten des florentinischen Bankiers und Finanziers Adjacet (Ludovic Da Diaceto, genannt comte de Châteauvillain) wieder eingeführt. Der Verdacht liegt nahe, daß Katharina dabei eine Rolle gespielt hat, denn Bankiers und Finanziers italienischer Herkunft agierten in ihrem engeren Umfeld sehr erfolgreich, wenn sie nicht direkt zu deren Klientel zählten. Das Seiden- und Handelszentrum Lyon war besonders hart betroffen. Nach Schätzungen zeitgenössischer Kaufleute waren um die Mitte des 16. Jahrhunderts 3.000 Gewerke im Sektor der Seidenproduktion tätig. Sie beschäftigten 12.000 bis 15.000 Personen. Im Jahr 1573 waren es nur noch 200 Gewerke. Um die französische Tuchproduktion und den französischen Handel mit Tuchen zu schützen, untersagte die Krone mit den Ordonnanzen von 1552, 1567, 1572 und 1577 den Export von Wolle und Hanf und den Import von Seidenstoffen und Leinen. Die positiven Effekte dieser Protektionsmaßnahmen wurden aber konterkariert durch Ausnahmen, die die Krone wiederum ausländischen Händlern gewährte. Neben den skizzierten negativen Faktoren sind die Bürgerkriege der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als verschärfende Faktoren zu nennen. Sie wirkten sich in den von ihnen besonders betroffenen Gebieten im Midi und im Poitou, in einigen östlichen Regionen und in Lyon negativ auf die konjunkturelle Entwicklung aus. Dagegen waren deren ökonomische Folgen im Norden der Monarchie und in der Bretagne vor den 1580er Jahren weniger gravierend. Nicht besonders stark betroffen waren auch die Häfen am Atlantik und am Mittelmeer. Zwar erfuhren sie einige Beeinträchtigungen, aber der Handel von Bordeaux, Nantes,

8.4 Finale Krise der Dynastie

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Rouen oder Saint-Malo99 blieb relativ stabil bis zum Beginn des Achten Bürgerkriegs im Sommer 1585. Marseille profitierte von den Schwierigkeiten Venedigs, das sich im Krieg gegen die Osmanen befand. Der Handel dieser Handelsstadt brach erst ein im Gefolge der Pestepidemie von 1580/1581, der Krise in Lyon und der militärisch-politischen Aktivitäten der Liga nach 1584.100 Der enorme Anstieg der Preise insbesondere für Nahrungsmittel wirkte sich in sozialer Hinsicht vor allem für jene Bevölkerungsschichten aus, deren Angehörige ihren Arbeitslohn überwiegend oder vollständig in Bargeld und nicht in Naturalien bezogen. Sie mußten fast den ganzen Lohn für ihren Lebensunterhalt aufwenden. Zu den stark Betroffenen gehörten aber auch die Bauern, die nur kleine bäuerliche Betriebe bewirtschafteten und geringe Ernteerträge erzielten, so daß ihnen zum Verkauf kaum etwas übrigblieb. Insgesamt gesehen, trug die Masse der bäuerlichen Bevölkerung ohnehin die meisten und drückendsten finanziellen Belastungen. Sie hatten vielfältige Zahlungen (droits seigneuriaux) an ihre Grundherren zu leisten. Hinzu kamen die fiskalischen Abgaben an den König und an die Kirche; es waren dies vor allem die „taille“ und der Kir­ chenzehnt (dîme). In den von den Bürgerkriegen betroffenen Regionen waren es zumeist ebenfalls die Bauern, von denen die marodierende Soldateska Zahlungen bzw. Naturalien erpreßte. Diejenigen, die in der Lage waren, Getreide in größeren Mengen zu verkaufen, gehörten zu den Profiteuren der Krise. Das waren die Großbauern, die großen Pächter und jene Adlige, die über große Herrschaften und Ländereien verfügten, die sie gewinnbringend verpachten oder für sich profitabel bewirtschaften lassen konnten.101 8.4

Finale Krise der Dynastie und drohender Zerfall der Monarchie: Das Agieren Heinrichs III. und Katharinas bis zu deren Tod am 5. Januar 1589

Durch den Tod Anjous am 10. Juni 1584, der keinen legitimen Sohn hinterließ, und auf Grund der weiteren in diesem Kontext sich vollziehenden Ereignisse erhielt die schon erwähnte bündische Bewegung, die 1576 zur Gründung der Ersten Liga102 geführt hatte, massiven Auftrieb. Im September 1584, nicht zufällig nach dem Tod des Herzogs Franz von Anjou, gründeten Heinrich von Guise, seine Brüder Charles de Lorraine, duc de 99  A. Lespagnol, Histoire de Saint-Malo, Toulouse 1984. 100  G. Rambert, Histoire du commerce de Marseille, 1951; Gascon, La France du mouvement: les commerces et les villes, S. 326–329; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 545 ff. 101  Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 549 f.; zum Gesamtkomplex: Pierre Goubert, L’Ancien Régime, Bd. 1: La société, Paris 1969; Bd. 2: Les pouvoirs, Paris 1973; Audisio Gabriel, Des paysans, XVe–XIXe siècle, Paris 1994; Françoise Bayard, Guignet Philippe, L’Économie française aux XVIe–XVIIe siècle, Gap 1991; Richard Gascon, Grand commerce et vie urbaine au XVIe siècle. Lyon et ses marchands, 2 Bde., Paris 1971. 102  Vgl. Kap. 8, S. 310.

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Mayenne, der Gouverneur des Herzogtums Burgund, und Louis de Lorraine, cardinal de Guise, Erzbischof von Reims, sowie Louis de Gonzague, duc de Nevers, und einige andere katholische Adlige in dem kleinen Ort Boudonville, in unmittelbarer Nähe von Nancy gelegen, eine Fürsten- und Adelsliga. Bereits am 31. Dezember erfolgte der Abschluß eines Bündnisses mit Philipp II. im Geheimvertrag von Joinville. Darin versicherten sich die Vertragspartner ihrer gegenseitigen Unterstützung. Außerdem erklärten sie, daß als Thronfolger nach dem zu erwartenden kinderlosen Ableben Heinrichs III. nur der katholische Prinz von Geblüt, der Kardinal Charles de Bourbon, der katholische Onkel Heinrichs von Navarra, in Frage komme. Im März begannen die Guise ihre militärischen Aktivitäten.103 Unabhängig von der Fürsten- bzw. Adelsliga formierte sich Ende des Jahres 1584 in Paris eine weitere katholische Liga, die „Heilige Union“ (Sainte Union), zur Verteidigung der Heiligen Katholischen Kirche. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen, rekrutierten sich deren Mitglieder aus der Masse der katholischen nichtadligen Einwohner der Kapitale. Von Anfang an trat die Pariser Liga viel radikaler und militanter auf. Diese Geheimorganisation wurde von neun oder zehn Personen dirigiert. Seit 1587 bezeichnete man dieses Leitungsgremium als „Conseil des Seize“ (Rat der Sechzehn). Diese Bezeichnung bezog sich allerdings nicht auf die Zahl der Mitglieder des Rates (Conseil), sondern auf die sechzehn Quartiere (Stadtbezirke), in die Paris in administrativer Hinsicht unterteilt war. Schon bald nahm die Pariser Liga Kontakt zum Herzog Heinrich von Guise auf. Dieser sicherte seine Verbindungen mit der Pariser Liga durch einen Emissär. Die „Zweite Liga“ breitete sich auch in den Provinzen aus.104 Katharina, die sich im September und Oktober 1584 in Chenonceau und Blois aufhielt, war in jenen Tagen mit einigen Problemen im Languedoc befaßt, wo es Differenzen zwischen Montmorency-Damville und dem Marschall von Joyeuse (Anne d’Arques, duc de Joyeuse, 1560–1587) über die Administration dieser Provinz beizulegen galt, Differenzen, die zu eskalieren drohten. Die Aktivitäten der Guise schienen zu diesem Zeitpunkt noch keine absolute Priorität zu haben.105 Die während des Winters 1584/1585 bei ihr eintreffenden Informationen über die militärischen Vorbereitungen und politischen Aktivitäten des Herzogs Heinrich von Guise ließen sie dann aber immer deutlicher erkennen, daß Gefahr im Verzug war und von den Ligisten die Anwendung von Gewalt und damit der Ausbruch eines neuen Bürgerkrieges drohten. Ihre Spione berichteten ihr, daß der Herzog Truppen in den von den Guise kontrollierten Provinzen rekrutierte106 und hin103  Malettke, Heinrich IV., S. 101; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 578 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 384 ff.; Cloulas, Catherine de Médicis, S. 494 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 726–729; Dargent, Catherine de Médicis, S. 335 ff.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 338 ff.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 372–375; Pernot, Henri III, S. 324 ff. 104  Zur Liga: Constant, La Ligue; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 578–583; Pernot Henri III, S. 326 ff.; Malettke, Heinrich IV., S. 101. 105  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 496; Dargent, Catherine de Médicis, S. 337 f.; 106  Solnon, Catherine de Médicis, S. 385 f.

8.4 Finale Krise der Dynastie

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ter dem Rücken Heinrichs III. mit dem spanischen Statthalter in den Niederlanden, mit dem Herzog Emanuel Philibert von Savoyen (1553–1580) und mit dem Kaiser Rudolf II. (1576–1612) korrespondierte. Ende Februar 1585 erfuhr Katharina, daß Heinrich von Guise starke Kavallerieverbände in seinen Dienst übernommen hatte und nach Frankreich kommen ließ. Um ihm zu signalisieren, daß sie darüber und über seine anderen bedrohlichen Aktivitäten informiert war, und um ihn ganz offensichtlich zu warnen, schrieb sie ihm in jenen Tagen: Mein Neffe, weil ich eine Sache gehört habe, die ich nicht glauben mag, setze ich Sie meinem Versprechen gemäß, Sie über alles zu informieren, was ich höre, darüber in Kenntnis, daß ich weiß, daß 30 Fähnlein Kavallerie, die der Fürst von Parma aufgelöst hat, nun nach Frankreich kommen, um Ihnen zur Verfügung zu stehen. Ich kann das nicht glauben, denn das wäre eine schlechte Sache, für die es keinen Grund gibt; sie widerspräche allem, was Sie mir gesagt und mir wiederholt versprochen haben, nämlich dem König stets zu Diensten zu sein und nichts zu unternehmen, was ihm mißfallen oder ihm gar den geringsten Anlaß geben könne, an Ihrem Wohlverhalten und an der Rechtmäßigkeit Ihrer Aktionen zu zweifeln. […] Und um allen Gerüchten den Boden zu entziehen, bitte ich Euch, umgehend hierher zu kommen […].107

Als Heinrich von Guise nicht reagierte und sich gegenüber diesem warnenden Signal ­Katharinas taub stellte, richtete sie am 16. März 1585 eine weitere Warnung an ihn. Den Anlaß dazu bot ihr, daß am 12. März in Paris auf einem Flußschiff auf der Seine eine Ladung entdeckt worden war, die einige hundert Waffen umfaßte, die für den Herzog bestimmt waren und die nach Châlons-sur-Marne transportiert werden sollten. Der Ton des Schreibens, das ­Katharina an den Herzog richtete, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Sie war sehr beunruhigt und signalisierte dem Herzog, daß sie über dessen Umtriebe sehr genau informiert war. Sie wollte ihm aber wohl eine „goldene Brücke“ bauen und ihn durch behutsames Zugehen zum Einlenken bewegen. Sie schrieb nämlich: Mein Neffe, ich bin ebenso betrübt wie erstaunt über die kursierenden üblen Gerüchte und über die uns zugeleiteten Informationen im Hinblick auf einige neuerliche Umtriebe, als deren Urheber Sie genannt werden. Ich bin jedoch noch immer vom Gegenteil überzeugt, was ich auch meinem Sohn gesagt habe, der davon ebenso überzeugt ist wie ich. Damit aber jeder Zweifel ausgeräumt wird, hat er [der König] avisiert, den Überbringer dieses Briefes, 107  [Februar/März 1585] „A mon nepveu, Monsieur de Guize. Mon nepveu, […] ayant entendu une chose que je ne puys croire, n’ay [j’ai voulu], pour satisfaire à la promesse que je vous ay faicte de vous advertir de ce que j’entendrais, que 30 cornettes de cavallerie qu’avoit le prince de Parme, […] qu’il a licenciez et qu’ilz dizent s’en venir en France pour votre service: ce que je ne puis [le] croire, […] car ce seroit une chose si mauvaise et esloignée de ce que [vous] m’avez dict, et continué toutes les fois que avez envoyé de par de deçà que vouliez [et à plusieurs reprises que vous vouliez] continuer au service que [vous] avez tousjours faict au Roy et ne faire [aucune] chose qui luy puisse déplaire, ne [ni] donner occasion d’avoir nul ombre de vos actions; […] Et pour aulter [ôter] tous les bruictz, je vous prie en venir icy incontinant […]. Vostre bonne tante, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, publiées par M. le Cte Baguenault de Puchesse, Bd. VIII (1582–1585), Paris 1901, S. 239 f.

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III. den Herrn von Maintenon, zu Ihnen zu schicken mit dem Auftrag, Ihnen in dieser Angelegenheit einiges in seinem Namen auszurichten.108

Heinrich von Guise ließ sich aber auch davon nicht beirren. Vielmehr veröffentlichten er und seine Mitstreiter am 31. März 1585 das Manifest von Péronne (in der Picardie), das im ganzen Königreich verbreitet wurde. Dieses Manifest, für das der Kardinal Karl von Bourbon und Erzbischof von Rouen, das Patronat übernommen hatten, ließ in seinem Titel bereits die Stoßrichtung erkennen, welche die Ligisten um Heinrich von Guise verfolgten. Sie griffen in aller Schärfe alle diejenigen an, die nach ihrer Überzeugung die katholische Religion in der Monarchie beseitigen und den Staat umstürzen wollten. Das Manifest hatte nämlich folgenden Titel: „Deklaration betreffend die Gründe, die Monseigneur den Kardinal von Bourbon und die Pairs, Fürsten, Herren, Städte sowie die katholischen Gemeinden dieses Königreiches Frankreich dazu veranlaßt haben, sich allen denjenigen zu widersetzen, die mit allen Mitteln die katholische Religion und den Staat vernichten wollen.“109 Im wesentlichen entsprach der Inhalt dieses Manifestes den Positionen, die die rebellierenden Adligen bereits in der Vergangenheit in ihren Rechtfertigungsproklamationen bezogen hatten. Neu war in diesem Fall, daß an der Abfassung des Manifestes auch die bürgerlichen Ligisten von Paris beteiligt worden waren.110 Es war kein Zufall, daß Péronne als Ort gewählt worden war, an dem das Manifest publiziert wurde. Mit dem als Manifest von Péronne bezeichneten Appell sollte eine Verbindung hergestellt werden zur Ersten Liga von 1576, zu deren „Chef“ sich Heinrich III. am 2. Dezember desselben Jahres erklärt hatte.111 Damit sollte einmal dem König signalisiert werden, daß die Verfasser dieses Manifestes nichts Rechtswidriges taten, denn sie griffen ja nur Positionen auf, die jene des Königs waren, denn sonst hätte er sich nicht zum Chef der Liga von 1576 erklärt. Des weiteren sollten mit der Wahl von Péronne sich auch der Adel und alle anderen Städte der Picardie angesprochen fühlen, die die Grenze Frankreichs zu den Niederlanden bewachten, Städte, die in strategischer Hinsicht sehr wichtig waren.

