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Manfred Piwinger | Ansgar Zerfaß (Hrsg.) Handbuch Unternehmenskommunikation
Manfred Piwinger | Ansgar Zerfaß (Hrsg.)
Handbuch Unternehmenskommunikation
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage März 2007 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Maria Akhavan Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt am Main Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-409-14344-8
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................................................... 1
Einführung Ansgar Zerfaß, Manfred Piwinger Kommunikation als Werttreiber und Erfolgsfaktor ................................................................. 5
Erster Teil: Grundlagen der Unternehmenskommunikation Unternehmensführung in der Mediengesellschaft Ansgar Zerfaß Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement: Grundlagen, Wertschöpfung, Integration ...............................................................................21 Matthias Karmasin Stakeholder-Management als Grundlage der Unternehmenskommunikation ........................71 Bertram Scheufele Kommunikation und Medien: Grundbegriffe, Theorien und Konzepte .................................89 Anna Maria Theis-Berglmair Meinungsbildung in der Mediengesellschaft: Grundlagen und Akteure öffentlicher Kommunikation ................................................................................................123 Axel Zitzmann, Thorsten Fischer Informations- und Publizitätspflichten von Unternehmen ...................................................137 Georg Franck Jenseits von Geld und Information – Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit..........................159
VI
Inhaltsverzeichnis
Aspekte des Kommunikationsmanagements Christoph Hubig, Oliver Siemoneit Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Unternehmenskommunikation ............................... 171 Margit Osterloh, Antoinette Weibel Vertrauensmanagement in Unternehmen: Grundlagen und Fallbeispiele ............................ 189 Helmut Ebert, Manfred Piwinger Impression Management: Die Notwendigkeit der Selbstdarstellung................................... 205 Eugen Buß Image und Reputation – Werttreiber für das Management .................................................. 227 Klaus-Peter Konerding, Helmut Ebert Organisationskultur und Verhaltensstile von Unternehmen: Einflussgrößen für die Kommunikationsstrategie .............................................................................................. 245 Cornelius Muth, Dirk Immetsberger Das Unternehmen als Marke ............................................................................................... 265
Zweiter Teil: Wertschöpfungsstufen der Kommunikation Analyse von Umfeld und Meinungsbildung Peter M. Wiedemann, Klaus Peter Ries Issues Management und Issues Monitoring......................................................................... 285 Michael Kuhn, Frank Ruff Corporate Foresight und strategisches Issues Management: Methoden zur Identifikation der Trends und Themen von morgen............................................................. 303 Klaus-Peter Wiedmann, Charles J. Fombrun, Cees B. M. van Riel Reputationsanalyse mit dem Reputation Quotient............................................................... 321 Ingwer Borg Mitarbeiterbefragungen als Führungsinstrument................................................................. 339
Zieldefinition und Planung der Kommunikation Günter Bentele, Howard Nothhaft Konzeption von Kommunikationsprogrammen................................................................... 357 Ulrike Röttger Kampagnen planen und steuern: Inszenierungsstrategien in der Öffentlichkeit .................. 381
Inhaltsverzeichnis
VII
Umsetzung und Kommunikationsmittel Norbert Schulz-Bruhdoel Pressearbeit: Gute Geschäfte auf Gegenseitigkeit................................................................399 Hermann Orgeldinger Radio und TV in der Unternehmenskommunikation ...........................................................419 Vazrik Bazil Redemanagement: Worte schaffen Werte.............................................................................429 Kurt Weichler Corporate Publishing: Publikationen für Kunden und Multiplikatoren................................441 Manfred Piwinger Geschäftsberichte als Mittel der Information und Beziehungspflege...................................453 Klaus Viedebantt Die Mitarbeiter-Zeitschrift als Führungsinstrument.............................................................465 Dieter Herbst Eventkommunikation: Strategische Botschaften erlebbar machen ......................................477 Klaus Schmidt Design als strategischer Erfolgsfaktor und Dimension von Identität ...................................487 Thomas Mickeleit Das Intranet der dritten Generation......................................................................................499 Thomas Pleil, Ansgar Zerfaß Internet und Social Software in der Unternehmenskommunikation.....................................511
Wertbestimmung und Evaluation Viktor Porák, Christian Fieseler, Christian Hoffmann Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation...........................................................535 Klaus Merten Umfragen als Instrument der Unternehmenskommunikation ..............................................557 Lothar Rolke Kennzahlen für die Unternehmenskommunikation..............................................................575 Hans-Werner Bierhoff Wahrnehmung als Kommunikationsergebnis.......................................................................587 Karl-Heinz Maul Der Jahresabschluss als Medium der Information und Kommunikation..............................599
VIII
Inhaltsverzeichnis
Markus Will, Kay Alwert, Mart Kivikas Wissensbilanzierung – Strategische Kommunikationsprozesse bewerten und steuern........ 615 T. Flemming Ruud, Jan Pfister Kostenerfassung der Unternehmenskommunikation ........................................................... 631
Bereitstellung von Organisation und Kompetenz Ralf Reichwald, Jutta Hensel Kommunikation als Teil der Führungsaufgabe.................................................................... 649 Manfred Bruhn, Mareike Ahlers Organisation der Kommunikationsfunktion: Teamarbeit als Erfolgsfaktor ......................... 661 Oliver Klein Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen: Auswahl, Briefing, Kosten, Erfolgskontrolle...................................................................................................... 677 Joachim Klewes, Sabrina van der Pütten Personalmanagement und Unternehmenskommunikation: Kompetenzen für Kommunikationsmanager.................................................................................................... 691 Helmut Ebert, Manfred Piwinger, Katrin Henneke Androgyne Kommunikationskompetenz: Kommunikation in der Geschlechterrolle .......... 703
Dritter Teil: Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation Strategien für zentrale Bezugsgruppen Klaus Rainer Kirchhoff, Manfred Piwinger Kommunikation mit Kapitalgebern: Grundlagen der Investor Relations ............................ 723 Peter Szyszka Kommunikation mit dem Kunden: Marken-PR und Produkt-PR als Instrumente der Marktkommunikation........................................................................... 741 Claudia Mast Interne Unternehmenskommunikation: Der Dialog mit Mitarbeitern und Führungskräften............................................................................................................ 757 Susanne Fengler, Stephan Ruß-Mohl Unternehmenskommunikation und Journalismus – ökonomische Analyse einer ungleichen Partnerschaft............................................................................................. 777
Inhaltsverzeichnis
IX
Marco Althaus Public Affairs und Lobbying................................................................................................797
Konzepte für besondere Kommunikationssituationen Jörg Pfannenberg Veränderungskommunikation: Unterstützung von Change-Prozessen.................................819 Karl Nessmann Personality-Kommunikation: Die Führungskraft als Imageträger .......................................833 Ansgar Zerfaß, Simone Huck Innovationskommunikation: Neue Produkte, Technologien und Ideen erfolgreich positionieren ......................................................................................................847 Andreas Georg Scherer, Dorothée Baumann Corporate Citizenship: Herausforderung für die Unternehmenskommunikation .................859 Peter Höbel Kommunikation in Krisen – Krisen in der Kommunikation? ..............................................875 Simone Huck Internationale Unternehmenskommunikation ......................................................................891
Die Herausgeber.................................................................................................................905 Die Autoren.........................................................................................................................907 Stichwortverzeichnis ..........................................................................................................921
Vorwort
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Vorwort
Unternehmensführung ist heute mehr denn je auf professionelle Kommunikation angewiesen. In der global vernetzten Informationsgesellschaft wird jedes Wort, jede Geste und jede symbolische Handlung beobachtet, berichtet und analysiert. „Ohne eine professionelle Handhabung von Darstellungstechniken hat man auf dem Kommunikationsmarkt keine Chance“, schreibt der Soziologe Richard Münch bereits Mitte der 90er Jahre in einem Grundlagenwerk zur Dynamik moderner Gesellschaften. Die Konsequenzen für die Unternehmensführung werden von Tag zu Tag deutlicher. Alfred Rappaport, der bekannteste Verfechter des Shareholder Value, bezeichnet in der Harvard Business Review 2006 eine transparente Finanzkommunikation als zentrales Prinzip zur Steigerung des Unternehmenswerts. Und Michael E. Porter, Vordenker des strategischen Managements, plädiert in der gleichen Zeitschrift für eine intensive Auseinandersetzung mit Fragen der Corporate Social Responsibility, einem vor allem kommunikativ beeinflussbaren Handlungsfeld – breiter könnte das Spektrum kaum sein. Diese Schlaglichter zeigen: Unternehmenskommunikation bietet Chancen, birgt aber auch Risiken. Für Führungskräfte ist kommunikative Kompetenz als zusätzliche Qualifikation unabdingbar. Charismatische Persönlichkeiten geben dem Unternehmen ein Gesicht. Aber dabei kann es nicht bleiben. Kommunikation muss ebenso wie andere erfolgskritische Funktionen im Unternehmen professionell geplant, organisiert, umgesetzt und evaluiert werden. Statt der „Pressefritzen“ von einst hat es das Top-Management heute mit spezialisierten Kommunikationsmanagern und Unternehmensberatern für Kommunikation zu tun, die signifikante Budgets und Ressourcen beanspruchen. Wer diese Investitionen beurteilen und optimieren will, benötigt eine genaue Kenntnis der Grundlagen öffentlicher Kommunikation, der Wirkungszusammenhänge und Wertschöpfungsprozesse und natürlich auch der praktischen Umsetzung beispielsweise von Medienarbeit, Investor Relations, Mitarbeiterkommunikation, Online-Kommunikation und Innovationskommunikation. Das vorliegende Handbuch Unternehmenskommunikation vermittelt dieses Wissen auf aktuellem Stand. Als neu konzipiertes Standardwerk verbindet es erstmals betriebswirtschaftliches Know-how mit kommunikationswissenschaftlichen Konzepten und Erfahrungen aus der Unternehmenspraxis. Über 50 Beiträge bieten einen Einblick in alle relevanten Themenfelder und geben Anstöße für die eigene Praxis. Als Autoren konnten namhafte Fachvertreter aus der Managementforschung, Wirtschaftsprüfung, Rechtswissenschaft, Soziologie, Psychologie, Linguistik, Marketing und Kommunikationswissenschaft sowie aus führenden Agenturen und Unternehmen gewonnen werden. Damit soll ein Beitrag dazu geleistet werden, die immer noch häufig anzutreffende Sprachbarriere zwischen der Unternehmensleitung und
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Vorwort
Kommunikationsprofis zu überwinden. Denn die Beratung des CEOs ist heute neben dem Ausbau der Unternehmensreputation die zentrale Aufgabe für Kommunikationsmanager. Dass es hier noch viel zu tun gibt, zeigen die Negativbeispiele namhafter Vorstände, die in schöner Regelmäßigkeit wegen kommunikativer Versäumnisse in die Schlagzeilen geraten. Neben der interdisziplinären Perspektive und dem Plädoyer für eine integrierte Kommunikation betont dieses Handbuch einen weiteren Aspekt: den Beitrag der Kommunikation zur Wertschöpfung im Unternehmen. Diese Sichtweise bricht mit der Gemeinwohlfiktion, die von Teilen des Berufsstandes und der Public Relations-Forschung bis heute aufrechterhalten wird. Investitionen in Kommunikation sind kein Selbstzweck, sondern sie müssen stets zum Unternehmenserfolg beitragen, sei es durch die Unterstützung operativer Ziele oder durch den Aufbau immaterieller Werte wie Reputation, Organisationskultur und Marken. Der Nachweis der Wertschöpfung und die Etablierung eines systematischen KommunikationsControllings gelten derzeit als wichtigste Herausforderungen für die Unternehmenskommunikation. Das belegen verschiedene Umfragen wie die DAX-KOM-Studie 2006 in Deutschland und unsere europaweite Studie Euroblog 2007. Die entsprechenden Fragestellungen werden in diesem Band in besonderer Weise vertieft. Mit diesem Handbuch wenden wir uns an Vorstände und Geschäftsführer ebenso wie an diejenigen, die in Unternehmen und Organisationen für Public Relations, Marketing und Interne Kommunikation Verantwortung tragen. Angesprochen sind ferner jene, die bei Unternehmensberatungen, Agenturen und Dienstleistern professionelle Kommunikation unterstützen und umsetzen. Schließlich schafft das Handbuch eine Grundlage für die derzeit an führenden Standorten wie z. B. an der Universität Leipzig entstehenden Master-Studiengänge zum Communication Management. Unser Dank gilt allen Autorinnen und Autoren, die mit großem Engagement zu diesem umfassenden Werk beigetragen haben und viel Verständnis für die notwendige Abweichung vom ursprünglichen Zeitplan gezeigt haben. Maria Akhavan, Programmleiterin beim Gabler Verlag, und ihr Team haben die Entstehung des Projekts in jeglicher Weise vorangebracht. Ihnen und allen, die uns mit Anregungen unterstützt haben, sei gedankt. Leipzig und Wuppertal, im Januar 2007 Manfred Piwinger Ansgar Zerfaß
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Einführung
Kommunikation als Werttreiber und Erfolgsfaktor
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Kommunikation als Werttreiber und Erfolgsfaktor Ansgar Zerfaß/Manfred Piwinger
Mit dem Bedeutungszuwachs der Kommunikation geht eine Ausdifferenzierung der Konzepte, Handlungsfelder und Instrumente einher, die es der Unternehmensführung schwer macht, erfolgskritische Punkte von nebensächlichen Routinen zu trennen und die wesentlichen Stellschrauben für den Erfolg zu erkennen. Hinzu kommt eine geradezu babylonische Sprachverwirrung mit immer neuen Schlagworten, die von findigen Kommunikationsberatern und Dienstleistern propagiert werden, letztlich aber allzu häufig alten Wein in neuen Schläuchen darbieten. Um den Blick auf die wesentlichen Diskussionspunkte zu lenken, skizziert dieser Einführungsbeitrag zunächst, warum Kommunikation ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Unternehmensführung ist. Anschließend werden die für das Top-Management grundlegenden Fragen nach der Sinnstiftung, Organisation und Wertschöpfung sowie der Umsetzung der Kommunikation aufgezeigt und die dabei relevanten Themenfelder benannt. Damit wird zugleich der rote Faden des vorliegenden Handbuchs sichtbar und ein gezielter Zugriff auf die vorrangig interessierenden Aspekte ermöglicht. Schließlich werden die Zukunftsperspektiven der Unternehmenskommunikation in Form mehrerer Thesen umrissen.
1.
Bedeutung von Information und Kommunikation
Was nicht öffentlich wird, findet nicht statt. Aufmerksamkeit ist eine knappe Ressource – in der Mediengesellschaft mit ihren Gatekeepern (Journalisten, Meinungsführern) ebenso wie in der sich abzeichnenden „Google-Welt“ (Zerfaß/Boelter 2005: 81 ff.), in der aktive Rezipienten die Qual der Wahl zwischen einer schier unendlichen Vielfalt jederzeit verfügbarer Informationen und Interpretationen haben. Gleichzeitig verlagert sich der Wettbewerb um Kunden, Mitarbeiter und gesellschaftliche Akzeptanz immer stärker von der Sachebene auf die kommunikative Ebene. In vielen Fällen sind Produkte und Dienstleistungen – sogar weltweit – M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_1, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Ansgar Zerfaß/Manfred Piwinger
auf einem gleichartig hohen Niveau, so dass insbesondere das Markenimage über den Erfolg entscheidet. Ebenso unübersehbar ist, dass ökonomische Anreize für Arbeitnehmer in saturierten und überregulierten Gesellschaften an Bedeutung verlieren. Die Attraktivität eines Unternehmens für High-Potentials hängt heute vor allem von seiner Reputation ab. Und wer Leistungsträger langfristig an sich binden will, sollte ein besonderes Augenmerk auf die interne Kommunikations- und Unternehmenskultur richten. Um wahrnehmbar zu kommunizieren sind immer höhere Aufwendungen notwendig. Damit steigen die ökonomisch bedeutsamen Grenzkosten der Kommunikation. Die Unternehmensführung steht deshalb vor einer doppelten Herausforderung. Einerseits muss man sich mit den Entwicklungslinien und Kernfragen der Kommunikation auseinandersetzen, um die Bedeutung für den Unternehmenserfolg zu verstehen. Zum anderen ist zu klären, welche Herausforderungen sich daraus für das eigene Handeln ergeben, d. h. welches grundlegende Wissen sich Vorstand bzw. Geschäftsführung aneignen sollten.
1.1
Kernfragen der Unternehmenskommunikation
Jenseits aller Markteinflüsse ist seit geraumer Zeit eine starke Tendenz zur gesetzlichen Regulierung der Unternehmenskommunikation zu beobachten. Ein großer Teil der Unternehmenskommunikation unterliegt mittlerweile gesetzlichen Regularien und Auflagen; sie ist insofern verpflichtende Kommunikation. Am auffälligsten wird dieser Tatbestand in der Finanzkommunikation. Investor Relations sind die Kommunikationsdisziplin mit den größten Sachausgaben und der höchsten Regulierungsdichte (Piwinger 2005: 2). In der internen Kommunikation regelt das deutsche Betriebsverfassungsgesetz zahlreiche Informationsverpflichtungen. In diesem Bereich geht es darum, die notwendigen Kommunikationsaufgaben effizient zu organisieren und durch intelligente Umsetzungsformen einen Mehrwert für die eigenen Unternehmensziele zu schaffen. Möglichkeiten zur Differenzierung bietet jedoch in erster Linie die gestaltende Kommunikation. Die zunehmende Bedeutung institutioneller Investoren mit professionellen Analysten zwingt die Unternehmen dazu, über die gesetzlichen Pflichten hinausgehende Kapitalmarktpflege zu betreiben. Der Markt belohnt jene Unternehmen, die eine klare, konsistente und informative Offenlegungspolitik verfolgen. Die Finanzkommunikation ist ein wichtiger Hebel zur Steigerung des Shareholder Value (Rappaport 2006). Ein nachhaltiger Unternehmenserfolg erfordert darüber hinaus auch Reputation bei Geschäftspartnern, Ansehen in der Öffentlichkeit und Attraktivität als Arbeitgeber. Beispielhaft wird dieser Gedanke im Geschäftsbericht der Allianz Group ausgedrückt, in dem es heißt: „Wir wissen, dass die Nachhaltigkeit unseres Erfolges auf unserer Reputation als Geschäftspartner, unserem Ansehen in der Gesellschaft und unserer Attraktivität als Arbeitgeber für hervorragende Mitarbeiter gründet“ (Allianz Group 2002: 17). Damit ist die Einsicht verbunden, dass es weniger auf
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„objektive“ Fakten ankommt als vielmehr auf die Wahrnehmung und Deutung von Handlungen und Kommunikation durch die wichtigsten Bezugsgruppen des Unternehmens. Das für soziale Interaktionen eigentümliche Zusammenspiel von interessengeleitetem Handeln und gesellschaftlichen Strukturen (Giddens 1984, Zerfaß 2004: 92 ff.) sowie individuellen Konstruktionen und Rekonstruktionen der Wirklichkeit (Bentele 1993, 2005) kommt hier in besonderer Weise zur Geltung. Die fortschreitende Fragmentierung der Kommunikationsmärkte hat über die letzten Jahre dazu geführt, dass viele traditionelle Konzepte der Unternehmenskommunikation ihre Gültigkeit verloren haben und derzeit ein mehrfacher Paradigmenwechsel im Gange ist: Auf der operativen Ebene ist eine Schwerpunktverlagerung von der klassischen Werbung zur Public Relations und zur Online-Kommunikation zu erkennen. Weil die Kommunikationsbedürfnisse der Rezipienten sich dramatisch wandeln und beispielsweise Jugendliche kaum mehr über traditionelle Massenmedien erreichbar sind, hält der Trend an, jenseits der klassischen Transaktionssituation möglichst viele Berührungspunkte mit Unternehmen und ihren Marken sowie den damit verbundenen Werten und Emotionen zu schaffen. Auf der konzeptionellen Ebene erlebt das Leitbild der integrierten Kommunikation eine Renaissance (Bruhn 2006). Dabei geht es darum, die traditionell durch unterschiedliche Kompetenzfelder definierten Aufgaben Finanzkommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Presse- und Medienarbeit, Mitarbeiterkommunikation, Sponsoring, Werbung, Umfrage- und Marktforschung, Events, Corporate Design und andere organisatorisch zusammenzuführen und – wie es zahlreiche Großunternehmen von der BASF bis zur UBS vormachen – in einem Verantwortungsbereich zusammenzuführen. Neben einer erhöhten Flexibilität und zweckgerichteten Mittelverwendung ermöglicht die Zusammenführung der Funktionen vor allem eine konsequente Strategieausrichtung. Damit wird der zweifelsohne wichtigste Entwicklungsschritt der Unternehmenskommunikation angesprochen: das sich durchsetzende Paradigma der Value Communications bzw. der Kommunikation als Wertschöpfungsfaktor, verbunden mit dem konsequenten Aufbau von Systemen zur Steuerung und Evaluation der Kommunikation (Piwinger/Porák 2005, Pfannenberg/Zerfaß 2005). Die von modernen Methoden des Kommunikations-Controllings unterstützte Verknüpfung von Unternehmenszielen und Kommunikationszielen wird derzeit in vielen Unternehmen vorangetrieben. Das ist aus Sicht der Unternehmensführung unverzichtbar. Denn wenn „präzise Kommunikationsziele fehlen, ist es nicht möglich, die Effektivität und Effizienz des Kommunikationsinvests nachträglich (zu) bestimmen“ (Arnaout 2005: 126). Erfolgsmessung erfordert eine klare Definition des Zieles und eine entsprechende Auswahl und Ausrichtung der Erhebungsmethoden. In Zukunft wird es mehr denn je darauf ankommen, mehr in die Kommunikationsplanung zu investieren und weniger in die Evaluation ex post. Für eine gute Reputation reicht die finanzielle Performance allein nicht (Altana 2004: 64). Für den Einsatz von Kommunikation gelten andere Gesetze als für den Einsatz materieller Güter. Im Unterschied zu Investitionen in Sachanlagen handelt sich bei den Investitionsaufwendungen für die Reputation eines Unternehmens um Investitionen in immaterielle Werte
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wie Meinungen, Bindungen, Wertschätzung und Ansehen. Dieses Kapital gerät derzeit immer stärker in das Blickfeld und das Bewusstsein von Investoren, Analysten, Banken und RatingAgenturen. Für die meisten immateriellen Vermögenswerte liegen noch keine monetären Bewertungsverfahren vor. Schwer fällt in der Praxis die operative Datenermittlung bei der Festlegung eines repräsentativen Zustandes im Unternehmen vor bzw. ohne die geplanten Investitionsmaßnahmen. Wir stehen erst am Anfang der Diskussion und der praktischen Umsetzung. Im Kommunikationsbereich müssen noch die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden. Welche Informationen sind entscheidungsrelevant für die Unternehmensführung? Wie kann ich die Wertschöpfungsfaktoren identifizieren und strategisch im Sinne der Unternehmensentwicklung sinnvoll einsetzen? In welchen Feldern ist Kommunikation ohne Alternative und nicht durch ein anderes Herangehen zu ersetzen? Diese und andere Fragen sind zu beantworten, wenn das Postulat ernst genommen wird, dass der Erfolg eines Unternehmens in hohem Maße von seiner öffentlichen Positionierung abhängt. Kommunikationsfähigkeit bedeutet immer auch Beziehungsfähigkeit. Marktstellung und Marktgeltung werden nicht allein von Produkten und Dienstleistungen geprägt, sondern hängen entscheidend von vorökonomischen Werten ab wie guter Ruf, gesellschaftliches Ansehen, Tradition und Glaubwürdigkeit. Es wäre ein Fehler, sie als Sekundärtugenden anzusehen. Über sein Image und das diesem zugrunde liegende Selbstverständnis definiert ein Unternehmen auch seine Rolle in der Gesellschaft. Es geht hierdurch aber auch eine Selbstverpflichtung ein, indem es Maßstäbe bildet, an denen es sich messen lassen will. Indem sie das vom Unternehmen kommunizierte Bild übernehmen, handeln und entscheiden die Bezugsgruppen in der Folge weitgehend konform zu diesem Bild. Abweichungen werden selten toleriert. Erwartungen und Ansprüche orientieren sich daran. Das Kauf- und Entscheidungsverhalten richtet sich danach. Keine Kommunikation beginnt bei Null, sondern stets mit dem Kapital des Angesehenswerdens – der „Vorettiketierung“. „Glaubwürdigkeitswerte“, schreibt Lerg (1970: 283), „korrelieren positiv mit Einstellungswerten“. Vertrauen ist Sozialkapital. Vertrauensbildung über Reputation schafft Berechenbarkeit nach allen Seiten. Auch ein Rückgriff auf die im Zeitalter der Globalisierung von vielen Unternehmen leichtfertig über Bord geworfenen Traditionen kann dabei helfen. In Traditionen manifestieren sich Werte, die profilbildend und motivierend wirken. Ein Beispiel dafür ist der klare Wunsch der Belegschaft von Bosch, im Zuge der Internationalisierung der Mitarbeiterzeitschrift den tradierten Namen „Bosch-Zünder“ in allen Sprachversionen beizubehalten, selbst in der chinesischen Ausgabe. Weil Unternehmen einer ständigen Kontrolle sowohl seitens des Gesetzgebers, als auch der Politik, der Gewerkschaften und ihrer Investoren unterliegen, werden sie selbst immer häufiger zum Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung. Unternehmen als Institutionen unterliegen einem Rechtfertigungszwang, um sich in ihrem Tun zu legitimieren. Die weltweit entflammte Diskussion um Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship (Porter/Kramer 2006, Crane/Matten 2007) ist eine Reaktion darauf; sie knüpft an die Gedanken um eine sozial verantwortliche Unternehmensführung und Sozialbilanzen aus den 70er Jahren und die Unternehmensethik-Debatte der 90er Jahre (Steinmann/Löhr 1994) an. Unternehmen wollen damit den Grad ihrer Verantwortung in der Gesellschaft darlegen und
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begründen. Diese Herausforderungen stellen hohe Anforderungen an die Kommunikationsund Dialogfähigkeit von Organisationen und sind deshalb ein weiterer Grund für die Unternehmensführung, sich intensiv mit der Unternehmenskommunikation auseinanderzusetzen. Nicht nur im Fall moralischer Versäumnisse können krisenhafte Entwicklungen fatale Folgen haben und in Einzelfällen zu schwerem wirtschaftlichen Schaden führen. Dass Kommunikation nie risikofrei ist, liegt in der Natur der Sache. Reputationsrisiken und Konflikte entstehen auch aus der unterschiedlichen Perspektive der Beteiligten, die die gleiche Situation „so oder so“ sehen. Für sich genommen stellt die Risikoanalyse einen eigenen Aufwand dar. Neben der Fachkompetenz entscheidet die Fähigkeit zur Kommunikation über das Gelingen oder Misslingen von Kommunikation. Es gibt Unternehmen, die „können“ kommunizieren, andere „können“ es nicht. Was eine Sache wert ist, bemerkt man oft erst beim Verlust. Eine stabile Reputation und eine Tradition zuverlässigen Kommunikationsverhaltens haben bei unvorhergesehenen Ereignissen eine präventive Funktion. Image-Autorität und Authentizität schützt in vielen Fällen vor Wertverlust oder hält ihn geringer. Weniger gut beleumundete Unternehmen geraten schneller in ein unruhiges Fahrwasser. „Nicht der Untergang von Sachen, sondern der Untergang von Meinungen ist für Unternehmen das größte Risiko“, sagt beispielsweise Stefan Kirsten, Finanzvorstand von ThyssenKrupp (zit. nach Nöcker 2003). Auf einer Tagung der Schmalenbach-Gesellschaft zum Thema Risikomanagement forderte der Top-Manager die Unternehmensführung deshalb auf, ihr Augenmerk statt auf Sachrisiken zunehmend auf Reputationsrisiken zu lenken.
1.2
Herausforderungen für die Unternehmensführung
Unsere Anmerkungen zu einigen zentralen Aspekten der Kommunikation zeigen bereits, dass sich die Unternehmensführung dem Thema ganzheitlich nähern muss. Der kommunikationswissenschaftliche Blick auf die Grundlagen und Wirkungszusammenhänge symbolischer Handlungen muss ergänzt werden um betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Rolle der Unternehmung in der Gesellschaft und zu den Erfolgsbedingungen der Kommunikationspolitik. Juristische Darlegungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen sind ebenso relevant wie sozialpsychologische und soziologische Erklärungen der Genese von Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Image, Reputation und Marken. Praxisrelevantes Wissen um Kommunikation und Information findert sich in den Teildisziplinen Public Relations, Marketing und Organisationsforschung ebenso wie in Grenzgebieten zur Rhetorik und Linguistik sowie im Interkulturellen Management und in der Innovationstheorie. An dieser Stelle setzt das vorliegende Handbuch an. Es geht davon aus, dass Führungskräfte aus Vorstand und Geschäftsführung kein Detailwissen über die Unternehmenskommunikation benötigen oder sich gar – wie dies in vielen Praxishandbüchern suggeriert wird – mit dem Handwerkszeug von Pressearbeit und öffentlichen Auftritten auseinandersetzen müssen. Unverzichtbar ist jedoch eine Auseinandersetzung mit
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den Grundlagen von Kommunikation und Management, insbesondere der sinnstiftenden Frage, warum Unternehmen strategisch kommunizieren müssen und wie Kommunikation und Meinungsbildung in der Mediengesellschaft funktionieren (erster Teil des Handbuchs); den Wertschöpfungsstufen und dem Managementprozess der Unternehmenskommunikation, also der Frage, wie Kommunikation in arbeitsteiligen Organisationen sinnvoll organisiert werden kann, wie Kampagnen und Programme geplant werden, welche Instrumente zur Anwendung kommen und wie die Evaluation aussehen kann (zweiter Teil des Handbuchs); und den wichtigsten Handlungsfeldern der Unternehmenskommunikation, d. h. mit den Strategien für zentrale Bezugsgruppen wie Investoren, Kunden, Mitarbeiter, Journalisten und Politik sowie mit besonderen Situationen wie beispielsweise Change-Prozesse, Krisen und Globalisierung (dritter Teil des Handbuchs).
2.
Warum Unternehmen strategisch kommunizieren müssen
Die Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Unternehmenskommunikation verweist auf zwei Themenkomplexe. Erstens ist ein interdisziplinäres Verständnis der Unternehmensführung in der Mediengesellschaft (Kapitel 1.1) notwendig. Dabei wird deutlich, dass Kommunikation kein Selbstzweck ist, sondern maßgeblich zur Koordination von Handlungen und Integration von Interessen beiträgt und deshalb von Unternehmen in unterschiedlicher Weise eingesetzt wird. Die Ankopplung an die Unternehmensstrategie im Sinne der Positionierung in Markt und Gesellschaft mündet dabei in die Forderung nach einer schlüssigen Abgrenzung von Marktkommunikation, Interner Kommunikation und Public Relations sowie nach einem integrierten Kommunikationsmanagement und -controlling. In diesem Zusammenhang ist das Konzept des Stakeholder-Managements ebenso relevant wie die Kenntnis der Grundbegriffe von Kommunikation und Medien sowie der Meinungsbildung in der Mediengesellschaft mit den dort beteiligten Akteuren öffentlicher Kommunikation. Hierbei gilt es insbesondere, das in Teilen der Marketinglehre immer noch verbreitete, unterkomplexe Stimulus-ResponseVerständnis von Kommunikation zu überwinden und moderne Konzepte des Agenda Setting und Framing zu verstehen. Eine gewichtige Rolle spielen ferner die juristischen und soziologischen Rahmenbedingungen der Unternehmenskommunikation in modernen Gesellschaften. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Informations- und Publizitätspflichten sowie die
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Diskussion um die „Ökonomie der Aufmerksamkeit“, d. h. die Einsicht, dass Aufmerksamkeit zum knappen Gut und damit zum Produktions- und Erfolgsfaktor wird. Zu den Grundlagen der Unternehmenskommunikation gehören ferner zentrale Aspekte des Kommunikationsmanagements (Kapitel 1.2) wie Vertrauen und Glaubwürdigkeit, Impression Management und Selbstdarstellung, Image, Reputation, Organisationskultur, Verhaltensstile und Markenbildung. Wer kommuniziert, kommt nicht umhin, eine Sache und sich selbst darzustellen. Image als Ansehenswert ist stets das Resultat unternehmerischer Selbstdarstellung und zugleich deren Voraussetzung. „Jemand“ zu sein, etwas her machen, ist Ziel und Wert der unternehmerischen Selbstdarstellung. Die Notwendigkeit zur Selbstdarstellung erweitert das Kommunikationswissen um Wissenstatbestände aus Fachgebieten wie der Psychologie, aber ebenso der Sprachwissenschaft und der Philosophie. Gerüchteforschung, Stimmungs- und Vorurteilsforschung, der Einfluss des ersten Eindrucks, Sympathie- und Attraktivitätsforschung sind einzelne Felder, die es in die Unternehmenskommunikation zu integrieren gilt. Ein besonderes Augenmerk richtet sich hierbei auf die Wahrnehmungspsychologie. Wahrnehmung ist untrennbar mit Interpretation verbunden. „Das Phänomen der Kommunikation hängt nicht von dem ab, was übermittelt wird, sondern von dem, was im Empfänger geschieht. Und dies hat wenig zu tun mit übertragender Kommunikation“ (Maturana/Varela 1987: 221). Das ultimative Ergebnis von Kommunikation ist schließlich die Wahrnehmung und nichts anderes. Was nicht beachtet wird, ist fehlinvestiert. Ein Gesichtspunkt, der unter ökonomischen Aspekten zunehmend an Bedeutung gewinnt.
3.
Wie Unternehmenskommunikation organisiert wird und Werte schafft
Das Wissen um die Bedeutung der Unternehmenskommunikation mündet zwangsläufig in die Frage, wie der Managementprozess der Kommunikation im Einzelnen auszugestalten ist, d. h. welche Wertschöpfungsstufen aus übergeordneter Perspektive unterscheidbar sind. Diese Stufen bilden gleichzeitig Ansatzpunkte für ein Benchmarking und eine Optimierung der Kommunikationsfunktion. Vielfach unbeachtet, aber von größter Bedeutung ist hierbei die Analyse von Umfeld und Meinungsbildung (Kapitel 2.1). Zahlreiche Großunternehmen der deutschen Wirtschaft greifen mittlerweile auf ausgefeilte Methoden des Issues Monitoring und Issues Management zurück und verknüpfen diese mit Corporate Foresight-Tools aus der Unternehmensplanung. Empirische Einsichten liefern ferner Reputationsanalysen und Mitarbeiterbefragungen. Diese übergeordnete Analysen schaffen die Voraussetzungen für eine konkrete Zieldefinition und Planung der Kommunikation (Kapitel 2.2). Hier geht es einerseits um die Konzeption von Kommunikationsprogrammen, andererseits um die Planung öffentli-
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cher Inszenierungsstrategien im Sinne von zeitlich befristeten und dramaturgisch angelegten Kampagnen. Solche Formate finden sich heute immer häufiger – und zwar nicht nur in Wirtschaft und Politik, sondern insbesondere auch bei unternehmenskritischen Akteuren wie Greenpeace, Friends of the Earth und anderen schlagkräftigen Aktivisten. Die Kenntnis der entsprechenden Prozesse ist deshalb von besonderer Bedeutung. Angesichts der dynamischen Entwicklung im Mediensektor sollten auch Führungskräfte einige Grundkenntnisse über die Umsetzung und Kommunikationsmittel (Kapitel 2.3) der Unternehmenskommunikation haben. Das Spektrum reicht hier von der Pressearbeit über die vielfach unterschätzte Kommunikation via Radio und TV sowie persönliche Reden, Unternehmens- und Kundenmagazine (Corporate Publishing), Geschäftsberichte, Mitarbeiterzeitschriften, Events und das Kommunikations-Design bis hin zur interaktiven Kommunikation in Internet, Intranet und unter Einbeziehung von Social Software (Weblogs, Podcasts, Wikis). Jenseits dieser handwerklichen Ebene ist aus Sicht der Unternehmensführung aber vor allem von Bedeutung, ob (gelungene) Kommunikation einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet. Die Wertbestimmung und Evaluation (Kapitel 2.4) bildet daher eine eigenständige Betrachtungsebene. Neben einem grundlegenden Überblick verschiedener Methoden geht es hier um die Umfrage- und Meinungsforschung, spezifische Kennzahlen für die Kommunikation sowie die Erfassung von Kommunikation im Jahresabschluss und in Wissensbilanzen. Schließlich muss sich die Unternehmensleitung ein Bild davon machen, wie Kosten im Bereich der Unternehmenskommunikation erfasst werden können – dieses Gebiet steht trotz der steigenden Kommunikationsbudgets in Theorie und Praxis derzeit noch ganz am Anfang. Ungelöst ist beispielsweise die verursachergerechte Einbindung von Kommunikation und Information in das betriebliche Rechnungswesen und weiterführend in das Konzerncontrolling. Gängige Praxis ist es heute, Aufwendungen hierfür unter den „Verwaltungskosten“ zu buchen, also den Aufwendungen der laufenden Periode zuzuordnen, was dauerhaft keine Lösung darstellt. Eine andere, grundlegendere Ebene ist die Bereitstellung von Organisation und Kompetenz (Kapitel 2.5) für das Kommunikationsmanagement. In enger Anlehnung an den betriebswirtschaftlichen Managementprozess geht es hier zunächst um die Fragen des Verhältnisses von Kommunikation und Führung bzw. Leadership sowie um die interne Organisation der Kommunikationsfunktion und um die Zusammenarbeit mit externen Agenturen. Bedeutsam für die Unternehmensleitung und Personalverantwortliche ist ferner das Wissen um die Kompetenzen, die Kommunikationsmanager angesichts rasch geänderter Anforderungen des Aufgabenfelds heute mitbringen sollten, und die Diskussion um geschlechtsspezifische Ausprägungen der Kommunikationskompetenz.
Kommunikation als Werttreiber und Erfolgsfaktor
4.
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Welche Strategien und Konzepte in der Praxis relevant sind
In besonderen Situationen wie einem Börsengang, bei Unternehmenszusammenschlüssen und Unternehmenskäufen und -verkäufen, bei Existenzkrisen oder dem Eintritt in internationale Märkte entscheidet neben Produkten und Prozessen häufig die Kommunikation über den Erfolg oder Misserfolg. Gerade auf diesen Gebieten, die zum Alltag des wirtschaftlichen Geschehens gehören, hat sich ein großes Reservoir an Kommunikations- und Managementwissen angesammelt. Diese Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation sind durch je spezifische ökonomische, soziale und mediale Rahmenbedingungen sowie typische Strategien und Wertschöpfungsmuster gekennzeichnet. Es lohnt sich daher, einen vertiefenden Blick auf die Strategien für zentrale Bezugsgruppen zu werfen (Kapitel 3.1). Wer in der Unternehmensführung Verantwortung trägt, kommt nicht umhin, sich mit den Grundlagen der Investor Relations, der Marken- und Produkt-PR, der Mitarbeiter- und Führungskräftekommunikation sowie mit Public Affairs und Lobbying auseinanderzusetzen. Im Lobbying ist Kommunikation ohne Alternative. Die Einflussnahme geschieht auf sehr subtile Weise – in Hintergrundgespräche, im öffentlichen Aufschrei der Verbände, durch Gegengutachten etc. Letztlich geht es immer darum, unliebsame und für die Unternehmen nachteilige Gesetzesvorhaben durch frühzeitige Einflussnahme auf das politische Handeln entweder zu verhindern oder wenigstens in seinen Auswirkungen abzumildern. Neben Politikern haben es Führungskräfte häufig mit Journalisten zu tun. Auch hier erweitert ein gleichermaßen ökonomisch wie kommunikationswissenschaftlich geschärfter Blick das Verständnis für alltägliche Herausforderungen. Eine Abhängigkeit der Wirtschaft von den Massenmedien ist ebenso wenig gegeben ist wie die Möglichkeit, dass PR-Verantwortliche „mal eben so“ positive Botschaften in Zeitungen, Zeitschriften oder Rundfunk platzieren können. Das komplexe, von gegenseitigen Abhängigkeiten geprägte Beziehungsgeflecht verweist vielmehr auf die Notwendigkeit einer langfristig und nachhaltig angelegten Kommunikationspolitik. Von großer Bedeutung in der Unternehmenspraxis sind ferner Konzepte für besondere Kommunikationssituationen (Kapitel 3.2), in denen die Rolle der Unternehmenskommunikation als Katalysator des Erfolgs deutlich hervortritt. Das betrifft die Veränderungskommunikation bei Change-Prozessen ebenso wie die Personality-Kommunikation, bei der die Beratung und Unterstützung des CEOs im Vordergrund steht. Als Erfolgsfaktor gilt die Kommunikation ferner in Krisensituationen und im internationalen Kontext sowie im Zusammenhang mit der oben bereits erwähnten Debatte um Corporate Citizenship und geselllschaftliche Verantwortung. Die in diesem Zusammenhang von Weltmarktführern wie Puma und Nike etablierten Verfahren des „Stakeholder-Dialogs“ zeigen, dass Unternehmenskommunikation heute weit mehr umfasst als persuasive, massenmedial ausgerichtete Vorgehensweisen. Gefragt ist vielmehr ein breites Repertoire an Strategien, Konzepten und Plattformen, die situativ zum Einsatz kommen.
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5.
Ansgar Zerfaß/Manfred Piwinger
Perspektiven der Unternehmenskommunikation
Der nicht zuletzt an den steigenden Budgets von Fachabteilungen und Dienstleistern abzulesende Bedeutungszuwachs der Unternehmenskommunikation ist unverkennbar. Doch wohin geht die Reise, welche Trends zeichnen sich ausgehend von dem in diesem Handbuch umrissenen Status quo des Kommunikationsmanagements ab? Die Beantwortung dieser Frage kann selbstverständlich keine prognostische Aussagekraft beanspruchen, soll aber dennoch gewagt werden, weil verschiedene empirische Befragungen von Kommunikationsverantwortlichen aus den Deutschland, Europa und den USA einige übereinstimmende Punkte aufweisen:1 Die Verknüpfung von Kommunikation und Unternehmensstrategie und die damit verbundene Etablierung umfassender Controlling-Systeme zum Nachweis des Wertbeitrags von Kommunikation bleibt die wichtigste Herausforderung. Diese Meinung vertritt annähernd jeder zweite Kommunikationschef eines börsennotierten Unternehmens in Deutschland. In Europa unterstreichen rund 40 Prozent der Kommunikationsverantwortlichen die These. Verstärkt wird die Entwicklung durch die in den Vereinigten Staaten nachweisbare und auch hierzulande häufig berichtete Entwicklung, dass sich das Aufgabenspektrum der Unternehmenskommunikation bei gleich bleibenden oder nur langsam steigenden Ressourcen exponentiell ausweitet. Das zwingt die Leitungsebene dazu, Kommunikationsziele klar zu definieren und den Ressourceneinsatz zu optimieren. Die Integration neuer Kommunikationskanäle und Technologien zeichnet sich als zentrale Aufgabe ab. Das umfasst weit mehr als die Nutzung digitaler Instrumente wie RSS-Feeds und Video-Podcasts, die herkömmliche Presseaussendungen und persönliche Formen der Mitarbeiterkommunikation ablösen könnten. Bedeutsam erscheint vielmehr der grundlegende Wandel zum „gläsernen Unternehmen“, das mit der weltweiten Rund-um-die-UhrBeobachtung durch Kritikerorganisationen, Konsumenten, Journalisten und Hobbyreporter einhergeht. Transparenz und Dialogorientierung ist das Gebot der Stunde; Unternehmen müssen ihr gerade im Kommunikationsbereich stark verankertes Kontrolldenken aufgeben. Kommunikationsmanager sind nicht länger Sprachrohr gegenüber klassischen Massenmedien und Journalisten von Eigenpublikationen, sondern sie werden mehr und mehr zu Moderatoren der gesellschaftlichen Kommunikation über Unternehmensthemen. Diese veränderte Rolle kann nur von der Unternehmensstrategie her definiert werden und verweist auf die grundlegende Bedeutung der Stakeholder- und Corporate CitizenshipDebatte. 1
Die nachfolgenden Thesen stützen sich auf Erkenntnisse der DAX-KOM-Umfrage 2006 der Universität Hohenheim bei börsennotierten deutschen Unternehmen (n=32) (Mast 2006), auf die Euroblog 2007Studie der Universität Leipzig, Universität Luzern und University of Sunderland bei KommunikationsVerantwortlichen in ganz Europa (n=391) (Zerfaß/Sandhu/Young 2007) und auf die Corporate Communications Practices and Trends Study 2005 der Fairleigh Dickinson University, Madison (NJ), bei Fortune 1000-Unternehmen in den USA (Goodman 2005).
Kommunikation als Werttreiber und Erfolgsfaktor
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Schließlich muss die Internationalisierung und Globalisierung der Kommunikation als wesentliche Herausforderung und Chance gesehen werden. Die Studien aus Deutschland, Europa und den USA belegen übereinstimmend, dass die veränderten Rahmenbedingungen hier zu einem großen Handlungsbedarf führen. Obwohl Kommunikation stark kulturgebunden bleibt, gilt es dennoch, übergreifende Zielsysteme und Benchmarks zu etablieren. Das bedeutet keineswegs, dass eine Uniformität, wie sie insbesondere bei weltweiten Produkteinführungen von Technologiefirmen immer wieder zu beobachten ist, das Maß aller Dinge ist. Vor dem Hintergrund des in diesem Handbuch entfalteten interdisziplinären Verständnisses von Unternehmenskommunikation gilt es vielmehr, die kulturellen, rechtlichen und ökonomischen Strukturen unterschiedlicher Öffentlichkeiten systematisch mit zu bedenken. Diese Perspektiven zeigen, dass erfolgreiche Unternehmensführung sich künftig mehr denn je mit den Rahmenbedingungen strategischer Unternehmenskommunikation auseinandersetzen muss. Die Herausforderungen haben sich geändert, doch im Kern gilt weiterhin, was Harry A. Bullis, Chairman von General Mills, vor fast 60 Jahren unter dem Titel „Management’s Stake in Public Relations” in einem der ersten englischsprachigen Handbücher zum Thema schrieb: „A sound policy and program of [communication] should be part of the day-to-day operating philosophy of every modern corporation“ (Bullis 1948: 21).
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Ansgar Zerfaß/Manfred Piwinger
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Erster Teil: Grundlagen der Unternehmenskommunikation
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Unternehmensführung in der Mediengesellschaft
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement: Grundlagen, Wertschöpfung, Integration Ansgar Zerfaß
Kommunikation ist in der Wirtschaft allgegenwärtig: eine gezielte Informationspolitik und Inszenierungsstrategien gehören zum Repertoire jedes erfolgreichen Unternehmens. Dennoch mangelt es vielfach an einem umfassenden Verständnis der Unternehmenskommunikation. Die vorschnelle Fokussierung auf einzelne Vorgehensweisen (Pressearbeit, Werbung, Lobbyismus), Handlungsfelder (Finanzkommunikation, Mitarbeiterkommunikation) und Zielgrößen (Vertrauen, Reputation, Markenbildung) versperrt den Blick auf die grundlegenden Fragen, welche Bedeutung der Kommunikation aus Sicht der Unternehmensführung zukommt und auf welche Weise sie zur Wertschöpfung beiträgt. Hierbei muss konsequent betriebswirtschaftlich argumentiert werden: Investitionen in Kommunikation machen Sinn, wenn dadurch direkt oder indirekt materielle oder immaterielle Werte geschaffen werden. Der vorliegende Beitrag skizziert eine interdisziplinäre Theorie der Integrierten Unternehmenskommunikation, die ausgehend von der Rolle der Unternehmung in Markt und Gesellschaft verschiedene Ansatzpunkte der Wertschöpfung identifiziert und die wichtigsten Aufgabenfelder (Interne Kommunikation, Marktkommunikation, Public Relations) erläutert. Der schillernde Begriff der „Integration“ erfährt dabei eine neue, mehrdimensionale Bedeutung – als normative Grundlage, funktionaler Prozess und strategische Notwendigkeit der Kommunikation.
1.
Kommunikation zwischen Inszenierung und Wirtschaftlichkeit
Die Wirtschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz investiert jährlich zweistellige Milliardenbeträge in die Unternehmenskommunikation – mit steigender Tendenz. Genaue M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_2, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Ansgar Zerfaß
Angaben zum Gesamtvolumen sind nicht möglich, weil die entsprechenden Aufwendungen in den Unternehmen bislang kaum systematisch erfasst werden. Ein Indikator sind jedoch die Umsätze der Agenturen und Dienstleister, die in diesem Bereich unterstützend tätig sind. Die Werbebranche erwirtschaftete im Jahr 2006 in Deutschland über 30 Milliarden Euro und wuchs dabei doppelt so stark wie die Gesamtwirtschaft (GWA 2006). Besonders dynamisch entwickeln sich seit geraumer Zeit die Bereiche Public Relations und Online-Kommunikation. Die führenden deutschen PR-Agenturen verzeichneten 2006 zweistellige Zuwachsraten und die Online-Werbung konnte im gleichen Zeitraum über 60 Prozent zulegen (GPRA 2006, OVK 2006). Diese Zahlen sind kein Zufall. Die zunehmende Verlagerung von der Leistungsund Preiskonkurrenz zum Kommunikations- und Akzeptanzwettbewerb sorgt dafür, dass viele Unternehmen – insbesondere auch im Mittelstand – ihre Kommunikation professionalisieren und intensivieren. Der Inszenierung von Unternehmen und ihren Vorständen, Marken, Produkten und Dienstleistungen scheinen also kaum Grenzen gesetzt. Mit großer Kreativität werden intelligente Darstellungsformen umgesetzt und neue Kommunikationskanäle genutzt (Mast 2006, Bruhn 2005). Doch die Kehrseite der Medaille ist bereits erkennbar: der Grenznutzen einzelner Kommunikationsmaßnahmen sinkt, die Differenzierung qua Kommunikation wird immer schwieriger, der wirtschaftliche Nutzen ist schwer nachweisbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich in der Medien- und Informationsgesellschaft zu jedem unternehmensrelevanten Thema vielfältige Stimmen erheben: jene der Massenmedien ebenso wie die der Politik, der organisierten Interessen (z. B. Verbraucherinitiativen, Gewerkschaften) und von zivilgesellschaftlichen Akteuren. Erschwerend kommt hinzu, dass das soziale Phänomen „Kommunikation“ im Unternehmensalltag auch jenseits aller strategischen Kalküle anzutreffen ist, beispielsweise im alltäglichen Gespräch zwischen den Mitarbeitern. Schließlich kann „Kommunikation“ selbst ein Geschäftszweck sein – bei den bereits erwähnten Agenturen und Freelancern (Journalisten, Designern) ebenso wie bei Medienunternehmen, die publizistische Produkte (Zeitungen, Zeitschriften, TV, Hörfunk, Online-Plattformen) herstellen und vertreiben (Schumann/Hess 2005, Gläser/Friedrichsen 2007). Aus Sicht der Unternehmensführung ist es daher notwendig, zunächst den Gegenstandsbereich der Unternehmenskommunikation einzugrenzen und davon ausgehend die Wertschöpfungspotenziale und Handlungsfelder zu identifizieren. Dabei ist ein interdisziplinärer Zugriff unabdingbar. Ausgangspunkt jeder Annäherung an die Unternehmenskommunikation muss die Unternehmung und ihre Rolle in der Gesellschaft sein (Steinmann/Schreyögg 2005, Gerum 2004). Denn Unternehmenskommunikation ist stets Auftragskommunikation, die ihre Sinnstiftung aus der Organisation ableitet, in der sie verankert ist. Gleichzeitig ist ein umfassendes Verständnis kommunikativer Prozesse und ihrer Leistungen in der modernen Mediengesellschaft unabdingbar (Scheufele 2007, Theis-Berglmair 2007, Burkart 2004, Bentele/Brosius/Jarren 2003, Noelle-Neumann/Schulz/Wilke 2002). Damit die Verknüpfung entsprechender Erkenntnisse nicht in eine Beliebigkeit miteinander inkompatibler Sprachspiele mündet,
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement
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ist schließlich eine einheitliche sozialtheoretische Grundlegung erforderlich.1 Als besonders fruchtbar für die Unternehmenskommunikation erweist sich die Strukturationstheorie von Giddens (1984), die die Grenzen primär handlungstheoretischer (Max Weber, Habermas) und systemtheoretischer Ansätze (Parsons, Luhmann) überwindet (Zerfaß 2004: 85 ff., Jarren/ Röttger 2004). Giddens verweist auf das immanente Wechselspiel von voluntaristischem Handeln und gesellschaftlichen Strukturen (Regeln und Ressourcen), die einander bedingen. Gemeinsame Strukturen befähigen zum Handeln, weil sie eine intersubjektive Orientierung ermöglichen – die Bezugnahme auf gemeinsame Begriffe, Symbole, Werte und Koordinationsformen macht die Handlungen einzelner Akteure interpretierbar und anschlussfähig. Gleichzeitig werden Strukturen durch die wiederholte Aktualisierung im täglichen Lebensvollzug reproduziert und ggf. verändert. Was unter Unternehmensführung und Kommunikation zu verstehen ist, unterlegt demnach einem sozialen Wandel, der teilweise durch politisch-rechtliche Vorgaben z. B. der Publizitätsgesetzgebung beeinflusst wird (Zitzmann/ Fischer 2007), in erster Linie aber durch veränderte Vorgehensweisen der Praxis selbst initiiert wird.
Definition: Unternehmenskommunikation Als Unternehmenskommunikation bezeichnet man alle Kommunikationsprozesse, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird und die insbesondere zur internen und externen Handlungskoordination sowie Interessenklärung zwischen Unternehmen und ihren Bezugsgruppen (Stakeholdern) beitragen. Die zugrunde liegenden Kommunikationsaktivitäten sind symbolische Handlungen, die von Organisationsmitgliedern (Führungskräften, Kommunikationsverantwortlichen) oder ihren Beauftragten (Agenturen) initiiert werden und eine Verständigung sowie darauf aufbauend eine Beeinflussung bestimmter Rezipienten zum Ziel haben. Damit werden sowohl die laufende Leistungserstellung unterstützt (Erfolg) als auch immaterielle Werte (Erfolgspotenziale) geschaffen. Systematisch unterscheidbare Teilbereiche der Unternehmenskommunikation sind Interne Kommunikation, Marktkommunikation und Public Relations. Das Leitbild der Integrierten Kommunikation verweist darauf, dass diese Teilbereiche der Unternehmenskommunikation ebenso wie konkrete Vorgehensweisen stets gesamthaft betrachtet sowie inhaltlich, formal, zeitlich und dramaturgisch abgestimmt werden müssen. Zugleich gilt die soziale Integration, d. h. die Schaffung gemeinsamer Handlungszusammenhänge angesichts knapper Ressourcen und Arbeitsteiligkeit, als zentrale Aufgabe der Kommunikation. Schließlich ist Grundlage des Leitbilds ein Verständnis der Unternehmensführung, dass die Integration des Unternehmens in Markt und Gesellschaft – im Spannungsfeld von Ökonomie und Legitimität – als konstitutives Element moderner Gesellschaften betrachtet.
1
Im Mittelpunkt der Sozialtheorie stehen die grundlegenden Erklärungen des Handelns, der sozialen Ordnung und Integration sowie des sozialen Wandels (vgl. im Überblick und als Einführung in die wichtigsten Theoriekonzepte Joas/Knöbl 2004). Sie legen damit ein gemeinsames begriffliches Fundament für wirtschafts- und kommunikationswissenschaftliche Analysen.
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2.
Ansgar Zerfaß
Wertorientierte Unternehmensführung: vom Shareholder- zum Stakeholder-Value
Als Hauptaufgabe der Unternehmensführung gilt heute die kontinuierliche Steigerung des Unternehmenswerts (Schweickart/Töpfer 2006, Weber et al. 2004). Damit wird der klassische Zielhorizont der Gewinn- und Umsatzoptimierung deutlich erweitert: die wertorientierte Unternehmensführung (Value Based Management) lenkt das Augenmerk auf strategische Ziele sowie daraus abgeleitete Managementmethoden und Kennziffern. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Steigerung des Shareholder-Value, d. h. der insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften jederzeit nachvollziehbare Marktwert des Eigenkapitals. Damit soll eine optimale Verzinsung des von Eigentümern und Investoren eingesetzten Kapitals sichergestellt werden (Rappaport 1997, 2006). Realisiert wird dies durch die Implementierung finanzieller Steuerungsgrößen wie Operating Profit, Bruttokapital, Bruttokapitalrendite, Wertbeitrag, Cash Flow und Barwert, die im Rahmen internationaler Rechnungslegungsstandards wie IFRS und U.S. GAAP definiert sind. Eine am Shareholder-Value orientierte Unternehmensführung versucht, den Kurswert der Aktien und damit den Marktwert des Gesamtunternehmens zu maximieren. Dazu ist es jenseits aller kurzfristigen Börseneffekte unabdingbar, die Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Profitabilität zu verbessern. In dieser Hinsicht gelten die klassischen Spielregeln der Ökonomie: die genannten Ziele sollen mit einem minimalem Mitteleinsatz erreicht werden bzw. bei einem gegebenem Input soll der Output maximiert werden. Die einseitige Konzentration auf die Kapitaleigner greift aus Sicht der Unternehmenspraxis jedoch ersichtlich zu kurz. Denn Unternehmen sind weder rein finanzielle Konstrukte noch naturgegebene Einrichtungen, sondern soziale Organisationen, die nur auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen (Wirtschaftsordnung, Gesellschaftsrecht) existieren und deren Fortbestand von vielfältigen Anspruchs- bzw. Bezugsgruppen (Stakeholdern) – neben Kapitalgebern insbesondere auch Kunden, Mitarbeitern, Behörden, Massenmedien, Nichtregierungsorganisationen u. v. m. – beeinflusst wird (Freeman 1984, Müller-Stewens/Lechner 2005: 171 ff., Rolke 2002, Karmasin 2007). Wertorientierte Unternehmensführung muss sich daher – richtig verstanden – an der Steigerung des Stakeholder-Value orientieren: über die Kapitalverzinsung hinaus geht es auch darum, den Nutzen für andere Bezugsgruppen zu optimieren und insbesondere die gesellschaftspolitische Dimension des unternehmerischen Handelns im Auge zu behalten. Damit wird die Legitimität, also „die generalisierte Einschätzung …, dass die Handlungen einer Organisation vertretbar, erwünscht, richtig oder angemessen“ (Steinmann/Schreyögg 2005: 83) sind, zu einem weiteren Bezugspunkt der Unternehmensführung. In Zeiten zunehmend kritischer Anfragen an das Marktsystem, der Globalisierung und des Wertepluralismus geht es dabei um mehr als um schlichte Akzeptanzgenerierung, die im Mittelpunkt der meisten Corporate Citizenship- bzw. Corporate Social Responsibility-Konzepte (Porter/Kramer 2006) steht (pragmatische Legitimität) oder um die kulturelle Verankerung in einer Gesellschaft (kognitive Legitimität). Notwendig ist vielmehr – bei Bedarf – eine
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normative Rechtfertigung der Zielsetzungen, Strategien, Strukturen und Handlungsweisen des Unternehmens (moralische Legitimität) (Palazzo/Scherer 2006). Das mit dem Übergang vom Shareholder- zum Stakeholder-Value aufscheinende Spannungsfeld von Ökonomie und Legitimität bzw. „privatem Unternehmertum und öffentlichem Interesse“ (Steinmann/Zerfaß 1993b) hat konkrete Auswirkungen für die Gestaltung der Unternehmensstrategie. Die Definition und Umsetzung der Strategie ist die zentrale Aufgabe der Unternehmensführung bzw. des Managements (Müller-Stewens/Lechner 2005, Steinmann/ Schreyögg 2005). Die Unternehmensstrategie definiert in erster Linie, welche Waren oder Dienstleistungen für wen produziert bzw. angeboten werden (Produkt-Markt-Konzept) und wie die Leistungserstellung im Prinzip vonstatten gehen soll (Schreyögg 1984). Über diese wettbewerbspolitische Positionierung hinaus muss die Unternehmensführung aber auch bemüht sein, im gesellschaftspolitischen Raum so zu agieren, dass die Verfolgung von Marktzielen nicht gegen rechtliche oder moralische Normen verstößt. Wenn diese doppelte Aufgabenstellung nicht erfüllt wird, droht einerseits der ökonomische Niedergang, andererseits der (schleichende) Entzug der „licence to operate“ durch gesetzliche Auflagen, öffentliche Kritik und nachhaltigen Glaubwürdigkeitsverlust. Die Positionierung in Markt und Gesellschaft hat – wie in Abbildung 1 dargestellt – eine strategische und operative Dimension (Steinmann/Schreyögg 2005: 299 ff.): In operativer Hinsicht geht es um die Realisierung des wirtschaftlichen Erfolgs und die Umsetzung gesellschaftspolitischer Aktivitäten. Genauerhin betrifft dies die Aufrechterhaltung der jederzeitigen Zahlungsbereitschaft (Liquidität), da ohne diese der Fortbestand des Unternehmens nicht gewährleistet ist, und die Rentabilität der betrieblichen Leistungserstellung (Erfolg), also das in der jährlichen Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Verhältnis von Aufwendungen und Erträgen. Beide Zielgrößen sind monetär messbar und bedingen einander (Gälweiler 1990: 26 ff.): der Unternehmenserfolg ist eine Vorsteuerungsgröße für die Liquidität, denn nur mit einem profitablen Geschäftsmodell lassen sich dauerhaft Einnahmen erzielen. Operative Entscheidungen befassen sich mit der Wahl geeigneter Mittel für gegebene Ziele. Als Messlatte dient hierbei die Effizienz alternativer Vorgehensweisen, d. h. die Frage, ob bestimmte Vorgehensweisen rationell bzw. zweckmäßig sind. Dies gilt nicht nur mit Blick auf den Wettbewerb, sondern auch im Hinblick auf die Umsetzung gesellschaftspolitischer Initiativen, die der Legitimationsbeschaffung dienen (licence to operate) und die Sozialverträglichkeit des unternehmerischen Handelns sicherstellen sollen. In strategischer Hinsicht geht es um den Aufbau und die Erhaltung von wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Erfolgspotenzialen, die die Grundlage erfolgreicher Geschäftskonzepte sind. Dies können nachhaltige Personalressourcen, Produktionsverfahren, Technologien, Patente und Marken (Wettbewerbsvorteile), im Hinblick auf die notwendige gesellschaftliche Legitimation (licence to operate) aber auch Glaubwürdigkeit, Reputation und gesetzliche Regelungen sein. Erfolgspotenziale sind Vorsteuerungsgrößen für den Erfolg, weil sie diesen verstetigen und eine künftige Wertsteigerung ermöglichen – andererseits sind nur operativ erfolgreiche und liquide Unternehmen in der Lage, in den Aus-
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Ansgar Zerfaß
bau von Erfolgspotenzialen zu investieren und damit den Grundstock für eine nachhaltige Wertsteigerung zu legen. Strategische Entscheidungen konzentrieren sich auf die Frage, welche Ziele anzustreben sind. Ihr Maßstab ist die Effektivität verschiedener Zielsetzungen und Teilpolitiken. Die Grenzziehung zwischen strategischen und operativen Fragestellungen hat nichts mit der Kurz- oder Langfristigkeit von Entscheidungen zu tun. Sie lässt sich deshalb nur im Einzelfall konkretisieren. Grundsätzlich gilt aber, dass sich beide Aspekte ergänzen müssen: Ein Unternehmen kann nur dann rentabel, liquide und legitim agieren, wenn die notwendigen Erfolgspotenziale in Markt und Gesellschaft sowohl ausgenutzt als auch laufend weiterentwickelt werden. Dies gilt für das Gesamtunternehmen, aber auch für einzelne Geschäftsfelder (Produktlinien) und Funktionen (Finanzierung, Absatz). Strategische und operative Aspekte lassen sich grundsätzlich auf allen Ebenen festmachen; sie betreffen demnach auch die Gestaltung und Durchführung der Kommunikationspolitik.
Abbildung 1:
Wertorientierte Unternehmensführung im Spannungsfeld von Ökonomie und Legitimität sowie strategischen und operativen Aufgaben
Das in Abbildung 1 skizzierte Grundkonzept der wertorientierten Unternehmensführung zeigt, dass sich das Management heute an ökonomischen, rechtlichen und moralischen Imperativen orientieren muss (Steinmann 2006). Wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Handlungsspielräume müssen in erster Linie genutzt werden, um das formale Ziel der Gewinnerzielung in erfolgreiche Sachziele (Produkt-Markt-Konzepte) umzusetzen. Damit leistet das
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Unternehmen einen wertvollen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Bedürfnisbefriedigung. In der sozialen Marktwirtschaft wird der Raum möglicher Strategien von vornherein durch Gesetze eingeengt, die strukturelle Konfliktlagen und Nebenwirkungen der marktwirtschaftlichen Ordnung abfedern sollen. Markante Beispiele finden sich im Verbraucherschutz- und Umweltrecht, aber auch in der Mitbestimmungsgesetzgebung, die den latenten Interessenkonflikt zwischen Kapital und Arbeit aufgreift. Aus systematischen Gründen lassen sich allerdings nicht alle gesellschaftlichen Konflikte ordnungspolitisch regeln. Die unabdingbare Freiheit im Wettbewerb sorgt dafür, dass viele Konfliktlagen erst durch spezifische Strategien und Vorgehensweisen einzelner Unternehmen bzw. Branchen hervorgerufen werden. Ein Beispiel sind Gefährdungen und Belästigungen, die durch bestimmte Produkte und Produktionstechnologien verursacht werden. Zudem werden Unternehmen im Zeitalter der Globalisierung immer häufiger mit transnationalen und interkulturellen Legitimitätsfragen konfrontiert (beispielsweise im Zusammenhang mit der von europäischen Kritikerorganisationen hinterfragten Textilproduktion in Nordafrika und Asien), für es keine politischen Ordnungsinstanzen gibt (Scherer/Palazzo/Baumann 2006). Von Unternehmen wird erwartet, dass sie solche Legitimationsfragen so weit wie möglich dezentral lösen. Erst wenn dies nicht zum Erfolg führt, ist eine Änderung branchenweiter, staatlicher oder supranationaler Regelwerke anzumahnen (Steinmann/Löhr 1994: 106 ff.). Eine wertorientierte Unternehmensführung muss also stets bedacht sein, ökonomisch sinnvolle und sozialverträgliche Wettbewerbsstrategien umzusetzen sowie die hierfür notwendigen Erfolgspotenziale bereitstellen.
3.
Strategie und Kommunikation: vier Ansatzpunkte der Wertschöpfung
Vor dem Hintergrund des hier entfalteten Verständnisses von Unternehmensführung und Unternehmensstrategie kann der Beitrag der Kommunikation zur Wertschöpfung systematisch bestimmt werden: Unternehmenskommunikation im Sinne symbolischer Handlungen, die von Organisationsmitgliedern (Führungskräften, Kommunikationsverantwortlichen) oder ihren Beauftragten (Agenturen) initiiert werden und eine Verständigung sowie darauf aufbauend eine Beeinflussung bestimmter Rezipienten zum Ziel haben (vertiefend dazu Scheufele 2007, Burkart 2004, Zerfaß 2004: 141 ff.) können die laufende Leistungserstellung unterstützen (Erfolg) sowie immaterielles Kapital aufbauen (Erfolgspotenziale) und damit zugleich
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Ansgar Zerfaß
Wettbewerbsvorteile, Rentabilität und Liquidität schaffen (ökonomische Dimension) sowie die „licence to operate“ sichern (Legitimität). Diese Ansatzpunkte können – wie Abbildung 1 zeigt – in einer Matrix zusammengefasst und mit typischen Zielgrößen bzw. Vorgehensweisen der Unternehmenskommunikation verbunden werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine analytische Unterscheidung handelt und in vielen Kommunikationsaktivitäten mehrere Dimensionen – beispielsweise die Unterstützung der aktuellen Leistungserstellung sowie der Aufbau von Potenzialen – wirksam werden, jedoch in unterschiedlicher Gewichtung: Maßnahmen zum Aufbau der Unternehmenskultur, wie z. B. ein Leitbildprozess, werden nur zum geringsten Teil sofort ertragswirksam – hier steht der Aufbau von Potenzialen im Mittelpunkt. Dagegen unterstützt die tägliche Information der Mitarbeiter im Intranet unmittelbar die wertschöpfenden Prozesse in Produktion und Marketing, idealerweise mit kurzfristig messbaren Erfolgen. In ähnlicher Weise kann eine offene Kommunikation mit Kunden und Kritikergruppen sowohl die ökonomische Performance als auch die Legitimität eines Unternehmens unterstützen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht lässt sich die Notwendigkeit und Sinnfälligkeit der Kommunikation wie folgt beschreiben (Zerfaß/Pfannenberg 2005: 14 ff.): Unternehmenskommunikation unterstützt als „enabling function“ die laufende Leistungserstellung (Produkte und/oder Services) und die Vermarktung der Leistungen sowie die dazu notwendigen Managementprozesse, d. h. Planung, Organisation, Personalmanagement, Führung und Kontrolle (Steinmann/Schreyögg 2005). Die durch Kommunikation beeinflussbaren Werte, z. B. erlebnisorientierte Nutzenversprechen und Kundenbeziehungen, gewinnen in der globalisierten Wirtschaft immer stärker an Bedeutung. Produkte und Dienstleistungen lassen sich heute schnell imitieren. Kommunikation beispielsweise in Form von Produkt- und Marken-PR (Szyszka 2007, Mast/Huck/Güller 2005) trägt dagegen nachhaltig zur Differenzierung bei und ermöglicht so eine höhere Wertschöpfung. Unternehmenskommunikation schafft aber nicht nur Präferenzen am Point of Sale, sondern sie kann auch zur Motivation von Mitarbeitern beitragen und z. B. durch Lobbying (Althaus 2007) sowie Corporate Citizenship-Programme (Scherer/Baumann 2007) die Handlungsspielräume des Unternehmens erweitern. Der market based view des strategischen Managements (Porter 1985) betrachtet Kommunikation daher als eine unterstützende Aktivität, die in allen Phasen der Wertschöpfungskette zum Tragen kommt und letztlich zu einem höheren Umsatz oder niedrigeren Kosten und damit zu einem verbesserten operativen Ergebnis in der Gewinn- und Verlustrechung (GuV) führt. Kommunikationsmaßnahmen, die sich kurzfristig auszahlen, sind Gegenstand der Kostenrechnung (Ruud/Pfister 2007). Unternehmenskommunikation baut darüber hinaus nachhaltige Erfolgspotenziale wie Reputation (Buß 2007, Wiedmann/Fombrun/van Riel 2007), Unternehmensmarken (Muth/ Immetsberger 2007), Vertrauen und Glaubwürdigkeit (Hubig/Siemoneit 2007, Osterloh/ Weibel 2007, Bentele/Seidenglanz 2005) sowie innovationsfördernde Unternehmenskulturen (Konerding/Ebert 2007) und anderes immaterielles Vermögen auf. Dieses Kommuni-
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kationskapital (Will 2007: 179 ff.) wird vom resource based view des Strategischen Managements und daran anschließenden Steuerungskonzepten (Prahalad/Hamel 1990, Kaplan/ Norton 2004) als zentraler Treiber für den Unternehmenserfolg betrachtet. Die Bekanntheit und das Image einer Marke erleichtern beispielsweise die Realisierung eines PreisPremiums bzw. die Steigerung des Marktanteils. Das Vertrauen der Finanzmärkte in die Führungskräfte und ihre Strategie ermöglicht eine verhältnismäßig günstigere Finanzierung der Unternehmenstätigkeit (Kirchhoff/Piwinger 2007). Eine Unternehmenskultur, die Werte wie Kooperation und Innovation in den Mittelpunkt stellt, führt zu optimalen Prozessen, fördert den Know-how-Transfer im Unternehmen und bringt neue Leistungen hervor. Die Akzeptanz der Unternehmensziele und die Zuschreibung von Kompetenz und moralischer Legitimität durch Bezugsgruppen im Umfeld des Unternehmens, z. B. durch Nichtregierungsorganisationen und lokale Behörden, erhält dem Unternehmen die notwendigen Handlungsspielräume für wettbewerbsfähige Strategien. Von diesen Werten kann ein Unternehmen langfristig zehren und sie immer wieder in konkrete Wettbewerbsvorteile ummünzen. Sie spielen bei der Bewertung von Unternehmen – beispielsweise im Zuge von Übernahmen und Fusionen – eine entscheidende Rolle. Der Aufbau von Intangibles muss daher nach den Maßstäben der Investitionsrechnung beurteilt und gesteuert werden, immaterielle Werte sollten in der Bilanz zum Ausdruck kommen. Dies lassen die Rechnungslegungsvorschriften jedoch (noch) nicht zu (Maul 2007). Deshalb behelfen sich viele Unternehmen zunehmend mit freiwilligen Maßnahmen der Markenbewertung sowie nicht-monetären Reputations- und Wissensbilanzen (Will/Alwert/Kivikas 2007). Der skizzierte Zusammenhang von Kommunikation und Wertschöpfung ermöglicht es, die Ziele der Unternehmenskommunikation systematisch aus der jeweiligen Unternehmensstrategie abzuleiten sowie die Kosten und den Nutzen einzelner Maßnahmen zu erfassen. Voraussetzung hierfür ist ein systematisches Kommunikationsmanagement und KommunikationsControlling (vgl. Abschnitt 6.2), das die Wirkungszusammenhänge im Einzelnen transparent macht, nachvollziehbare Ziele setzt und diese in die Führungssysteme implementiert.
4.
Integration und Koordination als zentrale Leistungen der Unternehmenskommunikation
Die „Innensicht“ der Unternehmensführung auf den funktionalen Zusammenhang zwischen Kommunikation und Strategie muss in einem weiteren Schritt erweitert werden um die „Außenperspektive“ auf die Leistungen, die (gelungene) Unternehmenskommunikation im
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gesellschaftlichen Zusammenspiel erbringt. Denn unternehmerische Handlungen finden nicht im luftleeren Raum statt, sondern sind stets in soziale Beziehungen (Relationships) und Interaktionszusammenhänge mit anderen Akteuren eingebunden (Grunig/Grunig/Dozier 2006: 32 ff.). Viele Ziele lassen sich nicht realisieren, wenn die notwendige Unterstützung oder Duldung wichtiger Stakeholder ausbleibt oder wenn sich gar aktiver Widerspruch regt. Ein Beispiel ist der Verkauf eines Tochterunternehmens durch eine Konzerngesellschaft. Er kann nur gelingen, wenn sich erstens ein Käufer findet, zweitens die Kartellbehörden zustimmen und drittens ein nachhaltiger, Ressourcen verzehrender Protest der Mitarbeiter verhindert wird. Die immanente Interdependenz sozialer Handlungen macht den Unternehmenserfolg von den Interessenlagen und Intentionen anderer Akteure abhängig (Zerfaß 2004: 114 ff.). Aus sozialtheoretischer Sicht beruht diese Interdependenz zum einen darauf, dass man bei der Verfolgung von Interessen stets auf (knappe) Ressourcen materieller und immaterieller Art angewiesen ist, die von anderen Akteuren bereitgestellt oder beansprucht werden können. Andererseits sind viele individuelle und gesellschaftliche Ziele nur arbeitsteilig zu erreichen. Dies gilt vor allem für die Befriedigung komplexer ökonomischer Bedürfnisse, die mindestens eine volkswirtschaftliche Arbeitsteilung (Branchen; Zulieferer/Hersteller/Handel), in den meisten Fällen aber auch eine innerbetriebliche Differenzierung in verschiedene Steuerungsund Sachfunktionen notwendig macht. Diese Interdependenz führt nur deshalb nicht zu einer Paralyse des sozialen Lebens, weil moderne Gesellschaften über vielfältige Mechanismen der Integration verfügen, mit denen sich die skizzierten Konflikte lösen lassen. Im Hinblick auf das genannte Beispiel wäre an den Markt für Unternehmensbeteiligungen, die Verfahrensvorschriften des Kartellrechts und nicht zuletzt an verschiedene Formen der Mitarbeiterkommunikation und Veränderungskommunikation (Pfannenberg 2007) zu denken.
Definition: Integration und Koordination Als Integration bezeichnet man die Verknüpfung unterschiedlicher sozialer Handlungen oder Elemente zu einem gemeinsamen Handlungszusammenhang, in dem die Konfliktpotenziale von Arbeitsteiligkeit und Ressourcenverteilung bewältigt werden (Peters 1993: 23 ff. und 92 ff.). Soziale Integration ist damit ein normativer Begriff – Integration kann in unterschiedlichem Ausmaß gelingen oder misslingen. Das Zusammenführen verschiedener Handlungen und Elemente zu einem einheitlichen Ganzen kann man als Integration i. e. S., die schwächeren Formen einer wechselseitigen Abstimmung und Nebenordnung dagegen als Koordination bezeichnen. In modernen Gesellschaften und in Unternehmen finden sich neben gemeinsamen Lebensformen und Handlungsvollzügen verschiedene, kulturell verankerte Strukturkomplexe (Prestige-, Wert-, Rechts-, Markt-, Hierarchieordnungen), die in unterschiedlicher Weise (kommunikativ, reputationsgestützt, wertgestützt, verfahrensreguliert, tauschvertraglich, administrativ) eine soziale Integration bzw. Koordination ermöglichen. Kommunikation leistet hierbei einen je spezifischen Beitrag – die Kenntnis der sozialen Integrationsformen ist deshalb ein wesentlicher Schlüssel für das Verständnis der Unternehmenskommunikation.
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement
4.1
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Dimensionen der gesellschaftlichen Integration
Soziale Integration und Koordination sind aus gesellschaftlicher Sicht die zentralen, weil für das Zusammenwirken von Unternehmen mit ihren Stakeholdern existenziell wichtigen Leistungen der Unternehmenskommunikation. Dabei kann sich der Abstimmungsbedarf auf drei Felder erstrecken (Zerfaß 2004: 116 f.): Mittelkonflikte und Handlungskoordination. Eine (kommunikative) Abstimmung mit anderen Akteuren wird im einfachsten Fall notwendig, wenn die geeigneten Mittel zur Erreichung eines Ziels nicht zur Verfügung stehen. Unternehmen und Führungskräfte müssen deshalb ihre subjektiven Handlungen mit anderen abstimmen, sei es durch die Beschaffung von Ressourcen am Markt oder durch die Zuweisung von Routineaufgaben an Mitarbeiter im Rahmen der hierarchischen Weisungsbefugnis. Eine darüber hinausgehende Übereinstimmung in der Zieldimension ist nicht erforderlich – beispielsweise kann sich die subjektive Motivation von Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern durchaus von der Vision des Unternehmens unterscheiden, ohne dass dies zu Friktionen führt. Zweckkonflikte und Interessenintegration. In aller Schärfe zeigt sich die Integrationsproblematik, wenn verschiedene Handlungsziele miteinander unvereinbar sind, wenn beispielsweise das Produkt-Markt-Konzept eines Unternehmens und seine Geschäftspraktiken gegen die Bedürfnisse oder Wertvorstellungen einzelner Stakeholder verstoßen. Eine solche Interessenkollision liegt nach Kambartel (1974) vor, „wenn für die in einem Handlungszusammenhang stehenden Personen und Gruppen keine Handlungsweisen verfügbar sind, die es ihnen gestatten, alle ihre Interessen zu verfolgen; und zwar deswegen nicht, weil die Einlösung bestimmter Interessen stets, d. h. welche Handlungsweisen man auch vorsieht, das Zurückstellen anderer Interessen bedeutet“. In solchen Situationen ist eine intersubjektive Interessenklärung notwendig, d. h. ein Ausgleich konfligierender Ansprüche, der – insbesondere wenn ethisch-politische Fragen eine Rolle spielen – in posttraditionalen Gesellschaften zwangsläufig kommunikativ erfolgen muss (Peters 1993). Situationsdefinitionen und Handlungsinterpretationen. Abstimmungsbedarf besteht ferner, wenn Handlungen scheitern, aber zunächst unklar bleibt, ob dies auf fehlende Mittel oder widersprüchliche Zwecksetzungen zurückzuführen ist. Der Grund ist häufig, dass Unternehmen und ihre Stakeholder die jeweiligen Handlungen unterschiedlich interpretieren. Beispielsweise kann die Koordination ökonomischer Handlungen durch das Preissystem kurzfristig daran scheitern, dass die Anbieter eine steigende Nachfrage irrtümlicherweise auf saisonale Schwankungen und nicht auf eine Änderung von Konsumpräferenzen zurückführen. Das Ringen um moralische Legitimität kann durch verschiedene Lesarten einschlägiger Begriffe behindert werden – unter „Meinungsfreiheit“ und „Korruption“ versteht man in westlichen Kulturen bekanntlich etwas anderes als in manchen Schwellenländern. Die Herstellung eines gemeinsamen Deutungsrahmens ist eine eigenständige kognitive Herausforderung, die permanent zu bewältigen ist und maßgeblich auf Kommunikationsprozesse angewiesen bleibt.
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Ansgar Zerfaß
Bedeutsam für das Verständnis der sozialen Integration sind neben dem Aspekt, was abgestimmt werden muss, auch die Fragen, wie die Integration herbeigeführt wird und wo sie in Raum und Zeit stattfindet. Im Hinblick auf die Wirkungsweise kann man mit Parsons (1980: 72) zwei Ansatzpunkte identifizieren: „Ego kann erstens versuchen, sein Ziel bei Alter durchzusetzen, indem er die Situation von Alter so steuert, dass die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, dass Alter sich in der gewünschten Weise verhält. Alternativ dazu – ohne den Versuch, Alters Situation zu ändern – kann Ego anstreben, Alters Absichten zu verändern.“ Dementsprechend unterscheidet man verschiedene Formen der situationsbezogenen Integration und Beeinflussungen der Handlungssituation (durch Zwang, ökonomische Anreize usw.) von der intentionalen Integration (z. B. durch Argumentationsprozesse) (vgl. vertiefend Zerfaß 2004: 131 ff. und 208 ff.; sowie Habermas 1987a: 193 ff., Peters 1991: 28 ff.). Hinsichtlich der raum-zeitlichen Dimension unterscheidet sich die Integration im Nahbereich, d. h. in Situationen von Kopräsenz und auf der Ebene direkter Interaktionen zwischen Unternehmen und ihren Stakeholdern, fundamental von der Integration im Fernbereich, also von räumlich und / oder zeitlich getrennten Akteuren (Zerfaß 2004: 122 f. und 208 ff.). Während im ersten Fall gemeinsame Handlungszusammenhänge und Erfahrungen ein breites Spektrum der direkten (kommunikativen) Klärung zulassen, stößt dies in weiten Teilen der modernen Gesellschaft und globalisierten Wirtschaft auf systematische Grenzen. Handlungsinterdependenzen, Interessenkonflikte und Deutungsfragen treten dort nicht nur zwischen Anwesenden, sondern über Raum-Zeit-Spannen hinweg auf (Giddens 1990: 17 ff., Habermas 1987a: 229 ff.). Das beste Beispiel sind ökonomische Beziehungen. Die arbeitsteilige Bedürfnisbefriedigung involviert Produzenten und Konsumenten, die sich einerseits an verschiedenen Orten aufhalten, andererseits aber auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten am Wirtschaftsprozess teilnehmen. Verbraucher kaufen täglich Waren, die vor einer mehr oder minder langen Frist im In- und Ausland hergestellt wurden. Die zeitliche Dimension kann dabei auch über die Gegenwart hinausreichen. Man denke etwa an die Konsequenzen, die das ökonomische Handeln heutiger Akteure für die Lebensbedingungen künftiger Generationen haben kann. Im Zeitalter der Digitalisierung und des „Global Sourcings“ werden die Interdependenzen sogar für jeden Einzelnen spürbar – wenn Software und Steuererklärungen für den Kunden unsichtbar in Indien erstellt werden, entsteht eine „flache Welt“ (Friedman 2006) mit neuen Netzwerken, neuen Regeln und natürlich auch neuen Machtstrukturen bzw. Ressourcenverteilungen. Die Entflechtung von Handlungszusammenhängen und die Abwesenheit der Beteiligten hat mehrere Konsequenzen für die soziale Integration: Im Fernbereich müssen sich die Akteure bei der Einschätzung der Situationsmerkmale zu einem großen Teil auf Images – die wiederum meist durch Massenmedien vermittelt werden – stützen, weil es ihnen an erfahrungsgestütztem Wissen mangelt. Sie müssen zweitens generalisierte Integrationsformen in Anspruch nehmen, damit die Anschlussfähigkeit ihrer Handlungen auch dann sichergestellt ist, wenn die Grenzen enger Kontextgemeinschaften überschritten werden. Schließlich müssen alle Beteiligten ein Vertrauen darin entwickeln, dass Images zutreffen und die jeweiligen Integrationsformen die ihnen zugedachten Aufgaben erfüllen.
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement
4.2
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Integrationsformen und Kommunikation
Welche Leistungen die Unternehmenskommunikation im Zusammenspiel zwischen Unternehmen und ihren Stakeholdern erbringt, wird deutlich, wenn man sich den empirischen Möglichkeitsraum der Handlungsabstimmung und Interessenklärung in modernen Gesellschaften vergegenwärtigt (vgl. Abbildung 2). Dieser an anderer Stelle (Zerfaß 2004: 208 ff.) entwickelte und ausführlich dargestellte Bezugsrahmen stützt sich auf die Theorie der sozialen Interaktionsmedien von Parsons (1980) und deren Weiterentwicklung durch Habermas (1987a: 269 ff. und 384 ff.).
Abbildung 2:
Kommunikation und soziale Integration (Quelle: in Anlehnung an Zerfaß 2004: 217)
Kommunikation kann auf verschiedene Weise zur Integration moderner Gesellschaften beitragen. Dies gilt zunächst im Nahbereich, in dem die Kommunikation direkt eine Handlungskoordination und Interessenklärung herbeiführen kann. Bei der sozialen Integration zwischen Abwesenden können dann zwei Ansatzpunkte identifiziert werden. Kommunikationsprozesse leisten einen prinzipiellen Beitrag, wenn sie Images vermitteln und das Vertrauen in abstrakte Integrationsformen und Situationseinschätzungen stärken. Darüber hinaus erbringen sie situative Leistungen, weil allgemeine Abstimmungsmechanismen in unterschiedlicher Weise auf Kommunikation angewiesen bleiben. Die leistungsfähige, aber an die Voraussetzung der Kopräsenz gebundene kommunikative Integration wird hier für bestimmte Kontexte
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Ansgar Zerfaß
spezifiziert oder ersetzt und durch symbolische Steuerungsmedien (Einfluss, Wertbindung, Recht, Geld, Macht) entlastet bzw. abgelöst. Im Einzelnen stellt sich dies wie folgt dar: Bei der kommunikativen Integration im Nahbereich kommt das ganze Spektrum kommunikativer Maßnahmen zum Einsatz. Im direkten Gespräch können Unternehmen bzw. Führungskräfte beispielsweise Verhandlungen führen, kooperativ Probleme lösen, Anweisungen geben und in argumentative Diskurse eintreten. Stets geht es darum, Bedeutungen zu vermitteln, um andere Akteure zu beeinflussen und damit die Herausforderungen von Arbeitsteiligkeit und Ressourcenverteilung zu bewältigen. Solche Kommunikationshandlungen sind immer dann erfolgreich, wenn sie auf vorgängig legitimierte Beziehungen wie Autoritätsverhältnisse (Instruktionen) oder Lehrsituationen (Unterweisungen) verweisen, oder wenn sie in Ermangelung einer solchen normativen „Deckung“ eine unmittelbare Integrationskraft entfalten, die an den Intentionen der beteiligten Akteure ansetzt (Beratungen, Diskurse). Die intentionale Vorgehensweise ist an dieser Stelle von besonderer Bedeutung, weil sie in der Lage ist, sämtliche inhaltliche Aspekte der Integration aufzugreifen. Im Gegensatz zu den situationsbezogenen Typen der Einflussnahme (Manipulation, Instruktion) können in gemeinsamen Beratungen nicht nur Handlungen angepasst, sondern auch (inter)subjektive Zwecksetzungen harmonisiert und strittige Situationsdeutungen bzw. Handlungsinterpretationen geklärt werden. Die Kommunikation wird in diesem Fall zur zentralen – und einzig möglichen – „Quelle der sozialen Integration“ (Habermas 1988: 69), weil die Absichten anderer Akteure grundsätzlich nur kommunikativ und nicht etwa durch instrumentelle Handlungen beeinflusst werden können. Eine solche kommunikative Integration bleibt jedoch auf ein Reservoir gemeinsamer Regeln und Ressourcen angewiesen, das gegebenenfalls erst in gemeinsamen Lehr- und Lernprozessen aufgefüllt werden muss. Das ist insbesondere im interkulturellen Kontext von Bedeutung: Kommunikationsstrategien lassen sich zwar global planen, sie müssen jedoch immer lokal „geerdet“ werden (Sriramesh 2006, Huck 2007). Da eine direkte Kommunikation nicht überall möglich ist, haben moderne Gesellschaften eine Reihe leistungsfähiger Integrationsformen herausgebildet, die an der Willensbildung und damit den Intentionen der beteiligten Stakeholder ansetzen. Die Abstimmung disparater Handlungen und Interessenlagen beruht dann nicht mehr unmittelbar auf argumentativen oder persuasiven Vorgehensweisen, sondern auf der Einheit stiftenden Kraft von Prestige- und Wertordnungen, die als Deckungsreserve dienen und in konkreten Kommunikationsprozessen „angezapft“ werden. Diese normativen Hintergrundstrukturen sind das kondensierte Ergebnis vorangegangener Kommunikationsprozesse, in denen Ansehen erworben und moralische Geltung begründet wurde. Generalisierte Kommunikationsformen bleiben damit im Kern auf die gleichen kommunikativen Ressourcen angewiesen, die aus dem Nahbereich bekannt sind. Fachliche Reputation und moralische Führerschaft können nicht instrumentell erzwungen, sondern nur vertrauensvoll erworben werden. Im Grundsatz geht es also weiterhin um eine intentionale Einflussnahme, die nur dann zur situationsgebundenen Einwirkung degeneriert und wirkungslos wird, wenn man „von nichtmanipulierbaren Gütern einen manipulativen Gebrauch macht“ (Habermas 1987b: 410), d. h. Vertrauen und Images sozialtechnologisch erzeugt oder ausbeutet. Die Verbindung dieser gesamtgesellschaftlichen Sicht zur Wertschöp-
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement
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fungsperspektive des Unternehmens (vgl. oben Abschnitt 3) liegt auf der Hand. Investitionen in den Aufbau von kommunikativem Kapital geschehen im Vertrauen auf die Wirkungskraft von Prestige- und Wertordnungen. Sozialtheoretisch lässt sich das wie folgt erklären: Im Zuge der reputationsgestützten Integration gelingt es einzelnen Personen und Organisationen aufgrund ihres Ansehens, andere Beteiligte zu belehren und so auf ihre Absichten einzuwirken. Die Reputation kann dabei auf technischen Fertigkeiten (handwerkliches Geschick), intellektuellen Fähigkeiten (Expertenwissen), individuellen Charakterzügen (Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit, Dignität) oder anderen Eigenschaften bzw. Imagedimensionen beruhen. In jedem Fall werden die betreffenden Akteure in die Lage versetzt, „mit Erklärungen auf die Überzeugungen anderer, auch auf die kollektive Meinungsbildung Einfluss zu nehmen, ohne im einzelnen Gründe darzulegen oder Kompetenzen nachzuweisen“ (Habermas 1980: 91). Allgemein kann man kommunikativen Einfluss als die Fähigkeit bezeichnen, andere zu einem gewünschten Handeln zu motivieren, indem Kenntnisvorsprünge ausgenutzt werden. Die Ausübung von Einfluss wird nicht durch die Verifikation einzelner Kommunikationshandlungen, sondern durch die Sicherstellung des prinzipiellen Rechts auf nicht zu überprüfende Äußerungen gerechtfertigt. Parsons (1980: 153) schreibt: „Nicht was jemand sagt – der Inhalt – ist von Bedeutung, sondern es kommt darauf an, welches »Recht« jemand hat, ernst genommen zu werden, unabhängig von der inneren Triftigkeit dessen, was er sagt“. Die Bereitschaft einzelner Stakeholder, die Aussagen eines Unternehmens ungeprüft zu übernehmen, stützt sich letztlich auf das Vertrauen in die prinzipielle Existenz zuverlässiger Prestigeordnungen und in die korrekte Einschätzung der Position, die einem Unternehmen oder seinen Vertretern innerhalb dieser Ordnungen zukommt. Bei der wertgestützten Integration wird Folgebereitschaft dadurch erzeugt, dass man an gemeinsame Vorstellungen des Guten, Gerechten oder Wahren appelliert. Bestimmte Unternehmen und Führungskräfte sind aufgrund ihrer moralischen Autorität und Integrität in der Lage, „mit Ermahnungen bei anderen die Bereitschaft hervorzurufen, konkrete Verpflichtungen zu übernehmen, ohne im einzelnen Gründe aufzuführen oder Legitimationen nachzuweisen“ (Habermas 1987a: 408). Diese ungleich verteilte Fähigkeit, sich in konkreten Handlungszusammenhängen für die Verwirklichung gemeinsamer Werte einzusetzen, hat Parsons (1980: 183 ff.) als „commitments“ (Wertbindungen) bezeichnet. Entsprechende Appelle werden akzeptiert, weil sie kraft ihrer Beziehung zu tieferen Gründen als alternativenlose „wahre Wahl“ erscheinen. Voraussetzung ist dabei wieder, dass die notwendige normative Deckung in Form einer gemeinsamen, auf die jeweilige Problemlage bezogenen Werteordnung existiert. Ebenso wie bei den Prestigehierarchien kann man in modernen Gesellschaften auf verschiedene, einander überlappende und mehr oder minder weit reichende Wertesysteme zurückgreifen. Ein Beispiel sind technische Kontroversen mit Behörden und Umweltschützern, bei denen man auf anerkannte Standards der prinzipiellen Nachprüfbarkeit und Begründbarkeit verweisen kann, oder moralische Dispute, bei denen die Erinnerung an allgemein anerkannte Kodizes sinnvoll erscheint. Eine weitere Voraussetzung der wertgestützten Interessenabstimmung ist die Integrität der Unternehmen bzw. Unternehmensvertreter, die diese Karte spielen wollen. Der Verweis auf gemein-
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same Wertvorstellungen funktioniert nur dann, wenn der Kommunikator als legitimer Advokat dieser Normen angesehen wird. Bekanntlich verhallen Appelle von Unternehmen an den Gemeinsinn anderer Akteure immer dann, wenn sich die Redner bei früheren Gelegenheiten mit opportunistischen oder gar illegalen Handlungen (Begünstigung, Bestechung) moralisch diskreditiert hatten. Der in Abbildung 2 im mittleren Bereich angeordnete rechtlich-demokratische Komplex trägt in zweifacher Weise zur Integration der Gesellschaft bei. Rechtskommunikation schafft im Zuge der Rechtsetzung formale und inhaltliche Strukturen, die als legale Bezugspunkte der sozialen Integration dienen. Dies ist der Fall, wenn situationsbezogene Koordinationsmechanismen (z. B. die marktwirtschaftliche Ordnung) und positive Regeln des Zusammenlebens gesetzlich verankert werden (Habermas 1992: 150). Eine andere Bedeutung kommt der Rechtskommunikation zu, wenn sie im Zuge der Rechtsanwendung auf bestehende Verfassungen und Rechtsordnungen verweist, um einen direkten Beitrag zur Klärung von Zweckund Mittelkonflikten bzw. Situationsdeutungen zu leisten (Peters 1991: 273 ff.). Die Erzeugung von Folgebereitschaft beruht damit auf der eigentümlichen Verschränkung von legitimer Geltung und faktischem Zwang, die in der neueren Rechtssoziologie herausgearbeitet wurde (Habermas 1992, Peters 1991): Die verfahrensregulierte Integration bezieht sich auf die Rechtsordnung und entlastet von den kognitiven, motivationalen und organisatorischen Anforderungen, die generalisierte Kommunikationsformen wie Einfluss oder Wertbindung an den Einzelnen stellen. In diesem Sinn kann man Verfahrensprinzipien des demokratischen Mehrheitsentscheids, der formalen Beweisführung und der Fristsetzung als intentionale Formen verstehen, mit denen Mitglieder ausdifferenzierter Gesellschaften – einschließlich der Unternehmen und ihrer Interessenvertreter – eine argumentative Auseinandersetzung führen können. In der zugrunde liegenden Dualität von „Freiheit und Einheit“ (Habermas 1992: 151 ff., Steinmann/Zerfaß 1993b) kommt zum Ausdruck, dass die individuellen Grundrechte einer selbstbestimmten Teilnahme an der gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildung unabdingbare Voraussetzungen sind, die den Status von Rechtsträgern begründen und damit erst die Ausübung einer kontextüberspannenden Volkssouveränität ermöglichen. Weil diese Rechte jeder Staatsgewalt systematisch vorausgehen, dürfen sie nicht als liberale Abwehrregeln missverstanden werden. Umgekehrt beruhen die Grundrechte aber darauf, dass die Volkssouveränität im Prinzip gemeinsam und übereinstimmend ausgeübt werden soll. Diese republikanische Idee einer Legitimation stiftenden Beratung freier Bürger wird in der deliberativen Demokratietheorie (Habermas 1992 und 2006, Peters 1993) auf die gesellschaftliche Infrastruktur von Kommunikation und öffentlicher Meinungsbildung zurückgeführt. Die Legitimität politischer Entscheidungen ist immer dann gewährleistet, wenn peripher initiierte Kommunikationsflüsse demokratische und rechtsstaatliche Verfahren durchlaufen können. Dadurch werden mehrheitsfähige Meinungen in machtbewehrte Entscheidungen transformiert, die im Zuge der Rechtsetzung und persuasiven Rechtskommunikation die Situationen beeinflussen, in denen Unternehmen und ihre Stakeholder agieren. Damit wird der intermediäre Charakter der Rechtsordnung deutlich: Sie nimmt die Impulse primärer Kommunikationsprozesse auf, weil sie in konkreten Handlungszu-
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement
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sammenhängen und Erfahrungen verankert bleibt. Sie ergänzt nicht kodifizierte Wert- und Prestigeordnungen, indem sie wichtige Strukturen in verbindliche Regeln gießt. Sie legitimiert die situationsbezogenen Koordinationsformen von Markt und administrativer Macht, die damit an das Primat der intentionalen Verständigung gekoppelt werden. Schließlich stellt sie selbst positive Normen bereit, die bestimmte Zweck- und Mittelwahlen bzw. Situationsdeutungen als vorzugswürdig oder verwerflich auszeichnen und damit einen direkten Beitrag zur sozialen Integration leisten. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass Rechtsnormen bei ad hoc auftretenden Fragen der sozialen Integration oder im internationalen Kontext häufig nicht weiterhelfen. Schon deshalb darf Unternehmenskommunikation nicht auf Lobbyismus und Public Affairs reduziert, dieser Bereich aber auch nicht – wie dies heute noch häufig anzutreffen ist – in abgesonderten Stabsstellen bearbeitet werden. In modernen Gesellschaften und Organisationen finden sich darüber hinaus Koordinationsformen, bei denen die Abstimmung nicht durch eine Beeinflussung der Willensbildung, sondern durch eine Veränderung der jeweiligen Handlungssituation herbeigeführt wird. Die situationsbezogene Integration macht sich die Einsicht zu Eigen, dass konkrete Handlungen nicht nur durch die Absichten der Akteure, sondern auch durch die Verteilung von allokativen und autoritativen Ressourcen beeinflusst werden. Diese Situationsmerkmale können durch positive Anreize (Prämien) und negative Sanktionen (Einschüchterungsversuche) verändert werden (Parsons 1980: 73). Dabei ist es durchaus möglich, dass der Situationswandel die unbewusste Folge einer Handlung ist, mit der gänzlich andere Ziele angestrebt wurden. Ein Beispiel wäre der Kauf eines Gebrauchsgutes, z. B. eines Computers, der aus Sicht des Konsumenten nur der individuellen Bedürfnisbefriedigung dient, in einer marktwirtschaftlichen Ordnung aber zugleich die Absatzchancen für entsprechende Zubehörteile, Verbrauchsmaterialien etc. erhöht und insofern die Handlungsbedingungen der Produzenten verändert. Disparate Handlungen können also nicht nur durch intentionale Beeinflussung, sondern auch mit Hilfe ungeplanter Interaktionseffekte koordiniert werden. Eine solche Verknüpfung hinter dem Rücken der Akteure erfasst allerdings nur zweckrationale Handlungen; Zielsetzungen und Deutungsrahmen können auf diesem Wege nicht geändert werden. Sie bleibt zudem auf eine funktionierende Hintergrundstruktur angewiesen, die für eine gemeinsame Interpretation der wesentlichen Situationsmerkmale sorgt – man muss beispielsweise wissen, dass Gewinne ein Indikator für wirtschaftlichen Erfolg und steigende Preise ein Signal für überhängende Nachfrage sind. Dieses einheitliche Situationsverständnis wird im Fernbereich vor allem durch die Steuerungsmedien Geld und Macht sichergestellt. Geld und Macht ersetzen die leistungsfähigen, aber voraussetzungsvollen Prozesse der kommunikativen Integration für wohl umschriebene Kontexte; sie setzen auf empirische Bindungen statt auf intentionale Veränderungen. Damit lösen sie die Koordination von den Prämissen des kommunikativen Handelns. Als Ressourcen dienen nicht mehr soziale Fähigkeiten, sondern die faktischen Quellen von Eigentum und Macht. Diese Abkopplung ist gerechtfertigt, sofern sie zu einer effizienteren Bewältigung sozialer Konflikte beiträgt und intentional legitimiert ist, d. h. auf Rahmenordnungen beruht, die im gemeinsamen Handlungsvollzug oder demokratischen Verfahren verankert sind. Maßnahmen der Unternehmenskommunikation kommen hier
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grundsätzlich nur unterstützend, d. h. als Mittel zum Zweck der situationsbezogenen Einwirkung, zum Tragen (Habermas 1988: 68): Die tauschvertragliche Koordination setzt auf materielle Anreize, die es Unternehmen und anderen Akteuren auf der Basis von Besitz und Eigentum ermöglichen, Folgebereitschaft zu erzeugen. Solche Anreize verändern die Handlungssituation der betroffenen Stakeholder, weil bestimmte Zweck- und Mittelwahlen mit einem Nutzenversprechen gekoppelt und insofern als subjektiv vorzugswürdig dargestellt werden. Die Koordination erfolgt dann im Sinne einer parametrischen Anpassung, d. h. die Beteiligten interpretieren ihre Handlungen wechselseitig als unveränderliche Daten, die in die eigene Entscheidungssituation einbezogen werden (Peters 1993: 292 f.). Eine prototypische Darstellung dieses Anpassungsprozesses, der im Gesellschaftsrecht und Privatrecht verankert ist, findet sich im ökonomischen Modell der vollkommenen Konkurrenz (van Suntum 2005). Das Medium des Nutzentransfers ist Geld, das letztlich keinen eigenständigen Wert hat, sondern eine symbolische Funktion erfüllt (Parsons 1980: 68 ff., Habermas 1987b: 397). Im Vergleich zur Vielschichtigkeit der Kommunikation ist die Symbolkraft des Geldes jedoch stark eingeschränkt. Sie reduziert sich auf eine eindimensionale, in Preisrelationen ausgedrückte Bewertung von Handlungsalternativen unter dem Gesichtspunkt feststehender Zweckrelationen. Nicht monetär bewertbare Bedürfnisse und Interessenlagen werden prinzipiell ausgeblendet. Ein funktionierender Wettbewerb innerhalb der marktwirtschaftlichen Ordnung beruht darauf, dass die Akteure ihre Entscheidungen ausschließlich unter subjektiven Nutzenkalkülen treffen, aber durch wechselseitige Offerten auf die Handlungssituation anderer einwirken können. Doch auch der prinzipiell sprachfreie Marktmechanismus bleibt auf Kommunikation angewiesen. Maßnahmen der Unternehmenskommunikation sind insbesondere notwendig, um Verträge anzubahnen, auszuhandeln, zu erfüllen und zu kontrollieren (Heinen 1992: 80 ff.). Dabei lässt die skizzierte Konstruktionslogik des Marktes keinen Platz für argumentative Äußerungen; gefragt sind vielmehr persuasive und informative Vorgehensweisen (Zerfaß 2004:184 ff.). Um nur einige Beispiele zu nennen: Verträge werden durch Werbung angebahnt und in Verhandlungen (Verkaufs- und Einstellungsgesprächen) fixiert. Sie können jedoch auch qua Kommunikation verhindert werden, wenn von dritter Seite strategische Marktsignale lanciert werden, die zu einer Öffnung der Entscheidungssituation führen (Heß 1991). Beispielsweise sinkt durch die frühzeitige Ankündigung eines neuen Industriestandards der Anreiz für Konsumenten, die derzeit verfügbaren Produkte der Konkurrenz zu kaufen. Die administrative Koordination beruht darauf, dass die Instruktionen einzelner Akteure befolgt werden, weil sie im Kreis der Beteiligten einen bestimmten hierarchischen Status genießen und über ein negatives Sanktionspotenzial verfügen. Diese Koordinationsform spielt insbesondere innerhalb von Unternehmen, Verbänden, Verwaltungen und anderen Organisationen eine zentrale Rolle. Die Handlungsabstimmung geschieht durch Administration und Subordination. Dies setzt wiederum voraus, dass geeignete Hintergrundstrukturen für die notwendige normative Deckung sorgen. Als symbolisches Steuerungsmedium kommt hier Macht zum Einsatz, die sich in vielfältiger Weise, z. B. in Titeln, Weisungsbefugnissen und Zeichnungsvollmachten, manifestiert. Macht ist ein symbolischer Wert, der
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in engen Grenzen übertragbar ist und durch die Fähigkeit definiert wird, Entscheidungen innerhalb einer geltenden Verfügungsordnung allgemeinverbindlich durchzusetzen (Weber 1964: 157 ff.). Dabei wird vorausgesetzt, „dass die Verpflichtungen durch ihren Bezug auf kollektive Ziele und Zwecke legitimiert sind, und dass bei Widerstand mit dem Einsatz negativer Sanktionen zu rechnen ist“ (Parsons 1980: 70). Im Unterschied zu den bislang diskutierten Integrationsformen geht es hier also ausschließlich um den Spezialfall einer gemeinsamen Zielverfolgung, die durch Delegationsprozesse vereinfacht wird. Als Bezugspunkt dient nicht der individuelle Nutzen, sondern die effiziente Erreichung gemeinsamer Zwecke. „Macht“ repräsentiert nicht beliebigen Zwang, sondern legitime Herrschaft. Als normative Hintergrundstruktur der Machtausübung fungieren Hierarchieordnungen, mit denen die Verfügungsrechte in Unternehmen verteilt werden. Der Terminus „Hierarchie“ darf dabei nicht den Blick dafür verstellen, dass auch flache Organisationen und dezentrale Entscheidungsprozesse durch Machtstrukturen und Weisungsbefugnisse gekennzeichnet sind (Kieser 1994). Innerhalb legitimierter Machtbeziehungen erfüllen Kommunikationsprozesse – ähnlich wie beim Marktmodell – eine unterstützende Funktion. Die asymmetrische Beziehung von Machthabern und Weisungsgebundenen führt zwangsläufig zu einem Primat der persuasiven Kommunikation. Unternehmen und Führungskräfte müssen aktiv kommunizieren, um Machtpotenziale konkret auszuschöpfen, d. h. um kollektiv verbindliche Entscheidungen mit Mitteln der Sprache oder Gestik direkt bekannt zu geben (Aufforderungen, Verbote) oder um Handlungssituationen durch Rollenerwartungen, Leitbilder und Prozessabläufe vorzustrukturieren. Die Ausdifferenzierung von Interessenlagen, Handlungsfeldern und Öffentlichkeiten in modernen Gesellschaften stellt immer neue Anforderungen an die Integrationsfähigkeit des betriebswirtschaftlichen Handelns. Dies ist nicht nur eine Frage von Produkteigenschaften und Leistungsmerkmalen, sondern vor allem von vorbereitenden und begleitenden Kommunikationsprozessen. Die Diskussion der in Abbildung 2 dargestellten Grundformen der sozialen Integration hat allerdings verdeutlicht, dass Kommunikation hierzu in durchaus unterschiedlicher Weise beiträgt, je nachdem, ob die Kommunikation zwischen Anwesenden (im Nahbereich) oder zwischen raumzeitlich getrennten Akteuren (im Fernbereich) stattfindet. Die zentrale Frage lautet nun, wie diese Grundmuster der kommunikativen Integration im Unternehmensalltag zum Tragen kommen. Für die Unternehmensführung ist es von entscheidender Bedeutung, die Kommunikationspolitik so zu strukturieren, dass zugleich die internen Wertschöpfungsziele erreicht werden (vgl. oben Abschnitt 3) und die strukturellen Rahmenbedingungen von Organisationen, Märkten und gesellschaftspolitischen Handlungsräumen berücksichtigt werden.
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5.
Ansgar Zerfaß
Theorie der Unternehmenskommunikation
Die Aufgabe der Unternehmensführung besteht darin, erfolgsträchtige Unternehmensstrategien zu formulieren, zu realisieren und durchzusetzen. Dazu ist es notwendig, eine Vielzahl divergierender Handlungen und Interessen aufeinander abzustimmen. Und eben dabei spielen Plandiskussionen, Arbeitsanweisungen, Verkaufsgespräche, Werbemaßnahmen, Pressekonferenzen, Konsumentendialoge und Imagekampagnen und ähnliche Maßnahmen eine zentrale Rolle. Diese Kommunikationsprozesse, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird und die insbesondere zur internen und externen Handlungskoordination sowie Interessenklärung zwischen Unternehmen und ihren Bezugsgruppen (Stakeholdern) beitragen, bezeichnet man als Unternehmenskommunikation. Dies betrifft zum einen die Steuerung des Realgüterprozesses im Organisationsfeld (interne Unternehmenskommunikation) und zum anderen die Gestaltung marktlicher und gesellschaftspolitischer Beziehungen (externe Unternehmenskommunikation).2 Ausgeblendet werden dagegen jene Kommunikationsprozesse, bei denen Akteure nicht in Ansehung ihrer Rolle als Organisationsmitglieder handeln, und die deshalb auch nicht den strukturellen Merkmalen der Unternehmenstätigkeit unterliegen. Die Grenzen sind natürlich fließend: während der private Plausch am Arbeitsplatz allseits üblich ist, mag es im informellen Gespräch nach Feierabend durchaus noch um das Pro und Contra einer neuen Absatzstrategie gehen. Ob mit einer Kommunikationshandlung ein Beitrag zum korporativen Handlungsvollzug geleistet wird oder nicht, lässt sich letztlich nur aus Sicht der Beteiligten beurteilen. Kommunikationsprozesse, an denen Organisationsmitglieder in anderen Rollen teilnehmen, sind dennoch nicht ohne Bedeutung für die Unternehmensstrategie. Sie bestimmen ebenso wie weitere gesellschaftliche Entwicklungen, z. B. die Energiesteuerdiskussion in politischen Kreisen, den sozialen Kontext der Leistungserstellung. Insofern erlangen Klatsch und Gerüchte unter den Mitarbeitern (Bruhn/Wunderlich 2004) einen ähnlichen Stellenwert wie die wirtschaftspolitische Agenda der Massenmedien: In beiden Fällen gilt es, ein systematisches Issues Monitoring vorzunehmen, um die Anforderungen an die Unternehmenskommunikation rechtzeitig zu identifizieren und potenzielle Handlungsmöglichkeiten vorzubereiten (Kuhn/Ruff 2007). Um die empirischen Ausdifferenzierungen der Unternehmenskommunikation zu verstehen und sie selbst erfolgreich gestalten zu können, muss man sich vergegenwärtigen, dass die Interaktion zwischen Organisationsmitgliedern, Transaktionspartnern bzw. Wettbewerbern und sonstigen Stakeholdern unterschiedlichen Leitmotiven folgt. Dies ist kein Zufall und von der Unternehmensführung auch nicht beliebig beeinflussbar, sondern Ausfluss der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sowie der im vorherigen Abschnitt skizzierten gesell2
Eine ausführliche Rekonstruktion der in Betriebswirtschaftslehre und Marketingforschung üblichen Unterscheidung von (internem) Organisationsfeld, Marktumfeld und gesellschaftspolitischem Umfeld unter Bezugnahme auf den Stakeholder-Ansatz findet sich bei Zerfaß 2004: 248 ff. und 278 ff.
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement
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schaftlichen Integrationsformen. Im Organisationsfeld sind zwei unterschiedliche Referenzpunkte zu beachten: die direkte Kommunikation zwischen den verfassungskonstituierenden Organisationsmitgliedern und die administrative Koordination der übrigen Rollenträger. Im Markt muss man von einer prinzipiell tauschvertraglichen Abstimmung ausgehen. Die Integration im gesellschaftspolitischen Bereich stützt sich schließlich zugleich auf Reputation, geteilte Wertmuster und normierte Verfahren. Damit wird deutlich, dass die Unternehmenskommunikation durchaus unterschiedliche Aufgaben erfüllen muss, die sich in der begrifflichen Abgrenzung von Interner Kommunikation, Marktkommunikation und Public Relations (PR) widerspiegelt (vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3:
Unternehmenskommunikation und ihre Teilbereiche
Diese betriebswirtschaftlich, kommunikationswissenschaftlich und sozialtheoretisch fundierte Unterscheidung überwindet die offenkundigen Aporien zahlreicher Praktikertheorien und auch wissenschaftlicher Begriffsbildungen, die z. B. undifferenziert Unternehmenskommunikation mit PR gleichsetzen oder von „externer“ und „interner“ Öffentlichkeitsarbeit sprechen. Bei alledem darf natürlich nicht aus den Augen verloren werden, dass die verschiedenen Teilbereiche der Unternehmenskommunikation letztlich immer einem gemeinsamen Ziel, nämlich der Formulierung, Realisierung und Durchsetzung konkreter Unternehmensstrategien, verpflichtet bleiben. Von daher ist eine integrierte Kommunikationspolitik (Ahrens/Scherer/ Zerfaß 1996, Bruhn 2006) in diesem Verständnis der Unternehmenskommunikation von vornherein mit angelegt und keine Leerformel, sondern eine konstitutive Notwendigkeit.
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5.1
Ansgar Zerfaß
Interne Unternehmenskommunikation
Das Organisationsfeld umfasst alle Rollenträger, die zur arbeitsteiligen Formulierung und Realisierung konkreter Produkt-Markt-Konzepte beitragen. Dabei sind zwei Gruppen zu unterscheiden (Zerfaß 2004: 252 f.). Die verfassungskonstituierenden Organisationsmitglieder sind aufgrund vorgängiger gesellschaftlicher Vereinbarungen (Gesellschaftsrecht, Mitbestimmungsgesetze) prinzipiell berechtigt, die Zielsetzung und Politik des Unternehmens zu bestimmen. Mit der Verfassung wird ein kodifizierter Orientierungsrahmen geschaffen, dem weitere Organisationsmitglieder (Arbeitnehmer, Satellitenunternehmen in strategischen Netzwerken) verpflichtet bleiben, ohne ihn direkt beeinflussen zu können. Von daher wird deutlich, warum die kommunikative Sozialintegration hier zwei unterschiedlichen Leitprinzipien folgt. Die Interne Unternehmenskommunikation betrifft einerseits die verfassungskonstituierenden Beziehungen, bei denen man vom Grundsatz der direkten Kommunikation zwischen den Beteiligten ausgehen kann, und zweitens die laufende Strukturierung und Steuerung des Leistungsprozesses innerhalb des Verfassungsrahmens, die auf Delegationsbeziehungen (administrativer Macht, Einfluss, gemeinsamen Wertmustern) aufbaut.
5.1.1
Verfassungskonstituierende Beziehungen und Interne Kommunikation
Der grundlegende Charakter der Organisationsverfassung, die einen sozial verbindlichen Rahmen für die Unternehmenstätigkeit definiert, erfordert eine leistungsfähige und flexible Form der Interessenabstimmung zwischen den verfassungskonstituierenden Rollenträgern. Dies wird deutlich, wenn man sich den Prozess der Organisationsgenese vor Augen führt. Ein Unternehmen entsteht, wenn sich verschiedene Akteure zusammenfinden und eine gemeinsame Vision oder Strategie verfolgen. Dieses Ziel muss in grundlegenden Richtlinien konkretisiert werden, die den Unternehmenszweck explizieren (Produkt-Markt-Konzept), Mittelwahlen vorstrukturieren (Verfahrensrichtlinien) sowie die prinzipiellen Rechte und Pflichten einzelner Organisationsmitglieder definieren (Rollengefüge). Es geht letztlich um eine legitime Rahmenordnung für den arbeitsteiligen Aufgabenvollzug. Eine solche Basis lässt sich nur in gemeinsamen Handlungs- und Kommunikationszusammenhängen herstellen, in denen divergierende Zielvorstellungen und Situationsdeutungen miteinander abgestimmt werden können. Die Kommunikation wird in diesem Fall zur zentralen Quelle der sozialen Integration. Eine erste Aufgabe der Internen Kommunikation ist daher die Herstellung eines „generellen Orientierungskonsenses“ (Schimank 1992; vgl. auch Theis 1994: 273 ff.) zwischen den verfassungskonstituierenden Organisationsmitgliedern. Als Leitmotiv einer solchen kommunikativen Integration fungiert das Prinzip des direkten, jederzeit durch diskursive Elemente ergänzbaren Gesprächs zwischen Anwesenden. Dies spiegelt sich unter anderem in der Konstruktionslogik des Gesellschaftsrechts wider. Bei Personengesellschaften obliegt die
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement
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Konstitution und Veränderung der Organisationsverfassung den Gesellschaftern, wobei die Beschlussfassung grundsätzlich einstimmig erfolgen muss (§ 119 HGB). Dies erfordert einen Verständigungsprozess, der nur dann stabile Ergebnisse zeitigen wird, wenn er auf wechselseitigen Überzeugungsversuchen oder allseits akzeptierten Verhandlungsformen beruht. Bei Kapitalgesellschaften werden die Beschlüsse der Gesellschafter ausdrücklich in Versammlungen, d. h. in Anwesenheit der verfassungskonstituierenden Akteure oder ihrer Vertreter, gefasst (§ 48 GmbHG, § 118 ff. AktG). In Publikumsaktiengesellschaften wird die Interessenklärung faktisch jedoch nicht von der damit überforderten Hauptversammlung, sondern vom Aufsichtsrat und im Zuge direkter Absprachen zwischen den Mehrheitseignern geleistet. Dies gilt vor allem für mitbestimmte Unternehmen, in denen der Kreis der verfassungskonstituierenden Organisationsmitglieder um die Mitarbeitervertreter erweitert wird. In Aufsichtsräten und Eignerkonferenzen gelten aber wiederum die Prinzipien von Beratung und Verhandlung, d. h. der intentionalen Einflussnahme, sei es durch persuasive Vorgehensweisen oder durch argumentative Auseinandersetzungen. Im Gegensatz zu den Idealvorstellungen der ökonomischen Theorie geht es dabei keinesfalls nur um rationale Entscheidungen der beteiligten Akteure. Viele Organisationsziele und Strategien entstehen erst in dem jeweiligen Beziehungsgeflecht und sind durch ein hohes Maß an Emergenz gekennzeichnet (Ströh 2006). Für die hier diskutierten Kommunikationsprozesse eignen sich in erster Linie Plattformen und Medien, die eine direkte Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten ermöglichen. Neben Gesellschafterversammlungen, Hauptversammlungen und Aufsichtsratssitzungen sind dies beispielsweise Aktionärsbriefe, Geschäftsberichte, Roadshows und andere Maßnahmen der Investor Relations, mit denen die Kommunikationsbeziehungen zwischen den Kapitaleignern gestaltet werden (Kirchhoff/Piwinger 2007).
5.1.2
Organisationsbeziehungen und Interne Kommunikation
Jedes Unternehmen reicht als Handlungssystem weit über die verfassungskonstituierenden Beziehungen hinaus. Neben den Eigentümern umfasst die Organisation auch Mitarbeiter, Tochterfirmen und ggf. in Lieferanten- und Abnehmernetzwerken eingebundene Unternehmen, die gemeinsame Visionen haben und Strategien verfolgen. Diese Aufgaben werden in arbeitsteiligen Prozessen formuliert und realisiert. Den Kern der Unternehmenstätigkeit bildet damit ein Bündel von Steuerungsaktivitäten, mit denen die disparaten Handlungen verschiedener Organisationsmitglieder im Hinblick auf das gemeinsame strategische Ziel abgestimmt werden. Im Managementprozess wird eine Integrationsleistung erbracht, die unverzichtbare Voraussetzung des korporativen Handelns ist. Dieses Managementhandeln ist weitgehend kommunikativer Art: Im Rahmen der Planung und Kontrolle werden Informationen gesammelt und aufbereitet. Die Organisationsgestaltung schafft durch die Kommunikation von Rollenerwartungen, Verfahrensrichtlinien und Leitbildern integrationsfördernde Strukturen. Das Personalmanagement bemüht sich um den Aufbau und Erhalt der Humanressourcen; dazu dienen beispielsweise Beurteilungsgespräche und Schulungen. Der Führung (Leader-
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Ansgar Zerfaß
ship) kommt schließlich die Aufgabe zu, diese strukturellen und personellen Potenziale situationsgerecht zu aktivieren; dazu müssen Vorgesetzte ihre Mitarbeiter qua Kommunikation zum täglichen Arbeitsvollzug oder auch zur Infragestellung der bisherigen Routinen veranlassen. Dabei ist bedeutsam, dass die Beziehungen zwischen den einzelnen Aufgabenträgern durch die Organisationsverfassung vorstrukturiert werden, so dass sich das Problem der internen Handlungsabstimmung immer vor dem Hintergrund einer legitimierten Herrschaftsordnung stellt (Weber 1964: 38). Die beteiligten Akteure akzeptieren mit dem Eintritt in eine Unternehmung, d. h. mit dem Abschluss des Arbeits- oder Gesellschaftsvertrags, nämlich pauschal die in ihr vorherrschenden Strukturen (Kieser 1994: 217). Diese Strukturen wirken kontingenzentlastend, indem sie auf der Basis eines grundlegenden Orientierungskonsenses verschiedene Koordinationsmechanismen und -medien einführen. In vielen Fällen erübrigt sich dadurch der leistungsfähige, aber aufwendige und an die Kopräsenz der Beteiligten gebundene Grundmodus der direkten Kommunikation: Organisationsmitglieder „sind nicht genötigt, mit kommunikativen Mitteln Konsens zu erzielen“ (Habermas 1987b: 460); ihr Handeln steht – unabhängig von allen bürokratischen oder partizipativen Ausprägungen der Unternehmenskultur – stets „unter den Prämissen eines formell geregelten Interaktionsbereichs“ (ebd.). Diesen Punkt muss man im Auge behalten, wenn man über den systematischen Referenzpunkt der internen Unternehmenskommunikation nachdenkt. Populäre Konzepte der Selbstorganisation und des evolutionären Managements täuschen vielfach darüber hinweg, dass die Leistungsfähigkeit von Unternehmen letztlich auf legitimierten Beziehungsmustern beruht, die alle weiterführenden Prozesse der (Selbst-) Steuerung vorprägen (Kieser 1994). Das Zusammenspiel von Autorität und weiterführender Strukturierung mündet in ein Geflecht von formalen Hierarchieordnungen, Verfahrensvorschriften, unternehmensspezifischen Prestigeordnungen und gemeinsamen Wertkomplexen (Organisationskulturen). Diese Strukturen ermöglichen eine Integration, die – was gerade in Konzernen, Holdings und Netzwerken wichtig ist – räumliche und zeitliche Grenzen überwindet. Sie dienen gleichsam als Deckungsreserven, die im täglichen Handeln angezapft werden, um eine koordinierte Aufgabenerfüllung sicherzustellen. Gleichzeitig müssen immer wieder sinnvolle (Neu-) Strukturierungen vorgenommen werden, d. h. Visionen und Werte verändert sowie neue Wissensmuster etabliert werden. Damit wird deutlich, dass die Interne Kommunikation in zweifacher Weise zur sozialen Integration beiträgt. Strukturierende Kommunikation schafft über die Unternehmensverfassung hinausgehende Wertmuster, Weltbilder, innerbetriebliche Prestigeordnungen, innovationsfördernde Führungskulturen usw.; damit werden Erfolgspotenziale und immaterielles Kapital aufgebaut (vgl. oben Abschnitt 3). Mit solchen Maßnahmen werden unternehmensspezifische Integrationsformen generiert und legitimiert, die dann im Einzelfall in Anspruch genommen werden können. Ein klassisches Beispiel ist der systematische Aufbau des Images eines neuen Vorstandsvorsitzenden, das diesem unternehmensweit Einfluss verleihen soll. In diesem Zusammenhang kommt das ganze Spektrum der argumentativen, informativen und persuasiven Kommunikation zum Einsatz. Es reicht vom täglichen Gespräch mit Mitarbeitern (Führungskommunikation) über eigens inszenierte Diskussionsveranstaltungen (Mitarbeiter-
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement
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versammlungen) bis hin zu unternehmensweiten Medien (Mitarbeiterzeitschriften, Intranet, Corporate TV) (Mast 2007). Freilich ist zu beachten, dass sich Images und Vertrauensbeziehungen, die auf Überzeugung und guten Gründen beruhen, durch eine tendenziell höhere Stabilität auszeichnen. Die in gemeinsame Erfahrungszusammenhänge eingebettete, argumentative Kommunikation bietet sich deshalb als systematischer Fluchtpunkt an, wenn andere Vorgehensweisen versagen und der Aufbau gemeinsamer Orientierungsmuster von Grund auf angegangen werden muss. Das erklärt sich die Sinnstiftung argumentativer Führungsgespräche, Ethikzirkel und ähnlicher Formate, in denen die Legitimationsfrage direkt angegangen werden kann. Der spezifische Komplex der jeweiligen Unternehmensstruktur und -kultur (Hierarchie-, Prestige- und Wertordnungen, Verfahrensregeln) wird bei der laufenden Leistungserstellung in Anspruch genommen, um die disparaten Handlungen der Organisationsmitglieder miteinander abzustimmen. Die koordinierende Kommunikation trägt zum operativen Erfolg bei (vgl. oben Abschnitt 3) und orientiert sich an den bereits diskutierten Grundtypen der intentionalen und situationsbezogenen Einflussnahme im Fernbereich. Der prinzipielle Rekurspunkt ist die verfassungsmäßig abgesicherte, administrative Koordination. Sie beruht auf formaler Autorität und mündet in die Ausübung von Macht. Kommunikationshandlungen kommen dabei zum Einsatz, um kollektiv verbindliche Entscheidungen mit Mitteln der Sprache oder Gestik direkt bekannt zu geben (Führungskommunikation zwischen Vorgesetzten und Untergebenen) oder um Handlungssituationen durch die Vorgabe von Prämissen und Richtlinien vorzuprägen. Ergänzt und teilweise abgelöst wird dies durch Prestige- und Wertordnungen, mit denen viele Unternehmen die Nachteile bürokratischer Strukturen überwinden wollen. Kommunikative Handlungen nehmen dabei eine persuasive Gestalt an. Dies betrifft zunächst die reputationsgestützte Integration, bei der anerkannte Experten kommunikativen Einfluss ausüben, indem sie andere Organisationsmitglieder belehren und so auf ihre Absichten einwirken. Empirische Erscheinungsformen sind das professionelle Expertentum, das sich in Gremien und Ausschüssen aktualisiert, sowie informelle Kommunikationsnetzwerke zwischen Managern. Schließlich besteht selbst bei weitgehendem Verzicht auf formelle Richtlinien die Möglichkeit, divergierende Handlungen durch den Appell an gemeinsame Wertbindungen auf ein gemeinsames Ziel hin einzusteuern. Eine solche wertgestützte Integration liegt vor, wenn Vorgesetzte in Betriebsversammlungen und persönlichen Gesprächen („Management by walking around“) den Zusammenhalt, die Mythen und die Visionen des Unternehmens beschwören. Eine Kernvoraussetzung ist dabei neben einer hinreichend stabilen Wertordnung (Unternehmenskultur) die persönliche Integrität des Kommunikators, der diese Deckungsreserve „anzapfen“ will.
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5.2
Ansgar Zerfaß
Externe Unternehmenskommunikation
Das externe Umfeld der Unternehmung umfasst die Handlungsfelder von Markt und Gesellschaft, in denen arbeitsteilig realisierte Strategien durchgesetzt werden sollen. Im Kern geht es dort um eine „Werbung um Koalitionsteilnehmer“ (Staehle 1969: 385 ff.), um die Sicherung der notwendigen Beiträge von Transaktionspartnern (Bereitstellung und Abnahme von Gütern) und weiteren Stakeholdern (Gewährung von Handlungsspielräumen, Akzeptanz von Produkten und Produktionsprozessen). Die externe Unternehmenskommunikation leistet dabei einen entscheidenden Beitrag. Sie fördert die notwendigen Prozesse der Interessenabstimmung und Handlungskoordination im Marktumfeld, in dem die wirtschaftlichen Beziehungen mit Lieferanten, Abnehmern und Wettbewerbern gestaltet werden, sowie im gesellschaftspolitischen Umfeld, das die Gesamtheit aller regulativen Beziehungen im nicht-ökonomischen Bereich umfasst (vgl. Abbildung 3). Die externe Unternehmenskommunikation wird damit zum elementaren Bestandteil der Unternehmenstätigkeit. Sie beinhaltet ein Bündel von Aktivitäten, das im Prinzip von der Unternehmensführung und allen Mitarbeitern erbracht werden muss, jedoch in weiten Teilen an spezialisierte Abteilungen oder Agenturen delegiert wird. Diese Arbeitsteilung macht ein gezieltes Management der Kommunikation erforderlich (vgl. Abschnitt 6.2). Dabei muss man sich vergegenwärtigen, dass soziale Beziehungen im Markt und im gesellschaftspolitischen Umfeld auf prinzipiell unterschiedliche Weise integriert werden. Daher lassen sich zwei Teilbereiche der externen Unternehmenskommunikation unterscheiden. Die Marktkommunikation unterstützt die tauschvertragliche Handlungskoordination in der ökonomischen Sphäre. Sie umfasst alle kommunikativen Handlungen von Organisationsmitgliedern (Führungskräften, Kommunikationsverantwortlichen) und ihren Beauftragten (Agenturen), mit denen Transaktions- und Wettbewerbsbeziehungen gestaltet werden. Von Public Relations kann man dagegen sprechen, wenn die kommunikativen Beziehungen im gesellschaftspolitischen Umfeld zur Debatte stehen. Der Öffentlichkeitsarbeit obliegt es, die Unternehmensstrategie in den Handlungsfeldern von Politik, Bildung, Wissenschaft usw. durchzusetzen bzw. entsprechende Widerspruchspotenziale und gesellschaftliche Anforderungen in das organisatorische Entscheidungssystem einzuspeisen. Weil es in diesem Umfeld an vorgängig legitimierten Verfügungsordnungen wie Märkten und Hierarchien mangelt, dienen verschiedene Spielarten der intentionalen Einflussnahme (direkte Kommunikation, Reputation, geteilte Wertmuster) und normierte Verfahren (Rechtsetzung und Rechtsvollzug) als Leitbilder der Public Relations. Diese Abgrenzung von Marktkommunikation und Public Relations ist nicht beliebig, sondern ein Ausfluss unterschiedlicher Bezüge zur Unternehmensstrategie; sie wird in ähnlicher Weise von der angloamerikanischen Forschung zum Kommunikationsmanagement (Grunig/Grunig/Dozier 2006) vertreten.
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement
5.2.1
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Marktbeziehungen und Marktkommunikation
Märkte umfassen alle Handlungsvollzüge, die der Befriedigung von Bedürfnissen durch die Produktion, Distribution und Konsumtion von Gütern dienen. Unternehmen treffen hier auf eine Fülle anderer Organisationen, insbesondere auf (potenzielle) Wettbewerber und Transaktionspartner, Wirtschaftsverbände (Einkaufsgenossenschaften, Gewerkschaften) sowie auf Personen in ihrer Eigenschaft als Konsumenten und Arbeitnehmer. Die externe Durchsetzung von Unternehmensstrategien mündet deshalb in ein Problem der Handlungskoordination, d. h. der Allokation von Ressourcen, Produkten und Dienstleistungen. Dieses Problem wird in modernen Gesellschaften im Grundsatz durch Marktmechanismen gelöst, die Formen der parametrischen Anpassung, bei denen sich die Akteure an Preisen und Mengen orientieren und damit die Aktivitäten anderer als Daten in ihre eigenen Entscheidungsprozesse einbeziehen, mit erfolgsstrategischen Konkurrenzbeziehungen kombinieren, in denen die Beteiligten sich gegenseitig auszumanövrieren suchen (Peters 1993: 291 ff.). Die tauschvertragliche Koordination ermöglicht eine Handlungsabstimmung, die im Wesentlichen hinter dem Rücken der Akteure erfolgt. Kommunikationsprozesse kommen hier nur unterstützend zum Einsatz. Sie dienen als Mittel zum Zweck der situationsbezogenen Einwirkung, wenn Verträge qua Kommunikation angebahnt, ausgehandelt, erfüllt und kontrolliert werden. Darüber hinaus kann das Transaktionspotenzial von Wettbewerbern durch eine geeignete Kommunikationspolitik (Marktsignale, Werbedruck für eigene Produkte) erfolgsstrategisch beeinflusst werden. Die Marktkommunikation muss deshalb im Prinzip persuasiv angelegt sein. In der Marketingforschung wird zu Recht darauf hingewiesen, dass kommunikative Handlungen im ökonomischen Kontext die Adressaten letztlich „zu einem bestimmten Verhalten veranlassen sollen“ (Meffert 1986: 443): das Ziel sind nicht gemeinsame Orientierungen, sondern schlicht anschlussfähige Handlungen. Dabei kommen grundsätzlich zwei Vorgehensweisen in Betracht. Unternehmen können ihre Strategien im Markt primär dadurch durchsetzen, dass sie einen unmittelbaren Einfluss auf transaktionsrelevante Situationsmerkmale ausüben. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Werbebotschaften (Anzeigen, Rundfunkspots, Werbebanner im Internet) positive Kaufanreize wecken, die durch Maßnahmen der Verkaufsförderung (Warenproben, Produktvorführungen) und des persönlichen Verkaufs (direkte Vertragsanbahnung) verstärkt und spezifiziert werden (Bruhn 2005: 209 ff.) Ein eher indirekter Weg wird dagegen eingeschlagen, wenn man sich mit kommunikativen Mitteln um den Aufbau eines positiven Produkt- bzw. Unternehmensimages bemüht. Diese Vorgehensweise, die von der klassischen Marketingforschung häufig (und irreführend) als „Public Relations“ bezeichnet wird, bezeichnet man sinnvollerweise als Imagewerbung. Damit wird deutlich, dass es hier um eine sozialtechnologische Vorgehensweise geht, die ihre handlungsprägende Kraft nur vor dem Hintergrund einer legitimen Tauschordnung entfalten kann. Die reputationsgestützte Handlungsabstimmung wird an dieser Stelle zu einer derivativen Form der Marktkoordination. Unternehmens- und Markenimages bilden letztlich wieder Deckungsreserven, mit denen die Grenzen der qualitativen Produktdifferenzierung langfristig überwunden werden sollen. Sie können im konkreten Handlungsvollzug angezapft werden, um auf die Meinungsbildung anderer Einfluss zu nehmen, ohne im einzelnen Kompetenzen nachzuweisen, d. h. ohne beispielsweise die kon-
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Ansgar Zerfaß
kreten Eigenschaften eines Produktes hervorstellen zu müssen. Von entscheidender Bedeutung bleibt jedoch die Rückbindung an den nicht-intentionalen Marktmechanismus, durch die persuasiv erzeugte Images einem latenten Begründungsdruck entzogen werden. Auf diese Weise wird es möglich, mit Wissen des Konsumenten emotionale Erlebniswelten zu schaffen, die – z. B. in der Automobilwerbung – von den nachprüfbaren Qualitätsmerkmalen des Produktes abstrahieren und dennoch handlungsprägend wirken. Ein ähnliches Beispiel sind Sponsoringaktivitäten, mit denen erfolgsträchtige Produkt- und Firmenimages aufgebaut werden können, obwohl kein unmittelbarer Bezug zum jeweiligen Leistungsprofil besteht, etwa beim Sportsponsoring durch die Getränkeindustrie. Bei der direkten und indirekten Vorgehensweise ist allein unter Effizienzgesichtspunkten zu entscheiden, ob monologische oder dialogische, personale oder massenmediale Kommunikationsformen zum Einsatz kommen. Der unübersehbare Trend zur Online-Kommunikation im Marketing spiegelt deshalb vor allem die sinkende Kosten-Nutzen-Relation der klassischen Einwegkommunikation wider. Eine bedeutsame Rolle spielt auch die immer stärkere Ausdifferenzierung der Absatz- und Beschaffungsmärkte in vielschichtige Segmente, von denen viele (z. B. jugendliche Konsumenten) kaum noch über klassische Massenmedien erreichbar sind. Deshalb macht es Sinn, eigene Kommunikationsplattformen (Events, Themenwelten im Internet) zu schaffen und wichtige Zielgruppen direkt anzusprechen, beispielsweise durch Direktmarketing und Internet-Kommunikation unter Einbeziehung der interaktiven Möglichkeiten von Social SoftwareAnwendungen (Pleil/Zerfaß 2007). Davon zu unterscheiden sind argumentative Vorgehensweisen, die in der ökonomischen Sphäre immer dann notwendig werden, wenn die Spielregeln des Marktes oder deren Umsetzung im Einzelfall in Frage gestellt werden, so dass ein neuer, problemspezifischer Orientierungskonsens hergestellt werden muss. Beispiele für solche marketingethischen Initiativen sind Konsumentendialoge über strittige Aspekte der Produkt- und Vertriebspolitik (Nebenwirkungen von Kosmetika, Abrechnungspraxis von Telefongesellschaften), die mangels hinreichender Transparenz und Bewertbarkeit nicht vom Preissystem erfasst werden. Diese Dialogprozesse können fallbezogen angestoßen oder durch institutionalisierte Kommunikationsforen vorstrukturiert werden. Beispiele hierfür sind einerseits Kundenforen, in denen antizipierte oder bereits manifeste Problemlagen erörtert werden, andererseits Verbraucherabteilungen, Kundenbeiräte, Ombudsleute und Konsumenten-Hotlines (Raabe 1993: 148 ff.).
5.2.2
Gesellschaftspolitische Beziehungen und Public Relations
Das gesellschaftspolitische Umfeld der Unternehmenstätigkeit umfasst alle nichtökonomischen Handlungsfelder und Öffentlichkeiten. Diese Arenen von Politik, Wissenschaft, Kunst usw. definieren sich ebenso wie milieuspezifische und regionale Räume durch verschiedene Sinnbezüge und Rationalitätsvorstellungen, die sich deutlich von denjenigen des Organisationsfeldes und des Marktes unterscheiden. Unternehmen treffen dort auf eine Reihe höchst unterschiedlicher Stakeholder, z. B. Behörden, Parteien, Anwohner, Initiativgruppen und Nichtregierungsorganisationen (Greenpeace, Friends of the Earth, Fair Labour Association),
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement
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deren Handlungsweisen die Unternehmensstrategie beeinflussen oder die umgekehrt von der Unternehmenstätigkeit betroffen werden. Daraus resultieren Probleme der sozialen Integration, die nicht durch den Verweis auf vorgängig legitimierte Autoritätsbeziehungen oder Marktsysteme gelöst werden können. Im gesellschaftspolitischen Umfeld geht es um die Sicherung prinzipieller Handlungsspielräume und die Legitimation konkreter Strategien. Die Unternehmensführung muss versuchen, ihr Handeln und dessen Ergebnisse mit den strukturellen Imperativen der verschiedenen Lebensbereiche verträglich zu machen. Dies bedeutet keineswegs, dass bestimmte ProduktMarkt-Konzepte von allen Stakeholdern als gut und richtig anerkannt werden müssen. Es muss aber sichergestellt werden, dass problemadäquate Rahmenbedingungen für das betriebswirtschaftliche Handeln definiert werden, dass gesellschaftspolitische Unterstützungspotenziale für die Unternehmenstätigkeit aktiviert werden und dass die Strategie im Einzelfall legitimiert wird, wenn nichtökonomische Handlungsvollzüge durch betriebswirtschaftliche Aktivitäten beeinträchtigt werden. An dieser Stelle offenbart sich die duale Rolle der Unternehmensführung (Steinmann/Zerfaß 1993b, Zerfaß 2004: 262 ff.) in aller Deutlichkeit. Unternehmen kommunizieren mit gesellschaftlichen Bezugsgruppen in erster Linie, um ihre partikularen Gewinnziele zu erreichen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn man im politischen Raum Subventionen oder investitionsbegünstigende Steuergesetze einfordert und in der Wissenschaft technologisches Know-How akquiriert. Regulative Beziehungen können aber auch genutzt werden, um einen originären Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, um beispielsweise gesamtgesellschaftliche Lösungsprozesse anzustoßen oder strategiespezifische Konflikte im Dialog mit den jeweiligen Stakeholdern beizulegen. Die prinzipiellen Ziele der Public Relations lassen sich genauer bestimmen, wenn man sich mit dem Verhältnis von PR und sozialer Integration auseinandersetzt. Dazu muss der Gesamtkomplex der regulativen Beziehungen weiter ausdifferenziert werden. Ein großer Teil dieser Beziehungen wird durch Gesetze und Verordnungen vorstrukturiert. Das beste Beispiel sind die vielfältigen Interaktionen zwischen Unternehmen und Verwaltung, bei denen teilweise – z. B. bei Bebauungsplänen und Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen – auch Anwohner und andere Interessenvertreter einbezogen werden. In diesen Fällen der verfahrensregulierten Integration kommen persuasive und informative PR-Maßnahmen zur Anwendung. Bei Verhandlungen, Verwaltungsverfahren und anderen Formen der Rechtsanwendung geht es im Grundsatz darum, tragfähige Kompromisse zu finden. Dieser Teil der Unternehmenskommunikation wird in der Fachdiskussion nur selten thematisiert, weil er zumeist routinisiert und dezentralisiert vollzogen wird. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Publizitätsgesetzgebung, die das Unternehmen zu bestimmten Mitteilungshandlungen, z. B. zur Veröffentlichung von Bilanzen und Lageberichten, verpflichtet (Zitzmann/Fischer 2007) Damit entfällt die Frage, ob und über was kommuniziert werden soll. Auf einer nachgelagerten Ebene bestehen jedoch durchaus Profilierungschancen, z. B. durch die sachkundige Durchführung von Bilanzpressekonferenzen und die ansprechende Gestaltung von Geschäftsberichten. Aus strategischer Perspektive ist der zweite Teilbereich der regulativen Beziehungen von größerer Bedeutung. Er betrifft diejenigen Interaktionen mit nicht-ökonomischen Anspruchs-
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gruppen, die nicht explizit durch Rechtsnormen vorstrukturiert werden, aber dennoch ein latentes Konfliktpotenzial beinhalten. Beispiele finden sich in den Beziehungen zwischen Unternehmen und Standortkommunen, Anwohnern, Kritikergruppen, Kirchen und Wissenschaftlern. In Ermangelung anderer Koordinationsmechanismen wird die Kommunikation hier zur zentralen Quelle der sozialen Integration. Die kommunikative Integration im direkten Gespräch zwischen Anwesenden bietet sich immer dann an, wenn sich (potenzielle) Abstimmungsprobleme – wie dies etwa bei Nachbarschaftskonflikten der Fall ist – in Zeit und Raum lokalisieren lassen. Praktische Beispiele hierfür sind Unternehmens- und Stakeholderdialoge (Zerfaß 2004: 367 ff., Steinmann/Zerfaß 1993a), die inzwischen vielfach durchgeführt werden und als Ausformungen der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit (Burkart 2005) bzw. der dialogorientierten Unternehmenskommunikation (Bentele/Steinmann/Zerfaß 1996) gelten. Die argumentative Erarbeitung gemeinsamer Orientierungsmuster bleibt zugleich der systematische Bezugspunkt für alle generalisierten Integrationsformen im Fernbereich. Argumentationsprozesse sind für Legitimitätsfragen unverzichtbar, weil sie eine Thematisierung von Interessen- und Wertkonflikten ermöglichen. Sie sind aber auch in ökonomischer Hinsicht unverzichtbar, weil es in den hier angesprochenen Fällen an vorgängig legitimierten Hierarchie- und Marktordnungen mangelt. Der latente Druck zur direkten Kommunikation lässt sich allerdings abschwächen, wenn generalisierte Integrationsmechanismen aufgebaut und eingesetzt werden. Public Relations leisten dabei einen zweifachen Beitrag. Unternehmenskommunikation ist notwendig, um strukturelle Deckungsreserven wie Prestige-, Wert- und Rechtsordnungen aufzubauen, und sie spielen eine Rolle, wenn auf dieser Grundlage strittige Situationsdeutungen, Mittelwahlen und Zwecksetzungen miteinander abgestimmt werden. Die zugrunde liegenden Modi wurden bereits dargestellt: Bei der reputationsgestützten Integration werden Images und Prestigeordnungen aufgebaut, die dann in Anspruch genommen werden können, um sozialen Einfluss auszuüben. Hier setzen verschiedene Formen der Kommunikation an, mit denen sich Unternehmen selbst darstellen oder zu Themen der Zeit Stellung beziehen. Eine konkrete Rechtfertigung erübrigt sich ferner, wenn ein Unternehmen bei gesellschaftspolitischen Konflikten auf Einheit stiftende Wertordnungen verweisen kann und damit eine wertgestützte Integration nutzt. Beide Vorgehensweisen ermöglichen eine Integration zwischen raumzeitlich getrennten Akteuren durch persuasive und informative PR-Programme und Kampagnen. Sie bleiben jedoch letztlich auf die gleichen kommunikativen Ressourcen angewiesen, die aus dem Nahbereich bekannt sind. Gesellschaftsweite Reputation und moralische Integrität können nicht instrumentell erzwungen, sondern nur vertrauensvoll erworben werden. Diese argumentative Basis ist der entscheidende Unterschied zur Imagepolitik innerhalb von Organisationen und im Marktumfeld, bei der es von vornherein darum geht, persuasive Kommunikationsformen zu entlasten. Begründungsabbrüche, die dort unter Verweis auf den Gesellschaftsbzw. Arbeitsvertrag oder die faktische Selektionskraft des Marktes möglich sind, verbieten sich im Bereich der regulativen Beziehungen. Das ist der tiefere Grund für die strategische Bedeutung der gesellschaftspolitischen Kommunikation: Public Relations bewegen sich in einem nur schwach geregelten Raum, in dem die vorhandenen Orientierungsmuster selbst aufgebaut werden müssen. Dies lässt einerseits
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Gestaltungsfreiräume für proaktives Handeln, z. B. für innovative Formen der Dialogkommunikation und die soziale Positionierung ganzer Unternehmungen. Andererseits ist es sehr schwierig, langfristig handlungsprägende Strukturen zu etablieren. Die Pluralisierung von Lebensformen führt dazu, dass es die Öffentlichkeitsarbeit mit immer neuen Ansprüchen und Stakeholdern zu tun hat. Soziale Integration wird hier nur gelingen, wenn ein breites Spektrum situationsadäquater PR-Strategien zur Anwendung kommt. Die verfahrensregulierte Integration kommt in diesem Zusammenhang erneut ins Spiel, weil Public Relations nicht nur zur Etablierung von Prestige- und Wertordnungen, sondern auch zur Weiterentwicklung der Rechtsordnung beitragen können. Die strukturierende Rechtskommunikation zielt auf die Grundlegung und Modifikation von Verfügungsordnungen, z. B. auf die Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft und Unternehmensordnung ab. Es mag aber auch um die Durchsetzung bzw. Verhinderung bestimmter Verfahrensregeln und Vorschriften gehen, wenn etwa der Entstehungsprozess branchenspezifischer Gesetze durch systematisches Lobbying beeinflusst wird. Auf diese Weise können weitere Teilbereiche der regulativen Beziehungen gesetzlich normiert (Verrechtlichung) oder auch von bisherigen Vorgaben befreit werden (Deregulierung). Hier offenbart sich das grundlegende Wechselspiel von Handeln und Struktur (Giddens 1984) nochmals in aller Deutlichkeit: erfolgreiche Public Relations tragen zur Veränderung des gesellschaftspolitischen Beziehungsgeflechts bei, modifizieren damit aber zugleich die Rahmenbedingungen ihres eigenen Handelns, das maßgeblich durch die Existenz gemeinsamer Spielregeln beeinflusst wird. Zudem verändern sich die Voraussetzungen der Markt- und Organisationskommunikation, wenn die gesetzlichen Grundlagen tauschvertraglicher und arbeitsrechtlich normierter Beziehungen qua PR beeinflusst werden. Dies ist ein weiterer Hinweis auf die Notwendigkeit einer integrierten Kommunikationspolitik (vgl. Abschnitt 6). Bei der Verfolgung der genannten PR-Ziele kann die Unternehmenskommunikation auf eine Fülle unterschiedlicher Vorgehensweisen und Instrumente zurückgreifen (Smith 2005: 117 ff., Cutlip/Center/Broom 2005, Zerfaß 2004: 358 ff.). Public Relations schaffen eigene Foren und Kommunikationskanäle, wenn sie Meinungsführerdialoge, Kamingespräche mit Politikern und Tage der offenen Tür initiieren oder Unternehmensmagazine, redaktionelle InternetAngebote und Corporate Weblogs (Zerfaß/Boelter 2005) publizieren. In vielen Fällen erweist es sich auch als sinnvoll, vorhandene Plattformen für PR-Zwecke der zu nutzen. Beispiele sind wissenschaftliche Kongresse und parteipolitische Veranstaltungen, bei denen Unternehmensvertreter mit einflussreichen Stakeholdern zusammentreffen. Immer bedeutsamer wird die Kommunikation in sozialen Netzwerken (van Dijk 2006), beispielsweise im Rahmen (regionaler) Innovationsinitiativen von Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur. Eine wesentliche Plattform ist ferner das Massenmediensystem, das mit einer Fülle verschiedener PR-Aktivitäten beschickt wird. Im Rahmen der Medienarbeit werden Journalisten als „Zwischenzielgruppe“ (Meckel/Will 2006: 290) angesprochen, um auf diesem Weg die Leser bzw. TV/Radio/Online-Nutzer als eigentliche Adressaten im gesellschaftspolitischen Umfeld zu erreichen. Das Spektrum der Instrumente reicht von klassischen Pressemeldungen und Pressekonferenzen über die Inszenierung von publicityträchtigen Pseudo-Events bis hin zur Schaltung bezahlter Imageanzeigen, die sich an nicht-ökonomische Bezugsgruppen richten. Welche dieser Foren in welcher Weise genutzt werden, hängt von den situationsspezifischen
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Zielen der Unternehmenskommunikation ab. Die argumentative Basis der Public Relations verweist jedenfalls darauf, dass neben massenmedialem Know-How auch eine hinreichende Kompetenz in Fragen der personalen Kommunikation vorgehalten werden muss. Bei der Erarbeitung gemeinsamer Orientierungsmuster, an denen es gerade im gesellschaftspolitischen Umfeld immer wieder mangelt, stoßen publizistische Konzepte, die von Agenturen bis heute bevorzugt angeboten werden, nämlich rasch an ihre Grenzen. Deshalb muss eine konsequent unternehmensstrategisch ausgerichtete Public Relations personale und massenmediale, einseitige und zweiseitige, argumentative und persuasive, in lokalen Erfahrungsbereichen und abstrakten Kulturräumen stattfindende Kommunikationsmaßnahmen umfassen – eine Herausforderung, für die sich viele Unternehmen noch rüsten müssen.3
6.
Integrierte Kommunikation
Viele Unternehmen richten für Interne Kommunikation, Marktkommunikation und Public Relations unterschiedliche Abteilungen mit eigenen Budgets und Schwerpunktsetzungen ein. Dies liegt nahe, da die skizzierten Teilbereiche der Unternehmenskommunikation in unterschiedlicher Weise zur Realisierung und Durchsetzung der Strategie beitragen. Eine solche problemorientierte Aufspaltung findet sich auch im Dienstleistungsbereich (Agenturen), bei den Branchenverbänden, in der Aus- und Weiterbildung und nicht zuletzt in der Wissenschaft. Mit der notwendigen Spezialisierung geht jedoch immer wieder die Gefahr einher, dass der Bezug zur Gesamtstrategie aus den Augen verloren wird. Diese Problematik wird offenkundig, wenn PR-Fachleute für sich eine generelle Führungsrolle in Kommunikationsfragen reklamieren oder umgekehrt die Betriebswirtschaftslehre bis heute dazu neigt, Public Relations im Instrumentenkasten der Marketinglehre zu platzieren. Aus diesem Grund ist eine wohlverstandene Integration aller kommunikationspolitischen Aktivitäten in und von Unternehmungen notwendig: Unternehmenskommunikation kann immer dann einen optimalen Beitrag zur sozialen Integration leisten, wenn ihre Teilaspekte selbst miteinander abgestimmt sind. Integration meint dabei keinesfalls Einförmigkeit. Unterschiedliche Probleme erfordern selbstverständlich verschiedene Lösungen. Eine einheitlich durchsetzbare „Unique Communication Proposition“ muss deshalb eine Fiktion bleiben. Es muss jedoch immer wieder geprüft werden, ob durch die Koordination einzelner Kommunikationsaktivitäten ein eigenständiger Beitrag zum Unternehmenserfolg erbracht werden kann. 3
Interessante Perspektiven bietet hierbei die seit Mitte der 1990er Jahre entstandene, inzwischen sehr produktive PR-Forschung im deutschsprachigen Raum (im Überblick: Röttger 2004, Bentele/Fröhlich/Szyszka 2005) und im angloamerikanischen Umfeld (Grunig/Grunig/Dozier 2002, Toth 2006, Botan/Hazleton 2006).
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Solche positiven Wirkungen zeigen sich entweder in einer erhöhten Effizienz und / oder in einer Effektivitätssteigerung: Die Effizienzfrage bezieht sich hier auf die zweckmäßige Umsetzung gegebener Kommunikationsstrategien, also auf die Wahl geeigneter Mittel zur Planrealisierung („Are we doing things right?“). Integrationsbemühungen erscheinen zunächst sinnvoll, wenn die Abstimmung verschiedener Aktivitäten im Bereich der internen und externen Kommunikation positive Verstärkereffekte hervorruft. Im Prinzip geht es um eine Aufmerksamkeitssteigerung, die im Zeitalter der massenmedialen Reizüberflutung immer wichtiger wird. Die Effizienz lässt sich natürlich nicht nur über eine Nutzenmehrung, sondern auch durch Kostensenkungen verbessern. Ein weiteres Motiv für eine integrierte Kommunikationspolitik sind demnach Einsparungspotenziale, die z. B. durch die gemeinsame Nutzung von technischen und kreativen Ressourcen ausgeschöpft werden können. Zu denken wäre hier an gemeinsame Datenbanken, an die Bündelung von Aufträgen für Marken- und Reputationsanalysen oder Kunden- und Mitarbeiterbefragungen an Meinungsforschungsinstitute usw. Unabhängig davon stellt sich die Effektivitätsfrage, d. h. ob man überhaupt eine geeignete Kommunikationspolitik verfolgt oder ob diese verändert werden sollte („Are we doing the right things?“). Diese Frage betrifft die Eignung der Unternehmenskommunikation zur Beförderung der Unternehmensstrategie. Diese Eignung leidet Not, wenn einzelne Aktivitäten – z. B. Werbekampagnen, PR-Events und Führungsgespräche – misslingen. In besonders subtiler Weise ist sie freilich gefährdet, wenn grundsätzlich sinnvolle Handlungen widersprüchliche Wirkungen entfalten, d. h. wenn sich verschiedene Maßnahmen der internen und externen Kommunikation gegenseitig konterkarieren. Beispielsweise passt ein aggressives Auftreten als Preisbrecher im Markt kaum zu einem gesellschaftspolitischen Image, das den Gedanken einer umfassenden (und sicherlich nicht ohne ökonomischen Verzicht zu verwirklichenden) Fürsorge für Natur und Gesellschaft in den Vordergrund rückt. Eine integrierte Unternehmenskommunikation kann solche Widersprüche vermeiden, indem sie die aufgabenspezifischen Kommunikationsaktivitäten systematisch aufeinander abstimmt. Trotz dieser Überlegungen ist das seit Mitte der 1990er Jahre in der Marketingforschung (Bruhn 2006) und Unternehmenskommunikation (Ahrens/Scherer/Zerfaß 1995, Kirchner 2001) diskutierte Konzept der Integrierten Kommunikation nicht unumstritten. Zwar zeigen eine Vielzahl empirischer Erhebungen, dass die Abstimmung von Marktkommunikation, Public Relations und Interner Kommunikation große Optimierungspotenziale bietet. Andererseits, so fasst Rademacher treffend zusammen, scheint der Begriff in der Unternehmenspraxis „momentan den Höhepunkt seiner Unpopularität erreicht zu haben ... – schon finden sich Ausweichbegriffe wie «ganzheitlicher Ansatz», «360-Grad-Kommunikation» oder «Gesamtkommunikation»“ (Rademacher 2003: 2). Das liegt daran, dass viele Unternehmen und vor allem Agenturen „Integrierte Kommunikation“ nur als wohlklingendes Attribut verwenden, ohne aber dem Anspruch auch Taten folgen zu lassen. Außerdem führt die weiterhin vorherrschende Zuordnung von Marketing und PR zu verschiedenen Abteilungen und der unterschiedliche Ausbildungshintergrund der entsprechenden Fachleute fast zwangsläufig zu
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Interessenkonflikten, Ressourcenrangeleien und mangelnder Kooperationsfähigkeit (Bruhn/ Ahlers 2004: 78). Diese faktischen Unzulänglichkeiten sollten die Unternehmensführung jedoch nicht davon abhalten, die Wertschöpfungspotenziale der Integrierten Kommunikation auszuschöpfen und nach Lösungen zu suchen. Denn die Notwendigkeit ist unübersehbar (Zerfaß 2004: 309 ff.): Menschen nehmen in verschiedenen Lebenskontexten unterschiedliche Rollen wahr; man muss also immer damit rechnen, dass widersprüchliche Aussagen von Marktkommunikation, Interner Kommunikation und PR jederzeit wahrgenommen werden. Zudem erreichen Massenmedien und Kommunikationsplattformen wie das Internet eine Vielzahl von Rezipienten; auch deshalb ist eine Abschottung kaum möglich. Schließlich unterliegen Unternehmen den Spielregeln der öffentlichen Kommunikation (Theis-Berglmair 2007, Scheufele 2007) und ihrer Eigendynamik, insbesondere den Prozessen der Thematisierung im Mediensystem und der Beobachtung von Nischendiskussionen, z. B. in Weblogs und Intranets, durch Journalisten, die auf der Suche nach Nachrichten und Neuigkeiten sind. Im Prinzip können zwei Ansatzpunkte für Integrationsbemühungen unterschieden werden: die Ebene der eigentlichen Kommunikationsaktivitäten und der gesamte Bereich des Kommunikationsmanagements, d. h. der Steuerung von Kommunikationsprozessen in arbeitsteiligen Organisationen.
