Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden (German Edition) 383510103X, 9783835101036

Eingriffe in Natur und Landschaft (z. B. Baumaßnahmen, Rohstoffgewinnung, Straßenbau) führen einerseits zu einer nachhal

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Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden (German Edition)
 383510103X, 9783835101036

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Anita Kirmer, Sabine Tischew (Hrsg.)

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

Anita Kirmer, Sabine Tischew (Hrsg.)

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

Anita Kirmer, Sabine Tischew (Hrsg.)

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden Unter Mitarbeit von Astrid Bringmann, Astrid Grüttner, Norbert Hölzel, Rolf Johannsen, Ellen Kausch, Manja Landefeld, Joe Engelhardt, Eva Hacker, Kai Jensen, Gerd Jünger, Kathrin Kiehl, Bernhard Krautzer, Antje Lorenz, Sandra Mann, Dirk Mertens, Cornelia Pacalaj, Meike Schächtele, Frank Spundflasch, Gotthard Wolf, Kornelia Marzini, Frank Molder, Leonid Rasran, Dirk Seelemann, Matthias Stolle, Ulrich Tränkle

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

1. Auflage Mai 2006

Alle Rechte vorbehalten © B. G. Teubner Verlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ulrich Sandten / Kerstin Hoffmann Der B. G. Teubner Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.teubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Waren- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN-10 3-8351-0103-X ISBN-13 978-3-8351-0103-6

Vorwort und Dank Eine sehr begrüßenswerte Entwicklung führte in den letzten Jahren dazu, dass sich die im Bereich der Renaturierung tätigen Berufsgruppen hinsichtlich ihrer Anforderungen an die Begrünung von Rohböden immer weiter angenähert haben. Während in der Vergangenheit bei Ingenieurbiologen und Landschaftsbauern fast ausschließlich der Schutz vor Erosion, in Verbindung mit einer möglichst schnellen Vegetationsbedeckung im Mittelpunkt stand, so gewinnen aktuell auch Zielstellungen wie die Bewahrung der floristischen Identität der Naturräume und die Entwicklung naturraumtypischer Pflanzengesellschaften immer stärker an Bedeutung. Andererseits setzen sich Naturschützer und Vegetationskundler verstärkt mit den Anforderungen an einen Erosionsschutz und mit der praktischen Umsetzbarkeit von Modellversuchen auseinander. Daneben dokumentieren inzwischen zahlreiche, erfolgreich umgesetzte Praxisbeispiele die positive ökologische und ökonomische Wirkung naturnaher Methoden auf Rohböden. Die in diesem Handbuch dargestellten Beispiele wurden durch die Aufgeschlossenheit und Kooperationsbereitschaft von privaten und öffentlichen Institutionen sowie gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen ermöglicht. Für diese konstruktive Zusammenarbeit möchten wir uns an dieser Stelle bei allen Kooperationspartnern herzlich bedanken. Leider wird eine breitere Anwendung naturnaher Methoden immer noch aufgrund von Informationsdefiziten erschwert. Unser Handbuch soll Vorurteile bezüglich Erfolg, Aufwand und Kosten dieser Begrünungsmethoden abbauen und diese Methoden als echte Alternativen zur konventionellen Begrünung einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen. Mittels der aufgeführten Praxisbeispiele soll für Behörden, Planungsbüros, Abbauunternehmen, Naturschutzverbände und -institutionen eine Kontaktaufnahme zu möglichen Ansprechpartnern bei Fragen zur Maßnahmenplanung und -umsetzung erleichtert werden. Dabei ist mit der Auswahl der Beispiele keine Wertung verbunden. Als Anstoß zur Entwicklung eines Expertennetzwerkes, möglicherweise auf Internetbasis, würden wir eine Kontaktaufnahme von weiteren Personen/Institutionen sehr begrüßen. Der rasante Wissenszuwachs auf dem Gebiet der naturnahen Begrünung von Rohböden wird ohnehin eine Fortschreibung des Handbuches bedingen, so dass dann weitere Praxisbeispiele aufgenommen werden können. Allen Mitautoren danken wir recht herzlich für die unkomplizierte Zusammenarbeit und für ihr Engagement bei der Realisierung dieses umfangreichen Projektes. Für Korrekturen, Verbesserungsvorschläge und Layoutarbeiten sind wir darüber hinaus besonders Frau Dipl.-Ing. (FH) Sandra Mann, Frau Dipl.-Ing. (FH) Antje Lorenz und Frau Dr. Alrun Schmiedeknecht zu großem Dank verpflichtet. Auch allen hier nicht namentlich genannten Personen sei für konstruktive Kritik, für Arbeiten am Layout, für das Überlassen von Fotos sowie für die vielen hilfreichen und anregenden Diskussionen ganz herzlich gedankt. Die Finanzierung des Buches wurde durch die Europäische Union und die Hochschule Anhalt (FH) im Rahmen des Interreg IIIB CASES Projektes „SURE“ (3B071) ermöglicht. Wir danken in diesem Zusammenhang auch dem Teubner Verlag, besonders Herrn Ulrich Sandten und Frau Kerstin Hoffmann, für die Möglichkeit, dieses Buchprojekt zu verwirklichen. Anita Kirmer & Sabine Tischew

Inhaltsverzeichnis 1

Einführung ................................................................................................13

2

Definitionen ...............................................................................................16

2.1

Begriffsdefinitionen.............................................................................................. 16

2.2

Rohböden – Definitionen und Erläuterungen.................................................... 17

3

Naturnahe Methoden: ein Überblick ......................................................20

4

Übersicht zu Standorttypen, möglichen Zielvegetationstypen und geeigneten Begrünungsmethoden............................................................27

5

Praktische Umsetzung der Methoden .....................................................39

5.1 5.1.1 5.1.2

Samenreiches Mahdgut und Heumulch.............................................................. 39 Hinweise für die Umsetzung .................................................................................. 39 Beispiele für Böschungssicherung (Straßenbau) .................................................... 42

5.1.2.1 5.1.2.2

Magerrasen auf Kalk- und Keuperschutt ..............................................................................42 Mesophiles Grünland (Frischwiese/-weide) auf sandigem Lehm bis lehmigem Sand ..........44

5.1.3

Beispiele für Böschungssicherung (Abbau von Rohstoffen) .................................. 46

5.1.3.1 5.1.3.2 5.1.3.3 5.1.3.4 5.1.3.5 5.1.3.6 5.1.3.7 5.1.3.8 5.1.3.9

Magerrasen auf Sand ............................................................................................................46 Magerrasen auf sandig-tonigem Schluff ...............................................................................48 Magerrasen auf karbonatreichen, kiesigen Lehmsanden ......................................................50 Magerrasen auf Kalkrohboden (I) ........................................................................................52 Magerrasen auf Kalkrohboden (II) .......................................................................................54 Trockene Glatthaferwiese auf gestörtem Löß .......................................................................56 Pionierwald auf skelettreichem Sand....................................................................................58 Pionierwald auf Ton und schluffigem Sand..........................................................................60 Pionierwald auf schluffig-lehmigem Sand............................................................................62

5.1.4

Beispiele für Renaturierung.................................................................................... 64

5.1.4.1 5.1.4.2 5.1.4.3 5.1.4.4 5.1.4.5 5.1.4.6 5.1.4.7

Magerrasen auf Kalkschotter ................................................................................................64 Magerrasen auf Kalkrohboden .............................................................................................66 Magerrasen auf Kalksiebschutt- und Zementmergel-Rohboden...........................................68 Glatthafer-Frischwiese auf lehmigem Sand ..........................................................................70 Stromtal-Auenwiese auf lehmigem Ton................................................................................72 Pfeifengraswiese auf Torf .....................................................................................................74 Niedermoorvegetation auf Torf.............................................................................................76

5.2 5.2.1

Heustränge ............................................................................................................ 78 Hinweise für die Umsetzung .................................................................................. 78

8

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

5.2.2

Beispiele für Böschungssicherung ..........................................................................80

5.2.2.1

Frische Säume (montane Wegrand- und Waldsaumvegetation) auf Schluff-Grus-Gemisch . 80

5.3 5.3.1 5.3.2

Heudrusch® ...........................................................................................................82 Hinweise für die Umsetzung...................................................................................82 Beispiele für Böschungssicherung (Straßenbau).....................................................84

5.3.2.1 5.3.2.2 5.3.2.3 5.3.2.4

Kalkmagerrasen und Schotterfluren auf Rollkies ................................................................. 84 Kalkmagerrasen und Frischwiesen auf Kies......................................................................... 86 Glatthaferwiese auf Lehm..................................................................................................... 88 Komplexbiotop: Niedermoor auf Torf und Kalkmagerrasen auf Kies.................................. 90

5.4 5.4.1 5.4.2

Ansaaten (Offenland) ...........................................................................................92 Hinweise für die Umsetzung...................................................................................92 Beispiele für Böschungssicherung (Straßenbau).....................................................94

5.4.2.1 5.4.2.2 5.4.2.3 5.4.2.4

Magerrasen auf Sand ............................................................................................................ 94 Magerrasen auf Kalkschotter (I)........................................................................................... 96 Magerrasen auf Kalkschotter (II) ......................................................................................... 98 Mesophiles Grünland auf tonigem Schluff......................................................................... 100

5.4.3

Beispiele für Böschungssicherung (Abbau von Rohstoffen).................................102

5.4.3.1 5.4.3.2 5.4.3.3 5.4.3.4 5.4.3.5 5.4.3.6

Trockene Glatthaferwiese auf gestörtem Löß ..................................................................... 102 Trockene Glatthaferwiese auf sandigem Lehm................................................................... 104 Trockene ruderale Staudenflur auf Sand und lehmigem Sand............................................ 106 Trockene ruderale Staudenflur auf lehmig-tonigem Sand .................................................. 108 Trockene ruderale Staudenflur/Birkenpionierwald auf skelettreichem Sand und Ton....... 110 Trockene ruderale Staudenflur/Birkenpionierwald auf lehmig-tonigem Sand.................... 112

5.4.4

Beispiele für Renaturierung ..................................................................................114

5.4.4.1 5.4.4.2

Trockene ruderale Staudenflur auf sandigem Schluff......................................................... 114 Magerrasen/mesophiler Saum auf skelettreichem Lehm .................................................... 116

5.5 5.5.1 5.5.2

Ansaaten (Gehölze).............................................................................................118 Hinweise für die Umsetzung.................................................................................118 Beispiele für Böschungssicherung (Lärmschutzwall) ...........................................122

5.5.2.1

Wärmeliebendes Gebüsch auf schluffigem Lehm .............................................................. 122

5.5.3

Beispiele für Böschungssicherung (Abbau von Rohstoffen).................................124

5.5.3.1 5.5.3.2 5.5.3.3

Birken-Pionierwald auf tonigem Schluff............................................................................ 124 Birken-Kiefern-Pionierwald auf schluffigem Sand (I) ....................................................... 126 Birken-Kiefern-Pionierwald auf schluffigem Sand (II) ...................................................... 128

5.5.4

Beispiele für Renaturierung ..................................................................................130

5.5.4.1

Birken-Pionierwald auf lehmig-schluffigem Sand ............................................................. 130

5.6 5.6.1 5.6.2

Übertragung von Oberboden (Offenland)........................................................132 Hinweise für die Umsetzung.................................................................................132 Beispiele für Böschungssicherung (Abbau von Rohstoffen).................................134

5.6.2.1

Magerrasen auf schluffig-lehmigem Sand .......................................................................... 134

5.6.3

Beispiele für Ufersicherung (Bachrenaturierung) .................................................136

5.6.3.1

Feuchte Mähwiese/Saum auf schluffigem Sand ................................................................. 136

5.6.4

Beispiele für Renaturierung ..................................................................................138

5.6.4.1 5.6.4.2 5.6.4.3 5.6.4.4

Glatthafer-Frischwiese auf lehmigem Sand ........................................................................ 138 Ruderale Staudenflur auf sandigem Schluff ....................................................................... 140 Zwergstrauchheide auf Sand .............................................................................................. 142 Zwergstrauchheide auf skelettreichem Sand ...................................................................... 144

Inhaltsverzeichnis

9

5.6.4.5

Zwergstrauchheide auf schluffigem Sand ...........................................................................146

5.7 5.7.1 5.7.2

Übertragung von Oberboden aus Wäldern...................................................... 148 Hinweise für die Umsetzung ................................................................................ 148 Beispiele für Renaturierung.................................................................................. 150

5.7.2.1

Laubwald mit typischer Krautschicht auf kiesig-schluffigem Lehm...................................150

5.8 5.8.1 5.8.2

Pflanzungen und Einbringen unbewurzelter Pflanzenteile ............................ 153 Hinweise für die Umsetzung ................................................................................ 153 Beispiele für Böschungssicherung........................................................................ 154

5.8.2.1

Weidengebüsch auf schluffigem Lehm ...............................................................................154

5.8.3

Beispiele für Böschungssicherung (Straßenbau) .................................................. 156

5.8.3.1

Wärmeliebendes Gebüsch auf Kalk- und Keuperschutt .....................................................156

5.9 5.9.1 5.9.2

Pflanzungen an Seeufern ................................................................................... 159 Hinweise für die Umsetzung ................................................................................ 159 Beispiele für Ufersicherung (Tagebaurestsee) ...................................................... 162

5.9.2.1 5.9.2.2

Flächige Röhrichtinitialisierung an erosionsgefährdetem Seeufer......................................162 Lineare Röhrichtinitialisierung an wenig erosionsgefährdetem Seeufer.............................164

6

Überführung naturnaher Begrünungsmethoden in die Praxis: Fallbeispiel Geiseltal...............................................................................166

7

Kosten naturnaher Begrünungsmaßnahmen.......................................170

8

Literaturverzeichnis ...............................................................................179

9

Anhang.....................................................................................................190

9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3

Beispiele für standortgerechte und naturraumtpyische Ansaatmischungen . 190 Magerrasen und mesophile Säume auf skelettreichem Lehm ............................... 190 Trockene Glatthaferwiese auf gestörtem Löß ....................................................... 192 Trockene Glatthaferwiese auf sandigem Lehm..................................................... 193

9.2

Wichtige Adressen und Ansprechpartner......................................................... 194

Anschriften der Autoren Dipl.-Ing. Astrid Bringmann Subatzus und Bringmann – Büro für Landschaftsplanung und Baumbegutachtung Lindenstraße 31 01983 Großräschen [email protected] Dipl.-Ing. (FH) Joe Engelhardt Engelhardt.Ökologie Am Bahnhof 1 84140 Gangkofen www.engelhardt-oekologie.de [email protected] Dr. Astrid Grüttner Ruscheweg 37 01109 Dresden [email protected] Prof. Dr. Eva Hacker Universität Hannover Institut für Landschaftspflege und Naturschutz Herrenhäuser Straße 2 30149 Hannover [email protected] PD Dr. Norbert Hölzel Justus-Liebig-Universität Gießen Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement Heinrich-Buff-Ring 26 - 32 35392 Gießen www.uni-giessen.de/stromtalwiesen/ [email protected] Prof. Dr. Kai Jensen Universität Hamburg Biozentrum Klein Flottbek Abteilung Pflanzenökologie und Nutzpflanzenbiologie Ohnhorststraße 18 22609 Hamburg [email protected] Prof. Dipl.-Ing. Rolf Johannsen Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Leipziger Straße 77 99085 Erfurt [email protected]

Dipl.-Ing. (FH) Gerd Jünger Ingenieurbüro Jünger Hauptstraße 8 06408 Aderstedt [email protected] Prof. Dr. Ellen Kausch Hochschule Anhalt (FH) Fachbereich LOEL Strenzfelder Allee 28 06406 Bernburg [email protected] Dr. Kathrin Kiehl Technische Universität München Lehrstuhl für Vegetationsökologie Am Hochanger 6 85350 Freising [email protected] Dr. Anita Kirmer Hochschule Anhalt (FH) Fachbereich LOEL Strenzfelder Allee 28 06406 Bernburg [email protected] Dr. Bernhard Krautzer HBLFA Raumberg-Gumpenstein A-8952 Irdning/Österreich www.raumberg-gumpenstein.at [email protected] Dipl.-Ing. (FH) Manja Landefeld Johannsen und Spundflasch – Büro für Ingenieurbiologie und Wasserbau Windmühle 1 99718 Oberbösa [email protected] Dipl.-Ing. (FH) Antje Lorenz Hochschule Anhalt (FH) Fachbereich LOEL Strenzfelder Allee 28 06406 Bernburg [email protected]

Anschriften der Autoren

Dipl.-Ing. (FH) Sandra Mann Hochschule Anhalt (FH) Fachbereich LOEL Strenzfelder Allee 28 06406 Bernburg [email protected] Dr. Kornelia Marzini Saaten Zeller Erftalstraße 6 63928 Riedern www.saaten-zeller.de [email protected] Dipl.-Ing. (FH) Dirk Mertens Verein Naturschutzpark e.V. (VNP) Niederhaverbeck 7 29646 Bispingen www.verein-naturschutzpark.de [email protected] Dr. Frank Molder Baader Konzept GmbH, Büro Gunzenhausen Weißenburger Straße 19 91710 Gunzenhausen www.baaderkonzept.de [email protected] Dipl.-Ing. (agr.) Cornelia Pacalaj Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau Leipziger Straße 75a 99085 Erfurt [email protected] Dipl.-Biol. Leonid Rasran Universität Kiel Ökologie-Zentrum Olshausenstraße 75 24118 Kiel [email protected] Dipl. Ing. Meike Schächtele Technische Universität München Lehrstuhl für Vegetationsökologie Am Hochanger 6 85350 Freising [email protected]