108  [16. März 1585] „A mon nepveu, Monsieur le duc de Guise. Mon nepveu, je suis aultant marrye qu’esbahie [qu’ébahie] des mauvais bruicts qui courent et advis que nous avons de quelques nouveaux remuemens, dont on veut vous attribuer la cause. Encore que je m’asseure [suis sûr] du contraire, comme je l’ay toujours dict au Roy mon fils, qui ne n’en peut rien persuader non plus que moy [en est autant persuadé que moi], toutefois pour s’en rendre hors de doubte [en être hors de doute], il a advisé d’envoyer le sieur de Maintenon, présent porteur, exprès devers vous [auprès de vous] avec charge de vous faire entendre, sur ce, aulcunes [certaines] choses de sa part. […] Escript à Paris, le XVIe mars 1585. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. VIII (1582–1585), S. 242. 109  „Déclaration des causes qui ont mû Mgr le cardinal de Bourbon et les pairs, princes, seigneurs, villes et communautés catholiques de ce Royaume de France, de s’opposer à ceux qui par tous les moyens s’efforcent de subvertir la religion catholique et l’État.“ 110  Pernot, Henri III, S. 331. 111  Vgl. Kap. 8, S. 312.

8.4 Finale Krise der Dynastie

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Das Manifest war aber nicht nur ein flammender Appell an alle Franzosen, den katholischen Glauben zu verteidigen, sondern in ihm wurden auch alle schon früher immer wieder gegenüber der Regierung erhobenen Klagen und Beschwerden rekapituliert. Es wurde z. B. Klage geführt über die unerträglich hohen fiskalischen Belastungen und über die Benachteiligung des Adels gegenüber den Mignons des Königs. Wiederholt wurde auch die Forderung, die Generalstände regelmäßig im Turnus von drei Jahren einzuberufen. Den Favoriten des Königs wurde vorgeworfen, sie hätten sich des Staates bemächtigt, um ihre eigenen materiellen und politischen Ambitionen realisieren zu können. Der König sollte deshalb die Mignons vom Hof entfernen.112 Im April 1585 konnte Heinrich von Guise über eine Armee von rund zehn- bis zwölftausend Mann an Fußtruppen und rund 1.000 bis 1.200 Berittenen verfügen. An ihrer Spitze zog er von Châlons-sur-Marne, das er bereits am 20. März besetzt hatte, in Richtung Épernay. Auf dem Weg dorthin bemächtigte er sich der Städte Toul und Verdun. Vor Metz scheiterte er aber, weil der dortige Gouverneur, der Herzog von Épernon – einer der Mignons des Königs –, ihn daran hinderte, auch diese Stadt zu okkupieren. Gleichzeitig besetzte sein Bruder Mayenne, der Gouverneur von Burgund, die Städte Dijon, Auxonne und Mâcon. Seine Cousins, die Herzöge von Elbeuf (Charles de Lorraine, duc d’Elbeuf) und von Aumale brachten Teile der Normandie und der Picardie unter ihre Kontrolle. Gleiches gelang dem Herzog von Mercœur (Philippe-Emmanuel de Lorraine, duc de Mercœur), dem Bruder der Königin Louise, der Frau Heinrichs III., in der Bretagne. Konfrontiert mit dieser höchst bedrohlichen Entwicklung rief der König Schweizer Söldner zu Hilfe. Heinrich von Navarra sagte ihm seine Unterstützung zu ebenso wie die Königin Elisabeth von England. Der König schien entschlossen, gegenüber den Guise Stärke zu demonstrieren und ihnen zu signalisieren, daß er zum Kampf entschlossen sei. Katharina war aber der Meinung, ein Agieren gemeinsam mit den Protestanten sei für die Krone noch gefährlicher. Man würde damit gleichsam versuchen, den Teufel mit Beelzebub zu vertreiben. Deshalb plädierte sie nachdrücklich dafür, Verhandlungen mit Heinrich von Guise aufzunehmen – diskutieren, verhandeln, Kompromisse suchen oder zumindest Zeit gewinnen – das waren in der damaligen Lage erneut ihre Präferenzen. Gleichzeitig könne der König die gewonnene Zeit dafür nutzen, um seine Position militärisch wie politisch zu stärken. Es gelang ihr schließlich, ihren Sohn für dieses Procedere zu gewinnen. Trotz ihres Alters und gesundheitlicher Probleme nahm sie im Interesse des Landes die Mühen und Belastungen einer Reise in die der Krone damals nicht wohlgesonnene Champagne auf sich, um dort mit Heinrich von Guise zu verhandeln. Diese Gespräche begannen am 9. April, zehn Tage nach ihrem Aufbruch von Paris, und schleppten sich über Monate hin, weil sich die Gegenseite in einer Position der Stärke befand und diese immer neue und weitergehende Forderungen stellte. Von Heinrich III. hatte ­Katharina umfassende Vollmachten erhalten. In den langandauernden und sehr kontrovers verlaufenden 112  Solnon, Catherine de Médicis, S. 386 f.; Pernot, Henri III, S. 332 f.

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Verhandlungen zog sie alle Register ihrer in Jahrzehnten erprobten Verhandlungstaktik, ohne jedoch die Gegenseite zum Einlenken veranlassen zu können. Am 10. Juni stellten die Guise dem König Forderungen, die einem Ultimatum gleichkamen.113 Schließlich kam sogar das Gerücht auf, die Ligisten planten, die Kapitale Paris anzugreifen, wo sie von den dortigen Ligisten sicherlich mit großer Freude empfangen würden. Angesichts dieser massiven Bedrohung sah sich Katharina letztlich gezwungen, am 7. Juli 1585 in das Abkommen von Nemours einzuwilligen. Dieser Vertrag kam einer Kapitulation des Königs vor der Liga und vor dem Herzog von Guise gleich, denn Katharina hatte sich schließlich zu drastischen Konzessionen gezwungen gesehen, um den Marsch der Ligisten auf Paris zu verhindern und zumindest Zeit zu gewinnen. Mit diesem Abkommen wurden alle früheren Pazifikationsedikte annulliert und die Ausübung des reformierten Bekenntnisses im ganzen Königreich verboten. Alle Calvinisten hatten entweder ihrem Glauben abzuschwören oder Frankreich innerhalb von sechs Monaten zu verlassen. Außerdem wurde Heinrich von Navarra seiner Thronfolgerechte für verlustig erklärt. Dieser Vertrag kam einem veritablen Proskriptionsgesetz gleich, das die französischen Calvinisten traf. Katharina hatte unter dem Druck der Zwangslage, in der sich die Krone auf Grund der Ereignisse befand, handeln und sehr weitreichende Konzessionen machen müssen, um Schlimmeres zu verhüten. Sie hatte der Not gehorchend nachgegeben. Aber wenn sie das tat, dann manifestierte sich wieder einmal eine ihrer handlungsleitenden Überzeugungen, nämlich sich mit einem allzu mächtig gewordenen Gegner zu arrangieren, ihn sozusagen zu „umarmen“, um Zeit zu gewinnen und die Hoffnung auf bessere Zeiten zu setzen. Sie hatte gelernt und verinnerlicht, daß sich alles kontinuierlich im Fluß befindet, daß man in äußerster Not (nécessité) auch zu weitreichenden Zugeständnissen bereit sein müsse, die man dann später, wenn sich das Blatt gewendet hatte, wieder werde entschärfen können. Auch in der größten Notlage war Katharina nie bereit, zu resignieren oder gar aufzugeben. Sie glaubte stets fest daran, letztlich doch Positives für die Monarchie und die Dynastie der Valois zu bewirken in der Lage zu sein. Generell warf die „Zweite Liga“ Heinrich III. und seiner Mutter vor, nicht konsequent genug gegen die Hugenotten vorzugehen. Andererseits kritisierte man den luxuriösen Lebensstil des Königs, seine Geldverschwendung sowie seine absolutistisch-autoritären Züge, die mit seinen immer wiederkehrenden mystischen Anwandlungen kontrastierten, während derer er sich als bußfertiger und sündiger Gläubiger zum Meditieren in ein Kloster zurückzog. Im Gefolge der sehr vielschichtigen weiteren Ereignisse, bei denen sowohl religiöse und politische als auch soziale und wirtschaftliche Faktoren eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten, sollte dem König, der dann auch noch häufig die Fronten wechselte, mehr und mehr das Gesetz des Handelns entgleiten. Die im Vertrag von Nemours vom 7. Juli 1585 fixierten Regelungen fanden im Edikt vom 17. Juli dieses Jahres ihren Niederschlag. Es wurde am 18. Juli vom Pariser Parlament 113  „Requête au roi et dernière résolution“.

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in einem „lit de justice“ einregistriert. Die Verkündung des Edikts vom 17. Juli 1585 war das Signal für den Beginn des Achten Bürgerkriegs. Er sollte der längste und verlustreichste und erst von Heinrich IV., dem ersten französischen König aus dem Geschlecht der Bourbonen, beendet werden. Mit dem Erlaß des Edikts von Nantes von 1598 brachte er der geschundenen Monarchie eine längerfristige Befriedung.114 In dieser sich immer mehr zuspitzenden Krise fand Katharina Unterstützung im Geiste bei den sog. „Politikern“ (politiques). Neben den intransigenten Katholiken und Calvinisten existierte auch eine von gemäßigten Angehörigen beider Konfessionen geprägte Gruppierung. Deren Entstehung reicht bis in die Jahre vor der Bartholomäusnacht vom August 1572 zurück. Seit Mitte der 1580er Jahre bezeichnete man die dieser politischen Richtung angehörenden Repräsentanten in der breiteren Öffentlichkeit als „Politiker“. Aus übergeordneten politischen Gründen und um die Monarchie dauerhaft zu befrieden, plädierten sie für eine vermittelnde und ausgleichende Politik zwischen den Konfliktparteien. In ihren Stellungnahmen, Verlautbarungen und Schriften traten sie dafür ein, den Hugenotten religiöse Duldung sowie eine weitgehende rechtliche und politische Anerkennung zu konzedieren und die Macht des Königs so weit zu stabilisieren, daß dieser in der Lage sei, über den sich bekämpfenden Parteien agierend sowohl die Befriedung des Landes als auch die konfessionelle Koexistenz von Katholiken und Calvinisten zu erreichen und dauerhaft sicherzustellen. Für die politische und zivile Befriedung der Monarchie hat der berühmte Jurist und Staatstheoretiker Jean Bodin mit seinen Anfang 1576 publizierten „Sechs Bücher[n] über den Staat“115 gewirkt. In diesem Werk, das häufig – aber zu Unrecht – als ein Plädoyer für das Anliegen der Politiker interpretiert wird, „verband er die Idee der politisch begründeten Toleranz mit einer Stärkung der souveränen Monarchie und brachte damit ein zukunftsträchtiges politisch-theoretisches Konzept an den Tag“.116 Indessen hat sich Bodin niemals als den Politikern zugehörig bezeichnet; vielmehr war er auf Distanz zu ihnen gegangen. Er wollte die Wiederherstellung der religiösen Einheit (concorde confessionelle), 114  Zum Gesamtkomplex des Geschehens, das zum Vertrag von Nemours vom 7. Juli 1585 führte, und zu dessen Inhalt: Cloulas, Catherine de Médicis, S. 496–517; Orieux, Catherine de Médicis, S. 726–748; Solnon, Catherine de Médicis, S. 384–391; Dargent, Catherine de Médicis, S. 337–347; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 343–346; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 583 f.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 380–383; Pernot, Henri III, S. 331–335; Malettke, Heinrich IV., S. 102 f., 141–147. 115  Im Original: Les Six livres de la République. 116  Hinrichs, Heinrich IV., S. 148. Jean-Pierre Babelon, Henri IV, Paris 1982; David Buisseret, Henry IV, London u. a. 1984; vgl. dazu auch Mario Turchetti, Vie et œuvres de Bodin, in: Jean Bodin. Les Six Livres de la République. De Republica libri sex. Livre premier – Liber I, Édition de Mario Turchetti, Paris 2013, S. 33–62; siehe auch Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1: Die Grundlagen; ders., Souveränität. Entstehung und Entwicklung des Begriffes in Frankreich und Deutschland vom 13. Jahrhundert bis 1806; Jean Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Buch I–III, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Bernd Wimmer, eingeleitet und herausgegeben von P. C. Mayer Tasch, München 1981; Buch IV–VI, München 1986.

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er lehnte aber die Anwendung von Gewalt ab, um dieses Ziel zu erreichen. Wenn Bodin an Toleranz im damaligen Wortsinne dachte, dann meinte er die Beendigung gewaltsamer Verfolgung und eine zeitlich befristete Duldung Andersgläubiger – kurz: die politische und zivile Befriedung der Monarchie, damit die religiöse Wiedervereinigung auf friedliche Weise erreicht werden könne. Das war für ihn das Fundament der Souveränität.117 Vor dem Hintergrund der Bürgerkriege in seinem Land und auf der Basis der daraus resultierenden Erfahrungen hat Bodin seinen Souveränitätsbegriff konzipiert, der nicht nur zum unverzichtbaren Bestandteil moderner Staatlichkeit, sondern auch zu einem Grundprinzip im Verkehr zwischen Staaten geworden ist. Indem er den französischen König mit dem Gesetzgebungsmonopol – kurz: mit der Souveränität – ausstattete, die indessen nicht Omnipotenz bedeutete, wollte er den Monarchen befähigen, Frankreich von dem Krisensyndrom zu befreien und die auf Konsens zwischen Krone und Regierten angelegte Renaissance-Monarchie wiederherzustellen. Für die Entwicklung frühmoderner Staatlichkeit hatten Bodins „Les Six livres de la République“ zur Folge, daß die höchste und keiner institutionellen Kontrolle unterworfene Gewalt nach innen und außen zum notwendigen Attribut, zum konstitutiven Bestandteil des Staates wurden.118 Auf Grund der von den Politikern vertretenen politischen Überzeugungen opponierten sie gegen die Ligisten, aber auch gegen die intransigenten und militanten Calvinisten.119 Katharina und Heinrich III. hatten nur der Not gehorchend den Vertrag von Nemours geschlossen. Beide empfanden ihn als demütigend. Die politisch erfahrene Königinmutter hatte sich wohl auch keinen Illusionen darüber hingegeben, daß die Hugenotten die sie betreffenden repressiven Maßnahmen widerstandslos hinnehmen würden. Ihr enger Vertrauter, der Staatssekretär Nicolas de Villeroy, prognostizierte, daß der in Nemours unterzeichnete Friedensvertrag für die nächste Zukunft nur „Unruhen, Blut und Verwüstung“120 bringen und das Königreich bald ruinieren werde. Er sollte mit seiner düsteren Prognose recht behalten. Am 10. August 1585 trafen Heinrich von Navarra und sein Cousin Heinrich von Condé nahe von Lavaur, unweit von Castres, den Herzog Montmorency-Damville, den Gouverneur des Languedoc. Auch der Gouverneur war darüber sehr irritiert, daß die Guise abermals eine derartige Macht in der Monarchie erlangt hatten. In Reaktion darauf wiederbelebten Navarra, Condé und Montmorency die Allianz zwischen Protestanten und moderaten Katholiken, die sich zehn Jahre zuvor als so effektiv erwiesen hatte. Sie publizierten und verbreiteten das in sehr kämpferischem Ton gehaltene Manifest „Erklärung und Protest […] gegen den zum Nachteil des Hauses Frankreichs mit jenen des Hauses 117  Turchetti, Vie et œuvres de Bodin, S. 58 f.; ders., Une question mal posée, l’origine et l’identité des ‚Politiques‘ au temps des guerres de religion, in: Thierry Wanegffelen (Hrsg.), De Michel de l’Hospital à l’Édit de Nantes, Clermont-Ferrand 2002, S. 357–390. 118  Malettke. Hegemonie – multipolares System – Gleichgewicht, S. 9; ders, Richelieu, S. 35 ff. 119  Pernot, Henri III, S. 333. 120  „troubles, sang et désolation“.