6.1
Integration von Kommunikationsmaßnahmen
Kommunikationsaktivitäten lassen sich in Erweiterung einer Systematik von Bruhn (2006: 66 ff.) in vierfacher Hinsicht harmonisieren (Zerfaß 2004: 311 ff. und 413): Die inhaltliche Integration bezieht sich auf die Abstimmung verschiedener Mitteilungshandlungen durch thematische Verbindungslinien, z. B. durch die Verwendung einheitlicher Leitmotive, Slogans, Kernbotschaften und Schlüsselbilder. Ein Beispiel ist der Schlüsselbegriff „BASF – The Chemical Company“, an dem sich die Unternehmenskommunikation des Konzerns seit mehreren Jahren ausrichtet. Dieses Motiv steht für eine facettenreiche Unternehmensphilosophie, die sich in Vision, Grundwerten und Leitlinien ausdifferenziert und beispielsweise auch die Verpflichtung zum verantwortlichen Handeln im Sinne eines „Sustainable Development“ umfasst. Naturgemäß werden diese Aspekte im Rahmen von Marktkommunikation, Public Relations und Interner Kommunikation in unterschiedlicher Weise betont; das gemeinsame Leitbild hebt aber stets den Bezug zur Gesamtstrategie hervor. Die formale Integration greift dabei unterstützend ein, indem sie einheitliche Gestaltungsprinzipien für alle Kommunikationsaktivitäten vorgibt. Hier geht es vor allem um Farben, Schrifttypen und Logos, mit denen sich die visuelle Unternehmenskommunikation (z. B.
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die Website und Broschüren von BASF) präsentieren. Durch den angestrebten Wiedererkennungseffekt soll sichergestellt werden, dass die Kommunikationspartner positive Erfahrungen bzw. Images aus verschiedenen Handlungsfeldern (z. B. Wissenschaft und Ökonomie) miteinander verknüpfen. Diese Form der Integration wird unter den Schlagworten „Corporate Identity“ und „Corporate Design“ seit den 1980er Jahren intensiv propagiert (Herbst 2006). Dementsprechend ist es heute überwiegend Brauch, im Rahmen der Marktkommunikation und PR, seltener auch im Bereich der Internen Kommunikation, unternehmensweit einheitliche Gestaltungsmerkmale zu berücksichtigen. Allerdings gilt dies vielfach nur für gedruckte Materialien. Im digitalen Bereich (Präsentationen, Websites) ist auch in Großunternehmen immer wieder „Wildwuchs“ erkennbar. Schwieriger realisierbar ist die zeitliche Integration verschiedener Kommunikationsaktivitäten. Zentrale Aussagen sind nur dann glaubwürdig, wenn eine gewisse Kontinuität im Zeitablauf sichergestellt wird. Bekenntnisse zur sozialen Verantwortung oder technologischen Führerschaft dürfen also keine Eintagsfliegen im Rahmen befristeter Kampagnen bleiben; sie müssen vielmehr langfristig und in möglichst vielen Arenen kommuniziert werden. Vor allem aber sollten krasse Fehler wie die gleichzeitige Ankündigung von Stellenstreichungen und der Erhöhung von Vorstandsgehältern vermieden werden – auch wenn die beiden Punkte ursächlich nichts miteinander zu tun haben und sich an unterschiedliche Stakeholder wenden, werden sie doch unweigerlich miteinander verknüpft und können so einen nachhaltigen Reputationsschaden hervorrufen. Die dramaturgische Integration betrifft die konsequente Abstimmung aller Kommunikationsaktivitäten im Hinblick auf ihre Wirkung im Rahmen von Kampagnen, also von Kommunikationskonzepten, die sich von einem klaren Positionierungsziel ausgehend erst im Umsetzungsprozess herausbilden und laufend verändern (Zerfaß 2004: 413). Kampagnen sind im Unterschied zu klassischen Kommunikationsprogrammen non-linear, crossmedial, zeitlich befristet, thematisch eng fokussiert und vor allem dramaturgisch angelegt (Röttger 2007). Beispiele sind erfolgreiche Kommunikationskampagnen von Greenpeace (Brent Spar) oder politische Kampagnen (Agenda 2010, Initiative Soziale Marktwirtschaft). Die Reaktionen von Gegnern, Massenmedien, Rezipienten, politischen Entscheidern und insbesondere von Meinungsführern werden in die Fortentwicklung der eigenen Kommunikation einbezogen und soweit möglich sogar einkalkuliert werden. Die dramaturgische Integration setzt vor allem eine konsequente Crossmedia-Prozessorganisation voraus (Mast 2003: 27 ff.). Ausgangspunkt sind hierbei im Sinne eines umfassenden Issues Management (Ingenhoff 2004, Kuhn/Ruff 2007) die als relevant erachteten Themen bzw. Inhalte (und nicht die Kommunikationskanäle). Eine integrierte Medienredaktion bzw. ein nach dem Vorbild von Zeitungsredaktionen organisierter Newsroom für die Unternehmenskommunikation kann dann mit Hilfe eines einheitlichen, datenbankgestützten Content-Pools und regelmäßiger Abstimmungsroutinen alle Kommunikationskanäle effizient steuern, systematische Querbezüge anlegen und vor allem jederzeit auf veränderte Rahmenbedingungen (Mediennutzung der Rezipienten, Aktionen von Wettbewerbern) reagieren.
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Ansgar Zerfaß
6.2
Integriertes Kommunikationsmanagement und Kommunikationscontrolling
Die skizzierten Integrationsziele können nur erreicht werden, wenn die Unternehmensführung die Bedingungen für eine Abstimmung aller Kommunikationsmaßnahmen schafft. Dabei muss man sich von der Vorstellung lösen, dass sich die Komplexität der Unternehmenskommunikation bewältigen lässt, wenn man immer präzisere inhaltliche Pläne aufstellt und diese dann möglichst schnell und reibungslos umsetzt. Damit kann man allenfalls selbst initiierte oder vorhersehbare Kommunikationsaktivitäten aufeinander abzustimmen. Insofern macht es dann auch durchaus Sinn, eine kommunikative Leitidee zu formulieren und sie in allen Umfeldern der Unternehmenstätigkeit situationsgerecht umzusetzen. Darüber hinaus wird es aber immer wieder notwendig sein, spontane Anfragen von Konsumenten, Journalisten, Bürgerinitiativen und Mitarbeitern schlüssig und konsistent zu beantworten. Hier helfen auch noch so ausgetüftelte Pläne aus den Schubladen der besten Kommunikationsabteilungen nicht mehr weiter. Man muss also nach Steuerungskonzeptionen Ausschau halten, die den Forderungen nach einer integrierten Kommunikationspolitik auch dann gerecht werden, wenn es um extern angestoßene Ad-hoc-Kommunikationsaktivitäten geht. Hier sind moderne Konzepte des Kommunikationsmanagements und des Kommunikationscontrollings gefragt.
Definition: Kommunikationsmanagement und Kommunikationscontrolling Als Kommunikationsmanagement bezeichnet man den Prozess der Planung, Organisation und Kontrolle der Unternehmenskommunikation. Typische Phasen und damit Wertschöpfungsstufen des Kommunikationsmanagements sind die Situationsanalyse (Bezugsgruppen / Stakeholder, Themen / Issues, Images / Meinungen, eigene Potenziale), darauf aufbauend die Entwicklung und Umsetzung von Kommunikationsstrategien, Programmen / Kampagnen und Einzelmaßnahmen, sowie die Evaluation der Ergebnisse. Darüber hinaus ist eine begleitende Prozesskontrolle vorzusehen, um erfolgskritische Meilensteine im Auge zu behalten und unvorgesehene Änderungen aufzufangen (Schulz 2002: 533 ff., Mast 2006: 123 ff., Bentele/Nothhaft 2007). Das Kommunikationscontrolling steuert und unterstützt den arbeitsteiligen Prozess des Kommunikationsmanagements, indem Strategie-, Prozess-, Ergebnis- und FinanzTransparenz geschaffen sowie geeignete Methoden, Strukturen und Kennzahlen für die Planung, Umsetzung und Kontrolle der Unternehmenskommunikation bereitgestellt werden.
Die Voraussetzungen für eine wertschöpfende Unternehmenskommunikation müssen auf mehreren Ebenen geschaffen werden. Abbildung 4 verdeutlicht die entsprechenden Zusammenhänge: die Unternehmensführung muss mit Hilfe des Kommunikationscontrollings die notwendigen Methoden, Strukturen und Kennzahlen bereitstellen, die einen professionellen
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Managementprozess der Kommunikation ermöglichen und unterstützen. Dem Kommunikationsmanagement obliegt es dann, spezifische Strategien, Programme und Kampagnen für die Unternehmenskommunikation zu entwickeln, umzusetzen und zu kontrollieren. Möglichkeiten zur Differenzierung und Profilierung ergeben sich auf allen Ebenen. Wer Wettbewerbsvorteile erzielen will, sollte sich allerdings in erster Linie darauf konzentrieren, intelligente Controlling- und Managementkonzepte zu implementieren. Diese Einsicht ist wichtig, da die Branchendiskussion sich zumeist um neue Trends bei Kommunikationsmitteln und Kampagnenstrategien dreht – das entsprechende Know-how ist jedoch weder unternehmens- noch strategiespezifisch und bei Bedarf leicht kopierbar.
Abbildung 4:
Steuerung und Kontrolle der Unternehmenskommunikation
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6.2.1
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Aufgaben der Unternehmensführung
Eine erfolgreiche Unternehmenskommunikation setzt voraus, dass die Kerngruppe (Vorstand, Geschäftsführung, informelle Entscheidungsträger) des Unternehmens die Relevanz der Kommunikationspolitik erkennt und dies im Rahmen der strategischen Unternehmensführung berücksichtigt. Dies betrifft zunächst die Gestaltung der Organisationsverfassung, -struktur und -kultur. Das Bekenntnis zu einer Integration des Unternehmens in Markt und Gesellschaft sowie einer kommunikativen Auseinandersetzung mit allen relevanten Stakeholdern sollte sich bereits in Visionen und Leitbildern niederschlagen. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass sich in der Mediengesellschaft langfristig nur das umsetzen lässt, was man auch kommunizieren (und legitimieren) kann. Gleichzeitig müssen die personellen und organisatorischen Voraussetzungen für das Kommunikationsmanagement und -controlling geschaffen werden. Es ist beispielsweise sicherzustellen, dass kompetente Mitarbeiter (Kommunikationsmanager) verfügbar sind (Klewes/van der Pütten 2007) und dass sie in den strategischen Managementprozess auf Unternehmens- und Geschäftsfeldebene eingebunden werden. Unverzichtbar erscheint hierbei der direkte Berichtsweg des Leiters bzw. der Leiterin Unternehmenskommunikation an den Vorstandsvorsitzenden oder Sprecher der Geschäftsführung (Argenti 2006, Grunig/Grunig/Dozier 2006: 38 ff.). Die Kommunikationsaufgabe kann freilich nicht vollständig an Fachleute delegiert werden. Deshalb müssen im Prinzip alle strategiekritischen Entscheidungsprozesse so gestaltet werden, dass die kommunikative und öffentlichkeitswirksame Dimension von allen Mitarbeitern systematisch mitbedacht wird. Hier bietet es sich an, auf die verpflichtende Kraft übergreifender Visionen und Richtlinien, z. B. einer tragfähigen Kommunikationsphilosophie und Corporate Identity, zu setzen. Zudem wird es notwendig sein, die Spielräume des Kommunikationsmanagements durch die Bereitstellung hinreichender Finanzbudgets so zu öffnen, wie es seiner strategischen Bedeutung entspricht. Die Organisationsstruktur muss in diesem Zusammenhang so ausgestaltet werden, das die „an der Basis“ und in den Beziehungen zu externen Stakeholdern anfallenden Informationen rechtzeitig registriert und für die ständige Neujustierung der Kommunikationspolitik genutzt werden können. Zielführend für das Integrierte Kommunikationsmanagement ist deshalb eine dezentral und multipersonal orientierte Prozessorganisation (Ahlers 2006). Denkbar sind beispielsweise Projektteams, in denen Außendienstmitarbeiter, Werbefachleute, Pressereferenten und Lobbyisten gemeinsam die Grundzüge einer kommunikativen Profilierung diskutieren und kontrollieren. Die Arbeit solcher Teams muss durch eine Koordinationsstelle oder -abteilung ergänzt werden, etwa durch einen Zentralstab „Unternehmenskommunikation“. Die entsprechenden Spezialisten nehmen notwendigerweise eher eine Katalysator- oder CoachingFunktion wahr. Sie müssen für den reibungslosen Ablauf der Management- und Controllingprozesse sorgen, können jedoch nicht alleine sämtliche Maßnahmen der Unternehmenskommunikation umsetzen. Darüber hinaus ist es selbstverständlich Aufgabe der Kommunikationsabteilung, Spezialwissen (z. B. im Bereich der Medienanalyse und der Evaluation) vorzuhalten und Routineaufgaben (z. B. Werbeträgerauswahl, Presseaussendungen) auszuführen. Ferner wird es unabdingbar sein, eine Richtlinienkompetenz in kommunikativen Kernfragen
Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement
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auszuüben und beispielsweise darauf zu achten, dass die Eckdaten der Integrierten Kommunikation (Corporate Design, Leitaussagen, Corporate Messages) von allen Mitarbeitern beachtet werden. Dem Personalmanagement kommt in dem hier skizzierten Konzept die Aufgabe zu, die integrative Unternehmenskommunikation durch den Aufbau und die Pflege entsprechender Humanressourcen zu unterstützen. Notwendig ist hier neben Methoden-, Kommunikationsund Kooperationskompetenz vor allem die Stärkung des Bewusstseins für eine Integrierte Unternehmenskommunikation. Dazu gilt es, die inhaltliche Orientierung an Abteilungsroutinen oder berufsständischen Idealen durch eine ganzheitliche Problemsicht zu ersetzen. Ein letztes Augenmerk gilt schließlich der ethischen Sensibilisierung der Mitarbeiter im Kommunikationsbereich (Bentele 2005). Dies ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil Kommunikationsprozesse zugleich ein Ausdruck moralischer Missstände (Schleichwerbung) und ein Mittel zu ihrer Überwindung (unternehmensethische Diskurse) sein können. Unabhängig von den grundsätzlichen Potenzialen, die Organisation und Personalmanagement anlegen, wird die Unternehmenskommunikation letztlich in vielen konkreten Einzelfällen realisiert. Deshalb ist es unabdingbar, dass die Vorgesetzten ihre Mitarbeiter im Rahmen der Führung (Leadership) zu profesioneller, integrierter Kommunikation anleiten und motivieren. Die genaue Ausgestaltung der Kommunikationsfunktion muss sich letztlich immer an der jeweiligen Unternehmensstrategie orientieren. Ob einzelne Mitarbeiter bzw. Abteilungen mit der Wahrnehmung bestimmter Teilaspekte des Kommunikationsmanagements oder mit der Sicherstellung des Integrationsgedankens beauftragt werden, hängt einzig und allein vom organisationsspezifischen Handlungskontext ab. Dies gilt auch für die Frage, welchem Teilbereich der Unternehmenskommunikation unter strategischen Gesichtspunkten die meiste Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. In Kleinbetrieben ist es denkbar, dass die (geplante) Unternehmenskommunikation weitgehend von einem Mitarbeiter verantwortet wird, so dass sich ein eigenständiges Integrationsmanagement erübrigt. In einem Weltkonzern wird die Interne Kommunikation zum zentralen Problem, weil Verfahrensrichtlinien und Wertmuster im Spannungsfeld von Einheit und Vielfalt verankert werden müssen. In der Konsumgüterindustrie nimmt die Marktkommunikation fast zwangsläufig eine dominante Rolle ein, weil eine große Zahl von Transaktions- und Wettbewerbsbeziehungen gesteuert werden muss. Dies spiegelt sich auch in der hierarchischen Stellung der entsprechenden Abteilungen wider. Demgegenüber wird ein Unternehmen, das primär Vorprodukte oder Investitionsgüter herstellt, aber in einem gesellschaftspolitisch sensiblen Feld agiert (Chemie, Energie, ein besonderes Augenmerk auf die Public Relations richten. Pauschale Plädoyers für eine Aufwertung einzelner Kommunikationsberufe und -funktionen oder für einheitliche Kommunikationsabteilungen gehen also am Kern der Sache, nämlich an der Frage nach der strategischen Notwendigkeit und Bedeutung solcher Entwicklungen, vorbei. Sinnvoll sind firmenspezifische Lösungen, die das Ziel des Integrierten Kommunikationsmanagements unter den jeweiligen Rahmenbedingungen bestmöglich verwirklichen.
60
6.2.2
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Dimensionen des Kommunikationscontrollings
Die Notwendigkeit eines systematischen Kommunikationscontrollings wird erst seit kurzem intensiv diskutiert (Pfannenberg/Zerfaß 2005, Piwinger/Porák 2005). Dabei darf Controlling keineswegs auf „Kontrolle“ reduziert werden. Das Kommunikationscontrolling ist vielmehr eine Unterstützungsfunktion, die Strategie-, Prozess-, Ergebnis- und Finanz-Transparenz schafft sowie geeignete Methoden, Strukturen und Kennzahlen für den arbeitsteiligen Prozess des Kommunikationsmanagement bereitstellt (Zerfaß 2005b: 201 ff.). Dies ist eine „Chefaufgabe“ für den Leiter bzw. die Leiterin Unternehmenskommunikation und wird dementsprechend vor allem „inhouse“ organisiert, teilweise unterstützt durch Projektmitarbeiter, die unternehmensspezifische Steuerungsmethoden (Scorecards) und Kennzahlensysteme entwerfen und implementieren. Das Kommunikationscontrolling umfasst ein breites Portfolio von Methoden (Zerfaß 2005b: 205), mit denen man verschiedenartige Fragestellungen beantworten kann. Im Kern lassen sich vier Aspekte unterscheiden: Ein erster Bereich des Kommunikationscontrollings betrifft die Schaffung von Transparenz und die Bereitstellung von Methoden für das Kommunikationsmanagement. Hier geht es um die Prozesse, mit denen Unternehmens- bzw. Organisationskommunikation gesteuert und kontrolliert wird. Mit Prozessanalysen (z. B. Integrations-Audits; vgl. Bruhn 2005: 186 ff.) kann man die organisatorische und personelle Ausgestaltung von Kommunikationsabteilungen, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten, den internen Workflow und Schnittstellen zu Dienstleistern evaluieren und optimieren. Mit diesen Methoden kann das TopManagement sicherstellen, dass das notwendige Potenzial für die Umsetzung einer sinnvollen und wertschöpfenden Kommunikationspolitik vorhanden ist. Das Kommunikationscontrolling unterstützt zweitens die Steuerung und Kontrolle der Kommunikationsstrategie. Hier geht es um die vielfach diskutierte, aber in der Praxis nur selten konsequent realisierte Verzahnung von Unternehmens- und Kommunikationsstrategie (Steyn 2006, Argenti 2006, Zerfaß 2005b, Bentele/Nothhaft 2007) und die Wertschöpfung durch Kommunikation (Pfannenberg/Zerfaß 2005), also den Beitrag, den die Kommunikation zur Erreichung der strategischen Ziele der Gesamtorganisation leistet. Im Mittelpunkt stehen Methoden, die eine Bestimmung kommunikativ geschaffener Werte ermöglichen (beispielsweise die Bewertung von Marken und Reputationskapital), sowie Ansätze, mit denen die Bedeutung der Kommunikation als Werttreiber für den Erfolg des Unternehmens nachgewiesen werden kann. Besonders geeignet hierfür sind Adaptionen der Balanced Scorecard (Zerfaß 2005a, Hering/Schuppener/Sommerhalder 2004). Ein dritter Aspekt des Kommunikationscontrollings betrifft Kommunikationsprogramme und -kampagnen. Bei PR-Konzeptionen, Informationskampagnen usw. muss beispielsweise sichergestellt werden, dass sie stringent und widerspruchsfrei aufgebaut sind und dass die Finanzmittel optimal verteilt werden. Mit Hilfe von Programmanalysen (z. B. einer Konzeptionsevaluation; vgl. Besson 2003: 110 ff.) können die Kommunikationsverantwortlichen die Performance einzelner Programme steuern und kontrollieren.
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Der vierte Bereich ist das Kommunikationscontrolling auf der Ebene der Kommunikationsmaßnahmen. Hier geht es um Transparenz und Methoden für die Steuerung und Kontrolle einzelner Aktivitäten, beispielsweise für die Pressearbeit, das Corporate Publishing (Mitarbeiter- und Kundenzeitschriften), die Durchführung von Veranstaltungen oder den Betrieb von Internetangeboten. Dies ist der klassische Bereich empirischer Forschungsmethoden im Zuge der Maßnahmenplanung sowie der Wirkungskontrolle (Watson/Noble 2005). Hier wird aus Sicht der Kommunikationsverantwortlichen gefragt, welche Effekte die Maßnahmen bei den avisierten Stakeholdern haben (werden). Für die Ergebnismessung – die immer im Nachhinein ansetzt – steht eine Vielzahl erprobter Methoden bereit, von Befragungen über die Medienresonanzanalyse bis zur Imagemessung, z. B. durch den international etablierten Reputation Quotient (Wiedmann/Fombrun/van Riel 2007).
6.2.3
Phasen des Kommunikationsmanagements
Das Management der Unternehmenskommunikation umfasst verschiedene Schritte, deren Zusammenhang und Abfolge dem klassischen Zyklus der Unternehmenssteuerung entsprechen (Bentele/Nothhaft 2007): In einer Analysephase muss die Ausgangssituation erfasst werden. Es geht zum einen um die systematische Erfassung des (kommunikativen) Beziehungsgeflechts zwischen der Unternehmung und den Stakeholdern innerhalb der Organisation, im Markt und im gesellschaftspolitischen Umfeld und zum anderen um die Themen und Meinungen, die in diesem Zusammenhang relevant sind. Hierbei spielen Image-, Reputations- und Meinungsanalysen, Mitarbeiter- und Kundenbefragungen sowie Issues- und Stakeholder-Monitoring eine wichtige Rolle. Ferner muss die kommunikative Ausgangssituation und das Leistungspotenzial der Unternehmung einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Diese Aspekte müssen vor dem Hintergrund der übergreifenden Unternehmensstrategie interpretiert und bewertet werden (Zerfaß 2004: 326 ff.). Die Planungsphase beinhaltet die Formulierung, Bewertung und Auswahl alternativer Kommunikationskonzepte. Dabei lassen sich mehrere Konkretisierungsstufen unterscheiden. Die Kommunikationsstrategie definiert, welche Ziele im Bereich der Internen Kommunikation, Marktkommunikation und Public Relations erreicht werden sollen, welche Stakeholder zu adressieren sind, welche Positionierung das Unternehmen anstrebt, welche Botschaften man vermitteln will und welche Kommunikationsmittel (Medien, Plattformen und Kanäle) sowie Themen dabei im Vordergrund stehen (Bentele/Nothhaft 2007). Im Rahmen der Taktik bzw. operativen Planung geht es dann darum, einzelne Maßnahmenbündel zu schnüren, Zeit- und Kostenpläne aufzustellen und Detailplanungen vorzunehmen. Die Realisierung betrifft die Umsetzung geplanter Kommunikationsmaßnahmen, beispielsweise die Durchführung von Pressekonferenzen, Stakeholderdialogen oder Werbekampagnen, sowie die Beteiligung an extern angestoßenen und deshalb weniger gut vorstrukturierbaren Kommunikationsprozessen (z. B. Anfragen von Journalisten und Politikern). Hier kommt das
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ganze Spektrum der persönlichen, medialen, massenmedialen und interaktiven Kommunikation zum Einsatz – von der Medienarbeit über die Erstellung redaktioneller Angebote und die Inszenierung von Events bis zu innovativen Formen der Online-Kommunikation. Die Kontrolle bzw. Evaluation greift zwei Problemstellungen auf (Zerfaß 2004: 374 ff.). Die (operative) Ergebniskontrolle prüft, inwiefern die formulierten Zielsetzungen durch die realisierten Kommunikationsaktivitäten erreicht wurden. Demgegenüber trägt die Prozesskontrolle dem Gedanken Rechnung, dass in den einzelnen Phasen des Kommunikationsmanagements immer wieder alternative Sichtweisen und Handlungsoptionen ausgeblendet werden müssen. Diese Selektivität ist mit großen Risiken behaftet, weil sich die Rahmenbedingungen der Unternehmenskommunikation im Verlauf des Steuerungsprozesses dynamisch weiterentwickeln. Die mitlaufende Prozesskontrolle nimmt hier eine kompensatorische Funktion wahr. In operativer Hinsicht ist kontinuierlich zu prüfen, ob die Zielerreichung eine Umsteuerung auf der Handlungsebene (Mittelebene) erforderlich macht (operative Prozesskontrolle). Darüber hinaus muss die Evaluation aber auch immer wieder die Triftigkeit der formulierten Ziele (strategische Prozesskontrolle) und letztlich sogar die Sinnfälligkeit des gesamten Steuerungsprozesses – dies verweist wiederum auf das Kommunikationscontrolling – in Frage stellen. Der seit mehreren Jahren zu beobachtende Professionalisierungsschub der Unternehmenskommunikation und die Vielzahl einschlägiger Qualifikationsangebote haben dazu geführt, dass die Methodik des Kommunikationsmanagements inzwischen vielfach bekannt ist. Das heißt aber keineswegs, dass dieses Wissen im Alltag auch angewendet wird. In vielen Unternehmen und Agenturen stehen immer noch die kreativen Maßnahmen im Vordergrund – notwendig ist aus Sicht der Unternehmensführung jedoch das Gegenteil: Integrierte Kommunikation muss sich konsequent an den strategischen Unternehmenszielen orientieren, mit Hilfe geeigneter Organisations-, Personal- und Führungsstrukturen im Unternehmen verankert werden und letztlich durch ein stringentes Controllingsystem und einen intelligenten Managementprozess gesteuert werden.
7.
Zusammenfassung und Perspektiven: Unternehmenskommunikation in der Netzwerkgesellschaft
Der vorliegende Beitrag hat gezeigt, dass sich eine Auseinandersetzung mit Fragen der Unternehmenskommunikation nicht an berufsständisch tradierten und auch in Managementkreisen weit verbreiteten, operativen Definitionen orientieren darf (z. B. „PR = Pressearbeit“ oder „Unternehmenskommunikation = PR“). Es muss vielmehr darum gehen, den Beitrag der
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Kommunikation zur wertorientierten Unternehmensführung („Innensicht“; vgl. Abschnitt 2 und 3) sowie zur Handlungskoordination, Interessenintegration und Situationsinterpretation mit relevanten Stakeholdern („Außensicht“; vgl. Abschnitt 4) zu verstehen und davon ausgehend ein tragfähiges Konzept der Unternehmenskommunikation (vgl. Abschnitt 5) zu entwickeln. Dieses kann dann im Rahmen eines strategisch verankerten, Integrierten Kommunikationsmanagements und Kommunikationscontrollings (vgl. Abschnitt 6) unternehmensspezifisch ausformuliert und implementiert werden. Während sich weite Teile der Wirtschaft erst auf den Weg machen, das hier skizzierte und insbesondere von DAX-Unternehmen bereits umgesetzte Konzept der Integrierten Kommunikation zu verwirklichen, zeichnet sich bereits die nächste Herausforderung ab: die Kommunikation in und von Unternehmensnetzwerken (Zerfaß 2004: 408 ff.). Die Globalisierung und Digitalisierung der Wirtschaft sowie die Konzentration auf Kernkompetenzen (Outsourcing/Insourcing) hat dazu geführt, dass Unternehmensnetzwerke weltweit an Bedeutung gewonnen haben. Der Begriff des Unternehmensnetzwerks verweist auf eine Organisationsform jenseits von Markt und Hierarchie, die dadurch gekennzeichnet ist, dass in ihr mehr als zwei Unternehmen dauerhaft eng zusammenarbeiten und die Koordination der arbeitsteiligen Handlungen maßgeblich auf dem dauerhaften Beziehungszusammenhang zwischen den Beteiligten beruht (Windeler 2001: 231 ff., Sydow/Windeler 2000). Sie manifestiert sich in freiwilligen Vereinbarungen und Verträgen mittlerer Spezifität, die sich deutlich von inhaltlich weitgehend unspezifischen Verträgen mit internen Organisationsmitgliedern (Arbeits-, Gesellschaftsverträge) und detaillierten Verträgen mit Marktpartnern abheben (Picot/Reichwald/Wigand 2003: 300 ff.). Beispiele sind Produktionsnetzwerke beispielsweise in der Schuhindustrie (Adidas, Nike) oder Medienwirtschaft (Filmprojekte) und Dienstleistungsverbünde (Immobilienvermittlung, Finanzberatung). Ein Spezialfall sind regionale Netzwerke bzw. Clusterinitiativen, die neben mehreren Unternehmen (Produzenten, Abnehmer, Zulieferer) auch Forschungseinrichtungen und unterstützende Institutionen (Verbände, Standortentwickler, Regierungen) einbeziehen und sich durch geographische und thematische Fokussierung auszeichnen (Porter 1990, Sölvell/Lindqvist/Ketels 2003: 18 ff.). Beispiele sind das kalifornische Silicon Valley als Zentrum der Informationstechnologie, das global agierende Ventilatoren-Cluster in Hohenlohe (Baden-Württemberg) und die Schuhindustrie im norditalienischen Montebelluna, die 75 Prozent aller weltweit verkauften Skistiefel herstellt (Schiele 2003). Eine Sonderform von Unternehmensnetzwerken sind virtuelle Unternehmen, bei denen die arbeitsteilige Leistung an verschiedenen Standorten erbracht und mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (insbesondere Telekooperation) zusammengeführt wird (Picot/Reichwald/Wigand 2003: 417 f.). Von entscheidender Bedeutung für die Unternehmenskommunikation ist, dass Unternehmensnetzwerke eigenständige Strukturen und keine Spielart bekannter Organisationsformen sind. Windeler (2001: 234 ff.) hat unter Bezugnahme auf die bereits erwähnte Strukturationstheorie von Giddens (1984) überzeugend nachgewiesen, dass der dauerhafte Beziehungszusammenhang in Unternehmensnetzwerken einen Modus der Integration und Koordination darstellt, der sich systematisch von denjenigen im Markt- und Organisationsumfeld abhebt. Daraus folgt zugleich, dass hier ein weiteres Handlungsfeld für die Unternehmenskommuni-
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kation vorliegt, das – weil es anderen Prinzipien folgt – auch begrifflich von der Internen Kommunikation, Marktkommunikation und Öffentlichkeitsarbeit abgegrenzt werden kann.
Definition: Netzwerkkommunikation Als Netzwerk-Kommunikation bezeichnet man alle kommunikativen Handlungen von Organisationen bzw. deren Repräsentanten, mit denen dauerhafte Beziehungen in Unternehmensnetzwerken, Clusterinitiativen und virtuellen Unternehmen gestaltet werden. Sie sind notwendig, um solche Systeme mittlerer Spezifität ins Leben zu rufen, gemeinsame Strategien und Schnittstellen zu definieren, arbeitsteilige Handlungen zu koordinieren sowie gegenüber Kunden, Wettbewerbern und weiteren Bezugsgruppen aufzutreten.
Die Netzwerkkommunikation umfasst einerseits die vor allem im Zuge der Gründung und laufenden Vertrauensbildung notwendige direkte Kommunikation zwischen den beteiligten Unternehmen und zum anderen bei der Leistungserstellung die reputations- und wertgestützte Kommunikation, die auf den Horizont geteilter Erfahrungen und spezifischer Fähigkeiten im Netzwerk rekurriert. Indem dies geschieht, werden die Strukturen des Unternehmensnetzwerks zugleich aktualisiert, modifiziert und reproduziert. In strategischer Hinsicht kann die Netzwerk-Kommunikation aufgrund der skizzierten Koordinationsformen im Spannungsfeld zwischen Interner Kommunikation und Public Relations verortet werden. Auf der Handlungsebene bedient sie sich – wie alle anderen Teilbereiche der Unternehmenskommunikation auch – des ganzen Spektrums massenmedialer, medialer und persönlicher Instrumente. Die Herausforderungen für die Unternehmenspraxis liegen auf der Hand: Bei der NetzwerkKommunikation geht es in erster Linie um die Gestaltung von Kommunikationsmaßnahmen, die jenseits der Identitäten und Botschaften der beteiligten Unternehmen ein eigenständiges Profil für das Netzwerk schaffen und dieses konsistent nach innen und außen vertreten. Dies ist deshalb besonders schwierig, weil es in Unternehmensnetzwerken keine verfassungsmäßig abgesicherte Führung gibt. Zudem führt eine erfolgreiche Positionierung des Netzwerks fast zwangsläufig dazu, dass die mitwirkenden Unternehmen und deren Images in den Hintergrund treten. Damit kommt die durch die Kommunikation bewirkte Wertsteigerung nur dem Netzwerk zugute. Aus Sicht der beteiligten Firmen ist das nicht unproblematisch, weil sich dieses immaterielle Kommunikationskapital nur schwer bewerten lässt und damit bei einem Ausscheiden aus dem Netzwerk gegebenenfalls verloren geht. Die Entwicklung erfolgreicher Kommunikationsstrategien für Netzwerke, in denen die meisten Unternehmen heute in der einen oder anderen Weise engagiert sind, bleibt deshalb eine wesentliche Herausforderung für die Unternehmensführung.
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Stakeholder-Management als Grundlage der Unternehmenskommunikation
71
Stakeholder-Management als Grundlage der Unternehmenskommunikation Matthias Karmasin
Der Beitrag diskutiert die Veränderungen in der Wahrnehmung und in der Struktur von Unternehmungen in der Medien- und Informationsgesellschaft. Der Umgang mit Öffentlichkeit macht sie zur öffentlich exponierten bzw. quasi-öffentlichen Organisation. Stakeholder Management – so eine Grundthese – ist eine unternehmerisch wie gesellschaftlich angemessene Reaktion auf diese Veränderungen. Unternehmenskommunikation ist unter diesem Paradigma anders aufzufassen: als die Organisation von Kommunikation und nicht als die Kommunikation der Organisation, sie ist Medienkommunikation und nicht Massenkommunikation, und nicht an Zielgruppen, sondern an Anspruchsgruppen auszurichten. Diese Differenzen zu anderen Positionen werden entfaltet und diskutiert. Abschließend werden Konsequenzen des Stakeholder-Ansatzes für die Gestaltung von Unternehmenskommunikation als Legitimationskommunikation skizziert.
1.
Der Stakeholder Approach
Betrachtet man die intensiven Diskussionen um den Stakeholder-Ansatz in Theorie und Praxis, in Kommunikationswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre, in Publikationen und bei Beratern, bei Konferenzen und Vorträgen, in Politik und Medien, dann kann man wohl davon ausgehen, dass er unterwegs in Richtung Mainstream ist. Im Kern stammt der Ansatz aus der (anglo-)amerikanischen Diskussion um strategisches Management und die Natur, Rolle,
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_3, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
72
Matthias Karmasin
Aufgabe und Verantwortung der Unternehmung in der modernen Gesellschaft und hat sich 1 von dort weg auf verschiedenste Theoriebereiche und Anwendungsfelder differenziert. Die Erweiterung der traditionellen betriebswirtschaftlichen Ansätze besteht mit Steinmann (1992, 1998) in dem grundlegenden Gedanken, dass sich eine Organisation nicht aus sich selbst definieren kann. Bezogen auf Managementprozesse impliziert dies nicht nur eine Abkehr von der tayloristisch-funktionalen hin zur kontroll-determinierten Managementstrategie (Rückgängigmachung der Arbeitsteilung im Sinne der Reintegration von Denken und Handeln), sondern auch eine Umkehr des strategischen und operativen Planungs- und Kontrollprozesses. In kommunikationswissenschaftlicher Perspektive impliziert der Stakeholder-Ansatz eine andere Auffassung der Organisationskommunikation und verlangt nach der Integration von Ansätzen gesellschaftsbezogener Unternehmensführung, Corporate Citizenship (Scherer/ Baumann 2007), sozialer Verantwortung etc. Die Kommunikation von Organisation und die Organisation von Kommunikation sollen dabei – vor dem Hintergrund der Medien- und Informationsgesellschaft – im Sinne einer Integration der Organisation in die Gesellschaft und einer Rückkehr derselben in die Organisation strukturiert werden. Öffentlichkeit ist dabei nicht mehr Ziel, sondern ebenso auch Korrektiv unternehmerischer Aktivitäten. Die stetig steigende theoretische und praktische Verbreitung und Verbreiterung der Stakeholder-Theorie hat auch zu einer Differenzierung und Ausweitung der Anwendungsfelder geführt. Der Stakeholder-Ansatz wird nach mehr als einem Jahrzehnt intensiver Diskussion als Fraktal definiert, das sich auf verschiedene Managementfunktionen und unternehmerische Handlungsfelder (wie strategisches Management, Marketing, Personalmanagement, Organisationsentwicklung, Projektmanagement, Controlling, Organisationskommunikation etc.) bezieht. Die Rede ist folglich von Stakeholder Strategy, Stakeholder Policy, Stakeholder Marketing, Stakeholder PR, Stakeholder-Controlling, Stakeholder-Rechnungslegung etc. Der Begriff Stakeholder findet sich in mannigfachen Corporate Missions, Leitbildern und politischen Statements und ist aus der Diskussion um Rolle, Natur und Aufgabe der Unternehmung in einer (post-)modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Auch wenn der Ansatz angesichts seiner Popularität von einer „universal theory for everything“ da und dort nicht weit entfernt scheint, zeigt sich, dass er doch heuristischen und praktischen Nutzen in vielen Kon2 texten entfalten kann. Diesen Differenzierungen kann hier nicht nachgespürt werden, sondern wir wollen nur die wesentlichen (paradigmatischen) Grundannahmen und Grundlagen des Stakeholder-Ansatzes diskutieren, die wir für die Gestaltung der internen und externen Unternehmenskommunikation für relevant halten. Diese sind: 1 Zur historischen Dimension des Ansatzes vgl. etwa Ambler/Wilson (1995). Der ursprünglich aus den USA
stammende Ansatz wurde von Freeman (1984, dt. 1991) für die Managementwissenschaft fruchtbar gemacht und durch Carroll (1996) weiterentwickelt. So kommt Frooman (1999: 191) zu folgendem Schluss: „Freeman's (1984) Strategic Management: A Stakeholder Approach brought stakeholder theory into the mainstream of management literature.“ Zur Darstellung rezenter und aktueller Ansätze vgl. den Sammelband von Clarkson (1998) und den Überblicksartikel von Donaldson/Preston (1995). Zur Diskussion von Convergent bzw. Divergent Stakeholder Theorie vgl. Jones/Wicks (1999) bzw. Freeman (1999) und zur Darstellung der Diskussion Post/Preston/Sachs (2002). 2 Vgl. dazu Karmasin (2005).
Stakeholder-Management als Grundlage der Unternehmenskommunikation
73
die Kommunikation von Organisation als die Organisation von Kommunikation; die Unternehmenskommunikation als Medienkommunikation; der Wandel von der Ziel- zur Anspruchsgruppe.
2.
Die Kommunikation von Organisation als die Organisation von Kommunikation
Die Rede von der „Informations- und Mediengesellschaft“ ist wie jeder Versuch, die Veränderungen unserer Welt auf einen einzigen Begriff zu bringen, fallibel. Trotz der Geschwindigkeit des Wandels und des ideologischen Gehaltes der Interpretationen lassen sich bestimmte Grundmuster der Veränderung zumindest in der Differenz gegenüber der sogenannten Dienstleistungs- oder Industriegesellschaft rekonstruieren. In kommunikativer Hinsicht betreffen diese Veränderungen vor allem die Vermittlung von Realität durch und via Medien und die Durchdringung einer Vielzahl von Lebensbereichen mit Medien. Begriffe und Konzepte wie die „Mediatisierung kommunikativen Handelns“ (Krotz 2001), die „Globalisierung von Öffentlichkeit“ (Karmasin/Winter 2002), die „Medienkultur“ (Flusser 1999) und die „informationstechnische Revolution“ (Castells 2002) umreißen diesen Strukturwandel. Die damit verbundene Konvergenz von Information und Öffentlichkeit tendiert auch dazu, spezielle organisatorische Arrangements hervorzubringen. Dies gilt nicht nur für Unternehmungen, die publizistische oder journalistische Leistungen als Kerngeschäft erbringen. Die informationstechnische Revolution schafft neue Formen der Produktion, der Allokation und des Konsums und bedingt neue Formen der Organisation (Castells 2002). Technologien wie das Internet, mobile Datenkommunikation, Datenbanksysteme oder intelligente und interaktive Analysewerkzeuge kommen in Form einer ganzen Reihe von Anwendungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zum Einsatz. Durch diese Anwendungen sollen Prozesse optimiert (E-Procurement, Supply Chain Management), Mitarbeiter produktiver eingebunden (Workflow-Management-Systeme), neue Kanäle zu Kunden und Partnern geöffnet (Chat-Anwendungen, E-Service, E-Commerce), Kosten reduziert (Customer Relationship Management) und das Wissen der Organisation erweitert werden (E-Learning, Collaborative Development, Field-Force-Automation). Der Umgang mit Information und Wissen und die Integration kommunikativer Prozesse wirken aber über die rein zweckrationale (strategische und operative) Dimension hinaus. Die Unternehmungen, die sich dieser Prozesse bedienen, verändern sich in Richtung sozialkontraktueller und interaktiver Organisationen, deren Grenzen und Funktionen nicht nur
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Matthias Karmasin
durch die Allokation von Ressourcen, sondern auch durch kommunikative Prozesse bestimmt sind. Der Prozess der Konvergenz und der Wandel von Organisation und Produktion führen im Zuge dieses Strukturwandels dazu, dass fast jede Unternehmung von Information abhängt, Wissen produziert und reproduziert, mit Öffentlichkeit operiert und auch dieser Öffentlichkeit ausgesetzt ist und von ihr abhängt. Es gibt keine „privaten“ Unternehmungen mehr, obwohl es privates Eigentum an Mitteln der Produktion und Distribution gibt. Die Unternehmung ist in der klassischen Formulierung von Dyllick (1992) eine „öffentlich exponierte“ bzw. quasiöffentliche (gesellschaftliche) Organisation, die durch das Verhältnis rekursiver Konstitution (Dualität und Rekursivität) von Organisation und Gesellschaft geprägt ist. Das Ergebnis des Strukturwandels sind Unternehmungen, die in je spezifischer Weise Content (und damit Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit) mit je spezifischen Intentionen produzieren, auch wenn ihre strategische Kernkompetenz in anderen Bereichen liegen mag.. Dieses Verständnis stellt auf das Verhältnis von Organisation und Öffentlichkeit ab und reflektiert die Doppelrolle der Unternehmung als Produzent von Sozialkapital (Ökonomie der Aufmerksamkeit, Organisation als Teil der Öffentlichkeit, Legitimation) und Realkapital (Ökonomie der Kommunikation und Produktion, Organisation als Teil der Gesellschaft, Identität). Der Stakeholder-Ansatz stellt auf dieses Verhältnis rekursiver Konstitution (Dualität und Rekursivität) von Organisation und Gesellschaft ab. Stakeholder Management ermöglicht via Integration von Interessen (Ansprüchen – „stakes“), die durch Entscheidungen der Unter3 nehmung getroffen werden und die diese betreffen, die „Rückkehr der Gesellschaft“ in die Organisation. Dadurch werden auch Mitgliedschaftsrechte und -pflichten in einer Organisation kommunikativ und interaktiv neu definiert. Post, Preston & Sachs (2002: 19) definieren: „The stakeholders in a corporation are the individuals and constituencies that contribute, either voluntarily or involuntarily, to its wealth-creating capacity and activities, and therefore its potential beneficiaries and/or risk bearers.” Primäre Stakeholder sind dabei über marktliche Prozesse mit der Unternehmung verbunden, sekundäre Stakeholder sind Gruppen, die über nicht-marktliche Prozesse mit der Unternehmung verbunden sind. Damit verbunden ist eine Redefinition des Begriffs Unternehmen. Post, Preston & Sachs (2002: 17) schreiben: „The corporation is an organization engaged in mobilizing resources for productive uses in order to create wealth and other benefits (and not to intentionally destroy wealth, increase risk, or cause harm) for its multiple constituents, or stakeholders” und (a. a. O.: 45) “Organ3 So untertiteln Ortmann, Sydow & Türk (1997) ihren Sammelband zur Organisationstheorie. Perrow (1996)
nennt unsere Kultur wohl zutreffend eine „Gesellschaft von Organisationen“. Dies entspricht auf betrieblicher Ebene auch der gesellschaftlichen Tendenz, dem Strukturwandel der Öffentlichkeit, im Besonderen der Auflösung von „Privatsphäre“ und „Öffentlichkeit“. So besehen ist auch das private Eigentum an Unternehmungen Gegenstand öffentlicher Diskussionen und öffentlicher Legitimationsdiskurse. Da Wirtschaft ja generell mit anderen gesellschaftlichen Systemen und Subsystemen verflochten ist, kann es so etwas wie Privatheit in diesem Bereich nur ansatzweise geben. Wirtschaft ist sui generis öffentlich.
Stakeholder-Management als Grundlage der Unternehmenskommunikation
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izational wealth is the summary measure of the capacity of an organization to create benefits for any and all of its stakeholders over the long term.” Dies wird in kritischer Perspektive (etwa Wheeler 2002) auch als Verschleierung von Interessensgegensätzen und Antagonien des Kapitalismus interpretiert. Der Stakeholder Approach sei kein „third way“, sondern nur ein Versuch, das Böse (i. e. die Unternehmen und ihr Gewinnstreben) zu maskieren. Wenn man hingegen in einer Art aufgeklärtem Realismus davon ausgeht, dass Unternehmungen generell weder der Ort des Guten noch der Ort des Bösen sind, dass Manager weder per se Verbrecher noch Heilige sind, dann geht es mehr um die Art und den Modus der Kommunikation über die Möglichkeiten und Grenzen der Integration der ethischen und der ökonomischen Vernunft. Die Art und die Qualität des Umganges mit der öffentlichen Exponiertheit, der „Öffentlichkeit“, und die Legitimation des unternehmerischen Handelns sind dabei nicht unbedingt von der absoluten Größe der Unternehmung abhängig, sondern von den Wirkungen, die diese auf ihre (relevanten) Umwelten bzw. Anspruchsgruppen („stakeholder“) hat. Die Verantwortung für diese Wirkungen und für die Regelung der konfliktären Wirkungen des Zieles der Gewinnerzielung (der Erzielung eines finanziellen Gleichgewichtes) können nicht an den Markt oder den Staat delegiert werden. Sie sind unternehmerische Kernaufgabe und damit vorrangige Verantwortung des Managements. Damit sind alle Unternehmungen, ob groß oder klein, ob profit oder non-profit, in ihrer Funktion als Stakholder-Plattform und in ihrer Bedeutung als zentrales Element moderner Gesellschaften gleichermaßen gefordert, denn Stakeholder Management fasst jede Organisation als Veranstaltung zur Maximierung der Erfüllung von Ansprüchen und der Sicherstellung der Wohlfahrt der Anspruchsgruppen und nicht als Veranstaltung zur Realisierung von Partikulärinteressen auf. Unternehmensführung in der Mediengesellschaft bzw. Medienkultur heißt also nicht nur, die Produktion und die Verwertung des realen Kapitals, sondern auch die Produktion und die Verwertung von Sozialkapital strategisch und operativ zu gestalten. Damit rücken die Organisation von Kommunikation und die Kommunikation der Organisation in den Mittelpunkt der Aufgaben des Managements. Es geht also nicht nur um den öffentlichkeitswirksamen und imageträchtigen Transport der Stellung der Organisation in der Gesellschaft (im Sinne von good corporate citizenship oder sozialer Verantwortung etc.), den Erhalt von Markenwerten oder die Reputationssicherung der Führungskräfte und nicht nur um die Kommunikation von Ansprüchen (im Sinne der operativen Abwicklung von Stakeholder-Dialogen, Stakeholder Assemblies etc.), sondern um eine kommunikative Restrukturierung der Organisation bzw. um eine Reorganisation der Kommunikation.
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3.
Matthias Karmasin
Die Unternehmenskommunikation als Medienkommunikation
Gemeinsam mit anderen aktuellen Theorien der PR und der Organisationskommunikation ist dem Stakeholder-Ansatz in diesem Kontext der Ausgangspunkt, nämlich dass eine Organisation nicht autonom existiert, sondern in ihre Umwelten auch kommunikativ integriert ist.4 Die Art dieser Integration ist aber unter den oben skizzierten Prämissen des Stakeholder-Ansatzes am Paradigma der Medienkommunikation und nicht an jenem der Massenkommunikation orientiert.
3.1
Unternehmenskommunikation als Massenkommunikation
Fasst man Unternehmenskommunikation als massenkommunikativen Prozess auf, so ist die Leitdifferenz aller Prozesse ein Unterschied von innen und außen. Die Organisation der Leistungserstellung und die Organisation der Kommunikation sind voneinander systematisch, aber auch operativ und managementpraktisch getrennte Prozesse. Die Organisation der Leistung wird in Input-Output-Relationen dargestellt. Ein wie immer geartetes Produkt (das natürlich auch virtuell oder eine Dienstleistung sein kann) wird in bestimmten organisatorischen Abläufen produziert. Dominante Rationalität hierbei ist die ökonomische Rationalität, d. h. die Realisierung eines möglichst günstigen Input-Output-Verhältnisses bei gleichzeitiger Realisierung von Zielgrößen, die in betriebswirtschaftlichen Kontexten messbar gemacht werden, wie Shareholder oder Stockholder Value, ROI, Cashflow, Umsatz, Gewinn etc. Die Organisation der Kommunikation orientiert sich an der Organisation des Verhältnisses zu Öffentlichkeit bzw. an dem Versuch, bestimmte Informationen über bestimmte kommunikative Kanäle („Gate Keeper“, „Opinion Leader“, „Events“, „Medien“) zu transportieren. Die Organisation erscheint dabei von außen betrachtet als eine Art „Black Box“, die bestimmte Güter und Dienstleistungen in einer bestimmten Qualität produziert. Transparenz wird nur strategisch hergestellt (etwa um den Imagewert zu steigern), und die Organisation schottet bestimmte Bereiche (etwa durch Firewalls, physische Zutrittskontrollen etc.) von der Öffentlichkeit ab, wie es die folgende Abbildung 1 skizziert.
4 Vgl. exemplarisch die Sammelbände von Bruhn/Schmidt/Tropp (2000), Röttger (1997), Szyszka (1999) und
die empirische Arbeit von Kirchner (2001). Der Begriff „Stakeholder“ findet sich etwa bei Avenarius (2000: 178 f.), Kirchner (2001: 43 ff.), Kunczik (1993: 183 f.) und Zimmermann (1998: 61 ff.).
Stakeholder-Management als Grundlage der Unternehmenskommunikation
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Abbildung 1: Der Kommunikationsprozess unter der Leitdifferenz von „innen“ und „außen“ Charakterisieren lässt sich dieser Ansatz durch eine geringe Verschränkung von Kommunikation über die Organisation und Leistungserstellung der Organisation und durch einen hohen Grad der Differenzierung von interner und externer Kommunikation. Die Grenzen der Organisation werden durch die Mitgliedschaft in der Organisation bestimmt und diese Grenzen stellen auch Grenzen der Mitentscheidung über die Struktur und den Ablauf der Produktion dar, denn dominantes Paradigma des Feedbacks ist die Hierarchie nach innen und die marktliche und börsliche Interaktion nach außen. Es besteht grosso modo keinerlei Möglichkeit, über kommunikative Prozesse in die Steuerung der Produktion und Leistungserstellung einzugreifen oder diese in den Ursachen und Wirkungen zu steuern. Ziel ist die Kommunikation über die Qualität der Güter und Dienstleistungen, die Kommunikation über die Organisation und ihre Mitglieder nach innen und nach außen. Die intendierte Wirkung ist nach außen die Steuerung von „Öffentlichkeiten“, d. h. die Steuerung von Messgrößen wie Bekanntheitsgrad (Impactwerte) und die Beeinflussung öffentlicher Meinungen, die Kreation von Images, das Herstellen von Beziehungen zu Finanzinvestoren, die Produktion von kommunikativem Mehrwert, das Aufrechterhalten eines Markenwertes etc. Nach innen wird kommunikativer Mehrwert in Form von Differenzierungsangeboten und Motivation vermittelt. Eine Verschränkung von Wissensmanagement, Innovationsmanagement, Personalentwicklung und PR findet nicht oder nur rudimentär statt.
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3.2
Matthias Karmasin
Unternehmenskommunikation als Stakeholderkommunikation
Der Stakeholder-Ansatz sieht die Organisation hingegen als Plattform für die Aushandlung der Interessen von Anspruchsgruppen. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht konsequenterweise die Kommunikation mit den Anspruchsgruppen. Die Leitdifferenz ist nicht innenaußen, sondern legitim-illegitim. Die Grenzen der kommunikativen Interaktion sind nicht die Grenzen der Organisation, sondern die Legitimität der Ansprüche. Transparenz und proaktive Kommunikation sind in diesen Prozessen dominante Leitmotive und nicht die Bewirtschaftung strategischen Vorsprungswissens. Öffentlichkeit konstituiert sich je spezifisch in Bezug auf die Organisation in einem Prozess der Interaktion und des Dialoges mit den Anspruchsgruppen, wie in Abbildung 2 exemplarisch und allgemein angeführt ist.
Abbildung 2:
Die Stakeholder-Perspektive
Konsequenterweise wird die Organisation (etwa mit Schmidt 2000) als kommunikatives Konstrukt aufgefasst. Organisation wird als Sinn und Wertstiftungsgemeinschaft begriffen, deren Grenzen eben auch kommunikativ sind. Normatives Ziel ist die Integration der Organisation in die Gesellschaft bzw. die Rückkehr der Gesellschaft in die Organisation (und nicht nur der Märkte). Die Organisation wird als offenes und öffentliches, zumindest jedoch öffentlich exponiertes soziales System interpretiert. Organisationskommunikation wird als Umgang mit der durch die Organisation selbst erzeugten Öffentlichkeit verstanden. Öffentlichkeitsar-
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beit ist damit als rekursive und auch selbstorganisierende Konstitution von Öffentlichkeit und als Prozess der Produktion und Reproduktion von je spezifischer organisatorischer Identität und Legitimation aufzufassen. Organisation wird als System der Unterscheidung und Entscheidung dahingehend begriffen, dass es einen Zusammenhang zwischen Leistungserstellung der Organisation und ihrem Verhältnis zu internen und externen, zu primären über Marktprozesse verbundenen und sekundären, nicht über Marktprozesse verbundenen, Anspruchsgruppen gibt. Die Interaktion folgt dem Paradigma des Dialoges und hat zum Ziel, nicht über die Anspruchsgruppen, sondern mit ihnen zu kommunizieren. Eine Verschränkung von Wissensmanagement, Innovationsmanagement, Personalentwicklung, Organisationsentwicklung und Kommunikation ist strategisch und operativ intendiert. Das zweite wesentliche Spezifikum des Stakeholder-Ansatzes in diesem Kontext ist die Strukturierung des strategischen und operativen Planungsprozesses. Da eine Organisation die Schlüsselfragen ihrer unternehmerischen Existenz („Why are we in this business?“) und die zentralen Fragen ihrer operativen Geschäftsfelder („What business are we in?“) nicht autonom beantworten kann, ist der Beginn des Prozesses der Planung auch kommunikativer Strategien nicht mehr als eine Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten aufzufassen, sondern im Gegenteil als deren Erweiterung. Die Anschlussfähigkeit einer Organisation an verschiedene Lebenswelten und die Produktion von Sozialkapital entsteht gerade nicht durch eine Selektionsleistung, die durch die strategische und operative Planung vorstrukturiert und durch das Management erbracht wird, sondern (paradoxerweise) durch die Erweiterung der strategischen Optionen. Kommunikationsmanagement im stakeholdertheoretischen Sinne bedeutet nicht, dass die Umwelt über den Filter der strategischen Planung wahrgenommen wird, sondern dass, ganz im Gegenteil, die Anspruchsgruppen die strategischen Optionen der Unternehmung definieren. Damit steht am Beginn des Managementprozesses nicht die Frage nach den Möglichkeiten und den Potenzialen der Unternehmung, sondern jene nach den Ansprüchen der Anspruchsgruppen. Der strategische Prozess der Öffentlichkeitsarbeit wird im StakeholderAnsatz also vom Kopf auf die Füße gestellt, denn die Kommunikation der Organisation wird durch Ansprüche, die von innen und außen an sie herangetragen werden, bestimmt und gesteuert. Der Unterschied von legitim und nicht-legitim als Leitdifferenz von stakeholderorientierter Kommunikation wird auch hier relevant. Die Akzeptanz der Stakeholder durch die Organisation, aber auch die Akzeptanz der kommunikativen Bemühungen der Organisation durch die Stakeholder als legitim und authentisch sind die Voraussetzungen für den Aufbau von Sozialkapital (Vertrauen, Reputation, Anschlussfähigkeit an Netzwerke etc). Eine Strategie, die konkrete Inhalte und Ziele a priori festschreibt und die Interaktion mit den Stakeholdern lediglich instrumentell und persuasiv, ist nicht geeignet, organisatorischen Erfolg im Sinne einer Besserstellung aller Anspruchsgruppen sicherzustellen (Levine/Locke/Searls/Weinberger 2000: 25 f.). Deshalb ist die Kommunikation mit den Stakeholdern auch als offener, rekursiver Prozess zu gestalten, in dessen Mittelpunkt die Definition der Organisation und ihrer Leistungen in Relation zu je spezifischen Ansprüchen und Anspruchsgruppen steht, wie es die Abbildungen 3 und 4 beschreiben.
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Abbildung 3:
Stakeholder-Strategien
Abbildung 4:
Multi-Stakeholder Processes (Quelle: Hemmati 2002: 211) 5
5 Zur genaueren Darstellung von MSP (Multi-Stakeholder Processes) und der operativen Umsetzung in flow
charts vgl. Hemmati (2002: 211 ff.).
Stakeholder-Management als Grundlage der Unternehmenskommunikation
4.
81
Von der Ziel- zur Anspruchsgruppe
Damit sind die Stakeholder nicht mehr Objekt der Organisation und ihrer Kommunikation, sondern sie sind Subjekt und Teil der Organisation. Die Stakeholder sind keine Zielgruppe. Die Übersicht in Abbildung 5 versucht, den Unterschied im Grundverständnis von Medien, Kommunikation, Steuerung und Koordination anhand des Begriffes der Zielgruppe bzw. Anspruchsgruppe deutlich zu machen. Diese Darstellung soll der Orientierung und Differenzierung zwischen beiden Ansätzen dienen.
Paradigma
Zielgruppe
o
Anspruchsgruppe
Koordinationsmodell
geschlossen Monolog Organisationssicht Märkte
o
offen Dialog Lebenswelt Netzwerke
Kommunikationsmodell
Persuasion „Kontrolle“ der Öffentlichkeit Komplexitätsreduktion bringt Sicherheit
o
Legitimation Aufmerksamkeit Komplexitätssteigerung (dann Reduktion) bringt Anschlussfähigkeit Medienkommunikation
Massenkommunikation Medienverständnis
Medien als Instrument der Kommunikation über Organisation
o
Medien als Infrastruktur Teil der Organisation ist Kommunikation
Steuerungsmodell
kommunikative Verhaltenssteuerung, Definition von Kommunikationskanälen
o
Selbststeuernde Kommunikationsnetzwerke (Interessenskoalition)
Integration von Kommunikation
gering Kommunikation und org. Leistung sind unabhängig Leistung ist Objekt
o
hoch Zusammenhang von Sozial- und Realkapital Organisation als ContentProvider und Plattform
Kommunikationsstrategie
Reaktiv, defensiv Informationstransfer Intention des Senders (Ziel: gemeinsamer Code)
o
Proaktiv Strategische Symbolverwendung (Kontingenz von Kommunikation)
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Organisationsstrategie
Abbildung 5:
Systemische Trennung „innen – außen“ (Eigentümer, Entscheider, Mitarbeiter) Mikro-Makro-PR
o
Betroffene werden zu Beteiligten (alle Stakeholder)
Zivilgesellschaft
Die Differenz von Ziel- und Anspruchsgruppe
Es geht also bei dieser Differenz nicht nur um eine begriffliche Spielerei, indem man den Begriff Zielgruppe durch einen andere (scheinbar aktuelleren) wie Stakeholder oder Anspruchsgruppe substituiert und ansonsten zur „PR as usual“ zurückkehrt, sondern ganz wesentlich auch um die materiellen, normativen Implikationen des Stakeholder-Ansatzes. So fasst Ulrich (1998: 443) zusammen: „Die Anerkennung der vorbehaltlosen republikanisch-öffentlichen Legitimationspflicht der Unternehmung mündet folgerichtig in die umfassende Perspektive des Stakeholder-Konzepts als jenes Konzepts, das die Unternehmung, verstanden als quasi-öffentliche Wertschöpfungsveranstaltung, vor den Horizont des prinzipiell unabgrenzbaren öffentlichen Legitimationsdiskurses in einer modernen Wirtschaftsbürgergesellschaft (civil society) stellt und diesen als den systematischen Ort der unternehmenspolitischen Moral erkennt: Im öffentlichen Deliberationsprozess unter mündigen Wirtschaftsbürgern hat sich die Geschäftsintegrität einer Unternehmensleitung zu bewähren, und nur in ihm lässt sie sich begründen.“ Während vor dem Hintergrund rein erfolgsstrategischer und ökonomischer Überlegungen nur Zielgruppen als relevant erachtet werden, die auch unmittelbar in ökonomischen Kategorien anschlussfähig sind (d. h. zumindest auf Frist gesehen Einzahlungen und Auszahlungen bewirken), ist aus stakeholdertheoretischer Perspektive eine Einbeziehung aller legitimen Ansprüche gefordert. Während Zielgruppen selektiv und einseitig mit Informationen versorgt werden, verlangt Stakeholderkommunikation nach Dialog. Einen paradigmatischen Abschied vom Konzept (und nicht nur vom Begriff) der „Zielgruppe“ deuten auch Konzepte wie „Dialogkommunikation“ (Lischka 2000, Zerfaß 1996), „verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit“ (Burkart 1996) und „Corporate Dialogue“ (Steinmann/Zerfaß 1993) an, die in eine ähnliche Richtung argumentieren. Verantwortung ist in personeller wie unternehmerischer Perspektive nicht mehr nur Verantwortung für die Organisation kommunikativer Prozesse, sondern auch Verantwortung für die Gestaltung der Qualität der Kommunikation.
Stakeholder-Management als Grundlage der Unternehmenskommunikation
5.
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Unternehmenskommunikation als Legitimationskommunikation
Was heißt dies für den praktischen Umgang mit Anspruchsgruppen? Es wird ja hier weniger um den Nachweis der universellen (idealen) Gültigkeit von Diskursregeln und dialogischen Prinzipien gehen, als um den praktischen Versuch, diesen (friedlichen) Pluralismus auch in konfliktären Situationen zum Durchbruch zu bringen. Eben weil es (vor allem interkulturell besehen) keine Einheit der Differenz von Legitimitätsansprüchen und Begründungen gibt, eben weil es zwar gut begründete Vorschläge, aber keine allgemein anerkannten Grundsätze für Konfliktlösungen gibt, weil ethische Diskurse nie in einem ethischen oder moralischen Vakuum stattfinden, ist es unmöglich, materielle Regeln aufzustellen. Es gibt paradoxerweise keine konsensualen Prinzipien, die über die Qualität von Prinzipien entscheiden. Aber es gibt die Möglichkeit, Konsens über Verfahrensweisen zur Regelung von Normkonflikten zu erzielen. Solche Regeln wären etwa: die – je situativ und lebensweltlich zu thematisierenden und transparent zu machenden – Regeln eines Diskurses (d. h. im Sinne eines diskursiv-deontologischen Minimalethos die Regeln eines fairen Prozesses, der die Anspruchsgruppen in ihrer Lebenswelt respektiert und sie als Organisationsbürger versteht), das Zugestehen erheblicher Argumente an andere (d. h., dass man andere in ihrer Andersartigkeit vorbehaltlos ernst nimmt – sie umfassend respektiert – und dass man anderen elementare Persönlichkeits- und Kommunikationsrechte zugesteht), der Versuch, vernünftig zu argumentieren (also auch Gegenargumente zuzulassen bzw. ein „let us agree to differ peacefully“ zu akzeptieren), Offenheit und Selbstreflexivität (Transparenz) herzustellen, d. h. zumindest, dass Informationen an alle Stakeholder gleich verteilt werden, dass die Kriterien für die Auswahl der Stakeholder offen gelegt werden,
dass die Kriterien für die Abwägung konfligierender Stakeholder-Interessen offen gelegt werden. In diesem Rahmen wird selbstverständlich auch die Absicht eines Großaktionärs, sein Kapital zu verzinsen, berücksichtigt werden. Es werden, kurz gesagt, weder ökonomische noch ethische Kriterien a priori ausgeschlossen. Die Frage ist allerdings, in welchem Kontext diese Absicht auch legitimierbar ist, und ob oben besagte Interessen mit genügend vernünftigen Argumenten ausgestattet sind, um ihre Realisierung (um welchen Preis?) gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Freeman & Evan (1993: 262) stellen klar: „The stakeholder theory does not give primacy to one stakeholder group over another, though there will surely be times when one group will benefit at the expense of others: In general, however, management must
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keep the relationships among stakeholders in balance. When these relationships become unbalanced, the survival of the firm is in jeopardy.” Es geht damit zusammenfassend nicht um Kommunikation, die sich einseitig oder gar persuasiv an bestimmte Gruppen richtet, sondern um den Versuch der Legitimation in einem Umfeld divergenter Interessen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Widersprüche, Konflikte und konfligierende Interessen treten in der Medienkultur im Kontext von Kommunikation – als Fakten und Fiktionen in Medienwirklichkeiten – hervor. Sie müssen daher zuerst im Kontext von (zumeist) öffentlicher Kommunikation bearbeitet werden und zwar auch dann, wenn die Ursachen für diese Konflikte „nur“ ethisch und nicht auch schon ökonomisch herleitbar scheinen. Aufgabe des Managements ist dabei die Organisation von kommunikativen Prozessen, die der Kommunikation von Ansprüchen und ihrer Umsetzung in die quasi-öffentliche Wertschöpfungsveranstaltung Unternehmung dienen. Die Akzeptanz der Stakeholder durch die Organisation, aber auch die Akzeptanz der kommunikativen Bemühungen der Organisation durch die Stakeholder als legitim und authentisch ist die Voraussetzung für den Aufbau von Sozialkapital (Vertrauen, Reputation, Anschlussfähigkeit an Netzwerke etc.), und damit nicht nur ethisch geboten, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Deshalb ist die Kommunikation mit den Stakeholdern als offener, rekursiver Prozess zu gestalten, in dessen Mittelpunkt die Definition der Organisation und ihrer Leistungen in Relation zu je spezifischen Ansprüchen (stakes) und Anspruchsgruppen (stakeholdern) steht. Der kommunikative Umgang mit Widersprüchen, Konflikten und konfligierenden Interessen im Hinblick auf konkrete Organisationen und ihre Anspruchsgruppen, und immer weniger (nur) eine allgemeine öffentliche Imagekonstruktion ist das Paradigma. Gerade kleinere Organisationen können diesem neuen Paradigma der Unternehmenskommunikation auf Grund ihrer Flexibilität in produktionstechnischer und binnenkultureller Hinsicht besonders gut gerecht werden, und sie können neue Informations- und Kommunikationstechnologien auch virtuos zur Umsetzung und Schaffung neuer kommunikativer Kontexte nutzen. Sicher: Solange ein entsprechender infrastruktureller und ordnungspolitischer Rahmen für die Anschlussfähigkeit ethischer und ökonomischer Rationalität in der Unternehmensführung nicht existiert, ist die Einbeziehung von (scheinbar oder evident) ohnmächtigen und „irrelevanten“ Anspruchsgruppen nur auf volativer und unternehmensethischer Basis zu leisten. Dies kann aber, wie wir schon oben argumentiert haben, durchaus auch im erfolgsstrategischen Sinne rational sein. Denn der vielerorts geforderte Nachweis, dass ein Unternehmen zum Nutzen der Gemeinschaft und nicht auf ihre Kosten existiert, ist vor allem auch kommunikativ und proaktiv zu erbringen. Unternehmenskommunikation bekommt aus dieser Perspektive eine neue Rolle und eine neue innerbetriebliche Funktion und Verantwortung: nicht mehr nur kommunikativ, sondern auch organisatorisch und strategisch integrativ zu wirken. Dies impliziert und fordert auch ein neues Selbstverständnis der zuständigen Fachabteilungen (als Querschnittsabteilungen mit hoher Position in der Hierarchie) und ein neues Rollenverständnis der Berater, Agenturen und der Professionisten in diesem Bereich (als Agenten der Stakeholder und der Organisation gleichermaßen). Dies ist da und dort sicher schwer zu leisten; aber eben auch unabdingbar in
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einer Medien- und Informationsgesellschaft, denn eine Existenz jenseits der Kommunikation gibt es auch für die Unternehmung nicht mehr.
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Stakeholder-Management als Grundlage der Unternehmenskommunikation
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Kommunikation und Medien: Grundbegriffe, Theorien und Konzepte
89
Kommunikation und Medien: Grundbegriffe, Theorien und Konzepte Bertram Scheufele
Der Beitrag beschäftigt sich mit grundlegenden Fragen von Kommunikation und Medien und schafft so die Voraussetzungen für ein zeitgemäßes Verständnis der Unternehmenskommunikation. Zunächst werden zentrale Begriffe wie Kommunikation und Interaktion erläutert. In einem zweiten Schritt geht es um einfache Kommunikationsmodelle und komplexere Theorien interpersonaler Kommunikation wie z. B. die Theorie des kommunikativen Handelns. Dabei werden auch Realitätskonstruktionen und deren Wirkung diskutiert. Im dritten Schritt werden zentrale Fragen der Massenkommunikation geklärt. Nach grundlegenden Überlegungen und einer Definition des Medienbegriffs werden drei Perspektiven auf Massenkommunikation eröffnet: Aus der Kommunikatorperspektive werden Modelle der Nachrichtenauswahl und Nachrichtenstrukturierung diskutiert. Aus der Perspektive von Mediennutzung und Medienrezeption werden sowohl theoretische Modelle als auch praktische und ökonomische Aspekte angewandter Mediaforschung vorgestellt. Aus der Wirkungsperspektive werden schließlich die wichtigsten Ansätze zu verschiedenen Arten von Medienwirkungen erörtert.
1.
Grundlagen der Kommunikation
(Massen-)Kommunikation ist Gegenstand der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Durch Bezüge zu anderen Disziplinen wie Politikwissenschaft, Soziologie oder Psychologie wird der Kommunikationsbegriff jedoch disparat verwendet (Kunczik/Zipfel 2001). Auch im Alltag begegnen wir diversen Verwendungen: In zwischenmenschlichen Beziehungen kommunizieren die Partner z. B. über Kommunikationsschwierigkeiten. Die Anstrengungen von Unternehmen oder Politikern, ihre Themen und Meinungen öffentlich zu etablieren, fallen wiederum unter öffentliche Kommunikation. Ein Grund für den inflationären Gebrauch des Kommunikationsbegriffs besteht darin, dass sich heutige Gesellschaften von „harten“ FaktoM. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_4, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Bertram Scheufele
ren wie Rohstoffen und Arbeit zunehmend auf „weichere“ Faktoren wie Dienstleistung, Information und Kommunikation verlagert haben. Im Zuge von Globalisierung und Internet werden dabei auch Kommunikationsformen jenseits räumlicher und zeitlicher Grenzen bedeutsam (Beck 1986/2003, Geißler 2002).
1.1
Kommunikation, Information, Interaktion
Bezogen auf Technik sind technisch vermittelte Telekommunikation (z. B. Telefon) und Kommunikation zwischen technischen Systemen (technische und Maschinenkommunikation) zu unterscheiden. Bezogen auf Lebewesen interessiert in diesem Beitrag die Humankommunikation, also Kommunikation zwischen Menschen. In einem engeren Sinn ist dabei zwischen interpersonaler und Massenkommunikation zu unterscheiden (Schulz 2002). Diese beiden Formen sind aber sicher nur die Pole eines Kontinuums, zwischen denen z. B. auch interne Unternehmenskommunikation, Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen oder Kommunikation innerhalb sozialer Gruppen anzusiedeln sind. Kommunikation leitet sich aus dem Lateinischen „communis“ (gemeinsam) ab. „Gemeinsam haben Kommunizierende: erstens eine […] Verbindung zur Übertragung von Signalen; zweitens eine durch Erwartungen gekennzeichnete Beziehung, aus der Information entsteht; drittens bestimmte übereinstimmende Kognitionen, d. h. Wissen, Erfahrungen, Bewertungen usw., aus denen sich Erwartungen ableiten und die den Signalen Bedeutung verleihen; und viertens bestimmte Absichten und Folgen in Bezug auf ihren Zustand oder ihr Verhalten“ (Schulz 2002: 153). „Communicatio“ ist aber auch der Vorgang der Mitteilung oder Übermittlung von Informationen von einem Sender zu einem Empfänger. Das beinhaltet immer auch Intentionalität, d. h. die Kommunizierenden müssen etwas mitteilen wollen.
Definition: Kommunikation Kommunikation ist eine symbolisch vermittelte Interaktion bzw. ein Prozess wechselseitiger Bedeutungsvermittlung. Dies geschieht zumeist mit sprachlichen Symbolen, kann aber auch nonverbal erfolgen (z. B. über Blicke oder Gesten). Kommunikation ist ein bewusstes Handeln, also eine „intentionale Informationsweitergabe […], d. h. ein Signal muß zum Zweck der Mitteilung oder Verständigung absichtlich produziert und gesendet werden“ (Bentele/Beck 1994: 20).
Diese Definition von Kommunikation führt den Begriff der Information ein. Schulz (2002: 161) definiert sie als „Verminderung des Kenntnis- oder Aktualitätsgefälles zwischen Kommunikator [Sender] und Rezipient [Empfänger] oder auch als Beseitigung von Ungewissheit“. Im allgemeinen Sinn ist Kommunikation keine bloße, einseitige Informationsübertra-
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gung vom Sender zum Empfänger, sondern ein sozialer Vorgang: So erwidere ich z. B. das Kommunikationsangebot eines Freundes, der meine Äußerung seinerseits erwidern kann. Viel diskutiert wurde, ob Interaktion eine Voraussetzung für bzw. Oberkategorie von Kommunikation darstellt oder umgekehrt. Max Weber (1921/1984: 19) definiert soziales Handeln als jenes Handeln, „welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen [...] und daran in seinem Ablauf orientiert“ ist. Es unterscheidet sich vom bloßen Reagieren (z. B. Auto ausweichen) und Verhalten (z. B. physisches Trinken), da es auf andere Menschen bezogen ist. Man kann Interaktion und Kommunikation damit als Arten sozialen Handelns sehen: Interaktion ist wechselseitiges soziales Handeln mindestens zweier Menschen. (Interpersonale) Kommunikation ist symbolisch (verbal oder nonverbal) vermittelte Interaktion. Kommunikation ist dabei auch die unbeabsichtigte Informationsweitergabe (z. B. Schamesröte oder Stottern) sowie die Unterlassung einer Äußerung – im Sinne von „Keine Antwort ist auch eine Antwort“. Umgekehrt muss der Versuch sprachlicher Verständigung zwischen Menschen keineswegs immer zu „erfolgreicher“ Kommunikation führen.
1.2
Funktionen der Kommunikation
Kommunikation erfüllt mehrere Funktionen, die bereits mehrfach am Rande erwähnt wurden. Diese sind: Mitteilung, Information Verstehen, Verständigung Beeinflussung, Persuasion Wissens- und Erkenntnisgewinn Sozialität und Identität. Über Kommunikation werden Informationen mitgeteilt. Kommunikation ist dabei kein Selbstzweck, sondern zielt auf Verstehen und Verständigung. Verstehen meint, die Intention des Kommunikators zu begreifen. Verständigung bezeichnet das Erzielen eines Konsenses zwischen den Kommunizierenden wie z. B. beim Verhandlungskompromiss. Verstehen betrifft die subjektive, Verständigung die intersubjektive bzw. soziale Sphäre. Kommunizierende wollen ihr Gegenüber oft beeinflussen oder von etwas überzeugen. Bei Appellen ist das offensichtlich, bei Suggestions- und Manipulationstechniken wie Werbung nicht zwingend klar. Wer kommuniziert gibt Informationen weiter und kann zu Wissens- bzw. Erkenntnisgewinn beitragen. Kommunikation ist auch entscheidend für die Entwicklung des Bewusstseins unserer Selbst und der Anderen. Denn sie macht uns klar, welche Sachverhalte welche Bedeutung haben, wie wir Personen einzuordnen haben oder welchen Sinn ihr Handeln hat.
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Gruppen oder Unternehmen können beispielsweise nur bestehen, wenn immer wieder kommunikativ „ausgehandelt“ wird, welche Mitglieder zur Gruppe gehören und welche Erwartungen an sie gerichtet sind, welche Ziele das Unternehmen verfolgt oder welche Unternehmenskultur herrscht. Durch Kommunikation wird also individuelle und soziale Identität hergestellt und gesichert.
2.
Theorien und Modelle interpersonaler Kommunikation
Mit den zentralen Begriffen Kommunikation, Interaktion und Information lassen sich nun verschiedene Theorien und Modelle interpersonaler Kommunikation diskutieren.
2.1
Einfache Kommunikationsmodelle
Im Gegensatz zu Modellen sprachlicher Zeichen und deren Verwendung (z. B. Morris 1955) berücksichtigen Kommunikationsmodelle stärker den sozialen Kontext. Sie sind keine exakten Abbilder kommunikativer Realität, sondern – meist graphische – Vereinfachungen realer Erscheinungsformen und Prozesse von Kommunikation (Maletzke 1998: 56).
Abbildung 1:
Kommunikationsmodell von Shannon/Weaver (1949/1976)
Am bekanntesten ist wohl das Kommunikationsmodell von Shannon/Weaver (vgl. Abbildung 1). Letztlich beschreibt es keine soziale Kommunikation, sondern einen technischen Signaltransfer zwischen Sender und Empfänger, also eine physikalische Informationsübertragung (z. B. ein Telefongespräch): Eine Informationsquelle (Patient) wählt einen Nachrichtengehalt (Terminvereinbarung) und leitet ihn über das Telefonmikrofon weiter, das als Sender die
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Sprachsignale in akustische Signale übersetzt. Die Signale durchlaufen das Telefonnetz (Übertragungskanal) und werden am anderen Ende vom Empfangsgerät dechiffriert. So wird die Nachricht für den Empfänger (Arzt) wieder in sprachliche Form rückübersetzt. Dieses Modell vernachlässigt allerdings die sozialen Aspekte von Kommunikation. Zudem setzt es die präzise Formulierung und objektive Interpretation von Nachrichten voraus, was bei sozialer Kommunikation oft nicht der Fall ist (Eschbach 1980). Schließlich geht es von einer linearen Wirkungskette aus und ignoriert damit Feedback-Prozesse, bei denen der Empfänger selbst zum Sender werden kann. Solche reziproken Prozesse berücksichtigt z. B. DeFleur (1970). Weitere Aspekte wie die Funktionen sprachlicher Zeichen (z. B. Appell-, Artikulationsfunktion) ergänzt das „Organon-Modell“ von Bühler (1934).
Abbildung 2:
Kommunikationsmodell von Badura (1992)
Baduras (1992) Kommunikationsmodell unterscheidet demgegenüber zwischen semantischen, syntaktischen und pragmatischen Aspekten der Sprache bzw. kommunikativen Botschaft. Der Rahmen, in dem Kommunikation stattfindet, umfasst in seinem Modell vier Aspekte (vgl. Abbildung 2): die Kommunikationssituation an sich das Informationsniveau der Kommunizierenden den emotionalen Erlebnishorizont der Kommunizierenden in der jeweiligen Situation sowie deren Interessen, Motive, Ziele usw.
94
2.2
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Kommunikation als symbolische Interaktion
Theorien sind – im Gegensatz zu Modellen – Systeme thematisch und logisch miteinander verknüpfter Gesetzesaussagen über (Kausal-)Zusammenhänge (Burkart 1998: 405). Aus Theorien lassen sich empirisch überprüfbare Hypothesen ableiten. In dem hier diskutierten Zusammenhang der Unternehmenskommunikation besonders relevant sind Theorien, die Kommunikation als symbolische Interaktion betrachten (Abschnitt 2.2) sowie die Theorie des kommunikativen Handelns (Abschnitt 2.3).
2.2.1 Symbolische Interaktion und Reflexivität Interaktion kann über Äußerungen oder Handlungen, aber auch über bloße Handlungsanfänge erfolgen. Solche „Gesten“ bzw. „Gebärden“ – z. B. ein zweifelnder Blick – fungieren als signifikante Symbole, die Bedeutung vermitteln. Dazu müssen sie aber klar machen, was ich als Akteur denke oder beabsichtige und was ich an Reaktionen vom Gegenüber erwarte. Nur so kann dieser sich in meine Rolle versetzen. Die Haltung des anderen Interaktionspartners einzunehmen und sein eigenes „weiteres Verhalten im Lichte dieser Haltung [...] anzupassen“ nennt Mead (1934/1968: 85) Rollenübernahme (role-taking). Jeder Interaktionspartner nimmt solche Perspektivwechsel vor, erkennt also in einem reflexiven Prozess die Erwartungen des jeweils Anderen und antizipiert dessen weiteres Handeln. Bei der Rollenherstellung (rolemaking) wiederum macht der Sprecher klar, wovon er spricht und was das Bezeichnete für ihn bedeutet, d. h. in welcher Rolle (z. B. als Festredner oder Freund) er das Bezeichnete darstellt. Interaktion (bzw. Kommunikation) kommt nur zustande, wenn die verwendeten Symbole sozial geteilt sind. Dazu müssen sie erlernt worden sein. Am sozialen Lernen bzw. der Sozialisation lässt sich nochmals role-taking beschreiben (Mead 1934/1968): Kinder erfahren im kindlichen Spiel („play“) zunächst die Reaktionen der konkreten Bezugspersonen bzw. signifikant Anderen (Vater, Mutter, Verwandte u. ä.). In diesem Stadium heißt Rollen-Übernahme etwa, dass Kinder mit Puppen „Familie spielen“ und in die Rolle von Eltern schlüpfen. Im Zuge der Sozialisation weicht das Einfache dann dem organisierten Spiel („game“). Nun treten diverse Bezugsgruppen aus verschiedenen Bereichen an uns heran. Sie sind nicht mehr konkrete Personen, sondern Funktionsträger, d. h. generalisierte Andere. Die Erwartungen aller generalisierten Anderen bilden den sozial geprägten Teil unserer Identität („me“). Natürlich weist sie auch individuell-reflexive Züge auf („I“). Wir sind aber nicht nur Individuen, sondern auch Unternehmensberater, Familienväter oder Freunde, also viele „me’s“. Diese Überlegungen hat der Symbolische Interaktionismus weitergeführt (Blumer 1969 und 1973). Am bekanntesten sind dessen drei Prämissen: Erste Prämisse: Individuen handeln gegenüber Dingen, Situationen oder Institutionen aufgrund der Bedeutungen, die sie ihnen beimessen.
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Zweite Prämisse: Bedeutung entsteht immer in sozialer Interaktion. Zwei Situationen stiften jeweils andere Sinnzusammenhänge, so dass die gleiche Handlung einmal als angemessen, im anderen Kontext dagegen unangemessen erscheint. Dritte Prämisse: Bedeutungen entstehen und verändern sich in einem interpretativen Prozess zwischen den Handelnden und ihrer sozialen Umwelt. Sie sind also nicht statisch, sondern wir interpretieren und verändern sie beständig. Die bislang beschriebenen Vorgänge erfordern Reflexivität. So werden mehrdeutige Begriffe erst eindeutig, wenn wir sie mit dem (sozialen) Kontext verbinden. Ein Behälter mit mehrdeutiger Form wird erst auf einem Esstisch zum Glas und erst im Blumengeschäft zur Vase. Auch in kommunikativen Prozessen nehmen wir – durch Rollenübernahme und Rollenherstellung – reflexiv Bezug auf Andere und uns selbst. Reflexivität ist also Voraussetzung für Bewusstsein und Realitätsverarbeitung, für die Herausbildung unserer individuellen und sozialen Identität sowie die Entstehung sozialer Zusammenhänge. Ohne Reflexivität kommt es aber auch zu keiner Kommunikation über stattgefundene oder stattfindende Kommunikation, also zu keiner Meta-Kommunikation (Burkart 1998, Watzlawick /Beavin/Jackson 1969).
2.2.2 Das Problem der „objektiven“ Wirklichkeit Wenn Bedeutung erst in sozialen Situationen entsteht und dabei beständig verändert wird, gibt es dann überhaupt eine „objektive“ Realität? Der in unterschiedlichen Spielarten auftretende Konstruktivismus (z. B. Schmidt 1996) verneint diese Frage mehr oder minder deutlich. An dieser Stelle lassen sich nur die Kernaussagen der „radikalen“ Variante des Konstruktivismus’ diskutieren: Menschen konstruieren sich „ihre“ Realität bzw. Wirklichkeit. Daher gebe es keine Realität, die eindeutig, objektiv und für alle gleich sei. Man könne auch nie klären, was die „Realität an sich“ sei, denn es gebe keine absolute Wahrheit. Infolgedessen seien alle Realitätskonstruktionen gleich angemessen. Damit jedoch werden wissenschaftliche Aussagen, religiöse Überzeugungen, Alltagsbeobachtungen und Ideologien aller Art auf eine Ebene gestellt. Eine solche Position muss letzten Endes z. B. an moralische Grenzen stoßen. Der Realismus (z. B. Kepplinger 1993) wirft dem radikalen Konstruktivismus vor, Wissenschaft die Berechtigung abzusprechen. Sicher seien Wissenschaft und Realitätswahrnehmung nicht voraussetzungsfrei. Möglich sei aber eine falsifikatorische Annäherung („Trial & Error“) an „Wahrheit“ oder „Realität“. Zudem wolle niemand die „gesamte Realität“, sondern nur bestimmte Realitätsausschnitte betrachten – etwa die Unternehmenskultur einer Firma. Dafür könne man auf Realitätsindikatoren zurückgreifen. Sie seien zwar oft nur begrenzt aussagekräftig und nicht durchweg verfügbar. Das sei jedoch eine Frage ihrer Qualität bzw. ein forschungspraktisches Problem, aber kein grundsätzlicher Einwand. Schließlich gebe es zwar keine absolut „richtigen“, wohl aber bessere und schlechtere Realitätskonstruktionen. Auch im Alltag greifen wir auf Indikatoren zurück – etwa wenn wir im Gespräch auf konkrete Personen verweisen, um unsere Argumente zu untermauern. Wir akzeptieren dabei eben-
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Bertram Scheufele
falls nicht alle Realitätskonstruktionen. So vertrauen wir jenem Politiker, der das bessere Argument, die besseren Indikatoren für seine Realitätssicht liefern kann oder aber aufgrund seines Auftretens glaubwürdig erscheint.1 Eine andere Variante des Konstruktivismus beschreibt die für Kommunikation und Interaktionen wichtige self-fulfilling prophecy (Merton 1948, Watzlawick/Beavin/Jackson 1969). Der Begriff der sich selbst erfüllenden Prophezeiung bezeichnet die Tatsache, dass Ereignisse allein dadurch stattfinden, dass wir glauben, dass sie stattfinden werden. Gibt man einer Person mit Prüfungsstress ein Placebo, dann wird sie bei einer Klausur tatsächlich ruhiger sein – allein durch den Glauben an die medikamentöse Wirkung des wirkungslosen Placebos.2
2.2.3 Wirkungen von Realitätskonstruktionen Sich selbst erfüllende Prophezeiungen können auch durch Medien hervorgerufen werden. So gab es z. B. die ‚Ölkrise’ 1973/74 faktisch nicht (Kepplinger/Roth 1978). Trotz der Entscheidung der erdölexportierenden Länder über Lieferkürzungen und Boykotte gab es in Deutschland genügend Ölvorräte. Die Medien stellten das Geschehen aber als krisenhaft dar, schürten damit die Panik bei der Bevölkerung, was zu Hamsterkäufen führte, die dann zu einer von den Medien zunächst nur prophezeiten, dann aber faktischen Verknappung führten. Viele politische, wirtschaftliche oder internationale Vorgänge liegen außerhalb unseres Erfahrungshorizonts. Hier sind wir auf Wirklichkeitskonstruktionen beispielsweise von Öffentlichkeitsarbeitern, Politikern oder Unternehmenssprechern angewiesen. Da auch sie uns oft medial vermittelt werden, spielen Medien eine bedeutsame Rolle für Realitätswahrnehmungen. Aber auch die Unternehmenskommunikation greift aktiv und kreativ in unsere Realitätskonstruktion ein. PR-Akteure treten dabei selten offen in Erscheinung, sondern fungieren als „Meta-Kommunikatoren, die entscheiden, was, wann, wo, wie und mit welcher gewünschten Wirkung kommuniziert werden soll“. Damit lässt sich Public Relations definieren als „Prozess intentionaler [...] Konstruktion wünschenswerter Wirklichkeiten durch Erzeugung und Befestigung von Images in der Öffentlichkeit“ (Merten 1992: 44).
Mediale Realitätskonstruktionen und fremdenfeindliche Gewalt Deutsche Printmedien zeichneten Mitte der 1990er Jahre ein extrem negatives Image von Kurden. Sie wurden mit der paramilitärischen, gewalttätigen PKK gleichgesetzt, obwohl diese nur von einer Minderheit aller Kurden gestützt wurde. Die Medien stellten die unbestreitbare Gewalt der PKK als „Kurden-Terror“ dar und vermittelten ihren Rezipienten, dass
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In diesem Zusammenhang sei betont, dass auch der Konstruktivismus danach fragt, wie im Alltag überhaupt ein Mindestmaß an „Gewissheit“ möglich ist. Die Antwort darauf lautet Viabilität (Glasersfeld 1992). Damit wird die Tatsache bezeichnet, dass eine Vorstellung über einen Sachverhalt oder eine Person auf eine lebenspraktische Aufgabe passt, also gang- und brauchbar ist. Weitere Beispiele folgen im nächsten Abschnitt.
Kommunikation und Medien: Grundbegriffe, Theorien und Konzepte
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alle Kurden „Extremisten“, „Gewalttäter“, „Terroristen“ und zudem „Fremde“ seien. Indem die Medienberichterstattung die von politischen Akteuren vorgebrachten Stigmatisierungen, Stereotypen und Befürchtungen aufgriff, schuf sie ein kurdenfeindliches Klima, das die unter Rechtsradikalen bereits vorhandene Fremdenfeindlichkeit weiter anschürte. Das schlug dann in bestimmten Situation tatsächlich in rechtsradikale Gewalt gegen vermeintlich „Fremde“ um – von Journalisten sicherlich nicht beabsichtigt (Scheufele 2002).
2.3
Theorie des kommunikativen Handelns
Bislang wurden Kommunikation und Interaktion, Handlung und Äußerung synonym verwendet. Auf dem Gedanken, dass Sprechen eine Form des Handelns ist, gründet auch die Theorie des kommunikativen Handelns (Habermas 1981a/b, 1984). Dennoch unterscheiden sich Sprechhandlungen in manchem von praktischen Handlungen. So zieht Kommunikation nicht zwingend eine materielle Veränderung nach sich wie z. B. zielgerichtetes Handeln. Das liegt auch daran, dass Kommunikation nicht an Situationen oder materielle Gegenstände gebunden ist. Zudem ist sie reflexiver, weil sie einen breiteren Horizont an Themen und Möglichkeiten eröffnet. Und sie setzt keine räumliche und zeitliche Präsenz der Beteiligten voraus.
2.3.1 Sprechakt, erfolgs- und verständigungsorientiertes Handeln Das Konzept von Kommunikation bzw. Sprechen als Form der Handlung geht auf die linguistische Sprechakttheorie von Austin (1962) und Searle (1983) zurück. Sprechakte gelten als kleinste Einheit von Kommunikation und bestehen aus vier Elementen: dem lokutionären Akt (z. B. phonetischer Akt des Formens von Lauten), dem propositionalen Akt, dem Akt der Illokution und dem Akt der Perlokution. Der propositionale Gehalt ist der Inhalt einer Äußerung. Die Perlokution ist der Versuch, den Adressaten zu beeinflussen. Die Illokution ist geglückt, wenn der Adressat die Funktion des an ihn gerichteten Sprechakts erkennt. Meist werden fünf Illokutionen unterschieden: repräsentative Illokution (z. B. berichten, beschreiben, feststellen), deklarative Illokution (z. B. definieren, kündigen), direktive Illokution (z. B. fordern, erlauben, raten), kommissive Illokution (z. B. versprechen, drohen, ankündigen) sowie
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Bertram Scheufele
expressive Illokution (z. B. danken, sich entschuldigen). Habermas (1981a: 41) versteht Sprache als „Medium der Verständigung [...] und Medium der Handlungskoordination und der Vergesellschaftung von Individuen“. Dabei können sich Sprechakte auf die „objektive“, die „soziale“ oder die „subjektive Welt“ beziehen. Mit Max Webers (1921/1984: 19) Diktion, wonach soziales Handeln „seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen [...] und daran in seinem Ablauf orientiert“ ist, bemisst Habermas unverfälschtes kommunikatives Handeln an dessen Verständigungsorientierung. Verständigung meint sprachliche Abstimmung und Einigung zwischen den Akteuren, um ein Einverständnis im Hinblick auf Handlungsziele oder Einstellungen zu erreichen. Darin unterscheidet sich kommunikatives von erfolgsorientiertem Handeln (vgl. Abbildung 3). Bezieht sich erfolgsorientiertes Handeln auf Gegenstände (z. B. Putzen), dann ist es instrumentelles Handeln. In einer sozialen Situation ist es dagegen strategisches Handeln und entspricht dem, was Weber mit dem Idealtypus des zweckrationalen Handelns bezeichnet hat. Auch Tarifverhandlungen sind aus dieser Sicht erfolgsorientiert, weil dabei „die egozentrischen Nutzenkalküle ineinandergreifen“ (Habermas 1996: 144).
Handlungssituation
Erfolgsorientierung
Verständigungsorientierung
Nicht sozial
Instrumentelles Handeln
–
Sozial
Strategisches Handeln
Kommunikatives Handeln
Abbildung 3:
Handlungstypologie nach Habermas
Eine andere Klassifizierung betrifft verschiedene Typen und Formen von Kommunikation (vgl. Abbildung 4): Drohung und Lockung sind Formen offen strategischer Kommunikation. Täuschungen fallen unter versteckt strategische Kommunikation. Kommunikatives bzw. verständigungsorientiertes Handeln verlangt dagegen, dass die Akteure ihre Absichten offen legen und auf Zwang verzichten. Solches Handeln ist weder erfolgsorientiert noch strategisch und dennoch auf ein Ziel ausgerichtet – nämlich auf Konsens durch Verständigung.
Typ der Kommunikation
Form der Kommunikation
Kommunikativer Konsens
Offen strategisch
Drohung
Erzwungener Konsens
Lockung Verdeckt strategisch
Verständigungsorientiert
Abbildung 4:
Bewusste Täuschung
Erschlichener Konsens
Unbewusste Täuschung
Täuschender Konsens
–
Konsens durch Einverständnis
Kommunikationstypen und -formen nach Habermas
Kommunikation und Medien: Grundbegriffe, Theorien und Konzepte
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2.3.2 Universelle Geltungsansprüche und Diskurse „Indem ich etwas äußere: ‚Ich verspreche Dir, morgen zu kommen’, bringe ich nicht nur ein Versprechen zum Ausdruck, sondern ich gebe ein Versprechen. Diese Äußerung ist das Versprechen, das sie auch darstellt“ (Habermas 1971: 101). Es geht also bei Kommunikation nicht nur um sprachliche Kompetenzen, sondern um das Beherrschen grundlegender sozialer Handlungen, d. h. um kommunikative Kompetenz. Dazu muss ich die Regeln für verständigungsorientierte Kommunikation kennen und diese Regeln auch beim Gegenüber voraussetzen können. So muss ich beispielsweise wissen, wie ich ein Versprechen gebe, aber auch, dass man ein Versprechen normalerweise hält. Solche Regeln bezeichnet Habermas (1984: 440) als universelle Geltungsansprüche. Sie sind universell, da sie sich mit der menschlichen Sprechfähigkeit entwickelten. Habermas nennt sie daher auch Universalpragmatik: Verständlichkeitsanspruch (Intersubjektivität): Kommunikationspartner müssen sich semantisch und syntaktisch verständlich ausdrücken. Wahrheitsanspruch (Zustimmungsfähigkeit): Kommunikationspartner müssen wahrheitsgemäß über etwas sprechen, dessen Existenz beide voraussetzen. Wahrheit beruhe dabei auf Urteilskonsens und ist damit nichts anderes als Zustimmungsfähigkeit. Wahrhaftigkeitsanspruch (Subjektivität): Kommunikationspartner müssen alle interpersonalen Beziehungen (z. B. Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse) sowie Intentionen nicht nur wahrheitsgemäß, sondern auch aufrichtig offen legen. Richtigkeitsanspruch (Normativität): Kommunikationspartner müssen Normen und Werte des sozialen Bezugssystems anerkennen und das beim Gegenüber voraussetzen können. Verständigung kommt durch „intersubjektive Anerkennung kritisierbarer Geltungsansprüche“ (Habermas 1981a: 37) zustande. Wenn Geltungsansprüche jedoch nicht (mehr) anerkannt oder erfüllt werden, ist der Hintergrundkonsens der Kommunikation erschüttert. Verständigung muss dann in einem Diskurs wieder hergestellt werden. Damit unterscheidet Habermas (1971: 106) letztlich zwei Ebenen der Kommunikation: (Verständigungsorientierte) Kommunikation: Auf dieser Ebene werden die Regeln sprachlichen Handelns, die Universalpragmatik, nicht hinterfragt, sondern angewandt. Diskurs: Auf dieser Ebene wird die Universalpragmatik selbst – z. B. der Wahrhaftigkeitsanspruch – zum Thema von Meta-Kommunikation. Den vier Geltungsansprüchen lassen sich jeweils entsprechende Diskurse zuordnen (beispielsweise der Diskurs über Verständlichkeit). Ein Diskurs kann dabei frei von Zwängen sein. Er folgt dann als herrschaftsfreier Diskurs allein „dem zwanglosen Zwang des besseren, weil einleuchtenderen Arguments“ (Habermas 1984: 116). Das ist der Fall, „wenn für alle Beteiligten eine symmetrische Verteilung der Chancen, Sprechakte zu wählen und auszuüben, gegeben ist. Dann besteht nämlich nicht nur prinzipielle Austauschbarkeit der Dialogrollen, sondern eine effektive Gleichheit der Chance bei der Wahrnehmung von Dialogrollen“ (Habermas 1971: 137). Habermas (1984) räumt selbst ein, dass ein herrschaftsfreier Diskurs
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in der empirischen Realität kaum anzutreffen sei, allerdings dennoch ein erstrebenswertes Ideal darstelle, dessen Realisierung freilich an den derzeitigen gesellschaftlichen Gegebenheiten scheitere.
2.3.3 Unternehmenskommunikation als Anwendungsbeispiel für die Theorie des kommunikativen Handelns Burkhard/Probst (1991) haben exemplarisch für ein Bürgerbeteiligungsprojekt untersucht, ob sich die Theorie kommunikativen Handelns praktisch auf Öffentlichkeitsarbeit von Organisationen bzw. Unternehmen anwenden lässt. Sie unterscheiden vier Phasen, in denen divergierende Ansprüche und Verständnisse von Organisation bzw. Unternehmen und Betroffenen geklärt werden müssen. In der Informationsphase geht es um dreierlei: In Bezug auf die „objektive Welt“ sind die Interessen der Organisation und die Konsequenzen aus deren Plänen zu klären, aber auch thematische Sachverhalte zu definieren. In Bezug auf die „subjektive Welt“ sind die Selbstverständnisse und Ziele der Organisation, aber auch bestehende Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu erläutern. In Bezug auf die „soziale Welt“ hat die Organisation bzw. das Unternehmen die Rechtmäßigkeit ihrer Interessen darzulegen und deren moralische Angemessenheit zu begründen. In der Diskussionsphase (z. B. in Versammlungen, Expertengesprächen) ist eine ungehinderte Kontaktaufnahme zwischen Betroffenen und Unternehmen bzw. Organisation notwendig. Nur so können die Betroffenen entsprechendes Sachwissen erwerben, die Position der Organisation bzw. des Unternehmens hinterfragen und stichhaltige Einwände vorbringen. In Bezug auf die „objektive Welt“ geht es etwa um Fachbegriffe oder die von der Organisation bzw. dem Unternehmen postulierten Folgen (z. B. Schaffung neuer Arbeitsplätze). Die „subjektive Welt“ steht in diesem Stadium öffentlich meist nicht zur Debatte. In Bezug auf die „soziale Welt“ wird problematisiert, ob die Begründungen für Rechtmäßigkeit und Legitimation der Interessen angemessen sind. In der Diskursphase werden nicht konsensfähige Streitfragen aufgegriffen und divergierende Geltungsansprüche abgeglichen, um zu einem Einverständnis zu kommen. Dabei geht es zum einen um „einen Konsens über Richtlinien zur Einschätzung von Sachurteilen“ (Burkhard/ Probst 1991: 65), zum anderen um einen Konsens über die Angemessenheit der Argumente. In der Ratifizierungsphase wird geprüft, ob der angestrebte Konsens erreicht wurde. Solche Prozesse setzen günstige Strukturen voraus und dürften von Unternehmen bzw. Organisationen nur gewählt werden, wenn sie sich Legitimierung durch langwierige Überzeugungsarbeit beschaffen müssen. Wahrscheinlicher ist verständigungsorientierte Kommunikation z. B. für kommunale Öffentlichkeitsarbeit, bei der Mitsprache- und Einspruchsrechte von Betroffenen vorgesehen sind. Sinnvoll ist sie auch für Non-Profit-Organisationen, die auf
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Akzeptanz und erfolgreiche Überzeugungsarbeit besonders angewiesen sind (vertiefend zu Dialogansätzen in der Unternehmenskommunikation Bentele/Steinmann/Zerfaß 1996).
3.
Massenkommunikation und Massenmedien
Neben interpersonaler Kommunikation wurde Massenkommunikation als zweite Ausprägung der Humankommunikation beschrieben. Sie ist an Massenmedien gebunden und kann auch als massenmedial vermittelte Kommunikation bezeichnet werden. Zu den Massenmedien ist zunächst die Presse mit Zeitungen und Zeitschriften zu rechnen (Wilke 2002). Die vier zentralen Merkmale der Zeitung sind Publizität (allgemeine Zugänglichkeit), Aktualität, Universalität (Themenvielfalt) und unbegrenzte Periodizität (regelmäßiges Erscheinen). Deutschland gilt als Ursprungsland der ersten Zeitungen mit diesen Merkmalen. Vorläufer davon wurden durch Gutenbergs Erfindung um 1440 möglich. Er erfand allerdings weder den Buchdruck (schon im 2. Jahrtausend v. Chr. in Babylon) noch die beweglichen Lettern (schon Mitte des 11. Jahrhunderts n. Chr. in China), sondern ein Gießgerät zur Herstellung wieder verwendbarer Lettern aus Metall, das den Druck in größerem Umfang erlaubte. Im 17. Jahrhundert bildeten sich Zeitschriften heraus, die aber eingeschränkte Aktualität und Universalität haben. Massenpresse gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Dafür sorgten Innovationen wie die Schnellpresse (1811), der Rotationsdruck (1860) und die Setzmaschine (1869). Zum Rundfunk gehören Hörfunk und Fernsehen (Mathes/Donsbach 2002). Seine Entstehung verdankt der Rundfunk der Entdeckung elektromagnetischer Wellen (1888) und der darauf beruhenden Übermittlung von Morsezeichen. Der Ausbau der Funktechnik in der Weimarer Republik führte zur ersten Rundfunksendung im heutigen Sinn am 29. Oktober 1923 aus dem Vox-Haus in Berlin. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg gab es Fernsehen; der erste regelmäßige Programmbetrieb weltweit startete 1935 mit Fernsehstuben in Berlin, Leipzig und Potsdam. Mit Beginn der Nachkriegszeit wurde Rundfunk Ländersache. Die regionalen Anstalten schlossen sich 1950 zur „Arbeitsgemeinschaft öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“ (ARD) zusammen, deren Programm Ende 1954 startete; das ZDF wurde 1961 gegründet. Das heutige duale System aus öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanbietern geht auf Kabelpilotprojekte zurück. Technische Voraussetzung dafür waren neue Übertragungswege (Kabel, Satellit), wodurch das bisherige Argument der Frequenzknappheit hinfällig wurde. Die privaten Anbieter erhalten von Landesmedienanstalten die Sendelizenz; auch ihr Programm wird von den Landesmedienanstalten kontrolliert. Schon in den späten 1930er Jahren gab es die ersten Großrechner. Aber erst die rasante Weiterentwicklung von Hard- und Software in den 1980/90er Jahren begünstigte den Siegeszug von Internet und World Wide Web. „Das Internet ist ein Zusammenschluss regionaler,
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Bertram Scheufele
nationaler und transnationaler Computernetze, die über Standleitungen weltweit miteinander verbunden sind“ (Burkart 1998: 362). Das Internet geht auf das „ARPAnet“ zurück, ein 1969 vom US-Verteidigungsministerium in Auftrag gegebenes Netz für militärischen Informationsaustausch unabhängig von einem Zentralrechner. Seit 1991 gibt es den Versuch, die vielfältigen Angebote im Internet unter einer Oberfläche, dem World Wide Web (WWW) zu bündeln. Das WWW wurde 1993 der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Entwickelt worden war es 1989 am Europäischen Labor für Teilchenphysik (CERN). Es stellt eine Dokumentensammlung dar, die abrufbar auf Servern in aller Welt liegt und ermöglicht unter anderem den Abruf von digitalen Informationen sowie Audio- und Videobeiträgen. Zudem können sich Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen auf ihren Websites bzw. in Weblogs selbst präsentieren (Pleil/Zerfaß 2007).
3.1. Grundlagen der Massenkommunikation Ausgehend von dem oben skizzierten Verständnis der Kommunikation als symbolisch (verbal oder nonverbal) vermittelte Interaktion bzw. Prozess wechselseitiger Bedeutungsvermittlung kann die Massenkommunikation wie folgt beschrieben werden:
Definition: Massenkommunikation Massenkommunikation ist „jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich (also ohne begrenzte und personell definierte Empfängerschaft) durch technische Verbreitungsmittel (Medien) indirekt (also bei räumlicher oder zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartnern) und einseitig (also ohne Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmendem) an ein disperses Publikum vermittelt werden“ (Maletzke 1963: 32).
Mit dieser Definition sind bereits die zentralen Unterschiede zwischen interpersonaler und Massenkommunikation angesprochen (Kunczik/Zipfel 2001: 49 ff., Burkart 1998: 164 ff.): Empfängerkreis: Interpersonale Kommunikation richtet sich an ein homogenes und begrenztes Präsenzpublikum, Massenkommunikation dagegen an ein disperses Publikum, d. h. einen meist unscharfen, prinzipiell unbegrenzten und oft anonymen Empfängerkreis. Feedback: Interpersonale Kommunikation erlaubt als wechselseitige Kommunikation direktes Feedback, also Reziprozität. Bei Massenkommunikation ist meist keine direkte Rückkoppelung möglich, denn sie ist in der Regel eine einseitige Kommunikation in Richtung eines dispersen Publikums. Themen: Interpersonale Kommunikation dreht sich um Themen, die insofern privat sind, als sie nur die Kommunikationspartner betreffen. Massenkommunikation behandelt dagegen Themen von allgemeiner, öffentlicher Bedeutung.
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Auch bei Massenkommunikation gibt es aber mitunter Feedback. So bauen manche Rezipienten beispielsweise zu Protagonisten einer TV-Serie eine parasoziale Beziehung als Ersatz für reale soziale Kontakte auf (z. B. Vorderer 1996). Zudem werden bei Online-Kommunikationsmodi wie Chats oder Foren die Rollen der Massenkommunikation (Kommunikator und Rezipient) zunehmend austauschbar (Berghaus 1994). Die Leser von Online-Angeboten „traditioneller“ Medien (z. B. www.bild.de) sind dabei jedoch weiterhin ein disperses Publikum. Allerdings weicht Massenpublikum teilweise auch einem segmentierten Publikum. Die angewandte Medienforschung spricht von Zielgruppen und differenziert Mediennutzer nach Sozidemographie, Lebensstilen oder Kaufgewohnheiten (z. B. Hasebrink/Rössler 1999).
Abbildung 5:
Feldschema der Massenkommunikation von Maletzke (1963: 41)
Maletzke (1963: 41) hat seine Vorstellungen von Massenkommunikation in einem Feldschema umgesetzt (vgl. Abbildung 5) und wie folgt beschrieben: „Der Kommunikator (K) produziert die Aussage durch Stoffauswahl und Gestaltung. Seine Arbeit wird mitbestimmt durch seine Persönlichkeit, seine allgemeinen sozialen Beziehungen [...], durch Einflüsse aus der Öffentlichkeit und durch die Tatsache, dass der Kommunikator meist in einem Produktionsteam arbeitet, das wiederum einer Institution eingefügt ist. Außerdem muss [er ...] die Erfordernisse seines Mediums und des ‚Programms’ kennen und berücksichtigen und schließlich formt er sich von seinem Publikum ein Bild, das seine Arbeit und damit die Aussage und damit endlich auch die Wirkungen wesentlich mitbestimmt. Die Aussage (A) wird durch das Medium (M) zum Rezipienten geleitet. Sie muss dabei den technischen und dramaturgischen Besonderheiten des jeweiligen Mediums angepasst werden. Der Rezipient (R) wählt aus dem Angebot bestimmte Aussagen aus und rezipiert sie. Der Akt des Auswählens, das Erleben der Aussage und die daraus resultierenden Wirkungen hängen ab von der Persönlichkeit des Rezipienten, von seinen sozialen Beziehungen, von den wahrnehmungs- und verhaltenspsychologischen Eigenarten des Mediums auf der Empfängerseite, von dem Bild, das sich der Rezipient von der Kommunikatorseite formt und von dem mehr oder weniger klaren Bewusstsein, Glied eines dispersen Publikums zu sein. Schließlich deutet der obere Pfeil im Feldschema an, daß trotz Einseitigkeit der Massenkommunikation ein ‚Feedback’ zustande kommt“ (Maletzke 1976: 14 f.).
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Bertram Scheufele
Auch wenn das Modell der bislang umfassendste Versuch ist, Massenkommunikation abzubilden, geht es von einer symmetrischen Konstellation zwischen Kommunikator und Rezipient aus, die z. B. für Online-Kommunikation kaum (mehr) gegeben ist. Burkart/Hömberg (1997: 84 f.) haben daher in ihrer Modifizierung des Feldschemas die Rollen des Kommunikators und Rezipienten durch die Rollen von „Beteiligten“ ersetzt und um „organisierte Beteiligte“ wie z. B. Internet-Provider ergänzt. Für Massenkommunikation ist auch der Begriff des Mediums bzw. Massenmediums zu klären. Neben dem technischen sind unter anderem folgende Medienbegriffe zu nennen: Allgemeiner Medien-Begriff: Generell ist jede Vermittlungsinstanz ein Medium. Als ein allgemeines Medium zur Sinn- und Bedeutungsvermittlung kann man Sprache begreifen. Systemtheoretischer Medien-Begriff: Systemtheorien bezeichnen systemspezifische Sprachen als „symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien“; aus dieser Sicht ist Geld die Sprache bzw. das Kommunikationsmedium des Wirtschaftssystems (Luhmann 1984). Organisationstheoretischer Medien-Begriff: Für Saxer (1999) sind Medien zum einen „Kommunikationskanäle“, von denen aber nicht jeder zum Massenmedium wird. Zum anderen bezeichne der Begriff entsprechende Organisationen und Institutionen mit bestimmten Funktionen bzw. Leistungen (z. B. Unterhaltungsfunktion). Dazu kommen weitere Medienbegriffe. Während zunächst nur neue Übertragungswege als neue Medien bezeichnet wurden, umfasst der Begriff heute alle möglichen Geräte, Systeme und Kommunikationsmodi. „Multimedia“ wiederum meint die Integration diverser Endgeräte, Anwendungen oder Dienste (Kunczik/Zipfel 2001). Das Internet ist dagegen eine technische Plattform für verschiedenste Kommunikationsmodi: „Bei der Online-Kommunikation handelt es sich [also] nicht um ein neues Medium [...]. Vielmehr eröffnen die unterschiedlichen Protokolle der weltweiten Computernetze einen vollkommen neuen Kommunikationsraum. Innerhalb dieses Kommunikationsraums besteht eine funktionale Differenzierung einzelner Angebote [...], die [...] als Kommunikationsmodi bezeichnet werden können“ (Rössler 1998: 206 f.). Zu den häufigsten gehören der Abruf von Informationen (World Wide Web), die elektronische Post (E-Mail), Diskussionen (Newsgroups, Foren) und Kommunikation mit anderen Nutzern (Chats). Bei Online-Kommunikation verschwimmen also die Grenzen zwischen Individual- und Massenkommunikation („Hybridmedium“; Höflich 1997). Massenmedien erfüllen bestimmte Funktionen, von denen die meisten in Rundfunkstaatsverträgen, Landespressegesetzen formuliert und durch die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgelegt wurden (Ricker 2002). Dazu gehören (Kunczik/Zipfel 2002: 72): Thematisierungs-, Selektions- und Strukturierungsfunktion Informations- und Unterhaltungsfunktion Vermittlungs- und Artikulationsfunktion (Artikulation von Meinungen, Interessen usw.) Herstellung von Öffentlichkeit Kritik- und Kontrollfunktion
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Bildungs-, Kultur- und Erziehungsauftrag und Sozialisationsfunktion Integrationsfunktion Recht populär geworden ist neben dem Feldschema der Massenkommunikation die so genannte „Lasswell-Formel“ (Abbildung 6). Lasswell (1948) wollte damit aber kein Kommunikationsmodell entwerfen, sondern zentrale Forschungsfelder aufzeigen. Die weiteren Abschnitte dieses Beitrags orientieren sich grob an dieser Einteilung.
Lasswell-Formel
Aspekt
Forschungsfelder
Who
Kommunikator
Kommunikatorforschung, Nachrichtenproduktion
says what
Mitteilung
Inhaltsanalyse
in which channel
Medium
Medienkunde
to whom
Rezipient
Publikums-, Nutzungs-, Rezeptionsforschung
with what effect?
Wirkung
Wirkungsforschung
Abbildung 6:
3.2
„Lasswell-Formel“ und aktuelle Felder der Kommunikationsforschung
Die Kommunikatorperspektive
Das „Who says what“ der Lasswell-Formel betrifft die Nachrichtenproduktion: Weshalb berichten Journalisten über diesen und nicht über jenen Sachverhalt? Weshalb strukturieren sie ihre Beiträge auf diese und nicht auf jene Weise? Vier Forschungstraditionen geben Antworten darauf (Kunczik/Zipfel 2001: 217 ff.) und beleuchten damit die Selektions- und Strukturierungs-, aber auch Thematisierungs- und Artikulationsfunktion der Medien: Gatekeeper-Forschung, News-Bias-Forschung, Nachrichtenwertforschung, Framing-Forschung. Die Gatekeeper-Forschung begann mit White (1950), der das Selektions- und Strukturierungsverhalten eines Zeitungsredakteurs untersuchte. Er begreift Journalisten als Schleusenwärter („gatekeeper“), die beispielsweise als Zeitungsredakteure entscheiden, welche der über die Ticker der Nachrichtenagenturen gemeldeten Informationen in die Zeitungsausgabe des nächsten Tages kommen. Robinson (1973) hat drei Forschungsstränge identifiziert:
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Bertram Scheufele
Individualistische Ansätze fragen, ob und wie Einstellungen, Meinungen und Werthaltungen von Journalisten deren Nachrichtenproduktion beeinflussen. Institutionelle Ansätze fragen nach organisatorischen Zusammenhängen – etwa danach, wie stark journalistische Arbeit von strukturellen Abhängigkeiten, redaktionellen Zwängen oder Vorgaben der Chefredaktion bzw. des Verlagshauses geprägt sind. Kybernetische Ansätze betrachten Medienorganisationen als sich selbst regulierende Systeme und Nachrichtenproduktion als Anpassung an Umwelterfordernisse. Die News-Bias-Forschung untersucht politische Tendenzen („Bias“), Unausgewogenheiten und Verzerrungen in der Medienberichterstattung. Viele Studien zeigen, dass die Einstellungen, Meinungen und Grundhaltungen von Journalisten, Chefredakteuren und Herausgebern sowie redaktionelle Linien einen Einfluss auf die Nachrichtenproduktion haben können. So folgt die Zeitungsberichterstattung z. B. oft der redaktionellen Linie (Schönbach 1977). Verzerrungen können auch dadurch zustande kommen, dass Medien „opportune Zeugen“ (Hagen 1992) zu Wort kommen lassen. Solche Tendenzen werfen die grundsätzliche Frage nach Objektivität bzw. Angemessenheit der Medienberichterstattung auf (vgl. Abschnitt 2.2.2). Sie ist auch der Ausgangspunkt für die Theorie instrumenteller Aktualisierung (Kepplinger/ Brosius/Staab/Linke 1989). Danach spielen Journalisten vor allem Sachverhalte in der Konfliktberichterstattung hoch, die für jene Konfliktpartei bzw. Konfliktlösung sprechen, die sie selbst favorisieren. Journalisten argumentieren dagegen oft, dass ein Ereignis, über das sie umfangreich berichten, eben wichtig sei. Das stützen sie auf Merkmale des Ereignisses wie den damit verbundenen Schaden oder die dabei auftretenden Konflikte. Solche Merkmale von Ereignissen bezeichnet die Nachrichtenwertforschung als Nachrichtenfaktoren (Galtung/Ruge 1965). Dazu gehören z. B. die geographische, politische, wirtschaftliche, kulturelle Nähe eines Ereignisses, das Auftreten von Elite-Personen (etwa Staatschefs), die Konflikthaltigkeit des Ereignisses oder dessen Schaden. Ein Ereignis wird also umso berichtenswerter, d. h. es hat einen umso höheren Nachrichtenwert, je mehr Nachrichtenfaktoren auf das Ereignis zutreffen. Viele Nachrichtenfaktoren sind jedoch gar keine „objektiven“ Merkmale von Ereignissen, sondern werden von Journalisten erst den Ereignissen zugeschrieben (Staab 1990). Das Framing-Konzept beleuchtet vor allem die Strukturierung der Berichterstattung. Ein Frame ist ein Bezugs- oder Interpretationsrahmen. Durch Framing, also Rahmung eines Ereignisses, werden bestimmte Einordnungen, Bewertungen und Entscheidungen nahe gelegt. Anders als in der News-Bias-Forschung geht es also zunächst nicht um Bewertungen. Diese werden allerdings durchaus nahe gelegt – aber allein aufgrund des Bezugsrahmens, in den ein Ereignis gestellt wird, und nicht durch explizite Bewertung des Ereignisses. Bezogen auf die journalistische Darstellung von Rechtsradikalismus meint Framing, „dass der eine Journalist z. B. das Asylproblem als Ursache fremdenfeindlicher Gewalt ansieht, während der andere Zuwanderung attribuiert [oder …] dass der eine Journalist z. B. junge Skinheads für typische Täter hält, während der andere von Alt-Nazis ausgeht“ (Scheufele 2003: 47). Journalisten legen also bestimmte Bezugsrahmen an, wenn sie über Ereignisse berichten. Solche Rahmen etablieren sich meist im redaktionellen Diskurs, also in Gesprächen mit Kollegen, aber auch
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durch Orientierung an Bezugsrahmen, die Politiker und andere öffentliche Akteure lancieren. Journalistische Frames können sich im Laufe der Zeit verändern, dienen aber – nachdem sie sich etabliert haben – als relativ stabile Routinen für die Nachrichtenproduktion.
3.3
Die Nutzungs- und Rezeptionsperspektive
Auch wenn viele Überblickswerke (Bonfadelli 1999, Kunczik/Zipfel 2001, Schenk 2002) das (implizit) suggerieren, gehört zum „to whom with what effect?“ der Lasswell-Formel weit mehr als die Frage nach Medienwirkungen. Stark vereinfacht kann man sagen: Bei der Nutzung von Medien („to whom“) geht es um die Funktionen der Medien aus Rezipientensicht und um die Muster der Nutzung von Massenmedien. Bei der Rezeption von Medieninhalten geht es um Prozesse, Mechanismen und Strategien der Wahrnehmung und Verarbeitung von Medieninhalten bzw. Medienbotschaften. Bei der Wirkung von Medien(inhalten) („with what effect?“) geht es um Veränderungen der Vorstellungen, Schemata, Einstellungen, Meinungen, Emotionen und Verhaltensweisen von Menschen aufgrund der Rezeption der Inhalte bzw. Botschaften der jeweils genutzten Medien(inhalte). Solche Effekte können erst nach, aber auch schon während der Nutzung bzw. Rezeption auftreten.
3.3.1 Mediaforschung – die praktisch-ökonomische Perspektive Damit Medienschaffende, Journalisten, Produzenten oder werbetreibende Wirtschaft etwas über Rezipienten erfahren, gibt es die Mediaforschung. Dazu gehören redaktionelle Publikumsforschung und Werbeträgerforschung. Im Folgenden wird es nur um die Forschung zu Medien als Werbeträgern gehen (z. B. Meyen 2001, Schulz/Schneller 2002): Welche Menschen nutzen wann, wo und wie oft welche Medien? Solche Daten sind wichtig: für die Mediaplanung: In welchen Medien soll zu welcher Zeit in welchem Werbeumfeld das Produkt beworben werden? für die Werbepreise: Wie viel kann man als Medienanbieter von Werbetreibenden dafür verlangen, dass sie Anzeigen oder TV-Spots schalten dürfen? Der „Tausend-Leser-Preis“ gibt beispielsweise an, wie viel eine Anzeige bezogen auf 1.000 Leser z. B. im „Stern“ kostet. für das Medienprofil: Welche Zielgruppe erreicht wird, ist auch entscheidend für die Programm- bzw. redaktionelle Planung – und damit letztlich für den Publikumserfolg.
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Angewandte Mediaforschung wird von professionellen Forschungsinstituten betrieben. Dazu gehören unter anderem: Institut für Demoskopie Allensbach: Das IfD führt die „Allensbacher WerbeträgerAnalyse“ (AWA) zur Nutzung von Printmedien, TV, Plakat, Kino und Internet durch und seit 1997 die „Allensbacher Computer- und Telekommunikations-Analyse“ (ACTA). Arbeitsgemeinschaft Media Analyse: Die AG.MA ist ein Zusammenschluss von Print- und Funkmedien, Werbeagenturen sowie Werbetreibenden. Sie ist Auftraggeber der „Media Analyse“ (MA), die umfangreiche Daten zur Print- und Radionutzung liefert. Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung:3 Die AGF ist Auftraggeber der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die seit 1984 die „TV-Quoten“ (Haushaltsreichweiten, Marktanteile) liefert. Dafür muss sich jede Person des GfK-Panels zum Fernsehen per Taste an einem Gerät anmelden, das sekundengenau Seh- und Verweildauer, Sender, Umschaltverhalten usw. ermittelt. Seit 1997 schaltet die AGF zudem den „GfK-Online-Monitor“. Telemetrische Messungen gekoppelt mit Konsumforschung führt auch ACNielsen durch. ARD und ZDF führen seit 1997 jährlich die „ARD/ZDF-Online-Studie“ durch. Seit 1964 sind sie zudem Auftraggeber der „Langzeitstudie Massenkommunikation“ (MK), die alle fünf bis sechs Jahre Daten für die vergleichende, langfristige Nutzungsforschung vorlegt. Dazu kommen Zeitschriftenverlage wie Burda mit der Analyse „Typologie der Wünsche Intermedia“ (TdWI) oder Springer und Bauer mit der „Verbraucher-Analyse“ (VA). Die Informationsgemeinschaft zur Verbreitung von Werbeträgern (IVW) veröffentlicht wiederum Auflagen von Printtiteln und seit 1997 auch Daten zur Nutzung redaktioneller Internetangebote. AWA, VA und TdWI nutzen Daten aus einer Quelle („single source“), während die MA auf mehrere Quellen („Partnerschaftsmodell“ aus Presse-, Hörfunkbranche und GfK-Daten) zurückgreift. AWA, VA und TdWI erheben neben Mediennutzung auch Konsum- und Kaufverhalten, so dass sich Typen von Mediennutzern für Zielgruppenanalysen identifizieren lassen. AWA, TdWI und MA beruhen auf mündlichen Face-to-Face-Interviews mit repräsentativen Stichproben (20.000 Befragte oder mehr). Das GfK-Panel umfasst 5.200 Haushalte (12.000 Personen). ARD/ZDF-Online-Studie, GfK-Online-Monitor und ACTA beruhen auf repräsentativen Stichproben. Andere Online-Studien wie beispielsweise die regelmäßig durchgeführten „W3B“-Umfragen sind dagegen nicht repräsentativ.
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Sie ist ein Zusammenschluss der öffentlich-rechtlichen (ARD, ZDF) und fünf privater TV-Sender (RTL, Sat.1, ProSieben, RTL 2, Kabel 1). Andere Sender sind Lizenznehmer der Daten der GfK.
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3.3.2 Nutzen-Perspektive und selektive Mediennutzung Die Mediaforschung klärt nur, dass und welche Medien genutzt werden, nicht aber aus welchen Gründen bzw. Motiven. Danach fragt der Uses-and-Gratifications-Ansatz (Nutzen-undBelohnungs-Ansatz). Er geht unter anderem von folgenden Prämissen aus: Menschen können Auskunft über ihre Interessen, Bedürfnisse und Motive geben. Medien sind nur eine unter vielen Möglichkeiten, um Bedürfnisse zu befriedigen. Wer sich z. B. unterhalten will, kann fernsehen, aber auch ins Theater gehen. Das Publikum ist aktiv, wobei Aktivität meist nur selektive Nutzung meint. Dadurch werden potenzielle Medienwirkungen von vornherein stark relativiert. Denn ein Fernsehprogramm, gegen das man sich entscheidet, kann schließlich nicht wirken. Palmgreen/Rayburn (1985) unterscheiden weiterhin zwischen gesuchter und erhaltener Gratifikation. Wer etwa Unterhaltung sucht und erwartet, dass eine TV-Serie unterhaltsam ist (gesuchte Gratifikation), wendet sich der Serie zu. War diese tatsächlich unterhaltsam (erhaltene Gratifikation), wird man später wieder diese TV-Serie anschauen. Meist werden vier Bedürfnisgruppen unterschieden (Bonfadelli 1999: 163 f.): Kognitive Bedürfnisse: z. B. Neugier, Lernen, Information, Wissenserweiterung Affektive Bedürfnisse: z. B. Entspannung, Unterhaltung, Ablenkung Sozial-interaktive Bedürfnisse: z. B. parasoziale Interaktionen oder Beziehungen Integrative und habituelle Bedürfnisse: z. B. Vertrauen, Geborgenheit Angereichert um die Überlegungen des Symbolischen Interaktionismus wurde aus dem Usesand-Gratifications-Ansatz der Nutzenansatz. Dieser geht davon aus, dass Mediennutzung ein dynamischer Prozess ist, bei dem es auch Routinehandeln gibt. Menschen klären zunächst ihre Situation: Liegt ein Problem vor, will ich es lösen und wie kann das gelingen? In unproblematischen Situationen setzen sie ihre Alltagsroutine fort. Bei Problemen suchen Menschen dagegen nach Lösungen, die sie unter anderem von den Medien erwarten. Damit reagierten Teichert (1972) und Renckstorf (1989) auf die Kritik am Uses-and-Gratifications-Ansatz, Menschen würden nicht immer sorgfältig abwägen, d. h. nicht nur rational, sondern oft auch routiniert handeln. Zudem wurde zu Recht kritisiert, dass das Konzept der Bedürfnisse weitgehend theorielos sei. Zudem werde Mediennutzung letztlich durch Bedürfnisse erklärt, die wiederum als Erklärung für Mediennutzung herhalten, bzw. Bedürfnisse würden nur aus dem abgeleitet werden, was die Befragten selbst sagen, wobei die Selbstauskunft wenig verlässlich sei. Zudem könne man in letzter Konsequenz jeden Medieninhalt durch ein entsprechendes Bedürfnis rechtfertigen. Dass Merkmale der Rezipienten Medienwirkungen relativieren können, ist keine Entdeckung von Nutzungsansätzen. Denn selektive Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Nutzung erwähnte schon die berühmte Wahlstudie „The people’s choice“ (Lazarsfeld/Berelson/Gaudet 1944/1968). Konsistenztheorien haben deren Gedanken vertieft. Die bekannteste Konsistenz-
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theorie ist Festingers (1957/1978) Theorie der Kognitiven Dissonanz. Sie geht davon aus, dass Menschen in ihren Einstellungen Ausgewogenheit anstreben bzw. Dissonanzen vermeiden wollen. So stürzt beispielsweise die Angst vor Lungenkrebs viele Raucher in Dissonanzen, auch wenn sie sich dessen oft nicht bewusst sind. Solche Dissonanzen lassen sich aber unter anderem durch folgende Strategien bewältigen: Menschen suchen gezielt nach konsistenten Informationen; Menschen nutzen einstellungskonforme Medieninhalte („selective exposure“); Menschen verändern ihre Einstellungen oder ihr Verhalten; Menschen halten leichtere Dissonanzen aus (Ambiguitätstoleranz). Sicher nutzen z. B. Anhänger der SPD eher Medieninhalte, die für die SPD und gegen andere Parteien sprechen. Allerdings konnte Donsbach (1991) zeigen, dass Medien diese selektive Schranke mit negativen Berichten unterwandern. So kann sich auch ein SPD-Anhänger einem Artikel über die Affäre eines Politikers dieser Partei kaum entziehen.
3.3.3 Aktuelle Perspektiven der Medienrezeption Die aktuellere Forschung zur Mediennutzung und Medienrezeption rekurriert auch auf Ansätze aus der Soziologie wie das Konzept der Lebensstile oder Milieuansätze (z. B. Krotz 1991). Besonders relevant wurden in den letzten Jahren zudem psychologische Überlegungen zum Involvement (Donnerstag 1996). Hohes Involvement liegt vor, wenn Rezipienten viele Verbindungen zwischen sich und Medieninhalten herstellen, von der Medienbotschaft stark betroffen oder dabei sehr ich-beteiligt sind. Dann wenden sie sich Medieninhalten aufmerksamer zu und verarbeiten bzw. erinnern Informationen daraus besser. Für die Persuasionsforschung haben Petty/Cacioppo (1986) diese Überlegungen in ihrem Elaboration-LikelihoodModel (ELM) umgesetzt. Sie unterscheiden zwei Verarbeitungsmodi: Bei hohem Involvement („central route“) verarbeiten Rezipienten Medieninhalte elaboriert. Entsprechend wichtig für Einstellungsveränderungen sind daher die Argumente und inhaltlichen Aspekte der Medienbotschaft. Bei niedrigem Involvement („peripheral route“) verarbeiten Rezipienten oberflächlich und beiläufig. Wer als Öffentlichkeitsarbeiter Einstellungen verändern will und davon ausgehen muss, dass die Zielgruppe wenig involviert ist, sollte dann z. B. einen attraktiven und glaubwürdigen Kommunikator wählen oder auf (audio)visuelle Reize setzen. Eine ähnliche Unterscheidung legte Brosius (1995) mit seinem Modell der Alltagsrationalität vor. Es geht davon aus, dass sich Zuschauer Fernsehnachrichten meist wenig involviert zuwenden, d. h. diese alltagsrational verarbeiten. Die wichtigsten Befunde zum Modell sind: Schemageleitete Rezeption: Menschen folgen weitgehend ihrer eigenen kognitiven Vorstellungen bzw. Schemata. Sie behalten nur Eindrücke oder Informationen aus Fernsehnach-
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richten, die diesen entsprechen, während sie andere gar nicht wahrnehmen. Zudem verkürzen sie Einzelinformationen zu dem, was sie als Kern der Sache vermuten. Heuristische Rezeption: Rezipienten nutzen Heuristiken (Faustregeln), wenn sie das, worüber TV-Nachrichten berichten, bewerten oder beurteilen. Dabei orientieren sie sich an Mustern, die ihnen aus dem Alltag vertraut sind. So haben z. B. Fallbeispiele von Einzelschicksalen sowie Bilder den Charakter einer Primärerfahrung, weshalb solche auffälligen Merkmale der Medienbotschaft gut erinnert und für Urteile wirksam werden. Zudem erfolgt die Urteilsbildung oft schon während und nicht erst nach der Fernsehrezeption. (Alltags-)rationale Rezeption: Rezipienten verarbeiten Nachrichteninhalte dann rational bzw. hoch involviert, wenn es um außergewöhnliche Ereignisse oder subjektiv wichtige Themen geht. Alltagsrationalität darf nicht als Argument gegen Medienwirkung verstanden werden, sondern wirft vielmehr die Frage nach subtilen Medienwirkungen auf.
3.4
Die Wirkungsperspektive
Haben sich Rezipienten einem Medium zugewandt, dessen Botschaft wahrgenommen und verarbeitet, dann kann diese wirken. Die klassische Medienwirkungsforschung unterscheidet meist drei Ebenen von Medienwirkungen (Kunczik/Zipfel 2001, Schenk 2002): Kognitive Wirkungen: Effekte auf Wissen, Vorstellungen, Einstellungen und Meinungen; Affektive Wirkungen: Effekte auf Emotionen, Gefühle; Konative Wirkungen: Effekte auf Verhaltensweisen. Medienwirkungen lassen sich aber auch nach anderen Dimensionen klassifizieren (Bonfadelli 1999) – etwa nach: dem Wirkungsbereich: Politik, Werbung, Unterhaltung, Gewalt usw.; der Wirkungsdauer: kurzfristig, mittelfristig, langfristig; den Wirkungsstufen: einstufig (direkt), mehrstufig (indirekt); sowie der Reichweite der Wirkung: Mikroebene (Individuen), Makroebene (Gesellschaft).
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3.4.1 Persuasion, Meinungsführer, Diffusion und Netzwerke Ein klassischer Wirkungsansatz ist die Persuasionsforschung, die nach Medienwirkungen auf die Einstellungen der Rezipienten fragt. Dazu gehören: das sozialpsychologisches Konzept der Yale-Studies: Es geht von einer instrumentellen Lerntheorie aus, wonach Einstellungen durch Lernprozesse verändert werden, wie sie persuasive Kommunikation auslöst. Einstellungsveränderungen werden durch diverse Faktoren begünstigt – wie beispielsweise die Art der Argumente oder die Glaubwürdigkeit bzw. Attraktivität des Kommunikators (z. B. Hovland/Janis/Kelley 1953). die Konsistenztheorien: Sie fokussieren eher auf kognitive Aspekte. Als Beispiel wurde bereits Festingers (1957/1978) Theorie der Kognitiven Dissonanz vorgestellt. Die erwähnte Wahlstudie von Lazarsfeld et al. (1944/1968) bereicherte die Wirkungsforschung nicht nur um methodische, sondern auch um konzeptionelle Überlegungen: Interpersonale Kommunikation und Verstärkereffekt: Nach dieser Studie wird die Wahlentscheidung nicht direkt durch die Medienberichterstattung beeinflusst, sondern stärker vom sozialen Umfeld bestimmt. Medien hätten nur einen Verstärkereffekt, da sie nur bestehende Vorstellungen, Einstellungen und Meinungen bei den Wählern verstärkten. Mehrstufenfluss und Meinungsführer: Massenkommunikation sei ein mehrstufiger Prozess, bei dem so genannte Meinungsführer („opinion leader“) die entscheidende Rolle spielen. Sie würden sich in besonderem Maße den Medien und ihren Botschaften aussetzen und diese dann gefiltert an die Menschen in ihrem sozialen Umfeld weitergeben. Weitere Studien verfeinerten das Konzept (z. B. Schenk 1995; Weimann 1994). So wurden beispielsweise „Meinungsführer der Meinungsführer“ oder zudem ein Rollentausch zwischen „leaders“ und „followers“ je nach Thema beschrieben. Daher spricht man mittlerweile vom Mehrstufenfluss der Massenkommunikation. Zudem zeigte sich, dass die Berichterstattung über wichtige Probleme die Menschen teilweise ungefiltert erreichen kann. Grob gesagt, sind Medien eher für Informationsvermittlung, Meinungsführer eher für Meinungsbildung relevant. Solche Überlegungen fanden Eingang in die Diffusionsforschung: Zunächst wird eine Innovation (etwa Mobiltelefone, MP3-Player) nur zur Kenntnis genommen, dann entsteht Interesse, dann wird die Neuerung bewertet und ausprobiert und schließlich erfolgt die Übernahme. Rogers (1995) unterscheidet dabei fünf Typen von Menschen bei der Adoption von Innovationen: Innovatoren (ca. 2,5 Prozent der Bevölkerung), Frühe Übernehmer (ca. 13,5 Prozent), Frühe Mehrheit (ca. 34 Prozent), Späte Mehrheit (ca. 34 Prozent), Nachzügler (ca. 16 Prozent).
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Eine andere Weiterentwicklung des Meinungsführerkonzepts sind Netzwerkanalysen (Schenk 1995). Sie versuchen das gesamte soziale Netzwerk von Rezipienten abzubilden. Dabei ergeben sich meist mehrere Primärgruppen, zwischen denen Querverbindungen bestehen. Über sie diffundieren Innovationen „von außen“ zunächst zu Menschen am „Rande“ einer Gruppe („marginale Positionen“), während sich Meinungsführer noch zurückhalten. Sie sind dann aber für den Kommunikationsfluss innerhalb der Gruppe zuständig.
3.4.2 Schweigespirale, Kultivierung und Wissenskluft An Einstellungskonzept, Gruppentheorien und die Wahlforschung knüpft die Theorie der Schweigespirale an (Noelle-Neumann 1982/2001). Sie geht davon aus, dass Menschen Isolationsfurcht haben, d. h. mit ihrer Ansicht zu einem kontroversen Thema nicht zur Minderheit gehören wollen. Um zu wissen, mit welcher Meinung man sich öffentlich isolieren kann, beobachten sie ihre Umwelt, aber auch die Medienberichterstattung. Je häufiger und einheitlicher die Medien eine Meinung stützen, desto eher glauben die Anhänger der von den Medien nicht unterstützten Meinung, zur Minderheit zu gehören und verschweigen daher ihre eigene Überzeugung. Daraus entwickelt sich mittelfristig ein Spiralprozess, bei dem sich die medial vorherrschende Meinung tatsächlich als öffentliche Meinung etabliert. Dafür muss es sich aber um ein aufgeladenes, wandelbares Thema handeln, das die Medien hinreichend thematisieren. Sie fungieren dabei als eine Quelle der Umweltbeobachtung neben sozialen Primärkontakten und als prägende Kraft des Meinungsklimas. Zudem versorgen sie die Anhänger der von ihnen unterstützten Meinung mit Argumenten (Artikulationsfunktion). Allerdings wurden bislang immer nur Teile der Theorie empirisch geprüft. Zudem zeigen andere Untersuchungen, dass die von der Theorie postulierten „Schweiger“ nur eine verschwindende Minderheit zumindest unter der deutschen Bevölkerung ausmachen (Gerhards 1996). Etwa zeitgleich zur Schweigespiraltheorie entstand die Kultivierungshypothese (z. B. Gerbner/Morgan/Signorielli 1999). Sie postuliert ebenfalls stärkere Medienwirkungen, zunächst aber für Gewalt in den Medien. Zudem interessierte sie sich zunächst kaum für Einstellungseffekte, sondern dafür, wie Medien langfristig die Vorstellungen von Rezipienten prägen können. Ausgangspunkt war die Überzeugung, dass das (US-amerikanische) Fernsehen mit der Gesamtheit seiner Unterhaltungs- und Informationsprogramme ein einheitliches Weltbild vermittle und damit nachhaltig die Realitätsvorstellungen der Zuschauer präge. Insofern sei Fernsehen ein zentraler Sozialisations- bzw. Enkulturationsfaktor. Im Gegensatz zu den Vorstellungen von Menschen, die wenig sehen (Wenigseher) seien die Vorstellungen von Menschen, die viel fernsehen (Vielseher), stärker durch die Mediendarstellung als durch die Realität selbst geprägt, von der die Mediendarstellung abweicht. In der Forschungspraxis sollen sich die Befragten meist zwischen Prozentzahlen z. B. zum Anteil von Gewaltopfern entscheiden. Die eine Zahl entspricht der Realität (Realitätsantwort), die andere geht in Richtung des Fernsehanteils, also z. B. des Anteils an Gewaltopfern in allen Fernsehformaten (Fernsehantwort). Vielseher geben dann oftmals häufiger die Fernsehantwort als Wenigseher. Unterschieden werden dabei aber zwei Typen von Kultivierungseffekten (Hawkins/Pengree 1990):
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„First-order effects“ sind Wirkungen der Fernsehrealität auf das Faktenwissen der Rezipienten (z. B. Einschätzung von Verbrechensraten); „Second-order effects“ sind Wirkungen der Fernsehrealität auf die Einstellungen der Rezipienten (z. B. Rollenstereotype, politische Meinungen). Die Kultivierungsforschung betrachtet ursprünglich die Wirkung von Gewalt in den Medien. Mittlerweile gibt es empirische Befunde zu diversen Realitätsbereichen (Politik, Geschlechterstereotypen) sowie TV-Genres (Nachrichten, Talkshows). Aufgrund von Kritik wurde der Kultivierungsansatz um weitere Konzepte ergänzt: „Resonance“: Betroffene z. B. von Gewalt erhalten durch die Medien eine ‚doppelte Dosis’. Hier bekräftigt die Medienrealität die bereits im Alltag gemachten Erfahrungen; „Mainstreaming“: Die Distanz politischer Positionen in der Gesellschaft mündet durch Fernsehrealität in einen „Mainstream“ der Meinungen. Ein Beleg dafür wäre, wenn sich progressive und konservative Menschen in der Gruppe der Wenigseher deutlich in ihrer Meinung z. B. zu Abtreibung unterscheiden, in der Gruppe der Vielseher dagegen kaum. An der Kultivierungshypothese wurde aber auch berechtigte Kritik geübt (Schenk 2002). So könne man die Grundannahme der Enkulturation angesichts der hohen Abdeckung mit Fernsehgeräten gar nicht mehr prüfen. Das erklärt auch die Behelfslösung, Wenig- und Vielseher zu kontrastieren. Zudem seien Vielseher oftmals z. B. alte Menschen, die grundsätzlich ängstlich seien und aus diesem Grund glauben, selbst zum Gewaltopfer zu werden; die Kausalrichtung sei daher umgekehrt. Aktuellere Arbeiten (Shrum 1996) fragen auch nach kognitionspsychologischen Prozessen hinter Kultivierungseffekten. Auf kognitive Medienwirkungen zielt auch die Wissensklufthypothese: „Wenn der Informationszufluss in ein Sozialsystem wächst, tendieren die Bevölkerungssegmente mit höherem sozio-ökonomischem Status und/oder höherer formaler Bildung zu einer rascheren Aneignung dieser Information als die status- und bildungsniedrigeren Segmente, so dass die Wissenskluft zwischen diesen Segmenten tendenziell zu- statt abnimmt“ (Tichenor/Donohue/ Olien 1970: 159).4 Auf der Makroebene zeigte sich aber, dass es zu einer Homogenisierung der Wissensverteilung bzw. einer sinkenden Wissenskluft kommen kann, wenn die Berichterstattung über kontrovers ist und Meinungen zum Thema polarisiert sind. Auf der Mikroebene werden Bildungsnachteile teilweise durch wahrgenommene Problemrelevanz, Themeninteresse, Vorwissen und informationsorientierte Mediennutzung kompensiert (Bonfadelli 1994). Nach Wirth (1997) entstehen Wissensklüfte, wenn Bevölkerungssegmente unterschiedlich gut erreicht werden („access gap“) oder wenn die Informationen – bei gleicher Erreichbarkeit – mit wachsender Bildung besser rezipiert werden („usage gap“). Aktuelle Studien zu „Neuen Medien“ belegen, dass die Zuwächse bei der Online-Nutzung „in erster Linie in jenen Bevölkerungsschichten [erfolgen], die auch schon 1997 größere Nutzeranteile aufwiesen: Jüngere, Männer, Berufstätige und formal besser Gebildete“ (Oehmichen/Schröter 2000: 360). 4
Auf Deutsch zitiert nach Saxer (1978: 35f.).
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3.4.3 Agenda-Setting, Priming, Framing und dynamischtransaktionales Modell Die Agenda-Setting-Hypothese (z. B. McCombs/Shaw 1972) diskutiert ebenfalls kognitive Medienwirkungen: Medien beeinflussen weniger, was Menschen denken, als worüber – über welche Themen – sie nachdenken. Meist werden drei Modelle unterschieden: Awareness-Modell: Ein Thema oder Problem, das die Medien behandeln, halten Rezipienten für wichtig. Worüber sie nicht berichten, nehmen Rezipienten nicht wahr. Salience-Modell: Themen, die Medien ausführlicher behandeln, halten Rezipienten auch für bedeutsamere Probleme als weniger prominent berichtete Themen. Priorities-Modell: Die Rangfolge der Wichtigkeit von Themen in den Medien (Medienagenda) deckt sich mit der Rangfolge bei den Rezipienten (Bevölkerungsagenda). Auch Orientierungsbedürfnis, Involvement und politisches Interesse der Rezipienten beeinflussen den Zusammenhang zwischen Medien- und Bevölkerungsagenda. Die meisten Studien belegen stärkere Effekte für Printmedien als für das Fernsehen. Die Effekte scheinen auch deutlicher bei Themen mit geringer Aufdringlichkeit („unobtrusiveness“), also Sachverhalten, die Rezipienten nicht direkt erfahren, die sie nicht direkt betreffen. Zudem können „Killer-Themen“ andere Themen verdrängen. Umgekehrt können Medien die wahrgenommene Bedeutsamkeit von Routinethemen (beispielsweise Arbeitslosigkeit) bei Rezipienten oft nicht weiter steigern, was „Deckeneffekt“ genannt wird (z. B. Brosius 1994; Rössler 1997). Medien beeinflussen nicht nur, worüber Menschen nachdenken, sondern auch, wie sie denken. Nach Iyengar/Kinder (1987) meint Priming, dass Medien mit den berichteten Themen zugleich die Maßstäbe liefern, anhand derer Rezipienten z. B. Politiker beurteilen. So sprach die Außenpolitik als Thema im Bundestagswahlkampf 2002 für den damaligen Bundeskanzler Schröder. Da die Medien in der heißen Wahlkampfphase nur noch darüber berichteten, beurteilten die Wähler Schröder und Herausforderer Stoiber vor allem in Bezug auf Kompetenz bzw. Vertrauenswürdigkeit in der Außenpolitik. Schröders dezidierter Kurs gegen den sich abzeichnenden Irak-Krieg ließ ihn dabei besser abschneiden als Stoiber. Framing wurde bereits für Nachrichtenproduktion diskutiert (vgl. Abschnitt 3.2). Aus der Wirkungsperspektive ist ein Medien-Frame ein Bezugsrahmen, den die Berichterstattung an ein Thema anlegt. Scheufele (2004) identifiziert vier Typen von Framing-Effekten: Aktivierungs-Effekt: Medien-Framing aktiviert bereits bestehende Vorstellungen oder Schemata von Rezipienten. Wiederholtes, gleichförmiges Medien-Framing führt dazu, dass Schemata wiederholt aktiviert werden und daher bei einem späteren Urteil z. B. über einen Politiker leichter zugänglich sind. Das ist dann der Priming-Effekt, wie ihn Price/ Tewksbury (1997) überzeugender als Iyengar/Kinder (1987) herausgearbeitet haben. Transformations-Effekt: Wiederholtes, gleichförmiges Medien-Framing kann Vorstellungen von Rezipienten aber auch in Richtung des medialen Bezugsrahmens verändern.
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Etablierungs-Effekt: Medien-Framing kann zudem überhaupt erst zur Herausbildung eines Schemas führen, über das Rezipienten bislang gar nicht verfügten. Einstellungs-Effekt: Medien-Framing verändert Kognitionen, die immer aber mit Affekten zusammenhängen, wodurch sich dann auch die Einstellungen von Rezipienten ändern. Das Framing-Konzept hat einige Gemeinsamkeiten mit dem dynamisch-transaktionalen Modell (Früh/Schönbach 1982 und 2005, Früh 2001). Dieses beschreibt z. B. ebenfalls den erwähnten Transformations-Effekt – und zwar als „Inter-Transaktion“ zwischen Medienbotschaft und Rezipientenvorstellungen. Allgemein meint Transaktion, dass Wirkung und Rückwirkung zusammenfallen bzw. sich so schnell abwechseln, dass nicht mehr klar ist, was Ursache und Wirkung ist. „Inter-Transaktionen“ laufen zwischen Medieninhalt und Rezipient ab, während „Intra-Transaktionen“ gleichsam innerhalb des Rezipienten (oder Kommunikators) erfolgen; hier geht es um das Wechselspiel aus Wissen und Aktivation: So erregt z. B. ein Artikel über einen Skandal die Aufmerksamkeit eines Rezipienten und erhöht seine Motivation zu weiterer Informationssuche (Inter-Transaktion). Erhöhte Aufmerksamkeit und Motivation setzen wiederum kognitive Prozesse in Gang. So kann beispielsweise der Rezipient sein Schema für Skandale aktivieren (Intra-Transaktion), das dann die Rezeption neuer Medienbeiträge über diesen oder weitere Skandale beeinflusst. Inter- und Intra-Transaktionen wechseln sich ab und entwickeln also eine Dynamik. Das dynamisch-transaktionale Modell integriert Überlegungen der Nutzen- und Rezeptionsperspektive mit der klassischen Wirkungsforschung. „[D]er Rezipient ist passiv, insofern er nur aus denjenigen Aussagen auswählen kann, die ihm angeboten werden; passiv ist er auch in seinem täglichen, habitualisierten Medienkonsum. Aktiv ist der Rezipient bezüglich seiner Medien- und Aussagenselektion. Hinzu kommen die aktiven Prozesse des Verstehens der Medienaussagen, indem der Rezipient aufgrund seines Vorwissens die zunächst unverbundenen Informationen selbständig zu einem subjektiv sinnvollen Ganzen zusammenzufügen versucht“ (Bonfadelli 1999: 178).
4.
Fazit
Die hier skizzierten Konzepte haben gezeigt, dass ein einfaches und mechanistisches, häufig auf technische Aspekte der Informationsübermittlung reduziertes Verständnis der Kommunikation, wie es heute in Teilen der Betriebswirtschaftslehre und der Managementpraxis immer noch anzutreffen ist, viel zu kurz greift. Auf dem Weg zu einem strategisch verankerten Kommunikationsmanagement ist stattdessen für die Unternehmensführung auch das vielschichtige Forschungsspektrum der Kommunikations- und Medienwissenschaft zu erschließen. Erklärungsansätze wie die Theorie des kommunikativen Handelns, die Konzepte zur Persuasion und zur Diffusion von Nachrichten, zu sozialen Netzwerken sowie zum Agenda
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Meinungsbildung in der Mediengesellschaft: Grundlagen und Akteure öffentlicher Kommunikation Anna Maria Theis-Berglmair
Allgemein lässt sich „öffentliche Kommunikation” als Kommunikationsform beschreiben, die weder im Hinblick auf die Beteiligten noch in Bezug auf Inhalte, Formen oder Mitteilungskanäle eine Beschränkung erfährt. Öffentlichkeit ist demzufolge die Sphäre einer ungehinderten gesellschaftlichen Kommunikation. In der Kommunikationswissenschaft, die den Schwerpunkt ihres Forschungsinteresses auf dieses Phänomen legt,1 stehen die Begriffe Öffentlichkeit, öffentliche Kommunikation und Meinungsbildung in einem engen Verweisungszusammenhang. Dabei lassen sich verschiedene Zugangsweisen unterscheiden: der politisch-normativ geprägte Diskursansatz, das systemtheoretisch geprägte Beobachtungsmodell sowie das Mehrebenenkonzept einer Öffentlichkeit. Die Kernaussagen der unterschiedlichen Konzepte von Öffentlichkeit werden in einer Übersicht zusammengefasst, um im Anschluss daran Ansatzpunkte und Implikationen aus den unterschiedlichen Ansätzen für die Unternehmenskommunikation zu diskutieren.
1.
Öffentliche Kommunikation als diskursive Kommunikation
Diskursmodelle basieren auf einem demokratietheoretisch orientierten Verständnis von öffentlicher Kommunikation, wonach die Dinge des Staates öffentlich zu sein haben, damit sich potenziell jeder Staatsbürger an diesem öffentlichen Diskurs beteiligen kann. Diese 1 Siehe dazu auch die von der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft im
Januar 2001 herausgegebene Selbstverständnisbroschüre „Die Mediengesellschaft und ihre Wissenschaft. Herausforderungen für die Kommunikations- und Medienwissenschaft“ (verfügbar unter www.dgpuk.de).
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_5, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Anna Maria Theis-Berglmair
normative Vorstellung, die sich in vielen Arbeiten über Öffentlichkeit widerspiegelt (z. B. Gerhards 1998, Peters 1994), geht vor allem auf die Arbeiten von Jürgen Habermas zurück, der in seiner einflussreichen Schrift „Strukturwandel der Öffentlichkeit” (1962) ein basisdemokratisches Idealmodell von Öffentlichkeit beschreibt. Demzufolge ist „Öffentlichkeit” als eine Sphäre zu verstehen, in der öffentliche Belange unter Teilnahme aller Bürger diskutiert werden. Das Resultat dieses mit rationalen Argumenten geführten Diskurses ist die „öffentliche Meinung”, die sodann in politische Entscheidungen einfließt. Zugleich weist Habermas auf den Zerfall dieser „bürgerlichen Öffentlichkeit” hin, der sich mit der zunehmenden Verbreitung von Massenmedien ankündige. Diese gewährten Verbänden und Parteien einen dominanten Einfluss, zu Ungunsten der einzelnen Bürger, welche zwar fortan Zugang zu den veröffentlichten Kommunikationsangeboten hätten. Die Verarbeitung der massenmedial verbreiteten Inhalte zu einer eigenen Meinung bliebe jedoch dem Einzelnen überlassen und sei nicht länger von einer diskursiven Öffentlichkeit geprägt. An die Stelle eines kulturräsonierenden trete stattdessen das kulturkonsumierende Publikum. Demgegenüber werde der Diskurs in einer durch Massenmedien geprägten Öffentlichkeit zunehmend von korporativen Akteuren geprägt, die über eine bessere Ausstattung mit Ressourcen zeitlicher, personeller und finanzieller Art verfügten als der einzelne Bürger. Die Thematisierung von Öffentlichkeit mit Blick auf den Demokratiegedanken ist ein Grund dafür, dass der Öffentlichkeitsbegriff zunächst für die politische Sphäre eine gewichtige Rolle spielt. Aus der Tatsache, dass Rundfunk, d. h. Radio und Fernsehen, von politischen Instanzen als Faktor und Medium der Meinungsbildung betrachtet wird, resultiert ein entsprechender medienpolitischer Regelungsbedarf (z. B. zur Sicherung von Meinungsvielfalt). Diese demokratietheoretisch gestützte Verortung von Öffentlichkeit kommt auch in dem Gegensatzpaar „öffentlich-privat” und „öffentlich-geheim” zum Ausdruck: Offenheit steht einmal der Privatheit von Individuum und Familie, zum anderen der Abhandlung politischer Themen im Arcanum, dem geheimen Kreis eines Herrschers, gegenüber. Wirtschaftsunternehmen sind nur schwerlich in dieses Kategorienschema einzufügen, sie sind weder eindeutig der privaten noch der politischen Sphäre zuzuordnen, obwohl sie in Habermas' Konzeption einen wichtigen Aspekt einer „vermachteten” Öffentlichkeit darstellen. Diesbezüglich lassen sich deutliche Verbindungen zum Konzept des Corporate Citizenship herstellen, welches auf die soziale Verantwortung von Unternehmen abstellt (vgl. dazu auch Karmasin 2007, Scherer/ Baumann 2007). Derartige normative Erwartungen sind aber kaum demokratietheoretisch zu begründen und durchzusetzen, da die in diesen Theorien formulierten Rechte natürlicher Personen nicht auf korporative Akteure übertragbar sind: Organisationen oder Wirtschaftsunternehmen verfügen weder über Wahlrechte noch können sie sich für politische Positionen bewerben. Versuche, normative Grundlagen für das Handeln korporativer Akteure zu entwickeln (Putnam 2000, Wieland 2003), müssen daher an anderen Kriterien ansetzen, beispielsweise an den für eine Gesellschaft unerwünschten Effekten, wobei sich auch hier die Frage nach der erfolgreichen Durchsetzbarkeit gesellschaftlicher Forderungen stellt. Auch demokratietheoretisch abgeleitete „Publizitätsgebote, wie sie im Hinblick auf politische Instanzen und Akteure formuliert werden, existieren für Wirtschaftsorganisationen nicht per se – sieht man einmal ab von gesetzlich vorgeschriebenen Veröffentlichungspflichten (z. B. für Aktiengesellschaften) ” (Theis-Berglmair 2005: 338).
Meinungsbildung in der Mediengesellschaft
2.