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Dipl.-Ing. Dirk Seelemann fagus - FachGesellschaft für Umweltund Stadtplanung Hauptstraße 9 04416 Markkleeberg www.fagus-leipzig.de [email protected] Dipl.-Ing. (FH) Frank Spundflasch Johannsen und Spundflasch – Büro für Ingenieurbiologie und Wasserbau Windmühle 1 99718 Oberbösa [email protected] Dipl.-Ing. (agr.) Matthias Stolle Begrünungsplanung Saalestr. 5 06118 Halle/Saale www.saale-saaten.de [email protected] Prof. Dr. Sabine Tischew Hochschule Anhalt (FH) Fachbereich LOEL Strenzfelder Allee 28 06406 Bernburg [email protected] Dr. Ulrich Tränkle AG.L.N. – Landschaftsplanung und Naturschutzmanagement Rauher Burren 9 89143 Blaubeuren www.agln.de [email protected] Dr. Gotthard Wolf Im Fuchsloch 34 53424 Remagen [email protected]

1

Einführung Sabine Tischew, Anita Kirmer

In Deutschland werden nach infrastrukturellen Eingriffen (z. B. Abgrabungen, Straßen- und Deichbau) sowie im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen jährlich mehrere tausend Hektar begrünt (IGI Niedermeyer Institute 2000). Dabei liegt für Rohböden der Schwerpunkt bislang auf dem Schutz vor Erosion. Auf den meisten Flächen kommen Regelsaatgutmischungen (nach FLL 2005) zum Einsatz, die sich aus Zuchtsorten aus dem Intensiv-Rasenbereich, der Landwirtschaft sowie aus gebietsfremden Arten zusammensetzen. Dieses Saatgut wird aufgrund geringerer Kosten zu einem wesentlichen Teil außerhalb der Anwendungsgebiete, oftmals sogar in anderen Klimazonen (z. B. Balkan, Kleinasien, Ostasien), gewonnen und vermehrt (Marzini 2004). Insgesamt werden jährlich 17.500 t Grassamen und 3.500 t Leguminosensamen nach Deutschland importiert (BLE 2004 in Drucksache 18/5087 des Deutschen Bundestages). Aktuelle Ergebnisse belegen inzwischen, dass Ökotypen krautiger Arten spezifische Anpassungen an lokale Standortbedingungen zeigen (z. B. Hufford & Mazer 2003; Bischoff & Müller-Schärer 2005), so dass die geringere Anpassungsfähigkeit gebietsfremder Herkünfte zu hohen Ausfallraten führen kann. Ein erfolgreicher Einsatz von Zuchtsorten erfordert vor allem auf Rohböden aufwändige Standortvorbereitungen. Unter Extrembedingungen, wie langen Trockenperioden oder einem hohen Anteil stark saurer Substrate, stoßen konventionelle Methoden deshalb an die Grenzen ihrer Anwendbarkeit (Foto 1.1). Erosionsprozesse und ein erhöhter Nachsorgeaufwand sind die Folge. Auch bei der Pflanzung von Bäumen oder Sträuchern wird unter solchen Bedingungen häufig auf eine schlechte Anwuchsrate verwiesen, die hier ebenfalls durch die Verwendung gebietsfremden Materials verursacht werden kann (u.a. Marzini & Vollrath 2003; Seitz & Kowarik 2003; Tischew et al. 2004c; Degenbeck 2005). Viele Autoren (z. B. Bradshaw & Handley 1982; Mulroy 1989; Molder 1990; Molder & Skirde 1993; Kühn 1997; Keller & Kollmann 1998) betonen deshalb die Bedeutung gebietseigener und nutzungsangepasster Herkünfte für ökonomisch und ökologisch nachhaltige Begrünungsmaßnahmen.

Foto 1.1 Ausfälle bei einer RSM-Ansaat an der A 71 nördlich von Erfurt. (Foto: H. Korsch, Oktober 2004)

Ein weiteres, zu wenig in der öffentlichen Diskussion beachtetes Problem ist die Gefahr der Florenverfälschung durch gebietsfremde Arten und Zuchtsorten. Die unkontrollierte Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten (invasive Neophyten) hat inzwischen in Deutschland

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Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

erhebliche ökonomische Auswirkungen. Die durch die 20 aggressivsten neophytischen Arten (z. B. Riesenbärenklau, Japanischer Staudenknöterich) in Deutschland entstandenen Schäden belaufen sich auf 167 Mio. € pro Jahr (Reinhardt et al. 2003). Das Einbringen gebietsfremder Herkünfte von Arten kann durch negative Interaktionen mit noch vorhandenen gebietseigenen Provenienzen unerwünschte Folgen haben. Es besteht das Risiko, dass lokale Herkünfte durch gebietsfremde, invasive Genotypen verdrängt werden oder es zu einer unerwünschten Hybridisierung kommt (Bischoff & Müller-Schärer 2005). Dadurch kann die inner- und zwischenartliche Vielfalt von Pflanzen beeinträchtigt werden und es können Rückkopplungseffekte auf die Tierwelt entstehen (Wesserling & Tscharnke 1993, Molder 2002; Nickel 2003; Seitz & Kowarik 2003). Deshalb wurde die Bewahrung der innerartlichen Vielfalt, die durch die Differenzierung in Unterarten, lokale Rassen und Sippen entsteht, im EU-Recht verankert und im §10(2)3 BNatSchG festgeschrieben. Damit verbunden ist auch die Vorgabe einer Genehmigung für die Ansiedlung gebietsfremder Herkünfte in der freien Landschaft, wobei nach §41(2)2-1 BNatSchG der Anbau von Pflanzen in der Landund Forstwirtschaft ausgenommen wird. Dennoch ist für die wichtigsten, forstlich genutzten einheimischen Baumarten durch das „Forstliche Saat- und Pflanzgutgesetz“ bzw. das „Gesetz über forstliches Vermehrungsgut“ festgelegt, dass für waldbauliche Zwecke nur gebietseigene Herkünfte vermehrt und ausgebracht werden dürfen, wobei Deutschland in neun Herkunftsgebiete unterteilt wird (z. B. Schmidt & Krause 1997). Auch für die Etablierung von Offenlandvegetation (z. B. Wiesen, Magerrasen) gibt es mit den von der Forschungsgemeinschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL 1999) herausgegebenen „Methoden für besondere Begrünungsverfahren“ seit längerem Empfehlungen für eine naturnahe Begrünung mit gebietseigenen Herkünften, die bislang aber viel zu wenig Beachtung finden. Bei zukünftigen Begrünungen in der freien Landschaft sind Alternativen zum Einsatz von Zuchtsorten oder gebietsfremden Arten und Herkünften dringend zu fordern (u.a. Hacker & Hiller 2003, Klingenstein & Eberhardt 2003; Westhus & Korsch 2005). In diesem Zusammenhang müssen auch die Widersprüche zwischen dem Bundesnaturschutzgesetz (Verbot des Ausbringens fremder Arten und Herkünfte in der freien Landschaft) und dem Saatgutverkehrsgesetz (SaatVerkG) geklärt werden, das bislang nur die Ausbringung zertifizierter Sorten der Arten erlaubt, die dem Saatgutverkehrsgesetz unterliegen. Gegenwärtig steht in den Gremien der EU eine Gesetzesvorlage zum Umgang mit pflanzengenetischen Ressourcen zur Entscheidung an, die unter anderem dem oben genannten Aspekt Rechnung tragen soll. Im vorliegenden Handbuch sollen vor dem Hintergrund der aufgeführten Probleme bei Begrünungen in der freien Landschaft, außerhalb land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen, naturnahe Alternativen zu herkömmlichen Verfahren vorgestellt und mit Praxisbeispielen unterlegt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der naturnahen Begrünung von Rohbodenstandorten, die im Zuge von Rohstoffabbau und im Straßen- oder Deichbau entstehen oder im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen durch Abschieben des nährstoffreichen Oberbodens bewusst hergestellt werden. Dazu wurden in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Verfahren erfolgreich entwickelt und getestet (siehe Kapitel 5). Durch die Verwendung naturnaher Methoden sollen die naturschutzfachlich wertvollen Potenziale (v.a. Nährstoffarmut) der Rohböden weitgehend erhalten bleiben, da diese die Ansiedlung von in der umgebenden Landschaft gefährdeten und seltenen Arten ermöglichen. Für die Begrünung müssen ausschließlich standortgerechte Arten sowie gebietseigene Herkünfte verwendet werden. Aufgrund spezifischer Anpassungen an die jeweiligen Standortverhältnisse sind dabei Herkünfte aus vergleich-

Einführung

15

baren Biotoptypen zu bevorzugen. Die zu begründende Fläche soll in jedem Fall das Potenzial einer eigenständigen Entwicklung und natürlichen Selbstregeneration bewahren. Arten früher Sukzessionsstadien sollten vorrangig eingesetzt werden, da diese Arten am besten an Rohbodenbedingungen angepasst sind. Eine Ansiedlung von Arten aus der Umgebung ist erwünscht und kann durch eine geringe Einsaat- bzw. Bepflanzungsdichte unterstützt werden. Auf erosionsgefährdeten Standorten muss auch bei naturnahen Verfahren der Schutz vor Erosion im Vordergrund stehen. Hierzu werden speziell angepasste Methoden, wie das Aufbringen von samenreichem Mahdgut oder Mulchdecksaaten, vorgestellt. Insbesondere in Abbaugebieten kann durch die Anwendung naturnaher Methoden die Einwanderung von standortgerechten Arten beschleunigt werden. Bei Folgenutzung Naturschutz sowie bei flächenhafter Renaturierung (z. B. nach Tagebau) sollten Begrünungsmaßnahmen nur auf Teilbereichen durchgeführt werden, damit ein Großteil der Flächen der natürlichen Sukzession überlassen bleiben kann (Prozessschutz, vgl. auch Tischew 2004). Vor allem bei isoliert liegenden Flächen werden durch das Einbringen naturschutzfachlich wertvoller Arten Ausbreitungsschranken effektiv überwunden, wobei die so begrünten Flächen als Ausbreitungsinseln für die weitere Besiedlung dienen können. Gleichzeitig werden durch das punktuelle Vorgehen die naturschutzfachlich wertvollen Standortpotenziale dieser Flächen erhalten (z. B. Nährstoffarmut und hohe Eigendynamik). Die Initiierung von Pflanzengesellschaften kann dabei auf erosionsgefährdete Standorte beschränkt bleiben bzw. zu einer schnelleren Kompensation von Schäden am Landschaftsbild vor allem in den Randbereichen eingesetzt werden. Alle vorgestellten Methoden sind prinzipiell auch auf gewachsenen Böden anwendbar. Insbesondere bei nährstoffreichen Standorten (z. B. ehemalige Ackerböden) muss für die erfolgreiche Umsetzung der vorgestellten Methoden eine Aushagerungsphase vorgeschaltet werden. Dies kann durch den Anbau stark zehrender Feldfrüchte oder Biomasseaustrag durch mehrmalige Mahd aufgewachsener Bestände erfolgen. Foto 1.2 Natürliche Sukzession im etwa 35 Jahre alten, Eine sehr erfolgversprechende und ehemaligen Tagebau Kayna-Süd. (Foto: A. Kirmer, 1999) schnell wirksame Methode der Aushagerung ist das Abschieben des nährstoffreichen Oberbodens (z. B. Patzelt et al. 2001; Hölzel & Otte 2003; Verhagen et al. 2003; Schächtele & Kiehl 2005). Da diese Maßnahme sehr arbeits- und kostenintensiv ist, sollte sie vor allem auf die Etablierung von Vegetationsbeständen konzentriert werden, deren nachhaltige Entwicklung unmittelbar mit einem niedrigen Nährstoffstatus gekoppelt ist. Beispiele hierfür sind Zwergstrauchheiden sowie Trocken- und Magerrasen, da deren Neuanlage auf zu nährstoffreichen Standorten nicht zu den gewünschten Zielvegetationstypen führt (Tischew et al. 2004b) bzw. durch einen hohen Pflegeaufwand unverhältnismäßig hohe Nachsorgeaufwendungen erfordert.

2

Definitionen

2.1 Begriffsdefinitionen Um Missverständnisse zu vermeiden, werden im Text verwendete Begriffe wie folgt definiert: Areal (hier: von Pflanzenarten) = Verteilung der Wuchsorte einer Pflanzenart im geographischen Raum (Quelle: Straka & Walter 1970) Art = Eine Art ist eine Abstammungsgemeinschaft untereinander fertil kreuzbarer Individuen, die sich durch konstante erbliche Merkmale von anderen Abstammungsgemeinschaften unterscheiden, mit denen keine oder nur verminderte Kreuzungsmöglichkeiten bestehen. autochthon = vom jeweiligen Betrachtungsort stammend, bodenständig (z. B. Gesteine in der Geologie, Tier- und Pflanzenarten im Naturschutz oder Gehölzindividuen in der Forstwirtschaft); wird im Naturschutz oft missverständlich als Synonym für „einheimisch“ gebraucht; besser geeignet ist „gebietseigen“ (Quelle: Bundesamt für Naturschutz: http://www.bmu.de/ service/weitere_angebote/glossar/doc/4047.php; Februar 2006) Brennen = Dieser Begriff bezeichnet nährstoffarme, trockene und höher gelegene Kiesstandorte innerhalb der Auenstufe. Sie weisen eine Vegetation aus Magerrasenarten mit höchstens lichtem Baumbewuchs auf. Brennen sind Lebensraum für eine Vielzahl seltener Tier- und Pflanzenarten. (Quelle: www.bayern.de/lfu/natur/landschaftsentwicklung/glossar; März 2006) freie Landschaft = Als juristischer Begriff schließt der Terminus sämtliche Flächen außerhalb des besiedelten Bereiches unabhängig von deren Naturnähe ein. (Quelle: Seitz & Kowarik 2003) gebietseigen = Als gebietseigen werden Pflanzen bzw. Sippen bezeichnet, die aus Populationen einheimischer Sippen stammen, welche sich in einem bestimmten Naturraum über einen langen Zeitraum in vielfachen Generationsfolgen vermehrt haben. Daher ist eine genetische Differenzierung gegenüber Populationen der gleichen Art aus anderen Naturräumen anzunehmen. Für Gehölze ist auch der Begriff „gebietsheimisch“ gebräuchlich. (Quelle: Seitz & Kowarik 2003) gebietsfremd = eine wild lebende Tier- oder Pflanzenart, die in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommt (Quelle: §10(2)6 BNatSchG) heimisch = eine wild lebende Pflanzenart, die ihr Verbreitungsgebiet ganz oder teilweise im Inland hat, in geschichtlicher Zeit hatte oder auf natürliche Weise in das Inland ausdehnt (Quelle: §10(2)5 BNatSchG) Herkunftsregion = eine Region mit annähernd gleichen ökologischen Bedingungen, die so abgegrenzt wurde, dass die Verwendung des dort gewonnenen Vermehrungsgutes innerhalb der gesamten Herkunftsregion vor dem Hintergrund der Vermeidung der Florenverfälschung verantwortet werden kann (Quelle: Hiller & Hacker 2001) lokal = örtlich, auf den hiesigen Ort bezogen (Quelle: www.wikipedia.org; Februar 2006)

Definitionen

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Naturraum = ein in seinem physischen Totalcharakter (Geologie, Klima; Vegetation) einheitliches, individuelles Gebiet, das gegenüber benachbarten Gebieten abgrenzbar und unterscheidbar ist (Quelle: Meynen & Schmidthüsen 1953/1962) Ökotyp = durch natürliche Selektion entstandene Teilpopulation einer Tier- und Pflanzenart mit erblich bedingter Anpassung an bestimmte Standortbedingungen in ihrem Verbreitungsgebiet (Quelle: http://irp.baden-wuerttemberg.de/glossar.html; Februar 2006) Regiosaatgut = Saatgut von Biotoptypen, das innerhalb der Grenzen einer festgelegten Herkunftsregion gewonnen, vermehrt und ausgebracht wird, ohne dass es dabei züchterisch verändert wurde (Quelle: Hiller & Hacker 2001) Störzeiger = eingewanderte Arten, die dem Entwicklungsziel nicht entsprechen bzw. eine negative Wirkung auf die Erreichung des Entwicklungszieles haben Strukturarm = Dominanzbestände einzelner Arten Strukturreich = artenreiche, geschichtete Bestände Unterart = Gruppen von ähnlichen Individuen, die einerseits offenkundig miteinander paarungsfähig sind (also ein wichtiges Kriterium der Abgrenzung von Arten nicht erfüllen), andererseits aber als Gruppe oder Sippe hinreichend eindeutig gegen andere Gruppen (Sippen) abgrenzbar sind; Unterarten entstehen, wenn der Genaustausch mit anderen Populationen vermindert ist (Quelle: www.wikipedia.org; Februar 2006)

2.2 Rohböden – Definitionen und Erläuterungen Matthias Stolle

Abweichend von der üblichen bodenkundlichen Terminologie (AG Boden 1994) werden in diesem Handbuch alle terrestrischen Auftrags- und Abtragsböden sowie Rigosole als Rohböden im Sinne eines unentwickelten (d.h. ohne Ausbildung natürlich entstandener Profilhorizonte), meist oberbodenfreien und vegetationslosen Substrates definiert. Sie sind durch weitgehende Humusfreiheit und Nährstoffarmut, geringe biologische Aktivität, fehlende Krümelstruktur und ein zumeist technogen beeinflusstes Bodengefüge gekennzeichnet. Dazu gehören beispielsweise: x

Abgrabungen im Zuge erdbaulicher oder bergbaulicher Tätigkeit (Tage- und Tiefbaue, Steinbrüche) bei denen natürliche Substrate angeschnitten, bewegt und aufgehaldet, verkippt oder verspült werden,

x

gekappte, natürliche Böden, bei denen der humose A-Horizont fehlt oder entfernt wurde (Erosion, Baumaßnahmen, Abtrag im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen),

x

anthropogene Substrate wie Asche-, Kalkschlamm-, Bauschutt-, Schlacke- oder Mülldeponien,

x

Gemische natürlicher und anthropogener Substrate (oft Bauschutt, Aschen oder organische Materialien), die verfüllt, aufgehaldet oder verspült wurden (Rigosole). Hier sind wiederum die jungen, unentwickelten Substrate als Rohböden zu verstehen.