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Lothringen, den Chefs und Hauptinitiatoren der Liga, geschlossenen Frieden“121. Darin beschuldigten sie die Guise, „das Haus Frankreich zum Erlöschen zu bringen und selbst diesen Platz einnehmen zu wollen“.122 Sie beklagten die Lage des Königs, der zum Gefangenen der Ligisten geworden sei. Sie hätten deshalb zu den Waffen gegriffen, um Seine Majestät zu befreien. Sie kündigten außerdem einen erbarmungslosen Krieg gegen die Liga an. Im September 1585 eröffneten sie die Feindseligkeiten.123 Obwohl Heinrich von Navarra seit 1584 unangefochtener Verteidiger der Sache der Calvinisten und ihr respektierter politischer Anführer war, hat er weder in den Jahren zuvor noch in der Folgezeit seine politische Rolle ausschließlich als diejenige eines Chefs der Hugenottenpartei verstanden. Er gab dem wachsenden Druck der militanten Calvinisten nicht nach, sondern pflegte trotz aller zwischen ihm, Heinrich III. und dessen Mutter bestehenden religiösen und politischen Differenzen den Kontakt mit dem König und Katharina. Er war und blieb – akzeptable Bedingungen vorausgesetzt – zu einem dauerhaften Ausgleich, ja zu aufrichtiger Aussöhnung bereit. Entsprach dieses allen extremen Positionen widerstrebende Agieren zunächst dem Charakter Navarras und seinen politischen Instinkten sowie seinem Gespür, so resultierte es spätestens seit Mitte der 1580er Jahre aus seiner ganz bewußt eingeschlagenen politischen Linie. Auch als er mit aller Entschiedenheit gegen die Liga kämpfte, die am 18. Juli 1584 beim Pariser Parlament seinen Ausschluß von der Thronfolge in Frankreich und am folgenden 9. September die Exkommunikation durch Papst Sixtus (1585–1590) erreichte, brach er dennoch die Brücken zum Hof des Königs nie ab. In der Reihenfolge der politischen Prioritäten Navarras standen an erster Stelle seine dynastischen Interessen, gefolgt vom Kampf um die Befriedung der Monarchie und von der Sorge um das Wohlergehen der Franzosen. Erst an dritter Stelle rangierte für ihn der reformierte Glauben. Aber auch Heinrich III. und Katharina ließen die Kontakte zu ihrem Schwager bzw. Schwiegersohn nie abreißen.124 Auch während des Krieges hielt Heinrich von Navarra an seinen politischen Grundüberzeugungen fest. Er und sein engster Beraterkreis vertraten „einen eigenständigen Politikstil, der in der Konsequenz den Verzicht auf die religiöse zugunsten der nationalen Einheit Frankreichs implizierte und der auch die Außenpolitik als Medium dieser Entwicklung nutzte“125. Die von Navarra praktizierte Kommunikation mit protestantischen Fürsten und Höfen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation vollzog sich ganz im Dienst dynastischer und machtpolitischer Interessen. Auf französischer Seite richteten sich die langfristigen macht- und geopolitischen Ambitionen auf die niederländischniederrheinische Großregion. Darin manifestierte sich die Hoffnung, eine antispanische Politik mit machtpolitisch-hegemonialen Intentionen Frankreichs verknüpfen zu 121  „Déclaration et protestation […] sur la paix faite avec ceux de la maison de Lorraine, chefs et principaux auteurs de la Ligue, au préjudice de la maison de France.“ 122  „éteindre la maison de France et se loger à sa place“. 123  Pernot, Henri III, S. 339. 124  Malettke, Heinrich IV., S. 103 f. 125  Beiderbeck, Zwischen Religionskrieg, Reichskrise und europäischem Hegemoniekampf, S. 74.

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können. „Zwar galt eine Vielzahl der seit 1583 erfolgten Gesandtschaften, die im Auftrag Navarras an protestantische Höfe im Reich und Europa führten, auch dem Ziel, konfessionsübergreifende Gespräche anzuknüpfen, doch blieb ihr Hauptzweck eine gegen die Vormacht der Casa d’Austria gerichtete europäische Koalition. Entscheidend wurde, ob ein Reichsfürst Frankreich freundschaftlich gesonnen und ein Gegner der Habsburger war.“126 Die in religiöser und konfessionspolitischer Hinsicht durchaus verständigungsbereite Haltung Heinrichs von Navarra und dessen antispanische Einstellung waren Katharina und ihrem Sohn, dem König, bekannt. Das kam beiden in der zugespitzten Krise der Monarchie – im wesentlichen eine Folge der Militanz der Ligisten und der Guise – durchaus gelegen. Navarras Kompromißbereitschaft eröffnete Katharina die Chance, die Annäherung zu ihm und damit zu den moderaten Calvinisten zu suchen, um ein Gegengewicht gegen die Macht zu schaffen, die die Guise an der Spitze der Ligisten in der Monarchie für sich hatten erringen können. Es kann deshalb nicht überraschen, daß Katharina in der gegebenen Lage gegenüber Heinrich III. dafür plädierte, den direkten Kontakt zu Navarra zu suchen und mit diesem politische Gespräche aufzunehmen. Die Königinmutter rekurrierte damit erneut auf ein politisches Mittel, das sie in der Vergangenheit immer wieder in vergleichbaren Situationen angewendet hatte, nämlich immer dann, wenn eine Partei zu mächtig und gefährlich geworden war, dieser allzu potenten Partei eine verfügbare andere entgegenzusetzen, um zwischen beiden ein Machtgleichgewicht herzustellen und der Krone auf diese Weise wieder größere Handlungsspielräume und -optionen zu eröffnen. Verhandlungen mit Heinrich von Navarra waren schließlich um so mehr geboten, als den Truppen des Königs, der sich in jener Phase für mehrere Wochen zu Buß- und Frömmigkeitsexerzitien in seine Eremitage im Wald von Vincennes zurückgezogen hatte und damit in der Regierung nicht präsent war, keine durchschlagenden Erfolge auf dem Schlachtfeld gegen die Reformierten und die mit ihnen verbündeten moderaten Katholiken gelangen. Anfang Juni 1586 wurde bekannt, daß die Krone zur Aufnahme von Gesprächen mit Heinrich von Navarra entschlossen war. Die Liga und Paris reagierten auf diese Ankündigung mit Entrüstung. Katholische Wanderprediger verurteilten von ihren Kanzeln die teuflische Entente zwischen dem König, seiner Mutter und den Anführern der Calvinisten. In Pamphleten wurden Katharina und Heinrich III. nicht nur auf das schärfste attackiert, sondern erstmals auch mit dem Tode bedroht. Hatte man nach dem Abschluß des Vertrages von Nemours die Königinmutter in Paris noch in den höchsten Tönen gelobt und gefeiert, so zog man sie jetzt in den Schmutz, weil sie – angeblich – mit dem Teufel paktiere. In einer in jenen Tagen mit dem spanischen Botschafter geführten Unterredung zeigte sich Herzog Heinrich von Guise über die beabsichtigten Verhandlungen Katharinas auf das höchste beunruhigt: „Ich fürchte immer die Absichten der Königinmutter, die 126  Ebebda, S. 75.

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in wenigen Tagen mit dem König von Navarra zusammentreffen soll. Wegen dieser Gespräche argwöhne ich, daß sie die Katholiken beider Kronen [Frankreichs und Spaniens] in Unruhe versetzen will. Deren Sicherheit hängt vom Einvernehmen der französischen und spanischen Katholiken ab.“127 Der Herzog von Guise beschwor damit erneut die Kooperation der Ligisten mit Philipp II. Katharina brach am 24. Juli 1586 im Louvre auf und machte sich auf den Weg ins Poitou. Aber Heinrich von Navarra hatte es keineswegs eilig, mit seiner Schwiegermutter zusammenzutreffen und mit ihr in Verhandlungen einzutreten. Mehrfach entzog er sich den von Katharina ins Auge gefaßten Treffen unter dem Vorwand, man müsse ihm zuvor eine Waffenruhe gewähren. Zu der für den 10. Oktober anberaumten Zusammenkunft in Champigny-sur-Marne, nahe Paris, erschien er ebenfalls nicht. Am 18. dieses Monats beklagte sich Katharina in einem Schreiben aus Chenonceau gegenüber Pomponne de Bellièvre über das Verhalten ihres Schwiegersohns, versicherte ihn aber gleichzeitig ihrer Entschlossenheit, im Interesse des Friedens ihre Mission fortzusetzen. Sie schrieb: Herr von Bellièvre, Ihrem Brief vom 12. dieses Monats, den ich gestern erhalten habe, entnehme ich, daß Sie – ein guter und großer Diener des Königs, meines Sohnes, – über die Lage, in der sich dessen Staatsangelegenheiten befinden, in großer Sorge sind. Wie Sie mir in Ihrem Schreiben sehr klug darlegen, sehen Sie viele Stürme und Widrigkeiten auf uns zukommen. Ich bemühe mich beharrlich, Mittel und Wege zu finden, um diese Gefahren abzuwenden und um einen guten und dauerhaften Frieden zu erreichen. Wir alle müssen Mut fassen […] Ich weiß sehr wohl, daß die Mittel gezählt sind; aber man muß noch eine Weile alle Kraftanstrengungen unternehmen. Inzwischen werde ich keine Mühen scheuen, um den Frieden zu erreichen. Es ist wahr, daß ich die Verzögerungen des Königs von Navarra nur schwer ertrage.128

Einen Tag später, am 19. Oktober, führte sie gegenüber ihrem Schwiegersohn Klage über dessen permanente Ausflüchte und forderte diesen aus Chenonceau erneut auf, zu ihr zu kommen und in direkte Verhandlungen mit ihr einzutreten. Sie schrieb ihm:

127  „Je crains toujours les desseins de la reine-mère qui doit se voir, dans peu de jours, avec le roi de Navarre, et que sur cette conclusion, elle veuille troubler le repos des catholiques de ces deux couronnes qui consiste en l’union.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 396. 128  [18. Oktober 1586] „A Monsieur de Bellièvre. Monsieur Believre, je veoy par vostre lettre du XIIe de ce mois, que je receux hier, que, comme ung bon et grand serviteur du Roy monsieur mon filz que vous estes, vous estes en très grande peyne de l’estat de ses affaires, voiant, comme vous me reprensentez très prudemment par icelle, tant d’oraiges et de traverses qui nous viennent, au devant de ce que je pourchasse, pour regarder aux moiens qu’il y aura, affin de faire une bonne et perdurable paix. Mais il nous fault tous prendre courage […] Je sçay bien que les moiens sont contez [comptés]; mais si fault-il [il faut] s’esvertuer encores ung bon coup, et cependant n’obmettre rien, comme je le feray, pour faire la paix. Il est vray que j’ay grant peyne à suporter les longueurs dont le roy de Navarre use. De Chenonceau, le XVIIIe d’octobre 1586. La byen vostre, Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, publiées par M. le Cte Baguenault de Puchesse, Bd. IX (1586–1588), Paris 1905, S. 66 f.

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III. Mein Sohn, ich habe die Antwort gehört, die Ihr mir habt überbringen lassen. Wenn Ihr wirklich den Willen habt, den Euch die Vernunft und Eure Position in diesem Königreich gebieten, scheint mir diese Antwort unangebracht, denn sie besteht wieder nur aus Ausflüchten und Verzögerungen. Um aber die Dinge voranzutreiben, begebe ich mich nach La Mothe-Saint-Héray, obwohl dieser Ort meiner Gesundheit abträglich ist in Anbetracht meines Alters und meines Leidens an Rheumatismus. Ihr wünscht mir sicher weder Übles noch den Tod. Ich hoffe aber, daß Ihr keine weiteren Verzögerungen im Schilde führt.129

Nach monatelangem Hin und Her kam es im Dezember 1586 im Schloß Saint-Brice, an der Charente, endlich zu dem so sehr gewünschten Treffen. Dort erwarteten Navarra, Condé und Turenne Katharina. Die Konferenzen begannen am 13. des Monats. K ­ atharina bat ihren Schwiegersohn eindringlich, in den Schoß der katholischen Kirche und an den Hof des Königs zurückzukehren. Heinrich von Navarra vermied sehr geschickt, gegenüber den Fragen bzw. Angeboten der Königin klare Positionen zu beziehen. Er versicherte aber, daß die Liga besiegt werden könne, wenn seine Armee gemeinsam mit den Truppen des Königs gegen diese zu Felde zöge. Sein Glaubenswechsel würde dazu keinen Beitrag leisten und seine Rückkehr nach Paris erscheine ihm zu gefährlich. Nachdem die Konferenzen auf Schloß Saint-Brice alles in allem ergebnislos verlaufen waren, ließ Heinrich III. seinem Schwager im Laufe des Januar 1587 eine Waffenruhe für die Dauer von einem oder zwei Jahren anbieten, um in dieser Zeit die Generalstände zusammentreten zu lassen. Als Gegenleistung erwartete der König erneut die Konversion Heinrichs von Navarra zum Katholizismus. Abermals vermied dieser es, eine klare Stellung zu beziehen. Erneut verlegte er sich darauf, durch Verzögerungen für sich Zeit zu gewinnen. Schließlich beendete Katharina die Gespräche am 7. März 1587 in Niort, die sie dort mit Turenne fortgesetzt hatte.130 Enttäuscht und voller böser Vorahnungen schrieb Katharina am 7. März 1587 an Matignon (Jacques Goyon, comte de, 1525–1598), den Marschall Frankreichs und Lieutenant général in der Unteren Normandie, aus Niort:

129  [19. Oktober 1586] „Au Roy de Navarre. Mon filz, j’ai entendu la réponse […] que vous avez chargé de me faire, laquelle nestant toujours que remises et longueurs me semble mal à propos, si vous avez la vollunté telle que par la raison et ce que [vous] estes en ce royaume [vous] debvez avoir. Et afin d’obvier [de prendre les devants], je m’achimine à La Mothe-St-Elloy [La Mothe-Saint-Héray], encores que ce soit ung lieu que l’avez veu très incommode [un lieu très incommode] pour ma santé, et l’aage, et la malladie que j’ay, étant très acatique [rhumatisante]; et je ne croiray jamais que vous vouliez ny mon mal ny ma mort, et non plus que je vous en desire, j’espère, si me voullez croire, sans user de plus de longueurs le vous faire parroistre par effect [que vous voudrez bien ne plus user de plus de longueurs] […]. Vostre bonne mere. A Chenonceaux, le XIXe octobre 1586.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. IX (1586–1588), S. 68. 130  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 525 f.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 753; Dargent, Catherine de Médicis, S. 353–363; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 348 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 395– 400; Pernot, Henri III, S. 345 f.