125
Öffentlichkeit als Beobachtungsinstanz
Eine alternative Sichtweise auf die Phänomene Öffentlichkeit und öffentliche Meinung erschließt sich aus einer systemtheoretischen Perspektive. Ausgangspunkt ist die Auffassung, dass sich in modernen Gesellschaften einzelne Funktionssysteme herausbilden, die sich bestimmten grundlegenden Aufgaben (im Sinne existenzieller Funktionen) widmen und die im Hinblick auf ihre Arbeitsweise relativ unabhängig voneinander operieren. Der Politik kommt demzufolge die Funktion zu, bindende Entscheidungen zu treffen, die Wirtschaft produziert Güter, die Wissenschaft ist für Erkenntnisgewinnung zuständig, Religion für Sinnfindung, usw.. Auch Öffentlichkeit wird mitunter als ein derartiges Funktionssystem begriffen, dem die zentrale Aufgabe der (Selbst-)Beobachtung von Gesellschaft zukommt. Unabhängig davon, wie dieses Funktionssystem bezeichnet wird – als Öffentlichkeit (Kohring 2000), Publizistik (Marcinkowski 1993) oder Journalismus (Blöbaum 1994) –, verweist diese Modellierung auf eine zentrale Notwendigkeit in modernen Gesellschaften: Da nicht länger ein einziges Zentrum existiert, das über alle erforderlichen Informationen verfügt und dementsprechende Direktiven weiterleiten und für deren erfolgreiche Umsetzung sorgen kann,2 bedarf es anderer Mechanismen der (Selbst-)Steuerung dieser komplexen Gebilde. Eine Möglichkeit ist die wechselseitige Beobachtung der Systeme. Andererseits ist die permanente Beobachtung aller möglichen Umwelten von den einzelnen Funktionssystemen gar nicht zu leisten. In diese Bresche springt quasi das Funktionssystem der Öffentlichkeit, das nichts anderes tut, als nach Veröffentlichungsrelevantem Ausschau zu halten. Für die Selektion dessen, was als veröffentlichungswürdig betrachtet wird, hat das System eigene Kriterien entwickelt, die als Nachrichtenfaktoren in der einschlägigen Literatur diskutiert werden (Schulz 1976). Im System Öffentlichkeit bilden sich auf der Seite der Kommunikatoren Leistungsrollen heraus wie beispielsweise die des Journalisten. Auf der Rezeptionsseite kommt es zur Ausbildung eines abstrakten Publikums, wobei nie von vornherein klar ist, wer und wie viele Personen überhaupt erreicht werden und wie diese mit den Angeboten der Massenmedien umgehen. Die Beschreibung von Öffentlichkeit mit Hilfe des Konzeptes der funktionalen Differenzierung hat weitreichende Konsequenzen. Zunächst abstrahieren systemtheoretische Modelle gänzlich von normativen Postulaten. Auf diesen Punkt hatte Luhmann bereits 1975 hingewiesen: Die Umstellung auf die funktionale Differenzierungsform mache es Individuen und Gruppen schwer, sich ihr zu entziehen und zu behaupten, sie seien die Gesellschaft. Das von Habermas dargestellte Modell einer „bürgerlichen Öffentlichkeit” als kleine diskutierende Kreise, deren Teilnehmer sich weitgehend als Gleiche empfinden, weil sie von ökonomischen, klassenmäßigen oder systemstrukturellen Bedingungen weitgehend abstrahieren (können) und die auf diskursivem Weg zu einer auf individueller Rationalität basierenden öffentlichen Meinung gelangen, ließe sich in komplexer werdenden Gesellschaften nicht 2 Der Politik wurden lange Zeit diese Potenziale zugeschrieben und derartige Zuschreibungen wurden und
werden gerne von politischen Akteuren aufgegriffen, gerade in Wahlkampfzeiten.
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Anna Maria Theis-Berglmair
mehr realisieren. Als Konsequenz daraus definiert Luhmann (1975: 9 f.) öffentliche Meinung nicht mehr als politisch relevantes Ergebnis, sondern „als thematische Struktur öffentlicher Kommunikation“. Unter „Themen“ versteht er dabei „mehr oder weniger unbestimmte und entwicklungsfähige Sinnkomplexe, über die man reden und gleiche, aber auch verschiedene Meinungen haben kann“ (ebd.: 13). In der Differenzierung zwischen Thema und Meinung sieht Luhmann eine Möglichkeit, den komplexer werdenden Kommunikationsprozessen in modernen Gesellschaften zu entsprechen, die ihre Integration nicht mehr durch eine gemeinsame Moral erfahren. Übereinstimmung ist folglich nicht mehr über Meinungen zu einem Thema zu erzielen, sondern lediglich über die Akzeptanz von Themen der öffentlichen Kommunikation: „Nicht an der Form der Meinungen – ihrer Allgemeinheit und kritischen Diskutierbarkeit, ihrer Vernünftigkeit, Konsensfähigkeit, öffentlichen Vertretbarkeit – ist die Funktion der öffentlichen Meinung abzulesen, sondern an der Form der Themen politischer Kommunikation, an ihrer Eignung als Struktur des Kommunikationsprozesses“ (ebd.: 15 f.). Die Komplexität des politischen Systems lässt sich daher an seiner Themenkapazität ablesen. Nur durch diesen Kunstgriff lässt sich der Kollektivsingular „öffentliche Meinung” aufrechterhalten. Die Alternative dazu stellen aggregierte Individualmeinungen dar, die in demoskopischen Umfragen erhoben und zu Meinungsaggregaten gebündelt werden3, während sich die Themen(-struktur) öffentlicher Kommunikation über Inhaltsanalysen erfassen lässt. Auch Versuche, Öffentlichkeit als „Verständigungsprozess der Gesellschaft über sich selbst” zu definieren (Klaus 1998: 136), über den „gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktionen verhandelt, gefestigt, ent- oder verworfen werden, die Regeln und Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens bestätigt oder modifiziert werden sowie kulturelle Ziele überprüft und kulturelle Identitäten geschaffen” werden (ebd.), können letztlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Prozess der gesellschaftlichen Selbstverständigung nicht zwingend zu einem gruppen- und milieuübergreifenden Meinungskonsens führt, was der Begriff der Verständigung suggeriert. Insofern zeigt das System der massenmedialen Öffentlichkeit allenfalls an, welche Themen in einer Gesellschaft aktuell diskutiert werden. Auf diese Weise kommt eine inhaltliche Fokussierung auf Themen zustande, die, gerade weil sie öffentlich sind, fortan als bekannt unterstellt werden (können). Während im Hinblick auf die Aktualität von (öffentlichen) Themen noch eine gewisse Akzeptanz existiert, können die Meinungen zu diesem Thema sehr unterschiedlich ausfallen. Diesbezüglich unterscheiden sich die verschiedenen Teilöffentlichkeiten.
3 Siehe dazu die kritischen Anmerkungen von Bourdieu (1993).
Meinungsbildung in der Mediengesellschaft
3.
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Die Ambivalenz einer massenmedialen Öffentlichkeit für Wirtschaftsunternehmen
Während Öffentlichkeit auf den ersten Blick mit den Medien, den Journalisten und dem Publikum assoziiert wird, spielen auch andere, vor allem korporative Akteure eine wichtige Rolle in diesem Prozess. Die Bedeutung dieser Akteure ist sowohl für den Bereich der Politik (Nissen/Menningen 1977) als auch für andere Bereiche empirisch nachgewiesen (Baerns 1985, Fröhlich 1992). Nicht zuletzt die Liberalisierung der Rundfunkmärkte seit den 1980er Jahren und technische Konvergenzen im Mediensektor haben zu einer zunehmenden Zahl von Akteuren geführt, die direkt oder indirekt mit der massenmedialen Produktion von Öffentlichkeit zu tun haben. Die Ausweitung der Sendezeiten und Themen hat darüber hinaus den Wettbewerb um die immer knapper werdende Aufmerksamkeit der Rezipienten verschärft. Parallel dazu hat sich der gesamte Bereich der Public Relations personell stark ausgeweitet und ist dabei, sich weiter zu professionalisieren (Bentele 1998, Röttger 1999). Ohne hier einen ursächlichen Zusammenhang behaupten zu wollen, zeigt dies zumindest, dass Unternehmen und andere Organisationen über die Jahre hinweg gelernt haben, mit Massenmedien umzugehen. Ausschlaggebend für diese Aktivitäten sind zumeist punktuelle negative Erfahrungen mit massenmedialer Berichterstattung, die den Unternehmen vor Augen führen, dass sie beobachtet werden. Massenmediale Öffentlichkeit erweist sich nämlich in mehrfacher Hinsicht als kontingent4 und damit als schwer einschätzbar für Unternehmen: Auf Grund des hohen Aktualitäts- und Selektionsdrucks ist im Vorhinein nicht klar, welches Thema überhaupt auf die massenmediale Agenda kommt. Es ist unbekannt, welche und wie viele Akteure sich in die Diskussion einschalten. Es ist nicht absehbar, wie lange das Thema überhaupt auf der massenmedialen Agenda bleiben wird. Es ist in vielen Fällen nicht absehbar, welche Veränderungen ein Thema im Laufe seiner Themenkarriere erfährt. Mit Blick auf diese Ungewissheiten haben Wirtschaftsunternehmen, aber auch andere Organisationen seit langem damit begonnen, Strategien des Kontingenzmanagements (Theis 1992) zu entwickeln. In sachlicher Hinsicht wird versucht, wünschenswerte Themen in den Medien unterzubringen, zumeist verbunden mit einem entsprechenden zeitlichen Timing der Veröffentlichung. Gestützt wird das Ganze durch die Etablierung verlässlicher sozialer Beziehungen zu relevanten Journalisten. Bei diesen PR-Maßnahmen geht es um die Platzierung von Themen in den Medien, die für die Rezipienten nicht als Selbstdarstellung erkennbar sind, im Gegensatz zu dem bezahlten Raum, welchen die Medien den Wirtschaftsunter4 Kontingent meint: So, aber auch anders möglich.
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nehmen und anderen korporativen Akteuren zu Selbstdarstellungszwecken (Werbung) zur Verfügung stellen und der auch als solcher erkennbar sein soll. Mit der Transformation von Selbstbeschreibung in Fremdbeschreibung erhoffen sich Public-Relation-Treibende eine höhere Glaubwürdigkeit der publizierten Inhalte. Einschlägige empirische Studien belegen einen unterschiedlichen Erfolg dieser PR-Strategien (Grossenbacher 1986, Fröhlich 1992, Saffarnia 1993, Weischenberg 1997), wiewohl dieses Thema die Journalismus- und PR-Forschung bis heute nachhaltig beschäftigt (Altmeppen/Röttger/Bentele 2004). Auch wenn verstärkte Bemühungen zu erkennen sind, Erfolgsfaktoren für Public Relations zu definieren (Baerns 1995) und auf diese Weise die Leistungen der hier tätigen Personen(-gruppen) messbar zu machen, kann dieses Bestreben nicht darüber hinwegtäuschen, dass massenmediale Berichterstattung und die dadurch ausgelöste Anschlusskommunikation nicht völlig prognostizierbar sind. Selbst unter den Bedingungen einer extremen Kontrolle der Medien durch korporative Akteure bleibt massenmediale Kommunikation auf lange Sicht gesehen ergebnisoffen, wie historische Beobachtungen (Stöber 1998) und aktuelle Beispiele (Rüttimann 1991) gleichermaßen zeigen.
4.
Ebenen von Öffentlichkeit und die Dynamik gesellschaftlicher Meinungsbildungsprozesse
Auch wenn die moderne Gesellschaft stark durch die Existenz von Massenmedien geprägt ist, was ihr zuweilen die Bezeichnung „Mediengesellschaft“ einbringt, erschöpft sich das Phänomen Öffentlichkeit nicht allein in massenmedialer Berichterstattung. Stattdessen lassen sich verschiedene Foren bzw. Ebenen von Öffentlichkeit unterscheiden (Gerhards/Neidhardt 1990, Klaus 1998): Die Ebene der sogenannten einfachen Interaktionssysteme, die sich durch die Begegnung von Kommunikationspartnern konstituieren, die aber keinen besonderen Organisationsgrad aufweisen – sieht man einmal ab von den strukturierenden Effekten, welche den Themen in diesen Gesprächen zukommen. Beispiele dafür sind mehr oder weniger zufällig zustande kommende Gespräche in einem Zugabteil oder im Wartezimmer eines Arztes. Die Ebene der Versammlungsöffentlichkeit bzw. mittleren Öffentlichkeit.5 Hierzu zählen beispielsweise öffentliche Vorträge oder Protestkundgebungen, aber auch regelmäßig stattfindende Stammtischrunden und andere öffentliche Veranstaltungen. Diese Form der Öffentlichkeit weist bereits einen höheren Organisationsgrad auf als die einfachen Interak-
5 Der Begriff der „mittleren Öffentlichkeit“ stammt von Klaus (1998).
Meinungsbildung in der Mediengesellschaft
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tionssysteme. Davon zeugt die Existenz von mehr oder weniger fixierten Regeln (bis hin zu mehr oder weniger deutlich erkennbaren Mitgliedschaftsregeln bei Stammtischen), die Ausdifferenzierung von Rollen (Redner, Publikum, Versammlungsleitende, Teilnehmer etc.) sowie thematische Orientierungen. Die Ebene der massenmedial vermittelten, komplexen Öffentlichkeit: Sie weist den höchsten Organisations- und Komplexitätsgrad auf. Darüber hinaus kommt es zu einer Ausdifferenzierung von Leistungsrollen und zu Professionalisierungstendenzen.
Funktion
Partizipation
Zugangschancen
Selektion
Rollendifferenzierung/ Profession
Einfache Öffentlichkeit
Subjektive Bedeutung von Themen
+++
+++
+
+
Mittlere Öffentlichkeit
Initiieren gesellschaftlicher Themen
++
++
++
++
Verbreitung und Zuspitzung von Themen
+
+
+++
+++
Massenmediale Öffentlichkeit
Legende: +++ stark ausgeprägt, ++ weniger stark ausgeprägt, + gering ausgeprägt
Abbildung 1:
Charakteristika verschiedener Öffentlichkeiten
Während die Partizipationschancen aller Beteiligten bei der interaktiven Öffentlichkeit am größten sind (die prinzipielle Reziprozität dieses Kommunikationstypus erlaubt jedem Teilnehmer, sich zu äußern), nehmen diese Chancen auf den beiden anderen Ebenen sukzessive ab. Die Partizipationsmöglichkeiten des dispersen Publikums der Massenkommunikation erschöpfen sich in punktuellen Kommentaren (z. B. Leserbriefe) oder im Abschalten des Rundfunkgeräts bzw. dem Kündigen eines Zeitungsabonnements. Umgekehrt ist der Verbreitungsgrad von Botschaften bei der massenmedialen Kommunikation am höchsten. Allerdings stehen Medien hier vor der Aufgabe, ihr jeweiliges Publikum überhaupt erst finden und definieren zu müssen, weshalb ihr Erfolg immer nur ein begrenzter und ein kurzfristiger ist (Ang 1992). Diese Notwendigkeit entfällt bei einfachen Öffentlichkeiten und der Versammlungsöffentlichkeit, weil die Beteiligten schon feststehen bzw. präsent sind. Auch im Hinblick auf die Funktionen unterscheiden sich die verschiedenen Ebenen von Öffentlichkeit: Während die massenmediale Öffentlichkeit für die Themenverbreitung sorgt und damit Informationen für alle zur Verfügung stellt, werden über Versammlungsöffentlichkeiten als relevant empfundene Themen aufgegriffen mit dem Ziel, diese Themen in die massenmediale Berichterstattung einzubringen, um sie auf der gesellschaftlichen Rangskala nach oben zu bringen. In einfachen Öffentlichkeiten wird hingegen die subjektive Bedeutung und Gewich-
130
Anna Maria Theis-Berglmair
tung von Themen erörtert und interaktiv festgelegt. Auf diese Weise stehen alle drei Ebenen von Öffentlichkeit in einem wechselseitigen Austausch. Wo dieser Austausch fehlt, kommt es zu Authentizitäts- und Glaubwürdigkeitsproblemen. Denn Authentizität bemisst sich daran, inwiefern massenmediale Berichterstattung als anschlussfähig an persönliche Alltagserfahrungen und das Alltagswissen empfunden wird (Klaus 1998: 139). Wenn persönliche Erfahrungen der Rezipienten auf Dauer im Widerspruch zur medialen Berichterstattung stehen, verliert der Journalismus an Glaubwürdigkeit. Durch journalistische Selektionsprozesse werden Themen auf die Agenda der gesellschaftlichen Kommunikation gebracht. Der Journalismus stellt dabei eine zentrale Selektionsinstanz dar, wobei die Orientierung an gesellschaftlichen Eliten aus Politik und Wirtschaft unübersehbar ist. Prestige, Prominenz, Macht, Geld und Wissen stellen wichtige Zugangsbarrieren zur massenmedialen Öffentlichkeit dar (Altschull 1989). Eine gute Ressourcenausstattung, Einfluss und Prominenz könnten auch Wirtschaftsunternehmen dazu verführen, das Augenmerk ausschließlich auf diese Ebene der Öffentlichkeit zu konzentrieren – mit weitreichenden Konsequenzen: Zum einen bleibt massenmediale Öffentlichkeit im Hinblick auf mögliche Anschlusskommunikationen nach wie vor kontingent, weil die Rezipienten massenmediale Inhalte nach Bedarf und mit Blick auf die eigene Situation selektieren und interpretieren. Zum anderen ist massenmediale Öffentlichkeit ein hoch selektives Kommunikationssystem, das keineswegs alle relevanten Sachverhalte und Bewertungen der Gesellschaft abbilden kann und das diejenigen Inhalte, die es publiziert, nach eigenen Kriterien und Codes auswählt. Durch die ausschließliche Beobachtung der Massenmedien laufen Wirtschaftsunternehmen Gefahr, Strömungen in der Gesellschaft zu übersehen, die potenziell relevant für sie werden könnten. Das können einmal Betroffenheiten im unmittelbaren lokalen oder regionalen Umfeld eines Unternehmens sein, die es in Form einer „verständigungsorientierten”, interaktiv ausgerichteten Öffentlichkeitsarbeit zu diskutieren und zu lösen gilt (Burkart 1993). In diesem Fall beteiligen sich Unternehmen durchaus an interaktiven, diskursiv ausgerichteten Formen von Öffentlichkeit wie beispielsweise Versammlungen und eigens veranstalteten Diskussionsforen. Zuweilen finden sich die Resultate derartiger einfacher und mittlerer Öffentlichkeiten in lokalen Medien der Massenkommunikation wieder. Aber auch gesellschaftsweite Tendenzen benötigen einige Zeit, bis sie von den Massenmedien aufgegriffen werden. In Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche gerät die Beziehung zwischen den verschiedenen Foren von Öffentlichkeit in Bewegung. Umgekehrt könnte man die Veränderung dieser Beziehung auch als einen Indikator für die Dynamisierung gesellschaftlicher Selbstverständigungsprozesse werten. In diesen Phasen ist es äußerst problema-
Meinungsbildung in der Mediengesellschaft
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tisch, sich nur auf massenmediale Berichterstattung zu verlassen.6 „Umbrüche sind Modernisierungsschübe, die Umstrukturierungsprozesse auslösen und neue Gesellschaftskonstruktionen, eine neue Selbstbeschreibung der Gesellschaft ermöglichen” (Klaus 1998: 143). Umbruchsphasen sind durch Glaubwürdigkeitsverluste etablierter Massenmedien und eine Vertrauenskrise gesellschaftlicher Eliten gekennzeichnet, wohingegen die Bedeutung interaktiver, einfacher Öffentlichkeiten, aber auch von Versammlungsöffentlichkeiten zunimmt. Sofern es diesen mittleren Öffentlichkeiten in dieser Phase gelingt, „alternative Diskussionsprozesse zu bündeln, die latente Unzufriedenheit auszudrücken und in symbolische politische Handlungsformen zu überführen, dann können sie ihrem Anliegen gesellschaftliche Relevanz verleihen …” (ebd.: 144). Neben historischen Beobachtungen (Dröge 1970, Stöber 1998) lassen sich auch jüngere Beispiele hierfür benennen: Die Initiierung des Umweltschutzgedankens in den siebziger Jahren durch „die Grünen” oder die Thematisierung der Gleichberechtigung durch Frauenrechtsbewegungen beruhte ebenso auf einer mittleren Öffentlichkeit wie die aktuelle „Initiative neue soziale Marktwirtschaft”, die sich für unternehmerfreundliche Marktwirtschaft einsetzt. Im Gegensatz zu den älteren Bewegungen zielen diese wie auch andere jüngere Initiativen wie etwa Greenpeace, Attac oder andere nongovernment organizations (NGOs) sehr viel bewusster auf die verschiedenen Ebenen von Öffentlichkeit. Aus diesem Grund beschränken sie sich nicht darauf, von den Medien „entdeckt” zu werden, sondern „unterstützen” diesen Prozess mit aktiver PR-Arbeit (Hamann 2005). Noch etwas anderes hat sich im Hinblick auf die Dynamisierung von Meinungen im Vergleich zu den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts geändert: Der vernetzte Computer bietet bisher nicht gekannte Kommunikationsmöglichkeiten und verbessert dadurch die Konstitutionsbedingungen der Versammlungsöffentlichkeit und der interaktiven, einfachen Öffentlichkeit. Themenbezogene Foren in Form von Weblogs, Newsgroups etc. offerieren neue Kommunikationsmöglichkeiten und damit Chancen zur Bündelung von Diskussionsprozessen. Gleichzeitig bergen diese Foren neue Möglichkeiten der Beobachtung von Beobachtungen, was für publizistische Organisationen und Wirtschaftsorganisationen gleichermaßen relevant wird. In einschlägigen Weblogs wird beispielsweise die massenmediale Berichterstattung unter die Lupe genommen und vor aller (Internet-)Augen kritisiert (z. B. bildblog.de).7 Die Beschwerden unzufriedener Kunden mit den Produkten oder Dienstleistungen eines Unternehmens können nicht länger isoliert „behandelt” werden, wenn sich Gleichgesinnte im Internet treffen, dort ein spezielles Diskussionsforum einrichten (z. B. www.complaindomain.com), um hier ihre Erfahrungen auszutauschen. Den sich im Internet bildenden, selbststeuernden Communities kommt ein hohes Meinungsbildungspotenzial zu und sie entwickeln dabei eine enorme Eigendynamik (Hearit 1999). Ein besonders interessan6 Dass Unternehmen geneigt sind, genau dieses zu tun, zeigt eine Studie über die Entwicklung von Anpas-
sungsstrategien deutscher Printverlage an das Internet. Obwohl die in die Untersuchung einbezogenen (Medien-)Unternehmen über einen direkten Zugang zu ihrem Adressatenkreis verfügten, deklarierten sie die Medienberichterstattung als wichtigste Informationsquelle für ihre onlinerelevanten Entscheidungen (siehe dazu Theis-Berglmair/Mayer/Schmidt 2003: insbes. 68). Ob dies in erster Linie mit der Besonderheit dieses Organisationstypus (Verlage) zu tun hat, sei dahingestellt. 7 Für seine Arbeit bekam bildblog.de im Juli 2005 den „Grimme Online-Award“ im Bereich Information.
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Anna Maria Theis-Berglmair
ter Fall stellt die Beteiligung von Unternehmensmitarbeitern in diesen öffentlichen Foren dar. Sofern eine derartige Beteiligung in der Vergangenheit bekannt wurde, sind die entsprechenden Mitarbeiter in der Regel dazu aufgefordert worden, sich aus derartigen Foren zurückzuziehen. Allein die Beteiligung von Organisationsmitgliedern an unternehmenskritischen Foren weist jedoch auf Kommunikations- und Authentizitätsprobleme innerhalb dieser Organisationen hin, die intern gelöst werden müssen.
5.
Konsequenzen für die Kommunikationsarbeit von Unternehmen
Aus der Existenz unterschiedlicher Ebenen von Öffentlichkeit resultiert für Wirtschaftsunternehmen, aber auch für andere Organisationen die Notwendigkeit, ihr Augenmerk auf alle genannten Foren zu richten und eine aktive und passive Kommunikationsarbeit gleichermaßen zu betreiben. Aktiv in dem Sinne, dass im Hinblick auf eine massenmediale Öffentlichkeit beispielsweise Pressekonferenzen einberufen werden und PR-Material für Journalisten bereitgestellt wird. Hinsichtlich der interaktiven und der mittleren Öffentlich geht es um die Beteiligung von Unternehmensvertretern an interaktiven Diskursen oder Versammlungen (im Sinne einer verständigungsorientierten Öffentlichkeit nach Burkart 1992). Die Notwendigkeit hierzu ist im Einzelfall zu entscheiden. Während diese aktiven Komponenten einer Öffentlichkeitsarbeit in der Vergangenheit intensiv diskutiert wurden, ist dem passiven Moment einer Kommunikationsarbeit bislang weniger Aufmerksamkeit zuteil geworden. Diese Komponente kommt am ehesten noch in dem sogenannten Clipping-Verfahren zum Ausdruck, bei dem massenmediale Berichterstattung registriert und dokumentiert wird, um „erfolgreiche” Öffentlichkeitsarbeit zu belegen. Die passive Komponente der Kommunikationsmaßnahmen zielt darauf, die Beobachtungsfähigkeit von Unternehmen zu stärken, nicht nur mit Blick auf die allgemeine Öffentlichkeit, sondern auch im Hinblick auf eine unternehmensinterne Öffentlichkeit. Sowohl die auf eine breitere Öffentlichkeit ausgerichtete unternehmenseigene als auch die unternehmensbezogene Berichterstattung der Massenmedien wird von den Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, Aktionären und anderen Anspruchsgruppen mit eigenen Erfahrungen verglichen und bewertet. Wahrgenommene Differenzen zwischen den in der unternehmensinternen und -externen Öffentlichkeit abgegebenen Statements und den eigenen Alltagserfahrungen wirken sich negativ auf die Glaubwürdigkeit dieser Publikationen aus. Von daher müssen Organisationen verstärkt Aufmerksamkeit auf die Frage legen, inwieweit ihre Veröffentlichungen von den verschiedenen Zielgruppen überhaupt als authentisch wahrgenommen werden.
Meinungsbildung in der Mediengesellschaft
133
Anschlusskommunikation / Authentizität
Kommunikationsaktivitäten Aktiv
Passiv
Interaktive Öffentlichkeit
Beteiligung an interaktiven Diskursen
Beachten von Äußerungen in Small-Talk-Situationen
Mittlere Öffentlichkeit
Teilnahme an Versammlungen
Beobachten von Foren
PR-Material für Journalisten
Registrieren/Dokumentieren von massenmedialer Berichterstattung
Massenmediale Öffentlichkeit
Abbildung 2:
Kommunikationsaktivitäten
Eine Relevanzsteigerung dürften Diskussionsforen im Internet erfahren. Diese sind von Unternehmen ebenfalls in ihr Öffentlichkeitskalkül einzubeziehen. Darauf zielen vor allem jüngere Ansätze des sogenannten Issues Management (Röttger 2001, Ingenhoff 2004, Wiedemann/Ries 2007), die sich in der Folge der aufkeimenden Proteste gegen Unternehmen in den USA seit den achtziger Jahren entwickelt haben. Seither hat die dynamische Kraft mittlerer Öffentlichkeiten zugenommen. Durch die verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten steigt die Anzahl der Akteure, die sich in diesem Feld bewegen. Nach Angaben der Union of International Associations (www.uia.org) existierten bereits 2003 über 50.000 außerparlamentarische Interessengruppen, die über ihre Kommunikationsaktivitäten politischen und wirtschaftlichen Druck auf Unternehmen ausüben. Die Beobachtung dieses Öffentlichkeitssegments ist daher gerade für global agierende Organisationen unverzichtbar, nicht nur, um diese Gruppierungen von den eigenen Interessen der Unternehmen zu überzeugen (= aktive Komponente von PR). Zusätzlich sollte die Diskussion in diesen Foren aufmerksam beobachtet werden, da sie die Chance bietet, mögliche Zukunftstrends frühzeitig zu entdecken (= passive Komponente von PR) und diese in die Ausbildung von Erwartungen über die Umwelt einzubeziehen. Angesichts der zunehmenden Kontingenz künftiger Entwicklungen, die durch die internationale Vernetzung der Wirtschaft, aber auch durch verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten der Interessengruppen und Wertegemeinschaften noch gefördert wird, ist die Ausbildung von mehr oder weniger verlässlichen Erwartungen zu einer bedeutsamen Aufgabe in Unternehmen geworden. Auf diese Anforderungen können soziale Systeme nur durch Verbesserung ihrer Beobachtungsfähigkeit reagieren, denn durch Umweltbeobachtung werden Unternehmen überhaupt erst in die Lage versetzt, Erwartungen über
134
Anna Maria Theis-Berglmair
die Umwelt auszubilden.8 Das Ungewisse der Zukunft führt zur Notwendigkeit, Unbekanntes in Bekanntes zu transformieren. In diesem Prozess spielen Beobachtung und Beschreibung eine zentrale Rolle. Der Beobachtungsbegriff ist dabei nicht in einem Alltagsverständnis, sondern in einem wissenschaftlich-systemtheoretischen Sinne zu verstehen, als Bezeichnung anhand einer Unterscheidung, oder anders: „Etwas kann … nur bezeichnet und damit beobachtet werden, wenn es von etwas anderem unterschieden wird. Beobachtung ist somit immer die Bezeichnung einer Seite im Rahmen einer Unterscheidung…” (Kneer/Nassehi 1994: 97). Beispiele sind: Gewinn – nicht Verlust; Frau – nicht Mann; Recht – nicht Unrecht. Im Rahmen einer Beobachtung ist es nicht möglich, beide Seiten der Unterscheidung gleichzeitig zu benennen, man kann immer nur die eine oder die andere Seite bezeichnen. Ein so verstandener Beobachtungsbegriff tangiert nicht ausschließlich den Aspekt der Informationsbeschaffung (wie das der Alltagsbegriff nahe legt), sondern vor allem den Aspekt der Informationsverarbeitung, der in vielen Unternehmen noch zu wünschen lässt (Herger 2001). Spätestens in diesem Punkt ergeben sich direkte Anschlussmöglichkeiten des hier vorgestellten Mehrebenenkonzepts von Öffentlichkeit an Forschungsfragen, die im Rahmen des IssuesManagements behandelt werden.
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my“ sind genau an diesem Punkt gescheitert, indem sie sich bei der angebotenen Hard- und Software auf das technisch Mögliche konzentrierten und nur eine sehr „enge“ Umwelt im Blick hatten. Von der rasanten Nachfrage nach „Klingeltönen“ etwa wurden die Anbieter von Mobilkommunikation anfangs regelrecht überrascht.
Meinungsbildung in der Mediengesellschaft
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136
Anna Maria Theis-Berglmair
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Informations- und Publizitätspflichten von Unternehmen
137
Informations- und Publizitätspflichten von Unternehmen Axel Zitzmann/Thorsten Fischer
Eine wesentliche Rahmenbedingung für die Unternehmenskommunikation sind die gesetzlich verankerten Informations- und Publizitätspflichten. Vor dem Hintergrund des sich stetig verschärfenden regulatorischen Umfelds kommt ihnen in der Praxis besondere Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere für die handels- und gesellschaftsrechtlichen sowie kapitalmarktrechtlichen Informations- und Publizitätspflichten. Gerade in diesem Bereich hat der Gesetzgeber, nicht zuletzt durch die Umsetzung von Europäischen Richtlinien ins nationale Recht, für ein engmaschiges Netz rechtlicher Rahmenbedingungen gesorgt. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten handels-, gesellschafts- sowie kapitalmarktrechtlichen Informations- und Publizitätspflichten insbesondere börsennotierter Aktiengesellschaften und ordnet die diesen Pflichten zu Grunde liegenden Rechtsvorschriften ein. Zudem gibt er einen Ausblick auf die in diesem Bereich in naher Zukunft zu erwartenden rechtlichen Neuerungen durch die Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben der Publizitäts- (2003/58/EG) und Transparenzrichtlinie (2004/109/EG) ins nationale Recht. Darüber hinaus werden einige in der Unternehmenspraxis besonders relevante Einzelaspekte erläutert. Dies betrifft die Informationspflichten der Unternehmensleitung gegenüber den betriebsverfassungsrechtlichen Gremien sowie Informationspflichten im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen fehlerhafter Produkte. Im Ergebnis zeigen sich zahlreiche Herausforderungen für die Unternehmenskommunikation speziell in den Bereichen Investor Relations, Mitarbeiterkommunikation sowie Kunden- und Krisenkommunikation.
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_6, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
138
Axel Zitzmann/Thorsten Fischer
1.
Handels- und gesellschaftsrechtliche Informationsund Publizitätspflichten
1.1
Rechnungslegungstransparenz
1.1.1
Publizitätspflichten des Jahresabschlusses
Gemäß § 264 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 242 HGB haben die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft einen Jahresabschluss aufzustellen, diesen um einen Anhang zu erweitern, der mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) eine Einheit bildet, sowie einen Lagebericht beizufügen. Der Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Verpflichtung besteht im Wesentlichen (1) in der Dokumentation von Geschäftsvorfällen und damit verbundenen Vermögen und Erfolg insbesondere zum Zweck der Beweisführung und -sicherung, (2) in der gesellschaftsrechtlichen Vermögens- und Gewinnverteilung und (3) in der Information oder Rechenschaft gegenüber Dritten, insbesondere Kapitalgebern und Gläubigern (MüKo HGB/ Ballwiese: § 238, Rn.1). Gemäß § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der Jahresabschluss sodann unverzüglich nach einer Vorlage an die Gesellschafter, jedoch spätestens vor Ablauf des 12. Monats des dem Abschlussstichtag folgenden Geschäftsjahres, mit einem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung zum Handelsregister des Sitzes der Kapitalgesellschaft einzureichen. Gleichzeitig sind der Lagebericht, der Bericht des Aufsichtsrates und – soweit sich dies nicht aus dem eingereichten Jahresabschluss ergibt – der Vorschlag für die Verwendung des Ergebnisses und der Beschluss über seine Verwendung unter Angabe des Jahresüberschusses oder Jahresfehlbetrages einzureichen. Die genannten Rechnungslegungs- und Offenlegungsvorschriften gelten auch für Personengesellschaften, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person oder eine offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder andere Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschaft ist. In der Praxis werden somit auch eine Vielzahl mittelständischer Unternehmen, die häufig in der Rechtsform der GmbH & Co. KG organisiert sind, von den Rechnungs- und Offenlegungsvorschriften erfasst. Je nach Größenklasse der Gesellschaften bestehen die in Abbildung 1 dargelegten Publizitätspflichten. Unabhängig von den Größenklassen sind börsennotierte Gesellschaften stets als Große Kapitalgesellschaften anzusehen und damit voll offenlegungspflichtig (§ 267 Abs. 3 HGB). Dies gilt auch gemäß § 26 KWG für Banken und Versicherungen. Publizitätspflichtig sind weiterhin nach § 325 Abs. 3 HGB der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht.
Informations- und Publizitätspflichten von Unternehmen
139
Kleine Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaft & Co.
Mittelgroße Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaft & Co.
Große Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaft & Co.
Größenklassen gem. § 267 HGB
mindestens 2 der 3 nachstehenden Merkmale werden an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht überschritten:
mindestens 2 der 3 Merkmale für Kleine Kapitalgesellschaften werden an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren überschritten und mindestens 2 der 3 nachstehenden Merkmale nicht überschritten:
mindestens 2 der 3 nachstehenden Merkmale werden an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren überschritten:
Bilanzsumme
4.015.000 Euro
16.060.000 Euro
16.060.000 Euro
Umsatzerlöse
8.030.000 Euro
32.120.000 Euro
32.120.000 Euro
Arbeitnehmer
50
250
250
Unterlagen
§ 325 Abs. 1/§ 326
§325 Abs. 1/§ 327
§ 325 Abs. 2 und PublG
Bilanz
HR (verkürzt aufgestellt)
HR (verkürzte Gliederung)
BAnz/HR
GuV
–
HR (verkürzt aufgestellt)
BAnz/HR
Anhang
HR (ohne Angaben GuV)
HR (verkürzt aufgestellt und ohne Angaben zu § 285 Nr. 2, 5, 8a, 12)
BAnz/HR
Lagebericht
–
HR
BAnz/HR
Bestätigungsoder Versagungsvermerk
–
HR
BAnz/HR
Bericht des Aufsichtsrats
–
HR
BAnz/HR
Jahresergebnis
–
HR
BAnz/HR
Vorschlag und Beschluss über Ergebnisverwendung (beachte § 325 Abs. 1 Satz 1 a.E. HGB)
–
HR
BAnz/HR
Abbildung 1:
Publizitätspflichten des Jahresabschlusses im Überblick (HR = Handelsregister; BAnZ = Bundesanzeiger)
Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Offenlegung ist nach § 335a HGB mit einem Ordnungsgeld zu ahnden. Das Ordnungsgeld beträgt mindestens 2.500 Euro und höchstens 25.000 Euro.
140
Axel Zitzmann/Thorsten Fischer
Schuldner des Ordnungsgeldes sind dabei die Geschäftsführer persönlich. Zuständig ist das Registergericht, das nur auf Antrag einschreitet. Eine Beschränkung der Antragsberechtigung ist nicht vorgesehen, so dass jedermann antragsberechtigt ist. Das Verfahren richtet sich sodann nach § 140a Abs. 1 FGG. Viele Unternehmen sind den Publizitätspflichten bislang nur unzureichend nachgekommen, da die Registergerichte bislang lediglich auf Antrag einschreiten. Allerdings soll die Sanktionierung der Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen, insbesondere von Jahresabschlüssen, durch den Regierungsentwurf des Gesetzes über Elektronische Handelsregister, Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 15. März 2006 erheblich verschärft werden. Entscheidend hierfür ist der Wechsel vom Antragsverfahren zum Amtsverfahren. Zukünftig soll der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers prüfen, ob die einzureichenden Rechnungslegungsunterlagen form- und fristgerecht eingereicht wurden. Ein Verstoß soll sodann im elektronischen Bundesanzeiger angezeigt werden und von Amtswegen verfolgt werden. Ferner sollen die Bußgelder spürbar heraufgesetzt werden.
1.1.2
Bilanzeid
Eine Neuerung, die nicht nur kapitalmarktorientierte Unternehmen, sondern alle Unternehmen, die die für Kapitalgesellschaften geltenden Rechnungslegungsvorschriften zu beachten haben, zukünftig betreffen wird, ist die Einführung eines Bilanzeids. Nach dem Regierungsentwurf eines Transparenzrichtlinien-Umsetzungsgesetzes (TUG) von Ende Juni 2006 müssen zukünftig die gesetzlichen Vertreter einer Gesellschaft eine Entsprechenserklärung, wie sie bereits in den Vereinigten Staaten von Amerika nach dem Sarbanes-Oxley-Act üblich ist, abgeben. Dieser Bilanzeid soll sicherstellen, dass die gesetzlichen Vertreter, namentlich Vorstände und Geschäftsführer, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft im Jahresbzw. Konzernabschluss sowie im entsprechenden Lagebericht zutreffend darstellen. Das TUG soll am 20. Januar 2007, dem Tag des Ablaufs der Umsetzungsfrist der EU-Transparenzrichtlinie, in Kraft treten. Die geänderten Rechnungslegungsvorschriften sind erstmals auf Jahres- und Konzernabschlüsse für das nach dem 31. Dezember 2006 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden.
1.2
Berichtspflichten an den Aufsichtsrat
Unter Corporate Governance-Gesichtspunkten kommt der Informationsversorgung des Aufsichtsrats eines Unternehmens besondere Bedeutung zu. Die im AktG verankerte Berichtspflicht des Vorstands einer Aktiengesellschaft an den Aufsichtsrat soll daher in erster Linie dazu dienen, dem Aufsichtsrat die Überwachungstätigkeit zu erleichtern. Zu unterscheiden sind nach § 90 AktG die Berichte, welche ohne Anforderung zu erstatten sind („Regel-
Informations- und Publizitätspflichten von Unternehmen
141
berichte“), und die Berichte, die nur auf besonderes Verlangen des Aufsichtsrats zu erstatten sind („Anforderungsberichte“): Im Rahmen der Regelberichterstattung des Vorstands an den Aufsichtsrat ist zu berichten über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung, insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung. Die Berichtsfrequenz im Rahmen der Regelberichterstattung ist in § 90 Abs. 2 AktG explizit geregelt. Neben den Regelberichten sieht § 90 Abs. 3 AktG Anforderungsberichte vor. Das Berichtsverlangen kann inhaltlich dabei alle Angelegenheiten der Gesellschaft, die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen sowie geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen betreffen, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluss sein können. Hinsichtlich Form und Inhalt der Berichterstattung haben die Berichte an den Aufsichtsrat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Zur Durchsetzung und Verfestigung des Informationsflusses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat kann es unter Praktikabilitätsgesichtspunkten geboten sein, dass der Aufsichtsrat eine Informationsordnung erlässt. Die vorstehenden Berichtspflichten finden nicht nur auf Aktiengesellschaften, sondern hinsichtlich der Regelungen zu den Anforderungsberichten auch auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) Anwendung, soweit diese unter das Mitbestimmungsgesetz fallen (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG).
1.3
Offenlegung der Beteiligungsverhältnisse
Sowohl das AktG als auch das GmbHG sehen Regelungen zur Offenlegung der Beteiligungsverhältnisse vor. Unternehmen, denen mehr als 25 Prozent der Aktien einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland gehören, haben dies der Aktiengesellschaft unverzüglich mitzuteilen (§ 20 Abs. 1 AktG). Dies gilt nach § 20 Abs. 4 AktG ebenfalls, sobald dem Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung an der Aktiengesellschaft zusteht. Dabei werden dem Mitteilungspflichtigen unter besonderen Voraussetzungen auch Aktien zugerechnet, die einem Dritten gehören (§ 20 Abs. 2 AktG). Regelungszweck ist es dabei, Aktionäre, Gläubiger und die Öffentlichkeit über Konzernverbindungen zu unterrichten (BGHZ 114, 203, 215). Die aktienrechtlichen Mitteilungspflichten nach § 20 AktG gelten jedoch nicht für börsennotierte Gesellschaften, die im Amtlichen oder Geregelten Markt notiert sind. Insoweit verdrängen die §§ 21 ff. Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) als spezialgesetzliche kapitalmarktrechtliche Regelungen die allgemeine Verpflichtung zur Offenlegung nach § 20 AktG für Aktiengesellschaften.
142
Axel Zitzmann/Thorsten Fischer
Werden die Mitteilungspflichten gemäß § 20 Abs. 1 sowie § 20 Abs. 4 AktG nicht ordnungsgemäß erfüllt, so sind die Rechte aus den betroffenen Aktien grundsätzlich für die Zeit, für die die Mitteilungspflicht nicht erfüllt wurde, suspendiert. Dies gilt jedoch nicht für das Recht auf Dividende nach § 58 Abs. 4 AktG sowie das Recht auf anteiligen Liquidationserlös nach § 271 AktG, wenn die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen wurde und nachgeholt worden ist. Gemäß § 20 Abs. 6 Satz 1 AktG besteht auch für die Aktiengesellschaft eine Pflicht, eine Beteiligung, die ihr nach § 20 Abs. 1 oder § 20 Abs. 4 AktG mitgeteilt worden ist, unverzüglich in den Gesellschaftsblättern unter Angabe des Mitteilungspflichtigen bekannt zu geben. Wird gegen die Verpflichtung zur Offenlegung gemäß § 20 Abs. 6 AktG verstoßen, macht sich die Gesellschaft grundsätzlich schadensersatzpflichtig, da diese Vorschrift ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB („unerlaubte Handlung“) darstellt (MüKo AktG/Bayer 2000: § 20, Rn. 85). Auch im Falle des Erwerbs von GmbH-Geschäftsanteilen ist dieser Erwerbsvorgang offen zu legen. § 16 Abs. 1 GmbHG enthält eine Regelung, dass der Gesellschaft gegenüber im Falle der Veräußerung von Geschäftsanteilen nur derjenige als Erwerber gilt, dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. Regelungsgegenstand ist, in Abweichung zum Aktienrecht, jedoch ausschließlich der Legitimationsnachweis gegenüber der Gesellschaft. Mit einer erhöhten Transparenz der Beteiligungsverhältnisse ist allerdings auch bei der GmbH zu rechnen. Derzeit ist gemäß des Referentenentwurfes des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) beabsichtigt, dass zukünftig nur derjenige im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter gelten soll, der in der zum Handelsregister eingereichten – nach Einführung des elektronischen Handels- bzw. Unternehmensregisters auch von jedermann online einsehbaren – Gesellschafterliste eingetragen ist.
1.4
Elektronisches Handels-/Unternehmensregister
Nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes über die Einführung eines elektronischen Handels- und Unternehmensregisters (EHUG) werden spätestens zum 1. Januar 2007 die Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister auf den elektronischen Betrieb umgestellt. Darüberhinaus sieht der Gesetzentwurf die Schaffung eines zentralen Unternehmensregisters unter der Internet-Adresse www.unternehmensregister.de vor, in dem die wichtigsten veröffentlichungspflichtigen Unternehmensdaten digital abgerufen werden können. Damit wird eine zentrale Stelle geschaffen, bei der alle wesentlichen Unternehmensdaten, deren Offenlegung von der Rechtsordnung vorgesehen ist, gebündelt für Anteilseigner, Gläubiger, Mitarbeiter und die Öffentlichkeit zum jederzeitigen Online-Abruf zur Verfügung steht („one stop shopping“).
Informations- und Publizitätspflichten von Unternehmen
2.
Kapitalmarktrechtliche Informations- und Publizitätspflichten
2.1
Informationspflicht im Wertpapierprospekt
143
Um die Chancen und Risiken beim Erwerb eines Wertpapiers, insbesondere im Rahmen eines Börsengangs, abschätzen zu können, müssen Anleger Informationen über den Emittenten erhalten. Dies geschieht regelmäßig über die Angaben im Wertpapierprospekt. Der Prospekt ist das zentrale Dokument bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren sowohl im Amtlichen und Geregelten Markt als auch im Freiverkehr. Der Prospekt muss daher klar strukturiert und verständlich formuliert sein und sämtliche Angaben enthalten, um ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste sowie die Zukunftsaussichten des Emittenten zu ermöglichen. Mit Inkrafttreten des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) zum 1. Juli 2005 gibt es nunmehr nur noch ein Dokument sowohl für das öffentliche Angebot als auch die Zulassung von Wertpapieren. Daneben wurde der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Prüfung von Prospekten für öffentliche Angebote von Wertpapieren und die zentrale Zuständigkeit für die Billigung von Prospekten für solche Wertpapiere übertragen, für die eine Zulassung zum Handel in einem organisierten Markt beantragt werden soll. Rechtliche Grundlage für das Billigungs- und Hinterlegungsverfahren bildet neben dem WpPG die Verordnung der Europäischen Kommission EG Nr. 809/2004 vom 29. April 2004 (nachfolgend EU-ProspektVO). Details zum Prospektaufbau und zu den Inhalten des Prospekts finden sich im WpPG sowie der EU-ProspektVO. Im Falle der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit einer für die Beurteilung der Wertpapiere wesentlichen Angabe im Wertpapierprospekt kann der Erwerber des Wertpapiers gemäß § 44 Absatz BörsG von denjenigen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben und von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises (dies gilt nur, sofern der Erwerbspreis den Erstausgabepreis nicht überschreitet) und die mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, sofern das Erwerbsgeschäft nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere abgeschlossen wurde (umfassend zur Börsenprospekthaftung: Meyer 2003).
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2.2
Axel Zitzmann/Thorsten Fischer
Veröffentlichung von Zwischen-/Quartalsberichten
Als Zulassungsfolgepflicht müssen börsennotierte Gesellschaften regelmäßig Zwischen- bzw. Quartalsberichte veröffentlichen. Diese Berichterstattung soll die Transparenz sowie das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt stärken (Deilmann/Lorenz 2005: § 6 Rn. 5 f.). Nach § 40 Abs. 1 Börsengesetz sind Emittenten, deren Aktien im Amtlichen Markt zugelassen sind, verpflichtet, jährlich mindestens einen Zwischenbericht zu veröffentlichen. Dies gilt entsprechend für Emittenten, deren Aktien im Geregelten Markt zugelassen sind. Unternehmen, deren Aktien im Prime-Standard als besonderes Marktsegment der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) zugelassen sind, sind darüber hinaus gemäß §§ 63, 68 Börsenordnung der FWB zur Quartalsberichterstattung verpflichtet. Form und Frist der Veröffentlichung der Zwischenberichte sind in § 61 Börsenzulassungsverordnung (BörZulV) geregelt. Danach sind Zwischenberichte innerhalb von zwei Monaten nach Ende des jeweiligen Berichtszeitraums in einem überregionalen Börsenpflichtblatt oder in Form einer bei den Zahlstellen der Börse bereitzuhaltende Druckschrift zu veröffentlichen. Hinsichtlich der Art und Weise der Erstellung von Zwischenberichten finden sich die Grundlagen in den jeweils angewandten Rechnungslegungsgrundsätzen. Dabei sind insbesondere die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze zur Erstellung von Zwischenberichten zu beachten (IAS 34/APB 28). Derzeit besteht keine Verpflichtung zur Prüfung oder prüferischen Durchsicht der Zwischenberichterstattung. Gleichwohl ist zu beobachten, dass sich in der Praxis eine steigende Anzahl von Emittenten hinsichtlich ihrer Zwischenberichte einer prüferischen Durchsicht nach berufsständischen Grundsätzen (IdWPS 900) unterziehen. Auch der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält eine entsprechende Empfehlung. Nach dem Entwurf des TUG müssen Emittenten, die Aktien oder Schuldtitel begeben, zukünftig einen Halbjahresfinanzbericht erstellen, welcher an Stelle des bisherigen Zwischenberichts tritt. Diese besteht nach dem Entwurf des TUG aus einem verkürzten Abschluss, einem Zwischenlagebericht und dem Bilanzeid. Die nähere Form und der genaue Inhalt des Halbjahresfinanzberichtes kann durch eine konkretisierende Rechtsverordnung geregelt werden.
2.3
Führung von Insiderverzeichnissen
Der deutsche Gesetzgeber hat durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen in § 15b WpHG eingefügt. Insiderverzeichnisse müssen aktualisiert und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf Verlangen
Informations- und Publizitätspflichten von Unternehmen
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übermittelt werden. Ziel dieser Bestimmung ist eine erleichterte Überwachung von Insidergeschäften. Adressaten der Verpflichtung zur Führung von Insiderverzeichnissen sind zunächst die Emittenten und für Rechnung des Emittenten handelnde Personen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG). Nach dem klaren Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG sind somit Tochter- und Enkelgesellschaften des Emittenten von der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen ausgenommen. Abschlussprüfer, seine Gehilfen und die bei der Jahresabschlussprüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gelten nicht als im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handelnde Personen (§ 15 b Abs. 1 Satz 4 WpHG). Die in den Verzeichnissen aufgeführten Personen sind durch die Emittenten über die rechtlichen Pflichten, die sich aus dem Zugang zu Insiderinformationen ergeben, sowie über die Rechtsfolgen von Verstößen aufzuklären. Die Erläuterungen zur Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverordnung (WpAIV) konkretisieren die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen und treffen zudem weitere Bestimmungen zum Inhalt sowie zur Art und Form der Anzeigen, Mitteilungen, Veröffentlichungen und zur Führung der Insiderverzeichnisse. Darüber hinaus existieren keine weiteren Bestimmungen zu den Inhalten von Insiderverzeichnissen. Die Benennung schlicht aller Personen, die für einen Emittenten tätig sind, erfüllt jedoch regelmäßig nicht die Pflicht zur Führung des Verzeichnisses; jedoch sind Ausnahmen bei einer sehr kleinen Zahl an Mitarbeitern des Emittenten denkbar. Die Unternehmen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers in der Aufbewahrung flexibel sein. Daher ist in entsprechender Anwendung des § 257 Abs. 3 HGB vorsehen, dass Unterlagen auf Datenträgern oder in Papierform aufbewahrt werden können.
2.4
Ad-hoc-Publizität
§ 15 WpHG ergänzt die Regelungen der handelsrechtlichen Rechnungslegung und Publizität sowie der kapitalmarktrechtlichen Zwischenberichterstattung. Im Zusammenspiel dienen diese Vorschriften zunächst dazu, neben Gesellschaftern und Gläubigern der Emittenten auch den Kapitalmarkt mit hinreichenden Informationen auszustatten. Dadurch kann ein breites Börsenpublikum die Informationen erhalten, die für fundierte Anlageentscheidungen notwendig sind. Daneben stellt die Ad-hoc-Publikation eine wichtige insiderrechtliche Präventivmaßnahme dar. Nach einer unverzüglichen Veröffentlichung einer publizitätspflichtigen Information bleibt für den Missbrauch von Insiderwissen regelmäßig kein Raum mehr. Nach § 15 Abs. 1 WpHG unterliegt jeder Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind oder für die eine solche Zulassung beantragt ist, der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Zu den inländischen organisierten Märkten gehören hierbei der Amtliche und Geregelte Markt. Anders als in den Vorschriften zum Insiderrecht gemäß § 12 ff. WpHG sind die in den Freiverkehr (Open Market) einbezogenen Wert-
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papiere von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht erfasst. Durch die Neuregelung durch das AnSVG knüpft die Ad-hoc-Publizitätspflicht nunmehr an den einheitlichen Begriff der Insiderinformation an und wird durch ein Unmittelbarkeitskriterium ergänzt, so dass die Insiderinformation nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sein muss. Ferner besteht durch die Änderung durch das AnSVG die Möglichkeit für den Emittenten, eigenverantwortlich – soweit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG vorliegen – von einer Veröffentlichung einer Insiderinformation abzusehen. Andres als nach früherer Rechtslage ist ein Befreiungsantrag bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nicht mehr erforderlich. Während der Befreiung von der Ad-hoc- Publizität hat der Emittent den Zugang zur Insiderinformation zu kontrollieren, indem er wirksame Vorkehrungen dafür trifft, dass andere Personen als solche, deren Zugang zu Insiderinformationen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben beim Emittenten unerlässlich ist, keinen Zugang zu dieser Information erlangen und dass er die Information unverzüglich bekannt geben kann, wenn er nicht länger in der Lage ist, ihre Vertraulichkeit zu gewährleisten. Bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität macht sich der Emittent unter den Voraussetzungen der §§ 37 b und 37 c WpHG schadensersatzpflichtig (§ 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG): Nach § 37 b WpHG besteht eine Schadensersatzpflicht, wenn der Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, es unterlässt, unverzüglich eine Insiderinformation zu veröffentlichen, die ihn unmittelbar betrifft und der Schadensersatz begehrende Dritte die Finanzinstrumente nach der Unterlassung erwirbt und bei Bekanntwerden der Insiderinformation noch Inhaber der Finanzinstrumente ist oder der Dritte die Finanzinstrumente vor dem Entstehen der Insiderinformation erwirbt und nach der Unterlassung veräußert. § 37 c WpHG begründet eine Schadensersatzpflicht für die Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen und verpflichtet zum Ersatz des Schadens, der dadurch entsteht, dass der Dritte auf die Richtigkeit der Insiderinformation vertraut, wenn er die Finanzinstrumente nach der Veröffentlichung erwirbt und bei dem Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Insiderinformation noch Inhaber der Finanzinstrumente ist oder die Finanzinstrumente vor der Veröffentlichung erwirbt und vor dem Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Insiderinformation veräußert. Gemäß § 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG bleiben Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, unberührt. In Betracht kommen zum Beispiel Schadensersatzansprüche wegen Betruges (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB) oder vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB). Die Verletzung der Ad-hoc-Publikationspflicht kann ferner eine zivilrechtliche Haftung aus §§ 311 Abs. 2 und 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (culpa in contrahendo = Haftung für Verschulden vor/beim Vertragsschluss) nach sich ziehen (Hommelhoff 2000: 748 ff., 753).
Informations- und Publizitätspflichten von Unternehmen
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Neben der zivilrechtlichen Inanspruchnahme bei der schuldhaften Verletzung der mit der Adhoc-Publizität einhergehenden Pflichten drohen dem Emittenten ferner hoheitliche Sanktionen. So droht dem Emittenten eine Geldbuße in Höhe von bis zu 50.000 Euro bei verspäteter oder fehlender Übersendung des Belegs der Veröffentlichung an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die zuständige Börse (§§ 39 Abs. 2 Ziff. 7, 37 Abs. 4 WpHG). Ferner droht eine Geldbuße in Höhe von bis zu 200.000 Euro bei unterlassener, falscher, unvollständiger Mitteilung der Insiderinformation sowie für den Fall, dass die Mitteilung nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig erfolgt (§§ 39 Abs. 2 Ziff. 2 lit. c, 39 Abs. 4 WpHG). Schließlich droht im Falle einer unterlassenen, falschen oder unvollständigen Veröffentlichung der Insiderinformation oder im Falle eines Verstoßes der Veröffentlichung der Insiderinformation gegen die vorgeschriebene Weise eine Geldbuße in Höhe von bis zu 1 Mio. Euro. Dies gilt auch, wenn die Veröffentlichung der Insiderinformation nicht rechtzeitig erfolgt (§§ 39 Abs. 2 Ziff. 6, 39 Abs. 4 WpHG).
2.5
Directors’ Dealings
Der durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juli 2002 eingeführte und durch das AnSVG modifizierte § 15 a WpHG regelt die so genannten Directors´ Dealings. Nach dieser Vorschrift sind Personen, die bei einem Emittenten von Aktien Führungsaufgaben wahrnehmen, verpflichtet, eigene Geschäfte mit Aktien des Emittenten oder sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten, z. B. Derivate und Optionen, offen zu legen. Erfasst werden entsprechend der Ad-hoc-Publizität Emittenten, deren Aktien zum Handel im Amtlichen und Geregelten Markt zugelassen sind. Ausreichend ist es insoweit auch, wenn der Antrag auf Zulassung gestellt oder öffentlich angekündigt ist. Emittenten, deren Aktien zum Handel in den Freiverkehr (Open Market) einbezogen sind, werden dagegen nicht erfasst. Personen mit Führungsaufgaben sind persönlich haftende Gesellschafter oder Mitglieder eines Leitungs- Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans des Emittenten sowie sonstige Personen, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind. Nicht abschließend geklärt ist, welche Personen zu den sonstigen Führungspersonen gehören. Grundsätzlich ist nicht jede Führungskraft der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstandes per se mitteilungspflichtig im Sinne des § 15 a WpHG. Die Führungsperson unterliegt der Mitteilungspflicht nur dann, wenn sie unternehmerische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven von strategischer Bedeutung für das Gesamtunternehmen treffen kann. Sobald ein Zustimmungsvorbehalt beim Vorstand verbleibt, soll nach Auffassung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Mitteilungspflicht ausgeschlossen sein. Ausgedehnt wird der Anwendungsbereich dieser Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht auf Personen, die mit der Führungsperson in enger Beziehung stehen. Hierzu gehören natür-
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liche und juristische Personen. Mitteilungspflichtig als natürliche Personen sind Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder sowie andere Verwandte, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des mitteilungspflichtigen Geschäfts seit mindestens einem Jahr mit der Führungsperson im selben Haushalt leben. Ferner sind aufgrund der Änderungen durch das AnSVG nunmehr auch juristische Personen, treuhänderisch tätige Einrichtungen (z. B. Stiftungen) sowie Personengesellschaften mitteilungspflichtig nach § 15 a WpHG, wenn die Führungsperson oder eine natürliche Person in enger Beziehung zur Führungsperson die Gesellschaft direkt oder indirekt kontrolliert. § 15 a WpHG enthält eine Bagatellgrenze. Keine Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht wird ausgelöst, wenn die Geschäfte der Führungsperson und der mit dieser in enger Beziehung stehenden natürlichen und juristischen Personen kumulativ einen Gegenwert von 5.000 Euro innerhalb eines Kalenderjahres nicht überschreiten. Wird die Bagatellgrenze jedoch überschritten, müssen alle Geschäfte, unabhängig von ihrem Wert, nachträglich mitgeteilt werden. Die Mitteilung muss spätestens am fünften Werktag nach dem Geschäftsabschluss bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und dem Emittenten eingegangen sein. Für den Fristbeginn ist das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft maßgebend. Der Inhalt der Mitteilung richtet sich nach § 10 WpAIV. Zudem stellt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (www.bafin.de) im Internet ein Formular zur Verfügung, das die Einhaltung der Mitteilungsvorschriften erleichtern soll. Der Emittent hat die Mitteilung unverzüglich auf seiner Website zu veröffentlichen. Zum Schutz sensibler personenbezogener Daten muss die Veröffentlichung nicht alle Daten der Mitteilung enthalten. Der genaue Inhalt der Veröffentlichung ist insoweit in § 12 WpAIV geregelt. Die Erfüllung dieser Veröffentlichungspflicht ist der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gegenüber zu belegen. Vorsätzliche oder leichtfertige Pflichtverletzungen bei der Mitteilung und der Veröffentlichung nach § 15 a WpHG sind bußgeldbewährt. Ein Bußgeld in Höhe von bis zu 100.000 Euro kann verwirkt werden, wenn die Mitteilung oder die Veröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgesehenen Weise erfolgt. Die fehlende oder nicht unverzügliche Übersendung des Veröffentlichungsbeleges kann mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden.
2.6
Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten bei Veränderungen des Stimmrechtsanteils
Die §§ 21 ff. WpHG befassen sich mit den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten bei Veränderungen des Stimmrechtsanteils an börsennotierten Gesellschaften. Als kapitalmarktrechtliche Spezialregelungen verdrängen die §§ 21 ff. WpHG insoweit die allgemeine aktien-
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rechtliche Offenlegungspflicht nach § 20 AktG für börsennotierte Gesellschaften, die im Amtlichen oder Geregelten Markt notiert sind. Die Meldepflicht richtet sich an den einzelnen Anleger. Wer eine bestimmte Mitteilungsschwelle in Bezug auf die Stimmrechtsanteile einer börsennotierten Gesellschaft erreicht, überschreitet oder unterschreitet, hat dies der Gesellschaft und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unverzüglich mitzuteilen. Die Gesellschaft trifft dann die Pflicht, diese Mitteilung zu veröffentlichen. Als Mindestschwelle werden derzeit 5, 10, 25, 50 sowie 75 Prozent gesetzlich definiert. Der Grund für diese Regelung liegt darin, dass die Zusammensetzung des Aktionärskreises und eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse wichtiger Großaktionäre entscheidende Anlagekriterien für Marktteilnehmer darstellen. Die Aktionärsstruktur hat wesentlichen Einfluss auf die Kursentwicklung. Darüber hinaus hilft das Transparenzgebot den Organen einer Gesellschaft, sich ein aktuelles Bild der Beteiligungs- und Beherrschungsverhältnisse zu machen. Ferner dient das Transparenzgebot dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. Das Vertrauen der Anleger in Fairness und Chancengleichheit bei Anlageentscheidungen wird gestärkt. Der Mitteilungspflichtige hat die Gesellschaft und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unverzüglich, spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen, unter Angabe der Höhe des Stimmrechtsanteils schriftlich zu benachrichtigen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht führt eine Online-Datenbank über die Beteiligungsverhältnisse, die unter www.bafin.de abrufbar ist. Die vom Mitteilungspflichtigen informierte Gesellschaft hat die Mitteilung unverzüglich, d. h. spätestens neun Kalendertage nach Zugang der Mitteilung, in einem überregionalen Börsenpflichtblatt zu veröffentlichen. Überwacht wird dies von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die bei schuldhaften Verstößen gegen die Veröffentlichungspflicht Geldbußen bis zur Höhe von 200.000 Euro verhängen kann (§ 39 WpHG). Schwerer als eine drohende Geldbuße wirkt jedoch der Rechtsverlust gemäß § 28 WpHG, wenn der Aktionär die Meldepflichten aus den §§ 21 ff. WpHG nicht erfüllt. Streitig ist dabei, ob die Mitteilungspflicht nur dann nicht erfüllt ist, wenn sie unterlassen wurde, oder auch dann, wenn sie lediglich fehlerhaft erfolgte (Schwark 2004: § 28 WpHG Rn. 3 f.). Vom Tatbestand erfasst werden zunächst Aktien, die dem Meldepflichtigen gehören, sodann Stimmrechte von Tochterunternehmen, auch im mehrstufigen Konzern, die ihm gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 WpHG zugerechnet werden, und schließlich Aktien Dritter, die dem Meldepflichtigen oder seinem Tochterunternehmen wirtschaftlich zuzurechnen sind (§ 22 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 2 WpHG). Vom Rechtsverlust erfasst werden die Stimmrechte sowie sonstige Mitverwaltungsrechte, wie das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung. Weiterhin erfasst der Rechtsverlust auch die Vermögensrechte des Aktionärs. Dazu gehört insbesondere das Recht auf anteiligen Bilanzgewinn. Neben den bereits bestehenden Meldeschwellen werden gemäß der EU-Transparenzrichtlinie neue Meldeschwellen von 15, 20 und 30 Prozent eingeführt. Zusätzlich zu diesen zwingenden Vorgaben der EU-Transparenzrichtlinie beabsichtigt der nationale Gesetzgeber eine neue
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Meldeschwelle bei 3 Prozent einzuführen. Die Einführung dieser Meldeschwelle soll vor dem Hintergrund der Vorgänge bei der Deutsche Börse AG zukünftig ein unbemerktes „Anschleichen“ an Emittenten, z. B. durch Hedgefonds, erschweren.
2.7
Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)
Unter Corporate Governance-Gesichtspunkten bildet die Einführung der so genannten Entsprechenserklärung in § 161 AktG das Kernstück des Transparenz- und Publizitätsgesetzes (TransPuG). Gemäß § 161 AktG sind Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften jährlich verpflichtet, zu erklären, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird, oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden. Der Kodex, der jährlich überprüft wird, stellt die wesentlichen gesetzlichen Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Unternehmen dar. Ferner beinhaltet er international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung. Die aktuelle Fassung ist einsehbar unter www.corporate-governance-code.de. Die Entsprechenserklärung ist nicht nur abzugeben, sondern den Aktionären auch dauerhaft zugänglich zu machen. Hierunter wird allgemein die Veröffentlichung auf der Website des Unternehmens verstanden. Unabhängig von einer dauerhaften Zugänglichmachung via Internet empfiehlt der Kodex die Veröffentlichung der Entsprechenserklärung auch im Geschäftsbericht des Unternehmens (DCKG 3.10.). Ferner gehört die Entsprechenserklärung zu den offenlegungspflichtigen Unterlagen gemäß § 325 HGB, so dass in Abhängigkeit der Größe der Gesellschaft die jeweilige Handelsregister- und Bundesanzeigerpublizität zu beachten ist. Schließlich ist im Zusammenhang mit der Entsprechenserklärung zu beachten, dass im Anhang zum Jahresabschluss einer börsennotierten Gesellschaft gemäß § 285 Nr. 16 HGB die Angabe zu machen ist, „dass die nach § 161 des AktG vorgeschriebene Erklärung abgegeben und den Aktionären zugänglich gemacht worden ist“. Entsprechendes gilt für den Konzernanhang gemäß § 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB. Bei Nichtabgabe der Entsprechenserklärung liegt ein Verstoß gegen zwingendes Gesetzesrecht vor (Lutter 2002: 527, Ulmer 2002: 165). Wenn die Entsprechenserklärung gänzlich fehlt oder den Aktionären nicht zugänglich gemacht wurde, wird der Abschlussprüfer, der lediglich die formal ordnungsgemäße Abgabe prüft, nach § 322 Abs. 4 HGB die fehlende Abgabe bemängeln und z. B. nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilen. Daneben besteht für den Vorstand und den Aufsichtsrat die Gefahr der Verweigerung der Entlastung oder Anfechtung des Entlastungsbeschlusses durch die Hauptversammlung. Die Nichtabgabe der Entsprechenserklärung ist weiterhin nach § 334 HGB für die Mitglieder des vertretungs-
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berechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer börsennotierten Gesellschaft bußgeldbewährt. Ferner besteht nach § 335 a HGB für das Registergericht die Möglichkeit, gegenüber den Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs der börsennotierten Gesellschaft ein Ordnungsgeld festzusetzen. Unter Haftungsgesichtspunkten besteht für Vorstand und Aufsichtsrat auch potenziell die Gefahr der Inanspruchnahme auf Schadensersatz.
2.8
Offenlegung der Vorstandsvergütung
Mit dem Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (VorstOG) wurden börsennotierte Aktiengesellschaften verpflichtet, die Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder individualisiert unter Nennung des Namens im Jahres- und Konzernabschluss zu veröffentlichen. Anzugeben ist dabei nicht nur die Gesamtvergütung, sondern vielmehr wird die Aufschlüsselung in erfolgsunabhängige und erfolgsbezogene Komponenten und Bestandteile mit langfristiger Anreizwirkung, z. B. Aktienoptionen, verlangt. Auch Nebenleistungen jeder Art, z. B. die Gewährung eines Dienstwagens oder einer Dienstwohnung, müssen individualisiert offen gelegt werden. Hierzu gehören auch vertraglich vereinbarte Abfindungszahlungen für den Fall eines Ausscheidens aus dem Vorstand. Ziel des Gesetzes ist es, die Transparenz und damit das Vertrauen in den Kapitalmarkt zu stärken. Ferner sollen die Kontrollrechte der Aktionäre gestärkt werden. Diese Stärkung der Aktionärsrechte spiegelt sich auch in dem Recht der Hauptversammlung wider, mit einem Beschluss der Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit von einer individualisierten Veröffentlichung absehen zu können (sogenanntes „Opting Out“). Das Gesetz zur Offenlegung der Vorstandsvergütungen ist erstmals auf Jahres- und Konzernabschlüsse anzuwenden für Geschäftsjahre ab dem 1. Januar 2006.
2.9
Finanzkalender
Emittenten im Prime-Standard sind nach § 64 der Börsenordnung (BörsO) der FWB verpflichtet, zu Beginn jeden Geschäftsjahres für die Dauer mindestens eines Geschäftsjahres einen Unternehmenskalender in deutscher und englischer Sprache zu erstellen und fortlaufend zu aktualisieren. Der Unternehmenskalender muss die wesentlichen Termine der Emittenten, insbesondere den Termin der Hauptversammlung, der Bilanzpressekonferenz und Termine der Analystenkonferenzen enthalten. Der Unternehmenskalender ist auf der Website des Emittenten zu veröffentlichen. Ferner ist eine Übermittlung an die Zulassungsstelle der Frankfurter Wertpapierbörse in elektronischer Form erforderlich. Der DCGK enthält für alle
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börsennotierten Unternehmen ebenfalls die Empfehlung zur Veröffentlichung eines solchen Unternehmenskalenders.
2.10 Mitteilungspflichten nach der BörsZulV Die Emittenten zugelassener Aktien haben verschiedene, namentlich in § 39 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BörsG iVm §§ 53 bis 70 BörsZulV aufgeführte Mitteilungspflichten zu beachten. Hierzu gehören insbesondere Einberufung der Hauptversammlung, Mitteilung über die Ausschüttung und Auszahlung von Dividenden, Mitteilung über die Ausgabe neuer Aktien, Mitteilung über die Ausübung von Umtausch-, Bezugs- und Zeichnungsrechten, Mitteilungen über beabsichtigte Änderungen seiner Satzung. Grundsätzlich sind diese Mitteilungen in einem überregionalen Börsenpflichtblatt zu veröffentlichen.
2.11 Jährliches Dokument gemäß § 10 WpPG Nach § 10 des WpPG müssen die Emittenten, dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, jährlich dem Publikum ein Dokument zur Verfügung zu stellen, das alle Informationen enthält bzw. auf alle Informationen verweist, die die Emittenten in den vorausgegangenen 12 Monaten aufgrund bestimmter kapitalmarktrechtlicher Bestimmungen veröffentlich oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat. Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des jährlichen Dokumentes hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einen „Fragen-/Antwort-Katalog“ erarbeitet (siehe www.bafin.de).
2.12 Publikationsregime Emittenten müssen zukünftig nach dem Entwurf des TUG Insiderinformationen Director’s Dealings, Stimmrechtsmitteilungen, Finanzberichte und sonstige Mitteilungen solchen
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Medien anbieten, die in der Lage sind, sie europaweit zu verbreiten. Damit gibt es künftig keine regionale oder nationale Veröffentlichung mehr.
3.
Interne Informationspflichten gegenüber den betriebsverfassungsrechtlichen Gremien
Neben den vorstehend genannten handels- und gesellschaftsrechtlichen sowie kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten kommt den internen Informationspflichten der Unternehmensleitung gegenüber den betriebsverfassungsrechtlichen Gremien in der Unternehmenspraxis besondere Bedeutung zu. Die wesentlichen Regelungsgegenstände werden nachfolgend im Überblick dargestellt. Gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG haben der Arbeitgeber und der Betriebsrat bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Dieses Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit wird im BetrVG durch zahlreiche und zum Teil weitreichende Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber den betriebsverfassungsrechtlichen Gremien konkretisiert. Arbeitgeber und Betriebsrat haben grundsätzlich gemäß § 74 Abs.1 BetrVG eine monatliche Besprechung durchzuführen, um die Angelegenheiten, die den Betrieb und die Arbeitnehmerschaft betreffen, zu erörtern. Dabei bestehen gegenüber dem Betriebsrat Informationspflichten. Dies soll sicherstellen, dass der Betriebsrat seinen gesetzlichen Aufgaben nachkommen kann. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG normiert die sogenannte allgemeine Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers. Über alle Angelegenheiten, die in den Aufgabenbereich des Betriebsrats fallen, hat der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Diese allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats sind § 80 Abs. 1 BetrVG katalogartig aufgezählt. Neben diesen allgemeinen Informationspflichten legt das BetrVG dem Arbeitgeber weitere spezielle Unterrichtungspflichten auf. Von praktischer Bedeutung ist dabei das Unterrichtungsrecht des Betriebsrats gemäß § 90 BetrVG. Der Betriebsrat muss über alle Angelegenheiten, die sich auf die technische und organisatorische Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung auswirken können, informiert werden. Dies muss so rechtzeitig geschehen, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bei der Planung berücksichtigt werden können (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Auch für den Bereich der Personalplanung besteht diese Pflicht der rechtzeitigen und umfassenden Unterrichtung (§ 92 Abs. 1 BetrVG). Hiervon zu unterscheiden ist die gesonderte Informationspflicht für personelle Einzelmaßnahmen gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG. Der Betriebsrat ist in Unternehmen, die in der Regel
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mehr als zwanzig Arbeitnehmer beschäftigen, vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten. Hierfür sind ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die beteiligten Personen zu geben. § 99 Abs. 1 BetrVG normiert darüber hinaus eine Zustimmungspflicht des Betriebsrats. Im Falle einer beabsichtigten Kündigung ist der Betriebsrat in jedem Fall vor Ausspruch einer Kündigung zu hören (§ 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Wird dies unterlassen, ist die Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Für personelle Maßnahmen bei Leitenden Angestellten i. S. d. § 5 Abs. 3 BetrVG gelten diese Pflichten jedoch nicht. Hier ist lediglich eine Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsrat vorgesehen (§ 105 BetrVG). Auch im Fall von sogenannten Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG besteht eine weitgehende Informationspflicht des Arbeitgebers. Das Mitbestimmungsrecht bei Betriebsänderungen, das durch die §§ 111ff. BetrVG umfassend geregelt ist, stellt den „Kernbereich“ des betrieblichen Mitbestimmungsrechts dar (ErKo/Kania 2004: § 111, Rn. 1). Deshalb wird dem Arbeitgeber eine Informationspflicht auferlegt (§ 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG), um das durch §§ 112 f. BetrVG vorgeschriebene Zusammenwirken des Arbeitgebers und des Betriebsrats über einen Interessenausgleich oder Sozialplan sicherzustellen. Die allgemeinen wirtschaftlichen Angelegenheiten des Betriebs sind grundsätzlich mit dem Wirtschaftsausschuss zu beraten. Der Wirtschaftsausschuss muss gebildet werden, wenn in dem Betrieb in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmer ständig beschäftigt sind (§ 106 Abs. 1 BetrVG). Weitere Informationspflichten normiert § 89 Abs. 2 BetrVG. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat über alle Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz, der Unfallverhütung und dem betrieblichen Umweltschutz zu informieren.
4.
Informationspflichten im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen fehlerhafter Produkte
Die Informationspflichten im Bereich der Produkthaftung sind vor dem Hintergrund elementarer Haftungsrisiken und drohender Imageschäden von enormer Bedeutung für die Unternehmenspraxis und damit für die Unternehmenskommunikation. Rechtsdogmatisch gehören solche als „Instruktionspflichten“ oder auch als „Instruktionsfehler“ bezeichneten Pflichten zu den sogenannten Verkehrssicherungspflichten. Der Hersteller hat durch Inverkehrbringen eines Produktes eine potenzielle Gefahrenlage für den Konsumenten geschaffen. Deshalb trifft ihn auch grundsätzlich die Pflicht, vor diesen potenziellen Gefahren zu warnen. Dem Hersteller wird dabei nicht lediglich aufgegeben, vor Gefahren bei
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dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produktes zu warnen. Regelmäßig soll der Verbraucher durch Instruktionen auch vor einem „Fehlgebrauch“ des Produkts gewarnt werden. Eine umfassende Darstellung sämtlicher Instruktionspflichten würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Im Folgenden geht es daher insbesondere um den in der Praxis besonders relevanten Fall der Instruktionspflichten, die bestehen, wenn sich ein Produkt nach Inverkehrbringen tatsächlich als fehlerhaft und damit als für den Verbraucher potenziell gefährlich erweist. Unter Instruktionsfehlern versteht die Rechtsprechung grundsätzlich die unzureichende Warnung vor gefährlichen Wareneigenschaften (Graf von Westphalen/Foerste: § 24, Rn. 171). Gefährliche Wareneigenschaften können sich dabei aus Konstruktions- und/oder Fabrikationsfehlern des betreffenden Produkts, aber auch aus Gefahren ergeben, die aus einer Wechselwirkung mit anderen Produkten resultieren. Für die Frage, ob und in welchem Umfang eine Warnung notwendig ist, ist grundsätzlich auf den Erwartungshorizont der Produktnutzer abzustellen (Graf von Westphalen/Foerste: § 24, Rn. 178; MüKo BGB/Wagner 2004: § 823, Rn. 592). Je nachdem, welcher Verbraucherkreis betroffen ist, können die Anforderungen an die Informationspflichten weiter oder enger sein. Sind mehrere Abnehmerkreise betroffen, richtet sich die Informationspflicht nach der gefährdetsten Verbrauchergruppe (Graf von Westphalen/Foerste: § 24, Rn. 186). Der Umfang der Informationspflicht hängt also letztlich von der Schwere der drohenden Schäden und der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts ab (MüKo BGB/Wagner 2004: § 823, Rn. 591). Allgemein lässt sich sagen, dass der Hersteller vor allen Gefahren warnen muss, von denen er sich in zumutbarer Weise Kenntnis verschaffen konnte (BGH, NJW 1981: 1603 – Apfelschorf; BGH, NJW 1981: 1606 – Benomyl; BGH, VersR 1992, 100 – Möbellack-I; BGH, NJW-RR 1995: 342 – Gewindeschneidemittel-II). Ist ein Produkt schon in Verkehr gebracht, stellt die Rechtsprechung an die Instruktionspflicht regelmäßig erhöhte Anforderungen (BGH, NJW 1992: 560 ff. – Kindertee-I). Hintergrund ist die Annahme, dass sich der Verbraucher an das betreffende Produkt gewöhnt hat und mit dem erneuten Studieren von Gebrauchshinweisen und Ähnlichem nicht mehr im gleichen Umfang gerechnet werden kann. Deshalb müssen Warnhinweise über das Produkt publiziert werden, und zwar in einer Art und Weise, die geeignet ist, die gefährdete Verbrauchergruppe zu erreichen, und die die Art der drohenden Gefahr deutlich herausstellt. Für den Fall, dass erhebliche Körper- oder Gesundheitsschäden zu erwarten sind, muss zusätzlich konkret angegeben werden, warum das Produkt für den Verbraucher gefährlich werden kann (BGH, a. a. O.). Bei Massengütern kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine Warnung über Händler oder Massenmedien jeden Produktbenutzer erreicht. Deshalb kann den Hersteller im Fall von drohenden, erheblichen Körper- und/oder Gesundheitsschäden eine Pflicht zum Rückruf der Produkte treffen (BGH, NJW 1990: 2560 ff.; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1995: 594; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997: 1344). Das bedeutet, dass er verpflichtet sein kann, die fehlerhaften Produkte auszutauschen oder zu reparieren, um einer Schädigung vorzubeugen und sich seiner Schadensersatzverpflichtung zu entziehen (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1995: 594 – Dunstabzugshauben; LG Hamburg, VersR 1994: 299 – Rettungsinseln;
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Axel Zitzmann/Thorsten Fischer
OLG München, VersR 1992: 1135 – Druckmesszellen). Allgemein bekannt sind in diesem Zusammenhang insbesondere Rückrufaktionen von Automobilherstellern, die regelmäßig auch einen breiten Raum in der Medienberichterstattung einnehmen. Selbst bei Gefahren, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht vorhersehbar waren, wird nach verbreiteter, allerdings auch bestrittener Ansicht eine Rückrufpflicht des Herstellers angenommen. Die Instanzgerichte haben teilweise eine Rückrufpflicht in einer solchen Konstellation bejaht (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1995: 594 ff. – Dunstabzugshauben; OLG München, VersR 1992: 1135 ff. – Druckmesszellen). Begrenzt wird diese Pflicht zum Rückruf durch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit (Michalski 1998: 965). Ein Rückruf wird immer dann notwendig, wenn die Gefahr für die Verbraucher nicht mit weniger einschneidenden Mitteln bei gleicher Wirkung beseitigt werden kann. Zur Beantwortung der Frage der Notwendigkeit eines Rückrufs sind alle Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Bei Waren, die auf Grund nachträglich festgestellter fehlerhafter Instruktion gefährlich sind, ist in der Regel ein Rückruf unverhältnismäßig, da die Gefahr durch nachträgliche geeignete Instruktionen abwendbar ist (BGH, NJW 1986: 1863 ff. – Überrollbügel). Bei der Gefahr reiner Sachschäden kann eine Warnung des Herstellers an die gefährdeten Verbraucherkreise unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ebenfalls ausreichend sein (Michalski 1998: 965, Pieper 1991: 988). Anders wird jedoch in der Regel zu entscheiden sein, wenn eine Gefahr von Personenschäden besteht.
5.
Herausforderungen für die Unternehmenskommunikation
Über die in diesem Beitrag skizzierten Regelungen hinaus gelten für Unternehmen weitere Informations- und Publizitätspflichten, beispielsweise aus dem Umweltrecht, dem Steuerund Abgabenrecht und dem Versicherungs- und Bankaufsichtsrecht. Die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben fällt in der Praxis meist in den Zuständigkeitsbereich von Rechtsabteilungen, Syndikussen oder beratend tätigen Anwälten und Wirtschaftsprüfern. Für das Kommunikationsmanagement ist es jedoch unverzichtbar, diese Rahmenbedingungen der eigenen Arbeit zu kennen. Die handels- und gesellschaftsrechtlichen sowie kapitalmarktrechtlichen Vorgaben sind für die Praxis der Investor Relations (Kirchhoff/ Piwinger 2007) von unmittelbarer Bedeutung. Die internen Informationspflichten sind im Rahmen der Mitarbeiterkommunikation (Mast 2007) zu beachten. Und die Informationspflichten im Zusammenhang mit fehlerhaften Produkten bis hin zur kommunikativen Gestal-
Informations- und Publizitätspflichten von Unternehmen
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tung von Rückrufaktionen münden in konkrete Herausforderungen an die Kundenkommunikation und Krisenkommunikation (Höbel 2007). In umgekehrter Weise ist das Know-how von Kommunikationsmanagern gefragt, wenn es um die effektive und effiziente Umsetzung der rechtlich geforderten Informationsmaßnahmen geht. Das Spektrum reicht hier von der zielgruppengerechten Gestaltung der Geschäftsberichte (Piwinger 2007) und Börsenprospekte über die nutzerfreundliche Gestaltung der vom Gesetzgeber immer häufiger als Informationsmedium vorgesehenen Website des Unternehmens im Internet (Pleil/Zerfaß 2007) bis hin zur Etablierung eines Workflows für die europaweite Verbreitung von Ad-hoc-Informationen mit Hilfe entsprechender Dienstleister.
Literatur
Bydlinski, Peter et al. (Hrsg.) (2004): Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 5, 4. Auflage, München (zitiert als: MüKo BGB/Bearbeiter). Deilmann, Barbara/Lorenz, Manuel (2005): Die börsenorientierte Aktiengesellschaft, München. Dieterich, Thomas et al. (Hrsg.) (2004): Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 4. Auflage, München (zitiert als: ErKo/Bearbeiter). Graf von Westphalen, Friedrich (1997): Produkthaftungshandbuch, Band 1, 2. Auflage, München (zitiert als: Graf von Westphalen/Bearbeiter). Höbel, Peter (2007): Kommunikation in Krisen – Krisen in der Kommunikation?, in diesem Band. Hommelhoff, Peter (2000): Anlegerinformationen im Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht, in: Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, 29. Jg., S. 748-775. Kirchhoff, Klaus Rainer/Piwinger, Manfred (2007): Kommunikation mit Kapitalgebern: Grundlagen der Investor Relations, in diesem Band. Kropf, Bruno/Semler, Johannes (Hrsg.) (2000): Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Band 1, 2. Auflage, München (zitiert als: MüKo AktG/Bearbeiter). Lutter, Marcus (2002): Die Erklärung zum Corporate Governance Kodex gemäß § 161 AktG, in: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, 166. Jg., S. 523-543. Mast, Claudia (2007): Interne Unternehmenskommunikation: Der Dialog mit Mitarbeitern und Führungskräften, in diesem Band. Meyer, Andreas (2003): Aspekte einer Reform der Prospekthaftung, Teil I und Teil II, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, 57. Jg., S. 1301-1313 und S. 1349-1355. Michalski, Lutz (1998): Produktbeobachtung und Rückrufpflicht des Produzenten, in: Betriebs-Berater, 53. Jg. S. 961-966.
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Axel Zitzmann/Thorsten Fischer
Pieper, Helmut (1991): Verbraucherschutz durch Pflicht zum „Rückruf“ fehlerhafter Produkte? Zu den Grenzen einer Rechtsfortbildung, in: Betriebs-Berater, 46. Jg., S. 985992. Piwinger, Manfred (2007): Geschäftsberichte als Mittel der Information und Beziehungspflege, in diesem Band. Pleil, Thomas/Zerfaß, Ansgar (2007): Internet und Social Software in der Unternehmenskommunikation, in diesem Band. Schmidt, Karsten/Mülbert, Peter O./Grunewald, Barbara (Hrsg.) (2001): Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Band 4, München (zitiert als: MüKo HGB/ Bearbeiter). Schwark, Eberhard (2004): Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Auflage, München. Ulmer, Peter (2002): Der Deutsche Corporate Governance Kodex – ein neues Regulierungsinstrument für börsennotierte Aktiengesellschaften, in: Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, 166. Jg., S. 150-181.
Jenseits von Geld und Information – Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit
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Jenseits von Geld und Information – Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit Georg Franck
Zwei Tendenzen beherrschen die Wahrnehmung des aktuellen Wandels der Gesellschaft. Es sind die fortschreitende Ökonomisierung des Gesellschaftsprozesses und die Entmaterialisierung der wirtschaftlichen Wertschöpfung. Ökonomische Begriffe und Modelle bestimmen immer deutlicher das Bild der sozialen und politischen Verhältnisse unserer Gesellschaft. Mit der ökonomischen Durchrationalisierung einher geht der Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft. Die Wissensproduktion beerbt die Führungsrolle der Schwerindustrie, Datenströme ersetzen Güterströme, neue Medien verdrängen alte Marktplätze. Ironischerweise tut sich die Wissenschaft der Ökonomie schwer mit dem Bedeutungsverlust des Materiellen. Wohl gibt es eine Disziplin der theoretischen Ökonomie, die sich Informationsökonomik nennt (Marschak 1974, Machlup 1984). Die Informationsökonomik handelt aber nicht vom Wandel der Industrie- zur Informationsgesellschaft. Sie handelt von den Vorzügen des Informiertseins und den Kosten, die es sich lohnt dafür einzugehen. Sie handelt, anders gesagt, von Information als knappem Gut und kostspieligem Produkt. Charakteristisch für die Informationsgesellschaft ist nun aber gerade nicht, dass Information einen besonderen Wert annähme. Charakteristisch ist vielmehr deren nicht mehr zu bewältigende Flut. Zum Engpass wird die Kapazität zur Verarbeitung der Reize beziehungsweise Signale. Charakteristisch hohe Kosten verursacht die Selektion aus der Flut. Die Schwierigkeiten, die die ökonomische Theorie mit der Ökonomie des Immateriellen hat, gehen auf zwei Ursachen zurück. Erstens verfügt die theoretische Ökonomie über keinen Begriff für die wichtigste Ressource der Informationsverarbeitung. Zweitens verfügt sie über kein unabhängiges Maß für Information in der Bedeutung, auf die es in der Ökonomie ankommt.
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_7, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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1.
Georg Franck
Informationsökonomie
Information ist nichts Festes und Fertiges, sondern der Neuigkeitswert, den wir aus Reizen ziehen. Der Neuigkeitswert, den wir aus Reizen ziehen, kann sich auf das Reizmuster als solches oder auch darauf beziehen, was das Muster bedeutet. Der Neuigkeitswert des Musters als solchem kann als die (Un-)Wahrscheinlichkeit seines Auftauchens in einem zufälligen Fluss von Signalen gemessen werden. Der Neuigkeitswert von Mustern, die etwas bedeuten, ist schwieriger zu messen. Seine Messung verlangt die Einbeziehung der Instanz, die die Bedeutung versteht. Der Neuigkeitswert bedeutungsloser Muster heißt syntaktische Information. Der Neuigkeitswert von Mustern, die sich auf etwas anderes beziehen, heißt semantische beziehungsweise pragmatische Information. Ökonomisch von Belang ist nur semantische und – vor allem – pragmatische Information. Der ökonomische Wert von Information hängt von der Befriedigung ab, die das Verständnis stiftet, und von den Handlungsmöglichkeiten, die es aufschließt. Niemand weiß genau, wie das Verstehen semantischer Bedeutung und pragmatischen Sinns funktioniert. Gewiss ist jedoch, dass jeder Akt des Verstehens Ressourcen in Anspruch nimmt, die alternativ zu verwenden wären. Die Aktivität des Verstehens kostet Zeit und Energie. Diese Zeit und Energie sind nicht vermehrbar. Sie können lediglich mehr oder weniger effektiv verwendet werden. Sie werden aber zwangsläufig umso knapper, je höher die Flut der Information, die uns reizt oder zugemutet wird, steigt. Nicht die Information, sondern diese Ressourcen sind der Schlüssel zum Verständnis der Informationsökonomie. Es ist die Ökonomisierung dieser Ressourcen, die wir als Durchrationalisierung immer weiterer Lebensbereiche bei gleichzeitiger Entmaterialisierung der wirtschaftlichen Wertschöpfung erleben. Eigenartigerweise hat die theoretische Ökonomie für diese Ressourcen nun aber keinen einheitlichen, geschweige denn terminologisch ausgefeilten Begriff. Gleichwohl existiert ein reiches Repertoire von Mitteln und Methoden, um den Wirkungsgrad der Zeit und Energie zu steigern, die die Er- und Verarbeitung bedeutsamer Information in Anspruch nimmt. Das Spektrum reicht von Sprache und Schrift über die Ausbildung von Terminologien, die Mathematik und die Ausbildung von Formalsprachen bis hin zur informationstechnischen Bewaffnung unserer Verstandeskräfte. Die gezielte Steigerung des Wirkungsgrads dieser Techniken und die Entwicklung spezifischer Energiespartechniken der Informationsverarbeitung lassen von etwas wie Informationsökonomie erst reden. Die Informationsgesellschaft ist diejenige Gesellschaft in der die Techniken zur Steigerung des Wirkungsgrads mentaler Energie wichtiger geworden sind als diejenigen zur Steigerung des Wirkungsgrads physischer Energie. Nicht von ungefähr wird die Informations- auch als Wissensgesellschaft angesprochen. Bis heute fehlt indes eine ökonomische Theorie der Wissensproduktion. Es existiert weder eine Theorie der Denkökonomie noch eine der Mechanisierung geistiger Arbeit (als frühen, jedoch nie fortgesetzten Ansatz siehe Mach 1883: Kap.IV. 4).
Jenseits von Geld und Information – Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit
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Die ökonomische Theorie verfügt noch nicht einmal über ein Maß für den Output der Basisindustrie der Wissensgesellschaft, nämlich des wissenschaftlichen Forschungsbetriebs. Worin besteht der Wert wissenschaftlicher Information? Wie wird er gemessen? Gibt es einen Markt für wissenschaftliche Hypothesen, Theorien und Tatsachen? Gibt es eine Art Preissystem für wissenschaftliche Erkenntnisse? Wer oder was sorgt für eine effiziente Arbeitsteilung im arbeitsteiligen Forschungsbetrieb? All diese Fragen sind völlig offen. Gewiss ist nur eines: Wenn der Output des wissenschaftlichen Forschungsbetriebs ökonomisch bewertet wird, dann muss das Wertmaß auf eine Art Zahlungsbereitschaft zurückgehen. Als Maß für den ökonomischen Wert einer Sache kommen entweder die Mühen ihrer Herstellung oder die Bereitschaft in Frage, für ihren Gebrauch zu bezahlen. Da sich der Wert wissenschaftlicher Erkenntnisse gewiss nicht an der Mühe ihrer Erfindung beziehungsweise Entdeckung bemisst, kann sich die Frage nach ihrem Wertmaß auf die Zahlungsbereitschaft beschränken. Wie äußert sich diese Bereitschaft nun aber? Wissenschaftliche Hypothesen, Theoreme und Tatsachen werden nicht gegen Höchstgebot verkauft, sondern publiziert. Mit der Publikation werden sie der Allgemeinheit frei zugänglich gemacht. Also kann es auf keinen Fall die Bereitschaft zur Geldzahlung sein, an der sich der Wert wissenschaftlicher Information bemisst. Die Zahlung in welcher Währung könnte es aber dann sein? Der Einwand liegt nahe, dass die Frage falsch gestellt sei. Man hört ja immer wieder, dass es unmöglich sei, die Information wissenschaftlicher Hypothesen, Tatsachen und Theoreme zu messen. Diese Unmöglichkeit wäre nun freilich ein harter Schlag nicht nur für die ökonomische Theorie, sondern auch für die Wissenschaftstheorie. Ohne die Messung des Outputs der wissenschaftlichen Produktion gibt es keinen Vergleich mit dem Input und kein sinnvolles Fragen nach der Effizienz des Forschungsbetriebs. Ohne Begriff der ökonomischen Rationalität des Forschungsbetriebs bleibt die ökonomische Theorie der Wissensgesellschaft nicht nur, sondern bleibt auch der wissenschaftstheoretische Ausweis der Rationalität des Unterfangens Wissenschaft eine halbe Sache. Die Wissenschaft ist nicht der einzige Sektor der Informationsökonomie, der seinen Output der Öffentlichkeit zur freien Verfügung stellt. Auch im eigentlichen Massengeschäft mit der Information ist es üblich, das Angebot der Nachfrage nachzuwerfen. Die Marktplätze für das Massengeschäft mit Information sind die Medien. Die Medien, die auf der Höhe der technischen und ökonomischen Möglichkeiten operieren, sind das private Fernsehen und das Internet. Das private Fernsehen stellt sein Angebot zur freien Verfügung und finanziert sich aus anderen Quellen als dem Verkauf der Information, die es zum Konsum anbietet. Im Internet fließt nicht sonderlich viel Geld. Dennoch überflügelt das private Fernsehen die anderen Massenmedien. Dennoch wächst das Informationsangebot im Internet mit Raten, die die Wachstumsraten aller herkömmlichen Märkte in den Schatten stellen. Es wäre reichlich kühn zu behaupten, der Informationsoutput der Massenmedien werde nicht gemessen. Natürlich wird er gemessen. Und natürlich ist es auch hier die Zahlungsbereitschaft, die maß gibt. Es ist nur eben nicht mehr – jedenfalls nicht mehr in erster Linie – die Bereitschaft, Geld auszugeben. Vielmehr drängt sich auch hier der Eindruck auf, dass das Geld von einer anderen Währung Konkurrenz bekommt. Geld, dieser Eindruck verdichtet sich, ist nicht mehr alles. Die Entmaterialisierung des Wirtschaftsprozesses geht weiter als
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Georg Franck
nur zum Ersatz materieller Produkte durch Informationsprodukte. Die Entmaterialisierung hat vom Zahlungssystem Besitz ergriffen. Das Geld ist auch und gerade als Form des Einkommens nicht mehr alles.
2.
Attraktionsökonomie
Es reicht heute nicht mehr, nur reich zu sein. Wer etwas sein will, muss schon auch ein bisschen prominent sein. Das heißt, er muss noch ein anderes, immaterielles Einkommen beziehen. Geld allein ist zu etwas Gewöhnlichem geworden. Die Inflationierung materiellen Reichtums bei gleichzeitiger Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich verpasst dem nackten Geld einen fast schon ordinären Zug. Wo sich immer mehr Menschen die Insignien materiellen Reichtums leisten können, da muss sich der Wille zur Distinktion nach Attributen umsehen, die selektiver sind als hohes Geldeinkommen. Nach dem Gesetz der Sozialisierung ehemaliger Luxusgüter sind diese Attribute unter den Privilegien der jeweils noch erkennbaren Eliten zu suchen. Der Generalnenner heutiger Eliten ist die Prominenz. Das Streben nach materiellem Reichtum gilt zwar nach wie vor als Hauptmotiv des wirtschaftlichen Handelns. Selbst diejenigen aber, die sich einbilden, hinter nichts anderem als dem Geld her zu sein, haben in Wirklichkeit ein anderes Einkommen im Sinn. Sie haben nämlich keineswegs vor, das Geld nur für leibliches Wohlleben und physischen Komfort auszugeben. Sie brauchen das Geld, um Eindruck auf ihre Mitmenschen zu machen. Das Geld schließt ihnen die Möglichkeit ostentativen Konsums auf. Der ostentative Konsum dient dem Aufbau und der Pflege der Rolle, die die eigene Person in anderem Bewusstsein spielt. Die Größe der Rolle, die die eigene Person in anderem Bewusstsein spielt, ist ein anderer Ausdruck für die Höhe des Einkommens an mitmenschlicher Beachtung. Die Prominenz ist die Klasse der Großverdiener dieses Einkommens. Sind die Grundbedürfnisse des Leibes einmal befriedigt, dann rückt die Rolle, die die eigene Person in anderem Bewusstsein spielt, ins Zentrum der Lebensinhalte. Der Grund ist, dass dann die Selbstwertschätzung wichtiger wird als das leibliche Wohl. Erst im Spiegel des anderen Bewusstseins lernen wir unser Selbst kennen. Erst in der Wertschätzung, die wir von anderen erfahren, lernen wir, was wir von uns selbst halten dürfen. Der Empfang von Wertschätzung ist immer mit dem von Beachtung verbunden. Weil unsere Selbstwertschätzung so eminent von der Wertschätzung abhängt, die wir von anderen empfangen, ist es ein Auftrag schon der Selbstwertschätzung, für reichlichen Bezug dieses immateriellen Einkommens zu sorgen. Auch für dieses immaterielle Einkommen hat die theoretische Ökonomie keinen Begriff. Das Streben nach mitmenschlicher Beachtung und die wachsende Bedeutung, die sie im Sehnen und Trachten der Menschen spielt, ist nun aber ganz entscheidend für den Prozess, den wir
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als ökonomische Durchrationalisierung immer weiterer Lebensbereiche erleben. Immer mehr Menschen legen nämlich die Gewohnheit ab, nur darauf zu warten, dass sie Beachtung seitens derer finden, auf die sie selbst achten. Immer mehr Menschen werden initiativ, ja direkt unternehmerisch tätig, um ihr Einkommen an Beachtung zu maximieren. Wenn die Wissenschaft diese Tendenz nicht ernst nimmt, riskiert sie, am vielleicht wichtigsten Zug der Entmaterialisierung des Wirtschaftsprozesses vorbeizuschauen. So unterscheidet sich denn auch geistige von körperlicher Arbeit nicht nur dadurch, dass sie psychische statt physische Energie kostet und mit geistigem statt materiellem Kapital hantiert. Sie unterscheidet sich auch dadurch, dass neben der Entlohnung in Geld die in Beachtung zählt. Gewiss, auch bei der geistigen Arbeit geht es zunächst ums Geld. Für einen charakteristisch hohen Anteil der Geistesarbeiter ist jedoch das Aufsehen, das die Arbeit erregt, der schönere Lohn. Das Einkommen an Beachtung überwiegt für viele so auch als Grund für die Berufswahl. Je höher der Bildungsgrad, um so mehr entscheidet die Erwartung dieses immateriellen Einkommens über die Beliebtheit eines Berufs. Eine wissenschaftliche Karriere wird nicht deswegen einer besser dotierten in der Industrie vorgezogen, weil es aufs Geld nicht ankäme, sondern weil die Chancen des Einkommens an Beachtung höher sind. Nicht nur in den wissenschaftlichen, in den meisten Berufen mit kreativem Einschlag gehört es zur Berufsehre, mehr auf die Reputation als auf das Geld zu achten. Reputation ist das konsolidierte Einkommen an sachverständiger Beachtung. Man wird nicht Künstler, um reich, sondern wenn, dann um berühmt zu werden. Der Ruhm stellt die höchste Einkommensklasse in Sachen Beachtung dar. An ihn kommt materieller Reichtum in keiner Weise heran. Deswegen gibt es auch im Management und in den höheren Etagen der Verwaltung eine Stufe in der Hierarchie, auf der sich die Prioritäten umkehren. Man sucht keine Präsenz in der Fachöffentlichkeit oder in der Repräsentation des Berufsstands wegen des Honorars – man sucht sie um der öffentlichen Ausstrahlung willen. Die Vermittlung öffentlicher Ausstrahlung, das ist das Kerngeschäft der Medien. Die Medien bieten Information, um an die Beachtung des Publikums zu kommen. Nicht der Verkauf von Information gegen Geld hat die Medien groß gemacht, sondern der Tausch von technisch reproduzierter Information gegen lebendige Beachtung. Hinter dem Wandel klassischer Publikationsmedien zu modernen Massenmedien steckt die Entwicklung einer Technologie, die es gestattet, mit kalkulierbarem Aufwand und Ertrag an die Beachtung durch ein Massenpublikum zu kommen. Je „moderner” ein Medium, um so avancierter ist nicht nur die Technologie der Übertragung und Präsentation von Information, sondern auch und gerade die Technologie der Attraktion und Lenkung von Beachtung. Weil sie Beachtung in Massen bedeutet, ist die Präsenz in den Massenmedien so attraktiv. Weil es beispiellose Chancen der Bereicherung an Beachtung bietet, drängt alles, was von höherem Ehrgeiz ergriffen ist, ins Fernsehen. Weil das Einkommen an Beachtung einen Reiz hat, der den des Geldeinkommens hinter sich lässt, ist denn auch das Informationsangebot im Internet explodiert. Weil inzwischen das Geschäft der Attraktion mit einer Professionalität und einem technischen Aufwand betrieben wird, der demjenigen des Geldmachens nicht mehr nachsteht, werden wir mit Information sintflutartig überschwemmt. Nicht nur der Um-
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fang geistiger Produktion, auch die zur Attraktion eigens herausgebrachte, gezielt publizierte und aggressiv vermarktete Information ist in gigantischem Umfang gewachsen. Die Wachstumsraten beider stellen die der materiellen Produktion in den Schatten. Der Zunahme der publizierten, um Beachtung konkurrierenden Information steht aber ein organisch beschränktes und nahezu konstantes Aufkommen an aufmerksamer Energie gegenüber. Diese Energie ist in der Form, in der wir selbst über sie verfügen, knapp. Sie ist in der Form der Zuwendung, die wir von anderen empfangen, begehrt. Ihre Ökonomisierung in diesen beiden Formen, als knappe Ressource und als begehrtes Einkommen, ist mit einem Schub der ökonomischen Durchrationalisierung von Lebensbereichen verbunden, der nur noch mit demjenigen vergleichbar ist, den die Industrialisierung einst mit sich brachte. In ihr treffen die wichtigsten Impulse der fortschreitenden Ökonomisierung des Gesellschaftsprozesses einerseits und der Entmaterialisierung des Wirtschaftsprozesses andererseits zusammen.
3.
Die neue Währung
Gibt es einen Begriff, der die knappe Energie der Informationsverarbeitung und das begehrte Einkommen an Zuwendung zusammenfasst? Gibt es ein Maß, welches sowohl die Beachtung, die wir zwischenmenschlich tauschen, als auch den ökonomischen Wert der Neuigkeit misst? Es gibt diesen Begriff und es gibt dieses Maß. Das Stichwort ist auch schon gefallen. Es heißt: Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist die knappste Ressource der Informationsverarbeitung. Aufmerksamkeit ist es, die wir als Zuwendung miteinander tauschen. Aufmerksamkeit ist die Währung des immateriellen Einkommens. Die Aufmerksamkeit, die sie findet, ist das Maß für den Nutzwert von Information. Aufmerksamkeit brauchen wir zu allem, was wir bewusst erleben wollen. Aufmerksamkeit können wir aber auch für buchstäblich alles Erdenkliche verwenden. Sie ist in dieser globalen Erfordernis und universellen Verwendbarkeit dem Geld nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen. Wie Geld wird Aufmerksamkeit chronisch knapp, sobald das Angebot an Verwendungsmöglichkeiten über die Möglichkeiten seiner Realisierung hinausreicht. Im Gegensatz zur Geldmenge ist das Aufkommen an aufmerksamer Energie aber nicht vermehrbar. Das Aufkommen wächst mit der Zahl der Wesen, die bewusst „da” sind. Das Aufkommen pro Kopf (beziehungsweise pro da seiendem Bewusstsein) ist aber nahezu konstant. Mit dem Wachstum ihrer Verwendungsmöglichkeiten wächst das Aufkommen an Aufmerksamkeit in die Rolle eines Rationierungsmittels hinein. Die Aufmerksamkeit rationiert dann die Möglichkeiten des Erlebens, wie das Geld die materiellen Möglichkeiten der Lebensführung rationiert. Ein entfesseltes Wachstum der interessanten und sich interessant machenden, der reizenden und sich aufdrängenden Verwendungsmöglichkeiten lässt die verfügbare Aufmerksamkeit mit Zwangsläufigkeit zum Engpass werden. Im Fall des Geldes kann die Kaufkraft mit dem Angebot mitwachsen. Im Fall der
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Aufmerksamkeit kommt es irgendwann zu dem Punkt, an dem die organische Beschränkung des Aufkommens beginnt, selektiver zu wirken als das verfügbare Geld. Für eine große und rasch größer werdende Zahl von Menschen schneidet die verfügbare Aufmerksamkeit die realisierbaren Erlebnismöglichkeiten schärfer aus dem Bereich des theoretisch Möglichen aus als das verfügbare Geld. Es wird vielleicht einmal kein schlechtes Kriterium für die Fixierung der Epochenschwelle zwischen dem Industrie- und dem Informationszeitalter sein, dass aus diesen vielen die maßgebliche Mehrheit wurde. Konkurrenz könnte dieses Kriterium freilich durch dasjenige andere bekommen, dass das Einkommen an Aufmerksamkeit wichtiger wurde als das an Geld. Möglicherweise laufen beide Kriterien aber auf dasselbe hinaus. Hinter der überschwemmenden Informationsflut steckt die entfesselte Geschäftstätigkeit der Beschaffung von Aufmerksamkeit. Je mehr Menschen (und Firmen) gezielt auf sich aufmerksam machen, je höher der technische Aufwand steigt, den sie dabei treiben, und je höher die Technologie der Attraktion sich entwickelt, desto stärker wird die Erlebnissphäre mit Information eutrophiert. Je höher die Ladung der alltäglichen Lebenswelt mit Information, die eigens zum Blickfang hergerichtet und in den Kampf um die Aufmerksamkeit ausgeschickt wird, umso enger wird der Flaschenhals der organisch limitierten Kapazität bewusster Informationsverarbeitung. Die Rolle, die die Aufmerksamkeit als Einkommen, und die, die sie als Rationierungsmittel spielt, hängen zusammen. Mit ihrer Rolle als Einkommen hängt auch die Funktion der Aufmerksamkeit zusammen, ein Maß für den ökonomischen Wert von Information zu sein. Information, die keine Beachtung findet, hat keinen ökonomischen Wert. Umgekehrt hängt der ökonomische Wert von Information – wie derjenige aller anderen Güter – von der Zahlungsbereitschaft derer ab, die sie nachfragen. Allerdings kann es nun nicht die Bereitschaft zur Geldzahlung sein, die hinter der Informationsflut steckt. Erschiene nur, wofür das Publikum bereit ist Geld zu zahlen, dann hätten wir kein Überschwemmungsproblem. Und wäre ökonomisch rational nur, das zu publizieren, was unmittelbar Geld verdient, dann wäre das Angebot der Massenmedien, das Informationsangebot im Internet und das Verhalten der Anbieter wissenschaftlicher Information irrational. Natürlich ist das Zustandekommen dieser Angebote alles andere als irrational. Sie gehören nur eben Geschäftsbereichen an, in denen es nicht in erster Linie um Geld, sondern um Aufmerksamkeit geht. Die wichtigste Finanzierungsquelle der Massenmedien ist nicht der Verkauf von Information, sondern der Verkauf der Dienstleistung, Aufmerksamkeit für Beliebiges anzuziehen. Die käufliche Dienstleistung der Attraktion heißt Werbung. Die attraktive Kraft des Mediums wird gemessen in der Höhe seiner Auflage beziehungsweise Einschaltquote. Auflagehöhen und Einschaltquoten messen die Aufmerksamkeit, die das Medium für sein Informationsangebot einhandelt. Von den Einkünften an Aufmerksamkeit hängt alles andere und so auch das finanzielle Ergebnis des Geschäfts ab. Es ist das Geschäft der Medien herauszubekommen, was das Publikum lesen, hören, sehen will. Das Publikum zahlt in Aufmerksamkeit für die gebotene Information. Also wird der Wert dieser Information ganz regulär durch Zahlungsbereitschaft gemessen. Worin sich die Wertmessung der Information von der Wertmessung dinglicher Güter unterscheidet, ist nur, dass nicht die Bereitschaft zur Ausgabe von Geld, sondern die zur Ausgabe von Aufmerksamkeit zählt.
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Die verschiedenen Arten von Publikationsmedien lassen sich danach klassifizieren, wie schwer die Einkünfte an Aufmerksamkeit im Verhältnis zu den Einkünften an Geld wiegen. Die klassischen Medien, der Buchdruck und die Presse, finanzieren sich noch hauptsächlich aus dem Verkauf der Information. Bei Radio und Fernsehen unterscheiden sich die älteren, öffentlichen, von den jüngeren, privaten Formen dadurch, dass die älteren sich noch aus Gebühren, die jüngeren hingegen nur noch aus dem Verkauf der Dienstleistung der Attraktion finanzieren. Das private Fernsehen hat sich vom Verkauf der Information bereits emanzipiert. Diese Emanzipation findet ihren Abschluss im Internet. Im Internet wird bis auf Ausnahmen, die die Regel bestätigen, nur noch in Aufmerksamkeit bezahlt. Was hier zählt, ist nicht mehr die Kasse, sondern das Zählwerk, das die Besucherzahlen der Website registriert. Auflagenhöhen, Einschaltquoten und Besucherzahlen sind Maße für die Einkünfte an Aufmerksamkeit. Zugleich messen sie den Wert der fraglichen Information. Sie messen diesen Wert auch und gerade dann, wenn die Information frei zugänglich ist. Es ist die Bereitschaft, knappe Aufmerksamkeit für die Rezeption auszugeben, wodurch das Informationsangebot ganz regulär an der zahlungsbereiten Nachfrage gemessen wird. So ist es auch diese Art Messung, wodurch der Output wissenschaftlicher Produktion seine reguläre ökonomische Bewertung erfährt. Der Markt für wissenschaftliche Information ist das wissenschaftliche Publikationswesen. Dessen Angebot trifft auf die zahlungsbereite Nachfrage derer, die an Inputs für die eigene Produktion interessiert sind. Die Nachfrage äußert ihre Zahlungsbereitschaft zunächst in der Form, das Angebot zu rezipieren. Wird die Suche nach vorgefertigten Inputs fündig, tritt eine zweite Stufe der zahlungsbereiten Nachfrage in Kraft. Mit der Publikation entsteht nämlich nicht nur das Angebot auf dem Markt der wissenschaftlichen Kommunikation, sondern auch geistiges Eigentum. An diesem Eigentum vergeht sich, wer es ohne Deklaration und Entrichtung einer Lizenzgebühr für eigene produktive Zwecke verwendet. Die Art der Deklaration, ohne die fremdes geistiges Eigentums nicht verwendet werden darf, ist das Zitat. Die Gebühr, die dabei anfällt, ist die stillschweigende Überweisung eines Teils der Aufmerksamkeit, die der Zitierende für sein Werk einnimmt, auf das Konto des Zitierten. Das reguläre Maß wissenschaftlicher Information ist die Häufigkeit, mit der sie zitiert wird. Das Konto der Zitate des Autors misst dessen wissenschaftliche Produktivität. Es misst diese Produktivität an derjenigen, die der Output als Input wieder anderer Produktion entwickelt. Die Messung des Outputs der Produktion an der Produktivität, die er als Input anschließender Produktionsstufen entwickelt, ist die ganz reguläre Art und Weise, auf die der Wert von Kapitalgütern gemessen wird.
Jenseits von Geld und Information – Zur Ökonomie der Aufmerksamkeit
4.
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Fazit
Medien und Wissenschaft sind die Industrien, die nur noch letzten Endes am Geldfluss hängen. Sie arbeiten mit Aufmerksamkeit als wichtigstem Produktionsmittel und reüssieren je nach der Aufmerksamkeit, die sie einnehmen. Sie sind die Vorhut einer Wirtschaftsweise, in der es generell wichtiger geworden ist, auf die Aufmerksamkeit zu achten als auf das Geld. Medien und Wissenschaft sind nun aber auch die führenden Industrien der Gesellschaft, die sich Informationsgesellschaft nennt. Sie sind es, die die materielle Produktion aus ihrer Vormachtstellung gedrängt haben. Ohne eine angemessene ökonomische Theorie der Medien und der Wissenschaft bleibt das theoretische Verständnis des Wandels, den wir als Entmaterialisierung des Wirtschaftsprozesses erleben, flach. Ohne Beachtung der Aufmerksamkeit als knappe Ressource und als Form des Einkommens riskiert die theoretische Ökonomie, den wichtigsten Zug der Zeit zu verpassen.
5.
Epilog
Die Grundorientierung einer Gesellschaft, in der es nicht mehr an erster Stelle ums Geldverdienen, sondern um das Einnehmen der Aufmerksamkeit anderer Menschen geht, kann eigentlich nicht mehr als materialistisch bezeichnet werden. Eine solche Gesellschaft hat aufgehört, vor allem den leiblichen Genüssen zu frönen. Wenn ihre Mitglieder in der großen Mehrzahl auch noch meinen, im Sinne einer materialistischen Orientierung zu leben, so offenbaren sie durch ihre Zahlungsbereitschaft, dass sie sich schon umorientiert haben. Es ist dann nicht mehr der physische Komfort, der das Zentrum der Lebensinhalte einnimmt, sondern der Wunsch, geachtet, anerkannt, geschätzt und bewundert zu werden. An die Stelle des leiblichen Wohllebens ist der Wunsch der Person getreten, im Mittelpunkt zu stehen. Wo dieser Wunsch nun aber den Primat unter den wirtschaftlichen Antrieben erringt, ist der ökonomische Materialismus am Ende. Gewiss, man hatte sich das Ende des Materialismus anders vorgestellt. Man hätte eher eine neue Bescheidenheit als eine neue Auffälligkeit assoziiert. Es wäre einem eher die Mehrung der Substanz als die Entfesselung der Schau in den Sinn gekommen. Nur hat es der Wandel aber so an sich, aus Ecken zu kommen, die gerade niemand vermutet. Seine Herkunft wirkt immer erst im Nachhinein plausibel. So auch hier. Wäre es denn nicht weltfremd gewesen zu glauben, der enthemmte Konsum würde in massenhafte Askese münden? Wenn eine Umorientierung zu erwarten war, dann doch eine innerhalb des Hedonismus. Nur mit stärkeren,
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Georg Franck
nicht mit schwächeren Reizen lässt sich die materialistische Orientierung überwinden. Stärker als die Reize des Wohllebens sind die Verlockungen zur Eroberung der Herzen und Sinne. Angenehmer als der physische Komfort ist die wärmende Zuneigung anderer Menschen, wohl tuender als deren praktische Dienstbarkeit ist ihre teilnehmende Einfühlsamkeit. Im Rückblick scheint die Annahme nicht unschlüssig, dass mit der Inflationierung des geldigen Reichtums das Ende des ökonomischen Materialismus nahte. Auch war es nicht zu erwarten, dass dieses Ende eine Rückkehr zur alten Gemütlichkeit mit sich bringen würde. Es scheint im Rückblick sogar ganz natürlich, dass das Geschäft der Attraktion so hart und schnell wurde. Dieses Geschäft hatte schon immer etwas vom Drogenhandel. Je wichtiger das Einkommen an Beachtung wird, umso schwieriger wird es, Verluste und gar Entzug zu verkraften. In die Aufmerksamkeit, die wir einnehmen, ist schließlich die Wertschätzung verpackt, die wir genießen. Und von der Wertschätzung, die wir genießen, hängt in eminentem Maß ab, was wir uns selbst für wert schätzen dürfen. Je wichtiger das Einkommen an Beachtung, umso stärker fühlt sich die Selbstwertschätzung exponiert. Diagnostikern des Zeitgeschehens ist dies denn auch aufgefallen. Christopher Lasch hat den Begriff der „Kultur des Narzissmus“ geprägt (Lasch 1979). Die Kultur des Narzissmus ist die soziale Erscheinungsform der allgemein für wichtiger genommenen und damit auch leichter irritierbaren Selbstwertschätzung. Allerdings ist die Bezeichnung etwas irreführend. Die Assoziation mit der narzisstischen Störung lässt die individualpsychologische Ebene zu sehr in den Vordergrund treten. Die psychoanalytische Auffassung von der Selbstliebe verstellt den Blick auf die Selbstwertschätzung, die im Tauschgeschäft der Aufmerksamkeit ausgehandelt und durchgesetzt sein will. Die Bezeichnung unserer Kultur als narzisstisch verfehlt den Epoche machenden sozialen Charakter der Eitelkeit.
Literatur Lasch, Christopher (1979): The Culture of Narcissism, London. Mach, Ernst (1883): Die Mechanik in ihrer Entwicklung, Leipzig. Machlup, Fritz (1984): The Economics of Information and Human Capital, Princeton (NJ). Marschak, Jacob (1974): Economic Information, Decision, and Prediction, Vol. II: Economics of Information and Organization, Dordrecht.
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht in: gdi-Impuls, 16. Jg. (1998), Nr. 1, S. 16-26. Die Argumentation wurde vom Autor inzwischen vertieft in den beiden Büchern: Ökonomie der Aufmerksamkeit, München 1998 (8. Auflage 2004), und Mentaler Kapitalismus, München 2005.
Aspekte des Kommunikationsmanagements
Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Unternehmenskommunikation
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Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Unternehmenskommunikation Christoph Hubig/Oliver Siemoneit
Vertrauen wird oft als zentrales Konstrukt betrachtet, das die Basis für langfristige Beziehungen eines Unternehmens mit seinen Kommunikationspartnern bilden soll. Es ist daher umso wichtiger zu verstehen, was Vertrauen ist, wie es gegebenenfalls entsteht und wie beziehungsweise ob es überhaupt systematisch gestaltet werden kann. Nach einem kursorischen Überblick über die Aktualität und Vielfalt der Vertrauensdiskussion soll der Blick auf die „wertschöpfende“ Funktion von Vertrauen kritisch vertieft und auf die Rolle der Unternehmenskommunikation befragt werden.
1.
Einleitung
Überlegungen zu Konzeptionen des Vertrauens haben derzeit Konjunktur. Die zeitgenössische akademische Vertrauensforschung ist mittlerweile derart stark ausdifferenziert, dass es zunehmend schwieriger geworden ist, überhaupt noch einen Überblick über die vielfältigen Forschungsrichtungen zu halten. Doch nicht nur im akademischen Diskurs, sondern vor allem auch im Alltagserleben des Menschen spielt das Thema Vertrauen eine zunehmend prominentere Rolle – nicht zuletzt ist die verstärkte wissenschaftliche Fokussierung dieser gestiegenen außerwissenschaftlichen Bedeutung geschuldet. Dort wird besonders das Fehlen von Vertrauen beklagt, die Vertrauensproblematik also insbesondere „ex negativo“ betrachtet: Vertrauensverluste in die Technik, in die Wirtschaft, in die Politik, in das Expertentum, in die Zukunft, in die Mitmenschen, in Kunden und Geschäftspartner. Unter dem problematischen Etikett „Postmoderne“ sind eine Reihe gesellschaftlicher Veränderungen in der Diskussion, die für die Situation des modernen Menschen charakteristisch sind und Vertrauen mehr denn je als notwendig erscheinen lassen (Hubig 2004). Der postmoderne Mensch lebe in einer „Risikogesellschaft“ (Beck 1996), in der er sich Gefahren M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_8, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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ausgesetzt sieht, deren Ursprung, Ausmaß und Eintrittwahrscheinlichkeit er nicht genau, oft gar nicht kennt und deren Bedrohungspotenzial z. B. angesichts irreversibler, technischer Risiken groß und historisch einmalig ist. Oder um es in den Worten der Rational-ChoiceTheorie zu reformulieren: Postmoderne Gesellschaften sind also vor allem dadurch gekennzeichnet, dass weder objektive noch subjektive Wahrscheinlichkeiten als Basis für eine rationale Risikokalkulation vorliegen, sondern Unkenntnis und Ungewissheit über mögliche Eintrittwahrscheinlichkeiten herrschen (zur elementaren Unterscheidungen von subjektiver bzw. objektiver Wahrscheinlichkeit gegenüber Ungewissheit vgl. Bamberg/Coenenberg 1996: 17 ff.). Vertrauen erscheint hier als der einzige Weg eines adäquaten Umgangs mit Risiken und setzt besonders dort als Strategie des Risikomanagements ein, wo jedwede Kalkülbasis fehlt: „Vertrauen beginnt mit dem Nichtwissen“, bemerkt Georg Simmel zutreffend (Simmel 1992: 393). Postmoderne Gesellschaften haben also einerseits in einem besonderen Maße Anlass, angesichts steigender Ungewissheit und Unsicherheit vertrauensbasiert zu handeln bzw. handelnd Vertrauen zu instantiieren. Andererseits sehen sie sich dabei aber wachsenden Problemen gegenüber, die gerade diese notwendigen Haltungen und Handlungen erschweren. Wie also kompensieren? Benötigen wir neue Formen des Vertrauens? Auch die Wirtschaftswissenschaften haben in den letzten Jahren im Zuge ihrer Beschäftigung mit den sogenannten „soft factors“, „intangibles“ und dem „goodwill“ von Unternehmen das Thema Vertrauen verstärkt für sich entdeckt. Doch bereits die Arbeiten zur Spieltheorie in den 1950er Jahren lassen die Wichtigkeit der Themen Kommunikation und Vertrauen für die wirtschaftswissenschaftliche Forschungsagenda aufschimmern. Gerade das sogenannten Gefangenendilemma kennzeichnet dabei eine Situation, in der egoistisch-rationales Verhalten und das Fehlen von Kommunikation und Vertrauen zu einem für die Gruppe insgesamt schlechteren Ergebnis führen (Hollis 1995: 156 ff.): Hätten die Gruppenmitglieder miteinander kommunizieren können und auch Vertrauen gehabt, dass sich die anderen an die getroffenen Absprachen halten, wären alle mit einem insgesamt besseren Ergebnis belohnt worden. Stattdessen erweist es sich für alle Beteiligten als „rationaler“, „zur Sicherheit“ den suboptimalen Weg des Gestehens zu wählen. Deutlich wird hieran zum einen, dass in einer vertrauensvollen Transaktionsatmosphäre höhere Kooperationsgewinne realisiert werden können, zum anderen aber auch die Enge und Defizienz des Homo oeconomicus, in dessen egoistisch-nutzenmaximierendem, von Misstrauen geprägtem, rein rationalem und narzisstischem Universum kein Platz für ein Konstrukt wie Vertrauen besteht. Ist „zu vertrauen“ demnach irrational? Ferner: Würden Sie jemanden trauen, der in erster Linie an sein eigenes Wohlergehen, seine Selbstdarstellung oder Karriere denkt? Eine Aufweichung der Homo oeconomicus-Prämissen brachte dann die Neue Institutionenökonomie in den 70er und 80er Jahren. Vor allem im Rahmen der Agency-Theorie und der Property-Rights-Theorie werden Phänomene der unvollständigen Information bzw. der asymmetrischen Informationsverteilung thematisiert („hidden information“, „hidden action“ und „moral hazard“), wie sie durch institutionelle bzw. organisatorische Maßnahmen qua Vertrag bzw. durch die spezifische Delegation von Handlungs-, Vermögens- und Verfügungsrechten kompensiert werden können und somit wieder Vertrauen geschaffen werden kann. Institutionelle Regelungen wie etwa Verträge sind jedoch notorisch unvollständig, da nicht
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alle Sachverhalte antizipierbar und damit absicherbar sind. Außerdem verursachen sie erhebliche Transaktionskosten in Form von Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Kontroll- und Anpassungskosten – eine weitere zentrale Erkenntnis der Neuen Institutionenökonomie. Zur Einsparung von Transaktionskosten scheint nur noch Vertrauen als letzter Rettungsanker zu helfen. Doch was soll das heißen? Institutionen schaffen einerseits Vertrauen, sind aber andererseits als komplementärer Mechanismus zu Vertrauen zu begreifen? Diese zunächst paradox klingende Aussage hat ihren Grund allein darin, dass der Begriff Vertrauen einer ungenauen, mehrdeutigen Verwendung unterliegt, was die Frage provoziert: Welche Typen des Vertrauens sind zu unterscheiden? In jüngster Zeit rückte das Thema Vertrauen im Rahmen des sogenannten Social-CapitalAnsatzes erneut in den Vordergrund. Soziales Kapital bezieht sich, im Gegensatz zum Humankapital, nicht auf die Individuen selbst, sondern auf die Qualität und Beschaffenheit ihres Beziehungsgeflechts als Kapitalträger: Es bezeichnet die Gesamtheit aller aktuellen und potenziellen Ressourcen, die mit der Teilhabe an dem Netz sozialer Beziehungen des gegenseitigen Kennens und Anerkennens verbunden ist. So argumentiert etwa Robert D. Putnam, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Performance eines demokratischen Systems und dem in der Gesellschaft vorhandenen Ausmaß an Sozialkapital besteht (Putnam 1993), während Francis Fukuyama die Korrelation zwischen Vertrauen und dem Reichtum einer Gesellschaft hervorhebt (Fukuyama 1995). Auf betriebswirtschaftlicher Ebene mündet dies häufig in der Forderung, dass Unternehmen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, „Vertrauen als Organisationsprinzip“ (Schweer/Thies 2003) realisieren müssen, Vertrauen also bewusst evozieren und gestalten sollten. Vertrauen wird hier als zentrales Konstrukt betrachtet, um die langfristigen Beziehungen eines Unternehmens mit seinen Kommunikationspartnern auf eine sichere Basis zu stellen. Es ist daher umso wichtiger zu verstehen, was Vertrauen ist, wie es gegebenenfalls entsteht und wie bzw. ob es überhaupt systematisch gestaltet werden kann. Im Folgenden sei daher der Blick auf die „wertschöpfende“ Funktion von Vertrauen kritisch vertieft und auf die Rolle der Unternehmenskommunikation befragt. Dazu sind abstraktere, grundlegendere Erörterungen unabdingbar, um sich der Rolle von Vertrauen für Unternehmen als Mitglied der sozialen Gemeinschaft zu vergewissern und Grenzen des „Machbaren“ besser ausloten zu können. Doch würden Sie jemanden vertrauen, der genau weiß, wie man Vertrauen herstellt?
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2.
Grundlagen
2.1
Vertrauensbegriff
„Kann ich ihm dabei vertrauen?“ – Diese einfache, alltägliche Frage enthält bereits die wesentlichen Grundkomponenten zur Charakterisierung des Vertrauensbegriffs und der spezifischen Situationsmerkmale, die eine Vertrauensbeziehung erforderlich machen: Zum einen gibt es da etwas, das die Vertrauensfrage aufgeworfen hat bzw. auf das sich die Vertrauensfrage bezieht. Ferner gibt es mindestens zwei beteiligte Akteure, den Vertrauensgeber/das Vertrauenssubjekt und den Vertrauensnehmer/das Vertrauensobjekt, die beide über einen substanziellen Handlungsspielraum verfügen, in einem gewissen Umfang also frei entscheiden und handeln können, sowohl zum Vorteil als auch zum Schaden des anderen. Vertrauen wird also erst dort virulent, wo sich Akteure im Unsicheren sind über die moralischen Qualitäten und die innere Verfasstheit und Dynamik ihres Gegenübers, mithin also ein Zustand der unvollständigen Information und asymmetrischen Informationsverteilung herrscht. „Kann ich ihm vertrauen?“ – Wäre jenes klar, wäre mit der Frage aber auch der Begriff des Vertrauens überflüssig, denn gerade Unwägbarkeit, Unsicherheit und Risiko sind für eine Vertrauensbeziehung typisch und ihr inhärent.
Definition: Vertrauen Vertrauen ist immer eine „riskante Vorleistung“ (Luhmann 1989: 23 f.) und – als eine Art Minimalkonsens – als mindestens vierstelliges Konzept zu charakterisieren (Hubig 2004: 5 f.): Vertrauen ist (1) eine Erwartung, Haltung bzw. bewusst gefällte Entscheidung (2) zugunsten des Erhalts einer Lebensform, einer Handlungsermöglichung, einer Vorteilssteigerung (3) gegenüber einem Adressaten als Person, Institution, Organisation oder System (4) bezüglich einer bestimmten Kompetenz, Absicht, Leistung, wobei man sich mit der Platzierung einer Vertrauenshandlung der Gefahr einer Schädigung aussetzt.1
Vertrauen soll dabei eine Risikokalkulation gerade erübrigen bzw. dann geltend werden, wenn das für eine Kalkulation notwendige Wissen fehlt und/oder eine vorzunehmende 1 Eine derart neutrale Charakterisierung von Vertrauen, die sich darauf beschränkt, eine gewisse formale
Struktur, die den unterschiedlichen Vertrauenskonzepten gemeinsam ist, herauszuarbeiten, lässt andere Aspekte, wie etwa, dass Vertrauen ein positives Gefühl der Sicherheit und Ruhe bzw. eine anerkennendmotivierende, aber auch verpflichtende Wirkung beim anderen auslöst, zunächst unberücksichtigt.
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Kalkulation den Handlungszusammenhang zerstören würde (Simmel 1989: 216, Schütz 1971: 238 ff.). Damit setzt Vertrauen aber nicht auf Irrationalität, sondern eher auf A-Rationalität im Sinne einer höherstufigen Rationalität, die den Modus des Vertrauens nach einer umfassenden Begutachtung der „conditio humana“ neben dem Modus der Kontrolle als notwendige und unerlässliche Strategie anerkennt. Der Terminus Reputation bezieht sich hingegen auf den Sachverhalt der Informationsdiffusion in sozialen Netzen, d. h. dass die Vertrauenswürdigkeit und, davon abhängend, die faktische Vergabe von Vertrauen stark von der Meinung Dritter beeinflusst und mitgeprägt wird: Vermittelnde Instanzen fungieren in Form eines Intermediärs als Informant in einer potentiellen Vertrauensbeziehung zwischen einem Vertrauenssubjekt und einem Vertrauensobjekt, in dem sie technische Kompetenz, Bonität, Seriosität etc. attestieren oder absprechen. Diese Drittinstanzen reichen vom TÜV, der Stiftung Warentest bzw. der Zertifizierung und Vergabe von Qualitäts-, Prüf- und Gütesiegel über die Schufa, Rating-Agenturen wie Standard & Poor’s bis zur freien Berichterstattung in den Medien und internetbasierten Bewertungssystemen von Produkten wie bei Amazon. Reputation ist dort besonders vonnöten, wo das Handeln und dessen Kontingenz vom Vertrauenssubjekt nicht allein überblickt werden kann. Eine gute Reputation fungiert aber auch als Kapital für weitere potenzielle Vertrauensbeziehungen – nicht verwunderlich, dass Unternehmen in letzter Zeit besonders ihr Augenmerk auf die Vermeidung von Image- und Rufschäden legen. Eine oft gehörte Frage von Unternehmerseite lautet: Wie stellte ich Vertrauen fest? Gibt es dafür Standards? Salopp könnte man entgegnen, dass man im Umgang mit den Mitmenschen und seinem sozialen Umfeld – hat man zumindest ein Mindestmaß an Einfühlungsvermögen entwickelt und ist nicht autistisch veranlagt – doch merken müsste, ob einem Vertrauen entgegengebracht wird oder nicht. Eine derartige wohl wenig zufrieden stellende Antwort zielt aber genau auf das Grundproblem der Erfassung und Feststellung von Vertrauen, nämlich die Konkurrenz erklärender und verstehender bzw. quantitativer und qualitativer Methoden der empirischen Forschung. Quantitative Verfahren versuchen in der Form standardisierter Umfragen und anschließender statistischer Auswertung das Ausmaß an Vertrauen messtechnisch zu erfassen. Das Problem, das sich hierbei stellt, ist, wie das Konstrukt Vertrauen richtig zu operationalisieren ist („Vertrauen ist das, was Vertrauensuntersuchungen messen“), was also vertrauensrelevante Faktoren in einem spezifischen Kontext überhaupt sind („A brand like a friend?“),2 wie die entwickelte Vertrauensskala von Messskalen der Liebe, Zuneigung, Wertschätzung diskriminiert werden kann (Validität und Reliabilität) oder aber inwiefern existierende Untersuchungen zur Unternehmenskultur bzw. zum Unternehmensimage das Vertrauen unterschiedlicher Zielgruppen bereits messen (für einen guten Überblick über psychometrische Verfahren der Vertrauensmessung vgl. Kassebaum 2004). Qualitative Verfahren versuchen, durch teilnehmende Beobachtungen und durch einfühlendes Verstehen einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen die Vertrauensatmosphäre 2 D. h., es gilt zunächst herauszufinden, was Vertrauen in einem spezifischen Kontext überhaupt heißt, welche
Handlungen also als vertrauensbildend eingestuft werden bzw. was unter vertrauenswürdig jeweils verstanden wird. Vertrauen in sein Kind, die eigene Frau oder den besten Freund zu haben ist sicherlich etwas anderes wie Vertrauen in den Metzger oder das Bundesverfassungsgericht.
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und damit das Ausmaß von Vertrauen zu erfassen. So können etwa auf der Basis offener Einzelgespräche, der Analyse der Mitarbeiterzeitung, inoffizieller Gespräche beim Mittagessen in der Kantine etc. Rückschlüsse auf die herrschende Unternehmens- und Vertrauenskultur gezogen werden. Die Vertrauensdiskussion erweist sich damit als Spiegel der herrschenden Diskussionslage in den Sozialwissenschaften – ohne dass es hier ein richtig oder falsch gäbe: dem Konflikt zwischen „Erklären“ und „Verstehen“ auf der einen und zwischen „Individualismus“ und „Holismus“ auf der anderen Seite (Hollis 1995). Dies wird im Folgenden, insbesondere bei der Erörterung unterschiedlicher Vertrauenstypen, noch weiter deutlich werden. So gehen etwa „Individualisten“ davon aus, dass der Mangel an Interaktion und Reziprozität das Haupthindernis im Aufbau von Vertrauen in eine Organisation darstellt: Ein Unternehmen kann seine Vertrauenswürdigkeit nicht über eigene Vertrauenshandlungen zeigen, mit der Folge, dass sich das Vertrauen eines Individuums in eine Organisation nur langsam entwickeln kann und im Verhältnis zum personalen Vertrauen nur wenig intensiv ist. Ferner ist die Organisation gezwungen, weil ihr der Faktor der Reziprozität fehlt, permanent ihre Vertrauenswürdigkeit unter Beweis stellen zu müssen. Forderungen, dass Unternehmen etwas zurückgeben müssen, wenn ihnen Vertrauen angetragen wurde, z. B. in Form persönlicher Rückmeldung und Anerkennung bzw. kleiner Geschenke, zielen in eine ähnliche Richtung. „Holisten“ werfen den „Individualisten“ hier ein zu „psychologisches Konzept“ vor. Sie halten ihnen entgegen, dass es neben dem personalen Vertrauen noch einen weiteren Vertrauenstyp gibt, der die Diskussionen um die Kompensation fehlender Reziprozität als überflüssig erscheinen lässt: Institutionen- und Systemvertrauen ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass es ohne lange Interaktionsgeschichte aktualisierbar ist und sich vergleichsweise stabil gegenüber der Enttäuschung personalen Vertrauens qua individuellen Repräsentanten erweist.
2.2
Vertrauenstypen
Kehren wir zunächst zurück zum mindestens vierstelligen formalen Vertrauenskonzept. Bezüglich der beteiligten Partner lassen sich Vertrauensbezüge nach den Gesichtspunkten „intra“, „inter“ sowie „extra“ unterscheiden (Hubig 2004: 8 ff.). Intrapersonales Vertrauen als Vertrauen einer Person zu sich selbst bezeichnet man als Selbstvertrauen („fiducia“). Interpersonelles Vertrauen als Koordinations- und Kooperationsvertrauen wurde unter dem Terminus „fides“ in der Tradition diskutiert. In Analogie hierzu lässt sich ein interner Vertrauensbezug für Institutionen dahingehend modellieren, dass diese sich konstituieren im Vertrauen auf die ideelle Basis, die die Achtung durch ihre Träger ermöglichen soll, sofern jene sich unter die Idee der Institution stellen. Institutionen haben ihre „fiducia“, sofern sie diese Anerkennungsbasis selbst achten und sich nicht davon fortentwickeln, also ihren Ideen treu bleiben. Interinstitutionell ist der
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Vertrauensbezug als solcher eines Vertrauens auf wechselseitige Anerkennung der jeweiligen Institutionen als Institutionen zu modellieren. Darüber hinaus findet sich bei Institutionen ein externer Vertrauensbezug, nämlich zu Personen, die auf die Wertintegrität und Absicht der Institution setzen, ihr derartig ein Vertrauen entgegenbringen, welches die Institution gerade nicht erzwingen kann, sondern worauf sie angewiesen ist (Böckenförde 1976: 60: „Der freiheitliche ... Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. “). Zu unterscheiden hiervon ist die Vertrauensproblematik bei Organisationen: Während Institutionen Möglichkeiten individueller Zwecksetzung vorgeben und über Gratifikationen und Sanktionen strukturieren, stellen Organisationen die Mittel zur Zweckrealisierung bereit (Hubig 1995: 102 ff.). Ihr „Intra“-Bezug, also ihr Vertrauensbezug zu sich selbst, besteht im Vertrauen auf die Loyalität ihrer Mitglieder und die Stabilität der Strukturen, die in ihrer Gesamtheit die Organisation tragen. Organisationen untereinander (der „Inter“-Bezug) können ein Koordinations- und Kooperationsvertrauen entwickeln analog zum interpersonellen Vertrauen, z. B. hinsichtlich Arbeitsteiligkeit bei der Entwicklung und Nutzung von Handlungsmitteln. Ein externer Vertrauensbezug zu Organisationen entsteht dann, wenn Personen (z. B. Kunden) auf die Kompetenz und Leistung von Organisationen setzen. Schließlich sind hiervon Systeme und die Möglichkeit eines „Systemvertrauens“ (Luhmann 1989: 50 ff.) zu unterscheiden. Während institutionelles Vertrauen generell als Vertrauen in die Einhaltung von Regeln und Organisationsvertrauen generell als Vertrauen in das Erbringen von Leistungen gefasst werden kann, stellen Systeme denjenigen Rahmen vor („als Medien“), innerhalb dessen solche Regeln entwickelt und Leistungen erbracht werden können. Systeme als Möglichkeitsräume können kein explizites Verhältnis zu sich oder zu anderen Systemen entwickeln; derlei findet statt über ihre Aktualisierungen durch Personen, Institutionen und Organisationen. Natürlich können Systeme gerade so angelegt sein, dass die in ihnen bereitgestellten und vorgegebenen Möglichkeiten nutzbar werden zur Kompensation enttäuschten Vertrauens: Ein Informationssystem birgt die Möglichkeit, eine falsche Information, der zu Unrecht vertraut wurde (eher deren Informanten), richtig zu stellen („Gegendarstellung“); ein Rechtssystem birgt die Möglichkeit, Rechtsbrüche von Personen, Institutionen und Organisationen zu korrigieren und zu kompensieren („Schadensersatz“). Analog bietet das Wissenschaftssystem entsprechende Möglichkeiten in Ansehung wissenschaftlicher Fehlleistungen oder das ökonomische System Chancen für einen „Neuanfang“ nach einem ökonomischen Misserfolg („Versicherungen, Risikokapitalmarkt“) – je nachdem, wie solche Systeme im Einzelnen verfasst sind. Je höher die Möglichkeiten sind, die ein System zur Kompensation enttäuschten Vertrauens im personalen, institutionellen und organisatorischen Bereich bereitstellt, umso höher ist ein externes Vertrauen in eben diese vertrauensäquivalente systemische Sicherheit. Systeme weisen als Vertrauensbezüge also nur solche unter der Kategorie „extra/extern“ auf. Sie vermögen Risiken zu absorbieren durch Schadenskompensation.
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3.
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Vertrauen und Kommunikation
Üblicherweise wird im Rahmen der Unternehmenskommunikation der Begriff Kommunikation eng gefasst, etwa derart, dass bei den Rezipienten durch eine Botschaft in Text, Bild oder Ton über das Unternehmen oder seine Produkte eine intendierte Wirkung im Sinne der Kommunikationsziele erreicht werden soll. Gerade jedoch für das Thema Vertrauen scheint es sinnvoll, den Kommunikationsbegriff weiter zu fassen, denn Worte und Taten müssen übereinstimmen, um als glaub- und vertrauenswürdig eingestuft zu werden. Oft sind es ja die scheinbar unwesentlichen Fehltritte, die das wahre Gesicht entlarven. Kommunikation sei daher all das wechselseitig beobachtbare Handeln und Verhalten, das als Voraussetzung einer reziproken Handlungsorientierung dient und es dem Vertrauenssubjekt ermöglicht, Rückschlüsse auf die innere Verfasstheit und Dynamik des Vertrauensobjekts zu ziehen, sei es nun ein Mensch, eine Maschine, eine Organisation oder ein System. Kommunikation in diesem weiten Sinn dient der Erforschung des anderen und dem Aufbau einer gemeinsamen Basis für eine potenzielle Vertrauensbeziehung: der Etablierung von Themen und gemeinsamer Interessen, der Schaffung einer gewissen Beziehungskultur, bestehend aus Routinen, Ritualen, Gewohnheiten, gemeinsamen Symbolen. Ein glaubwürdiger Austausch zwischen dem Unternehmen und seinen Bezugsgruppen entsteht dabei nicht von heute auf morgen. Vertrauen muss vielmehr langfristig erarbeitet und immer wieder aufs Neue bestätigt werden, was den Bedarf an langfristiger und kontinuierlicher Kommunikation mit den relevanten Zielgruppen deutlich macht. Der Vertrauensaufbau erfolgt schrittweise, denn ob man jemandem vertrauen kann, wird im Hinblick auf die vergangene Interaktion bewertet: Vor allem personales Vertrauen ist das Ergebnis einer gelungenen Interaktionsgeschichte und die Basis für weitere, zukünftig gelingende Interaktionen. Wird eine Erwartung nicht enttäuscht, verstärkt sich das Vertrauen in der Beziehung, wächst und wird stärker, dient als Basis für weitere Vertrauenshandlungen, erhöht die Wahrscheinlichkeit der Gewährung eines erneuten Vertrauensvorschusses, der in einer weiteren Risikosteigerung die Beziehung enger und fester macht. Ein vertrauenswürdiges Unternehmen hat dabei die Gratwanderung zwischen Manipulation und Verständnis, zwischen Dialog und Monolog zu bewältigen: Ziel der Unternehmenskommunikation kann es nicht nur sein, Informationen und eigene Überzeugungen zu vermitteln und die verschiedenen Bezugsgruppen in seinem Sinne zu beeinflussen, sondern mit öffentlicher und veröffentlichter Kritik umzugehen, Vorurteilen und böswilligen Angriffen zu begegnen, berechtigte und unberechtigte Ängste zu bearbeiten und letztendlich auch Entgegenkommen, Verhandlungs-, Konsens- und Kompromissbereitschaft zu zeigen, den anderen also wahrzunehmen und auf ihn einzugehen. In Verquerung des Titels kann dabei die gegenseitige Bedingtheit von Vertrauen und Kommunikation hervorgehoben werden: Ohne Vertrauen keine echte Kommunikation („Vertrauen als konstitutives Element der Unternehmenskommunikation“), ohne Kommuni-
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kation kein Vertrauen („Kommunikation als konstituierendes Element von Vertrauen“). Vertrauen ist damit nicht nur Voraussetzung persönlicher Interaktion, sondern zugleich Interaktionsprodukt: Es entsteht erst im Kommunikationsprozess und bestimmt diesen zugleich maßgeblich, es ist Ergebnis einer gelungenen Interaktion und Basis für weitere gelingende Interaktionen. Ein Henne-Ei-Problem, keine Äquivalenz, sondern ein komplexer Kreislauf gegenseitiger Bedingtheit, bei dem sich Ursache und Wirkung wechselseitig beeinflussen und einer der Kommunikationspartner den Anfang machen muss, denn die Gewährung von Vertrauen kann genau das Verhalten erzeugen, das logisch gesehen seine Bedingung zu sein scheint. Vertrauen fängt also bei uns selbst an. Ob das gewährte Vertrauen auch angenommen wird, ist außerhalb des eigenen Einflussbereichs und von Kontext zu Kontext verschieden. Die Unterscheidung, Vertrauen entweder als konstitutives oder konstituierendes Element der Unternehmenskommunikation zu betrachten, führt uns zu einer weiteren Leitdifferenz, nämlich der, vertrauens- und glaubwürdig zu scheinen (aus strategischen-taktischen Interessen inszenierte Vertrauenswürdigkeit, um die eigenen Ziele besser durchsetzen zu können) und vertrauens- und glaubwürdig zu sein (Vertrauen als Anfang einer Beziehung überhaupt und als Baustein einer funktionierenden sozialen Gemeinschaft und zuletzt einer menschlichen Welt). Aus dieser Unterscheidung geht die Forderung hervor, Vertrauen als Organisationsprinzip zu realisieren, sofern die Vertrauensgenese vom personalen auf den organisatorischen Bereich übertragen werden soll: Denn hinter dieser Forderung steht die These, dass vertrauenswürdig nur sein kann, wer selbst ein klares Bild von sich hat (intrapersonales Vertrauen), selbst liebes- und vertrauensfähig ist, also seine Persönlichkeit zu einer produktiven Orientierung gewendet hat, selbst auch Vertrauen erlebt und erlebt hat, eine These, die nun auf Organisationen bezogen wird. Dazu später mehr. Die oft aufgeworfene Frage, wie denn die Herstellkosten bzw. der Wertbeitrag von Vertrauen zu veranschlagen wären, ist mit dem gleichen Problem behaftet wie im Fall der Feststellung der Effektivität und Effizienz von Kommunikation. Sie verweist auf die noch zu führende Diskussion von Vertrauen als Gegenstand eines Managementkonzepts. Es kann aber hier schon festgehalten werden: Im Blick auf einen weiten, umfassenden Kommunikationsbegriff erscheinen die Täuschungskosten, die aufzubringen sind, immens hoch, will man vertrauensund glaubwürdig erscheinen, statt es zu sein, denn wer lügt, muss die Möglichkeiten, die nicht Realität werden, ebenso in Betracht ziehen wie die Realität gewordenen Möglichkeiten, will er nicht entlarvt werden. Auf die Dauer ist dies kaum aufrechtzuerhalten. Deshalb sind auch betrügerische Akte wie Heiratsschwindel, Scheckbetrug etc. daraufhin angelegt, ihre Inszenierung zeitlich zu begrenzen, um dann aus der Situation flüchten zu können. An der Option, vertrauenswürdig zu sein, statt nur zu scheinen, führt auch nach ökonomischen Gesichtspunkten kein Weg vorbei. Wie dies aber zu realisieren ist, auch daran scheiden sich die Geister.
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4.
Christoph Hubig/Oliver Siemoneit
Probleme der Vertrauensgenese in der Postmoderne
Die direkte Ebene interaktiven, vertrauensvollen Handelns ist in postmodernen Gesellschaften jedoch mit Problemen behaftet (vgl. Hubig 2004): Steigende Komplexität, zunehmende Entpersonalisierung und Deinstitutionalisierung, fehlende Vertrautheit und eine vermehrte technisch vermittelte, medial verengte Kommunikation erschweren u. a. die Bildung personalen Vertrauens. Personales Vertrauen muss deshalb, so die These, durch zwei neue Vertrauenstypen, nämlich Institutionen- und Systemvertrauen und höherstufiges personales (parallel- und metakommunikatives) Vertrauen ergänzt und partiell ersetzt werden. Erstens ist also jenseits der Ebene direkter, vertrauensvoller Kommunikation eine höherstufige Ebene der Parallel- und Metakommunikation einzurichten, sozusagen eine Ebene des Redens über das Reden, auf der die Schwierigkeiten und Gelingensbedingungen direkter Kommunikation explizit thematisiert, eine fehlende Wissens- und Erfahrungsbasis der Vertrautheit kompensiert und der Reduktion von Informationskanälen durch Schaffung neuer Informationswege entgegengewirkt wird. Auf dieser Ebene wird es somit u. a. möglich, misslungene direkte Kommunikationen und Handlungen zu thematisieren, enttäuschtes Vertrauen zur Sprache zu bringen und auf diese Weise so etwas wie eine Fehlerkultur zu etablieren, quasi ein höherstufiges Organisationsgedächtnis, welches durch institutionalisierte Anreize zu einer Reflexion der Fehler gestützt werden kann (Anthony Giddens (1995) beklagte noch den Verlust eines Organisationsgedächtnisses, weil deren „Medium“, die Tradition, verloren gegangen sei). So krankt die Nutzung von Intranets global agierender Unternehmen häufig daran, dass die Nutzer den dargebotenen Informationen unterstellen, dass sie nur in strategischer Absicht lanciert wurden: dass also ein Geschäftsfeld, eine Abteilung, ein Projekt auf den unternehmensinternen Märkten sich nicht so darstellen, wie die reale Erfolgsbilanz es gebietet, sondern so, dass sie den eigenen Einfluss und Status im Unternehmen ausbauen. Dieses Misstrauen führt dazu, dass die Intranets oftmals nicht oder nicht in effektiver Weise genutzt werden oder dass sogar deutliche Pannen auftreten. Die Etablierung einer Ebene der Parallelkommunikation in Form von Chat- und Newsforen, sozusagen ein technisches Pendant zu bereits existierenden inoffiziellen Foren der Parallelkommunikation in Form der Flur-zu-Flur-Kommunikation („Flurfunk“), konnte hier Abhilfe schaffen. Glaubwürdig und interessant ist die interne Unternehmenskommunikation erst dann, wenn sie möglichst offen und ehrlich, umfassend und zeitgerecht nicht nur sachbezogen informiert, sondern auch Stellung nimmt, Begründungen liefert und, falls möglich, zum Dialog einlädt. Das Schwergewicht effektiver innerbetrieblicher Kommunikation sollte daher weniger auf der Anerkennung hierarchisch begründeter Autoritätsausübung basieren, sondern auf der Betonung des Prinzips der Zusammenarbeit, der Meinungsübereinstimmung und der Überzeugung. Bereits die Einführung der weltweit ersten vollelektronischen Produktionssteuerung bei Volkswagen zeigte die Notwendigkeit von Parallelkommunikation im Zuge technisch ver-
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mittelter Kommunikation, denn die gewünschten Effektivitäts- und Effizienzeffekte wurden zunächst konterkariert. Die Krankenstände waren nach der Einführung der CIM-Fertigung in Halle 54 dramatisch angestiegen, weil die Beschäftigten die Irritationen im Umgang mit den ihnen angebotenen Informationen über Lagerhaltung, Halbzeugfertigung im Zuge der Inselfertigung nicht bewältigen konnten, sie die Informationen also nicht mehr als gültig aufnahmen, sondern glaubten, immer wieder kontrollieren zu müssen, ob diese Informationen auch stimmen und nicht in strategischer Absicht lanciert wurden. Über inoffizielle Absprachen mit vorgelagerten Fertigungsinseln und das Anlegen geheimer Halbzeuglager als Puffer wurde versucht, die medial verengte Kommunikation zu kompensieren. Erst durch die offizielle Einführung von Gesprächszirkeln und durch den Aufbau von Glaswänden konnte wortwörtlich Transparenz geschaffen und mit der Offenheit vieler Informationskanäle möglichst unterschiedlicher Arten eine Verengung des Informationsspektrums verhindert werden. Nicht zuletzt bedeutet Parallelkommunikation für Unternehmen aber auch, die berechtigten, impliziten Erwartungen verschiedener Bezugsgruppen zu erfahren und somit die Gelingensbedingungen von Kommunikation sicherzustellen, d. h. sich in der Kommunikation an den Wünschen und Bedürfnissen des Gegenübers zu orientieren. Besonders das Eingehen auf den Kunden als eine der wichtigsten Bezugsgruppen ist hier zu nennen. Eine Kunden- und Marktorientierung gilt dann als vertrauensfördernd, wenn der Kunde sich in seinen Bedürfnissen wahrgenommen fühlt. Stichworte wie Beziehungsmarketing, Customer Relationship Management, Target Costing, Marktforschung sind Ausdruck dieser Haltung und Indikator dafür, dass das Problem als solches erkannt wurde. Phänomene wie etwa das Overengineering von Mobiltelefonen mit unzähligen Funktionen, Extras und komplexen Menüführungen lassen dagegen die Kundenorientierung eher als ein Lippenbekenntnis erscheinen und den angeblichen Dialog zum Monolog verkommen. Der Vertrauenstyp der Parallelkommunikation als höherstufiges personales Vertrauen ist zweitens zu ergänzen durch gezielten Aufbau bzw. Schaffung eines Institutionen- und Systemvertrauens, also eines Vertrauenstyps, der für unsere Zwecke als abstraktes Vertrauen in Rollen und Funktionen verstanden werden kann und auf die Nichteinholbarkeit von Problemen bei der Genese bzw. den Verlusten personalen Vertrauens reagiert. So ist etwa das Vertrauen in ein Mitglied einer sozialen Gruppe qua seiner Rolle oder Funktion mehr als nur das Vertrauen in die Einzelperson: Es ist zugleich das Vertrauen in die Gruppe und ihre Mechanismen, Regeln und Prinzipien, die ihr Handeln organisieren, strukturieren und leiten. Im Straßenverkehr geht man normalerweise davon aus, dass einem kein Fahrzeug auf der eigenen Fahrbahn entgegenkommt. Qua Institutionen- bzw. Systemvertrauen vertraue ich darauf, dass andere Verkehrsteilnehmer auf Grund der Straßenverkehrsordnung mit mir abgestimmt handeln und gewisse Handlungen unterlassen (Sanktionsmaßnahmen wie Führerscheinentzug) bzw. das System im Schadensfall gewisse Reparaturleistungen erbringen kann (Unfall- und Haftpflichtversicherung). Institutionen- und Systemvertrauen erweist sich damit als a-personaler, neuer Vertrauenstyp, der das Vertrauenssubjekt von der Notwendigkeit der Bildung von Vertrauen in jeder neuen Bedarfsituation entlastet und eine langfristige Interaktion nicht erforderlich macht. Oft ist es ja leichter, der Institution Demokratie zu
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vertrauen als der persönlichen Integrität der Politiker. Mein Vertrauen z. B. in die Justiz ist unter Umständen ja auch unabhängig von der konkreten Person des Richters. Auch kann ich ein großes Misstrauen gegenüber gewissen politischen Organisationen und Parteien haben, ohne das Vertrauen in das politische System zu verlieren. Oder umgekehrt: Mein Vertrauen gegenüber dem Handeln eines Unternehmens als Institution und Organisation kann unberührt bleiben von meinem Misstrauen gegenüber dem Wirtschaftssystem – und vice versa. Aber nicht nur extraorganisationales, sondern auch inter- und intraorganisationales Vertrauen basieren letztlich auf der Erwartung, dass Regeln befolgt werden. Durch die Schaffung von Institutionen innerhalb und außerhalb von Unternehmen bzw. die Etablierung von Systemen kann Misstrauen gebunden werden: Zu denken ist hier etwa an Betriebsräte, formalisierte innerbetriebliche Beschwerdeverfahren und Kontrollinstanzen oder auch außerbetrieblich in Form von Branchenverbänden, das Kündigungsschutzrecht, institutionelle Drittgarantien in Form des Rechtssystems, des TÜV und anderer Prüf- und Zertifizierungsanstalten. Beide höherstufigen Vertrauenstypen, derjenige eines reflexiven Vertrauens auf der Ebene der Parallelkommunikation und derjenige eines abstrakten Systemvertrauens, sind in ihrer funktionalen Notwendigkeit aus den Defiziten direkten personalen Vertrauens gerechtfertigt. Während jedoch das parallelkommunikative Vertrauen direkt einem defizitären personalen Vertrauen entgegenwirkt, reagiert ein abstraktes Systemvertrauen auf die Nichteinholbarkeit von Verlusten personalen Vertrauens. Dass beide Strategien sich komplementär der Problemlage der Postmoderne stellen, mag auch aus dem Befund ersichtlich werden, welches die „Vertrauensfavoriten“ laut etlicher Umfragen sind: Zum einen gelten insbesondere die NGOs als solche Vertrauensträger, was damit zu erklären ist, dass in diesen Institutionen und Organisationen die Ebenen einer Parallelkommunikation besonders entwickelt sind, und dieser Trend schreibt sich fort in der Auszeichnung vertrauenswürdiger Unternehmen, denen gemeinsam ist, dass sie eine transparente Ebene einer Kommunikation über die Strategien ihrer Entwicklung, Distribution und ihres Marketings in direktem Austausch mit ihren Konsumenten und Nutzern etabliert haben. Ferner gelten Zentralbanken, die Jurisdiktion, Krankenvorsorge, Rückversicherungen (z. B. was deren Diagnosen zur Klimaentwicklung betrifft) sowie Militär und Polizei in starken Demokratien als Vertrauensträger (Perger 2003). Hier lassen sich unschwer Instanzen systemischen Charakters erkennen, denen ein Systemvertrauen entgegengebracht wird, basierend auf der Erwartung ihrer Kompetenz und Leistung, direkte Funktionsausfälle personalen Vertrauens zu kompensieren. Bei entsprechender Gestaltung können auch große technische Systeme Adressat eines entsprechenden Systemvertrauens werden, wenn einsehbar ist, dass trotz konkreter kontingenter Funktionsausfälle die Funktionstüchtigkeit im Ganzen gewährleistet ist. So lassen sich also abschließend folgende zentrale Praxisaspekte hervorheben, die helfen können, Vertrauen zu fördern: Die Vertrauensgenese wird gefördert durch Parallelkommunikation und direkte, verständnisvolle Kommunikation als Dialog, in dem sich der andere in seinen Bedürfnissen und berechtigten Erwartungen wahrgenommen fühlt und wird.
Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Unternehmenskommunikation
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Dem Unternehmen unterstellbare Berechenbarkeit, Stabilität und Kontinuität können helfen, Vertrauen zu evozieren: Institutionen- und Systemvertrauen, Selbstbindung, glaubwürdige Darstellung des eigenen Denkens und Handelns, ein systematischer Abbau problematisierter Handlungsstrategien und die Übermittlung von Sicherheitssignalen wären hier zu nennen. Offenheit und Transparenz, rechtzeitige Informationsweitergabe nicht nur unter öffentlichem Druck bzw. ein problemorientiertes Kommunikationsverhalten, das nicht nur Erfolge, sondern auch schlechte Nachrichten ohne Schönfärberei kommuniziert, verbunden mit der Signalisierung von Handlungsbereitschaft und Entgegenkommen, tragen zu einem vertrauenswürdigen und integeren Auftreten bei. Korrekte Information unter Umständen mit Möglichkeiten zur Überprüfung, Verständlichkeit und Konsistenz der gesendeten Botschaften fördern einen glaubwürdigen Austausch mit den Bezugsgruppen. Konsistenz betrifft dabei nicht nur den Inhalt einer Botschaft, sondern bezieht sich vor allem auf das Kommunikationsverhalten eines Unternehmens als Ganzes. In den meisten Unternehmen dominiert eine funktionale Organisation der Unternehmenskommunikation, das heißt, dass die Abteilungen Medienwerbung, Sponsoring u. a. dem Bereich Marketing eingegliedert sind, Investor Relations dem Finanzressort und Public Relations als Stabsstelle direkt der Geschäftsleitung zugeordnet sind. Eine funktionale Organisation birgt die Gefahr, dass verschiedene Kommunikationsmaßnahmen nicht miteinander abgestimmt werden und so ein inkonsistentes, widersprüchliches Bild bei den Empfängergruppen entstehen kann, ein Sachverhalt, der durch die Vielzahl der einem Konzern verbundenen Firmen und durch die fortschreitende Internationalisierung weiter gefördert wird.3 Vertrauen wird darüber hinaus gefördert durch eigene Erfahrung der Adressaten mit dem Unternehmen, etwa im Zuge von Events, Tagen der offenen Tür, Möglichkeit zu Produkttests, Proben etc. Neben der eigenen Erfahrung spielt aber auch Reputation für Unternehmen eine wichtige Rolle: Kontroll- und Gütesiegel bzw. die Förderung der Informationsdiffusion innerhalb und unterhalb von Bezugsgruppen durch Internetforen, Veranstaltungen etc. können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Unabhängige Kontrollinstanzen und andere Formen des Systemvertrauens können helfen, Misstrauen zu binden. Einige empirische Untersuchungen zeigen ferner, dass vertrauenswürdige Organisationen sich u. a. durch Bürgernähe und eine helfende Funktion und die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung auszeichnen. Dinge, die durch umweltverträgliche Produkte, Umweltsponsoring, aktive Informationspolitik, Kulanz, gut funktionierende Hotlines und Beschwerdestellen abgerundet werden. 3 Als inkonsistente Kommunikationsbotschaft ist aber auch folgende Panne zu werten, die dem Deutschen
Verband für chemische Industrie unterlaufen ist: Die Anzeigekampagne „Lieber Rhein, liebe Fische“ und das damit verbundene Werben für Umweltbewusstsein stand in einem krassen Gegensatz zur gleichzeitigen Berichterstattung über den Sandoz-Unfall, der am Oberrhein zu einem großflächigen Sterben vieler Kleinlebewesen und Fische geführt hat.
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5.
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Vertrauen als Organisationsprinzip?
Vielfach bleiben die Autoren jedoch nicht bei der Feststellung und Beschreibung der Rolle und Nützlichkeit von Vertrauen stehen, sondern erheben das intra-, inter- und extraorganisatorische Vertrauen zum Gegenstand eines gezielten Vertrauensmanagements und -controllings. Vertrauen wird zum intentional gestalteten „Organisationsprinzip“ (Schweer/ Thies 2003): Für jede Organisation, will sie erfolgreich sein, ist es nützlich, Vertrauen zu genießen und auf der Basis des Prinzips von „Vertrauen“ zu funktionieren. Gerade diese rein instrumentelle Sichtweise ist jedoch problematisch. Vertrauen wird hier in einer bloßen Zweck-Mittel-Kategorie begriffen: Vertrauen ist Mittel in Form eines attraktiven Konzepts zur Risikobewältigung und Strategie des Handelns in Situationen unter Ungewissheit, ein Mittel zur Kostenersparnis, Instrument zur Erhöhung der Arbeitsmotivation und der Mitarbeiterbindung, Katalysator für das Knüpfen neuer Geschäftsbeziehungen. Deshalb wird – vorgelagert – Vertrauen als Zweck gesetzt, der durch das Senden vertrauensfördernder Signale, die glaubwürdige Kommunikation von Informationen, die Förderung eines positiven Images oder in Form anderer appellativer Äußerungen, wie etwa eine transparente, partizipative Informationspolitik, realisiert werden soll. Eine derartige Charakterisierung täuscht allzu leicht darüber hinweg, dass Vertrauen weder „Erfolgsfaktor“, noch Mittel und Zweck ist, sondern grundlegender Anfang jedweder sozialer Beziehung. Vertrauen ist Ausdruck, den anderen als Person anzuerkennen, ist wichtige „synthetische Kraft“ (Simmel 1983: 263), stellt die Mikrofundierung der Gesellschaft dar, bettet uns in ein stabiles Beziehungsgeflecht ein, ohne dass wir wohl in Handlungsunfähigkeit versinken würden.4 Aus diesem Grund ist zu kritisieren, dass Vertrauen in einer mechanistischen Manier als etwas „Machbares“ angesehen wird. Vertrauen ist aber nicht implementierbar, kann nicht gekauft, befohlen, gelernt oder gelehrt, sondern als Ausprägung einer Haltung nur gefördert werden. Vertrauen ist nicht etwas, was sich einfach herstellen lässt („Vertraue!“), kann nicht einfach herbeigerufen werden, sondern ist ähnlich dem Glück unter Umständen „nur“ wertvolles Begleitprodukt von Handlungen, die zu einem anderen Zweck unternommen wurden. Natürlich hat das Vorhandensein von Vertrauen positive ökonomische Effekte, eine bewusste Gestaltbarkeit erweist sich jedoch als schwierig, ja wenn nicht sogar als schädlich.5 Das heißt nicht, dass Vertrauen gewissen Implementierungstechniken nicht zugänglich ist, doch ist der Übergang von „formal vertrauenswürdig“ zu „faktischem Vertrauen“ immer ein 4 Es müsste deshalb für eine zivilisierte und humane Gesellschaftsform eigentlich selbstverständlich sein, dass
sie Vertrauen als Organisationsprinzip bereits kultiviert hat. Außerdem erfordert ein gewisser Grad an arbeitsteiliger Spezialisierung ebenfalls bereits die Realisierung von Vertrauen als Organisationsprinzip: Das Vertrauen in die Kompetenz und Gewissenhaftigkeit von Kollegen und deren erbrachten Vorarbeiten und Vorleistungen sind unabdingbar für das effiziente Funktionieren einer Organisation. 5 So kann der Versuch, Vertrauen in Unternehmen zu beschwören und aktiv zu fördern, auch eher Misstrauen hervorrufen und als eine unzulässige Grenzüberschreitung und Zumutung empfunden werden: Man denke nur an den Schaden, den manche Versuche der Implementierung einer Unternehmenskultur und Corporate Identity in Unternehmen verursacht haben.
Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Unternehmenskommunikation
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Geschenk und auf Grund seiner komplexen Voraussetzungen und Bedingungen ohnedies wohl kaum zu organisieren. Ebenso wenig wie Vertrauen ist auch Reputation nicht monokausal herstellbar. Reputation ist das Ergebnis der eigenen Bemühungen um Vertrauens- und Glaubwürdigkeit als auch des Handelns Dritter, die mehr oder weniger strategisch-eigeninteressiert diese Reputation stützen oder destruieren: Konkurrenten, politische Gegner, Vertrauensagenturen. Reputation ist insofern ein kontingentes und nur begrenzt intentional herstellbares Ergebnis des Handelns einer Vielzahl von Akteuren. Reputation kann also ebenso wenig wie Vertrauen implementiert werden, was nicht heißen soll, dass gewisse langfristige Maßnahmen es erlauben, ein positives Image aufzubauen bzw. in Krisenzeiten durch Interventionen zu versuchen, Rufschädigung zu vermeiden bzw. unberechtigten Angriffen energisch entgegenzutreten. Einer derartigen Tätigkeit kommt sogar ein äußerst hoher Stellenwert zu, auch und wenn der Bezug zu Unternehmenszielen nur mittelbar ist. Die Schwierigkeiten der Erlangung von Vertrauen werden oft unterschlagen: Sicherlich sind dafür maßgebliche Promotoren in Unternehmen notwendig, doch von welchem Akteur soll dabei die Initiative ausgehen, wenn die Führungseliten erst selbst dazu gebracht werden müssen? Selbstvergewisserung ist hier die unverzichtbare Ausgangsbasis, denn Vertrauen wird oft nur relativ zum anderen erlebt, relativ in Bezug auf das Verhalten und auf die eigenen Erwartungen und Kontrollwünsche: Wäre der andere nicht so und so, wäre er ja vertrauenswürdig, liebenswürdig etc. Übersehen wird dabei jedoch, dass Vertrauen zuerst bei einem selbst anfängt. So klagen etwa viele Unternehmen über die hohen Fluktuationsraten von Kunden, die mangelnde Vertrauenswürdigkeit von Geschäftspartnern etc. Dabei gerät oft gar nicht in den Blick, dass es unter Umständen ihre eigene Saat ist, deren Frucht sie ernten: Der unstete, untreue, wechselfreudige Konsument ist als Arbeitnehmer ja von unternehmensinternen, hoch-dynamischen Umfeldern betroffen, die Personen grundsätzlich als ersetzbar und austauschbar erachten. Jeder muss also selbst zum Aufbau und Erhalt von Vertrauen beitragen, d. h. selbst aktiv für eine Änderung der institutionellen und systemischen Rahmenbedingungen eintreten, beispielsweise durch die Schaffung von Vertrauenskulturen in einer Branche, die Etablierung von Ethik-Kodizes oder aber gewisser Verbandsstrukturen als unabhängige Kontrollinstanzen. Ein derartiges Eintreten ist sogar Pflicht, denkt man an Phänomene der Abstrahierung von Vertrauen und das oft vorzufindende Schwarz-WeißDenken bei den Massen: Leicht gerät eine ganze Branche auf Grund eines schwarzen Schafes in Verruf. Selbst ist man also gar nicht Schuld, die wirtschaftlichen Folgen sind aber voll zu tragen. In Anlehnung in Rudolf Kötter könnte man daher provokant fragen: Wie viel Ethik enthält überhaupt die Wirtschafts- und Unternehmensethik (vgl. im Folgenden Kötter 1995), unter deren Impulsen das Thema Vertrauen geradezu eine Renaissance erlebt? Orientierend für die traditionelle Ethik von Aristoteles bis Mill war nicht primär die Frage des Selbstbeschränkungscharakters von Moral zur Bewältigung sozialer Konflikte, sondern die nach dem guten Leben, einem Glück bringenden und gelungenen Gesamtentwurf des menschlichen Daseins – eine Frage, die in der Neuzeit zunehmend aus der Mitte der Philosophie an deren Ränder gedrängt wurde und heute vorwiegend im Rahmen der
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Psychologie und den verschiedenen Spielarten populärer Lebensberatung behandelt wird. Orientierend für die traditionelle Ethik ist damit vor allem die Frage der Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung, wie sie mit Konzepten der Ausbildung von Autonomie, Lebensweisheit und gewisser Tugenden charakterisiert werden kann. Auf dem Boden einer derart kultivierten Menschlichkeit, so die These, ließe sich dann ein glückliches Leben führen, in dessen Horizont der Mitmensch und sein Wohlergehen immer mit eingeschlossen ist und das Leben zu einem gelingenden macht. Ziel der kontinuierlichen Arbeit an der eigenen inneren Natur mit Geduld, Nachsicht, aber auch Bestimmtheit ist die Ausbildung eines differenzierten Verstandes, Empfindungs- und Urteilsvermögens als Kompetenz, die, einmal erworben, untrennbar mit der Person verknüpft ist. An dieser Stelle sei noch einmal auf das oft anzutreffende technizistische Missverständnis eingegangen: Vertrauenswürdig zu sein ist keine Sache der Technik und irgendwelcher Patentrezepte und Kniffe, sondern Ausdruck einer gelingenden Lebensführung. Personalführung ist keine Sache der Technik, wenn diese auch hilfreich sein kann, sondern in erster Linie eine Frage der Kompetenz, des Verstandes, Empfindungs- und praktischen Urteilsvermögens: kultivierter Menschlichkeit.6 Die Entwicklung eines differenzierten Verstandes, der nicht einem Schwarz-Weiß-Denken verhaftet ist, zeigt sich letztendlich vor allem auch in der Fähigkeit, zwischen konkurrierenden Paradigmen unterscheiden und situationsadäquat über die Angemessenheit des Einsatzes befinden zu können. Diese Fähigkeit zur Differenzierung liegt sicherlich dann nicht vor, wenn die Mitarbeiter zur Selbstentfaltung gezwungen werden,7 Unternehmenskulturen und Vertrauen in strategischer Absicht im Unternehmen implementiert werden und eine moralische Orientierung als „Wertdesign“ und „strategischer Erfolgsfaktor“ betrachtet wird, nur weil dadurch positive ökonomische Effekte gezeitigt werden können. Ein solches Denken erkennt die Zweck-Mittel-Kategorie als einzig legitime an, unterliegt damit aber einer instrumentellen Verkürzung. Vertrauen ist jedoch weder Mittel noch Zweck, sondern wesentlicher Bestandteil einer sozialen Beziehung, wobei das Nachdenken über dadurch induzierte Kosten das Problem verfehlt. Eine moralische Orientierung ist weder ökonomisches Mittel noch ökonomischer Zweck, sondern unverzichtbarer Bestandteil eines gelungenen Lebensntwurfs und der langfristigen Sicherung der Handlungskompetenz. Für unser Thema bedeutet dies: eine sinnvolle Balance zwischen Kontrolle und Vertrauen auf personaler Ebene und zwischen institutionalisierten Vertrauens- und Misstrauensorganisationen auf systemischer Ebene zu finden. So wird etwa der Umstand eines fehlenden Kommunikationscontrollings von vielen Unternehmensvorständen als Kontrollverlust und blinder Fleck erlebt. Sicherlich ist es wichtig, in einem gewissen Rahmen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen anzustellen, um aufzuzeigen, wo der Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele liegt. Generell ist in diesem Bereich der Effektivitäts- und Effizienznachweis jedoch schwierig. Vielmehr verdeutlicht jene Haltung manch ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstruktur vieler Führungskräfte: Kontrollzwänge, das Nicht-Anerkennen 6 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob stromlinienförmig ausgebildete Jungkarrieristen diesen
Forderungen entsprechen können und ob nicht gerade ältere, erfahrene Mitarbeiter wieder mehr zu einem wichtigen Bestandteil einer ausgewogenen Personalpolitik werden sollten. 7 Selbstentfaltung bedeutet ja gerade ein Sich-Entwickeln-Lassen und die Freiheit von externen Zwängen, Forderungen und Zielvorgaben.
Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Unternehmenskommunikation
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fremder Mächte und Unsicherheiten, die Degradierung des anderen zum puren Objekt der eigenen Bedürfnisbefriedigung (Schmidt-Lellek 2004). Konsequenterweise wäre hier die Forderung nach einem „Controlling des Controllings“ aufzustellen, das – um in dieser Systemrationalität zu bleiben – nachweist, dass das Unterfangen des Controllings von „intangibles“ auch seinen Sinn macht. Oder, um das konkurrierende Paradigma in Anschlag zu bringen: Ein Mehr an Vertrauen, vor allem auch genährt durch die Einsicht, welch unverzichtbare und wichtige Funktion die Kommunikation für ein Unternehmen besitzt, sollten als notwendiges Korrektiv helfen, das Unternehmen vor Schäden des Kontrollierens und Controllens zu schützen. Dabei ist im Auge zu behalten, dass eine vertrauensvolle Unternehmenskommunikation die entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass die primäre Funktion des Unternehmens überhaupt erfüllt werden kann. Oder anders formuliert: Vorsicht und Misstrauen mögen bisweilen gut sein, nur sind auch ihnen gegenüber Vorsicht und Misstrauen anzubringen. Vertrauen in Vertrauen erweist sich eher als zielführend.
Literatur
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Christoph Hubig/Oliver Siemoneit
Schmidt-Lellek, Christoph (2004): Charisma, Macht und Narzissmus. Zur Diagnostik einer ambivalenten Führungseigenschaft, in: Organisationsberatung – Supervision Coaching, o. Jg., Nr. 1, S. 27-40. Schütz, Alfred (1971): Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten, in: ders.: Gesammelte Aufsätze I, Den Haag, S. 237-298. Schweer, Martin/Thies, Barbara (2003): Vertrauen als Organisationsprinzip, Bern. Simmel, Georg (1983): Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Berlin. Simmel, Georg (1989): Philosophie des Geldes, Frankfurt a. M.
Vertrauensmanagement in Unternehmen: Grundlagen und Fallbeispiele Margit Osterloh/Antoinette Weibel
Das Vertrauensverhältnis zwischen Management und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht auf dem Prüfstand: Abbau von Arbeitsplätzen bei gleichzeitigen Unternehmensskandalen und Lohnexzessen des Managements haben zu Verunsicherung und deutlichem Vertrauensverlust in das Management geführt. Wer selber die Regeln bricht, kann weder Vertrauen noch vertrauenswürdiges Verhalten von den Mitarbeitern einfordern. Dabei sind Vertrauen und vertrauenswürdiges Verhalten in einer Wissensgesellschaft besonders wichtig. Wissensarbeit ist auf Vertrauen angewiesen, denn Kreativität und Wissensteilung lassen sich kaum anordnen und schwer kontrollieren. Vertrauen ist das „Schmiermittel“ unserer modernen Informationsund Dienstleistungsgesellschaft, denn: Vertrauen verbessert die Zusammenarbeit im Unternehmen (Adler 2001). Vertrauen ist Voraussetzung für neue Formen der Zusammenarbeit wie etwa bei unternehmensübergreifenden Partnerschaften (Bradach/Eccles 1989). Vertrauen stärkt den Ruf eines Unternehmens und bindet Mitarbeiter, Kunden und andere Stakeholder des Unternehmens (Morgan/Hunt 1994). Vertrauen vom Nullpunkt aufzubauen ist besonders teuer. Hat man eine gewisse Vertrauensgrundlage erreicht, vermehrt es sich dagegen fast von selbst (Gambetta 1988a). Ziel dieses Beitrages ist erstens, den Vertrauensbegriff zu präzisieren. Während im Beitrag von Hubig/Simoneit (2007) das Vertrauen in das Unternehmen im Vordergrund steht, soll an dieser Stelle das Vertrauen im Unternehmen betrachtet werden. Zweitens wird untersucht, welche Maßnahmen im Unternehmen ergriffen werden können, um das wechselseitige Vertrauen zu stärken. Dabei steht insbesondere die organisationale Fairness im Vordergrund, die sich als das wichtigste Führungsinstrument zum Aufbau von interpersonalem Vertrauen herausgestellt hat.
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_9, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Margit Osterloh/Antoinette Weibel
1.
Was ist Vertrauen?
1.1
Vertrauensbegriff – Übereinstimmung in der Vielfalt
Als kleinster gemeinsamer Nenner hat sich folgende Kerndefinition von Vertrauen herausgeschält: „Vertrauen ist der Wille, sich verletzlich zu zeigen“ (Bijlsma/Costa 2003, Mayer/ Davis/Schoorman 1995, Rousseau et al. 1998). Dieser einfache Satz umfasst mehrere Vertrauensdimensionen: 1. Vertrauen entsteht in Situationen, in denen der Vertrauensgeber mehr verlieren als gewinnen kann – er riskiert einen Schaden bzw. eine Verletzung. 2. Vertrauen manifestiert sich in Handlungen, die die eigene Verletzlichkeit erhöhen. Man liefert sich dem Vertrauensnehmer aus und setzt zum Vertrauenssprung an. 3. Der Grund, warum man sich ausliefert, ist die positive Erwartung, dass der Vertrauensnehmer die Situation nicht zu seinen Gunsten ausnutzt. Im Folgenden betrachten wir die drei Vertrauensdimensionen Verletzlichkeit, Vertrauenssprung und positive Erwartungen genauer. Die Dimension Verletzlichkeit wird von Luhmann (1989) prägnant zum Ausdruck gebracht, wenn er Vertrauen als riskante Vorleistung bezeichnet. Er betont, dass Vertrauen sich stets auf eine kritische Alternative bezieht. Deutsch (1960) charakterisiert die vertrauenstypische Ausgangssituation detailliert folgendermaßen: Die Vertrauensgeberin kann durch einen Austausch mit dem Vertrauensnehmer verlieren oder gewinnen. Ob sie gewinnt oder verliert, hängt von dem Verhalten des Vertrauensnehmers ab, die Vertrauensgeberin ist also abhängig von der Verhaltensweise des Vertrauensnehmers, und der mögliche Verlust aus dieser Interaktion ist größer als der mögliche Gewinn. So rechnen die Eltern eines Kleinkindes damit, einen ungestörten Abend verbringen zu können, wenn sie ihr Kind durch einen Babysitter betreuen lassen. Sie kennen jedoch auch die möglichen Gefahren einer Fremdbetreuung, die schlimmstenfalls in einer Tragödie enden kann. Wenn sich die Eltern entschließen, den Babysitter zu engagieren, geben sie ihr Schicksal in seine Hände. Sie schätzen die Vertrauenswürdigkeit des Babysitters hoch genug ein, um trotz des hohen möglichen Verlustes einen schönen Abend zu zweit zu verbringen. Der mögliche Verlust, die drohende Tragödie, übersteigt um ein Vielfaches den Gewinn des schönen Abends.
Vertrauensmanagement in Unternehmen
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Nur wer den Vertrauenssprung wagt und ins kalte Wasser springt, kann feststellen, ob sein Vertrauen gerechtfertigt ist (Möllering 2002). Eine noch so sorgfältige Auswahl des Babysitters, die Einforderung von Referenzschreiben oder gar der Einsatz von Testverfahren bewahrt nicht vor dem Moment, in dem man das Kind mit dem Babysitter allein lassen muss. Zand (1972) war einer der ersten Managementforscher, der erkannte, dass Vertrauen Wagnisse erfordert. In seinem empirisch ermittelten Modell steht die Interaktion zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern als Auslöser des Vertrauenssprungs im Mittelpunkt. Vorgesetzte, die Vertrauen schenken und sich verletzlich zeigen, gewinnen eher das Vertrauen des Mitarbeiters als misstrauische und zurückhaltende Vorgesetzte. Vorgesetzte können ihr Vertrauen zeigen, indem sie Informationen offen teilen, Verantwortung delegieren und Kritik vom Mitarbeiter akzeptieren. Der Mitarbeiter erkennt diese Verhaltensweisen als „Vertrauensgeschenk“ und zeigt sich eher geneigt, Vertrauen zu erwidern. Dies wiederum bestätigt den Vorgesetzten in seinen Annahmen. Sein Vertrauen in den Mitarbeiter festigt sich. Entscheidend ist, dass der Vertrauensgeber zum Vertrauenssprung ansetzt: Nur wer enttäuscht werden kann, gewinnt letztlich Vertrauen. Schließlich ist der Vertrauensgeber dann bereit, sich verletzlich zu zeigen und den Vertrauenssprung zu wagen, wenn er den Vertrauensnehmer als wohlwollend einschätzt. Vertrauen ist die (positive) Erwartung, dass uns der Vertrauensnehmer nicht schadet bzw. sogar bereit ist, sich unser Wohlergehen etwas kosten zu lassen. Diese Einschätzung der Intention des Vertrauensnehmers entbehrt nicht einer soliden Grundlage – blindes Vertrauen ausgenommen. Vielmehr stützt sich die Vertrauensgeberin auf Informationen und trifft begründete Entscheidungen ungeachtet der Tatsache, dass Vertrauen immer auch ein Wagnis beinhaltet. Simmel (1908) drückt diesen Zustand treffend aus: „Der völlig Wissende braucht nicht zu vertrauen, der völlig Nichtwissende kann vernünftigerweise nicht einmal vertrauen.“ In Anlehnung an ein Modell der Psychologen Roy Lewicki und Barbara Bunker (1995) unterscheiden wir drei Vertrauenstypen auf der Grundlage unterschiedlicher Quellen der Erwartungsbildung. Wir sprechen von situationsbasiertem Vertrauen, wenn die Einschätzung darauf beruht, dass sich ein Betrug für den Vertrauensnehmer in der spezifischen Situation nicht lohnt. Stützt sich die positive Einschätzung auf die wahrgenommene persönliche Vertrauenswürdigkeit des Vertrauensnehmers, sprechen wir von eigenschaftsbasiertem Vertrauen. Sind gemeinsam geteilte Normen die Grundlage des Vertrauens, sprechen wir von identifikationsbasiertem Vertrauen.
1.2
Vertrauenstypen: Situations-, eigenschafts- und identifikationsbasiertes Vertrauen
Zu Beginn einer Beziehung, wenn sich Fremde gegenüberstehen, kommt Zusammenarbeit häufig aufgrund eines situationsbasierten Kalküls zustande. Man unterstellt sich wechselseitig Eigeninteresse: Welcher Nutzen entsteht dem Vertrauensnehmer, wenn er mich hintergeht?
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Welche Kosten sind für ihn mit einem Betrug verbunden? Sind die vermuteten Kosten des Vertrauensnehmers größer als dessen Nutzen, entsteht situationsbasiertes Vertrauen. Im Sinne der Definition von Vertrauen als risikoreiche Vorleistung fehlt hierbei ein wichtiger Aspekt: Es wird gerade kein Wagnis eingegangen, sondern das Risiko ist voll und ganz kalkuliert. Es basiert ausschließlich auf extrinsischer Motivation auf Seiten des Vertrauensnehmers wie des Vertrauensgebers. Extrinsisch ist eine Motivation, wenn das Ziel der vorliegenden Handlung ein instrumentelles ist, d.h. die Handlung wird nicht um ihrer selbst willen vorgenommen. Im Unterschied dazu ist bei der intrinsischen Motivation die Handlung selber das Ziel. Sie ist nicht kalkulativ, wird also nicht um eines Vorteils willen vorgenommen. Viele Autoren (vor allem in der Sozialpsychologie) argumentieren, dass man beim situationsbasierten Vertrauen eigentlich gar nicht von Vertrauen sprechen sollte. Wir schließen uns dieser Meinung an und behandeln situationsbasiertes als „unechtes Vertrauen“. Gleichwohl ist es häufig, der Ausgangspunkt für „echte“ Formen des Vertrauens. Eine tragfähige und belastbare Vertrauensbeziehung kann jedoch nicht situationsbasiert sein, da nur eine defektive Handlung die situative Kooperationsbereitschaft der Parteien sofort zerstört. Eigenschaftsbasiertes Vertrauen basiert auf der subjektiven Erwartung, wie sich der Vertrauensnehmer im Unterschied zu anderen Personen verhalten wird. Eigenschaftsbasiertes Vertrauen entsteht, wenn wir erwarten, dass uns der Vertrauensnehmer nicht schadet bzw. sich unser Wohlergehen etwas kosten lassen würde. In der Vertrauensforschung wird diskutiert, welche Eigenschaften eine Vertrauenserwartung ausmachen. Zurückgehend auf den einflussreichen Aufsatz von Mayer, Davis und Schoorman (1995) gehen viele Autoren von einer Dreiteilung aus: Kompetenzerwartungen: Die Vertrauensgeberin erwartet, dass der Vertrauensnehmer über die notwendigen Kompetenzen verfügt, um eine übertragene Aufgabe zu erfüllen. Integritätserwartungen: Die Erwartung des Vertrauensgebers ist darauf gerichtet, dass sich der Vertrauensnehmer an situationsübergreifenden, verinnerlichten Normen ausrichtet. Man unterstellt, dass der Vertrauensnehmer intrinsisch motiviert ist, Normen einzuhalten. Dies bedeutet, dass Normen auch dann befolgt werden, wenn Normverletzungen nicht entdeckt oder bestraft werden können. Benevolenzerwartungen: Der Vertrauensgeber nimmt an, dass der Vertrauensnehmer nicht nur generelle situationsübergreifende Normen befolgt, sondern dass er das spezielle Wohlbefinden des Vertrauensgebers im Auge hat, sogar wenn es ihm Kosten verursacht. Identifikationsbasiertes Vertrauen basiert auf einer gegenseitigen Übereinstimmung der Werte und Normen der Vertrauensakteure. Nicht mehr der Vertrauensnehmer mit seinen Eigenschaften steht im Vordergrund, sondern die Gemeinschaft zwischen den Vertrauenden. Identifikationsbasiertes Vertrauen bezeichnet die Entwicklung einer gemeinsamen Sicht und gegenseitiger Sympathie. Identifikationsbasiertes Vertrauen beruht auf zwei Komponenten:
Vertrauensmanagement in Unternehmen
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Identifikation mit den Werten, Zielen und Bedürfnissen des Partners: Man spricht dann von identifikationsbasiertem Vertrauen, wenn sich die Partner so miteinander identifizieren, dass sie jederzeit an Stelle des anderen und in seinem Sinne handeln können. Während beim eigenschaftsbasierten Vertrauen der Vertrauensgeber die Integrität und Benevolenz des Vertrauensnehmers – zumindest kurzfristig – instrumentell, d. h. extrinsisch motiviert kalkulieren kann, befolgen beim identifikationsbasierten Vertrauen beide Partner die Normen nicht instrumentell, d.h. intrinsisch motiviert. Gegenseitige Sympathie und die Entwicklung einer gefühlsmäßigen Bindung: Die Partner entwickeln gegenseitige Sympathie und fühlen sich füreinander verantwortlich. Sie interessieren sich für das Wohlergehen des anderen, schätzen die Beziehung an sich und sehen ihre Gefühle erwidert. Beide Seiten stellen das Wohlergehen des anderen in den Vordergrund. Längerfristig ist nur identifikationsbasiertes Vertrauen wirklich stabil, weil es auf beiden Seiten auf nicht-instrumentellen Intentionen beruht. Der Versuch des Vertrauensgebers, die Integrität und Benevolenz des Vertrauensnehmers zu instrumentalisieren, verändert im Zeitablauf die Vertrauensgrundlage. Stellt die Vertrauensnehmerin fest, dass ihre (intrinsisch motivierte) Vertrauenswürdigkeit ausgenutzt wird, wird sie verdrängt. Führungsmaßnahmen fördern beidseitiges, identifikationsbasiertes Vertrauen, wenn sie dem Mitarbeiter signalisieren, dass seine Anliegen ernst genommen und seine Vertrauenswürdigkeit nicht ausgenutzt wird. Zahlreiche empirische Studien belegen, dass organisationale Fairness einen starken positiven Einfluss auf das Vertrauen in Unternehmen ausübt. Fairness signalisiert Benevolenz und Integrität der Führung und beeinflusst dadurch sowohl das Vertrauen der Mitarbeiter in die Führung als auch deren intrinsische Motivation, sich vertrauenswürdig zu verhalten.
2.
Vertrauen und Fairness
Fragen der Fairness bzw. Gerechtigkeit beschäftigen Philosophen, Sozial- und Politikwissenschaftler von jeher. Seit nunmehr vierzig Jahren betonen auch die Psychologen, dass jeder Mensch ein Bedürfnis nach Fairness hat. Menschen reagieren sensibel auf eine ungerechte Behandlung, unabhängig davon, ob das erzielte Ergebnis zu ihrem Vor- oder Nachteil ist. Auch die Managementforschung beschäftigt sich seit einiger Zeit mit diesem Thema. Es wurde gezeigt, dass unfaire Bedingungen zu erhöhten Fehlzeiten, vermehrtem Diebstahl und Fluktuation beitragen. Fairness ist zudem ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Einflussfaktor für den Aufbau von interpersonalem Vertrauen. Faire Bedingungen erhöhen den Willen des Arbeitnehmers, freiwillig im Sinne des Unternehmens und des Vorgesetzten zu handeln.
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Fairness beeinflusst die freiwillige (intrinsische) Leistungsbereitschaft positiv. Sie erhöht die Identifikation mit der Organisation und das Vertrauen in Vorgesetzte und Unternehmen. Ausschlaggebend ist dabei, was Menschen in einem Unternehmen empirisch als gerecht empfinden. Die empirische Fairnessforschung beschäftigt sich mit den Fragen: Was empfinden Mitarbeiter im Unternehmen als gerecht? Wie reagieren Mitarbeiter auf empfundene Fairness bzw. Unfairness? Mitarbeiter beurteilen Fairness nach zwei Dimensionen: Fairnesstyp und Fairnessintention. In der empirischen Fairnessforschung werden drei Fairnesstypen unterschieden. Bei Fragen der distributiven Fairness geht es darum, wie materielle oder immaterielle Güter bzw. Lasten im Unternehmen aufgeteilt werden. Viele Untersuchungen weisen zudem darauf hin, dass die meisten Menschen nicht nur auf ein faires Ergebnis, sondern auch auf ein faires Verfahren wert legen. Dies ist Gegenstand der prozeduralen Fairness. Im Mittelpunkt der interaktiven Fairness steht die konkrete Anwendung dieser Verfahren durch den Vorgesetzten. Ein neuerer Zweig der Fairnessforschung belegt, dass auch die Fairnessintention eine wichtige Rolle für das Gerechtigkeitsempfinden und die Reaktionen der Mitarbeiter spielt. Studien zeigen, dass die Wahrnehmung von Vorgesetzten anders ausfällt, je nachdem, ob deren Handeln als intrinsisch oder extrinsisch motiviert wahrgenommen wird.
2.1.1
Distributive Fairness und Vertrauen
Die Forschung zur distributiven Fairness wurde lange Zeit von der Idee geleitet, dass nicht die absolute Höhe des Lohns (bzw. das Ausmaß aller Güter und Lasten) dafür entscheidend ist, ob man eine Verteilung als gerecht empfindet. Vielmehr beurteilt man die eigenen Ergebnisse im Vergleich zu Referenzpersonen. Adams (1963) geht in der Equity-Theorie davon aus, dass jeder Mitarbeiter bestrebt ist, zwischen sich und seinen Kollegen einen Gleichgewichtszustand herzustellen. Verglichen wird das Verhältnis von eigenen Ergebnisanteilen (z. B. Lohn, Status und Anerkennung) und eigenen Beiträgen (z. B. Arbeitseinsatz, Leistung) mit den Ergebnissen und Beiträgen von Bezugsperson. So empfindet etwa eine Neueinsteigerin 5.000 Franken Monatslohn als gerecht, wenn andere Neueinsteiger im Unternehmen und in der Branche ungefähr gleich viel verdienen. Gemäß der Equity-Theorie versuchen die Mitarbeiter, bei Ungleichgewichten das als gerecht empfundene Gleichgewicht wiederherzustellen, um Spannungsgefühle abzubauen. Dabei stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung: Veränderung der Ergebnisse: Der betroffene Mitarbeiter fordert zum Beispiel eine Lohnerhöhung. Veränderung der Leistungsbeiträge: Der betroffene Mitarbeiter reduziert seinen Arbeitseinsatz.
Vertrauensmanagement in Unternehmen
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Wahl einer anderen Vergleichsperson: Statt sich wie bisher mit Herrn Maier zu vergleichen, wählt der betroffene Mitarbeiter als neue Referenzperson Frau Müller. Verlassen des Feldes: Der betroffene Mitarbeiter kündigt oder kümmert sich um seine Versetzung. Empirische Befunde bestätigen die Equity-Theorie. Besonders gut wurden die Zusammenhänge zwischen Produktivität und Ungleichgewicht untersucht. Bevorteilte Mitarbeiter, die im Stundenlohn angestellt sind, begegnen einem Ungleichgewicht, indem sie mehr produzieren (Lawler 1968). Weniger klar ist die empirische Sachlage, wenn Mitarbeiter das Gefühl haben, benachteiligt zu werden. Studien zeigen, dass Mitarbeiter in diesem Fall eher indirekt ihre Leistung senken, etwa indem sie mehr „krankmachen“ oder mehr Fehlzeiten aufweisen (Randall/Mueller 1995). Oft stellen sie das Gleichgewicht wieder her, indem sie „sich holen“, was ihnen zusteht, z. B. indem sie Ressourcen der Organisation für eigene Zwecke verwenden. Darauf verweist auch die folgende Untersuchung: In Unternehmen mit einer allgemeinen Gewinnbeteiligung ist die Zahl krimineller Akte um 34 Prozent niedriger als in Unternehmen, bei denen nur das Top-Management am Gewinn beteiligt ist (Schnatterly 2003). Neuere Ansätze betonen, dass je nach Situation unterschiedliche Verteilungsprinzipien als fair empfunden werden. In der jüngeren empirischen Forschung stehen drei unterschiedliche Verteilungsprinzipien im Mittelpunkt: 1. Das Leistungsprinzip: Verteilungen gelten als gerecht, wenn sie proportional zu den individuellen Beiträgen vorgenommen werden. Empirisch ist das meist in Situationen der Fall, wenn die Leistung genau gemessen und zugerechnet werden kann und wenn es sich um entfernte soziale Beziehungen handelt. 2. Das Gleichheitsprinzip: Alle relevanten Personen erhalten einen gleich hohen Anteil an Gütern oder Lasten. Empirisch gilt das Gleichheitsprinzip meist in engeren Sozialbeziehungen sowie in Situationen, in denen die Einzelleistung schlecht gemessen und zugerechnet werden kann. 3. Das Bedarfsprinzip: Fairness misst sich daran, ob die spezifischen Bedürfnisse einer Person – etwa die Größe ihrer Familie – in die Entscheidung mit einbezogen werden. Das Bedarfsprinzip gilt meist nur in sehr engen sozialen Beziehungen wie etwa in der Familie. Im Unternehmen steht das Ziel der Produktivitätssteigerung im Vordergrund. Bei einfachen Tätigkeiten wird das Leistungsprinzip bevorzugt. Je eher die Mitarbeiter zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf Informationen und Vorleistungen ihrer Kollegen angewiesen sind, desto besser eignet sich das Gleichheitsprinzip. Die möglichst ausgewogene Verteilung von Gütern und Lasten stärkt den Zusammenhalt im Team und verringert das Konfliktpotenzial. Studien zeigen, dass die Mitarbeiter eng verbundener Teams das Gleichheitsprinzip dem Leistungsprinzip vorziehen (Mikula 1980). Das Bedarfsprinzip wird in Unternehmen eher ergänzend eingesetzt. Hängt der Erfolg eines Teams oder einer Abteilung vom Wohlergehen aller Beteiligten ab, gilt eine gezielte Zuwendung oder Entlastung der schwächeren Mitarbeiter als fair (Cook/Hegtvedt 1983).
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Margit Osterloh/Antoinette Weibel
Distributive Fairness wirkt sich in zwei Bereichen positiv auf das Vertrauensmanagement aus: Distributive Fairness erhöht das Vertrauen der Mitarbeiter in das Unternehmen. Eine als gerecht empfundene Verteilung erhöht das Vertrauen der Mitarbeiter in die Geschäftsleitung. In zwei kürzlich erschienenen Meta-Studien, die alle verfügbaren empirischen Studien im Bereich der organisationalen Fairness analysieren, wird ein klarer und starker Zusammenhang zwischen distributiver Fairness und Vertrauen in das Unternehmen ermittelt (Cohen-Charash/Spector 2001, Colquitt et al. 2001): Mitarbeiter, die die Verteilung von Gütern und Lasten für gerecht halten, vertrauen der Geschäftsleitung deutlich stärker als Mitarbeiter, die sich ungerecht behandelt fühlen. Distributive Fairness verstärkt vertrauenswürdiges Verhalten der Mitarbeiter in Form des Organizational Citizenship Behavior. Bislang wurde kein Maß entwickelt, das vertrauenswürdiges Verhalten im Unternehmen direkt abbildet und präzise erfasst. Es gibt jedoch eine umfangreiche Forschung zum so genannten „Organizational Citizenship Behavior“. Diese Art von Verhalten entspricht weitgehend dem, was in Unternehmen als vertrauenswürdig gilt. Organizational Citizenship Behavior oder „Extra-Rollen-Verhalten“ bezeichnet das Verhalten von Mitarbeitern, das über ihre im Arbeitsvertrag oder in der Stellenbeschreibung festgelegten Pflichten hinausgeht. Es handelt sich um freiwillige Leistungsbeiträge, die von den Vorgesetzten nur beschränkt einzufordern sind und deren Fehlen nur teilweise sanktioniert werden kann. Diese Verhaltensform kann sich entweder auf die Unternehmung als Ganzes oder aber auf Kollegen und Vorgesetzte beziehen. Beim unternehmensbezogenen Organizational Citizenship Behavior handelt es sich zum Beispiel um das freiwillige Übernehmen von (auch unangenehmen) Aufgaben. Unternehmensbezogenes Organizational Citizenship Behavior stärkt das eigenschaftsbasierte Vertrauen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Beim mitarbeiterbezogenen Organizational Citizenship Behavior handelt es sich zum Beispiel darum, Kollegen Hilfe anzubieten, die mit ihrer Arbeit in Rückstand geraten sind. Mitarbeiterbezogenes Organizational Citizenship Behavior vertieft die Beziehungen unter den Mitarbeitern sowie zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten und stärkt Benevolenzerwartungen. Hilfsbereite Mitarbeiter werden als zuverlässig, wohlwollend und vertrauenswürdig eingeschätzt. Mitarbeiterbezogenes Organizational Citizenship Behavior vertieft somit ebenfalls eigenschaftsbasiertes Vertrauen. Unternehmensbezogenes Organizational Citizenship Behavior wird durch distributive, mitarbeiterbezogenes Vertrauen in erster Linie durch prozedurale Fairness positiv beeinflusst (CohenCharash/Spector 2001).
2.1.2
Prozedurale Fairness und Vertrauen
Umfangreiche empirische Forschung hat gezeigt, dass ein Verfahren dann als fair betrachtet wird, wenn es folgende Merkmale aufweist (Leventhal 1976): Konsistenz: Es wird für alle Personen und in allen vergleichbaren Situationen dasselbe Verfahren angewandt.
Vertrauensmanagement in Unternehmen
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Unparteilichkeit: Die Stelle, die die Entscheidung über eine Verteilung fällt, ist unvoreingenommen. Korrigierbarkeit: Es kann Einspruch erhoben werden, wenn gute Gründe dafür vorliegen. Genauigkeit: Die Entscheidung wird auf Grundlage aller relevanten Informationen gefällt. Partizipation: Die vom Entscheid betroffenen Mitarbeiter haben eine Mitsprachemöglichkeit. Prozedurale Fairness ist für die Mitarbeiter in der Regel sogar wichtiger als distributive Fairness (Greenberg 1996). Drei Gründe sind dafür ausschlaggebend: Erstens erhöht ein gerechtes Verfahren die Chance auf ein gerechtes Ergebnis. Zweitens schützen gerechte Verfahren die Mitarbeiter vor Willkür. Drittens ist eine gerechte Verteilung oft schwierig zu realisieren. Soll die Ausbildung oder die Arbeitsanstrengung (Input) oder das Arbeitsergebnis (Output) als Kriterium gelten? Sind diese Kriterien messbar und einzelnen Individuen zurechenbar? Ist ein Output überhaupt Personen zurechenbar oder vielmehr glücklichen Umständen? In solchen Fällen ist es einfacher, sich über ein Verteilungsverfahren als über Kriterien der Ergebnisverteilung zu einigen.
Beispiel: Distributive und prozedurale Fairness bei HP Das Informationstechnologie-Unternehmen Hewlett Packard ist für seinen legendären „HPWay“ bekannt. Dies sind Führungsgrundsätze, die beispielhaft eine Verankerung von distributiver und prozeduraler Fairness vorsehen. Das zeigt sich unter anderem in der Ausgestaltung des Lohnsystems. Die distributive Fairness soll durch den Vergleich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschiedener Abteilungen erreicht werden. Dabei spielen zwei Komponenten eine Rolle: 1) Die Stellenbeschreibung dient der Bestimmung einer möglichen Lohnbandbreite, die sowohl durch den Marktwert als auch durch den internen Wert einer Tätigkeit definiert wird. 2) Die Bestimmung des persönlichen Lohns innerhalb der Gehaltsgruppe erfolgt einerseits durch eine Leistungsbeurteilung, die gemeinsam mit dem Vorgesetzten erfolgt. Andererseits wird die Leistung eines Mitarbeiters mit der Leistung anderer Mitarbeiter in ähnlichen Positionen verglichen. Der Vergleich wird von einem „Ranking-Ausschuss“ vorgenommen. Die prozedurale Fairness soll durch die Anwendung einer Reihe von Regeln gewährleistet werden: 1) Konsistenz wird erreicht, indem das Gehaltssystem weltweit für das gesamte Unternehmen gilt.
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Margit Osterloh/Antoinette Weibel
2) Indem der Vergleich durch einen Ranking-Ausschuss und nicht durch den direkten Vorgesetzten erfolgt, wird dem Kriterium der Unvoreingenommenheit Genüge getan. 3) Sind die Mitarbeiter mit der Einschätzung unzufrieden, können sie sich bei einem weiteren Ausschuss beklagen. Außerdem müssen ihnen die Vorgesetzten das Resultat persönlich mitteilen und begründen. Dadurch sind ausreichend Korrekturmöglichkeiten gegeben. 4) Schließlich erfolgt die Leistungsbewertung aufgrund der Mitarbeiterziele, die gemeinsam mit den Vorgesetzten definiert wurden. Dadurch wird Partizipation gewährleistet.
Prozedurale Fairness ist in mehrfacher Hinsicht für das Vertrauensmanagement wichtig. Erstens erhöhen gerechte Verfahren das Vertrauen der Mitarbeiter in „ihr“ Unternehmen und in den direkten Vorgesetzten. Das zeigen die bereits erwähnten Meta-Studien deutlich (Cohen-Charash/Spector 2001, Colquitt et al. 2001). Zweitens stärken faire Prozeduren wie bereits erwähnt das vertrauenswürdige Verhalten der Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen in Form von Organizational Citizenship Behavior. Somit schafft prozedurale Fairness die Grundlage für eigenschaftsbasiertes Vertrauen. Drittens erhöht empfundene prozedurale Fairness die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen. Prozedurale Fairness hat einen positiven Einfluss auf das „Commitment“. Dieses bezeichnet das Ausmaß, in dem sich eine Mitarbeiterin mit dem Unternehmen identifiziert und sich den Zielen der Organisation verpflichtet fühlt (O'Reilly & Chatman, 1986). Commitment umfasst die Verinnerlichung von unternehmensrelevanten Werten. Diese Verinnerlichung organisationaler Werte schafft die Basis für identifikationsbasiertes Vertrauen (Osterloh/Weibel 2006).
2.1.3
Interaktive Fairness und Vertrauen
Bei der interaktiven Fairness stehen nicht die Merkmale der Verfahren oder das „Was“ im Vordergrund, vielmehr spielt das „Wie“ oder die Umsetzung der Verfahren die Hauptrolle, also die Art und Weise, wie eine Vorgesetzte ihre Mitarbeiter behandelt. Interaktive Fairness wird durch zwei Aspekte geprägt: Zwischenmenschlicher Umgangston: Geht die Vorgesetzte mit den Mitarbeitern höflich um und zeigt sie respektvolles Verhalten? Kommunikationsverhalten: Werden Entscheidungen verständlich erläutert und nachvollziehbar begründet? Interaktive Fairness ist ein relativ junges Konzept, das erst in wenigen Studien systematisch analysiert wurde. In der empirischen Fairnessforschung geht man davon aus, dass interaktive Fairness Vertrauensbeziehungen in zwei Bereichen beeinflusst. Erstens werden Vorgesetzte oder andere Autoritätspersonen positiver eingeschätzt, wenn sie die Mitarbeiter höflich und respektvoll behandeln sowie ihr Vorgehen erläutern. Mitarbeiter
Vertrauensmanagement in Unternehmen
199
schließen aus positiven persönlichen Erfahrungen auf den Charakter und die Fähigkeiten von Autoritätspersonen. Einem fairen Vorgesetzten traut man eher zu, dass er kompetent, zuverlässig und ehrlich ist. Dies gilt auch für das Verhältnis zwischen Bürgern und der Polizei. In mehreren Studien zeigt Tyler (1990), dass amerikanische Bürger die Polizei dann für effizient und kompetent halten, wenn sie bei persönlichen Kontakten höflich und mit Respekt behandelt worden sind. Zweitens verringert interaktive Fairness negative Reaktionen: wenn Unternehmen Entlassungen durchführen müssen (Brockner et al. 1990), wenn Unternehmen das Arbeitsumfeld umfassend reorganisieren, etwa im Falle eines Firmenzusammenschlusses oder bei anstehenden Unternehmensverkäufen (Schweiger/ Denisi 1991), wenn Lohnkürzungen anstehen (Greenberg 1990). Mögliche Auswirkungen mangelnder interaktiver Fairness in solchen Situationen sind: Verringerung des freiwilligen Engagements für das Unternehmen, erhöhte Gefahr von Racheakten (Diebstahl oder üble Nachrede) und vermehrtes Rückzugverhalten (Absentismus und Kündigungsbereitschaft).
Beispiel: Interaktive Fairness und Downsizing Interaktive Fairness beeinflusst die Auswirkung von Reorganisationen und Entlassungen auf Einstellung und Verhalten der „Survivors“ (im Unternehmen verbleibende Mitarbeiter). So zeigen verschiedene Studien, dass interaktive Fairness das Vertrauen der Survivors in die Führung stärken kann (Spreitzer/Mishra 2001). Als besonders zentral erweisen sich zwei Aspekte der interaktiven Fairness: 1)
Umgang mit den Entlassenen: Neben der Entschädigung ist auch die Art und Weise von Bedeutung, wie man Mitarbeiter entlässt. Entschuldigungen und die Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Stelle signalisieren, dass Mitarbeiter einen hohen Stellenwert im Unternehmen haben.
2)
Kommunikation: Während der gesamten Reorganisationsphase ist eine intensive Kommunikation erforderlich. Die Mitarbeiter sollten über jeden weiteren Schritt informiert werden. Geschäftsleitung und Management müssen sich für Rückfragen Zeit nehmen und Kommunikationsplattformen schaffen.
200
2.2
Margit Osterloh/Antoinette Weibel
Fairnessintention und Vertrauen
In der jüngeren ökonomischen und sozialpsychologischen Forschung zeigt sich, dass unabhängig vom Fairnesstyp die Fairnessintention des Vorgesetzten einen Einfluss auf die Beurteilung und das vertrauenswürdige Verhalten des Mitarbeiters hat. Wir unterscheiden zwei Ausprägungen der Fairnessintention. Vorgesetzte können sich erstens instrumentell fair verhalten. Dies bedeutet, dass sie die Prinzipien der distributiven, prozeduralen und interaktiven Fairness einsetzen, um eigene Interessen durchzusetzen. Zweitens können sich Vorgesetzte intrinsisch motiviert fair verhalten. Sie verhalten sich fair, weil sie Fairnessnormen verinnerlicht haben und weil sie faires Verhalten als der „guten Sache“ dienlich identifizieren. Fairnessintentionen beeinflussen zum einen Verhalten im Sinne der Integritätserwartungen, insbesondere die Befolgung der Norm der Reziprozität. Dies wurde vor allem von Autoren der psychologischen Ökonomik untersucht. Es zeigte sich, dass die Reaktion auf Lohnerhöhungen von der Absicht des Arbeitgebers abhängt: Arbeitnehmer wählen in Experimenten ein höheres Anstrengungsniveau, wenn eine Lohnerhöhung freiwillig und nicht aufgrund einer Anhebung des gesetzlichen oder tariflichen Mindestlohns erfolgt (Falk/Fehr/Zehnder 2003). Eine freiwillige Lohnerhöhung wird als fair empfunden. Sie wird als Geschenk interpretiert, das man mit einer Erhöhung des Leistungsniveaus „belohnt“. Mitarbeiter zeigen sich umso stärker intrinsisch motiviert, die Norm der Reziprozität zu befolgen, je eher die Vorleistung des Vorgesetzten freiwillig erfolgt. Fairnessintentionen beeinflussen zum anderen Verhalten im Sinne der Benevolenzerwartungen, insbesondere Organizational Citizenship Behavior. Dies wurde vor allem von Sozialpsychologen untersucht. (Tyler 1999, Tyler/Blader 2000, 2003). Befragungen zeigen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Kombination prozeduraler und interaktiver Fairness sowie einer wohlwollenden Intention auf der einen Seite und Organizational Citizenship Behavior auf der anderen Seite existiert (Tyler 1999). Handlungen des Vorgesetzten, die seine Integrität und Benevolenz erkennen lassen, stoßen Internalisierungsprozesse an. Die Bereitschaft steigt, sich seinerseits an Normen zu halten und Benevolenz zu zeigen. Sie steigt, weil Mitarbeiter Normen als sinnvoll erleben und sich mit den Normen des Unternehmens eher identifizieren. Intrinsische prozedurale und interaktive Fairness unterstützt die Heranbildung von identifikationsbasiertem Vertrauen.
Vertrauensmanagement in Unternehmen
3.
201
Die Grenzen des Vertrauensmanagements
Management ist Fremdsteuerung (lateinisch: manum agere = an der Hand führen). Wir haben gezeigt, dass das Management zahlreiche Ansatzpunkte hat, um Vertrauensbildung im Unternehmen positiv zu beeinflussen. Empirisch hat sich gezeigt, dass Fairness dabei eine überragende Rolle zukommt. Distributive Fairness beeinflusst in erster Linie das Vertrauen in die Unternehmensleitung. Prozedurale Fairness wirkt positiv auf das Vertrauen in den Vorgesetzten und stärkt das vertrauenswürdige Verhalten der Mitarbeiter. Interaktive Fairness erhöht ebenfalls das Vertrauen in den Vorgesetzten und verringert die Wahrscheinlichkeit negativer Reaktionen in Krisensituationen. Dies kann durchaus in instrumenteller, extrinsisch motivierter Absicht geschehen. Das Management kann durch entsprechende Maßnahmen Leistungsverhalten positiv beeinflussen, das ansonsten nur schwer kontrollier- und sanktionierbar ist. Darüber hinaus kann es Kontrollkosten sparen. Wir haben aber auch darauf hingewiesen, dass längerfristig stabiles Vertrauen nicht instrumentell herbeimanipuliert werden kann (Gambetta 1988b). Mitarbeiter unterscheiden, ob Fairness instrumentalisiert oder intrinsisch motiviert eingesetzt wird. Erkennen sie die manipulative Intention, verkehrt sich die Reaktion: Statt Vertrauen erntet man Misstrauen und eine verringerte Bereitschaft sich für das Wohl des Unternehmens einzusetzen. Stabiles interpersonelles Vertrauen entzieht sich deshalb zu großen Teilen bloßer instrumenteller Gestaltung.
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Vertrauensmanagement in Unternehmen
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Impression Management
205
Impression Management: Die Notwendigkeit der Selbstdarstellung Helmut Ebert/Manfred Piwinger
Unter Impression Management oder Selbstdarstellung verstehen wir Inszenierungsstrategien zur Herstellung eines bestimmten Ansehens in der öffentlichen Meinung (positives Image, guter Ruf, Beachtung). Es geht um die Inszenierung eines gewollten Selbst. Selbstdarstellung ist – sieht man von dem in sein eigenes Bild verliebten Narziss ab – selten Selbstzweck. Personen und Unternehmen planen ihre Selbstdarstellung, um sich in der Umwelt Anerkennung, Einfluss, Ansehen und einen Namen zu verschaffen. Das ist das Grundmotiv. Der Aufwand steckt in der Inszenierung. Der Ertrag oder Nutzen steckt in der gesteigerten Chance auf nützliche Interaktionen bzw. Transaktionen. Denn in unserer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft wird Impression Management – die aktive Form der Selbstdarstellung zum Zwecke einer Nutzenerzielung – zu einem zentralen strategischen „Spiel“, das längerfristig über Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen und Personen entscheidet. Unser Begriff der Selbstdarstellung ist ethisch fundiert und ist nicht zu verwechseln mit einem Verhalten, durch das andere getäuscht oder übervorteilt werden. Es geht darum, sich in einem sozial relevanten Interaktionszusammenhang zu positionieren. „Fakten an sich“ gibt es nicht. Wirklich ist immer nur das, was wahrgenommen wird. Für die Unternehmenskommunikation ergeben sich aus diesem Axiom wichtige Einsichten in Wahrnehmungsprozesse und Darstellungszwänge. Wer sich in diesem „Spiel“ durch Kommunikation nicht richtig darstellen kann, befindet sich auf verlorenem Posten. Erfolgreiche Selbstdarstellung und Eindruckssteuerung betreibt, wer einen hohen Grad an Selbstkontrolle hat, das soziale Umfeld genau analysiert, ein klares Rollenverhalten in gut definierten Situationen zeigt, natürlich wirkt und Charisma hat. Da Impression Management Auswahlverhalten ist, kommt es darauf an, die wichtigsten Impression-Management-Techniken zu kennen und einzuschätzen. Dieser Beitrag erläutert wichtige Grundlagen für erfolgreiches Selbstdarstellungsverhalten und Inszenierungstechniken.
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_10, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
206
1.
Helmut Ebert/Manfred Piwinger
Die Inszenierung des Selbst
Inszenierungsstrategien zur Herstellung eines bestimmten Ansehens (positives Image, Reputation, guter Ruf, Beachtung) bezeichnet man als Impression Management. Verwandte Begriffe sind marketing of self, self promotion, personal branding oder reputation management, Eigen-PR und psychologisches Make-up.
Definition: Impression Management Impression Management ist Eindruckssteuerung durch Selbstdarstellung bzw. Steuerung der für die Eindrucksbildung relevanten Informationen.
Die Inszenierung des Selbst mit dem Ziel, das Fremdbild positiv zu beeinflussen, folgt wirtschaftlichen Regeln, denn schließlich geht es darum, sich mittels Maximierung des eigenen Wertes wettbewerbsrelevante Vorteile zu verschaffen. Aufwand und Ertrag werden einander gegenübergestellt. Der Return on Investment ergibt sich aus der Wettbewerbsbetrachtung: das bessere Image, der gute Ruf oder die Akzeptanz in der Gesellschaft. Deren Herstellung ist oft mit hohen Investitionen verbunden, weshalb ein KommunikationsControlling (Piwinger/Porák 2005) angebracht ist. Dies ist auch aus dem folgenden Grunde wichtig: Eine misslungene Selbstdarstellung ist nicht einfach ein Akt, der sein Ziel nicht erreicht, sondern sie ist ein Akt, der oft genug den gegenteiligen Effekt hat und Rufschädigung nach sich ziehen kann. Das ist das fundamentale Risiko von Impression Management (Bromley 1993: 106). Limitierende Faktoren ergeben sich aus ethischen Erwägungen in Verbindung mit dem Ziel, längerfristige Kooperationsgewinne zu realisieren, sowie aus den Wertansprüchen und Erwartungen der Umwelt. Wie ein Einzelner oder ein Unternehmen sich öffentlich darstellt, ist längst nicht mehr jedermanns eigene Sache. Speziell von Unternehmen wird erwartet, dass sie sich nicht nur gesetzeskonform verhalten, sondern auch verantwortlich zur Gesellschaft, in der sie verankert sind. Großunternehmen sind heute quasi öffentliche Institutionen bzw. werden so gesehen (Albach/Albach 1989). Ihr Auftreten und ihr Verhalten werden von den Medien, den Finanzmärkten und einer kritischen Öffentlichkeit sehr genau beobachtet und bewertet. Ein Verhalten, das nicht mit der öffentlichen Meinung übereinstimmt, wird schnell abgestraft. Die wirtschaftlichen Konsequenzen, einhergehend mit einem Reputationsverlust, sind leicht abzusehen. Legt man diese Überlegung zu Grunde, so bedeutet dies, dass die Selbstdarstellung von Unternehmen und Personen, welche Unternehmen repräsentieren, sich immer auch an gesellschaftlichen Wertvorstellungen ausrichtet, diese jedenfalls nicht völlig ignorieren kann (Rosumek 2005).
Impression Management
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Die zentralen Fragen, denen wir im Folgenden nachgehen, lauten: Weshalb bemühen wir uns darum, den Eindruck, den wir auf andere machen, zu kontrollieren? Was hat der Eindruck, den wir auf andere machen, mit unserem Selbst zu tun? Was sind erfolgreiche Strategien der Selbstdarstellung? Womit macht man Eindruck? Lohnt sich der Aufwand des Selbstdarstellungsverhaltens, und was bekomme ich dafür zurück? In der Literatur ist die Grenzziehung zu Imagebildungsprozessen bisher nicht immer genügend trennscharf vorgenommen worden. Für teilweise identische „Phänomene werden gelegentlich unterschiedliche Begriffe verwendet […]: impression management, imagecontrol und self-presentation“ (Mummendey 1995: 126). Wir wollen beide Seiten des Verhaltens im Auge behalten. Das Verhalten eines Darstellers („actor“) soll bei den Rezipienten bzw. Interaktionspartnern ein bestimmtes Darsteller-Image erzeugen. Sofern diese Images für das Selbstverständnis des Darstellers relevant sind und nicht nur manipulativ erzeugte Projektionen, sprechen wir von Selbstdarstellung (Schlenker 1980: 6). So verstanden, ist Impression Management eher als die „Performance“ eines Unternehmens zu begreifen, nicht als das Image selbst.
2.
Selbstdarstellung als Alltagsverhalten
Selbstdarstellung ist kein Verhalten in Ausnahmesituationen. Es findet ständig statt, bewusst oder unbewusst. Wenn z. B. Menschen Fotos betrachten, auf denen sie selbst dargestellt sind, neigen sie instinktiv dazu, alle diejenigen Fotos auszusortieren, auf denen sie sich nicht gut getroffen fühlen, was bedeutet, dass diese Fotos nicht ihrem eigenen Selbstverständnis entsprechen: „Das bin ich nicht!“ Wir können uns auch folgende Grundsituation denken: Eine Person betritt einen Raum, in dem viele Fremde sind. Alles was sie tut oder nicht tut, erzeugt einen bestimmten Eindruck auf das Publikum, welches sich auf dieser Grundlage eine bestimmte Vorstellung über die betreffende Person macht. Diese Vorstellung wirkt ihrerseits auf das Selbstbild der Person zurück, vermutlich nicht so sehr als „Ausdruck eines Motivs nach Selbstwerterhöhung […] als vielmehr das Ergebnis von Lernprozessen“ (Mummendey 1995: 128). Ein hohes Selbstwertgefühl besitzt einen ganz allgemeinen Verstärkungswert in sozialen Interaktionen (vgl. Abbildung 1). Unsere Sprache ist ein weiterer Beleg dafür, dass Selbstdarstellungsverhalten ein alltägliches Verhalten mit hoher gesellschaftlicher Relevanz ist. Es ist daher kein Zufall, dass unser Gegenstandsbereich sprachlich sehr differenziert beschrieben worden ist. Ein verbales Feld bilden z.B. die Verben des Beeindruckens: beeindrucken, imponieren, faszinieren, jemanden für sich einnehmen, bezirzen, umgarnen, bezaubern usw. Ein nominales Feld bilden z.B. die Substantive (Hoch-)Achtung, Ehre, Anerkennung, Ansehen, Aufsehen, Beachtung, Bedeutung,
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Helmut Ebert/Manfred Piwinger
Ehre, Geltung, Gewicht, Glorie, Nimbus, Name, Prestige, Rang, Renommee, Reputation, Ruf, Ruhm, Verehrung, Wertschätzung usw. Redewendungen und Sprichwörter erweitern die lexikalischen Umschreibungsmöglichkeiten noch: Eindruck schinden, einen guten Ruf genießen, in hohem Ansehen stehen, sich in Szene setzen, in gutem Licht erscheinen, sein Licht nicht unter den Scheffel stellen, von sich reden machen, eine gute/schlechte/traurige Figur machen, sich gut verkaufen, Kleider machen Leute, jemandem die Maske vom Gesicht reißen, sich aufblasen/aufplustern wie ein Frosch/Vogel usw.
Person
o
(wirkt auf)
o
Publikum p (bildet) p
Selbstbild
Abbildung 1:
m
(wirkt auf)
m
Fremdbild
Wechselbeziehung zwischen Selbst- und Fremdbild in der Impression Management-Theorie (Quelle: Mummendey 1995: 129)
Impression Management oder Selbstdarstellung steuert und kontrolliert nicht nur den Eindruck, den andere von uns haben (sollen), sondern spielt auch eine entscheidende Rolle beim Aufbau unserer sozialen Identitäten und Rollen. Voraussetzung der Identitätsbildung ist das Selbstkonzept. Um das Selbstkonzept deutlich zu machen, bedarf es fortwährend des kommunikativen Ausdrucks. Die wichtigste Alltagstechnik zur Herstellung von (sozialen) Wirklichkeiten und zum Aushandeln von Identitäten ist das Erzählen von (Lebens-) und (Alltags-) Geschichten (Baecker et al. 1992: 134). Die zur Erklärung dieses Alltagsverhaltens konstruierten Theorien des Impression Managements stellen eine Art Werkzeugkasten für bewusst zu planende Prozesse der Imagebildung und Imagepflege dar. Am Beispiel des sogenannten „Storytelling“ lässt sich nämlich zeigen, dass erfolgreiche Unternehmen immer auch für eine Geschichte stehen, die mit ihnen verbunden ist und die für Kunden und andere Interaktionspartner „Sinn“ macht. Die Kenntnisse über Strategien der Eindruckssteuerung und die Wirkungsweise von Mechanismen der Selbstdarstellung sind nützlich, um Prozesse der sozialen Wahrnehmung angemessen beurteilen zu können und um das eigene Verhalten oder die Steuerung von Interaktionsprozessen zu professionalisieren. Jede Art der Selbstdarstellung wird von den anderen stets durch einen Filter von Normen, Wertvorstellungen, Vorurteilen, festen Meinungen u. a. wahrgenommen. Das Bild des anderen über mich (das Unternehmen, die Organisation, die Person, die Regierung u. Ä.) ist das Resultat der Selbstdarstellung und ein Wert an sich. Kehren wir noch einmal zur oben beschriebenen Grundsituation zurück und interpretieren sie als „Anleitung“, um den Weg vom „Niemand“ zum „Jemand“ zu finden. Erstes Ziel der Person ist es, überhaupt wahrgenommen zu werden. Das zweite Ziel ist es, in erwünschter
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Weise eingeschätzt zu werden. Die in das Fremdbild (Image) einfließenden Bewertungen sind erwünscht, wenn sie die Person bestätigen und belohnen oder ihr helfen, bestimmte Ziele zu erreichen. Ist sich die Person im Klaren darüber, wie sie gesehen werden möchte, muss sie sich so verhalten, dass die Wahrscheinlichkeit der Zuschreibung positiver Merkmale (z.B. „dynamisch“, „kompetent“, „gesellig“) steigt und die Gefahr der Zuschreibung unerwünschter Merkmale minimiert wird. Deutlich wird in dieser Grundsituation: Das Vorstellungsbild entwickelt sich auf der Basis prinzipiell unvollständiger Information.
3.
Theorie der Selbstdarstellung
Stark vereinfacht besteht die Impression-Management-Theorie aus einem einzigen Satz: „Individuen kontrollieren (beeinflussen, steuern, manipulieren etc.) in sozialen Interaktionen den Eindruck, den sie auf andere Personen machen“ (Mummendey 1995: 111). Man kontrolliert „indirekt das Verhalten der anderen Personen, indem man sich eine für eine bestimmte Situation als angemessen erscheinende Identität gibt“ (Mummendey 1995: 133). Die gegenwärtige sozialpsychologische Ausprägung der Impression-Management-Theorie geht zurück auf frühere Arbeiten von George Herbert Mead (1934), als dessen Vorläufer William James (1890) gilt. Die Meadsche Lehre von der symbolischen Interaktion („Symbolischer Interaktionismus“) geht von der These aus, dass die Bedeutung, mit der ein Reiz versehen wird, die Art der Reaktion auf diesen Reiz bestimmt. Bedeutungszuschreibungen und die damit verbundenen Verhaltensweisen sind kulturspezifisch und werden über Sozialisationsprozesse gelernt. Nicht Fakten sind wirklich, sondern die Interpretation der Fakten. Von überragender Bedeutung für die Entwicklung der Impression-Management-Theorie waren auch Erving Goffmans (1922-1982) Analysen des Alltagslebens. Er geht ähnlich wie die Theorie des Symbolischen Interaktionismus von der These aus, dass Personen zunächst die Situation definieren müssen, d. h., sie müssen sich auf gemeinsame Bedeutungszuschreibungen, Kategorisierungen und Typisierungen einigen (Mummendey 1995: 117). In diesem Zusammenhang spielt der Begriff des working consensus eine wichtige Rolle. Die Interaktionsteilnehmer versuchen, die Situationsdefinition durch bestimmte Techniken der Informationsübermittlung zu beeinflussen und zu kontrollieren: „Zwecks Situationsdefinition müssen die Interaktionspartner nämlich Informationen über ihr jeweiliges Gegenüber einholen. Das Impression Management, die Eindruckssteuerung, besteht dann darin, dass Personen in Interaktionssituationen versuchen, Informationen über die eigene Person zu manipulieren, also Einfluss zu nehmen auf die Bedeutungszuschreibungen anderer Interaktionsteilnehmer bezüglich ihrer eigenen Person“ (Mummendey 1995: 117).
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Von den zahlreichen Inszenierungstechniken, die die Impression-Management-Forschung identifiziert hat (insbes. Tedeschi 1981 und Mummendey 1995: 140f.), sind vor allem die assertiven (positiven) Inszenierungstechniken für die personenorientierte Öf fentlichkeitsarbeit von Bedeutung (vgl. unten Abschnitt 6 sowie Nessmann 2007). Sie lassen sich verkürzt wie folgt zusammenfassen (Nessmann 2005: 45f.): „ Betonen der eigenen Offenheit, indem man sich z. B. gegenüber Mitmenschen öffnet, ein
offenes Ohr für ihre Probleme hat, ihnen zuhört und gleichzeitig Einblicke in das eigene Innere oder in die private Sphäre zulässt. Vor allem der Einblick ins Private ist heute, bedingt durch die Personalisierungstendenzen der Medien, eine häufig eingesetzte Inszenierungsstrategie von Prominenten aus Politik, Wirtschaft und Showbusiness; Signalisieren von Kompetenz, indem man z. B. auf seine Ausbildungen und Qualifikationen
verweist; Hervorheben der eigenen Attraktivität, indem man z. B. auf ein gepflegtes äußeres Erschei-
nungsbild achtet und sich attraktiv kleidet. Bewusster Einsatz von Kleidung, Frisur, Make up etc.; Betonung von Status und Prestige, indem man z. B. mit Statussymbolen wie Uhren,
Schmuck, Auto etc. zeigen möchte, wie mächtig oder einflussreich man ist.“ Weitere Möglichkeiten, sich als Person oder Unternehmen aufwertend darzustellen, sind: Die Technik des sogenannten „basking in reflected glory“: Das bedeutet in etwa, sich in
fremdem Ruhm sonnen. Man bringt sich oder seinen Namen in einen assoziativen Zusammenhang mit Vorstellungen, Gegenständen oder Einstellungen in Verbindung, die bei anderen Menschen positive Gefühle auslösen. Ein Beispiel hierfür die Hotelbroschüre des Adlon Berlin Kempinski (1997): „Seit 1907 waren unsere Gäste: Thomas Mann, John Davison Rockefeller, Paul von Hindenburg, Albert Einstein, Kaiser Wilhelm II., Charles Chaplin, Theodore Roosevelt, Enrico Caruso, Friedrich Ebert, Henry Ford, Marlene Dietrich, Emil Jannings […], Richard Tauber, Edgar Wallace.“ Werbung mit Prominenten: Unternehmen setzen immer mehr auf eine Werbestrategie mit
Prominenten. Waren Anfang der neunziger Jahre nur drei Prozent der Werbespots und Testimonials mit Prominenten besetzt, so sind es heute schon 15 Prozent – Tendenz steigend (F.A.Z. vom 4.1.2004: 24). Durch den Gebrauch von Statussymbolen kann eine Person auf den gesellschaftlichen Rang, den sie einnimmt oder das Prestige, das sie genießt, hinweisen. Im Alltag verzichtet kaum jemand auf kleine, statuserhöhende „Tricks“: der „große Schlitten“, mit dem man vorfährt, die guten Beziehungen und Erfolge, die man quasi beiläufig erwähnt. Besonders beliebt ist das „name dropping“: „Wissen Sie, als ich mit meinem Vorstandsvorsitzenden zu Mittag aß, sagte er zu mir ...“. Diese Selbstdarstellungstechniken sind per se noch keine Kommunikationsstrategie. Fest steht nur, dass Menschen mit diesen Techniken den Eindruck, den sie auf andere Personen machen, kontrollieren, steuern und manipulieren.
Impression Management
4.
211
Strategisches Verhalten und Wahrnehmungsmanagement
Um die Art und Weise des eigenen Verhaltens zu bestimmen, benötigt man eine Strategie. Unter einer Strategie verstehen wir Verhaltenstechniken, die eindeutig instrumentellen Charakter haben. Mit ihrer Hilfe kann man versuchen, seine eigenen Intentionen zu erreichen, auch wenn sie Intentionen und Motiven der Interaktionsteilnehmer widersprechen (Lenke/ Lutz/Sprenger 1995: 29). Am sprachlichen Verhalten wollen wir demonstrieren, welchen Herausforderungen eine Strategie begegnen muss. Strategische Äußerungen müssen folgende Aspekte berücksichtigen: Ich muss mir Klarheit über meine Intention verschaffen: Was will ich erreichen? Ich muss so formulieren, dass meine Worte meiner Intention, der Situation und der Sprache
meiner Gesprächspartner angemessen sind. Ich muss die Situation einschätzen. Hierunter fallen z. B. Einstellungen, Werte und
Biografien der beteiligten Personen sowie der wahrnehmbare Raum (Saal, Zimmer) und der Situationstyp (Hauptversammlung, Telefonkonferenz). Zur Einstellung einer Person gehört auch deren Einschätzung der Situation. Man muss nun bedenken, dass unsere Wahrnehmung immer unvollständig ist und somit eine Situation von den Beteiligten ganz unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Das führt hin zu dem wichtigen Thomas-Theorem (Thomas 1965: 29): „Wenn Menschen Situationen als real definieren, so sind diese Situationen real in ihren Konsequenzen.“ Ein Beispiel: Wenn ein Vorstandsvorsitzender im Brief an die Aktionäre sagt, die Kultur seines Unternehmens sei ein zentraler Erfolgsfaktor, aber verschweigt, worin die Besonderheit der Kultur besteht, dann kann ein Leser dieses Schweigen so interpretieren, als gäbe es gar keine besondere Unternehmenskultur im betreffenden Unternehmen. Diese Einschätzung kann völlig falsch sein. Entscheidend ist, dass dann, wenn ein Investor eine Situation für sich als real definiert, die so gerade nicht real war, die Konsequenzen durchaus real sind: Dann nämlich, wenn der Investor auf Grund dieser Situationseinschätzung beschließt, seine Aktien zu verkaufen. Ich muss die Hypothesen (Situationseinschätzungen) meiner Gesprächspartner kennen.
Dieses Wissen ist Teil meiner Situationseinschätzung und bestimmt, wie ich die Äußerungen der anderen verstehe: Welches Ziel hat der andere? Warum sagt er gerade mir das? Warum sagt er es gerade jetzt? Warum sagt er es gerade so? Ein und dieselbe Äußerung („Du fährst verkehrt“) kann ich als Tadel verstehen (Hypothese: Der das sagt, ist rechthaberisch und kann mich nicht leiden) oder als gutgemeinten Rat (Der das sagt, ist sympathisch und freundlich zu mir). Die Partnerhypothesen enthalten auch Annahmen über die Partnerhypothesen des anderen (Partnerhypothesen 2. Grades): Vermutlich hält derjenige, der das
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sagt, mich für unfähig, die Situation richtig einzuschätzen. All diese Annahmen sind nur Hypothesen – auch wenn die einzelnen Personen ihre Annahmen als gesichert annehmen –, da sie laufend korrigiert werden (können) (Lenke et al. 1995: 29). Um Menschen, mit denen man zu tun hat, richtig wahrzunehmen und einzuschätzen, muss man sie sehr genau beobachten. Diese Aufgabe ist, wie wir gezeigt haben, äußerst komplex. Denn die Einstellungen, Werte, Interessen oder Situationseinschätzungen der anderen können nicht direkt beobachtet, sondern müssen erschlossen werden. Hinzu kommt, dass der Wahrgenommene bemerken kann, dass er beobachtet wird. Von daher wird er versuchen, seinerseits mittels Informationskontrolle den Eindruck zu beeinflussen, den der Wahrnehmende von ihm zu gewinnen sucht.
Beispiel: Hauptversammlung Biehl (2005) hat darauf hingewiesen, dass auf Hauptversammlungen der Selbstinszenierung eine immer größere Bedeutung zukommt – neben dem eigentlichen Anlass der Berichterstattung und Abstimmung der Anteilseigner über wichtige Weichenstellungen: „Mit wie viel Aufwand am Erscheinungsbild der ‚Events’ mit Budgets von anderthalb Millionen (Commerzbank) bis zehn Millionen Euro (DaimlerChrysler) gebastelt wird, offenbart schon der Blick in die Tagungshallen. Auf allen Kanälen laufen die zukunftsfähigen Botschaften des Unternehmens. Hier appellieren farbenfrohe Imagefilme an Emotionen und Gruppengefühle, dort werden die neuesten Fahrzeugmodelle in den Foyers wie wertvolle Museums-Kunstwerke zur Schau gestellt […] Der Vorstand sitzt vor kinogroßen Leinwänden und hinter Namensschildern, um Autorität durch Distanz auszustrahlen.“ Und doch gibt es Brüche in der Inszenierung oder Manager müssen in „den ihnen zugedachten Rollen vertrauenswürdig und überzeugend wirken, sei es als ‚Kostenkiller’, als ‚Sanierer’ oder als ‚visionäre Strategen’“, was nicht immer gelingt.
Beispiel: Aktionärsbrief Wie wichtig strategisches Wahrnehmungsmanagement für die Selbstdarstellung des Vorstandsvorsitzenden ist, zeigen u. a. die Aktionärsbriefe. Keller (2006) hat eine Typologie von Eindrücken erarbeitet, die ein (vermeintlicher) Autor hinterlassen kann: konservativseriös, jung-dynamisch-sportlich, trockener Beamtentyp, glatter und berechnender Typ, fürsorglich-väterlicher Typ, pragmatisch-technokratischer Machertyp. Dabei ist es unerheblich, mit wessen Hilfe der Brief an die Aktionäre verfasst wurde. Der folgende Brief erzeugt Eindrücke sowohl eines konservativ-seriösen als auch eines trockenen Beamtentyps: „Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, das Jahr 2002 hat die Entscheidungsträger der Wirtschaft und Politik in Deutschland vor große Herausforderungen gestellt. Die prognostizierte Erholung der Wirtschaft ist […] nicht eingetreten; gleichzeitig haben sich die Rah-
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menbedingungen verschlechtert und der Wettbewerb verschärft. Im Laufe des letzten Jahres haben wir uns daher entschlossen, die Ergebnisprognose frühzeitig dieser Entwicklung anzupassen […]“ (Geschäftsbericht 2002 der Volkswagen AG, zitiert nach Keller 2006).
Entscheidend ist, dass – zumindest innerhalb eines Korridors akzeptabler Eindrücke – nur solche Eindrücke erzeugt werden, die mit der strategischen Selbstpositionierung in Übereinstimmung stehen. Um dies zu gewährleisten, ist das Schema in Abbildung 2, das man auch als Prozessmodell deuten kann, hilfreich.
Mechanismus der Selbstdarstellung
Darsteller (Eigenbild)
Eigenbild (Analyse des Ist-Zustands)
So bin ich!
Selbstkonzept (Definition des Soll-Zustands)
So will ich sein! So verstehe ich mich selbst.
Publikum oder Interaktionspartner (Fremdbild)
Virtuelle oder zugeschriebene Identität (IstZustand des Fremdbilds)
So werde ich gesehen!
Selbstinszenierung (SollZustand des Fremdbilds)
So will ich gesehen werden!
Ergebniskontrolle
Abbildung 2:
5.
Permanente Beobachtung der Differenz zwischen Ist und Soll der Fremdbilder; Klärung des Verhältnisses von Ist-Zustand (Eigenbild) und strategischer Positionierung (Selbstkonzept: So will ich sein). Reflexion der Wechselwirkungen zwischen Fremdbild und Selbstkonzept. Ergebnis: Ich achte auf meinen (guten) Ruf.
Selbstdarstellung als Soll-Ist-Vergleich im Prozessmodell
Effekte von Selbstkonzept und sozialer Position
Aufmerksamkeit stellt sich nicht von selbst ein. Dazu bedarf es einer gewissen sozialen Position und der Definition und Inszenierung eines Selbstkonzeptes mit unterschiedlichen
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Identitätsausprägungen: Man ist Unternehmer, Pionier, Funktionär, Liberaler, Macher, Familienmensch, „Mädchen für alles“, „Mutter der Kompanie“ u. a. Die Summe der Identitäten eines Menschen formt sein Selbstkonzept, d.h. das die einzelnen Identitäten integrierende Selbstverständnis. Für jede Form der geplanten Eindruckssteuerung ist die Erkenntnis wichtig, dass das Selbstkonzept eines Menschen dessen Wahrnehmung, Denken und Handeln beeinflusst. Das bedeutet auch, dass die Beeinflussung anderer Menschen mit der Selbstreflexion und Selbstdisziplinierung beginnen muss.
Das Selbstkonzept (SK) beeinflusst Wahrnehmen, Denken und Handeln: Bemerken/Auffassen
Das SK beeinflusst die Informationsverarbeitung. Beispiel: Wer sich selbst für unabhängig hält, bemerkt und verarbeitet diesbezügliche Informationen schneller.
Bewerten/Deuten
Das SK beeinflusst die Interpretation und Bewertung von Fakten. Beispiel: Informationen, die dem SK zuwiderlaufen, werden häufig ignoriert oder umgedeutet.
Erinnern/Behalten
Das SK beeinflusst die Behaltensleistung. Beispiel: Informationen, die das SK bestätigen, werden besser im Gedächtnis behalten als Informationen, die das SK in Frage stellen.
Gewichten
Das SK beeinflusst die Behaltensleistung. Beispiel: Informationen, die das SK bestätigen, werden besser im Gedächtnis behalten als Informationen, die das SK in Frage stellen.
Abbildung 3:
Auswirkungen des Selbstkonzepts auf Wahrnehmen, Denken und Handeln (Quelle: in Anlehnung an Schlenker 1980: 102-104)
Jeder Mensch möchte etwas sein und etwas darstellen. Erst dann spielt er im Leben eine Rolle. Dabei ist es wichtig, dass das Bild, das andere Personen von uns haben, mit unserem eigenen Bild übereinstimmt bzw. dass die anderen genau das über uns denken, was wir möchten. Immer noch wissen sehr viele Menschen nicht, was andere über sie denken. Daher schätzen sie den Eindruck, den sie auf andere machen, oft falsch ein. Zuweilen hört man Äußerungen wie die von Hartmut Mehdorn, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG. Seine bisweilen forsch und arrogant wirkenden Auftritte begründete er in einer ARDSendung mit den Worten: „Ich bin kein Industrieschauspieler. Ich bin Mehdorn.“ (zitiert nach PR-Magazin 7/2003: 25). Impression-Management-Kompetenz ist also notwendig, damit die Ausblendung der Fremdwahrnehmungen nicht den Interaktionserfolg gefährdet. Welchen Nutzen haben wir davon, dass Fremdbilder unserem Selbstkonzept entsprechen? Die Interaktionswahrscheinlichkeit steigt.
D. h., andere wollen mit uns zu tun haben. Ohne eine klar definierte Identität kommt Interaktion nicht zu Stande.
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Erwünschte Interaktionen werden wahrscheinlicher.
Ein unmittelbar praktischer Nutzen kann z.B. darin bestehen, dass ich durch die Inszenierung von Nähe oder Distanz über die Zugangshäufigkeit von Personen entscheide. Um nicht von jedem beansprucht zu werden, gebe ich mich autoritär und distanziert. Um von Menschen als einer der ihren bewundert zu werden, gebe ich mich volkstümlich, kumpelhaft, mütterlich u.a. Verhaltenssicherheit, Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl steigen.
Über die Erkundung der Fremdbilder kann ich mich selbst definieren. Auf unterschiedlichen Wegen gelangen Informationen vom Fremdbild zum Selbstbild zurück. Die Selbstdarstellung will das Fremdbild aufbessern, und die Informationen über das Fremdbild werden in das Selbstbild integriert. Impression Management wird somit zum Zwecke des SelfImpression Managements betrieben. D. h., wir scheinen unser Verhalten im Sinne einer „self-fulfilling-prophecy“ der Einschätzung des anderen anzupassen. Als attraktiver Mensch wird man auch sonst positiver eingeschätzt.
Attraktivität ist nicht völlig unveränderbar. Man kann damit beginnen, sich attraktiver zu machen und sich z. B. sportlich, kultiviert und stark zeigen und dabei auf sein Vermögen und Talent aufmerksam machen oder aber – als zweite Strategie – Mitbewerber abwerten (Stroebe/Hewstone/Stephenson 1996: 385 f.). Imagewerte beeinflussen den Marktwert von Personen und Unternehmen.
Positive Imagewerte erleichtern die Herstellung von Geschäftskontakten und die Gewinnung guter Mitarbeiter und motivieren die Mitarbeiter zu Höchstleistungen. Images attraktiver Personen und Unternehmen (s.o.) sind auch von hohem Öffentlichkeitswert. Wachsender Einfluss und Macht.
Wie weitreichend jemand in der Lage ist, das gesellschaftliche Bewusstsein zu beeinflussen, hängt zum Teil von seiner ihm durch die Gesellschaft zugeschriebenen Position ab und von der Aufmerksamkeit, die sich auf seine Stellung richtet. Je stärker jemand im Blickfeld der Öffentlichkeit steht, desto weiter reicht sein Einfluss.
6.
Selbstdarstellung als Kommunikationsstrategie
Mit der Selbstdarstellung oder Selbstinszenierung soll ein „Bild von sich“ im Bewusstsein der Öffentlichkeit etabliert werden. Generell ist jedoch davon auszugehen, dass die Öffent-
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lichkeit (oder Zielgruppe) nicht immer das erforderliche Interesse dafür aufbringt bzw. in unterschiedlicher Weise aufnahmebereit oder prädisponiert ist. Im Rahmen des Impression Managements unterscheidet man deshalb Identitätsaufbau, Identitätspflege und Identitätsverteidigung. Impression Management ist eine Inszenierungsstrategie, die zum Image führt, also nicht das Image selbst. Identitätsaufbau meint den bewussten Akt der Etablierung eines gewünschten Ansehens und das gezielte Identitätsangebot an ein Publikum. Ist der Status etabliert, bedarf er der ständigen Pflege und Bestätigung durch Verhalten (Inszenierungen/Aktionen/Events/Rituale u.a.), um beim Publikum präsent zu bleiben. Bei der Selbstdarstellung bedienen wir uns gezielt symbolischer Handlungen und Ausdrucksweisen. Das Konzept der Corporate Identity beruht darauf. Es beinhaltet das Verhaltensrepertoire und das dieses steuernde Programm an Werten, Normen und Zielen, d. h. die Kultur eines Unternehmens sowie das äußere Erscheinungsbild (z. B. in Form von Fabrik- und Verwaltungsgebäuden, Geschäftspapieren, Kleidung; überhaupt das gesamte Corporate Design). Gerade den Artefakten wie Gebäuden, Bürogröße, Logo u.a. wird im Einzelfall eine hohe symbolische Aufladung zugemessen. Dinge sprechen nicht, aber sie haben uns etwas zu sagen. Für das Pharma- und Chemieunternehmen Altana ist seine neue Konzernzentrale in Bad Homburg – eingeweiht im Jahr 2003 – „nicht nur Arbeitsstätte und Entscheidungszentrum, sondern auch ein architektonisches Symbol für die Werte und Überzeugungen, die mit dem Namen Altana verbunden sind“ (Geschäftsbericht Altana AG 2003, S. 5). Werden diese Werte und Überzeugungen als Teil der eigenen Identität zur öffentlichen Identität (Image), ist Identität eines Unternehmens mit dem Gedächtnis der Öffentlichkeit verbunden. Die kontinuierliche Pflege der Ansehenswerte ist wesentlich ökonomischer, als ein Image verteidigen oder gar neu etablieren zu müssen. Doch haben Ansehenswerte ein Verfallsdatum. Sie benötigen von daher ständiger Erinnerungen und Bestätigungen zu ihrer Aktualisierung. Dies bedingt wirtschaftlich einen ständigen Erhaltungsaufwand, der von den laufenden Aufwendungen (Nachinvestitionen) her nicht unterschätzt werden sollte.
7.
Positive und negative Techniken der Selbstdarstellung
Jeder, der sich im Unternehmen mit Fragen der Reputation, des Imageaufbaus und -erhalts, der Attraktivität (z. B. als Arbeitgeber) oder der Personendarstellung beschäftigt, kommt an der Theorie des Impression Managements nicht vorbei. Schließlich gilt auch hier: Wer das
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Richtige nicht weiß, kann das Richtige nicht tun. Mummendey (1995: 140 f.) unterscheidet positive und negative Selbstdarstellungstechniken (vgl. Abbildung 4).
Positive Selbstdarstellungstechniken
Negative Selbstdarstellungstechniken
Eigenwerbung betreiben (self-promotion)
Entschuldigen, Abstreiten von Verant-
Hohe Ansprüche signalisieren
(entitlements) Hohes Selbstwertgefühl herausstellen (self-enhancement) und übertreiben (overstatement) Sich über Kontakte aufwerten (BIRGing = basking in reflected glory) und sich über Kontakte positiv abheben (boosting) Kompetenz und Expertentum signalisieren (competence, expertise) Beispielhaft erscheinen (exemplification) Attraktivität herausstellen
(personal attraction) Hohen Status und Prestige herauskehren (status, prestige) Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit herausstellen (credibility, trustworthiness) Offenheit hervorkehren (self-disclosure) Sich beliebt machen, sich einschmeicheln (ingratiation, other-enhancement)
Abbildung 4:
wortlichkeit (apologies, excuses) Rechtfertigen (justification, accounts) in
misslichen Lagen (predicaments) Widerrufen, Ableugnen, dementieren,
vorsorglich abschwächen (disclaimers) Sich als unvollkommen darstellen
(self-handicapping) Understatement Hilfsbedürftig erscheinen (supplication) Symptome geistiger Erkrankung zeigen Bedrohen, einschüchtern (intimidation) Abwerten anderer (blasting)
Positive und negative Techniken der Selbstdarstellung (Quelle: Mummendey 1995: 140 f.)
„Positiv“ meint, dass ein Darsteller sich positiv bewertete Merkmale zuschreibt (Attraktivität, Status u. a.). „Negativ“ meint, dass ein Darsteller sich erhofft, von der Zuschreibung von Schwäche, Hilfsbedürftigkeit u.a. zu profitieren. Die Tabelle ist eher unsystematisch. Mummendey (1995: 141) weist darauf hin, dass es schwierig sein dürfte, die einzelnen Techniken schlüssig zu ordnen, insbesondere da sie sich vielfach überlappen. Auf die strenge Unterscheidung zwischen „Strategie“ (langfristig wirksames Verhalten) und „Technik“ (kurzfristig wirksames Verhalten), wie sie in vielen Taxonomien üblich ist, verzichtet Mummendey (1995: 140), um nicht eine Exaktheit vorzuspiegeln, die den Taxonomien des Selbstdarstellungsverhaltens nicht zukommt.
218
8.
Helmut Ebert/Manfred Piwinger
Grundzüge erfolgreicher Eindrucksbildung
In erster Linie ist Impression Management an personales Verhalten gebunden. Daher und mit Blick auf die oben geschilderte Diskrepanz zwischen der Selbst- und Fremdeinschätzung von Führungskräften der Wirtschaft seien abschließend einige Grundzüge erfolgreicher Eindrucksbildung zusammengefasst: Sprachstil: Personen, die über einen differenzierten Wortschatz verfügen und über eine
sozial angesehene Aussprache, werden als Personen eingeschätzt, die über ein höheres Maß an sozialer Kontrolle verfügen. Weltweit haben Studien gezeigt, dass z. B. eine korrekte Aussprache – im Sinne der Hochlautung – nicht nur den Eindruck von sozialem Status und wahrgenommener Kompetenz vermittelt, sondern dass sie auch großen Einfluss auf die Bereitschaft anderer hat, mit solchen Sprechern zu kooperieren. Idealisierung und Optimismus: Selbstdarstellung ist stets an die graduelle Idealisierung des
wirklichen Geschehens gebunden. Dazu zählt auch die Erzeugung von Optimismus. Nur so erhält man die notwendige Handlungs- und Kooperationsbereitschaft anderer Menschen. Mystifikation: Erfolgreiche Darsteller profitieren auch von einer gewissen Mystifikation
ihrer Person. Durch eine ausreichende Trennung vom Publikum erscheint der Darsteller makelloser, als er in Wirklichkeit ist. Mystifikation wirkt zugleich als Schutz gegen Veralltäglichung und Banalisierung. „Jede große Persönlichkeit, die in der Öffentlichkeit besonderes Gehör findet und Stimmungen beeinflussen kann, lebt auch von der Mystifikation, die sie umgibt.“ (Münch 1995: 91) Dramaturgische Disziplin: Goffman (1997: 212) hat darauf hingewiesen, dass das
Publikum selbst entscheidend zum Gelingen einer Inszenierung beiträgt, indem es Takt oder Schutzmaßnahmen im Interesse der Darsteller an den Tag legt: Um das möglich zu machen, muss der Darsteller offensichtlich ganz besonders diszipliniert und sorgfältig handeln. Zwei allgemeine Strategien ermöglichen ein taktvolles Entgegenkommen: Der Darsteller muss empfänglich sein für Hinweise aus dem Publikum, die ihm signalisieren, dass seine Inszenierung inakzeptabel ist; der Darsteller muss, wenn er Tatsachen verschleiern will, dies in Übereinstimmung mit den Regeln der Etikette tun. Er darf sich also nicht in eine Lage hineinmanövrieren, aus der ihn keine Entschuldigung, auch kein noch so gutwilliges Publikum retten kann. Wer die Unwahrheit sagt, muss beispielsweise seinem Tonfall den Hauch des Scherzhaften geben und sich so ein Hintertürchen offen halten, für den Fall, dass die Zuschauer es genauer wissen oder wissen wollen. Gravierende Verhaltensänderungen: Wirkungsvolles Impression Management verlangt
nicht zuletzt geradezu gravierende Verhaltensänderungen wie z. B. das Senken der Stimme oder eine Veränderung des Körpergewichts. Natürliche Autorität oder Grenzen der Inszenierung: Führung, die ausschließlich auf
Amtsautorität beruht, ist motivationspsychologisch Ohnmacht. Motivieren kann man nur
Impression Management
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mit Vorbildmacht, d.h. mit natürlicher Autorität. Diese Autorität kann man sich auch nicht selbst durch Selbstbehauptung oder Selbstdarstellung verleihen. Natürliche Autorität ist eine Art zinsloser Kredit der Mitarbeiter, den diese ihren Vorgesetzten auf der Grundlage von erbrachter Leistung und nachgewiesener Kompetenz (Vorbildverhalten) auf Zeit gewähren.
9.
Notwendigkeit der Selbstdarstellung
Jede Inszenierung braucht Aufmerksamkeit. Erst Aufmerksamkeit führt dazu, dass man beachtet wird. Jeder Akt der Selbstdarstellung zielt zunächst darauf, sich eine gewisse Bekanntheit zu verschaffen. Bekanntheit für sich genommen ist unspezifisch („Bekannt wie ein bunter Hund“). Im Prozess der Imagebildung ist zu klären, wofür man bekannt ist. Ein unbekanntes Unternehmen führt wie im richtigen Leben ein „Mauerblümchen-Dasein“ und bleibt unbeachtet. Die Folge sind uneffektive und beträchtliche Transaktionskosten, die notwendig sind, um sich überhaupt Gehör in der Öffentlichkeit oder z. B. Kapital bei Investoren zu verschaffen. Nicht beachtet zu werden und nicht „anzukommen“, ist emotional und existenziell derart bedrohlich, dass Selbstdarstellung gelegentlich exaltierte Formen annimmt. Angesichts des Informations-Overkills und vor dem Hintergrund von Individualisierungstendenzen entwickeln Personen und Unternehmen immer raffiniertere Inszenierungen im Kampf um die Aufmerksamkeit des Publikums (Franck 2007). „Das ganze Kommunikationsgeschehen ist durch eine zunehmende Verschärfung der Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit geprägt. Daraus folgt, dass die Erzielung von öffentlicher Aufmerksamkeit immer mehr Aufwand an Personal und Kapital zur Darstellung der eigenen Anliegen erfordert. Wer diesen Aufwand nicht betreiben kann, scheidet aus dem Kommunikationsmarkt aus.“ (Münch 1995: 124). In einer Informations- und Wissensgesellschaft ist Aufmerksamkeit eine knappe Ressource und ein Produktionsmittel. Einer gelungenen Selbstpräsentation versagen wir nicht unseren Beifall. Aufmerksamkeit wird zur Währung. Reputation ist „Einkommen“ in Form sachverständiger Beachtung (Franck 2007). Je mehr Unternehmen sich auf dem Meinungsmarkt tummeln, desto stärker steigen die finanziell bedeutsamen Grenzkosten. Die Entwicklung von Aufmerksamkeit und Beachtung zum Produktionsmittel und zur Währung hat verschiedene Gründe: In einer Zeit allgemeinen Wohlstands streben immer mehr Menschen nach immateriellem
Reichtum, d. h. nach Prominenz.
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Für die Geistesarbeiter der Wissensgesellschaft zählt neben dem Lohn vor allem das
Aufsehen, das ihre Arbeit erregt. Immer mehr Menschen drängen auf einen gesättigten Arbeitsmarkt. Bekanntheit und Image
sind entscheidend für die Jobauswahl. In mehreren Ratgebern wird darauf hingewiesen, dass Aufstiegschancen im Beruf vor allem von drei Faktoren abhängen würden: von der Leistung bzw. Qualität der Arbeit (10 Prozent), vom Eindruck, den jemand macht (30 Prozent) und vom Bekanntheitsgrad (60 Prozent. Demzufolge würde das Image – hier im Sinne von Eindruck und Bekanntheit – zu 90 Prozent darüber bestimmen, ob jemand beruflich weiterkommt (Nessmann 2003: 169). Die Vermittlung öffentlicher Aufmerksamkeit ist Kerngeschäft der Medien. Information,
die keine Beachtung findet, hat keinen Wert. Die attraktive Kraft der Medien wird in Form von Auflagenhöhen, Einschaltquoten und Besucherzahlen (bei Websites) gemessen. Die Wirkung der Selbstdarstellung beruht darauf, dass die Interaktionspartner (Zielgruppen) auf der Grundlage unvollständiger Information (s. o.) Schlüsse ziehen. Sie müssen dies tun, um handlungsfähig zu bleiben. Niemand kann sich z. B. einem ersten Eindrucksurteil entziehen. Auch der erste Eindruck ist ein Quasi-Urteil (Voraus-Urteil) und beruht auf Vereinfachungen durch Typologisierung, Verallgemeinerung von Einzelerfahrungen, Überverdeutlichung und Bewertung. Hinzu kommen Assoziations- und Attributionsmechanismen, so z. B. wenn die Körpergröße als Zeichen für Autorität gilt. Im Zusammenhang mit Selbstdarstellungstechniken ist es wichtig, dass das eigene Verhalten auf einen positiven ersten Eindruck abzielt. Der erste Eindruck ist immer ein Urteil der Sympathie oder Antipathie und entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Erste Eindrücke können – wie das nachfolgende Beispiel der Bewerbung zeigt – sich sehr schnell zu sehr stabilen positiven oder auch negativen Vorurteilen entwickeln (Bergler 2004: 12 f.).
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Beispiel: Lincoln „Präsident Lincoln lehnte einen Bewerber für eine bestimmte Aufgabe ab und gab als Grund an: ‚Sein Gesicht gefällt mir nicht.’ Einer seiner Minister ließ durchblicken, dass er das nicht für eine ausreichende und befriedigende Erklärung hielte. Lincoln widersprach ihm jedoch: ‚Jeder Mensch über vierzig ist für sein Gesicht verantwortlich’“ (Eunson 1990: 123).
Die Überzeugung, dass erste Eindrücke „richtige“ Eindrücke sind, begründet ihren hohen Stellenwert in der Alltagspsychologie. Daraus folgt: „Angebote, die Einfluss auf das Entscheidungsverhalten nehmen sollen, müssen in ihrem Inhalt, Erscheinungsbild und Verhaltensstil auf Menschen der definierten Zielgruppe einen attraktiven und damit sympathischen Eindruck machen.“ (Bergler 2004: 11)
Auslöser (Schlüsselreize) der Sympathie Personenmerkmale
Frisur, Stimme, Aussprache, Kleidung, Körperpflege, Konstitution, physische Attraktivität, Blickkontakt, Brille, Geruchsqualitäten, Taktile Erfahrungen (Händedruck), Gestik, Mimik: Lächeln – Freundlichkeit, Optimismus – Positive Stimmungslagen
Unternehmensmerkmale
Architektur, Design, Geschäftsbericht, Werbestil, Verhaltensstil
Kommunikative Kompetenz
Aktives Zuhören, Interesse für den anderen (Fragen, Anerkennung, Akzeptanz, Bereitschaft zum Zuhören, Begründen, Auseinandersetzen), Offenheit, Keine Kanaldiskrepanzen (Stimmigkeit der verbalen und nonverbalen Signale bzw. von Informationen eines Senders über verschiedene Kanäle)
InteraktionsAttraktivität
Erlebte Ähnlichkeit von Einstellungen, Werthaltungen, Interessen, Standpunkten; erlebte Komplementarität von Eigenschaften; erlebte Nähe zu Idealvorstellungen auf Basis des Vergleichsniveaus der Alternativen; Positive Verstärkung durch Lob; Empfang positiver Informationen; Belohnungs-Erwartungen; Erfolgserlebnisse
Erwartete Problemlösungskompetenz
Verfügbarkeit: „Nähe“, kommunikative Erreichbarkeit; Elementarbedürfnis nach Anerkennung durch sympathische Ausstrahlung; Persönlichkeitseigenschaften (Ruhe, Ausgeglichenheit u. a.; physische Attraktivität)
Abbildung 5:
Schlüsselreize der Sympathie (Bergler 2004: 17 f.)
Unsere Wahrnehmung ist immer die Antwort auf die Präsentation einer Identität. Vielleicht die wichtigste Erkenntnis des Impression Managements ist die Tatsache, dass der Inhalt einer Botschaft nur einen kleinen Anteil daran hat, ob eine Person auf andere überzeugend wirkt.
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Persönlichkeit, Stilkompetenz tragen – wie Körpersprache und Stimme (vgl. Amon 2004: 18f.) – sehr viel mehr zur Eindrucksbildung bei als die Botschaft selbst. Um diese These in spezifischen Kontexten zu prüfen, sind sicherlich weitere Untersuchungen wünschenswert. Fest steht in jedem Fall, dass man gut daran tut, nicht allein auf die „Macht“ des rationalen Wortes zu vertrauen. Neben einer der jeweiligen Zielgruppe angemessenen Komplexitätsreduktion der Botschaft ist zu erkunden, welche Zielgruppen sich eher rational und welche sich eher emotional beeindrucken lassen. Attraktivität z. B. – als ein emotional wirkendes Medium – erhält als eine Art Statussymbol einen hohen Wert und ist in Grenzen beeinflussbar (s. o.). Man kann sein Aussehen und Äußeres dazu benutzen, um Menschen für sich zu gewinnen. Zahlreiche Untersuchungen belegen: Wer besser aussieht, verdient mehr, bekommt schneller eine Anstellung und hat größere Chancen beim anderen Geschlecht. Wir nehmen automatisch an, dass ein attraktiver Mensch talentiert, glücklich, sensibel und extrovertiert ist, dass er einen hohen Status besitzt, sich vieler Beziehungen erfreut und freundlich ist. Einen Trost hält die Forschung für die weniger Attraktiven bereit: Eine Meta-Analyse von älteren wissenschaftlichen Studien führte zu dem Ergebnis, dass Aussehen in keiner Relation zur Intelligenz steht (Feingold 1992). Auch der bewusste Einsatz von Sprache, Sprachstil, Kleidung, Accessoires, Symbolen bzw. symbolischen Handlungen u.a. ist Teil von Selbstdarstellungstechniken. Selbst Namensänderungen im Kontext internationaler Karrieren sind belegt, wenn es z.B. darum geht, sich einen Namen zuzulegen, der im Zielland besser ankommt (Steinkuhl 2005).
Überzeugungskraft hoch Physische Medien
Stimme Aussehen Gestik/Mimik
Symbolische Medien
Handlungsmuster/Verhalten; Kleidung, Porträtfotos etc.
Persönlichkeit
Persönlichkeit: gesunde, natürliche, selbstsichere Ausdrucksfähigkeit
Botschaft/Äußerung (Vortrag/Rede)
Wie (Stil) der Aussage
Abbildung 6:
niedrig
Titel, Namen, Orden; Erkennungsmarken (Zigarre, Monokel, Spazierstock u. a.)
Was (Inhalt) der Aussage
Medien des Impression Managements
Die Wirkung der einzelnen Taktiken und Medien wurde in Hunderten von Untersuchungen nachgewiesen (z. B. Mummendey 1995). Interessant ist auch, dass die Öffentlichkeit sensibler wird für Details des Impression Managements.
Impression Management
223
Die Effekte von sprachlichen und nichtsprachlichen Symbolen auf das Verhalten in sozialen Interaktionen hat Cialdini am Beispiel von Kleidung und Titel nachgewiesen. Kleidung und Titel sind Autoritätssymbole. Einem Mann im Maßanzug, der bei Rot über die Ampel ging, folgten signifikant mehr Fußgänger als einem Mann in Arbeitskleidung (Cialdini 1993: 225). Titel sind Autoritätssymbole, die zugleich schwierig (Prüfungen) und leicht (Titelkauf) zu erlangen sind. Ranghohen Personen wird im Allgemeinen auch physische Größe attributiert. Untersuchungen haben ergeben, dass Titel die Wahrnehmung der Körpergröße nach oben hin verzerren. „Bei einem Experiment in fünf australischen Schulklassen wurde den Schülern ein Mann als ein Besucher der englischen Universität Cambridge vorgestellt. In jeder Klasse wurde seine Stellung in Cambridge jedoch anders angegeben. Er wurde einmal als Student vorgestellt, in der nächsten Klasse als wissenschaftlicher Assistent, dann als Dozent, in der vierten Klasse als angehender Professor und in der fünften schließlich als ordentlicher Professor. Nachdem er den Raum wieder verlassen hatte, wurde jede Klasse gebeten, seine Körpergröße zu schätzen. Wie sich herausstellte, wurde die gleiche Person mit jeder Stellungsverbesserung um durchschnittlich gut einen Zentimeter größer wahrgenommen, so dass man ihn als ‚Professor’ sechs Zentimeter größer einschätzte denn als ‚Student’“ (Cialdini 1993: 221).
10.
Selbstdarstellung und Ethik
Abschließend sei auf die Frage nach den ethischen Grundlagen der Selbstdarstellung eingegangen. Wo liegen die Grenzen und Grauzonen im Kampf um Aufmerksamkeit? Wo unterscheidet sich der virtuose Selbstdarsteller vom zwielichtigen Hochstapler? „Diese ethische Fragestellung ist nicht nur für die soziale Interaktion von Personen von hoher Relevanz: Unternehmen stecken trotz einer intensiven Pflege des Themas Ethik und soziale Verantwortung in einer tiefen Vertrauenskrise.“ (Rosumek 2005: 3) Wir können unsere Suche nach einer Antwort auf diese Fragen nur andeuten. Zum einen haben wir bereits darauf hingewiesen, dass sich für Personen und Unternehmen die Situation dann anderes darstellt, wenn sie langfristige Kooperationsgewinne realisieren wollen. In diesem Fall wäre die kurzfristige Täuschung kontraproduktiv. Zum Zweiten sind gesetzliche Regelungen in den Blick zu nehmen. Im Falle von kriminellen Täuschungen und Irreführungen verfügt der Rechtsstaat über die entsprechenden Mittel, um Missbrauch zu ahnden und abzustellen. Neben Fällen der betrügerischen Hochstapelei gibt es auch den Fall, dass z. B. Mitarbeiter bewusst tiefstapeln und sich selbst sogar schlecht machen (Becker/Scott 1995). Bei Bewerbern kommt dieses Verhalten vor, z. B. um eine ihnen angebotene, missliebige Stelle nicht annehmen zu müssen. Das Bundessozialgericht (Az.B7 AL 106/02R) hat hierüber entschieden. Demnach darf sich ein Arbeitsloser bei einer
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Helmut Ebert/Manfred Piwinger
Bewerbung unvorteilhaft und als für die angebotene Stelle ungeeignet darstellen, ohne dass ihm das Arbeitslosengeld gesperrt wird: „Er sei nicht dazu verpflichtet, in einem Bewerbungsschreiben positive Aspekte seiner Person herauszustellen.“ Drittens sind – und dies wird man weiter beobachten müssen – (berufsständische) Selbstverpflichtungen und Ethik-Kodizes zu erwähnen. So schreibt z. B. der Kodex der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse & Asset Management seinen Berufsangehörigen folgendes Verhalten vor: „J. Werbung […] 3. Den Berufsangehörigen ist es gestattet, in sachlicher Weise auf ihre Tätigkeit und etwaige Branchenspezialisierung hinzuweisen. Falsche und irreführende Angaben sind unzulässig. Übertriebene und reißerische Selbstdarstellung ist zu meiden“ (www.dvfa.de/standard_kodex.htm). Schließlich wird man viertens – vor dem Hintergrund der Tendenz zur „Bluff Gesellschaft“ (Schwertfeger 2002) und dem Kampf um Aufmerksamkeit, Jobs und Unternehmenserfolg – sich darum bemühen müssen, eine Ästhetik der Selbstdarstellung zu entwickeln, die ethischen Anforderungen gerecht wird und personalen mit kollektivem Erfolg vereinbar macht. Ein solches Projekt erfordert die Zusammenarbeit vieler Disziplinen und kann nur gelingen, wenn die kulturvergleichende und die historische Dimension angemessen berücksichtigt werden (Ebert 2003: 110).
Literatur
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Impression Management
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Image und Reputation
227
Image und Reputation – Werttreiber für das Management Eugen Buß
„In Übereinstimmung mit der Öffentlichkeit kann nichts fehlgehen, ohne diese nichts erfolgreich sein.“ (Abraham Lincoln) Erfolgreiches Markenmanagement und eine nachhaltige Kommunikationskultur benötigen heute angesichts der veränderten Wettbewerbsbedingungen eine Art „Markierung“ der Produkte und Unternehmen im Wahrnehmungsfeld der Öffentlichkeit. Vor allem über Imagewerte werden identitätsrelevante Positionierungen in das kollektive Gedächtnis der Öffentlichkeit hineingeschrieben. Sie sind werttreibende Erinnerungsmarken für Erfahrungen, Assoziationen, Gefühle und Überzeugungen, die im Sediment des öffentlichen Gedächtnisses abgelagert sind. Dieser Beitrag legt dar, auf welch unterschiedliche Weise Imagebilder neue Distinktions- und Reputationsgewinne schaffen sowie Premiumpotenziale im Wettbewerbsfeld ermöglichen. Darüber hinaus werden die sozialen und kulturellen Werttreiber des Images sowie die in ihnen wirkenden Wertschöpfungschancen vorgestellt. Anhand von exemplarischen Fällen wird veranschaulicht, wie wettbewerbsdifferenzierende „company-stories“ eine imagewirksame Identität schaffen, ferner wie eine kulturelle Imagesymbolik eine besondere Form der Markenreputation schafft, und schließlich wie Markencodes soziale Bindungschancen reflektieren, die in einer tief verwurzelten Sockel-Loyalität zu einem Unternehmen oder Produkt münden.
1.
Image als soziales Steuerungsprinzip
Der moderne Konsument und Staatsbürger ist offenbar eine schillernde Figur. Unternehmen, Organisationen und Parteien haben große Schwierigkeiten, ihn zu verstehen. Sie betreiben Markt- und Meinungsforschung, denken mehr über ihn als mit ihm nach, entwickeln Zielgruppenstrategien, taxieren Verbrauchsgewohnheiten, prognostizieren Lebensstil- und M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_11, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
228
Eugen Buß
Milieuveränderungen und stellen trotz allem verblüfft fest: Die tragfähige Bindung wird brüchig, das Vertrauen sinkt, Reputation und öffentlicher Ruf erodieren. Die Gründe liegen auf der Hand: Wir sind Zeuge einer tiefgreifenden Zäsur unseres Selbstverständnisses. Die Wertkultur der Deutschen hat sich in vielen Bereichen so gravierend verändert, dass aus dieser Veränderung neue Bewertungsmaßstäbe der Öffentlichkeit hervorgegangen sind. Die Akzeptanz unternehmerischen Handelns ist heute von anderen Prämissen abhängig als in den 80er und 90er Jahren. Die Einstellung zur Glaubwürdigkeit, zur Verfügbarkeit einer Leistung, zum öffentlichen Darstellungsstil eines Unternehmens, zur gesellschaftlichen Verantwortung, zur ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit oder auch die Einstellung zur emotionalen Dekoration, zu Respektsgesten, zur Berücksichtigung individueller Ansprüche – all dies ist in Bewegung geraten. Und all dies verändert die Gründe, warum Menschen ein Unternehmen schätzen, welche neue Formen der Kommunikation sie suchen, was an Darstellungsattributen sie von einer Organisation erwarten, und welches Imagebild schließlich Erfolg verspricht. Der Wertewandel in Deutschland nötigt zum Umdenken traditioneller Kommunikationsmaßstäbe. Er nötigt insbesondere zu Antworten auf neue Fragen: Wie verändern sich die Wertansprüche der Stakeholder? Welche Rückwirkungen haben sie auf Unternehmensstrategien, auf Kommunikationsmodalitäten? Unter welchen Prämissen avancieren Image und Reputation zu Werttreibern für das Management? Wer sich mit Image beschäftigt, muss klären, auf welche Phänomene er sich bezieht. Beim Image handelt es sich um ein grundlegendes Ordnungs- und Wertschöpfungsprinzip in der Wirtschaft. Image ist eine zentrale Steuerungsquelle für die Orientierung im Markt, es ist Quelle von Wertschätzung oder Ablehnung einer Organisation, Quelle von Loyalität oder Zurückweisung, Chiffre von Zugehörigkeit oder Ausgrenzung. Image dient als maßgebliches Kriterium für Bewertungen von Organisationen und Institutionen (Buß/Fink-Heuberger 2000: 41 ff.).
2.
Grundlagen und Kennzeichen
Image ist das Ergebnis eines öffentlichen Deutungsprozesses. Es ist ein mit einem Unternehmen unmittelbar verwobenes, historisch gegründetes, relativ dauerhaftes und auf die Zukunft gerichtetes Vorstellungsbild, das direkt verhaltens- bzw. handlungssteuernd wirkt (und zwar doppelseitig: im Sinne des Selbstbildes, das ein Unternehmen verpflichtet – sowie im Sinne des Fremdbildes, demzufolge Kunden und Öffentlichkeit Akzeptanzentscheidungen treffen);
Image und Reputation
229
das im Verhältnis zu Konkurrenten eine Positionierung und/oder einen Ruf vermittelt. Image steht immer zu einer Umgebung in Beziehung; in diesem Sinne ist Image Abgrenzung und Unterscheidung. Das Anders-Sein ist eines seiner Zentralelemente; das in symbolisch verdichtender Exemplifikation aus der Fülle denkbarer Merkmale und Eigenschaften auf einige wenige vereinfachende, bildhafte oder typisierende reduziert ist. Das Image ist immer einfacher gestaltet als das Objekt, das es repräsentiert; das einen sozialen und immateriellen Wert darstellt, der sich darin ausdrückt, dass Image grundsätzlich Ausdruck von hohen oder niedrigen Akzeptanz- und Wertschätzungsurteilen ist. Zusammengefasst bedeutet Image: historisch begründete, bewertende, relativ dauerhafte und typisierende Vorstellungen, die in symbolischen, identitätsstiftenden Bildern verdichtet sind und zu einem bestimmten Handeln verpflichten oder mobilisieren. Oder in einer Metapher: Image ist das Gesicht einer Organisation. Über das Image können gesichtslose Beziehungen in gesichtsabhängige Bindungen transformiert werden. Image-Management beruht auf der Fähigkeit, Unternehmensprozesse bildhaft zu führen. Kennzeichnend für jedes Image sind perspektivische Wahrnehmungen. Man interpretiert die Welt selektiv, generalisiert die Informationen, die man erhält, reduziert die Erfahrungen auf einen Umfang, an dem man sich sinnvoll orientieren kann, und gewinnt dadurch erst Möglichkeiten, Akzeptanzentscheidungen zu treffen. Image entzieht sich dem rationalen Kalkül. Es ist nicht Ausdruck einer begründeten Annahme, es lässt sich auch nicht auf klar umreißbare, objektive und handgreifliche Ursachen zurückführen, sondern wird durch subjektive Prozesse der vereinfachenden Erlebnisverarbeitung gesteuert (Luhmann 1973: 83). Image entsteht aus „vagen Teilansichten“. Nicht Fakten, sondern Vorstellungen steuern das Bild der Öffentlichkeit über eine Organisation. Schon 1956 schrieb Boulding, dass eher subjektive Vorstellungen über ein Unternehmen das Verhalten der Öffentlichkeit bestimmen als die tatsächlichen Gegebenheiten (Boulding 1956). Image, so sah es Boulding, steuert das Verhalten: Image-Orientierung statt FaktenOrientierung. Nicht das Produkt oder die Marke an sich entscheiden über Zustimmung oder Ablehnung, sondern das Bild über sie. Nicht das Unternehmen selbst, nicht seine Leistungen und Erfolge steuern die Konsumentenentscheidung, sondern die Vorstellungen über sie. In ihnen liegt das eigentliche Wertschöpfungspotential. Dies hat für das Verständnis von Image Folgen: Es sind Bilder, Deutungen und Assoziationen, die unser Urteil über eine Organisation bestimmen. Ob dieses Bild mit der Wirklichkeit übereinstimmt, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass die mit dem Image verbundenen Vorstellungsbilder eine größere Orientierungs- und Steuerungskraft in der Öffentlichkeit haben als die faktischen Leistungsergebnisse. Die Öffentlichkeit sammelt in der Regel nur Informationsbruchstücke. Sie rekonstruiert diese Steinchen zu einem Mosaikbild, das ein vereinfachtes, durch die eigene Perspektive gedeutetes Bild von einer Organisation ergibt, und das schließlich über Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz entscheidet.
230
Eugen Buß
3.
Stellenwert von Image in modernen Gesellschaften
Die wachsende Bedeutung von Image und Reputation in modernen Märkten geht auf eine ganze Reihe von veränderten institutionellen Rahmenbedingungen zurück: 1. Die Wettbewerbsbedingungen haben sich auf vielen Teilmärkten verschärft. Produkte und Leistungen werden vermehrt austauschbar, ihre Transparenz steigt. Damit nehmen die Abwanderungschancen deutlich zu. Wenn aber kein entscheidender Vorteil mehr gegenüber den Mitbewerbern erreicht werden kann, wenn technische Leistungsmerkmale zunehmend vergleichbar werden, wenn Service und Dienstleistungsangebote sich ähneln, ändert sich auch das eigentliche Wettbewerbsfeld. Bei annähernd gleichen Preisen und Sicherheitsstandards wird die Wahl zwischen den Fluggesellschaften häufig durch den guten Ruf entschieden. Wenn sich der Kampf um Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, Aktionäre und Medien verschärft, gibt es nur einen erfolgreichen Weg: Nicht das Produkt an sich schafft Präferenzen, sondern ausschließlich Imagebilder. Der wachsende Wettbewerbsdruck führt zu einer Verlagerung vom Produktwettbewerb über den Problemlösungswettbewerb zum Identitäts- und Reputationswettbewerb. Auf dem Feld der Konkurrenz wird dann nicht mehr um die bessere Problemlösung gerungen, sondern um Aufmerksamkeit, Identität und Reputation gefochten (vgl. Abbildung 1). Sie ermöglicht eine trennscharfe Abgrenzung im Wettbewerbsfeld und schafft Distinktions- und Reputationsgewinne. 2. In zunehmend globalisierten Märkten sind wirtschaftliche Transaktionen zunehmend anonyme Beziehungen – man tritt beim Kauf einer Aktie nicht der Organisation gegenüber, ebensowenig beim Kauf eines Autos oder einer Zahnpasta. Moderne wirtschaftliche Interaktionen sind vorwiegend „gesichtslose Interaktionen“ (Giddens 1995). Sie sind typischerweise Beziehungen unter Fremden. Fremdheit bietet jedoch keine Grundlage für öffentliches Ansehen. Wie kann Reputation in „entbetteten, gesichtslosen Interaktionen“ erzeugt werden, wenn man dem Hersteller nie begegnet ist – wie kann eine abstrakte Organisation ein Gesicht bekommen? Image hilft, Vertrauensbeziehungen in modernen Massenmärkten zu stiften und damit Markenakzeptanz, im besten Fall sogar Preispremium-Akzeptanz zu generieren. Es ist relativ leicht, dem persönlich bekannten Dorfmetzger zu vertrauen, dass seine Erzeugnisse artgerechter lokaler Tierhaltung entstammen, aber dem europaweit agierenden Fleischkonzern? Über Imagebildung erhalten Unternehmen ein Gesicht – über Identität können gesichsunabhängige, anonyme Marktbeziehungen transformiert werden in gesichtsabhängige Beziehungen. Imagemanagement kann daher als eine Art „struktureller Rückbettungsmechanismus“ in globalisierten Märkten bezeichnet werden. 3. Innerhalb einer Generation hat sich das Informationsangebot der Medien um den Faktor des ca. 40-fachen erweitert. Die Pro-Kopf-Versorgung mit Massenkommunikationsmitteln sowie die Mediennutzungszeit steigen kontinuierlich um etwa 10 Prozent jährlich.
Image und Reputation
231
Durch neue multimediale Informationsangebote werden die Folgen der Informationsüberlastung noch gravierender. Angesichts der Flut von Informationen reagiert der moderne Mensch mit einer unbewussten, fast völligen Nicht-Beachtung der empfangenen Botschaften. Der Einzelne wird unfähig, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Er ist auch nicht mehr in der Lage, die wirklich kritischen Informationen zu erfassen. Im Zusammenhang mit dem epochalen Wandel zur Information-Driven-Economy ist nicht Information das dringlichste Problem, sondern Aufmerksamkeit. Faktischer Zeitdruck und Informationsfülle rufen Abwehrreaktionen bei den öffentlichen Adressaten hervor. Immer neue Unternehmen und Organisationen konkurrieren um das knappe Gut „Aufmerksamkeit“. Die Aufgabe moderner Kommunikationspolitik ist es daher, eine Art „Aufmerksamkeitsportal“ zu schaffen und über sie öffentliche „Aufmerksamkeitsgemeinschaften“ herzustellen. Je höher die Reputation eines Unternehmens ist, umso leichter ist es, die Aufmerksamkeitsschwellen der Öffentlichkeit und Kunden zu überwinden. Unternehmen wie Google, Intel oder General Electric belegen eindrucksvoll, dass das Urteil über den Zukunftswert eines Unternehmens keineswegs von konkreten Bilanzen abhängt. Die enorme Differenz zwischen Nominal- und Börsenwert ist Ausdruck des Bemühens, Zukunftswerte im Markt der öffentlichen Aufmerksamkeit zu besetzen. 4. Auf der Ebene allgemeiner Botschaften und Werte herrscht ein regelrechter Verdrängungswettbewerb. Die generellen Positionierungsziele und Leistungsversprechen vieler Unternehmen sind nicht nur relativ abstrakt, sondern größtenteils auch austauschbar. Es fehlt an unverwechselbarem Differenzierungspotential. Ohne in konkrete Inhalte übersetzt zu werden, bleiben viele Unternehmensleitbilder bloße Me-too-Produkte. Nur über Imageprozesse lassen sich die notwendigen Differenzierungspotentiale im Markt erschließen und zugleich die erfolgsdifferenzierenden Leitbotschaften im Aufmerksamkeitsportal der Öffentlichkeit positionieren. 5. Die Vorstellung der Öffentlichkeit von einem „idealen“ oder „wünschenswerten“ Unternehmen hat sich in den letzten Jahren gründlich verändert. Sie hat sich wertbezogener entwickelt, d.h. stärker in Richtung einer Integration von sozialen und moralischen Wertmaßstäben im unternehmerischen Entscheidungskontext. Entsprechend ist das Wertklima insgesamt „öffentlicher“ geworden. Was die Öffentlichkeit den Organisationen zumutet, ist nicht mehr und nicht weniger als eine verstärkte Integration von Loyalitätsgesten in die öffentliche Kommunikation. Wollen Unternehmen ihre Wertschöpfungspotentiale nutzen, bedarf es einer Art tektonische Verschiebung im Stellenwert der Imagekommunikation. Der strategische Quantensprung modernen Image-Managements beruht vor allem darin, die tiefer liegenden Strömungen des öffentlichen Wertklimas zu erfassen, um die Positionierung von Unternehmen bzw. die Codierung von Marken wirksamer auf das neue Mentalitätsprofil der Öffentlichkeit und Kunden zu beziehen. An der Schnittstelle zwischen Organisation und Öffentlichkeit liegt der Schlüssel zum Verständnis dessen verborgen, was modernes Image-Management programmatisch meint und worin die Wertschöpfungsquellen von Image ruhen (Buß/Fink-Heuberger 2000: 103 ff.).
232
Abbildung 1:
Eugen Buß
Vom Produkt- zum Reputationswettbewerb
Die Beobachtungssensibilität der Öffentlichkeit gegenüber Wirtschaft und Politik ist deutlich gestiegen. Gleichzeitig ist die Toleranzschwelle gegenüber Wertübertretungen spürbar gesunken. Die neuen Wertströmungen bilden heute ein Risiko für Unternehmer. Die Kommunikation vieler Unternehmen mit der Öffentlichkeit ist nämlich fast schon zum Selbstgespräch verkümmert. Schlüsselwerte wie Sicherheit, Gesundheit, Umwelt, Arbeitsplätze, Bindungsverlust durch Mobilität, Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben etc.: Lauter Themen, die eng mit der Rolle der Unternehmen in der modernen Gesellschaft zusammenhängen, werden oft ignoriert (Buß 1999: 158 ff.). Entsprechend sehen sich die Unternehmen mit einer Reihe neuartiger Ansprüche konfrontiert: Wie können sie mit den veränderten Wertansprüchen der Öffentlichkeit und der Mitarbeiter umgehen? Wie können sie ihre oft praktizierte „kommunikative Selbstgenügsamkeit“ durchbrechen? Wie können sie die natürlichen Wert- und damit Verständigungsschwellen gegenüber der Öffentlichkeit überwinden? Die Antwort heißt Image- und Reputationsmanagement. Arbeit am Image heißt, um öffentliches Ansehen zu ringen und damit Bindungspotentiale zu Mitarbeitern, Kunden und Öffentlichkeit zu generieren. Die sich abzeichnende Wertsensibilisierung der Öffentlichkeit nötigt die Unternehmen stärker als früher, den Wertkodex der Gesellschaft in ihre Dispositionen einzubeziehen.
Image und Reputation
4.
233
Die Bedeutung des Imagekapitals
Unternehmen werden in modernen Dienstleistungsgesellschaften nicht nur als rein wirtschaftliche oder technische Systeme betrachtet, sondern vor allem als soziale Organisationen. Sie haben die Aufgabe, neben einer Dienst- oder Sachleistung auch Akzeptanz und Ansehen zu produzieren. Erst beides zusammengenommen (Produkte und Akzeptanz) macht den wirtschaftlichen Erfolg einer Organisation aus. Führt man sich nämlich vor Augen, wie Unternehmenswert und Umsatzrendite beispielsweise durch a) Opportunitätskosten (verschenkte Reputationschancen), b) Transaktionskosten (z.B. Aufwendungen für Krisenkommunikation) und c) Interaktionskosten (verschenkte Kunden- und Vertrauensbindungen) nachhaltig beeinflusst werden können, wird deutlich, dass Image für die Entwicklung der Wertschöpfung eines Unternehmens ebenso wichtig sein kann wie ökonomische Erfolgszahlen: Je nach Studie hängen zwischen 15 und 50 Prozent der Marktkapitalisierung eines Unternehmens von seinem Ansehen in der Öffentlichkeit ab. Interessant ist, dass der Imagewert immer nur im Krisenfalle Aufmerksamkeit erweckt. Im Verlust bemerkt man den Wert. Imageverlust ist Gesichtsverlust, Vertrauensverlust, Reputationsverlust, Verlust an Nachfrage und im Grenzfall Beschädigung der Existenz. Daher ist eines klar: Das Marken- bzw. Unternehmensimage bestimmt Firmenwert und Wachstumsperspektiven mehr als jede andere Vermögensposition im Jahresabschluss. Imagekapital ist nicht minder wichtig als das Stammkapital. Nicht der Bilanzwert, sondern der Ansehenswert ist entscheidend. Würde morgen beispielsweise BMW abbrennen, alle Fabriken, alle Büros, und nichts bliebe übrig als nur die Marke, dieses schimmernde Abstraktum – dann könnte der BMW-Chef die Markenrechte noch während der Löscharbeiten als Sicherheit für einen 30 Milliarden Euro-Kredit hinterlegen. Der Imagewert der Marke von BMW, der Wert des öffentlichen Ansehenskapitals, beträgt deutlich über 30 Milliarden Euro. Öffentliche Akzeptanz ist demnach nicht ein beiläufiges „Etwas“, sondern geht konstitutiv in die Wertschöpfung eines Unternehmens ein. Image im Sinne öffentlicher Akzeptanz ist ein wirtschaftliches Gut. Es fungiert quasi als eine Art Akquisitionswährung. Akquisition im Sinne von Kundenbindung, Mitarbeiterbindung und Öffentlichkeitsbindung. Und ein guter Ruf kann noch mehr: Er entscheidet über Lieferantenkredite; er ermöglicht höhere Produktpreise, er erhöht die Bonität. Image erleichtert die Zugänge zu Absatzmärkten, Lieferantenmärkten und Kapitalmärkten. Und schließlich ist der gute Ruf unerlässlich, um auch außerhalb des Heimatmarktes mit seinen Produkten Akzeptanz bei den Kunden zu finden, um die richtigen Partner für eine Kooperation zu gewinnen, um Übernahmen auch im Ausland über die Bühne zu bringen oder um institutionelle Investoren für die eigene Aktie zu gewinnen (vgl. Abbildung 2).
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Eugen Buß
Direkte Werttreiber von Image Image x x x x x x x x x x
erhöht die Markteintrittsbarriere für neue Wettbewerber; befreit von der Verpflichtung, jedem kurzfristigen Trend zu folgen; erhöht die Kreditwürdigkeit und Bonität; ermöglicht, die Preis-Leistungsschere zu spreizen; erweitert die wirtschaftlichen und unternehmerischen Handlungsspielräume; reduziert Marketingkosten und Vertriebsaufwendungen; reduziert Einkaufs- und Supportkosten; reduziert Kundenbindungs- und Kundengewinnungskosten; erhöht die eigenen Human Resources; erhöht Kooperationschancen.
Indirekte Werttreiber von Image Image x x x x x x x x x x x x x x x
bringt Relevanzstrukturen in den anonymen Waren- und Informationsmarkt; signalisiert Reputationsunterschiede zwischen den Unternehmen/Organisationen; schafft eine trennscharfe Abgrenzung gegenüber dem Wettbewerb; beschleunigt Entscheidungsprozesse von Konsumenten; schaltet verfügbare Optionen aus; entlastet den Verbraucher von aufwendigen Produktvergleichen und Produktanalysen; schafft Vertrauensbindungen zur Öffentlichkeit, Mitarbeitern und Kunden; ist Medium von Loyalitäten; erleichtert Verständigungs- und Akzeptanzprozesse in der Öffentlichkeit; bietet Identifikationsangebote und erkennbare „Persönlichkeiten“; bietet der Öffentlichkeit eine Selektionshilfe bzw. einen Filter für eingehende Informationen; verhindert Mehrdeutigkeit; reduziert eine komplizierte Sachlogik auf eine einfache Bildlogik; reduziert Ungewissheit, Unsicherheit, Ambiguität und – dies scheint das Wichtigste –; erzeugt Sinn.
Abbildung 2:
Werttreiber von Image
Image kann verstanden werden als besondere Form einer unternehmerischer Ressource. Ihr Nutzen ist auf Unternehmens- wie auf Kundenseite: Das Image entlastet das Unternehmen von direkten Vertriebsaufwendungen wie personalintensiver Fachberatung, Kosten-NutzenAnalysen, Wettbewerbsvergleichen und vor allem Preiszugeständnissen. Es eröffnet neue Handlungsspielräume für Innovationen und immunisiert gegen verschiedene Umweltereignisse. Umgekehrt wird der Kunde enthoben von zeitaufwendigen Produktvergleichen, vom Problem, Vertrauen gewinnen und anschließend kontrollieren zu müssen. Diese Form der Entlastung ist der moderne Mensch gerne bereit zu honorieren. Mit Image sind also gegenseitige Loyalitäten verbunden, die wie Markteintrittsbarrieren für Konkurrenten wirken.
Image und Reputation
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Oder anders ausgedrückt: Je weniger Imageleistungen ein Unternehmen anbietet, umso höher sind im Gegenzug die Betriebsaufwendungen für denselben Unternehmenserfolg. Neben den direkten Wertschöpfungsfaktoren bietet Image auch indirekte Werttreiber für das Management. Es sind seine Ordnungs- und Orientierungsleistungen (vgl. Abbildung 2). Die jüngsten Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft haben eine wichtige Konsequenz: Angesichts der Flut von Marken, der zunehmenden Informationskomplexität, der Austauschbarkeit der Produkte, dem wachsenden Misstrauen gegenüber Experten und Leistungsversprechungen nimmt die Suche nach Orientierung bietenden Leitbildern deutlich zu. Heute kennzeichnet eine prinzipielle Unsicherheit die Entscheidungen der Öffentlichkeit: Die Grenze zwischen Richtigem und Falschem, Vertrautem und Neuem, die früher klar markiert schien, ist gefallen. Angesichts dieser Situation wird der moderne Mensch unsicher. Er steht unter einem selbsterzeugten Legitimationsdruck seiner Entscheidung: Hat er das „richtige“ Produkt erworben, hat er die „richtigen“ Entscheidungen getroffen, alle Alternativen berücksichtigt? Hat er alle verfügbaren Informationen bei der Bewertung des Unternehmens berücksichtigt? Passt das Markenbild zu seinem Lebensstil, zu seinem Status? Die Unsicherheit des modernen Menschen hat grundsätzliche Züge. Die Vielfalt der Angebote nötigt ihn, sich immer wieder von vertrauten Orientierungen und früheren Entscheidungen zu distanzieren. Stabile Dienstleistungs- und Produktbindungen lösen sich auf in Ja-Nein-Optionen. Die Folge: Mit der Auflösung vorgefundener Interpretationsordnungen der modernen Lebenswelt wächst der Bedarf an „richtiger Orientierung“. Die Öffentlichkeit sucht nach Ruhepolen im Bilder- und Informationsrauschen der modernen Kommunikationsflut. Einen solchen Ruhepol bildet Image – Image verstanden als Vertrauensbindung an eine Organisation. Vertrauensbindungen bieten Entscheidungssicherheit. Der Verbraucher ist entlastet, sich mit der Komplexität der Angebote überhaupt befassen zu müssen. Er nimmt nur noch unsystematisch und unregelmäßig Information entgegen. Die über das Image erzeugte Vertrauensbindung ersetzt die Dauerauseinandersetzung mit zahlreichen komplexen Einzelinformationen und Konkurrenzprodukten. Was gesucht wird, sind also nicht primär Sachinformationen zur Orientierung, sondern eher atmosphärische Signale, ob Vertrauen gerechtfertigt ist oder nicht; atmosphärische Signale, die Vertrautheit, Kontinuität und Verlässlichkeit symbolisch untermauern. Imagebilder bringen nicht nur den vom Einzelnen geforderten Grenznutzen; um sie herum sind über die Jahre Erlebniswelten entstanden. Diese Erlebniswelten können, solange sie einen glaubwürdigen Bezug zum Hersteller und zu seinen Leistungen wahren, Bindungen stärker vertiefen, als es jeder Vergleich von Produkt- oder Programmdetails vermag. Hierin liegt die eigentliche Faszinationsenergie von Imagebildern. Imagebilder wirken wie eine Navigationsmetaphorik im Strom der Informationen. Sie bilden einen reichen Fundus an unmissverständlicher Deutungsressource, mit dem komplizierte Entscheidungssituationen sicher bewertet werden können. Image-Management ist die eigentliche strukturelle Antwort auf die mit der Informationsüberflutung verbundenen Wahrnehmungsprobleme der Öffentlichkeit. Der indirekte Werttreiber von Image heißt: Entscheidungsvereinfachung und Entscheidungsklarheit. Imageinvestitionen eines Unternehmens sind insoweit Investitionen zur Ausschal-
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Eugen Buß
tung verfügbarer Optionen. Ein klares Image schafft Unterscheidungen, schafft Differenzen, schafft Positionierungen im Markt und in der Öffentlichkeit. Es ermöglicht, sich mit den öffentlichen Adressaten in Form stillschweigenden Verstehens zu arrangieren. Image erzeugt also auf besondere Weise feste Bindungen zu einer eigenen Klientel – und das Interessante ist, dass eine vom Image gesteuerte Entscheidung Kunden und Öffentlichkeit mehr befriedigt als eine Entscheidung aufgrund kompletter Informationen.
Beispiel: Image und Kaufentscheidung Je mehr objektive Beurteilungskriterien fehlen, desto stärker wird Image zum entscheidenden Faktor für eine Kaufentscheidung. Aus einer Studie des Journal of Marketing Research, die bestimmte Entscheidungskriterien beim Kauf von 0 (wenig wichtig) bis 100 (sehr wichtig) einstufte, lag das Markenimage mit der Punktzahl von 94 im Vergleich aller Kriterien deutlich an der Spitze. Objektive Parameter wie Testvergleiche oder Befragungen von Experten spielten dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Dieses Verhalten ist keineswegs irrational, denn die Entscheidungen werden für den Menschen einfacher, wenn er sich auf Imagebilder verlassen kann. Image vermittelt Orientierungssicherheit in Situationen unvollständigen Wissens, wird zum Ersatzwissen für soziale Orientierung (Schulz 1991: 37). Damit stellt das Image ein wesentliches Beschleunigungselement in Entscheidungsprozessen dar, da es von komplexen Auswahlverfahren entlastet. Der Markt wird vereinfacht gesehen. Wo auf ein Reservoir klarer Imagebilder zurückgegriffen werden kann, lassen sich Menschen leichter mobilisieren.
Fazit: Unter den veränderten Informationsbedingungen moderner Märkte steigt die Bedeutung von Image als stabilisierende Navigationsmetaphorik. Es gibt Handlungs-, Orientierungs- und Entscheidungssicherheit. Die Öffentlichkeit kontrolliert nicht mehr die diversen Leistungs- bzw. Produktdetails, sondern nur noch ihr Vertrauen und langfristig auch die sachlichen Fakten. Die große wirtschaftliche Bedeutung eines historisch gewachsenen Unternehmens- oder Organisationsimages liegt darin, dass die Öffentlichkeit weniger die Leistungen als solche prüft, sondern vielmehr, ob die Fortsetzung ihres Vertrauens noch gerechtfertigt ist oder nicht. Mit anderen Worten: Stabile Beziehungen sind in besonderer Weise Ausdruck einer Reputation, die weniger durch faktische Leistungsstandards gekennzeichnet ist als vielmehr durch ein vom Organisationsimage geprägtes Vertrauensangebot.
Image und Reputation
5.
237
Die Wertdimensionen von Image und Reputation
Image-Management ist imstande, den Wert eines Unternehmens deutlich zu steigern (Bergler 1998): 1. Imagewert als Unternehmenswert Eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen belegt, dass zwischen dem Ruf eines Unternehmens und seiner betriebswirtschaftlichen Performance positive korrelative Zusammenhänge bestehen. Die Reputation übernimmt immer stärker die Rolle produktiven Kapitals. Im Sinne eines Unternehmenswertes begründen Imagebilder Wettbewerbsvorteile. Beispiele solcher Wettbewerbsvorteile gibt es genug. Die Liste der Weltmarken ist lang: angefangen von Coca-Cola über Marlboro, McDonald’s, Sony, Levi’s bis hin zu adidas. Hier geht es nicht mehr um Produkte, der Unternehmensname dient als ikonisiertes Synonym für einen erfolgreichen Wettbewerbsstatus. Die erste Studie, die sich mit dem betriebswirtschaftlichen Wert eines Unternehmensimages befasst, ist schon gut 25 Jahre alt. Mitte der 70iger Jahre beschäftigte sich eine vom US-Magazin „Time“ in Auftrag gegebene Untersuchung mit der Wirkung von Unternehmenskommunikation auf Aktienkurse. Das wichtigste Ergebnis dieser Studie war, dass immerhin etwa 40 Prozent des Aktienwertes von kommunikativen Faktoren (beispielsweise Unternehmensklima, Unternehmenskommunikation, Image) geprägt wird. Einer jüngeren Studie der Universität Harvard zufolge werden Kaufentscheidungen sogar zu 75 Prozent durch das Image und nur zu 62 Prozent durch den Preis oder andere Faktoren ausgelöst (Lohrmann 1995: 59, Klage 1995: 67 f.). Weitere Untersuchungen aus den Jahren 1986 und 1988 zeigen, dass Unternehmen mit einem sehr guten Ruf am Verkauf ihrer Produkte und Dienstleistungen sowohl bei der Absatzmenge als auch beim Preis klare Vorteile gegenüber Konkurrenten mit einem weniger guten Image haben (Klage 1995: 68). Im Jahre 1989 verglich Schmidt das Unternehmensimage und den Unternehmenserfolg von 50 Unternehmen. Das Ergebnis seiner Untersuchung bestätigt eine Korrelation zwischen Unternehmensimage und Unternehmenserfolg (Rüßmann 1989: 121 f.). 2. Imagewert als politischer Wert Erfolg schafft Reputation – und über sie lässt sich öffentliche Aufmerksamkeit erzielen. Unternehmen können über ihre Reputation für ihre Interessen schneller öffentliche Autorität bzw. leichter Publizität herstellen. Der prominente Ruf mobilisiert für eine Organisation Respekt von der Art, wie man ihn öffentlichen Autoritäten entgegenbringt. Darin liegt eine wichtige politische Funktion des Images. Die Reputation eines Unternehmens prägt die Attraktion seiner Leistungen; nicht nur im Markt, sondern auch in der politischen und gesellschaftlichen Arena der öffentlichen Diskussion.
238
Eugen Buß
3. Imagewert als Kontaktwert Image schließt die Informationslücke zwischen Öffentlichkeit und Organisation. Die Herstellung von Kontakten zu Stakeholdern wird wesentlich erleichtert. Auch kommt dem Image als Kontaktwert eine Art „Aufmerksamkeitsreserve“ zu; er entscheidet, ob Kommunikation überhaupt auf Resonanz stößt. 4. Imagewert als Nachfragewert Die Untersuchungen über Einflussfaktoren auf die individuellen beruflichen Entscheidungen für einen bestimmten Arbeitgeber zeigen die empirisch gut belegte hohe Nachfragewirkung eines attraktiven Images. 5. Imagewert als Motivationswert Die Leistungs- und Arbeitsmotivation der Mitarbeiter in einer Organisation wird hochgradig positiv beeinflusst, wenn es zu einer Identifikation mit dem Sockelimage der Organisation kommt. 6. Imagewert als Kommunikationswert Images attraktiver Organisationen sind per se von hohem Öffentlichkeitswert. Daraus ergibt sich, dass Interessen und Anliegen dieser Organisationen mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit von Medien und ihren Multiplikatoren aufgegriffen werden. 7. Imagewert als Sicherungswert Reputation bietet eine tragfähige Grundlage für eine langfristige Unternehmensexistenz durch Abbau von Marktrisiken und Sicherung der Marktstellung. Das Image ermöglicht es einem Unternehmen, dauerhafte und feste Beziehungen zu einem eigenen Kundenstamm zu entwickeln. Ein guter Ruf erzeugt eine Marktstellung, die gegenüber kurzfristigen Konkurrenzaktivitäten relativ immun ist. Je verlässlicher und höher die Reputation einer Organisation ist, umso mehr kann die kostspielige Dauerreaktion auf vorübergehende Konkurrenz- und Markttrends in den Hintergrund treten. In letzter Konsequenz zielt das Image auf geregelte Bindungen zwischen Unternehmen und Kunden, die – im besten Fall – durch ihre Exklusivität eine Art firmenspezifische Klientel zu schaffen vermögen. 8. Imagewert als Ordnungswert Jedes Image kann als eigener Mikrokosmos gedeutet werden. Er schafft Grenzen nach außen, differenziert, klassifiziert, grenzt ab, definiert Präferenzen bei der Wahl zwischen Handlungsalternativen und ordnet die Komplexität von Märkten und Informationen. Image fungiert als eine Art kultureller Erkennungscode. Öffentlichkeit, aber auch Kunden, Investoren, Medien, etc. fühlen sich wohler in ihrer Haut, wenn sie von der Annahme ausgehen, ein Unternehmensimage im Sinne eines Erkennungscodes sei in der Lage, ihnen eine klare Orientierung zu bieten. Und auch für das Unternehmen ist die Frage nach seinem kulturellen und produkttechnischen Selbstverständnis von weitreichender Bedeutung. Sie dient erstens der Selbstlokalisierung im
Image und Reputation
239
Markt und in der Öffentlichkeit. Und zweitens schafft der Mikrokosmos eines Imagerahmens neue Handlungsspielräume. Die Flexibilität wird durch Image nicht beeinträchtigt, sondern erst durch sie geschaffen. Je besser das Image einer Organisation, umso größer werden die unternehmerischen Handlungsspielräume. Fazit: Imageprozesse bilden ein hochentwickeltes vernetztes System unterschiedlicher Perspektiven, deren Wirkung als Wertschöpfungsquelle an zahlreiche Faktoren geknüpft ist. Fasst man Image als Werttreiber für das Management auf, empfiehlt es sich, auf ein mehrstufiges Wirkungsmodell zurückzugreifen (vgl. Abbildung 3). Wahrgenommene konkrete Imagemerkmale wirken auf erwartete Nutzenkomponenten (Image Values). Diese wiederum beeinflussen die Imagestärke einer Organisation, insbesondere sein Wertschöpfungspotential. Bei der dargestellten Wirkungsstruktur wird davon ausgegangen, dass sowohl Unternehmen wie auch Konsumenten und Öffentlichkeit gemeinsam wünschenswerte Ziele erreichen. Gelungenes Image bildet ein erfolgreiches Scharnier zwischen den Eigeninteressen eines Unternehmens und den Ansprüchen der Öffentlichkeit. Je prägnanter das Image in den Augen der Öffentlichkeit erscheint, und je wirksamer der Orientierungsnutzen wahrgenommen wird, desto stärker ist das Image und sein Wertschöpfungspotenzial.
Abbildung 3:
Wertschöpfungsfaktoren von Image
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6.
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Die Funktionen von Image als Werttreiber für Unternehmen
Jedes Unternehmen muss sich immer wieder der zentralen Funktionen des Images vergewissern, um die in ihr schlummernden Wertschöpfungspotentiale zu nutzen. Dazu gehören: 1. Image verpflichtet Image beeinflusst öffentliche Wertschätzungen gegenüber einer Organisation unmittelbar. Image ist handlungsrelevant in doppelter Weise: Wer Image hat, muss gemäß seines Images handeln; wer Image wahrnimmt, orientiert sich am Image. Image ist ein normatives System mit Verpflichtungscharakter. Image setzt Handlungs- und Stilregeln, Image verpflichtet. Der Grund ist einfach: Image ist für die Öffentlichkeit die Rechtfertigungsgrundlage, sich für oder gegen eine Organisation zu entscheiden. Es liefert unmittelbar Maßstäbe, auf die sich die Öffentlichkeit im Dialog mit einem Unternehmen beruft. Als die Deutsche Shell ihre Imagekampagne mit dem Leitthema: „Wir wollen uns ändern“ startete, hat sie zugleich Normen formuliert, an denen die Öffentlichkeit sie im Zusammenhang mit den Brent Spar-Ereignissen gemessen hat. Imagebilder binden. Sie binden unwiderruflich. Sie können nicht ohne weiteres bei Bedarf, und sei der Bedarf noch so sehr rechtlich, betriebswirtschaftlich oder technisch gerechtfertigt, zur Disposition gestellt werden. Imagebilder haben eine überragende Verantwortungs- und Verpflichtungskraft für das Management. Ein guter Ruf nötigt entsprechend alle Organisationsmitarbeiter, bestimmte Regeln zu achten und sich bestimmter Darstellungspraktiken zu bedienen, die dem gegebenen Organisationsimage entsprechen. Image beruht also auf einem doppelten Verpflichtungsverhältnis gegenüber der Öffentlichkeit: Verpflichtung einer Organisation nicht nur auf eine entsprechende Leistungsqualität, sondern auch auf die Werte und Kultur, die eine Organisation repräsentiert, d.h. auf eine Art von öffentlichem Wohlverhalten der Organisation. Insofern ist Image Ausdruck der anhaltenden Verpflichtung von Organisationen, diese doppelte Glaubwürdigkeit zu schaffen und zu bewahren. Wenn Vorstandsvorsitzende deutscher Konzerne beispielsweise im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion über die mögliche Verlegung von Produktionsstätten in das Ausland davon sprechen, ihre Unternehmen seien keine heimatlosen Unternehmen, ist dies vor allem ein Statement, das der Einhaltung bestimmter Ansehensnormen verpflichtet ist. Über die mit ihrem Ansehen verbundenen Wertnormen treten Unternehmen aus ihrer Anonymität auf die Bühne der Gesellschaft und gehen damit Verpflichtungen ein. Image erfordert ein hohes Maß an „commitment“. Es nötigt zur Einhaltung ganz bestimmter Normen, Regeln und Standards, die das Management und alle Mitarbeiter unmittelbar binden. Und genau in diesen Standards liegen die wesentlichen Reputationschancen, die
Image und Reputation
241
sich schließlich als Wertschöpfungsimpulse auch in den entsprechenden Vermögenspositionen niederschlagen. 2. Image integriert Image bindet allerdings nicht nur die Organisationen, sondern bildet auch für öffentliche Adressaten einen klaren Verpflichtungs- und Ordnungsrahmen. Anschauung und Lebensstil eines Menschen werden beispielsweise durch Markenimages symbolisch erkennbar. Der Einzelne repräsentiert mit der Marke nicht nur sich selbst, sondern ein Milieu, eine Gruppe, einen Status, dem er sich zugehörig fühlt. Das Image einer Marke avanciert zu einem sozialen Erkennungszeichen für ein Zugehörigkeitsgefühl. Es wird quasi zu einer sozialen Duftmarke für ein bestimmtes Gruppen-Selbstverständnis. Marken- oder Organisationsbilder fungieren als Chiffren der Zugehörigkeit. Sie machen Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten offenkundig und erleichtern es dem Einzelnen, seinen Platz im sozialen Raum zu definieren. Daher sind in jeder bekannten Marke bestimmte soziale Werte und Normen aufeinander bezogen. Die Wertideale „Pioniergeist“, „Wagnisfreude“, „Freiheit“, „Individualismus“, die die Marke Levi´s verkörpert, sind mit gewissen Verhaltensanforderungen an die Markenträger verbunden: z. B. Unkonventionalität, Einhaltung postmaterialistischer Normen, etc. Durch Imagesymbole entsteht ein soziales Geflecht, im besten Fall eine Art „Markengemeinschaft“ Gleichgesinnter und Gleichgestimmter. Markenbilder wirken dann im Sinne eines gemeinsamen kulturellen Codes, der einen bestimmten Verhaltens- oder Erscheinungsstil nahe legt. Über Markenimages wird das Selbstverständnis jedes Einzelnen auf subtile Weise symbolisch repräsentiert. Sie machen ein Stück Eigenidentität, ein gemeinsames Lebensgefühl oder auch ein gemeinsames Wertverständnis sichtbar. Vor allem junge Menschen vermögen sich ihrer eigenen privaten Wirklichkeit häufig erst dann zu vergewissern, wenn sie sich in Gestalt von Markensymbolen vorstellen. Auf diese Weise bildet das spezifische Image einer Marke eine Art symbolische Selbstergänzung. Der Träger einer bestimmten Markenkleidung signalisiert: Er will ernst genommen werden, er will dazugehören. Markensymbole bilden eine Navigationsmetaphorik eigener Art. In der Identifikationsstärke einer Marke und in ihrer Kraft, Zugehörigkeiten zu definieren, ruhen die tiefer liegenden Wertschöpfungschancen des Images. 3. Image verleiht Status Das durch ein Marken- oder Organisationsimage emblematisierte Individuum drückt immer auch einen Teil seines Selbstverständnisses aus, indem es diesen Teil seiner Identität von einer kollektiven Marken- oder Organisationspersönlichkeit entleiht. Dadurch fällt es dem Einzelnen leichter, seinen Status zu inszenieren. Markenimages sind ein wichtiger Teil des Selbstinszenierungsrituals von Menschen geworden. Sie bilden eine symbolische Kulisse, die entweder aus einem defizitären Selbstwertgefühl oder aus einem Abgrenzungs- oder Unterscheidungsbedürfnis des Einzelnen aufgebaut wird. Für viele Menschen bedeutet die Verfügbarkeit einer Marke immer auch Statussicherheit, da sie seine soziale Position deutlich macht.
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Durch Marken wird die soziale Position des Einzelnen auf symbolische Art und Weise „dinghaft“ gemacht. Marken sind die Eckpfeiler, an denen sich eine hierarchische Ordnung, Statusunterschiede oder ein Oben und ein Unten festmachen lassen. Insoweit stellt die Statusfunktion einer Marke einen symbolischen Ordnungsfaktor dar, der eng mit den Reputationsprozessen in einem Unternehmen korrespondiert. 4. Image mobilisiert Image mobilisiert. Fehlt gegenüber einer Organisation jedes Reaktionsinteresse, dann hat sie auch kein Image. Eine Organisation oder eine Marke muss aus sich heraus in der Lage sein, Reaktionstendenzen auszulösen. Entweder Image macht aufmerksam, provoziert Zustimmung und schafft Zugehörigkeit oder es grenzt aus, ruft Ablehnung hervor und schafft Distanz. Die Ereignis- und Mobilisierungschance eines Unternehmensnamens ist ein Wert sui generis. 5. Image akkulturiert Zurückliegende persönliche Erfahrungen lassen sich in der kulturgeschichtlichen Symbolik einer Marke bündeln. So erstaunlich es klingt, Marken helfen dem Einzelnen, sich seines biographischen Zusammenhangs zu vergewissern und ihn emotional anzureichern (z. B. die Ikea-Etappe). Der kulturelle Markenwert liegt im historisch gewachsenen Erfahrungs- und Erlebniskern von Menschen oder ganzen Generationen. Im Imagekern einer Marke kristallisieren sich sozusagen die als Sediment abgelagerten Etappenerfahrungen einer Generation. Sie allein haben schon eine wertschöpfende Funktion. Insbesondere globale Marken können als eine Art Kulturprinzip fungieren. Kulturen sind als historische Gebilde zwar einzigartig, doch auf der Ebene der Bilder gibt es Gemeinsamkeiten. Marken avancieren dann zu kulturübergreifenden Symbolen, wenn sie dem modernen Menschen erlauben, sich auf authentische Weise einer anderen Kultur zu nähern. Man denke etwa an die mit dem Begriff „Coca-Cola-Zivilisation“ bezeichneten Akkulturationsprozesse in unterentwickelten Gesellschaften. Hier geht es nicht mehr um die regionale Nützlichkeit eines Imagesymbols, sondern um das einem bestimmten Markensymbol zugrunde liegende Kulturbild einer offenen Gesellschaft. Insoweit vermögen globale Imagesymbole, den kulturellen Provinzialismus einer Gesellschaft zu überwinden oder zumindest zu einer Auseinandersetzung mit ihr zu bewegen. Das Image eines Unternehmens fungiert hier als eine Art kultureller Erkennungscode und begründet damit ein zeitüberdauerndes Wertschöpfungspotential. Fazit: Wer konkurrenzfähig bleiben und den Unternehmenswert steigern will, muss seinen Ruf stärken und die Wertschöpfungspotentiale der Imagefunktionen strategisch nutzen. Nach wie vor ist es allerdings die Regel, den Wert erfolgreicher Unternehmen anhand berechenbarer Indikatoren wie Produktionskosten, Marktanteilen, Umsatz, Gewinn vor Steuern oder anhand der in den USA üblichen p/e-ratio (price-earnings-ratio) zu ermitteln. Um eine erfolgreiche Unternehmensstrategie für den wachsenden Wettbewerb zu finden, ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig, der neben den ökonomischen Bilanzwerten auch den Ansehenswert
Image und Reputation
243
(Corporate Brand) berücksichtigt. Es ist daher an der Zeit umzudenken. Der künftige Erfolg ist in hohem Maße abhängig von der öffentlichen Positionierung eines Unternehmens. Imageund Reputationsmanagement, richtig eingesetzt, können für die Entwicklung der Wertschöpfung ebenso wichtig sein wie ökonomische Erfolgszahlen. Daraus lassen sich drei Konsequenzen ziehen: a) Erstens ist die Unternehmenskommunikation als Wertschöpfungsfaktor im Selbstverständnis der Unternehmensleitlinien zu verankern, b) zweitens ist zu überlegen, wie Reputation als planbare Größe in die Investitionsplanung einbezogen wird und entsprechend Standards zur Goodwill-Bilanzierung entwickelt werden, c) sowie drittens schließlich ist es erforderlich, alle öffentlichen Darstellungsschritte als Sprungbrett für Reputationschancen zu nutzen. Akzeptiert man Image als Wertschöpfungschance und als Wertschöpfungsrisiko, ist das Imagemanagement in die allgemeine Strategieplanung zu integrieren. Durch Verzahnung der unternehmensstrategischen Aufgaben wie Public Relations, Mitarbeiterkommunikation, Marketing, Markenmanagement, Werbung, Vertrieb etc. lassen sich Image und Reputation als Teil eines umfassenden Wertschöpfungsprozesses anwenden.