18

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

Viele Rohböden werden durch ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften zu Extremstandorten für die Wiederbesiedelung durch Fauna und Flora. Diesem Umstand muss bei der Begrünungsplanung bezüglich der Wahl der Pflanzenarten und der Begrünungsmethoden Rechnung getragen werden. Die wichtigsten Einflussfaktoren sind extrem hohe oder niedrige pH-Werte (häufig mit dem Fehlen bestimmter Nährstoffe verknüpft), Salzbelastung und Trockenheit. 1.

Stark saure natürliche Standorte (Böden auf sauer verwitterndem Gestein oder organische Böden wie Moore) unterscheiden sich von anthropogenen Standorten häufig durch das Fehlen toxischer Aluminium-Ionen in der Bodenlösung, die vor allem im Ergebnis der Pyritverwitterung auf Bergbauabraum nachzuweisen sind (umfassende Informationen zur Pyritverwitterung bei Evangelou & Zhang 1995). Etwa ab pH-Wert (KCl) 4,5 (entspricht etwa 10 mg pro 100 g Boden pflanzenverfügbares Aluminium, siehe Herbst & Mahn 1998) nimmt die Löslichkeit von Aluminium stark zu (exponentiell ab pH < 3,5) und die Zahl der dies tolerierenden Arten ab. Die Schädlichkeit freier Aluminium-Ionen hängt daneben auch von der Herkunft der einzelnen Arten ab. Nach Untersuchungen von Kidd & Proctor (2000) wurden Birken basischer Standorte bereits bei Konzentrationen von 2 mg/l geschädigt, während Birken saurer Standorte noch 25 mg/l tolerierten. Die Keimlinge toleranter Arten wie Rasen-Schmiele (Deschampsia flexuosa) und Borstgras (Nardus stricta) werden bei Konzentrationen von 0,48 bzw. 0,35 mmol/l im Wurzelwachstum gehemmt (Kinzel 1982). Neben phytotoxischen Aluminium-Konzentrationen schädigt auch die bei der Pyritverwitterung freiwerdende Schwefelsäure die Pflanzen. Die Auswaschung der nachlieferbaren Säure kann über Jahrzehnte erfolgen. Eine Vegetationsdecke kann daher nur nach Abpufferung durch Kalkung auf pH-Werte > 3,5 mit einer Mächtigkeit des behandelten Substrates von mindestens 15 - 30 cm oder nach einer entsprechenden Überdeckung mit geeignetem Material etabliert werden. Zur Ermittlung des Kalkbedarfes vgl. auch Katzur (1998).

2.

Basische Standorte mit pH-Werten > 8 sind in Mitteleuropa in der Regel anthropogener Herkunft. Dazu zählen besonders frische Kraftwerksaschen, Kalkschlämme und ähnliche Substrate. Unter dem Einfluss von Kohlendioxid aus der Luft karbonatisieren die Substrate an der Oberfläche und die pflanzliche Besiedelung kann einsetzen. Da bei pH-Werten um acht die Nährstoffaufnahme erschwert und insbesondere Phosphor in schwer löslichen Verbindungen festgelegt ist, sind die Pflanzen auf Symbionten, z. B. Mykorrhizen angewiesen, die offenbar bei höheren pH-Werten nicht mehr existieren können.

3.

Wasser- und Nährstoffaufnahme der Pflanzen basieren auf osmotischen Prinzipien. Ein Anstieg des Salzgehaltes in der Bodenlösung über ein bestimmtes Maß hinaus führt auf Salz-Standorten zu physiologischer Trockenheit. Viele salztolerante Arten kompensieren hohe Salzgehalte durch erhöhte Wasseraufnahme, Sukkulenz oder spezielle Ausscheidungsmechanismen. Auf trockenen Standorten in niederschlagsarmen Gebieten ist die Zahl der angepassten Arten stark eingeschränkt. Die natürliche Besiedelung solcher Standorte setzt etwa ab einem Schwellenwert für die Leitfähigkeit von 0,8 - 1 mS/cm in einer Mächtigkeit von mindestens 15 - 20 cm bei Jahresniederschlägen zwischen 550 und 600 mm ein. Die oberflächennahe Salzauswaschung kann durch indirekte Maßnahmen, z. B. Mulchabdeckungen, zur Verminderung der Verdunstung beschleunigt werden.

Definitionen

4.

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Die Menge an pflanzenverfügbarem Wasser wird von vielen Faktoren beeinflusst, z. B. Niederschlag, angeschnittene Grundwasserleiter, Exposition, Neigung. Darüber hinaus führen hohe Anteile silikatischer Feinsande, hohe Kohle- oder Torfgehalte aufgrund ihrer hydrophoben Eigenschaften zu einer starken Austrocknung. Danach ist eine Wiederbenetzung schwer möglich, da das Niederschlagswasser nicht mehr eindringen kann. Analog zu den Salzstandorten sind auf derartigen Standorten Maßnahmen zur Beschattung und Verminderung der Verdunstung bzw. oberflächlichen Austrocknung erforderlich. Ein weiterer limitierender Faktor ist die Speicherkapazität des Bodenkörpers für pflanzenverfügbares Wasser. Weniger als 30 l/m³ (0 - 120 cm Tiefe) werden als äußerst gering eingestuft. Bei mineralischen Rohböden ist in diesem Zusammenhang der Skelettanteil (> 2 mm) im Bodengefüge von Bedeutung, da das vom Skelett erfüllte Bodenvolumen für die Pflanzen als Wasserspeicher bedeutungslos ist. Ein Anteil > 75 % wird als extrem hoch eingestuft (http://www.hep.info/documents/57/A07.pdf).

Foto 2.1 Salzhaltiger, stark basischer Standort auf Foto 2.2 Stark kohlehaltiger, hydrophober Roheiner jungen Kalkhalde bei Bernburg; Überreste bodenstandort im ehemaligen Tagebau KaynaSüd bei Merseburg. (Foto: S. Mann, 2000) aus der Soda-Herstellung. (Foto: M. Stolle, 1994)

Foto 2.3 Stark saures Tertiärsubstrat (pH < 3) im ehemaligen Tagebaugebiet Goitzsche bei Bitterfeld. Die gelbliche Oberfläche resultiert aus der Oxidation von Pyrit zu Schwefelsäure. Die Fläche ist seit 30 Jahren vegetationsfrei. (Foto: A. Kirmer, 1994)

Die Spezialisierung von Pflanzenarten, die an Extremstandorte angepasst sind, ist von vielen Faktoren abhängig (z. B. Salzgehalt, pH-Wert, Ionenmuster des jeweiligen Substrates). Deshalb ist das Studium der Primärbesiedelung dieser Standorte für die Artenauswahl bei der Begrünung unerlässlich. Für nahezu alle Substrattypen anthropogener Herkunft finden sich Altstandorte, die Auskunft über den Sukzessionsverlauf und damit Hinweise auf geeignete Primärbesiedler geben können.

3

Naturnahe Methoden: ein Überblick Anita Kirmer, Matthias Stolle, Antje Lorenz, Astrid Grüttner, Joe Engelhardt

Viele in diesem Handbuch vorgestellten naturnahen Begrünungsmethoden zählen zu den aus der ingenieurbiologischen Praxis bekannten Deckbauweisen. Sie repräsentieren eine Weiterentwicklung seit langem bekannter Prinzipien, die neben dem ursprünglich vorherrschenden Ziel des Erosionsschutzes dazu beitragen, die floristische Identität der Naturräume zu bewahren und naturnahe Pflanzenbestände zu etablieren. Die Auswahl der Methoden und Materialien wird sowohl vom Schutz- als auch vom Entwicklungsziel bestimmt. Grundsätzlich ist dabei gebietseigenen oder lokalen Ressourcen der Vorrang zu geben. Mahdgut, Oberboden/Rasensoden und Saatgut kommt dabei die Funktion zu, die Wachstums- und Entwicklungsbedingungen auf Rohböden zu verbessern und eine nachhaltige Vegetationsentwicklung einzuleiten. Durch den Auftrag von geeigneten Mulchmaterialien (z. B. frisches Mahdgut, Heu) wird eine mehr oder weniger geschlossene Streuauflage erzeugt, die für Samen und vegetative Pflanzenteile als Schutzstelle wirkt und Keimung und Etablierung erleichtert. Auch die Einwanderung von Arten aus der Umgebung wird gefördert, da die Auflage als Samenfänger wirkt. Die Mulchdecke beschattet den Boden, dient als Verdunstungsschutz und mildert Temperaturschwankungen, was besonders bei dunklen Oberflächen (z. B. Abraum aus Steinkohleoder Braunkohleabbau) eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Etablierung ist. Während der Zersetzung der Mulchauflage wird eine geringe Menge an Nährstoffen freigesetzt, was bei nährstoffarmen Rohböden die Etablierung zusätzlich erleichtert. Zusammen mit dem Mulchmaterial werden Mikroorganismen und Kleintiere (z. B. Engelhardt 2000; Kirmer et al. 2001; Snazell & Clarke 2000; Wagner 2004; Kiehl & Wagner 2006) übertragen, die den organischen Stoffkreislauf und die Entwicklung des Bodenlebens fördern.

Foto 3.1 Durch Mahdgutauftrag geschützte Fläche und fortschreitende Erosion auf den unbehandelten Nachbarflächen einer Böschung im ehemaligen Tagebau Mücheln; drei Jahre nach dem Mahdgutauftrag. (Foto: A. Kirmer, 2002)

Die Mulchauflage reduziert die Aufprallenergie von Regentropfen und gewährleistet dadurch bereits vor der Etablierung von Pflanzen einen effektiven Schutz vor Erosion (Foto 3.1). Die sich auf besiedlungsfähigem Substrat rasch entwickelnde Vegetation tritt an die Stelle der innerhalb weniger Jahre abgebauten Streu und übernimmt den Erosionsschutz. Auch wenn die Vegetationsbedeckung auf extremen Standorten nicht 100 % erreicht, ist der Erosionsschutz durch die Ausbildung eines ausgedehnten Wurzelsystems gewährleistet. Stolle (2000) be-

Naturnahe Methoden: ein Überblick

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schreibt, dass bei einer oberirdischen Deckung von 30 % die oberen Bodenschichten bereits vollständig durchwurzelt sind, wenn in der Vegetation verschiedene morphologische Typen vorhanden sind (Tief- und Flachwurzler, Intensiv- und Extensivwurzler; s. Foto 3.2).

Foto 3.2 Unterschiedliche Bewurzelung von Pflanzenarten auf Versuchsflächen im Tagebau Profen. (Foto: M. Stolle, 2005)

Diasporenreiches Mahdgut und Heumulch erfüllen höchste naturschutzfachliche Ansprüche nach lokaler Herkunft, wenn das Material in der unmittelbaren Umgebung gewonnen wird. Zudem werden regionaltypische Artenkombinationen übertragen. Deshalb sind diese Methoden für die Renaturierung von naturschutzfachlich wertvollen Pflanzengesellschaften ideal geeignet. Verschiedene Autoren beschreiben dieses Vorgehen bei der Renaturierung von Frischwiesen (z. B. Biewer & Poschlod 1997), Glatthaferwiesen (z. B. Bosshard 2000), Heiden (z. B. Woike 1985, Behlert 1993, Pywell et al. 1995; Blumrich & Wiegleb 1998), Kalkmagerrasen (z. B. Tränkle 1997a; Pfadenhauer & Miller 2000; Kiehl & Wagner 2006), Niedermoorwiesen (z. B. Patzelt 1998; Schächtele & Kiehl 2005; Rasran et al. 2006) und Sandtrockenrasen (Bank et al. 2002; Kirmer 2004a). Eine weitere Variante ist der Auftrag von ausgedroschenem, grob gereinigtem Mahdgut (= Heudrusch®, Engelhardt 2000). Wenn es die Standortverhältnisse erfordern (Steil- und Trockenlagen) ist eine zusätzliche Mulchabdeckung der Heudruschsaat oder der Zusatz von Ammengräsern (z. B. Getreide) empfehlenswert. Beim Heudrusch®-Verfahren können die Samen mehrerer Mahdzeitpunkte gemeinsam aufgebracht und somit die Zahl der übertragenen Arten erhöht werden. Da nach dem Dreschen wesentlich weniger Biomasse bewegt werden muss, ist das Verfahren besonders bei steilen Flächen, vielen kleinen Spenderflächen, längeren Lagerungszeiten und/oder schwieriger Baustellenabwicklung kostengünstiger und/oder für Planer und Bauleiter einfacher zu handhaben. Zudem sind bei überbetrieblichen Kooperationen (z. B. ARGE, Subunternehmerketten), die Schnittstellen der Bauabwicklung klar und einfach zu definieren. Das Heudrusch®-Verfahren erfüllt damit die Anforderungen der Praktiker an ein „baustellenkompatibles“ Verfahren. Vorgehensweise, Herkunft- und Qualitätssicherung sind Bestandteil des Verfahrens und werden stets den aktuellen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen angepasst. Das Heudrusch®-Verfahren ist markenrechtlich geschützt. Bezugsquellen sind unter www.heudrusch.de zu finden. Die Einsatzmöglichkeiten von samenreichem Mahdgut, Heumulch oder Heudrusch® werden vor allem vom Vorhandensein geeigneter Spenderflächen bestimmt. Sind diese nicht in ausreichendem Maße verfügbar, kann geeignetes Mulchmaterial mit Saatgut der Zielarten angereichert werden. In Form von Mulchdecksaaten werden Ansaaten von gebietseigenem Saatgut

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Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

mit samenarmen Mulchauflagen kombiniert. Die Qualität der Mulchmaterialien, insbesondere das Kohlenstoff/Stickstoff (C/N)-Verhältnis, spielt dabei für die Pflanzenentwicklung eine entscheidende Rolle (Stolle 1998a). Strukturreiches, langhalmiges Material mit einem engen C/N-Verhältnis (z. B. krautreicher Wiesenschnitt) ist stets günstiger zu beurteilen als beispielsweise Stroh, da beim Abbau des Strohs ein Teil der auf Rohböden in der Regel knappen Stickstoff-Ressourcen verbraucht wird und nicht der sich entwickelnden Vegetation zur Verfügung steht (Stolle 1998a). Bei der Verwendung von Strohauflagen auf nährstoffarmen Rohböden wird daher die Zugabe einer geringen Menge organischen Düngers empfohlen, um eine optimale Vegetationsentwicklung zu ermöglichen. Bei allen Einsaaten ist zu beachten, dass auch Arten trockener Standorte für eine erfolgreiche Keimung lange Perioden gleichmäßiger Feuchte benötigen. Unter natürlichen Bedingungen sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn die Samen nach der Reife zwischen die Streu abgestorbener Pflanzenteile fallen. Auf Rohböden übernimmt eine Mulchauflage diese Funktion. Das Mulchmaterial wird in der Regel unmittelbar nach der Ansaat aufgebracht. Ansaaten zählen bislang zu den am häufigsten angewendeten Methoden bei der Begrünung, wobei meistens Regelsaatgutmischungen mit Nutz- und Zierpflanzensorten eingesetzt werden. Diese Sorten, einschließlich der Rasengräser, unterscheiden sich von den Wildformen durch bestimmte, genetisch fixierte Eigenschaften, die durch Züchtung ausgelesen werden (z. B. Trittfestigkeit, Schnittverträglichkeit). Dabei kann es zum Verlust anderer Eigenschaften kommen, wie z. B. der Anpassungsfähigkeit gegenüber Umwelteinflüssen oder dem Vermögen, in Pflanzengesellschaften mit verschiedenen Arten zu koexistieren. Genau diese Eigenschaften zeichnen Wildpflanzen aus. Während diese den spezifischen Bedingungen einer Region, in der sie natürlich vorkommen, optimal angepasst sind, sollen Kulturformen den Bedingungen einer intensiven Nutzung durch den Menschen in Gärten, auf Sportplätzen oder intensiv gemähten Rasen genügen. Für die Begrünung von Rohböden sind Wildformen zur optimalen Ausführung ingenieurbiologischer Sicherungsmaßnahmen aufgrund ihrer vielfältigen Anpassungen an Nährstoffarmut, Wassermangel oder Hitzestress deshalb besser geeignet (z. B. Stolle 1998a; Hiller & Hacker 2001). Darüber hinaus ist gemäß §41(2)2 BNatSchG das Ausbringen gebietsfremder Pflanzen in der freien Landschaft verboten. Nach §10(2)3 ist zudem die arealgerechte Ausbringung von Sippen auch unterhalb des Artniveaus vorgeschrieben. Davon ausgeschlossen ist lediglich der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft. In FLL (1999) werden verschiedene besondere Begrünungsverfahren beschrieben (Heumulchsaat, Heudruschsaat, Heublumensaat, gesammeltes sowie vermehrtes Ökotypensaatgut, Grünlandboden), die zur Verwendung von standort-, areal- und funktionsgerechtem Saatgut führen sollen. Hiller & Hacker (2001) werfen in diesem Zusammenhang die Frage auf, wie die arealgerechte Ausbringung auch unterhalb des Artniveaus umzusetzen ist. Zur Abgrenzung gebietseigener Herkünfte für Gräser und Kräuter wurden deshalb von Hiller & Hacker (2001) 13 Herkunftsregionen innerhalb Deutschlands festgelegt und charakterisiert, die als Mindeststandard einzufordern sind und für die Saatgut gesammelt, vermehrt und bereitgestellt werden könnte. Wenn organisatorisch umsetzbar, ist trotzdem die Verwendung lokaler Herkünfte (d.h. nahegelegener Vorkommen) zu bevorzugen (z. B. über samenreiches Mahdgut, Heumulch oder Heudrusch®). Welche Arten im konkreten Anwendungsfall in Ansaatmischungen erforderlich sind, hängt wesentlich von der Zielstellung der Begrünung und den lokalen Voraussetzungen (z. B. Klima, Boden und Exposition) ab. Grundsätzlich ist es ökonomisch und ökologisch sinnvoller, die