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Ich bedauere es sehr, so viele [vergebliche] Mühen auf mich genommen zu haben und so lange vom König, meinem Herrn Sohn, getrennt zu sein. Dem guten und heiligen Wunsch des Königs, meines Herrn Sohnes, und meinem eigenen Wunsche folgend dachte ich, einen guten Frieden Gott zur Ehre und zum Wohl sowie im Interesse der Ruhe dieses Königreiches schließen zu können. Aber, welch’ große Geduld ich auch habe aufbringen können, so habe ich erkannt und so hat es mir schließlich auch der Vicomte von Turenne während der Konferenz in Fontenay-le-Comte und in dieser Stadt zu verstehen gegeben, daß der König von Navarra über den Frieden weder verhandeln will noch kann. Jetzt stellt sich nur die Frage, was noch an Schlimmerem von allen Seiten zu erwarten ist. Daraus kann diesem armen Königreich nur mehr Übles und Verheerung erwachsen. Aber ich hoffe, daß Gott deren Urheber und all’ jene bestrafen wird, die ihren Pflichten nicht nachkommen wollen […].131

Nachdem Katharina Mitte März 1587 aus dem Poitou nach Paris zurückgekehrt war, brach sie am 12. Mai erneut auf, um nunmehr mit Heinrich von Guise über ein Arrangement zu verhandeln. Am 23. Mai stießen Guise und der Kardinal von Bourbon unweit von Reims zur Reisegesellschaft Katharinas, die sich wegen ihres Alters und ihrer gesundheitlichen Probleme in einer Sänfte tragen ließ. Die Gespräche begannen am folgenden Tag. Katharina bat Heinrich von Guise, dem Herzog von Bouillon (Guillaume-Robert de la Marck, duc de Bouillon, 1563–1588), der von den Guise angegriffen worden war, eine Waffenruhe zu gewähren. Heinrich von Guise argumentierte, daß ein Eingehen auf diese Bitte inopportun sei, denn die festen Plätze Sedan und Jametz befänden sich kurz davor, zu kapitulieren. Die Verhandlungen dauerten insgesamt drei Wochen; sie scheiterten schließlich an der Unnachgiebigkeit des Herzogs von Guise, der nur einen einmonatigen Waffenstillstand konzedieren wollte. In anderen Punkten war er zu Konzessionen nicht bereit.132 In resignierendem Ton schrieb Katharina am 11. Juni 1587 an Villeroy aus Reims, daß sie gescheitert war. In ihrem Brief liest man folgenden aufschlußreichen Satz: Herr Villeroy, ich habe dem König geschrieben […] Wenn er es für besser erachtet, die Dinge so zu belassen, wie sie sind, und wenn er glaubt, daß ich nicht alles mir Mögliche getan habe, um ein ihn zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen, soll er es sagen. In nur zwanzig Tagen habe ich nicht alle Angelegenheiten in Ordnung bringen können. Ein anderer hätte 131  [7. März 1587] „A Monsieur de Matignon. Mon cousin, j’ay très grand regret d’avoir pris tant de peyne et d’estre si longuement demourée absente du Roy monsieur mon filz, pensant tousjours trouver des moyens, suivant le bon et saint désir du Roy mondict Sr et filz et moy, de faire une bonne paix à l’honneur de Dieu et au bien et repos général de ce royaume; mais, quelque grande patience que j’aye eu quelque chose que j’aye peu faire [et tout ce que j’ai pu faire], enfin le roy de Navarre à ce que j’ay veu et entendu par ce que m’a dict et faict congnoistre le vicomte de Turenne, en la conférence que nous avons faicte à Fontenay-le-Comte et en ceste ville, ne veult et ne peult, se dict-il, traicter de la paix. Lors, il sera plus question que de faire du pis que l’on pourra de tous costéz; de quoy il ne peut advenir que mal et désolation davantaige à ce pauvre royaume. Mais j’espère que Dieu en pugnira les autheurs et ceulx qui ne se veullent renger à leur debvoir […]. Escript à Niort, le VIIe jour de mars 1587. [Caterine].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. IX (1586–1588), S. 189 f. 132  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 534; Solnon, Catherine de Médicis, S. 400 ff.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 368 f.; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 352 f.

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III. ebenso gehandelt wie ich. Ich möchte, bitte, die Entscheidung des Königs wissen, denn was er für das Beste erachtet, finde ich ebenfalls sehr gut.133

In Paris faßte Heinrich III. den Beschluß, gegen die Hugenotten entschieden militärisch vorzugehen. Um die von ihm mobilisierte Armee zu finanzieren, hatte ihm seine Mutter eine erhebliche Summe aus eigenen finanziellen Mitteln zur Verfügung gestellt. Als der König am 12. September 1587 von Paris aufbrach, berief er für die Zeit seiner Abwesenheit Katharina zur Regentin, die er mit umfassenden Vollmachten ausstattete. Die Korrespondenz, die sie in den vier Monaten führte, die ihre Regentschaft dauerte, läßt erkennen, daß das Vertrauen, das ihr Sohn ihr mit dieser Ernennung erneut entgegengebracht hatte, sie bei der Ausübung der damit verbundenen vielfältigen Aktivitäten sehr beflügelt hat.134 Die Kampagne verlief aber völlig anders, als Heinrich III. erhofft hatte. Am 20. Oktober 1587 gelang es Heinrich von Navarra in der Schlacht bei Coutras, in der Guyenne nordöstlich von Bordeaux gelegen, einen Sieg über eine königliche Armee zu erringen. Das Kommando über diese Armee führte der Herzog Anne von Joyeuse, einer der Mignons des Königs. Joyeuse fand im Kampf den Tod. Es war das erste Mal, daß Navarra in einer offenen Feldschlacht einen großen militärischen Erfolg für sich verbuchen konnte.135 „Die Bedeutung dieses Sieges liegt [aber auch] darin, daß er die integrative nationale Politik des navarrischen Bündnisses aus Protestanten und gemäßigten Katholiken – in der Union der ‚États du Midi‘ verkörpert – bestätigte und Heinrich  III. gegenüber die Nützlichkeit und das Gebot einer Kooperation im Interesse Frankreichs unterstrich.“136 Bei der Rückkehr Heinrichs III. nach Paris am 23. Dezember 1587 waren seine Mutter Katharina und seine Gemahlin Louise glücklich, daß er den Feldzug physisch unbeschadet überstanden hatte. Geradezu enthusiastisch ließ Katharina verlauten: „Nun bleibt nichts anderes zu tun übrig, als Gott zu danken, der uns so sehr beigestanden hat, daß es wie ein Wunder erscheint. Gott hat damit bewiesen, daß er den König und das Königreich 133  [11. Juni 1587] „A Monsieur de Villeroy. Monsieur de Vylroy, j’é ayscript [j’ai écrit] au Roy […].S’il [Heinrich III.] trove mieulx que l’on lese [laisse] les chauses coment ayle sont, qu’i ne panse pas [comme elles sont et s’il ne pense pas] que je n’y aye fayst tout cet que set peult [j’ai fait tout ce qu’il se pouvait] et douyt [devait] pour son contentement, et, quant on va en quelque lyeu l’on ne peult eun vin jour acomoder les afayres; et, s’an alent avent qu’il souynt achevée, un aultre y eult aultant fayst que moy. [Je n’ai pu en vingt jours accommoder toutes les affaires. Un autre aurait fait que moi.] Je vous prye que je sache sa resolution; car telle qui la pansera la mylleure, je la troveré tres bonne. De Reyms, cet XIe de jouyn 1587. Caterine.“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. IX (1586–1588), S. 219. 134  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 532–537; Orieux, Catherine de Médicis, S. 754; Solnon, Catherine de Médicis, S. 401 f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 370 f.; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 385. 135  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 538; Orieux, Catherine de Médicis, S. 754; Solnon, Catherine de Médicis, S. 402 f.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 371; Pernot, Henri III, S. 352 ff.; Malettke, Heinrich IV., S. 104 f. 136  Beiderbeck, Zwischen Religionskrieg, Reichskrise und europäischem Hegemoniekampf, S. 102 f.

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sehr liebt.“137 Vor dem Hintergrund der militärischen und politischen Rückschläge betrachtet, die der König hatte hinnehmen müssen, erscheinen diese Sätze übertrieben, da sie aber aus dem Mund einer liebenden Mutter stammten, sind sie verständlich. Im Krieg der drei Heinriche – König Heinrich III., König Heinrich von Navarra, Herzog Heinrich von Guise – hatten nur die beiden letztgenannten 1587 militärische und politische Erfolge erzielen können, nicht aber Heinrich III. von Frankreich. Trotz seines Sieges in der Schlacht von Coutras hielt Heinrich von Navarra an seiner Kompromiß- und Kooperationsbereitschaft mit dem König um so mehr fest, als dieser im Sommer 1588 immer stärker in die Lage eines von der Liga getriebenen politischen Akteurs geriet. Der Liga und Heinrich von Guise gelang es, Heinrich III. das Gesetz des Handelns aufzuzwingen. Das hatte schließlich auch Katharina trotz ihres Engagements und Verhandlungsgeschicks nicht verhindern können. In enger Kooperation mit Philipp II. von Spanien und gestützt auf die hinter ihm stehende Masse der Ligisten hatte sich Heinrich von Guise entschieden, die Kapitale unter seine völlige Kontrolle zu bringen. Bei der Kooperation Philipps II. mit den Ligisten unter der Führung Heinrichs von Guise spielten nicht nur religiöse Motive eine Rolle, sondern auch ganz konkrete macht- und geopolitische Ambitionen. In diesen Gesamtzusammenhang sind das entschlossene Engagement des spanischen Königs im französischen Bürgerkrieg auf der Grundlage der Ende 1584 mit der Liga unterzeichneten Abkommen von Joinville einzuordnen, dessen Offensive in Flandern und Brabant, in der den Spaniern die endgültige Eroberung Antwerpens gelang, und dessen Ende 1585 getroffene Entscheidung, einen finalen Schlag gegen das Inselreich England zu führen. Deshalb tauchte im Sommer 1588 die für unbesiegbar erachtete spanische Armada vor der englischen Küste auf. Das Ziel war die Invasion Englands. „Die Flotte, die im Mai 1588 Lissabon verließ und am 29. Juli vor Cornwall gesichtet wurde, war von beeindruckender Größe – 130 große, mit schweren Kanonen bestückte Schiffe mit annähernd 19.000 Mann Infanterie und 8.000 Seeleuten.“138 Der spanischen Armada gelang es, „im wesentlichen unbehelligt in den Ärmelkanal ein[zu]laufen und am 6. August vor Calais vor Anker [zu] gehen.“139 Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist es kein Zufall, daß Heinrich von Guise unter Mißachtung mehrfacher Verbote König Heinrichs III. gegen Mittag des 9. Mai 1588 in Paris auftauchte. Er war nur von einer kleinen Eskorte begleitet, was darauf hindeutet, daß er sich seiner Sache sehr sicher war. Dazu hatte er allen Grund, denn er konnte auf die tatkräftige Unterstützung der größtenteils ligistisch gesonnenen Pariser Einwohnerschaft zählen. Die katholischen Pariser sahen in ihm ihren Helden, der entschlossen und 137  „Nous n’avons plus rien à faire qu’à remercier Dieu, nous ayant tellement aidé que c’est un miracle, et a montré à ce coup qu’il aime bien le roi et le royaume.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 403. 138  Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen. Internationale Beziehungen 1559–1660, S. 445. 139  Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen. Internationale Beziehungen 1559–1660, S. 447.

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III.

erfolgreich für die Sache des Katholizismus kämpfte. Ob Katharina ihn insgeheim aufgefordert hatte, gegen den ausdrücklichen Willen des Königs in Paris zu erscheinen, wie gelegentlich behauptet wird, diese Frage muß unbeantwortet bleiben. Es existieren keine stichhaltigen Indizien, die für die Relevanz dieser Behauptung sprechen. Andererseits läßt sie sich auch nicht eindeutig widerlegen. Immerhin liegt ein Bericht eines Ligisten vor, demzufolge Katharina sehr unwirsch reagiert haben soll, als eine Liliputanerin ihrer engsten Begleitung, die von einem Fenster des Herzogs gewahr geworden war, spontan gerufen haben soll, der Herzog von Guise befinde sich vor der Tür. Sie soll darauf mit der Androhung reagiert haben, man müsse diese Liliputanerin mit der Peitsche traktieren, weil sie lüge.140 Als Katharina wenige Augenblicke später erkannte, daß sie sich im Unrecht befand, weil Heinrich von Guise in ihr Gemach eintrat, soll sie gezittert haben. Der Botschafter Venedigs berichtete, sie habe den Eindruck erweckt, sie sei von dem Geschehen überrascht, ja überrumpelt worden.141 Wohl der Bitte Heinrichs von Guise entsprechend, der mit einer heftigen Reaktion des Königs rechnete, weil er sich über das mehrfach ausgesprochene Verbot des Königs hinweggesetzt hatte, begleitete ihn Katharina in den Louvre zu Heinrich III. Tatsächlich konnte dieser beim Anblick des Herzogs seinen Zorn kaum zügeln. Welche Argumente die Königinmutter gegenüber ihrem Sohn benutzte, um die Situation zu entschärfen, darüber waren schon die Meinungen und Berichte zeitgenössischer Beobachter sehr kontroverser Natur. Immerhin erreichte es Katharina, daß das Zusammentreffen des Herzogs mit dem König ohne offenen Eklat endete. In den folgenden Tagen bemühte sie sich trotz allem, eine Verständigung zwischen Heinrich von Guise und dem König zustande zu bringen. So forderte sie den Herzog am 10. Mai auf, die von der Liga in der Picardie besetzten Städte zu restituieren. Der Herzog entschuldigte sich damit, daß er in dieser Angelegenheit nichts tun könne. Am folgenden Tag beobachtete Katharina bei einer erneuten Audienz, daß sich die Haltung des Königs gegenüber dem Herzog weiter verhärtet hatte. Dies manifestierte sich unter anderem darin, daß Heinrich III. am 12. Mai 1588 4.000 Schweizer und 2.000 Mann der Französischen Garde in Paris einrücken ließ. Offenbar hatte der König seine Mutter darüber nicht informiert, so daß sie bei deren Erscheinen in der Kapitale völlig überrascht war. Die Pariser reagierten auf den Einmarsch dieser Verbände mit der Errichtung von Barrikaden. Vergeblich begab sich Katharina erneut zu Heinrich von Guise, um diesen darum zu bitten, seinerseits für die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung zu sorgen. Schließlich erniedrigte sich Heinrich III. so weit, den Herzog durch den Marschall von Biron ersuchen zu lassen, den ligistischen Übergriffen auf die königlichen Truppen Einhalt zu gebieten, was dieser dann auch tat. Heinrich von Guise war es gelungen, sich zum wahren Herrn von Paris aufzuschwingen. Die Kapitale befand sich seit dem 12. Mai, dem 140  „[…] qu’il fallait bailler le fouet à cette naine qui mentait.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médics, S. 409. 141  „resta toute sens dessus dessous“. Solnon, Catherine de Médicis, S. 409 f.

8.4 Finale Krise der Dynastie

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„Tag der Barrikaden“, unter der Kontrolle der Liga und damit in der Gewalt Heinrichs von Guise.142 Im Staatsrat beriet sich Heinrich  III. mit den Ministern, mit welchen Maßnahmen und auf welche Weise seine persönliche Sicherheit am besten gewährleistet werden könne, hatte doch Guise gegenüber Katharina erklärt, die Abdankung des Königs erscheine ihm als das beste Mittel, um dessen Leben zu retten. Heinrich III. schien entschlossen, die Kapitale so schnell wie möglich zu verlassen. Aber seine Mutter sprach sich zunächst dagegen aus, weil sie der Meinung war, daß seine Präsenz in Paris erforderlich sei. Sie suchte Heinrich von Guise in dessen Pariser Palais (hôtel de Guise) auf, um ihn aufzufordern, für die Beendigung der Revolte zu sorgen. Der Herzog reagierte sehr kühl und erwiderte, daß man das aufgebrachte Volk ebensowenig aufhalten könne wie wütende Stiere (tauraux échauffés). Nachdem sie mit ihrer Intervention gescheitert war, ließ sie durch einen Boten dem König anraten, zu fliehen. Dieser hatte sich aber bereits davongemacht, als sie noch mit Guise Gespräche führte. Begleitet von einer kleinen Truppe – darunter der Kanzler Cheverny, der Oberintendant der Finanzen Pomponne de Bellièvre sowie die Staatssekretäre Villeroy und Brûlart – hatte Heinrich III. Paris (am 13. Mai 1588) heimlich verlassen und verbrachte die Nacht in Rambouillet. Am folgenden Tag begab er sich nach Chartres. Katharina blieb zunächst in Paris.143 Sie war sich aber klar darüber, daß Heinrich von Guise und die Liga im Augenblick die Herren der Lage waren und daß ihre Bemühungen, sie zum Einlenken zu veranlassen, gescheitert waren. Das belegen die Zeilen, die sie am 2. Juni 1588 an Pomponne de Bellièvre aus Paris richtete: Herr von Bellièvre, ich habe Ihren Brief gelesen und sehe, daß Sie auf den Punkt kommen. Ich weiß sehr wohl, daß wir aus dieser Affäre nicht herauskommen, wenn man nicht auf den Punkt kommt, den niemand anzusprechen wagt. Das muß jedoch geschehen, denn sonst sind wir verloren, […] Sagen Sie ihm [Heinrich von Guise], ich würde ihm lieber die Hälfte meines Königreiches und die Charge des Oberkommandierenden der Armee des Königs [lieutenance] überlassen, wenn er mich dafür in meinem ganzen Königreich anerkennen würde, als weiterhin zu hecheln, wo wir sind, und den König noch unglücklicher zu sehen. Weil ich weiß, daß der König sehr autoritätsbewußt ist, wird er eine bittere Medizin schlucken müssen. Aber es wäre noch viel schlimmer, wenn er jegliche Autorität und jedweden Gehorsam verlöre. Man wird ihn sehr loben, wenn er jetzt in dieser Stunde Konzessionen macht, denn die Zeit eröffnet viele Möglichkeiten, die man oft nicht vorhersehen kann. Man

142  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 574–581; Orieux, Catherine de Médicis, S. 756–763; Dargent, Catherine de Médicis, S. 372–375; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 362–365; Solnon, Catherine de Médicis, S. 410–414; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 393–398; Jouanna, La France au XVIe siècle, S. 587–592; Pernot, Henri III, S. 368–373. 143  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 581 ff.; Orieux, Catherine de Médicis, S. 761 ff.; Dargent, Catherine de Médicis, S. 375–379; Pigaillem, Catherine de Médicis, S. 365 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 412 ff.; Jounna, La France du XVIe siècle, S. 591 f.; Pernot, Henri III, S. 373 ff.; Malettke, Heinrich IV., S. 105.