Literatur
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Organisationskultur und Verhaltensstile von Unternehmen
245
Organisationskultur und Verhaltensstile von Unternehmen: Einflussgrößen für die Kommunikationsstrategie Klaus-Peter Konerding/Helmut Ebert
Der vorliegende Beitrag legt dar, dass man Fragen der Imagebildung (Image-Management) mit Fragen des Verhaltens einer Organisation und ihrer Mitglieder in einen Zusammenhang stellen muss. Die kommunikativ erzeugten Vorstellungen müssen durch die interaktiv erlebten Eindrücke bestätigt werden, um produktiv werden zu können. Imagebildung beginnt mit der Selbstvergewisserung, d. h. mit der Bestimmung der eigenen Identität. Diese Identität wiederum ist nicht allein Sache eines Strategiepapiers oder des Designs, sondern erfasst alle Dimensionen der Unternehmenswirklichkeit. Die Kernidentität eines jeden Unternehmens findet in seinen Produkten, Dienstleistungen, seinen Selbstdarstellungen, in seinen sprachlichen und nichtsprachlichen Handlungen ihren Ausdruck. Eine prägnante Wahrnehmbarkeit dieser Identität, das Fundament für einen guten Ruf und ein entsprechendes Image, ist dann zu erreichen, wenn Organisationen ihr Selbstverständnis ethisch verankern und durch Gestaltung der Unternehmenskultur praktisch realisieren. Über die Abstimmung von Werten und Verhalten, von kommunizierten Inhalten und erfahrbaren Interaktionsformen ist dann diejenige Identität kultivierbar, die in der jeweiligen Wettbewerbssituation und vor dem Hintergrund der eigenen Tradition zum Aufbau und Erhalt einer nachhaltig erfolgreichen Position am Markt führt.
1.
Einleitung
Im verschärften Wettbewerb stehende Unternehmen, Marken oder Produkte sind darauf angewiesen, sich individuell zu positionieren. Ist eine derartige Positionierung erfolgreich, wird sich in der Regel bei den Bezugsgruppen eine Marken-, Produkt- und UnternehmenspräM. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_12, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Klaus-Peter Konerding/Helmut Ebert
ferenz entwickeln, die den Bestand am Markt, Gewinnmaximierung und Umsatzsteigerung sichert. Die jeweilige Präferenz ist über ein entsprechendes positives Unternehmens-, Produkt- oder Marken-Image vermittelt und an ein solches gebunden. Unter Image versteht die Sozialpsychologie die mehr oder weniger bewusste Gesamtheit aller Einstellungen, Kenntnisse, Eindrücke, Erfahrungen, Bewertungen, Gefühle etc., die mit einem bestimmten Meinungsgegenstand, d.h. hier mit dem Unternehmen, einem Produkt bzw. einer Marke, bei einer Bezugsgruppe assoziativ verbunden sind. Ein wünschenswertes Marken- oder Unternehmensimage zielt letztlich auf eine geregelte Bindung und vertrauensbegründete Beziehung zwischen dem Unternehmen und seinen Bezugsgruppen, es bestimmt die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber und Kooperationspartner, die Attraktivität seiner Produkte und Dienstleistungen am Markt sowie seine Reputation in Kapitalmärkten. Ein Image, das auf wechselseitiges Verstehen und Verständnis gegründet ist, die gesellschaftlichen Werte der jeweiligen Rahmenkultur respektiert und zugleich dokumentiert, dass diese Werte zur Orientierung des eigenen unternehmerischen Verhaltens dienen, ist die Grundlage für Präferenzbildung, Vertrauen und langfristige Kooperationsbereitschaft auf Seiten der vielfältigen Bezugsgruppen, auch und gerade dann, wenn eher unpopuläre Maßnahmen erforderlich werden sollten. Es sei allerdings zugestanden, dass in den letzten zehn Jahren die Werte des globalen Marktes und die Werte lokaler Kulturen in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander standen. Das ist auch derzeit noch der Fall. Gerade dieser Sachverhalt fordert verstärkte, auf das Ziel von Verstehen und Verständigung orientierte kommunikative Bemühungen auf allen Seiten sowie die generelle Bereitschaft, Dialoge mit unterschiedlichsten Bezugsgruppen aufeinander zu beziehen und in einen kohärenten Zusammenhang mit den jeweiligen unternehmerischen Zielen und dem allgemeinen unternehmerischen Verhalten zu stellen. Unternehmenskommunikation zielt letztlich auf die langfristige Meinungs- und Einstellungsgestaltung bei den jeweiligen Bezugsgruppen, auf die Änderung, Verstärkung, Festigung und Pflege der zugehörigen Vorstellungsbilder (Images). Die kommunikative Vermittlung eines entsprechenden Images hat allerdings nur dann Erfolg, wenn die kommunizierten Inhalte und darüber erzeugten Erwartungshaltungen bei den Bezugsgruppen durch die Fakten der Unternehmenswirklichkeit und ein zugehöriges unternehmerisches Handeln bestätigt werden. Das heißt aber, dass das kommunizierte Image (das intendierte Selbstbild) und der aus der Interaktion resultierende Eindruck übereinstimmen müssen. Entsprechend ist die kontinuierliche und konsequente Abstimmung der faktischen Verhaltensformen eines Unternehmens auf das angestrebte und kommunizierte Unternehmensimage gefordert. Damit einher geht die Chance einer fortgesetzten Prüfung von idealen Vorstellungen (Soll-Zustand) und faktischen Eindrücken (gemessener Ist-Zustand) mit dem Zweck der nachhaltigen Pflege eines angestrebten Verhaltens- und Erscheinungsbildes des Unternehmens bei den jeweiligen Interaktionspartnern und Zielgruppen. Das grundlegende Modell der Unternehmensgestaltung, das diesen Erkenntnissen Rechnung trägt, ist das Modell einer integrierten, ganzheitlich gestalteten Unternehmensrealität, vorzugsweise ausbuchstabiert im Konzept der Corporate Identity. Der Kerngedanke des Konzepts der Corporate Identity besteht gerade darin, ein weitgehend kohärentes und
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widerspruchfreies System aus unternehmerischem Verhalten und kommunizierten Inhalten zu schaffen, so dass gegenüber den Bezugsgruppen eine einheitlich wahrnehmbare sowie vertrauenswürdige Darstellung des Unternehmens als Ganzes resultiert. Wesentlicher Schritt der Etablierung einer Corporate Identity als dem Soll-Zustand der Unternehmensgestaltung ist die Harmonisierung zwischen unternehmerischen Verhaltensmustern und -formen – letztere machen wesentlich die Unternehmenskultur aus – und dem angestrebten wertbasierten Image, das bei den Bezugsgruppen geschaffen werden soll und das letztlich die langfristige Bindung derselben an das Unternehmen ermöglicht. Der Schlüssel zu dieser Harmonisierung liegt in der sogenannten Corporate-Value-Identity. Die Corporate-Value-Identity hat die Aufgabe, Wertprioritäten im gesamten Unternehmen so zu verankern, dass sich eine unternehmensspezifische Werthaltung im Denken und Handeln aller Unternehmensmitglieder niederschlägt und damit die Unternehmenskultur wesentlich prägt. Ein System von Leitmaximen, formuliert im Rahmen eines Leitbildes, fixiert die betreffenden ethischen Grundhaltungen und Zielsetzungen und erfüllt als Verhaltens- und Wertekodex eine Orientierungs-, Profilierungs- und Harmonisierungsfunktion. Ausführungen zu Zwecksetzungen, Werten und Zielen des Unternehmens bieten dem Einzelnen Kriterien zur Handlungswahl und zur Form der jeweiligen Handlungsrealisierung. Die daraus resultierende Orientierungserleichterung trägt zu einer Integrations- und Kooperationsbereitschaft und damit zu einem homogenen Interaktions- und Verhaltensstil aller Unternehmensmitglieder nachhaltig bei. Es sei hier darauf hingewiesen, dass entsprechende Interaktionen nahezu ausschließlich in kommunikativen Handlungen realisiert werden. Im Folgenden sollen daher die Einflussgrößen für eine erfolgreiche Kommunikationsstrategie etwas genauer betrachtet und ihr Zusammenspiel an Beispielen illustriert werden.
2.
Unternehmenskulturen und Verhaltensstile
Wir orientieren unser Verständnis von „Unternehmenskultur“ an den Ausführungen von Alvesson/Berg (1992: 78). Sie verstehen unter „Kultur“ die Gesamtheit von Artefakten, kollektiven Deutungs- und Orientierungsstrukturen sowie Verhaltens- bzw. Handlungsmustern, die in einer sozialen Formation von regelhaft interagierenden Individuen, hier in einer Organisation oder in einem Unternehmen, bestimmt werden kann.
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Definition: Organisationskultur / Unternehmenskultur Die Organisations- bzw. Unternehmenskultur umfasst die Gesamtheit der spezifischen symbolischen und funktionalen Artefakte, der kollektiven mentalen Deutungs- und Orientierungsstrukturen sowie der spezifischen Verhaltens- und Handlungsmuster in einer Organisation bzw. in einem Unternehmen.
Die entsprechenden Artefakte, Strukturen und Muster manifestieren sich in verschiedenen Formen (vgl. Abbildung 1): Physikalische Artefakte etwa in Gebäuden, deren architektonischen Stilen, in der Größe und in der Art der Ausstattung der Geschäfts- und Arbeitsräume; visuell-symbolische Artefakte manifestieren sich z. B. in Logos, Farben und Markenzeichen. Deutungs- und Orientierungsstrukturen sind primär anhand exemplarischer sprachlicher Produkte verfügbar: Mythen und Geschichten, Unternehmens- und Organisationsphilosophien dienen als Medien der Selbstbeschreibung, der Wertekodifikation, der Ziel- und Normenfixierung sowie der Fixierung von Leitbildern und von Handlungs- und Verhaltensmaximen. Kollektive Verhaltens- und Handlungsmuster manifestieren sich in spezifischen Interaktionsformen.
Corporate Culture Artefakte
Kollektive mentale Deutungs-und Orientierungsstrukturen („mental frameworks“)
Kollektive Verhaltensund Handlungsmuster („action patterns“)
Manifestationen: Physikalisch-funktionale Artefakte: Gebäude-Architektur, Inneneinrichtungen, Größe der Büros u. a.
Sagen: Legenden u.a.
Symbolische Artefakte: Logos, Marken u. a.
„Philosophien“: Leitbild, Vision, Mission, Sinnformel u. a.
Abbildung 1:
Mythen: Stories u.a.
Spezifische Interaktionsformen und deren Ausprägungen: speziell: Riten, Rituale, Zeremonien u. a.
Ausprägungen der Unternehmenskultur
Wesentlich für die vorliegende Thematik ist speziell der Zusammenhang zwischen den kollektiven Deutungs- und Orientierungsstrukturen und den Verhaltens- und Handlungsmustern. In der Regel sind Wertvorstellungen, Orientierungsstrukturen und Verhaltensmuster in Organisationen und Unternehmen historisch gewachsen und eher implizit und unzureichend reflektiert verfügbar und kaum oder gar nicht auf eine strategische Positionierung des Unternehmens bezogen (Bromann/Piwinger 1992). Wirkungsweisen und Symbolgehalt der
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Interaktionen bleiben dem Zufall überlassen, da bewusst reflektierte, homogenisierte und zielbezogen optimierte Strukturen und Muster fehlen. Jede Organisation benötigt Ordnung, um zu funktionieren, und kreativen Freiraum, um sich veränderten Umwelten anzupassen. Gewachsene Organisationskulturen, die keine Fähigkeit zur Selbstbeobachtung und Selbstkultivierung entwickelt haben, stellen gewöhnlich das Streben nach Ordnung über das Streben nach Innovation. Daher finden Neuausrichtungen von Unternehmen ihre Grenzen in den Einstellungen der Mitarbeiter, nicht in Märkten oder Strategien. Die Einstellung „Das haben wir schon immer so gemacht“ ist stilprägend für eine Unternehmenskultur der Inflexibilität und des Beharrens. Man kann eine solche Kultur nicht konstruktiv verändern, solange die „Funktionsweise des sozialen Wesens ‚Mensch’“ (Echter 2003: 7) eklatant vernachlässigt wird. Sind andererseits entsprechende Orientierungsstrukturen anhand von reflektierten und explizit formulierten Leitmaximen verfügbar, etwa im Rahmen einer sprachlich fixierten Unternehmensphilosophie, welche insbesondere die angestrebte Unternehmensidentität und damit das zu vermittelnde Image präzise umreißt, so können Verhaltensformen, Handlungsmuster und praktische Handlungsvollzüge von Führungskräften und Mitarbeitern auf diese Strukturen und auf das erwünschte Image abgestimmt werden. Die Leitmaximen sind dabei nach aktuellen Werten und Normen bemessen, die durch die Rahmenkulturen der jeweiligen Bezugsgruppen bestimmt sind.1
3.
Die strategische Funktion der Unternehmenskommunikation
Die Aufgabe, ein Unternehmen mit Blick auf seine Identität im Markt zu positionieren, ist aus unserer Sicht die zentrale strategische Funktion von Unternehmenskommunikation. Hier werden die Inhalte und Verhaltensmuster von Kommunikationen und Interaktionen auf die unternehmenskulturellen Orientierungsmuster bezogen und abgestimmt. Auf diese Weise bleibt die kommunikativ dargestellte Identität kein leeres Versprechen, sondern wird in der alltäglichen Praxis für Bezugsgruppen direkt erfahrbar. Die Art und Weise, wie ein Unternehmen seine Identität medial vermittelt, nennen wir Darstellungsstil. Da es hier darum geht, Inhalte zu kommunizieren und Vorstellungen zu wecken, gehört die Kultivierung eines spezifischen Darstellungsstiles zum Image-Management. Die 1
Hierzu gehören auch die Erwartungen, welche bestimmte Zielgruppen an das Verhalten von Personen in bestimmten Rollen haben, beispielsweise die Erwartungen, die Aktionäre im Normalfall bezüglich des Verhaltens von Aufsichtsratsmitgliedern auf Hauptversammlungen haben.
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Art und Weise, wie ein Unternehmen seine Identität interaktiv vermittelt, bezeichnen wir hingegen als Interaktionsstil. Interaktionen erzeugen Eindrücke. Die Kultivierung eines spezifischen Interaktionsstiles gehört für uns daher zum Impression Management, d. h., es geht darum, dass Individuen und Gruppen in sozialen Interaktionen den Eindruck beeinflussen und steuern, den sie auf andere Personen und Gruppen machen (Mummendey 1995: 111). Wichtig ist, dass eine angemessene Einschätzung der Zielgruppen in die Gestaltung des Darstellungs- und Interaktionsstils einfließt, denn sehr oft existieren große Unterschiede zwischen der Art und Weise, wie ein Unternehmen sein eigenes Verhalten wahrnimmt und bewertet, und der Art und Weise, wie Kooperationspartner und Kunden dieses Verhalten wahrnehmen und empfinden.
Beispiel: Darstellungsstil International und konsequent im Vorgehen erweist sich die Strategie von Sony. Selbstbewusst im Auftritt und identitätssicher in der Formel „It’s a Sony“ hat Sony es sogar geschafft, solch prägende Produktbezeichnungen zu etablieren wie „Walkman“ und „Discman“ (Förster 1994: 22). Swatch hat es geschafft, durch Designvielfalt Lebensstile und Empfindungswelten einzufangen. Das Swatch-Design bestimmt den Sprachstil, der die Unternehmensidentität ganz entscheidend mitprägt: „Die Texte lesen sich, wie die Uhren aussehen, individuell, spritzig – eine semantische Visualisierung des Produktdesigns.“ (Förster 1994: 21)
Beispiel: Interaktionsstil Förster (1994: 19 f.) berichtet über eine Bank, die sich folgenden Leitsatz für die Kommunikation gab: „Wir wollen den Dialog als Prinzip und Einstellung zu einem Kennzeichen unserer Unternehmenskultur machen.“ Das Führungskonzept dieser Bank wies darauf hin, dass Führungshandeln Kommunikation bedeute, und stellte drei Aspekte in den Vordergrund: den verantwortungsvollen Umgang miteinander, das Erreichen eines gemeinsamen Verständnisses als Ziel und die gegenseitige Achtung und Anerkennung als Voraussetzung für Kommunikation. Dabei gilt: An der so definierten Kommunikationskultur (Soll-Zustand) haben sich die Interaktionsformen in organisatorischen Abläufen zu orientieren. Und umgekehrt: Indem Prozesse und Abläufe verändert werden, wird (allmählich) der kommunikationskulturelle Ist-Zustand in den Soll-Zustand überführt. Bei der Planung der Soll-Kultur muss die Ist-Kultur berücksichtigt werden, um offensichtliche Unverträglichkeiten und mögliche Fehlschläge zu vermeiden: „So wird man in einem autoritär geführten Unternehmen weder ein geeignetes Instrumentarium noch die entsprechende Bereitschaft der Beteiligten finden, um zum Beispiel eine dialogorientierte Kommunikationsmaßnahme durchzuführen.“ (Förster 1994: 20)
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Eine Möglichkeit, Interaktionsstile ganz allgemein zu klassifizieren, ergibt sich auf der Grundlage sozialpsychologischer Kategorien. So haben Lafferty und Cooke vorgeschlagen, Verhaltens- bzw. Interaktionsstile in drei grundlegende Gruppen einzuteilen.2 Danach können global konstruktive, passiv-defensive und aggressiv-defensive Verhaltensstile unterschieden werden (Cooke/Szumal 2000). Konstruktive Verhaltensstile sind vor allem durch Freundlichkeit, Offenheit, das Bemühen um wechselseitiges Verständnis und Verständlichkeit sowie die konstruktive Pflege interpersoneller Beziehungen geprägt. Der Mitarbeiter ist nicht bloßer Kostenfaktor oder eine beliebig verfügbare Ressource, sondern die entscheidende Substanz der Unternehmensvalididät, -vitalität und -entwicklung. Eine menschlich-motivierende Arbeitsatmosphäre sowie kooperativ-partizipative Strukturen kennzeichnen die Unternehmenskultur, ermöglichen überdurchschnittliche Leistungen ohne Reibungsverluste und garantieren so den langfristigen Unternehmenserfolg. In dem nachfolgenden Auszug aus einem Geschäftsbericht für die Stakeholder des international agierenden Konzerns Pfeiffer Vacuum AG wird dieses Moment, unter Hervorhebung der unternehmensspezifischen Wertrientierung, inhaltlich wie formal nachdrücklich dokumentiert.
Beispiel: Interaktionsstile im Geschäftsbericht „Von der Hektik, dem blinden Aktionismus und der weit verbreiteten Schwarzmalerei in der Wirtschaft haben wir uns jedoch auch nicht anstecken lassen und stattdessen unsere mittel- und langfristigen Ziele verfolgt: – ein engagierter, verlässlicher und fairer Partner unserer Kunden zu sein; – den Wert des Unternehmens für unsere Aktionäre zu steigern; – unseren Mitarbeitern möglichst sichere Arbeitsplätze zu bieten Dazu haben wir neue Produkte entwickelt, noch schneller mit noch besserer Qualität produziert, Materialkosten intelligent gesenkt und Bestände im Kerngeschäft reduziert, die Produktpalette bereinigt, die Vertriebsaktivitäten verstärkt, die Organisation gestrafft – um jeden Tag ein Stück besser zu werden. Natürlich hätten wir auch jeden Auftrag annehmen, die Preise drastisch senken, uns aus Zukunftsmärkten zurückziehen und Personal reduzieren können, um kurzfristig einen noch höheren Gewinn auszuweisen. Wir sind ein Hightech-Unternehmen, das weltweit von der Intelligenz, der Professionalität, dem Wissen, dem Einsatz und der Verlässlichkeit seiner Mitarbeiter lebt – und dazu ist eine solide Unternehmenskultur notwendig. Diese wächst langsam, ist aber durch falsche Signale an die Mitarbeiter schnell zerstört – und der Verlust der Unternehmenskultur ist der sicherste Weg, die Zukunft eines Unternehmens zu verspielen. Wir haben in diesen schwierigen Zeiten gemeinsam einen ordentlichen Gewinn erwirtschaftet, der uns in die Lage versetzt, [...] im fünften Jahr in Folge eine ansehnliche Dividende zu zahlen. Mit Hilfe dieses Ge2
Die Unternehmenskulturanalyse der beiden Verhaltensforscher J. Clayton Lafferty und Robert A.Cooke wird laufend verfeinert. Vgl. dazu das Factsheet „Organisationsentwicklung – Organizational Culture Inventory™“ unter www.glenfis.ch (Stichwort: Organisationskultur Assessment Glenfis OCI.pdf).
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Klaus-Peter Konerding/Helmut Ebert
winns haben wir die notwendigen Investitionen in Menschen, Märkte und Maschinen getätigt und waren in der Lage, alle erforderlichen Entscheidungen unabhängig und professionell zu treffen. [...] Es mag zwar etwas überholt klingen: Aber wir glauben an Ehrlichkeit, Offenheit und Führung durch Vorbild! Und dies gilt auf allen Ebenen und allen Kontinenten, wo wir tätig sind.“ (Pfeiffer Vacuum AG, Geschäftsbericht 2002)
Passiv-defensive Verhaltensstile vermeiden Konflikte um jeden Preis. Freundlichkeit wird primär vordergründig und zweckgebunden eingesetzt, um schnelle Zustimmung, Beschwichtigung und Akzeptanz zu erzielen. Ein aufrichtiges Bemühen um Verstehen und Verständlichkeit sowie um Offenheit im Umgang mit Kollegen und Mitarbeitern, die Bereitschaft zuzuhören und die Perspektive des Interaktionspartner einzunehmen, ein darauf gegründetes konstruktiv-kooperatives Problemlösungs- und Interaktionsverhalten sind selten zu finden. Passiv-defensive Verhaltensstile sind in der Regel in strikt hierarchischen Unternehmensstrukturen mit wenig interner Dynamik zu finden. Unzureichende Motivation, minimale Eigenaktivität und mangelnde Anpassungsbereitschaft von Mitarbeitern führen langfristig zu Einbußen bei der Glaubwürdigkeit und beim Vertrauen der Zielgruppen und nur zu unbefriedigenden Ergebnissen in der Unternehmensentwicklung. Dies macht fortgesetzte Korrekturen und einen damit einhergehenden „Aktionismus“ mit entsprechenden Risiken auf der Ebene der strategischen Unternehmensführung erforderlich. Aggressiv-defensive Verhaltensstile sind durch Ignoranz, Arroganz, individuelles Vorteilsdenken und den Mangel an echter Kooperationsbereitschaft gekennzeichnet. Der Interaktionspartner gilt prinzipiell entweder als Gegner, der zu bezwingen und zu unterwerfen ist, oder als willkommenes Mittel für die jeweils aktuellen Ziele und Zwecke. Kooperationen sind als vorübergehende strategische und taktische Allianzen im Kampf um den primär persönlichen Erfolg zu verstehen. Gegenseitiges Misstrauen und unzureichende Informationsverteilung, Unberechenbarkeit, mangelnde Verlässlichkeit, die Neigung zu Unaufrichtigkeit und Intrige sind die Folge. Das Wohl des Unternehmens gilt nicht als Selbstzweck, sondern als strategisches Mittel für den persönlichen Erfolg und Vorteil sowie den Ausbau und die Verteidigung von individueller Macht. Ineffektivität, Ressourcenverschwendung durch Reibungsverluste und suboptimale Unternehmensergebnisse sind die auffälligsten Konsequenzen. Entsprechend bewertete Erfahrungen und Eindrücke prägen ein zugehöriges Image bei den Zielgruppen, das wohl nur in den seltensten Fällen mit einem möglicherweise entsprechend intendierten und kommunizierten Selbstbild des Unternehmens kongruiert. Positionierungsgefährdende Brüche und Widersprüche im Gesamterscheinungsbild des Unternehmens sind eine unmittelbare Folge. Abbildung 2 zeigt die strategische Funktion von Unternehmenskommunikation in der Übersicht als Abstimmungsinstanz von Identität/Philosophie, Kultur und Habitus, d. h. der Bündelung beobachtbaren Verhaltens.
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253
Unternehmenskommunikation (Stabilisierungs-/Veränderungsstrategien)
Unternehmensphilosophie (= Formulierung der Identität)
Unternehmensidentität (CI) (= strategische Positionierung) Unternehmenskultur als Grundlage für
Verhalten Darstellungsstil z. B. Geschäftsberichte, Pressemitteilungen, Namen, Produktbeschreibungen, visuelles Erscheinungsbild) ImageManagement Vorstellungen der Zielgruppe(n)
Abbildung 2:
Interaktionsstil (z. B. Umgang mit Kunden, Aktionären und Geschäftspartnern) x Habitus w
x Erscheinungsbild w Image
ImpressionManagement Eindrücke der Zielgruppe(n)
Unternehmenskommunikation als strategische Instanz, um Identität, Kultur und Verhalten aufeinander abzustimmen
254
Klaus-Peter Konerding/Helmut Ebert
4.
Kulturelle Einflussfaktoren und Gelingensbedingungen für die strategische Positionierung im Rahmen der Unternehmenskommunikation
4.1
Einflussfaktoren
Die Unternehmenskultur ist ein wesentlicher Ansatzpunkt für Identitäts- und Markenbildungsprojekte (Branding), da sie zu den wichtigsten Einflussgrößen für den Gesamtauftritt des Unternehmens zählt. Sie beeinflusst ganz entscheidend Einstellungen und Verhalten bei den Mitarbeitern und den Zielgruppen (siehe auch Schmidt 2003: 57). Im Folgenden stellen wir – ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben – wesentliche unternehmenskulturelle Einflussfaktoren für die erfolgreiche Identitätsbildung und Imagevermittlung im Rahmen kommunikationsstrategischer Grundsatzentscheidungen vor: Der Ist-Zustand der gewachsenen und bestehenden unternehmenskulturellen Werte, Normen, soweit diese implizit in Verhaltenformen und explizit in Leitmaximen manifest sind. Bestehende und historisch gewachsene organisatorische Strukturen und Verfahrensweisen, soweit diese durch zugehörige Interaktionsmuster und -stile realisiert werden. Bestehende Normen und Werte der einbettenden Rahmenkultur des Unternehmens und ihre entwicklungsbedingte Dynamik (und kulturinterne Problematisierung: Issues) sowie die Dynamik zugehöriger Handlungsmuster und Verhaltensformen. Bestehende Normen und Werte der Rahmen(sub)kulturen jeweiliger Zielgruppen und ihrer entwicklungsbedingten Dynamik und Problematisierung im jeweiligen „interkulturellen“ Kontakt mit Teilen der Unternehmenskultur. Das bestehende, konstruktiv hinterfragte Selbstbild des Unternehmens, seine mehr oder weniger prägnant verfügbare Bestimmung bzw. Darstellung, zugehörige Mythen und Geschichten zur Legitimation der eigenen Tradition und Identität. Die derzeitigen und zukünftigen Unternehmensziele, Strategien und Methoden zur Erreichung der Ziele, beteiligte Interaktionsmuster und Verhaltensstile bei deren Realisierung. Die in der Unternehmensphilosophie festgeschriebenen, allgemein anerkannten und auf die strategische Positionierung ausgerichteten Identitätswerte (Soll-Zustand), explizit formulierte Leitbilder, Grundsätze, Visionen usw.
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Der Einfluss einzelner Personen auf unternehmenskulturelle Werte und Normen: Welche Personen im Unternehmen verkörpern und prägen welche Werte? Gefragt ist nach einem strategischen Konzept, das einen konstatierten – und in der Regel defizitären – Ist-Zustand der Unternehmenskultur und -identität in einen erwünschten SollZustand konsequent und nachhaltig überführt. Ein Rahmenkonzept, das die geforderte Transformation implementiert, bietet z.B. das zuvor skizzierte Strukturkonzept der Corporate Identity. Zu konkreten Verfahrensweisen, die implizit bleibende Orientierungsmuster sichtbar machen und zugehörige Veränderungsprozesse steuern und gestalten, vergleiche man z. B. das Kontroll-Modell nach Ebert und Konerding (2006).
4.2
Gelingensbedingungen
Damit die Vorstellungen, Eindrücke und Erfahrungen, die im Rahmen der unterschiedlichen Koordinations- und Kooperationsprozesse sowie in Selbstdarstellungen kommunikativ bzw. interaktiv vermittelt werden, zum Aufbau eines konsistenten Images führen, müssen verschiedene Bedingungen eingehalten werden. Die Eigenidentität und das damit verbundene Erscheinungsbild müssen bereichsübergreifend bekannt und in Geltung gebracht werden. Erst ein klar formuliertes und akzeptiertes Leitbild, präzise erfasste und zugewiesene Kompetenzen, darin verankerte genaue Zielsetzungen sowie die Entscheidung für eine deutliche Abgrenzung von Konkurrenten ermöglichen die Wahl und Erarbeitung eines kulturell akzeptablen sowie positiv gewerteten unternehmensspezifischen Darstellungs- und Interaktionsstils. Das Erscheinungsbild muss widerspruchsfrei und prägnant (klar) sein, damit vom Verhalten auf die unternehmenskulturellen Werte geschlossen werden kann. Dies ist dann am ehesten möglich, wenn die Eigenidentität in der Unternehmensphilosophie explizit definiert worden ist, also wenn ein Unternehmen seine eigenen Werte z. B. in Form eines Leitbildes, eines Mission Statements oder einer Unternehmensvision objektiviert hat und der gewählte Verhaltensstil in allen Interaktionsbereichen auf die Werte abgestimmt wurde. Das Erscheinungsbild muss konsistent sein. Das heißt, die proklamierte Wertidentität, das praktizierte Verhalten und die spezifischen Maßstäbe der Rahmenkultur, an denen das Verhalten gemessen wird, müssen zueinander passen. Es gibt folgende Arten von Inkonsistenzen, die den Aufbau eines konsistenten Images prinzipiell verhindern: (a) Performance gaps: Verkündet werden Innovation und Globalität, das Auftreten bleibt provinziell; (b) Credibility gaps: Kommunikativ erweckter Anspruch und das faktische Verhalten klaffen auseinander. Beispielsweise wird Kundennähe kommuniziert, aber nicht
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Klaus-Peter Konerding/Helmut Ebert
praktiziert; (c) Identity gaps: Nach außen wird Mitbestimmung propagiert, im Inneren dominieren alte Hierarchien (Buß/Fink-Heuberger 2000: 139).
Beispiel: Inkonsistenzen zwischen Werten und Verhalten In Imagefilmen präsentieren viele Firmen Männer und Frauen in einem ausgewogenen Verhältnis. Im Vorstand der allerwenigsten aber ist eine Frau vertreten. In der Hauptversammlung darauf angesprochen, beteuern Manager gemeinhin ihre Bereitschaft, den Aufstieg von Frauen in ihrem Unternehmen zu fördern. Bezeichnenderweise serviert zur gleichen Zeit dem nahezu ausschließlich männlich besetzten Podium weibliches Personal Erfrischungen (Biehl 2005).
Das Erscheinungsbild muss unverwechselbar, d. h. im Sinne der angestrebten Positionierung identifikativ und markant für das jeweilige Unternehmen sein, und es muss beständig sein, d. h., es sollte in allen genannten Dimensionen permanent gepflegt werden. In allen erfahrbaren Dimensionen der Unternehmenserscheinung, in der Selbstdarstellung wie in den vielfältigen Interaktionsbereichen, sollte ein möglichst hoher Grad an „Selbstähnlichkeit“ angestrebt werden. D. h., es gibt keine Äußerung, kein Verhalten, kein Medium, die bzw. das nicht auf die Kernidentität (Corporate Image) bezogen wäre und nicht die Kernidentität mittelbar widerspiegelte. Alle bereichsspezifischen Kommunikationsformen – von der Bedienungsanleitung bis zur Hauptversammlung – sollten mit dieser Identität verträglich sein, besser noch: auf diese assoziativ und habituell verweisen. (Inter-)Kulturelle Vermittlungskompetenz und die Fähigkeit zur Identitätsbalance (Buß/ Fink-Heuberger 2000: 79) ist gefordert. Ein Unternehmen muss in der Lage sein, mit erkennbar einer Stimme unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen und dabei trotzdem sensibel deren kulturelle Unterschiede im jeweiligen Darstellungs- und Interaktionsstil zu berücksichtigen. Gleichzeitig müssen die eigenen Identitätswerte mit den Wertansprüchen der Zielgruppen abgeglichen und aufeinander abgestimmt werden. Eine klare Vorstellung zu den Erwartungen, die sich jeweilige Zielgruppen zur Rolle des Unternehmens machen, ist erforderlich, um sich zugleich angemessen zu diesen Erwartungen und in Übereinstimmung mit den Werten verhalten zu können. Als grundlegende Einsicht gilt, dass nur derjenige respektiert wird, der die Werte, Gepflogenheiten, Interessen und Bedürfnisse anderer respektiert. Mögliche Widersprüche zwischen gruppenspezifischen Eindrücken sollten unbedingt vermieden werden. Die kommunikative Kompetenz eines Unternehmens muss auf drei Ebenen gesichert sein: (a) Auf dem Feld der Kommunikationskonventionen eines Unternehmens: Hier geht es um soziale Normen, Werte und um die Etikette. Durch die Kommunikationskonventionen ist festgelegt, in welchem Grad ein Unternehmen den Kommunikationsansprüchen der Öffentlichkeit bzw. der jeweiligen Zielgruppen entspricht. (b) Auf dem Feld der Informationsorganisation: Hier geht es um die Wahl der Darstellungsmittel (Textsorten, Medien) und darum, inwieweit ein Unternehmen den ästhetischen, konventionellen, visuellen,
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auditiven usw. Vorstellungen und Rezeptionsgewohnheiten der Öffentlichkeit entspricht. (c) Auf dem Feld von lokalen Gesprächssituationen: Hier geht es um das konkrete Kommunikationsverhalten, z. B. von Mitarbeitern im Verkaufs- oder Reklamationsgespräch. Ferner wird auf diesem Feld erschlossen, inwieweit den Zielgruppen überhaupt eine direkte und ernsthafte Kommunikation ermöglicht wird (vgl. Kallmeyer 1981).
5.
Anwendungsbeispiele
5.1
Darstellungsstil in der Pressekommunikation: Porsche
Ein prägnanter Darstellungsstil von Pressemitteilungen kann nicht kultiviert werden, wenn die Kontrolle dieses Stils mehr oder weniger der individuellen Willkür und den augenblicklichen Eingebungen der jeweiligen Verfasser überlassen bleibt. Ein individueller Stil ist authentischer und konsequenter Ausdruck einer praktizierten und reflektierten Unternehmenskultur. Erfolgreich ist ein Interaktions-/Kommunikationsstil nach dem bisher Ausgeführten nur dann zu gestalten, wenn er an die Unternehmensphilosophie rückgebunden wird. Die Philosophie definiert, wie ausgeführt, die Wertidentität einer Organisation, ist Grundlage der organisationskulturellen Ausprägung. Sie ist Basis für ein konsistentes und kohärentes Erscheinungsbild des Unternehmens und das entsprechende kommunikative Verhalten aller seiner Repräsentanten. Die Unternehmensphilosophie kontrolliert über ihre Leitmaximen, auf welche Weise relevante Aspekte eines Gegenstands, eines Sachverhalts oder eines Problems in Pressemitteilungen beleuchtet werden und welche Zielgruppen in welchen Interessen und Bedürfnissen auf welche Art wahrgenommen und angesprochen werden sollten. Ein klares Verständnis der Rolle des Unternehmens und ein deutliches Bekenntnis zu ihr liegen jeder Formulierung zu Grunde. Die Wortwahl und die weitere Darstellungsart werden in letzter Instanz durch die Zielwerte und die ethischen Maximen der Leitbilder bestimmt. In Erweiterung dieser Maßnahmen ist die Rückbindung von jeweiligen Pressemitteilungen an Themenbereiche angezeigt, in denen sich das Unternehmen langfristig in der Öffentlichkeit profilieren will: Themenführerschaft und Management von Issues mit großem öffentlichen Aufmerksamkeitswert bei korrespondierender öffentlicher Relevanz. Dass ein solches Issues Management (Wiedemann/Ries 2007) wiederum auf die Wert- und Verhaltensmaximen sowie die Zielsetzungen der Unternehmensphilosophie im Sinne von Unverwechselbarkeit und Selbstähnlichkeit abgestimmt sein sollte, versteht sich dabei von selbst. Die thematische
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Vernetzung des konkreten Gegenstands einer Pressemitteilung mit dem symbolisch repräsentierten Wertekanon einer Organisation stärkt zusätzlich die feste Assoziation zwischen Pressemitteilung und Unternehmensidentität im Medium des kommunikativen Form-InhaltKontinuums. Festigt sich die assoziative Verbindung zwischen kommunikativem Stil, Kultivierung von Goodwill/Vertrauen, thematischem Bereich und symbolisch kodifizierter Organisationsidentität, so entsteht schließlich ein abstrahierbarer einheitlicher Zusammenhang zwischen symbolischer Repräsentation und kommunikativem sowie nicht-kommunikativem Verhalten. Dies fundiert das angestrebte Organisationsimage in seinen symbolischen, sprachlichen und nichtsprachlichen Dimensionen. Es ist auf die zuvor skizzierte Weise in den kommunikativen Handlungen fundiert und wird durch diese und ihre jeweilige Form selbst gestaltet. Das nachfolgende Beispiel einer Pressemeldung der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG zeigt, wie Relevanzstrukturen der Adressaten vor dem Hintergrund der unternehmensspezifischen Werte erfolgreich berücksichtigt und thematisch eingebunden werden können. Das thematisierte Geschehen wird aus der Perspektive der Unternehmensphilosophie geschildert, bewertet und begründet. Wir präsentieren vor allem jene Ausschnitte, welche die Bezüge zur Unternehmensphilosophie besonders deutlich veranschaulichen. Ein erfolgreiches Issues Management wird insbesondere durch Thematisierung eines Verhaltens realisiert, welches soziale Exklusivität im Produktbereich mit dem Bekenntnis zu sozialer Verantwortung im Bereich des unternehmerischen Handelns im Sinne eines Corporate Citizenship (Scherer/Baumann 2007): verbindet und ausgleicht.
Beispiel: Pressemitteilung Porsche Richtfest für das künftige Kundenzentrum neben dem neuen Cayenne Werk – Porsche investiert in Leipzig rund 250 Millionen Mark Stuttgart/Leipzig. Die Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG, Stuttgart, wird mit der Markteinführung ihres sportlichen Geländewagens Cayenne in der zweiten Jahreshälfte 2002 am neuen Produktionsstandort Leipzig eine Gesamtsumme von rund 250 Millionen Mark investiert haben. […] Im Beisein des sächsischen Ministerpräsidenten Professor Kurt Biedenkopf, des Leipziger Oberbürgermeisters Wolfgang Tiefensee und rund 700 Gästen – darunter sämtliche Bauarbeiter und die Mitarbeiter der Porsche Leipzig GmbH – setzten heute die am Bau beteiligten Zimmerer den Richtkranz auf das Dach des Kundenzentrums. […] Seine spontane Umarmung durch den Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee beim ersten Spatenstich für das benachbarte Montagewerk im Februar 2000 interpretierte Wiedeking rückblickend als eine vorweg genommene symbolische Geste: „Leipzig hat Porsche in jeder Hinsicht mit offenen Armen empfangen. Dafür möchte ich mich heute – auch im Namen aller Porsche-Mitarbeiter – bei den Leipzigern ganz herzlich bedanken. Wir sind stolz, ein Teil dieser Stadt geworden zu sein.“ […] „Wir wollen in Leipzig nicht nur Flagge zeigen, sondern auch unserer gesellschaftspolitischen Verantwortung als Unter-
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nehmen und Arbeitgeber gerecht werden“, erklärte er. Dies gelte ebenso für die im Mai erfolgte Porsche-Spende in Höhe von 3,5 Millionen Mark zur Restaurierung der berühmten Ladegast-Orgel in der Leipziger Nikolaikirche und für das Engagement als Gründungssponsor des Leipziger „Technologiecentrum für Jugendliche“. Wiedeking wies in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass die Porsche AG bei der Ansiedlung in Leipzig bewusst auf ihr eigentlich zustehende Subventionen verzichtet hatte. Diese Haltung trage entscheidend zur breiten sozialen Akzeptanz der Marke Porsche bei: „Kein PorscheKunde muss sich heute für seine Kaufentscheidung bei irgendjemandem rechtfertigen“, sagte Wiedeking. Er lehne die Subventionierung von Unternehmen aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen ab: „Man kann nicht einerseits Steuerentlastungen fordern und andererseits ohne Not in großem Umfang öffentliche Gelder nehmen“, kritisiert Wiedeking […] Sehr positiv beurteilte der Vorstandsvorsitzende der Porsche AG die Erfolgschancen des Cayenne. […] Als Premium-Modell, das in jeder einzelnen Zelle Porsche-Gene hat und zudem auch noch mit dem Güte-Siegel ‚Made in Germany’ wuchern kann, wird der Cayenne in diesem Segment an der Spitze fahren“. Porsche gehe davon aus, von seinem sportlichen Geländewagen jährlich mindestens 25.000 Exemplare auf den Weltmärkten absetzen zu können. (Quelle: Porsche-Pressemitteilung Nr. 91/01 vom 19.10.2001).
5.2
Verhaltensstil in der Interaktion zwischen Mitarbeitern und Kunden: Ritz-Carlton
Dillard/Browning/Sitkin/Sutcliffe (2000) haben Daten von Unternehmen analysiert,3 die besonders bekannt geworden sind für erfolgreich umgesetzte Qualitätsstrategien. Ihre Wahl fiel auf das Hotelunternehmen Ritz-Carlton. Zum einen, weil Ritz-Carlton für seine Servicequalität mehrfach ausgezeichnet wurde,4 und zum anderen, weil das Ritz-Carlton als Hotel in besonderer Weise von der wahrgenommen Qualität der Mitarbeiter-Kunden-Interaktion abhängig ist. Die Unternehmensphilosophie ist in mehreren Texten definiert:5 Das Motto: „Wir sind Damen und Herren im Dienste für Damen und Herren“. Das Credo: „In einem Ritz-CarltonHotel ist das aufrichtige Bemühen um das Wohlergehen unserer Gäste unser oberstes Gebot. 3
4
5
Es wurden Tiefeninterviews mit Mitarbeitern durchgeführt, Geschichten rund um den Service-Gedanken sowie unternehmensphilosophische Texte analysiert: Motto, Credo, Drei Stufen der Dienstleistung, Basics. Das Ritz-Carlton Servicebewusstsein wurde von dem aus Winningen an der Mosel stammenden Hotelier Horst Schulz geschaffen. The Baldridge Award was created to honor those organizations that were customer-driven and valued partners/employees while also demonstrating visionary leadership, agility, and public responsibility” (Dillard/Browning/Sitkin/Sutcliffe 2000). Zitiert wird hier die deutsche Übersetzung aus top hotel (2002), Nr. 2, S. 14 (Ebert 2003: 54).
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Wir sichern unseren Gästen ein Höchstmaß an persönlichem Service und Annehmlichkeiten zu. Stets genießen unsere Gäste ein herzliches, entspanntes und dennoch gepflegtes Ambiente. Das Erlebnis Ritz-Carlton belebt die Sinne, vermittelt Wohlbehagen und erfüllt selbst die unausgesprochenen Wünsche und Bedürfnisse unserer Gäste.“ Die drei Stufen der Dienstleistung: „(a) Eine herzliche und aufrichtige Begrüßung. Sprechen Sie den Kunden, wenn angebracht und möglich, mit seinem Namen an. (b) Vorwegnahme und Erfüllung der Gästewünsche, (c) Ein liebenswürdiger Abschied. Verabschieden Sie sich mit einem herzlichen „Auf Wiedersehen!“ und sprechen Sie den Gast, wenn angebracht und möglich, mit seinem Namen an“. Die Basics: Sie spezifizieren 20 weitere Verhaltensstandards. Während alle Dienstleistungsunternehmen bestrebt sind, ganz allgemein einen günstigen Eindruck zu wecken, kommt es Ritz-Carlton vor allem darauf an, sich genauer auf das einzustellen, was ihre Gäste wertschätzen. Vier Eindrücke sind Ritz-Carlton besonders wichtig: (a) dem Gast zeigen, dass man ihn als individuelle Person kennt und schätzt, (b) dem Gast zeigen, dass man um ihn als individuelle Person bemüht und um sein Wohlergehen besorgt ist, (c) dem Gast Servicequalität aus einem Guss („seamless service“) bieten, und (d) den Gast beruhigen und zufrieden stellen, wenn Probleme auftreten. Kein System ist frei von Problemen. Ritz-Carlton berücksichtigt dies an zentraler Stelle. Die sogenannten „Basics“ enthalten Strategien für den Umgang mit Problemen. Zwei Punkte sind zentral: (a) Jeder Mitarbeiter ist angehalten, kontinuierlich Schwachstellen im Interaktionsund Servicebereich zu identifizieren, (b) jeder Mitarbeiter, bei dem sich ein Gast über ein Problem beschwert, ist der für die Problemlösung Verantwortliche („owns the complaint“). Gleichzeitig werden die Mitarbeiter durch ein Berichtssystem dabei unterstützt, die notwendigen Informationen an die jeweils zuständige Person zu übermitteln, damit die Schwachstellen umgehend beseitigt werden. Die Interviews zeigten, dass alle Mitarbeiter die kodifizierten Ritz-Carlton-Grundsätze kannten, was ihnen ein hohes Maß an Verhaltenskontrolle und Verhaltensoptimierung unter Abstimmung auf die grundlegenden Ziele und Werte der Unternehmensphilosophie ermöglichte. Dies half speziell, in jeder Situation zurückhaltend, freundlich, kunden- und sachorientiert zu sprechen. Darüber hinaus vermittelte die Umsetzung der Verhaltensmuster – z. B. das namentliche Begrüßen der Gäste und die Erinnerung und Berücksichtigung von individuellen Wünschen und Präferenzen („Involvement“) – den Mitarbeitern den wesentlichen Wert für eine erfolgreiche Interaktion. Es wird deutlich, dass definierte Verfahren („procedures“) als explizit reflektierte und kodifizierte Handlungsmuster in der Mitarbeiter-Kunden-Interaktion sicherstellen, dass die Mitarbeiter in der Kunden-Interaktion „would enact disciplined performances, creating good impressions“. Eine andere Frage ist, wie das Einhalten entsprechender Handlungsmuster durch die Mitarbeiter („disciplined performances“) ermöglicht und garantiert wird. Das explizite Kodifizieren von Verhaltens- und Handlungsmustern bringt in einem strikt hierarchisch organisierten Unternehmen die Gefahr eines rigiden Systems von Überwachung und Bestrafung mit sich. Die Pflege einer konstruktiv-appellativen, partizipativen und kooperativen Ausrichtung der internen Unternehmenskultur, die unter Berücksichtigung des geforder-
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261
ten Moments der Selbstähnlichkeit Prinzipien des Umgangs mit Kunden auf den Umgang mit Mitarbeitern zu übertragen bemüht ist (Corporate-Value-Identity), wird einer unmittelbaren Kontrolle durch hierarchische und wechselseitige Überwachung sowie automatische Sanktion in jedem Fall vorzuziehen sein. Letzteres würde einen unerwünschten Bruch in der anzustrebenden Unternehmensidentität darstellen, mit allen negativen Konsequenzen aggressivdefensiver oder passiv-defensiver Verhaltenstile in der Mitarbeiter-Interaktion. Ein konstruktiver Verhaltensstil, der die ethischen Unternehmenswerte in allen Bereichen gleichermaßen respektiert, appelliert an die Verantwortung der Mitarbeiter für sich und für Kollegen, trägt zur kooperativen und effektiven Bewältigung von Problemen bei. Er dient darüber hinaus der fortgesetzten Optimierung im Service- und Produktbereich. Entsprechend automotivierte und engagierte Mitarbeiter sind die wesentlichen Voraussetzungen für eine klare Unternehmensidentität und ein prosperierendes Unternehmen.
6.
Fazit
Ein guter Ruf bzw. ein positives Image, die durch das Bemühen um wechselseitiges Verstehen und um Verständigung getragen werden, und eine klare und widerspruchsfreie Fassung der eigenen Identität sind mehr als nur Wettbewerbsfaktoren. Sie bestimmen den Unternehmenswert und die Wachstumsperspektiven durch nachhaltig bindungsstiftende Wertschätzung und Präferenz bei den Ziel- und Anspruchsgruppen. Damit sind die entscheidenden Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche und nachhaltige Positionierung am Markt geschaffen. Wesentlich dabei ist: Strategien des Image-Managements können nicht isoliert von anderen Handlungs- und Interaktionsdomänen des Unternehmens konzipiert werden, insbesondere lassen sie sich nicht unabhängig von der Gestaltung der Unternehmenskultur und des Unternehmensverhaltens erfolgreich realisieren. Von allen Dimensionen der Unternehmensrealität, die Prozesse der Identitätsbildung wesentlich beeinflussen (s. o.), ist die Kultur eines Unternehmens diejenige, die am tiefsten wurzelt und sich am nachhaltigsten auswirkt. Sie ist nach Schmidt (2003: 60) gleichzeitig die Dimension, die am häufigsten vernachlässigt und unterschätzt wird. Das Verhalten eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter ist als wesentlicher Bestandteil derselben durch die spezifische Unternehmenskultur bestimmt. Für den Aufbau von Vertrauen und Goodwill kommt es darauf an, Widersprüche zwischen dem konkreten Verhalten eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter und den Vorstellungen zu verhindern, die durch Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und anderen Unternehmensäußerungen erzeugt werden. Nur wenn Verhaltenseindrücke und kommunizierte Vorstellungen langfristig zueinander passen, entsteht ein konsistentes und glaubwürdiges positives Image.
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Und hier erweisen sich die als „konstruktiv“ klassifizierbaren Verhaltensstile im Sinne von Lafferty und Cooke (s.o.) als die erfolgreichsten. Die Berücksichtigung dieser Faktoren ist – neben der erforderlichen Qualitätsgarantie bei den eigentlichen Produkten und Dienstleistungen – die wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Positionierung und die Entwicklung einer nachhaltigen Produkt- und Unternehmenspräferenz bei den Zielgruppen. Da das Interaktionsverhalten sowie das sonstige Handeln vom unscheinbaren Mitarbeiter bis zum Vorstandsmitglied am Prozess der Identitäts- und Imagebildung beteiligt sind, kommt es darauf an, jede Möglichkeit zu nutzen, um die Unternehmenskultur und das weitere Verhalten im Sinne der strategischen Positionierung des Unternehmens auf die Corporate-ValueIdentity abzustimmen und somit ein ethisches Monitoring unter Bezug auf die zentralen Unternehmens- und Gesellschaftswerte zu garantieren. Die Neigung der Zielgruppen, Verhaltenmodi als Größen für die Bewertung einer Organisation zu bestimmen, kann nicht bedeutend genug eingeschätzt werden. Allein durch die spezifischen Verhaltensformen und Interaktionsmodi erzeugen Unternehmen ein Bild von Nähe oder Distanz, von Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, von Verständigung oder Verständnislosigkeit (Buß/Fink-Heuberger 2000: 138). Die Wertschöpfungspotenziale von Prozessen der primären und sekundären Symbolisierung in Interaktionen sind darum stärker als bisher zu berücksichtigen und unbedingt zu nutzen.
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Das Unternehmen als Marke
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Das Unternehmen als Marke Cornelius Muth/Dirk Immetsberger
Die Marke eines Unternehmens gehört zu seinen wertvollsten Vermögensgegenständen und erfährt zunehmende Bedeutung in der Unternehmenskommunikation. Starke Unternehmensmarken beeinflussen das Verhalten der zahlreichen Anspruchsgruppen von Unternehmen und erzielen dadurch Wirkungen auf ökonomische Zielgrößen. Um einen Wertbeitrag für das Unternehmen zu schaffen und es im Wettbewerb zu profilieren, ist es erforderlich, die Unternehmensmarke systematisch zu führen und damit für ein klares Vorstellungsbild in den Köpfen der Zielgruppe zu sorgen.
1.
Die Bedeutung von Produkt- und Unternehmensmarken
Wir alle kennen Produktmarken. Coca-Cola, Nivea, Milka & Co. begleiten uns durch unseren Tag und machen uns die Entscheidung beim Einkauf etwas leichter. Wenn wir an einer Marke Gefallen gefunden haben und sie ihr Leistungsversprechen einhält, besteht eine gute Chance, dass wir ihr treu bleiben. Wir kaufen Marken nicht nur, wir finden sie sympathisch, innovativ oder auch trendy. Wir assoziieren mit ihnen bestimmte Lebensstile, Stimmungen, Jahreszeiten oder Kindheitserinnerungen. Denn Marken sind mehr als physische Güter, es sind unverwechselbare, in der Psyche des Konsumenten verankerte Vorstellungsbilder von einem Produkt oder einer Dienstleistung (Meffert 2000: 849). Diese Vorstellungsbilder wecken Begehrlichkeiten und beeinflussen unser Handeln. Wie wichtig Produktmarken für den Erfolg eines Unternehmens sind, ist unbestritten. Keine Publikation und keine Podiumsdiskussion zum Thema Marke kommt ohne den Hinweis auf ihren Wertbeitrag aus. Entscheidend ist hierbei, dass die Marken systematisch geführt werden und letztlich die Vorstellungsbilder hervorrufen, die der Marke und dem markierten Produkt dienlich sind. M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_13, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Cornelius Muth/Dirk Immetsberger
Seit geraumer Zeit gibt es jedoch Entwicklungen, die den Blick der Markenexperten etwas von den Produktmarken weg und auf die Unternehmen hin lenken: In modernen Industrienationen bekommt der Dienstleistungssektor allmählich ein erdrückendes Übergewicht gegenüber dem produzierenden Gewerbe, d. h., es gibt immer weniger Güter, die überhaupt markierungsfähig und als Produktmarken profilierbar sind. Das Internet und die damit verbundene Vielzahl von Online-Marken hat diese Entwicklung noch beschleunigt. Fusionen und Akquisitionen lassen komplexe Unternehmensstrukturen und Markenportfolios entstehen, die sowohl extern als auch intern erklärungsbedürftig sind. Die Börse sucht nach einer überzeugenden Equity-Story, die Wirtschaftspresse nach visionären strategischen Weichenstellungen und die eigenen Mitarbeiter nach Quellen der Identifikation und Motivation. Die Öffentlichkeit ist immer besser informiert, durch Krisen sensibilisiert, und Endkunden interessieren sich daher stärker für die Unternehmen hinter den Produkten (Brockdorff 2003: 5). Unternehmen werden auch deshalb sichtbarer, da von ihnen verstärkt eingefordert wird, Verantwortung zu übernehmen und sich als guter Bürger für die Gesellschaft einzusetzen. Organisierte Interessengruppen sind durch Massenmedien und moderne Kommunikationstechnik in der Lage, innerhalb kürzester Zeit erheblichen öffentlichen Druck aufzubauen und Unternehmen dadurch in die Defensive zu drängen, so geschehen in der Kontroverse um die Shell-Bohrinsel Brent Spar (Brockdorff 2003: 5). Unternehmen agieren zunehmend global, und Herkunftsbezeichnungen (made in) verlieren an Bedeutung. Stattdessen rückt der Absender (made by) in den Mittelpunkt des Interesses (Meffert/Bierwirth 2001: 5). Angesichts dieser Herausforderungen erscheint es fast fahrlässig, sich darauf zu verlassen, dass sich die verschiedenen Anspruchsgruppen eines Unternehmens (Stakeholder) aus Pressemeldungen, Ad-hoc-Mitteilungen und einem Geschäftsbericht selbst ein zutreffendes Bild machen werden, oder zu erwarten, dass die Fülle von Unternehmen und Angeboten ohne weiteres unterscheidbar sei. Es ist vielmehr notwendig, das Unternehmen als Ganzes als Marke zu verstehen und das erwünschte Vorstellungsbild bei allen relevanten Stakeholdern, d. h. Aktionären, Analysten, Journalisten, der breiten Öffentlichkeit, Interessengruppen, Kunden und Mitarbeitern systematisch aufzubauen.
Definition: Unternehmensmarke (Corporate Brand) Die Unternehmensmarke ist ein in den Köpfen der Anspruchsgruppen fest verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Unternehmen. Die systematische Führung der Unternehmensmarke oder Corporate Brand wird als Corporate Branding bezeichnet (Meffert/Bierwirth 2001: 6).
Das Unternehmen als Marke
2.
267
Die Grundlage starker Marken
Das Bild, das sich Menschen von einer Marke machen, besteht aus einer Gruppe von Assoziationen, die im Gedächtnis abgespeichert sind (Aaker 1992: 135). Man kann es sich wie ein Netzwerk vorstellen, in dessen Zentrum sich die Marke befindet. Die Voraussetzung für die sinnvolle Abspeicherung schafft erst die Bekanntheit der Marke (Esch 2004: 71). Ohne einen zentralen Knotenpunkt im Gedächtnis, an den angeknüpft werden kann, stellen Assoziationen lediglich lose Gedanken dar. Die Gesamtheit der Assoziationen, die ein Individuum über eine Marke gespeichert hat, wird auch als Markenimage bezeichnet (Keller 1993: 3). Die Stärke einer Marke beruht darauf, dass sie bekannt ist und dass möglichst viele positive, einzigartige und relevante Assoziationen mit ihr verbunden werden. Markenstärke ist demnach eine Wertschätzung der Marke auf Grund erlernten Wissens, die zu vorteilhafteren Reaktionen gegenüber einer Marke führt (Bekmeier-Feuerhahn 1998: 111 ff.).
Beispiel: Assoziationen zur Unternehmensmarke BASF Assoziationen zur Corporate Brand BASF könnten z. B. die Elemente Chemieunternehmen, DAX-Wert, deutsch, Ludwigshafen, groß, zuverlässig und bodenständig umfassen. Durch Kommunikationsmaßnahmen des Unternehmens könnte ich z. B. noch die Assoziationen Global Player und Umweltverantwortung erlernen, die dann meinem Wissen von der Marke hinzugefügt werden. Wenn ich der Marke BASF das nächste Mal begegne, sind diese Assoziationen im Idealfall alle zugriffsfähig und rufen das Vorstellungsbild aus dem Gedächtnis ab. Was immer mir das Unternehmen dann zu sagen hat, ich kann Informationen besser einordnen und bewerte sie evtl. positiver, als wenn ich nichts über die Marke wüsste.
3.
Die Funktion der Unternehmensmarke
Die Entstehung und die Beliebtheit von Marken haben zu einem nicht geringen Teil damit zu tun, dass es ein Überangebot an Information gibt und Menschen nur über eine begrenzte Informationsverarbeitungskapazität verfügen. Darüber hinaus sind sie noch überaus risiko-
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scheu. Die Unternehmensmarke bündelt Informationen über das Unternehmen: sein Leistungsangebot, seine Marktstellung, seine Philosophie, und hilft damit in mehrfacher Hinsicht. Die Unternehmensmarke übernimmt eine Rationalisierungsfunktion, indem sie Individuen einen Teil der Informationsrecherche abnimmt (Meffert/Bierwirth 2001: 7). Auf der Suche nach einem Finanzprodukt, wie z. B. einem Zertifikat, wird man schnell bei den üblichen Verdächtigen, nämlich den Emittenten mit der höchsten (wahrgenommenen) Reputation und damit den stärksten Unternehmensmarken landen. Aus dieser Vorauswahl fällt die Entscheidung dann schon wesentlich leichter. Weiterhin übernimmt sie eine Vertrauensfunktion in Situationen, in denen vor einem Kauf oder Vertragsabschluss eine hohe Unsicherheit bezüglich der Leistungsergebnisse besteht, und senkt so das wahrgenommene Risiko (Meffert/Bierwirth 2001: 7). Die Unternehmensmarke erfüllt eine Identifikationsfunktion für Anspruchsgruppen, die sich etwas Renommee von der Marke leihen. So kann eine Corporate Brand dazu beitragen, dass Individuen ihrer Vorstellung vom idealen Selbst näher kommen (Meffert/Bierwirth 2001: 8). Wir alle kennen Menschen, die unheimlich stolz auf ihren Arbeitsplatz bei einer renommierten Unternehmensberatung oder Investmentbank sind. Ein Beispiel aus dem Business-toBusiness-Bereich liefert die Automobilzulieferindustrie: Welcher Zulieferer möchte nicht Porsche oder BMW als Referenzkunde und nimmt dafür vielleicht sogar schlechtere Konditionen in Kauf? Strategie, Kultur, Vision, Mission und Werte von Unternehmen sind nicht greifbar (Brockdorff 2003: 6). Die Unternehmensmarke wirft ein Schlaglicht auf diese weichen Faktoren, verkörpert sie nach außen und erfüllt damit eine Inkarnationsfunktion (Merbold 1994: 112 ff.). Die „Körperlichkeit“, welche die Marke hierdurch bekommt, bewirkt letztlich ihre Differenzierungskraft auf den Märkten (Merbold 1995: 416).
4.
Die Wirkungskette des Corporate Branding
4.1
Wie Marken Wert schaffen
Für Unternehmen besteht das Ziel der Markenführung darin, möglichst viel Wert zu schaffen: für die Marke und für das Unternehmen insgesamt. Mit dem Wert der Marke ist hier eine monetäre Größe gemeint, die dadurch zustande kommt, dass Gewinne erzielt werden, die ohne Einfluss der Marke nicht angefallen wären (Srivastava/Shocker 1991: 5).
Das Unternehmen als Marke
269
Wie ist es nun möglich, solch weiche Konstrukte wie Vorstellungsbilder in harte Währung zu verwandeln? Die verschiedenen Funktionen, die Unternehmensmarken erfüllen, kommen isoliert oder kombiniert auf den verschiedenen Märkten, auf denen ein Unternehmen agiert, Gütermarkt, Kapitalmarkt, Arbeitsmarkt und dem Markt für öffentliche Meinung sowie im eigenen Unternehmen, zum Tragen und führen dort zu Verhaltenswirkungen. Es ist leicht, sich vorzustellen, dass diese Verhaltensbeeinflussung der Stakeholder nicht ohne ökonomische Folgen bleibt. Die Effekte des Corporate Branding beeinflussen die Geschäftsergebnisse, wie Umsatz und Gewinn, z. B. durch ein höheres Absatzvolumen und damit den Markenwert. Ein höherer Markenwert führt zu besseren Finanzergebnissen, z.B. einem höheren Unternehmenswert. Die Finanzergebnisse werden allerdings auch direkt durch die Corporate-Branding-Effekte berührt, z. B. der Aktienkurs durch eine höhere Aktienkaufbereitschaft. Abbildung 1 veranschaulicht die Zusammenhänge, die nachfolgend erläutert werden.
Abbildung 1:
Wirkungskette des Corporate Branding (Quelle: Citigate Demuth)
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Cornelius Muth/Dirk Immetsberger
4.2
Verhaltenswirkungen des Corporate Branding
4.2.1
Gütermarkt
Auf dem Gütermarkt hilft die Rationalisierungsfunktion Nachfragern bei der Zusammenstellung der Gruppe von Anbietern, die für eine Leistung in Frage kommen (Relevant Set). Wenn die Unternehmensmarke mit den passenden Assoziationen aufgeladen und im Markt penetriert ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, im Auswahlprozess zumindest berücksichtigt zu werden. Bei der endgültigen Auftragsvergabe kommt dann die Vertrauensfunktion ins Spiel: Im Business-to-Business-Bereich ist die Problematik des wahrgenommenen Kauf- oder Abschlussrisikos extrem hoch, da die verantwortliche Stelle ihre Entscheidung vor anderen Gremien rechtfertigen muss (Merbold 1995: 414 f.). Die Vertrauensfunktion erleichtert auch die Eroberung neuer Märkte durch Dehnen der Marke. Ein Beispiel hierfür ist General Electric. Die Marke GE wurde ausgehend von Glühbirnen und Geräten zur Stromversorgung in verschiedenste Geschäftsfelder erweitert, darunter Haushaltsgeräte, Medizintechnik, Finanzdienstleistungen bis hin zu Flugzeugtriebwerken. Einen Vertrauensvorschuss leistete dabei die extrem hohe Reputation des Unternehmens. General Electric wurde in Untersuchungen der „Financial Times“ und PriceWaterhouseCoopers bereits mehrfach zur „World’s most respected company“ gewählt. Vorteile ergeben sich durch die Vertrauensfunktion auch, wenn das Unternehmen mit der starken Marke als Nachfrager auftritt: Ein Lieferant hat auf Grund der starken Images der Unternehmensmarken z. B. keinen Grund, die Solvenz von Altana oder BASF in Frage zu stellen. Darüber hinaus greift in der Nachfragerrolle auch die Identifikationsfunktion (vgl. Abschnitt 3).
4.2.2
Kapitalmarkt
Auf dem Kapitalmarkt kommt die Inkarnationsfunktion vor allem gegenüber Analysten und institutionellen Investoren zum Tragen, die nach plausiblen Equity Stories für die weitere Unternehmensentwicklung suchen. Die Rationalisierungsfunktion vereinfacht Privatanlegern, die sich eher auf die Bekanntheit des Unternehmens als auf ihre Befähigung zur Fundamentalanalyse verlassen, das Share Shopping. Untersuchungen zeigen, dass die Klarheit des Markenbilds von Unternehmen die Aktienkaufbereitschaft positiv beeinflusst (Gruner + Jahr 1998: 292-294). Die Vertrauensfunktion kann bewirken, dass Kapitalgeber durch eine starke Unternehmensmarke eine größere Zuversicht zum Unternehmen entwickeln (Frigge/Houben 2002: 29, zitiert nach Brockdorff 2003: 5). Bis zum Anfang der neunziger Jahre erklärte der Gewinn eines Unternehmens 90 Prozent des Börsenkurses. Dieser Anteil ist mittlerweile auf 50 Prozent gesunken (Simon/Ebel/Hofer 2000: 33, zitiert nach Esch 2004: 410). Der Rest wird von einer je nach Branche unterschiedlichen Erwartungsprämie bestimmt. Einer Unter-
Das Unternehmen als Marke
271
suchung von PriceWaterhouseCoopers und Sattler (1999: 12) zufolge reicht der Anteil des Markenwerts am Unternehmenswert von 18 Prozent bei Industriegütern bis hin zu 62 Prozent bei kurzlebigen Konsumgütern. Kapitalmärkte funktionierten zwar noch nie rein rational, aber wenn die Rede von emotionalen Einflussfaktoren war, dachte man immer an Herdentrieb oder die Auswirkungen der Gerüchteküche. Es spricht nun einiges dafür, dass die Corporate Brand ein wesentlicher emotionaler Treiber für den Unternehmenswert ist (Esch 2004: 410).
4.2.3
Arbeitsmarkt
Die Rationalisierungsfunktion bewirkt auf dem Arbeitsmarkt, dass starke Unternehmensmarken eher von Bewerbern in Betracht gezogen werden, es lässt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Bekanntheit des Unternehmens und der Attraktivität als Arbeitgeber erkennen (Esch 2004: 412). Bei einem sich schon abzeichnenden Fachkräftemangel in den nächsten Jahren ist dies ein echter Wettbewerbsvorteil bei der Gewinnung neuer Talente.
4.2.4
Meinungsmarkt
Wenn ein Unternehmen in eine Krise gerät – ob selbst verschuldet oder nicht – hilft die Vertrauensfunktion einer starken Unternehmensmarke, den rapiden Verfall des Vertrauenskapitals auf dem Meinungsmarkt zu verhindern (Merbold 1994: 114). So hat die Brent SparKrise Shell nur zeitweise zugesetzt, schon kurz danach war die Marke stark wie eh und je. Weiterhin wirkt die Rationalisierungsfunktion der Marke auch auf Journalisten: Eine Nachricht ist oft erst dann eine Nachricht, wenn sie von einem bekannten Unternehmen kommt. Der erste Schritt zur Medienpräsenz ist hier die Markenpräsenz.
4.2.5
Die Wirkung nach innen
Auch wenn Marken ihre Botschaften primär nach außen tragen: Die Wirkung nach innen sollte nicht unterschätzt werden. Eine starke Corporate Brand ist durch die Identifikationsfunktion eine Quelle von Motivation, Inspiration und Stolz. Die Inkarnationsfunktion vermittelt Werte und Kultur des Unternehmens nach innen und sorgt so für Akzeptanz und Loyalität. Bei Dienstleistungen dient das Branding nach innen darüber hinaus nicht nur einem internen Zweck, sondern ist ein Erfolgsfaktor auf dem Gütermarkt. Dienstleistungen werden in vielen Fällen erst durch Personen erfahrbar, und es gibt kaum etwas Schädlicheres als einen Unternehmensrepräsentanten, der nicht hinter der Philosophie seines Hauses steht oder nichts davon zu vermitteln weiß.
272
4.3
Cornelius Muth/Dirk Immetsberger
Ökonomische Wirkungen des Corporate Branding
Empirisch untersucht wurden bisher vorwiegend die Wirkungen, die das Image der Unternehmensmarke auf dem Gütermarkt hat. Nur wenige Studien gehen auf die Effekte gegenüber den anderen Stakeholdern ein (Brockdorff 2003: 79 f.). Und doch lassen sich aus den vorliegenden Ergebnissen, der Forschung über Produktmarken und einiger Praxiserfahrung einige Wirkungsmechanismen identifizieren. Auf dem Gütermarkt entfaltet die Unternehmensmarke Wirkungen, die denen von Produktmarken nicht unähnlich sind: Es gibt einen Volumeneffekt, der sich dadurch einstellt, dass Nachfrager die Anbieter mit einer profilierten Unternehmensmarke anderen vorziehen (Baker/Balmer 1997: 369, zitiert nach Brockdorff 2003: 79). Ein Kostensenkungseffekt entsteht bei der Dehnung der Marke in andere Branchen. Bei der Zielgruppe müssen in der Regel keine völlig neuen Wissensstrukturen aufgebaut werden, was in der Kommunikation für erhebliche Einsparungen sorgt. Es ist auch zu erwarten, dass für Unternehmen mit einer starken Unternehmensmarke die Kundenakquise weniger aufwändig ist. Weiterhin gibt es einen ertragssteigernden Preiseffekt, da es für starke Marken möglich ist, Preise für ihre Leistungen zu erzielen, die über denen der Anbieter mit schwachen Marken liegen. Auf dem Kapitalmarkt bedeutet der Preiseffekt einen höheren Aktienkurs, verursacht durch die höhere Aktienkaufbereitschaft, das größere Vertrauen in eine positive Unternehmensentwicklung und die mit Marken verbundene Erwartungsprämie. Kostensenkungseffekte lassen sich auch am Arbeitsmarkt ausmachen. Der Aufwand, die Besten für sich zu interessieren, wird geringer, eventuell kann man sie sogar mit weniger Mitteln für sich gewinnen, wenn die Bewerber einen prestigeträchtigen Arbeitsplatz als geldwerten Vorteil anerkennen. Auf dem Meinungsmarkt sinkt der Aufwand für Aktionen zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit nach Krisen. Die Kommunikation wird – unabhängig davon – insgesamt effizienter und damit kostengünstiger werden, wenn erst einmal Wissensstrukturen in den Köpfen der Anspruchsgruppen etabliert sind. Von Produktmarken weiß man, dass ein starkes Markenimage die Sensibilität gegenüber Kommunikationsmaßnahmen dieser Marke erhöht (Keller 1993: 9). Dieser Effekt greift ähnlich bei anderen Stakeholdern. Im Unternehmen werden motiviertere Mitarbeiter, die sich mit dem Unternehmen identifizieren eine höhere Wertschöpfung erbringen und damit bessere Geschäftsergebnisse erzielen.
Das Unternehmen als Marke
5.
Wertorientiertes Corporate Branding
5.1
Markenwert und Messbarkeit
273
Mit welchen Maßnahmen kann die Unternehmensführung durch Corporate Branding Werte schaffen? Und wie kann das Ergebnis der Bemühungen gemessen werden? Für die Schaffung von Markenwert gibt es zwei Ansatzpunkte: Im ersten Schritt muss die Basis für die verhaltenssteuernde Wirkung der Marke geschaffen werden, d. h, Markenbekanntheit und Markenimage müssen aufgebaut werden. Im zweiten Schritt gilt es, Strategien zu entwickeln, um sich diese Wirkungen ökonomisch nutzbar zu machen (Srivastava/Shocker 1991: 9). Die Frage der Messbarkeit ist schwerer zu beantworten. Zahlreiche Modelle versuchen, den Wert der Marke zu messen, und verstehen darunter teilweise sehr unterschiedliche Dinge (Bekmeier-Feuerhahn 1998: 30 f.). Grob lassen sich die Verfahren in solche einteilen, die lediglich einen verhaltenswissenschaftlichen „Wert“ messen (d. h. die Markenstärke), Verfahren, die eine finanzorientierte Sichtweise einnehmen und nur den absoluten monetären Markenwert messen, und solche, die beide Perspektiven zu integrieren versuchen. Ein Modell, das die Ergebnisse der Markenführung an monetären Größen misst, muss sowohl Aussagen über die Höhe des Markenwerts als auch über die den Markenwert beeinflussenden Verhaltensgrößen zulassen (Esch 2004: 528 f.). Damit scheiden alle Verfahren aus, die die Marke nur aus einer der Perspektiven evaluieren. Auch die verbleibenden integrierten Modelle sind nicht frei von Problemen, wie z.B. subjektiven Gewichtungsfaktoren oder unbekannten „Geheimzutaten“ bei den kommerziellen Anbietern (Esch 2004: 551 ff.). Im Falle von Corporate Brands kommt eine weitere Schwierigkeit hinzu: Es gibt Ansätze, die versuchen, den Wert der Corporate Brand zu messen, aber keinen, der alle relevanten Stakeholder und Märkte in die Betrachtung einbeziehen würde (Brockdorff 2003: 95). Zugegebenermaßen ist dies ein Problem, das nicht einfach zu lösen ist und – auch wenn die Wirkungen der Corporate Brand unbestritten sind – bisher eine Forschungslücke darstellt. Allerdings ist der absolute Wert der Corporate Brand für die Führung der Marke ohnehin weit weniger interessant als für einen Käufer des Unternehmens oder einen Wirtschaftsprüfer, der die Bilanz auf Herz und Nieren untersucht. Der Rat an Praktiker in Unternehmen kann deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur lauten, sich die ökonomischen Wirkungen der Corporate Brand zwar bewusst zu machen, sich bei der Messung jedoch vorrangig auf verhaltenswissenschaftliche Kenngrößen wie Markenbekanntheit und Markensympathie zu konzentrieren, die verhältnismäßig unaufwändig regelmäßig bei den verschiedenen Anspruchsgruppen erhoben werden können. Diese Faktoren sind außerdem hervorragend als Zielgrößen für Kommunikationsaktivitäten zur Stärkung der Corporate Brand geeignet.
274
Cornelius Muth/Dirk Immetsberger
5.2
Wie schaffe ich eine starke Marke?
5.2.1
Festlegung der Markeninhalte
Was gemeinhin als Reputation eines Unternehmens bezeichnet wird, ist nichts anderes als ein positives Image, d.h. vorteilhafte Assoziationen, die mit dem Unternehmen verknüpft sind. Corporate Branding geht jedoch über Imagepflege hinaus: Es handelt sich um ein systematisches Management von Markeninhalten und Markenkommunikation. Man sollte sich vergegenwärtigen, dass das Image einer Marke das ist, was letztendlich von den Kommunikationsbemühungen eines Unternehmens in den Köpfen der Zielgruppe ankommt. Der Management-Prozess beginnt somit schon weit vor dem Außenauftritt, und Entscheider in Unternehmen müssen sich frühzeitig darüber klar werden, welches Bild sie idealerweise bei der Zielgruppe hervorrufen möchten. Dieses Selbstbild, das eindeutig definiert, wofür die Marke stehen soll, nennt man Markenidentität. Es gibt zahlreiche Versuche, die Identität von Marken systematisch zu erfassen, als besonders zweckmäßig und nachvollziehbar hat sich das sogenannte Markensteuerrad von icon erwiesen (vgl. im Folgenden Esch 2004: 96 ff.): Die Markenidentität umfasst demnach mehrere Komponenten: Die Kompetenz der Marke beantwortet die Frage: „Wer bin ich?“. Sie bildet die Wurzeln der Marke ab, d. h. die Herkunft, ihre Rolle im Markt und zentrale Assets der Marke, z. B. „Der Marktführer in der Industrieversicherung mit 200 Jahren Erfahrung“. Die Benefits und Reason Why („Was biete ich an?“) beschreiben die Leistungsmerkmale des Unternehmens, d. h. die Eigenschaften des Unternehmens und den für die Anspruchsgruppen relevanten Nutzen, z. B. „günstige Tarife auf Grund überlegener Kostenstruktur“. Unter der Markentonalität („Wie bin ich?“) versteht man die Gesamtheit der Emotionen, die die Marke auslösen soll. Sie werden in der Regel dadurch erfasst, dass man die Assoziationen ermittelt, mit denen man die Marke beschreiben würde, wenn sie ein Mensch wäre. Diese Markenpersönlichkeit kann Dinge wie Geschlecht, Herkunft oder Charaktereigenschaften umfassen. Apple sieht sich selbst vermutlich als „amerikanisch/kalifornisch“, „jung“, „stylish“ und „innovativ“. Schließlich beschreibt die Markenikonografie („Wie trete ich auf?“) alle sinnlich wahrnehmbaren Eindrücke, die durch die Marke vermittelt werden. Das ist in der Regel das visuelle Erscheinungsbild des Unternehmens inklusive der Mitarbeiter, aber beinhaltet auch etwa Werbe-Testimonials wie „Herr Kaiser“ oder die Bacardi-Musik. Die Markenidentität ist so etwas wie der genetische Code der Marke. Er sollte sich in allen Lebensäußerungen der Marke, d.h. Corporate Design, Werbung, PR, dem Verhalten der Mitarbeiter etc. wiederfinden. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Selbstähnlichkeit der Marke, was bedeutet, dass alle Signale, welche die Marke aussendet, auf dasselbe
Das Unternehmen als Marke
275
Imagekonto einzahlen sollten: Wer eine Bankfiliale besucht, soll keinen anderen Eindruck von der Marke bekommen, als wenn er sich eine Broschüre schicken lässt. Beim Durchlaufen eines Identitätsprozesses sollten Unternehmen ihr Selbstbild z. B. durch FührungskräfteInterviews erheben und mit dem Status quo des Markenimages bei den Anspruchsgruppen vergleichen. Daraus kann eine Soll-Markenidentität ermittelt werden, die dann die Basis für die weiteren Schritte in der kommunikativen Umsetzung darstellt. Die Markenidentität umfasst zahlreiche Merkmale, schließlich soll sie die Marke umfassend beschreiben und vor allem nach innen Orientierung bei der Markenführung geben. Sie ist gewissermaßen ein Köcher mit sehr vielen Pfeilen. Das Problem in der Kommunikation ist jedoch, dass man oft nur einen Schuss frei hat, bevor die Aufmerksamkeit des Kunden oder Journalisten nachlässt. Nach der „Selbstfindung“ folgt als zweiter wichtiger Schritt beim Markenaufbau deshalb die klare Positionierung. Das bedeutet, sich als Vorstellungsbild in den Köpfen der Menschen aussichtsreich zu platzieren. Und zwar möglichst nah an der Idealvorstellung der Zielgruppe und möglichst weit weg vom Wettbewerb. Wenn eine solche Position erreicht ist, wird die Marke gegenüber anderen präferiert (Brockdorff 2003: 83 f.). Eine Erfolg versprechende Positionierung sollte einzigartig und glaubwürdig sein, einen relevanten Nutzen darstellen und langfristig verfolgt werden können (Brockdorff 2003: 83 f.). Um zu einer solchen Positionierung zu gelangen, ist es erforderlich, das Wettbewerbsumfeld eingehend zu analysieren und mit den Bedürfnissen der Anspruchsgruppen und der Markenidentität abzugleichen.
5.2.2
Markenkommunikation
Für Corporate Brands gibt es eine Reihe von „natürlichen“ Kommunikationsanlässen, wie Hauptversammlung oder Bilanzpressekonferenz und damit verbundene Kommunikationsmittel wie Geschäftsberichte, Pressemappen etc. Diese können den Markenaufbau sinnvoll unterstützen. Um schnell und zielgerichtet die Bekanntheit zu erhöhen, kommt man jedoch kaum um Massenkommunikation wie insbesondere Mediawerbung (Anzeigen, TV/RadioSpots) herum. Die Bedeutung der Markenbekanntheit wurde bereits herausgestellt: Sie ist die Basis für jeden Markenaufbau und wird durch jeden Kontakt mit der Marke, sei es durch Werbung, einen Zeitungsbericht oder das Vorbeigehen an einer Niederlassung, erhöht. Bekanntheit allein ist jedoch kein Ziel: „It is one thing to be remembered, it is quite a different thing to be remembered for the right reason. “(David A. Aaker) Imagewerbung ist in der Lage, die richtigen Assoziationen an die Marke zu koppeln und dabei sowohl rationale als auch emotionale Botschaften zu kommunizieren. Unternehmensmarken sollten kontinuierlich in der Zielgruppe mit werblichen Maßnahmen wahrnehmbar sein. Wenn eine Kampagne zum gezielten Imageaufbau durchgeführt wird, sollte sie drei bis fünf Jahre mit einer Kommunikationsleistung gefahren werden, welche die Zielgruppe zum überwiegenden Teil durchdringt und die zu vermittelnden Botschaften fest verankert. Das steckt den ungefähren Rahmen für das Budget ab: Wer sich nur an wenige Großabnehmer,
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Cornelius Muth/Dirk Immetsberger
Verbände und Finanzentscheider richten muss, kommt mit erheblich weniger aus als z. B. der Energieanbieter E.ON, der sich gleichzeitig als Endverbrauchermarke etablieren wollte. Neben der Zielgruppe bestimmen die eigenen Ziele (z.B. Börsengang in den nächsten zwei Jahren) und das Wettbewerbsumfeld wesentlich das Budget. Im Einzelfall erfolgt die genaue Festlegung des Budgets im Zusammenspiel mit der betreuenden Werbe- und Media-Agentur. Markenstärke ist allerdings nicht zwingend eine Budgetfrage, sondern zuerst eine Frage der richtigen Inhalte, der Konsequenz und Konsistenz. Die Konsistenz der Botschaften sollte in allen Kommunikationskanälen gewährleistet sein. Es versteht sich von selbst, dass man nicht jede Zielgruppe auf dieselbe Art ansprechen kann, alle Botschaften sollten jedoch aus der Marke abzuleiten sein und sich nicht widersprechen. Das Gesicht des Unternehmens ist sein Erscheinungsbild. Wenn die Festlegung der Markeninhalte ergibt, dass das gegenwärtige Erscheinungsbild nicht zur angestrebten Positionierung passt, oder wenn man es, wie z. B. im Fall von E.ON, mit einer komplett neuen Marke zu tun hat, gilt es, die Markeninhalte zu visualisieren und in ein Corporate Design zu überführen. Unverzichtbar, gerade bei Großunternehmen, ist dabei die Erstellung eines Corporate Design Manual, das verbindliche Regeln für die grundlegenden Gestaltungsfragen im Rahmen der Markenführung enthält.
5.3
Wie nutze ich eine starke Marke?
Es lohnt sich – trotz aller Probleme bei der Messbarkeit – über Maßnahmen nachzudenken, die sich Wert erhöhend auf die Marke und das Unternehmen auswirken. Wert erhöhende Facetten des Corporate Branding funktionieren vor allem über den Gütermarkt, da hier die Wertschöpfung des Unternehmens stattfindet. Es stellt sich die ganz grundsätzliche Frage, auf wie vielen Märkten man mit einer Corporate Brand agiert. Siemens setzt seine starke Marke in allen Geschäftsfeldern ein, das andere Extrem stellt Procter & Gamble dar: Hier kann man nicht mehr von einer CorporateBranding-Strategie sprechen, es handelt sich um eine Einzelmarkenstrategie, bei der die Unternehmensmarke auf dem Gütermarkt hinter starke Produktmarken, wie Ariel oder Pampers, zurücktritt. Zwischen den beiden Extremen existieren eine Reihe von Mischformen (Esch/Bräutigam 2001: 27 ff.). Eine beliebte Möglichkeit, die Stärke der Corporate Brand für sich zu nutzen, ohne die Einzelmarke aufzugeben, besteht in der sogenannten EndorsementStrategie: So weist DWS durch einen Logozusatz auf die Zugehörigkeit zur Deutsche Bank Gruppe hin. Das funktioniert nicht nur auf Unternehmensebene mit anderen Konzerngesellschaften, sondern auch auf Produktebene: Persil und andere Produkte von Henkel tragen die Corporate Brand auf der Verpackung.
Das Unternehmen als Marke
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Die Dehnung der Corporate Brand berührt eine Grundfrage der Markenführung – die der Markenarchitektur. Die Ausgestaltung der Markenarchitektur ist von vielen Faktoren abhängig und bedarf bei jeder Gesellschaft und jedem Produkt einer Einzelprüfung. Es empfiehlt es sich dazu, die Beziehungen zwischen den Marken wie die zwischen Familienmitgliedern zu verstehen: Zuerst werden die Marken identifiziert, denen ein Markenwechsel oder ein Hinweis auf den Konzern die Geschäftsgrundlage entziehen würde – oder die ganz oben auf der Verkaufsliste stehen. Diese „Stiefkinder“ behalten ihre eigene Marke. „Angeheiratete“, die aus rechtlichen oder politischen Gründen nicht die unveränderte Konzernmarke tragen können, bekommen einen Doppelnamen (z. B. Fujitsu-Siemens, Dresdner Kleinwort Wasserstein). Wer ein eigenes Image zur Marktdurchdringung benötigt, sich aber ausgewählte Assoziationen (z. B. „finanzkräftige Gruppe“, „internationales Netzwerk“) von der Mutter leihen will, wird „adoptiert“ (Hamburg-Mannheimer – Ein Unternehmen der ERGO Versicherungsgruppe), alle anderen sollten zur Realisierung maximaler Synergien in der Kommunikation „leibliche Töchter“ sein, d. h. der Konzernmutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Neben Kosteneinsparungen können durch die Vertrauensfunktion der Marke höhere Geschäftsvolumina erzielt werden und zwar immer dann, wenn die Reputation der Corporate Brand in einem neuen Geschäftsfeld von großem Nutzen ist. Die Zahl der verschiedenen „Verwandtschaftsverhältnisse“ in einem Konzern sollte gering gehalten werden. Man sollte sich nach Möglichkeit für eine grundsätzliche Strategie entscheiden und dann so wenige Ausnahmen wie möglich zulassen. Wert erhöhend wirkt auch die Lizensierung einer starken Corporate Brand: Es handelt sich hier um eine extreme Form des Outsourcing und markentechnisch um eine Markendehnung, nur eben nicht unter der Verantwortung des Lizenzgebers. Lizenzeinnahmen verbessern sämtliche finanziellen Kenngrößen, da ihnen in der Regel kein investiertes Kapital gegenübersteht und sie fast ungemindert durch Ausgaben in den Unternehmensgewinn einfließen (Binder 1999: 366). Der Lizenzgeber kann sich außerdem in Märkte „vortasten“, in denen hohe Eintrittsbarrieren bestehen. Die neue Produktkategorie sollte stets eine Verbindung zur Markenidentität aufweisen. Erkauft werden die Vorteile – aber mit dem Risiko der Markenverwässerung oder sogar eines Imageschadens bei Verfehlungen des Lizenznehmers. Kundenbindungsmaßnahmen können die Markentreue von Kunden, die in der Vertrauensfunktion begründet liegt, systematisch nutzen und so zusätzliches Geschäft durch CrossSelling erzielen. Ein interessantes Instrument ist der Club, der bei entsprechender Programmgestaltung neben Kunden auch andere Stakeholder „einfangen“ und an die Marke heranführen kann. Starke Unternehmensmarken sind in der Lage, durch Premium-Pricing höhere Margen zu erzielen. Auch hier gilt, dass die Marke in dem Markt eine Rolle spielen muss, d. h., es sind Werte wie Solidität, Zuverlässigkeit und Kompetenz gefragt. Ausschreibungen, bei denen nur der Preis entscheidet, sind ein hierfür ungeeignetes Feld. Am Kapitalmarkt ist ein Kursaufschlag nicht so einfach zu realisieren. Durch Share-Branding kann jedoch die Kursfantasie von Anlegern angeregt werden. Die Aktie wird hierbei als
278
Cornelius Muth/Dirk Immetsberger
Markenartikel verstanden, auf den durch Kommunikationsmaßnahmen möglichst viel vom positiven Image der Corporate Brand übertragen wird.
5.4
Organisatorische Verankerung des Corporate Branding
Auch wenn die Marke nur durch das Zutun aller richtig zum Leben erweckt werden kann, muss es doch jemanden geben, der die Zügel in der Hand hält. Operativ wird die Marke idealerweise von einem Corporate Brand Manager geführt, der nicht noch Verantwortung für das Produktmarketing hat und täglich um Marktanteile kämpfen muss, sondern sich ganz der Markenpflege widmen kann. Sinnvollerweise ist hier auch die Verantwortung für das Corporate Design angesiedelt. Das Corporate Brand Management berichtet am besten direkt an Vorstand oder Geschäftsführung. In internationalen Konzernen macht die Einrichtung eines Brand Committee Sinn, eines regelmäßigen Arbeitskreises, der sich insbesondere mit Fragen der Markenführung im internationalen Kontext befasst. Die Definition der Markeninhalte ist eine Top-Management-Aufgabe, die Grundzüge der kommunikativen Ausrichtung sind in enger Abstimmung zwischen Corporate Brand Manager und Geschäftsleitung festzulegen. Erfolgreiche Marken leben nicht selten vom persönlichen Engagement eines charismatischen Unternehmensführers. Besonders der Kapitalmarkt macht den Erfolg von Unternehmen gerne an Personen fest: So steht Jochen Zeitz für den Höhenflug von Puma und Steve Jobs ist der Werttreiber von Apple. Doch auch wer kein visionärer Gründer oder erfolgreicher Sanierer ist, kann mit gutem Beispiel vorangehen, die Inhalte der Unternehmensmarke täglich vorleben und sich damit um einen der wichtigsten Vermögensgegenstände im Unternehmen verdient machen.
Literatur
Aaker, David A. (1992): Management des Markenwerts, Frankfurt a. M. Baker, Michael J./Balmer, John M. T. (1997): Visual Identity: Trappings or Substance?, in: European Journal of Marketing, Vol. 31, Nr. 5/6, S. 366-382. Bekmeier-Feuerhahn, Sigrid (1998): Marktorientierte Markenbewertung: Eine konsumenten- und unternehmensbezogene Betrachtung, Wiesbaden.
Das Unternehmen als Marke
279
Binder, Christof U. (1999): Lizenzierung von Marken, in: Esch, Franz-Rudolf (Hrsg.): Moderne Markenführung, Wiesbaden, S. 357-378. Brockdorff, Benita (2003): Die Corporate Brand bei Mergers & Acquisitions – Konzeptualisierung und Integrationsentscheidung, Dissertation, St. Gallen. Bruhn, Manfred (Hrsg.) (1994): Handbuch Markenartikel, Teilband 1, Stuttgart. Esch, Franz-Rudolf (Hrsg.) (1999): Moderne Markenführung, Wiesbaden. Esch, Franz-Rudolf (2004): Strategie und Technik der Markenführung, 2. Auflage, München. Esch, Franz-Rudolf/Bräutigam, Sören (2001): Corporate Brands versus Product Brands? Zum Management von Markenarchitekturen, in: Thexis, Fachzeitschrift für Marketing, Nr. 4, S. 27-34. Frigge, Carsten/Houben, Anabel (2002): Mit der Corporate Brand zukunftsfähiger werden, in: Harvard Business Manager, 24. Jg., Nr. 1, S. 28-35. Gruner + Jahr AG (Hrsg.) (1998): Imagery 2 – Innere Markenbilder in gehobenen Zielgruppen, Hamburg. Keller, Kevin L. (1993): Conceptualizing, Measuring, and Managing Customer-Based Brand Equity, in: Journal of Marketing, Vol. 57 (January), S. 1-22. Meffert, Heribert (2000): Marketing – Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, 9. Auflage, Wiesbaden. Meffert, Heribert/Bierwirth, Andreas (2001): Stellenwert und Funktionen der Unternehmensmarke – Erklärungsansätze und Implikationen für das Corporate Branding, in: Thexis, Fachzeitschrift für Marketing, Nr. 4, S. 5-11. Merbold, Claus (1994): Unternehmen als Marken, in: Bruhn, Manfred (Hrsg.): Handbuch Markenartikel, Teilband 1, Stuttgart, S. 105-119. Merbold, Claus (1995): Die Investitionsgüter-Marke, in: Markenartikel, 9. Jg., S. 414417. PriceWaterhouseCoopers/Sattler, Henrik (1999): Industriestudie: Praxis von Markenbewertung und Markenmanagement in deutschen Unternehmen, Frankfurt a. M. Simon, Hermann/Ebel, Bernhard/Hofer, Markus (2000): Das Börsenmarketing ist eine Herausforderung für den Vorstand, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 288 vom 11.12.2000, S. 33. Srivastava, Rajendra K./Shocker, Allan D. (1991): Brand Equity: A Perspective on Its Meaning And Measurement, Marketing Science Institute, Report No. 91-124, Cambridge (Mass.).
6
Zweiter Teil: Wertschöpfungsstufen der Kommunikation
Analyse von Umfeld und Meinungsbildung
Issues Management und Issues Monitoring
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Issues Management und Issues Monitoring Peter M. Wiedemann/Klaus Peter Ries
Unternehmen sind heutzutage unter Dauerbeobachtung: Sie agieren in einem öffentlichpolitischen Raum und müssen sich in immer größerem Ausmaß den Bewertungen der verschiedensten gesellschaftlichen Gruppierungen stellen. Wer diese Tatsache ignoriert, der handelt sich Risiken ein. Im schlimmsten Fall drohen Verluste von Märkten oder Eintrittsbarrieren für neue Märkte. Weniger dramatisch, aber immer noch schlimm: Es kommt zu Auflagen oder Einschränkungen für die Produktion, für Beschaffung oder Absatz. Es kommt also für Unternehmen darauf an, solche Herausforderungen frühzeitig zu identifizieren, um geeignete Schritte für den vorsorglichen Schutz des Unternehmens einleiten zu können. Hierzu bietet das Issues Management wertvolle Unterstützung. Der Beitrag erläutert zunächst die wichtigsten Spielarten dieses Ansatzes und stellt die Forschung zum Issues Management vor. Im Mittelpunkt steht dann die Beschreibung des Issues Management-Prozesses: die Issue-Identifikation, die Issue-Bewertung, die IssueAllokation und Entscheidungsfindung, die Entwicklung von Handlungsoptionen sowie deren Umsetzung und die Erfolgskontrolle. Abschließend finden sich Hinweise auf weiterführende Informationsquellen zu den verschiedensten Verfahren und Methoden, die beim Issues Management genutzt werden können.
1.
Grundlagen
Unter Issues werden potenzielle und tatsächliche Reizthemen verstanden, für die es noch keine Lösung gibt. Issues sind Anliegen von Anspruchsgruppen, die, wenn sie die öffentliche Meinung prägen, Konflikte für ein Unternehmen erzeugen. Eskalieren diese Konflikte, so können sie die Handlungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens stark einschränken.
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_14, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Für Unternehmen werden Issues meist dann offenbar, wenn sich Interessengruppen formieren, um ihre Anliegen zu thematisieren und ihre Ansprüche zu konkretisieren. Solche Ansprüche können sich dann über öffentliche Debatten zu politischen und gesetzgeberischen Anforderungen entwickeln, die dem Unternehmen unmittelbar schaden können. Issues können aber auch Chancen für ein Unternehmen beinhalten, die – wenn sie nur rechtzeitig erkannt und richtig aufgegriffen werden – dem Unternehmen sogar nutzen. Ein etabliertes Issue für die Handy-Hersteller und Mobilfunkbetreiber ist zum Beispiel die Elektrosmog-Debatte, deren Gegenstand denkbare Gesundheitsgefahren des Mobilfunks sind. Ein anderes Technologie-Issue, das die Nahrungsmittel-Industrie, die Chemie- und Pharmazie- Industrie betrifft, ist die öffentliche Debatte in Bezug auf die Biotechnologie, bei der in Deutschland zumindest bislang deren Befürworter weitgehend auf verlorenem Posten zu stehen schienen.
Definition: Issues Management Der Begriff „Issues Management” charakterisiert das Bestreben von Unternehmen, Anliegen von Anspruchsgruppen, die sich auf das Aktionsfeld eines Unternehmens in der oben skizzierten Weise auswirken können, frühzeitig zu identifizieren, deren „Karriere” bzw. die Haltung entsprechender Stakeholder im Unternehmenssinne gezielt zu beeinflussen und dort entsprechende unternehmenspolitische Korrekturen einzuleiten, wo die (voraussichtliche) IssueEntwicklung dies erfordert.
Das Management von Issues ist Teil einer Handlungskette, deren einzelne Glieder ineinander greifen: Beobachtung: Was verändert sich im Umfeld des Unternehmens und welche Risikopotenziale können damit verbunden sein? Priorisierung: Welche Themen sollten in welchem Umfeld vorrangig behandelt werden? Wo und wann muss das Unternehmen aktiv werden? Entwicklung von Optionen: Welche Vorsorgemaßnahmen sind möglich? Was kann getan werden, um geeignete Vorsorgemaßnahmen umzusetzen und krisenhaften Entwicklungen vorzubeugen? Bearbeitung: Implementierung von Maßnahmen zur Beeinflussung der IssueEntwicklung. Erarbeitung von Schubladenplänen für den Krisenfall. Kontrolle: Wie erfolgreich sind die eingeleiteten Maßnahmen? Wie entwickelt sich das Issue und welche Korrekturen des Maßnahmenplans sind erforderlich? Issues Management verbindet strategisches Management und Public Relations und leistet Beiträge für die Früherkennung von Risiken und Chancen für das Unternehmen, die sich aus öffentlichen Debatten ergeben können, das erlaubt die Vorbereitung auf öffentliche Auseinandersetzungen und Konflikte, die rechtzeitige Vermittlung der eigenen Positionen an Mei-
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nungsmacher in Politik, Behörden, Medien und Öffentlichkeit sowie für die frühzeitige Planung und Einleitung von Umstellungen im Unternehmen, falls sie erforderlich werden. Ob und in welchem Ausmaß ein Management von Issues erfolgreich sein kann, ist strittig (Power 2004), denn Unternehmen geraten immer wieder trotz eines mehr oder weniger funktionsfähigen Issues Managements in die Falle öffentlicher Empörung. Das bescheidenere Anliegen der Früherkennung scheint dagegen zumindest in der Theorie befriedigend lösbar. Zwar vermag auch das beste Issues Management nicht, die Eskalation möglicher Reizthemen zu verhindern, allerdings greift eine Reduktion des Issues-Management-Ansatzes auf eine Art Lobbying unserem Verständnis nach viel zu kurz. Vielmehr ist eine enge Verzahnung mit dem strategischen Management eines Unternehmens zu fordern. Ergibt die Issue-Analyse die latente Gefahr materieller Einschränkungen des Unternehmenserfolgs, ist die Unternehmensstrategie kritisch zu hinterfragen. In diesem Verständnis hat das Issues Management maßgeblich zur langfristigen Ausrichtung eines Unternehmens – bis hin etwa zur Wahl der Absatzmärkte, der Gestaltung des Technologie- und Produktportfolios – beizutragen (Ries/Wiedmann 1992). In den Forschungsansätzen zum Issues Management spiegelt sich dieses integrative Verständnis häufig jedoch nur unzureichend wider (Heath 1999).
2.
Entwicklungen des Issues Management-Ansatzes
Der Issues-Management-Ansatz wurde in den 80er Jahren in der Praxis der Public Relations großer US-amerikanischer Unternehmen entwickelt. Seitdem ist er – insbesondere in großen Unternehmen – zunehmend ein fester Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit (Oomens/van den Bosch 1999, Röttger 2001, Kuhn/Kalt/Kinter 2003). Die Forschung zum Issues Management – in Zeitschriften wie „Public Relations Review” und „Long Range Planning” – hatte ihren Höhepunkt in den 90er Jahren (Ewing 1997). Es lassen sich vier Entwicklungslinien unterscheiden. Zum einen finden sich Untersuchungen und Vorschläge zum Aufbau des Issues Managements in Organisationen. Es existiert außerdem ein Individualansatz. Hier stehen die kognitiven Prozesse (der Manager) bei der Identifikation und Bewertung von Issues im Mittelpunkt. Weiterhin findet sich ein Ansatz, der Issues Management unter kommunikativen Aspekten untersucht (Grunig/Hunt 1984, Vasquez 1996). Und schließlich beschäftigen sich vor allem Vertreter des strategischen Managements mit einem integrativen Issues Management. Der System-Ansatz des Issues Managements beschäftigt sich mit dem Ablauf und der Organisation des Issues Managements: Welche Aufgaben gehören zum Issues Management?
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Wer sollte diese Aufgabe übernehmen? Welche Verfahren und Werkzeuge lassen sich für die Lösung der anstehenden Aufgaben einsetzen? Da Issues Management – wie im Abschnitt zuvor erläutert – sowohl Public Relations als auch Planungsfunktionen strategischer Art aufweist, steht es auch in diesem organisatorischen Spannungsfeld. Je nachdem ob Public Relations oder die strategische Planung dominiert, wird das Issues Management in der Praxis anders konfiguriert (Lauzen 1997). Es liegt auf der Hand, dass zum Beispiel ein aus der Public-Relations-Abteilung geführtes Issues Management tendenziell einen geringeren Einfluss auf die Ausrichtung der Strategie eines Unternehmens haben wird, als ein aus der Unternehmensentwicklung, der strategischen Planung oder dem strategischen Marketing geführter Ansatz. Die zweite Richtung der Issues-Management-Forschung bezieht sich auf die Untersuchung der kognitiven Prozesse von Managern. Ausgehend davon, dass in Unternehmen wenige TopManager die wichtigen strategischen und organisatorischen Entscheidungen treffen (Daft/ Weick 1984, Weick/Sutcliffe 2001, Bazerman 2001), sind die hier gewonnenen Erkenntnisse ebenfalls bedeutsam. Dabei geht es u. a. um: Wie nehmen Manager Issues wahr? Wie bewerten sie diese und wovon hängt es ab, welchem Issue Aufmerksamkeit geschenkt wird? Wie entscheiden Manager unter Unsicherheit? Welche Urteilsfehler können sie dabei machen und wie lassen sich diese korrigieren? Diese Forschungsrichtung nimmt Bezug auf die kognitive Psychologie und versucht, deren Modelle, Methoden und Befunde zu nutzen (Dutton/Webster 1988, Dutton/Walton/Abrahamson 1989). In jüngster Zeit werden hier Brücken zwischen der Medienwirkungsforschung (z. B. Peters 2000) und der Risikowahrnehmungsforschung (z. B. Slovic 2000) geschlagen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Merkmale von Techniken oder Vorhaben, die Angst, Empörung oder Ablehnung auslösen und so ein Issue zum Issue machen. Die dritte Richtung des Issues Managements stellt die Kommunikation in den Mittelpunkt. Mitte der 70er Jahre hieß das: Unternehmen sollten nicht mehr die „silent children of society” sein. Vielmehr sollten sie klar und deutlich ihre Stimme erheben. Issues-Kommunikation wurde z. B. als „advocacy advertising” umgesetzt, um der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, welche Positionen ein Unternehmen zu einem Issue hat (Aduss/Ross 1988). Kommunikation in Sinne des Issue Advertising hieß demnach „Kampf”. Vertreter dieser Denkrichtung wie Lesly (1984), Schmertz (1988) oder Schmertz & Novak (1986) geben Anleitung, wie mit Medien oder Special Interest Groups umzugehen ist. Andere – eher weiche und konsensorientierte – Kommunikationsstrategien werden von Connor (1990) und Gray (1989) vorgeschlagen für den Umgang mit Issues, die auf Umwelt- und Gesundheits-Risiken basieren (siehe u. a. Sellnow 1993 sowie Wiedemann et al. 2000).
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Das Erkenntnisinteresse bezüglich der Issues-Kommunikation richtet sich auf mehrere Fragen: Welche Zielstellungen sind sinnvoll? Welche Kommunikationsstrategien stehen einem Unternehmen zur Verfügung? Wann und unter welchen Umständen sind welche Strategien angemessen? Welche Faktoren sind dabei zu beachten? Wovon ist der Erfolg abhängig? Analysen der Issues-Kommunikation haben den naiven Optimismus in die Möglichkeiten des rein Public-Relations-orientierten Issues-Managements relativiert. Sie zeigen aber auch den historischen Wandel von Kommunikationsnormen. Aggressive „advocacy”-Strategien wiechen immer mehr konsensorientierten Ansätzen (Renn/Webler/Wiedemann 2000), die nicht mehr Kampf, sondern Verhandlung und Vertrauensbildung in den Mittelpunkt rücken. So spielen neuerdings auch Dialog- und Partizipationsverfahren eine Rolle (Taylor/Vasquez/ Doorley 2003). In Deutschland ist das Issues Management seit den 1990er Jahren rezipiert worden. Es hat jedoch erst später eine intensivere Diskussion eingesetzt (Liebl 2000, Röttger 2001, Kuhn/Kalt/Kinter 2003). Das Issues Management ist auch mit anderen Ansätzen verknüpft worden. Dazu gehören u. a. das Lobbying (Trento 1992), die Krisenkommunikation (FearnBanks 1996, Pinsdorf 1999, Bazermann/Watkins 2004) sowie die Risikokommunikation (Ries/Wiedmann 1992, Wiedemann/Clauberg 2005). Bezüge gibt es auch zum Ansatz der Competitive Intelligence, die dem Erkennen von wettbewerbsrelevanten Chancen und Risiken dient (Kahaner 1996) sowie zum Futures Research (Ruff 2006). Der integrative Ansatz des Issues Managements, der eine enge Verzahnung mit der gesamten unternehmenspolitischen Ausrichtung fordert, wird im deutschsprachigen Raum unter anderem im Konzept des gesellschaftsorientierten Marketing diskutiert (Raffée/Wiedmann 1989, Ries/Wiedmann 1992). Dieser in der Unternehmenspraxis sicherlich am schwierigsten zu realisierende Ansatz bietet zugleich das größte Nutzenpotenzial für das Issues Management.
3.
Prozesse des Issues Managements
Im Folgenden werden Arbeitsmittel vorgestellt, die bei der Entwicklung eines eigenen IssuesManagement-Systems genutzt werden können. Die Darstellung erfolgt anhand der zu lösenden Aufgaben: Issues-Identifikation, Issues-Analysen, Issues-Priorisierung, Entwicklung von Handlungsoptionen, sowie Umsetzung und Erfolgskontrolle.
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3.1
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Issues-Identifikation
Der Gesamtprozess des Issues Management beginnt mit der Festlegung von Beobachtungsfeldern und zielt auf die Identifikation von relevanten Issues ab: Welche Entwicklungen oder Ereignisse können sich zu Schadensfällen für das Unternehmen ausweiten? Welche Chancen können sich ergeben? Leitfragen sind: Wo können Issues auftreten? Was kann als Issue auftreten? Wer kann Issues bewirken? Was kann schlimmstenfalls passieren? Bei der Suche nach Issues ist zum einen vom gesellschaftlichen Umfeld des Unternehmens auszugehen, zum anderen von Entwicklungen, Entscheidungen und Ereignissen, die vom Unternehmen bestimmt werden. Abbildung 1 zeigt die wichtigsten Optionen für die Durchführung der Issues-Suche auf.
Verfahren Brainstormingorientiert
Szenarioorientiert
Abbildung 1:
Interne Durchführung
Externe Unterstützung
Workshops mit Know-howTrägern aus dem Unternehmen
Workshop mit externen Experten, die relevante Beobachtungsfelder überschauen
Interne Szenario-Konstruktion und Delphis
Beauftragung von Dienstleistern für die Erstellung von Delphis und Szenarien
Verfahren der Issues-Identifikation
Unter Kosten- und Zeitaspekten ist der interne Brainstorming-Ansatz für die Issues-Beobachtung am besten geeignet. Dieser Ansatz ermöglicht die gerichtete Überwachung von geschäftsfeldrelevanten Issues. Weniger stark ist diese Option jedoch, wenn es um die „weichen Faktoren” (z. B. Akzeptanz, Risikowahrnehmung, ethische Issues) geht, die über den Erfahrungshorizont der eigenen Experten hinausgehen. Es empfiehlt sich deshalb auch, Szenario-Workshops mit externen Experten abzuhalten, um alle geschäftsfeldrelevanten Issues zu ermitteln. Für eine kontinuierliche Issues-Suche werden: (1) ein Issue-Koordinator, der für die Organisation des gesamten Suchprozesses verantwortlich ist, und (2) verschiedene Experten
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benötigt, die bereit sind, dem Koordinator über neue Issues in ihrem Arbeitsfeld zu berichten. Die benannten Experten können aufgefordert werden, entweder laufend oder zu festgelegten Zeitpunkten ein bis zwei Mal im Jahr Issues zu benennen. Drei verschiedene Instrumente lassen sich für die Issues-Identifikation nutzen: Exploration über die Umfeldanalyse. Hierbei werden Issues aus der Sicht relevanter Themen geprüft, die sich im Umfeld des Unternehmens entwickeln. Exploration über die Stakeholderanalyse. Sie orientiert sich an den Interessen und Anliegen von Anspruchsgruppen und den Issues, die sich daraus ergeben können. Exploration über die Worst-Case-Analyse. Dabei geht man von möglichen zukünftigen „schlimmsten Fällen” aus, deren Entwicklung aus der Gegenwart heraus antizipiert wird. Unabhängig von der gewählten Vorgehensweise lassen sich verschiedene Methoden zur Identifikation von Issues einsetzen. Das Kernproblem der Issues-Identifikation ist die Signalerkennung. Daher kommt dem Schritt der Suchraumdefinition eine besondere Bedeutung zu. Für diese schwierige Aufgabe stehen sowohl Kreativitätstechniken als auch Forecasting-Methoden zur Verfügung. Kreativitätstechniken unterstützen das Denken außerhalb gewohnter Bahnen. Morphologische Methoden sind beispielsweise systematisch-analytische Verfahren, um die Ideenfindung durch geordnetes Denken zu strukturieren. Das explorative Verfahren des Brainstormings hingegen lebt vom offenen Aussprechen der Gedanken und dem Aufgreifen und Weiterentwickeln der Ideen anderer (Klubnik/Greenwood 1994, Jones 1995). Einen anderen Zugang bieten Delphi-Verfahren. Der Kern des Verfahrens besteht darin, in mehreren Runden Expertenmeinungen, zum Beispiel zur zukünftigen Technologieentwicklung, einzuholen. Anhand eines strukturierten Fragebogens beurteilen in der Regel eine größere Anzahl von Experten bestimmte Thesen. In einer (oder mehreren) Feedback-Runden erhalten die Experten die Möglichkeit, vor dem Hintergrund der Einschätzungen der Fachkollegen die eigenen Urteile zu überdenken und gegebenenfalls zu modifizieren. Der Aufwand ist als mittel bis hoch einzuschätzen. Die Technik des Risk Mapping – ein Beispiel dafür ist der Ansatz der Schweizer Rückversicherung (Shimpi 1999) – wurde in den 1990er Jahren entwickelt, um mögliche Risiken zu katalogisieren und zu quantifizieren. Unternehmen sollen so in die Lage versetzt werden, bereichsübergreifend Risiken zu entdecken, sie zu vergleichen und angemessene Ressourcen für das Management dieser Risiken vorzuhalten. Die Stufen im Risk Mapping sind: Planung: Auswahl von Parametern zur Bewertung der Risiken Klassifikation: Entwicklung eines Ansatzes zur Risikokatalogisierung Identifikation: Aufbau einer Liste relevanter Risiken Bewertung: Beurteilung der Bedeutsamkeit der Risiken Analyse: Entwicklung der Risk Map
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Nach vorgegebenen Suchrastern werden in einem Survey die wichtigsten Risiken erhoben. Beim Risk Mapping werden alle Bereiche eines Unternehmens (Umwelt, Produkthaftung, Naturkatastrophen, Patentverletzungen, Veränderungen von Rechtsordnungen, Währungsrisiken, Produktsabotage, Unterbrechungen von Geschäftsabläufen sowie Datenverluste in der EDV) betrachtet. Ziel ist es, die Risiken mit den größten Auswirkungen auf ein Unternehmen zu erfassen. Dabei werden zwei Bewertungsdimensionen verwendet: zum einen die Wahrscheinlichkeit des Risikos, zum anderen die Schwere des Risikos, das heißt das Schadenspotenzial für das Unternehmen. Solche Surveys werden kreuzvalidiert. Sie werden neben den Managern von Unternehmen auch externen Experten (z. B. Vertretern von Rückversicherungen) vorgelegt. Dissense werden dann weiter exploriert, um sie nach Möglichkeit auszuräumen. Der Flaschenhals der Issues-Identifikation ist jedoch die „richtige“ Auswahl der Teilnehmer. Beim Einsatz der skizzierten Methoden kommt es auf die „Köpfe“ an. Es bietet sich an, zunächst ein Team von Führungskräften und Mitarbeitern zu bestimmen, die bei der Erkennung aktueller und künftiger Issues wertvollen Input geben können. Die Zusammensetzung des Teams ist so zu wählen, dass den verschiedenen Umfeldern des Unternehmens Rechnung getragen wird, aus denen Issues erwachsen können. Es gilt, das sozio-kulturelle, das politisch-rechtliche, das ökologische, das technologische, das marktliche Umfeld systematisch nach möglichen Issues zu „screenen”. Die Definition der Issues-Felder erfolgt anhand der Branche, der speziellen Situation und der Strategie des jeweiligen Unternehmens. Denkbar ist auch, diesen Prozess der Analyse mehrstufig zu durchlaufen: Die Issue-Suche kann zunächst in den Facheinheiten beginnen (zum Beispiel generiert zunächst die Forschung potenzielle technologische Issues, Marketing und Vertrieb beleuchten das marktliche Umfeld usw.). In einem zweiten Schritt werden dann die Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen aggregiert und den jeweils anderen Teams zur Bewertung vorgelegt. Ein solcher an der oben grob skizzierten Delphi-Methode angelehnter Prozess sollte schließlich in einem Management-Workshop münden, in dem die vorab selektierten Issues ergänzt, diskutiert und endgültig priorisiert werden.
3.2
Issues-Analyse
Das Ziel der Bewertung möglicher Issue-Folgen ist es, sich auf die wirklich relevanten Issues konzentrieren zu können. Eine zu starke Fokussierung auf die Sammlung von Issues (Was könnten neue Chancen oder Risiken sein?) führt zu Datenmengen, die leicht eine unüberschaubare Komplexität erreichen. Im Weiteren werden allein die Issues behandelt, die ein Schadenspotenzial für das Unternehmen aufweisen. Issues als Chancen sind nach anderen Maßstäben zu bewerten.
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Die Bewertung der Issues ergibt sich aus folgenden Aspekten: Relevanz: Hat das Issue einen speziellen Bezug für das Unternehmen oder ist es ein Globalthema, das weiter konkretisiert werden muss? Issue-Typ: Ist das Issue resonanzfähig in der Öffentlichkeit (Public-Issue) oder wird es in der öffentlichen Diskussion keine Rolle spielen (Non-Public-Issue)? Reichweite: Welche geografische Reichweite hat das Issue? Wo tritt es auf? Betroffenheit: Wie groß ist die eigene Betroffenheit gegenüber der von Wettbewerbern? Entwicklungsgrad: Wie weit ist das Issue bereits entwickelt und welche Einflussnahme/Handlungsmöglichkeit besteht damit noch? Künftige Entwicklung: Wie wird sich das Issue in Zukunft weiter entwickeln? Schadensart und Schadenspotenzial: Welchen Schaden kann das Issue bewirken? Welche ökonomischen und welche außerökonomischen, z. B. auf das Image bezogene, Schäden können wann und wo anfallen, wenn sich das Issue entfaltet? Die Bewertung der Issue-Folgen sollte direkt im Anschluss an die Identifikation erfolgen. Federführend sind der Issue-Koordinator sowie Experten aus der Unternehmenskommunikation und aus den verschiedensten operativen Bereichen des Unternehmens. Je nach Fall ist zu entscheiden, ob zusätzliche Experten bzw. Expertisen herangezogen werden müssen. Zur Erweiterung der Wissensbasis zur Abschätzung der Issue-Folgen stehen folgende Optionen zur Wahl: Nutzung des internen Informationsaustausches, Vergabe von Gutachten an Externe, Initiierung von Gesprächskontakten mit Anspruchsgruppen sowie Durchführung von Literatur-Reviews und Abfrage von Datenbanken. Im Bewertungsprozess sind zwei Typen von Schäden für das Unternehmen zu unterscheiden. Es sind zum einen Reputationsrisiken und zum anderen Einwirkungen auf das operative Geschäft eines Unternehmens. Zu den letzteren gehören mögliche Auswirkungen auf Marktgröße und -umfang, auf die Konsumentenakzeptanz, das intellektuelle Eigentum und Distributionsmöglichkeiten. Hierzu zählen auch Auswirkungen auf das eigene Know-how, Umstellungsfähigkeiten, die Abhängigkeit von externen Partnern etc. Schließlich muss geprüft werden, ob Issues Auswirkungen auf technologische Standards, Produkthaftungsfragen, Verfügbarkeit von Rohstoffen oder Ähnliches haben. Bei der Bewertung von Issues kommt es vor allem darauf an, potenzielle Informationsfilter bzw. -pathologien zu überwinden, denn nur so ist gewährleistet, dass eine nicht-subjektive und vollständige Bewertung erfolgt. Im Einzelnen unterscheidet man: den Verfahrensfilter (zu enge oder zu weite Beobachtungsbereiche), den mentalen Filter (Relevanzbeurteilung ist von subjektiven Wertungen abhängig) und den Machtfilter (strategisch relevante Information wird qua Macht herausgestrichen).
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Dominiert etwa einseitig die Expertensicht innerhalb eines Unternehmens, werden von Expertenmeinungen häufig die psychologischen und gesellschaftlichen Aspekte der Risikobewertung falsch eingeschätzt. Für die Bewertung von Issues ist es daher besonders wichtig, gesellschaftliche Wertungen sowie Reaktionen einzuschätzen, die das Mobilisierungspotenzial der Issues bestimmen. Dabei geht es um die Frage, welche Issues in der Öffentlichkeit auf Grund welcher Attribute besondere Aufmerksamkeit erringen und wie sie sich zu Kontroversen und Krisen zuspitzen. Für die Früherkennung sind solche Informationen über das Mobilisierungspotenzial besonders wertvoll. Indikatoren für eine mögliche Verstärkung der Risikowahrnehmung sind (vgl. National Research Council 1996, Wiedemann et al. 2000): Das Issue weist dramatische Qualitäten auf: Es ist charakterisiert durch einen hohen „Dread“-Faktor, also sehr stark angst- und empörungsauslösend. Es betrifft eine große Anzahl von Menschen. Es ist verständlich und anschlussfähig an bestehende Überzeugungen. Es hat einen hohen Medienwert. Die Betroffenen sind als Individuen identifizierbar, wodurch sich ein öffentliches Publikum leicht mit den Opfern identifizieren kann. „Täter" – etwa ein Unternehmen oder dessen Mitarbeiter – können rasch ausgemacht werden. Die gesellschaftliche Risiko-Nutzen-Verteilung des Issues wird als ungerecht erlebt. Strukturähnliche Issues haben in der Vergangenheit zu Kontroversen geführt. Den verantwortlichen Institutionen wird nicht vertraut bzw. ihnen fehlt die gesellschaftliche Legitimation.
3.3
Issue-Priorisierung
Nachdem Issues analysiert und beurteilt worden sind, geht es um die Weichenstellung: Was ist zu tun? Diese Entscheidung ist vor allem von zwei Kriterien abhängig: von dem Entwicklungsgrad des Issues und von dessen Auswirkungen auf das Unternehmen. Im Prinzip bietet sich hier eine Aufteilung in drei Klassen von Issues an (siehe Abb. 2): Issues mit dringlichem Handlungsbedarf (Assessment Area 1) Issues mit Planungsbedarf (Assessment Area 2) Issues mit Beobachtungsbedarf (Assessment Area 3)
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Issues mit großen Business-Auswirkungen, die als Konflikt-Issues bereits etabliert sind (Assessment Area 1), verlangen rasches Handeln, da sie ein beträchtliches Krisenpotenzial besitzen. Hier kommt es darauf an, solche Issues im Detail zu analysieren, Szenarien zu deren weiterer Entwicklung zu durchdenken und so Handlungsstrategien festzulegen. Es ist als Erstes zu entscheiden, wer im Unternehmen die „Issue-Verantwortung“ übernimmt. Das heißt: Wird das Issue vom Corporate Center, einer Business-Einheit oder einer anderen Einheit (z. B. Landesrepräsentanz) verantwortlich gemanagt? Ein Beispiel für diese IssueKlasse ist ein akuter Vorfall, etwa ein Produktrückruf.
Abbildung 2: Allokation der Issues nach der Handlungsdringlichkeit (Quelle: Ries/Wiedemann 2003: 20) Issues, die weniger dringend sind, weil sie erst beginnen, öffentliches Interesse zu erlangen und noch nicht klar abzusehen ist, wie sie sich entwickeln werden (Assessment Area 2), sind weiter zu beobachten. Auch hier ist über die Issues-Verantwortlichkeit im Unternehmen zu entscheiden. Bei dieser Issues-Klasse besteht noch die Chance, proaktiv tätig zu werden und Einfluss auf die weitere Entwicklung des Issues zu nehmen. Organisatorisch erfolgt die Prioritätensetzung bezüglich der Issues am besten mittels eines Workshops, der an die Issue-Bewertung unmittelbar anschließt. Dabei sollten neben dem Issue-Koordinator auch Vertreter der Geschäftseinheiten und der Kommunikationsabteilung mitarbeiten. Nach erfolgter Prioritätssetzung ist außerdem für jedes Issue ein Issue-Manager zu benennen. Der Issue-Manager übernimmt die fachliche Federführung zu einem Issue. Der IssueKoordinator übernimmt dagegen die Organisation und Prozess-Steuerung des weiteren übergreifenden Issues Managements.
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3.4
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Entwicklung von Handlungsoptionen
Ziel dieser Prozessstufe ist es, im ersten Schritt möglichst viele Handlungsoptionen für den Umgang mit den Issues zu finden. Drei Basisoptionen sollten immer betrachtet werden: Welche Chancen können sich durch das Issue ergeben? Lässt sich die Entwicklung eines Issues z. B. durch Kommunikation beeinflussen (Widerstand)? Welche Möglichkeiten und Notwendigkeiten bestehen, sich der Issue-Entwicklung durch Anpassung zu fügen?
Ermittlung der Optionen
– Bieten sich kommunikative Lösungen an, oder liegt die Problemlösung eher in der Umstrukturierung von Produkten oder Produktionsprozessen? – Können die Issues in Chancen umgewandelt werden?
Bewertung der Optionen und Auswahl
– Welche Kosten fallen mit den Maßnahmen an? – Welchen Nutzen können die Maßnahmen haben? – Wie sehen die Randbedingungen für den Erfolg bzw. Misserfolg der Maßnahmen aus? – Zusammenfassende Beurteilung und Erarbeitung einer Entscheidungsvorlage für die Entscheidungsträger im Unternehmen.
Abbildung 3:
Schritte bei der Entwicklung von Handlungsoptionen
Im zweiten Schritt sind diese Optionen zu bewerten, um geeignete Ansätze auswählen zu können (vgl. Abbildung 3). Im Kern geht es dabei um eine Abwägung von Kosten und voraussichtlichem Nutzen der einzelnen Maßnahmenpakete. Eine realistische Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit insbesondere von Widerstandsstrategien ist obligatorisch, fällt aber besonders dann nicht leicht, wenn ein Issue das Herzstück oder die Grundannahmen eines Unternehmens berührt. Die Auswahl von Handlungsoptionen für das Issues Management wird von einer Task Force durchführt, die für jedes Issue zu bilden ist. Generell gilt: Jede Task Force hat einen IssueKoordinator und einen Issue-Manager. Neben technischen bzw. naturwissenschaftlichen Experten sind auch Experten für das politische Umfeld sowie die Kommunikation heranzuziehen. Die Auswahl einer Managementoption kann anhand der in Abbildung 4 genannten Kriterien erfolgen. Ein stärker formalisiertes Entscheidungsfindungsverfahren ist hier nicht angemessen. Die Abwägung der verschiedenen Bewertungsaspekte sollte in einer Diskussion erfolgen. Die Bewertung erfolgt qualitativ.
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Bewertungskriterien
Beschreibung
Kosten der Maßnahme
Die verschiedenen Maßnahmen sind bezüglich der Kosten des Issues Managements zu bewerten (hoch, moderat, niedrig).
Nutzen der Maßnahme
Die verschiedenen Maßnahmen sind nach dem Nutzen für das Issues Management zu bewerten (sicher, wahrscheinlich, fraglich).
„Best case”-Szenario für den Erfolg der Issues-Management-Maßnahme
Hier sind die wichtigsten Randbedingungen für den Erfolg auszuweisen.
„Worst case”-Szenario für den Misserfolg der Issues-ManagementMaßnahme
Hier sind die wichtigsten Randbedingungen für den Misserfolg auszuweisen.
Abbildung 4:
Bewertungskriterien für die Auswahl von Handlungsoptionen
Im Anschluss an die Auswahl der besten Handlungsoption für das Issues Management ist eine Entscheidungsvorlage zu erarbeiten und an die entsprechenden Entscheidungsträger im Unternehmen zu kommunizieren. Es ist auch zu bestimmen, ob das Unternehmen eine Führungsrolle beim Management des Issues spielen soll oder diese an Verbände oder an Konkurrenten abgegeben werden kann und soll.
3.5
Umsetzung und Erfolgskontrolle
Ziel der Umsetzung und Erfolgskontrolle ist eine dem Issue-Typ angemessene Organisation des Issues Managements sowie ein möglichst effektiver Umgang mit den Issues. Zu leisten sind: Umsetzung der Strategie und der Issues-Management-Maßnahmen; Definition eines Zeitplans und entsprechender Milestones; kontinuerliche Evaluation der Issues-Entwicklung; Monitoring der Issues-Management-Resultate und ggfs. Einleitung korrigierender Maßnahmen; regelmäßige Berichterstattung an den Issue-Koordinator und das Management.
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Die anstehenden Aufgaben werden von einer speziell einzusetzenden Task Force erledigt. Von ihr wird erarbeitet, welche konkreten Positionen das Unternehmen zum Issue vertritt und welche Issues-Management-Strategie verfolgt wird. Bei der Zusammensetzung der Task Force ist darauf zu achten, dass sowohl Experten (je nach Issue z. B. wissenschaftliche, juristische oder technische Experten) als auch Vertreter der betroffenen Geschäftsbereiche vertreten sind. Unterstützt werden sie durch Kommunikations- bzw. Public-Relations-Verantwortliche. Die Leitung der Task Force sollte je nach Phase der Issue-Entwicklung und des Issue-Themas vergeben werden. So kann es sich anbieten, in sehr frühen Phasen der Entwicklung die Leitung den wissenschaftlichen Experten anzuvertrauen, da die Issue-Entwicklung zu diesem Zeitpunkt am ehesten noch mit Fakten und Argumenten zu beeinflussen ist. Zu keinem Zeitpunkt darf die Task Force aber ohne enge Anbindung an die Geschäftsverantwortlichen arbeiten. Die Task Force muss ebenfalls definieren, wer was zu welchem Zeitpunkt gegenüber externen Vertretern, insbesondere den Medien, sagt.
4.
Informationen zum Issues Management
Wer sich näher mit dem Thema „Issues Management“ beschäftigen will, findet im World Wide Web sehr viele Fundstellen, allerdings nur wenige wirkliche Treffer. Zu den Websites, die informativ zum Thema berichten und auf denen sich auch rasch ein Überblick zu Nachrichten und aktuellen Entwicklungen gewinnen lässt, gehört das Internetangebot des „Issue Management Council“ (www.issuesmanagement.org). Dort kann auch eine IssuesManagement-Bibliografie bezogen werden. Interessant ist auch „The Public Relations Resource Centre“ aus Neuseeland (http://praxis.massey.ac.nz), das auf eine ganze Reihe von Ressourcen hinweist und das eine wissenschaftliche Online-Zeitschrift betreibt, die zum Download bereitsteht. Brauchbare Informationen zum Krisenmanagement finden sich beim Krisennavigator (www. krisennavigator.de). Neuere Literatur zur Krisenkommunikation findet sich bei Millar/Heath (2004). Einen integrierten Ansatz haben Pauchant/Mitroff (1992) erarbeitet. Wer sich für Informationen zur Risikokommunikation interessiert, findet bei Gray/Wiedemann (2000) eine kommentierte Bibliografie. Das National Cancer Institute der USA hat eine OnlineBibliografie erstellt.1 Von der OECD liegt ein Strategiepapier zur Risikokommunikation vor (OECD 2002). Schließlich stellt die National Library of Medicine online eine Datenbank zur Verfügung, aus der kostenfrei Dokumente heruntergeladen werden können.2 Die Internetsei-
1 2
http://dccps.nci.nih.gov/DECC/riskcommbib/intro.html http://www.nlm.nih.gov/pubs/cbm/health_risk_communication.html
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ten des Navy Environmental Health Center (NEHC), Environmental Programs Directorate zur Risikokommunikation stellen eine Ansammlung von Dokumenten bereit, die zum Teil auch als ein Leitfaden für Risikokommunikation für spezielle Organisationsstrukturen angesehen werden können.3 Ein genereller Leitfaden und Einstieg in die Risikokommunikation wird von der Agency for Toxic Substances and Disease Registry (ATSDR) angeboten.4
5.
Resümee
Der Issues Management-Ansatz ermöglicht Unternehmen, Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld früher zu erkennen, diese bei der strategischen Planung zu berücksichtigen und schließlich auch zu steuern. Für den Prozess erfolgreicher Identifikation von Issues ist die Anwendung einer systematischen Suchstrategie erforderlich. Da prinzipiell immer mehr Issues identifiziert werden können, als Bearbeitungskapazitäten vorhanden sind, spielt die Auswahl der relevanten Issues eine entscheidende Rolle. Als ein wesentliches Qualitätsmerkmal für die Auswahl von Issues wurde das Vorhandensein eines expliziten Bewertungssystems identifiziert. Dies muss transparent und mit allen am Prozess Beteiligten abgestimmt sein. Von besonderer Bedeutung ist auch die Generierung von Handlungsoptionen – hierbei kommt es vor allem auf eine breite Suche an, die auch ungewöhnliche Alternativen bedenkt. Neben der Güte der Schlüsselprozesse des Issues Managements ist der Erfolg maßgeblich von der „Organisationskultur“ abhängig. Nur wenn ein Managementsystem die volle Unterstützung aller Leitungsebenen besitzt, wird es den gesetzten Zielen gerecht werden können. Darüber hinaus müssen alle anderen Funktionsbereiche der Organisation auf das Issues Management abgestimmt sein bzw. dessen Arbeit unterstützen. Der Grad der Integration des Systems in die Organisation ist ein Qualitätsmerkmal. Häufig scheitern Ansätze zum Issues Management an mangelnder Bereitschaft zur abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit. Besonders komplex erscheint die Implementierung eines Issues Managements in Unternehmen mit mehreren Geschäftsbereichen bei gleichzeitig stark funktionaler Organisationsstruktur. Nicht nur müssen hier die Abteilungsbarrieren überwunden werden, sondern es gilt darüber hinaus, die gelegentlich durchaus unterschiedlichen Sichten auf ein Issue unter einen Hut zu bringen und anschließend alle Beteiligten auf eine „one voice policy“ zu verpflichten. 3 4
http://www-nehc.med.navy.mil/HERC/index.htm http://www.atsdr.cdc.gov/HEC/primer.html
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Die Güte eines Früherkennungssystems hängt vor diesem Hintergrund auch von den eingesetzten Ressourcen ab. Dazu zählen vor allem anderen die richtige Auswahl der „Köpfe“ und die Sensibilisierung aller Mitarbeiter für die Idee. Die Akzeptanz in der Organisation ist vor allem entscheidend, um ein solches System am Leben zu erhalten.
Literatur
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Corporate Foresight und strategisches Issues Management
303
Corporate Foresight und strategisches Issues Management: Methoden zur Identifikation der Trends und Themen von morgen Michael Kuhn/Frank Ruff
Die Geistesverwandtschaft von Issues Management und Zukunftsforschung legt es nahe, enge Kooperationen zwischen beiden Feldern im Unternehmen anzulegen und gemeinsame Projekte zu verfolgen. Diese konzeptionelle Nähe gründet in dem gemeinsamen Interesse an gesellschaftlichen Umfeldveränderungen, dem Ziel der systematischen Früherkennung relevanter Entwicklungen sowie dem Ziel, Chancen und Risiken für die strategische Unternehmensführung und die Unternehmenskommunikation zu identifizieren. Die langfristig angelegte Analyse des gesellschaftlichen Wandels und möglicher Strukturbrüche in der Zukunftsforschung und die kurz- und mittelfristig orientierte Handlungsperspektive des Issues Managements ergänzen sich zeitlich und thematisch. Dieser Beitrag verdeutlicht, wie Corporate Foresight (Zukunfts- und Trendforschung) sowie strategisches Issues Management organisiert werden und als Methoden mit gemeinsamen Wurzeln, aber unterschiedlicher Stoßrichtung einen Beitrag zum Unternehmenserfolg liefern.
1.
Corporate Foresight und strategisches Issues Management
Zukunfts- und Trendforschung sowie Issues Management teilen gemeinsame historische und geistige Wurzeln (Liebl 2003). Beide Felder entstanden in den 1970er Jahren aus der Erfahrung und Erkenntnis, dass langfristiger ökonomischer Erfolg von Unternehmen nicht ausschließlich über die Beherrschung der jeweiligen Kernfunktionen der Wertschöpfung sowie M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_15, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Michael Kuhn/Frank Ruff
erfolgreiche Positionierung in Markt und Wettbewerb zu erzielen ist, sondern strategisches Denken unter Einbeziehung des gesellschaftlichen Umfeldes erfordert. Eine zweite Gemeinsamkeit liegt in dem Ansatz, eine Frühwarnungs- bzw. Frühaufklärungsfunktion zu etablieren, die das Ziel hat, organisationsrelevante Veränderungen im Umfeld des Unternehmens so früh wie möglich zu entdecken und zu antizipieren. Drittens geht es in beiden Bereichen um die Identifikation zukünftiger Risiken und Chancen sowie die Unterstützung der strategischen Orientierung des Unternehmens. Zukunfts- bzw. Trendforschung bezeichnet ähnlich wie Issues Management keine klar umrissene wissenschaftliche Disziplin, sondern ein relativ junges und sich dynamisch weiterentwickelndes Mosaik von Tätigkeitsfeldern. Im englischsprachigen Raum kursieren Begrifflichkeiten wie Futures Studies, Future Research oder neuerdings Foresight, im Unternehmenskontext Corporate Foresight (Burmeister/Neef/Beyers 2004, Ruff 2006). In der betriebswirtschaftlichen und unternehmensbezogenen Diskussion werden im Zusammenhang mit Zukunftsanalysen häufig die Begriffe Strategisches Issue Management, Frühwarnung, Früherkennung und Frühaufklärung genannt (Liebl 1996). Es gibt weder eine einheitliche Begrifflichkeit noch eine allgemein gültige Definition. Für eine Zukunftsforschung im Unternehmenskontext hat sich ein pragmatisch geprägtes Verständnis herausgebildet: „Zukunftsforschung für Unternehmen versteht sich als eine wissensorientierte Dienstleistung zur Vorbereitung und Unterstützung ihres strategischen Zukunftshandelns. Eine Zukunftsforschung mit diesem Anspruch zeichnet sich aus durch: eine mittel- bis langfristige Orientierung, einen wissenschaftlich fundierten Methodeneinsatz, einen praxis- und disziplinenübergreifenden Ansatz sowie eine klare Handlungsorientierung“ (Burmeister et al. 2002: 13). Neben diesen grundlegenden Gemeinsamkeiten gibt es Unterschiede, die in den unterschiedlichen Funktionen von Corporate Foresight und Issues Management gründen. Im Fokus des Issues Managements stehen ursprünglich Thematisierungs- und Kommunikationsprozesse im gesellschaftlichen Umfeld, also Herausforderungen, die über das Mediensystem („Media Issues“) und Kommunikationsprozesse in der Gesellschaft entstehen und die Konfliktpotenziale für das Unternehmen bergen (Röttger 2001). Die Beschränkung auf externe Konflikte ist aus heutiger Sicht jedoch zu eng, weil auch innerhalb von Unternehmen konflikthafte Thematisierungsprozesse entstehen (z. B. über Personalpolitik, Arbeitsbeziehungen, Corporate Governance) und weil Themen, die im gesellschaftlichen Umfeld diskutiert werden, auch häufig im Unternehmen Resonanz finden. Andererseits können Thematisierungsprozesse nicht nur Risiken, sondern auch Chancen beinhalten. Ein modernes Verständnis von Issues Management bedeutet deshalb, sowohl die Aussen- als auch die Innensicht einzunehmen und sowohl die Risiken als auch die Chancen in die Betrachtung einzubeziehen. Auf Grund der rasanten Geschwindigkeit von Kommunikationsprozessen in Mediengesellschaften, der schnellen Karriere, aber auch dem ebenso schnellen Abstieg von Themen, liegt der Handlungsschwerpunkt des Issues Management in der kurz- bis mittelfristigen Beobachtung und gegebenenfalls gezielten Beeinflussung von unternehmensrelevanten Issues. Das Untersuchungsfeld unternehmensbezogener Zukunftsforschung ist im Hinblick auf die als relevant erachteten Gegenstandsbereiche thematisch breiter und im Allgemeinen auch langfristiger angelegt (vgl. Abbildung 1 sowie Kuhn 2001). Zukunftsforschung untersucht
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305
mittel- und langfristige Umfeld- und Marktentwicklungen, die allgemeine strategische Bedeutung haben könnten, sowie Chancen und Risiken für die Weiterentwicklung bestehender bzw. die Entstehung neuer Technologien, Produkte, Dienstleistungen und Verfahren beeinflussen. Die Zukunftsforschung untersucht also auch Entwicklungen, die heute und in näherer Zukunft (wahrscheinlich) nicht Gegenstand von konflikthaften Kommunikationsprozessen werden, jedoch eine strategische Bedeutung für das Unternehmen haben. Im Rahmen der Zukunftsforschung werden jedoch immer wieder auch Themen entdeckt, die Konflikt- oder Chancen- und somit Issue-Potenzial haben und damit auch für das Issues Management relevant sind bzw. werden können (vgl. Abbildung 3). Genau hier liegt eine interessante Konvergenz der Ziele und Perspektiven von Issues Management und Zukunftsforschung, die es nahe legt, enge Kooperationen zwischen Corporate Foresight und Unternehmenskommunikation im Unternehmen anzulegen und gemeinsame Projekte zu verfolgen.
Abbildung 1:
Themenfelder und Zeithorizont von Corporate Foresight und Issues Management
Im Hinblick auf die organisatorische Verankerung von Issues Management sowie Corporate Foresight sind in der Praxis unterschiedliche Varianten zu beobachten. Zukunftsforschungsbereiche wurden in internationalen Großunternehmen häufig als Teil von Forschungs-, Technologie- und Innovationsbereichen gegründet (z. B. DaimlerChrysler, Deutsche Telekom, Philips). Daneben findet man auch die Variante einer Eingliederung in zentrale Konzernstrategiebereiche (z. B. Deutsche Bank, Shell). Issues Management ist oftmals innerhalb der Unternehmenskommunikation installiert (z. B. Bertelsmann, DaimlerChrysler), da dieser
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Unternehmensbereich maßgeblich mit der Steuerung von Informationen befasst ist und über ein breites Netzwerk innerhalb der Organisation und des Medienmarktes verfügt. Den Anforderungen des Issues Management-Prozesses entsprechend, liegen der Unternehmenskommunikation Strukturen zugrunde, die es ermöglichen, die zunehmende Umweltkomplexität und -dynamik und insbesondere die Beziehungen zwischen den differenzierten Kommunikationsaufgaben und -instrumenten sowie den Akteuren angemessen zu bearbeiten (Herger 2001). Dies bezieht sich zum einen auf die frühzeitige Identifikation eines Issues, zum anderen auf die Koordination von aufeinander abgestimmten Kommunikationsmaßnahmen, die die relevanten Zielgruppen berücksichtigen.
2.
Identifikation zukünftiger Issues und deren Integration in die Unternehmenskommunikation
Für ein strategisches Management von Issues in der Unternehmenskommunikation sind einerseits Instrumente zur Identifikation und Bewertung von gesellschaftlichen Umfeldentwicklungen und Themenkarrieren erforderlich, andererseits Methoden und Prozesse, mit denen ein agiles und vernetztes Kommunikations- und Managementsystem in der Unternehmenskommunikation etabliert werden kann.
2.1
Zukunftsanalyse mit Szenarien und Trends
Das Methodenspektrum der Zukunftsforschung ist vielfältig (Glenn/Gordon 2004, Ruff 2006). Für die Identifikation von strategischen Issues sind jedoch drei Methoden von besonderer Bedeutung: die Szenario-Analyse, die Trendforschung sowie die SWOT-Analyse. Diese Methoden erfüllen den Anspruch zukunftsorientierten Denkens, betrachten Wechselwirkungen und alternative Entwicklungen und erlauben schließlich eine effiziente, ökonomische Ableitung von Maßnahmen. Der Schwerpunkt bei der Szenario-Analyse liegt beim ganzheitlichen Verständnis möglicher Zukünfte (strategischer Überblick, Makroperspektive), bei der Trendforschung beim Verständnis von gesellschaftlichen Veränderungen und ihren Treibern (Dynamik des Wandels, Meso- und Mikroperspektive), bei der SWOT-Analyse dagegen bei der Identifikation von Chancen und Risiken für das Unternehmen sowie Handlungsmöglichkeiten (Handlungsperspektive).
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307
2.1.1 Szenarioanalyse Szenarien sind Bilder zukünftiger Umfeldkonstellationen. Der Akzent liegt hierbei auf der Antizipation langfristig denkbarer Situationen in einem Ereignisraum, der sowohl die kontinuierliche Fortsetzung gegenwärtig zu beobachtender Entwicklungen in einem sogenannten „Trend-Szenario“ erfasst wie auch extreme Veränderungen durch systemische Wechselwirkungen zwischen Einflussfaktoren („Extrem-Szenarien“) oder überraschende plötzliche Ereignisse („Störfall-Szenarien“). Die Stärken von Szenarien liegen darin, dass sie die Langfristwirkungen von Veränderungen oder plötzlichen Ereignissen vorstellbar bzw. plausibel machen („Thinking the unthinkable“), Ungewissheit und Komplexität reduzieren sowie einen integrierten Blick auf „das Ganze“ ermöglichen, also z. B. die zukünftige Situation eines Unternehmens im gesamten internationalen, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld vorausdenken. Die damit notwendigerweise einhergehenden Schwächen sind Ungenauigkeiten der Auflösung auf der Mikroebene, wie z. B. mangelnde Segmentierung (welche Akteursgruppe verändert sich konkret wie?) und Ungenauigkeiten bei der Projektion der Dynamik von Veränderungen (wie verläuft der Prozess der Veränderung?). Diese Schwächen können durch zusätzliche Methoden ausgeglichen werden (z. B. MehrebenenSzenario-Analyse, Szenarien mit Verlaufspfaden, Ergänzung der Szenario-Analyse durch Trendanalysen).
Abbildung 2:
Typischer Ablauf eines Szenario-Prozesses
Szenarien erfordern in erster Linie eine breit angelegte Mobilisierung von Wissen und Perspektiven zur Fragestellung. Im Idealfall besteht das Szenario-Team aus Vertretern verschiedener Fachdisziplinen und Funktionen (Entwicklung, Produktion, Marketing, Kommunika-
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Michael Kuhn/Frank Ruff
tion, internationale Funktionen etc.) des Unternehmens sowie externen Experten. Die Ergebnisse sind umso wirksamer, je stärker Analyse und Umsetzung in Personalunion erfolgen. Zweitens erfordern Szenarioprozesse eine professionelle, fein strukturierte und zugleich flexible Prozessbegleitung durch erfahrene Moderatoren. In der Praxis existieren unterschiedliche Varianten der Szenario-Methodik. Das Grundkonzept, auf das nahezu alle Varianten zurückgehen, umfasst sieben Schritte (vgl. Abbildung 2). Ausgehend von einer genauen und gemeinsam getragenen Definition der Fragestellung werden im zweiten Schritt wichtige Einflussfaktoren im Umfeld der Fragestellung (z. B. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft) gesammelt und mittels einer Bewertung ihrer Wirkungsstärke (impact) und Ungewissheit (uncertainty) priorisiert. Im dritten Schritt werden die ausgewählten, in ihrer weiteren Entwicklung unsicheren Einflussfaktoren im Hinblick auf ihre möglichen Entwicklungsrichtungen beschrieben (alternative Projektionen). Im vierten Schritt werden in Form einer Matrix die Wechselwirkungen zwischen den Einflussfaktoren quasiquantitativ bewertet. Aus den systemischen Beziehungen der Matrix werden schließlich Dutzende oder Hunderte von Szenarien errechnet, aus denen mit heuristischen Kriterien (z. B. extreme Szenarien, Trend-Szenario, interessante Szenarien) in der Regel zwei bis vier Szenarien zur weiteren Betrachtung ausgewählt werden. In einem weiteren (optionalen) Schritt wird die Auswirkung diskontinuierlicher Ereignisse (z.B. Unternehmenskrise) untersucht. Im letzten Schritt werden die Ergebnisse der Szenario-Analyse im Hinblick auf geeignete Strategien oder Maßnahmen ausgewertet (z. B. mit einer SWOT-Analyse, vgl. unten Abschnitt 2.1.3)
Beispiel: Innovation mit Risikoverdacht Im Kontext der technischen Innovationsplanung eines Unternehmens wurde eine neue elektronische Systemkomponente prototypisch entwickelt, die interessante zukünftige Anwendungen, Kundennutzen und Wettbewerbsvorteile versprach. Eine technisch verwandte Produktklasse führte jedoch in anderen Anwendungsfeldern zu Spekulationen und Diskussionen über mögliche negative gesundheitliche Auswirkungen. Dieser Risikoverdacht veranlasste das Technologie- und Innovations-Management, eine zukunftsorientierte Innovations- und Technikanalyse (Produktfolgenabschätzung) bei einem Zukunftsforschungsbereich in Auftrag zu geben (Ruff 1995). Am Beginn dieses Projektes stand zunächst die Frage, welche gesundheitlichen Auswirkungen die zur Diskussion stehende Zukunftstechnologie auf den Menschen hat und wie diese Produktrisiken – falls vorhanden – zu mindern wären. Bei der Bestandsaufnahme des Forschungsstandes stellt sich schnell heraus, dass es über die Gesundheitsrisiken der eingesetzten Technologie bisher nur bruchstückhafte Erkenntnisse gibt und eine seriöse Risikobewertung in naher und in ferner Zukunft nicht durchzuführen ist. Dies führte zu einer Verlagerung der Diskussion über hypothetische gesundheitliche Wirkungen zur Frage nach den zukünftigen gesellschaftlichen und kommunikativen Umfeldbedingungen für
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diese Technologie. So wurde aus einer ursprünglich naturwissenschaftlichen Problemstellung eine Aufgabenstellung für das Issues Management. Das eingesetzte bereichsübergreifende und interdisziplinäre Projektteam (Forschung, Entwicklung, Produktbereiche, Unternehmenskommunikation) erarbeitete im nächsten Schritt Szenarien zum gesellschaftlichen und kommunikativen Umfeld der Technologie. Die Szenario-Analyse zeigte im Ergebnis, dass unterschiedliche Entwicklungspfade für die Diskussion der hypothetischen Gesundheitsrisiken plausibel sind und die Medienberichterstattung sowie die öffentliche Diskussion zentrale Treiber für die Entwicklung des potenziellen Issue sind (statt technisch-naturwissenschaftlicher Fakten). Das Ergebnis dieser Produktfolgenabschätzung war schließlich, dass das Management die ursprünglich anvisierte Technologie zu Gunsten von Alternativen aufgab, dem Prinzip der Risikominimierung in der technischen Entwicklung höheres Gewicht einräumte sowie ein entsprechendes kontinuierliches Monitoring der öffentlichen Diskussion beschloss. Dieses Beispiel zeigt, dass mit Konzepten der Zukunftsforschung latente Issues frühzeitig im Hinblick auf ihre Risiko- und Chancenpotenziale untersucht werden können. Zusätzlich zeigt es, dass potenzielle externe Issues zunächst zu internen Issues im Unternehmen gemacht werden müssen, damit sich die gesamte Organisation strategisch darauf einstellt.
2.1.2 Trendforschung Trends sind Leitideen und verdichtete Beschreibungen von grundlegenden und dynamischen Entwicklungsprozessen in Gesellschaften, die sich über längere Zeiträume erstrecken und starke Einflüsse auf die Einstellungen und das Verhalten von gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen haben. Der Akzent der Trendforschung liegt bei der Betrachtung von einzelnen Entwicklungen in einem mittel- bis langfristigen Zeithorizont (fünf bis zehn Jahre), bei denen eine relative Sicherheit über den weiteren Verlauf gegeben ist (geringe Ungewissheit). Die Stärken von Trendanalysen im Vergleich zu Szenarien (vgl. Abschnitt 2.1.1) liegen darin, dass sie eine genauere Auflösung von gesellschaftlichen Entwicklungen leisten (Mesoebene, z. B. gesellschaftliche Subgruppen, Milieus), eine präzisere Ableitung von Implikationen erlauben sowie einfacher zu kommunizieren sind als Szenarien (Denken in einzelnen Trendwelten). Für die Unternehmenskommunikation und das Issues Management sind insbesondere Veränderungen in der Struktur und Entwicklungslogik sowie den Themenordnungen gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse von Bedeutung. Ein Beispiel für eine grundlegende Veränderung in der Struktur und Entwicklungslogik gesellschaftlicher und medialer Kommunikation ist beispielsweise der gerade im Entstehen begriffene „Blog-Journalismus“, der etablierte Hierarchien und Prozesse der Nachrichtenproduktion „stört“ und aufbricht (vertiefend zur Bedeutung von Weblogs für die Unternehmenskommunikation Pleil/Zerfaß 2007). Aufgrund der leichten Verfügbarkeit mobiler und individueller Aufzeichnungs- und Verbreitungs-
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techniken (digitale Kamera, MP3 Recorder, mobiles Telefon, drahtloser Internetzugang) können „Laien“-Journalisten, „Transparenz“- und „Skandal“-Jäger sich in kurzer Zeit in das Konzert der Nachrichten- und Kommentarproduktion der Agenturen und Medien „einloggen“, in einzelnen Fällen sogar „mediale Epidemien“ auslösen. Solche strukturellen Veränderungen sind „Megatrends“, da sie tief greifende, anhaltende Wirkungen haben und sich über einen längerfristigen Zeithorizont etablieren. Im Unterschied dazu verändern sich Themenlandschaften gesellschaftlicher Kommunikation sowohl in längerfristigen Zyklen (z. B. Nachhaltigkeitsdiskurs) wie kurzfristigen Konjunkturen (z. B. Unternehmenskrisen). Der Fokus einer Trendforschung für das Issues Management liegt bei der Identifikation von Megatrends, also längerfristigen Veränderungen in Strukturen und Themenlandschaften. Professionelle Trendforschung erfordert drei wesentliche Elemente: Theorie, Beobachtung und semantische Verdichtung. Eine theoretische Fundierung ist Voraussetzung, um im bunten Geschehen gesellschaftlicher Kommunikation überhaupt die substanziellen Kräfte erkennen und einordnen zu können. Eine Trendforschung für das Issues Management erfordert insbesondere Kompetenz in kulturhistorischen, sozialwissenschaftlichen sowie kommunikations- und medienwissenschaftlichen Denkansätzen und Theorien. Das zweite Element – Beobachtung – ist erforderlich, um die Stichhaltigkeit, Belastbarkeit und Reichweite einer Trendaussage bewerten zu können. In den Medien zirkulieren viele Trends und Phrasen, die allein aufgrund ihrer symbolischen und emotionalen Attraktivität subjektive Evidenz vermitteln. Damit eine Trendforschung reine „Verbalkarosserien“ oder „Befindlichkeitsverdichtungen“ von substanziellen Phänomen unterscheiden kann, muss sie auf systematische Beobachtungen und empirisch fundierte Forschung zurückgreifen. Theorie und Beobachtung zusammen erlauben ein kritisches Durchleuchten von Oberflächenphänomenen und sind Voraussetzung einer diagnostischen und prognostischen Kompetenz. Das dritte Element – semantische Verdichtung – ist erforderlich, da Trends bei der (strategischen) Orientierung helfen sollen und damit effizient und prägnant die Matrix des Neuen beschreiben müssen. Ein Beispiel für eine semantische Verdichtung ist die Metapher der „medialen Epidemie“, die die Geschwindigkeit und das netzwerkartige Muster der Verbreitung von Medieninhalten in modernen Gesellschaften auf den Punkt bringt. Die Metaphorik ist zusätzlich hinterlegt mit einem Analogieschluss, der Übertragung von Theorie und Erfahrungswissen aus einer anderen Disziplin (Epidemiologie) auf mediale gesellschaftliche Phänomene. Ähnlich wie bei der Szenario-Methode sollten Trendforschungsteams auf einer multidisziplinären Kompetenzbasis arbeiten. Wichtige Bezugsquellen für die Hypothesenbildung und Identifikation von Trends sind breit angelegte Recherchen („Scanning“) mit der Auswertung von wissenschaftlicher Fachliteratur, Quellen im Internet sowie die Auswertung empirischer Studien (z. B. Sozialforschung, Marktforschung, Reputationsstudien, Demoskopie). Für eine strukturelle Variation und Erweiterung von Perspektiven werden Gespräche mit Experten aus verschiedenen Disziplinen wie z.B. Sozial- und Kulturwissenschaften, Wirtschafts- und Politikwissenschaften sowie Beobachtern von (Industrie-)Branchen geführt. Die auf diese Weise recherchierten Trends werden schließlich im Team der Trendforscher überprüft, angereichert und im Hinblick auf ihre Implikationen diskutiert. Trendforschung ist im Kern Wissensarbeit – Analyse, Interpretation und Formulierung – durch Experten. Versuche, den
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Fokus von menschlicher Wissensarbeit zur Automatisierung zu verlagern (z. B. durch Software-Agenten, automatische Analyse von Datenbanken) sind zum Scheitern verurteilt. Für die Ausarbeitung und Strukturierung einzelner Trends hat sich ein mehrstufiges Verfahren bewährt: In einem ersten Schritt erfolgt eine erste Beschreibung und Diskussion des Trends im interdisziplinär zusammengesetzten Expertenteam. Wenn ein Trend als relevant eingestuft wird, erfolgt in einer Vertiefungsphase (weitere Recherche, Expertengespräche) die Suche nach Indikatoren und Belegen für Gültigkeit, Geltungsbereich, Diffusionsgeschwindigkeit und Dynamik der Entwicklung. Ein dritter Analyseschritt bezieht sich auf die Identifikation der zentralen Treiber der Entwicklung und es erfolgt eine Bewertung, ob mit alternativen Entwicklungen oder „Trendbrüchen“ zu rechnen ist. In einem vierten Schritt werden schließlich Implikationen für die Fragestellung bzw. den Auftraggeber, also z. B. für das strategische Issues Management abgeleitet. Idealerweise ist der Gesamtprozess der Trendforschung in einen periodischen Prozess der strategischen Unternehmens- bzw. Kommunikationsplanung eingeordnet. Wenn dies realisiert werden kann, sollten ausgewählte Trends einem regelmäßigen „Monitoring“ unterzogen werden. Das bedeutet, dass sie in jedem Jahr auf Gültigkeit und Relevanz überprüft werden und dass Veränderungen dokumentiert werden. Für den Transfer der Ergebnisse der Trendforschung in die strategischen und operativen Arbeitsprozesse der Unternehmenskommunikation ist ein regelmäßiger und enger Dialog zwischen Trendforschungsteam und Kommunikationsbereich erfolgskritisch.