Naturnahe Methoden: ein Überblick

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Saatmischung dem Standort anzupassen, als aufwändige Bodenverbesserungen durchzuführen, um einen Wunschpflanzenbestand zu etablieren. Das Ziel der Wildpflanzenansaat ist neben dem Schutz vor Erosion die Initiierung naturnaher Pflanzenbestände. In der Regel werden den Mischungen Vegetationsaufnahmen natürlicher oder naturnaher Standorte zugrunde gelegt, die dem zu begrünenden Standort möglichst ähnlich sind. Als Orientierung können auch die Ergebnisse der floristischen Kartierung der Länder herangezogen werden. Die Auswahl der Arten und die Zusammensetzung der Mischungen erfolgt nach folgenden Kriterien: x

Ziel der Begrünung und Nachnutzung (z. B. Böschungssicherung, Erholungsnutzung, Naturschutz, Biotopverbund, Landschaftsbild)

x

Standortverhältnisse der zu begrünenden Fläche

x

Zielvegetation

x

Vorkommen der Arten im Gebiet (mindestens im betroffenen oder auf einem der angrenzenden Messtischblätter der floristischen Kartierung)

x

Entwicklungspotenzial der einzelnen Arten (z. B. Abschätzen der Gefahr der Entwicklung von Dominanzbeständen bei konkurrenzstarken Arten mit guter vegetativer Ausbreitung)

x

artspezifische Vermehrungskoeffizienten (wie viele Samen sind für die Etablierung einer bestimmten Anzahl an Pflanzen unter den jeweiligen Standortbedingungen erforderlich)

x

Verfügbarkeit des Saatgutes (bei ausreichendem Planungsvorlauf können Samen für nicht verfügbare Arten in der Regel produziert werden)

Auf erosionsgefährdeten Standorten müssen weitere Kriterien, wie die Kombination verschiedener Durchwurzelungstypen (s. Foto 3.2), Wuchshöhen und Lebensrhythmen bei der Begrünungsplanung berücksichtigt werden. Gegenwärtig umfasst das Spektrum der in Deutschland produzierten Wildpflanzen ca. 300 Gräser und Kräuter. Dieses Spektrum ermöglicht die Zusammenstellung verhältnismäßig artenreicher Mischungen für die wichtigsten Grünlandbiotope von Magerrasen bis zu Fettwiesen bei verschiedenen Feuchtestufen und Substrattypen. Da die Tausendkorngewichte der einzelnen Arten sehr stark variieren (z. B. Echtes Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea): 0,007 g, Gefleckter Aronstab (Arum maculatum) > 40 g), ist bei der Planung von Saatmischungen die Angabe von Masseprozent der Komponenten für den Nutzer wenig aussagefähig. Sinnvoller ist die Angabe der Samenzahl je Quadratmeter für die einzelnen Arten, da sie ein realistischeres Bild von der Struktur des zu erwartenden Zielpflanzenbestandes vermittelt. Im Anhang 9.1 werden standortangepasste Ansaatmischungen für artenreiche Magerrasen, mesophile Säume sowie trockene Glatthaferwiesen aufgeführt. Für die Zusammenstellung konkreter naturraum- und standorttypischer Saatgutmischungen wird dringend empfohlen, Fachleute zu beauftragen. Auf Rohböden können nicht nur Offenlandbiotope, sondern auch Gehölzstadien effektiv über Ansaaten entwickelt werden. Besonders bekannt ist hierbei die Ansaat mit Birke, deren erfolgreiche Durchführung bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts dokumentiert wurde. Mit den

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Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

großflächigen Pflanzungen von Kiefern- und Fichten-Reinbeständen im 19. Jahrhundert ist diese Methode der Waldentwicklung jedoch lange Zeit in Vergessenheit geraten (Wickel et al. 1998). Erst in der Nachkriegszeit (z. B. Rohmeder 1950) sowie verstärkt in den 80er Jahren in den Rauchschadensgebieten des Erzgebirges (Wickel et al. 1998; Huss 1999) gewannen Birkensaaten wieder an Aktualität. In jüngster Zeit erlangt die sich spontan ansiedelnde HängeBirke (Betula pendula) über die Rohbodenstandorte ehemaliger Abgrabungsflächen hinaus (z. B. Tischew et al. 2004a) auch bei der Wiederbewaldung in Sturmschadensgebieten zunehmende Bedeutung (z. B. Schmidt-Schütz & Huss 1996, 1997; Angst et al. 2000). In den skandinavischen Ländern nimmt das Interesse an Birkensaaten ebenfalls wieder zu, so beispielsweise bei der Begründung von Wäldern auf ehemaligen Ackerstandorten (Karlsson 1996). Birkensaaten werden als Schnee- bzw. Wintersaat durchgeführt. Durch eine Mulchauflage erhöht sich die Anzahl erfolgreich etablierter Individuen. Auf sehr nährstoffarmen, trockenen und sandigen Böden ist die Gemeine Kiefer (Pinus sylvestris) neben der Birke eine charakteristische, pionierwaldbildende Baumart, die ebenfalls über Ansaat etabliert werden kann (Lorenz 2004; Tischew et al. 2004a). Intermediär- und Klimaxbaumarten (z. B. Winterlinde – Tilia cordata, Hainbuche – Carpinus betulus) können auf Rohböden erfolgreich etabliert werden, wenn sie zusammen mit Birkensamen in die Mulchdecke eingesät werden (Beispiel 5.5.3.1). Die anspruchsvolleren Baumarten entwickeln sich unter den deutlich schneller wachsenden Birken, die Schutz vor klimatischen Extrembedingungen bieten. Auch in bereits bestehenden Pionierwäldern kann durch Einsaat von Intermediär- und Klimaxgehölzen (z. B. Stieleiche, Rotbuche, Winterlinde, Hainbuche) die Entwicklung spätsukzessionaler Waldstadien beschleunigt werden (Striese 2004; Tischew et al. 2004a). Eine besondere Form der Gehölzsaat ist die Hähersaat. In Hähersaatkästen bereitgestellte Eicheln werden dabei durch den Eichelhäher aufgenommen und ausgebreitet (Spinn 2004; Striese et al. 2004; Tischew et al. 2004a). Mit dieser Methode kann die Waldentwicklung kostengünstig und naturnah gefördert werden. Da Sträucher in Naturwäldern wichtige ökosystemare Funktionen übernehmen (z. B. Nahrungs- und Brutraum für Vögel), können bei fehlenden Diasporenquellen ebenso gesellschaftstypische Straucharten regionaler Herkunft (z. B. Europäisches Pfaffenhütchen – Euonymus europaea, Roter Hartriegel – Cornus sanguinea) ausgebracht werden (s. Striese 2004; Tischew et al. 2004a). Die Ansaat von Baum- und Straucharten ist in der Regel kostengünstiger als die Durchführung von Pflanzungen. Zudem ermöglichen Ansaaten eine sehr frühe Adaption der Gehölze an die jeweiligen Standortbedingungen. Vor allem auf Rohböden bzw. auf Böden mit initialen Bodengenesestadien spielt dieser Faktor eine bedeutende Rolle, da die Böden für das Wachstum der anspruchsvolleren Intermediär- und Klimaxgehölze vergleichsweise ungünstige Bedingungen bieten. Eine Variante einer ansaatlosen Begrünung ist die Übertragung von Oberboden, wobei die konkrete Umsetzung der Maßnahme (Sodenversetzung oder Sodenschüttung) abhängig von der Zielstellung ist. Die vollständige Versetzung einer Pflanzengesellschaft an einen neuen Ort, mit dem Ziel diese unverändert zu erhalten, wird auch als Habitatverpflanzung (Sodenversetzung) bezeichnet (Bullock 1998). In England werden Habitatverpflanzungen seit 1987 in einer landesweiten Datenbank dokumentiert (www.english-nature.com, Übersichten in Byrne 1990, Anderson 1995, Bullock 1998). Die meisten Habitatverpflanzungen werden mit Sodenstücken durchgeführt, die größer als 0,50 m x 0,50 m sind und eine Tiefe von 0,3 - 0,5 m aufweisen (z. B. Klötzli 1975; Park 1989; Müller 1990; Cullen & Wheater 1993; Ward

Naturnahe Methoden: ein Überblick

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1995; Bruelheide & Flintrop 1999; Bank et al. 2002). Das Einpflanzen erfolgt hierbei flächendeckend mit nur kleinen Randspalten. Wenn das Ziel der Maßnahme die Einleitung einer Vegetationsentwicklung ist, können sowohl kleinere Soden mit geringen Pflanzdichten pro Quadratmeter umgesetzt werden (Wathern & Gilbert 1978; Kearns 1986; Blumrich & Wiegleb 1998; Bauriegel et al. 2000; Kirmer 2004a) als auch der Oberboden in Form einer Sodenschüttung ungeordnet aufgebracht werden. Einige Autoren (z. B. Good et al. 1999; Kirmer 2004a) konnten zeigen, dass auch bei Sodenschüttungen die Zielarten zufriedenstellend übertragen werden können, und dass die Maßnahme wesentlich kostengünstiger ist. Wenn die Spendergesellschaft durch Baumaßnahmen ohnehin vernichtet wird, oder eine schnelle Regeneration nach einem streifenförmigen Abschieben des Oberbodens sicher zu erwarten ist, kann die Sodenschüttung deshalb eine ökonomische Alternative zur Sodenversetzung darstellen. Der Auftrag von Oberboden mittels Sodenschüttung oder Sodenversetzung erzeugt ein Mikrorelief mit keimfähigen Substraten, aktiviert die Diasporenbank des übertragenen Oberbodens (Sodenschüttung) oder schafft Ausbreitungsinseln (Sodenversetzung), verbessert das Mikroklima und beschleunigt auf diese Weise die Vegetationsentwicklung. Da durch die Entnahme des Oberbodens die Spenderpopulation zerstört wird, sollte eine großflächige Entnahme auf durch Bau- oder Sanierungsmaßnahmen beeinträchtigte Standorte beschränkt bleiben. Eine kleinflächige (streifenweise) Entnahme kann auch im Rahmen von Pflegemaßnahmen erfolgen (z. B. Neustart von Sukzession in Trockenrasen, s. Foto 3.3 und 3.4).

Foto 3.3 Streifenweise Entnahme des Oberbodens in einem Sandtrockenrasen im ehemaligen Tagebaugebiet Goitzsche; drei Monate nach der Maßnahme im September 1996. (Foto: A. Kirmer)

Foto 3.4 Regeneration nach Oberbodenentnahme auf einem Sandtrockenrasen im ehemaligen Tagebaugebiet Goitzsche, drei Jahre nach der Maßnahme im Juni 1999. (Foto: A. Kirmer)

Auch der humose Oberboden in Wäldern enthält ein hohes Potenzial an Pflanzen und anderen Organismen, die zumeist aufgrund von fehlenden Fernausbreitungsmechanismen nicht oder nur mit großer zeitlicher Verzögerung auf Renaturierungsflächen gelangen können (z. B. Benkwitz et al. 2002). Die Übertragung von Oberboden aus Laubmischwäldern ist deshalb eine Möglichkeit, Ausbreitungsschranken zu überwinden. Die Wirkung dieser Methode wird auf Kippenflächen des Rheinischen Braunkohlenreviers seit 1984 beobachtet (Wolf 1987, 1998, 2000). Pflanzungen und das Einbringen von unbewurzelten Pflanzenteilen unterscheiden sich von den bisher aufgeführten Methoden dadurch, dass bereits entwickelte Pflanzen oder Pflan-

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Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

zenteile räumlich gezielt in das Substrat vor Ort eingebracht werden. Wie bei den anderen genannten Methoden ist auf eine standortgerechte Artenzusammensetzung und auf gebietseigene Herkünfte zu achten. Bei Arten, die sich vegetativ ausbreiten und z. T. große, einheitliche Bestände bilden (z. B. Schilf), muss die genetische Vielfalt gewährleistet werden, da genetisch einheitliche Bestände kein oder nur ein sehr eingeschränktes Potenzial zur Anpassung an einen Standort haben. Auf Rohböden kann sich dies entscheidend auf den dauerhaften Pflanzerfolg auswirken. Um einen genetisch diversen und anpassungsfähigen Bestand zu erzeugen, empfiehlt sich deshalb die Anzucht des Pflanzmaterials aus Saatgut. Die Anzucht aus Samen ist bei Kenntnis der Keimungsansprüche für die meisten Arten ohne großen Aufwand möglich. Entgegen älterer Vorstellungen gilt dies auch für Röhricht- und Sumpfpflanzenarten (Kircher 1993). Bei Gräsern und Kräutern werden entweder Einzelpflanzen, Teile von Einzelpflanzen oder Verbünde von Einzelpflanzen oder Pflanzenteilen ausgebracht. Die Einzelpflanzen können im juvenilen oder adulten Stadium in unterschiedlichen Größen eingebracht werden. Ein wichtiger Aspekt ist dabei das Ausmaß des dazugehörigen Wurzelballens. Je größer dieser ist, desto besser sind die Anwuchschancen und je tiefer dieser ins Substrat hineingesetzt wird, desto besser ist die Verankerung. Auch die Anzuchtbedingungen wirken entscheidend auf die Entwicklung nach dem Auspflanzen. Die Anzucht sollte im Freiland stattfinden, bei ähnlichen Licht-, pH-, Wasser- und Nährstoffverhältnissen wie sie am Zielort herrschen, damit die Pflanzen gut an den Zielort angepasst sind und kein „Blumentopfeffekt“ zu befürchten ist. Teile von Einzelpflanzen können bei vegetativ vermehrungsfähigen Pflanzen ausgebracht werden, vor allem bei Arten, die sich über unterirdische Ausläufer oder Rhizome ausbreiten. Für Schilf (Phragmites australis) sind besonders viele Varianten der Ausbringung von Pflanzenteilen bekannt: Rhizomstücke, Risslinge, Halm-Stecklinge, Wurzel-Stecklinge, Rhizomballen (Bestmann 1984; Kümmerlin 1993). Analoges ist für andere, ähnlich wachsende Arten möglich. Eine allgemeine Grundregel besagt, dass bei Rhizomen mindestens ein Knoten (besser sind zwei!), bei Wurzelstöcken mindestens fünf Halme und deren Wurzeln, bei Häckselmaterial einige oberirdische Teile mit Wurzeln nötig sind (Zeh 1993). Einzelpflanzen oder Pflanzenteile können auch im Verbund auf organischen Fasermatten als sogenannte Vegetationsmatten kultiviert und ausgepflanzt werden. Es sind verschiedene natürliche Trägermaterialien gebräuchlich (z. B. Jute, Kokosfasern). Als Vegetationsfaschinen werden walzenförmige Gebilde aus Naturfasern bezeichnet, die oberseits bepflanzt sind (Bestmann 1984). Röhrichtwalzen werden demgegenüber vor Ort aus Maschendraht, natürlichen Füllmaterialien und Röhrichtballen aufgebaut (Schlüter 1996). Die beiden letztgenannten Methoden sind nur zur linearen Uferbepflanzung und Ufersicherung geeignet, nicht zur flächigen Bepflanzung. Pflanzungen sind in der Regel aufwendiger und daher kostenintensiver als z. B. Mahdgutübertragungen oder Mulchdecksaaten. Sie bieten aber bei kritischen Standortverhältnissen den Vorteil, dass die Entwicklungsdauer verkürzt wird, und dass die besonders empfindlichen Keimlings- und Juvenilstadien übersprungen werden. Urbanska (1997) empfiehlt in der alpinen Stufe mittels fleckenweiser Anpflanzung, Schutzstellen für die Etablierung von Keimlingen zu schaffen. Das Ausbringen von fertigen Vegetationsmatten ist kostenintensiv und damit nur dann zu empfehlen, wenn ein sofortiger flächendeckender Schutz vor Erosion notwendig ist, z. B. an stark erosionsgefährdeten Ufern (Beispiel 5.9.2.1).