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III. lobt diejenigen, die zur rechten Zeit Konzessionen machen, um sich an der Macht zu halten. […] Wenn Gott nicht hilft, weiß ich nicht, was noch geschehen wird.144

In diesen Zeilen deutete sich bereits an, daß Katharina auf ihren Sohn einzuwirken beabsichtigte, unter den gegebenen Umständen noch weiter auf Heinrich von Guise und die Liga zuzugehen und ihnen sehr schmerzhafte Konzessionen zu machen. Offensichtlich gelang es ihr, Heinrich III. von der Notwendigkeit dieser Entscheidung zu überzeugen. Am 15. Juli 1588 paraphierten Katharina, der Kardinal von Bourbon und der Herzog Heinrich von Guise das von ihnen ausgehandelte Abkommen über den Zusammenschluß zur „Heiligen Union“ (Sainte Union). Am folgenden Tag unterzeichnete es der König unter Tränen in Rouen. Einige Tage später, am 21. Juli, erfolgte die Einregistrierung dieses Ediktes durch das Pariser Parlament. Im großen und ganzen entsprachen dessen Regelungen jenen des Vertrages von Nemours vom 7. Juli 1585145. Heinrich  III. proklamierte seine Union mit der Liga und ordnete an, daß alle französischen Katholiken denselben Schwur zu leisten hatten. Zuwiderhandelnde sollten wie Rebellen behandelt werden. Außerdem wurden die Franzosen angewiesen, keinen häretischen Prinzen als seinen Nachfolger auf dem Thron Frankreichs zu akzeptieren. Das bedeutete, daß Heinrich von Navarra von der Thronfolge ausgeschlossen wurde. Alle Pariser, die an den „Barrikadentagen“ des 12. und 13. Mai 1588 beteiligt gewesen waren, wurden amnestiert. Am folgenden 4. August wurde Heinrich von Guise zum Oberkommandierenden der Armeen des Königs (lieutenant général des armées) ernannt. Alles in allem betrachtet, mußte Heinrich III. – wenn auch widerwillig und nur dem Zwang gehorchend – gegenüber den ultimativen Forderungen Heinrichs von Guise und der Liga kapitulieren.146 In seinem Innern hatte der König jedoch beschlossen, sich sobald wie möglich aus dieser Zwangslage wieder zu befreien. Heinrich III. fühlte sich zutiefst gedemütigt und gab auch seiner Mutter, die das Abkommen vom Juli ausgehandelt hatte, eine Mitschuld an seiner Lage. Das manifestierte 144  [2. Juni 1588] „A Monsieur de Belyevre. Monsieur de Belyevre, j’é [j’ai] veu vostre letre et voy que vous venés au poynt, car je savés byen que nous n’an sortyrons jamés de cet afayre, si l’on ne vyent au point que personne n’ause dyre, et si faudra à la fin y venir, au [ou] nous sommes tous perdu, […] vous luy [duc de Guise] dyrez: j’emerés myeulx donner [j’aimerais mieux lui donner] la motyé de mon royaume et luy donner la lyeutenance et qu’i me reconeust [et qu’il me reconnût] en tout mon royaume, que de demeurer haletant où nous sommes de voyr le Roy encore plus mal. Je say byen [sais bien] que, ayant le cœur qu’yl a, que s’èt [c’est] une dure medecine à avaler, mès yl èt [c’en serait] encore plus dur de se perdre de toute l’hautoryté et aubeysance [autorité et obéissance]. Yl seré [Il serait] très loué de set remetre en quelque fason qu’i le puyse fayre pour set heure; car le temps amene beaucoup de chause que l’on peult panser byen sovent et l’on loue ceuls que ceve [savent] serde [céder] au temps pour se conserver. […] Cet [Si] Dieu n’y met la meyn, je ne sé [sais] pas que se sera [ce qu’il arrivera].“ Lettres de Catherine de Médicis, Bd. IX (1586–1588), S. 368. 145  Vgl. Kap. 8, S. 336 f. 146  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 587 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 414 ff.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 592 f.; Pernot, Henri III, S. 381 f.

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sich darin, daß er die Bitte von Katharina ablehnte, in den Louvre zurückzukehren. Nach dem Arrangement mit dem Herzog von Guise und der Liga sollte dort in einem öffentlich inszenierten Akt die Aussöhnung zwischen dem König und dem Herzog demonstriert werden. Katharina zeigte sich vom Verhalten des Königs tief getroffen, denn sie schrieb an ihren Sohn: „Was wird man, mein Sohn, von mir sagen, wenn man sieht, wie ich behandelt werde, und daß ich, die Gott zu Eurer Mutter gemacht hat, so geringen Kredit bei Euch habe. Kann es möglich sein, daß Ihr so plötzlich Euer gutes Naturell geändert habt, denn ich habe Euch stets nur als gutmütig, prompt und zur Verzeihung bereit erlebt.“147 Am 8. September 1588 vollzog Heinrich III. ein vollständiges personelles Revirement des Conseil du Roi. Diese Entscheidung hatte Heinrich III. ohne vorherige Absprache mit Katharina getroffen. Er entließ die gesamte ministerielle Mannschaft, die seit vielen Jahren an seiner Seite und jener seiner Mutter tätig gewesen war. Der Kanzler Cheverny, der Oberintendant der Finanzen Bellièvre und die Staatssekretäre Villeroy, Pinart und Brûlart, die engsten Vertrauten seiner Mutter, auf die diese sich stets hatte verlassen können, mußten demissionieren. Obwohl der König Katharina wenige Tage zuvor über seine Entscheidung informiert hatte, war sie über sein Verfahren sehr verblüfft ( fort ébahie), denn ihr Sohn hatte diese Entscheidung allein getroffen, ohne sie dabei zu Rate zu ziehen. Der ganze Vorgang wurde wie ein Erdbeben empfunden, denn in der Geschichte der Monarchie hatte es dergleichen bisher nicht gegeben.148 Heinrich III. rechtfertigte die Entlassung der Minister mit dem Argument, daß er mit ihrer Politik während der letzten Jahre nicht mehr einverstanden gewesen sei. Insbesondere lastete er ihnen ihre zu große Nachgiebigkeit gegenüber der Liga im Hinblick auf das Abkommen vom Juli 1588 an. Es war aber für jeden politisch interessierten Beobachter klar, daß eigentlich seine Mutter gemeint war. So konstatierte der Jurist und Literat Etienne Pasquier sehr scharfsinnig: „Alle diese verabschiedeten Herren hatten in zu großem Einvernehmen mit der Königinmutter gestanden und ebenso wie diese gleichfalls mit den Herren der Liga.“149 Heinrich III. empfand gegenüber seiner Mutter zwar nach wie vor große Dankbarkeit, Zuneigung und Respekt, aber er wollte von jetzt an sein eigener Herr sein und sich nicht mehr von ihrer ständigen Beratung abhängig fühlen. Bei Heinrichs Entscheidung dürften aber nicht nur allein diese Gründe und Motive eine Rolle gespielt haben. Offenbar hatte er ein Scheitern der spanischen Armada erwartet und daraus resultierend negative Folgen für den Herzog Heinrich von Guise insofern, als dieser dann nicht mehr wie bisher mit der gleichen Unterstützung Philipps II. 147  „Comment, mon fils, que dira-t-on de moi quand on me verra ainsi éconduite de vous, et que moi, que Dieu a fait naître votre mère, aie si peu de crédit en votre endroit? Serait-il bien possible que vous eussiez changé tout à coup votre bon naturel, car je vous ai toujours connu de bonne nature, prompte et aisé à pardonner.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 416 f. 148  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 590 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 417 ff.; Pernot, Henri III, S. 385 ff. 149  „Tous ces seigneurs renvoyés avaient trop d’intelligence avec la reine mère, comme elle pareillement avec les seigneurs de la Ligue.“ Zitiert über Solnon, Catherine de Médicis, S. 418.

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Kapitel 8 – Katharina von Medici und Heinrich III.

rechnen konnte, wie der Herzog es bisher gewohnt war. Tatsächlich war das Englandunternehmen des spanischen Königs in den Tagen um den 8. und 9. August 1588 gescheitert, weil es den Engländern gelungen war, der für unbesiegbar gehaltenen spanischen Armada schwerste Verluste zuzufügen. „Nur um die 60 von den 130 Schiffen brachte der unglückliche Admiral nach Spanien zurück, und rund 15.000 Tote waren zu beklagen.“150 Am 1. September 1588 kam Heinrich III. – begleitet von seiner Mutter und vom Herzog Heinrich von Guise – nach Blois, wohin er am 15. Juli die Repräsentanten der drei Stände Frankreichs zu einer Versammlung einberufen hatte. Der König erhoffte sich von den Generalständen eine Stärkung seiner Position gegenüber der Liga und die Unterstützung seiner Politik. Vor allem versprach er sich, daß die Generalstände nach den Barrikadentagen seine Legitimität unmißverständlich bestätigen würden. Damit sich diese Hoffnung erfüllte, hätten aber die Wahlen der Deputierten in den jeweiligen Wahlbezirken im Ergebnis eine klare königsfreundliche Mehrheit hervorbringen müssen. Das war aber nicht der Fall, denn der Erste Stand und der Dritte Stand entsandten mehrheitlich Deputierte nach Blois, die entweder eindeutig Anhänger der Liga waren oder doch Sympathien ihr gegenüber empfanden. Die États généraux wurden am 16. Oktober eröffnet. Am Beginn seiner Eröffnungsansprache sagte Heinrich III. einige anerkennende und lobende Worte über die Verdienste, die sich seine Mutter in der Vergangenheit um den Staat und um die Krone erworben hatte. Er sagte: Ich kann nicht die unendliche Mühe verschweigen, die meine Mutter auf sich genommen hat, um den Übeln entgegenzutreten, die dieses Königreich heimsuchen. Dessen gedenke ich im Rahmen dieser ehrwürdigen Versammlung. Es ist gut, ihr in meinem Namen und im Namen der Nation dafür öffentlich zu danken. Wenn ich erfahren bin, wenn ich einige gute Prinzipien erhalten habe, wenn ich fromm bin und mich darüber hinaus mit Eifer für den Erhalt des katholischen Glaubens sowie für die Reform des Königreiches einsetze, dann verdanke ich dies alles ihr. Was hat sie nicht alles unternommen, um das Land zu befrieden und um überall den wahren Glauben an Gott und die öffentliche Ruhe und Ordnung wiederherzustellen! Hat ihr Alter sie etwa veranlaßt, sich zu schonen? Hat sie nicht ihre Gesundheit geopfert? Durch ihr Beispiel und ihr Vorbild habe ich die Belastungen kennengelernt, die mit jeder Regierungstätigkeit verbunden sind. Ich habe die Generalstände einberufen, weil ich in ihnen das sicherste und am besten geeignete Heilmittel für die Übel sehe, die mein Volk heimsuchen. Meine Mutter hat mich in dieser Entscheidung bestätigt.151 150  Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen. Internationale Beziehungen 1559–1660; S. 448. 151  „Je ne peux pas passer sous silence la peine infinie que la reine ma mère a prise pour faire face aux maux qui affligent le royaume et je pense qu’à l’occasion de cette illustre assemblée, il est bon en mon nom et au nom de la nation de lui rendre grâces publiquement. Si j’ai quelque expérience, si j’ai reçu de bons principes ce que je possède de piété et pardessus tout le zèle avec lequel je maintiens la foi catholique et la réforme du royaume, tout cela, je le lui dois. Que n’a-t-elle pas entrepris pour appaiser les troubles et pour établir partout le véritable culte de Dieu et la paix publique! Son âge avancé l’a-t-elle incité à se ménager? N’a-t-elle pas à cet effet sacrifié sa santé? C’est grâce à son exemple et à son enseignement que j’ai appris les soucis liés à tout gouvernement. J’ai convoqué les états généraux comme le

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Deshalb, so fuhr der König fort, verdiene sie „nicht nur den Namen Mutter des Königs, sondern auch Mutter des Staates und Mutter des Königreiches“.152 Aber – und das muß an dieser Stelle besonders betont werden – Heinrichs III. Ansprache enthielt keine konkreten Hinweise darauf, daß seine Mutter auch weiterhin eine zentrale Rolle bei der Regierung des Landes spielen werde. Er betonte vielmehr, daß er allein die Macht im Lande ausübe, denn an die Adresse aller Anwesenden gerichtet, sprach er folgenden unmißverständlichen Satz: „Ich bin Euer von Gott gegebener König, und ich allein bin es, der das wahrheitsgemäß und legitimerweise sagen kann.“153 Heinrich III. war tatsächlich fest entschlossen, das Gesetz des Handelns an sich zu reißen und sich nicht mehr länger von den Hauptakteuren der Liga erniedrigen zu lassen. Deshalb ließ er am 23. Dezember 1588 den in Blois anwesenden Herzog Heinrich von Guise, der in einen Hinterhalt gelockt worden war, töten. Dessen Bruder, Ludwig von Lothringen, Kardinal von Guise, wurde einen Tag später, am 24. Dezember, umgebracht. Die Aktion war vom König allein und mit seinen engsten Getreuen vorbereitet worden. Seine Mutter hatte er in sein Vorhaben nicht eingeweiht. Sie erfuhr von der Tat erst, nachdem sie geschehen war. Es war Heinrich III. selbst, der ihr persönlich die Nachricht vom Tod Heinrichs von Guise am Morgen des 23. Dezembers überbrachte. Er soll seiner Mutter, die sich nach der Verabreichung eines Medikamentes durch ihren Leibarzt noch in ihrem Bett ausruhte, gesagt haben: „Guten Tag, Madame! Entschuldigen Sie mich! Herr von Guise ist tot; man wird nicht mehr über ihn sprechen. Ich habe ihn töten lassen und bin ihm damit zuvorgekommen, denn er hatte die Absicht, das gleiche mir anzutun.“154 Wie Katharina diese Nachricht aufnahm und was sie über die Tat in ihrem Innern dachte, läßt sich wegen mangelnder zuverlässiger Quellen nicht sagen.155 Zieht man ihr gesamtes auf Kompromisse und Ausgleich angelegtes Agieren in der Vergangenheit und ihr Handeln im Kontext der Barrikadentage von Paris und unmittelbar danach in Betracht, so spricht einiges dafür, daß sie ihrem Sohn von dieser Tat abgeraten hätte. Es war ein „Majestätsakt“, ein Agieren des Königs als oberster Richter und – aus seiner Sicht – eine exemplarische Bestrafung von Staatsverbrechern, die sich des Verbrechens gegen Seine Majestät, den König, schuldig gemacht hatten. Das Urteil der zeitgenössischen Beobachter über die Tat fiel unterschiedlich aus. Es war Mord für die einen, plus sûr et le plus salutaire remède aux maux qui affligent mon peuple et ma mère m’a confirmé dans ma décision.“ Zitiert über Orieux, Catherine de Médicis, S. 770. 152  „pas seulement avoir le nom de mère du roi, mais aussi de l’État et du royaume“. Zitiert über Cloulas, Catherine de Médicis, S. 592; vgl. auch Solnon, Catherine de Médicis, S. 419. 153  „Je suis votre roi, donné de Dieu, et je suis le seul qui le puisse véritablement et légitimement dire.“ Zitiert über Cloulas, Catherine de Médicis, S. 593. 154  „Bonjour, Madame. Excusez-moi. M. de Guise est mort; on ne parlera plus de lui. Je l’ai fait tuer, l’ayant prévenu de ce qu’il avait le dessein de me faire.“ Zitiert über Cloulas, Catherine de Médicis, S. 597. 155  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 597 ff.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 422 ff.; Dargent, Catherine de Médicis, S.  386–389; Pigaillem, Catherine de Médicis, S.  374–377; Bertière, Les reines de France au temps des Valois, Bd. 2, S. 404 ff.; Jouanna, La France du XVIe siècle, S. 595 f.; Pernot, Henri III, S. 395–403.