Beispiel: Sustainable Finance In einem Forschungsprojekt zur gesellschaftlichen und politischen Nachhaltigkeitsdiskussion beobachtete ein Team von Zukunftsforschern Ende der 1990er Jahre, dass auch Akteure in den Finanzmärkten (Investoren, Finanzanalysten, Fondsmanager etc.) zunehmend Überlegungen anstellen, Nachhaltigkeitsinvestments vom Nischen- zum MainstreamThema zu entwickeln („Sustainable Finance“) (Rosinski 2001). Als Frühwarnindikator wurde der inzwischen erkennbare Erfolg des Dow Jones Sustainability Indexes (DJSI), eines Pioniers nachhaltigen Investments, gesehen. Aus einer ersten Analyse von Studien sowie Gesprächen mit Asset-Management-Experten entstand die Hypothese, dass das Thema „Nachhaltigkeit“ mittelfristig den Finanz-Mainstream erreichen wird und über die Etablierung neuer nachhaltigkeitsorientierter Systeme der Unternehmensbewertung auch das Kommunikationsumfeld von Großunternehmen beeinflussen wird. In einer nachfolgenden vertieften Recherche wurden Indikatoren und Treiber dieser Entwicklung identifiziert. Dazu gehörten z. B. Veränderungen in den Anlagevolumina von Nachhaltigkeits- und Umweltfonds, Korrelationen zwischen Erfolgen von
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Aktieninvestments und der ökologischen Performance von Unternehmen sowie Entwicklungen von transparenzorientierten Instrumenten der Unternehmensbewertung. Die Trendrecherche und Analyse der Treiber führte das Team zu der Einschätzung, dass es sich hierbei um einen robusten und dynamischen Trend handelt und dass Unternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit und Finanzmärkte nicht bearbeiten, schon auf mittlere Sicht mit Reputations- und Kommunikationsrisiken konfrontiert sein könnten. Im Anschluss an die Trendforschung führte das Zukunftsforschungsteam eine differenzierte Betrachtung der Chancen und Risiken aus dieser Entwicklung „Sustainable Finance“ durch sowie eine Analyse der Stärken und Schwächen des Unternehmens (SWOT-Analyse, vgl. Abschnitt 2.1.3). Der mit der Trendanalyse antizipierte Fall trat dann auch kurze Zeit später ein, als die Schweizer Agentur Sustainable Asset Management (SAM) eine Studie veröffentlichte, in der verschiedene Automobilhersteller im Hinblick auf ihre Kompetenzen und Risiken bei der Bewältigung der CO2-Emissionsproblematik bewertet wurden (Sustainable Asset Management & World Resources Institute 2003). Die Ergebnisse der im Sinne einer Früherkennung durchgeführten Trendanalyse beschleunigten schließlich die Etablierung eines integrierten Konzeptes der Umwelt- und Nachhaltigkeitskommunikation.
2.1.3 SWOT-Analyse „SWOT“ ist eine Abkürzung für „Strengths“, „Weaknesses“, „Opportunities“, „Threats“. Die SWOT-Analyse ist seit vielen Jahrzehnten ein Standardinstrument der strategischen (Unternehmens-)Planung und kommt auch in der unternehmensbezogenen Zukunftsforschung häufig zum Einsatz. Der zentrale Wert der SWOT-Analyse liegt darin, dass exogene Eigenschaften des zukünftigen Unternehmensumfeldes (Chancen, Risiken) und endogene Eigenschaften des Unternehmens (Stärken, Schwächen) zunächst separat analysiert und im Rahmen der Strategieentwicklung dann integriert betrachtet werden. SWOT-Analysen lassen sich auch im Kontext strategischer Unternehmenskommunikation gut einsetzen. Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige SWOT-Analyse ist die unvoreingenommene, d. h. auch selbstkritische Analyse der eigenen Stärken und Schwächen. Hierzu ist es gelegentlich sinnvoll, neben dem Selbstbild auch externe Fremdeinschätzungen (z. B. durch Experten, Stakeholder) einzuholen. Schon an diesem Punkt scheitern viele strategische Projekte, da unternehmenskulturelle oder individuelle Barrieren in Unternehmen eine ehrliche Analyse der Schwächen-Seite unterbinden. Für die Analyse der Chancen und Risiken sind sorgfältige Analysen der künftigen Entwicklung der wirtschaftlichen, marktlichen und gesellschaftlichen Umfelder des Unternehmens erforderlich sowie eine Horizonterweiterung über das „Tagesgeschäft“, das eigene Unternehmen, evtl. sogar über die eigene Branche hinaus. Diese Vorarbeit kann z. B. mit Szenarien oder Trendanalysen geleistet werden (vgl. Abschnitte 2.1.1 und 2.1.2).
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Die Durchführung einer SWOT-Analyse ist einfach und folgt – im Kontext der Unternehmenskommunikation – vier zentralen Leitfragen: Welche Stärken hat das Unternehmen in seiner externen und internen Kommunikation? Welche Schwächen hat das Unternehmen in seiner externen und internen Kommunikation? Welche Chancen sind in der weiteren Entwicklung bzw. in verschiedenen Szenarien für die Unternehmenskommunikation erkennbar? Welche Risiken sind in der weiteren Entwicklung bzw. in verschiedenen Szenarien für die Unternehmenskommunikation erkennbar? Die SWOT-Analyse hat den Vorteil, dass sie neben der Risikobetrachtung zusätzlich die Chancen-Seite ins Blickfeld rückt sowie die Fähigkeiten bzw. Defizite des eigenen Unternehmens bzw. des eigenen Handlungsbereichs. Das Unternehmen kann auf diese Weise die eigene „Verwundbarkeit“ durch „Issues“ erkennen und bewerten und gleichzeitig strategische und operative Maßnahmen zur Prävention und Bewältigung von Issues ableiten.
2.2
Issues Management
Ziel des Issues Managements ist es, relevante Themen mit Chancen- oder Risikopotenzial frühzeitig zu identifizieren, zu bewerten und zu bearbeiten. Issues Management identifiziert als Früherkennungssystem Signale des Unternehmensumfeldes, die Einfluss auf aktuelle oder zukünftige Handlungsstrategien des Unternehmens haben könnten. Der Prozess wirkt hierbei primär als Früherkennungssystem für „schwache Signale“ und als Steuerungswerkzeug für bereits manifestierte Issues. Dabei konzentriert sich Issues Management – im Sinne einer Management-Funktion – auf die strategischen Konsequenzen, die von einem Issue ausgehen (Liebl 2000). Hierbei kommt der Betrachtung möglicher Auswirkungen auf die Unternehmensreputation eine besondere Bedeutung zu. Unternehmenskrisen und damit einhergehende Reputationsschäden werden unter Einsatz des Issues Management zu berechenbareren Faktoren, denen proaktiv begegnet werden kann. Umgekehrt greift der Issues Management-Prozess auch Themen auf, die einen positiven Einfluss auf die Unternehmensreputation ausüben. Issues Management erarbeitet dementsprechend Strategien vor dem Hintergrund einer antizipierten oder tatsächlichen Veränderung in der Unternehmens-Umwelt-Beziehung. So eröffnet sich die Chance, neue unternehmerische Aktionsfelder zu entdecken und damit Positionierungspotenziale für das Unternehmen und dessen Produkte zu schaffen. In der Regel können Issues in drei Kategorien eingeteilt werden: Media Issues: Themen, die von Medien aufgegriffen werden.
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Michael Kuhn/Frank Ruff
Issues aus dem Unternehmensumfeld: Themen, die von Wettbewerbern forciert, von der Politik gesetzt, von Stakeholdern adressiert oder in Ausschüssen, Expertenkreisen etc. diskutiert werden. Unternehmensinterne Issues: Themen, die im Unternehmen entstehen (Kuhn 2003). Eine weitere Differenzierung bezieht sich auf die zeitliche Dimension: Geht es um aktuelle Issues oder um Themen, die eine eher langfristige Perspektive aufweisen? Abhängig von der Ausprägung, Verbreitung und zeitlichen Dimensionierung werden die Themen mit entsprechenden Instrumenten oder Prozessen bearbeitet.
2.2.1 Instrumente des Issues Managements Die Identifikation von externen Themen erfolgt in erster Linie über die werktägliche Medienauswertung, die Echtzeit-Medienbeobachtung (Media Screening), die Medienresonanzanalyse (MRA) sowie Stakeholder-Analysen und -Befragungen (Reputation Research). Während die tägliche Medienauswertung und -beobachtung ein kontinuierliches Feedback gewährleisten, werden die kommunikativen Maßnahmen des Unternehmens durch die MRA und die Stakeholder-Befragungen jeweils einer nachträglichen Bewertung unterzogen: Medienresonanzanalyse: Für die Identifikation von Issues, die bereits Eingang gefunden haben in das Mediensystem, bedient sich das Issues Management in erster Linie der Medienresonanzanalyse (MRA). Dieses Instrument erfasst in einem ersten Schritt die Medienbotschaften und identifiziert im zweiten Schritt deren Wirkungsstärke. Die MRA besteht aus zwei Analyseeinheiten, der Publizitätsanalyse und der Tendenzanalyse. Die Publizitätsanalyse ermittelt aus der quantitativen und qualitativen Bedeutung der Medien sowie aus der Häufigkeit (absolute Menge der Berichterstattung) und Aufmachung der Medienbotschaften die Stärke des medialen Impulses auf die öffentliche Meinung. Daneben erfolgt die Betrachtung der relativen Menge der Berichterstattung im Vergleich zu den Wettbewerbern. In der Tendenzanalyse wird zunächst der Trend der Berichterstattung über das Unternehmen im Zeitverlauf analysiert. Es wird erhoben, welche Inhalte und Botschaften mit welcher Tendenz über Unternehmen und Produkte vermittelt werden. Hierbei werden nicht nur explizite, sondern auch implizite Bewertungen berücksichtigt (z. B. Zuschreibungen von positiven oder negativen Attributen). Im nächsten Schritt erfolgt der Vergleich mit der Tendenz der Berichterstattung über die Wettbewerber im Markt. Im Rahmen des Issues Management-Prozesses dient die MRA als Navigations- und Planungsinstrument, mit dessen Hilfe der Verlauf von Themenkarrieren in den Medien zu Produkt- und Unternehmensthemen ermittelt werden kann. Des Weiteren bietet die MRA wichtige Impulse zur frühzeitigen Erkennung von Trends in der Medienberichterstattung. Media Screening: Neben der Ex-ante-orientierten Medienresonanzanalyse spielt die Adhoc-Auswertung von Veröffentlichungen in Print- und Onlinemedien sowie in Nachrichtenagenturen eine wichtige Rolle. Dabei verändert das Internet die Aufgaben und Strukturen der Unternehmenskommunikation zunehmend. Reaktionszeit und Kommunikations-
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kanäle müssen den Bedarfen der weltweiten Vernetzung angepasst werden. Stakeholder wie z. B. unzufriedene Kunden, enttäuschte Aktionäre oder frustrierte Mitarbeiter verbreiten Informationen, Meinungen und Diskussionen mit einfachen Mitteln in Echtzeit (Kuhn 2001). Vor diesem Hintergrund gewinnt das Screening von Online-Foren und insbesondere von Weblogs an Bedeutung (Zerfaß/Sandhu 2006): Im Gegensatz zu Chats oder Newsgroups weisen Blogs rasante Zuwachsraten auf und finden zunehmend Niederschlag in den Massenmedien. Die massenmediale Wirkung wird befördert durch den hohen Grad der Vernetzung innerhalb der Blogosphäre, in der sich Neuigkeiten sehr schnell verbreiten („Blog-Schwarm“) und eine ausgeprägte Suchmaschinenfreundlichkeit, die für eine hohe Platzierung in Ergebnislisten sorgt. Für das Issues Management von entscheidender Bedeutung ist die Nutzung von Blogs als Recherchequelle von Journalisten. Erhebliche Reputationsrisiken drohen, wenn Unternehmen die rasche Meinungsbildung in der Blogosphäre nicht beachten oder falsch einschätzen (Jüch/Stobbe 2005). Reputation Research: Reputation Research im Kontext des Issues Management-Prozesses verfolgt die Zielsetzung, Issues innerhalb der wichtigsten Stakeholder-Kreise bereits in ihrer Latenzphase zu erfassen sowie die Themenkarrieren bereits manifestierter Issues zu verfolgen. Um die Unternehmensreputation zu erfassen, müssen das Wissen, die Meinungen und Einstellungen, die Emotionen sowie das Verhalten relevanter Stakeholder-Gruppen erfasst werden. Ein integriertes Reputationsanalyse-System wie der Reputation Quotient (Fombrun 1996, Wiedmann/Fombrun/van Riel 2007) erhebt diese Parameter mittels des Instrumentariums der Markt- und Meinungsforschung anhand eines Kriterienkatalogs, der die wesentlichen Reputationsindikatoren (Produkte & Dienstleistungen, Finanzielle Ertragskraft, Strategie, Management, Innovation, Soziales & Umweltverantwortliches Handeln sowie Vertrauen und Glaubwürdigkeit) sowie die zentralen Kommunikationsbotschaften regelmäßig und systematisch analysiert. Die Kernfragen, die es hierbei zu beantworten gilt, lauten: Wie schneidet das Unternehmen in den Augen der Stakeholder-Gruppen in den einzelnen Reputationsdimensionen ab? Sind die Kommunikationsbotschaften in den unterschiedlichen Meinungsarenen angekommen? Und wie werden sie von verschiedenen Stakeholdern des Unternehmens aufgenommen und bewertet? Diese Fragestellungen dienen zum einen der Erfolgskontrolle der einzelnen Kommunikationsmaßnahmen und somit der Bewertung der Kommunikationsarbeit im Hinblick auf ihren unternehmerischen Wertbeitrag. Zum anderen liefern derartige Stakeholder-Analysen wichtige Indizien hinsichtlich emergierender Issues innerhalb und außerhalb des Unternehmensumfelds.
2.2.2 Issues Management in der Unternehmenspraxis Mit den aufgezeigten Methoden steht ein Instrumentarium zur Verfügung, vor allem externe Erwartungen und Herausforderungen für das Unternehmen identifizieren und bearbeiten zu können. Für eine ganzheitliche Betrachtung ist jedoch im Rahmen eines klar definierten Prozesses die Einbindung unternehmensinterner Schnittstellen und Ressourcen unbedingt erforderlich. Festzulegen sind die Teilnehmer des Prozesses und ihre Rollen, die Instrumente zur Prozessunterstützung sowie die Abläufe.
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Michael Kuhn/Frank Ruff
Neben einem Prozessverantwortlichen in der Unternehmenskommunikation, dem „Issues Manager“, ist die Einbindung weiterer Vertreter aus diesem Ressort zwingend erforderlich: Abhängig von der Unternehmensgröße und der Branche sollten feste Vertreter aus den Bereichen Unternehmenspresse, Produktpresse und Interne Kommunikation im Sinne von „Issues Scouts“ in den Prozess eingebunden werden. Unternehmen, die auch außerhalb der Landesgrenzen agieren, sollten die Kommunikationsverantwortlichen der wichtigsten Märkte einbeziehen. Das Issues Scout-Team sollte ergänzt werden mit festen Vertretern aus den Ressorts External Affairs, Investor Relations und Corporate Strategy. Die Issues Scouts nutzen ihre Netzwerke, um Informationen aus dem Unternehmen und aus dem Unternehmensumfeld zu gewinnen, und steuern diese in den Prozess ein. Themenabhängig können Mitarbeiter aus den Stäben der Mitglieder des Vorstands oder der Geschäftsführung in den Prozess einbezogen werden. Dieser interdisziplinäre Austauschprozess innerhalb des Unternehmens erhöht die Sicherheit, die Bedeutung von Themen mit Risiko- oder Chancenpotenzial richtig einzuordnen. Der Issues Manager führt alle identifizierten Themen in einem wöchentlich wiederkehrenden Procedere in einem ersten Dokument zusammen. Dieses Dokument bildet die Agenda für eine Telefonkonferenz („Issue Call“), in der Issues Manager, Issues Scouts und themenabhängig Experten aus den Fachbereichen Relevanz, Priorität, Chancen- bzw. Risikopotenzial der Themen bewerten, Sprachregelungen skizzieren und Handlungsoptionen diskutieren, die nach der Telefonkonferenz von den jeweils verantwortlichen Stellen weiterverfolgt werden. Die enge Abstimmung mit den Nachbarressorts gewährleistet eine integrierte Betrachtung und realistische Einordnung der jeweiligen Themen. Am Ende jeder Woche entsteht eine Übersicht („Key Issues Briefing“), die über die wichtigsten Themen informiert, Ansprechpartner, Hintergrundinformationen und Szenarien sowie die jeweilige Sprachregelung aufzeigt. Die Issues-Übersicht wird dem Vorstand oder der Geschäftsführung, allen Teilnehmern des Issues Management-Prozesses sowie den Kommunikationsverantwortlichen im In- und Ausland zur Verfügung gestellt. Eine intranetbasierte Kommunikationsplattform, die der Issues Management-„Community“ zugänglich ist, erleichtert zudem die zeitnahe und zuverlässige Bereitstellung relevanter Informationen zum Verlauf identifizierter Issues für die Unternehmensstandorte weltweit. Über diese informatorische Dimension hinaus ist das Wesen eines exzellenten Issues Managements, zentrale Issues im Kontext definierter Marktumgebungen zu beleuchten („Integrated Issues Assessment“) und der Leitung Unternehmenskommunikation und gegebenenfalls der Unternehmensführung Handlungsoptionen zur Verfügung zu stellen (Schmid 2003). Die integrierte und kontinuierliche Anwendung des skizzierten Instrumentariums erleichtert die ganzheitliche Beobachtung des externen Unternehmensumfelds und führt zu einer systematischen Abdeckung der eingangs vorgenommenen Kategorisierung von Issues: Media Issues: Themen, die Eingang gefunden haben in das Mediensystem und eine kurzbis mittelfristige Perspektive haben, werden in erster Linie durch die Medienresonanzanalyse und das Media Screening abgedeckt.
Corporate Foresight und strategisches Issues Management
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Issues aus dem Unternehmensumfeld: Kurz- bis mittelfristig relevante Umfeld-Themen werden überwiegend durch Reputation Research abgedeckt, während Issues mit einem mittel- bis langfristigen Horizont durch die Corporate Foresight-Instrumente identifiziert werden. Unternehmensinterne Issues: Interne Themen werden im Rahmen eines systematischen Prozesses im Unternehmen identifiziert und bearbeitet.
3.
Integration von Corporate Foresight und Issues Management
Im Rahmen der Zukunftsforschung werden immer wieder Themen entdeckt, die für das Issues Management mit seinem kurz- bis mittelfristigen Horizont relevant werden können. Andererseits werden im Issues Management Erkenntnisse gewonnen, die über diese Perspektive hinausgehen. Die Konvergenz der jeweiligen Perspektiven und Ziele empfiehlt eine integrierte Herangehensweise (vgl. Abbildung 3). Corporate Foresight und Issues Management orientieren sich bei dem Einsatz ihres Instrumentariums an der Agenda der jeweils anderen Disziplin; Prozess-Treiber und -Teilnehmer sowohl von Corporate Foresight als auch Issues Management tauschen sich aus. Die daraus gewonnenen Einblicke und Erkenntnisse erlauben beiden Disziplinen einen breiteren Fokus und zeigen im Hinblick auf die Operationalisierung neue Potenziale auf. Ein wesentliches Feld der integrierten Zusammenarbeit ist die Analyse der Veränderungen von Kommunikations- und Meinungsbildungsprozessen in der Gesellschaft. Ein weiteres Feld der Zusammenarbeit liegt in der Beobachtung und Analyse der Veränderung der Reputation von Wirtschaft und Unternehmen (Reputation Research). Verändungen in Einstellungen und Verhalten gesellschaftlicher Gruppen sind ein zentrales Thema einer zukunftsorientierten Gesellschaftsforschung. Entscheidende Treiber für das veränderte Verhalten der Rezipienten und damit der Bildung von Wahrnehmungen sind die Medien, allen voran das Internet. Im Issues Management-Instrumentarium werden im Rahmen der Medienresonanzanalyse Thementrends identifiziert. Wie sich diese Thementrends auf die Meinungs- und Wahrnehmungsbildung auswirken ist eines der zentralen Felder der integrierten Reputationsforschung.
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Abbildung 3:
Michael Kuhn/Frank Ruff
Integration von Corporate Foresight und Issues Management in der Unternehmenspraxis
Corporate Foresight und strategisches Issues Management
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Für die erfolgreiche Einbindung von Zukunftsforschung im Unternehmen generell sowie speziell im Kontext von Issues Management und Unternehmenskommunikation gibt es eine Reihe von zentralen Erfolgsbedingungen. Eine wichtige Bedingung liegt in einer engen Kooperation zwischen Zukunftsforschung und Issues Management bzw. Unternehmenskommunikation. Am besten eignen sich hier gemeinsame Projekte, z. B. im Bereich der Reputationsforschung, sowie der regelmäßige Austausch von Informationen und Projektergebnissen im Rahmen einer Regelkommunikation. Zweitens sind eine unvoreingenommene Perspektive sowie eine kritische Distanz zum Unternehmen und seinem Umfeld („Outside-In-Perspektive“) wesentliche Voraussetzungen für ein frühzeitiges Erkennen von Issues und „blinder Flecke“ im strategischen Horizont des Unternehmens. Eine dritte Erfolgsbedingung liegt in der multidisziplinären und internationalen Zusammensetzung der Teams. Diese gewährleistet eine Mobilisierung vielfältiger fachlicher Perspektiven sowie Kompetenz beim kultursensiblen Umgang mit Issues. Eine vierte Erfolgsbedingung ist gelebte Innovations- und Zukunftsorientierung in Gestalt einer Offenheit für ungewöhnliche Ideen, Wissensfortschritte und neue Muster der Interpretation von Phänomenen des gesellschaftlichen Wandels. Schließlich ist die Unterstützung von zukunftsorientiertem Vordenken im Unternehmen durch das Top-Management ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
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Reputationsanalyse mit dem Reputation Quotient
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Reputationsanalyse mit dem Reputation Quotient Klaus-Peter Wiedmann/Charles J. Fombrun/Cees B.M. van Riel
Aufbau und Pflege einer tragfähigen Unternehmensreputation zählen zu den zentralen Zielgrößen der Unternehmenskommunikation. Ein effizientes und effektives Management der Unternehmensreputation setzt dabei vor allem eine differenzierte und verlässliche Messung dieses schwer fassbaren Phänomens voraus. Ohne entsprechend tragfähige Erkenntnisse zu Ist und Soll der Unternehmensreputation besteht nicht nur das Risiko, dass gut gemeinte Maßnahmen ins Leere gehen und mithin wertvolle Ressourcen fehlalloziert werden. Darüber hinaus besteht vielmehr in hohem Maße sogar die Gefahr, dass genau das Gegenteil dessen erreicht wird, was eigentlich geplant war. Anstelle eines Reputationszuwachses stellt sich ein Reputationsverlust ein – unter Umständen sogar einhergehend mit massiven Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlusten. Ein leistungsfähiges Konzept, das bereits seit 1999 auf der internationalen Ebene eingesetzt wird, um die Reputation von Unternehmen in den unterschiedlichsten Ländern zu messen, ist der Reputation Quotient (RQ). Er wurde zunächst im Rahmen des internationalen Expertennetzwerkes des Reputation Institute (RI) in Gestalt des sogenannten Harris-Fombrun-RQ etabliert, gelangt inzwischen aber bereits in erweiterten Varianten erfolgreich zum Einsatz. Diese Konzepte, die einen wichtigen Beitrag zur Analyse der Unternehmensreputation als Basis der Planung eines Reputationsmanagement und speziell einer Ziel führenden Ausrichtung der Unternehmenskommunikation leisten, werden in diesem Beitrag vorgestellt.
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_16, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Klaus-Peter Wiedmann/Charles J. Fombrun/Cees B.M. van Riel
1.
Reputation und Reputations-Management – eine kurze begriffliche Einordnung
1.1
Unternehmensreputation als zentraler Vermögenswert
Begreift man das Unternehmensimage als das Bild, das sich die relevanten Stakeholder von einem Unternehmen machen, so geht u. E. die Reputation eines Unternehmens insofern über dessen Image hinaus, als sich hierin zugleich die in der Vergangenheit aufgebauten und für die Zukunft relevanten Unterstützungspotenziale manifestieren. In sehr allgemeiner Form geht es dabei etwa um das Ausmaß, in dem ein Unternehmen Vertrauen und Glaubwürdigkeit, Rückhalt, Zutrauen und Achtung erringen konnte, aber auch um die Frage, welche Anziehungskraft von dem jeweiligen Unternehmen ausgeht, wie viel Aufmerksamkeit und Interesse ihm geschenkt wird. Über beispielsweise die allgemeine Bereitschaft, sich mit dem Unternehmen bzw. mit Informationen von und/oder über das Unternehmen auseinander zu setzen, erstrecken sich entsprechende Unterstützungspotenziale letztlich bis hin zur Tendenz zu einem sehr konkreten „Supportive Behavior“, das freilich je nach Stakeholdergruppe sehr unterschiedliche Formen annehmen wird (z. B. Kauf, Weiterempfehlung, Verteidigung bei Kritik etc. als Ausdrucksformen eines „Supportive Behavior“ seitens der Kunden). Neben der Relation von Unternehmensreputation und -image, die wir auf die vereinfachte Formel „Reputation = Image + bestehende Unterstützungspotenziale“ bringen können, müssen die engen Beziehungen zum Begriff des Markenwertes Beachtung finden. Dies zumal gerade beim Wert einer Marke – zumindest bei einigen Operationalisierungskonzepten – neben Markenwissen und -emotionen entsprechende Unterstützungspotenziale, etwa in Gestalt eines erzielten Preis- und/oder Mengenpremiums, in die Betrachtung einbezogen werden. Allerdings gilt es im vorliegenden Zusammenhang zu berücksichtigen, welche Markenarchitektur jeweils konkret gegeben ist (Konzern-, Unternehmens-, Profit-Center- und Produkt-Marken) und welche Unternehmensassoziationen unabhängig von den bestehenden Marken eine Rolle spielen. Unternehmensreputation wäre dabei ganz allgemein gleichzusetzen mit dem Wert des gesamten Markensystems plus – gewissermaßen als Restgröße – jener Einstellungen gegenüber dem Unternehmen, die sich unabhängig von der existierenden Markenarchitektur herausgebildet haben. Je prominenter beispielsweise eine Unternehmensmarke etabliert wurde und je mehr alle Unternehmensassoziationen über diese organisiert werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Restgröße gegen Null konvergiert.
Reputationsanalyse mit dem Reputation Quotient
1.2
323
Reputationsmanagement als ganzheitlicher Ansatz
Der Versuch, entsprechende Beziehungen zwischen Image, Markenwert und Reputation zu verstehen und dann vor allem auch konkret zu erfassen, zählt bereits zu einer der wichtigen Aufgaben eines Reputationsmanagements. Eingebunden in ein tragfähiges normatives Konzept, bei dem etwa Vision, Zweck und Leitbild eines Reputationsmanagements zu bestimmen sind (normatives Management), bildet die systematische Gewinnung, Verarbeitung sowie Nutzung von Informationen über die bestehende Unternehmensreputation (Ist-Analyse) sowie die im Lichte aktueller und potenzieller Entwicklungen in Markt und Gesellschaft sowie im Unternehmen selbst sich ergebenden Herausforderungen (SWOT-Analyse) zweifellos den zentralen Dreh- und Angelpunkt eines Reputationsmanagements. Auf dieser Grundlage sind letztlich im Rahmen eines strategischen und operativen Managements Erfolg versprechende Zielsysteme, Strategien und Maßnahmen zu planen, konkret umzusetzen und einer systematischen Kontrolle zu unterwerfen. Und schließlich gilt es insgesamt, entsprechende Voraussetzungen innerhalb der Unternehmensstruktur sowie vor allem auch der Unternehmenskultur zu schaffen und ein leistungsfähiges Controllingsystem zu etablieren. Besonders wichtig festzuhalten ist, dass ein tragfähiges Reputationsmanagement weit über das Management von Imagekampagnen hinausgeht und sich etwa auch nicht allein in Kommunikationsmaßnahmen erschöpfen darf. Im Zentrum haben vielmehr Programme zur Planung und Umsetzung einer überzeugenden Unternehmensidentität zu stehen, die insgesamt einen nachhaltig hohen Unternehmenswert zu konstituieren hilft. Konkret bedeutet dies, dass etwa erst einmal jene Voraussetzungen geschaffen werden, die dazu beitragen können, dass ein positives Image entstehen kann, das sich dann vor allem auch in konkreten Unterstützungspotenzialen manifestiert. Obwohl ein systematisches Reputationsmanagement weit über Kommunikationsmaßnahmen hinausgeht, kann bzw. sollte sogar eine gut aufgestellte Abteilung Unternehmenskommunikation eine wichtige Rolle im Rahmen der organisationalen Verankerung einer solchen umfassenden Managementfunktion spielen, die letztlich in alle Unternehmensbereiche hineingreift. Während auf der normativen und strategischen Ebene vor allem die Unternehmensspitze verantwortlich für das Reputationsmanagement des Hauses zeichnen sollte, könnte auf der operativen Ebene und speziell auch in den Sektoren Informationsversorgung und Steuerung sowie insgesamt Controlling eine Abteilung Unternehmenskommunikation zentrale Funktionen übernehmen. Im Blick auf die Frage, welche Wirkungen sich vom Verhalten in einzelnen Unternehmensbereichen auf die Reputation des gesamten Unternehmens ergeben (können), wäre vor allem eine Sensibilisierungs- und ggf. auch „Wachrüttelfunktion“ wahrzunehmen. Im Anschluss daran wären dann vor allem auch verschiedene Unterstützungs-, Koordinations- und insgesamt Controllingfunktionen wahrzunehmen.
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Klaus-Peter Wiedmann/Charles J. Fombrun/Cees B.M. van Riel
Die hier nur sehr grob angerissenen Funktionen wird eine Abteilung Unternehmenskommunikation im Kontext eines ganzheitlichen Reputationsmanagements am ehesten dann erfolgreich ausfüllen können, wenn sie sich einem auf Zahlen und Fakten basierenden Managementansatz verpflichtet fühlt und sich nicht allein als Hort kreativer Kommunikations- und Designgestaltung, journalistischer Raffinesse etc. versteht. Gerade in diesem Kontext kommt dann einer tragfähigen Messung des Vermögenswerts „Unternehmensreputation“ sowie der hierbei wirksamen Werttreiber eine herausragende Rolle zu. Allein auf dieser Grundlage lässt sich u. E. eine nachhaltige Versachlichung der Diskussion unter allen Entscheidungs- und Ergebnisbeteiligten im Unternehmen erreichen. Diese bildet letztlich eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Verständigung unter den Vertretern der unterschiedlichsten Unternehmensbereiche, die im Dienste von Aufbau und Pflege einer tragfähigen Unternehmensreputation alle „an einem Strang ziehen müssen“.
2.
Ansatzpunkte zur Analyse der Unternehmensreputation
2.1
Der klassische RQ-Ansatz als Ausgangspunkt
2.1.1
Grundidee und Grundkonzept des Reputation Quotient (RQ)
Der RQ wurde zunächst in seiner klassischen Variante in einem mehrstufigen Konzeptualisierungs- und Operationalisierungsprozess entwickelt (Fombrun/Gardberg/Sever 2000). Ausgangspunkt bildete eine Aufarbeitung sehr unterschiedlicher Forschungstraditionen (z. B. Ökonomik, Strategieforschung und Marketing, Rechnungswesen, Organisationstheorie, Soziologie und Kommunikationsforschung) sowie der in praxi bereits genutzten Beschreibungs- und vor allem Messmodelle (bereits Fombrun/van Riel 1997). Die verschiedenen theoretischen und empirischen Ansätze wurden insbesondere im Hinblick auf mögliche Inputs in die Entwicklung einer mehrdimensionalen Messskala durchgearbeitet. Im Kern ging es also um die Identifikation und Beurteilung möglicher Items, mit deren Hilfe eine entsprechende Operationalisierung des Reputationskonstrukts geleistet werden kann. In einem wiederum mehrstufigen Analyseprozess, in dessen Rahmen verschiedene empirische Studien und daran anknüpfende theoretisch fundierte Auswertungen durchgeführt wurden, konnte das in Abbildung 1 dargestellte Messkonzept sukzessive herauskristallisiert werden.
Reputationsanalyse mit dem Reputation Quotient
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Das Kernstück bilden dabei 20 Einzelindikatoren (Items), die sich zu sechs Dimensionen (Reputationsfaktoren) verdichten lassen. In Abbildung 1 wird zugleich angedeutet, dass der RQ letztlich als ein Gesamtmaß der Reputation über alle relevanten Stakeholder hinweg verstanden werden soll, wiewohl im konkreten Einzelfall sicherlich nicht immer entsprechende Erhebungen bei allen Stakeholdergruppen möglich sind.
Abbildung 1:
Reputation Quotient (RQ) als standardisiertes Messkonzept (Quellen: Fombrun/Gardberg/Sever 2000, Fombrun/van Riel 2004)
Zwar wurde der RQ zunächst in den USA entwickelt, seit 1999 wurden jedoch auch in zahlreichen weiteren Ländern RQ-Studien durchgeführt, die die Tauglichkeit dieses Messkonzepts unterstreichen. Inzwischen liegen RQ-Studien für die USA, Australien, Asien sowie für 12 europäische Länder vor. Während RQ-Studien in anderen europäischen Ländern (z. B. Dänemark, Italien, Niederlande) bereits auf eine mehrjährige Tradition zurückblicken können, wurde eine umfassende RQ-Erhebung in Deutschland erstmalig im Jahre 2004 durchgeführt. Für den Zeitraum davor liegen lediglich einige Vor- und Teilstudien vor.
2.1.2
Zur Vorgehensweise bei der Durchführung von RQ-Studien
Bevor in einem Land eine umfassende RQ-Erhebung stattfindet, werden grundsätzlich jeweils eingehende qualitative Studien sowie Pretests organisiert, um die Eignung des Messkonzepts und nicht zuletzt auch dessen Übersetzung in die jeweilige Landessprache
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Klaus-Peter Wiedmann/Charles J. Fombrun/Cees B.M. van Riel
systematisch zu überprüfen. Im Anschluss daran werden dann quantitative Vorstudien durchgeführt, die teils branchenspezifisch, in jedem Fall aber hinsichtlich des Stichprobenumfanges deutlich kleinräumiger angelegt sind. Für den deutschsprachigen Raum haben entsprechende Studien die Eignung des RQ durchaus bestätigen können. Zugleich war aber auch zu erkennen, dass es ggf. einige landes- und branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen gilt, die letztlich auf einzelne Ergänzungen und Ausdifferenzierungen relevanter Reputationsdimensionen hinauslaufen. Hierauf wird später noch etwas näher einzugehen sein. Unabhängig von der grundlegenden Validierung und ggf. Erweiterung des Messinstrumentariums laufen konkrete empirische Studien auf der Basis des klassischen RQ in jedem Land nach einem spezifischen mehrstufigen Muster ab (Fombrun/Wiedmann 2001, Fombrun/van Riel 2004). Stufe 1: Bestimmung jener Unternehmen, die im jeweiligen Land eine Top-of-MindPosition aufweisen. Im Wege repräsentativer Befragungen werden die Probanden jeweils gebeten, die aus ihrer Sicht zwei/drei besten sowie schlechtesten Unternehmen zu benennen. Auf dieser Grundlage werden jene 15 oder ggf. auch mehr Unternehmen ausgewählt, die am häufigsten genannt wurden und innerhalb des jeweiligen Landes als wichtige Benchmarks betrachtet werden können, und zwar sowohl im positiven wie auch negativen Sinne. In Deutschland wurden hier für die RQ-Studie 2004 etwa Unternehmen wie Porsche, ALDI, BMW, BASF, Siemens sowie die Deutsche Bahn, Deutsche Telekom, Deutsche Bank nominiert. Auch bereits die Ergebnisse einer solchen öffentlichen Nominierung sind sicherlich sehr aufschlussreich – vor allem für jene Unternehmen, die es trotz ihrer Größe und Bedeutung nicht geschafft haben, in eine herausragende Top-of-MindPosition zu gelangen. Stufe 2: Erhebung des RQ für die in Stufe 1 nominierten Unternehmen sowie für weitere Unternehmen, die sich an der RQ-Studie beteiligen wollten bzw. von ihren Wettbewerbern als besonders relevant eingestuft wurden. Im Anschluss an diese Erhebung werden dann auf der Basis des mehrdimensionalen Messkonzepts Punktwerte vergeben, die sowohl in ein allgemeines RQ-Ranking als auch in themenspezifische RQ-Rankings einmünden (z. B. Ranking im Blick auf die Dimension „Vision & Leadership“, „Corporate Social Responsibility“ etc.). Ferner werden die unterschiedlichen RQ-Werte für unterschiedliche Stakeholdergruppen erfasst und ausgewertet. Publiziert werden aber nur die Ergebnisse der Rankings über die zuvor in Stufe 1 nominierten Unternehmen und hier auch nicht entlang aller erhobenen Daten sowie bezogen auf die Einschätzungen aller Stakeholder. Detailliertere Erhebungen und Auswertungen münden demgegenüber in Berichtsbände, die für die beteiligten Unternehmen erstellt und nur diesen zugänglich gemacht werden. Stufe 3: Detailanalysen für einzelne Unternehmen (Identifikation spezifischer „Key Drivers of Reputation“, Durchführung wettbewerbsrelevanter Erwartungs- und Betroffenheitsanalysen sowie spezieller Benchmarkingstudien) auf der Basis des RQ-Datenmaterials unter Ausschöpfung der Daten von allen Stakeholdern sowie ggf. ergänzt durch zusätzlich erhobene Daten (z. B. Durchführung spezieller Erhebungen bei unterschiedlichen Kundengruppen einer Branche oder auch eines bestimmten Unternehmens sowie Einbeziehung der Mitarbeiter einzelner Unternehmen).
Reputationsanalyse mit dem Reputation Quotient
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Stufe 4: Benchmarkingstudien auf der internationalen Ebene unter Rekurs auf die Ergebnisse bereits vorliegender bzw. parallel durchgeführter RQ-Studien und/oder aufbauend auf zusätzlichen Erhebungen und Analysen in spezifischen Ländern, die für ein Unternehmen von besonderer Bedeutung sind (z. B. im Lichte der Planung einer internationalen Markterschließungsstrategie). Öffentlich zugänglich sind die Ergebnisse der Stufe 2 und zum Teil auch der Stufe 4. Top 3 des allgemeinen RQ-Ranking waren in 2004 so z. B. Porsche, ALDI, BMW in Deutschland, L´Oréal, Danone, Microsoft in Frankreich, Virgin Group, Sony, The Body Shop in Großbritannien und Johnson & Johnson, 3M, Coca-Cola in den USA. Von den insgesamt 100 möglichen Punkten wurden dabei zwischen ca. 70 und 80 erreicht. Spannend zu analysieren sind dann sicher auch die Abweichungen im Ranking der Unternehmen, wenn man sich lediglich auf einzelne RQ-Dimensionen konzentriert. Hier haben es etwa Siemens und BASF bei „Products & Services“, Microsoft bei „Financial Performance“ und „Vision & Leadership“, DaimlerChrysler bei „Social Responsibility“ sowie Volkswagen sowohl bei dieser Dimension als auch bei „Workplace Environment“ geschafft, in die Top 3 vorzustoßen (vgl. ausführlicher Wiedmann 2004a; zu einer vergleichenden Analyse zwischen Dänemark, Norwegen und Schweden vgl. etwa Apéria/Bronn/Schultz 2004). Dass am unteren Ende der Rankings in den verschiedenen Ländern insbesondere jene Unternehmen zu finden sind, die unterjährig heftiger öffentlicher Kritik ausgesetzt waren, überrascht sicherlich nicht. In Deutschland waren dies etwa die Deutsche Bank, Deutsche Post, Deutsche Telekom sowie die Deutsche Bahn.
2.1.3
Weiterführende Analysen und Benchmarkingstudien auf der Basis von RQ-Studien
So spannend die unterschiedlichen RQ-Rankings auch sein mögen, der eigentliche Nutzen der RQ-Studien ergibt sich aus der geschaffenen Datenbasis für weiterführende Analysen und speziell auch Benchmarkingstudien. Unter dem Gesichtspunkt weiterführender Analysen kommt insbesondere dem Versuch eine herausragende Bedeutung zu, jeweils die „Key Drivers of Reputation“ zu erfassen und mithin einen Einblick in die relevanten Erfolgsfaktoren eines Reputationsmanagements zu bekommen. Durch welche Faktorkombinationen lassen sich also etwa sehr hohe oder auch sehr niedrige Reputationsgesamtwerte eines Unternehmens erklären, bzw. welche der jeweiligen Reputationsfaktoren haben einen sehr starken und welche einen eher geringen Einfluss auf die Gesamtreputation eines Unternehmens. Während im oberen Teil der Abbildung 2 die grundsätzlich zu durchdenkenden und dann empirisch zu überprüfenden Kausalbeziehungen zu veranschaulichen versucht werden, spiegelt die Graphik im unteren Teil der Abbildung jene dominanten Kausalbeziehungen wider, die Fombrun/van Riel (2004) vor dem Hintergrund der bislang vorhandenen RQStudien identifiziert haben. Die angegebenen Pfadkoeffizienten zeigen dabei die Stärke der Einflussbeziehungen an. Gleichzeitig wird angegeben, um wie viel Prozent bei den einzelnen Reputationsdimensionen jeweils eine Verbesserung zu bewirken wäre, um letztlich eine
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Klaus-Peter Wiedmann/Charles J. Fombrun/Cees B.M. van Riel
Verbesserung der gesamten Unternehmensreputation um fünf Prozent zu erzielen (im Einzelnen dazu Fombrun/van Riel 2004: 58-60).
Abbildung 2:
Identifikation relevanter Werttreiber im Rahmen von Kausalanalysen
Die in Abbildung 2 zum Ausdruck kommende herausragende Stellung des Faktors „Emotional Appeal“ sowie die hohe Bedeutung des Faktors „Product & Services“ können im Kontext unserer bisherigen empirischen Erfahrungen als gut bewährte Hypothesen betrachtet werden. Während sich dementsprechende Kausalmuster in allen bisherigen Studien identifizieren lassen, variieren die Ergebnisse mit Bezug auf die anderen Reputationsdimensionen mitunter doch recht deutlich. So konnten wir in Deutschland in einzelnen Studien etwa durchaus „Vision & Leadership“ sowie „Financial Performance“ als wichtige Reputationstreiber identifizieren, die zudem auch einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf den „Emotional Appeal“ haben und mithin über diesen auch zugleich indirekt einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Reputationsgesamtwert haben. Unter dem Gesichtspunkt verfeinerter Reputationsanalysen und Benchmarkingprozesse nimmt die Identifikation von Gemeinsamkeiten und Abweichungen hinsichtlich der Kausalbeziehungen bei der Entstehung einer hohen oder auch niedrigen Reputation eine wichtige Stellung ein. So kann es beispielsweise durchaus sein, dass ein Unternehmen bei einem bestimmten Reputationsfaktor Höchstpunktwerte erzielt, dieser Faktor aber letztlich bei der
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Herausbildung einer tragfähigen Unternehmensreputation lediglich eine untergeordnete Rolle spielt oder etwa auch nur in Verbindung mit anderen Faktoren einen positiven Einfluss auf die Unternehmensreputation hat. Nicht selten gilt dies etwa mit Blick auf den Faktor „Social Responsibility“, dem insbesondere bei der Sicherung eines „Supportive Behaviors“ in der Regel eine lediglich untergeordnete Bedeutung zu bescheinigen ist und der zudem nur dann einen positiven Einfluss hat, wenn gleichzeitig die Werte bei anderen Faktoren (insbes. „Product & Services“, „Workplace Environment“) sehr gut ausgeprägt sind (Wiedmann 2004a). Um ausreichend differenzierte Analysen vornehmen zu können, müssen über die im Wege der RQ-Studien erhobenen quantitativen Daten hinaus zahlreiche weitere Informationen in die Betrachtung einbezogen werden. Sowohl speziell unter Würdigung länder- und branchenspezifischer Besonderheiten als auch darüber hinaus sollte etwa danach gefragt werden, vor dem Hintergrund welcher Rahmenbedingungen spezifische Kausalbeziehungen bei der Entstehung von Reputation einen mehr oder weniger großen Einfluss haben. Verändern sich die situativen Bedingungen markant, so kommt es sicherlich zu Verschiebungen in der Relevanz einzelner Reputationstreiber. Es gilt also, zumindest auf der Basis ergänzender qualitativer Analysen ein Prämissen-Controlling durchzuführen. Die Tatsache, dass „Vision & Leadership“ sowie „Financial Performance“ gerade bei uns in Deutschland einen beachtlichen Einfluss auf die Reputationswahrnehmung haben, dürfte u. a. sehr eng damit verbunden sein, dass „die Zeiten“ als sehr schwierig eingestuft werden und vor allem Unternehmen gefragt sind, die nach wie vor sehr erfolgreich sind und insofern auch kraftvoll mit Visionen und konkreten Innovationen die wirtschaftliche Entwicklung nach vorne treiben können. Das relative Gewicht einzelner Reputationsdimensionen bei der Hervorbringung einer Unternehmensreputation mit hoher Strahl- und Anziehungskraft ist vor allem in Bezug auf das Treffen strategischer Entscheidungen von Bedeutung: Welche Positionierungsstrategien sollen etwa mit Blick auf welche Stakeholder verfolgt und welche Schwerpunkte sollen dabei vor allem auch im Blick auf die Verteilung der Kommunikationsbudgets gesetzt werden? Sind die Themen erst einmal definiert, entsprechende Ziele konkret bestimmt und Budgets verteilt, geht es auf der operativen Ebene darum, auf der Grundlage von RQ-Analysen möglichst konkrete Hinweise für die Maßnahmenplanung zu bekommen. Wichtige Anregungen können sich hier gerade aus Benchmarkingstudien ergeben, indem etwa analysiert wird, welche Unternehmen mit Hilfe welcher Maßnahmenprogramme welche Reputationswerte erzielen konnten. Vertiefende Hinweise zur Maßnahmenplanung sowie vor allem auch Budgetierung ergeben sich hier vor dem Hintergrund von vergleichenden Stärken/Schwächen-Analysen und speziell der Frage nach den Abständen in den erzielten Punktwerten bei den verschiedenen Reputationsdimensionen. Im vorliegenden Zusammenhang macht es durchaus Sinn, die gesamte Bandbreite der Benchmarking-Varianten zu nutzen, von einem Best-of-World-Benchmarking bis hin zu einem Best-of-Class-Benchmarking (Wiedmann 2004a). Während ein Benchmarking mit Unternehmen aus der eigenen strategischen Gruppe unter Umständen sehr konkrete Bewertungsgrundlagen zu erschließen hilft, liefert die Analyse der Erfolgskonzepte von Unternehmen, die auf einem globalen Level zu den „Reputationsführern“ zählen und ggf. in völlig anderen
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Branchen tätig sind, relevante Leitmaximen sowie kreative Impulse für die Maßnahmenplanung. Wichtig erscheint es in jedem Fall, quantitative Analysen, die auf der Basis von Punktwertvergleichen entlang der unterschiedlichen Reputationsdimensionen möglich werden, durch qualitative Analysen zu ergänzen. Hierbei gilt es, entlang der verschiedenen „Reputationsführer bzw. -teilthemenführer“ herauszukristallisieren, welche Reputations-Plattformen, Positionierungskonzepte, Slogans, Maßnahmenprogramme etc. konkret eingesetzt wurden, um ein entsprechendes Ergebnis zu erzielen (vertiefend dazu Fombrun/van Riel 2004). Jene Unternehmen, die nicht in die Datenerhebung bei einzelnen RQ-Studien einbezogen wurden und insofern auf kein Datenmaterial für detailliertere Analysen (wie sie zuvor angedeutet wurden) zurückgreifen können, haben letztlich zwei Möglichkeiten, das RQ-Konzept für ihre Reputationsanalysen zu nutzen. Zum einen können sie sich auf qualitative Ansätze eines Benchmarkings beschränken oder sie können zum anderen unter Rekurs auf den RQFragebogen eigenständige Erhebungen durchführen, die im Hinblick auf die Definition der Grundgesamtheit und Stichprobenauswahl so anzulegen sind, dass eine gewisse Vergleichbarkeit gegeben ist. Letzteres bezieht sich etwa darauf, dass beispielsweise ein mittelständisches Unternehmen oder auch ein in einem Spezialsegment tätiges Großunternehmen allein schon aufgrund seines geringeren Bekanntheitsgrades in der Gesamtbevölkerung niemals vergleichbare Punktwerte bei einem RQ-Scoring wird erhalten können. Es sollte insofern schon eine Stichprobe gezogen werden, in der das betreffende Unternehmen einen mit den Top-Unternehmen vergleichbaren Bekanntheitsgrad aufweist. Ist eine entsprechende Vergleichbarkeit verwirklicht, kann über moderne Verfahren eines „Data Matching“ ein Datensatz aufgebaut werden, der unmittelbar vergleichende Analysen auf der Basis eines Einsatzes anspruchsvollerer Methoden der Statistik erlaubt, um unterschiedliche Arten eines Benchmarkings zu ermöglichen. Um Benchmarking-Ansätze mit Bezug auf die eigene Branche („Top-of-Industrie“) oder speziell auch auf eigene strategische Wettbewerbsgruppe („Top-of-Competition“) durchführen zu können, wäre natürlich sicherzustellen, dass parallel zur eigenen auch die Reputation der jeweils relevanten Unternehmen in adäquater Weise mit erhoben wird (Wiedmann/Fombrun/van Riel 2005). Im Einzelfall stellt sich freilich die Frage, ob und ggf. inwieweit ein entsprechender Aufwand, der für die Ermöglichung differenzierterer quantitativer Analysen zu veranschlagen ist, durch den konkreten Informationsgewinn entsprechender Benchmarking-Ansätze zu rechtfertigen ist. Zwar lassen unsere Erfahrungen mit verschiedenen solcher quantitativen Studien für einzelne Unternehmen durchaus entsprechende Nutzenpotenziale erkennen. Sehr gute Erfahrungen konnten wir indessen aber auch im Kontext qualitativer BenchmarkingStudien sammeln, die im Rahmen moderierter Workshops unternommen wurden. Letztlich wird hier unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalles zu entscheiden sein, welchem Ansatz der Vorzug zu geben ist. Wie interessant qualitative Benchmarking-Studien sein können, zeigt sich letztlich schon auf der Grundlage der öffentlich zugänglichen Ergebnisse von RQ-Studien. Greifen wir als Beispiel einmal die RQ-Teil-Studie Deutschland 2004 heraus, so lassen sich aus der Tatsache, dass ALDI nicht nur im Gesamtranking auf Platz 2 steht, sondern diesen Platz eben auch im
Reputationsanalyse mit dem Reputation Quotient
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Hinblick auf die Dimension „Emotional Appeal“ belegt und in Bezug auf die Dimensionen „Product & Services“, „Financial Performance“ sowie „Vision & Leadership“ sogar auf Platz 1 kommt, zahlreiche Anregungen für die Planung eines Reputationsmanagements gewinnen. Es steht außer Frage, dass man im vorliegenden Zusammenhang keine voreiligen Schlüsse ziehen darf. Letztlich bedarf es einer ganzheitlichen Analyse, bei der etwa parallel Beachtung findet, dass hinsichtlich der Dimension „Emotional Appeal“ eben Porsche und BMW die Plätze 1 und 3 belegen, bei der Dimension „Product & Services“ Siemens Platz 2 und BASF Platz 3 belegen und ähnliches mehr. Geht man etwas genauer der Frage nach, was die jeweiligen Unternehmen in den einzelnen Bereichen konkret auszeichnet, so wird man aber doch sehr schnell zu recht validen Maßstäben dahingehend kommen, wie eine Unternehmenspersönlichkeit und die konkreten Leistungs- und Verhaltensmuster sowie speziell auch Kommunikationsmuster ausgestaltet werden sollten, um ein hohes Maß an Akzeptanz und Anerkennung zu erhalten. Um es einmal sehr vereinfacht auf den Punkt zu bringen: Oberflächliche Werbe-Gags und Imagekampagnen sowie vordergründig erlebnisorientierte Markenkonzepte reichen ganz offensichtlich eben nicht aus, um eine nachhaltige Unternehmensreputation aufzubauen und auf breiter Front zu etablieren.
2.2
Erweiterte Ansätze einer Reputationsanalyse im Reputation Institute
Im Zusammenhang mit der Nutzung des RQ-Ansatzes im Rahmen vielfältiger Forschungsund Beratungsprojekte haben sich über die letzten Jahre zahlreiche Erfahrungen und Erkenntnisse angesammelt, aus denen sich Impulse für die Weiterentwicklung dieses Konzeptes sowie zu dessen Ergänzung durch andere Bausteine einer aussagekräftigen Reputationsanalyse ergeben haben. Einen zentralen Themenbereich bilden hier zunächst inhaltliche Fragen, wie z. B. welche Dimensionen sind besonders geeignet, um die Reputation eines Unternehmens aussagekräftig und valide messen, und welche Ursache- und Wirkungsfaktoren sollten parallel zur Messung spezifischer Unternehmens-Assoziationen bei den verschiedenen Stakeholdern mitberücksichtigt werden? Ein weiterer Bereich bezieht sich auf die Methodik, und zwar zum einen bereits auf die Erhebungsmethodik, zum anderen auf die Analysemethodik im Kontext der Auswertung vorhandener Reputations-Daten wie auch im Blick auf eine inhaltlich weiter gefasste Modellierung der Reputationssituation von Unternehmen unter Einbeziehung unterschiedlicher Ursache-/Wirkungsfaktoren. Im Folgenden seien lediglich einige wichtige inhaltliche Erweiterungen des klassischen RQ-Konzepts kurz angerissen.
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2.2.1
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Verfeinerte Erfassung der mehrdimensionalen Struktur der Unternehmensreputation
Zu den besonderen Vorzügen des RQ-Ansatzes zählen zweifellos die mehrdimensionale Erfassung des Konstrukts Unternehmensreputation sowie vor allem die Entwicklung eines standardisierten Messkonzepts, das Länder-, Branchen- und Stakeholdergruppen-übergreifend eingesetzt werden kann und seit 1999 etwa auch in jährlich durchgeführten Großstudien eingesetzt wurde. Zugleich ergibt sich aber aus der Frage, welche Items im Rahmen dieser mehrdimensionalen Messung herangezogen werden sollen und zu welchen Dimensionen diese dann verdichtet werden können, eine der zentralen Angriffsflächen für Kritik oder positiv gewendet für Verbesserungsvorschläge. Im Lichte bisheriger Erfahrungen sowie vor allem der Ergebnisse empirischer Studien spricht in der Tat vieles dafür, künftig doch sehr viel mehr länder- und branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen sowie auch Stakeholdergruppen-spezifische Messkonzepte (etwa im Blick auf Kunden, Investoren und Mitarbeiter) zu entwickeln. In unseren Studien in Deutschland konnten wir etwa feststellen, dass z. B. Dimensionen wie Fairness, Sympathie, Transparenz, wahrgenommene Kundenorientierung, Professionalität, Tradition, lokales bzw. regionales Engagement zusätzlich Beachtung finden sollten (Walsh/Wiedmann 2004, Wiedmann/Boecker/Buckler 2004, Wiedmann/Meissner/Fusy 2003, Wiedmann/Meissner/Wegner 2003 sowie insbesondere die SMIReports 2004). Überdies unterstützte eine Studie, in deren Zentrum gezielt ein Vergleich zwischen drei Branchen (Banken, Energieversorger und Versicherungen) gestellt wurde, die Vermutung, dass Branchen-spezifische Messkonzepte zumindest den üblichen Validitätsanforderungen in deutlich höherem Maße gerecht werden als der traditionelle RQ (Wiedmann/Boecker 2004). Und schließlich konnten in qualitativen Voruntersuchungen erste empirische Evidenzen für die Zweckmäßigkeit einer stärkeren Differenzierung des Messinstrumentariums entlang verschiedener Stakeholdergruppen gefunden werden. Neben spezifischen Messkonzepten im Hinblick auf Kunden, an deren Entwicklung wir in Deutschland gegenwärtig arbeiten, erweisen sich insbesondere auch jene Konzepte, die in anderen Ländern bereits für Investoren und für Mitarbeiter entwickelt wurden, als besonders zweckdienlich. Der von van Riel et al. entwickelte EcQ (Employee Communications Quotient), der sich auf die Gruppe der Mitarbeiter konzentriert und bei diesen nicht nur Unternehmensassoziationen, sondern vor allem auch deren „Strategic Alignment“ misst, hat im Lichte empirischer Studien seine „Nagelprobe“ sogar schon auf der internationalen Ebene bestanden (z. B. van Riel/Berens/Dijkstra 2005). Im vorliegenden Zusammenhang stellt sich nun selbstverständlich die Frage, ob und ggf. inwieweit ein international standardisiertes Messkonzept, wie es mit dem RQ entwickelt und eingesetzt wurde, tatsächlich zugunsten länder-, branchen- und Stakeholdergruppenspezifischer Messkonzepte aufgegeben werden sollte. Letztlich sind die Vorteile eines international standardisierten Messkonzepts im Hinblick auf die immer wieder erforderlichen Vergleichs- und Benchmarking-Prozesse doch gravierend. Schließlich arbeiten wir hier auf ein kombiniertes System hin, in dessen Zentrum ein international standardisiertes Messkonzept steht, das dann jeweils länder-, branchen- und Stakeholdergruppen-spezifisch erweitert
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und ergänzt wird (Wiedmann 2004b). Im Sinne eines „harten Kerns“ wird dabei der traditionelle RQ durch ein erweitertes Messkonzept in Gestalt des sogenannten Global RepTrakTM ausgebaut, das gegenwärtig im Rahmen empirischer Studien in verschiedenen Ländern noch überprüft und Ende 2006 vorgestellt werden wird. Der Global RepTrakTM erweitert zum einen die Erfassung relevanter Reputationstreiber von den ursprünglich sechs auf sieben Dimensionen (Leadership, Performance, Product & Services, Innovation, Workplace, Goverance, Cittizenship) und integriert dabei insgesamt 23 einzelne Items als Kennzahlen in ein Scorecard-System. Zum anderen wird eine ganzheitliche Einschätzung der Reputation von Unternehmen über vier Attribute erfasst (overall esteem, good feeling, trust and admiration). Die bisherige RQ-Dimension „Emotional Appeal“ wird hierbei in die Reputationsgesamteinschätzung einbezogen (vgl. noch einmal Abbildung 2), die im Sinne eines „Global RepTrak PulseTM“ regelmäßig in nunmehr 26 Ländern für die jeweils bekanntesten Unternehmen erhoben wird und von anderen interessierten Unternehmen zum Zwecke eines Benchmarking herangezogen werden kann. Über die Erhebung und Auswertung relevanter Reputationstreiber lassen sich dann jeweils differenzierte Reputationsanalysen durchführen.
2.2.2
Die Berücksichtigung von Rahmenbedingungen sowie Ursache-Wirkungs-Beziehungen
Unter inhaltlichen Gesichtspunkten kommt vor allem der Tatsache eine besondere Bedeutung zu, dass künftig nicht nur Unternehmensassoziationen entlang verschiedener Dimensionen erfasst werden, sondern darüber hinaus zugleich relevante Kontextfaktoren sowie speziell Ursache-Wirkungsfaktoren. Teils lassen sich entsprechend erweiterte Messkonzepte bereits auf der Basis des im Rahmen von RQ-Studien erhobenen Datenmaterials rekonstruieren (Wiedmann 2004a), teils müssen hier noch weitere relevante Aspekte identifiziert und in empirische Erhebungen konsequent einbezogen werden (Wiedmann 2004b). Aus dem breiten Spektrum der inzwischen schon in Angriff genommenen Weiterentwicklungsansätze sollen im Folgenden nur einige besonders wichtige knapp akzentuiert werden. Von herausragender Bedeutung erscheint es zunächst vor allem, noch konsequenter als bisher die mit einer bestehenden Reputation verbundenen Unterstützungspotenziale mit zu erfassen, wie es zuvor bereits in unserem Begriffsverständnis und speziell im Kontext der Abgrenzung der Begriffe Reputation und Image angeklungen ist. In der Tat kann es in praxi nicht darum gehen, per se ein positives Image aufzubauen, sondern dies ist spezifisch so zu tun, dass sich hieraus sehr konkrete Unterstützungspotenziale bei den verschiedenen Stakeholdern ergeben. In den vorliegenden Studien wurden bisher beispielsweise Aspekte wie das Vertrauenspotenzial sowie die Kauf- und Weiterempfehlungsbereitschaft bereits mit erhoben (ausführlicher Wiedmann 2004a). Künftig sollten hier mit Blick auf einzelne Stakeholdergruppen (Kunden, Mitarbeiter, Investoren etc.) noch sehr viel differenziertere Messansätze Beachtung finden, wie sie in den zuvor bereits erwähnten Stakeholder-spezifischen Messkonzepten zum Teil schon zum Einsatz gelangen. Zwar sind ein hohes „Strategic Alignment“, wie es im EcQAnsatz etwa von van Riel et al. im Blick auf die Mitarbeiter akzentuiert wird, oder eine starke
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Kundenbindung, ausgeprägte Preisbereitschaften, Cross-Selling-Potenziale etc., wie sie von Wiedmann et al. mit Bezug auf Kunden als Messgrößen herangezogen werden (Wiedmann/ Boecker 2004, Wiedmann/Boecker/Buckler 2004), nicht unmittelbar mit der Reputation eines Unternehmens gleichzusetzen. Im Sinne reflexiver Indikatoren spiegeln derartige Größen aber die spezifische Ausprägung der Reputation eines Unternehmens doch sehr gut wider. Neben den Wirkungspotenzialen, die in der Reputation eines Unternehmens stecken, müssen auch vielfältige Rahmenbedingungen Beachtung finden, die die Einschätzungen des Unternehmens durch die verschiedenen Stakeholder entweder konkret beeinflussen und prägen oder deren Ausprägung ein spezifisches Licht auf die bestehenden Einschätzungen eines Unternehmens werfen und deren Bedeutung besser zu verstehen helfen. Letzteres kann sich etwa darin manifestieren, dass der Vertrautheitsgrad mit dem Unternehmen und das Ausmaß, in dem man sich mit diesem schon konkret auseinander gesetzt hat, erfasst werden. Positive Einschätzungen, die ein Unternehmen bei Stakeholdern erzielt, die sich sehr intensiv mit dem Unternehmen auseinander gesetzt haben, sind sicherlich anders zu werten als entsprechende Einschätzungen, die auf mangelnder oder zumindest oberflächlicher Kenntnis beruhen. Insbesondere mit Blick auf die Frage, wie stark sich die verschiedenen Stakeholder bereits mit einem Unternehmen auseinander gesetzt haben, spielt nicht zuletzt auch die Medienpräsenz des jeweiligen Unternehmens eine wichtige Rolle. Hierzu werden seitens des Reputation Institute parallel zur Reputationsmessung bei unterschiedlichen Stakeholdern immer auch Medien-Analysen durchgeführt, die entlang der unterschiedlichen Reputationsdimensionen konkret erfassen, wie stark über die jeweiligen Unternehmen in unterschiedlichen Medien berichtet wird bzw. welche Themen in Verbindung mit dem Unternehmen thematisiert werden. Das aktuelle Konzept des MediaRep ist dabei bereits auf die erweiterte Faktorstruktur des RepTrack abgestimmt. Die vergleichende Analyse zwischen der Media Coverage und den Wahrnehmungen bzw. Einstufungen des Unternehmens in Bezug auf jeweils identische Reputationsdimensionen ist allein schon deshalb sehr aufschlussreich, weil sich zumindest ansatzweise erkennen lässt, wie stark die bei den Stakeholdern vorherrschende Meinung über das Unternehmen durch dessen Präsenz in den Medien beeinflusst wird. Schlüsselt man dann noch das eingesetzte Kommunikationsbudget soweit als möglich ebenfalls nach den verschiedenen Reputationsdimensionen auf, werden auf dieser Grundlage sehr aufschlussreiche Analysen und Controllingansätze ermöglicht. Ist es beispielsweise tatsächlich gelungen, mit Hilfe der eingesetzten Kommunikationsmittel eine entsprechende Thematisierung in den Medien zu erreichen, und welche Einschätzungen haben sich vor diesem Hintergrund bei den unterschiedlichen Stakeholdern ergeben? Ein weiteres wichtiges Modul bildet die Erfassung eines Expressiveness Quotient, der die Einschätzungen der unterschiedlichen Stakeholder zur gesamten Unternehmenskommunikation entlang unterschiedlicher Dimensionen wie z. B. Glaubwürdigkeit, Transparenz, Eigenständigkeit, Authentizität etc. abbildet (Fombrun/van Riel 2004: 96). Auf der Basis einer systematischen Analyse der Beziehungen zwischen den Ausprägungen einzelner EQ- sowie RQ-Dimensionen lassen sich rekurrierend auf die bislang seitens des Reputation Institute durchgeführten Studien sehr gut relevante Erfolgsfaktoren identifizieren (ausführlicher dazu
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Fombrun/van Riel 2004) und dann im Abgleich zu den von einem Unternehmen jeweils erzielten Werten sehr aufschlussreiche Stärken-Schwächen-Analysen durchführen. In Verbindung mit der zuvor skizzierten Medien-Analyse lässt sich beispielsweise nicht selten feststellen, dass einzelne Unternehmen mit ihren Kommunikationsanstrengungen zwar im Hinblick auf einzelne Themen eine starke Medienpräsenz erreichen, damit aber noch keine positiven Einschätzungen bei diesen Themen bewirken, weil es etwa an Glaubwürdigkeit, Eigenständigkeit oder ähnlichem mangelt. Entlang der verschiedenen hier angeschnittenen Themenkomplexe macht es schließlich auch Sinn, den jeweils spezifischen Relationen zu relevanten Wettbewerbern im Sinne zentraler Rahmenbedingungen Beachtung zu schenken. In Studien, die in Kooperation mit dem Strategy & Marketing Institute (SMI) durchgeführt wurden, hat es sich hierbei u. a. bewährt, bei der Analyse der Ausprägungen einzelner Reputationsdimensionen mit Varianz- und Distanzmaßen zu arbeiten und auf der Basis von Korrespondenzanalysen vor allem auch spezifische strategische Gruppen zu identifizieren (Wiedmann/Boecker/Buckler 2004). Über die genannten Aspekte müssen bei der Weiterentwicklung des RQ-Konzepts zahlreiche weitere Rahmenbedingungen sowie Ursache-Wirkungsbeziehungen Beachtung finden. Wie lassen sich etwa relevante situative Bedingungen wie z. B. konjunkturelle Bedingungen, die Ausprägung von Wertsystemen bei den unterschiedlichen Stakeholdern, öffentliche Thematisierungszyklen und Stimmungsschwankungen und ähnliches mehr abbilden? Welchen Einfluss haben einzelne Produktmarken, Profit Center-Marken etc. im Kontext einer integrierten Identitätswahrnehmung (Wiedmann 2004c) und mithin auf die Entstehung einer gesamthaften Unternehmensreputation? Die in diesem Beitrag kurz vorgestellten Ansätze sollten jedoch genügen, um einen ersten Eindruck von der grundsätzlichen Ausbaufähigkeit des Reputation Quotient zu vermitteln.
3.
Resümee
Mit der Ausarbeitung und insbesondere empirischen Anwendung des RQ wurde ein robuster Schritt in Richtung der Entwicklung eines tragfähigen Messkonzepts unternommen, das dazu beitragen kann, relevante Planungsgrundlagen für ein integriertes Reputationsmanagement zu schaffen. Trotz aller Notwendigkeit, den klassischen RQ-Ansatz ständig weiter auszuarbeiten und die skizzierten Richtungen zu verfeinern, darf Folgendes nicht übersehen werden: Will man alle Beteiligten bzw. zu Beteiligenden an einen Tisch bringen, wird man je nach Entwicklungsstand eines Kommunikations-Controllings zunächst vielleicht erst einmal mit einem einfacheren und sehr robusten Konzept starten müssen, um dieses dann in gemeinsamer Anstrengung sukzessive weiter auszubauen und auf die jeweiligen Entscheidungs-
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bedarfe zuzuschneiden. Der vorliegende Beitrag hat gezeigt, dass auch im internationalen Netzwerk des Reputation Institute entsprechende Anstrengungen im Gange sind. Es bietet sich insofern sicherlich an, in einen intensiven Dialog einzutreten und gemeinsam zu versuchen, einen Fortschritt bei der Entwicklung überzeugender Analyse- und Planungsinstrumente zu erzielen, die zur Fundierung und vor allem auch Versachlichung der Diskussion über alle unterschiedlichen Disziplinen, Hierarchieebenen und Unternehmensbereiche hinweg beitragen.
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Reputationsanalyse mit dem Reputation Quotient
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Mitarbeiterbefragungen als Führungsinstrument
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Mitarbeiterbefragungen als Führungsinstrument Ingwer Borg
Mitarbeiterbefragungen messen die Meinungen und Einstellungen der Mitarbeiter und sind zugleich wichtige Instrumente für die Organisationsentwicklung und das Leistungsmanagement. Eine Mitarbeiterbefragung (MAB) ist meist ein großes, komplexes Projekt, das einer sorgfältigen Positionierung bedarf, die ihre Ziele und Randbedingungen klar macht. Ein Fragebogen muss entwickelt werden, der neben aktuellen Themen die ewigen Themen von Arbeitsleistung und -zufriedenheit adressiert. Die Fragen werden in Themenblöcken gruppiert und als Aussagen formuliert, die der Befragte durch Ankreuzen auf einer ZustimmungsAblehnungs-Skala beantwortet. Die Datenerhebung erfolgt heute in der Regel online oder, wo dies nicht möglich ist, mit Papier und Bleistift mit postalischem Versand oder in Wahllokalen. Die Prozesse, die der MAB folgen, verlaufen top-down, beginnend mit der Präsentation der Ergebnisse an die Geschäftsleitung. Die Ergebnisse müssen aus verschiedenen Perspektiven (Benchmarks, Theorie, Strategie, Scorecards usw.) analysiert und zu einer Story verdichtet werden, die klare Ansatzpunkte für effektive Reaktionen bietet. Der gesamte MAB-Prozess sollte von einer Informationskampagne begleitet werden.
1.
Positionierung einer Mitarbeiterbefragung
Mitarbeiterbefragungen sind viel verwendete Instrumente. Etwa drei von vier amerikanischen Firmen haben eine MAB durchgeführt und führen Mitarbeiterbefragungen sogar regelmäßig durch, zum Teil schon seit Jahrzehnten (Kraut 1996, Borg 2003). Für Deutschland sind diese Anteile inzwischen ähnlich hoch (Bungard/Jöns 1997). Das große Interesse an Mitarbeiterbefragungen hat gute Gründe. Eine MAB ist heute viel mehr als nur eine Umfrage in einer Stichprobe von Mitarbeitern der Basis zu HygieneThemen wie Arbeitszufriedenheit und Betriebsklima. Mitarbeiterbefragungen haben sich M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_17, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Ingwer Borg
vielmehr zu business-orientierten Führungsinstrumenten entwickelt. Sie sollen einerseits Einstellungen und Meinungen der Mitarbeiter – aller Mitarbeiter, vom Top-Management bis zur Hilfskraft – zu wichtigen arbeitsbezogenen Themen systematisch und differenziert messen. Die so erhobenen Soft Facts sollen die Hard Facts der „Bottom Line“ des Unternehmens vervollständigen, weil diese Hard Facts nur ein „Röntgenbild“ der Organisation liefern, „but much as the diseases we most commonly die from … do not show up in the skeletal xray, a loss of market standing or a failure to innovate do not register in the accountant’s figures until the damage is done“ (Drucker 1993). Mitarbeiterbefragungen sind daher Ausdruck der Absicht der Unternehmen, „to go beyond the x-ray and create much more insightful leading indicators for making decisions and creating value… Along with financial indicators, the firm measures such factors as customer satisfaction, flexibility, resilience, market share, and employee satisfaction“ (Epstein/Birchard 2000: 9). Andererseits sollen Mitarbeiterbefragungen direkt zu Verbesserungen führen oder Veränderungen beschleunigen. Eine MAB wird heute in der Regel von vornherein als Intervention konzipiert, bei der vor allem die Diskussion der Befragungsergebnisse zu Bewegung führen soll (Nadler 1977). Um dies zu illustrieren, sei angenommen, die Befragung habe die Frage enthalten: „Ich habe konkrete Ideen, was man in meinem Arbeitsumfeld tun könnte, damit ich deutlich mehr Leistung bringen kann“, versehen mit der üblichen Antwortskala „Stimme voll zu – Stimme zu – Teils/teils – Stimme nicht zu – Stimme überhaupt nicht zu“. In einer typischen MAB ist zu erwarten, dass nur ca. 20 Prozent der Befragten diese Aussage ablehnen, d.h. 80 Prozent stimmen zumindest teilweise zu: „Jawohl, wir haben solche Ideen, mehr oder weniger!“ Den meisten Managern ist sofort klar, was sie damit anfangen können: Das Ergebnis legitimiert sie, ja fordert sie geradezu dazu auf, mit ihren Mitarbeitern über Möglichkeiten der Leistungsverbesserung zu sprechen. Gleichzeitig bindet das Ergebnis die Befragten: Sie fühlen sich gefordert, bei entsprechender Nachfrage oder in einer Diskussion im Team Verbesserungsvorschläge zu machen oder zumindest konkrete Probleme aufzuzeigen. Diese Inputs sind zwar oft nur zu einem geringen Teil direkt umsetzbar, führen aber trotzdem zu einem nützlichen Diskurs, in dem über Leistung, ihre Voraussetzungen und Folgen diskutiert wird. Man kommt so aus der Ecke des Stöhnens und Jammerns heraus und bespricht und evaluiert die Ideen gemeinsam in Bezug auf ihre Machbarkeit, ihren Nutzen und ihre Kosten. Dies ist zugleich eine ideale Plattform, um die Strategie im konkreten Kontext zu verdeutlichen, weil ihre Kenntnis für die nachhaltige Priorisierung der Vorschläge unabdingbar ist. Verändern kann eine MAB allein schon durch die Befragung selbst. Bestimmte Themen werden dadurch, dass dazu Fragen gestellt werden, in breiter Öffentlichkeit angerissen und betont. So sollte in einem Unternehmen eine Reorganisation in Profit-Center durchgeführt werden. Das Interesse für diese Thematik blieb jedoch gering. Um mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen, wurde in der MAB gefragt, was die Mitarbeiter von Profit-Centern halten. Die Frage wurde, erwartungsgemäß, nicht so recht verstanden, aber die Thematik war platziert: Nach der MAB wollten die Mitarbeiter genau wissen, was Profit-Center sind und welche Rolle sie zukünftig spielen sollten.
Mitarbeiterbefragungen als Führungsinstrument
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Eine MAB verdeutlicht dadurch, dass sie bestimmte Themen misst und andere nicht, was wichtig ist. Eine Frage wie z. B.: „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Vorgesetzten?“ führt automatisch zu den verschiedensten Reaktionen der so beurteilten Führungskräfte. Schlechte Bewertungen seitens der Mitarbeiter sind Risiken für die weitere Karriere und möglicherweise sogar für den Gehaltsbonus, während gute Bewertungen Chancen eröffnen können. Allgemein gilt: „You get what you measure“, weil wiederholtes Messen bestimmter Themen dann, wenn einzelne Personen oder Teams für die Ergebnisse im- oder explizit verantwortlich gemacht werden, zur Fokussierung von Aufmerksamkeit und zu Verbesserungsaktivitäten führt. Überlegungen dieser Art sind vor jeder MAB notwendig und müssen letztlich zu einem Zielkatalog für die MAB führen, damit diese optimal angelegt werden kann. Typische Ziele einer MAB sind die folgenden: (1) Messen: Zuverlässig und valide erfassen, wie die Mitarbeiter (verschiedener Geschäftsbereiche, verschiedener Ebenen, Angestellte und Arbeiter usw.) die Dinge sehen, wie ihre Einstellungen und Meinungen zu arbeitsbezogenen Themen sind. (2) Einbinden: Systematische Kommunikation über alle Ebenen hinweg, Mitarbeiter an Veränderungen beteiligen, Veränderungsbereitschaft erhöhen, mehr Verantwortung nach unten befördern, Teams zusammenbringen. (3) Zufriedenheit erhöhen: Beseitigen von Quellen für Unzufriedenheit und Konflikt, Erhöhung von Commitment und Vertrauen, Abbau von Spannungen. (3) Leistung verbessern: Klarheit der Ziele erhöhen, Feedbackkultur verbessern, systematisches Leistungsmanagement fördern, Mitarbeiter besser motivieren, Beseitigung von Schwachstellen, Ausbau von Stärken. (4) Strategisch weiterkommen: Verbesserung des Top-down-Informationsflusses zur Strategie, Ausrichten allen Handelns und Denkens an der Strategie (Alignment), Ausformulierung der Strategie im Detail vor Ort. Daneben werden in der Regel noch einige besondere Ziele formuliert, die der MAB jeweils besondere Akzente geben. Beispiele hierfür sind: (1) Identifikation mit dem Konzern: Beitragen zur Entwicklung einer gemeinsamen Identität mit den Zielen, Werten und Verhaltensweisen des Leitbilds. (2) Ausbau der Führungsinstrumente: Ergänzen von Scorecards mit Soft Facts. Für eine Positionierung der MAB muss ein solcher Zielkatalog noch durch Ausführungen der für das Projekt geltenden Regeln und Rahmenbedingungen ergänzt werden. Hierzu gehören insbesondere die folgenden: Anonymität. Eine MAB ist immer freiwillig. Sie garantiert dem Befragten zudem, dass seine Angaben anonym bleiben. Berichtet werden daher nur Statistiken, die auf mindestens n (meist: n > 7) Personen basieren. Teams, bei denen sich weniger als n Personen beteiligt haben, bekommen damit keine Auswertung. Ihre Daten gehen nur in die Auswertung der größeren Organisationseinheiten ein. Wer sieht welche Ergebnisse wann? Dies ist vor allem für Führungskräfte eine wichtige Frage. Dabei soll vermieden werden, dass Einzelne bloßgestellt werden. Die üblichen Regeln sind, dass (a) ein Team seine Ergebnisse sieht, zusammen mit den Ergebnissen von Organisationseinheiten, denen das Team selbst angehört („Aufwärtsvergleiche“); und dass (b) Führungskräfte einen Quervergleich der Teams bekommen, die ihnen (direkt) unter-
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stellt sind. Quervergleiche auf der gleichen Ebene werden also in der Regel nicht zugelassen. Minimalanforderungen für Führungskräfte. Für die einzelne Führungskraft sollte artikuliert werden, welche Beiträge die Geschäftsleitung von ihr im MAB-Projekt erwartet. Typische Anforderungen hierfür sind: (a) Jede Führungskraft muss sich aktiv, aber ohne Druck auszuüben, dafür einsetzen, dass sich alle ihre Mitarbeiter an der MAB beteiligen; (b) allen Mitarbeitern müssen die Ergebnisse der MAB zugänglich gemacht werden; (c) alle Mitarbeiter müssen Gelegenheit bekommen, die MAB-Ergebnisse zu diskutieren; (d) jede Führungskraft muss die Ergebnisse der MAB für ihren Bereich sorgfältig analysieren und auf sie in geeigneter Weise reagieren; (e) die Mitarbeiter sind über diese Reaktionen zu informieren. Bisweilen wird (d) noch ergänzt durch die Auflage, dass die Reaktionen keine neuen Ziele verfolgen dürfen, sondern vielmehr den gegebenen Zielen dienen müssen. Letzteres ist dann sinnvoll, wenn sichergestellt ist, dass die vereinbarten Ziele die Strategie unterstützen.
2.
Design einer Mitarbeiterbefragung
Ein erfolgreiches MAB-Projekt erfordert eine breite Perspektive und eine durchdachte Konzeption des Gesamtpakets. Die Logik ist ähnlich wie beim Autorennen: Nicht das Auto mit dem stärksten Motor gewinnt das Rennen, sondern das beste „total package“ (Motor, Reifen, Aerodynamik, Mechaniker, Fahrer, Taktik usw.). Schwächen in kleinen Details können das Gesamtpaket entscheidend beeinträchtigen. Wichtige Vorgänge eines MAB-Projekts sind Positionierung, Design, Konstruktion des Fragebogens, Vorbereitung der eigentlichen Befragung, Befähigung der aktiv Beteiligten (insbesondere der Führungskräfte), Informieren aller Beteiligten und Betroffenen, Datenerfassung und -analyse, Rückspiegelung der Ergebnisse in die Organisation, Nacharbeiten der Ergebnisse (z. B. in Workshops mit den Mitarbeitern), Planung und Umsetzung von Reaktionen und Evaluation. Diese Vorgänge laufen teilweise parallel und einige (z. B. das Informieren zur MAB, ihren Prozessen und Folgen) sogar fast während des gesamten Projekts. Ein MAB-Projekt erfordert daher einen umfassenden Projektplan. Er hat meist einen Zeithorizont von etwa neun Monaten, beginnend mit der Positionierung und endend mit der Evaluation. Letztere entfällt dann weitgehend, wenn die MAB, wie meist üblich, regelmäßig durchgeführt wird. Viele Unternehmen führen eine MAB alle zwei Jahre (manchmal auch jedes Jahr) als Vollbefragung durch. Zusätzlich kann es noch zu Interimsbefragungen kommen, die dann
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allerdings als echte Stichproben laufen. Sie dienen zur Messung von Zwischenständen, zur Bewertung von Aktionen und zur Revitalisierung von Aktionen. Koordiniert und getrieben wird eine MAB von einem Projektteam, das sich normalerweise aus etwa drei Mitarbeitern des Personalbereichs zusammensetzt. Der Projektleiter ist in der Regel eine mittlere Führungskraft, die erhebliche Projekterfahrung hat. Das MAB-Kernteam wird nach Bedarf unterstützt von Spezialisten aus den Bereichen IT (bei einer Online-MAB), Personalinformationssysteme (für die Konstruktion der Teilnehmerlisten und ihrer Demografie), Kommunikation (für die Informationskampagne) oder Training (für evtl. nötige Befähigungsmaßnahmen). Zu empfehlen ist auch, ein Mitglied des Betriebsrats als Mitarbeiter in das Projektteam einzubinden. Der Sponsor der MAB ist immer die Geschäftsleitung, ihr Owner meist ein Mitglied der Geschäftsleitung (z.B. der Arbeitsdirektor). Fast immer ist ein externes Institut beteiligt, das die nötige Expertise und Erfahrung einbringt, das die Datenanalyse durchführt und das das Management bei der Interpretation und Verwendung der Ergebnisse berät. Externe MAB-Spezialisten sind schon allein deshalb sinnvoll, damit die Anonymität der Befragten garantiert werden kann und von den Mitarbeitern geglaubt wird. Allgemeiner betrachtet ist eine MAB aber ein so großes und komplexes Projekt, dass die hierfür nötige Expertise selten im Unternehmen selbst vorhanden ist. Das gilt nicht nur für die eigentliche Befragung, ihre Durchführung, Datenanalyse und -interpretation, sondern auch für die Konzeption von Handlungsempfehlungen und aller Prozesse.
3.
Inhalte: Was fragen?
Der Fragebogen spielt in jeder MAB eine zentrale Rolle. In den 70er Jahren war es üblich, Standardfragebögen wie die JDI-Skala („Job Descriptive Index“), den ABB („Arbeitsbeschreibungsbogen“), den MSQ („Minnesota Satisfaction Questionnaire“) oder die SAZ („Skala zur Messung der Arbeitszufriedenheit“) zu verwenden (siehe dazu z. B. Neuberger 1974). Davon ist man heute weitgehend abgekommen, obwohl Gallup neuerdings mit dem Q12 (Buckingham/Coffman 1999) wieder ein solches Instrument propagiert. Vorteil eines Standardfragebogens ist das Vorliegen von Normen („Benchmarks“) für seine Items, auch wenn diese oft wenig differenziert sind, z. B. für Branchen oder Zeitpunkte. Die Standardfragebögen messen jedoch vor allem Arbeitszufriedenheit und ihre Treiber, weniger die Bedingungen und Folgen von Leistungserbringung, und natürlich können sie auch nicht auf die besonderen Bedingungen des jeweiligen Unternehmens (z. B. seine Strategie) eingehen. Heutzutage verwendet man eher Fragebögen, die für den besonderen Kontext maßgeschneidert werden. Um sie zu konstruieren, kann man sich zunächst an Standardfragebögen, an
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entsprechenden Itemsammlungen (z. B. Cook 1981), an den in der Literatur publizierten Beispielen aus vielen Firmen (z. B. Domsch/Ladwig 2000) oder an „Item-Blaupausen“ (Borg 2002) orientieren, aus ihnen einzelne Fragen übernehmen oder sie bedarfsgerecht abändern. Das Problem ist allerdings weniger, geeignete Fragen zu finden, als vielmehr diese einzuschränken auf das, was man wirklich in einer MAB adressieren „muss“. Hierfür braucht man eine umfassende Theorie wie etwa den Leistungs-Zufriedenheitsmotor (Borg 2003), der die wichtigsten Voraussetzungen der verschiedenen Formen von Leistungserbringung und Arbeitszufriedenheit, einschließlich ihrer Folgen und Rückverschleifungen in einem kompakten System, abdeckt. Eine MAB sollte dieses System zumindest grob erfassen, weil sonst möglicherweise entscheidende Informationen für effektive Folgemaßnahmen fehlen. Eine theoretische Fundierung der Fragebogeninhalte erleichtert zudem die spätere Interpretation der Ergebnisse. Neben den so adressierten Variablen der Voraussetzungen und Folgen von Leistung und Zufriedenheit ergeben sich – z. B. durch das Studium entsprechender Firmenunterlagen oder durch Interviews und Diskussionen mit Mitarbeitern oder Führungskräften – für jede MAB immer auch zahlreiche besondere Themen und Items. Sie haben oft eine enge Beziehung zur Strategie, zu vermuteten Hindernissen bzw. Chancen für das Erreichen der Ziele oder stammen aus Überlegungen darüber, ob man das eine oder andere Thema durch Aufnahme in den Fragebogen überall platzieren will oder ob man mit geeigneten Fragen Aktionen vorbereiten kann. Es ist zudem sinnvoll, die Geschäftsleitung zu befragen, welche Themen sie in die MAB einbringen will. Diese wird damit auch thematisch von vornherein stärker in die MAB eingebunden, als wenn sie nur in der Rolle des Projektsponsors und -entscheiders bleibt.
4.
Datenerhebung
Instrument der Datenerhebung ist immer der Fragebogen. Seine Gestaltung ist von erheblicher Bedeutung für die Qualität der Daten, aber auch für die Beteiligungsquote. Ein Papierfragebogen beginnt mit einem attraktiv gestalteten Deckblatt, gefolgt von einer Seite mit knappen Ausfüllinstruktionen und einem Hinweis auf die Anonymität der Befragung. Dann folgt meist eine Seite mit Fragen zur Demografie des Befragten (insbesondere zu seiner Organisationseinheit und danach, ob er Führungskraft ist oder nicht). Danach folgen die inhaltlichen Items, sortiert in thematische Blöcke, die wiederum mit möglichst Konkretem (z. B. Fragen zu den Arbeitsplatzbedingungen) beginnen. Die Items selbst formuliert man heute meist im Likert-Format, also als Feststellungen mit einer Zustimmungs- und Ablehnungsskala zum Ankreuzen. Nach Möglichkeit werden alle Items in diesem Format präsentiert. Das macht nicht nur den Fragebogen dünn (vier A4-Seiten reichen für ca. 70
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Items) und erhöht damit die Beteiligungsquote, sondern erleichtert auch das Ausfüllen, weil die Befragten nach kurzer Eingewöhnung Fragen, die alle die gleiche Antwortskala haben, sehr zügig beantworten können (nicht mehr als 20 Minuten für 70 Items). Das Arrangement der Items in thematische Blöcke (z. B. Arbeitsplatzbedingungen, Vorgesetzter, Bezahlung) ist sinnvoll, weil es das Antworten beschleunigt und verbessert. Zur Beantwortung eines Items muss der Befragte zunächst ein Urteil bilden. Dieses Urteil erfordert den Aufbau einer mentalen Repräsentation relevanter Gedächtnisinhalte (Tourangeau/Rips/Rasinski 2000). Werden zu einer Thematik mehrere Fragen im Block gestellt, dann kann diese Repräsentation tiefer und differenzierter sein, als wenn sich jedes Item einem anderen Inhalt zuwendet. Im letzteren Fall muss der Befragte bei jeder Frage ganz neu ansetzen. Das führt dazu, dass die Antworten – bei letztlich begrenzter Zeit und Motivation der Befragten – weniger zuverlässig und valide sind als bei geblockten Items. Erheblichen Einfluss auf die Datenqualität, auf die Beteiligungsquote und auf die Kosten der MAB hat zudem der Erhebungsmodus. Wo immer möglich wird die Befragung heute online durchgeführt. Das ist relativ billig, die Rücklaufkontrolle ist einfach in Echtzeit durchzuführen, und die Daten stehen sofort zur Auswertung zur Verfügung. Statt online erhebt man insbesondere in Produktionsbetrieben meist mit einem traditionellen Papierfragebogen, der per Post verschickt wird oder in einem Wahllokal ausgefüllt wird. Die Wahllokalmethode erzeugt im Allgemeinen die höchsten Beteiligungsquoten, weil sie zu einer hohen Sichtbarkeit der MAB führt und einen recht starken sozialen Druck zur Beteiligung erzeugt. Dieser Druck darf aber nicht zu groß werden, weil dies die Datenqualität beeinträchtigen kann: Es kommt dann zur Abgabe leerer Fragebögen und zu ausweichenden oder zu schematischen Schein-Antworten. In der MAB-Literatur werden Beteiligungsquoten berichtet, die zwischen 7 Prozent und 100 Prozent liegen. Unsere eigenen Erfahrungen in vielen deutschen Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen liegen zwischen 39 Prozent und fast 100 Prozent. Abhängig ist diese Quote von vielen Faktoren wie vor allem der Sichtbarkeit der MAB selbst (Informiertheit über Erhebungszeitraum, Ziele, Folgeprozesse) und den Kosten-Nutzen-Überlegungen der Mitarbeiter (Was habe ich davon? Was kommt danach? Welches Risiko gehe ich ein? Wie viel Arbeit ist das?). Die Forschung zeigt, dass niedrige Ausschöpfungen im Allgemeinen nur zu geringen statistischen Verzerrungen der Ergebnisse führen, weil die meisten Nichtantwortenden nur zu passiv sind („keine Zeit“, „keine Lust“, „vergessen“ usw.). Nur ein kleiner Anteil der Nichtantwortenden sind harte Verweigerer, deren Meinungen und Einstellungen tendenziell etwas kritischer und negativer sind als die der Antworter (Borg 2003). Niedrige Beteiligungsquoten beinträchtigen jedoch die Möglichkeiten, die Daten herunterbrechen zu können und reduzieren immer die Glaubwürdigkeit der Befunde bei Managern und anderen Mitarbeitern. Abbildung 1 zeigt einige wichtige Aspekte verschiedener Erhebungsmodi. Online-Befragungen werden heute immer populärer und kosteneffizienter. Sie sind vor allem dann der Modus der Wahl, wenn eine entsprechende IT-Infrastruktur vorhanden ist und wenn genügend Mitarbeiter im Umgang mit dem PC vertraut sind. Zudem sollte das Personalinformations-
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Ingwer Borg
system (=PIS) gut eingepflegt sein, weil sich dann die Administration der Befragung und das Ausfüllen der Fragebögen mit den wichtigen demografischen Informationen über die dort abgelegten Daten steuern lassen. Von relativ geringer Bedeutung ist dagegen die CATIMethode (Computer-Aided Telephone Interviewing). Sie lässt sich aber bisweilen für Spezialbefragungen (z. B. des Senior-Managements) einsetzen.
Wahllokale
Postalisch
Online
CATI
Beteiligung (typisch)
über 90 Prozent
50 bis 70 Prozent
70 bis 80 Prozent
hoch
Sichtbarkeit
hoch
gering
gering
gering
Anonymitätsthematik
gering
mittel
akzentuiert
mittel
Sozialer Druck
hoch
keiner
keiner
hoch
Nachfassaktionen
teuer
teuer
billig
(entfällt)
Teilnahmekontrolle
schwierig
verzögert
Echtzeit
Echtzeit
Datenerfassung
aufwändig
täglich (Scan)
automatisch
Interviewer
Zeit bis zur Datenanalyse
lang
lang
kurz
kurz
Interner organisatorischer Aufwand
hoch
mittel (Heim)
mittel (PIS=gut)
gering
Fragebogenverteilung
kompliziert
mittel
sehr einfach
einfach
Druckkosten
mittel
hoch
keine
keine
Programmierkosten
keine
keine
mittel (Internet)
mittel
Robustheit
hoch
mittel
mittel
hoch
Logistischer Aufwand
hoch
gering
keiner (Internet)
gering
Zentralisierte Verwaltung
sehr schwer
mittel
leicht (PIS=gut)
leicht
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Änderungen in letzter Minute
unmöglich
unmöglich
recht leicht
leicht
Erfahrungen mit der Methode
groß
groß
mittel
begrenzt
Adaptive Fragebögen
nein
nein
ja
ja
Know-how der Mitarbeiter
gering
gering
relativ groß
mittel
Geeignet für Stichproben
Klumpen
beliebig
beliebig
max. 3.000
Abbildung 1:
5.
Datenerhebungsmethoden für Mitarbeiterbefragungen im Vergleich (Quelle: in Anlehnung an Borg/Faulbaum 2004)
Informationsmaßnahmen
Eine MAB ist nur dann erfolgreich, wenn sie von einer umfassenden Informationskampagne vorbereitet, begleitet und nachbereitet wird. Die Informationsvorgänge beginnen, wenn die Grundzüge der Positionierung der MAB ausgearbeitet sind. Sie lassen sich dann in zwei große Phasen gliedern. Die erste Phase liegt vor der eigentlichen Befragung. Sie soll die Positionierung der MAB (Ziele, Spielregeln, Zeitplan, Anforderungen, Ansprüche usw.) allen Mitarbeitern so klar machen, dass sie motiviert sind, sich an der Befragung zu beteiligen und dort offene und ehrliche Antworten zu geben. Man beginnt relativ frühzeitig mit einer Ankündigung der Geschäftsleitung (meist in Form eines persönlichen Briefs) darüber, dass eine MAB kommt und welchen übergeordneten Zielen sie dient. Etwa zwei Wochen vor der MAB sollte man damit beginnen, die Ziele der MAB, ihren Zeitund Ablaufplan, ihre Meilensteine und Vorgänge genauer darzulegen. Wichtige Gruppen (Geschäftsleitung, Betriebsrat) und Personen (Datenschutzbeauftragter, IT-Leiter usw.) sollten sich dann auch explizit zur MAB positionieren. Besondere Aufmerksamkeit verdienen hierbei die Themen Datenschutz und Anonymität (Vorsicht allerdings vor einem Überziehen der Thematik!). Der positiven Stimmung zuträglich ist es, wenn den Mitarbeitern in einer persönlichen Form erklärt wird, welche Personen im MAB-Projekt arbeiten. In die gleiche Richtung zielen Informationen (z. B. aus Interviews) darüber, was die Kollegen denken. Sehr
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Ingwer Borg
wirksam sind auch Frage-Antwort-Kataloge zu einer MAB allgemein. Die üblichen Fragen sind z. B. solche zum Zweck der MAB, zum Wann-Wo-Wie der MAB, zu den dort angesprochenen Themen und Inhalten, zum Fragebogen (Wie sieht der aus? Kann ich das beantworten? Wie lange dauert das? Was ist zu tun, wenn ich etwas nicht weiß?), zur Freiwilligkeit und zur Kontrolle der Teilnahme, zur Auswertung (Wer macht das? Warum die?), zu den Kosten der MAB, zu den Schritten danach (Wann sieht wer was? Was passiert dann?), zu den Folgemaßnahmen, zum Nutzen der MAB und zum Commitment der Führungskräfte zur MAB (Nehmen die das ernst?). Unmittelbar vor der MAB ist ein weiterer Aufruf der Geschäftsleitung und des Betriebsrats zur Beteiligung sinnvoll, unterstützt durch Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen wie Plakate, Fahnen, Hinweise beim Einloggen des PC in das Netz, Aufhängen von Luftballons in den Büroräumen am Tag des Beginns der Datenerhebung oder, allgemeiner, durch die Organisation des ersten Tages der Datenerhebung als Event („Der ABC AG Tag“). Die zweite Phase der Informationsmaßnahmen beginnt nach der Datenerhebung. An dieser Stelle ist es üblich, die Mitarbeiter über die Beteiligungsquote zu informieren und ihnen für ihre Beteiligung zu danken. Die weiteren Informationsmaßnahmen sind eng zu koordinieren mit den Folgeprozessen (siehe dazu Abschnitt 6). Allgemein ausgedrückt dienen sie dazu, die Mitarbeiter zu unterrichten über die Ergebnisse der MAB und sie dann auf dem Laufenden zu halten über Ablauf und Timing der Folgeprozesse, über Beschlüsse des Managements und über evtl. Aktionen und ihre Umsetzung. Die zentral organisierten Informationsmaßnahmen sind wichtig, sollten aber nicht zu aufwändig geraten („zu teuer“, „dafür haben sie Geld“) und vor allem nicht die MAB und ihre Effekte überverkaufen. Zudem ersetzen sie natürlich nicht die Face-to-Face-Kommunikation zwischen Mitarbeitern und ihren direkten Führungskräften, sondern ergänzen diese nur mit eher allgemeinen Informationen.
6.
Design der Folgeprozesse
Der Beginn der Folgeprozesse einer MAB ist die Präsentation der Ergebnisse an die Geschäftsleitung. Akademische Lehrbücher empfehlen meist, sich nach dieser Präsentation sofort den Arbeitsgruppen „am untersten Ende der Hierarchie“ (Edwards et al. 1997) zuzuwenden. Das kann jedoch dazu führen, dass die Themen entweder nur lokal weiterverfolgt werden oder aber für die Weiterbearbeitung auf höherer Ebene konsolidiert werden müssen, eine in der Praxis extrem aufwändige Arbeit. Vor allem aber fehlt bei Vorschlägen, die von ganz unten kommen, nicht selten eine gemeinsame Richtung, insbesondere eine, die der Strategie entspricht. Der effektivere und psychologisch einfachere Weg – und der, der in
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der Praxis fast immer beschritten wird – ist ein Top-down-Vorgehen wie in Abbildung 2 gezeigt. Hierbei interpretiert die Geschäftsleitung zunächst die Ergebnisse (mit Unterstützung durch MAB-Experten), sortiert die Handlungsbedarfe und -chancen nach ihren Prioritäten und legt dann einige wenige Themen fest, die als Handlungsfelder oder Fokusthemen an alle unterstellten Organisationseinheiten und -ebenen weitergegeben werden, entweder als Aufträge oder als Themen, die besonders genau zu beachten sind. Führungskräfte und andere Mitarbeiter wollen zudem meist wissen, wie die Geschäftsleitung die MAB-Ergebnisse beurteilt, wie es um ihr Commitment bestellt ist, ob „die auch etwas machen“, aber auch, was von ihnen selbst in Bezug auf die MAB-Ergebnisse erwartet wird. Handlungsfelder und Fokusthemen sind hierfür gute Antworten.
Abbildung 2:
Top-down-Design der Folgeprozesse einer Mitarbeiterbefragung
Die prinzipielle Schwachstelle eines Top-down-Ansatzes ist, dass die Geschäftsleitung oft zu langsam darin ist, ihre offizielle Interpretation der MAB-Ergebnisse zu kommunizieren oder gar Handlungsfelder und Fokusthemen zu artikulieren. Vielmehr wollen die Executives erst ihre eigenen Daten im Detail studieren und dann irgendwann später nochmals zu einer gemeinsamen Betrachtung aller Daten zusammenkommen. Die Folgeprozesse können so leicht zum Stillstand kommen, wenn die unterstellten Führungskräfte sich diszipliniert verhalten und die Inputs von oben abwarten, bevor sie mit ihren eigenen Folgeprozessen beginnen. Meist fallen die Prozesse aber auseinander, weil sich einige Manager nach einem gewissen Abwarten die Chancen der MAB nicht entgehen lassen wollen oder sich ihren
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Ingwer Borg
Mitarbeitern gegenüber verpflichtet fühlen, mit den MAB-Daten wenigstens schon einmal „vorläufig“ zu arbeiten – auch ohne Inputs von oben. Die Geschäftsleitung braucht also ein ausreichend langes Zeitfenster, um ihre Reaktionen formulieren zu können. Per Design sollte aber vorab festgelegt werden, ab welchem Zeitpunkt die unterstellten Ebenen mit ihren Aktivitäten beginnen können (ja sogar sollen!), auch wenn dann noch keine Aufträge oder Richtungsvorgaben von oben vorliegen. Diese können immer noch zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht werden. Das Hauptproblem der Folgeprozesse ist meist eine Gleichsetzung von „Maßnahmen“ mit dem Erfolg der MAB (Edwards et al. 1997, Church/Waclawski 2001). Eine solch extreme Gewichtung von Maßnahmen ist aber schon logisch falsch, weil die MAB ja zeigen kann, dass alles nach Plan läuft: In diesem Fall wären Maßnahmen reine Verschwendung. Er ist auch kontraproduktiv, weil er den Blick für das breite Spektrum sinnvoller Reaktionen verstellt. Reaktionen umfassen mehr als nur Maßnahmen. Sie reichen von einfachen Entscheidungen bis zu Change-Mangement-Projekten, von privaten Reaktionen über Gespräche und Workshops bis zu offiziellen Aktionen. Jede dieser Reaktionen hat potenziell erhebliche Auswirkungen. Die wichtigsten Reaktionen, die eine Führungskraft im Anschluss an eine MAB realisieren sollte, sind die folgenden: (a) Nachdenken über das eigene Verhalten im Lichte der MAB-Ergebnisse und entsprechende Verhaltensänderungen; (b) Diskussion der Ergebnisse mit den direkt unterstellten Führungskräften (falls vorhanden) in individuellen Vier-Augen-Gesprächen („Was müssen/können Sie hier tun, evtl. mit meiner Unterstützung?“) und in Workshops mit dem gesamten Führungskräfteteam („Was müssen/können wir tun?“); (c) Treffen von Entscheidungen zu bestimmten Themen (auch von Entscheidungen, nichts zu tun bezüglich eines Themas) und nachvollziehbare, zeitnahe Kommunikation dieser Entscheidungen an die Mitarbeiter; und (d) Festlegung von Schwerpunktthemen und Handlungsfeldern, die als Leitlinien bzw. Aufträge in der Linie nach unten weitergegeben werden. Auch bei der Auswahl der Themen, auf die sich die Reaktionen beziehen, empfiehlt sich eine eher weite Auffassung. Ein fokussiertes Ausschau-Halten nach Schwachstellen, für die „Handlungsbedarf“ besteht, ist viel zu eng. Man übersieht so leicht, dass eine MAB immer auch Chancen aufzeigt für Verbesserungen von Dingen, die bereits gut laufen, oder für Veränderungen, die bestimmten strategischen Zielen dienen (siehe Beispiele in der Einleitung).
Mitarbeiterbefragungen als Führungsinstrument
7.
351
Analyse und Kommunikation der Ergebnisse
Die Präsentation der Ergebnisse der MAB an das Top-Management ist entscheidend für die Effektivität der MAB. Ziel ist es, die Manager so zu informieren, (1) dass sie ein empirisch begründetes Gesamtbild als auch wichtige Details sehen, aber nicht in Einzelstatistiken untergehen; (2) dass sie zu validen Interpretationen kommen, nicht nur zu platten GutSchlecht-Bewertungen; (3) dass sie das Potenzial der Ergebnisse für die Business-Ziele erkennen; und (4) dass sie motiviert und befähigt werden, diese Potentiale zu nutzen. Ein reines Zurückspiegeln von Statistiken, bei gleichzeitig unklarem Design der Folgeprozesse, wie dies in der MAB-Praxis leider häufig der Fall ist, wird diesen Zielen nicht gerecht. Das Top-Management will dann die MAB-Thematik möglichst zügig nach unten weiterdelegieren. Gleichzeitig fühlt es aber den Druck, etwas Sichtbares „machen“ zu müssen, damit die Mitarbeiter nicht den Eindruck bekommen, ihr Feedback würde nicht geschätzt, mit entsprechend negativen Konsequenzen für ihr Engagement und die Stimmung allgemein. Effektive Ergebnispräsentationen müssen eine überzeugende „Story“ (Borg 2005) erzählen. Um diese zu finden und dabei das Risiko der Übervereinfachung zu reduzieren, kann man die folgenden Standardansätze (in dieser Reihenfolge) verwenden (Borg/Zimmermann 2006): Benchmarking. Die übliche erste Annäherung an MAB-Daten ist der Vergleich der Ergebnisse mit externen Benchmarks. Benchmarks sind allerdings nie repräsentativ für die Branche, den jeweiligen Kontext oder die Strategie. Genauere Benchmarks bekommt man zudem nur, wenn man einem Survey Konsortium (z.B. Mayflower Group) beitritt. Allerdings sind interne Benchmarks (z.B. Quervergleiche verschiedener Niederlassungen oder Vergleiche mit Werten aus früheren Mitarbeiterbefragungen im Unternehmen) meist ohnehin informativer. Inhaltliche Theorie („empirische Gesetze“). Weitere Einsichten in die Zusammenhänge der Daten lassen sich dadurch ableiten, dass man sie auf eine umfassende Theorie (wie z.B. den Leistungs-Zufriedenheitsmotor; Borg, 2003) abbildet. Beklagen sich die Mitarbeiter z.B. über unzureichendes Feedback von ihren Vorgesetzten zu ihrer Leistung, dann stellt sich die Frage danach, wie „wichtig“ dieser Befund ist. Das aber lässt sich am einfachsten dadurch beantworten, dass man die in der Wissenschaft allgemein nachgewiesenen Folgen von schlechtem Feedback für Leistung und Zufriedenheit darlegt. Erfahrungsgemäß sind Führungskräfte an solchen Leitsystemen sehr interessiert und begrüßen es, wenn ihnen die Daten so erklärt werden, dass sie die Bedeutungszusammenhänge verstehen. Statistische Strukturen. Mit statistischen Verfahren, vor allem mit multivariaten, lässt sich die Struktur der MAB-Daten weiter analysieren. Besonders nützlich ist dabei die multidimensionale Skalierung (Borg/Groenen 2005) der Interkorrelationen der Items des Frage-
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Ingwer Borg
bogens. Die MDS erzeugt „Landkarten“ der Zusammenhänge der Items, die mit dem Auge exploriert werden können. Man kann so fragen, welche Items untereinander besonders eng zusammenhängen und welche Stellschrauben sich anbieten, um bestimmte Effekte zu treiben. Strategie und Scorecards. Eine wichtige Sicht auf die MAB-Daten ergibt sich dadurch, dass man fragt, welche Stärken und Schwächen die Ergebnisse zeigen in Bezug auf die auf das Unternehmen von außen zukommenden Chancen und Risiken (SWOT-Analyse). Eine ähnliche Perspektive ist eine Betrachtung der MAB-Daten aus Sicht der Balanced Scorecard. Indikatoren für die „weiche Rückseite“ ihrer Messfelder sind meist schnell gefunden. Man braucht dazu nur die Brille eines Analysten aufzusetzen und zu fragen: Welche Items würden mir wichtige Informationen liefern über die Stärke des Unternehmens in den Messfeldern Finanzen, Kunde, Effektivität und Innovation? Sind die Mitarbeiter z.B. sehr unzufrieden mit ihrer Bezahlung, würde der Analyst evtl. vom Kauf von Aktien dieses Unternehmens abraten; sind sie extrem zufrieden, dann auch – es sei denn, Zufriedenheit korreliert mit Leistung. Linkage-Analysen. Viel Eindruck machen beim Management immer auch LinkageAnalysen, d.h. Verknüpfungen von MAB-Daten mit Leistungsdaten, Kundenzufriedenheit oder Kostentreibern. So fand Nguyen (2002) z.B., dass sich die Krankheitsraten von 180 Arbeitsgruppen in einem Autowerk statistisch gut damit erklären ließen, wie unzufrieden die Arbeiter mit der Anerkennung von Leistung durch ihre Vorgesetzen waren. Ein solches Ergebnis eröffnet nicht nur interessante Diskussionen über die finanziellen Auswirkungen des Führungsverhaltens, sondern legitimiert die Manager auch dazu, direkt auf die jeweiligen Vorgesetzen vor Ort zuzugehen und entsprechende Maßnahmen zu vereinbaren. Montag-Morgen-Handlungsplattformen. Jede MAB ermöglicht nicht nur tiefere Einsichten, sondern bietet zudem immer auch Plattformen an für direktes Führungshandeln. Ein Rezept, das sich hierfür immer eignet, ist, die Varianz unterhalb der statistischen Haupttrends aufzuzeigen. Durchschnittswerte sind oft relativ langweilig im Vergleich zu „drill-downs“ in die Daten, die zeigen, was im eigenen Team, was „links und rechts“, „oben und unten“ und „früher“ der Fall ist oder war. Zeigt man der Geschäftsleitung z.B. ein Streudiagramm mit den Ergebnissen aller Organisationseinheiten der Ebene 1, 2, 3 usw. zur Frage „Alles in allem bin ich zufrieden mit meinem Vorgesetzten“, dann erzeugt dies immer Nachfragen, weil die Streuung der Ergebnisse stets groß ist und oft von 0 Prozent bis 100 Prozent reicht. Die offensichtliche Frage ist dann: „Was ist das für ein Team mit dem 0 Prozent-Wert? Wer ist da der Vorgesetzte?“ Und dann oft gleich noch: „Und was sind das für Teams mit den hohen Werten?“ Meist wird schnell erkannt, dass sich hier eine gute Chance bietet, mit jedem Teamleiter direkt zu sprechen (nicht nur mit den „guten“ und den „schlechten“), die MAB-Daten mit anderen Indikatoren und Zielen zu verknüpften und dann entsprechende Maßnahmen zu vereinbaren. Das letzte Beispiel zeigt auch, wie heikel MAB-Daten werden können. Führungskräfte wehren sich daher typischerweise mit allerlei „Gegenargumenten“ gegen die MAB – vor allem natürlich dann, wenn die Ergebnisse für sie „schlecht“ sind. Diese Argumente sind
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meist leicht zu entkräften. Einige typische Formen (für weitere siehe Borg 2003) sind: (1) Argument: „Was die Mitarbeiter sagen ist objektiv falsch!” Antwort: „Vielleicht, aber Wahrnehmung ist Realität. Umfragedaten sagen voraus, was die Menschen später tun. Zudem: Wenn die Mitarbeiter die Dinge falsch sehen, dann müssen Sie das besser erklären.” (2) Argument: „Die Mitarbeiter haben die Befragung nicht ernst genommen.” Antwort: „Nicht wahrscheinlich. Die Daten sind systematisch strukturiert – unmöglich bei zufälligem Ankreuzen.” (3) Argument: „Wusste ich sowie schon alles. Trivial.“ Antwort: “Nicht wahrscheinlich. Der typische Rückschaufehler. Wir haben Ihre Prognosen mit den Ergebnissen verglichen (falls Sie welche erhoben haben; ansonsten lassen Sie in der Präsentation einmal das eine oder andere Ergebnis „raten“, bevor sie es zeigen). Und außerdem: Selbst wenn das so ist, waren das nur Vermutungen. Jetzt wissen Sie es.” (4) Argument: „Die Mitarbeiter haben sich absichtlich negativ geäußert, damit sie bekommen, was sie wollen: Mehr Geld nämlich.” Antwort: „Umfragebefunde sagen zukünftiges Verhalten recht gut voraus. Sie sind zudem konsistent und passen in die verschiedensten theoretischen Gesetzmäßigkeiten der Psychologie der Arbeit. Materielle Belohnungen sind hierin nur eines von vielen Themenfeldern und die Höhe der Bezahlung wiederum nur ein Element von vielen anderen. Die Fairness und die Billigkeit der Bezahlung sind z. B. mindestens so wichtig wie ihre Höhe. Im Übrigen glauben die Mitarbeiter meist, dass andere Firmen besser bezahlen, obwohl das gar nicht stimmt. Wenn das so ist, sollte die Personalabteilung dies transparenter machen.”
Literatur
Borg, Ingwer (2002): Mitarbeiterbefragungen – kompakt, Göttingen. Borg, Ingwer (2003): Führungsinstrument Mitarbeiterbefragung: Theorien, Tools und Praxiserfahrungen, 3. Auflage, Göttingen. Borg, Ingwer (2005): Story construction in employee surveys: From information to understanding, Vortrag bei der Annual Conference IT Survey Group, Los Angeles. Borg, Ingwer/Faulbaum, Frank (2004): Comparing Four Modes of Administering an Employee Survey, Vortrag beim 6. International German Online Research Congress. Duisburg. Borg, Ingwer/Groenen, Patrick (2005): Modern Multidimensional Scaling: Theory and Applications, 2. Auflage, New York. Borg, Ingwer/Zimmermann, Matthias (2006), How to Create Presentations that Spark Action, in: Kraut, Allen I. (Hrsg.): Getting Action from Organizational Surveys: New Concepts, Methods, and Applications, San Francisco, S. 401-423.
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Ingwer Borg
Buckingham, Marcus/Coffman, Curt (1999): First, Break All the Rules: What the World’s Greatest Managers Do Differently, New York. Bungard, Walter/Jöns, Ingela (Hrsg.) (1997): Mitarbeiterbefragung: Ein Instrument des Innovations- und Qualitätsmanagements, Weinheim. Church, Allan H./Waclawski, Janine (2001): Designing and Using Organizational Surveys: A Seven Step Approach, San Francisco. Cook, John D. (1981): The Experience of Work: A Compendium of 247 Measures and Their Use, New York. Domsch, Michael E./Ladwig, Désirée H. (2000) (Hrsg.): Handbuch Mitarbeiterbefragung, Heidelberg. Drucker, Peter (1993): We Need to Measure, Not Count, in: Wall Street Journal vom 13. April 1993, o. S. Edwards, Jack E./Thomas, Marie D./Rosenfeld, Paul/Booth-Kewley, Stephanie (1997): How to Conduct Organizational Surveys, Newbury Park. Epstein, Marc J./Birchard, Bill (2000): Counting What Counts, Cambridge, USA. Nadler, David A. (1977): Feedback and Organization Development, Reading. Kraut, Allen I. (Hrsg.) (1996): Organizational Surveys: Fools for Assessment and Change, San Francisco. Neuberger, Oswald (1974): Messung der Arbeitszufriedenheit, Stuttgart. Nguyen, Thi Bao Tran (2002): Krankheitsrate, Commitment und Arbeitszufriedenheit, Diplomarbeit am Fachbereich Psychologie der Universität Gießen. Tourangeau, Roger/Rips, Lance J./Rasinski, Kenneth (2000): The Psychology of Survey Response, Cambridge, UK.
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Zieldefinition und Planung der Kommunikation
Konzeption von Kommunikationsprogrammen Günter Bentele/Howard Nothhaft
Eine der wesentlichen Errungenschaften des Kommunikationsmanagements ist die in der Praxis von Unternehmen und Agenturen entwickelte Konzeptionslehre. Sie befasst sich mit der systematischen Entwicklung von PR- oder Kommunikationskonzepten. Dieser Beitrag skizziert die Grundelemente heutiger Konzeptionsmodelle, die als systematischer Problemlösungsprozess von der Situationsanalyse über die Planung und arbeitsteilige Umsetzung bis zur Evaluation reichen. Darüber hinaus wird gezeigt, wie sich die Konzeption in einem Kommunikationsmanagement neuerer Prägung in enger Verschränkung mit der Unternehmensstrategie vollziehen kann. Kern der Kommunikationsplanung ist dort die Strategiefindung, die von unternehmensstrategischen Imperativen ausgeht und als dynamisches Wechselspiel von kommunikativer Zieldefinition, Positionierung, Definition der Bezugsgruppen, Definition der Medien und Themen sowie Festlegung zentraler Botschaften anzulegen ist.
1.
Unternehmensführung und Kommunikation
Dass die Unternehmenskommunikation ihren Beitrag zum unternehmerischen Erfolg aufzeigen will bzw. die mit Hilfe der eingesetzten Ressourcen geleistete Wertschöpfung nachzuweisen sucht, ist nicht prinzipiell neu. Kommunikationsverantwortliche nutzten dabei drei verschiedene Sprachebenen bzw. „Redeinstrumente“: sie bedienten sich der Alltagssprache und entsprechender Plausibilitätsargumentationen; sie bemühten sich, ähnlich wie die Werber, den jeweiligen Vorständen und Geschäftsführern das eigene, kommunikationsspezifische Begriffssystem nahe zu bringen; und sie versuchten es schließlich in der Terminologie der empirischen Sozialforschung. M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_18, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Günter Bentele/Howard Nothhaft
Die von Zerfaß (2007) in diesem Band vorgestellten Überlegungen dürfen, neben anderen ähnlichen Konzepten (Pfannenberg/Zerfaß 2005, Hering/Schuppener/Sommerhalder 2004, Rolke 2004), als ein Ansatz angesehen werden, der sich unter die Überschrift Kommunikationsmanagement neuer Prägung subsumieren lässt. Hier geschieht die Wertschöpfungsargumentation im Rahmen des betriebswirtschaftlichen Begriffssystems, Kommunikationsmanager argumentieren in der Sprache des Managements. Kommunikationsmanagement neuer Prägung ist souverän genug, die faktische Unterordnung unter die Unternehmensführung abzubilden. Die Allokation entsprechender Ressourcen (Budgets und Etats) wird als das rekonstruiert, was sie letztlich immer war: eine unternehmerische Entscheidung, die, wie schon in Henry Fords berühmtem Diktum angedeutet,1 unter Unsicherheit geschieht. Umso wichtiger ist es, Kommunikation als einen unternehmensstrategischen Faktor zu begreifen, der nicht nur von einer funktionalen Abteilung, sondern von der Unternehmensführung insgesamt zu steuern, zu planen und zu überwachen ist. Dazu sind ebenjene Instrumentarien gefordert, die es gestatten, Erfolge und Wirkungen der Kommunikation an Hand allgemein anerkannter und mit anderen Kennzahlen kompatibler Parameter zu kontrollieren bzw. einem „Controlling“ zu unterwerfen – beispielsweise also Kennziffernsysteme, Cockpits, Dashboards und Corporate Communications Scorecards. Mit solchen Konzepten, die an die allgemeine Sprache des Managements anknüpfen, kann Kommunikation zwar gesteuert, jedoch nicht operationalisiert, geschweige denn implementiert werden. Für die Unternehmenskommunikation gilt hier das Gleiche wie für andere Bereiche: Dass man beispielsweise über die Fähigkeit verfügt, ein Auto zu fahren oder zu entscheiden, was für ein Auto man fahren möchte, bedeutet keineswegs, dass man in der Lage ist, das betreffende Fahrzeug zu konstruieren. Zu diesem Zweck verfügen Ingenieure über ihre eigene, spezialisierte Sprache. Mit professionellen Kommunikationsmanagern verhält es sich ebenso: sie nutzen die Konzeptionslehre als Bezugsrahmen für die Erfüllung ihrer Aufgaben. Die weiteren Ausführungen geben eine – kritisch reflektierte – Einführung in diese spezialisierten Begriffssysteme, welche in der Public Relations (PR)-Lehre sowie teilweise in der Marketing- und Werbelehre entwickelt wurden, um Kommunikation vorzudenken, zu planen und arbeitsteilig durchzuführen. Die Rede ist daher von so genannten Konzeptionsmodellen bzw. von der Konzeptionslehre, die als Lehre (nicht Wissenschaft) der systematischen Entwicklung von Kommunikations- oder PR-Konzeptionen zu verstehen ist, sich historisch vor allem aus der PR-Praxis, deren Erfahrungen und Notwendigkeiten heraus entwickelt hat. Freilich lässt sich hier lediglich das in der Literatur dokumentierte Vokabular, der kleinste gemeinsame Nenner, darstellen. Die real angewandten Begriffssysteme berufserfahrener Praktiker – ihre subjektiven Arbeitstheorien – sind nicht selten „reicher“, nuancierter, aber auch abhängig von persönlichen Erfahrungen, Erfolgen wie Misserfolgen.
1
Henry Ford wird bekanntlich der Ausspruch zugeschrieben, er wisse, dass die Hälfte seiner Werbegelder zum Fenster herausgeschmissen sei, er wisse nur nicht, welche Hälfte.
Konzeption von Kommunikationsprogrammen
2.
359
Die klassische Konzeptionslehre
Schon Edward L. Bernays – als Gründervater der amerikanischen Public Relations – hat 1923 in seinem ersten Buch die PR-Beratung als systematischen Ablauf dargestellt: Problemanalyse, bezogen auf die Organisation des Klienten und die Öffentlichkeit, Entwicklung eines Handlungsplans, Bestimmung von Methoden und Medien, um diesen umzusetzen, und zum Schluss eine Einschätzung des Verhältnisses zwischen Klient und Öffentlichkeit, anders ausgedrückt, eine Erfolgsevaluation (Bernays 1929: 166 ff.). Von ihrer Struktur her entwickeln Konzeptionen grundsätzlich einen bestimmten Typus von Problemlösung. Insofern verwundert es nicht, dass sich alle in der Literatur dokumentierten Konzeptionsmodelle in der Abstraktion auf die Abfolge jeglicher systematischen Problemlösung zurückführen lassen, die vier Schritte vorsieht: Analyse des Problems; Entwicklung einer Vorgehensweise, die mutmaßlich geeignet ist, das Problem zu beseitigen (oft „Strategie“ genannt); Durchführung der geplanten Vorgehensweise; Überprüfung, ob und inwiefern das Problem beseitigt ist sowie – bei Bedarf und in entsprechenden Zyklen – Iteration. PR-Konzeptionsmodelle differenzieren diese Grundstruktur mehr oder weniger weitgehend aus. Cutlip/Center/Broom (2000) beispielsweise gliedern ihr PR-Lehrbuch, das in den USA das am weitesten verbreitete ist, an Hand eines kontinuierlich zu durchlaufenden Public Relations-Prozesses, der der abstrakten Struktur zunächst weitgehend verhaftet bleibt und mit vier Leitfragen operiert: What's happening now? What should we do and say? How and when do we do and say it? How did we do? Die meisten Autoren im angloamerikanischen Raum benutzen ähnliche Vier-Phasen-Modelle, die nicht selten mit griffigen Kurzbezeichnungen versehen werden:2 Die Formel R-A-C-E, von John Marston (1963) eingeführt, steht z. B. für Research, Action, Communication und Evaluation; R-O-P-E von Jerry Hendrix (1988) weicht mit Research, Objectives, Publics und Evaluation nicht maßgeblich von der Grundidee ab. Baerns analysierte PR-Konzepte, welche über mehrere Jahre zum Wettbewerb „Goldene Brücke“ der Deutschen Public Relations2
Vgl. stellvertretend für viele die Publikationen von Baskin/Aronoff/Lattimore 1997, Cutlip/Center/Broom 2000, Grunig/Hunt 1984, Newsom/Scott/VanSlyke Turk 1992, Smith 2005, Wilcox/Cameron 2005.
360
Günter Bentele/Howard Nothhaft
Gesellschaft (DPRG) eingereicht wurden. Sie wies nach, dass von 493 Konzepten 323, also zwei Drittel, die vier Phasen Analyse, Konzeption, Realisation und Evaluation nennen (Baerns 2005).
Abbildung 1:
Phasen des Konzeptionsprozesses
Elaboriertere Konzeptionsmodelle weisen bis zu sechzehn Positionen aus (z. B. Newsom/ Scott/Van Slyke Turk 1992). Das ist aber nicht auf neue, genuin andere Denk- und Handlungsschritte, sondern einer Ausdifferenzierung geschuldet, durch die die Modelle mitunter einen ausgeprägten Checklistencharakter erhalten. Die bereits angesprochene Untersuchung von Baerns zeigt jedoch, dass jenseits der vier Phasen kaum noch ein feststehender Kanon existiert: Von 493 analysierten Konzepten nannten lediglich zwölf alle Schritte einer vorgegebenen, relativ generischen neunstufigen Systematik (Baerns 2005: 52 f.). Wie Merten (2000) in seiner Metaanalyse der deutschsprachigen Konzeptionslehre (zusammenfassend dazu: Dörrbecker/Fissenewert-Goßmann 1997) nachwies, lassen sich die vielen, im Detail differierenden Positionen jedoch grundsätzlich auf einige wenige Bausteine zurückführen. Mertens eigener, auf Basis der Metaanalyse entwickelter Entwurf sieht fünf Grundbausteine vor: Analyse, Strategie, Taktik, Realisierung sowie Controlling/Evaluation. Abbildung 1 (vgl. das ähnliche Schema bei Merten 2000: 37) deutet an, dass „Strategie“ und „Taktik“ in letzter Konsequenz zu einem Komplex der Planung zusammengeführt werden können, womit die
Konzeption von Kommunikationsprogrammen
361
vierphasige Struktur wieder hergestellt wird. Auch neuere deutschsprachige Schemata, wie der von Leipziger (2004) vorgestellte „Regelkreis der Kommunikation“ oder der von Hansen/ Schmidt (2006) ausgearbeitete Vorschlag, weichen nicht von der grundlegenden Systematik ab. Freilich, und das darf ungeachtet der Vierstufigkeit nicht übersehen werden, handelt es sich bereits bei Cutlip/Center/Broom (2000) nicht um ein simples Problemlösungsmodell. Wo liegt der Unterschied? Der Unterschied besteht erstens in der Tatsache, dass die Konzeptionslehre den Baustein der Planung – d. h. die geistige Vorwegnahme einer geeigneten Vorgehensweise – aufspaltet in einen abstrakt-strategischen („What do we do and say?“) und einen konkret-taktischen Teil („How and when do we do and say it?“). Das darf als Kennzeichen der komplexeren Konzeptentwicklung gegenüber simplerer Problemlösung gelten: Auch ein Schimpanse, der sich vor die Aufgabe gestellt sieht, an Bananen zu gelangen, die für ihn unerreichbar an der Käfigdecke angebracht sind, entwickelt eine problemadäquate Vorgehensweise, die er dann durchführt (so z. B. mehrere Kisten aufeinander stellen) – man würde jedoch kaum behaupten, dass er ein Konzept entwirft.3 Zweitens liegt ein Konzept im Gegensatz zu anderen Formen von Problemlösung in symbolisch-sprachlicher Form – in der Regel schriftlich, als Konzeptpapier – vor. Der Unterschied zwischen bloßer Problemlösung und genuiner Konzeptentwicklung tritt umso deutlicher hervor, je komplexer das Problem ist, insbesondere aber, wenn Planung und Durchführung auseinander rücken – sei es in zeitlicher oder, bedingt durch Arbeitsteiligkeit, personeller Hinsicht. Manager entwickeln kaum noch Problemlösungen simpler Prägung. Konzepte gehen über konkrete Problemlösungen hinaus, stellen abstrakte Problemlösungen dar. Sie generieren Handlungsoptionen, sie limitieren sie aber auch. Generierend sind sie insofern, als sie einen oder mehrere Lösungspfade vorzeichnen, wo es zuvor, ohne Gesamtkonzept, kein richtig und kein falsch gab. Sie limitieren Handlungsoptionen aber, wenn sie verschiedene, das Einzelproblem durchaus lösende Optionen als nicht gangbare Wege – da nicht dem Gesamtkonzept entsprechend – kennzeichnen. Die Limitierung ist ein notwendiger, aber nicht notwendig dysfunktionaler Effekt: Sie sorgt dafür, dass Probleme gelöst werden, ohne andere, unter Umständen inakzeptable Probleme aufzuwerfen. Angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der der Begriff „Kommunikationsmanagement“ – und zwar durchaus berechtigt – angewendet wird, drängt sich die Frage auf, in welchem Verhältnis der vier- oder mehrstufige Konzeptionsprozess zu Managementmodellen steht, die ganz ähnliche Gestalt annehmen. Man denke beispielsweise an den wirkmächtigen „ehernen Fünferkanon“ der Unternehmensführung (Steinmann/Schreyögg 2005: 8 ff.), der erstmalig von Cyril O’Donnell und Harold Koontz vorgelegt wurde und analytisch die Managementfunktionen (1) Planung, (2) Organisation, (3) Personaleinsatz, (4) Führung und (5) Kontrolle separiert. Was tut ein Kommunikationsmanager also? „Managt“ er in der geschilderten Art und Weise oder ist er damit beschäftigt, Kommunikationskonzepte zu entwickeln und durchzuführen? Die Frage ist in dieser Form des „entweder/oder“ falsch gestellt. Es ist davon aus3
Dies ist eines der klassischen, vom Gestaltpsychologen Wolfgang Köhler mit Schimpansen zu Anfang der 1920er Jahre durchgeführten Experimente. Problemlösungskompetenz baut hier auch auf eine Art geistiger Vorwegnahme. Derartige Leistungen sind bei Tieren aber handlungslogisch, nicht sprachlich strukturiert.
362
Günter Bentele/Howard Nothhaft
zugehen, dass mit Führungsverantwortung ausgestattete, an der Spitze einer arbeitsteilig operierenden, funktional spezialisierten Einheit (Kommunikationsabteilung) stehende Kommunikationsmanager de facto beides tun. Der Fünferkanon bildet ab, was jeder Manager stets und notwendig tut, die Konzeptionslehre bildet ab, was Kommunikationsmanager mit Blick auf Kommunikation tun – freilich nicht immer in der sauberen Abfolge, die ein solches Modell suggeriert.
Abbildung 2:
Management und Kommunikationsmanagement
Abbildung 2 verdeutlicht die Zusammenhänge: Das Bild vergegenwärtigt, wie der oberste Kommunikationsverantwortliche in der horizontalen Ebene einen „Apparat“ managt, der es ihm in der vertikalen Ebene gestattet, die ihm zugewiesene Organisationsfunktion, das Kommunikationsmanagement, wahrzunehmen. Die Kompetenzen, die in der horizontalen Ebene erforderlich sind, werden in Kapitel 2.5 des vorliegenden Handbuchs diskutiert. Die vertikal angeordneten Konzeptionsschritte werden in den folgenden Abschnitten beleuchtet.
2.1
Analyse
In der klassischen Konzeptionslehre stellt die Analyse bzw. Situationsanalyse den ersten Schritt im prinzipiellen Problemlösungsprozess dar. Die Analyse trägt Daten zusammen und
Konzeption von Kommunikationsprogrammen
363
bereitet sie auf, damit die von der Unternehmensführung delegierte Kommunikationsaufgabe – so das klassische Modell – zu verstehen, zu durchdringen und zu bewältigen ist. Von der grundsätzlichen Struktur her unterscheidet sich die kommunikationsspezifische Situationsanalyse nicht maßgeblich von Analysen, die der Strategieformulierung im Kontext der Unternehmensführung insgesamt vorangehen. Ähnlich wie beispielsweise im wirkmächtigen Harvard-Konzept (Andrews 1987), unterscheidet die Konzeptionslehre zwischen der Analyse der Organisation einerseits (Qualität der Organisationsperformance, Kommunikationsressourcen, interne und externe Wahrnehmung der Organisation), sowie der Analyse der Umweltsituation andererseits (wie sieht die Situation aus, wie kam es zu ihr, welche Konsequenzen hat sie?). Mit Blick auf die Umweltsituation setzt das Denken und Planen typischer Kommunikationsmanager allerdings – ob implizit oder explizit – typischerweise auf Ansätzen auf, die das Unternehmen in einer vielschichtigen und komplexen Umwelt zeichnen. Aus der Perspektive der Kommunikationsfunktion ist die Unternehmensumwelt nicht, wie z. B. im betriebswirtschaftlichen Shareholder-Konzept, auf eine oder einige wenige kritische Beziehungen reduzierbar. Aus Sicht der Kommunikationsmanager ist Unternehmenserfolg abhängig von vielen Beziehungen, von denen sich einige über Marktmechanismen (Kunden), andere über vertraglich-juristische Beziehungen (Mitarbeiter, Zulieferer), wiederum andere aber im gesellschaftlichen Raum öffentlicher Kommunikation konstituieren (Medien, Aktivisten) (Zerfaß 2007). Konsequenterweise hat vor allem das Stakeholder-Konzept, welches die Vielschichtigkeit von Unternehmensumwelten betont (Karmasin 2007), eine intensive Rezeption in der PR-Wissenschaft erfahren. Eine Auseinandersetzung mit Stakeholdern (bzw. Anspruchsgruppen, Bezugsgruppen; zur Unterscheidung siehe Janisch 1992), ihren Ansichten, Interessen, Wünschen und Forderung darf deshalb – auf welcher begrifflichen Basis auch immer vorgenommen – als ein standardmäßiger Baustein eines zeitgemäßen Kommunikationskonzeptes gelten (Smith 2005). Was die Daten anbelangt, bedient sich der Konzeptioner grundsätzlich der internen und externen Quellen, auf die auch der Analytiker im Rahmen strategischer Unternehmensplanung zurückgreift. Kommunikationsmanagement setzt allerdings in verstärktem Maße auf Daten, die nicht routinemäßig im Rahmen betriebswirtschaftlicher Leistungserstellung generiert werden (anders z. B. finanzielle Kennziffern wie Rentabilität, Personalkennziffern wie Absentismus, Qualitätskennziffern wie Reklamationsraten etc.). Informationen über Image und Reputation der Unternehmung existieren nicht, ehe sie nicht mit spezifischen Methoden aktiv generiert werden und bedürfen darüber hinaus der Interpretation. Eine Datenquelle von großer Bedeutung stellt demnach die vorgängig sporadisch oder kontinuierlich durchgeführte Evaluation der bisherigen Arbeit (vgl. unten Abschnitt 2.3) dar. Darüber hinaus ist in der Praxis die Desktop-Recherche im Internet sowie in verschiedenen kommerziellen Datenbanken zu einer wichtigen Quelle von Analysedaten geworden. Von der Recherche der Daten zu unterscheiden sind Verfahren, die zum Zwecke der systematischen Datenkomprimierung beziehungsweise ihrer strukturierten Darstellung entwickelt wurden. Hier haben einerseits klassische, in der Unternehmensberatung und Managementlehre entwickelte Verfahren Eingang in die Konzeptionslehre gefunden, so etwa die SWOTAnalyse. Andererseits wurden und werden sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch der
364
Günter Bentele/Howard Nothhaft
Praxis PR-spezifische Begriffssysteme bzw. „Tools“ entwickelt. Die von Grunig/Hunt (1984: 147 ff.) ausgearbeitete situative Theorie der Teilöffentlichkeiten, auf die in Abschnitt 3.2.2 dieses Beitrags näher eingegangen wird, stellt ein Beispiel dar. Ein anderes Beispiel ist der von Rolke (2002) vorgeschlagene Stakeholder-Kompass. Darüber hinaus wird im Rahmen spezialisierter Verfahren des Kommunikationsmanagements – wie Issues Management, Risiko-Management oder im Zuge der Krisen-PR – ein verfeinertes Inventar bereitgehalten. Die klassische Konzeptionslehre sieht vor, dass die Analysephase idealtypisch zeitlich und logisch vor der Strategieentwicklung stattfindet, demnach nicht an implizite oder explizite strategische Setzungen gebunden ist. Umgekehrt determiniert die Analyse, wiederum idealtypisch, nicht die Strategie. Zwar nehmen Konzeptioner in der Analysephase eine Verdichtung der Informationen mit Blick auf das zu lösende Problem vor – womit durchaus die Gefahr der stillschweigenden Vorwegnahme strategischer Grundsatzentscheidungen einhergeht. Allerdings lassen sich Strategien – entgegen weit verbreiteter Auffassung – niemals zwingend aus der Analyse ableiten. Leipziger (2004: 12 ff.) unterscheidet in seiner Konzeptionslehre drei grundlegende „Denksysteme“, die er als analytisches Ordnungsdenken, Problemlösungsdenken und Umsetzungsdenken kennzeichnet. Die Bezeichnung „Denksysteme“ deutet an, dass es sich dabei um Modi handelt, die nicht ineinander überführbar sind. Anders ausgedrückt: ein scharfsinniger Analytiker ist nicht zwangsläufig ein brillanter strategischer Kopf, und dieser wiederum nicht zwingend ein taktisch versierter Umsetzer. Wenn die Analyse als Schritt in einem Problemlösungsprozess verortet wird, lässt sich die Frage stellen, wo die Entdeckung des Problems systematisch zu verorten ist. Die Frage gewinnt an Brisanz, wenn man sich vor Augen führt, dass die sich Unternehmen stellenden „Issues“ häufig latent sind, sich schleichend entwickeln, der Entdeckung durch geeignete Verfahren bedürfen. Sie gewinnt noch weiter an Brisanz, wenn Kommunikationsmanagement neuer Prägung konsequent auf einige wenige „Treiber“ fokussiert, die als wertschöpfend identifiziert wurden und deren Entwicklung mit Hilfe von Kennzahlen nachverfolgt wird. Insofern ist im Rahmen eines ambitionierten Verständnisses von Unternehmenskommunikation neben der geschilderten, problemlösenden Analysephase kontinuierlich eine problementdeckende Analyse zu denken, die beispielsweise durch Issues Monitoring und Corporate Foresight der Turbulenz der Unternehmensumwelt Rechnung trägt (Kuhn/Ruff 2007).
2.2
Planung: Strategie und Taktik
„I have always found that plans are useless, but planning is indispensable“, zitiert die Geschichtsschreibung Dwight D. Eisenhower – als Oberbefehlshaber der alliierten Landung in der Normandie und späterer US-Präsident zweifellos eine Person, die etwas über komplexe Unternehmungen zu berichten weiß. Eisenhowers Diktum verweist auf eine Gleichsetzung, die vielen Missverständnissen zu Grunde liegt: denn Strategie stellt Planung insofern dar, als
Konzeption von Kommunikationsprogrammen
365
sie geeignete Vorgehensweisen geistig vorwegnimmt und in ihren vielfältigen Konsequenzen zu durchdenken sucht. Das ist nicht zwangsläufig gleichzusetzen mit Plänen, insbesondere nicht mit sturer, schematischer Planerfüllung. Terminologisch etwas anders spiegelt sich diese Differenzierung in der Managementlehre wider, wo verschiedene Autoren zwischen strategischem Denken (geistiger Vorwegnahme) einerseits, strategischem Planen (Pläne festschreiben) andererseits unterscheiden (Mintzberg 1987). Skepsis besteht vor allem gegenüber einem Primat des Planes, wie es viele Managementmodelle mehr oder minder explizit postulieren: Denn die Planung wird zu einer übergeordneten Funktion, wo sie geistig vorwegnimmt, welche Rolle allen anderen Funktionen zuzubilligen ist. Managementforscher wie Steinmann/Schreyögg (2005: 129 ff.) halten dem entgegen, dass diese sogenannte „plandeterminierte Unternehmensführung“ eine Überfrachtung der Planungsfunktion darstelle: Den daraus erwachsenden Anforderungen – wie etwa die Fähigkeit, die Zukunft verlässlich zu prognostizieren – sei realistischerweise gar nicht gerecht zu werden.
2.2.1
Strategie
Die Auseinandersetzung mit Strategie speist sich vor allem aus zwei Bereichen: historischetymologisch aus dem militärischen Umfeld, praktisch und theoretisch aus dem der Betriebswirtschafts- und Managementlehre. Die klassische Strategiedefinition ist die des preußischen Militärtheoretikers Carl von Clausewitz, die Strategie als die Lehre „vom Gebrauch des Gefechts zum Zwecke des Krieges“ bestimmt (Clausewitz 1832: II.1.). Wohl auch auf Grund ihrer Griffigkeit zu einiger Berühmtheit gelangt ist die Definition, die der Managementforscher Peter Drucker (1993) ursprünglich mit Blick auf die Begriffe „Effektivität“ und „Effizienz“ geprägt hat. Demnach besteht strategisches Geschick darin, das Richtige zu tun („Doing the right things“), während sich das taktische Geschick in der Fähigkeit manifestiert, die Dinge richtig zu tun („Doing things right“). Das geht konform mit der bereits vorgestellten Zuspitzung auf zwei Aspekte von Kommunikationsprogrammen bei Cutlip/Center/ Broom (2000): „What do we do and say?“ als strategische und „How and when do we do and say it?“ als taktische Fragestellung. Kehrt man zu der im ersten Abschnitt angedeuteten Sprachenmetapher zurück, so lässt sich festhalten, dass die Sprachen der Unternehmensführung und Unternehmenskommunikation zwar differieren, durchaus aber einige Vokabeln gemeinsam haben. Der Begriff der Strategie darf dabei als einer der schillerndsten gelten. Tibble (1997) kommentiert, dass der Strategiebegriff in der angloamerikanischen PR-Lehre herumgereicht worden sei wie ein Mantra („bandied around like a mantra.“). Und Steyn, die im Zuge eines mehrjährigen Forschungsprojektes (zusammenfassend: Steyn 2006: 138) sowohl südafrikanische CEOs als auch ihre Kommunikationsmanager befragte, attestiert PR-Leuten gar, dass sie wenig bis gar nichts von Strategie verstünden: „Although the corporate communication industry acknowledges that strategy should be an integral part of its communication programmes, few practitioners seem to understand the meaning of strategy.“ (Steyn 2003: 168)
366
Günter Bentele/Howard Nothhaft
Bislang existieren nur vereinzelte Versuche, systematisch Anschluss zwischen der betriebswirtschaftlichen Strategielehre einerseits und dem Strategiebegriff in der kommunikationswissenschaftlichen PR-Lehre andererseits herzustellen. Von disziplinären Scheuklappen behindert sind beide Parteien. Auf der einen Seite nahm und nimmt die Literatur zum strategischen Management kaum einmal Notiz von Ansätzen, wie etwa der angloamerikanischen Exzellenztheorie (Grunig/Grunig/Dozier 2002), die unter Rückgriff auf betriebswirtschaftliche Ansätze eine strategische Rolle der Kommunikationsfunktion ausbuchstabieren. Auf der anderen Seite usurpierte die PR-Konzeptionslehre den prestigeträchtigen Strategiebegriff, ohne ihn präzise und anschlussfähig zu definieren. Beispielsweise war „strategische PR“ im Deutschland der neunziger Jahre das von Agenturen in den Fachdiskurs eingebrachte Zauberwort, das professionellen Fortschritt gegenüber nicht-systematisch geplanter PR („BauchPR“) signalisieren sollte. Allerdings propagierte man strategische Kommunikation, ohne Anschluss an die begriffliche Evolution in der Betriebswirtschaftslehre zu halten. Denn Managementforscher und zum Teil auch Manager unterschieden damals bereits enterprise strategies, corporate strategies, business-unit strategies sowie funktionale Strategien (etwa Finanzierungsstrategien), kannten adaptive und interpretative, deliberate und emergente Strategien, diskutieren über hybride Strategien und hatten die Rede vom großen Plan hinter sich gelassen bzw. durch Konzepte wie das strategische Management und „die Methode des Durchwurstelns“ (science of muddling through) ergänzt. Die Diskussion des Strategiebegriffes in Abschnitt 3 dieses Beitrags wird in Ansätzen auf diese Herausforderungen eingehen.
2.2.2
Taktik
Während – in Abwandlung des Drucker´schen Diktums – die Strategie darin besteht, das Richtige zu tun, manifestiert sich taktisches Geschick in einem „doing things right“. Das klingt pointiert, erweist sich aber als ebenso interpretationsbedürftig wie die klassische Clausewitz'sche Definition, welche unter Taktik die Lehre „vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht“ fasst (Clausewitz 1832: II.1). In letzter Konsequenz stellt sich die Frage, was Taktik mit Blick auf Kommunikationskonzepte konkret heißt. Angesichts der Formulierung die „Dinge richtig zu tun“, liegt zunächst die Versuchung nahe, Taktik dahingehend zu interpretieren, dass Kommunikationskonzepte eine Reihe generischer Postulate spezifizieren, die einen Stil, eine Tonalität vorzeichnen: wie etwa „flexibel agieren“ oder „präzise auf den Punkt kommen“, „null Fehler“. Natürlich spricht nichts dagegen, derartige Forderungen in Konzepte aufzunehmen. Aber generische taktische Prinzipien sind genauso wenig konkrete Taktiken wie generische Strategieprinzipien konkrete Strategien darstellen: „ein Tor mehr als der Gegner schießen“, „am Ende die Nase vorn haben“ – das sind Erfolgsrezepte, die a priori richtig sind; genuine Strategien, ebenso wie Taktiken, müssen jedoch, durchaus im Popper'schen Sinne, falsifizierbar sein. Insofern ist es irreführend, über Taktik zu sprechen, ohne über konkrete Maßnahmen zu sprechen, die inhaltlich, zeitlich und vom Ressourcenaufwand her annäherungsweise fixiert worden sind in:
Konzeption von Kommunikationsprogrammen
367
Maßnahmenplänen, die aufzeigen, welche Maßnahmen, zu Maßnahmenzügen gebündelt, zusammengehören und ineinander greifen (darüber hinaus spezifiziert der Maßnahmenplan gewöhnlich auch die Verantwortlichkeiten); Zeitplänen, welche die Anordnung der Maßnahmen in der Zeit vergegenwärtigen; Kostenplänen, die der grundsätzlichen und der über die Zeit verteilten Verfügbarkeit von finanziellen Ressourcen Rechnung tragen. Bei der Rede von Termin- und Budgetplänen stellt sich freilich die Frage, was das mit Taktik zu tun hat. Die Antwort lautet: Die Prinzipien, die der Maßnahmenplanung, der Zeitplanung, der Kostenplanung und der Instrumentenplanung zugrunde liegen, sind taktische. Das taktische Geschick eines Konzeptioners spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie verschiedene Maßnahmen zu Maßnahmensträngen gebündelt werden und wie verschiedene Maßnahmenstränge so arrangiert werden, dass sie sich gegenseitig ergänzen, gar erst ermöglichen, zumindest nicht widersprechen. Taktisches Geschick zeigt sich auch daran, wie externe Einflüsse und Bedingungen und zufällige oder unvorhergesehene Ereignisse zum eigenen Vorteil genutzt werden oder in ihrer nachteiligen Wirkung abgeschwächt werden. Auch wenn die PR-Lehre bislang kein in sich geschlossenes, als solches deklariertes „Taktiklehrbuch“ der öffentlichen Kommunikation hervorgebracht hat, darf daraus nicht gefolgert werden, dass ein entsprechender, prinzipiell systematisierbarer Wissens- und Erfahrungsschatz nicht existiert. De facto existiert er, auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Formen. Vor allem liegt er verborgen in den Köpfen der Praktiker, oftmals als „Bauchgefühl“, vermutlich aber auch in Form reflektierter Maximen und (Erfolgs-)Prinzipien, die verständlicherweise gerne an den eigenen Nachwuchs in Kommunikationsabteilungen und Agenturen, ungern jedoch an die Branche oder an die scientific community weitergegeben werden.
2.3
Umsetzung: Operationalisierung, Realisierung
Was die Umsetzung als Phase anbelangt, tut sich die Konzeptionslehre schwer: In einigen Modellen ist der Schritt fester Bestandteil, in anderen fehlt er. Die Wurzel der Schwierigkeiten dürfte vor allem in der Doppelnatur der Begrifflichkeit liegen. Denn einerseits lässt sich Umsetzung als Operationalisierung verstehen, als Bestandteil der Planung, der die vorgesehenen Maßnahmen dergestalt konkretisiert, dass sie in ihren wesentlichen Dimensionen fixiert, damit realisierbar werden. Andererseits lässt sich der Schritt als Realisierung, insofern als „Platzhalter“ begreifen, der die Phase des Kommunikationsprozesses beschreibt, in der das Konzept in Realität überführt, eben umgesetzt wird. Beide Interpretationen, Operationalisierung und Realisierung, haben ihre Berechtigung insofern, als sie ein Licht auf Problemstellungen werfen, die der erfahrene Konzeptioner nicht aus den Augen verlieren sollte. Die erste, der Imperativ einer taktisch versierten Operationalisierung, wurde bereits erörtert.
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Bei der zweiten Problemstellung handelt es sich um das Implementierungsproblem, das auch in der betriebswirtschaftlichen Literatur in verschiedenen Zusammenhängen diskutiert wird. Es präsentiert sich mit Blick auf Kommunikationsmanagement in besonderer Schärfe, wo einzelnen Maßnahmen stillschweigend taktische Funktionen zugewiesen werden, ohne zu thematisieren, dass die Implementierung einer Maßnahme nicht gleichzusetzen ist mit faktischer Funktionserfüllung. Markiert eine Pressekonferenz beispielsweise den Startschuss zu einer groß angelegten Kampagne, so ist die bloße Durchführung der Veranstaltung bei zufrieden stellender Beteiligung keineswegs ein Garant dafür, dass sie auch ihren anspruchsvolleren taktischen Funktionen – z. B. bestimmte einflussreiche Journalisten für das hinter der Kampagne stehende Anliegen zu sensibilisieren – gerecht geworden ist.
2.4
Evaluation/Controlling
Wie die Abbildungen 1 und 2 zeigen, lässt sich Evaluation/Controlling nicht separat von der Analyse denken: die Evaluationsdaten und Controllingparameter gehen wieder in die ReAnalyse der Situation ein. Das gilt übrigens sowohl in der vertikalen, kommunikationsplanerischen Dimension wie auch in der horizontalen Managementdimension – auch im Fünferkanon der Managementfunktionen werden Planung und Kontrolle als „Zwillingsfunktionen“ gedacht. In der Konzeptionslehre hat es sich darüber hinaus eingebürgert, zwischen formativer und summativer Evaluation zu unterscheiden (Fuhrberg 1995: 55 ff.). Das ist insofern von Bedeutung, als Erfolge und Wirkungen von Unternehmenskommunikation meist nicht selbstevident sind wie beispielsweise in Verkaufssituationen. Bei typischen Kommunikationszielen wie Imagegenerierung oder Markenaufbau müssen Veränderungen mit Hilfe geeigneter Verfahren festgestellt werden.
2.4.1
Summative Evaluation
Mit summativer Evaluation ist die Evaluation angesprochen, die in der Regel nach einer Initiative, Kampagne oder Maßnahme in möglichst belastbarer, aussagekräftiger Weise Zustände wie Image, Markenbekanntheit, Vertrauen etc. erhebt. Wurde vor der zu evaluierenden Kommunikation eine Null-Messung durchgeführt (z. B. die Evaluation der Maßnahmen im vorangegangenen Zyklus), lässt sich durch Vergleich von Ist-Zuständen vorher und nachher auf Wirkungen schließen, durch Vergleich von Ist-Zustand nachher und Soll-Zustand nachher (sprich: Ziele) auf Erfolge. Die in der Evaluation eingesetzten Methoden und Designs (vertiefend hierzu Kapitel 2.4 dieses Handbuchs) variieren in Abhängigkeit von der Ebene der Evaluation. In einer Empfeh-
Konzeption von Kommunikationsprogrammen
369
lung differenziert die Deutsche Public Relations-Gesellschaft (DPRG) zwischen vier Ebenen (DPRG 2000): Auf der ersten, so genannten Output-Ebene werden neben einfachen Clippings vor allem Inhaltsanalysen eingesetzt. Inhaltsanalytische Designs, wie die Medienresonanzanalyse (MERA) und die elaboriertere Input-Output-Analyse heben auf die veröffentlichte Meinung ab. Auf Basis derartiger Designs lässt sich die Frage beantworten, welche Inhalte in die Öffentlichkeit gelangt sind, welchen Botschaften die anvisierten Anspruchsgruppen dementsprechend ausgesetzt waren. Streng genommen ist der Schluss von der veröffentlichten auf die öffentliche Meinung indirekt und problematisch, in der Praxis wird er jedoch – auf Basis von „Bauchgefühl“ und Berufserfahrung – häufig vorgenommen. Direkt Aufschluss über die Einstellungen spezifischer Teilöffentlichkeiten, die öffentliche Meinung insgesamt oder komplexe Konstrukte wie Images oder Reputation geben verschiedene Formen der Befragung (Interviews, repräsentative Umfragen). Auf der zweiten, so genannten Outgrowth-Ebene steht hier zunächst die anspruchsgruppenseitige Wahrnehmung und Erinnerung von Botschaften – die bloße Rezeption – im Fokus, wobei der methodische Zugang gewöhnlich die standardisierte quantitative Befragung ist. Als Outcome bezeichnet man hingegen die tatsächliche, durch Kommunikationsmaßnahmen bewirkte Veränderung von Einstellungen und Verhalten. Auch Konstrukte wie Image, Marke oder Reputation, die in letzter Konsequenz aggregierte Bündel von Einstellungen repräsentieren, sind auf der dritten Ebene angesiedelt. Methodisch erfolgt der Zugriff auf der Outcome-Ebene häufig auch durch standardisierte Befragung, insbesondere hier bieten sich aber flankierende Verfahren an, die der Tendenz nach qualitativ sind (so z. B. Fokusgruppengespräche). Mit der Frage nach der anspruchsgruppenseitigen Wirkung von Kommunikation verknüpft ist schließlich die Frage nach der unternehmensseitigen Wertgenerierung, nach der vierten, so genannten Outflow-Ebene – die Ebene, auf der das Kommunikationsmanagement neuer Prägung gegenüber der Unternehmensführung argumentiert. Hier hat sich gezeigt, dass der streng sozialwissenschaftliche Nachweis von Wertschöpfung durch Kommunikation zwar in Einzelfällen geführt werden könnte, der flächendeckende, kontinuierliche Nachweis aber vor allem durch konsequente Integration der Kommunikationsfunktion in unternehmensweite Systeme der Wertschöpfungsdokumentation wie beispielsweise Scorecards zu geschehen hat (Zerfaß 2005). Dass in der Praxis häufig nach wie vor unhaltbare Methoden wie die Berechnung der Anzeigenäquivalenz („PR Ad Value“) zum Einsatz gelangen, lässt sich zwar mit Verweis auf Marktmechanismen erklären, nicht aber logisch und wissenschaftlich begründen.
2.4.2
Formative Evaluation
Formative Evaluation ist der Prozess, der die Initiative oder Kampagne kontinuierlich begleitet und der Steuerung und Überwachung dient. Besson (2003) differenziert formative Evalua-
370
Günter Bentele/Howard Nothhaft
tion weiter aus, wenn sie neben der Einstellungsevaluation – die der summativen Evaluation entspricht und auf Meinungen, Wissen, Gefühlen und Verhalten der Anspruchsgruppen abhebt – folgende Gegenstände einer umfassenden, systematischen Evaluation unterscheidet: (1) Prozessevaluation, mit Fokus auf der Plantreue der Durchführung (vgl. Implementierungsproblem); (2) Instrumentelle Evaluation, mit Fokus auf der unmittelbaren, direkten Resonanz der Maßnahmen; sowie (3) Konzeptionsevaluation, mit Fokus auf der Qualität der Konzeption. Die Querpfeile in Abbildung 1 vergegenwärtigen, dass demnach prinzipiell in jede Position optimierend eingegriffen werden kann. Freilich ist es unüblich, konsentierte strategische Imperative zur Disposition zu stellen. Üblicher ist das „Tuning“ einzelner Aspekte, etwa des Wordings von Botschaften. Eingriffe können unter zwei Gesichtspunkten geschehen, dem der Effektivität einerseits, dem der Effizienz andererseits. Ein Eingriff unter Effektivitätsgesichtspunkten findet statt, wenn eine Maßnahme nicht geeignet ist, das zu bewirken, was sie bewirken soll. Ein Eingriff unter Effizienzgesichtspunkten bedeutet, dass der Ressourcenaufwand nicht in einem akzeptablen Verhältnis zu der angestrebten Wirkung steht.
2.4.3
Kommunikations-Controlling
Für die formative Evaluation findet sich gelegentlich auch die Bezeichnung „Controlling“. Angesichts des kontinuierlichen, prozessflankierenden Charakters ist das begründbar, birgt aber die Gefahr von Missverständnissen, so dass der Begriff besser für einen Komplex der Metasteuerung (Zerfaß 2005, 2007) reserviert wird. Dabei empfiehlt es sich, zwischen operativ-prozessbegleitendem und strategischem Controlling zu unterscheiden. Operatives Controlling obliegt der Kommunikationsabteilung und dient etwa der Steuerung von Kampagnen, aber auch der Qualitätskontrolle von Routineaufgaben. Strategisches Controlling geschieht in Kooperation mit der Unternehmensführung oder gemeinsam mit von ihr ausgewiesenen Einheiten. Es dient der Steuerung und Kontrolle der Kommunikationsaktivitäten insgesamt, insbesondere der Sicherstellung einer Passung zwischen Unternehmens- und Kommunikationsstrategie (Konzeptionsevaluation). Abbildung 2 vergegenwärtigt dies dadurch, dass operatives Controlling als konzentrischer Kreis in der Konzeptionssystematik angeordnet wurde, während strategisches Controlling auf einer anderen organisatorischen Ebene angesiedelt ist. Die Abbildung verdeutlicht darüber hinaus, dass die Steuerung und Überwachung z. B. auf Basis konsentierter Kennzahlen geschieht, die an verschiedenen Punkten (einschließlich der Ergebnisse summativer Evaluation) aus der Kommunikationsabteilung eingebracht werden.
Konzeption von Kommunikationsprogrammen
3.
371
Strategien als Kern der Konzeption
Die weiteren Ausführungen sollen das Verständnis der strategischen Phase und damit der Kommunikationsstrategie vertiefen. Das geschieht aus zwei Gründen: Zum einen, weil Kommunikationskonzepte sich von anderen funktionalen Konzepten (etwa Finanzierungs- oder IT-Konzepte) durch eben jene Elemente unterscheiden, die Gegenstand strategischer Entscheidung sind. Zum anderen, weil es die Strategie ist, die im Übergang von einer PR alter Prägung zu einem Kommunikationsmanagement neuer Prägung anders gedacht werden muss. Um zu einem reifen Verständnis von Kommunikationsstrategie zu gelangen, gilt es zunächst zu sehen, dass die Begrifflichkeit „strategisch“ zumindest eine doppelte Bedeutung besitzt: Kommunikationskonzepte sind einerseits strategisch, wenn ihnen aus Sicht der Unternehmensführung (top-down) kritische Relevanz für übergeordnete Organisationsziele zuerkannt wird oder wenn seitens der Kommunikationsverantwortlichen (bottom-up) der Anschluss an derartige Ziele gesucht wird. Andererseits sind Kommunikationskonzepte strategisch – binnenstrategisch sozusagen –, wo sie sich selbst systematisch aus einer Einheit stiftenden Leitidee entfalten: etwa, konsequent den Dialog zu suchen; die Person in den Vordergrund zu stellen etc.4 Die Konzeptionslehre, wie sie bisher in Ansätzen vorgestellt wurde, stellt vor allem ein Instrument dar, derartige, in sich stringente Kommunikationsstrategien zu entwickeln.
3.1
Strategie revisited: Die Verschränkung von Unternehmens- und Kommunikationsstrategie
Wie Unternehmens- und Kommunikationsstrategie im Rahmen eines Kommunikationsmanagements neuer Prägung ineinander greifen, zeigt Abbildung 3. Auf der linken Seite ist die noch immer gängige Praxis alter Prägung dargestellt: Die Entwicklung einer mit der gesamten Unternehmensstrategie verzahnten Kommunikationsstrategie wird über eine mehr oder minder präzise Zieldefinition an die Kommunikationsabteilung delegiert, welche ihre Aktivitäten dann, zu gegebener Zeit, gegenüber der Unternehmensführung zu legitimieren hat. In einem Kommunikationsmanagement neuer Prägung, rechts dargestellt, denkt die Unternehmensführung kommunikationsrelevante Implikationen von vorneherein mit, die 4
Es lässt sich noch eine dritte Bedeutung des Begriffes „strategisch“ identifizieren. Es handelt sich um die in der Spieltheorie übliche Verwendung, in der „strategisch“ die Tatsache bezeichnet, dass Handlungen als „Spielzüge“ immer in Abhängigkeit von jeweils komplementären Handlungen eines anderen „Spielers“ zu sehen und zu beurteilen sind.