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Übersicht zu Standorttypen, möglichen Zielvegetationstypen und geeigneten Begrünungsmethoden Sabine Tischew, Astrid Grüttner, Anita Kirmer, Sandra Mann, Matthias Stolle, Antje Lorenz

Die Tabelle 4.1 bietet eine Orientierung, welche naturnahen Methoden sich unter welchen standörtlichen Bedingungen am besten eignen, auf Rohböden angepasste Zielgesellschaften ökonomisch effizient zu entwickeln und, bei einem geeigneten Management, auch langfristig zu erhalten. Bei der Auswahl der Methoden wurde den besonderen Anforderungen erosionsgefährdeter Standorte Rechnung getragen und in Text und Legende (s. Tabelle 4.1) auf Einschränkungen beziehungsweise gegebenenfalls notwendige Modifizierungen der Methoden hingewiesen. Nur unter besonderen Rahmenbedingungen empfehlenswerte Methoden sind durch Anmerkungen gekennzeichnet. Für einen Überblick über die an unterschiedlichen Standorten einsetzbaren Methoden mussten im Hinblick auf die Standortparameter starke Vereinfachungen vorgenommen werden. Die möglichen Standorte wurden in vier relativ grobe Gruppen eingeteilt: sandige Substrate, bindige Substrate, Schotter und Torfe. Bei den sandigen und bindigen Substraten erfolgte eine weitere Unterteilung in zwei pH-Wertgruppen und drei Feuchtestufen, wobei selten auftretende Kombinationen ausgeschlossen wurden. Zum Beispiel wurde bei überwiegend sandigen Substraten vorausgesetzt, dass diese aufgrund des geringen Kapillaraufstieges außerhalb des Grundwassereinflussbereiches relativ schnell austrocknen und deshalb entweder als „trocken“, oder anderenfalls unter Grundwassereinfluss als „nass“ kategorisiert werden, auch wenn vielfältige Übergangs- und Sonderstandorte möglich sind. Bei der konkreten Auswahl der Zielgesellschaften müssen vor allem die nassen Standorte nochmals untergliedert werden, da z. B. für die Entwicklung von Feuchtwiesen oder Seggenriedern der genaue Wasserstandsgang entscheidend ist. Auch im Hinblick auf die Zielbiotope/Zielgesellschaften wurden nur die übergeordneten Einheiten aufgeführt. Innerhalb der Feuchtwiesen müssen beispielsweise je nach geographischer Lage und spezifischen Verhältnissen im Wasserhaushalt (wechselfeucht, dauerfeucht etc.) sowie den Substratparametern (Sand-, Tonanteil) nochmals Konkretisierungen vorgenommen werden (z. B. Pfeifengraswiesen, Brenndoldenwiesen). Auch für andere Zielvegetationstypen (z. B. bei den Heiden) sind geographisch-standörtliche oder traditions- und nutzungsbedingte Grenzen zu beachten. In diesem Zusammenhang wird auf die einschlägige pflanzensoziologische Literatur (Oberdorfer 1977 - 1992; Pott 1995; Ellenberg 1996; Schubert et al. 2001) sowie auf die zahlreichen regionalen Arbeiten zur Ausprägung der Pflanzengesellschaften verwiesen. Im Folgenden soll am Beispiel der trockenen Sandstandorte mit pH-Werten > 5 erklärt werden, welche Zielbiotoptypen sich bei welchen Standortbedingungen und Zielstellungen (z. B. Einleitung einer Sukzession, Aufwertung des Landschaftsbildes, Erosionsschutz) am effizientesten entwickeln lassen. Die Auswahl der Zielbiotope/Zielgesellschaften für die Standortgruppen orientiert sich schwerpunktmäßig an den besonderen Bedingungen der Besiedlung von Rohbodenstandorten. Obwohl sich in den meisten Fällen Wälder (z. B. BirkenEichenwälder – Quercetea robori-petraeae) als Schlussgesellschaften einstellen werden, wird

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Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

prinzipiell empfohlen, mit frühen Sukzessionsstadien zu beginnen, um so dem natürlichen Sukzessionsverlauf zu folgen und damit den Besiedlungserfolg zu maximieren. Deshalb ist im ersten Schritt die Etablierung von Trockenrasen sinnvoll, da sie die frühen Sukzessionsstadien in der Besiedlungsfolge auf diesen Rohböden darstellen und am besten an die besonderen Bedingungen dieser Standorte (siehe Kapitel 2.2.) angepasst sind. Nur wenn aufgrund nachvollziehbarer Forderungen (Landschaftsbild, Naherholung) sofort Waldstadien entwickelt werden sollen, wird die Etablierung von Birken-Pionierwäldern empfohlen. Da sich die Hänge-Birke auf trockenen, sandigen Standorten schlecht über Pflanzungen etablieren lässt, ist einer Einsaat der Vorzug zu geben. Aufgrund der Standortbedingungen ist eine dünne Mulchabdeckung unbedingt notwendig, da Keimung und Etablierung der Birkensamen unter trockenen Bedingungen nicht erfolgreich ist (vgl. Kapitel 5.5.1). Auf Rohböden sollte möglichst auf Pflanzungen von Intermediär- und Schlussbaumarten verzichtet werden, da sie auf solchen Standorten, insbesondere wenn diese südexponiert sind, einem hohen Trockenstress unterliegen. Falls dennoch Intermediär- oder Schlussbaumarten gepflanzt werden sollen, kann ein hoher Anwuchserfolg nur durch aufwändige Bewässerungsmaßnahmen in der Anwuchsphase erzielt werden. In die Entscheidung, welche Begrünungsmethode ausgewählt wird, müssen auch ökonomische Kriterien, wie beispielsweise Kosten der Etablierung sowie der Pflege zum Erhalt der Pflanzengesellschaften, einbezogen werden. Als natürliche Übergangsstadien der Besiedlungsfolge auf Sandstandorten können sich beispielsweise auch Heiden entwickeln. Ihre relativ aufwändige aktive Etablierung wird aber für die hier vorgestellten Standorte mit pH-Werten > 5 nicht empfohlen, da ein schneller Abbau der Heidestadien in Richtung der Schlusswaldgesellschaften zu erwarten wäre und ein unverhältnismäßig hoher Pflegeaufwand betrieben werden müsste. Für die Entwicklung von Heideflächen sind deshalb vorrangig sehr nährstoffarme Sandbzw. Torfstandorte mit pH-Werten < 5 geeignet, auf denen eine Einwanderung von Gehölzen nur stark verzögert erfolgt. Letztlich werden in der Planungsphase neben den Standortbedingungen auch Kriterien wie der Erosionsschutz sowie das zukünftige Nutzungsziel über die Auswahl der geeigneten Begrünungsmethode entscheiden (Abbildung 4.1). Bei der Etablierung von Offenlandvegetation wie Wiesen, Heiden oder Magerrasen müssen zukünftige regionale Bewirtschafter in die Planung eingebunden werden, um eine entsprechende Nutzung oder Pflege zu gewährleisten. Bei erosionsgefährdeten Standorten muss die Sicherung der Flächen im Vordergrund stehen. Die konkrete Auswahl der naturraumtypischen Zielgesellschaften sowie deren Arten muss in jeder Begrünungsplanung naturraum- und standortbezogen erfolgen (Abbildung 4.1, Beispiele siehe Anhang 9.1). Zusätzlich sind regionale Experten und Erfahrungen aus bereits erfolgreich umgesetzten, naturnahen Begrünungsverfahren einzubeziehen. Die im Kapitel 5 vorgestellten Beispiele, das Literaturverzeichnis sowie die im Anhang 9.2 aufgeführten Ansprechpartner und Adressen können dazu Hilfestellungen geben und die Kontaktaufnahme unterstützen. Für die flächenkonkrete Planung kann auch die Artenzusammensetzung spontan besiedelter (älterer) Flächen mit ähnlichen Standortverhältnissen Hinweise für die Auswahl geeigneter Arten geben. Das gilt insbesondere für ehemalige Abbaugebiete mit Extremstandorten. Im Entscheidungsprozess muss generell die Verfügbarkeit von gebietseigenem Saat- und Pflanzgut bzw. von Lieferbiotopen für frisches Mahdgut, Heumulch- oder Heudrusch®Verfahren geprüft und gegebenenfalls rechtzeitig eine Vermehrung oder Anzucht eingeleitet werden. Stärkere Aufmerksamkeit sollte vor allem den Lieferbiotopen in der Umgebung ge-

Standorttypen – Zielvegetation – geeignete Methoden

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widmet werden, da sie ein wesentliches Kriterium bei der Bewertung des Entwicklungspotenzials der Fläche darstellen. Sind zum Beispiel Lieferbiotope der Zielgesellschaften in der unmittelbaren Umgebung vorhanden, ist es nicht unbedingt notwendig, dass alle Arten aktiv über eine Begrünungsmaßnahme auf die Flächen eingebracht werden, da mit einer spontanen Einwanderung der Arten zu rechnen ist. In diesem Fall ist es vor allem notwendig, günstige Einwanderungsbedingungen für die Zielarten zu schaffen. In der Regel bedeutet das, eine lückige Vegetationsdecke mit zahlreichen Schutzstellen für die Etablierung neuer Arten zu entwickeln. Andererseits können aber in der unmittelbaren Umgebung vorhandene „Problemarten“ wie invasive Neophyten die Entwicklung der Zielgesellschaft verhindern. Gleiches gilt für einheimische Pioniergehölze mit starker Ausbreitungstendenz, die eine erfolgreiche Entwicklung von Offenlandgesellschaften verzögern oder sogar verhindern können. Diese Arten müssten vor einer Begrünungsmaßnahme mit geeigneten Methoden zurückgedrängt werden. Analyse der Standortbedingungen (Substrat, Relief, Exposition, Wasserhaushalt, Erosionsgefährdung)

Recherchen zum Nutzungsziel und zu Pflegeoptionen (regionale Nutzer und Bewirtschafter)

Kontakt zu regionalen Experten Literaturrecherche zu standort- und naturraumtypischen Zielgesellschaften

Analyse vorhandener Lieferbiotope bzw. Ressourcen an gebietseigenem Saat- und Pflanzgut

Auswahl der geeigneten Begrünungsmethode, ggf. Anzucht oder Vermehrung

Auswahl geeigneter Lieferbiotope bzw. Zusammenstellung von Artenlisten (standortkonkrete Modifizierung von Basismischungen)

Maßnahmenkonkrete Planung der Heumulch- oder Oberbodenübertragung oder alternativ: Festlegen von Mischungsanteilen und Saatgutmengen; Erstellung von Pflanzschemata Abbildung 4.1 Planungsschritte bei naturnahen Begrünungsmaßnahmen.

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Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

Tabelle 4.1 Übersicht über Standorttypen, Zielvegetationstypen und empfohlene Maßnahmen.

Zwergstrauchheiden

Niedermoore

Röhrichte/Großseggenrieder

Feuchtwiesen und -weiden und deren Säume

Frischwiesen, frische (Mäh-) Weiden und deren Säume

Ruderale Staudenfluren und ruderale Säume

Pionierfluren und Magerrasen auf Kalkstandorten und deren Säume

Pionierfluren und Magerrasen auf Silikatstandorten

Standorttypen

Pionierwälder und Gebüsche

Gehölzstadien

Offenlandstadien

Sandige Substrate pH 3,5 - 5 trocken

1 1

pH 3,5 - 5 nass

pH > 5 trocken

1 1 1 1

1 1

pH > 5 nass

1

Bindige Substrate 1 pH 3,5 - 5 1 wechsel1 trocken pH 3,5 - 5 frisch

1

2 2 2 2 1

pH 3,5 - 5 nass pH > 5 wechseltrocken

1 1 1 1

1

pH > 5 frisch 1 pH > 5 nass

1

Standorttypen – Zielvegetation – geeignete Methoden

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Zwergstrauchheiden

Niedermoore

Röhrichte/Großseggenrieder

Feuchtwiesen und -weiden und deren Säume

Frischwiesen, frische (Mäh-) Weiden und deren Säume

Ruderale Staudenfluren und ruderale Säume

Pionierfluren und Magerrasen auf Kalkstandorten und deren Säume

Pionierfluren und Magerrasen auf Silikatstandorten

Standorttypen

Pionierwälder und Gebüsche

Gehölzstadien

Offenlandstadien

Schotter Silikatschotter (sauer), trocken Kalkschotter (basisch), trocken Torf

1

Torfboden feucht bis nass

1

Frisches, samenreiches Mahdgut, Heumulch und Heudrusch®; (bei Etablierung von Röhrichten und Großseggenriedern, nur an nicht wellenschlaggefährdeten Standorten) – Seite 39 - 91 Übertragung von Oberboden (Sodenschüttung, Sodenversetzung); (in der Regel nur zur Begrünung kleinerer Flächen geeignet, da teilweise starker Eingriff in Spenderfläche) – Seite 92 - 131 Ansaaten mit Saatgut gebietseigener Herkunft mit Mulchauflage (Mulchdecksaaten) – Seite 132 151 Ansaaten mit Saatgut gebietseigener Herkunft ohne Mulchauflage (nur auf nicht erosions- oder wellenschlaggefährdeten Standorten) Pflanzungen, einschließlich Einbringen unbewurzelter Pflanzenteile – Seite 153 - 165

1

Methode nur eingeschränkt empfehlenswert

2

nur sehr nährstoffarme Standorte – z.B. Entwicklung von Borstgrasrasen

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Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

Aufgrund der oben erläuterten Notwendigkeit relativ grobe Standortgruppen zu bilden, müssen vor allem bei Standortübergängen die Artenzusammensetzung bzw. die Auswahl der Lieferbiotope modifiziert werden. Ein Beispiel aus der Renaturierungspraxis in Bergbaufolgelandschaften soll das verdeutlichen: Das Kippsubstrat des zu begrünenden Böschungsstandortes besteht aus einem Gemisch aus überwiegend bindigen Lockersedimenten (Löß, Kohleschluff) und einem geringen Anteil Sand unterschiedlicher geologischer Schichten. Der pHWert beträgt 5,5. Durch die Böschungslage ist vor allem in der initialen Besiedlungsphase im Sommer zeitweise mit Trockenstress zu rechnen, die Wasserversorgung wird sich aber insgesamt recht ausgeglichen gestalten. In der Initialphase der Besiedlung werden unter diesen Standortbedingungen Magerrasenarten bessere Etablierungsraten aufweisen als die Frischwiesenarten. Nachdem sich dann eine Vegetationsdecke entwickelt hat, werden Arten der Frischwiesen konkurrenzstärker. Deshalb ist hier der Einsatz einer Mischung aus Magerrasen- und Frischwiesenarten, wie sie beispielsweise in trockenen Ausprägungen der Glatthaferwiesen vorgefunden werden, sinnvoll. Eine Heumulchübertragung aus entsprechenden Lieferbiotopen stellt eine sinnvolle Form der Begrünung dieses Standortes dar. Alternativ kann auch eine Saatmischung aus Magerrasen- und Frischwiesenarten zusammengestellt werden (standortangepasste Mischung vgl. Anhang 9.1.2 und 9.1.3). Aufgrund der Böschungslage würde eine dünne Mulchschicht (Mulchdecksaat) zum anfänglichen Schutz vor Erosion und zur Verminderung des Trockenstresses während der Etablierungsphase beitragen. Für naturraumkonkrete Planungen sind in Kapitel 5 praktische Erfahrungen zusammengefasst, die eine erfolgreiche Anwendung der naturnahen Begrünungsmethoden befördern sollen. Im Folgenden werden die in Tabelle 4.1 aufgeführten Zielgesellschaften kurz charakterisiert (nach Schubert et al. 2001) und standortbezogen die Herstellungsmöglichkeiten dieser Gesellschaften dargestellt: Bei den grundwasser- und überschwemmungsfreien Pionierfluren und Magerrasen werden zwei standörtliche Gruppen unterschieden: die Pionierfluren und Magerrasen auf Silikatstandorten und die Pionierfluren und Magerrasen auf Kalk. Magerrasen auf „mittleren Böden“ (lehmige Braunerden) gibt es im Tiefland kaum, da diese Böden intensiv genutzt werden (Ellenberg 1996). In der weiteren Untergliederung der Klassen spiegeln sich klimatische und standortkundliche Verschiedenheiten wider. Die Silikatmagerrasen (Koelerio-Corynephoretea) werden in Silbergrasreiche Pionierrasen (subatlantisch, auf Lockersandböden oder kalkfreien Quarzsandflächen), Schwingel-Mauerpfeffer-Gesellschaften (Relikte kontinentaler Sandtrockenrasen, auf mineralkräftigen Sand- und Grusböden) und Mauerpfefferreiche Pioniergesellschaften (Pioniergesellschaften auf Felsgrus und Felsbändern) gegliedert. Borstgrasrasen sind einschichtige, zumeist artenarme Rasen auf bodensauren und sehr nährstoffarmen, lehmigen bis skelettreichen, sauren Böden. Unterhalb der subalpinen Stufe sind Vorkommen der Borstgrasrasen zumeist auf sehr lange Aushagerungsprozesse zurückzuführen.