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gerechte Bestrafung für die anderen. Bei näherer Betrachtung war dieser Majestätsakt wohl beides. So konstatierte der Memoirenschreiber Pierre de L’Estoile (1546–1619) in seinem 1574 begonnenen „Journal d’un bourgeois de Paris“,156 daß „einem jeden großen Akt ein gewisses Maß an schwerer Ungerechtigkeit anhaftet, die indessen dadurch kompensiert wird, daß dieser Akt im Interesse des öffentlichen Wohls erfolgt“157. Wie schon das Massaker der Bartholomäusnacht erwies sich auch dieser Majestätsakt für den König nicht als Befreiungsschlag. Die Lage in den Provinzen und das Geschehen in Paris radikalisierten sich noch mehr und nahmen zeitweilig sogar revolutionäre Formen an. Neben der der Liga damals treu ergebenen Pariser Stadtobrigkeit etablierte sich in der Kapitale das „Komitee der Sechzehn“. Es handelte sich dabei um ein Insurrektionsregiment. Selbst die altehrwürdige Sorbonne stellte sich in der Mehrheit ihrer Professoren und sonstiger Angehöriger in den Dienst des neuen Regiments und entband alle Franzosen von ihrer Treuepflicht gegenüber dem König. Schließlich ernannte das Pariser Parlament im März 1589 den Herzog von Mayenne, den jüngeren Bruder des am 23. Dezembers 1588 in Blois getöteten Herzogs Heinrich von Guise, zum „Generalstatthalter des Königlichen Staates und der Krone Frankreichs“.158 Der Bürgerkrieg erlangte damit eine neue Dimension und radikalisierte sich noch stärker. Diese Ereignisse und Entwicklungen mitzuerleben, blieb aber Katharina erspart, denn sie war am Nachmittag des 5. Januar 1589 in Blois – wahrscheinlich an Lungentuberkulose – verstorben.

156  „Tagebuch eines Bürgers von Paris“. 157  Zitiert über Malettke, Heinrich IV., S. 105 f. 158  „lieutenant général de l’État royal et de la couronne de France“. Malettke, Heinrich IV., S. 106.

Kapitel 9

Epilog Bis in die jüngste Gegenwart hinein ist Katharina von Medici eine der umstrittensten Königinnen Frankreichs geblieben. Ihr Leben und Werk sowie ihre politische Gesamtleistung wurden und werden selbst von modernen Biographen höchst kontrovers beurteilt. Diese sehr auseinandergehenden Beurteilungen Katharinas als einerseits eiserne, diabolische Regentin und anderseits um Harmonie bemühte Königin manifestieren sich bereits in den Titeln bzw. Untertiteln einiger ihr gewidmeter Biographien. Die bekannte französische Historikerin und ausgewiesene Kennerin der Geschichte der Frühen Neuzeit Janine Garrisson betonte bereits im Untertitel ihrer 2002 erschienenen Biographie „Catherine de Médicis. L’impossible harmonie“ deren unermüdliches Bemühen, die im damaligen Frankreich verlorengegangene „Harmonie“ wiederherzustellen. In diesem höchst engagierten Bemühen sei Katharina aber letztlich gescheitert – „L’impossible harmonie“. Der ebenso bekannte französische Historiker unserer Gegenwart Thierry Wanegffelen sieht in Katharina vor allem die Königin, die ihre Macht auf eine für sie typische sehr weibliche Weise ausgeübt habe. Deshalb hat sich Wanegffelen entschieden, seiner 2005 publizierten Biographie der Königin als Untertitel folgenden programmatischen Hinweis hinzuzufügen: „Le pouvoir au feminin“ – „Machtausübung auf weibliche Art“. Die vom renommierten und international bekannten Frühneuzeithistoriker Denis Crouzet ebenfalls 2005 vorgelegte Biographie erschien unter dem Titel „Le haut cœur de Catherine de Médicis. Une raison politique aux temps de la Saint-Barthélemy“ (Die Großherzigkeit Katharinas von Medici. Politische Vernunft zu Zeiten der Bartholomäusnacht). Anliegen dieses an der Pariser Sorbonne lehrenden Historikers ist es, Katharina von Medici als typischer Repräsentantin der Renaissance und als einer einzigartigen Persönlichkeit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, indem er zeigt, wie die Königin mit all ihrer Energie und Hochherzigkeit, mit profunden politischen Erfahrungen unermüdlich und couragiert für den Frieden und das Wohl Frankreichs in höchst turbulenten Zeiten gekämpft hat – in Zeiten, die vom Zerfall der konfessionellen Einheit im katholischen Glauben und von den in vieler Hinsicht daraus resultierenden „Religions- und Bürgerkriegen“ geprägt waren. Dabei habe sie in erster Linie auf den Dialog zwischen den Konfliktparteien und auf eine Politik des Ausgleichs gesetzt. Die Anwendung von Gewalt sei für sie nur ein Mittel der Politik gewesen, wenn alle anderen Möglichkeiten erschöpft gewesen seien, offener Rebellion gegen die Autorität des Königs und Bürgerkriegen nur noch mit entsprechenden Gegenreaktionen hätte begegnet werden können. Für die Königin habe Krieg das letzte Mittel dargestellt, um die Kriegführenden an den Verhandlungstisch zu zwingen und den Frieden wiederherzustellen.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2020 | doi:10.30965/9783657703326_010

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Kapitel 9 – Epilog

Für Raphaël Dargent ist Katharina von Medici die „eisenharte Königin“. Dementsprechend publizierte er 2011 seine ihr gewidmete Biographie unter dem Titel „Catherine de Médicis. La reine de Fer“. Henri Pigaillem glaubt hingegen neben den Machtambitionen Katharinas vor allem deren „diabolische Züge“ betonen zu müssen. Deshalb erschien sein Werk über die Königin 2018 unter dem Titel „Catherine de Médicis. La diabolique“. Wesentlich differenzierter lautet der Titel der von der deutschen Germanistin Sabine Appel ebenfalls 2018 veröffentlichten Biographie „Katharina von Medici. Strategin der Macht und Pionierin der Neuzeit“. Zweiffellos stellt Appels Werk einen begrüßenswerten und insgeamt fundierten Beitrag zur Rehabilitierung dieser auch in Deutschland umstrittenenen Königin dar. Allerdings basieren manche Ausführungen zu den historischpolitischen Rahmenbedingungen, mit denen Katharina bei ihrem Agieren konfrontiert wurde, nicht auf dem neusten Stand der Forschung. Als Katharina von Medici im Herbst 1533 im Alter von rund vierzehn Jahren in Frankreich eintraf und dort mit dem Prinzen Heinrich von Valois, Herzog von Orléans, verheiratet wurde, hatte sie bereits eine sehr bewegte Kindheit und Jugend hinter sich. Sehr früh Vollwaise geworden, wuchs sie an häufig wechselnden Orten und in ebenso häufig wechselnder „familiärer“ Umgebung auf. Gleiches gilt für ihre unmittelbaren Bezugspersonen und ihre Erzieher. Bereits im Kindesalter wurde sie mit gefährlichen und für sie lebensbedrohlichen Situationen konfrontiert. Sehr früh lernte sie, damit umzugehen, sich auch in größten Gefahrenlagen zu behaupten und jeweils die für sie richtigen Entscheidungen zu treffen. Bereits als Kind und Heranwachsende erkannte sie, daß manche Umstände es erforderlich machten, sich der Not gehorchend anzupassen, sich zurückzunehmen, sich zu verstellen, zu dissimulieren und seine wahren Gefühle sowie die eigentlichen Intentionen nach außen hin zu verbergen. Zweifellos haben diese Erfahrungen tiefe Spuren bei ihr hinterlassen und ihr späteres Agieren nachhaltig geprägt. Trotz ihrer bewegten Kindheit und Jugend hat sie gleichwohl eine hervorragende Erziehung genossen. Ihre schon früh ausgeprägte Beobachtungsgabe hat ihr dabei weitere gute Dienste geleistet. Auch später als Erwachsene hat sie durch eigene Lektüre und kontinuierliches Lernen ihre Kenntnisse, ihr Wissen und ihre intellektuellen Fähigkeiten fortwährend vertieft und erweitert, kurz: sie war eine typische Vertreterin der Renaissancekultur. Ihre Fähigkeit, sich anzupassen und sich mit Gegebenheiten einstweilen zu arrangieren, die zu ändern sie in bestimmten Situationen nicht in der Lage war, und ihre Selbstbeherrschung sowie ihre Disziplin kamen ihr in den Jahren ihrer Ehe mit Heinrich von Valois, von 1547 bis 1559 König von Frankreich, sehr zustatten. Wohl oder übel mußte sie erdulden, daß ihr Gemahl mit Diana von Poitiers, seiner Mätresse, viele Stunden des Tages verbrachte und dieser weitaus mehr Aufmerksamkeit schenkte als seiner angetrauten Gemahlin. Obwohl Katharina dadurch zutiefst verletzt und in ihrer Ehre gekränkt war, hat sie sich – zumindest nach außen hin – mit dieser „Ehe zu dritt“ arrangiert. Dies geschah aber stets in einer Weise, daß sie dabei ihre Würde nie verlor.

Kapitel 9 – Epilog

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Ihr vorrangiges Bemühen in diesen Jahren war, sich als königstreue und aufrichtige Französin, als vollwertiges und geachtetes Mitglied der herrschenden Dynastie zu etablieren sowie sich ihrer Position und ihrem Stand in jeder Hinsicht als würdig zu erweisen. Behutsam und umsichtig, aber gleichwohl zielstrebig verschaffte sie sich die Position einer respektierten und geachteten Angehörigen des Königshauses. Das gelang ihr um so mehr, als sie nach vergleichsweise langer Kinderlosigkeit der Dynastie und Frankreich dann doch noch eine stattliche Anzahl von Nachkommen, vor allem den ersehnten Thronfolger, bescherte. Mehr und mehr fühlte und agierte sie als vollwertiges Mitglied der Königsfamilie, so daß die schon früh kursierende Verleumdung, sie sei nur ein „Emporkömmling einer italienischen Bankiersfamilie“, also eine Fremde nicht standesgemäßer Abstammung, eine bösartige Erfindung und Attacke war, bei der ihre Herkunft mütterlicherseits, nämlich von den La Tour d’Auvergne, völlig negiert wurde. In den Jahrzehnten zwischen 1559 und 1588, vom Tod ihres Mannes Heinrich II. bis zum großen personellen Revirement im Staatsrat durch ihren Sohn Heinrich III., wurde Katharina als faktische bzw. als offiziell bestellte Regentin mit gravierenden und in zunehmendem Maße eskalierenden inneren Problemen und mit äußeren Gefahrenlagen konfrontiert. Die inneren Probleme resultierten aus der konfessionellen Spaltung Frankreichs in Katholiken und Calvinisten. Hinzu kamen politische und soziale Spannungen sowie ökonomische Herausforderungen. Daraus erwuchs ein Krisensyndrom, das sich in einer Reihe blutiger Bürgerkriege entlud. In diesen Jahrzehnten galten die politischen Aktivitäten Katharinas zunächst vorrangig der Wiederherstellung der „concorde religieuse“, der „religiösen Eintracht“. Dies sollte jedoch mit friedlichen Mitteln, durch den Dialog zwischen Katholiken und Calvinisten, durch Verhandlungen und nicht durch die Anwendung von Gewalt und Zwangsmaßnahmen geschehen. Katharina war und blieb Katholikin, aber sie war keineswegs eine militante und dogmatische Vertreterin des Katholizismus. Sie war stets davon überzeugt, daß man mit Argumenten, mit dem Mittel der „doulceur“ (Milde), und nach erfolgter Abstellung von Fehlentwicklungen und Mißbräuchen in der katholischen Kirche die Calvinisten wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurückführen und damit die konfessionelle Spaltung Frankreichs überwinden könne. Als sie dann aber im Verlauf der 1560er Jahre erkennen mußte, daß dieses Ziel – zumindest kurzfristig – nicht erreichbar war, kämpfte sie für die Durchsetzung der „concorde civile“, der „Ziviltoleranz“. Bei ihren diesbezüglichen Bemühungen bediente sie sich des ihr zur Verfügung stehenden großen Repertoires taktischer Mittel: Das war in erster Linie der Dialog, das Austarieren gegensätzlicher Positionen, der Rückgriff auf Finten und die „dissimulatio“, der Einsatz kalkulierter Zornesausbrüche; das waren des weiteren künstliche Verzögerungen bei Verhandlungen, um Zeit zu gewinnen, und das Drohen mit der Anwendung von politischen Zwangsmaßnahmen sowie von militärischer Gewalt, wenn alle anderen Mittel versagten, um friedliche Verhältnisse im Lande wiederherzustellen und Rebellionen gegen die Autorität des legitimen Königs zu beenden. Die

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Kapitel 9 – Epilog

Anwendung von Gewalt war für Katharina immer nur die letzte Option. Selbst dann, wenn sie sich für militärisches Einschreiten gegen offene Rebellionen entschieden hatte, war sie stets bestrebt, die informellen und formellen Kontakte zu den jeweiligen Gegnern nicht abreißen zu lassen, um so schnell wie möglich akzeptable Verhandlungs- und Kompromißlösungen zu erreichen. Dabei legte sie eine ungewöhnliche Flexibilität und einen erstaunlichen – geradezu modern anmutenden – Pragmatismus an den Tag. Ihre Entscheidung vom 23. August 1572, in einem Präventivakt die in Paris anwesenden militärisch-politischen Anführer der Hugenotten töten zu lassen, resultierte aus ihrer damaligen festen Überzeugung, daß das Leben der Königsfamilie unmittelbar bedroht sei durch eine Racheaktion militanter Calvinisten, die sich auf diese Weise für das Attentat auf Gaspard von Coligny Genugtuung verschaffen und die dafür Schuldigen selbst zur Rechenschaft ziehen wollten. Katharina war zu der Überzeugung gelangt, daß Leib und Leben des Königs und seiner ganzen Familie direkt bedroht waren. Deshalb erachtete sie einen Majestätsakt der Krone als legitim und gerechtfertigt. Die Ereignisse der Bartholomäusnacht waren aber keineswegs von langer Hand geplant und intendiert. Sie waren keine vorsätzliche, keine insgeheim vorbereitete Mordaktion. Alle Indizien sprechen auch gegen die These, das Attentat auf Coligny sei von ihr veranlaßt worden. Auch nach 1572 hielt Katharina an ihrer Politik des Ausgleichs, des Abbaus politisch-konfessioneller Spannungen fest mit dem Ziel, dem Königreich Ruhe und Frieden zu bewahren bzw. Ruhe und Frieden sowie die Autorität der Krone in Frankreich wiederherzustellen. *** Katharina von Medici war am 5. Januar 1589 kurz vor Vollendung ihres 70. Lebensjahres im Schloß Blois verstorben. Nach ihrem Ableben nahmen Ärzte eine Autopsie vor. Dabei stellten diese fest, daß sie seit langem an einem Lungenleiden erkrankt und in ihrem Gehirn Blut ausgetreten war. Dort entdeckte man auf der linken Seite auch einen Abszeß. Weil man in Blois die für eine Einbalsamierung ihres Leichnams erforderlichen Mittel und Chemikalien nicht zur Verfügung hatte und weil eine Bestattung in der traditionellen Grablege der französischen Könige, in der Basilika von Saint-Denis, nicht möglich war, da sich Paris und auch Saint-Denis in den Händen der Liga und des Insurrektionsregiments der „Sechzehn“ befanden, wurde Katharina bei Nacht in der Kirche des „Heiligen Erlösers“ (Saint-Sauveur) in Blois bestattet. Dort ruhten ihre sterblichen Überreste 21 Jahre. Ihre Gebeine wurden 1610 auf Veranlassung von Diane de France, duchesse de Montmorency, dann duchesse d’Angoulême et de Châterault (1538–1619), der illegitimen Tochter König Heinrichs  II., in die Rotunde der Valois in der Basilika von Saint-Denis überführt. Als diese Kapelle 1719 zerstört worden war, wurden ihre sterblichen Überreste in die dortige Basilika umgebettet. Wie alle Sarkophage und Grabanlagen der französischen Könige wurde auch ihr Grab 1793, also während der Französischen Revolution,