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Günter Bentele/Howard Nothhaft
Kommunikation sitzt sozusagen „mit am Tisch“. Anders ausgedrückt: die Formulierung einer nicht nach außen kommunizierbaren, der Öffentlichkeit nicht vermittelbaren Unternehmensstrategie ist von vorneherein ein Ding der Unmöglichkeit – ähnlich wie in der Politik eine dem Wähler/Bürger nicht vermittelbare Maßnahme ausscheidet.
Abbildung 3:
Unternehmens- und Kommunikationsstrategie: altes und neues Verständnis
Das Postulat einer Verschränkung von Unternehmens- und Kommunikationsstrategie ist keineswegs neu (grundlegend dazu: Zerfaß 2004). Dass sie nicht nur eine normative Forderung bleibt, sondern gelebte Unternehmenspraxis wird, kann durch verschiedene Vorkehrungen sichergestellt werden. Die einfachste, da personalorientierte Lösung ist in einer durchsetzungsstarken Verankerung der Kommunikationsfunktion, etwa mit einem im Vorstand bzw. in der Geschäftsführung angesiedelten Kommunikationschef, zu suchen. Eine prozessorientierte Variante besteht darin, kommunikationsrelevante Aspekte systematisch in die Abläufe und Vorgehensweisen unternehmerischer Strategieformulierung zu integrieren – etwa durch Anschluss an verwendete Modelle des betrieblichen strategischen Managements (Steyn 2006: 147 ff.). Die ambitionierteste, da ergebnisorientierte Variante – die darüber hinaus Kontinuität durch Personenunabhängigkeit garantiert – stellt schließlich die Integration kommunikativer Aspekte in die Werte und Kennziffern eines betriebswirtschaftlichen Kennziffernsystems dar, z. B. durch Erweiterung und Ergänzung existierender oder durch Etablierung neuer Scorecard-Systeme. Der Unterschied zwischen strategischen Konzeptionen neuer und alter Prägung liegt in jedem Fall (1) in der Integration von Unternehmensführung und kommunikationsstrategischen Entscheidungen sowie, daraus resultierend, (2) in der „Sprache“, in der über Kommunikation
Konzeption von Kommunikationsprogrammen
373
gesprochen und entschieden wird. In einem Kommunikationsmanagement neuer Prägung ist Kommunikationsstrategie dahingehend als funktionale Teilstrategie der Unternehmensstrategie zu denken, dass die Unternehmensführung die resultierende Kommunikationsstrategie bei der Formulierung der Gesamtstrategie mehr oder minder explizit mitdenkt (und der Kommunikationsmanager die Unternehmensstrategie), ihre Implementierung durch geeignete Verfahren dynamisch steuert und überwacht (strategisches Controlling) sowie über die Möglichkeit verfügt, jederzeit durch Imperative in die kommunikationsstrategische Gesamtaufstellung einzugreifen. Dabei gilt es zu sehen, dass Kommunikationskonzepte nicht zwingend von einer linearen Logik beherrscht sein müssen, wie sie sich beispielhaft in Markteinführungskampagnen widerspiegelt. Betriebswirtschaftliche Strategietheoretiker haben neben der am militärischen Vorbild orientierten Strategielogik andere identifiziert. Chaffee (1985) beispielsweise differenziert neben der linearen Strategielogik zwei weitere Cluster von Strategieverständnissen, die sie mit den Begriffen adaptiv und interpretativ bezeichnet. Ein adaptives Strategieverständnis ist nicht primär von Zielen und Zielpfaden getrieben, sondern nimmt das Unternehmen als Einheit mit bestimmten Stärken und Schwächen in einer Umwelt wahr, die durch die Aktivität von Mitbewerbern, die Ansprüche von Stakeholdern, durch Trends und Entwicklungen gekennzeichnet ist. Strategie stellt insofern die Identifikation einer viablen (Wettbewerbs-)position sowie, um diese Position zu halten, kontinuierliches, dynamisches Anpassungshandeln dar. Interpretative Strategieverständnisse scheinen prima facie ganz ähnlich, heben aber insbesondere auf sozial-organisationskulturelle Aspekte der Unternehmung, auf Beziehungen zu Stakeholdern ab: insofern stehen Konzepte wie Sinn, Legitimität und Orientierung, die durch geeignete Kommunikation zu befördern sind, im Fokus.
3.2
Elemente der Kommunikationsstrategie
Von der Verschränkung der Unternehmens- und Kommunikationsstrategie unberührt bleibt, dass das Kommunikationsmanagement die Imperative der Unternehmensführung in einer Art und Weise verarbeiten muss, welche die Passung der Kommunikationsmaßnahmen untereinander gewährleistet. Wie generell bei Strategien geht es auch hier darum, knappe Ressourcen mit Blick auf ein übergeordnetes Ziel einzusetzen. Gerade in der Kommunikationsarbeit, wo der Aufwand oft überschaubar, Projektideen aber an sich attraktiv sind, droht „Verzettelung“. Abbildung 4 skizziert die kommunikationsstrategischen Positionen, wie sie sich in zahlreichen Konzeptionsmodellen finden. Die Autoren gehen davon aus, dass jeder Konzeptionsentwickler ein ähnliches Ideengeflecht im Kopf hat; ein Bild davon, welche Gruppierungen
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Günter Bentele/Howard Nothhaft
für seine Arbeit wichtig sind, wie sich „seine“ Organisation selbst sieht oder sehen sollte, welche Medien von großer und welche Themen von entscheidender Bedeutung sind etc. Wo das nicht oder nicht in gebührender Klarheit der Fall ist, dient die Konzeptionslehre dazu, ein derartiges Verständnis zu entwickeln. Für Konzeptionsentwickler, die zu Sprunghaftigkeit neigen, wirken Strategien demnach wie Filter. Auf Basis der Strategie lässt sich diskutieren, inwiefern eine kreative Maßnahme zielführend ist. Für andere Konzeptionsentwickler steht nicht die Filterfunktion, sondern die ideengenerierende Kraft im Mittelpunkt. Haben sie einmal die zu berücksichtigenden Positionen „zusammengedacht“, dann sind sie in der Lage, Maßnahmen zu entwickeln, die konsequent auf das übergeordnete Ziel ausgerichtet sind. Das Polygon in Abbildung 4 stellt die wichtigsten Parameter dar, die bei der Entwicklung von Kommunikationsstrategien zu berücksichtigen sind. Es vergegenwärtigt, dass die Parameter als in einem Wechselverhältnis stehend zu denken sind. Es ist nicht möglich, einzelne Aspekte zu dispositionieren, ohne die Figur insgesamt aus der Balance zu bringen. Verändern sich die Ziele der Unternehmenskommunikation, werden sich auch Zusammensetzung und Gewichtung der als relevant identifizierten Anspruchsgruppen ändern. Positioniert sich das Unternehmen um – beispielsweise von einem Autohersteller zu einem integrierten Technologiekonzern, von einer Behörde zu einem Serviceunternehmen – verschiebt sich der Korridor zielführender, nondiskrepanter Botschaften (Bentele 2005). Das wiederum führt zu einer Korrektur von Zielen oder einer Revision der als kritisch erachteten Anspruchsgruppen.
Abbildung 4:
Wichtige Parameter zur Entwicklung von Kommunikationsstrategien
Konzeption von Kommunikationsprogrammen
3.2.1
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Ziele und Kommunikationsziele
Nicht zuletzt deshalb, weil Unternehmensführung in der Regel zielgesteuert operiert, lässt sich der Zusammenhang zwischen Unternehmens- und Kommunikationsstrategie am deutlichsten an Zieldefinitionen aufzeigen. Ein Kommunikationsziel zeichnet sich dadurch aus, dass es einen feststellbaren Soll-Zustand spezifiziert, der sich direkt, zumindest aber indirekt durch Kommunikationsmaßnahmen herbeiführen lässt. Darüber hinaus terminiert das Ziel einen Zeitpunkt, bis zu welchem der Zustand zu verwirklichen ist. Formuliert man ein PR-Ziel, so führt das gewöhnlich schon zu einer relationalen Aussage. Anders als beispielsweise unternehmerische Ziele sind Kommunikationsziele weder nur auf das Unternehmen (Wir wollen 10% mehr Produkte verkaufen), noch sind sie nur auf eine Zielgruppe bezogen (Wir wollen, dass unsere Aktionäre glücklich sind). In der Regel formulieren sie eine Relation, die folgende allgemeine Form aufweist: Bezüglich X (Unternehmen, Produkt, Marke, Thema etc.) SOLL das ZIEL Z (ein Zustand) bis zu einem ZEITPUNKT t bei ZIELGRUPPE/TEILÖFFENTLICHKEIT Y erreicht werden. Beispiel: Bis zum Ende des Jahres (t) wollen wir, dass Produkt X unter 19-29jährigen (Y) als „innovativ“ und „in“ gilt (Z). Wie sich zeigt, beinhalten derartige Zielformulierungen bereits Bezugsgruppen und Aspekte der Positionierung. De facto stellen sie Teilstrategien dar, denn mit der Entscheidung, dieses oder jene Ziel zu verfolgen, fällt bei begrenzten Ressourcen ein anderes heraus. Entscheidend ist jedoch, dass das Kommunikationsziel im obigen Beispiel Imagestaltung ist. Die Vermittlung der Positionierung, Imagegestaltung durch Selbstdarstellung, ist ein klassisches PR-Ziel, aber nicht das einzig mögliche. Wichtig ist, dass eine andere Zielsetzung – etwa das Ziel, eine Verkaufszahl von 100.000 Produkten zu erreichen – sicher zu anderen Maßnahmen geführt hätte. Umgekehrt denke man an Aufklärungskampagnen, wo die Vermittlung von Wissen Priorität vor Imagestaltung und Selbstdarstellung genießt. Um das Zielelement, den angestrebten Zustand, in operationalisierbarer Art und Weise anzugeben, können Konzeptioner auf die in der kommunikationswissenschaftlichen Wirkungsforschung entwickelten Differenzierungen grundlegender Wirkungsebenen zurückgreifen. Diese unterscheiden etwa zwischen kognitiv-orientierten (Wissenszielen), affektiv-emotionalen (Einstellungen, Involvement, Frame- und Perspektivverschiebung) sowie konativ-orientierten Zielen (Handlungsziele) (Mast 2006: 147 f.). Unternehmenskommunikation verfolgt jedoch in der Regel nicht eindimensionale, sondern komplexe Kommunikationsziele höherer Ordnung, so z. B. die Formung eines bestimmten Images.
3.2.2
Bezugsgruppen
Wenn in betriebswirtschaftlicher Terminologie von Bezugsgruppen, Anspruchsgruppen, Interessengruppen oder Stakeholdern die Rede ist, bezieht sich das Denken auf vergleichsweise
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Günter Bentele/Howard Nothhaft
abstrakte Kategorien, die ein ungefähres Handlungsfeld abstecken. Im Rahmen einer Kommunikationskonzeption bedürfen diese Kategorien einer Konkretisierung, welche sie in Segmente differenziert, die sich auf Grund einer gemeinsamen Charakteristik gezielt ansprechen lassen. Dabei kann der Begriff „gezielt“, und das wird häufig übersehen, zweierlei bedeuten. Zum einen, dass gezielt die Kanäle, Foren oder Medien ausgewählt werden, die das identifizierte Segment nutzt. Zum anderen, dass gezielt Themen aufgegriffen werden, die das identifizierte Bezugsgruppensegment als relevant und interessant erachtet. In der Konzeptionslehre koexistieren zwei Ansätze der Segmentierung. Dabei handelt es sich zum einen um das Denken in Zielgruppen, zum anderen um das in Teilöffentlichkeiten. Die zwei Ansätze sind von unterschiedlicher disziplinärer Herkunft und differieren hinsichtlich ihrer Grundannahmen sowie ihrer maßgeblichen Begrifflichkeiten. Sie koexistieren aber insofern, als nicht ein Ansatz „falsch“ oder „unterlegen“ ist bzw. die eine Herangehensweise die andere ausschließt (anders: Merten 2000): Das Denken in Zielgruppen wurde aus der Marketing- und Werbelehre in die PR-Konzeptionslehre übertragen. Auf Grund seiner disziplinären Herkunft ist das Zielgruppenkonzept vor allem geeignet, Bezugsgruppen zu segmentieren, die primär via Marktmechanismen mit einem Unternehmen in Beziehung stehen – also vor allem die Bezugsgruppe der Kunden, aber etwa auch die der Aktionäre (Share- respektive Stockholder). Zielgruppendefinitionen, wie sie etwa in der Mediaplanung Anwendung finden, operieren in ihrer einfachsten Form mit soziodemografischen Kategorien, so etwa Alter, Geschlecht, Einkommensoder Besitzverhältnisse (Kraftfahrzeug, Haus, Internetzugang etc.). Zielgruppendenken aktiviert demnach das betriebswirtschaftlich geprägte Menschenbild eines Individuums, das nach Bedürfnisbefriedigung sowie Optimierung seines Aufwand/Nutzen-Verhältnisses strebt. Die Rede von Teilöffentlichkeiten speist sich aus soziologischen und kommunikationswissenschaftlichen Überlegungen, die sich um den Begriff der Öffentlichkeit und öffentlichen Kommunikation anlagern. Anders als Zielgruppen sind Teilöffentlichkeiten nicht als Aggregationen von Individuen mit soziodemografischen Gemeinsamkeiten zu denken, sondern als soziale Systeme. Angehörige von Teilöffentlichkeiten sind beispielsweise von einem spezifischen Issue (z. B. als Anrainer eines Atomkraftwerks) betroffen oder haben ein solches – u. U. sogar ohne Wissen der Organisation – überhaupt erst entwickelt. Von einem sozialen System ist zu sprechen, weil die Individuen (1) sich ihrer eigenen Betroffenheit bewusst sind, (2) sich der Tatsache bewusst sind, dass es anderen ebenso geht, (3) über Kanäle oder in Foren und Medien miteinander kommunizieren, (4) sich unter Umständen sogar organisieren (Grunig/Hunt 1984: 147 ff.). Dabei ist die Überlegung, welche anderen Gemeinsamkeiten (etwa soziodemografische) die Akteure und Partizipanten der spezifischen Teilöffentlichkeiten haben, von nachrangiger Bedeutung. Entscheidend ist es, an ihrer Meinungsbildung zu partizipieren, indem besagte Kanäle, Foren oder Medien identifiziert oder aber alternative Arenen etabliert werden.
Konzeption von Kommunikationsprogrammen
3.2.3
377
Positionierung und Botschaften
Unter einer Positionierung versteht man in der Konzeptionslehre ein widerspruchsfreies System von Aussagen, die in der Zusammenschau ein Selbstbild oder ein Selbstverständnis zeichnen, das sich vor allem im Verhältnis zu anderen (z. B. Konkurrenten) bzw. in einem sozialen System (z. B. Markt, Öffentlichkeit) definiert. Ferner lässt sich zwischen Ist- und Soll-Positionierungen differenzieren: in Konzeptionen werden in der Regel Soll-Positionierungen entwickelt, die es zu verwirklichen gilt. Form und Gehalt der Positionierung hängen davon ab, ob es sich bei der zu positionierenden Einheit z. B. um ein Unternehmen, eine Marke, ein Produkt oder um eine Kampagne zu einem gesellschaftlichen Themenkomplex etc. handelt. Positionierungen sind gleichermaßen Ergebnis eines kreativen wie auch re-konstruktiven Aktes. Kreativ insofern, als der Konzeptioner etwas Neues schafft, nicht lediglich etwas vorgängig Vorhandenem zu einer medialen Abbildung verhilft. Rekonstruktiv insofern, als der Gegenstand der Unternehmenskommunikation gewöhnlich nicht bindungsfreie Fiktionen oder „wünschenswerte Wirklichkeiten“ (Merten) sind, sondern Konstrukte, die einer Rückbindung an Realitäten unterliegen (Bentele 2005). Slogans/Claims, die hier nicht weiter differenziert werden, stellen, vereinfacht ausgedrückt, Wortfolgen, Sätze bzw. Texte oder Textbestandteile dar – sie sind Instrumente bzw. Mittel, um dahinter stehende Botschaften zu vermitteln. Botschaften sind demnach inhaltliche Aussagen- bzw. Zeichenkomplexe, die nicht notwendig in verbaler Form (sondern z. B. auch nonverbal, bildlich) existieren, die häufig auch nicht wortwörtlich in Erinnerung bleiben, sondern in das Aussagensystem der Rezipienten übergehen. „Freude am Fahren“, der viel gerühmte „Werbespruch“ von BMW, ist demnach ein Slogan, der – vermutlich – darauf zielt, mehrere Aussagenkomplexe, eben Botschaften, auszudrücken bzw. beim Rezipienten zu aktivieren: so z. B. die, dass ein BMW das Fahrzeug der Wahl für anspruchsvolle Fahrer ist. Die Unterscheidung zwischen einer Positionierung einerseits und Botschaften/Slogans andererseits findet sich nicht in jedem Konzeptionsmodell. Sie lässt sich kommunikationstheoretisch begründen und stellt die konzeptionslogische Widerspiegelung der Annahme dar, dass jedweder Kommunikation gleichermaßen Darstellung von etwas wie auch Selbstdarstellung inhärent ist (Bühler 1965). Dass einige Konzeptionsmodelle auf die Positionierung, andere auf Botschaften verzichten, ist mutmaßlich der Tatsache geschuldet, dass Selbstdarstellung, nicht Fremddarstellung, der übliche modus operandi in der Unternehmenskommunikation ist: Wo Botschaften zuvorderst der Selbstdarstellung dienen, sind die beiden Aspekte, zumindest prima facie, identisch.
3.2.4
Medien / Themen
Kenner der Konzeptionslehre werden verwundert sein, Themen und Medien hier als strategische Positionen ausgewiesen zu sehen, obwohl die klassische Konzeptionslehre Medien klar
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Günter Bentele/Howard Nothhaft
und deutlich sowie Themen der Tendenz nach als Mittel, keineswegs als Zweck identifiziert. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Konzeptionslehre vorrangig die Sichtweise von Kommunikationsagenturen widerspiegelt. Diese machen bei der Problemanalyse gewöhnlich zunächst tabula rasa: wenn Berater hinzugezogen werden, steht zunächst alles auf dem Prüfstand. Denkt man jedoch aus der Perspektive der Unternehmensführung, so zeigt sich, dass Medien und Themen, ausgehend von unternehmensstrategischen Imperativen, durchaus nicht nur als Mittel, sondern auch als Zweck aufgefasst werden können: Man denke etwa an Issues, hinsichtlich derer Unternehmen in bestimmten Branchen geradezu einem Positionierungsdruck unterliegen: beispielsweise Energieversorger hinsichtlich regenerativer Energien und Fast-Food-Ketten hinsichtlich gesunder Ernährung. Oder man führe sich Medien, Kanäle und Foren vor Augen, die bezüglich bestimmter Bezugsgruppen eine „kriegsentscheidende“ (eben strategische) Bedeutung aufweisen – so z. B. die Bild-Zeitung, wenn es einem Kanzlerkandidaten (als Akteur), um das Wahlvolk geht. Mit der Entscheidung für bestimmte Medien werden auch Entscheidungen über bestimmte öffentliche Kommunikationsforen bzw. -arenen getroffen (Neidhardt 1994). Was die Themen der öffentlichen Kommunikation anbelangt, so ist zu sehen, dass es die Strukturen öffentlicher Kommunikation in heutigen Informations- und Kommunikationsgesellschaften kaum mehr zulassen, dass Themen von einzelnen Akteuren sozusagen beliebig kommuniziert werden (Theis-Berglmair 2007). Durch die Vielzahl von häufig konkurrierenden Akteuren und die spezielle Rolle der Massenmedien verändern sich Themen im Prozess der Kommunikation. Bewertungen und Bewertungsbewertungen anderer Akteure, neue Teilthemen und Sachverhalte und wiederum neue Bewertungen kommen auch gegen die Intentionen der ursprünglichen Themenplanung hinzu. So entsteht häufig eine Dynamik der öffentlichen Kommunikation, die in ihrer Vielfalt und Komplexität strategisch nur in geringem Ausmaß planbar bzw. beherrschbar scheint. Sie lässt sich zwar ex post analysieren und rekonstruieren, aber nur teilweise vorhersehen. Immer häufiger werden deshalb lineare Kommunikationsprogramme (z. B. kontinuierliche Maßnahmen der Mitarbeiterinformation, Finanzkommunikation und Public Affairs) durch dramaturgisch inszenierte, zeitlich befristete und flexibel gesteuerte Kampagnen ergänzt (Röttger 2007). Dennoch bleiben der Planbarkeit und damit auch der strategischen Kommunikation strukturelle Grenzen gesetzt. Professionelles Konzeptions-Know-how ist ein unverzichtbarer Baustein des Kommunikationsmanagements neuerer Prägung, muss jedoch ergänzt werden um eine Einbindung kommunikativer Dimensionen in alle Funktionen und Strukturen der Unternehmensführung. Dies ermöglicht es, über selbst initiierte Strategien hinaus auch jene Herausforderungen flexibel zu bewältigen, die sich durch die ständig wachsende Anzahl einflussreicher Meinungsmacher im nationalen und internationalen Umfeld ergeben.
Konzeption von Kommunikationsprogrammen
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Kampagnen planen und steuern: Inszenierungsstrategien in der Öffentlichkeit
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Kampagnen planen und steuern: Inszenierungsstrategien in der Öffentlichkeit Ulrike Röttger
Die dynamischen Bedingungen der Mediengesellschaft stellen an die Kommunikativität von Unternehmen und deren öffentliche Positionierung neue und weit reichende Anforderungen. Die Bereitstellung von durchsetzungsfähigen Themen und die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung mittels persuasiver Kommunikation erfolgt angesichts einer allgemeinen Informationsüberflutung und begrenzter Verarbeitungskapazitäten seitens der Medien und des Publikums unter verschärften Konkurrenzbedingungen: Dramaturgisch wohl überlegte, kampagnenförmige Inszenierungen sind immer häufiger nötig, um angesichts des Überangebots an Informationen öffentliche Aufmerksamkeit zu erhalten. Nach einem kurzen Überblick über charakteristische Merkmale, unterschiedlichen Formen, Typen und Zielen von Kampagnen werden die Thematisierungsstrategien des Kampagnenmanagements analysiert: Wie kann Aufmerksamkeit für bestimmte Themen geschaffen werden, wie kann die öffentliche Themenagenda und die öffentliche Meinung strategisch gesteuert werden? Abschließend werden Potenziale und Grenzen der Kampagnenkommunikation und die Frage, inwieweit Kampagnenwirkungen und -erfolg tatsächlich geplant werden können, kritisch diskutiert.
1.
Feldzüge um öffentliche Aufmerksamkeit
Wer kennt diese Kampagnen nicht: „3… 2… 1… meins!“ von ebay, Ikeas „Wohnst Du noch oder lebst Du schon?“ oder die Werbe- und Sympathiekampagne „Wir können alles außer Hochdeutsch“ für Baden-Württemberg. Nicht zu vergessen die zahlreichen Informations- und Sozialkampagnen wie zum Beispiel die Stopp-Aids-Kampagne, die clean-clothes campaign oder jüngst „Deine Stimme gegen Armut“, die in Deutschland vom Verband EntwicklungspoM. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_19, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Ulrike Röttger
litik deutscher Nichtregierungsorganisationen e. V. (VENRO) getragen wird. Deren Symbol – ein weißes Armband – wird inzwischen hunderttausendfach in zahlreichen Ländern der Welt als Zeichen der Verbundenheit mit der Aktion zur Überwindung der Armut getragen. Die Beispiele machen deutlich: Kampagnen sind nicht an spezifische Akteure oder Themen gebunden, sie sind allgegenwärtig und spiegeln insofern die starke Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften wider: Organisationen aus Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik – Unternehmen, Vereine und Verbände, Regierungen, Parteien – sind Initiatoren und Träger von Kampagnen. Unterschiedlichste Interessen und Anliegen werden kampagnenförmig öffentlich gemacht: angefangen von der Einführung eines neuen Produktes bis hin zur Rettung des Borkenkäfers. Der Kampagnenbegriff umfasst damit ein sehr heterogenes und vielgestaltiges Feld. Bei aller Unterschiedlichkeit: Gemeinsam ist Kampagnen jeder Art der Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit. Die semantische Karriere des Kampagnenbegriffs spiegelt ihren öffentlichen und kämpferischen Charakter sehr deutlich wider: Er bezeichnete in der europäischen Geschichte ursprünglich die Zeit, die ein Herr im Feld verbrachte, also die Dauer von Feldzügen: „Campagne, Feld-Zug, expeditio, heißt diejenige Zeit, zu welcher Armeen im Felde stehen, und die sich meistentheils im Junio anfängt, im November aber zu ende gehet auch bißweilen wohl noch länger dauert; wie denn, wenn schwere Belagerungen gewesen, wohl den ganzen Winter durch campiret worden ist.“ (J.H. Zedlers Universal-Lexikon. Halle/Leipzig 1733 zitiert nach Vowe 2006: 75) Der Begriff diffundierte bereits im 17. Jahrhundert in das politische Handlungsfeld. Zunächst wurde die Sitzungsperiode des englischen Parlaments als campaign bezeichnet, später umfasste der Kampagnenbegriff Maßnahmen, die zur Sicherung oder Erlangung von Herrschaftspositionen eingesetzt wurden. Campaigning beschrieb im Kontext von freien, allgemeinen und öffentlichen Wahlen die Bewerbung um die Nominierung für ein politisches Amt (Leggewie 2006: 106 ff.). Die „Eroberung von Mandaten“, die politische Mobilisierung von Wählern im Wahlkampf, kann entsprechend als eine Urform von Kampagnen bezeichnet werden. Auch jenseits von Wahlen und Abstimmungen kommt Kampagnen heute in der politischen Kommunikation eine wachsende Bedeutung zu, denn die Umsetzung politischer Programme wird zunehmend kampagnenförmig inszeniert. Hohe strategische Bedeutung haben Kampagnen vor allem für NGOs (Non Governmental Organisations) mit begrenzten institutionellen Zugängen zu politischen Entscheidungsprozessen, da sie ohne Öffentlichkeit und ohne Präsenz in den Medien ihre Ziele nicht verwirklichen können. Wie viele Begriffe und Praktiken der Kommunikationspraxis ist auch der Kampagnenbegriff, dies machen schon die heterogenen Anwendungsfelder deutlich, nicht eindeutig definiert. Insbesondere eine Abgrenzung von Werbe-, Marketing- und PR-Kampagnen ist in der Praxis nur selten möglich. Denn charakteristisch für die meisten Kampagnen ist gerade die Kombination unterschiedlicher Verfahren und Instrumente aus Werbung, Marketing und Public Relations. Erfolgreiche Kampagnenkommunikation ist zugleich integrierte Kommunikation.
Kampagnen planen und steuern: Inszenierungsstrategien in der Öffentlichkeit
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Definition: Kampagnen Unter Kampagnen werden hier zielgerichtete, dramaturgisch angelegte, thematisch fokussierte, zeitlich befristete kommunikative Strategien zur Erzeugung öffentlicher Aufmerksamkeit verstanden, die auf ein Set unterschiedlicher kommunikativer Instrumente und Techniken – werbliche Mittel, marketingspezifische Instrumente und klassische PR-Maßnahmen – zurückgreifen (Röttger 2006, Rogers/Storey 1989).
Jenseits weit reichender öffentlicher Aufmerksamkeit sind weitere Ziele der Kampagnenkommunikation: Beeinflussung der öffentlichen Themenstruktur; Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Organisation erzeugen; Projektion vorteilhafter Images der eigenen Organisation; Zustimmung zu den eigenen Intentionen bewirken; Anschlusshandeln erzeugen, z. B. in Form von Wahl- oder Kaufentscheidungen, Einstellungs- oder Verhaltensänderungen. Kampagnenkommunikation stellt eine besondere Form der Konzentration und Fokussierung dar: sachlich auf ein bestimmtes Thema oder Anliegen, sozial durch die Konzentration von Personal und Geld und eine zeitliche Konzentration auf einen definierten Zeitraum. Kampagnen signalisieren, dass Organisationen ein bestimmtes Anliegen oder Ziel nicht oder nicht optimal im Rahmen ihrer üblichen Alltags-Routine bearbeiten können bzw. sie machen deutlich, dass der Kampagnengegenstand für die Organisation von außergewöhnlicher Bedeutung ist (Arlt 2001).
2.
Kampagnenformen und -typen
Die Vielfältigkeit der kampagnenführenden Organisationen, der Kampagnenthemen und -ziele macht eine Systematisierung des Feldes nicht leicht. Für eine erste grobe Unterscheidung bietet sich eine Systematisierung hinsichtlich der Kampagnenziele und der angestrebten Wirkungen an. Rogers und Storey (1989) schlagen mit Blick auf öffentliche Informationskampagnen die drei Dimensionen Ziele, Nutzen und angestrebte Veränderung vor. Diese drei Dimensionen wurden zwar zunächst mit Blick auf öffentliche Informationskampagnen formuliert, sind jedoch auch darüber hinaus zur Klassifizierung von Kampagnen jeder Art geeignet.
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Ulrike Röttger
Nutzen: Empfänger
Ziel: Mobilisieren
Veränderung: Gesellschaft
Veränderung: Individuum
Nutzen: Sender Ziel: Informieren
Abbildung 1:
Typologisierung von Kampagnenzielen und -wirkungen (Quelle: Rogers/Storey 1989)
Zunächst können Kampagnen danach unterschieden werden, ob sie in erster Linie als Ausdrucksmittel (Ziel: Information) oder aber als Druckmittel (Ziel: Mobilisierung) konzipiert und eingesetzt werden. Zu Kampagnen mit primärem Informationsziel zählen zum einen organisationsbezogene Kampagnen, die vor allem der Selbstdarstellung dienen und zur Imagekreation eingesetzt werden. Produktbezogene und unternehmerische Kampagnen, aber z. B. auch Imagekampagnen für einzelne Regionen gehören zum überwiegenden Teil zu dieser Gruppe. Zum anderen zählen zu Kampagnen mit Informations-Ziel in erster Linie themen- und sachbezogene Informationskampagnen z. B. von staatlichen Organisationen zu Sozial- oder Gesundheitsthemen – hier tritt die kampagnenführende Organisation gegenüber dem eigentlichen Sachthema in den Hintergrund. Kampagnen, die in erster Linie als Druckmittel angelegt sind, d. h. das Ziel haben, zu einem spezifischen Thema politischen Druck aufzubauen sowie breite Teile der Öffentlichkeit für das Kampagnenanliegen zu mobilisieren, finden sich insbesondere im politischen Bereich. Träger dieser Kampagnen sind dann auch nur sehr selten Unternehmen, sondern in erster Linie Parteien, NGOs, Verbände oder Gewerkschaften. Für Unternehmen sind Kenntnisse über Mobilisierungskampagnen und deren typische Verlaufsformen extrem wichtig, da jederzeit die Möglichkeit besteht, dass sie unfreiwillig zum Zielobjekt von Mobilisierungs-
Kampagnen planen und steuern: Inszenierungsstrategien in der Öffentlichkeit
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kampagnen werden können. Dies hat nicht nur das prominente und viel zitierte Beispiel Brent Spar gezeigt.1 Die zweite Dimension „angestrebte Veränderung“ unterscheidet Kampagnen danach, ob in erster Linie individuelle (z. B. Safer Sex-Kampagnen) oder gesellschaftliche Veränderungen (z. B. Fair Trade-Kampagnen) abgestrebt werden. Damit ist diese Dimension sicherlich sehr stark auf öffentliche Informations- und Aufklärungskampagnen bezogen, lässt sich aber durchaus auch auf unternehmerische Kampagnen beziehen: Überwiegend setzen unternehmerische Kampagnen zunächst beim Individuum an, in dem sie Einstellungsänderungen oder Anschlusshandeln z. B. in Form von Kaufentscheidungen erzielen wollen. Insbesondere im Kontext der Corporate Social Responsibility-Debatte lassen sich immer wieder unternehmerische Kampagnen beobachten, die gesellschaftliche Veränderungen thematisieren und anstreben (z. B. die „Bolzplätze für Deutschland“-Kampagne von Bitburger). Schließlich können Kampagnen danach unterschieden werden, ob der anvisierte Nutzen der Veränderung primär beim Sender oder Empfänger zu sehen ist. Diese Dimension ist nicht ganz unproblematisch, denn Kampagnen verstanden als Form strategischer Kommunikation sind per se auf den Nutzen des Auftraggebers (Senders) hin orientiert: Als Auftragskommunikation stehen Kampagnen immer im engen Bezug zu den Interessen und Organisationszielen des Auftraggebers. Unabhängig davon lassen sich jedoch verschiedene Grade der Senderbzw. Empfänger-Orientierung auch bei unternehmerischen Kampagnen unterscheiden: So sind beispielsweise unternehmerische Sozialkampagnen, bei denen soziales Engagement an den Absatz einzelner Produkteinheiten gekoppelt wird, indem das Unternehmen pro verkaufter Einheit einen Prozentsatz für einen definierten sozialen Zweck aufwendet, deutlich stärker senderorientiert als Sozialkampagnen, die nicht an den Absatz gekoppelt sind. Eine weitere denkbare – und in der Praktikerliteratur immer wieder anzutreffende – Unterscheidung von Kampagnentypen nutzt die drei klassischen Kommunikationsbereiche Marketing, Werbung und PR als Differenzierungskriterium. Im Unterschied wird hier die Auffassung vertreten, dass eine eindeutige Unterscheidung von Marketing-, Werbe- und PRKampagnen heute in der Praxis kaum noch möglich und sinnvoll ist. Insbesondere mit Blick auf die in der Regel anspruchsvollen Ziele von Kampagnen und angesichts der allgemeinen hohen Aufmerksamkeitskonkurrenz, der sich Kampagnen in der modernen Medien- und Informationsgesellschaft stellen müssen, können Kampagnen in der Regel nur dann erfolgreich sein, wenn die geplante Dramaturgie ihres Verlaufs eine Vielzahl unterschiedlicher Kommunikationsinstrumente integriert. Dies betrifft sowohl die zeitliche Integration, um durch die gegenseitige Unterstützung einzelner Maßnahmen Wirkungsverstärkungen bzw. übertragungen zu erreichen, die inhaltliche Integration, d. h. die Fokussierung und Abstimmung jeder Kommunikation hin auf das Kampagnenziel und selbstverständlich auch die formale Integration, d. h. die Vereinheitlichung von Gestaltungsprinzipien (Bruhn 2006). 1
Das Beispiel der ausgedienten Ölverlade- und Lagereinrichtung Brent Spar zeigt auch, dass Organisationen es schaffen können, sich dem Blickfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit zu entziehen: Brent Spar wurde zwar von Shell betrieben, gehörte jedoch den beiden Konzernen Esso und Shell. Während Shell monatelang im Fokus der öffentlichen Kritik stand, wurde Esso als beteiligter Akteur von der Öffentlichkeit quasi nicht wahrgenommen.
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3.
Ulrike Röttger
Der Rahmen: die Mediengesellschaft
Die aktuellen Entwicklungen der Kampagnenkommunikation – insbesondere gekennzeichnet durch eine Bedeutungszunahme spektakulärer kampagnenförmiger Inszenierungen im Rahmen der Kommunikation von Organisationen – sind eng verbunden mit den Bedingungen der Medien- und Informationsgesellschaft und nur vor diesem Hintergrund zu verstehen. Mit der Mediengesellschaft sind verschiedene Prozesse des Medien- und Öffentlichkeitswandels verbunden, die sich unter anderem in einer quantitativen Ausbreitung und qualitativen Ausdifferenzierung der Medien, einer enormen Beschleunigung der Informations- und Vermittlungsleistung der Medien und einer zunehmenden Medialisierung aller gesellschaftlichen Bereiche zeigen. Kennzeichen der Mediengesellschaft ist zudem die weit gehende Loslösung der Massenmedien von sozialen und politischen Institutionen und ihre verstärkte Orientierung an ökonomischen Kriterien (Jarren/Donges 2006: 28 ff.). Mit dem Stichwort Medialisierung bzw. Mediatisierung wird der hohe Stellenwert medienvermittelter Erfahrungen in allen Gesellschaftsbereichen, die verstärkte Orientierung an den Regeln des Mediensystems und die wachsende Durchdringung von medialer und sozialer Wirklichkeit beschrieben: „Mediengesellschaft ist dadurch definiert, dass der mögliche Zugriff auf Realität tendenziell immer mehr abnimmt und das dadurch entstehende Defizit durch das wirklichkeitskonstituierende Informationsangebot der Medien laufend kompensiert und substituiert wird. Damit unauflösbar verbunden ist eine Zunahme von Fiktionalität, die gleichwohl in die Definition von Realität hineinwirkt und somit auch massiv faktisch wirksam wird“ (Merten 2001: 44). Medien konstruieren verstärkt die Wirklichkeit der Rezipienten – Themen und Akteure, über die die Medien nicht berichten, kommen zunehmend in ihrer Wahrnehmung nicht vor. Die Medienöffentlichkeit umschließt alle Bereiche der Gesellschaft. Sie ist der Ort, an dem die Gesellschaft sich selbst beobachten kann; hier wird sichtbar, wer zu welchen Themen mit welchen Argumenten Position bezieht. Unternehmen und andere Organisationen können sich in der heutigen Mediengesellschaft – ob sie es wollen oder nicht – der Medialisierung, der öffentlichen Kommunikation und öffentlichen Beobachtung dauerhaft nicht entziehen. Sie können im Wettbewerb um Aufmerksamkeit, Reputation und Legitimation auf öffentliche, d.h. vor allem medienvermittelte Kommunikation, nicht verzichten; sie müssen – wollen sie öffentlich wahrgenommen werden – ihr Handeln an den Gesetzmäßigkeiten des Mediensystems ausrichten. Erheblichen Einfluss auf Form und Inhalt der öffentlichen Darstellung und der Kampagnenkommunikation hat dabei die Tatsache, dass mit wachsendem öffentlichem Darstellungsdruck gleichzeitig die Barrieren immer höher werden, die es zu überwinden gilt, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Denn Organisationen unterliegen wie alle gesellschaftlichen Akteure den Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie (Franck 1998). Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut. Und die Konkurrenz der Themen und unterschiedlichen Organisationen und
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Akteure um Deutungsmacht und Aufmerksamkeit ist hoch. Wachsende Informationsangebote und Formen der Selbstdarstellung stehen begrenzten Zeit- und Verarbeitungskapazitäten der Medien und des Publikums gegenüber. Organisationen, die mit ihren Themen öffentliche Aufmerksamkeit erzielen und in der Informationsflut nicht untergehen wollen, müssen folglich interessanter, wichtiger, kompetenter und glaubwürdiger sein oder erscheinen als ihre Mitkonkurrenten (Neidhardt 1994: 7). Die Publizitätschancen sind von den – auch symbolischen – Ressourcen abhängig, die Organisationen für die öffentliche Kommunikation einsetzen können. Kampagnen versuchen, die Selektionshürden des Mediensystems durch Erfüllung der Nachrichtenfaktoren, durch Ereignis- und Themenmanagement und nachrichtenfähige, spektakuläre Inszenierungen zu überwinden und in der Folge öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen.
4.
Ereignis- und Themenmanagement
Im Mittelpunkt der Kampagnenkommunikation steht die strategische Steuerung der öffentlichen Themenagenda und der öffentlichen Meinung. Kampagnen schaffen öffentliche Aufmerksamkeit für bestimmte Themen oder Probleme (Agenda Building) bzw. sollen die öffentliche Wahrnehmung und Interpretation von Themen oder Organisationen beeinflussen. Ziel ist es, die öffentliche Agenda so weit wie möglich zu kontrollieren bzw. den Verlauf relevanter Themen zu beeinflussen, z. B. in dem neue Themen gesetzt werden oder „alte Themen“ eine überraschende Interpretation oder Ergänzung erfahren. Durch dieses Themenmanagement und eine breit angelegte Imagekreation sollen die Freiheitsgrade von Entscheidungen für Organisationen erhöht werden. Die öffentliche Agenda zu beeinflussen, heißt in vielen Fällen, als Erster aktiv zu sein, ein Thema zu besetzen. Dies muss aber nicht zwingend so sein – es kann durchaus auch bedeuten, der Konkurrenz den Vortritt zu lassen (Metzinger 2003). Kampagnen sind dramaturgisch angelegt. Die bewusst angelegte Architektur ihres Aufbaus umfasst die drei Phasen Steigerung, Durchdringung und Konkretisierung. Die Thematisierungsstrategie weist dabei in der Regel sowohl eine Publikums- wie auch eine Medienorientierung auf. Da in modernen Informationsgesellschaften die Medienbeeinflussung eine notwendige Voraussetzung für die Beeinflussung des Publikums darstellt (Agenda Setting), ist die Einflussnahme auf zeitliche, inhaltliche und kontextuelle Dimensionen der Medienberichterstattung im Rahmen der Kampagnenkommunikation von besonderer Bedeutung. Gemäß dem Agenda Setting-Ansatz werden Themen von Rezipienten umso bedeutsamer empfunden, je stärker diese in der Medienberichterstattung aufgegriffen und hervorgehoben werden (McCombs/Shaw 1972).
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Die Wahrscheinlichkeit des Zugangs zur massenmedialen Berichterstattung wird unter anderem durch die Berücksichtigung der journalistischen Selektionskriterien erhöht. Bedeutsam sind hier vor allem Nachrichtenfaktoren, d. h. Merkmale von Ereignissen, die Einfluss auf deren Publikationschancen haben. Schulz (1990: 32 ff.) formuliert unter Bezug auf Galtung und Ruge (1965) sechs Dimensionen von Nachrichtenfaktoren: Zeit (z. B. Aktualität, Dauer, Kontinuität), Nähe (z. B. räumliche, politische, kulturelle Relevanz), Status (z. B. politische Macht des Ereignislandes, Prominenz), Dynamik (z. B. Überraschung, Intensität), Valenz (z. B. Konflikt, Kriminalität, Schaden, Erfolg), Identifikation (z. B. Personalisierung). Unabhängig vom Medientyp gelten als besonders bedeutsame Faktoren, die den Erfolg einer Themenkarriere in den Medien bzw. der Öffentlichkeit beeinflussen, Aktualität, Einfachheit, Relevanz und Identifikation. Allgemein gilt: Je mehr Nachrichtenfaktoren einem Kampagnenthema und einer kampagnenführenden Organisation zugeschrieben werden bzw. von ihm erfüllt werden, desto höher ist sein Nachrichtenwert, d. h. die Wahrscheinlichkeit, Eingang in die Medienberichterstattung zu finden. Wenn einzelne Kriterien nicht oder kaum erfüllt sind, müssen andere Faktoren umso stärker zutreffen, damit das Ereignis zur Nachricht wird. Das Konzept der Nachrichtenfaktoren verweist darauf, dass es im Hinblick auf die Auswahl und Interpretation von Ereignissen einen allgemein verbindlichen Konsens im Journalismus gibt und Medien Realität nicht einfach unverzerrt abbilden, sondern selbst aktiv eine Vorstellung von Wirklichkeit entwickeln. Für Kampagnen gilt vor diesem Hintergrund: Unabhängig vom jeweiligen Kampagneninhalt steigt die Chance der massenmedialen Berichterstattung, je ereignisbezogener (Aufhänger), spektakulärer bzw. überraschender, gegenständlicher und anschaulicher die Kampagnenbotschaft oder einzelne Kampagnenereignisse sind. Angesichts der Notwendigkeit zur Laienkommunikation in der Öffentlichkeit sind vor allem Themen erfolgreich, die einfach darstellbar bzw. symbolisierbar sind und für eine große Zahl von Menschen mit Konsequenzen verknüpft sind. Schließlich steigt die Chance der weit reichenden öffentlichen Aufmerksamkeit bei mehrdeutig interpretierbaren Themen, da diese vielen unterschiedlichen Personen und Gruppen bedeutsame Anknüpfungspunkte bieten. Ein wichtiges Mittel zur Stimulierung von Berichterstattung im Rahmen des Agenda Buildings ist zudem die Inszenierung von Pseudoereignissen, d. h. von Ereignissen, die speziell für Medien durchgeführt werden und die ohne Medien nicht existieren würden (Kepplinger 1998). Pseudoereignisse mit expressivem Charakter sind ein variabel einsetzbares kommunikationsstrategisches Instrument (Schmitt-Beck/Pfetsch 1994: 114), bei dem die kampagnenführende Organisation relativ hohen Einfluss auf die Ausgestaltung hat: Dies betrifft sowohl Themen wie auch Timing, Präsentationsformen und Teilnehmer. Als „Standard-Pseudoereignis“ sind Pressekonferenzen und Presseerklärungen anzusehen, im Rahmen der Kampagnenkommuni-
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kation gewinnen aber zunehmend Pseudo-Ereignisse an Bedeutung, die auf spektakulären Inszenierungen basieren und insbesondere Neuigkeit, Sensationalismus oder Konfliktgehalt bedienen. So etwa, wenn das Luxusautomobil Maybach 62 per Hubschrauber vor der Skyline von New York vom Ozeandampfer „Queen Elizabeth 2“ an Land gebracht wird und so erstmals der Weltöffentlichkeit vorgestellt wird. Kampagnen beschreiten dabei häufig eine Gratwanderung zwischen noch akzeptiertem Tabubruch, der die nötige Aufmerksamkeit schafft und einer negativ bewerten Tabuverletzung, die dann kontraproduktiv wirkt – das folgende Beispiel aus der Schweiz macht dieses Spannungsfeld deutlich.
Abbildung 2:
Kampagne gegen Ausländerfeindlichkeit der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus mit Unterstützung des Eidgenössischen Departements des Inneren
Themenmanagement im Rahmen der Kampagnenkommunikation umfasst neben dem Agenda Building zudem Framing-Prozesse, d. h. die Beeinflussung von Themendeutungen mittels Betonung und Attribuierung einzelner Aspekte eines Themas. Beispielhaft ist dafür etwa der Versuch, die Kernenergie vor allem im Kontext des Themas „Verringerung des Treibhauseffektes“ und nicht in erster Linie unter den Aspekt der günstigen Energiequelle zu positionieren. Frames fungieren als kognitiver Bezugsrahmen für die Wahrnehmung und Interpretation von Situationen bzw. kommunikativen Handlungen (Scheufele/Brosius 1999). So können einzelne Themen – je nach Ereignislage und öffentlicher Problemwahrnehmung – im Kontext sehr unterschiedlicher Deutungsmuster interpretiert werden und mit verschiedenen anderen Themen gekoppelt werden. Neue Informationen werden vor dem Hintergrund vorhandener Wissensstrukturen interpretiert, wobei die Interpretationsmuster in der Regel sowohl durch ereignisimmanente als auch ereignisexterne Attribute geprägt sind.
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Die unternehmerische Einflussnahme auf öffentliche Thematisierungsprozesse kann zudem vermittelt über Dritte bzw. durch eine Einflussnahme auf die Akteurskonstellation erfolgen (Zimmer 2001: 407). Dazu zählen die durch Unternehmen beauftragte bzw. initiierte Vertretung unternehmerischer Interessen in der Öffentlichkeit durch Vereine und Verbände, die in der öffentlichen Wahrnehmung häufig eine größere Glaubwürdigkeit genießen, und die Kooperation mit Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Instituten. Erfolg versprechend sind zudem Kooperationen mit Personen und Institutionen, die per se eine hohe mediale Aufmerksamkeit genießen. Markantes Beispiel aus der jüngsten Zeit für diese Strategien ist die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, die von den Arbeitsgeberverbänden der Metallund Elektroindustrie getragen und von führenden Wirtschaftsverbänden unterstützt wird. De-Thematisierungsprozesse und der Versuch, bestimmte Themen aus der Medienberichterstattung fern zu halten, werden in der Kommunikationspraxis auch als „Agenda Cutting“ bezeichnet, die Nutzung einer vorhandenen, aber selbst nicht beeinflussbaren Themenkarriere für eigene Interessen als „Agenda Surfing“. Grundlage aller Formen des Themenmanagements ist eine kontinuierliche und systematische Analyse öffentlicher Kommunikationsprozesse im Rahmen des Issues Managements (Scanning, Monitoring), um neue Themen, konkurrierende oder konfligierende Themen möglichst frühzeitig identifizieren zu können.
5.
Kampagnenmanagement und -planung
Kampagnenkommunikation ist strategische, integrierte Kommunikation par excellence: Jede Kampagne basiert auf einer Strategie, die in eine zentrale Botschaft und daraus abgeleitete zielgruppenspezifische Aussagen herunter gebrochen wird. Die Planung und Umsetzung von Kampagnen orientiert sich folglich eng am Phasenmodell strategischer PR mit den zentralen Elementen Situationsanalyse, Strategiephase, Umsetzungsphase und Evaluation (vgl. Abbildung 3). Und für Kampagnen gilt wie für jedes andere Kommunikationskonzept: Sie sind kein Selbstzweck, sondern stehen in direktem Bezug zu den Organisationszielen und der Organisationsstrategie; Kampagnenziele leiten sich aus Organisations- und allgemeinen Kommunikationszielen ab. Die Kampagnen-Konzeption ist folglich als Problemlösungsprozess zu verstehen, der von den Zielen und anvisierten Wirkungen aus gedacht und gestaltet wird: Die Ziele definieren die Mittel und die konkrete Kampagnenausgestaltung.
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Abbildung 3:
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Phasen strategischer Kampagnenkommunikation (Quelle: in Anlehnung an Merten 2000, Fissenewert/Schmidt 2002, Leipziger 2004, Rogers/Storey 1989)
Die Struktur der Kampagnenkonzeption weist damit die gleichen Merkmale wie strategische PR-Konzepte generell auf. Der bedeutsame Unterschied einer Kampagnenkonzeption gegenüber dem vom Alltagsgeschäft der Kommunikationsplanung liegt in der dichten dramaturgischen Inszenierung mit den Phasen Steigerung, Durchdringung und Konkretisierung begründet, die charakteristisch für Kampagnen und deren Kommunikations-Mix ist: Reduktion, Wiederholung, Visualisierung und Emotionalisierung sind die zentralen Mittel, mit denen Kampagnen eine hohe Medien- und Publikumsresonanz erzielen sollen. Kampagnen basieren auf einer Serie von (Kommunikations-) Ereignissen, die aufeinander aufbauen und ineinander greifen: Die Intensität der Kampagnenwirkungen soll durch Kontakt-Wiederholungen, durch symbolische Verdichtungen und eingängige Bilder erhöht werden. Von besonderer Bedeutung für Aufmerksamkeitsgenerierung, Erinnerungs- und Wiedererkennungseffekte sind dabei Visualisierung und der Slogan, der die zentrale Aussage der Kampagne zusammenfasst. Für den Slogan gilt: Eine bildhafte und plakative Sprache erhöht die Einprägsamkeit und verbessert die Erinnerbarkeit. „Der Slogan ist sozusagen ein AhaErlebnis mit einem Nanu-Effekt. Oder sloganartig formuliert: ein Nanu-Aha“ (Jung/von Matt 2002: 295).
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6.
Ulrike Röttger
Kampagnenwirkungen und Kampagnenerfolg
Kampagnen sind für Organisationen im Grunde ein riskantes Geschäft: Auf der einen Seite steht ein vergleichsweise hoher Personal-, Zeit- und Geldeinsatz, auf der anderen Seite – trotz aller strategischen Planung und umfassender Analysen – die große Unsicherheit, ob Kampagnen tatsächlich so wirken, wie sie sollen. Kampagnenkommunikation ist mit vielen Unsicherheiten und Risiken belegt, weil sie im komplexen, vielschichtigen und wenig kontrollierbaren öffentlichen Raum stattfindet. So ist vorab für den gesamten Zeitraum der Kampagne nicht zu bestimmen, welchen Konkurrenzthemen und -ereignissen sich die Kampagne im Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit stellen muss, mit welchen anderen Themen sie in der öffentlichen Debatte gekoppelt wird, wer sich mit welchen Interessen und Positionen zur Kampagne äußern wird, wie die Zielgruppen die Kampagne vor dem Hintergrund anderer Themen und Ereignisse wahrnehmen und bewerten werden und welche langfristigen Effekte, weit über den Kampagnenzeitraum hinaus, vorhanden sind (Vowe 2006: 92 f., Merten 1994). Luhmanns Feststellung von der Unwahrscheinlichkeit gelingender Kommunikation (Luhmann 1981) beschreibt die Schwierigkeiten der Kampagnenkommunikation sehr treffend. Dies bedeutet zugleich: Der Erfolg von Kampagnen ist nicht oder nur sehr begrenzt planbar. Damit soll keinesfalls ein Plädoyer für das Ende der strategischen Kampagnenkommunikation eingeleitet werden. Professionelle Kampagnenarbeit setzt aber Wissen über die Komplexität des Gegenstandes öffentliche Kommunikation und vor diesem Hintergrund eine Reflexion der eigenen Grenzen voraus. Für das Gelingen einer Kampagne sind viele Faktoren verantwortlich, die nur zum Teil von der kampagnenführenden Organisation kontrolliert werden können. Umso wichtiger ist daher die Evaluation vor (explorative Studien), während (Formative Research und Controlling) und nach der Kampagne (Resonanz- und Wirkungsanalysen). Nur eine kontinuierliche Analyse der allgemeinen Kommunikationsbedingungen, der öffentlichen Themenagenda, der Zielgruppen und der Kampagnenprozesse und -effekte ermöglicht eine zielgenaue Platzierung der Kampagne in der Öffentlichkeit und gegenüber relevanten Zielgruppen. Und kontinuierliches Controlling bzw. eine Kampagnenevaluation schafft die Voraussetzung dafür, im Kampagnenprozess flexibel und schnell beispielsweise auf kampagnenrelevante Veränderungen der öffentlichen Themenagenda reagieren zu können. Hilfreich sind auch Erkenntnisse der Medienwirkungsforschung und der empirischen Kampagnenforschung, die Hinweise auf Wirkungsweisen und Erfolgsfaktoren von Kampagnen liefern. Bedeutsam und ernüchternd sind dabei zunächst so genannte Dissonanztheorien, die auf psychologische und soziale Mechanismen verweisen, die dazu führen, dass Menschen sich vorwiegend selektiv den Medien (und Kampagnen) zuwenden, die eine Bestätigung oder Verstärkung ihrer bestehenden Meinung und Einstellung ermöglichen (Hale/Dillard 1995, Leonarz 2006). Die Tendenz zur Bestätigung der eigenen Position besteht ohne Frage,
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Kampagnen haben aber dennoch eine Chance, bislang nicht Überzeugte zu erreichen. Dies gelingt vor allem dann, wenn Kampagnenthemen Eingang in das soziale Umfeld finden, wenn sie Gegenstand von Gesprächen im Freundes- und Familienkreis werden. Hier ist der Ort, an dem langfristig stabile Einstellungs- oder Verhaltensänderungen entstehen. Für das Kommunikationsmanagement bedeutet dies: Kampagnen wirken nur in Ausnahmen direkt, können aber ein bedeutsamer Input für wirkungsrelevante soziale Interaktionen sein. Sie müssen also vor allem zum Nachdenken anregen, Gesprächsstoff liefern und Diskussionen fördern. Dies setzt – und das ist fast schon selbstverständlich – dezidierte Kenntnisse über die jeweiligen Zielgruppen, deren Interessen, Einstellungen, Werte, Kommunikationsstile etc. voraus. Mit Blick auf Aufklärungs- und Informationskampagnen liefern Dissonanztheorien einen weiteren wichtigen Hinweis: Auch angsteinflößende Argumente oder Bilder, die mahnend die negativen Folgen z. B. ungesunden Lebenswandels aufzeigen, führen zu Dissonanzen bei den Zielgruppen und damit sehr wahrscheinlich zu Abwehrreaktionen (Hale/Dillard 1995: 78). Informationskampagnen arbeiten daher heute in erster Linie mit positiven, stimulierenden Botschaften, zeigen Alternativen und Gratifikationen und Sanktionen auf (Leonarz 2006: 212 ff.). Unter Berücksichtigung der Vielzahl unterschiedlicher kommunikationswissenschaftlicher Befunde zu Medien- und Kampagnenwirkungen können folgende Erfolgsfaktoren der Kampagnenkommunikation formuliert werden (vgl. Bonfadelli 2000: 101 ff., Leonarz 2006, Rogers/Storey 1989): Umfassende Analysen zu Beginn, während und nach der Kampagne sind eine Voraussetzung für deren Erfolg; Kampagnen sind von den Wirkungen aus zu denken und zu konzipieren; Kampagnen mit differenzierter Zielgruppenansprache sind in der Regel erfolgreicher; Die wahrgenommene Glaubwürdigkeit der Kampagnen-Quelle erhöht die Effektivität und den Erfolg der Kommunikation; Kampagnen-Botschaften sind vor allem dann wirksam, wenn sie in der Lebenswelt der Zielgruppen verankert sind und Bestandteil der interpersonalen Kommunikation in peer groups werden; Informationen, die zu Dissonanz führen, werden tendenziell vermieden oder so interpretiert, dass Dissonanz verringert wird; Informations- und Präventionskampagnen, die vor allem positive Konsequenzen einer Verhaltensänderung beschreiben sind erfolgreicher als Kampagnen, die vor allem negative Konsequenzen oder Sanktionen in den Vordergrund stellen; Auch bei geringem Involvement der Zielgruppen sind Einstellungsänderungen möglich – bedeutsam sind hier Bilder, Emotionalität, Personalisierung.
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7.
Ulrike Röttger
Fazit
Die dynamischen Bedingungen der komplexen Mediengesellschaft stellen an die Kommunikativität von Unternehmen und Organisationen neue und weit reichende Anforderungen. Sie erfordern zum einen eine kontinuierliche und umfassende Beobachtung der Öffentlichkeit, des marktlichen und gesellschaftspolitischen Umfeldes. Und sie erfordern zum anderen eine strategisch geplante öffentliche Positionierung von Unternehmen und Organisationen bzw. die Beeinflussung der allgemeinen öffentlichen Themenagenda im Sinne der Organisationsinteressen. Die Bereitstellung von durchsetzungsfähigen Themen und die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung mittels persuasiver Kommunikation erfolgt dabei angesichts einer allgemeinen Informationsüberflutung und begrenzter Verarbeitungskapazitäten seitens der Medien und des Publikums unter verschärften Konkurrenzbedingungen: Kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit, das PR-Alltagsgeschäft, ist eine notwendige, aber häufig nicht mehr hinreichende Bedingung für die erwünschte öffentliche Wahrnehmung von Botschaften. Dramaturgisch wohl überlegte Inszenierungen und Symbole sind nötig, um angesichts des Überangebots an Informationen Aufmerksamkeit sowohl der Medien als auch des Publikums zu erhalten. Dabei wird die Inszenierungsspirale mit jeder neuen spektakulären Kampagne weiter in die Höhe geschraubt; die journalistischen Selektionshürden und die Wahrnehmungshürden bei den Rezipienten, die es zu überwinden gilt, wachsen gleichsam mit jeder neuen Inszenierung. Mit dieser Entwicklung sind auch Risiken verbunden, die heute insbesondere im Kontext der politischen Kommunikation thematisiert werden, aber auch für Wirtschaftskommunikation gelten: Es besteht die Gefahr, dass die „signalökonomischen Gesetze der Kampagnenkommunikation“ (Baringhorst 1995: 57) komplexe Sachverhalte und die systematische Problemanalyse in den Hintergrund drängen. Dies kann auf Dauer zu einer vordergründigen Orientierung an Einzelereignissen und einer unangemessenen Darstellung oder Vernachlässigung komplexer gesellschaftlicher Sachverhalte führen. Die Anforderungen an das Kampagnenmanagement steigen kontinuierlich – dies hat zu einer deutlichen Professionalisierung geführt und ist ein Argument dafür, dass der Kommunikations-Mix und die Integration sämtlicher Kommunikationsdisziplinen und -bereiche für Kampagnen immer wichtiger wird: Reine Werbe- oder PR-Kampagnen sind immer seltener geeignet, den komplexen Anforderungen einer medialisierten Gesellschaft gerecht zu werden.
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Umsetzung und Kommunikationsmittel
Pressearbeit: Gute Geschäfte auf Gegenseitigkeit
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Pressearbeit: Gute Geschäfte auf Gegenseitigkeit Norbert Schulz-Bruhdoel
Pressearbeit ist ein zentrales Mittel der Unternehmenskommunikation. Denn das Image einer jeden Organisation – also auch jeden Unternehmens – ist stark abhängig von dem Bild, das die Massenmedien zeichnen. Eine gute Zusammenarbeit mit der Presse ist also offensive Imagepflege. Darüber hinaus sind Public Relations immer auch politisches Handeln – es geht um die Behauptung eigener Interessen und um Einflussnahme in einer pluralistischen Gesellschaft. Auch hierbei spielen Presse- und Medienarbeit eine entscheidende Rolle. Doch gute Pressekontakte sind nicht ganz einfach zu organisieren. Denn der Informationsmarkt in Deutschland erscheint so komplex wie in kaum einem anderen Land. Die Medien sind ein mächtiger Faktor im öffentlichen Leben, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Arbeit der Journalisten ist durch die im Grundgesetz garantierte Presse- und Meinungsfreiheit geschützt. Und sie folgt eigenen Spielregeln, die jeder kennen und befolgen muss, der im Umgang mit den Massenmedien nicht übersehen werden will. Dieser Beitrag vermittelt ausgehend von einer Definition der Pressearbeit einen Einblick in die Rahmenbedingungen (den Markt für Information und Meinungen), die Inhalte (die Ware Information) und die Vertriebswege (die konkreten Vorgehensweisen) dieses Kommunikationsmittels.
1.
Pressearbeit als Teil der Unternehmenskommunikation
Pressearbeit kann nahezu alle Aktivitäten der externen Unternehmenskommunikation unterstützen und begleiten – vom Jahresbericht der Geschäftsführung bis zum Börsengang, beim Sport-Sponsoring ebenso wie beim Tag der offenen Tür (Schulz-Bruhdoel 2005). Im Rahmen der Pressearbeit lautet die Aufforderung der Unternehmen an die Journalisten bzw. Medienmacher immer ähnlich: „Druckt, verarbeitet und verbreitet, was ich Euch mitteile“. M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_20, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
400
Norbert Schulz-Bruhdoel
Definition: Pressearbeit Pressearbeit verwirklicht oder unterstützt die Kommunikation von Unternehmen, Verbänden, Institutionen oder Einzelpersonen dadurch, dass unabhängigen Massenmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen, Funk- und Online-Medien) gezielt Informationen angeboten werden, die von diesen als reichweitenstarken und glaubwürdigen Mittlern veröffentlicht werden sollen und so die jeweiligen Leser bzw. Nutzer als die eigentlich relevanten Bezugsgruppen erreichen.
Sinnvolle Pressearbeit ist immer eingebunden in eine komplexe Konzeption für die Kommunikationsstrategie des Unternehmens (Bentele/Nothhaft 2007). Nicht erst, seit das Schlagwort „Integrierte Kommunikation“ die Runde macht, hat eine in die Gesamtheit aller kommunikativen Anstrengungen eingepasste Medienarbeit die besten Erfolgsaussichten. Die Pressestelle legt dann den Fokus auf die Detailplanung und kompetente Umsetzung konkreter Maßnahmen, um mit Hilfe der Massenmedien die Ziele der Kommunikationspolitik zu erreichen. Konkret geht es um Aufgaben wie: das Auswählen wichtiger und geeigneter Medien, den Aufbau und die Pflege guter Kontakte zu den Redaktionen, das Bereitstellen von Informationen in Wort und Bild, das Planen und Durchführen von Presseveranstaltungen, das Finden und möglicherweise –Besetzen von Themen für die Medien, das Beraten und ggf. Schulen der Geschäftsführung für Interviews und Auftritte in Radio oder Fernsehen, das Beraten anderer Kommunikationsbereiche im Hinblick auf Kontakte mit der Presse, das Ausüben von Sprecherfunktion gegenüber den Medien, das Beobachten sowie die quantitative und qualitative Auswertung der Artikel, Berichte und Fotos in den Massenmedien, das Beobachten und Bewerten von medienrelevanten Entwicklungen, ggf. auch Entwicklung und Betreuung eigener Medien (z. B. Mitarbeiterzeitschrift, Intranet, Firmen-TV) (Viedebantt 2007, Mickeleit 2007). Die Komplexität der hier in Stichworten skizzierten Aufgaben rechtfertigt es, innerhalb des breiten Spektrums des Kommunikationsmanagements und der hierfür bereitstehenden Instrumente den Bereich der Pressearbeit und Media Relations sowie die hierfür qualifizierten Spezialisten und ihre Qualifikationen gesondert zu sehen. Wer damit Erfolg haben will, muss diese Medien, ihre Arbeit und ihre Mitarbeiter ebenso kennen wie die Entwicklungen und Trends, denen sie unterliegen.
Pressearbeit: Gute Geschäfte auf Gegenseitigkeit
2.
401
Der Markt für Informationen und Meinungen
Deutschland ist eine „Lesenation“. Das hat überwiegend historische Ursachen – die politische Vielfalt unabhängiger Klein- und Kleinststaaten und Städte spiegelt sich bis auf den heutigen Tag in der Vielzahl regionaler Tageszeitungen wider. Deutsche Medienprodukte erreichen rund 95 Millionen Menschen,1 mehr als ein Fünftel der EU-Bevölkerung.
Die wichtigsten Mediengattungen in Deutschland im Überblick
Regionale Abonnementszeitungen (z. B. Tagesspiegel, Berlin)
350
Überregionale Tageszeitungen (z. B. F.A.Z., Handelsblatt)
10
Kaufzeitungen/Boulevardzeitungen (z. B. Bild, Abendzeitung, Express)
10
Wochen- und Sonntagszeitungen (z. B. Die Zeit)
34
Fachzeitschriften und wissenschaftliche Zeitschriften (dienen der beruflichen und fachlichen Weiterbildung)
Publikums-Zeitschriften und Magazine („General-Interest-Titel“) (z. B. Stern, Focus, Geo)
Zielgruppenzeitschriften („Special-Interest-Titel“) (z. B. Brigitte, Capital, Yacht)
Online-Redaktionen Abbildung 1:
ca. 3.600
ca. 2.200
ca. 1.540
ca. 12.200
Massenmedien in Deutschland (Quellen: BDZV 2006, Stamm 2006)
Deutschland ist eines der Länder mit der größten Mediendichte; das Angebot ist überwältigend (vgl. Abbildung 1). Zwar gibt es auf dem Teilmarkt für Tages- und Wochenzeitungen seit Jahrzehnten starke Konzentrationsvorgänge, dennoch gehört Deutschland auch mit der verbliebenen Zahl von aktuellen Blättern weltweit in die Spitzengruppe. Nirgendwo auf der 1
Viele deutsche Publikumszeitschriften und die gesamte Fachpresse sind auch in Österreich, der Schweiz, Luxemburg und anderen Nachbarstaaten mit deutschsprachigen Bevölkerungsteilen verbreitet.
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Norbert Schulz-Bruhdoel
Welt ist das Angebot an Fachzeitschriften so vielfältig wie hierzulande. Auch die Zahl der Zeitschriften und Magazine und der Special-Interest-Produkte für spezifisch interessierte Teile der Öffentlichkeit ist nur in den Vereinigten Staaten größer. Ähnliches gilt für die Online-Redaktionen, deren Anzahl hierzulande weiter rasch zunimmt und die ihr neugieriges Publikum über das Internet erreichen. Dementsprechend wächst auch die Zahl von Netpapers und Webzines, d. h. Zeitungen und Magazinen für Leser am PC-Monitor. Es ist wohl nicht möglich, alle aktuell verfügbaren journalistischen Produkte im Auge zu behalten – zum Beispiel werden die zahlreichen fremdsprachigen Zeitungen und Zeitschriften für Einwanderer und Arbeitsimmigranten nur teilweise erfasst. Zudem wächst das Angebot ständig. Alle journalistischen Druckerzeugnisse zusammen erreichen schätzungsweise eine Gesamtauflage von 220 Millionen Exemplaren. Drei von vier Deutschen über 14 Jahre lesen täglich Zeitung, der Prozentsatz steigt mit Bildungsstand und Einkommen. Dabei spielen die regionalen Abonnementszeitungen die Hauptrolle: Hier ist die Kundenbindung am stärksten, die Glaubwürdigkeit besonders hoch. Knapp mithalten können hier nur die Informationssendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und einige Zeitschriften, während das Gros der bunten Medienvielfalt eher der Unterhaltung dient oder nur kleine Teile der Öffentlichkeit erreicht. Pressearbeit muss ihren Fokus darum auch in den Zeiten des Internets und der unendlichen Vielfalt der TV- und Radiokanäle vor allem auf die lokalen und regionalen Zeitungen sowie auf ein sinnvoll geschnürtes Bündel von Zeitschriften richten.
2.1
Die Medien wandeln sich
Die zeitgenössischen Bedingungen auf dem Medienmarkt sind alles andere als bequem. Das Gewerbe der Presseleute wird durch Entwicklungen bei Fernsehen und Rundfunk, vor allem aber durch den Siegeszug des Internet rasant und tief greifend umgestaltet. Dieses schnellste aller Medien ist für die unter 20-jährigen bereits die wichtigste Informationsquelle. Waren vor wenigen Jahren noch Interviews mit möglichst vielen regionalen Zeitungen das klassische Instrument, um die gesellschaftliche Diskussion zu einem Thema anzustoßen, ist es heute der Auftritt in den Talkshows von Sabine Christiansen (ARD) oder Maybrit Illner (ZDF) – oft gefolgt von der Möglichkeit, mit dem gewitzten Agenda-Setter ein paar Stunden im Internet zu „chatten“. Daneben bekommen nur noch wenige überregionale Blätter und Magazine die Chance für ein Interview. Talkshow-Auftritte dienen wiederum als Quelle für Berichte der Nachrichtenagenturen wie dpa und Reuters, aus denen sich fast alle Zeitungen bedienen. Durch die Nennung immer der gleichen Primärquellen haben TV-Sendungen und Netzeitung neben Spiegel, F.A.Z., Bild und Focus ihren Platz als Leitmedien eingenommen – die Anerkennung der regionalen Zeitungen schwindet. Es kommen also neue Herausforderungen auf die Zeitungen und Zeitschriften zu – weniger technischer als gedanklicher Art: Bessere Marktstrategien der Verlage müssen Verluste bei den Werbekunden und bei den Lesern gleichermaßen auffangen. Die Medien als Markenpro-
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dukte, die Redaktionen als ihre Verkäufer anzusehen – diese Positionsbestimmung fällt den Journalisten schwer und verursacht berufsethische Konflikte. Daraus resultieren Unsicherheiten und Auswüchse, die auch das Verhältnis von Unternehmenskommunikation und Presse verändern: Das Internet vervielfacht die Informationsangebote, macht sie individuell verfügbar und entzieht damit den traditionellen Medien ihre Kontrollfunktion über den Informationsfluss. Fünfzig Jahre TV prägen zwei Generationen durch Bildstereotype, die für bestimmte Informationsgehalte stehen. Dagegen sinkt die Bereitschaft, sich Information durch Lesen anzueignen. Die zunehmende Differenzierung der Gesellschaft spiegelt sich in einer immer bunteren Palette medialer Angebote: Jeder Lebensstil, jede Gruppe, jedes Interesse hat seine spezifischen Medien. Der wachsende Wettbewerbsdruck auf dem Medienmarkt fördert eine Anpassung der Inhalte an das Gefällige: Zerstreuung, Unterhaltung, leicht verdauliche Information und Sensationalismus. Damit sinkt jedoch zugleich das Vertrauen in die Seriosität der Medien. Internationale Medienkonzerne steuern globale Nachrichtenströme und sorgen für deren möglichst breite Vermarktung: Film, TV, Radio, Buch, Magazin, Zeitung und Websites verarbeiten Themen cross-medial mit erheblichen Synergie-Effekten. Im kleineren Maßstab arbeiten nationale Medienunternehmen genauso. Die Medienkunden wehren sich gegen die ständige Reiz- und Informationsüberflutung und haben Mechanismen dafür gefunden: Im besten Fall Selektion, im schlimmsten Fall Verweigerung. All das zusammen fördert eine Tendenz in den Medien, das Informationsangebot und seine Darbietung verstärkt unter rein kommerziellen Gesichtspunkten zu sehen. Kritiker sprechen von „Marketing-Journalismus“. Für die Medienmacher heißt das: Sie müssen aus der unüberschaubaren Vielfalt an Informationen die „markttauglichen“ herausfiltern (Ruß-Mohl 2003). Wenn nötig müssen sie ihre Ware auch erst verkäuflich machen – aus nüchternen Fakten werden spannende Geschichten, aus Gerüchten werden Wahrheiten konstruiert. Die angestammte Chronistenpflicht tritt dagegen in den Hintergrund. Für die Arbeit von Pressestellen und PR-Agenturen hat das unangenehme Folgen: die redaktionellen Hürden für PR-Angebote werden höher; das Bedienen spezieller Informationsbedürfnisse wird wichtiger; die Medien und ihre Entscheidungen sind schwerer einzuschätzen. Dennoch lohnt die Mehrarbeit, denn die Präsenz in den Medien ist nach wie vor die sicherste Garantie für alle, die in unserer Gesellschaft wahrgenommen werden wollen. Erst dann ist es möglich, am Dialog teilzunehmen, seine Positionen darzustellen und sich zu behaupten.
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2.2
Norbert Schulz-Bruhdoel
Die Medien brauchen differenzierte Angebote
Für größere Unternehmen und Institutionen ist es unmöglich geworden, die vielfältigen Medien aus einer Hand mit Informationen zu beliefern. Wirtschaftsredaktionen in Tageszeitungen (Mast 2003) verlangen anderes Material als ein TV-Magazin, die Fachpresse (DFJV 2005) hat ebenso ihre eigenen Gesetze wie der Boulevardjournalismus. Die Medien werden immer schneller, bildreicher und farbiger – die Angebote aus den Pressestellen müssen den sich wandelnden Ansprüchen genügen. Mit dem World Wide Web schließlich ist ein auch technisch neues Medium gewachsen, das eigene Redaktionsteams beschäftigt und besondere Darstellungsformate nutzt.
2.3
Das Beziehungsgefüge zwischen der Presse und den Pressestellen ist kompliziert
Das Nachrichtenangebot ist gigantisch. Genau genommen „braucht“ niemand die Angebote der Pressestellen und Kommunikationsstäbe – die Zeitungen und Magazine ließen sich dennoch mit interessanten Inhalten füllen. Die tagtägliche Flut der Pressemitteilungen und Einladungen zu Presseveranstaltungen ohne erkennbaren Berichtswert sind für viele Journalisten nur lästig. Weischenberg hat in einer Repräsentativbefragung von 1.500 Journalisten bei unterschiedlichen Medien herausgefunden, dass nur ein Viertel der Journalisten in den Presseaussendungen und anderen Angeboten hilfreiche Informationen sehen, die sie gerne für die eigene Arbeit nutzen. (Weischenberg 1997). Nur jeder fünfte Journalist gab nach einer jüngeren Untersuchung der Arbeit den Pressestellen und PR-Agenturen eine bessere Schulnote als drei, mehr als ein Drittel vergaben die Noten vier oder fünf. Hauptkritikpunkt: Die Firmensprecher hätten vielfach keine Ahnung von den Bedürfnissen der Medien (Wiegand & Wiegand 2003). Die Vorbehalte der Journalisten gegenüber den PR-Leuten kommen nicht von ungefähr. Öffentlichkeitsarbeiter handeln mit ihren Informationsangeboten im Interesse ihrer Auftraggeber. Sie sind nicht unabhängig-überparteilich; das ist in einer pluralistisch verfassten Gesellschaft auch völlig legitim. Andererseits ist für Journalisten oft nicht nachvollziehbar, warum eine triviale, aber wortreich und mit offenkundigem Stolz verfasste Firmennachricht ihre Leser interessieren sollte. Das häufige Missverhältnis von Lautstärke und Substanz bleibt nicht ohne Folgen. Begriffe wie „PR-Verführer“ oder Wertungen wie „Nur PR, keine Aussage“ deuten an, was Bentele erstmals wissenschaftlich belegen konnte. Eine Befragung von 1.100 repräsentativ ausgewählten Bundesbürgern und 105 Journalisten ergab, dass nur Werbefachleuten und Politikern noch weniger Vertrauen entgegengebracht wird als den PR-Experten. Dabei zeigte sich, dass die Menschen viele Elemente der PR-Arbeit erstaunlich gut kennen und auch, dass sie der
Pressearbeit: Gute Geschäfte auf Gegenseitigkeit
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PR-Branche großen Einfluss zubilligen. Im Unterschied dazu unterschätzten die Journalisten die Bedeutung von PR-Angeboten für ihre Arbeit dramatisch (Bentele/Seidenglanz 2004). Denn tatsächlich gehen zwei Drittel und mehr der Artikel in Zeitungen und Zeitschriften auf Anstöße von Pressestellen zurück, wie eine neuere Untersuchung zeigt, nachdem schon Mitte der achtziger Jahre erstmals ähnliche Zahlen bekannt geworden waren (Rolke 1998). Aber auch in den Pressestellen sind die Vorurteile gegenüber Journalisten ausgeprägt, jeder scheinbare Beleg für die Charakterlosigkeit dieses Berufsstandes wird gerne weitererzählt. Fast jeder Beschäftigte in einer Pressestelle kann irgendeine Geschichte von überheblichen, ihre Medienmacht ausspielenden Journalisten beisteuern. Oder von dem Kollegen, der von den Pressestellen Testexemplare von Autos, Computern, Musikanlagen usw. erbittet, die er dann nie mehr zurückgibt. Oder über die korrupte Redakteurin, die mehr oder minder laut den Preis für einen bezahlten Artikel nannte. Tatsächlich sind sich Journalisten und Öffentlichkeitsarbeiter in ihrer Arbeit – und Arbeitsethik – viel näher, als die meisten glauben. Journalisten werden an ihren Produkten gemessen: Sie müssen interessante Zeitungen und Magazine machen, gute Artikel schreiben und spannende Reportagen liefern, sonst können ihre Medien am Markt nicht bestehen. Wer unter dem andauernden Produktionsdruck auf die vorgefertigten, professionell gemachten Angebote aus den Pressestellen und Agenturen verzichtet, macht sich das Leben unnötig schwer. Auf der anderen Seite ist nur der Pressearbeiter erfolgreich, dessen Vorarbeiten und Informationspakete von den Medien angenommen werden. Nur qualitätvolle Arbeit schlägt sich positiv in den Gazetten und Sendungen nieder. Gute Medienarbeit muss deshalb sehr viel journalistisches Know-how beweisen, setzt eine präzise Kenntnis der Arbeit in den Redaktionen voraus und bedient die spezifischen Bedürfnisse der verschiedenen Medientypen. Nicht ohne Grund haben viele Pressesprecher zunächst als Journalisten gearbeitet und in den Redaktionen wichtige Erfahrungen gesammelt.
2.4
Pressearbeit ist keine Hilfsdisziplin von Marketing oder Werbung
Das Instrumentarium der Pressearbeit ähnelt in vielerlei Hinsicht den Werkzeugen von Marketing und Werbung: Informierende Texte und Bildmaterial, Informationsveranstaltungen und Medien-Events jeglicher Art, Produktvorstellungen und Ideenwerbung sind notwendige Hilfsmittel, um den Kommunikationsprozess in Gang zu bringen, am Laufen zu halten oder zu steuern. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied: Die Pressearbeit nutzt die Hilfe einer anderen Berufsgruppe mit einer eigenen beruflichen Identität, eigenständigen Regeln und Gesetzen, unterschiedlichen Ausbildungswegen, berufsständischen Vertretungen und politischen Fürsprechern: Pressearbeit ist nicht vorstellbar ohne die Bereitschaft der Journalisten, die Angebote und Dienstleistungen der Pressestellen und PR-Agenturen anzunehmen. Aus wissenschaftlicher Perspektive wird das Verhältnis von PR und Journalismus dement-
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sprechend als ein gegenseitiges Geben und Nehmen, als Intereffikation (Bentele/Liebert/ Seeling 1997) bzw. zweckrationale Partnerschaft (Fengler/Ruß-Mohl 2007) beschrieben. Zwar nutzt auch die Werbung die Medien. Die Werber kaufen den Platz, den sie in den Zeitungen und Magazinen brauchen, um ihre Annoncen zu präsentieren. Dafür haben sie – in den Grenzen des rechtlich Möglichen – völlige Gestaltungsfreiheit für ihre bunten Anzeigenseiten, Banderolen oder Beihefter. Medienarbeit hingegen muss mehrheitlich kritische Journalisten davon überzeugen, dass eine Information für ihre Leser interessant genug wäre, um sie zu verbreiten. Wer das erreichen will, darf nicht wie ein Werber oder Verkaufsförderer denken und handeln, sondern muss die Sicht- und Arbeitsweise der Journalisten verinnerlichen. In der Fläche ist diese Einsicht noch nicht weit verbreitet. Der vernünftige Ansatz, Kommunikation aus einem Guss zu planen, heißt in der Praxis oft, dass Marketing- und Werbeleute darüber entscheiden, was die Medien bekommen. Im günstigsten Fall braucht es dann quälende Abstimmungsprozesse, bis ein Pressetext zustande kommt, den die Zeitungen verwerten können. Leider setzen sich oft die Ideen der Verkaufsförderer durch. Die Anordnung des Geschäftsführers an die Pressestelle: „Lassen Sie mal einen hübschen Artikel über unsere fantastischen Zahlen drucken!“ ist häufig zu hören und belegt das tragische Missverständnis. Die Medienleute staunen anschließend über das Selbstbewusstsein, mit dem der Autor einer Pressemitteilung die Superlative aneinander reiht und sich über alle Regeln des Journalismus hinwegsetzt.
3.
Die Ware – Qualität setzt sich durch
Das Ungewöhnliche, Unerwartete und Neue weckt Interesse, nicht das Alltägliche – nicht nur in der Presse, aber dort besonders offensichtlich. „Only bad news are good news“, sagen die Amerikaner. Aber es müssen nicht „bad news“ sein, selbst in der Boulevardpresse machen die Skandal-, Katastrophen- und Kriminalnachrichten nur den kleineren Teil aus. Mitteilenswert ist eine Information immer, wenn sie definierten Nachrichtenkriterien folgt (Schulz 1990). Der Nachrichtenwert einer Information wird daran gemessen, ob sie glaubwürdig ist, Neues mitteilt, für die Öffentlichkeit interessant ist, nachvollziehbar ist.
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Dies gilt für alle Informationsangebote, die bei den Redaktionen, den Nachrichtenagenturen oder in den Büros der Freien Journalisten eingehen. Wer von den Medien ernstgenommen werden will, muss sich die Mühe machen, diese Voraussetzungen herzustellen. Was nicht neu ist, ist keine Nachricht. Was nicht stimmt, darf keine Nachricht werden. Und eine Nachricht muss mindestens den Teil der Öffentlichkeit interessieren, für den sie formuliert wird – weil sie aufklärt, Neugierde befriedigt, jemandem nützen kann, unterhält oder alles zugleich schafft. Nachrichten müssen ihr Publikum schnell erreichen. Deshalb gehorchen sie einer Norm für den formalen Textaufbau – das Wichtigste für den Leser steht immer ganz vorn. Damit Nachrichten für den eiligen Leser ohne Schwierigkeiten nachvollziehbar sind, sind Nachrichten deutlich in inhaltliche Häppchen gegliedert. Ihre Sprache ist schnörkellos, konkret und kurz und entspricht dem Verständnisniveau der Zielgruppe. Dies gehört zum elementaren Ausbildungsstoff aller Journalisten. PR-Leute müssen sich die gleiche Materie aneignen (Schulz-Bruhdoel 2005, Buschardt/Krath 2002, Pauli 1999).
3.1
Glaubwürdige Neuigkeiten, nachprüfbare Fakten
Informationen müssen nachprüfbar sein. Vom Hörensagen bekanntes kann man den Medien nicht anbieten, eine eindeutige Quelle gehört zur seriösen Nachricht wie das Salz in die Suppe. In den Medien findet man Formulierungen wie „ … teilte ein Unternehmenssprecher mit“, „ … erklärte XY (vor der Presse)“, „ … heißt es in einer Stellungnahme von XY“, „ … vermuten Branchenkenner.“ Solche und ähnliche Floskeln haben regelmäßig den Zweck, dem Leser die Plausibilität einer Mitteilung anzudeuten, indem man deren Quelle nennt. Wer sich in seiner Medienarbeit als Profi erweisen will, formuliert einen solchen Quellenhinweis direkt in seinem Nachrichtentext: „Nach Angaben eines Firmensprechers …“ – schreibt der Mitarbeiter in der Pressestelle selbst in seiner Mitteilung, die er an die Medien verschickt.. Diesen Text kann ein Journalist komplett übernehmen, weil er bereits so formuliert ist, wie man in der Redaktion schreibt. Denn der Leser soll erfahren, woher eine Information stammt. Wenn sie als Zitat erkennbar ist, darf auch eine Bewertung in einem Text enthalten sein. Eine Pressemitteilung muss Neues berichten – etwas, was bisher nicht bekannt war. Also Geschehnisse, die erst jüngst eingetreten sind oder aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit einem schon einem bekannten Sachverhalt. Solchermaßen akut aktuelle Neuigkeiten werden ergänzt durch Mitteilungen zu einem Thema, das bereits in der Öffentlichkeit diskutiert wird und eine gewisse Aufnahmebereitschaft für zusätzliche Informationen erzeugt hat. Man spricht dann von latenter Aktualität. Dazu gehört der Großteil sogenannter Hintergrundinformationen, die bereits Bekanntes ergänzen und einordnen helfen. Der Aktualitätsbegriff der Medien ist verschieden. Prinzipiell ist alles aktuell berichtenswert, was seit dem letzten Erscheinungstermin geschehen ist. Bei Tageszeitungen sind das 24 Stunden, bei vielen Magazinen umfasst der Zeitraum mehrere Wochen; dort steht latente Aktualität im Vordergrund – aber auch die Notwendigkeit, in die Tiefe zu gehen, Vorgeschichte und Zusammen-
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Norbert Schulz-Bruhdoel
hänge zu erhellen. Radio und Fernsehen lassen Nachrichten schon innerhalb weniger Stunden veralten – und noch aktueller kann das Internet Informationen verbreiten. Das Interesse an einer Neuigkeit wird durch mehrere Faktoren bestimmt, die einzeln für eine Nachricht genügen, jedoch häufig zusammentreffen. Ist die Neuigkeit interessant, weil sie viele Menschen angeht? Je breiter die Öffentlichkeit ist, die von den Folgen einer Information betroffen wäre, desto größer ist das Interesse. In diese Kategorie gehören auch viele Nachrichten, die nicht mehr stillen als Wissensdurst und Neugier, z. B. neue Ergebnisse der Grundlagenforschung oder die Rücktrittserklärung des Vorstandes. weil sie in räumlicher oder sozialer Nähe zum Leser angesiedelt ist? Was in der Nähe geschieht, ist interessant – darum gibt es die Lokalausgaben der Presse und den Lokalfunk. Häufig sind Ereignisse in der Nähe zugleich mit Folgen für die Ortsbevölkerung verbunden. Zugehörigkeitsgefühl und gemeinsame Interessen bilden den Hintergrund, vor dem Verbands- und Special-Interest-Presse existieren. weil sie über einen Konflikt berichtet? Wenn zwei sich streiten, freuen sich die Medien. Das abgewandelte Sprichwort zeigt tagtäglich seine Wahrheit. Politischer Streit, Tarifauseinandersetzungen, öffentlich ausgetragene Ehezwistigkeiten unter Prominenten: Die Medien leben geradezu davon. weil sie provoziert? Wer gegen die Regeln verstößt, bekommt Aufmerksamkeit. Deshalb haben auch verrückte Ideen gute Chancen, von den Medien verbreitet zu werden. Denn sie stoßen fast immer einen öffentlichen Streit an, weil jemand den Unsinn nicht einfach stehen lassen kann. weil sie Emotionen wachruft? Sex & Crime ist das Brot der Boulevardblätter, romantische Märchen und Skandälchen aus zeitgenössischen Adelskreisen lassen die Regenbogenpresse leben. Doch die Gefühle der Leser sprechen auch die seriösen Medien häufig gezielt an, wenn sie über Menschen berichten. Das Portrait, die Homestory, der mit human touch erzählte Erfahrungsbericht, auch der Nachruf machen Gebrauch von Emotionen, um über die Person ebenso wie über ihre Taten berichten zu können. weil sie über Prominenz berichtet? Prominenz ist nicht gleichzusetzen mit Popularität. In der Fach- und Wissenschaftspublizistik steigert der Name eines renommierten Wissenschaftlers die Chancen für eine Veröffentlichung genauso, wie ein Michael Schumacher oder Oliver Bierhoff die Sportpresse aufhorchen lässt. Wenn in der Zielgruppe eines Mediums jemand als prominent gelten kann, ist das ein Anreiz eine Nachricht zu bringen, die diesen Namen als Transportvehikel nutzt. weil sie Spaß macht und unterhält? Neben all dem Ernsten und Bedeutenden haben Gegengewichte eine gute Chance, von den Medien verbreitet zu werden. Tageszeitungen, Publikumspresse, Hörfunk und Fernsehen schätzen solche „Schmankerl“, die keinen anderen Zweck haben, als zu amüsieren. Journalisten unterscheiden generell zwischen „hard news“ und „soft news“. Die Nachrichtenelemente mischen sich in beiden Fällen verschieden. „Weiche Nachrichten“ haben einen
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höheren Unterhaltungswert: Prominenz, Emotionen und Konflikt stehen im Vordergrund. „Harte Nachrichten“ arbeiten Vorgänge auf, die folgenschwer oder nützlich für die Öffentlichkeit sein können, in jedem Fall aber ernsthafte Bedeutung haben und positiv wie negativ betroffen machen. Das meiste aus Wirtschaft und Politik gehört hierher. Das Mischungsverhältnis macht den Charakter eines Mediums entscheidend aus. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung enthält kaum „soft news“, Spiegel und Stern sind den weicheren Nachrichten zugänglicher, in der Bunten oder Brigitte dominieren sie. Für PR-Leute muss das Folgen auf die Auswahl der Medien haben, denen man „seine“ Nachrichten anbieten will. Trotz solcher neutralen Nachrichtenfaktoren spielen subjektive Einschätzungen der Journalisten (Hruska 1995) bei der Nachrichtenauswahl eine Rolle: Vereinfachung: Für Ereignisse, die abgeschlossen, einfach zu verstehen und einfach darzustellen sind, ist die Bereitschaft bei den Redakteuren größer, eine Nachricht daraus zu machen als für Informationen über ein kompliziertes Thema, das sich noch weiterentwickelt und in das sich der Journalist womöglich einarbeiten muss. Identifikation: Informationen zu Themen, die dem Redakteur räumlich, kulturell, durch Personen oder nationale Zugehörigkeit nahe sind, überwinden die Schwelle zur veröffentlichten Nachricht leichter, als Themen aus fernen Kultur- oder Gesellschaftsbereichen. Sensationalität: Je ungewöhnlicher ein Ereignis, desto leichter machen Redakteure Nachrichten daraus, selbst wenn andere Ereignisse viel folgenreicher sind. Kontinuität: Wenn ein Thema erst einmal in die öffentliche Diskussion gelangt ist, dann sorgt die Nachrichtenroutine oft dafür, dass es einige Zeit weiterlebt, selbst wenn die Folge-Informationen dies nicht rechtfertigen. Persönliche Motive: Warum Redakteure Informationen weiterverarbeiten oder nicht, kann völlig undurchschaubaren Impulsen folgen – zum Beispiel Sympathie oder Antipathie gegenüber der Quelle. Immerhin neun Prozent der Redakteure gaben in einer Umfrage an, in Einzelfällen Weisungen ihres Verlegers zu folgen, ob etwas veröffentlicht wird oder nicht. Unter den befragten Ressortleitern bei Tageszeitungen sagten das fünf Prozent (Meyn 2004). Zwar sind einzelne Redakteure die Gatekeeper – sie entscheiden autark und nur auf Grund ihrer Erfahrung, ob eine Information den Markt der Neuigkeiten erreicht. Ein vergleichender Blick in die Medienlandschaft zeigt aber, dass die Nachrichtenbewertung offenbar weitgehend den gleichen Kriterien folgt. An manchen Tagen sind die Politik-, Wirtschafts- und Sportseiten der Tagespresse inhaltlich zum Verwechseln ähnlich: gleiche Aufmacher, gleiche Zweitplatzierungen, wenige Abweichungen bei der Nachrichtenauswahl insgesamt.
410
3.2
Norbert Schulz-Bruhdoel
Agierende oder reagierende Pressearbeit?
Wie bereits erwähnt, sind etwa zwei Drittel der Medienberichte auf Anstöße aus den Pressestellen von Unternehmen, Ämtern, Institutionen und Verbänden zurückzuführen. Den größten Anteil daran haben Informationen, die von den Pressestellen offensiv für die Medien bereitgestellt wurden. In solchen Fällen spricht man von agierender (bzw. aktiver) Medienarbeit. Dabei wird zwischen Informationsmitteln und Dialogischen Mitteln unterschieden (vgl. Abbildung 2).
Informationsmittel
Dialogische Mittel
Pressemitteilungen
Pressekonferenz
Exklusiv-Veröffentlichungen
Pressegespräch, Presse-Empfang
Fotos und Grafiken
Pressefahrt/Journalistenreise
Pressemappe
Redaktionsbesuch
Pressedienste und Newsletter
Presseworkshop/Journalistenseminar
PR-Anzeigen
Medienpreise
Abbildung 2:
Instrumente der agierenden (aktiven) Pressearbeit
Die aktiven Formen besitzen eine Menge Vorteile: Zeitpunkt, Inhalt, Umfang und Form des Informationsangebotes kann der Absender bestimmen – das Unternehmen bzw. seine Pressestelle ist also Herr des Verfahrens. Das Angebot wird auch als Bereitschaft verstanden, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren und signalisiert den Willen zum Dialog. Das kommt bei den Medien positiv an. Wenn das Informationspaket zudem professionell gepackt ist, d. h. den Erfordernissen und Erwartungen der Medienleute entspricht, kann ein kollegiales Klima zwischen den Mitarbeitern in der Pressestelle und denen in den Redaktionsbüros entstehen. Wenn Journalisten einen Sachverhalt von sich aus aufgreifen und als Fragesteller an eine Organisation herantreten, ist reagierende (bzw. passive) Medienarbeit notwendig. Dies gilt insbesondere in Krisensituationen (Höbel 2007). Wenn keine Unternehmenskrise droht und dementsprechend ein umfangreiches Kommunikations-Repertoire aktiviert wird, sind die Instrumente reagierender Medienarbeit allerdings beschränkt: Antwort auf Presse-Anfragen, Richtigstellung und Leserbrief. Reagierende Medienarbeit ist ein wichtiger Bestandteil des Service-Angebots einer Pressestelle. Deren Dienstleistungsfunktion wird niemals deutlicher
Pressearbeit: Gute Geschäfte auf Gegenseitigkeit
411
als in dem Moment, wenn es die eilige und kritische Frage eines recherchierenden Journalisten zu beantworten gilt. Man muss das Selbstverständnis vieler Journalisten ernst nehmen, die sich nicht mit vorgefertigten Info-Angeboten zufrieden geben, sondern darin allenfalls einen Anlass für weitergehende Nachfragen sehen. Und darauf erwarten sie präzise und ehrliche Antworten. Wichtig ist letztlich ein gutes Mischungsverhältnis zwischen aktiven und passiven Formen, das die Wirkung von Medienarbeit im Sinne ihres Auftraggebers optimiert: Ausschließlich agierende Medienarbeit bedeutet letztlich, dass es kein eigenständiges öffentliches Interesse gibt; hundert Prozent reagierende Medienarbeit zeigt eine vollständige Abhängigkeit von dem rasch wechselnden Interesse der Medien. Ein deutliches Übergewicht der aktiven Rolle hat sich bewährt: Ein Verhältnis von 70:30 gibt dem Absender die Kraft, seine Interessen im Medienmarkt zu behaupten und bietet auf der anderen Seite ausreichend Spielraum für die Neugier und den kritischen Impuls der Journalisten (Rolke 2007). Dieser Wert entspricht nicht zufällig in etwa dem Verhältnis von PR-gestützten und unabhängig davon recherchierten Medienberichten. Vermutlich lassen sich die Relationen nicht sinnvoll weiter verschieben, ohne das Kommunikationssystem als Ganzes zu gefährden. Wenn es kein ausreichendes „Droh-Potenzial“ gäbe, um Unternehmen und Organisationen im Bedarfsfall die publizistischen Giftzähne zu zeigen, würde das öffentliche Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Medien zerrüttet (Rolke 1998).
4.
Der Vertrieb – Mittel und Wege
Schriftliche Aussendungen von Pressestellen der Unternehmen an die Redaktionen von Zeitungen, Zeitschriften und anderen Medien sind die häufigste und meistverbreitete Art, zu informieren. Es gibt unterschiedliche Formen der Presseaussendung, die für verschiedene Zwecke entwickelt wurden und am besten auch ihren ursprünglichen Intentionen zugeordnet bleiben. Gemeinsam ist ihnen, dass sich die Redaktionen aus vorgefertigtem, schriftlichem Material bedienen können, das bereits nach journalistischen Kriterien aufbereitet wurde (Schulz-Bruhdoel 2005). PR-Leute arbeiten also beim Texten von Pressemitteilungen im Grundsatz genauso wie Journalisten, die für ein spezifisches Medium schreiben (Ruß-Mohl 2003). Daraus ergibt sich logisch, dass derselbe Sachverhalt möglicherweise unterschiedliche Pressemitteilungen erfordert, weil z. B. Wirtschaftsredaktionen und Fachmagazine nur die Informationsinteressen ihrer jeweiligen Nutzergruppen abdecken.
412
4.1
Norbert Schulz-Bruhdoel
Die Pressemeldung
Die üblichste und am besten akzeptierte Form der Pressemitteilung folgt dem Nachrichtenstil: Das Wichtigste, Neueste oder Nützlichste steht in den ersten Zeilen, die weiteren Informationen folgen in der Reihe abnehmender Wichtigkeit, Neuigkeit und/oder Nützlichkeit. Die Sprache ist nüchtern und einfach. Ihr Stil entspricht exakt den Gewohnheiten von Nachrichtenagenturen. Der Text enthält nur das Wesentliche. Auch die Überschrift (Headline) enthält bereits eine wesentliche Information. In den ersten drei bis vier Zeilen erfährt der Leser alle wichtigen Antworten auf die Fragen Wer, Was, Wann und Wo. Darauf folgend erwähnt der Text die Quelle der Information. Im weiteren Verlauf der restlichen maximal 20 Zeilen könnten Details und Hintergründe aufgedeckt werden – die Fragen nach dem Wie und Warum werden beantwortet. Ebenso wichtig wie der professionelle Inhalt sind auch die Form (Zeilenabstand und Seitenränder, um dem Redakteur handschriftliche Anmerkungen zu ermöglichen; zur Weiterverarbeitung geeignetes Word- oder RTF-Format bei digitalen Texten) und der Presseverteiler. Eine ständig aktualisierte Datenbank mit den Kontakten der wichtigsten Wirtschafts- und Fachjournalisten gehört zum unverzichtbaren Kapital jeder Pressestelle (Buschardt/Krath 2002). Zudem bieten neben PR-Agenturen auch eine Vielzahl von Dienstleistern sowohl Redaktionsadressen (z. B. Zimpel, Stamm) als auch den Versand an registrierte Journalisten (z. B. Newsaktuell, Directnews) an.
4.2
Die Presse-Erklärung / Der Statement-Text
Einem einleitenden Satz mit der einzigen Information darüber, wer sich hier zur Sache äußert, folgt ein ausgedehntes Zitat. Solche Texte haben den Nachteil, dass sich die Journalisten in den Redaktionen beliebig aus der Textmenge bedienen können. Für Anfänger im journalistischen Fach ist es nicht leicht, die wichtigen Teile solcher Statements zu erkennen. Und selbst für alte Hasen haben sie den Nachteil, dass man reichlich Arbeit damit hat, solche Texte zu einem journalistischen Artikel im Nachrichtenstil umzuschreiben.
4.3
Die „Infotainment“- Pressemeldung
Während die klassische Nachricht sofort zur Sache kommt, nähern sich manche Texte auf Umwegen ihrem informellen Kern. Sie beginnen feuilletonistisch, schildern kurz eine Szene
Pressearbeit: Gute Geschäfte auf Gegenseitigkeit
413
oder erzählen eine Anekdote, Profis sprechen vom „anfeaturen“. Aber: Nur wenige Presseerzeugnisse können solche Texte übernehmen. Denn die Blätter konkurrieren um Leser – und identisch formulierte Artikel in den verschiedenen Zeitungen werden nur als gekennzeichnetes Material der abonnierten Nachrichtenagenturen akzeptiert. Nicht nachrichtlich operierende Texte werden in der Redaktion in der Regel umgeschrieben – und damit ist ein Redakteur mitunter gezwungen, eine gelungene „Feature-Idee“ durch einen anderen Text zu ersetzen.
4.4
Der Pressebericht
Detailbeschreibungen, Hintergründe, Vorgeschichte oder notwendige Interpretationen fordern mehr Platz als die klassischen 20 oder 25 Zeilen der Pressemitteilung. Am liebsten sehen es Journalisten, wenn einem Pressebericht eine kurze Pressemeldung im Nachrichtenstil beigefügt oder möglicherweise vorangestellt wird. Dann haben sie mit einer Kurz- und einer Langfassung unterschiedlich ausgedehntes Material zur Hand und können selbst entscheiden, in welchem Umfang sie davon Gebrauch machen.
4.5
Waschzettel, Factsheets, Datenblätter
Im Sprachgebrauch von Pressesprechern und Journalisten sind „Waschzettel“ knappe Faktensammlungen, die kunstlos und unverbunden die wichtigsten Sachinformationen enthalten. Zum Beispiel die technischen Daten eines Produkts oder die wichtigsten Stationen im Lebenslauf eines Menschen. Als alleinige Presseinformation sind Waschzettel nicht üblich. Sie ergänzen einen ausformulierten Text, ein Foto oder eine Grafik.
4.6
Exklusiv-Veröffentlichungen
Nicht immer ist es sinnvoll, über Pressemitteilungen eine Information möglichst breit zu streuen. Gezielte Veröffentlichungen in ausgewählten, reichweitenstarken oder für eine bestimmte Zielgruppe besonders relevanten Zeitungen bzw. Zeitschriften sind manchmal die bessere Wahl. Dann kommt es darauf an, das richtige Medium anzusprechen und der Redaktion den Nutzen zu erklären, den ein exklusiver Beitrag für das Blatt und seine Leser hätte.
414
4.7
Norbert Schulz-Bruhdoel
Themenexposees
Eine Möglichkeit, gleich bei mehreren Medien anzuklopfen, ob sie an einer ausführlichen und individuellen Information interessiert sind, ist das Verschicken von Themenvorschlägen. Ein Kurztext schildert den Sachverhalt und dessen möglichen Nutzen einer Veröffentlichung für eine Gruppe von kontaktierten Medien. Der Aussendung von Exposees müssen telefonische Nachfragen folgen, ob Interesse an den Themenvorschlägen besteht.
4.8
Fotos und Grafiken
Der Bildanteil in den gedruckten Medien nimmt ständig zu und die Bilder werden zunehmend farbig. Dementsprechend groß ist die Sehnsucht der Printmedien nach Bildern – Fotos, Grafiken, hand- oder computergezeichnet. Bisweilen ist ein Foto oder eine Grafik mit ein paar erläuternden Zeilen für eine Veröffentlichung besser geeignet als eine Pressemitteilung. Voraussetzung dafür ist aber eine professionelle Bildqualität; im Zweifel ist das Honorar für einen Fotografen gut angelegt.
4.9
Pressemappen
Pressemappen sind kein eigenständiges Informationsmittel. Sie dienen vielmehr dazu, einem Journalisten eine sinnvolle Zusammenstellung von Informationen als gut geordnetes InfoPäckchen an die Hand zu geben, meist im Zusammenhang mit einer Veranstaltung, zum Beispiel Pressekonferenzen, Messeauftritten oder bei Redaktionsbesuchen. Heute sind auch handliche CD-ROM oder DVD als „elektronische Pressemappen“ mit weiterverarbeitbaren Textdateien und Bildmaterial in hochauflösender Druckqualität gebräuchlich.
4.10 Presseportale im Internet Die Website eines Unternehmens sollte die aktuellen Pressemitteilungen ebenso wie ältere Informationen zusammen mit Bilddateien, Hintergrundinformationen und den Kontakten der Ansprechpartner in den Pressestellen in einem eigenen Bereich verfügbar machen (Wester-
Pressearbeit: Gute Geschäfte auf Gegenseitigkeit
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mann 2004). Manche Unternehmen sperren solche Angebote durch ein Kennwort, das sie nur an „akkreditierte“ Journalisten vergeben. Das wird jedoch in den Redaktionen nicht gerne gesehen – gerade für freie Journalisten und Nachrichtenredakteure ist es wichtig, rund um die Uhr aktuelle Informationen, Daten und Themen recherchieren zu können.
4.11 Die Pressekonferenz Eine Pressekonferenz benötigt einen Anlass, der zu komplex ist, um in einem versendeten Text dargestellt zu werden. Die Möglichkeit nachzufragen ist ja der eigentliche Witz einer solchen Veranstaltung. Deshalb laden viele Unternehmen nur einmal im Jahr ein, wenn sie ihren Jahresabschluss präsentieren. Andere beschränken sich auf Pressekonferenzen oder Journalistenempfänge am Rande der für sie wichtigsten Messen, um ihre neuen Produkte zu präsentieren. Natürlich sind spontane Pressekonferenzen darüber hinaus immer ein wichtiges Mittel, wenn eine Einrichtung ins öffentliche Interesse gerückt ist, zum Beispiel in turbulenten Krisenfällen. Dann sind rasche Antworten auf die Fragen der Presse unverzichtbar.
4.12 Das Pressegespräch Während eine Pressekonferenz auf möglichst viele Teilnehmer hofft, ist ein Pressegespräch bzw. Hintergrundgespräch eine intime Veranstaltung für einen ausgewählten Kreis von Journalisten. Das kann eine abendliche Runde im Separée eines Restaurants sein, also ein PresseEmpfang oder ein Arbeitsessen auf gehobenem Niveau. Für Pressegespräche eignet sich aber genauso der Konferenzraum am Firmensitz, wo die Diskussion im Vordergrund steht. Der Charakter einer solchen Veranstaltung ermöglicht auch über Dinge zu reden, die nicht spektakulär sein müssen, aber einiges zur besseren Einschätzung eines Sachverhalts beitragen. Die wenigsten Inhalte sind zur Veröffentlichung bestimmt, und sowohl der Gastgeber wie seine Gäste wissen das.
4.13 Pressefahrt und Pressereise In manchen Fällen reicht eine Pressekonferenz nicht aus, um den Medienvertretern die Augen zu öffnen. Dann lädt ein Unternehmen eine sorgfältig ausgewählte Gruppe von Journalisten zu einer ein- oder mehrtägigen Reise ein und erläutert ihnen vor Ort, was aus seiner Sicht
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berichtenswert ist. Noch stärker als bei Pressekonferenzen gilt für Reisen, dass hierfür ein vernünftiger Anlass notwendig ist. Neue Produktionsstätten, exotische Arbeitsplätze, kreative Projekte, interessante Objekte von Sponsoring oder Mäzenatentum, alles was nur durch Augenschein und andere persönliche Eindrücke „erfahrbar“ ist – das alles macht eine Pressereise zu einer spannenden Variante, wie man Journalisten guten Stoff für ihre Arbeit bieten kann.
4.14 Journalistenworkshops / Presseseminare Eine weitere Form von Exklusiv-Veranstaltungen für Medienvertreter dient deren Weiterbildung. Wenn ein Thema weder durch eine Fragestunde noch durch Anschauungsunterricht plastisch werden kann, sind Seminare, Trainings und Workshops das Mittel der Wahl. Geeignet als Gegenstand eines Seminars oder Workshops sind allerdings nur Themen von einer gewissen Brisanz und weitreichender Bedeutung, z. B. über die Hintergründe und Auswirkungen einer innovativen Technologie. Eine Veranstaltung, die Journalisten über die Vorzüge eines Produkts schlau machen will, wird die Gäste verärgern.
4.15 Redaktionsbesuche Auch der Weg in die Redaktionsräume ist eine Möglichkeit, den Dialog zu eröffnen. Allerdings beginnt das Gespräch ungewöhnlich, denn der Gast lädt sich selbst ein. Das macht Redaktionsbesuche zu einem umstrittenen Mittel. Viele Journalisten mögen es gar nicht, an ihrem Arbeitsplatz heimgesucht zu werden. Ein Mitbringsel ist in jedem Fall zu empfehlen: eine handfeste Information oder eine gute Idee für eine Exklusiv-Veröffentlichung.
4.16 Medienpreise Medienpreise – z. B. für hervorragende Berichterstattung zu bestimmten Technologien oder Branchen – sollen möglichst viele Journalisten motivieren, über einen abgegrenzten Sachverhalt zu schreiben. Davon erhofft sich die ausschreibende Organisation (üblicherweise ein Unternehmen oder ein Verband) mehr Öffentlichkeit für ein Thema. Prämiert werden regelmäßig nicht die Versuche, sondern ausschließlich Arbeiten, die bereits publiziert wurden. Damit sichern sich die Veranstalter eine ausreichende Qualität. Es finden sich fast immer
Pressearbeit: Gute Geschäfte auf Gegenseitigkeit
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Journalisten, die nicht nur das Preisgeld interessiert, sondern die sich wirklich Mühe geben, qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten.
4.17 Medienkooperationen Zunehmend bedeutsam sind schließlich vertraglich verankerte Formen der inhaltlichen Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Verlagen bzw. Redaktionen (Herbst 2003: 280 ff.). Das Spektrum reicht von Sonderbeilagen, die z. B. von Tageszeitungen anlässlich der Eröffnung einer neuen Produktionsstätte oder eines Firmenjubiläums produziert werden, über die Zusammenarbeit bei Servicerubriken für Print- und Onlinepublikationen (beispielsweise den von einem Arzneimittelhersteller bereitgestellten Pollenflug-Informationsdienst) bis hin zu gemeinsam veranstalteten Leseraktionen, die ein für das Unternehmen interessantes Thema aufgreifen. Medienkooperationen bewegen sich häufig in einer Grauzone zwischen Pressearbeit, Sponsoring und Werbung und müssen daher sowohl im Hinblick auf die berufsethischen Grundsätze der Pressearbeit und des Journalismus als auch zur Wahrung der Integrität und Glaubwürdigkeit von Wirtschaft und Medien besonders verantwortungsvoll umgesetzt werden.
5.
Pressearbeit hat Zukunft
Bei aller Vielfalt der zur Verfügung stehenden Mittel bleibt eines immer gleich: Wer als Unternehmen die Presse nutzen will, um sein Informationsangebot zu verbreiten, muss sich in das Denken, in die Arbeitsweise und in die Arbeitshaltung der Medienmacher hinein versetzen können. Das fällt jenen Kommunikationsmanagern und PR-Verantwortlichen leicht, die die Partnerschaft mit den Medien tatsächlich wagen und im ständigen Austausch mit ihnen erfahren, was ihre Informationsangebote attraktiv für die mediale Verarbeitung macht. Dann verliert die Pressearbeit als klassisches Mittel der Unternehmenskommunikation auch in einem zunehmend ausdifferenzierten Medienmarkt mit einer Vielzahl anderer Kommunikationskanäle nicht an Bedeutung.
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Literatur
BDZV Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (Hrsg.) (2006): Zeitungen 2006 (Jahrbuch), Berlin. Bentele, Günter/Seidenglanz, René (2004): Das Image der Image-Macher, Leipzig. DFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hrsg.) (2005): Fachjournalismus, Konstanz. Bentele, Günter/Liebert, Tobias/Seeling, Stefan (1997): Von der Determination zur Intereffikation, in: Bentele, Günter/Haller, Michael (Hrsg.): Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit, Konstanz, S. 225-250. Bentele, Günter/Nothhaft, Howard (2007): Konzeption von Kommunikationsprogrammen, in diesem Band. Buschardt, Tom/Krath, Stefany (2002): Die Pressemitteilung, Neuwied. Fengler, Susanne/Ruß-Mohl, Stephan (2007): Unternehmenskommunikation und Journalismus – ökonomische Analyse einer ungleichen Partnerschaft, in diesem Band. Herbst, Dieter (2003): Praxishandbuch Unternehmenskommunikation, Berlin. Höbel, Peter (2007): Kommunikation in Krisen – Krisen in der Kommunikation?, in diesem Band. Hruska, Verena (1995): Die Zeitungsnachricht, Bonn. Mast, Claudia (2003): Wirtschaftsjournalismus, 2. Auflage, Wiesbaden. Meyn, Hermann (2004): Massenmedien in Deutschland, 9. Auflage, Konstanz. Mickeleit, Thomas (2007): Das Intranet der dritten Generation, in diesem Band. Pauli, Knut S. (1999): Leitfaden für die Pressearbeit – Anregungen, Beispiele, Checklisten, 3. Auflage, München. Rolke, Lothar (1998): Journalisten und PR-Manager. Unentbehrliche Partner wider Willlen, in: Public Relations Forum, 4. Jg, Nr. 2, S. 66-78. Rolke, Lothar (2007): Kennzahlen für die Unternehmenskommunikation, in diesem Band. Ruß-Mohl, Stefan (2003): Journalismus. Das Hand- und Lehrbuch, Frankfurt a. M. Schulz, Winfried (1990): Die Konstruktion von Realität in den Nachrichtenmedien, 2. Auflage, Freiburg/München. Schulz-Bruhdoel, Norbert (2005): Die PR- und Pressefibel – Zielgerichtete Medienarbeit, 2. Auflage, Frankfurt a. M. Stamm (2006): Leitfaden durch Presse und Werbung 2006, Essen. Viedebantt, Klaus (2007): Die Mitarbeiter-Zeitschrift als Führungsinstrument, in diesem Band. Weischenberg, Siegfried (1997): Selbstbezug und Grenzverkehr. Zum Beziehungsgefüge zwischen Journalismus und Public Relations, in: Public Relations Forum, 3. Jg., Nr. 1, S. 6-9. Westermann, Arne (2004): Unternehmenskommunikation im Internet, Berlin. Wiegand & Wiegand Media Services (2003): Presse-Umfrage 2003, Hamburg.
Radio und TV in der Unternehmenskommunikation
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Radio und TV in der Unternehmenskommunikation Hermann Orgeldinger
Die Zusammenarbeit mit Radiostationen und TV-Sendern ist für die Unternehmenskommunikation von großer Bedeutung, hat allerdings in Deutschland noch keine lange Tradition. Bis in die 1980er Jahre wurden die elektronischen Medien zumeist von den Pressestellen der Unternehmen mit bedient. Das war kein Problem, gab es ja nur zwei nationale TV-Sender und in jedem Bundesland im Normalfall nur einen öffentlich-rechtlichen Radiosender. Mit Beginn des Dualen Rundfunksystems in Deutschland hat sich das geändert. Inzwischen gibt es bundesweit 285 TV-Sender (30 nationale und 255 regionale Sender) sowie 326 HörfunkProgramme. Sie erreichen zusammen 99 Prozent der Bevölkerung. Der Bedarf an speziell aufbereiteten Inhalten und Formaten ist unübersehbar. Dennoch gibt es noch immer viele Konzerne, große nationale Unternehmen und selbstverständlich auch viele mittelständische Firmen, in denen in der Kommunikation nicht differenziert wird. Kommuniziert wird nach wie vor mittels Pressemitteilungen. Audiobeiträge und TV-Material – wie sie beispielsweise von spezialisierten Agenturen für audiovisuelle PR angeboten werden – sind Mangelware. Dieser Beitrag gibt einen Überblick zu den Rahmenbedingungen, Einsatzmöglichkeiten und Umsetzungsformen der Kommunikation für Radio und TV, einschließlich der Anwendung von audiovisuellen Formaten (Business TV, Podcasts) bei der direkten Ansprache von wichtigen Stakeholdern des Unternehmens.
1.
Kommunikation im Hörfunk
In Deutschland hören 81,6 Prozent der Erwachsenen ab 14 Jahren täglich Radio (AG.MA 2005). Im Durchschnitt schaltet jeder Deutsche sein Radiogerät mehr als vier Stunden am Tag ein; laut der repräsentativen Bevölkerungsbefragung der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse sind es genau 253 Minuten. Männer hören etwas mehr Radio, nämlich 264 Minuten, Frauen M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_21, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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eine knappe halbe Stunde am Tag weniger, genau 242 Minuten. Damit ist das Radio das meistgenutzte Medium. Sehr unterschiedlich ist die Nutzung im Tagesverlauf. Die meisten Hörer erreichen die Sender in der morgendlichen Primetime zwischen 6 Uhr 30 und 9 Uhr. In dieser Zeit ist aber die Hördauer mit 21 Minuten sehr kurz. Wer als Unternehmen etwas mitzuteilen hat, der kommt am Medium Nr. 1 nicht vorbei. Doch gerade das Radio hat ganz eigene Gesetze, unterliegt als klassisches Nebenbei-Medium ganz speziellen redaktionellen Anforderungen. Deshalb ist es notwendig, den Bedarf der Redaktionen, die Einsatzmöglichkeiten aus Sicht der Unternehmenskommunikation sowie die – häufig mit Hilfe von Audio-Agenturen realisierten – Präsentationsformen zu kennen.
1.1
Anforderungen der Radio-Journalisten
Radiosender haben eine hohe Informationskompetenz und nutzen eine Vielzahl unterschiedlicher Programmformate (Mast 2004: 379 ff.). Stündliche Nachrichten sind Standard bei den meisten Sendern. Üblicherweise werden Nachrichten-Sendungen spätestens alle zwei Stunden aktualisiert. Dies ist etwas, was sich die Unternehmenskommunikation zu Nutze machen kann. Bei aktuellen Themen werden die Redaktionen nicht nur einmal versorgt, sondern regelmäßig mit unterschiedlichen Audiobeiträgen, O-Tönen (Originaltönen) wie Interviews und anderem Material über den ganzen Tag hinweg. So hat der Nachrichtenredakteur im Sender ständig neues Material und das Unternehmen seine Botschaft mehrfach im Programm. Zudem benötigt kein anderes Medium so schnell aktuelles Material wie der Hörfunk. Das wirft in der Praxis Probleme auf. Beispielsweise finden Pressekonferenzen zu aktuellen Themen üblicherweise um 11 Uhr statt. Das ist eine für Zeitungsjournalisten und TV-Redakteure recht angenehme Zeit. Für Hörfunk-Redakteure aber ist der Zeitraum 12 bis 13 Uhr immer noch die wichtigste aktuelle Schiene, und die Nachrichtensendungen am Mittag haben – ausgenommen die Primetime am Morgen – die höchsten Einschaltquoten. Gerade diese Zeiten sind mit einem Pressekonferenz-Beginn 11 Uhr eigentlich nicht zu schaffen. Deshalb setzen Unternehmen bzw. ihre Agenturen alles daran, spätestens eine halbe Stunde nach Beginn der Pressekonferenz einen ersten Nachrichten-O-Ton an die Sender zu liefern. Dank UMTS und Internet ist dies heute bei professioneller Organisation und mit kommunikativer Erfahrung problemlos möglich.
Radio und TV in der Unternehmenskommunikation
1.2
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Chancen für die Unternehmenskommunikation
Audio-PR bedeutet in erster Linie, Themen auf ihre Umsetzbarkeit im Medium Hörfunk abzuklopfen, hörfunkgeeignete Aspekte herauszuarbeiten und Angebote für unterschiedliche Programmformate zu entwerfen. Die Audio-PR bietet Unternehmen in ihrer Kommunikation ganz unterschiedliche Möglichkeiten, wie die folgenden Beispiele zeigen: Audio-PR zur Einführung eines neuen Produktes: Einführung einer neuen Produktlinie mit Informationsbeiträgen, Aktionen und Produktvorstellungen. Audio-PR zum Unternehmensergebnis und mit Wirtschaftszahlen: Teilnahme eines Hörfunk-Reporters an der Bilanz-Pressekonferenz, Belieferung der Nachrichtenredaktionen und Wirtschaftsredaktionen mit Material. Krisen-PR: Informationen über Hintergründe, Auswirkungen und Ausmaß der Krise, Interviews mit Vorstandsmitgliedern bzw. der Geschäftsführung; Belieferung der Nachrichtenredaktionen der Sender mit Meldungen und O-Tönen. Audio-PR für Medien: regelmäßige Produktkommunikation für Zeitschriften mit Interviews von Autoren und Redakteuren; Audio-PR als zusätzlicher Einschalt-Impuls für TVSendungen und TV-Formate mit Ausschnitten aus den Sendungen und Interviews der Moderatoren und Reporter; Audio-PR für Buchneuerscheinungen, Hörbücher und CDs. Audio-PR von Messen: Berichterstattung über Unternehmensaktivitäten auf Messen für regionale Sender; hörfunkgerechte Aufarbeitung der Produktneuheiten und Produkthighlights auf großen nationalen und internationalen Messen. Event-PR: Berichterstattung von Großveranstaltungen des Unternehmens; hörfunkgerechte Aufbereitung von Sponsoraktivitäten eines Unternehmens oder von der Präsenz des Unternehmens bei einer herausragenden Veranstaltung. Charity-PR: Berichterstattung über Charity-Aktivitäten von Unternehmen, z. B. Hilfe bei der Flutkatastrophe in Süd-Ost-Asien. Unternehmens-Radio: Ein eigenes Radioprogramm zu einem Unternehmens-Highlight. So hat ein Automobilunternehmen beispielsweise bei verschiedenen Formel 1-Rennen ein eigenes Radioprogramm für eine ganze Tribüne live produzieren lassen. Dafür wurde eine eigene Lizenz beantragt und drei Tage lang ein komplettes Hörfunkprogramm produziert.
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1.3
Umsetzung und Darstellungsformen
Natürlich passt nicht jedes Thema zu jedem Sender, hat nicht jede Redaktion Interesse an Audio-PR-Material. Aber je besser das Material ist, je besser die Umsetzung, desto eher wird das Material von den Journalisten eingesetzt. Erstes Kriterium bei der Bearbeitung eines Themas ist seine Hörfunktauglichkeit. Es gibt durchaus Themen, die so kompliziert sind, dass sie nicht für das Radio geeignet sind. Das können wissenschaftliche Themen sein oder komplizierte Sachverhalte, aber auch erklärungsbedürftige Produkte. Außerdem ist das Radio ein Medium ohne Redundanz. Anders als bei einem Zeitungsartikel kann man im Radio nicht zurückgehen und eine Information nochmals nachlesen, wenn ein Zusammenhang nicht auf Anhieb klar ist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass das Radio ein Nebenbei-Medium ist. Im Normalfall gibt es immer eine andere Tätigkeit, die zusätzlich zum Radiohören ausgeübt wird: Zeitung lesen am Morgen, Autofahren, während der Hörfunk über die Musik hinaus viele aktuelle Informationen vom Verkehrsfunk über das Wetter bis hin zu aktuellen Nachrichten liefert, und nicht zuletzt Arbeiten, denn vielfach läuft das Radio parallel zur Büroarbeit. Das Medium Radio verfügt über eine große Bandbreite in den Darstellungsmöglichkeiten von Unternehmen und Produkten. Neben den klassischen, journalistischen Formen wie OriginalTon, Beitrag und Interview (Buschardt 1998: 44 ff.) nutzen Hörfunksender auch regelmäßig die Form der Programm-Aktion.
Beispiel: Audio-PR bei der Markteinführung Ein neues Produkt kann auf sehr unterschiedliche Weise radiotauglich präsentiert werden. Wenn ein neuartiges Kinderspielzeug mit pädagogischem Ansatz und Interaktionsmöglichkeit positioniert werden soll, ist beispielsweise zu denken an: Hörfunk-Beiträge: Mit Unterstützung einer Audio-PR-Agentur (s. u.) werden unterschiedliche Beiträge für die Magazinsendungen der Radiosender erstellt: – Service-Beitrag mit aktuellem Aufhänger: Weihnachten – Geschenke-Tipp – Vorstellen des Produktes durch ein Interview mit einem Kinderpsychologen/-pädagogen – Spiele-Test: Eine Mutter testet mit ihrem Kind die Funktionen des Spiels Programm-Aktionen: Die Magazinprogramme der öffentlich-rechtlichen Sender und die meisten privaten Radiosender legen sehr großen Wert auf die Interaktion mit ihren Hörern. Deshalb gehören Aktionen und Gewinnspiele zum festen Bestandteil der meisten Programme. Es können spielerische Formen der Produktpräsentation entwickelt werden, wobei den Sendern die Produkte zum Verlosen zur Verfügung gestellt werden. Senderkontakte, redaktionelle Aufbereitung und die gesamte Abwicklung werden zumeist von Audio-PRAgenturen übernommen.
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Eine besonders wichtige Rolle spielt das Medium Radio bei der Krisenkommunikation (Höbel 2007). Häufig reagieren Unternehmen in entsprechenden Situationen auf Vorwürfe nur mit schriftlichen Erklärungen. Diese werden von Journalisten in Hörfunk-Meldungen eingearbeitet. Dabei hat der Original-Ton eine sehr viel höhere Glaubwürdigkeit und räumt dem Unternehmen auch grundsätzlich mehr Platz in der Berichterstattung ein. Intelligente Strategien für die Krisenkommunikation beziehen daher die Audio-PR systematisch mit ein und berücksichtigen, dass Nachrichtensendungen permanent aktualisiert werden und die Nachrichtenredakteure regelmäßig neues Material benötigen.
1.4
Zusammenarbeit mit Audio-Agenturen
Die Konzeption, Produktion und Bereitstellung von Informationsmaterial für den Hörfunk stellt Unternehmen vor besondere Herausforderungen. Die handwerklichen und technischen Besonderheiten des Mediums sind ebenso wenig zu unterschätzen wie die Notwendigkeit, stets einen aktuellen Überblick zu haben, was welcher Sender aufgrund seines Programmschemas und seiner redaktionellen Linie wann benötigt. Deshalb bietet es sich an, spezialisierte Audio-PR-Agenturen einzuschalten. Entsprechende Dienstleister sind in Deutschland seit Mitte der 80er Jahre auf dem Markt. Ihre Auftraggeber sind Unternehmen und andere Kommunikationstreibende; ihre Abnehmer sind bundesweit über 500 Hörfunk-Redaktionen bei den 326 Radioveranstaltern. Audio-Agenturen arbeiten häufig auch als Subunternehmen für klassische Kommunikations- und PR-Agenturen, wenn diese ihrem Kunden die komplette Abdeckung aller Kanäle anbieten wollen. Audio-PR-Agenturen legen großen Wert darauf, Partner der Redaktionen zu sein und sie bei ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Den Journalisten muss es so einfach wie möglich gemacht werden, an das gelieferte Material heranzukommen. Ein optimales Medium ist das Internet. Hier werden Beiträge und O-Ton-Material bereitgestellt, das Hörfunkredakteure kostenlos und in bester Qualität herunterladen können. Da Audio-Agenturen meist für verschiedene Kunden arbeiten, informieren sie die Hörfunkredakteure mit regelmäßigem Newslettern über das Material, das zum Download im Internet bereitsteht, und über die aktuellen Themen, die die Agentur gerade bearbeitet. Besonders in der aktuellen Arbeit unterscheiden sich Audio-Agenturen nicht von den klassischen Korrespondenten der Radiosender. Sie liefern keine Schleichwerbung, sondern journalistische Arbeit. Redakteure der Agentur sind beispielsweise bei Pressekonferenzen des Kunden vor Ort, schneiden den Original-Ton der Pressekonferenz mit, bereiten das Material vor Ort sendefertig auf und beliefern die Redaktionen aktuell mit O-Ton-Material. Für die Redaktionen ist dieser Service selbstverständlich kostenlos. Gerade in den letzten Jahren wird dieses Angebot der Audio-Agenturen dankbar angenommen, da wie in allen Bereichen auch in den Hörfunk-Redaktionen an Personal, Reisekosten und Honoraren gespart wird.
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Wie generell in der Unternehmenskommunikation ist auch bei der Audio-PR die Dokumentation der Ausstrahlungsergebnisse ein sehr wichtiger Teil der Agenturarbeit. Eine solche Dokumentation umfasst beispielsweise die Gesamtreichweite aufgeschlüsselt nach StundenNetto-Reichweite (aufgrund der aktuellen Media-Analyse) und Tagesreichweite. Außerdem die Liste aller Sender, die Material ausgestrahlt haben, das komplette angebotene Audiomaterial sowie sämtliche Moderationstexte und alle Newsletter, die an die Sender zum Thema geschickt wurden.
2.
Kommunikationspartner Fernsehen
Analog zur Audio-PR ist es für große Unternehmen heute eine Selbstverständlichkeit, TVRedakteuren sendefertiges Material zur Verfügung zu stellen. Dafür gibt es in Deutschland einige hundert spezialisierte TV-Produktionsfirmen. Sehr wenig wird diese Möglichkeit, das Unternehmen oder einzelne Produkte dem Fernsehpublikum zu präsentieren, bislang von mittelständischen Unternehmen genutzt. Warum, so fragen sich viele Firmenchefs und Pressesprecher solcher kleinerer Unternehmen, sollte ein Fernsehsender Interesse an ihrer Firma haben? Darauf gibt es mehrere Antworten: Zum einen gibt es in Deutschland nicht nur die bekannten nationalen Sender wie ARD, ZDF, RTL, ProSieben oder SAT.1. Relevant sind auch die 255 regionalen TV-Sender in öffentlich-rechtlicher und häufig auch privater Trägerschaft. Wo ein solches Programmangebot vorhanden ist, gibt es auch Bedarf an regionalem Material. Zudem dürfen die kleineren, spezialisierten Sender mit nationaler Reichweite nicht außer Acht gelassen werde. N24, n-tv, Bloomberg TV und andere berichten teilweise rund um die Uhr über Wirtschaftsthemen und sind ähnlich wie Radiostationen darauf angewiesen, dass sie häufig neues Material zur Verfügung haben. Schließlich produzieren auch die großen TV-Sender eine Vielzahl von Sendungen, in denen kleinere Firmen eine Chance haben, mit ihren Entwicklungen und Produkten vorgestellt zu werden. Ein Beispiel ist „Galileo“, die populäre Wissenschaftssendung des Senders ProSieben. Es lohnt sich also durchaus, Angebote für TVRedaktionen zu machen. Vergleicht man TV mit Radio, dann fallen einige signifikante Unterschiede auf. Der Fernsehkonsum findet vorwiegend am Abend statt. Die Tagesverlaufskurve sieht dementsprechend anders aus als beim Hörfunk. 98 Prozent der Deutschen verfügen mindestens über ein TVGerät. Durchschnittlich sitzt der Deutsche am Tag 212 Minuten vor dem Fernsehgerät; Frauen 240 Minuten und Männer 213 Minuten (AG.MA 2005). Die meisten Nutzer schauen sich Sendungen bewusst an und beschränken sich auf das Zuschauen, üben also keine weitere Tätigkeit währenddessen aus. Zwar wird immer wieder das Schreckensbild gezeichnet, dass
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TV allmählich den Rang eines weiteren medialen Mitläufers einnehme – Stichwort: „Bügelfernsehen“ – aber die Wissenschaft hat bisher keine entsprechenden Belege dafür gefunden. Auch wenn das Fernsehen im Hinblick auf die Nutzungsdauer hinter dem Radio liegt, ist es bei den Rezipienten doch das mit Abstand beliebteste Medium. Ins Bild kommt allerdings nur, wer die Grundregeln der Fernseh-PR kennt. Wie beim Hörfunk gilt auch beim Fernsehjournalisten: Die Story zählt. Das Unternehmen muss eine gute Geschichte präsentieren, die beim Zuschauer Interesse erzeugt. Denn speziell bei den nationalen TV-Sendern ist Quote alles, und die Reichweiten vom Vortag kommen Tag für Tag auf die Redaktionstische. Die Erfolgsmessung ist hier weiter fortgeschritten als in allen anderen Medien – die Redaktionen sehen schwarz auf weiß, was die Zuschauer interessiert hat und was nicht; eine „lahme Story“ kann sich kein Fernsehjournalist leisten.
2.1
Bereitstellung von Footage-Material
Bei der Zusammenarbeit mit dem Fernsehen gilt es ebenfalls, die Themen des Unternehmens genau zu analysieren, die TV-Tauglichkeit herauszuarbeiten und – das ist dann der größte Aufwand – für die entsprechenden Bilder zu sorgen. Im Branchenjargon heißt das kostenlose Material, mit dem eine Geschichte bebildert werden soll, Footage-Material. Dieses Material wird vorab gedreht. Für einen TV-Bericht von eineinhalb bis drei Minuten Länge sind je nach Inhalt 15 bis 30 Minuten Footage-Material erforderlich. Das Drehen dieses Material und die Inszenierung der Bilder müssen Profis bzw. spezialisierten TV-Produktionsfirmen überlassen werden. Es ist durchaus möglich, fertige Statements, beispielsweise das Statement eines Vorstandsvorsitzenden, als Footage-Material anzubieten. Häufiger aber benötigt der TV-Redakteur Schnittmaterial, Kamerafahrten durch Werkshallen, szenische Bilder von der Produktanwendung. Je professioneller das Material produziert ist, je ungestellter die Bilder erscheinen und je dezenter das Firmenlogo auftaucht, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass das Material verwendet wird. Perfektioniert hat die Lieferung solcher Bilder die Automobilbranche, die von der Fahrt durch die Lavendelfelder der Provence bis hin zur neuschneebedeckten Passfahrt alles anbietet, was sich ein Redakteursherz wünscht. Footage-Material sind keine fertigen Beiträge, sondern unvertontes Bildmaterial. Dieses verwendet der Redakteur in seinem Beitrag, er schreibt den Text selbst, wählt die Bildsequenzen selbst aus. Häufig mischt er dazu noch eigenes Material dazu, beispielsweise ein Interview mit einem Firmenvertreter, das er selbst geführt hat. Warum dann aber überhaupt der Aufwand, wenn das TV-Team doch selbst dreht? Fernsehbilder leben von der Bewegung, brauchen Handlung. Und das Verlesen einer Pressemitteilung auf der Bilanz-Pressekonferenz oder ein Statement des Vorstands danach eignet sich allenfalls für ein kurzes Stück in den Nachrichten, nicht aber für einen Bericht von 60 oder 90 Sekun-
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den. Und wenn ein Unternehmen im Fernsehen präsent sein will, dann muss es auch dafür sorgen, dass der Redakteur über genügend Material verfügt. Professionelle Kommunikationsmanager oder Agenturen werden deshalb schon im Vorfeld einer Pressekonferenz nachfragen, was der angemeldete TV-Redakteur an Material benötigt, was er gerne hätte. Je besser auf die Journalistenwünsche eingegangen wird, desto größer ist die Chance, dass das Unternehmen breit dargestellt wird.
2.2
Interviews und Live-Berichte
Während die Bereitstellung von Footage-Material vom Unternehmen geplant und langfristig vorbereitet werden kann, muss bei TV-Interviews, Statements bei Veranstaltungen bzw. Messen sowie der Teilnahme der Geschäftsleitung als Gast bei Fernsehmagazinen und Talkshows häufig kurzfristig reagiert werden. Die Spielregeln der einzelnen Formate unterscheiden sich stark und sind erfahrenen Kommunikationsverantwortlichen bekannt (Wachtel 1999). In der Praxis bietet es sich an, die wichtigsten Entscheider im Unternehmen durch Medientrainings auf entsprechende Situationen vorbereiten. Wenn sich ein TV-Team zur Berichterstattung bei einer Pressekonferenz, Produktvorstellung oder Veranstaltung ankündigt, sollte die Kommunikationsabteilung diesem einen Betreuer zur Seite stellen, entweder einen eigenen oder einen Mitarbeiter einer PR-Agentur. Dieser Betreuer hilft, Barrieren zu überwinden; er besorgt Redakteuren und Kameraleuten passende Interviewpartner oder macht das Team auf besonders interessante Themen und Bildmotive aufmerksam. Er sollte aber auch verhindern, dass Fragen gestellt werden, die nichts mit dem Thema des Tages zu tun haben.
Beispiel: Testimonials richtig nutzen Es gibt Unternehmen, die für ihre Produktpräsentation für teures Geld Prominente – so genannte Testimonials – engagieren, um TV-Redakteure für ihr Thema zu interessieren. Und dann vergessen, den Fernsehteams einen kompetenten Betreuer zur Seite zu stellen. So geschehen bei einem PR-Auftritt, für den Boris Becker engagiert wurde. Die Journalisten haben die Gelegenheit genutzt und wollten von Boris Becker alles Mögliche wissen, nur nichts zu den vorgestellten Produkten. Da wurde nach dem Abschneiden des FC Bayern München in der nächsten Saison gefragt, Becker wurde zu seiner gescheiterten Beziehung interviewt; ein TV-Team nutzte die Gelegenheit, ihn nach seiner Meinung zum Weltfrauentag zu fragen. Das war nicht nur nicht im Sinne des Erfinders, sondern hat auch Becker sichtlich genervt. Der Veranstalter der Pressekonferenz hatte schlichtweg vergessen, einen „gestandenen“ PR-Profi – nicht die Praktikantin – wie einen Schatten neben und vor den prominenten Gast zu stellen.
Radio und TV in der Unternehmenskommunikation
3.
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Zukunftsperspektiven: Business-TV und Podcasts
Durch die Digitalisierung der Medienproduktion ist es Unternehmen inzwischen möglich, Audiobeiträge und Filmbeiträge nicht nur an etablierte Hörfunk- und TV-Sender zu liefern und deren Verbreitungswege zu nutzen, sondern eigene Kommunikationskanäle für Mitarbeiter, Handelspartner und andere Stakeholder aufzubauen. Damit wandelt sich die Perspektive: Die Unternehmenskommunikation wendet sich nicht mehr an Radio und TV als Partner, sondern tritt als Anbieter in Konkurrenz zu deren Angeboten und muss eigene attraktive Formate, Inhalte und Geschäftsmodelle entwickeln. Bedeutung erlangte diese Vorgehensweise erstmals Mitte der 90er Jahre mit dem BusinessTV. Großunternehmen wie DaimlerChrysler, die Deutsche Bank und BASF begannen, nach dem Modell der klassischen Fernsehproduktion in speziellen Studios regelmäßige Nachrichten für die weltweite Mitarbeiterkommunikation oder Schulungsprogramme zu produzieren (Jäger 1999). Die Verbreitung erfolgt zumeist über Satellit oder Kabel mit Digitaldekodern an vorab definierte TV-Empfänger in Firmenniederlassungen, bei Händlern oder Schulungszentren. Aufgrund der sehr hohen Produktionskosten (1,5 bis 3 Millionen Euro Grundfinanzierung, 500 bis 1.500 Euro Produktionskosten pro Sendeminute) sind die Einsatzmöglichkeiten allerdings begrenzt. Aktuelle Ansätze setzen daher auf kostengünstigere Formen des IntranetTV. Dabei wird weiterhin professionell in Studios und mit mobilen TV-Teams produziert, aber die Verbreitung geschieht vorwiegend über breitbandige Netze im firmenweiten Intranet und teilweise auch frei zugänglich im Internet. Ein Beispiel hierfür ist das Bahn TV der Deutschen Bahn (www.bahntv-online.de).
Beispiel: Bahn TV Seit Januar 2001 informiert Bahn TV über alle Themen rund um das Thema Verkehr – auf Straße und Schiene, in der Luft und auf dem Wasser. Bahn TV wird über den Satelliten Astra digital unverschlüsselt ausgestrahlt und ist sowohl mittels Fernsehgerät als auch über Intranet und Internet (www.bahntv-online.de) zu empfangen. Bahn TV sendet rund um die Uhr. Es umfasst neben den Nachrichten um 12 Uhr und 18 Uhr unterschiedliche Formate wie Reportagen, Features, Talksendungen und Magazine. Tagsüber sind Beiträge im 15-Minuten-Rhythmus zu sehen; im Abendprogramm ab 20 Uhr laufen auch Beiträge bis zu 90 Minuten Länge. Die Nachrichten und Talksendungen werden von einem spezialisierten Dienstleister im eigenen TV-Studio der Deutschen Bahn AG am Potsdamer Platz in Berlin produziert.
Erst in den Kinderschuhen steckt das Podcasting (Voß 2006, Rubens 2006). Dabei geht es darum, selbst produzierte Audio-Beiträge im Rahmen der internen und externen Unternehmenskommunikation über das Internet bzw. Intranet bereitzustellen. Das funktioniert deshalb
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so gut, weil es heutzutage keinen Rechner mehr gibt, der nicht über zwei kleine Lautsprecher verfügt und mit Hilfe der passenden Standardsoftware MP3-Audiodateien abspielen kann. Beim Podcasting werden kurze Hörfunkbeiträge produziert, die dann zum Download angeboten oder mit Hilfe der für die Internetkommunikation wichtig gewordenen RSS-Technologie (Pleil/Zerfaß 2007) automatisch an die Nutzer verteilt werden. Der Vorteil ist, dass keine tagesfüllenden Programme produziert werden müssen, sondern die Nutzer sich selbst ein Portfolio von interessanten Beiträgen zusammenstellen, das dann auf dem Computer oder mobilen Geräten (iPods, MP3-Playern) rezipiert wird. Unternehmen wie IBM und BMW nutzen diese Möglichkeiten bereits, um relevante Themen, beispielsweise aus dem Bereich Investor Relations oder Produktkommunikation, zielgruppenspezifisch aufzubereiten. Diese Perspektiven verdeutlichen, dass Radio und TV ein integraler Bestandteil jeder Kommunikationsstrategie sein sollten – sei es im Sinne der Zusammenarbeit mit den entsprechendern reichweitenstarken Medien oder durch die Nutzung multimedialer Formate in der Direktansprache wichtiger Multiplikatoren und Stakeholder.
Literatur
AG.MA Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (2005): Media-Analyse 2005 II, Wiesbaden. Buschardt, Tom (1998): Öffentlichkeitsarbeit: Hörfunk. Handbuch über den Umgang mit dem Medium Hörfunk, Berlin. Höbel, Peter (2007): Kommunikation in Krisen – Krisen in der Kommunikation, in diesem Band. Jäger, Wolfgang (Hrsg.) (1999): Unternehmenskommunikation durch Business TV, Wiesbaden. Mast, Claudia (Hrsg.) (2004): ABC des Journalismus, 10. Auflage, Konstanz. Pleil, Thomas/Zerfaß, Ansgar (2007): Internet und Social Software in der Unternehmenskommunikation, in diesem Band. Rubens, Annik (2006): Podcasting. Das Buch zum Audiobloggen, Köln. Voß, Jochen (2006): Der gute Ton, in: PR Magazin, 37. Jg., Nr. 1, S. 37-39. Wachtel, Stefan (1999): Überzeugen vor Mikrofon und Kamera, Frankfurt a. M.
Redemanagement: Worte schaffen Werte Vazrik Bazil
Unternehmen haben ein Gesicht (Corporate Design). Sie haben aber auch eine Stimme (Sprachkultur), die sich in schriftlichen und mündlichen Äußerungen ausprägt. Besonderes Gewicht kommt dabei dem PR-Instrument Rede zu, weil erstens die Vorstandsvorsitzenden bzw. Vorstandsmitglieder die meisten Reden in Unternehmen halten und zweitens die Firmenlenker zur Hälfte das Image ihrer Unternehmen prägen. Reden tragen folglich zur Wertschöpfung bei. Welche Aufgaben umfasst daher das Redemanagement? Wie sollen Reden konzipiert werden, damit sie die Identität der jeweiligen Unternehmen widerspiegeln? Auf welche Ressourcen können Redenschreiber bzw. Redner zurückgreifen, und wie werden sprachliche Leitlinien entwickelt? Mit diesen Fragen befasst sich der vorliegende Beitrag.
1.
Rede als Konvention?
Unternehmenskommunikation ohne Reden ist unvorstellbar. Laut einer Umfrage des Verbandes der Redenschreiber deutscher Sprache und der Wirtschaftswoche werden allein in den 500 großen deutschen Unternehmen jährlich ca. 29.000 Reden gehalten (Bazil 2002: 2 ff.) – auf Bilanzpressekonferenzen, Führungskräfteversammlungen, Kongressen, bei Jubiläen, Geburtstagen und Richtfesten usw. Redeanlässe bieten sich an oder werden, aus taktischen und strategischen Gründen, geschaffen. Reden halten – eine sinnlose Gewohnheit oder ein effektives Instrument, eine lästige Pflicht oder eine unverzichtbare Aufgabe, eine Notwendigkeit ohne eine Konvention? Immerhin lehnen 78 Prozent Prozent der Großunternehmen die Rede als bloße Konvention ab. Sie sehen in ihr sowohl ein wichtiges Instrument unternehmenspolitischer Arbeit (83 Prozent) als auch ein Instrument der Kommunikation (76 Prozent), sowohl ein Marketinginstrument (70 Prozent) als auch ein Instrument der Mitarbeiterkommunikation (56 Prozent). M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_22, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Kurzum: Reden sind für die meisten Unternehmen ein Instrument interner und externer Kommunikation. Sie dienen der Information, Motivation, Unterhaltung oder treten als personenbezogene Äußerungen wie Laudationes auf. Im unternehmerischen Alltag jedoch handelt es sich um Mischformen, die mehrere dieser Funktionen erfüllen. Wer sich in der Redekunst üben will, besucht Seminare oder liest Bücher, die oft mit „Rhetorik“ betitelt sind und „Tipps und Tricks“ zu offenbaren verheißen. Zum Repertoire dieser Bücher und Seminare gehören rhetorische Elemente wie Einstieg, Argumentation, Humor, Redefiguren, Schluss, Formulierungen, Zitate, Umgang mit Zwischenrufen, Körpersprache usw. In der Tat verbessert die richtige Handhabung dieser Bausteine die Erfolgsaussichten jeder Rede – sei sie eine Informationsrede, Motivationsrede, Unterhaltungsrede oder Persönlichkeitsrede, sei sie in der Pressekonferenz, im Parlament, vor Aktionären oder zum Geburtstag eines Freundes. Doch einen entscheidenden Punkt lässt dieser Ansatz aus: In und durch Reden stellt sich erstens der Redner bzw. die Rednerin und zweitens die Organisation dar, in deren Namen er bzw. sie spricht. Wer am Rednerpult steht, bewegt sich auf vier Ebenen (Thun/Ruppel/Stratmann 2001: 33): Information (der Redner spricht über eine Sache), Kontakt (der Redner stellt den Kontakt zum Publikum her), Appell (der Redner will das Publikum zu einer Handlung überzeugen) und Selbstdarstellung (der Redner stellt sich selbst und dadurch auch sein Unternehmen dar). Und es ist diese Selbstdarstellung, aus der „Identität“, „Image“ oder „Marke“ hervorgehen und über den Unternehmenswert entscheiden. Warum Redner sich dieses Aspektes bewusst sein sollten, zeigt ein anderer Befund in der obigen Umfrage. Diese stellt unter anderem fest, dass die meisten Reden von den Vorständen gehalten werden – knapp die Hälfte vom Vorstandsvorsitzenden selbst und die andere Hälfte von den restlichen Vorstandsmitgliedern (Bazil 2002: 5). Natürlich bedient sich auch die zweite Managementebene weidlich dieses Instruments. Aber je höher wir in der Managementhierarchie aufrücken, umso wichtiger wird die Rede für das Unternehmensimage insgesamt, zumal geplante Kommunikation heute verstärkt auf direkte und personalisierte Ansprache von Stakeholdern setzt. Die Reputation des Chief Executive Officer (CEO) ist zu 50 Prozent für das Unternehmensimage verantwortlich (idw 2004). Die Person, die an der Spitze einer Organisation steht, prägt also entscheidend deren Erscheinungsbild. Es besteht sogar zwischen dem Image des Unternehmens und dem Ruf des Firmenchefs ein statistisch nachweisbarer Zusammenhang: Ein gutes Firmenimage und ein hohes Ansehen des Vorstandsvorsitzenden verstärken sich gegenseitig. Im Gegenteil zieht ein schlechter Ruf des Vorsitzenden auch die Reputation des Unternehmens in Mitleidenschaft. Deshalb müssten das Image des Vorstandsvorsitzenden und das des Unternehmens regelmäßig gepflegt und ausgewertet werden. Insbesondere in den Beziehungen zu Kunden und zur Öffentlichkeit bildet sich das Unternehmensimage, während das Erscheinungsbild des Vorstandsvorsitzenden vor allem in den Beziehungen zur Öffentlichkeit (vermittelt durch die Medien) und zu den Aktionären entsteht (Rolke 2005: 42). Den obigen Befund bestätigt auch eine Umfrage der Agentur Güttler + Klewes (2001). Danach hält ein Drittel aller Anleger die Aktie, wenn die Person des CEO überzeugend ist. Völlig identifiziert mit Personen werden eher kleinere Organisationen bzw. Unternehmen. Bei
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Saatchi und Saatchi z. B. war das Unternehmen um seine Reputation besorgt, weil die beiden Brüder Saatchi und Saatchi es verlassen hatten. Mag diese Gleichsetzung bei größeren Unternehmen schwächer ausgeprägt sein, so spielen die Vorstandsvorsitzenden hier dennoch eine gewichtige Rolle: Man denke an Lee Iacocca bei Chrysler, Jack Welch bei GE oder Michael Eisner bei Walt Disney. Im Absatzmarkt bestätigt sich zudem immer häufiger, dass sich das Unternehmensimage besser verkauft als die so genannte einzigartige Produktbesonderheit. Die Hauptverantwortung für das Firmenimage trägt der Vorstandsvorsitzende, weshalb die Vorstandsvorsitzenden akzeptieren müssten, dass nicht nur ihr Unternehmen, sondern auch sie selbst als Marken wahrgenommen werden. So beträgt heute die Berichterstattung über den Vorstandsvorsitzenden bereits 10 Prozent der gesamten Berichterstattung über das Unternehmen. Wenn also die meisten Reden, wie es die obige Umfrage ergab, von Mitgliedern der Vorstände und an deren Spitze von den Vorstandsvorsitzenden gehalten werden, dann kommt der Rede eine eminente Bedeutung zu: Sie trägt zur Wertschöpfung bei. Um das Potenzial des PR-Instruments Rede auszuschöpfen, gilt es zunächst, ein präziseres Verständnis von Unternehmen als einer Organisationsform zu gewinnen.
2.
Unternehmen als Deutungsgemeinschaften
Es gibt betriebswirtschaftliche, volkswirtschaftliche, juristische oder soziologische Auffassungen von Unternehmen. Für das Image- und Redemanagement scheint die Definition von Unternehmen als einer Deutungsgemeinschaft ein angemessener Ansatz zu sein – einer Gemeinschaft, der alle „Stakeholder“, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, aber auch Anteilseigner, „Shareholder“, angehören (Hinterhuber/Stahl 1996: 9). „Menschliches Verhalten und Handeln – sei es nichtsprachlicher oder sprachlicher Art – ist von und für Menschen interpretierbar, weil es neben vielen anderen Eigenschaften immer die der Zeichenhaftigkeit aufweist. Von der Geste bis zum „signifikanten“ Symbol, vom Anzeichen und Symptom bis zum konstruierten und eindeutig definierten mathematischen Zeichen, vom Körper- und Gesichtsausdruck bis zur Kleidung, vom Natureindruck bis zum menschlichen Produkt ordnen wir uns und unserer Umwelt Zeichenqualitäten zu und konstruieren damit den menschlichen Interpretationshorizont“ (Soeffner 1991: 65). Der Kommunikation obliegt es nun, diese Deutungen sowohl binnenperspektivisch, intern, als auch außenperspektivisch, extern, zu gestalten und die Unternehmensleitung, das Management, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuhalten, sich in ihrem Handeln an diesen Deutungen zu orientieren. Wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Unternehmen verstehen, so entscheiden und handeln sie. Und wie die Umwelt das Unternehmen einschätzt, so entscheidet und handelt sie.
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Marken und Images sind „das Ergebnis eines öffentlichen Deutungsprozesses“" (Buß/FinkNeuberger 2000: 41). Interne Stakeholder sind einem ständigen „Rauschen“ ihrer Umwelt ausgesetzt, das mehrdeutig ist und der dauernden Deutung bedarf. Externe Stakeholder ihrerseits sind auf nicht-beobachtbare Handlungen der Unternehmen angewiesen und versuchen, diese Lücke durch Deutungen zu schließen. Auch für sie ist das unternehmerische Handeln mehrdeutig. Gerade in Zeiten von unausgesetzten Veränderungen sind Handlungen, Äußerungen und Fakten mehrdeutig. Handlungsrelevant – für interne und externe Stakeholder gleichermaßen – werden diese Mehrdeutigkeiten erst dann, wenn sie eindeutig interpretiert bzw. wenn entsprechende Wirklichkeiten konstruiert werden. Realitäten werden auf drei ineinander greifenden Ebenen gebildet: Individuelle Konstruktionen. Sie sind bedingt durch die Persönlichkeit des Menschen. Soziale Konstruktionen. Sie beruhen auf Interaktionen im Unternehmen, wodurch Mitarbeiter gemeinsam ihre Wirklichkeiten bilden und sich im Alltag danach verhalten. Verarbeitete Konstruktionen. Sie sind die Essenz der beiden vorausgegangenen Konstruktionen. „Visionen“, „Leitlinien“ und „Direktiven“ sind solche verarbeitete Konstruktionen, die nur dann gelingen, wenn sie partizipativ erarbeitet und nicht vom „oben“ nach „unten“ delegiert oder zuerst „gedacht“ und dann zum Handeln „freigegeben“ werden. Merten nennt diese Deutungen bzw. Konstruktionen „Fiktionen“, die ihrerseits Fakten schaffen (Merten 1999: 254). Aber nicht von „wahren“ oder „falschen“ Wirklichkeiten ist die Rede, sondern vielmehr von „sinnvollen“ oder „unpassenden“ Realitäten, welche nur im Kontext einer symbolvermittelten Interaktion gültig oder ungültig sein können. Überdauern bestimmte Deutungen Zeitabschnitte und werden sie reproduziert, dann verwandeln sie sich in „objektive“ Realitäten. Werden sie aber „getestet“ und als unpassend empfunden, dann springen neue Interpretationen in die Bresche und bilden, nach bestimmter Zeit, neue, „objektive“ Wirklichkeiten. (Hinterhuber/Stahl 1996: 10). Die Aufgabe der Kommunikation besteht nun in der Integration von Deutungen, die sich in „Unternehmenskulturen“, „Corporate Identities“, „Images“ und „Marken“ verdichten. Grund genug für eine Projektgruppe der Uni GH Essen, die Kommunikation folgendermaßen zu umschreiben: „Kommunikation: Wie statt Was, Konstruktion statt Existenz, Methode statt Gegenstand, Interpretation statt Bedeutung“.1 Reden eignen sich ausgezeichnet dafür, Deutungsrahmen festzulegen und „Texte“ in „Kontexte“ einzubetten. Genau diese Deutungskompetenz ist neben Leistung, interpersonaler Kompetenz, Problemlösungskompetenz und Vorbildfunktion eine zentrale Führungsaufgabe, die Vorständen, vor allem aber dem Vorstandsvorsitzenden obliegt. Die vorstehenden Überlegungen zeigen, dass sinnvolles Redemanagement nicht nur anlassbezogen (heute diese, morgen jene Rede) handeln (z. B. Redetexte verfassen, Spickzettel vorbereiten usw.) darf, sondern die Grundlagen eines anlassunabhängigen Konzeptes legen soll. Dies umso mehr, als Reden in Unternehmen ein eigenes Netz spannen: Jede Rede steht in Verbindung erstens mit anderen Reden, die dieselbe Person bereits gehalten hat oder halten 1
www.corporate-communication-projekt.de/grundlagen04.php.
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wird, zweitens mit Reden, die andere Personen desselben Unternehmens gehalten haben oder halten werden, und drittens mit anderen Instrumenten, die in der Unternehmenskommunikation eingesetzt werden, wie Veranstaltungen, Pressemitteilungen, Anzeigen usw. Wie lassen sich unser Leitbild, unsere Grundüberzeugung, unsere Unternehmenskultur, unsere Werte, unsere „Philosophie“ herunterbrechen in sprachliche Handlungen, die entsprechende Deutungsrahmen für anlassbezogene Reden abstecken und „Texte“ in „Kontexte“ einzubetten wissen? Dabei gilt es mehrere Aufgaben zu bewältigen: Schaffung einer Sprachkultur, die aus der Identität des Unternehmens hervorgeht; Entwicklung von Leitlinien für Reden; Bewusster Umgang mit Metaphern, Schlüsselwörtern und Mythen.