Pionierfluren und Magerrasen auf Silikatstandorten lassen sich am stabilsten auf sehr sauren, trockenen und sanddominierten Rohböden etablieren. Hier können als initiales Besiedlungsstadium Silbergraspionierfluren entwickelt werden, die auf den nährstoffärmsten Standorten unter Umständen Dauerstadien bilden. Auf trockenen Sandstandorten mit höheren pH-Werten und einer etwas besseren Nährstoffverfügbarkeit können dagegen auch sofort artenreichere Silikatmagerrasen entwickelt werden, wobei ohne Pflegemaßnahmen

Standorttypen – Zielvegetation – geeignete Methoden

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(Mahd) die im Laufe der Zeit über Samenanflug einwandernden Gehölze (meist HängeBirke oder Gemeine Kiefer) zu einer zunehmenden Verbuschung und schließlich langfristig zum Verschwinden der konkurrenzschwachen Magerrasenarten führen. Als Methoden zur Einleitung einer naturnahen Vegetationsentwicklung kommen auf trockenen, sandigen Substraten (pH > 3,5) und Silikatschottern die Methoden samenreiches Mahdgut, Übertragung von Oberboden in Form einer Sodenschüttung oder Sodenversetzung sowie Mulchdecksaaten mit Saatgut gebietseigener Herkunft in Frage. Aufgrund der Trockenheit der Standorte ist eine Ansaat ohne Mulchauflage nicht empfehlenswert. Auf Substraten mit niedrigen pHWerten (ca. 3,0 - 3,5), auf denen keine Kalkung erfolgen soll, können durch eine punktuelle Versetzung von Vegetationsfragmenten aus Silbergraspionierfluren oder Silikatmagerrasen bessere Ergebnisse erzielt werden als durch andere Methoden. Borstgrasrasen können prinzipiell auf nährstoffarmen, lehmigen bis skelettreichen, sauren Rohböden entwickelt werden (z. B. über samenreiches Mahdgut), wobei dazu bislang Erfahrungen fehlen.

Kalkpionierfluren (Alysso-Sedion) stellen das erste Besiedlungsstadium auf Kalkschottern dar. Mit ihrem tiefreichenden Wurzelsystem können die entsprechenden Arten auch auf noch bewegten Schotterböden siedeln und tragen allmählich zu deren Festlegung bei. Bei den Kalkmagerrasen (Festuco-Brometea) wird die kontinental geprägte Form der SchwingelTrocken- und Halbtrockenrasen auf basenreichen Gesteinsverwitterungsböden mit höheren Feinerdegehalten und starker Wärme- und Feuchtigkeitsamplitude von der submediterran und subozeanisch geprägten Form der Trespen-Trocken- und Halbtrockenrasen auf basenreichen Böden an trockenwarmen Standorten (geringe Winterkälte, hohe Sommertemperaturen) unterschieden. Beide Formen weisen sehr viele gemeinsame Arten auf. Innerhalb der Ordnungen werden „echte“ Trockenrasen und Halbtrockenrasen unterschieden, wobei letztere wiesenähnlich dichte Bestände bilden. Echte Trockenrasen erscheinen dagegen oberirdisch lückig, während ihr Wurzelwerk den Boden flächig durchzieht (Ellenberg 1996).

Pionierfluren und Magerrasen auf Kalk sind die Zielgesellschaften auf trockenen, bindigeren Substraten mit zumeist basischer bis (seltener) schwach saurer Reaktion sowie auf Kalkschottern. Kalkmagerrasen müssen, wenn sie langfristig erhalten werden sollen, regelmäßig einmal jährlich gemäht oder beweidet werden. Bei einer sporadischen Nutzung können saumartige Strukturen entstehen, die vor allem im Übergangsbereich vom Wald zum Offenland oder als Pufferstreifen zwischen Magerrasen und intensiver genutzten Bereichen wichtige ökologische Funktionen übernehmen können. Um eine Vegetationsentwicklung einzuleiten, können samenreiches Mahdgut, Übertragung von Oberboden in Form einer Sodenschüttung oder Sodenversetzung sowie Mulchdecksaaten mit Saatgut gebietseigener Herkunft ausgewählt werden. Ansaaten ohne Mulchauflage sind nur auf bindigeren, nicht erosionsgefährdeten Standorten zu empfehlen.

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Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

Ruderale Staudenfluren und Säume haben gemeinsam, dass zwei- bis mehrjährige krautige Arten oder Gräser dominieren und dass sie in der Regel unbeabsichtigt durch unregelmäßige menschliche Tätigkeit („Störung“) entstehen oder als Saum nur linear in einem schmalen Übergangsbereich ausgebildet sind. Demgemäß benötigen sie keine regelmäßigen Pflegemaßnahmen. Ruderale Staudenfluren sind allerdings nur längerfristig stabil, wenn hin und wieder die Gehölze durch Störungen zurück gedrängt werden. Säume gedeihen als schmale Streifen zwischen Wald und Wiese oder an Weg- und Grabenrändern, in der Regel dort, wo hin und wieder gemäht oder beweidet wird. Gestörte, zum Teil sehr nährstoffreiche, oft flächige Standorte werden durch die ruderalen Beifuß- und Distelgesellschaften (Artemisietea vulgaris) besiedelt. Im wärmebegünstigten Flach- und Hügelland gedeihen xerotherme Distelfluren (Onopordion acanthii), für hocheutrophe Standorte sind die Kletten-Gesellschaften (Arction lappae) typisch. Nährstoffärmere, oft steinige und wasserdurchlässige Böden besiedeln hingegen die MöhrenSteinklee-Gesellschaften (Dauco-Melilotion). Auf feuchten bis frischen, nährstoffreichen, oft beschatteten Standorten wachsen bei gelegentlicher Mahd die Mädesüß-Feuchtwiesensäume (MolinioArrhenatheretea: Filipendulion), bei fehlender oder nur sporadischer Nutzung an Ufern oder Gebüsch-, Wald- oder Wegrändern die nitrophilen Säume (Galio-Urticetea dioicae). An ebenfalls nährstoffreichen, aber trockenen bis wechseltrockenen Standorten bei lehmigen bis tonigen Böden gedeihen ruderale Pionierrasen (Agropyretea repentis), die von einigen wenigen Grasarten dominiert werden.

Die typischen Arten von Ruderalfluren sind sehr ausbreitungsstark, so dass sie sich an geeigneten Standorten in der Regel von selbst ansiedeln und nur bei bestimmten Zielstellungen im Rahmen von Renaturierungsmaßnahmen aktiv angesiedelt werden. Zudem bilden einige dieser Arten (z. B. Land-Reitgras – Calamagrostis epigejos, Kanadische Goldrute – Solidago canadensis) durch Ausläufer rasch wachsende Herden, die einen Bestand dauerhaft dominieren können. Viele der Arten und Gesellschaften sind häufig und weiter in Ausbreitung begriffen, so dass ihnen aus floristischer Sicht ein geringerer Naturschutzwert zukommt. Andererseits sind viele Gesellschaften blütenreich und dadurch sowohl für Insekten als auch für das menschliche Auge attraktiv. Außerdem benötigen sie wenig Pflege. Zur Böschungssicherung sind ruderale Staudenfluren gut geeignet, da Lieferbiotope zumeist verfügbar sind und in den Gesellschaften Arten mit unterschiedlichen Besiedlungsstrategien (z. B. Tief- und Flachwurzler, Rhizomausbreitung) vorkommen. Auf einigen Extremstandorten (z. B. Kalihalden) ist das Land-Reitgras beispielsweise die einzige Art, die in der initialen Phase angesiedelt werden kann. Ruderale Staudenfluren und Säume lassen sich durch samenreiches Mahdgut und Heudrusch® oder durch Ansaaten ansiedeln. Nur an großflächig offenen, trockenen oder nährstoffarmen Standorten ist eine Mulchauflage notwendig.

Bei den Frischwiesen (Arrhenatheretalia) unterscheidet man nach der Höhenlage die planar-kollinen Frischwiesen (Arrhenatherion) und die Gebirgsfettwiesen (Polygono-Trisetion). Zur Erhaltung muss eine regelmäßige Mahd stattfinden: bei mageren Ausprägungen ein- bis zweimal im Jahr, bei fetten hingegen zwei- bis dreimal jährlich. Es handelt sich um mehrschichtig aufgebaute, gräserreiche und, bei guter Ausprägung, auch kräuterreiche Bestände. Die frischen (Mäh-)Weiden (Cynosurion cristati) werden von niedrigwüchsigen, tritt- und weidefesten bzw. auch häufigen Schnitt vertragenden Gräsern und krautigen Rosettenpflanzen dominiert. Auf wechseltrockenen, bindigen Standorten sind oft Übergänge zu den Magerrasen (trockene Frischwiesen) anzutreffen.

Standorttypen – Zielvegetation – geeignete Methoden

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Die Anlage von Wiesen- und Weidenvegetation ist nur sinnvoll, wenn eine künftige, der Gesellschaft entsprechende Nutzung vorgesehen ist, da sonst der typische Charakter innerhalb kurzer Zeit verloren geht. In den Randbereichen können streifenförmig Säume entwickelt werden, indem hier erst spät im Jahr oder nur in einem zweijährigen Turnus eine Mahd erfolgt. Dadurch werden spätblühende Arten gefördert, die wichtige Nahrungsquellen für Wildbienen und Tagfalter darstellen. Neben dem Schnitt oder der Beweidung ist auch eine regelmäßige, angepasste Erhaltungsdüngung einzuplanen. Frischwiesen und weiden können erfolgreich durch samenreiches Mahdgut und Heudrusch® oder durch Ansaaten etabliert werden, wobei auf nicht erosionsgefährdeten Standorten auf eine Mulchauflage zumeist verzichtet werden kann. Auch eine Übertragung von Oberboden ist prinzipiell möglich, in der Regel aber zu aufwändig.

Innerhalb der Feuchtwiesen und -weiden (Molinietalia) werden die nährstoffreichen Feuchtwiesen (Calthion palustris) von den mäßig nährstoffversorgten Rasenschmielen-Wiesen (Deschampsion cespitosae bzw. Cnidion dubii) sowie den Pfeifengras-Streuwiesen (Molinion caeruleae) unterschieden. Feuchtwiesen nährstoffreicherer Standorte können sich sowohl auf kalkarmen bis kalkhaltigen, mineralischen Böden als auch auf entwässerten Torfen entwickeln. Sie benötigen in der Regel für ihre dauerhafte Erhaltung eine zweischürige Nutzung oder eine angepasste Beweidung. Rasenschmielen-Wiesen gedeihen auf tonreichen Standorten, vor allem in den kontinental beeinflussten Stromtälern und zeichnen sich durch starke Grundwasserstandsschwankungen im Jahreslauf aus. Auch die Pfeifengraswiesen wachsen auf wechselfeuchten Standorten. Sie vertragen keine Düngung und sind nur einmal im Jahr, im Spätherbst, zu mähen. Bei einer angepassten Nutzung sind die Feuchtwiesen und -weiden reich an auffällig blühenden Pflanzenarten mit einander abwechselnden Blühaspekten und zeigen eine ausgeprägte Vertikalstruktur.

Feuchtwiesen und -weiden können sowohl durch samenreiches Mahdgut und Heudrusch® als auch durch Ansaaten entwickelt werden, wobei aufgrund des feuchten Bodens in der Regel auf eine Mulchauflage verzichtet werden kann. Auch hier ist die Übertragung von Oberboden möglich, aber meist zu aufwändig. Eine angepasste Pflege ist erforderlich, da sonst der typische Charakter schnell verloren geht.

Röhrichte und Großseggenrieder (Phragmitetea australis) säumen Still- und Fließgewässer oder Moore. Die Wuchsorte sind zumindest einen Teil des Jahres überflutet. Großröhrichte (Phragmition australis) sind hochwüchsig, oft von Schilf oder Rohrkolbenarten dominiert und wachsen an stehenden oder langsam fließenden Gewässern. Sie können nach Störung (Tritt, sehr starker Wellenschlag) von niedrigwüchsigen Kleinröhrichten (Eleocharito-Sagittarion sagittifoliae) ersetzt werden. An Bächen und Gräben gedeihen die oft staudenreichen Bachröhrichte (Glycerio-Sparganion emersis). Großseggenrieder (Caricion elatae bzw. Magnocaricion) werden entweder von hochwüchsigen Seggenarten oder von großen, rasig wachsenden Gräsern (Rohrglanzgras, Sumpf-Reitgras) dominiert. Großseggenrieder sind in der Regel Ersatzgesellschaften von Bruchwäldern. Einige der Gesellschaften ertragen stark ausgeprägte Wasserstandsschwankungen im Jahreslauf. Röhrichte und Großseggenrieder bieten einen natürlichen Uferschutz, da sie mit ihren oberirdischen Sprossen Wellen bremsen und mit ihren Ausläufern und Wurzeln den Boden festhalten. Darüber hinaus leisten sie wesentliche Beiträge zur Gewässerselbstreinigung. Zugleich sind sie ein wichtiger Lebensraum für eine spezialisierte Fauna.

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Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

Röhrichte und Großseggenrieder können prinzipiell mit allen in diesem Buch beschriebenen Methoden angesiedelt werden. Es ist aber zu bedenken, dass gerade die Jungpflanzen der meisten Röhricht- und Großseggenried-Arten besonders empfindlich auf Überflutung einerseits und Austrocknung andererseits reagieren. Eine Ansaat oder eine Etablierung über Mahdgut kann damit nur im unmittelbaren Ufersaum eines Gewässers bzw. an einem quelligen Hang erfolgreich sein. Dort besteht allerdings die Gefahr, dass die Samen durch das Wasser vom Zielort wegtransportiert oder die jungen Pflänzchen entwurzelt oder von Wasservögeln gefressen werden. Wasserstandsschwankungen können dazu führen, dass die Jungpflanzen entweder zu lang anhaltend überflutet werden oder aber vertrocknen. Mit hoher Sicherheit gute Erfolge erzielt man demgegenüber durch Pflanzungen, wobei die Pflanzen bereits über ein umfangreiches Wurzelsystem verfügen sollten. An erosionsgefährdeten Ufern (größere Seen, Fließgewässer) kommen ausschließlich Anpflanzungen in Frage. Über die Methode der Anpflanzung (Einzelpflanzenteile, Einzelpflanzen, Vegetationsmatten, die Notwendigkeit eines vorgelagerten Wellenschutzes) muss im Einzelfall anhand der jeweiligen lokalen Erosionsgefährdung entschieden werden.

Niedermoore (Scheuchzerio-Caricetea) gedeihen dort, wo der Boden dauerhaft von nährstoffarmem Grund-, Quell- oder Sickerwasser durchfeuchtet wird und höchstens oberflächlich abtrocknet. Typischerweise dominieren Kleinseggen; auch andere Riedgrasgewächse, wie z. B. Wollgräser sowie Moose erreichen hohe Deckungen. Kalk-Kleinseggenrieder (Caricion davallianae) und Braunseggensümpfe (Caricion nigrae), die bei fehlendem Kalkeinfluss entstehen, unterscheiden sich in ihrem Arteninventar sehr stark voneinander.

Die entscheidenden Voraussetzungen dafür, dass Niedermoorvegetation erfolgreich angesiedelt werden kann, sind ein entsprechender Wasserhaushalt sowie eine angemessene Wasserqualität. Eine Erhaltungspflege ist dann notwendig, wenn sich aufgrund zu großer Trockenheit Gehölze ansiedeln können oder Nährstoffeinträge kompensiert werden müssen (Mahd und Entfernung des Mahdgutes). Niedermoore werden von hoch spezialisierten Artengemeinschaften besiedelt. Viele der Arten stehen auf den Roten Listen. Dementsprechend sind bei jeder Entnahme (auch von Samen) Artenschutzbestimmungen genau zu beachten. Andererseits kann die erfolgreiche Etablierung von Niedermoorvegetation einen wichtigen Beitrag zum Arten- und Biotopschutz leisten. Eine Ansiedlung von Niedermoorvegetation ist durch den Auftrag von samenreichem Mahdgut sowie von Oberboden möglich. Reine Ansaaten sind insofern unbefriedigend, als dadurch die charakteristischen Moose sowie Kleintiere nicht übertragen werden. Weniger aufwändig als die Oberbodenübertragung ist das Ausrechen von Moosen aus einem typischen Spenderbestand, der dadurch in der Regel nicht nachhaltig geschädigt wird. Zusammen mit den Moosen werden sowohl Pflanzensamen als auch charakteristische Kleintiere übertragen. Das ausgerechte Material muss rasch transportiert werden, um eine Austrocknung zu vermeiden. Zum Schutz vor Erosion an sickerfeuchten Hängen können auch Pflanzungen mit Niedermoorarten (z. B. Wollgräsern) durchgeführt werden.

Standorttypen – Zielvegetation – geeignete Methoden

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Heiden sind typisch für nährstoffarme, bodensaure Standorte. In der Regel ist eine angepasste Nutzung bzw. Pflege zu ihrer dauerhaften Erhaltung notwendig, da sonst Gehölze aufkommen bzw. Nährstoffanreicherung zu einer Vergrasung führt. Subatlantische Ginsterheiden (Genistion pilosae) auf eher trockenen, oft podsolierten Standorten zeichnen sich in der Regel durch das Vorherrschen des Heidekrauts (Calluna vulgaris) aus, während Glockenheide-Feuchtheiden (Ericion tetralicis bzw. Oxycocco-Ericion tetralicis) feuchte, meist torfige Standorte besiedeln und von der namensgebenden Glockenheide dominiert werden. Dünenheiden (Empetrion nigri) siedeln vor allem auf von Wind geprägten Braundünen der Küsten. Beerkrautheiden (Vaccinion vitis-idaeae) kommen dagegen natürlich oberhalb der Waldgrenze oder auf Waldblößen an bodensauren Standorten vor.

Zur Ansiedlung von Zwergstrauchheiden haben sich der Auftrag von samenreichem Mahdgut oder Heudrusch® sowie die Übertragung von Oberboden bewährt. Diese Ergebnisse lassen sich sicherlich auch auf Dünenheiden übertragen. Zur Etablierung von Beerkrautheiden liegen bislang keine Erfahrungen vor. Heiden sollten vorrangig auf sehr nährstoffarmen sandigen bzw. torfigen Rohböden angesiedelt werden. Da viele der sogenannten Lehmheiden (Ellenberg 1996) auf jahrzehntelange Aushagerungsphasen zurückgehen, wird ihre Etablierung auf bindigen Substraten prinzipiell nicht empfohlen.