Kapitel 9 – Epilog

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profaniert und geschändet. Ihre Gebeine fanden in einem anonymen Massengrab ihre letzte Ruhe.1 Insgesamt gesehen, war Katharina von Medici weder eine „diabolische“ noch eine „eisenharte“ Königin. Ja, sie war zwar durchaus machtbewußt, aber sie strebte Macht nicht als Selbstzweck an. Macht und politischer Einfluß waren für sie unverzichtbare Instrumente, der Krise der Monarchie und der Dynastie mit Aussicht auf Erfolg begegnen, ja sie schließlich überwinden zu können. Dieses Ziel verlor sie niemals aus den Augen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzte sie ihre ganze Energie, ihre ganze Kraft, ihre Gesundheit, ja ihr Leben ein. Wenn sie dieses Ziel letztlich nicht erreicht hat, dann sollte man das nicht als Scheitern werten, denn es ist ihr gelungen, das Königreich vor dem drohenden Zerfall, vor der Auflösung in eine Reihe mehr oder minder unabhängiger staatlicher Gebilde zu bewahren. Wenn Heinrich IV. (1589–1610) nach langem Kampf schließlich Frankreich wieder befrieden und die Koexistenz von Katholiken und Calvinisten – zumindest für eine längere Phase – durchsetzen konnte, dann hat Katharina in den Jahren, in denen sie eine zentrale politische Rolle spielte, dazu ihren nicht zu bestreitenden Beitrag geleistet. Das ist ihr bleibendes und nicht hoch genug einzuschätzendes Verdienst. In gewisser Weise war sie trotz aller Eingebundenheit in die Gepflogenheiten, Verhaltensweisen und Traditionen ihrer Zeit eine erstaunlich moderne und pragmatische Frau sowie herausragende Persönlichkeit. Ihr gelang es, in der damaligen Männerwelt lange Zeit eine führende, maßgebliche politische Rolle spielen zu können, um Frankreich vor dem Schlimmsten, vor dem völligen Ruin – wie sie selbst immer wieder betonte – zu bewahren und um ihren Söhnen den Königsthron zu erhalten. Die schon früh von ihren zahlreichen Gegnern unterschiedlicher konfessioneller Zugehörigkeit und politischer Provenienz in die Welt gesetzte Schwarze Legende, die bis in unsere Gegenwart hineinwirkt, entbehrt jeder berechtigten Grundlage. Katharina von Medici war, um es mit den Worten von Denis Crouzet zu sagen – „eine Fürstin, die die damalige Welt von Frieden, Ruhe und Heiterkeit träumen lassen wollte“ – „Une princesse qui voulait faire rêver de paix et de sérénité“2.

1  Cloulas, Catherine de Médicis, S. 604 f.; Solnon, Catherine de Médicis, S. 426 f. u. 436. 2  Crouzet, Une princesse qui voulait faire rêver de paix et de sérénité, S. 123.

Bildteil

361

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Abb. 1

Katharina von Medici, Porträt von Corneille de Lyon, um 1536

362

Abb. 2

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Heinrich II., König von Frankreich 1547–1559. Portrait von François Clouet, um 1559

363

Bildteil

Abb. 3

Franz II., König von Frankreich 1559–1560. Zeichnung von François Clouet, um 1560

364

Abb. 4

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Karl. IX., König von Frankreich 1560–1574. Portrait von François Clouet, zw. 1550 und 1572

365

Bildteil

Abb. 5

Herzog François de Guise, 1519–1563. Anonyme Kreidezeichnung, 16. Jhd

366

Abb. 6

Bildteil

Gaspard II Coligny. Anonyme Kreidezeichnung um 1560

367

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Abb. 7

Katharina von Medici, Portrait von François Clouet, um 1565

368

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Abb. 8

Die Bartholomäusnacht am 23./24. August 1572. Zeitgenössischer Druck

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369

370

Abb. 9

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Die Ermordung Colignys während der Bartholomäusnacht. Kupferstich von Frans Hoigenberg, um 1572

371

Bildteil

Abb. 10

Heinrich III., König von Frankreich 1574–1589. Zeichnung von Jean de Court (?)

372

Abb. 11

Bildteil

Herzog Henri I. de Guise, 1550–1588. Anonymes Porträt um 1580/1585

Bildteil

Abb. 12

373

Die Ermordung Heinrichs III. durch Jacques Clément. Kupferstich von Frans Hogenberg, um 1589/90

Karten

376

Karten

Karte 1

Europa um 1550

Karten

377

Karte 2

Italien bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts

378 Karten

379

Karten

Karte 3

Frankreich am Ende der innerfranzösischen Religionskriege um 1600

380

Karte 4

Karten

Frankreich beim Tode Heinrichs IV. 1610

Stammbäume

Piero 1471–1503 ∞ Afonsina Orsini 1472–1520

Lorenzo II. di Piero de’ 1492–1519 Hg. v. Urbino ∞ 1518 Madeleine de La Tour d’Auvergne 1501–1519

Katharina von Medici 1519–1589

Lucrecia ∞ Jacobo Salviati

Maria Salviati ∞ Giovanni de’ Medici 1498–1526

Cosimo I. 1519-1574 Herzog v. Florenz 1537–1574 1570 Großherzog

Leo X. 1475–1521 Papst 1513–1521

Lorenzo (il Magnifico) 1449–1492 1469–1492 Stadtherr von Florenz

Piero 1416–1469 1464–1469 Stadtherr von Florenz

Cosimo (der Ältere) 1389–1464

Stammbaum 1 Die Medici

Giuliano 1478–1516 Hg. v. Nemours ∞ Philiberte de Savoie

Alessandro Herzog von Florenz 1532–1537 ∞ Margarete von Österreich (natürliche Tochter Karls V.)

Clemens VII. 1478–1534 Papst 1523–1534

Giuliano 1453–1478

Stammbäume

383

Henri de Navarre Catherine 1553–1610 ∞ Henri, duc de Lorraine König Heinrich IV. von Frankreich, 1589–1610 ∞ Marguerite de Valois (Margot)

Charles, cardinal „Charles X“ der Liga

François, prince de Conti 1558–1614

Haus Conti

Louis Ier, prince de Condé 1530–1569

Maison de Condé

Henri Ier, prince de Condé (1552–1588)

Charles, duc de Vendôme, duc de Bourbon 1489–1537

Charles III de BourbonMontpensier (1490–1527) ∞ Suzanne de Bourbon-Beaujeu Antoine, duc de Vendôme, König von Navarra 1518–1562 ∞ Jeanne d’Albret

François Ier, comte de La Marche et de Vendôme

Jean II. comte de La Marche et de Vendôme

Jacques Ier comte de La Marche 1315–1361

Gilbert, comte de Montpensier

Montpensier

Louis Le Bon comte de Montpensier

Pierre Ier, duc de Bourbon 1311–1356

Louis Ier, duc de Bourbon (1272–1342)

Stammbaum 2 Die Bourbonen (vereinfacht)

384 Stammbäume

Claude Louis 1549 1547–1575 ∞ 1558 Karl III. v. Lothringen

François II. 1559–1560 König v. Frankreich ∞ 1558 Maria Stuart, Königin von Schottland 1542–1587

Elisabeth 1545–1568 ∞ 1559 Philipp II. v. Spanien

Henri II., König v. Frankreich 1547–1559 ∞ 1533 Katharina von Medici 1519–1589

François, Dauphin 1518–1536

Charles IX. König v. Frankreich 1560–1574 ∞ 1570 Elisabeth v. Österreich Henri III. König v. Frankreich 1574–1589 ∞ 1575 Louise de LorraineVaudemont 1553–1601

Madeleine 1520–1537 ∞ 1537 Jakob V., König v. Schottland

Charles Hg. v. Angonlême 1522–1545

Jeanne 1556

Marguerite, duchesse de Berry 1523–1574 ∞ 1559 Emanuel Philibert v. Savoyen

François Marguerite Victoire 1556 1555–1584 1553–1615 ∞ 1572 duc d’Alençon Henri de Bourbon, Kg. v. Navarra 1589 Heinrich IV. v. Frankreich

François Ier, König v. Frankreich 1515–1547 ∞ 1. Claude de France 2. Eléonore d’Autriche (Eleonore v. Österreich)

Stammbaum 3 Haus Valois

Stammbäume

385

Charles III, duc de Lorraine 1543–1608 ∞ 1559 Claude de Valois

Charles de Lorraine duc de Guise 1571–1640

François de Lorraine, 1519–1563 duc de Guise ∞ 1549 Anne d’Este

Catherine Marie de Lorraine 1552–1596

Maria Stuart 1548–1587 ∞ 1558 François II, Kg. v. Frankreich

Marie de Lorraine 1515–1560 ∞ 1538 Jakob V. Stuart, König v. Schottland

Jean, cardinal de Lorraine

Henri Ier de Lorraine, duc de Guise 1550–1588 ∞ 1570 Catherine de Clèves

Philippe-Emmanuel (1558–1602) duc de Mercœur

Nicolas de Lorraine 1524–1577

Louise 1553–1601 ∞ 1575 Henri III.

François Ier , duc de Lorraine 1517–1545

Antoine, duc de Lorraine 1490–1544

René II, duc de Lorraine

Charles, cardinal de Lorraine 1524–1574 (Guise)

Louis de Lorraine, cardinal de Guise 1555–1588

Louis, cardinal de Guise 1527–1578

Claude de Lorraine, Ier duc de Guise 1496–1550

Charles de Lorraine, duc de Mayenne 1554–1611

Stammbaum 4 Haus Lothringen und die Guise (vereinfacht)

386 Stammbäume

Bibliographie

Quellen

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Personenregister Alba, Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba 67, 96, 144, 218–219, 221–222, 236, 240, 249, 257, 273, 276, 281 Alava y Beamonte, Francés de 217–218, 236–237, 243, 246–248, 257–258, 260–261 Albon de Saint-André, Jacques 63, 79, 161 Albon de Saint-André, Jean 63 Albret, Johanna von Albret, Jeanne III, d’ 97, 239, 244–245, 250, 253, 264–265 Alexander 208 Alvarotti, Giulio 90 Andelot, François de Châtillon, seigneur d’ 102, 108, 114, 129, 138, 174, 182, 190, 196–197, 202, 204, 210, 222, 250 Angoulême, Karl von 31–33 Anna, Erzherzogin von Österreich 262 Annebaut, Claude de 81, 83 Anne de Bretagne 96 Appel, Sabine 10, 69, 92, 101, 354 Aristoteles 71 Artemisia 149–150, 153 Augustinus 72 Aumale, Charles de Lorraine, duc d’ 270 Aumale, Claude II de Lorraine, duc d’ 133–134, 136, 236, 270–271, 275, 335 Bacquet, Jean 52 Balzac, Honoré de 4 Barbaro, Marcantonio 217 Bayrou, François 273, 278 Bellièvre, Pomponne de 45, 295, 297, 341, 347, 349 Bertière, Simone 297–298 Bertrand, Jean 81 Beza, Theodor (Théodore de Bèze) 116, 127, 167–171, 191, 203 Bianka von Kastilien 208 Birague, René de 294–295, 301 Boccaccio, Giovanni 148 Bochetel, Bernadin 164, 206 Bodin, Jean 195, 337–338 Born-Deleumenære, Colette vii Bouchavannes, Antoine de 192 Bouillon, Guillaume-Robert de la Marck, duc de  343 Bourbon, Antoinette de 211

Bourbon, Anton von (Antoine de Bourbon, duc de Vendôme et de Beaumont, König von Navarra nach 1555) 97–98, 102, 108, 111–113, 120–121, 126–127, 129–130, 134–138, 140, 145–146, 158, 161, 163, 181–182, 185–186, 196, 198–200, 204, 209, 264 Bourbon, Charles de (1523–1590, cardinal) 85–86, 186–187, 190, 201, 267, 332, 334, 343, 348 Bourbon, Charles, duc de (connétable, 1490–1527)  118 Bourbon, Jean de, comte d’Enghien 87 Bourbon, Katharina von (Catherine de Bourbon)  308 Bourbon-Vendôme, Jeanne de 9, 16 Bourdeille, Pierre de, abbé, seigneur de Brantôme  3, 38, 72, 154 Bourg, Anne du 109 Bourgeon, Jean-Louis 273, 276–277 Braudel, Fernand 4 Brézé, Louis II de 39–40 Briçonnet, Guillaume 26 Bucer, Martin 29 Bullant, Jean 152–153 Caesar, Julius 161 Calvin, Jean 29, 108–109, 112–113, 116, 167–169, 264 Caron, Antoine 150 Cassius 161 Castelnau, Michel de 116 Châtillon, Odet de (cardinal) 62, 102, 114, 171, 192–193, 196, 210, 225, 227, 237, 247, 262 Chémerault, de 291 Cheverny, Philippe Hurault, comte de 295–297, 347, 349 Childerich III. 240 Christoph, Herzog von Württemberg 172 Christoph, Sohn des Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz 290 Christus Diodorus von Sizilien 148 Claudia von Valois, Prinzessin (Claude de Valois, princesse, 1558 Gemahlin von Karl III. von Lothringen) 35, 44, 90, 289 Coligny, Gaspard de 3, 62, 67, 102, 108, 110, 114, 121–125, 127, 138, 140, 163, 171, 173–174, 182, 184, 187, 190–192, 194–195, 197, 202–204, 206,