Gebüsche kommen als Weidengebüsche in periodisch oder episodisch überfluteten Flussauen (Salicetea purpureae) sowie als Sukzessionsstadien auf sumpfigen Standorten in Kontakt zu Röhrichten oder Bruchwäldern und an Seeufern vor (Carici-Salicetea cinereae). Auf trockenen bis frischen Standorten sind Gebüsche als Mantelgesellschaften an den Rändern von Wäldern sowie als Hecken und Gebüsche in der offenen Landschaft zu finden. Dabei sind die Gebüsche bodensauer Standorte (BetuloFranguletea) von denen der nährstoffreichen Standorte (Urtico-Sambucetea) sowie von Gebüschen frischer bis trockener und mäßig nährstoffreicher Standorte (Rhamno-Prunetea spinosae) zu unterscheiden.

Weiden haben sich hervorragend für den Schutz vor Erosion an Böschungen von Seen und Fließgewässern bewährt (z. B. Florineth 2004). Zur Ansiedlung von Weidengebüschen sind vorwiegend Steckhölzer geeignet. Die anderen Gebüscharten können sowohl über Pflanzungen als auch mittels Einsaaten etabliert werden. Dabei ist eine eventuelle Samenruhe bzw. eine notwendige Stratifizierung des Saatgutes zu beachten.

Pionierwälder stellen die initialen Gehölzstadien bei der Entwicklung zu Wäldern dar. Natürlicherweise besiedeln sie beispielsweise Flächen nach Waldbränden, nach großflächigen Rutschungen oder nach Nutzungsaufgabe. Die meisten Pionierbaumarten breiten sich effektiv durch den Wind aus. Typische Pionierbaumarten entlang eines Nährstoffgradienten von sehr armen zu reicheren Standorten sind Gemeine Kiefer (Pinus sylvestris), Hänge-Birke (Betula pendula) und Zitterpappel (Populus tremula). In einigen Fällen sind die Pionierbaumarten auch am Aufbau der Schlusswaldgesellschaften beteiligt (z. B. die Hänge-Birke in bodensauren Birken-Eichenwäldern) oder dominieren sie sogar (Erlenbruchwälder auf dauerhaft nassen Standorten bzw. Kiefern-Steppenwälder auf sehr sauren und trockenen Standorten).

38

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

Die Ansiedlung von Pionierwäldern ist eine naturnahe Methode bei der Begründung von Wäldern. Im Schutz der Pioniergehölze wird die Etablierung von Intermediär- und Schlussbaumarten gefördert. Auf nährstoffarmen sandigen bis leicht bindigen Standorten können die Pionierbaumarten Gemeine Kiefer (Pinus sylvestris) und Hänge-Birke (Betula pendula) sehr gut über Ansaat angesiedelt werden. Dabei kann die Gemeine Kiefer auch sehr trockene, sandige Rohböden mit extrem niedrigen pH-Werten erfolgreich besiedeln. In einer weiten Standortamplitude von trockenen sandigen bis gut mit Wasser versorgten bindigen Rohböden ist die Hänge-Birke sehr gut zur Besiedlung geeignet. Pflanzungen dieser Arten sind oft weniger erfolgreich als Ansaaten. Bei der Begründung von großflächigen Pionierwäldern auf verwehungs- und erosionsgefährdeten Rohböden ist auf jeden Fall eine lückige Mulchabdeckung der Saaten notwendig, die auch eine gleichmäßige Versorgung der trockenheitsempfindlichen Keimlinge mit Wasser unterstützt. Es ist auch möglich, nur durch eine lückige Mulchauflage ohne Samen die Keimung und Entwicklung von Pionierbaumarten wie Hänge-Birke und Gemeine Kiefer zu fördern, wenn in der näheren Umgebung samenproduzierende Bäume dieser Arten vorhanden sind. Auf nicht erosionsgefährdeten, mäßig trockenen, sandigen Standorten sowie auf bindigen Standorten kann auch eine Streifensaat ohne Mulchauflage zur erfolgreichen Etablierung von Birken führen. Auf besser mit Nährstoffen versorgten, frischen, bindigen Substraten und auf nassen Standorten haben sich dagegen Pflanzungen mit Zitterpappeln (Populus tremula) bzw. Schwarzerlen (Alnus glutinosa) bewährt.

5

Praktische Umsetzung der Methoden

Bei der Begrünung von Rohböden, auf denen keine Erosionsgefahr besteht bzw. in gewissem Umfang toleriert werden kann, sollten prioritär frühe Sukzessionsstadien (Pionierfluren) entwickelt werden. Bei der Sicherung erosionsgefährdeter Standorte ist dagegen das Stadium zu wählen, das am effizientesten die Erosion verhindert. Abhängig von den Standortverhältnissen der zu begrünenden Flächen (Substrat, pH-Wert, Bodenfeuchte) ist im ersten Schritt zu prüfen, welche Gesellschaft sich bei verfügbaren Samenquellen spontan auf der Fläche etablieren würde. Die Arten dieser Gesellschaft sind in diesem Fall optimal an den Standort angepasst und die Vegetationsentwicklung wird zügig in Richtung der Zielgesellschaft verlaufen. Im zweiten Schritt erfolgt dann die Auswahl der geeigneten Methode, mit der die gewünschte Zielgesellschaft mit möglichst geringem Aufwand entwickelt werden kann. (vgl. Tab. 4.1) In die endgültige Entscheidung fließen verschiedene Parameter wie Verfügbarkeit, Praktikabilität, Kosten, eventuelle Folgenutzungen und ein möglicher Nachsorgeaufwand (Pflege) ein (vgl. Abbildung 4.1).

5.1 Samenreiches Mahdgut und Heumulch 5.1.1 Hinweise für die Umsetzung Anita Kirmer

Zur Gewinnung von frischem samenreichen Mahdgut oder Heu wird eine geeignete Spenderfläche zu einem Zeitpunkt gemäht, an dem möglichst viele Zielarten fruchten, wobei auch bei späten Mahdterminen in einem geringen Umfang noch Samen von bereits verblühten Arten im Mahdgut vorhanden sind. In der Regel führt ein Mahdtermin zwischen Juli und August zur Übertragung einer breiten Palette von Arten aus der Spenderfläche. Durch eine Mahd im September kann der Grasanteil vermindert werden, da dann die meisten Samen der Gräser bereits ausgefallen sind (Hölzel & Otte 2003). Auf Rohbodenflächen mit extremeren Standortbedingungen ist das Vorhandensein von unerwünschten Arten (z. B. stickstoffliebende Ruderalarten) in der Spenderfläche nur von untergeordneter Bedeutung, da sich nicht an den Standort angepasste Arten ohnehin nicht dauerhaft etablieren können. Zum Beispiel ist es auf nährstoffarmen, trockenen, sauren Sanden ausreichend, wenn die Zielarten in der Spenderfläche einen Deckungsanteil von zwei Drittel an der Gesamtdeckung erreichen (Kirmer 2004a). Bei Planungsunsicherheiten (z. B. Verzögerungen bei der Fertigstellung der zu begrünenden Fläche, ungünstige Witterung) kann das gemähte und getrocknete Material auch eingelagert werden, wobei zu beachten ist, dass bei der Lagerung meist ein Großteil der Samen ausfällt und sich als Feinmaterial auf dem Boden ansammelt. Dieses samenreiche Feinmaterial muss unbedingt mit ausgebracht werden. Wird das Mahdgut im frischen Zustand aufgetragen, passt es sich durch den Trocknungsprozess dem Untergrund an und kann nicht verweht werden. Heu muss dagegen mindestens eine Nacht auf der Fläche liegen bleiben, dann haftet es durch die Aufnahme von Tau und die anschließende Trocknung ebenfalls am Untergrund. Deshalb

40

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

sollte der Auftrag von trockenem Material nicht während Starkwindereignissen durchgeführt werden. Auf geneigten, stark erosionsgefährdeten Flächen sollten 1 - 2 kg Frischgewicht/m² ausgebracht bzw. eine Auflagenhöhe von 5 - 10 cm angestrebt werden. Da das Diasporenpotenzial im Mahdgut in der Regel sehr hoch ist, kann die Auftragsmenge auf ebenen Flächen auf 0,5 1 kg Frischgewicht/m² reduziert werden. Dies entspricht in etwa einer Höhe von 3 - 5 cm. Generell sollte feines Material in dünneren Auflagen ausgebracht werden, da bei dickeren Auflagen Fäulnisprozesse einsetzen können. Bei grobem Material findet dagegen auch in dickeren Auflagen kein Fäulnisprozess statt (Stolle, mündl. 2005). Bei verschiedenen Renaturierungsmaßnahmen wurde in Gewächshausversuchen das keimfähige Samenpotenzial des Mahdgutes pro Quadratmeter bestimmt: x x x x x x x

Mahdgut von artenreichen Sandtrockenrasen ca. 8.000 - 15.000 Samen/m² (1 kg Frischgewicht bzw. 600 g Trockengewicht, Kirmer 2004a) Kalkmagerrasen-Mahdgut: ca. 10.000 Samen/m² (Auftragshöhe 3 - 5 cm, Tränkle 2000) Heide-Mahdgut: ca. 1.000 Samen/m² (nur Heidearten) (1 kg Frischgewicht, Pywell et al. 1995) Mahdgut aus Niedermoorwiesen: ca. 5.000 - 13.000 Samen/m² (Auftragshöhe 5 - 10 cm, Patzelt 1998) Mahdgut aus Pfeifengraswiesen: ca. 2.000 - 12.000 Samen/m² (Rasran et al. 2006), ca. 1.700 2.800 Samen/m² (Biewer & Poschlod 1997) Mahdgut aus Bachkratzdistelwiesen: ca. 5.700 Samen/m² (Biewer & Poschlod 1997) Grünland-Mahdgut: ca. 2.100 - 3.800 Samen/m² (300 g Trockengewicht, Molder 1995)

Sehr hohe Diasporenmengen können die Vegetationsentwicklung behindern (Molder 1995). Vor allem auf besiedlungsfähigem Substrat ist es möglich, dass eine hohe Keimlingsdichte zu einer starken Konkurrenz um Wasser, Nährstoffe und Platz führt. Allerdings kann in der praktischen Anwendung meist nicht von derart hohen Samenmengen ausgegangen werden, da insbesondere bei größeren Begrünungsvorhaben die Samenausbeute oft stark unter der maschinellen Behandlung des Mahdgutes leidet (Engelhardt, mündl. 2006). Auch Schwankungen innerhalb der Bestände oder jahresklimatisch bedingte Schwankungen bei der Samenbildung können zu weit geringeren Samenzahlen führen. Die Baader Konzept Umwelt GmbH hat diesbezüglich ein Verfahren entwickelt (Baader Konzept GmbH 2006), das die Keimfähigkeit von inhomogenen Samengemischen prüft und damit einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung von naturnahen Begrünungsverfahren mittels samenreichen Mahdgutes, Heumulch und Heudrusch® liefert. Der Vorteil der Methode „samenreiches Mahdgut“ liegt darin, dass die Spenderpopulation nicht beeinträchtigt wird, da die Mahd der Standorte entweder der traditionellen Bewirtschaftung der Flächen entspricht (Wiesen) oder zum Erhalt der Standorte als landschaftspflegerische Maßnahme angewendet wird (Trockenrasen, Heiden). Auf großen Flächen kann die Mahd durch Traktoren mit Mähwerk und Ladewagen erfolgen, was die Kosten aufgrund gleichzeitiger Aufnahme des Mahdgutes stark reduziert. Auf kleinflächigen, sehr steilen oder verbuschten Flächen kann mit Freischneidern gearbeitet werden. Das Mahdgut wird anschließend von Hand zusammengeharkt und auf Ladewagen aufgeladen. Bei sofortiger Übertragung ist auch die Aufnahme des Mahdgutes mittels Saugmulchgerät möglich (Marzini 2000a). Das Material kann mit einem Traktor mit Ladewagen oder mit Lastwagen zum Auftragsort transportiert werden. Für das Verladen des Mahdgutes am Auftragsort vom Transportfahrzeug in

Praktische Umsetzung – Samenreiches Mahdgut & Heumulch

41

den Miststreuer wird bei großflächiger Umsetzung die Verwendung eines Lastwagens mit Kran empfohlen. In der Regel kann das Ausstreuen des Mahdgutes mit Miststreuern erfolgen, wobei an steilen Böschungen der Einsatz von Bergmiststreuern empfohlen wird (siehe Kapitel 6). Je nach Standort kann dabei eine Zwillingsbereifung sinnvoll sein. Bei starker Hangneigung (> 1:4) muss senkrecht zum Hang gefahren werden, damit das Fahrzeug nicht kippt. Bei der Ausbringung sollte möglichst keine Technik verwendet werden, die das Mahdgut häckselt (z. B. Mähcontainer), da gehäckseltes Mahdgut sehr dicht auf der Fläche liegt, sich im Vergleich zum ungehäckselten Mahdgut schlecht verzahnt und damit leicht verweht werden kann. Zudem ist beim Einsatz von gehäckseltem Mahdgut durch die dichtere Lagerung mehr Biomasse erforderlich, um einen Schutz vor Erosion zu gewährleisten.

Foto 5.1 Handmahd im Flächennaturdenkmal „Igelsberg“ im September 1999. (Foto: S. Jakob)

Foto 5.2 Maschinelle Mahd im Naturschutzgebiet „Drachenwinkel“, August 2005 (Foto: S. Mann)

Bei niedrigwüchsigen, artenarmen und sehr lückigen Beständen (z. B. Silbergraspionierfluren, Trockenrasen) ist ein Verhältnis von Auftrags- zu Entnahmefläche von 1:4 bis 1:10 notwendig. Höherwüchsige, artenreichere Bestände (z. B. ruderalisierte Trockenrasen, Frischwiesen, Mähwiesen) erzielen wesentlich höhere Ausbeuten an Biomasse; hier kann das Verhältnis Auftragsfläche zu Entnahmefläche zwischen 1:2 und 1:5 liegen (z. B. bei artenreichen Kalkmagerrasen – Kiehl et al. 2006). Stark wüchsige Bestände (z. B. Heiden, Röhrichte, Seggenrieder, Fettwiesen, Feuchtwiesen) können aufgrund ihrer hohen Biomasseproduktion Ausbeuten von 2:1 bis 1:2 ermöglichen (z. B. bei Pfeifengras- und Bachkratzdistel-Wiesen 2:1, aus Biewer & Poschlod 1997). Zusätzlich ist zu beachten, dass bei der Mahd die Menge der Biomasse von der Jahreszeit und der Schnitttiefe abhängig ist. Mit Fortschreiten der Vegetationsperiode verlagert sich der Hauptteil der Biomasse in Richtung Bodenoberfläche. Ende Juli/Anfang August ist in Magerrasen bereits 2/3 der Biomasse in einer Höhe von 5 - 10 cm zu finden (Stolle, mündl. 2005), so dass bei relativ hohem Schnitt nur ein Teil der vorhandenen Biomasse entfernt wird. Mit Freischneidern wird in der Regel eine niedrigere Schnitttiefe und damit eine wesentlich höhere Biomasseausbeute erreicht als mit Balkenmähern (bis zu 10 mal so groß bei Schnitttiefen von ca. 1 cm im Vergleich zu ca. 10 cm – Stolle, mündl. 2005). Bei Balkenmähern kann die Ausbeute durch die Verwendung von scharfen Messern erhöht werden. Der Kostenunterschied zwischen Balkenmäher und Freischneider bzw. Motorsense kann sich durch eine höhere Biomasseausbeute und die damit verbundene kleinere Spenderfläche relativieren und muss demzufolge genau kalkuliert werden.

42

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

5.1.2 Beispiele für Böschungssicherung (Straßenbau) 5.1.2.1 Magerrasen auf Kalk- und Keuperschutt Ansprechpartner

Kornelia Marzini

Kooperationspartner

Straßenbauamt Würzburg

Literatur

Marzini 1999

Allgemeine Angaben Spenderpopulation: versaumter Kalkmagerrasen (Geranio-Peucedanetum cervariae) Verhältnis Auftrag-/Entnahmefläche: ca. 1:1 Gewinnung: Saugmulchgerät Potenziell übertragbare Arten im Mahdgut: 69 (ohne Moose/Flechten) keine boden- oder standortverbessernden Maßnahmen Mahdtermin: 9./10.9 1996 Auftragsmethode: von Hand; Zustand: frisch Auftragshöhe: ca. 1 cm; Struktur: gehäckselt Größe der Gesamtfläche (Mahdgutauftrag): 0,3 ha Beobachtungszeitraum: 1996 bis 1998

Standortparameter Ort: Baden-Württemberg, Gewerbegebiet Ost Würzburg, Straßenböschung Bundesstraße 8 Geographische Region: Maintal Jahresniederschlag: 550 - 600 mm; Jahresmitteltemperatur: 9,1 °C (langjährige Mittel, Klimastation Würzburg) Neigung: 66 %

Exposition: Süd

Höhe: 161 m ü. NN

geologische Herkunft des Substrates: Trias

Substrat: Kalkschutt, Keuperschutt

pH (CaCl2): 7,3

Skelettanteil: 100 %

Nährstoffstatus: oligotroph

Feuchte: trocken

Praktische Umsetzung – Samenreiches Mahdgut & Heumulch

Fläche mit Mahdgutauftrag im ersten Jahr. (Foto: K. Marzini, Mai 1997)

43

Fläche mit Mahdgutauftrag nach 9 Jahren. (Foto: K. Marzini, Mai 2005)

Entwicklungsparameter nach 1 Jahr

nach 2 Jahren

Deckung Krautschicht (gesamt) (%)

10

15

Deckung Krautschicht (Zielarten) (%)

10

15

Deckung Moose/Flechten (%)

0

0

Deckung Streu (%)

k. A.

k. A.

vegetationsfrei (%)

90 %

85 %

Artenzahl Zielarten

48

48

Artenzahl Sonstige

k. A.

k. A.

Übertragungsrate aus Mahdgut gesamt (%)

70

70

Übertragungsrate Zielarten aus Mahdgut (%)

70

70

x

x

keine

keine

x

x

Erosion wenige, flache Rinnen Naturschutzfachliche Kriterien Störzeiger strukturreich

k. A. = keine Angaben

44

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

5.1.2.2 Mesophiles Grünland (Frischwiese/-weide) auf sandigem Lehm bis lehmigem Sand Ansprechpartner

Rolf Johannsen, Manja Landefeld

Kooperationspartner

Förderkreis Landschafts- und Sportplatzbauliche Forschung Gießen e.V.; BENDER Rekultivierungen GmbH & Co. KG; DEGES – Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und Bau GmbH; Bickardt Bau GmbH

Literatur

Johannsen & Landefeld 2006

Allgemeine Angaben Spenderpopulation: räumlich sehr nahes, frisches Grünland mit vielen Arten der Fettweiden, aber auch Magerkeitszeigern; extensive Bewirtschaftung Verhältnis Auftrag-/Entnahmefläche: ca. 1:1 Gewinnung: Mahd mit Scheibenmähwerk, Einstellung mit niedrigster Umdrehungszahl (700 - 800/ min) und ohne weitere Aufbereitung des Mahdgutes, Schwaden von Hand, ballieren, zerkleinern Potenziell übertragbare Arten aus dem Mahdgut: 20 (ohne Moose/Flechten) Bodenverbessernde Maßnahmen: Dünger, Kalk, Alginat, Kleber; Nachdüngung am 27.05.2002 Mahdtermin: 04.07.2001; Auftragstermin: 20.08.2001 Auftragsmethode: Hydrosaat; Zustand: trocken (Heu) Auftragsmenge: ca. 0,2 kg Trockengewicht/m²; Auftragshöhe: ca. 0,2 cm; Struktur: zerkleinert auf 1 - 2 cm Größe der Gesamtfläche (Mahdgutauftrag): 0,2 ha Beobachtungszeitraum: 2001 bis 2005

Standortparameter Ort: Böschungsflächen an einem Regenrückhaltebecken der BAB A71 Erfurt-Schweinfurt, Verkehrseinheit 5315 bei Geschwenda, am nördlichen Dammfuß Geographische Region: Übergangsbereich Ilm-Saale-Ohrdrufer-Platte und Mittlerer Thüringer Wald Jahresniederschlag: 738 mm (langjähriges Mittel, Niederschlagsstation Gräfenroda) Jahresmitteltemperatur 7,3 °C (langjähriges Mittel, Klimastation Martinroda) Neigungen: 25 - 30°

Exposition: West, Ost und Nord

Höhe: 500 m ü. NN

geologische Herkunft des Substrates: Substrat: sandiger Lehm bis lehUnterer Buntsandstein miger Sand

pH: 3,9 - 4,8

Skelettanteil: 25 - 50 %

Feuchte: halbtrocken

Nährstoffstatus: oligotroph

Besonderheiten: Skelettanteil standörtlich variierend und mit der Tiefe stark zunehmend

Praktische Umsetzung – Samenreiches Mahdgut & Heumulch

Versuchsanlage vor Durchführung der Maßnahme. (Foto: M. Landefeld, Juli 2001)

45

Versuchsanlage 4 Jahre nach Mahdgutauftrag. (Foto: M. Landefeld, September 2005)

Entwicklungsparameter nach 1 Jahr

nach 4 Jahren

Deckung Strauchschicht (%)

0

3

Deckung Krautschicht (gesamt) (%)

94

32

Deckung Krautschicht (Zielarten) (%)

94

32

< 0,5

38

Deckung Streu (%)

0

17

vegetationsfrei (%)

6

10

Artenzahl Zielarten aus Mahdgut

6

9

Artenzahl Zielarten aus Kontaktvegetation

13

19

Artenzahl Sonstige

2

2

Übertragungsrate aus Mahdgut gesamt (%)

30

45

Deckung Moose/Flechten (%)

Übertragungsrate Zielarten aus Mahdgut (%) Erosion

30

45

keine

keine

x

x

naturschutzfachliche Parameter strukturarm

46

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

5.1.3 Beispiele für Böschungssicherung (Abbau von Rohstoffen) 5.1.3.1 Magerrasen auf Sand Ansprechpartner

Anita Kirmer

Kooperationspartner

Lausitzer und Mitteldeutsche BergbauVerwaltungsgesellschaft mbH, Bitterfeld

Literatur

Kirmer 2003, 2004a, 2004b

Allgemeine Angaben Spenderpopulation: artenreicher, ruderalisierter Sandtrockenrasen im ehemaligen Tagebaugebiet Goitzsche Verhältnis Auftrag-/Entnahmefläche: ca. 1:4 Gewinnung: Mahd mit Balkenmäher Potenziell übertragbare Arten im Mahdgut: 59 (ohne Moose/Flechten) keine boden- oder standortverbessernden Maßnahmen Mahd- und Auftragstermin: August 1994 Auftragsmethode: von Hand; Zustand: frisch Auftragsmenge: 1 - 2 kg Frischgewicht/m²; Auftragshöhe: 5 - 10 cm; Struktur: lang Größe der Gesamtfläche: 96 m² Beobachtungszeitraum: 1994 bis 2002

Standortparameter Ort: Sachsen-Anhalt, Bitterfeld, ehemaliges Braunkohle-Tagebaugebiet Goitzsche, Restloch Holzweißig-West Geographische Region: Dübener und Dahlener Heide Jahresniederschlag: 530 mm (langjähriges Mittel, Niederschlagsstation Sausedlitz) Jahresmitteltemperatur: 9,0 °C (langjähriges Mittel, Klimastation Leipzig AWST) Neigung: 10°

Exposition: Nord

Höhe: 90 m ü. NN

geologische Herkunft des Substrates: Quartär

Substrat: reiner Sand

pH (KCl): 4,4

Skelettanteil: ca. 30 %

Nährstoffstatus: oligotroph

Feuchte: sehr trocken

Praktische Umsetzung – Samenreiches Mahdgut & Heumulch

Fläche mit Mahdgutauftrag nach 1 Jahr. (Foto: A. Kirmer, Mai 1995)

47

Fläche mit Mahdgutauftrag nach 8 Jahren. (Foto: A. Kirmer, August 2002)

Entwicklungsparameter nach 1 Jahr

nach 8 Jahren

nach 7 Jahren

Mahdgut

Kontrolle

Mahdgut

Kontrolle

0

0

12,0

0

Deckung Krautschicht (gesamt) (%)

13,4

2,2

36,0

24,6

Deckung Krautschicht (Zielarten) (%)

11,7

1,5

30,5

24,4

Deckung Strauchschicht (%)

Deckung Moose/Flechten (%)

0

0

77,4

19,8

Deckung Streu (%)

58,8

0

8,4

3,0

vegetationsfrei (%)

4,1

97,8

2,4

30,0

Artenzahl Zielarten

14

5

16

7

Artenzahl Sonstige

24

15

22

7

Übertragungsrate aus Mahdgut gesamt (%)

51

--

51

--

Übertragungsrate Zielarten aus Mahdgut (%)

74

--

84

--

keine

keine

keine

keine

vereinzelt

vereinzelt

vereinzelt

vereinzelt

x

x

x

x

Erosion Naturschutzfachliche Kriterien Störzeiger strukturreich

48

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

5.1.3.2 Magerrasen auf sandig-tonigem Schluff Ansprechpartner

Anita Kirmer

Kooperationspartner

Lausitzer und Mitteldeutsche BergbauVerwaltungsgesellschaft mbH, Bitterfeld

Literatur

Kirmer 2004b

Versuchsparameter Spenderpopulation: Halbtrockenrasen im Flächennaturdenkmal (FND) Igelsberg, Saalehang östlich Weißenfels Verhältnis Auftrag-/Entnahmefläche: ca. 1:4 Gewinnung: Mahd mit Freischneidern, Schwaden und Aufladen von Hand Potenziell übertragbare Arten im Mahdgut: 83 (ohne Moose/Flechten) keine boden- oder standortverbessernden Maßnahmen Mahdtermin: 16.08.1999; Auftragstermin: 17.08.1999 Auftragsmethode: von Hand; Zustand: frisch Auftragsmenge: 1 - 2 kg Frischgewicht/m²; Auftragshöhe: 5 - 10 cm; Struktur: lang Größe der Gesamtfläche: ca. 0,1 ha Beobachtungszeitraum: 1999 bis 2005

Standortparameter Ort: Sachsen-Anhalt, westlich Merseburg, ehemaliger Braunkohle-Tagebau Mücheln/Geiseltal, Innenkippe Geographische Region: Querfurter Platte Jahresniederschlag: 519 mm (langjähriges Mittel, Niederschlagsstation Mücheln/Geiseltal) Jahresmitteltemperatur: 8,8 °C (langjähriges Mittel, Klimastation Bad Lauchstedt) Neigung: 15°

Exposition: Süd

Höhe: 95 m ü. NN

geologische Herkunft des Substrates: Substrat: sandig-toniger Schluff Tertiär

pH (CaCl2): 5,5

Skelettanteil: 30 - 50 %

Feuchte: trocken

Nährstoffstatus: oligotroph

Besonderheiten: 0,8 Masseprozent Schwefelgehalt (Elementaranalyse), 5 - 15 Masseprozent Kohlegehalt

Praktische Umsetzung – Samenreiches Mahdgut & Heumulch

Fläche mit Mahdgutauftrag nach 2 Jahren. (Foto: A. Kirmer, Juli 2001)

49

Fläche mit Mahdgutauftrag nach 5 Jahren. (Foto: A. Kirmer, Juli 2004)

Entwicklungsparameter nach 1 Jahr Deckung Strauchschicht (%) Deckung Krautschicht (gesamt) (%)

nach 6 Jahren

Mahdgut

Kontrolle

Mahdgut

Kontrolle

0

0

1

0

5,4

0,2

20

0,9

Deckung Krautschicht (Zielarten) (%)

2,2

0

19,6

0

Deckung Moose/Flechten (%)

0,1

0

1,5

0

Deckung Streu (%)

75

0

9,5

0

vegetationsfrei (%)

20

99,8

80

99,1

Artenzahl Zielarten

14

0

22

0

Artenzahl Sonstige

51

5

27

6

Übertragungsrate aus Mahdgut gesamt (%)

42

--

37

--

Übertragungsrate Zielarten aus Mahdgut (%)

35

--

55

--

Erosion keine

x

viele, tiefe Rinnen

x x

x

Naturschutzfachliche Kriterien Störzeiger strukturreich strukturarm

vereinzelt

--

x

vereinzelt

--

x x

x

50

Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

5.1.3.3 Magerrasen auf karbonatreichen, kiesigen Lehmsanden Ansprechpartner

Sandra Mann

Kooperationspartner

Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG)

Literatur

--

Versuchsparameter Spenderpopulation: Halbtrockenrasen im Flächennaturdenkmal (FND) Igelsberg, Saalehang östlich Weißenfels* Verhältnis Auftrag-/Entnahmefläche: ca. 1:4 Gewinnung: Mahd mit Freischneidern, Schwaden und Aufladen von Hand Potenziell übertragbare Arten im Mahdgut: 83 (ohne Moose/Flechten) keine boden- oder standortverbessernden Maßnahmen Mahdtermin: September 2003; Auftragstermin: September 2003 Auftragsmethode: Miststreuer Auftragsmenge: 1 - 2 kg Frischgewicht/m²; Auftragshöhe 5 - 10 cm; Struktur: lang Größe der Gesamtfläche: ca. 0,5 ha Beobachtungszeitraum: 2004 bis 2005

Standortparameter Ort: Sachsen, westlich Borna, Braunkohle-Tagebau Schleenhain, Innenkippe Geographische Region: Leipziger Tiefebene Jahresniederschlag: 564 mm (langjähriges Mittel, Niederschlagsstation Zeitz) Jahresmitteltemperatur: 9,0 °C (langjähriges Mittel, Klimastation Leipzig AWST) Neigung: < 10°

Exposition: Südwest

Höhe: 123,5 - 138,0 m ü. NN

geologische Herkunft des Substrates: Quartär

Substrat: kiesführender Kipp-Kalksandlehm, im Wechsel mit kies- und kalkführendem Kipp-Lehmsand

pH (CaCl2): 6,3 - 6,9

Skelettanteil: ca. 15 %

Nährstoffstatus: mesotroph

Feuchte: frisch bis wechseltrocken

* Ziel war die schnelle Begrünung der Böschung für einen sofortigen und dauerhaften Schutz vor Erosion. Trotz der relativ guten Nährstoffversorgung auf der Fläche wurde aufgrund der starken Neigung und der hohen Sonneneinstrahlung Material aus Halbtrockenrasen ausgebracht.

Praktische Umsetzung – Samenreiches Mahdgut & Heumulch

Fläche mit Mahdgutauftrag nach einem Jahr: fertile Bestände von Sichel-Schneckenklee (Medicago falcata) und Wirbeldost (Clinopodium vulgare). (Foto: S. Mann, September 2004)

51

Fläche mit Mahdgutauftrag nach zwei Jahren: dichte, blühende Bestände der Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea). (Foto: S. Mann, August 2005)

Entwicklungsparameter nach 1 Jahr

nach 2 Jahren

Deckung Strauchschicht (%)

0

0

Deckung Krautschicht (gesamt) (%)

47

87,5

Deckung Krautschicht (Zielarten) (%)

46

126

Deckung Moose/Flechten (%)

0

11,25

Deckung Streu (%)

35

30

vegetationsfrei (%)

40

5,5

Artenzahl Zielarten

29

30

Artenzahl Sonstige

50

58

Übertragungsrate aus Mahdgut gesamt (%)

47

48

Übertragungsrate Zielarten aus Mahdgut (%)

52

54

keine*

keine*

vereinzelt

vereinzelt

x

x

Erosion Naturschutzfachliche Kriterien Störzeiger strukturreich *

Im Jahr 2004 flossen aufgrund von Starkregenereignissen große Mengen an Oberflächenwasser von einem darüber gelegenen Plateau ab, so dass sich eine große Erosionsrinne bildete. Nach Verlängerung eines Grabens, der die Wassermengen abfing, konnte bereits 2005 ein starker Bewuchs der Rinne festgestellt werden. Es trat keine weitere Erosion auf.

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Handbuch naturnahe Begrünung von Rohböden

5.1.3.4 Magerrasen auf Kalkrohboden (I) Ansprechpartner

Ulrich Tränkle

Kooperationspartner

Märker Kalk

Literatur

Tränkle & Poschlod 1994; Tränkle 1997a, 1997b; Tränkle & Beißwenger 1999; Tränkle & Böcker 2001

Allgemeine Angaben Spenderpopulation: aufgelassene Kalkmagerrasen in mäßiger bis stärkerer Sukzession, teils leicht ruderalisiert; vier Spenderflächen Verhältnis Auftrag-/Entnahmefläche: ca. 1:5 Gewinnung: Mahd mit Kreiselmäher, sofortiges Schwaden und Aufnahme mit Ladewagen (33 m³) Potenziell übertragbare Arten im Mahdgut: ca. 100 (ohne Moose/Flechten) Maßnahmen zur Verbesserung des Standortes: Einebnung des Kalksiebschuttes mit Raupen Mahdtermin: 11. bis 22.07.1999; Auftragstermin: am jeweiligen Mahdtag Auftragsmethode: Ladewagen mit Dosierwalze, zusätzliche Verteilung von Hand; Zustand: frisch Auftragshöhe: ca. 5 - 10 cm; Struktur: lang Größe der Gesamtfläche (Mahdgutauftrag): 0,1 ha Beobachtungszeitraum: 1999 bis 2005

Standortparameter Ort: Baden-Württemberg, Landkreis Alb-Donau-Kreis, Blaustein, Kalksteinbruch Herrlingen Geographische Region: Schwäbische Alb Jahresniederschlag: 751 mm; Jahresmitteltemperatur: 7,9 °C (langjährige Mittel, Klimastation Ulm) Neigung: 25 - 40°

Exposition: West bis Westsüdwest

Höhe: 522 m ü. NN

geologische Herkunft des Substrates: Weißer Jura

Substrat: Kalkrohboden

pH (CaCl2): 8,0 - 8,5

Skelettanteil: 50 - 100 %

Nährstoffstatus: oligotroph

Feuchte: trocken

Praktische Umsetzung – Samenreiches Mahdgut & Heumulch

Fläche mit Mahdgutauftrag nach 4 Jahren, Zustand nach Beweidung. (Foto: U. Tränkle, Juni 2003)

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Fläche mit Mahdgutauftrag nach 6 Jahren. (Foto: U. Tränkle, Oktober 2005)

Entwicklungsparameter nach 1 Jahr

nach 6 Jahren

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