400 Coligny, Gaspard de (fortges.) 210–212, 224–225, 227–230, 237, 241–245, 249–253, 259, 261–263, 265–266, 269–281, 309, 356 Condé, Henri Ier, de (Henri Ier de Bourbon-Condé)  250, 286, 302–303, 305–306, 308–310, 318, 323, 338, 342 Condé, Ludwig von (Louis Ier de Bourbon, prince de Condé) 97, 102, 108, 110–111, 113, 121–122, 125–130, 135, 156, 158–160, 173–174, 183, 185–192, 194–197, 199–201, 203–204, 206, 210, 218, 223–230, 238, 241–245, 249–250, 259, 264–265, 267, 276, 280, 284 Contarini, Lorenzo 34, 88 Contay, Françoise de 43 Córdoba, Luis Cabrera de 250 Correro, Giovanni 237 Cossé, Artus de, baron de Gonnor 1, 224, 241, 266 Cossé-Brissac, Charles de (Charles de Cossé, comte de Brissac) 186 Cossé-Brissac, Philippe 79 Courtin, Denis 153 Crouzet, Denis 155, 186, 273, 277, 282, 299, 353, 357 Crussol, Antoine de, seigneur d’Uzès 119 Dargent, Raphaël 297, 354 Daussy, Hugues 256 Delorme, Philibert (auch De L’Orme) 151–153 Des Gallars, Nicolas 170–171 Diaceto, Ludovic Da (genannt comte de Châteauvillain) 330 Diana 148 Diana von Frankreich (Diane de France) 33 Diana von Poitiers (Diane de Poitiers) 40–45, 63, 74, 88–90, 92, 96, 100–101, 148, 151–152, 354 Dionis 38 Du Cerceau, Baptiste Androuet 153 Duplessis-Mornay, Philippe 256, 274 Egmont, Lamoral, Graf von Egmont 221, 240 Elbeuf, Charles de Lorraine, duc d’ 335 Elbeuf, René, marquis d’ 62 Eleonore von Kastilien, Königin von Frankreich  14, 19, 23, 25, 39–40, 233 Elisabeth I., Königin von England 194–195, 202, 210, 242, 262, 281, 283, 295, 315 Elisabeth, Tochter Kaiser Maximilians II. 263 Elisabeth von Frankreich (Élisabeth de France, princesse, 1559 Gemahlin Philipps II. von Spanien 217–219, 248, 262

Personenregister Emanuel Philibert, Herzog von Savoyen 26, 67, 90–91, 98, 119, 192, 226, 333 Épernon, Jean-Louis de Nogaret de La Valette, duc d’ 325, 335 Espence, Claude d’ 167, 170–171 Este, Anna d’, duchesse de Guise 110, 201 Étampes, Anne de Pisseleu, duchesse d’ 25–26 Étampes, Jean de Brosses, duc d’ 197 Farnese, Ottavio 65 Faur de Pibrac, Guy du 287, 295–296 Ferdinand I., Kaiser 66, 178, 194 Ferdinand II., König von Aragon 9, 49 Fernel, Jean 38 Ferrara, Alphons von 16, 90–91, 112 Fizes, Simon de Sauve 296 Flavius Josephus 71 Foix, Paul de Foix de Carmaing 260, 295 Fourquevaux, Raymond de Beccarie de Pavie, baron de 222, 226 Francesco I. Sforza 15 Francesco II. Sforza, Herzog von Mailand 11, 31 Franz Herkules, Herzog von Alençon (FrançoisHercule, duc d’Alençon, ab 1576 duc d’Anjou)  36, 223, 286–287, 289–294, 300, 302–306, 308–310, 313–315, 317, 324–325, 331 Franz I., König von Frankreich 6, 9–14, 16–19, 21, 23–28, 31–35, 39–40, 42, 45, 47, 57, 60–65, 69, 72, 77, 83, 97, 118, 153, 213, 231–233, 236, 264 Franz II., König von Frankreich 1, 31, 43, 59, 90–92, 94–96, 98–106, 109–115, 119, 121, 125–131, 133–135, 139, 151, 159, 233, 293 Franz von Valois, Dauphin 10, 19, 31–33, 35, 41 Friedrich III., Kurfürst von der Pfalz 290 Garrisson, Janine 353 Gattinara, Mercurino de 10 Gentillet, Innocent 3, 303 Giustiniani, Marino 19 Gomez de Salva, Ruy 96 Gondi, Albert de 302 Gondi, Antonio, sieur Du Perron 38 Gontaut, Armand de, seigneur de Biron 253, 286, 317 Gonzague, Louis de, duc de Nevers 301, 313, 332 Guillart, André, sieur Du Mortier 83 Guise, Charles de, Kardinal von Lothringen (cardinal de Lorraine) 62–63, 99, 101, 113–114, 119, 125, 130, 139–140, 167–172, 209, 224, 237, 239, 242, 244, 247, 249, 251, 253, 267, 313

Personenregister Guise, Claude de 62 Guise, Franz von (François d’Aumale, duc de Guise) 47, 62, 66–67, 79, 82, 91, 99, 101, 114–115, 119, 123, 130, 138, 160–161, 172, 181–189, 196, 202, 206, 209–211, 275 Guise, Henri de Lorraine, duc de (ältester Sohn von Herzog Franz von Guise) 203, 211, 266–267, 271, 273, 278, 280, 286, 311, 313, 317, 331–336, 340–341, 343, 345–352 Guise, Louis (cardinal) 101 Guise, Maria von (Marie de Guise) 74, 99–100 Heinrich II., König von Frankreich vii, 1, 3, 10, 17–20, 25–26, 31–35, 37–46, 48, 57, 60–69, 73–75, 78–82, 84–86, 88–92, 94–96, 99, 101–103, 108–109, 119, 134, 149, 151–153, 232–233, 244, 257, 264, 327, 354–356 Heinrich II. von Albret, König von Navarra 17, 26, 97, 264 Heinrich III., König von Frankreich (Eduard Alexander Heinrich, Herzog von Anjou) 36, 58, 151, 223–224, 227, 234–235, 248–252, 257, 262, 265, 267, 269, 273, 276–277, 279–280, 282–283, 285, 287–289, 291–300, 302–319, 321–322, 324–325, 332–336, 338–340, 342, 344–351, 355 Heinrich IV., König von Frankreich (seit 1555 Prinz von Navarra, seit 1572 als Heinrich III., König von Navarra) 16, 36, 45, 96, 153, 244, 252, 262–267, 271, 273, 280, 286, 293–294, 299, 307, 309–310, 313, 317–320, 322–325, 332, 335–345, 348, 357 Heinrich VIII., König von England 11 Helena 208 Hesiod 71 Homer 71 Hoorn, Philipp II., Graf von Montmorency-NivelleHoorn 221, 240 Hotman, François 127, 184 Houel, Nicolas 148–150 Humières, Jean de 43 Jakob III., König von Schottland 16 Jakob V., König von Schottland 27, 99 Johanna, Prinzessin (Jeanne, princesse) 36 Johann Kasimier, Pfalzgraf 305, 310 Jouanna, Arlette 273, 279, 282 Jovio, Paolo 7 Joyeuse, Anne d’Arques, duc de 332, 344

401 Karl III., Herzog von Lothringen 35, 79, 90–91, 289, 324 Karl III., Herzog von Savoyen 31, 67 Karl IX., König von Frankreich (Karl Maximilian)  1, 36, 38, 73, 103, 106, 119, 130, 133–135, 137–138, 140, 142, 150–151, 154, 156, 159, 161, 166, 169, 173–175, 183, 190, 196–197, 207–210, 212, 214, 216, 218, 223–227, 229–230, 237–238, 240, 243–244, 246, 248, 253, 258–261, 263, 265–283, 285–291, 293–295, 297, 330 Karlmann 240 Karl V., Kaiser 9–10, 13, 18, 31–32, 47–48, 61, 63–64, 66, 75–76, 78, 80, 84, 94, 118, 168 Karl VI., König von Frankreich 94 Karl VIII., König von Frankreich 9, 96 Klemens VII. (Clemenz VII.), Papst 8, 11–13, 16–18, 31, 76 Kocka, Jürgen 53 Konstantin I., der Große 208 La Marck, Antoinette de 106 La Marck, Robert IV de 63 La Noue, François de (seigneur de La Noue-Briord)  229, 244, 286 Lansac, Louis de Saint-Gelais, sieur de 202, 236 La Planche, Louis Régnier de 95 La Renaudie, Jean du Barry, seigneur de 112–113, 115, 126 La Rochefoucauld, François III de 244, 267 La Rochepot, Antoine de 62 La Sague, Jacques de 125–126, 128 La Tour d’Auvergne, Anne de 16 La Tour d’Auvergne, Madeleine de 8, 11, 15–16 L’Aubespine, Claude I de, sieur de Verderonne  295–296 L’Aubespine, Claude II de 296 L’Aubespine, Sébastien de 120, 141, 145, 161, 178, 194, 198, 294–295 Laurentius, Heiliger 87 Le Charron 271 Lefèvre d’Étaples, Jacques 26 Leo X. (Giovanni de’ Medici), Papst 11–12 Lescot, Pierre 151, 153 L’Estoile, Pierre de 352 L’Hôpital, Jean de 118 L’Hôpital, Michel de 117–119, 121–122, 124–125, 127, 129, 136, 138–142, 146, 159, 165–167, 175, 201, 210–211, 218, 243, 294–295 Liebnitz, Ursula viii

402 Lippomano, Girolamo 233 Livius, Titus 71 Lorraine, François, chevalier de (Guise) 62 Lorraine, Louis de (cardinal de Guise) 62, 332, 351 Louise de Lorraine-Vaudémont 151 Loyseau, Charles 52–55 Ludwig, Herzog von Orléans (Louis, duc d’Orléans)  36 Ludwig IX., König von Frankreich 208 Ludwig XII., König von Frankreich 96, 140 Ludwig XIII., König von Frankreich 298 Ludwig XIV., König von Frankreich 46, 213, 231, 298 Ludwig von Nassau-Dillenburg 242, 249, 265, 290 Luther, Martin 29–30, 167 Lygdamis 149 Machiavelli, Niccolò 2, 22, 301 Maintenon, Louis d’Angennes, seigneur de 334 Major, James Russell 139 Malettke, Waltraut viii Marcel, Claude 271 Margarete von Angoulême, Königin von Navarra (1. Ehe mit Karl IV., Herr von Alençon; 2. Ehe mit Heinrich II. von Albret, König von Navarra) 26, 35, 97, 264 Margarete von Österreich 13 Margarete von Parma 27, 107 Margarete von Valois, Prinzessin (Marguerite de Valois, princesse, Gemahlin Heinrichs von Navarra, 1589 König von Frankreich) 262–264, 266–267, 273, 278, 318, 320 Margarete von Valois (Marguerite d’Angoulême, 1492–1549) 17, 26 Margarete von Valois (Herzogin von Berry, 1523–1574) 26, 86, 90, 118–119 Maria Stuart, Königin von Schottland 90, 94, 97–100, 151, 233, 242 Marillac, Charles de 117, 124 Matignon, Jacques Goyon, comte de 342 Maurevert, Charles de Louviers, seigneur de  275–276 Mausolos 149 Maximilian II., Kaiser 36, 182, 262–263, 293 Mayenne, Charles de Lorraine, duc de 313, 332, 335, 352 Mayenne, Claude de (Claude de Lorraine, marquis de Mayenne, dann duc d’Aumale) 62 Mazarin, Jules 298 Medici, Alessandro de’ 76–77

Personenregister Medici, Cosimo de’ (der Ältere) 14 Medici, Cosimo I de’ 65, 75–76, 93, 200 Medici, Giulio de’ 8, 12 Medici, Ippolito de’ 12 Medici, Lorenzo II di Piero de’ 8, 11–13, 15 Medici, Lucrezia de’ 12 Medici, Maria von 96 Melanchthon, Philipp 29, 168 Mercɶur, Philippe Emmanuel de Lorraine, duc de  234, 335 Mesmes, Henri de, sieur de Malassise 253 Mézeray, François Eudes de 3 Michieli, Giovanni 97, 139 Minerva 148 Monluc, Blaise de 173, 217 Monluc, Jean de 123–124, 161, 170–171, 196, 210, 287–288, 295, 318 Montecuccoli, Sebastian von 32 Montmorency, Anne de (1551 duc de) 37–38, 41, 61–63, 67, 78–79, 81–86, 88–89, 94, 99, 101–102, 104–106, 108, 113, 126, 136, 139–140, 152, 159, 161, 171–172, 184, 186, 189, 195–196, 200–201, 204–205, 212, 226, 252 Montmorency, Charles de, sieur de Méru 106 Montmorency-Damville, Henri de 106, 252, 284, 302–303, 306, 309–310, 313, 320, 332, 338 Montmorency, Diana von 106, 356 Montmorency, François de 106, 138, 224, 258–259, 304–305 Montpensier, Catherine de Lorraine, duchesse de  145 Moraw, Peter 56 Morel, François 109–110, 112 Moritz, Kurfürst von Sachsen 66 Morvillier, Jean de 117, 210, 243, 260, 294 Mouy, Artus de Vaudrey, sieur de 276 Nassau, Heinrich von 32 Nemours, Herzog von 12, 91 Nostrodamus (Michel de Nostre-Dame) 6 Oepen, Kornelia vii Olivier, François 79, 102, 117–118 Olympia 208 Orieux, Jean 296–297 Orsini, Alfonsina 12 Pasquier, Etienne 71, 133, 228, 349 Paul III., Papst 31 Paulus, Apostel 72

Personenregister Petrucci, florent. Botschafter in Frankreich 217 Philipp der Schöne, König von Kastilien 9 Philipp II. Augustus, König von Frankreich 24 Philipp II., König von Spanien 4, 35, 66, 89–91, 96, 103, 107–108, 126, 144, 146, 161, 178–182, 189, 194, 198–199, 211, 217–219, 221–222, 224, 226–227, 236–237, 240–243, 246–251, 258, 260–263, 266, 273–274, 276, 315, 332, 341, 345, 349 Pierrevive, Marie-Catherine de, dame Du Perron  38 Pigaillem, Henri 96, 354 Pinart, Claude, seigneur de Cramailles 296, 299, 318, 349 Pippin 240 Pisan, Christine de 149 Pius IV., Papst 180 Pius V., Papst 76 Platon 71 Plinius, der Ältere 148 Plotin 71 Poltrot de Méré, Jean 202–203 Pompeius 161 Primaticcio, Francesco 153 Pythagoras 71 Reinbold, Markus 218, 261 Renée von Frankreich, Herzogin von Ferrara 140 Ricasoli, Giambattista 93 Richelieu, Armand Jean du Plessis de 68, 298 Riez, Barthélemy de 96 Robbia, Girolama della 24 Robin, Marie 118 Ronsard, Pierre de 73 Roye, Éléonore de, princesse de Condé 159, 204 Rudolf II., Kaiser 333 Sacy, de 83 Salviati, Maria 12, 76 Santa Croce, Prospero 100 Sauvage, Denis 7 Savoyen, Jakob von 91 Savoyen, Louise von (Louise de Savoie) 13, 26, 31, 83 Sawicki, Diethard vii Schilling, Heinz 221–222 Schulze, Winfried 56

403 Sigismund II. August, König von Polen 282 Sillery, Pierre Brûlart de 296, 299, 347, 349 Sixtus IV., Papst 15 Sixtus V., Papst 339 Smith, engl. Botschafter in Frankreich 217 Solnon, Jean-François 273, 298 Stewart, John, Herzog von Albany und Graf von La Marche 16 Strabon 148 Strozzi, Clarissa 12 Strozzi, Filippo (der Jüngere) 76 Strozzi, Leone 75 Strozzi, Lorenzo 75 Strozzi, Piero 65–66, 75, 78, 301 Suriano, Antonio 98, 165, 217 Tavannes, Gaspard de Saulx de 100, 236, 251 Thevet, André 154 Thou, Christophe de 212 Thou, Jacques-Auguste de 248 Thukydides 71 Tommaso, Niccolò 99 Tornabuoni, florent. Botschafter in Frankreich 217 Tournon, François de 102, 140, 169 Tudor, Maria, Königin von England 90 Turenne, Henri de La Tour d’Auvergne, vicomte de  320, 342 Ulrich, Herzog von Lothringen 48 Uzès, Louise de Clermont, comtesse de Tonnerre, duchesse d’ 119, 321 Valois, Madeleine de 26 Vasari, Giorgio 20 Vendôme, François, vidame de Chartres 125 Vespasian, röm. Kaiser 148 Vieilleville, François de Scépeaux, comte de Durtal  198, 252 Villeroy, Nicolas de Neufville, seigneur de 288, 296, 299, 313, 338, 343, 347, 349 Vinci, Leonardo da 24 Wanegffelen, Thierry 273, 279–281, 353 Wilhelm I., Fürst von Nassau-Oranien 50, 221, 241–242, 249, 258 Zuñiga, don Diego 276, 281