2.1
Schaffung einer Sprachkultur
Jede Organisation ist bestrebt, ein kohärentes und konsistentes, dem eigenen Selbstverständnis entsprechendes Bild nach innen und nach außen zu vermitteln. Bestandteile dieser Selbstdarstellung sind bekanntlich Corporate Philosophy (Selbstverständnis), Corporate Design (äußeres Erscheinungsbild), Corporate Behavior (geschlossenes Auftreten). Millionen werden in die Entwicklung und Umsetzung von Corporate-Identity-Projekten investiert, stiefmütterlicher dagegen wird ein anderes wichtiges Element der Kommunikation behandelt: Sprache und Sprachkultur. Über die Gründe, weshalb Sprachkulturen nicht systematisch analysiert und gepflegt werden, kann man trefflich streiten. Ein Grund könnte darin liegen, dass es sich beim Design meistens um „Vorlagen“ (Logo, Visitenkarten, Briefbögen etc.) handelt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach übernehmen und einsetzen. Niemand in der Organisation käme auf den Gedanken, diese Vorlagen beliebig nach eigenem Geschmack und momentaner Stimmung zu ändern. Der Umgang mit der Sprache allerdings unterliegt anderen Gesetzmäßigkeiten. Hier kann es selten allgemeingültige „Vorlagen“ bzw. Standardsätze und -absätze geben. Gäbe es solche, dann wären sie entweder bloß sachlicher Natur oder würden auf Beziehungsebene kommunikative Schäden anrichten. Dies erschwert den geplanten Umgang mit der Sprache und die Pflege einer gemeinsamen, der Organisation entsprechenden Sprachkultur. Ob nun Sprachkultur als Corporate Language neben den vorerwähnten drei Säulen der korporativen Identität, Philosophie, Design und Verhalten, als vierte Säule gestellt werden kann, scheint auf den ersten Blick nahe liegend, auf den zweiten aber unnötig zu sein. Denn sprachliche Äußerungen – und dazu zählt auch die Rede – sind Handlung (Searle 1971) und lassen sich füglich dem Corporate Behavior zuordnen. Sprachliche Äußerungen, seien sie schriftlich oder mündlich, haben die Aufgabe, die Identität der Organisation widerzuspiegeln und deren Erscheinungsbild bei den Zielgruppen positiv zu beeinflussen. Eine Methode, wie diese Sprachkultur dem Selbstverständnis des Unternehmens entsprechend gestaltet werden kann,
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ist die Semiometrie, die von TSN Emnid und SevenOne entwickelt wurde (Bazil 2005: 45 ff.). Diese Methode geht von folgendem Leitgedanken aus: Menschen treffen ihre Entscheidungen nach Trägern von Werten. Die Gesellschaft teilt sich in 14 Wertekategorien, innerhalb derer sich Unternehmen und Produkte positionieren können – familiär, sozial, religiös, materiell, verträumt, lustorientiert, erlebnisorientiert, kulturell, rational, kritisch, dominant, kämpferisch, pflichtbewusst und traditionsverbunden. Interessant für uns ist diese Methode deshalb, weil sie Wörter als Indikatoren zur Messung von Werten einsetzt – 210 Wörter insgesamt. Je nachdem wie die Zielgruppen bestimmte Wörter positiv oder negativ beurteilen, zeigt sich die Position von Unternehmen oder Produkten. Entscheidend dabei ist der emotionale Gehalt der Wörter. Um zu verstehen, weshalb einige Befragte das eine Wort positiv oder das andere negativ besetzen, müssen wir zwischen der Denotation und Konnotation von Begriffen unterscheiden. Darauf gründet sich das gesamte semiometrische Verfahren. Mit Denotation bezeichnet man den Inhalt, die Grundbedeutung eines Begriffes. Zum Beispiel ist „Weihnachten“ ein christliches Fest, das jedes Jahr am 25./26. Dezember begangen wird. Die Konnotation dagegen ist die assoziative, nahezu immer emotional beladene Bedeutung des Begriffes, die von den individuellen Erfahrungen einzelner Personen abhängt. So verbindet der eine mit Weihnachten religiöse Vorstellungen, die andere nur das Element feiern und wieder ein anderer Erinnerungen an seine Kindheit. Natürlich gibt es auch Begriffe, die mehrere Denotationen haben. Ein Beispiel für einen Begriff, der im deutschsprachigen Kulturkreis mehrere denotative Bedeutungen hat, ist „Bank“. Hier kann es sich zum einen um ein Möbelstück und zum anderen um eine Institution zur Vermögensverwaltung handeln. Bei solchen Begriffen ist die Bedeutung nur aus dem weiteren Kontext zu erkennen. Daher existieren im Semiometriemodell nur Begriffe, die eindeutige denotative Bedeutungen haben, aber verschiedene Konnotationen hervorrufen. Es sind genau diese Konnotationen, welche die Brücke zur Zielgruppe bzw. zum Publikum schlagen und das Unternehmen positionieren. Auf diese Weise kann man die Semiometrie in der Entwicklung von Sprachkulturen einsetzen. Detaillierter soll hier allerdings auf die Redekultur eingegangen werden.
2.2
Leitlinien für Reden
Reden, die in Unternehmen gehalten werden, umfassen vier Größen: Redner, Redenschreiber, Unternehmen und Publikum. Einer strategischen, d. h. anlassunabhängigen, Planung des PR-Instruments Rede obliegt die Aufgabe, diese Größen ineinander zu integrieren, d. h. semiometrische Profile für den Redner, das Unternehmen und das Publikum zu erstellen, die miteinander kompatibel sind. Der erste Schritt in der Semiografie ist die Erarbeitung eines Selbstkonzepts – für den Redner und das Unternehmen. Dass die letztere bereits als ein CI-Konzept ausgearbeitet ist, darf als
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selbstverständlich gelten. Doch kaum eine Rednerin bzw. ein Redner vollzieht den gleichen Schritt für sich. Weil aber Reden Rückschlüsse auf den Redner und über ihn auf dessen Organisation ermöglichen, so muss der Redner ebenfalls ein Selbstkonzept ausarbeiten, das über konkrete Anlässe und Inhalte hinaus längere Zeitabschnitte überdauert. Gelingt es dem Redner bzw. dem Redenschreiber, beide Selbstkonzepte widerspruchslos ineinander zu integrieren, können daraus sowohl er als auch seine Organisation Nutzen ziehen. Das Selbstkonzept des Redners heißt Urrede (Bazil 2005: 71 ff.). Die Urrede ist eine Rede, die nie gehalten wird, wohl aber jeder gehaltenen Rede zugrunde liegt. Sie verdichtet auf ca. einer Seite das „Selbstkonzept“ oder die „Personal Story“ (analog zur „Corporate Story“ von Unternehmen) des Redners – unabhängig vom jeweiligen Anlass oder vom jeweiligen Publikum. Worum geht es bei der Urrede? Rednerinnen und Redner müssen klar darlegen, wie sie wahrgenommen werden möchten und wie sie sich selber sehen. Es geht um die Selbstbeschreibung ihrer Persönlichkeit. Die Person des Redners darf nicht hinter der Sache zurücktreten, denn überzeugen können Reden nur dann, wenn der Redner mit seinem eigenständigen Profil erlebt und wahrgenommen werden kann. Vor allem kann der Vorstandsvorsitzende als Mensch punkten. 70 Prozent der Befragten möchten den Menschen auch außerhalb seiner Funktion einschätzen können.2 Das sollte Redenschreiber ermutigen, die Person des Redners bzw. der Rednerin stärker in den Mittelpunkt der Rede zu stellen bzw. ihn oder sie auch als Menschen bewusst zu inszenieren. Einige Leitfragen bei der Erstellung dieses Selbstkonzeptes könnten sein: Was ist mir im Leben wichtig? Welche Erlebnisse haben mich geprägt? Welche Personen haben mich beeindruckt? Warum finde ich sie beeindruckend? Welche Filme haben starken Eindruck auf mich hinterlassen und warum? Welche Werte sind mir wichtig? Gibt es besondere Ereignisse, an die ich immer denke? Was schätze ich an anderen Menschen am meisten? usw. Anhand dieser und ähnlicher Fragen entwerfen Redner ein Selbstkonzept, das auf einem DIN-A4-Blatt niedergeschrieben werden kann. Wichtig ist daher nicht die Aufzählung alltäglicher Ereignisse oder die Beschreibung des Alltagsgeschäftes, sondern der rote Faden, der sich durch das Leben eines Menschen hindurch zieht. Es kommt also darauf an, die eigene Persönlichkeit in wenigen Kernsätzen zu beschreiben. Liegt diese Urrede einmal vor, kann sie zu verschiedenen Anlässen in die entsprechende Rede eingeflochten werden. Es muss also gelingen, das Typische eines Menschen hörbar zu machen. Denn das Publikum will den Menschen in seiner Einmaligkeit erleben und nicht eine Maschine, die nur Floskeln und Allgemeinplätze ausspuckt. Aber all dies geschieht unabhängig von einzelnen, konkret bevorstehenden Redeanlässen. Die Leistung des Redners bzw. des Redenschreibers besteht darin, die Urrede, das semiometrische Profil des Publikums und die Selbstbeschreibung des Unternehmens miteinander widerspruchslos zu verbinden und semiometrisch umzusetzen. Der werteorientierten Positionierung von Menschen und Unternehmen entspricht auch das Ziel der Argumentation in Reden. Dieses besteht nämlich nicht darin, die Folgen aus bestimmten Prämissen abzuleiten 2
Siehe PR Report vom 4. Mai 2001, S. 3.
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(wie in der Logik), sondern die Übereinstimmung eines Publikums mit den Thesen, die man seiner Zustimmung unterbreitet, hervorzurufen, d. h. die den Prämissen eingeräumte Zustimmung auf die Folgerungen zu übertragen. Die Anpassung an das Publikum heißt, die ihm vertrauten Thesen als Prämissen der Argumentation zu nehmen. Und dies vollzieht sich am besten, wenn der Redner einen mit den Wertevorstellungen des Publikums übereinstimmenden Werterahmen absteckt, innerhalb dessen er seine Kernbotschaft kommuniziert. Übereinstimmende Werterahmen schaffen Akzeptanz. Für den Erfolg von Reden ist natürlich auch die taktische Unterfütterung wichtig. Die klassische Rhetorik spricht hier von „Angemessenheit“ (aptum). Angemessenheit hängt von der „Situation“ ab, die mehrere Aspekte erfasst (Wunderlich 1971: 17 f.): Sprecher, Adressaten, Sprechzeit, Ort, Raum, Inhalt der Äußerung, Sprechervoraussetzungen über das eigene Wissen, Wissen des Publikums, Wahrnehmungsraum des Publikums, soziale Beziehung zwischen dem Sprechenden und dem Publikum, Verständnis der vorausgegangenen Interaktion, Intention des Sprechers, Erwartungen des Publikums. Erst wenn die strategischen (Selbstkonzepte) und taktischen (Situation) Ebenen ohne Widersprüche ineinander greifen, können Reden auch ihre Ziele erreichen.
2.3
Weitere Bestandteile einer Sprach- und Redekultur
Außer der wertebezogenen sprachlichen Positionierung gibt es weitere Bereiche, die strategisch eingesetzt werden sollten. Formulierungsleitlinien im Bezug auf Anreden, Anglizismen, weibliche und männliche Formen prägen gewiss den Stil eines Unternehmens und gehören in die Sprachkultur. Doch hier soll vor allem auf drei Bereiche eingegangen werden, die sorgfältigerer Einordnung bedürfen: Metaphern, Schlüsselworte, Mythen und Legenden.
2.3.1
Metaphern
Metaphern strukturieren alles, was wir wahrnehmen, weil wir unbekannte Sachverhalte erst durch deren Verknüpfung mit bekannten Sachverhalten verstehen können. Auch die Unternehmen verwenden allenthalben Metapher: „Geldströme“, „liquide“, „Supply Chain“, „Netzwerke von Verträgen“, „Weichen für die Zukunft stellen“, „Hierarchie“, „surfen“ usw. Allein die Wörter „Organisation“ – bezogen zuerst auf die Kirche (Corpus Christi) und den Staat (Commonwealth als politischer Körper bei Hobbes) – „Körper“ und „Körperschaft“ sind Metaphern und prägen das Verhalten von Kirchen, Staaten, Verbänden und Unternehmen. Für Unternehmen war in der Industrialisierung aber die Metapher vom Räderwerk der Maschine oder der Uhr entscheidend. Heute kehrt die Metapher der Organisation wieder zurück. Hängt man der mechanistischen Metapher an, so betont man die Effektivität und das reibungslose Ineinandergreifen von Handlungen; man entwickelt Konzepte wie Reengineering und setzt
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auf Kontrolle (alles ist kontrollierbar und muss kontrolliert werden). Im Falle der Organismusmetapher hingegen treten Umweltbeziehungen der Organisation und Lebenszyklen in den Vordergrund. Die Organismusmetapher betont die menschlichen Beziehungen, dezentrale Strukturen und setzt auf Netzwerke. Je nach dem Selbstverständnis des Unternehmens (Kontrolle/Vertrauen, Hierarchie/Netzwerke usw.) sollen hier sprachliche Entscheidungen getroffen und in die Sprachkultur integriert werden. Dasselbe gilt z. B. auch bei Veränderungsprozessen. Befindet sich ein Unternehmen im Veränderungsprozess, dann kommt Metaphern eine bedeutende Rolle zu. Das oft verwendete Bild des Hauses – Bau, Umbau, Ausbau – eignet sich kaum zur Beschreibung von Veränderungsprozessen in Unternehmen. Während der Hausbau ein abgeschlossener Prozess ist – vom Baubeginn über das Richtfest zur Fertigstellung – sind Veränderungsprozesse offen, mit Ungewissheit behaftet. Keiner kann zu Beginn die endgültige Gestalt am Ende voraussagen (Deekeling/Barghop 2003: 43 f.). Deshalb gilt es zu entscheiden – und danach richtet sich die Verwendung entsprechender Metapher in der mündlichen und schriftlichen Kommunikation –, ob das Management den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diese Unsicherheit verdeutlichen oder ihnen vielmehr das Gefühl der Sicherheit vermitteln will – mit dem Risiko eines unerfüllbaren Versprechens.
2.3.2
Schlüssel- und Plastikwörter
Schlüsselwörter sind zentrale Begriffe innerhalb eines Sprachfeldes, die als Wegmarken fungieren: in der Lebensmittelindustrie „probiotisch“, „natürlich“ (vgl. das Morphem „Bio-„), in der Kosmetikindustrie „natürlich“, „Schutz“, „Pflege“, in der Automobilindustrie „Sicherheit“, „Technik“, „Komfort“ mit den dazugehörigen Adjektiven, Verben und Substantiven. Hier schöpfen die Schlüsselwörter ihre Kraft aus dem gesellschaftlichen Werterahmen. Entlang dieser Wörter entfaltet sich die Konnotation anderer Assoziationsfelder wie Exotik, Abenteuer, Individualität, Exklusivität usw. Plastikwörter dagegen sind Schlüsselwörter mit besonderem Vorzeichen: Sie sind populäre, umgangssprachliche Begriffe, die in die Wissenschaft übertragen werden, hier kanonisiert und das Ansehen allgemeingültiger Wahrheit bekommen, wie „Entwicklung“, „Fortschritt“, „Prozess“, „System“, „Strategie“, „Zentrum“, „Substanz“ usw. (Pörksen 1988). Dabei entkleiden sich diese Begriffe ihrer Bedeutung und bündeln eine Unmenge diffuser Eindrücke. Sie wecken den Eindruck von Sicherheit, Wissenschaftlichkeit, Autorität. Daher sollten Unternehmen diese Begriffe für sich klären und intern eine einheitliche Deutung erreichen. Dasselbe gilt auch für viele Managementbegriffe, wie „Teamarbeit“, „Vision“, „Leadership“, „Kunde“, „Motivation“, „Innovation“ usw. (Malik 2004).
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2.3.3
Mythen und Legenden
Mythen stiften Sinn und vermitteln Bedeutungszusammenhänge. Sie gehen aus Sehnsüchten hervor und schaffen Wunschbilder. Man denke an die Beatles, an Rockefeller, Jack Welch, Kurie, Freimaurer, BMW, Porsche usw. Um Mythen ranken sich Legenden, die aus Geschichten oder Zitaten oder Aphorismen bestehen können. Sie verkörpern das Gedächtnis einer Organisation und sollten ständig gepflegt und als Orientierung in der gegenwärtigen Lage eines Unternehmens eingesetzt werden. Nachhaltig wirken sich Legenden aus, die um den Ursprung des Unternehmens und um seinen Gründer kreisen.
Beispiele für Legenden Robert Bosch erzählte, dass er bei einem Bürorundgang eine Büroklammer aufgehoben hat und die umstehenden Führungskräfte fragte: „Was ist das“, und einer antwortete:„Eine Büroklammer“, woraufhin Bosch erwiderte „Nein das ist mein Geld, was hier auf den Boden geworfen und vergeudet wird. “ Oder der Spruch: „Lieber verliere ich mein Geld als meinen Ruf. “ An einem Abend treffen sich zwei ehrgeizige junge Labour-Politiker in einem Lokal im Norden Londons und entscheiden über die Zukunft der Labour Party. Es handelt sich um die Helden Tony Blair und Gordon Brown und um die Geburtsstunde der neuen Labour. Diese Episode ist mythisch angehaucht – das Lokal ein Wallfahrtsort und das Datum historisch. Auch derer Tod von Papst Johannes Paul II. hat gezeigt, wie Legenden entstehen. Angeblich soll er in den letzten Minuten seines Lebens auf dem Sterbebett sein Gesicht zum Fenster gewandt haben, als er die inbrünstigen Gebete junger Menschen hörte. Er sammelte seine allerletzten Kräfte, segnete die jungen Menschen und hauchte mit dem Wort „Amen“ sein Leben aus. Dichtung oder Wahrheit? Darüber streiten sich Ärzte und Kardinäle. Die Legende aber ist geboren.
3.
Fazit
Redemanagement ist mehr als Redenschreiben. Es hat eine operative, aber auch eine strategische Seite, die eng mit der Gestaltung der Sprachkultur eines Unternehmens verwoben ist. Reden sollten über den jeweiligen Anlass hinaus die Identität des Unternehmens widerspiegeln und dessen Erscheinungsbild beeinflussen. Nur so kann es den PR-Leuten gelingen,
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das Potenzial der Rede zu erschließen und sie als wertschöpfendes Instrument in der geplanten Kommunikation einzusetzen.
4.
Literatur
Bazil, Vazrik (2002): Die Rede als PR-Instrument. Immanenter und kontextualer Ansatz, in: Bentele, Günter/Piwinger, Manfred/Schönborn, Gregor (Hrsg.): Kommunikationsmanagement, Neuwied/Kriftel, Nr. 5.12, S. 1-16. Bazil, Vazrik (2005): Impression Management. Sprachliche Strategien für Reden und Vorträge, Wiesbaden. Buß, Eugen/Fink-Heuberger, Ulrike (2000): Image Management, Frankfurt a. M. Deekeling, Egbert/Barghop, Dirk (Hrsg.) (2003): Kommunikation im Corporate Change. Maßstäbe für eine neue Managementpraxis, Wiesbaden. Ebert, Helmut (2003): Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation, Wiesbaden. Güttler + Klewes (2001): CEO-Studie. Vertrauen in deutsche Unternehmen – Was die Öffentlichkeit von Unternehmenschefs wissen möchte, Düsseldorf (im Internet: www.komm-passion.de/fileadmin/UL-CorCom/CEO-Studie.pdf) Hinterhuber, Hans H./Heinz K. Stahl (1996): Die Unternehmung als Deutungsgemeinschaft, in: Technologie & Management, 45. Jg., Nr. 1, S. 8-12. Informationsdienst Wissenschaft (idw) (2004): Das Firmenimage von heute ist der Umsatz von morgen, Meldung vom 6. Mai 2004. Malik, Fredmund (2004): Gefährliche Managementwörter. Und warum man sie vermeiden sollte, Frankfurt a. M. Merten, Klaus (1999): Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Band 1/1: Grundlagen der Kommunikationswissenschaft, Münster. Pörksen, Uwe (1988): Plastikwörter. Die Sprache einer internationalen Diktatur, Stuttgart. Rolke, Lothar (2005): Der CEO als „Wert-Ikone“, in: kommunikationsmanager, 2. Jg. Nr. 2, S. 40-43. Schulz von Thun, Friedemann/Ruppel, Johannes/Stratmann, Roswitha (2001): Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte, Hamburg. Searle, John R. (1971): Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay, Frankfurt a. M. Soeffner, Hans-Georg (1991): Zur Soziologie des Symbols und des Rituals, in: Oelkers, Jürgen/Wegenast, Klaus (Hrsg.): Das Symbol – Brücke des Verstehens, Stuttgart, S. 63-81.
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Vazrik Bazil
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Corporate Publishing: Publikationen für Kunden und Multiplikatoren
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Corporate Publishing: Publikationen für Kunden und Multiplikatoren Kurt Weichler
Wenn Unternehmen sich mit Kundenzeitschriften, Mitarbeiterzeitschriften, Geschäftsberichten, CDs oder Web-Sites gezielt an Teilöffentlichkeiten wenden, heißt das Corporate Publishing. Mit kontiunierlich erscheinenden und nach journalistischen Kritierien aufbereiteten Medien versuchen die Unternehmen, die Bindung zu ihren Kunden zu stärken, das Image zu pflegen und mitunter auch den Absatz zu steigern. Der schwer überschaubare und nur wenig erforschte Markt wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz von den Kundenzeitschriften dominiert: Circa 3.500 Zeitschriften mit etwa 450 Millionen Auflage und ein auf rund fünf Milliarden Euro geschätzter Umsatz zeugen von beeindruckender Größe und offensichtlichem Erfolg. Der folgende Beitrag gibt eine Übersicht über den Markt, beschreibt die Funktion von Kundenzeitschriften und ihre Erfolgskriterien.
1.
Definition
Corporate Publishing ist der Oberbegriff für verschiedene Formen von Business-Medien. Darunter fallen Kundenzeitschriften, Mitarbeiterzeitschriften, Corporate Books, Geschäftsberichte, Web-Sites, Newsletter, Videoclips, Business-TV und CD-Roms. Corporate Publishing umfasst letztendlich alle medialen Formen, mit denen Unternehmen Kontakt mit ihren Kunden und Multiplikatoren aufnehmen. Doch wer genau hinschaut, wird schnell feststellen, dass das Corporate Publishing in der Praxis von einer einzigen Form dominiert wird. Wenn im deutschen Sprachraum von Corporate Publishing die Rede ist, sind damit bislang in aller Regel Kundenzeitschriften wie das Audi Magazin, das Lufthansa Magazin oder die Apotheken-Umschau gemeint. Rund 3.500 Titel erschienen im Jahr 2005 nach Angaben des Branchenverbandes Forum Corporate Publishing (FCP).
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_23, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Kurt Weichler
Kundenzeitschriften, auch Kundenmagazine oder Unternehmensmagazine genannt, sind Zeitschriften, die von Unternehmen in regelmäßigen Abständen und überwiegend kostenlos an ihre Kunden abgegeben werden. Von dieser Dienstleistung versprechen sich die Herausgeber einen unmittelbaren Nutzen für das Unternehmen. Zumeist verfolgen sie dabei gleich mehrere Zielsetzungen. Drei davon sind wesentlich: Imagepflege, Kundenbindung und Absatzförderung. Kundenzeitschriften können sich nach ihrer Herausgeberschaft und nach ihren Zielgruppen unterscheiden. Unter dem Gesichtspunkt der Herausgeberschaft gibt es zwei grundlegende Arten: die Branchenpresse und die Unternehmenspresse. Es gibt Kundenzeitschriften wie die Apotheken-Umschau, die Bäckerblume oder das BuchJournal, die sich an die Kunden einer gesamten Branche wenden. So hat zum Beispiel die Apotheken-Umschau nicht nur die Kunden einer bestimmten Apotheke oder eines einzelnen Pharma-Unternehmens, sondern die Kunden von Apotheken schlechthin im Visier. Das Magazin wird von einem Presseverlag erstellt und an die Apotheken verkauft. Die Apotheken selbst verschenken das Heft an ihre Kunden. Das ergibt alle 14 Tage eine verbreitete Auflage von fast sieben Millionen Exemplaren. Mit 90 Prozent zählen die meisten Kundenzeitschriften jedoch nicht zum Typus der Branchenpresse, sondern sind von Haus aus Zeitschriften von einzelnen Unternehmen. Hinter ihnen steht als Herausgeber das Unternehmen. Die Unternehmen (Autokonzerne, Versicherungen, Banken, Telefongesellschaften usw.) erstellen die Kundenzeitschriften entweder in eigener Regie oder beauftragen externe Corporate-Publishing-Dienstleister mit der Redaktion, Produktion und Distribution. Unter dem Gesichtspunkt der Zielgruppen lassen sich Kundenzeitschriften ebenfalls in zwei große Gruppen einteilen.: Kundenzeitschriften für Endverbraucher (Business-to-Consumer) und Kundenzeitschriften für Geschäftskunden (Business-to-Business). Typische Magazine für den Endverbraucher sind das BMW-Magazin, das die Besitzer von Automobilen der Marke BMW erreichen soll, und das Lufthansa-Magazin, das Passagiere der Fluggesellschaft unterhalten, informieren und binden soll. Stellvertretend für typische Geschäftskundenmagazine seien hier think: act (herausgegeben von der Unternehmensberatung Roland Berger) oder das Microsoft Magazin (herausgegeben von Microsoft Deutschland) genannt. Die Gesamtzahl aller Kundenzeitschriften verteilt sich jeweils zur Hälfte auf B-toB-Titel und B-to-C-Titel. Erwartungsgemäß sind die Auflagen der Verbrauchermagazine im Schnitt höher als die der Kundenzeitschriften für Geschäftskunden. Weil die Zielgruppen Geschäftskunden und Endverbraucher unterschiedlich angesprochen werden müssen, geben zahlreiche Unternehmen mehrere Kundenzeitschriften heraus. Die Deutsche Post etwa sprach ihre Geschäfts- und Privatkunden im Jahr 2003 mit insgesamt sechs verschiedenen Kunden-
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zeitschriften an. In den vergangenen Jahren haben die Herausgeber von Kundenzeitschriften noch eine weitere Zielgruppe entdeckt: die Multiplikatoren. Das im Jahr 2004 neu aufgelegte RAG-Magazin, die Kundenzeitschrift des Essener Mischkonzerns RAG, zählt zu seiner Zielgruppe neben Geschäftskunden ganz bewusst auch Politiker, Journalisten und andere für den Konzern bedeutende Meinungsmacher. Vom Laien sind die überwiegend kostenlos abgegebenen Kundenzeitschriften auf den ersten Blick von Kaufzeitschriften kaum zu unterscheiden. Groß sind die Gemeinsamkeiten, was Gestaltung, Format, Papierqualität und oft auch die Inhalte angeht. Aber die Unterschiede sind vorhanden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen werden Kundenzeitschriften kostenlos abgegeben. Da die herausgebenden Unternehmen die Blätter nicht auflegen, um mit ihnen selbst Geld zu verdienen, sondern sie als Mittel der Kundenbindung, Imagepflege und Absatzförderung benutzen, tragen sie die Kosten für Redaktion, Produktion und Vertrieb selbst. Bei der Branchenpresse verhält es sich anders: Die herausgebenden Verlage verkaufen die von ihnen erstellten Kundenzeitschriften an die Einzelhändler der jeweiligen Branchen (Apotheker, Bäcker, Buchhändler, Floristen, Friseure usw.), die sie dann unentgeltlich an ihre Kundschaft weiterreichen. Der Unterschied von Kundenzeitschriften zu Kaufzeitschriften lässt sich gut über ein anderes Kriterium definieren. Anders als Publikumszeitschriften, die ihren Lesern ein objektives Bild der Wirklichkeit zu vermitteln suchen und dabei positive wie negative Entwicklungen thematisieren bzw. unterschiedliche Meinungen zulassen, dienen Corporate-Publishing-Medien der Selbstdarstellung von Branchen und Unternehmen. Sie sind ein Instrument der Unternehmenskommunikation und damit Auftragskommunikation. Erfahrungsgemäß sind die Herausgeber von Kundenzeitschriften wenig bis gar nicht daran interessiert, ihre Blätter mit Informationen zu befrachten, die ein schlechtes Licht auf das Unternehmen werfen könnten. „Kundenzeitschriften sind entweder neutral verfasst oder positiv gewertet, negative Wertungen sind äußerst selten“, schreibt Eicher auf der Basis von neun ausgewerteten Schweizer Kundenzeitschriften (Eicher 2003: 110). Mit der wachsenden Bedeutung von Kundenzeitschriften und damit auch des Corporate Publishings hat die Erforschung dieser Form der Unternehmenskommunikation bislang nicht Schritt gehalten. Corporate Publishing allgemein ist als Forschungsfeld praktisch nicht vorhanden, zum Teilbereich Kundenzeitschriften gibt es lediglich Ansätze. Möglicherweise ist die mediale Sonderstellung für diese nicht zufrieden stellende Situation verantwortlich. Kundenzeitschriften agieren an der Schnittstelle von Public Relations, Marketing und Journalismus. Als Instrument der PR sind sie Auftragskommunikation, als Intrument des Marketings versuchen sie, zum Markenbild beizutragen und den Absatz zu erhöhen. Andererseits verhalten sie sich dabei in Aufmachung, Erscheinungsweise, Themenauswahl und Sprache wie ein journalistisches Medium und buhlen auf diesem Wege um größtmögliche Glaubwürdigkeit. Diese Lage „zwischen den Stühlen“ ist ein Grund dafür, dass sich das Land der Kundenzeitschriften als Terra incognita präsentiert. Es gibt einige wenige systematische, wissenschaftliche Unterschungen. Die aktuellste stammt vom Autor dieses Beitrages selbst (Weichler/Endrös 2005). Des Weiteren soll auf die Arbeiten von Möller (2002), Röttger (2002), Eicher (2003) und Giovanelli (2004) hingewiesen werden. Mit Mitarbeiterzeitschriften be-
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fasste sich Bischl (2000). Nach dieser Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes lässt sich Corporate Publishing wie folgt definieren:
Definition: Corporate Publishing Corporate Publishing ist ein Instrument der Unternehmenskommunikation, das sich der Mittel des Journalismus bedient, um die Aufmerksamkeit von Zielgruppen zu erreichen, die für das Unternehmen relevant sind. Das Corporate Publishing zielt dabei in erster Linie auf Kundenbindung, Imageaufbau und Absatzförderung ab.
2.
Funktion
Voraussetzung für den dauerhaften Markterfolg eines Unternehmens ist neben marktfähigen Produkten auch ein positives Image. Voraussetzung für den dauerhaften Markterfolg in kompetiven und gesättigten Märkten ist neben dem positiven Image aber auch noch ein einzigartiges Image, ein Image, das das Unternehmen von seinen Wettbewerbern differenziert. Die Unique Selling Proposition brauchen Unternehmen nicht nur, um Neukunden zu gewinnen, sondern auch um ihre Bestandskunden zu halten. Das Corporate Publishing und insbesondere regelmäßig und kontinuierlich erscheinende Kundenzeitschriften scheinen besonders gut in der Lage zu sein, den Kunden diesen Mehrwert ihres Unternehmens zu vermitteln. Gerade für die Kundenbindung ist die regelmäßige Erscheinungsweise von Vorteil. So kann sich das Unternehmen nachhaltig positiv in Erinnerung rufen. Jedesmal, wenn der Kunde die auf ihn zugeschnittene Zeitschrift „seines“ Unternehmens im Briefkasten findet, signalisiert ihm das eine besondere Wertschätzung seitens des Unternehmens. Kontinuität alleine reicht aber nicht aus, ebenso wichtig sind Inhalte und Aufmachung der Zeitschrift. Da die Aufmerksamkeit des Kunden massiv auch von anderen Medien beansprucht wird und jeder Mensch nur über ein begrenztes Zeitbudget verfügt, wird er nur an einer Kundenzeitschrift Gefallen finden, die ihm nützt und der er vertraut. Kundenzeitschriften müssen folglich glaubwürdig sein, sich in der Themenauswahl an den Interessen der Leser orientieren und in der Gestaltung an den Maßstäben, die von den Kaufzeitschriften gesetzt werden. Die Leser von Kundenzeitschriften erwarten Gratifikation. Das heißt, Kundenzeitschriften müssen informieren, unterhalten und integrieren. Ihre Informationsfunktion erfüllen Kundenzeitschriften, indem sie umfassend über das Unternehmen, seine Akteure, seine Handlungen, seine Dienstleistungen, seine Produkte und seine Kompetenzen berichten. Je besser sich der Kunde über das Unternehmen informiert fühlt, desto positiver ist auch seine Einstellung gegenüber dem Unternehmen. Vollständige Information macht das Unternehmen transparent und schafft Vertrauen. Umfassende
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mation macht das Unternehmen transparent und schafft Vertrauen. Umfassende Berichterstattung über das Unternehmen allein reicht aber nicht aus, um die Leser auf Dauer bei der Stange zu halten. Zu schnell wirkt diese Ausschließlichkeit werblich und aufdringlich. Die Folgen sind: Überdruss und Verlust der Glaubwürdigkeit. Folglich müssen neben die unternehmensbezogenen Nachrichten auch nicht unternehmensbezogene Artikel gestellt werden. Nur durch die Einbettung von unternehmensbezogenen in neutrale bzw. kundenbezogene Nachrichten kann die Kundenzeitschrift dem werblichen Charakter entgehen. „Im Idealfall entsteht so eine Einheit zwischen journalistischer Kompetenz, die der Leser den Massenmedien im Allgemeinen oder Speziellen zubilligt, und einer ebenfalls ansprechend gemachten Kundenpublikation. Gelingt dies, so kann es zu einem Imagetransfer von der positiv bewerteten kommunikativen Kompetenz der Unternehmung einerseits auf ihre Marktleistungen andererseits kommen.“ (Müller 1999: 46) Ein weiteres Bedürfnis von Medienrezipienten ist die Unterhaltung. So wollen auch die Leser von Kundenzeitschriften Spaß haben bei der Lektüre. Folglich müssen Kundenzeitschriften immer auch eine Unterhaltungsfunktion erfüllen. Das gelingt ihnen durch einen verständlichen, anregenden Spachstil, der sich am Bildungshintergrund der Zielgruppe orientiert. Dazu gehört eine entsprechende optische Verpackung mit klarer Leserführung und vielen zum Lesen auffordernden Elementen (Überschriften, Fotos, Illustrationen usw.). Dazu gehören unterhaltsame Elemente wie Witze, Rätsel, Gewinnspiele, Comics und Glossen. Dazu gehören journalistische Darstellungsformen, die das Menschliche in den Vordergrund stellen wie Porträts, Interviews und Reportagen. Und dazu gehört eine entsprechende Themenauswahl. Die Integrationsfunktion erfüllen Kundenzeitschriften, wenn sie ihren Lesern exklusive Informationen geben oder sie ihnen Vorteile gewähren, die sie woanders nicht erhalten können (zum Beispiel durch Coupons). Das steigert das Selbstwertgefühl. Wenn das Unternehmen in seiner Zeitschrift zusätzlich noch durch Umfragen, direkte Ansprache, die Einrichtung von Kleinanzeigenseiten oder die Einrichtung einer Leserbriefseite Interesse am Dialog bekundet, fühlt sich der Leser besonders ernst genommen und dankt es mit einer stärkeren Verbundenheit. Ein wesentlicher Vorteil der Kundenzeitschrift liegt in der Präzision, mit der sie ihre Zielgruppe erreicht. Kundenzeitschriften werden dem Kunden in aller Regel ins Haus gebracht. Dort kann er sie in angenehmer Umgebung und zu einem selbst gewählten Zeitpunkt lesen. Damit sind die Streuverluste wesentlich geringer, als wenn ein Unternehmen für sich Werbung schaltet oder eigene Beiträge in Massenmedien initiiert. Eine Kundenzeitschrift erreicht in der Regel Menschen, die durch den Kauf einer Dienstleistung oder eines Produktes bereits ihre Affinität zum Unternehmen bewiesen haben und folglich offener gegenüber weiteren Aktivitäten des Unternehmens sind. Unternehmen geben Kundenzeitschriften heraus, weil sie ihre Kunden binden wollen, weil sie die Kunden auf diesem Weg am besten kontinuierlich erreichen können und weil sie auf diesem Wege die Wahrnehmung des Unternehmens beim Kunden steigern können. „Kundenmagazine dienen nicht nur der positiv getönten Darstellung von Produkten und Dienstleistungen, sie bieten zudem die Möglichkeit, wirtschaftliche Ziele und wirtschaftliches Handeln
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jenseits marktlicher und rechtlicher Verpflichtungen zu legitimieren und gesellschaftspolitisches Engagement von Unternehmen darzustellen.“ (Röttger 2002: 116)
3.
Eckdaten
Der Branchenverband Forum Corporate Publishing bezifferte die Gesamtzahl aller Kundenzeitschriften im Jahr 2005 auf circa 3.500. Das entspricht in etwa der Zahl der Publikumszeitschriften und der Zahl der Fachzeitschriften in Deutschland. Diese Angabe ist jedoch mit einiger Vorsicht zu betrachten. Bei dieser und vielen anderen Zahlen aus dem CorporatePublishing-Sektor handelt es sich lediglich um Schätzungen zumeist einschlägig interessierter Organisationen. Es gibt bislang keine unabhängige Einrichtung, die diesen Markt professionell auszählt. Einen Hinweis darauf, dass die obige Zahl überhöht sein könnte, liefert das vom Verlag Dieter Zimpel aufgelegte und um Vollständigkeit bemühte Nachschlagewerk „Kundenmagazine – Your key to a rising market“. Es listet in seiner aktuellen Ausgabe circa 1.000 Adressen von Kundenzeitschriften auf (Zimpel 2005). Laut Zimpel werden allein von den pro Quartal erscheinenden Kundenmagazinen 135 Millionen Exemplare pro Erscheinungsintervall gedruckt und verteilt. Zum Vergleich: Die Publikumszeitschriften melden für denselben Vierteljahreszeitraum den Verkauf von 125 Millionen Exemplaren, die Fachzeitschriften den Absatz von rund 15 Millionen Exemplaren. Zählt man die monatlich und zweiwöchentlich erscheinenden Kundenmagazine hinzu, übertreffen die Kundenzeitschriften die Gesamtauflage der Verlagstitel inzwischen deutlich. Wenn die Schätzung des Forums Corporate Publishing stimmt, hat sich die Gesamtzahl der Kundenzeitschriften nach 1995 mehr als verdoppelt. Mit dieser Entwicklungsdynamik hätten sich die Kundenzeitschriften in den letzten Jahren weitgehend vom übrigen Printmedienmarkt abgekoppelt, der überwiegend mit Stagnation und Rückgang kämpfen musste. Kundenmagazine erscheinen praktisch in allen Branchen, führend aber sind Handelsorganisationen, Versicherungen, Pharmazieunternehmen, Energie- und Versorgungsunternehmen, Banken und Sparkassen. Auch die Automobilhersteller geben überdurchschnittlich häufig eigene Kundenzeitschriften heraus. Weitere Branchen sind Tourismus, EDV, Bauwirtschaft und Dienstleistungsunternehmen. Etwa zwei Drittel der Kundenzeitschriften werden von Firmen des Mittelstandes herausgegeben. Die Bandbreite der Einzelauflagen von Kundenzeitschriften ist gewaltig. Sie reicht von Kundenzeitschriften, von denen lediglich 500 Exemplare gedruckt werden, bis hin zu solchen Massentiteln wie Bleib Gesund, dem Kundenmagazin der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) mit 8,9 Millionen Exemplaren pro Ausgabe. Die zehn auflagenstärksten Zeitschriften in Deutschland sind laut FCP keine Kaufzeitschriften, sondern Kundenzeitschriften. 84 Pro-
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zent aller Titel erscheinen in der Auflagengröße zwischen 20.000 und einer Million Exemplare. Über den Erfolg sagen die hohen Auflagen der Kundenzeitschriften nichts aus. Vor dem Hintergrund der Gratisabgabe kann die Auflage im Unterschied zur Kaufpresse nicht als Erfolgsindikator herangezogen werden. Darüber hinaus basieren die Auflagenzahlen der Kundenzeitschriften auf freiwilligen Angaben, sie werden – anders als bei Kaufzeitschriften – also nicht überprüft. Gemäß einer Umfrage aus dem Jahr 2005, die das Institut für Journalismus und Rublic Relations der Fachhochschule Gelsenkirchen unter Leitung des Autors für den CorporatePublishing-Dienstleister plan p. durchgeführt hat, erschienen rund drei Viertel der untersuchten Kundenzeitschriften zwei-, drei- oder viermal im Jahr. Mit 36,4 Prozent wird quartalsweise als die häufigste Erscheinungsweise genannt. Immerhin dreizehn Prozent erschienen häufiger als sechsmal im Jahr (Plan p. 2005: 22). Damit erscheinen Kundenzeitschriften zwar regelmäßig, aber im Vergleich zu Kaufzeitschriften seltener. Wöchentlich erscheinende Kundenzeitschriften gibt es nur wenige. Dazu zählen in Deutschland das Tchibo-Magazin und in der Schweiz das Migros-Magazin, die Kundenzeitschrift des Migros-Genossenschaftsbundes, sowie die Coopzeitung, die Kundenzeitschrift der zweitgrößten Handelskette der Schweiz. Kundenzeitschriften sind in der Regel dünner als Kaufzeitschriften. Der durchschnittliche Umfang von Kundenzeitschriften liegt zwischen 30 und 40 Seiten pro Ausgabe. Dafür enthalten sie auch weniger Werbung und Beilagen. Ähnlich wie bei Kaufzeitschriften ist DIN A 4 das gängige Format bei den Unternehmensmagazinen. Die Vorliebe für die Größe hängt wesentlich mit den Kostenvorteilen bei Druck und Postversand zusammen. Normabweichungen machen sich in der Regel negativ bei den Herstellungs- und Vertriebskosten bemerkbar. Etwa drei Viertel aller Kundenzeitschriften gelangen per Direktversand zum Kunden. Bei einer Gesamtauflage von etwa 456 Millionen Exemplaren pro Erscheinungsintervall kann man sich ungefähr vorstellen, was für ein gutes Geschäft die Kundenzeitschriften für die Deutsche Post bedeuten. Das haben inzwischen auch andere kommerzielle Vertriebsanbieter erkannt. Als weitere Vertriebswege spielen die Auslage, zum Beispiel auf Messen oder am Point of Sale eine Rolle sowie die Verteilung durch Mitarbeiter. Kundenzeitschriften werden heute auch über Ländergrenzen hinweg zur Kundenbindung eingesetzt. Fast ein Drittel aller Publikationen erscheint in unterschiedlichen Sprachen, meistens in zwei Sprachen, mitunter aber auch in fünf oder mehr Sprachen (Plan p. 2005: 23).
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4.
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Kosten und Finanzierung
Ihre Kundenzeitschrift ließen sich die herausgebenden Unternehmen im Jahr 2005 zwischen 25.000 und 1,6 Millionen Euro kosten (Plan p. 2005: 40). Der Median liegt bei 200.000 Euro. Am meisten Etat haben in der Regel die Banken und Versicherungen für ihre Kundenzeitschriften zur Verfügung, gefolgt von den Unternehmen aus den Bereichen Automobil, Verkehr und Touristik. Weniger Mittel stellen die Unternehmen aus den Bereichen Handwerk/Bau und Kultur/Medien zur Verfügung. Rechnet man die Gesamtkosten pro Ausgabe auf ein Exemplar herunter, so entstehen Stückkosten zwischen 18 Cent und 8,33 Euro pro Exemplar. Der Median liegt bei 1,60 Euro. Pro Ausgabe stehen den Verantwortlichen zwischen 6.000 und 575.000 Euro zur Verfügung. Durchschnittlich betragen die Ausgaben pro Ausgabe rund 86.000 Euro. Rechnet man die Gesamtkosten pro Ausgabe auf die Seitenzahlen herunter, ergibt sich ein Preis von 2.300 Euro pro Seite. Die für die Kundenzeitschrift anfallenden Kosten werden aus den Marketingetats der Unternehmen bestritten. In wachsendem Maße versuchen die Herausgeber, einen Teil der Kosten durch zusätzliche Einnahmen auszugleichen. Die Finanzierung über einen Verkaufspreis funktioniert in der Praxis nicht. Sie spielt deshalb in den Budgetierungsplänen der Unternehmen auch keine Rolle. Wachsende Bedeutung hat jedoch die Finanzierung über Anzeigen. Im Rahmen der vom Institut für Journalismus und PR der Fachhochschule Gelsenkirchen Anfang 2005 durchgeführten Umfrage gaben 45 Prozent der erfassten Publikationen an, dass sie Anzeigen veröffentlichen und auch verkaufen (Plan p. 2005). Das war gegenüber der zehn Jahre zuvor durchgeführten Vorgängeruntersuchung (Redaktion Wirtschaft 1995) eine Steigerung von 100 Prozent. Waren Anzeigen damals im Wesentlichen ein Imagefaktor für die Publikation, sind sie heute – den Angaben der Verantwortlichen zufolge – ein Faktor der Refinanzierung. Nach eigenen Angaben erwirtschaften einzelne Kundenzeitschriften inzwischen bis zu 120.000 Euro pro Ausgabe. Der Durchschnitt liegt bei etwa 21.000 Euro. Die Befragtenbasis für diese sensiblen Angaben war allerdings recht schmal (Plan p. 2005: 48). Die Angaben sind deshalb nicht repräsentativ.
5.
Erfolgskontrolle
Der Erfolg einer Kaufzeitschrift wie Stern oder TV Movie lässt sich einfach ermitteln. Bleibt nach Abzug der Kosten von den Einnahmen ein Rest, so ist das der Gewinn. Je höher der
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Gewinn ausfällt, desto erfolgreicher ist die Zeitschrift, wenn der Maßstab ein rein kommerzieller ist. Diese Rechnung geht bei Kundenzeitschriften nicht auf. Die Kosten übersteigen die Erlöse durch Copypreis und Fremdanzeigen im Normalfall bei weitem. Aber Unternehmen gründen Kundenzeitschriften ja nicht, weil sie als Verlage tätig werden, sondern weil sie die Kundenzeitschrift als Marketinginstrument einsetzen wollen. Der Erfolg kann von daher nicht in betriebswirtschaftlichen Kategorien direkt am Objekt gemessen werden, sondern muss anderweitig ermittelt werden. Da Kundenzeitschriften die Kundenloyalität und das Image eines Unternehmens verbessern bzw. Neukunden gewinnen und den Absatz fördern wollen, muss der Erfolg in diesen Kategorien erhoben werden. Umso mehr erstaunt es, dass der Boom des zweiten Zeitschriftenmarktes nicht auf zählbaren Erfolgen, sondern lediglich auf dem festen Glauben aller Beteiligten fußte. So hat sich die Auffassung, dass eine Zeitschrift mit eigenständigen journalistischen Inhalten sehr viel Glaubwürdigkeit vermittelt, was Broschüren oder Werbung so nicht leisten können, als Glaubensgrundsatz förderlich für den Boom der Kundenmagazine ausgewirkt, ohne dass es über Jahrzehnte objektive Beweise für diese These gab. Vereinfacht gesagt: Kundenzeitschriften waren erfolgreich, wenn ihre Macher sie für erfolgreich hielten, das heißt wenn sie den eigenen Erwartungen entsprachen oder diese sogar übertrafen. Tatsächlich konnten die Herausgeber über Jahre nur vermuten, ob ihr Magazin überhaupt und wenn ja, wie intensiv und mit welchen Auswirkungen von den Kunden gelesen wurde. Das hat lange weder die Herausgeber noch die Corporate-Publishing-Dienstleister gestört, weil alle dasselbe glaubten und die überaus positive Entwicklung des Gesamtmarktes als Beleg für die Wirksamkeit ausreichte. Dass die Anzeigenvermarktung schon immer darunter litt, dass man der werbetreibenden Wirtschaft und den Mediaplanern in den Agenturen keine genauen Leserschaftsdaten nennen konnte, störte nicht, solange alle ein gutes Gefühl hatten. Es fehlten allgemein akzeptierte Werkzeuge zur Wirkungsmessung wie sie im Markt der Kaufzeitschriften zum Beispiel mit der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) und der Mediaanalyse (MA) existieren. Mittlerweile hat die Branche einige Anstrengungen unternommen, um die unbefriedigende Situation zu verbessern.1 Da auch der Kundenzeitschriftenmarkt nicht mehr mit der Dynamik der 90er Jahre wächst, benötigen vor allem die Mediendienstleister valide Wirkungsargumente für den weiteren Geschäftserfolg. So bieten die Marktforscher von TNS Emnid aus Bielefeld seit dem Jahr 2003 ein Werkzeug an, das gemeinsam mit dem Forum Corporate Publishing entwichkelt wurde und das sie CP Standard nennen. CP Standard beansprucht für sich, folgende Faktoren zu ermitteln: die Nutzung und Bewertung der Angebote durch die Kunden, die Unterstützung der Kommunikations- und Marketingziele des Unternehmens und die Leistungsfähigkeit für das Anzeigenmarketing. 1 Einen Überblick über vorhandene Wirkungsstudien für Kundenzeitschriften geben das Forum Corporate
Publishing (www.forum-corporate-publishing.de) und die Deutsche Post (www.deutschepost.de) auf ihren Websites.
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Kundenzeitschriften wie das Audi Magazin haben sich auf diesem Wege bestätigen lassen, dass ihre Leser in der Regel ein besseres Markenbild vom Unternehmen haben als Nichtleser. Unabhängig davon, dass es mittlerweile erste fundierte „tools“ der Erfolgskontrolle gibt, sind die gängigen Mittel immer noch die Leserbefragung, das Preisausschreiben, das Auswerten der Leserbreife, das Couponing und die Kontrolle des Absatzes. Jeder fünfte Herausgeber interessiert sich überhaupt nicht dafür wie seine Publikation beim Kunden ankommt (Plan p. 2005: 51).
6.
Perspektiven
Da die persönliche Kundenansprache in den letzten Jahren in überwiegend gesättigten Märkten immer wichtiger geworden ist, ist davon auszugehen, dass auch die Bedeutung des Corporate Publishings weiter wachsen wird. Mit ihr ist es möglich, Kunden und Multiplikatoren verhältnismäßig individuell, emotional und nutzwertig anzusprechen. Optimierungsbedarf gibt es vor allem noch in der Verbesserung der Zielgruppengenauigkeit, der Messung der Kommunikationsleistung wie auch im Zusammenspiel der verschiedenen CorporatePublishing-Medien. In den meisten Unternehmen sind Kundenmagazine, Mitarbeiterzeitschriften und Online-Auftritte noch nicht miteinander synchronisiert. Oder wie es Lothar Rolke (2006) formuliert: „Das Kundenmagazin ist kein Robinson Crusoe auf einem einsamen Kommunikations-Atoll. Erst verzahnt mit anderen Tools bringt es Höchstleistung.“
Literatur
Bischl, Karin (2000): Die Mitarbeiterzeitung. Kommunikative Strategien der positiven Selbstdarstellung von Unternehmen, Wiesbaden. Eicher, Michaela (2003): Kundenzeitschriften: Imagegestaltung im Zeitschriftenformat? Eine Inhaltsanalyse zur Funktion von neun Schweizer Kundenzeitschriften. (Lizentiatsarbeit am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich), Luzern.
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Giovanelli, Iris (2004): Kundenzeitschriften zwischen Public Relations und Journalismus. Struktur, Nachrichtenwerte und Qualität. (Lizentiatsarbeit am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich), Luzern. Müller, Frank (1999): Die Renaissance der Kundenzeitschrift, Ottobrunn. Plan p. (2005): Kundenzeitschriften 2005. Kosten und Organisation, Hamburg. Plan p. (1999): Kundenzeitschriften im Corporate Publishing, Hamburg. Redaktion Wirtschaft (1995): Kundenzeitschriften in Deutschland. Kosten und Organisation, Hamburg. Rolke, Lothar (2006): Unternehmensmagazine sind kein Robinson Crusoe (Interview), in: cp wissen Expertenforum (im Internet: www.cpwissen.de). Röttger, Ulrike (2002): Kundenzeitschriften: Camouflage, Kuckucksei oder kompetente Information?, in: Vogel, Andreas/Holtz-Bacha, Christina (Hrsg.): Zeitschriften und Zeitschriftenforschung. Publizistik Sonderheft 3/2002, Wiesbaden, S. 109-125. Weichler, Kurt/Endrös, Stefan (2005): Die Kundenzeitschrift, Konstanz. Zimpel (Hrsg.) (2005): Kundenmagazine. Your Key to a Rising Market, 2. Auflage, München.
Geschäftsberichte als Mittel der Information und Beziehungspflege
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Geschäftsberichte als Mittel der Information und Beziehungspflege Manfred Piwinger
Der Geschäftsbericht ist in erster Linie eine Informationsquelle für Außenstehende. Er repräsentiert das jeweilige Unternehmen in seiner aktuellen Lage und gewährt Einblick in die Unternehmensentwicklung. An keiner Stelle wird so ausführlich über das Unternehmen und seine Leistungen berichtet. Anlageentscheidungen werden auf Grund der Geschäftsberichtsberichterstattung zwar nicht direkt beeinflusst. Investoren ziehen daraus aber Erkenntnisse über ihren langfristigen Anlagehorizont. Darüber hinaus sind Berichte auch Imageinstrumente: Sie vermitteln buchstäblich ein Bild vom Unternehmen und von seiner Identität. Als Instrument der Rechenschaftslegung wird von den veröffentlichten Unternehmensdaten Verlässlichkeit und Überprüfbarkeit erwartet. Dem Informationsbedürfnis der Finanzanalysten ist in besonderer Weise Rechnung zu tragen. Durch die Art, wie der Geschäftsbericht präsentiert wird, kann die Vertrauensfunktion gestärkt werden. Dieser Beitrag beschreibt die Rollen und Funktionen des Geschäftsberichts im Rahmen der Finanzkommunikation.
1.
Einleitung
Der Ausdruck „Geschäftsbericht“ kommt im Handelsgesetzbuch nicht vor, hat sich aber eingebürgert und bezeichnet in der Regel den gedruckten, in Buch- oder Broschürenform vorliegenden Jahresabschluss. Für die meisten an der Börse notierten Unternehmen besteht die Pflicht, ihren Jahresbericht in deutscher und englischer Sprache zu verfassen. Dabei ist der Geschäftsbericht nur ein Teil der gesamten Finanzberichterstattung. Da er jedoch das einzige, das ganze Jahr über verfügbare aktuelle Dokument über ein Unternehmen ist, kommt ihm eine besondere Bedeutung zu. Für viele ist der Geschäftsbericht der erste Kontakt zu einem Unternehmen.
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_24, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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2.
Manfred Piwinger
Veröffentlichungspflichten
Der Jahresabschluss muss veröffentlicht, juristisch korrekt: offen gelegt, werden (§§ 325 bis 329 HGB). Er soll unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermitteln. Das ist – kurz gesagt – die Informationsfunktion, die dem Geschäftsbericht zufällt. Was muss er enthalten? Wie sind die Veröffentlichungszeiten? Für die Rechnungslegung börsennotierter Kapitalgesellschaften sind die Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) sowie des Aktiengesetzes (AktG) maßgeblich. Rückwirkungen auf Inhalte und Aufbau der Geschäftsberichte sind durch die Umstellung des Rechnungswesens börsennotierter Aktiengesellschaften auf internationale Rechnungslegungsstandards (IFRS) zu erwarten. Kapitalgesellschaften haben neben Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung einen Anhang und einen Lagebericht zu erstellen. Der Lagebericht – oft „Financial Review“ oder „Management Discussion & Analysis“ genannt – ist dabei von hoher Bedeutung für die Investor Relations, da hier die Möglichkeit gegeben ist, das Zahlenwerk im Jahresabschluss detaillierter zu kommentieren. Entsprechend nimmt er im Geschäftsbericht eine zentrale Rolle ein (Frey/Melzer 2005: 128). Wesentliche Ergänzungen erfährt der Jahresabschluss im Lagebericht künftig besonders durch das Bilanzrechtsreformgesetz sowie durch DRS 15. Die Darstellung und Analyse des Geschäftsverlaufs und der wirtschaftlichen Lage des Konzerns müssen ohne Rückgriff auf die Angaben im Konzernabschluss verständlich sein. Da der Konzernlagebericht entscheidungsrelevante Informationen über die wirtschaftliche Lage zu liefern hat, muss er sich auf das Wesentliche konzentrieren: Tatsachen und Meinungen sind zu trennen. Über Chancen und Risiken ist ausgewogen zu berichten. Bei großen Kapitalgesellschaften sind künftig auch nichtfinanzielle Leistungsindikatoren in die Erläuterungen einzubeziehen, „wenn sie zur Einschätzung von Geschäftsverlauf oder Lage von Bedeutung sind oder die voraussichtliche Unternehmensentwicklung wesentlich beeinflussen“ (Maul 2007). Dies kann z. B. in Form einer Wissensbilanz geschehen. Darüber hinaus hat die verstärkte Forderung nach einem fundiertem Value Reporting Konsequenzen für den Aufbau des Lageberichts. Die Offenlegung des Jahresabschlusses hat unverzüglich nach Billigung durch den Aufsichtsrat zu erfolgen, spätestens jedoch innerhalb von vier Monaten nach Ende des Berichtszeitraums.1 Für Emittenten mit Zulassung im General Standard ist neben dem Jahresbericht ein Zwischenbericht zwingend, für solche im Prime Standard die Aufstellung von Quartalsberichten jeweils zum Stichtag der ersten drei Quartale eines Geschäftsjahres (§ 63 Abs. 8 BörsO der FWB). Die Veröffentlichung hat unverzüglich nach Fertigstellung, spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Ende des Berichtszeitraums zu erfolgen. Diese Berichte müssen fünf Jahre lang öffentlich zugänglich gemacht werden. Der Mindestumfang der Halb1
Abweichend hiervor verlangt der Corporate Governance Kodex als „Soll“-Vorschrift“ den Konzernabschluss binnen 90 Tage nach Geschäftsjahresende, die Zwischenberichte binnen 45 Tagen nach Ende des Berichtszeitraumes öffentlich zugänglich zu machen.
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jahresberichte wurde nach dem Inkrafttreten des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (TUG) am 20. Januar 2007 ausgeweitet. Halbjahresberichte müssen künftig einem verkürzten Abschluss entsprechen und des Weiteren einen Zwischenlagebericht enthalten. Eine prüferische Durchsicht durch einen Wirtschaftsprüfer, wie sie der ursprüngliche Entwurf vorsah, ist nicht mehr erforderlich.
3.
Zeitfaktor und „Fast Close“
In der „gute alten Zeit“ spielte der Zeitfaktor keine besondere Rolle. Da ging es mehr um die „Sperrfrist“, also ab wann der Bericht frei zur Veröffentlichung war. Das Handelsgesetzbuch räumte den Unternehmen eine komfortable Frist von neun Monaten bis zur Offenlegung ihres Jahresabschlusses ein. Dass der Finanzmarkt verspätet und mit veralteten Informationen bedient wurde, schien niemanden ernsthaft zu stören. Der Markt verlangte nicht nach mehr. Inzwischen – und in der Betrachtung ist hierbei ein Zeitraum von nicht einmal zehn Jahren – hat sich die Situation gründlich gewandelt. Die meisten Unternehmen folgen dem „FastClose-Prinzip“, veröffentlichen also ihre Jahresabschlüsse immer früher. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen hat sich das Zeitfenster des Handelsgesetzbuches geschlossen. Dies führt zwangsläufig zu erheblichen Engpässen, insbesondere im betrieblichen Rechnungswesen. Der Aufwand ist immens und wäre ohne den Einsatz betriebswirtschaftlicher Software und automatischer Konsolidierungsprogramme nicht möglich. Trotzdem ist die rechtzeitige Fertigstellung des Jahresabschlusses jedes Mal ein Wettlauf mit der Zeit; eingerechnet die umständlichen Abstimmungsprozesse. Betroffen sind nicht nur Rechnungswesen, Finanzbereich und Kommunikationsabteilungen, Agenturen, Grafiker und Druckereien, sondern in besonderer Weise Wirtschaftsprüfer, denen immer weniger Zeit für prüfungsnahe Leistungen und die Testierung bleibt. Angesichts der Komplexität, welche Geschäftsberichte heutzutage aufweisen, ist das, was als „Backoffice“ dahinter steht, ehe der Bericht zur Veröffentlichung freigegeben werden kann, eine nicht zu unterschätzende organisatorische Aufgabe. Nicht zu vergessen die Übersetzung ins Englische, die in der Regel parallel geschieht. Einige Unternehmen, wie die UBS in der Schweiz und die Deutsche Bank, veröffentlichen ihre Berichte sogar in mehreren Fremdsprachen.
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4.
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Form und Repräsentation
Mit jedem Geschäftsbericht schreibt man zugleich ein Stück Unternehmensgeschichte. Geschäftsberichte sind die Jahresringe im Leben eines Unternehmens. Tradition hat eine hohe Bindungskraft. Das widerspricht einem häufigen Wechsel der Darstellungsform. In der Kommunikation wird das Vertraute bevorzugt wahrgenommen. Erst Kontinuität in der Kommunikation führt zur gewünschten Vertrauensbildung bei Investoren. Die Tendenz geht zur möglichst wahrhaftigen Information. Sender von Nachrichten, die langfristig einen hohen Wahrheitsgehalt zeigen, werden aufgrund des Prinzips der Glaubwürdigkeit besonders bevorzugt. Dies ließe sich als die Beziehungsfunktion benennen. Identität wächst aus Zeit und Geschichte, aus Sinngebung und Haltung. Wer das weiß, braucht keine Modetrends mitzumachen oder gar zu fürchten, sie zu verpassen. Über die Frage, welche Form die Veröffentlichung haben soll, wird selten nachgedacht. Im Ergebnis führt dies zu „geklonten“ Geschäftsberichten. Einer sieht so aus wie der andere, und zwar, obwohl Unternehmen in der visuellen Gestaltung weitgehend frei sind. Kreative Unternehmen nutzen die Gestaltungsspielräume, um sich erkennbar eigenständig darzustellen.2 Für den Jahresbericht gibt es keine Formvorschriften und keinen Modellcharakter. Weder Format, noch Schrifttype und -größe, Spaltenbreite, Grafiken, Papierqualität, Bebilderung sind vorgegeben. Im krassesten Fall würde eine handschriftliche Niederschrift genügen. Das heißt, einem bis ins letzte Detail formalisierten Jahresabschluss steht eine große Freiheit in der Präsentation der Unternehmensergebnisse gegenüber. Für die externe Berichterstattung ergeben sich hier Spielräume – was wörtlich genommen werden kann – und Differenzierungsmöglichkeiten im Marktauftritt, die es zu nutzen gilt. Ein Bericht ist nicht gleich „unseriös“, wenn er unterhaltsame Elemente aufweist. Gestaltung ist kein Selbstzweck und sollte nicht mit Illustration verwechselt werden. Gerade die formalen Eigenschaften übermitteln komplexe Inhalte. Wir wissen, dass schon auf Grund weniger äußerer Merkmale umfassende Gesamteindrücke (einer Person, einer Sache oder einer Institution) entstehen, die inhaltlich häufig reichhaltiger sind als die jeweils konkrete Wahrnehmungssituation, in der sie gebildet werden. Für Finanzanalysten und institutionelle Investoren ist der Geschäftsbericht oft die erste Begegnung mit einem Unternehmen; er ist allerdings nur eine von vielen Informationsquellen. Der erste Eindruck bestimmt die Melodie der Wahrnehmung. Ausdruck schafft Eindruck. In jedem Geschäftsbericht steht mehr als das, was schwarz auf weiß darin geschrieben steht. Schon beim ersten Hinsehen wissen wir, mit wem wir es zu tun haben. Ob das betreffende Unternehmen etwas Besonderes ist, Attraktivität und zugleich Seriosität ausstrahlt und als Arbeitgeber Anziehungskraft besitzt oder ob wir es mit einem Unternehmen ohne Eigenschaften zu tun haben. Format und Gestaltungsideen sollen über einen längeren Zeitraum Vertrautheit mit dem Unternehmen bewirken, es erkenn2
Beispielsweise die frühere Deutsche Handelsbank, Migros in der Schweiz, Flughafen Wien und seit 1978 Vorwerk & Co. in einem unverwechselbaren Stil.
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und unterscheidbar machen. Der erste Eindruck entscheidet darüber, ob Interesse geweckt wird, ob die Bereitschaft entsteht, weiter zu lesen und sich somit für eine bestimmte Zeit auf das Unternehmen einzulassen. Obwohl Finanzmarktexperten als zahlenfixiert gelten und den fundamentalen Daten sicherlich ein hohes Gewicht einräumen, wäre es ein Fehler, sich davon täuschen zu lassen. Denn auch bei ihnen ist der qualitative Eindruck urteils- und verhaltensbestimmend. Und zwar langfristig. Erfolgreiche Unternehmen nutzen die Psychologie des ersten Eindrucks bereits im gestaltlichen Ausdruck. Denn auch für Geschäftsberichte gilt: Dinge sprechen nicht, aber sie haben uns etwas zu sagen. Fast ohne Ausnahme nutzen heute alle Unternehmen den Geschäftsbericht zu ihrer Unternehmensdarstellung gegenüber Aktionären, potenziellen Investoren, Analysten und Fondsmanagern, Kunden, Gläubigern, auch Mitarbeitern und der Öffentlichkeit insgesamt. Hier findet man rasch eine Bestätigung für die wachsende Bedeutung der repräsentativen Funktion. Die finanztechnischen Aufstellungen treten zurück gegenüber vertrauensbildenden und imagefördernden Aspekten. Repräsentation zielt im Kern auf die Herstellung von Ansehens- und Vertrauenskapital, ist also als ein eigenständiges Ziel aufzufassen. Repräsentation bedarf der Inszenierung. In der Inszenierung steckt der Aufwand. Die Beschaffung von Aufmerksamkeit steht dabei im Vordergrund. Bei der Gestaltung von Geschäftsberichten sind folgende Hinweise hilfreich (Gazdar/ Piwinger 2005: 333 f.): Versuchen Sie nicht, alles einhundertprozentig zu machen. Berichten Sie aus der Stimmung des Augenblicks heraus, dann wird Ihr Bericht lebendig. Überlegen Sie, was Ihnen selbst nahe liegt. Tun Sie es! Nehmen Sie eine gewisse Einseitigkeit getrost in Kauf. Warum Informationen nicht auch einmal personalisieren, wenn dies angebracht ist (Stifter, Erfinder etc.). Wenn Sie Fotos verwenden, überlegen Sie gut, was Sie damit bezwecken wollen (zusätzliche Information? Eine bestimmte, gefühlsbetonte Anmutung? etc.). Vermeiden Sie es, zu viel in einen Geschäftsbericht hineinzupacken. Haben Sie Mut, Gefühle als Element einzubringen. Schauen Sie nicht so sehr auf andere! Haben Sie Mut zur Eigenständigkeit.
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5.
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Umfang
In den zurückliegenden Jahren sind dem Jahresbericht beständig neue Berichtspflichten (u. a. Risikobericht, Segmentberichterstattung, Entsprechenserklärung zum Corporate Governance Kodex) auferlegt worden. In der Summe führt dies zu einer Ausweitung des Umfangs, was die Frage aufwirft, wer überhaupt noch in der Lage ist beziehungsweise die notwendige Zeit aufbringt, sich mit den Inhalten intensiv auseinander zu setzen. Wer wie Finanzinvestoren, Analysten, Banker und Rating-Agenturen berufsbedingt nicht umhin kommt, dies zu tun, wird seine eigene Methodik entwickeln, um relevante Informationen herauszufiltern. Ein normaler Leser, etwa Privatanleger oder Stellensuchende und selbst Mitarbeiter des eigenen Unternehmens, werden dagegen ihre liebe Not haben, sich in der Überfülle an Informationen und Zusammenhängen zurechtzufinden und sich auf diese Weise ein zutreffendes Bild des betreffenden Unternehmens zu verschaffen. Daran ist bei der Informationsbereitstellung zu denken. Die Geschäftsberichte der großen und international tätigen Unternehmen umfassen selten weniger als 200 Druckseiten, reichen aber in Einzelfällen auch deutlich darüber hinaus. Das sind richtig dicke Wälzer. Die Schmerzgrenze ist schon fast überschritten. Viele Unternehmen geben dem Leser zusätzliche Informationen, von denen sie glauben, dass sie die Realität des Geschäftes besser abbilden. Allein bei der Schweizer Großbank UBS umfasst die freiwillige Offenlegung fast drei Viertel der Finanzberichterstattung. „Das öffentliche Interesse und die Sensibilisierung in Bezug auf Finanzberichterstattung fordert von Unternehmen echte kommunikative Leistungen, die weiter gehen als das Einhalten von Vorschriften“, begründet die UBS ihren Auftritt dergestalt. Um vom Anschein her die Leser nicht von vornherein durch den kaum noch verkraftbaren Umfang abzuschrecken, gehen viele Unternehmen mittlerweile dazu über, ihre jährliche Berichterstattung auf zwei bis drei eigenständige Bände zu verteilen. Sie erreichen damit gleichzeitig Kosteneinsparungen, da nicht alle Anspruchsgruppen alles lesen wollen. Die übliche Aufteilung ist: „Jahresbericht“, manches Mal auch „Geschäftsbericht“, und „Finanzbericht“. Auf Anforderung von außen wird meist nur der „Geschäftsbericht“ bzw. „Jahresbericht“ verschickt. Der Finanzbericht, ergänzt um den Geschäftsbericht, dient als Informationsquelle für den Finanzmarkt. Mancher Leser wird sich noch an die früheren Sozialberichte, gefolgt von den Umweltberichten, erinnern. An diese Tradition knüpfen die heutigen Nachhaltigkeits- und Corporate-Responsibility-Berichte an. Auf Dauer werden auch sie (was teilweise schon der Fall ist) in den Berichtsteil integriert werden.
Geschäftsberichte als Mittel der Information und Beziehungspflege
6.
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Sprache
Einen allgemein gültigen Maßstab für die Textgestaltung in Jahresberichten gibt es nicht. Als Mindestanforderung sollte aber gelten, dass die Textqualität von Geschäftsberichten – in Anlehnung an die Normen des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes – den Verstehensvoraussetzungen des „verständigen Anlegers“ angemessen sein muss. Die Verstehensleistung der Rezipienten hängt ab von der Informativität und Narrativität des Geschäftsberichtes. Beide, präzise Information und erzählende Elemente, sind unverzichtbar für die sprachliche Gestaltung des Jahresabschlusses.3 Bekannt ist, dass fallweise Journalisten für die Erarbeitung und Bearbeitung der Texte engagiert werden. Eine sprachwissenschaftliche Begleitung und vor allem eine konzeptionelle Herangehensweise können diese aber nicht leisten und auch nicht ersetzen. Gemessen an der Textqualität schneiden deutsche Berichte im Allgemeinen schlechter ab als vergleichbare Berichte aus Österreich und der Schweiz. Sorgfalt und Genauigkeit sind selten anzutreffende Tugenden. Die Lust an der Lektüre leidet unter zu vielen (unerklärten) Fachwörtern, Anglizismen und Bürokratismen. Das schafft Distanz zum Leser und steht nicht selten im Gegensatz zum selbst gesetzten Anspruch wie: „Leistung aus Leidenschaft“ (Deutsche Bank) und „Liebe zum Automobil“ (Volkswagen). Das Problem dabei ist, dass in den entsprechenden Texten wenig von „Leidenschaft“ und „Liebe“ zu spüren ist. Eine dauerhafte Nicht-Übereinstimmung von Form und Inhalt führt zu einem Glaubwürdigkeitsverlust. Angesichts der großen Bedeutung von Sprache für die Herstellung von Verständigung, Akzeptanz und Vertrauen muss es verwundern, dass die Sprache in Geschäftsberichten ganz im Gegensatz zum oft aufwändig gestalteten visuellen Design vernachlässigt wird. Für die äußere Gestaltung engagieren Unternehmen spezialisierte Designagenturen und zahlen dafür oft horrende Beträge. Dem außen „hui“ sollte nicht ein „pfui“ bei den Texten im Wege stehen. Dem Text kommt noch eine weitere Funktion zu: Er schafft einen Deutungs- und Verstehensrahmen für das Zahlenwerk und zielt damit auf die Wahrnehmungsebene. Es gilt in der Kommunikation das sogenannte Thomas-Theorem (Thomas 1965: 29), welches besagt, dass nicht die Fakten unser Verhalten steuern, sondern die (subjektive) Wahrnehmung und Interpretation der Fakten. Ein Geschäftsbericht überzeugt, wenn er begründet, erklärt und erläutert, warum es gegenwärtig und zukünftig lohnt, dem Unternehmen sein Geld anzuvertrauen: Werden Informationen geliefert, die die Zukunft betreffen? Wird die Unternehmensstrategie erläutert? Werden heikle Fragen der Geschäftspolitik erörtert? Werden Gründen für Erfolg und Misserfolg erörtert? 3
Bezogen auf den Brief des Vorstandsvorsitzenden haben Ebert/Piwinger (2005: 334) dargelegt, weshalb viele sogenannte „Aktionärsbriefe“ Ansehensgewinne verschenken.
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Stehen die Aussagen in einem inneren Zusammenhang und sind sie stimmig? Wird zu viel behauptet oder angekündigt? Folgen die Gedanken einem „roten Faden“? Kommt eine Einstellung, Überzeugung zum Ausdruck? Enthält der Text eine zentrale Botschaft? Wie wird die Firma überleben und wachsen? Unternehmen, die solche Aussagen in ihren Jahresberichten nicht treffen, berichten unvollständig. Bilanzanalysten analysieren die Sprache auch unter symptomatischem Aspekt. Ändert sich in mehrjährigen Betrachtungen der Sprachduktus, indem zum Beispiel Formulierungen zu Sachverhalten, die bis dahin präzise waren, eher ins Vage umschlagen, können Bilanzanalysten früher, als es die Zahlen hergeben, auf eine sich abzeichnende Veränderung in der Unternehmensentwicklung schließen – mit Folgen für die Unternehmensbewertung. Die meisten professionellen „Verwerter“ von Geschäftsberichten haben wenig Zeit, um sich ein Bild von der Lage des Unternehmens machen zu können. Deshalb kommt es darauf an, dass der Text für sich selbst spricht. Die Sprache des Geschäftsberichts sollte dazu beitragen, die Ziele des Unternehmens zu erreichen. Wie bekommt man Aufmerksamkeit? Wie sichert man dem Unternehmen einen Platz im Gedächtnis der Öffentlichkeit? Was ist die zentrale Botschaft? Wie wollen wir wahrgenommen werden? Wie gewinnen und stabilisieren wir Vertrauen? Was macht uns sympathisch? Was macht uns glaubwürdig? Sprachlosigkeit können sich Unternehmen immer weniger leisten.
7.
Organisatorische Zuständigkeit
Große, international tätige Unternehmen verfügen heute über spezielle Abteilungen, die praktisch das ganze Jahr über mit der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der externen Berichterstattung beschäftigt sind. Im Allgemeinen liegt die Zuständigkeit für die Herstellung des Geschäftsberichts in der Unternehmenskommunikation. Dieser Umstand erklärt sich eher aus der Vergangenheit und orientiert sich nicht unbedingt an dem Zweckmäßigen. Bis etwa Mitte der 1990er Jahre war Finanzkommunikation (Investor Relations) in Deutschland weitgehend unbekannt; das erste einschlägige Buch zu diesem Thema von Dürr ist im Jahre 1994 erschienen (Dürr 1994). Finanzkommunikation beschränkte sich damals im Wesentlichen auf die Veröffentlichung eines Geschäftsberichtes und die jährliche Bilanzpressekonferenz mit einem festen Stamm meist gut bekannter Wirtschaftsjournalisten. Professio-
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nell arbeitende Investor-Relations-Abteilungen gibt es bei uns fast ausnahmslos erst seit dem Einsetzen des Börsen-Booms Ende der 90er Jahre. Aus heutiger Sicht besteht kein Zweifel, dass der Jahresbericht ein zentrales Dokument der Finanzkommunikation darstellt und die Verantwortung mittelfristig dorthin gehört.
8.
Kosten und Aufwand
Damit sich die Ausgaben für Information und Kommunikation lohnen, müssen sie mit einem höheren Nutzen verbunden sein. Umfang und inhaltliche Auffüllung der externen Berichterstattung stellen nicht nur die Akteure auf dem Finanzmarkt vor gewisse Probleme, insbesondere was die Informationsselektion betrifft. Betriebsintern schießen die Kosten der Finanzkommunikation in die Höhe. Bis zu zwei Millionen Euro beziffern international tätige Konzerne ihre Fremdkosten für Herstellung und Druck des Geschäftsberichts (Piwinger 2003: 10). Selbst kleinere Unternehmen unterschreiten selten die Schwelle von 150.000 Euro. Allerdings sollte man sich nichts vormachen. Einer seriösen Kosten- und Aufwandsrechnung hält dieser Ausweis nicht stand. Das ist weniger ein Problem der Erfassung, sondern der Zuteilung. Denn in der Regel finden nur die sogenannten Fremdkosten für Gestaltung, Herstellung und Druck Berücksichtigung. Sonstige Sachkosten, wie anteilige Datenverarbeitung, Telefongebühren und Porti fallen anteilig weniger ins Gewicht. In einer Vollkostenrechnung müssten vor allem der zuordenbare Personalaufwand erfasst werden sowie auch der Aufwand für die Informationsbereitstellung durch die Finanzbuchhaltung. Das geschieht bis heute nirgendwo. Daher fehlen uns auf der Aufwandseite aussagefähige Daten zu den wahren Kosten der Jahresberichterstattung. Bezieht man noch die Dokumentationspflichten (insbesondere bei Unternehmen mit einer Doppellistung in den USA) mit ein, sind pro Jahr Summen im mittleren zweistelligen Millionen-Bereich nicht unrealistisch. Das Interesse an einer solchen Rechnung ist in den Führungsetagen der Industrie schwach ausgeprägt; ebenso an einer Kosten-/Nutzenrechnung. Das wird sich dann ändern, wenn die Unternehmen daran gehen, sich einmal sämtliche (!) Aufwendungen vorzunehmen, welche die Finanzkommunikation erfordert. Unter diesem Gesichtspunkt ist es richtig, dass sich die Verantwortlichen mit der kommunikativen Wirkung befassen: „Haben wir eine Statusverbesserung erreicht?“, „Hat sich unser Bekanntheitsgrad verbessert?“, „Finden wir auf dem Finanzmarkt höhere Aufmerksamkeit?“ etc. Eine Kosten-/Nutzenrechnung ist in jedem Falle angebracht.
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9.
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Adressaten
Der mit Mühe und Fleiß fertig gestellte Geschäftsbericht wird unternehmensseitig und von den Depotbanken in großer Zahl verschickt – manches Mal in grauenvoller Verpackung, was zu Irritationen führen kann. Unabhängig von der verpflichtenden Erstellung des Jahresabschlusses kann die Frage: „Für wen machen wir den Geschäftsbericht?“ nur pauschal beantwortet werden: für den Finanzmarkt (institutionelle und private Anleger, Finanzinvestoren, Fondsmanager, Anlageberater u. a.) sowie weitere, dem Unternehmen nahe stehende Kreise wie Lieferanten, Kunden, Mitarbeiter und Bewerber. Die Zielgruppe ist folglich äußerst heterogen. Die Aufgabe, einen Geschäftsbericht für alles Interessentengruppen zu machen, ist kaum lösbar. Dahin gehende Kompromisse schmälern in der Regel das Ergebnis. Die meisten Geschäftsberichte bieten wertvolle Informationen für diejenigen an, die über ein reichlich bemessenes Zeitkonto verfügen. Die Bedürfnislage ist allerdings recht unterschiedlich. Aus diesem Grund teilt z. B. die Hypovereinsbank ihre Leser in Gruppen ein: den flüchtigen Leser, den schnellen Leser und den gründlichen Leser. Der Leser, der in aller Regel ein „Schnellleser“ bzw. ein kursorischer Durchstöberer ist, soll möglichst schnell die fünf wichtigsten Informationen finden, die er für seine Anlageentscheidung (kaufen, halten, verkaufen) braucht. Das heißt: Partnerhypothesen aufstellen und sich eine Vorstellung davon machen, was der Markt verlangt. Vorbildlich ausgedrückt findet man diese Überlegung in einem Geschäftsprinzip von Berkshire Hathaway von Warren Buffet, wo es heißt: „Wir versetzen uns in die Lage des Anlegers und überlegen uns, welche Fakten über unser Unternehmen uns interessieren würden. Genau diese Fakten veröffentlichen wir dann.“ (zitiert nach Di Piazza/Eccles 2003: 143) Seriöse Untersuchungen, wie lange der durchschnittliche Empfänger den Bericht in der Hand hält, gibt es keine. Oft werden es nur wenige Augenblicke sein. Geschäftsberichte werden nicht gelesen, sondern durchgesehen. Ebenso wenig gibt es ein Wissen darüber, welche Berichte aufgehoben oder archiviert werden. Zu unterscheiden sind davon die professionellen Nutzer, wie Analysten, Ratingagenturen und Investoren. Für sie ist der Geschäftsbericht ein Nachschlagewerk, welches sie bei Bedarf durcharbeiten müssen. Hinzu kommt, dass das Leseverhalten bei Anlegern starken Schwankungen unterliegt. Wie eine Umfrage des Deutschen Aktieninstituts zeigt, werden Gewinn- und Verlustrechnung am intensivsten gelesen (Deutsches Aktieninstitut 2005). Mittlerweile gelten Quartalsberichte als ebenso wichtig wie Geschäftsberichte: 45 Prozent messen dem Geschäftsbericht eine hohe Bedeutung bei, immerhin 41 Prozent dem Zwischenbericht. Hauptinformationsquelle der privaten Anleger sind öffentliche Medien; 74 Prozent geben sie als sehr wichtig an.
Geschäftsberichte als Mittel der Information und Beziehungspflege
10.
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Ausblick
Nach wie vor haben sich gedruckte Geschäftsberichte als Informationsquelle durchgesetzt. Im Internet werden häufig deckungsgleiche PDF-Dokumente eingestellt. Einige Unternehmen haben versucht, den elektronisch abrufbaren Geschäftsbericht durch HTML-Technik mediengerechter zu gestalten. Der Trend geht allerdings in Richtung interaktive PDFs, die eine kosteneffiziente und aufgelockerte Form der Präsentation von Geschäfts- und Zwischenberichten im Internet darstellen. Allerdings wandelt sich der inhaltliche Fokus. Neue Kapitel über Corporate Governance und Nachhaltigkeit bzw. Corporate Citizenship (Scherer/Baumann 2007) zeigen, dass in instabilen Zeiten die ganzheitliche Verantwortung des Unternehmens, nicht nur gegenüber Investoren, sondern auch hinsichtlich der Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung an Boden gewinnt. Die Etablierung von Wissensbilanzen (Will/Alwert/Kivikas 2007), ein mehr erzählerischer Schreibstil und der Ausweis nichtfinanzieller Faktoren (Intangible Assets) stellen eine neue und spannende Herausforderung dar. DRS 15 4 empfiehlt dazu insbesondere Angaben zur Entwicklung der immateriellen Werte des Unternehmen wie beispielsweise eine stärkere Berücksichtigung der Entwicklung des Kundenstammes und Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange und, sofern möglich, deren Quantifizierung. Die Berichterstattung kann dem Adressaten einen Einblick in die immateriellen Werte des Konzerns, unabhängig von deren Bilanzierungsfähigkeit, vermitteln. Entsprechende Darstellungsformen sind bei weitem noch kein Standard in der Geschäftsberichterstattung deutscher Konzerne.
Literatur
Deutsches Aktieninstitut (2005) (Hrsg.): Verhalten und Präferenzen deutscher Aktionäre. Eine Befragung privater und institutioneller Anleger zu Informationsverhalten, Dividendenpräferenz und Wahrnehmung von Stimmrechten, Frankfurt a. M. Di Piazza Jr., Samuel/Eccles, Robert (2003): Vertrauen durch Transparenz. Die Zukunft der Unternehmensberichterstattung, Weinheim. Dürr, Michael (1994): Investor Relations. Handbuch für Finanzmarketing und Unternehmenskommunikation, München/Wien.
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Dieser Standard war erstmals anzuwenden auf das nach dem 31. Dezember 2004 beginnende Geschäftsjahr.
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Ebert, Helmut/Piwinger, Manfred (2005): Finanzkommunikation als Beziehungskommunikation – Die Praxis des Aktionärsbriefes, in: Kirchhoff, Klaus Rainer/Piwinger, Manfred (Hrsg.): Praxishandbuch Investor Relations. Das Standardwerk der Finanzkommunikation, Wiesbaden, S. 345-357. Frey, Lutz G./Melzer, Kathrin (2005): Bilanzrechtliche Aspekte der Investor Relations, in: Kirchhoff, Klaus Rainer/Piwinger, Manfred (Hrsg.): Praxishandbuch Investor Relations. Das Standardwerk der Finanzkommunikation, Wiesbaden, S. 123-155. Gazdar, Kaevan/Piwinger, Manfred (2005): Protokoll und Präsentation – Rollen des Geschäftsberichts, in: Kirchhoff, Klaus Rainer/Piwinger, Manfred (Hrsg.): Praxishandbuch Investor Relations. Das Standardwerk der Finanzkommunikation, Wiesbaden, S. 317-324. Maul, Karl-Heinz (2007): Der Jahresabschluss als Medium der Information und Kommunikation, in diesem Band. Piwinger, Manfred (2000): Der Geschäftsbericht als Imageträger. Die formale Gestaltung als zentraler Bestandteil, in: Martini, Hans-Jürgen (Hrsg.): Handbuch PR (Loseblattsammlung 1994 ff.), Nr. 1.512, S. 1-9, Neuwied/Kriftel. Piwinger, Manfred (2001): Geschäftsberichts-Bilanz: Verpasste Image-Chancen, in: Corporate Publishing IV, S. 18-20. Piwinger, Manfred (2003): Vorwerk und „Der Geschäftsbericht“, in: Piwinger, Manfred (Hrsg.): Ausgezeichnete Geschäftsberichte. Von Profis lernen: Fallbeispiele außergewöhnlicher Präsentationen, Frankfurt a. M., S. 216-234. Piwinger, Manfred (Hrsg.) (2003): Ausgezeichnete Geschäftsberichte. Von Profis lernen. Fallbeispiele ausgezeichneter Geschäftsberichte, Frankfurt a. M. Scherer, Andreas Georg/Baumann, Dorothée (2007): Corporate Citizenship: Herausforderung für die Unternehmenskommunikation, in diesem Band. Thomas, William Isaac (1965): Personen und Sozialverhalten, Neuwied/Kriftel. Will, Markus/Alwert, Kay/Kivikas, Mart (2007): Wissensbilanzierung – Strategische Kommunikationsprozesse bewerten und steuern, in diesem Band.
Die Mitarbeiter-Zeitschrift als Führungsinstrument
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Die Mitarbeiter-Zeitschrift als Führungsinstrument Klaus Viedebantt
Die Mitarbeiter-Zeitschrift, eines der ältesten Instrumente der innerbetrieblichen Kommunikation, ist in einem Bedeutungswandel. Die frühere Aufgabe, über relevante Veränderungen im Unternehmen zu informieren, ist übergegangen auf schnellere elektronische Medien, vor allem auf das Intranet. An Bedeutung gewonnen hat hingegen die Rolle der MitarbeiterZeitschrift als erklärendes Hintergrund-Medium und, dank der Möglichkeit zu optischer Opulenz, als Motivations-Medium. Der Markt professionalisiert sich. Dafür sorgen zum einen namhafte kommerzielle Verlage, die sich diesem Markt zuwenden, zum anderen jüngere Führungskräfte, für die Kommunikation ein wichtiger Teil ihrer Arbeit ist. Dennoch wird die Mitarbeiter-Zeitschrift noch vergleichsweise selten als Führungsinstrument eingesetzt.
1.
Bedeutung und Nutzen
Die Mitarbeiter-Zeitschrift ist ein Medienriese. Zumindest wenn man diese Publikationsform nach der Zahl ihrer Titel und nach ihrer kumulierten Auflage bemisst. Genaue Ziffern gibt es zwar nicht, aber Experten schätzen, dass es allein in Deutschland 1.000 bis 1.500 regelmäßig erscheinende Veröffentlichungen für Mitarbeiter gibt, mit einer jährlichen Gesamtauflage von bis zu 15 Millionen Exemplaren. Aber solche Zahlen allein sind nicht sehr aussagefähig. Für die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten eines gedruckten Periodikums in der internen Kommunikation bedarf es weiterer Fakten. Die dazu notwendigen Fragestellungen lauten beispielsweise: Werden die gedruckten Exemplare überhaupt ausreichend gelesen? Und wenn sie gelesen werden, wie werden ihre Inhalte bewertet? Stehen die Kosten in einer vertretbaren Relation zu den erreichten (oder wenigstens erreichbaren) Zielen? M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_25, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Schließlich: Ist das Druckmedium überhaupt noch zeitgemäß angesichts der schnelleren und deutlich billigeren digitalen Medien wie Intranet, E-Zine oder E-Mail? Diese und ähnliche Fragen, die sich sowohl bei einer neuen Zeitschrift wie auch bei einer bestehenden stellen, lassen sich durch Erhebungen ziemlich präzise beantworten. Für andere ähnlich wichtige Fragen gilt das aber nicht: Übernimmt das Mitarbeiterblatt auch repräsentative Aufgaben nach innen (und nach außen)? Oder soll es das gar nicht? Mobilisiert es die Belegschaft? Oder ist das nicht angestrebt? Alle diese Fragen und somit auch ihre Antworten sind miteinander verknüpft. Nur ein Bündel der Antworten liefert eine ausreichende Grundlage für die Positionierung oder die (weitere) Alimentierung der Publikation – eine Kosten-Nutzen-Rechnung, die auf der Nutzenseite mit einigen Schätzungen auskommen muss. Mitarbeiter-Zeitschriften sind, wenn sie richtig eingesetzt werden, effiziente und strategische Führungsinstrumente. Das geschieht allerdings noch relativ selten (Cauers 2005). Richtig eingesetzt heißt: Die Entscheider definieren zu ihren unternehmerischen Zielen eine Kommunikationsstrategie. Je präziser die Zielvorstellungen sind, desto leichter ist es, die dazu optimale Kommunikation zu entwickeln – das gilt nicht nur für die interne, sondern auch für die externe Kommunikation. „Leicht“ heißt allerdings nicht, dass dies ein Geschäftsführer oder ein Vorstand quasi nebenher mit erledigt. Zu den Entscheidungskoordinaten gehören nämlich auch die Eigengesetzlichkeiten der Medienwirkung. Und die sollten Medienprofis beurteilen, sei es die eigene Kommunikationsabteilung, sei es Kompetenz von außen – gegebenenfalls beides zusammen.
2.
Mitarbeiter-Zeitschriften im Medienmix
Ihre beste Wirkung entfaltet die Mitarbeiter-Zeitschrift in einem Medienmix für die interne Kommunikation. Weitere nützliche Medien sind das Intranet, Firmenfernsehen, das Schwarze Brett und – wenn man den Begriff „Medium“ weit auslegt – Betriebsversammlung wie auch Mitarbeitergespräche. Sie alle haben ihre Stärken und Schwächen. Deshalb gleicht eine überlegte Kombination der Medien deren Schwächen aus und verstärkt zugleich ihre positiven Wirkungen. Was sind die Vor- und Nachteile der genannten Medien? Vorab ein Blick auf Fernsehen, Schwarzes Brett, Betriebsversammlung und Mitarbeitergespräche, die hier nur eine Nebenrolle spielen sollen: Unternehmensfernsehen betreibt nur eine Handvoll großer Unternehmen. Es ist das teuerste Medium, kann allerdings die wirkungsvolle Verbindung von Bild und Ton nutzen. Andererseits erfordert es in den Unternehmen noch den Gang zum Fernseher, was auch zu
Die Mitarbeiter-Zeitschrift als Führungsinstrument
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seiner relativ geringen Nutzung beiträgt. Die Kosten werden aber sinken und die Abspielsituation wird sich ändern, wenn sich schnelle digitale Übertragungswege durchsetzen und die Sendungen auf jedem Bürocomputer zu jeder Zeit abgerufen werden können. Die hohen Produktionskosten bleiben allerdings. Das gute alte Schwarze Brett lebt in vielen Unternehmen – und nicht nur in Produktionshallen ohne Computerterminals – fröhlich fort. Es eignet sich gut für die Kommunikation in kleinerem Kreis, etwa auf Abteilungsebene. Eine gut gemachte und „gepflegte“ Wandzeitung kann dieses schon fast persönlich anmutende Medium auch aus Sicht der Firmenleitung nutzen. Betriebsversammlungen haben, so hört man aus vielen Firmen, oft einen begrenzten Nachrichtenwert. Bisweilen sind es lediglich Rituale, besucht werden sie oft nur von einem geringen Anteil der Beschäftigten. Das ändert sich allerdings in wirtschaftlich schlechten Zeiten und in krisenhaften Situationen, etwa wenn Lohnkürzungen oder Massenentlassungen angekündigt sind. Die stärkste und wichtigste Form der Kommunikation ist zweifellos das persönliche Gespräch – auch wenn sich das in manchen Chefetagen und Abteilungsleiter-Zirkeln anscheinend noch nicht herumgesprochen hat. Naturgemäß können in größeren und womöglich überdies international präsenten Unternehmen die Vorstände nicht mit allen Mitarbeitern reden. Doch hin und wieder ein Internet-Chat mit dem Chef kann zumindest ein wenig abhelfen, insbesondere, wenn die Mitarbeiter-Zeitschrift Anlass und Themen später aufgreift. Die Hauptinstrumente im „Orchester Interne Kommunikation“ sind jedoch das Intranet (Mickeleit 2007) und Mitarbeiter-Zeitschriften: Veröffentlichungen im Intranet oder E-Mail-Rundschreiben sind preisgünstig und schnell, das ist ihre größte Stärke. Unternehmen können so ohne Verzug auf Situationen reagieren, die eine unmittelbare Aktion erfordern, etwa bei Unfällen oder Arbeitskonflikten. Die schnelle Reaktion nach innen hat eine besondere Bedeutung für börsennotierte Unternehmen, die in ihrer Kommunikation nach außen per Gesetz zu zeitnahen Veröffentlichungen angehalten sind. Nach innen ist das zwar keine Pflicht, es wäre aber ein Führungsfehler, Transparenz nur gegenüber der breiten Öffentlichkeit zu leisten. Die Mitarbeiter fühlten sich als nachrangig und weniger wichtig, ein Gefühl, das sich auf die Motivation und damit auf die Arbeitsleistung niederschlägt. Ein weiterer Vorteil der digitalen Kommunikationsformen: Sie sind interaktiv. Die Möglichkeit, mit wenig Aufwand auf eine Veröffentlichung im Intranet reagieren zu können, wird allerdings, so hört man unisono aus Unternehmen, von den Mitarbeitern recht wenig genutzt. Ein Versuch, diese Zurückhaltung aufzuweichen, bilden organisierte Chats und Netzforen mit Führungskräften. Daraus kann sich wieder eine hilfreiche Verschränkung mit der Mitarbeiter-Zeitschrift ergeben, wenn die wichtigsten Argumente gedruckt zusammengefasst werden. Damit kann man auch ein bewusst gesetztes Thema länger virulent halten.
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Zu den Nachteilen von Intranet & Co. gehört der Bildschirm. Er ist zum einen nicht überall verfügbar (das mag sich mit neuen Handy-Generationen ändern), zum anderen werden Bildschirmtexte mit zunehmender Länge weniger goutiert. Deshalb ist das Intranet besonders gut geeignet für Nachrichten. Nachrichten sind knappe Sachaussagen. Sie informieren, aber sie haben in der Regel keine (steuerbare) emotionale Wirkung. Dieser Effekt lässt sich im Intranet eher mit kurzen Kommentaren erreichen. Selbst wer seine Intranet-Nachrichten optisch aufpeppt, wird auf kleinen Bildschirmen nur eine begrenzt stimulierende Wirkung erzielen. Dafür steigen die Kosten – und das oft überproportional. Eine weitere Schwäche: Wer ständig am Bildschirm arbeitet, hat erfahrungsgemäß eine geringere Neigung, dort mehr zu lesen als das, was am Arbeitsplatz zwingend notwendig ist. Ausführliche Hintergrundinformationen müssen schon sehr wichtig oder fesselnd sein, um einen Bildschirmarbeiter zum ausdauernden Scrollen zu verleiten. Nachrichten auf dem Bildschirm sind, sofern sie die Speicher nicht anschwellen lassen sollen, ein ziemlich flüchtiges Medium. Wer sie „haltbar“ machen will, wird sie oft ausdrucken. Wenn dies massenhaft geschieht, ist der Kostenvorteil der elektronischen Information schnell dahin. Erfahrungen zeigen ohnehin, dass den Umsatz der Papierindustrie nichts mehr gefördert hat als die Proklamierung des „papierlosen Büros“. Eine weitere Schwäche von Intranet und E-Mail: Sie setzen, von Handys abgesehen, einen Zugang zu Computern voraus. In der Produktion sind Computer am Arbeitsplatz aber eher die Ausnahme. Die Hilfslösung, Terminals in Aufenthaltsräumen auszustellen, hat nur begrenzten Charme: In der Frühstückspause reden die Arbeitnehmer lieber miteinander oder sie lesen die Zeitung mit den großen Buchstaben. Das ist kein Zufall: Die Bild-Zeitung ist mindestens ebenso Informations- wie Unterhaltungsmedium – und letzteres fällt in den emotionalen Bereich. Auf diesem Feld hat die Mitarbeiter-Zeitschrift, auch ohne rabiaten Boulevard-Stil, ihre Stärke.
3.
Stärken der Mitarbeiter-Zeitschrift
Als Medium, das vornehmlich der aktuellen Information dient, ist die Mitarbeiter-Zeitschrift – abgesehen von der Produktionsbereichen ohne Terminals – überholt. Im Feld der Information taugt sie dafür aber umso besser für Erklärstücke, für Hintergrundberichte, die etwas mehr Platz benötigen. Die Optik kann den Erkläreffekt verstärken, weil sie, wenn gekonnt umgesetzt, das Auge des Lesers „führt“. Spezialkameras haben das bewiesen. Diese Kameras zeichnen die Pupillen-„Wanderung“ eines Lesers auf und übertragen diese Augenwege dann auf die entsprechende Zeitschriftenseite.
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In der bildhaften Darstellung, vor allem durch gute Fotos, liegt auch die größte Stärke der Mitarbeiter-Zeitschrift. Sie ist damit eine wichtige Säule in jeder integrierten Kommunikationsstrategie. Mit attraktiver Optik unterfüttert sie ihre Themen und gibt ihnen damit neben dem informativen Charakter auch eine emotionale Wirkung. Da die Mitarbeiter-Zeitschrift dank der schnelleren digitalen Kommunikation immer mehr von nachrichtlichen Aufgaben befreit ist, hat sie auch größere Freiheit in der Wahl ihrer journalistischen Formen (vertiefend dazu Mänken 2004). Freie Formen, die nicht an den Sachzwang und die Kürze der Nachricht gebunden sind, erleichtern das Lesen und erhöhen das Lesevergnügen. Das kommt natürlich auch den transportierten Inhalten und somit der Kommunikationsstrategie zugute. Freie Formen, die sich gut für eine Mitarbeiter-Zeitschrift eignen, sind Reportagen, Features, Interviews, Kommentare und – mit Einschränkungen – Glossen. Der hauptsächliche Nachteil der Mitarbeiter-Zeitschrift ist: Sie bedarf professioneller Unterstützung. Die Fotos zumindest für die tragenden Artikel müssen sehr gut sein, der Layouter muss sein Handwerk verstehen und kreative Einfälle haben. Druckvorbereitung, zum Beispiel über eine Fototechnik mit sehr guten Scannern, und Druck erfordern erfahrene Hersteller. Das Papier muss qualitativ dem Produkt entsprechen. Und letztendlich sollen die Leistungen der Autoren dem optischen Aufwand ebenbürtig sein – handgestrickte Erfahrungsberichte vom letzten Abteilungsausflug entsprechen diesem Anspruch selten. Da die Leser im Unternehmen zugleich Konsumenten von Zeitschriften und Magazinen am Kiosk sind, bilden die professionellen Standards solcher Printerzeugnisse zumindest unterbewusst den Erwartungsrahmen, der auch an Mitarbeiter-Zeitschriften angelegt wird. All das summiert sich fraglos zu höheren Kosten, zumal eine Mitarbeiter-Publikation mindestens vielmal im Jahr erscheinen soll, damit sie sich im Bewusstsein der Leser verankert. Eine Zeitschrift sollte auch mindestens 16 Seiten haben, damit sie als Zeitschrift wirkt. Und selbst an dieser unteren Umfangsgrenze empfiehlt sich für Vorder- und Rückseite ein etwas stärkeres Papier, damit sich das Blatt nicht zu lappig anfühlt und damit haptisch als minderwertig wirkt. Lohnt sich der höhere Aufwand? Das muss jedes Unternehmen angesichts seiner kommunikativen Ziele und seiner Kassenlage für sich entscheiden. Hilfreich ist dabei aber auch die Frage: Was erwarten unsere Mitarbeiter? Die Antwort lautet: inhaltlich ernst genommen zu werden und vom Auftritt her in etwa den Produkten zu entsprechen, die sie am Kiosk sehen und kaufen. Die Leser räumen zwar ihrer Mitarbeiter-Zeitschrift und Kollegen als AmateurRedakteuren gegenüber kommerziellen Titeln wie Stern, Spiegel oder Bunte einen gewissen Bonus ein. Aber dieser gute Wille gegenüber den Blattmachern und ihren Finanziers, der Geschäftsführung, vergeht recht schnell. Es gibt einen zweiten Grund, weshalb eine Mitarbeiter-Zeitschrift einen properen Auftritt braucht: Sie darf nicht allzu weit abfallen gegen die Publikationen für Kunden. Wenn die potentiellen Käufer oder Klienten mit Hochglanzprodukten bedacht werden, die eigenen Mitarbeiter aber mit billigem Holzpapier und schludriger Gestaltung, machen sich die Kollegen bald Gedanken über die angebliche Wertschätzung, die ihre Unternehmensführung ihnen
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entgegenbringt. Motivationsfördernd ist das nicht und damit steht es ganz im Gegensatz zu den Zielen der innerbetrieblichen Kommunikationsstrategie.
4.
Newsletter und Mitarbeiter-Zeitungen als kostengünstige Alternative
Gibt es eine Alternative zu den relativ teuren Zeitschriften? Ja, indem man einen anderen publizistischen Auftritt für die interne Printkommunikation wählt. Wenn hier bisher von der „Mitarbeiter-Zeitschrift“ die Rede war, so galt dies als Sammelbezeichnung für alle internen Periodika. Aber es gibt neben den „Zeitschriften“, bisweilen Magazine genannt, auch Mitarbeiter-Zeitungen oder Newsletter. Newsletter sind die preiswerteste Print-Lösung, von einzelnen doppelseitig bedruckten DINA4-Blättern,in beliebiger Zahl geheftet, bis zu gefalzten DIN-A3-Blättern, die zu Umfängen von mindestens 4, 8, 12 oder entsprechend mehr Seiten zusammengelegt werden. Letzteres ist die elegantere Lösung. Auch Newsletter lassen sich heute ansprechend gestalten. Im Layout aufwendiger, aber (mit einem geübten Blattmacher) immer noch preisgünstiger als Zeitschriften sind Zeitungen. Sie gelten, so belegen Studien, gegenüber den „wertvolleren“ Magazinen, zwar als weniger „wertig“, aber als „schnelles“ Medium, selbst wenn es wie das Magazin nur alle drei Monate erscheint. Zeitungen erfordern mehr redaktionellen Stoff und mehr kleine Nachrichten als Zeitschriften. Zeitungen haben auch einen Kostenvorteil beim Papier, dieser kommt allerdings erst bei höheren Auflagen deutlich zum Tragen.
5.
Inhalte entscheiden über den Erfolg
So wichtig der äußere Auftritt einer Mitarbeiter-Zeitschrift (ab hier wieder im umfassenden Sinn gebraucht) auch ist, entscheidend für ihre Bewertung in der Belegschaft sind natürlich in erster Linie ihre Inhalte. Sie müssen glaubhaft sein, aber auch den richtigen Sprachton treffen. Damit ist kein knalliger Boulevard-Jargon gemeint, das passt für viele nicht zur eigenen Firma. Aber triste Betriebswirt- oder Techniker-Schreibe akzeptieren die Leser noch weniger.
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Herausgeber und Redakteure arbeiten für eine Leserschaft, die zwar für ihre Zeitschrift nichts zahlt, die aber überaus sachkundig ist. Natürlich kennt nicht jede Buchhalterin die Details bei Forschung und Entwicklung und umgekehrt ist es genauso. Aber alle kennen sich aus in der Firma, von der in der Zeitschrift die Rede ist. Und wenn die Firma sich im Mitarbeiterblatt selbst über den grünen Klee lobt, die Leser aber wissen, dass die Wirklichkeit anders aussieht, dann hat die Mitarbeiter-Zeitschrift ihren Kredit bei den Kolleginnen und Kollegen schnell verspielt. Und dann sind die Gelder für die Publikation verschwendet. In gewissem Umfang tolerieren die Leser sogar Marotten ihrer Vorleute, beispielsweise die Eitelkeit des Chefs. Wenn der Firmenlenker ein Informationsdefizit diagnostiziert, weil er im Blatt nur fünfmal abgebildet ist, dann tut er sich zwar keinen Gefallen, weil die Belegschaft hinter seinem Rücken lästert. Aber die Mitarbeiter-Zeitschrift übersteht den Byzantinismus, wenn sie ansonsten glaubwürdig berichtet. Kein vernünftiger Leser interner Publikationen erwartet von den Redakteuren einen investigativen Journalismus. Jeder weiß: Das Blatt wird von der Unternehmensleitung finanziert und ihr Inhalt in der Regel von zumindest einer Führungskraft abgesegnet. Negatives wird man deshalb über die eigene Firma nicht finden – es sei denn, als Glosse über immer wieder gemopstes Toilettenpapier oder ähnliche gewichtige Ereignisse. Es gibt auch einige gute Gründe dafür, höheren Orts das Heft vor Drucklegung noch einmal anzuschauen. Eine Mitarbeiter-Zeitschrift ist nur theoretisch ein internes Medium. De facto ist sie öffentlich, denn ihre Verbreitung außerhalb des Firmengeländes ist nicht zu kontrollieren. Das heißt: Die Mitarbeiter-Zeitschrift unterliegt fast immer dem Presserecht, was in der Praxis kaum Auswirkungen hat. Wichtiger aber: Die Mitbewerber können mitlesen, sie tun es in der Regel auch. Deshalb gehören Informationen, die der Konkurrenz das Geschäft erleichtern, nicht ins Blatt. Für börsennotierte Unternehmen gilt es überdies, die spezifischen Publizitätspflichten zu beachten. Trotz solcher Einschränkungen gibt es genug Stoff, der die Leser interessiert, schließlich geht es bei ihrer Firma um die Einrichtung, bei der sie einen Großteil ihres Lebens verbringen. Regelmäßige und, soweit es geht, ungeschminkte Berichte zur Lage und nahen Zukunft des Unternehmens werden stets gelesen. Dasselbe gilt für Hintergründe zu Entscheidungen, die in der Führungsetage gefallen sind. Und wer die Berichterstattung hin und wieder mit einer Prise Selbstkritik würzt, steigert das Vertrauen der Leser. Er wird es etwas leichter haben, wenn es wieder einmal gilt, eine Umstrukturierung kund zu tun oder ein Sparprogramm zu starten. Und weil die Mitarbeiter-Zeitschrift ohnehin ein quasi öffentliches Medium ist, nutzen es viele Unternehmen auch in ihrer Öffentlichkeitsarbeit – Journalisten, die daran interessiert sind, kommen auf die Verteilerliste. Einige Firmen schicken ihre Mitarbeiter-Zeitschriften überdies an Kunden. Ob sie dort auf großes Interesse stoßen, kann zwar bezweifelt werden, aber schaden wird der Versand auch nicht. Anders ist es, wenn Mitarbeiter- und Kundenmagazin zu einem Medium verschmolzen werden, beispielsweise aus Kostengründen. Davon raten Kommunikationsfachleute ebenso
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ab wie Marketingexperten. Kollegen und Kunden benötigen wegen unterschiedlicher Interessen auch verschiedene Themen und eine unterschiedliche Ansprache. Kundenmagazine dürfen durchaus werblich sein, Mitarbeiter-Zeitschriften sollten aus den erwähnten Gründen nicht sein.
6.
Vertriebswege
Zum Vertrieb der Mitarbeiter-Zeitschrift gibt es zwei unterschiedliche Positionen. Die eine favorisiert die kostengünstige Verteilung der Exemplare am Arbeitsplatz, die andere plädiert für den Versand in die Wohnung des Mitarbeiters (und des Rentners). Letzteres verursacht zwar Kosten, verhindert aber weitgehend, dass die Publikation am Arbeitsplatz und mithin kostenträchtig in der Arbeitszeit gelesen wird. Ein weiteres Argument für die Zusendung: Die Chance wächst, dass die Familie das Blatt mit liest – ein wünschenswerter Effekt, wenn die Mitarbeiter-Zeitschrift auch die Absicht unterstützen soll, Mitarbeiter und deren Angehörige in ihrem Umfeld zu „Botschaftern“ ihrer Firma zu machen. Allerdings werden die Verwandten nur in die Zeitschrift schauen, wenn diese interessant gemacht ist. Und dann werden auch mehr Mitarbeiter die am Arbeitsplatz verteilte Publikation mit nach Hause nehmen. Die Mehrzahl der Unternehmen, so der Eindruck aus Gesprächen mit Redakteuren interner Medien, vertreibt ihre Mitarbeiter-Zeitschriften am Arbeitsplatz. Auch dabei gibt es zwei Lager: Direktzulieferung am Schreibtisch und über das Postfach oder die indirekte Lieferung über Verteilerkästen an zentralen Punkten wie den Eingängen oder der Kantine. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass mit einem Blick festgestellt werden kann, wie die „Nachfrage“ nach der Zeitschrift ist. Damit erhalten Redaktion und Firmenleitung zumindest einen Hinweis darauf, wie das Produkt in der Mitarbeiterschaft ankommt. Ansonsten ist es aufwendig, für diese Frage aussagekräftige Antworten zu bekommen. Viele Redaktionen legen ihren Heften zwar von Zeit zu Zeit Fragebögen bei, mit denen sie Leserbeurteilungen und -interessen zu erkunden suchen. Doch meist ist der Rücklauf gering und es antworten ohnehin nur die engagierteren Kollegen. Auch der Versuch, die Rücklaufquote mit Verlosungen zu steigern, hat in der Regel keine signifikant höheren Rücklaufquoten erzielt. Wer belastbare Aussagen zur Akzeptanz seiner Mitarbeiter-Zeitschrift wünscht, kommt um repräsentative Befragungen nicht herum. Das muss keine große Zahl von Befragungen sein, kleine entsprechend ausgewählte Fokus-Gruppen bringen erfahrungsgemäß ebenso nützliche und belastbare Resultate. Voraussetzung ist allerdings, dass die Gespräche von einem dies-
Die Mitarbeiter-Zeitschrift als Führungsinstrument
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bezüglich geschulten externen Fachmann geleitet werden. Wer die Mitarbeiter-Zeitschrift als unternehmensstrategisches Instrument einsetzen will, sollte diesen Aufwand nicht scheuen. Ein Fünf-Jahres-Abstand ist dafür ein guter Rhythmus. Generell ist festzuhalten, dass sich das Kommunikations-Controlling – wo es dies überhaupt gibt – nur wenig mit der internen Kommunikation beschäftigt; und dann oft nur im Hinblick auf die Kosten. Interne Redaktionen werden dankbar sein für solche Rückkopplungen, denn sie klagen häufig über zu wenige Reaktionen ihrer Leser. Leserbriefe sind die Ausnahme. Das gilt selbst für Mitarbeiter-Zeitschriften, die bei ihrer Leserschaft anerkannt sind. Überraschend ist das nicht. Mit wenigen Ausnahmen wie Spiegel, Focus, Zeit und den überregionalen Tageszeitungen erhalten auch die meisten kommerziellen Druckmedien kaum Leserbriefe. Am Arbeitsplatz ist die Neigung, sich mit einem Leserbrief oder einer anderen Äußerung zu exponieren, offensichtlich noch geringer. Da helfen auch beigeheftete Response-Karten oder die Verheißung kleiner Geschenke für Meinungsäußerungen wenig. Selbst die Preisausschreiben, auf die es einigen Rücklauf gibt, sind für Kontakte zur Leserschaft nur bedingt hilfreich: Viele Betriebsredaktionen beklagen sich, dass sich immer wieder dieselben Personen beteiligen. Tröstlich: Auch das soll dem Vernehmen nach in vielen kommerziellen Blättern ähnlich sein. Das bedeutet, dass eine innerbetriebliche Zeitschrift auf Dauer nur mit den Standards des Qualitätsjournalismus erfolgreich sein kann. Qualität meint nicht nur die angesprochenen äußerlichen Kriterien wie ordentliche Schreibe und appetitliche Darbietung, sondern auch die „inneren Werte“ jeder sauberen Kommunikationsarbeit, also vor allem Sorgfalt, Disziplin, Wahrhaftigkeit und Offenheit. Für die Sorgfalt hat die Redaktion zu sorgen. Aber für alle anderen Aspekte bedürfen die Macher der Mitarbeiter-Zeitschrift der aktiven Unterstützung durch die Unternehmensleitung. Daran scheint es häufig zu mangeln, wenn man die Kaffeepausengespräche bei Seminaren zur internen Kommunikation als Maßstab nimmt. Wahrhaftigkeit ist nur machbar, wenn die Redaktion die Wahrheit kennt. Dem steht aber offenkundig häufig die Hege von Herrschaftswissen entgegen. Und wo diese Wissensart unbegründet waltet, ist Offenheit nur noch ein akademischer Anspruch.
7.
Herausforderungen für die Mitarbeiter-Zeitschrift
Jüngere Führungskräfte sehen – im Gegensatz zu ihrer Vorgängergeneration – inzwischen meist die Öffentlichkeitsarbeit als einen integralen Bestandteil ihrer Arbeit an. Aber dennoch messen viele der inneren Öffentlichkeit eine geringere Bedeutung bei als der äußeren. Dabei schlagen sich, von öffentlichkeitswirksamen Skandalen abgesehen, negative Einstellungen im
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Klaus Viedebantt
eigenen Unternehmen in der Regel viel schneller im Geschäftsergebnis nieder als Kritik, die außerhalb der Firmengemarkung geäußert wird. Einige dieser Probleme kann man quasi im Organigramm lösen: Der Verantwortliche für Mitarbeiter-Zeitschrift und Intranet, meist der Leiter der Kommunikationsabteilung, sollte faktisch der Unternehmensführung angehören. Ob er eine entsprechende hierarchische Stellung hat oder einen passenden Titel trägt, ist zweitrangig. Wenn er journalistische Erfahrung hat, ist das von Vorteil. Nur ein derartig vernetzter Kommunikator kann seiner Redaktion die notwendige Portion an Wahrheit und Offenheit besorgen. Und wenn es richtig gut läuft, kann er sogar die unabdingbare Disziplin gewährleisten. Hier ist nämlich von der Disziplin der Chefs die Rede. Sie sind häufig die letzten im Kontrollsystem, wenn es um die Freigabe von Artikeln geht. Und das geschieht kurz vor Druckbeginn. Dennoch halten sich wohl viele Manager nicht an diesbezüglich zugesagte Termine – und nehmen dafür sogar zusätzliche Kosten hin. Für zeitgenaue Termine berechnen nämlich viele Druckereien günstige Sonderpreise. Wenn der Termin nicht eingehalten wird, kommen meist die höheren Listenpreise zum Tragen. Ein probates Gegenmittel ist die automatische Druckfreigabe, wenn der Chef bis zum vereinbarten Zeitpunkt keine Kritik angemeldet hat. Aber nicht jeder Geschäftsführer oder Vorstand ist bereit, dieses Zipfelchen seiner Macht dahinzugeben. Er wird seine Mitarbeiter-Zeitschrift ernster nehmen, wenn er ihrer Stärken in schwierigen Unternehmenssituationen bewusst wird. Zu den größten Herausforderungen gehört, gerade in krisenhaften Zeiten, das Change Management. Noch fordernder ist für den Mann an der Spitze eine Fusion, selbst wenn sie wirklich der gerne proklamierte „Zusammenschluss unter Gleichen“ ist. Beides bringt erhebliche arbeitsmäßige, aber auch psychische Belastungen für die Belegschaft mit sich. In diesen Prozessen spielt die Zeitschrift mit ihrer Möglichkeit, Änderungen erklärend und nachvollziehbar darzustellen, eine zentrale Rolle, vor allem wenn sie bei Fusionen den Prozess des Zusammengehens über Wochen mit Sonderpublikationen begleitet. Ein weiteres Feld, auf dem die Mitarbeiter-Zeitschrift eine große Hilfe sein kann, ist die Integration ausländischer Kolleginnen und Kollegen. Eine knackige Reportage, in der unterhaltsam die Eigenheiten einer anderen Kultur dargestellt werden, bewirkt vermutlich eine wirksamere Aufklärung als ein offizielles Informationspapier. Das funktioniert in beide Richtungen, beispielsweise mit einem Artikel in türkischer Sprache, der auf ähnliche Weise die Lebensgewohnheiten der Deutschen schildert. Auch in diesen Fällen bewährt sich die Mitarbeiter-Zeitschrift nicht nur als Träger von Informationen, sondern vor allem auch als Instrument zur Motivation. Damit steht das heutige Blatt durchaus in der Folge seiner Vorgänger. Wann und wo dieses spezifische Medium erfunden wurde, ist zwar unbekannt, aber schon die älteste überlieferte Werkszeitung, wie sie damals genannt wurde, diente unverhohlen (und aus heutiger Sicht sehr plump) der Motivation der Arbeiter. Der „Schlierbacher Fabrikbote“ trug die Schlagzeile: „Betet und arbeitet – und streikt nicht!“
Die Mitarbeiter-Zeitschrift als Führungsinstrument
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Seinerzeit entstanden derartige Publikationen redaktionell fast nur im eigenen Haus. Das ist zwar auch heute noch häufig der Fall, vor allem bei größeren Unternehmen mit entsprechend besetzter Kommunikationsabteilung, aber zunehmend wird diese Aufgabe an externe Dienstleister vergeben. Mittlerweile haben alle großen und viele mittlere Zeitschriften- und Zeitungsverlage eigene Töchter speziell für das „Corporate Publishing“ gegründet – ein Geschäftszweig mit stattlichen Wachstumsraten. Anfangs kaprizierten sich diese redaktionellen Dienstleister auf die einträglicheren Kundenmagazine (Weichler 2007), aber mit wachsendem Konkurrenzdruck bemühen sie sich zugleich um Mitarbeiter-Publikationen. Die guten Geschäftsaussichten haben aber auch dazu geführt, dass viele Anbieter mit unzureichender journalistischer Kompetenz am Markt sind. Das gilt vor allem für Werbeagenturen, die häufig zu glauben scheinen, Text sei Text, und ein ordentlicher Werbetexter könne auch ein journalistisches Produkt erstellen. Das ist, von Ausnahmen abgesehen, ein Trugschluss. Qualitätsbewusste Agenturen haben das inzwischen eingesehen und sich entweder Journalisten ins Haus geholt oder Kooperationen mit Verlagen und Redaktionsbüros begründet. Diese Aktivitäten zeigen: Die Mitarbeiter-Publikation hat auch in gedruckter Version nicht an Bedeutung verloren. Seit Erfindung des Buchdrucks konnte kein neues Medium ein anderes verdrängen. Lediglich die „Marktanteile“ der Medien untereinander haben sich verschoben. Das gilt auch für die Mitarbeiter-Zeitschrift. Die schnelle Sachinformation, ohnehin nie die genuine Stärke dieses Mediums, hat es abgegeben an elektronische Medien. Auf ihrem angestammten Feld, der hintergründigen, unterhaltenden und motivierenden Information, ist sie noch wichtiger geworden. Die Mitarbeiter-Zeitschrift hat Zukunft.
Literatur
Cauers, Christian (2005): Mitarbeiterzeitschriften heute. Flaschenpost oder strategisches Medium?, Wiesbaden. Mänken, Ernst Wilhelm (2004): Mitarbeiterzeitschriften besser machen, Wiesbaden. Mickeleit, Thomas (2007): Das Intranet der dritten Generation, in diesem Band. Viedebantt, Klaus (2005): Mitarbeiter-Zeitschriften. Inhalt – Konzeption – Gestaltung, Frankfurt a. M. Weichler, Kurt (2007): Corporate Publishing: Publikationen für Kunden und Multiplikatoren, in diesem Band.
Eventkommunikation: Strategische Botschaften erlebbar machen
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Eventkommunikation: Strategische Botschaften erlebbar machen Dieter Herbst
Events gehören zu den wirkungsvollsten Instrumenten der Unternehmenskommunikation: Sie vermitteln die strategischen Botschaften des Unternehmens durch ein inszeniertes Erlebnis, in das die wichtigsten internen und externen Bezugsgruppen stark eingebunden sind und das deren Gefühlswelt stark anspricht. Das Ergebnis erfolgreicher Events sind einzigartige, lebendige und sympathische innere Gedächtnisbilder, die entstehen, wenn die Teilnehmer an das Event und an das Unternehmen denken. Solche inneren Bilder können sehr verhaltenswirksam sein – dies belegen zahlreiche Forschungsergebnisse.
1.
Erlebnisse in der Unternehmenskommunikation
1.1
Bedeutung
In den vergangenen Jahren ist die emotionale Ansprache der internen und externen Bezugsgruppen enorm wichtig geworden. Einige Gründe: Der Markt: Produkte sind in Beschaffenheit und Funktionalität austauschbar. Die Studie „Brand Parity“ von BBDO Consulting ergab, dass die wahrgenommene Marken-Gleichheit bei Zeitschriften bei 73 Prozent liegt, bei Energie, Papiertaschentüchern und Benzin bei 80 Prozent (BBDO 2005). Qualität setzen Konsumenten als selbstverständlich voraus. Zu Recht: Die Stiftung Warentest bewertet derzeit 90 Prozent aller Produkte mit dem Testurteil gut (Esch 2003). Auf Grund dieser Austauschbarkeit interessieren sie sich immer weniger Verbraucher für die Produkte. Anzeigen beachten sie nur noch zwei Sekunden, ein Plakat nur noch eine Sekunde. Der Aufbau und die Entwicklung eines spezifischen ErlebM. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_26, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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nisprofils, das die Verbraucher anspricht und kaufauslösend wirkt, entwickeln sich zum einzigen Unterscheidungskriterium und damit entscheidenden Wettbewerbsfaktor, wie das Beispiel der Automobilindustrie zeigt. Die Unternehmen: In den vergangenen Jahren hat für die meisten Mitarbeiter die Arbeitslast enorm zugenommen, nicht jedoch der Spaß und die Befriedigung durch die Arbeit. Eine Studie von Gallup zeigt, dass 2004 nur 13 Prozent der Arbeitnehmer eine starke emotionale Bindung an ihr Unternehmen haben, 69 Prozent eine geringe und 18 Prozent keine emotionale Bindung (Gallup 2004). Die stärkere Ansprache der Gefühlswelt der Mitarbeiter kann beitragen, die Zufriedenheit mit der Arbeit und die Identifikation mit dem Unternehmen zu steigern. Die stärkere emotionale Ansprache setzt Energie frei, die den Mitarbeiter zufrieden stellen und die das Unternehmen nutzen kann, um seine Leistung zu steigern (Herbst 2003). Die Gesellschaft: Die Bedeutung von Werten hat sich in den vergangenen Jahren verschoben – Disziplin und Entsagung treten zurück zugunsten von Spaß und Erlebnis, zum Beispiel in Form von Sport, Reisen und Wellness (Schulze 2000). Erlebnis ist das Schlüsselwort in der Freizeitforschung, stellt der Freizeitforscher Horst Opaschowski fest (Opaschowski 2000). Insgesamt ist es für den Erfolg der Unternehmenskommunikation in allen Branchen essenziell geworden, ein einzigartiges Erlebnisprofil für Unternehmen und Produkte aufzubauen und an die internen und externen Bezugsgruppen zu vermitteln. Hierauf weist auch die weiter steigende Zahl von erlebnisorientierten Veranstaltungen hin, wie zum Beispiel Kundenfeste, Produktpräsentationen, Händler-Events und Unternehmenstheater. Vor allem für die Public Relations ist die starke Ausrichtung an der Gefühlswelt der Bezugsgruppen vergleichsweise neu: Zu oft noch gilt die Überzeugung, dass die PR Sachinformationen durch Texten vermittelt, dagegen die Werbung durch Bilder emotionalisiert. Doch diese Trennung ist nicht nur falsch und unsinnig (Herbst 2003); Informationen und Emotionen sind nicht zu trennen. Hierzu Thomas Schierl: „Auch wenn man Botschaften hundertmal wiederholt, werden sie nicht beachtet, sofern sie nicht in der Lage sind, einen emotionalen Eindruck zu hinterlassen.“ (Schierl 2001: 119).
1.2
Emotionen, Lernen und Handeln
Die Bedeutung der emotionalen Ansprache bestätigen die Ergebnisse der modernen Hirnforschung: Demnach werden Bezugsgruppen die strategischen Botschaften eines Unternehmens dann am besten wahrnehmen, verarbeiten und speichern, wenn diese Botschaften emotional bedeutend für sie sind. Dies lässt sich folgendermaßen erklären: Alle in das Gehirn eingehenden Informationen bewertet zuerst das limbische System, das die Gefühle steuert, danach,
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welche emotionale Bedeutung diese Informationen für den Menschen haben. Konkret übernimmt diese Aufgabe der Mandelkern (Amygdala): Der Mandelkern funktioniert wie die Eingänge sortierende Bibliothekarin: Welche Information in den Langzeitspeicher und damit in das Gedächtnis der Bezugsgruppen gelangt, hängt davon ab, welchen emotionalen Wert ihr diese Bibliothekarin beimisst. Im Gedächtnis bleibt nur das haften, was den Mandelkern positiv wie negativ anrührt – alles andere rauscht am Gehirn vorbei. Unternehmen mit einem einzigartigen Erlebnisprofil, wie BMW, Adidas und Apple, sprechen den Mandelkern besonders stark an. Belanglose oder austauschbare Unternehmen rühren den Mandelkern kaum oder gar nicht an. Ergebnis: An solche Unternehmen erinnern sich die Menschen kaum. Dies ist der wichtigste Grund für die starke Wirkung von Unternehmen mit einem einzigartigen Erlebnisprofil: Sie transportieren Emotionen und werden demnach besser erinnert. Die Bezugsgruppen wollen diese Unternehmen unterstützen, weil sie die emotionalen Wünsche und Erwartungen der Bezugsgruppen von allen Unternehmen am besten befriedigen. Selbst die Investitionsgüterindustrie, in der Entscheidungen angeblich auf Grund der rationalen Abwägung einer Leistung erfolgen, erkennt durch die Ergebnisse der modernen Hirnforschung, dass diese Abwägung viel stärker emotional erfolgt, als bisher angenommen. Handlungen sind vor allem emotional bestimmt und werden mitunter später rational begründet. Hirnforscher Gerhard Roth erklärt die Bedeutung des limbischen Systems für unsere Entscheidungen so: „Das Gefühl, etwas zu wollen, kommt erst, nachdem das limbische System schon längst entschieden hat, was getan werden soll. Die Quintessenz ist, dass dieses System die letzte Entscheidung darüber hat, ob wir etwas tun oder nicht“ (Roth 2000). Und Helene Karmasin schreibt: „Das wahre Motiv lautet: Du willst es, Du musst es haben, es ist wunderbar. Das legitimierende Motiv lautet: Du brauchst es, es ist notwendig und sinnvoll“ (Karmasin 1993: 57). Dass Emotionen die Voraussetzung für rationale Entscheidungen sind, belegen die Arbeiten des Neurologen Antonio Damasio (2004): Einige Patienten, die auf Grund von geschädigten Hirnregionen ihre Emotionalität eingebüßt hatten, verloren gleichzeitig ihre Fähigkeit, rationale Entscheidungen zu treffen. Fazit: Emotionen sind notwendige Grundlage für vernünftiges Handeln.
1.3
Das emotionale Leistungsversprechen
Diese Erkenntnisse haben zwei Konsequenzen: Die erste ist, dass die Unternehmenskommunikation die strategischen Botschaften des Unternehmens stets auch in ihrer emotionalen Bedeutung für die Bezugsgruppen darstellen sollte. Wie also sind die steigenden Umsatzzahlen emotional zu bewerten: Sind sie beruhigend oder beängstigend? Welche Faszination geht von der neuesten Innovation des Unternehmens aus? Zum Beispiel wollen Investoren nicht nur nüchterne Zahlen über das Unternehmen sehen, sondern in persönlichen Gesprächen durch schlüssige Managementstrategien überzeugt werden, sie wollen etwas über die Ziele
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und die Visionen des Unternehmens und dessen Management erfahren. Sie wollen von der Geschichte des Unternehmens fasziniert und begeistert werden, und sie wollen wissen, warum sie gerade jene Aktien kaufen und empfehlen sollen. Die zweite Konsequenz ist, dass die Unternehmenskommunikation ein eigenständiges, langfristiges Erlebnisprofil aus einzigartigen positiven Gefühlen bestimmt, die mit dem Unternehmen verbunden sind. Diese Gefühle machen die Unternehmenskommunikation erlebbar und regen damit das limbische System der Bezugsgruppen an. Das Unternehmen gibt ein emotionales Leistungsversprechen ab, das es auf Grund seiner besonderen Fähigkeiten einzigartig erbringt. Dieses Versprechen kann darin bestehen, dass das Unternehmen beiträgt, das Bedürfnis nach Balance und Geborgenheit zu befriedigen, nach Anregung und Wandel oder nach Status und Überlegenheit (Häusel 2004, Herbst 2005). Zu den Unternehmen, denen dies besonders gut gelingt, gehören Audi, Disney und eBay. Emotionale Appelle stammen von McDonald’s („Ich liebe es“), Edeka („Wir lieben Lebensmittel“), Henkel („A brand like a friend“), Volkswagen („Aus Liebe zum Automobil“) und Mini („Is it love?“). Das Leistungsversprechen ist einfach und leicht verständlich und damit leicht zu lernen. Es ist im Unternehmensleitbild fixiert, hierdurch für alle Beteiligten verbindlich und Grundlage ihres Handelns. Ein häufiges Defizit in der Unternehmenskommunikation ist, als alleinige emotionale Komponente zu formulieren, das Unternehmen solle als „sympathisch“ empfunden werden. Warum? Sympathie ist eine ungerichtete Empfindung und als Stimmung schwächer als Emotionen. Sympathie bedeutet, das Unternehmen „nett“ zu finden. Zur Erzeugung von Sympathie eignen sich beliebig alle Mittel und Maßnahmen, die irgendwie eine positive Stimmung erzeugen. Die größte Schwäche: Sympathie ist kaum geeignet, sich eindeutig und dauerhaft gegenüber anderen Unternehmen abzugrenzen, weil viele Unternehmen sympathisch sind. Dagegen sind Emotionen eindeutig ausgerichtet, wie zum Beispiel Stolz, Freude, Sicherheit, Behaglichkeit, Siegerwillen. Sie ermöglichen damit dem Unternehmen, eine einzigartige emotionale Positionierung zu besetzen (UFP; Unique Feeling Proposition), und sich kraftvolle Abgrenzung im Wettbewerb. Das Unternehmen sollte daher jene Gefühle eindeutig bestimmen und abgrenzen, die die Bezugsgruppen mit dem Unternehmen verbinden sollen. Welche können das grundsätzlich sein? Erika Woll hat in ihrer Doktorarbeit über Erlebniswelten folgende Emotionskategorien gebildet: Abenteuer, Aktivität, Appetitlichkeit, Behaglichkeit, Entspannung, Erfolg, Erotik, Exklusivität, Exotik, Fortschrittlichkeit, Freiheit, Frische, Geborgenheit, Gemütlichkeit, Genuss, Geselligkeit, Humor, Jugendlichkeit, Lebensfreude, Liebe, Modernität, Natürlichkeit, Prestige, Romantik, Sachlichkeit, Sinnlichkeit, Spaß, Sportlichkeit, Stärke, Tradition, Traumwelt, Überraschung, Urlaubserlebnis (Woll 1997: 38). Solche Kategorien lassen sich noch einmal in unterschiedliche Ausprägungen unterteilen. Die Befürchtung ist daher unberechtigt, dass nicht ausreichend Emotionen zur Verfügung stehen, um sich im Wettbewerb abzugrenzen. Behaglichkeit kann Geborgenheit bedeuten, aber auch Wärme und menschliche Nähe. Geborgenheit lässt sich noch einmal in soziale Geborgenheit und materielle Geborgenheit unterscheiden (Kroeber-Riel 1993).
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Ein Unternehmen kann mehrere Emotionen zu Erlebnissen bündeln. Zum Beispiel besteht der Erlebnis-Mix der Seife Fa aus den Eigenschaften frisch (30 Prozent), karibisch (30 Prozent), natürlich (20 Prozent), wild (10 Prozent) und erotisch (10 Prozent). Hilfreich ist, die einzelnen Emotionen zu gewichten. Dies hat folgende Vorteile: Das Unternehmen wird sich noch besser über sein angestrebtes Erlebnisprofil klar und kann seine Aktivitäten gezielt auf dessen Vermittlung ausrichten. Je nach Mittel und Maßnahmen kann es entscheiden, welche Emotionen es anspricht und in welcher Intensität (zum Beispiel im Internet, im Sponsoring und auf einem Event). Priorisieren erleichtert die Dramaturgie von Maßnahmen, wie zum Beispiel einem Event, bei dem das wichtigste Gefühl den Höhepunkt bildet. Das Priorisieren erleichtert die Langfristplanung, indem das Unternehmen Abwechslung schaffen und so das Interesse seiner Bezugsgruppen wach halten kann. Events können das spezifische Erlebnisprofil des Unternehmens einzigartig vermitteln.
2.
Events als inszenierte Erlebnisse
2.1
Eigenschaften von Events
Events haben sich zum elementaren Bestandteil der Mittel und Maßnahmen der Unternehmenskommunikation entwickelt. Leider gibt es kaum einen Begriff, der abgegriffener und unklarer ist – alles wird als Event bezeichnet: von der trockenen Informationsveranstaltung, nach der es einen Stehimbiss mit kleinen Häppchen gibt, bis hin zur Aufsehen erregenden Show mit Trockennebel und karibischen Schönheiten. Was sind Events tatsächlich?
Definition: Events Events sind Veranstaltungen, die ein einmaliges Erlebnis darstellen. Sie inszenieren die strategischen Botschaften der Unternehmenskommunikation durch direkt erlebbare emotionale und physische Reize, um die Einstellung der Teilnehmer gegenüber dem Unternehmen und seinen Leistungen zu ändern. Durch dieses spezifische emotionale Erlebnis kann sich das Unternehmen von anderen abheben. Der Kommunikationsverband versteht unter Events „... inszenierte Ereignisse sowie deren Planung und Organisation im Rahmen der Unternehmenskommunikation ..., die durch erlebnisorientierte Firmen- oder Produktveranstaltungen emotionale und physische Reize darbieten und einen starken Aktivierungsgrad auslösen.“ (Kommunikationsverband 1992: 3)
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In Anlehnung an Zanger/Sistenich (1998) lassen sich die Eigenschaften von Events so beschreiben: Events sind vom Unternehmen initiierte Veranstaltungen ohne Verkaufscharakter: Statt dem Vermitteln von Information stehen die Emotionalisierung und die Einbindung in eine inszenierte Unternehmens- und Markenwelt im Vordergrund. Der Teilnehmer schaltet also seinen Kopf aus und genießt die Veranstaltung mit dem Herzen. Events unterscheiden sich bewusst vom Alltag der Besucher: Die Teilnehmer werden in eine Ausnahmesituation versetzt: Für eine begrenzte Zeit brechen sie aus ihrer Routine aus, um in eine inszenierte Erlebniswelt einzutauchen und ihr Bedürfnis nach Individualität zu befriedigen. Events setzen die Unternehmenspersönlichkeit in erlebbare Ereignisse um – inszenierte Unternehmens- und Markenwelten werden erlebbar. Professionelle Inszenierung und Dramaturgie können die Wirkung verstärken (Philippi 2003). Steht das Unternehmen für Tradition, kann dies der Teilnehmer durch alle Bestandteile des Events erleben. Steht es für Innovation, sollten auch alle Bestandteile des Events dies ausdrücken: von der Einladung bis zur Tischdekoration. Ein Event ist auf eine ausgewählte Bezugsgruppe zugeschnitten, um die Wirkung zu bündeln. Events stehen für intensive Kontakte. Events sind interaktionsorientiert: Die Teilnehmer sind nicht auf die Empfängerrolle reduziert, sondern erhalten die Möglichkeit zum direkten Dialog. Dies trägt wesentlich zur Aktivierung bei. Events sind Teil integrierter Unternehmenskommunikation und damit auf die anderen Mittel und Maßnahmen der persönlichen Kommunikation (z. B. Informationsgespräche), der medialen Kommunikation über Printmedien (z. B. Broschüren, Mailings) und elektronischen Medien (z. B. Internet, DVD) abgestimmt. Zu betonen ist, dass Events stark emotional wirken und vom Herkömmlichen abweichen. Zum Beispiel starten die Teilnehmer des jährlichen Red Bull-Flugtages mit selbstgebauten Fluggestellten getreu dem Slogan: „Red Bull verleiht Flügel“. Events haben drei Kerneigenschaften, deren Kombination sie von den anderen Mitteln und Maßnahmen der Unternehmenskommunikation unterscheidet: Erstens, Events appellieren an Erlebniswerte, die in der Gefühls- und Erfahrungswelt der Bezugsgruppen verankert sind, wie zum Beispiel Gesundheit, Genuss und Nostalgie. Zweitens, Events sind interaktiv. Hierbei lassen sich die organisatorische und die persönliche Interaktivität unterscheiden: Organisatorische Interaktivität bedeutet, dass die Teilnehmer des Events entscheiden können, in welcher Abfolge sie das Event nutzen, z. B. im Rahmen eines Parcours. Mehr noch: Sie können in das Geschehen eingreifen und den Ablauf des Events beeinflussen. Dies gibt ihnen ein Gefühl, wichtig zu sein. Persönliche Interaktivität bedeutet den direkten Austausch zwischen den Teilnehmern, den diese nach ihren Wünschen und Bedürfnissen gestalten. Der
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Erfolg der Kommunikation ist sofort und direkt feststellbar – so entsteht erfolgreicher Dialog. Der Veranstalter tauscht sich mit den Teilnehmern aus und die Teilnehmer untereinander. Der Veranstalter überlässt es also nicht dem Zufall, ob und über welche Themen seine Besucher reden, sondern er inszeniert dies. Es entsteht Zwangsläufigkeit statt Beliebigkeit. Eventmanagement ist Beziehungsmanagement. Drittens, jedes Event ist einzigartig: Selbst wenn drei Events aufeinander folgen, so ist kein Event wie das andere, zum Beispiel durch die Teilnehmer und deren Austausch. Die Einzigartigkeit wird eingefangen in Fotos, die den Besuchern an den Folgetagen zugestellt werden und die noch lange an den Abend erinnern. Die Unternehmenskommunikation leitet aus diesen drei Kerneigenschaften die spezifischen Eventziele ab, also jene Ziele, die nur das Event erreichen kann und keine anderen Mittel und Maßnahmen. In der Praxis sind in den meisten Eventkonzepten entweder überhaupt keine Ziele bestimmt, also das, was das Event wie stark und in welcher Zeit bei den Teilnehmern erreichen will. Oder die Ziele sind zu unspezifisch, wie zum Beispiel „Kundenbindung erhöhen“, weil diese Ziele auch durch andere Aktivitäten erreichbar sind. Stattdessen sind Eventziele zum Beispiel jene, die exakt festlegen, welche spezifischen Erlebnisse in welchem Ausmaß und innerhalb welcher Zeit (kurz-, mittel- und langfristig) vermittelt sind. Ein anderes Eventziel könnte sein, bestimmte Menschen in Kontakt zu bringen und sie etwas gemeinsam erleben zu lassen (zum Beispiel Unternehmensvertreter mit potenziellen Kunden oder Kunden und Nichtkunden).
2.2
Eventwirkung
Die herausragende Wirkung von Events gründet vor allem in der emotionalen Ansprache aller Sinne: durch visuelle Reize (Bilder, Inszenierungen), akustische Reize (Musik, Geräusche, Sprache), olfaktorische Reize (Geruch), haptische oder taktile Reize (Oberflächen, Böden, Wind), gustatorische Reize (Geschmack). Das Sehen spielt hierbei die herausragende Rolle, weil wir zu 80 Prozent durch Sehen lernen (Herbst/Scheier 2004). Die multimodale Ansprache aller Sinne führt dazu, dass mehrere Hinbereiche aktiv sind und sich das Unternehmen hierdurch stärker verankert als bei der Aktivierung von nur einem Bereich. Weitere Eventwirkungen lassen sich wie folgt skizzieren: Events wirken als Teil der persönlichen Kommunikation wesentlich stärker auf die Meinungen und Einstellungen von Menschen als Broschüren oder das Internet. Diese Wirkung gründet auf der Möglichkeit zur ganzheitlichen Wahrnehmung des Unternehmens. Durch direktes Erleben wird das Unternehmen authentischer und glaubwürdiger erlebt – die Teilnehmer sehen nicht nur die Bilder aus der Werbung, sondern sie können sich ein eigenes, umfassendes Bild vom Unternehmen machen und Erfahrungen mit ihm sammeln.
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Die Teilnehmer sind durch das Event stark angesprochen. Dies öffnet sie für Unternehmensbotschaften. Events sind daher für Unternehmen hervorragend geeignet, für die sich die Bezugsgruppen ansonsten kaum interessieren, zum Beispiel Energieversorger. Teilnehmer und Veranstalter erleben das Event gemeinsam. Dies kann das Wir-Gefühl stärken. Das persönliche Erleben des Events verankert das Unternehmen stark in der Bezugsgruppe. Je spezifischer das Event auf die Gefühlswelt der Teilnehmer zugeschnitten ist, desto stärker kann es wirken. Ebenso gilt: Je stärker die Teilnehmer in die Veranstaltung eingebunden sind, desto stärker wirkt es. Events haben eine hohe Initialwirkung, das heißt sie, können sehr gut das Erleben steuern und Verhalten in Gang setzen. Die durch das Event ausgelöste Aktivierung, zum Beispiel durch die dort entstandene Begeisterung, führt zu aktivem Handeln. Die Kommunikation wird von Bezugsgruppen als angemessener erlebt, weil sie Form und Inhalt mitbestimmen (Dialog!). Hierdurch können Distanz abgebaut und eine partnerschaftliche Beziehung aufgebaut werden. Als nachhaltige Wirkung erzeugen erfolgreiche Events starke innere Gedächtnisbilder, an die sich die Teilnehmer auch nach einiger Zeit noch erinnern können, und die stark verhaltenswirksam sind. Diese inneren Bilder, so genannte „mental images“, bestehen aus allen sinnlichen Eindrücken vom Event, also dem Geruchsbild, dem Hörbild, dem Geschmacksbild, dem Tastbild und dem Sehbild (Kroeber-Riel 1993). Diese Eindrücke sind an unterschiedlichen Stellen des Gehirns gespeichert und bilden ein Netz durch unser Gehirn, was die moderne Hirnforschung bestätigt: Wenn sich Menschen an ein Ereignis erinnern, dann aktiviert dies unterschiedliche für die Sinneswahrnehmung zuständige Gebiete im Gehirn: Die Gehirnregion des Hippocampus setzt die Gedächtnisbruchstücke dann zu einem einheitlichen Ganzen zusammen. Je klarer und deutlicher dieses innere Bild vom Event ist, desto stärker wirkt es. Solche inneren Bilder, in denen sich der Mensch 30 bis 40 Prozent der Wachzeit bewegt, wirken auf Meinungen, Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensabsichten ein. Beispiel: Je klarer das innere Bild vom Unternehmen, desto stärker steigt die Bereitschaft, Aktien von diesem Unternehmen zu kaufen, so das Ergebnis der ImageryStudien der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Alle Signale auf dem Event sollten deshalb aus einem Guss sein, damit ein starker und stimmiges Gesamteindruck vom Event und dem Unternehmen entsteht: Die stimmige und durchgängige Inszenierung des Erlebnisprofils beginnt im Vorfeld des Events mit der Ankündigung und der Einladung des Events, das die Unternehmensbotschaft stützt. Das Event selbst macht die Unternehmenswerte erlebbar und auch im Nachgang des Events sorgen Dankesschreiben, Geschenke und Fotos vom Event für Stringenz und Nachhaltigkeit der Eindrücke. Verhaltenswirksame innere Bilder können aber auch von misslungenen Events entstehen: Ist die Veranstaltung nicht professionell organisiert und läuft sie nicht gut ab, kann die Wirkung ins Gegenteil umschlagen. Zu vermeiden sind auch diffuse Eindrücke, die dadurch entstehen, dass Entscheidungen intuitiv und beliebig getroffen werden und nicht auf Grundlage der
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Unternehmensbotschaften und der Eventziele. Die professionelle Planung, Organisation, Durchführung und Nachbereitung gehören daher ebenso zu den Erfolgsfaktoren für gelungene Events wie die Einbindung in die gesamte Unternehmenskommunikation.
3.
Zusammenfassung und Erfolgsfaktoren
Events können sehr wirkungsvoll und verhaltenswirksam die strategischen Botschaften des Unternehmens transportieren (Schäfer 2002, Erber 2000, Nickel 1998). Sie können innere Bilder in den Köpfen und Herzen der internen und externen Bezugsgruppen aufbauen, die dazu beitragen, dass die Bezugsgruppen jenes Unternehmen den anderen Unternehmen vorziehen. Voraussetzung für die Wirkung von Events ist, dass das Unternehmen ein emotionales Leistungsversprechen abgibt, das es auf dem Event durch alle Bestandteile des Events und durch alle Sinne erlebbar vermittelt. Eine dramaturgisch entwickelte Geschichte bündelt die Eindrücke und dient der besseren Behaltensleistung. Je unspezifischer die Eindrücke und je diffuser, desto schwächer wird das Event wirken. Je einheitlicher die Eindrücke sind und je stärker sie an die bisherigen Gedächtnisinhalte anknüpfen, desto stärker wird das Event wirken. Die Teilnehmer des Events sind stark einbezogen und die vermittelten Gefühle sprechen sie stark an. Dies setzt voraus, dass das Event sorgfältig und gezielt auf die Bezugsgruppen zugeschnitten ist. Je unterschiedlicher die Teilnehmer, desto unspezifischer die emotionale Wirkung. Das Event schafft Überraschungen zur Aktivierung und zur Erinnerungswirkung und damit zur starken Verankerung der strategischen Botschaften. Das Event muss in der gesamten Unternehmenskommunikation verankert sein, da sonst die Gedächtnisspuren des Events nicht zu den Gesamteindrücken passen und zudem noch vorübergehend sind. Hier zeigt sich strategische Eventkompetenz und nicht darin, beim nächsten Event noch lauter, bunter, spektakulärer zu werden.
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Literatur
BBDO Consulting (2005): Brand Parity, Düsseldorf (im Internet: www.bbdo.de). Damasio, Antonio (2004): Descartes’ Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn, Berlin. Erber, Sigrun (2000): Eventmarketing. Erlebnisstrategien für Marken. Landsberg/Lech. Esch, Franz-Rudolf (2003): Strategie und Technik der Markenführung, München. Gallup Organization (2004): Engagement Index 2004 (im Internet: www.gallup.de). Häusel, Hans-Georg (2004): Brain Script, Warum Kunden kaufen, Planegg/München. Herbst, Dieter (2003): Praxishandbuch Unternehmenskommunikation, Berlin. Herbst, Dieter (2005): Handbuch Markenführung, Berlin. Herbst, Dieter/Scheier, Christian (2004): Corporate Imagery, Wie Ihr Unternehmen ein Gesicht bekommt, Berlin. Karmasin, Helene (1993): Produkte als Botschaft, Wien. Kommunikationsverband (BDW) (1992): Bedeutung, Planung und Durchführung von Events, Erhebungsbericht. Kroeber-Riel, Werner (1993): Strategie und Technik der Werbung, Verhaltenswissenschaftliche Ansätze, 4. Auflage, Stuttgart/Berlin/Köln. Nickel, Oliver (Hrsg.) (1998): Event-Marketing. Grundlagen und Erfolgsbeispiele, München. Opaschowski, Horst (2000): Kathedralen des 21. Jahrhunderts. Erlebniswelten im Zeitalter der Eventkultur, Hamburg. Philippi, Reinhard (2003): 30 Minuten für Veranstaltungs-Dramaturgie, Heidesheim. Roth, Gerhard (2000): Warum ist Einsicht schwer zu vermitteln und schwer zu befolgen? Neue Erkenntnisse aus der Hirnforschung und den Kognitionswissenschaften, Vortrag im Niedersächsischen Landtag am 25.01.2000 (im Internet: http://pweb.de.uu.net/prmarzluf.hb/rothvor.html). Schäfer, Stephan (2002): Event-Marketing, Berlin. Schierl, Thomas (2001): Text und Bild in der Werbung, Köln. Schulze, Gerhard (2000): Kulissen des Glücks, Streifzüge durch die Eventkultur, Frankfurt a. M./New York. Woll, Erika (1997): Erlebniswelten und Stimmungen in der Anzeigenwerbung, Wiesbaden. Zanger, Cornelia/Sistenich, Frank (1998): Theoretische Ansätze zur Begründung des Kommunikationserfolgs von Eventmarketing – illustriert an einem Fallbeispiel, in: Nickel, Oliver (Hrsg.): Event-Marketing, München, S. 39-60.
Design als strategischer Erfolgsfaktor und Dimension von Identität
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Design als strategischer Erfolgsfaktor und Dimension von Identität Klaus Schmidt
Die Globalisierung von Produktion und Distribution prägt den wirtschaftlichen Wandel weltweit. Produkte und Dienstleistungen werden sich immer ähnlicher und Innovationen immer schneller kopiert. Design – im Sinne von Produktdesign, Corporate Design oder Markendesign – ist zunehmend ein wichtiges Instrument zur Positionierung im Wettbewerb. Die traditionellen Maßnahmen zur Positionierung wie Preisgestaltung, Qualität und innovative Technologien sind zur Selbstverständlichkeit geworden. Damit wird Design ein wichtiger Schlüsselfaktor zur Differenzierung und Wertschöpfung; nicht nur wegen seiner funktionalen Aspekte, sondern insbesondere wegen des psychologisch-emotionalen Mehrwerts, den es einem Produkt, einer Marke oder auch einem ganzen Unternehmen verleihen kann. Der strategische Einsatz von Design dient der Differenzierung sowie der Profilierung und damit der Markenbildung. Design vermittelt Vorstellungsbilder. Und diese wiederum sind als Inhalte einer identitätsorientierten Unternehmens- und Markenführung in der Lage, Leistungen im Wettbewerb zu differenzieren und entsprechend zu positionieren. Der Marketing-Guru Philip Kotler drückte es einmal so aus: Eine der wenigen Chancen, die ein Unternehmen hat, um sich von der „breiten Masse“ abzuheben, liege darin, auf den Zielmärkten mit einer herausragenden Designstrategie die faktische Produktleistung, insbesondere auch bei immateriellen Produkten und Dienstleistungen, zu vollenden. Mit anderen Worten: Design ist nicht nur „nice to have”, sondern unternehmerische Notwendigkeit.
1.
Design – ein Begriff mit vielfältiger Bedeutung
Vielfach wird Design als reine Gestaltung der Oberfläche verstanden; im angelsächsischen Sprachraum hingegen im Sinne von Konzeption, Planung und Ordnung, im Management und
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_27, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Klaus Schmidt
in der Industrie z.B. als Gesamtplanung des Arbeitsprozesses. Tatsächlich entwickelt sich Design immer stärker zu einem „Gesamtkommunikationsmittel“. Dabei kann die Produktgestalt zur Äußerung von Lebenseinstellungen werden – die exklusive Marke erfüllt dann den Zweck eines tragbaren Statussymbols – und das Firmenlogo am Revers oder auf der schmucken Aktenmappe ist nun Ausdruck von Stolz und Zugehörigkeit zu einem bestimmten Unternehmen. Grundlegend gilt: Design bestimmt in ganz wesentlichem Maße die Identität von Marken, Produkten, Dienstleistungen oder Unternehmen. Sei es durch das Design der Marken- und Firmenzeichen, die Gestaltung der Produkte und der Verpackungen sowie den gesamten kommunikativen Auftritt, aber auch die Architektur oder Ausstattung von Läden, Büros, Arbeitsplätzen, Serviceeinrichtungen, Händlerbetrieben oder Transportmitteln. Insbesondere bei immateriellen Produkten und Dienstleistungen visualisiert das Design quasi als „Produktausstattung“ die Produkte. Design wirkt auf Kunden und Zielgruppen, aber auch intern auf die Mitarbeiter. Design ist die Materialisierung und Visualisierung der Botschaften und Versprechungen, der Ideen und Wunschbilder, realisiert durch die Gestaltung und durch die Anmutung des Gestalteten. Es ist also das Design, welches ganz wesentlich dazu beitragen kann, die Unternehmenskompetenz, die Leistungsfähigkeit, die angestrebte Positionierung, aber auch die Wertehaltungen des Unternehmens zum Ausdruck zu bringen. Design gibt Identität und Identität ermöglicht Identifikation; Identifikation mit Produkten, Lebensstilen, Geschmacks- und Empfindungswelten oder eben auch Marken und Unternehmen. Identifikation braucht Inhalte, Gestaltung und Symbole. Das Design schafft Identifikation und wird damit zum Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, zu einem soziodemografischen Identifikationsmerkmal. Als „Königsdisziplin“ des Designs gilt dann auch das Corporate Design bzw. das Brand Design (Schmidt 2003). Der Grund hierfür ist, dass es umfassend alle visuellen Äußerungen und Maßnahmen und Mittel des Auftritts eines Unternehmens umfasst: Über sogenannte „BrandTouchPoints“ realisiert sich die Wahrnehmung und Erfahrung der Marke bzw. des Unternehmens am Markt.
Design als strategischer Erfolgsfaktor und Dimension von Identität
2.
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Design – strategisches Instrument zur Differenzierung und Profilierung
Komplexe, und oftmals immaterielle Sachverhalte und Angebote müssen heute in aufmerksamkeitsstarke, absatzfördernde und für Marktpartner, Management und Mitarbeiter verbindliche Konzepte umgesetzt werden. Design kann als Instrument zur Profilierung von Produkten, Dienstleistungen, Marken und Unternehmen eingesetzt werden. Design als strategisches Instrument verstanden basiert auf marktorientierten Zielsetzungen; orientiert an der strategischen und kommunikativen Positionierung. Es ist das Design, welches neben anderen von der Unternehmenskultur ausgehenden Aspekten ganz wesentlich dazu beiträgt, die Unternehmenskompetenz, die Leistungsfähigkeit, die angestrebte Positionierung und die Werthaltungen zum Ausdruck zu bringen.
Beispiel: AEG Schon zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde in Deutschland bei der AEG eines der ersten umfassenden Design-Programme der Industriegeschichte entwickelt und umgesetzt. Den Anstoß gab 1907 die Berufung des Architekten und Designers Peter Behrens als „künstlerischer Beirat“ durch den damaligen AEG-Chef Rathenau. Behrens formierte um sich ein Team, in dem sich unter anderen der junge Gropius sowie Mies van der Rohe befanden. Von Rathenau ermutigt und unterstützt, gestaltete dieses Team das gesamte individuelle Erscheinungsbild des damals größten europäischen Energie- und Elektro-Unternehmens: von der Visitenkarte und dem Briefbogen über Glühbirnen und Turbinen bis zu Werkshallen und Verwaltungsgebäuden. All dies wurde in einem einheitlichen Stil konzipiert, was durchaus als Wegbereitung des „Bauhaus“-Gedankens bezeichnet werden kann. Schon damals waren diese Bemühungen um ein einheitliches Design nicht die Marotte eines kunstliebenden Konzern-Chefs, sondern ein Mittel zum Zweck: Das gute Design war Ausdruck des Qualitätsanspruchs und Selbstbewusstseins des Unternehmens.
Heute bedürfen insbesondere Dienstleistungsgesellschaften wie Fluggesellschaften, Versicherungen, Banken, Energieversorger und Touristikregionen in besonderem Maße der Profilierung durch identitätsorientiertes Design, um Angebote und Leistungen sichtbar und erlebbar zu machen. Bei Fluggesellschaften zum Beispiel sind es neben dem Preis der Komfort in den Flugzeugen, die Lounges, der Service, die Präsenz und das Image, die als Unterscheidungsmerkmale wirken. Corporate Design und Corporate Identity (Schmidt 1994) unterstützen hier die Erkennbarkeit, Differenzierung und Positionierung. Ein weiterer Markt, in dem sich in den letzten Jahren sehr viel getan hat, ist der Energieversorgungsmarkt: Seit der Deregulierung nutzen Unternehmen wie E.ON und RWE die
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Chancen, die eine Profilierung von Marken auf Basis einer strategischen Grundlage und entsprechend eines strategischen Designs bietet. Der auf der Farbe Rot basierende Auftritt von E.ON zum Beispiel differenziert das Unternehmen und seine Leistungen über eine emotionale gestalterische Anmutung, die bei der Einführung durch den Kommunikationsauftritt mit Publikumslieblingen wie Veronica Ferres und Arnold Schwarzenegger unterstrichen wurde. Namensgebung und Design gehen Hand in Hand: E.ON (griechisch „aeon“, deutsch „Unendlichkeit“) steht im Sinne des Unternehmens mit seiner Schreibweise für Energie (E) und Aufbruch (ON). Unternehmen in der ganzen Welt geben Jahr für Jahr Milliarden für Design, Produktentwicklung, Packaging, Web Design und Branding aus. Umso wichtiger ist es herauszustellen, das Design einen wichtigen Einfluss auf die Unternehmensperformance hat. Dies belegt eine Studie des Britischen Design Council, nach der die Performance von Unternehmen, die Design effektiv zur Profilierung und Differenzierung einsetzen, an den Aktienmärkten bis zu dreimal besser ist als der FTSE 100 Index (Financial Times Stock Exchange) (Design Council 2005). Unternehmen, die Design effektiv einsetzen, steigern ihren Unternehmenswert und erreichen somit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz.
3.
Design – eine Dimension von Identität
Die Verbindung von Design und Identität liegt auf der Hand. Corporate Design sollte aber nicht mit Corporate oder Brand Identity gleichgesetzt werden. Marken- oder Unternehmensidentität entsteht erst durch die Vernetzung aller relevanten Aspekte über eine ganzheitliche Identitäts-Strategie, die auf flexible und marktnahe Strukturen und kundenorientierte Leistungsprozesse setzt. Erst wenn die Unternehmenskultur, das Unternehmensverhalten, die Marktbedingungen und -strategien, die Produkte und Dienstleistungen sowie Kommunikation und Design als untereinander vernetzte Dimensionen einer Unternehmens- oder Markenidentität verstanden werden, lässt sich eine ökonomisch, sozial und kulturell erfolgreiche Identität entwickeln. Mehr denn je müssen Unternehmen Ziele, Strategien, Strukturen, Verhaltensweisen und Informationsinhalte mit bestehenden und künftigen Anforderungen des Marktes abgleichen und abstimmen. Wandel und Dynamisierung dürfen aber nicht heißen, dass sich die Identität in Beliebigkeit auflöst. Ein Ansatzpunkt für die Entwicklung einer strategischen Corporate oder Brand Identity, die sämtliche unternehmens- und marktrelevanten Wahrnehmungs- und Wirkungsbereiche berücksichtigt, ist das von Henrion Ludlow Schmidt konzipierte ganzheitlichen Identitätsverständnis „Holistic Solutions“.
Design als strategischer Erfolgsfaktor und Dimension von Identität
4.
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Holistic Solutions – Methode ganzheitlicher Identitätsentwicklung
Holistic Solutions ist eine umfassende, pragmatische Methode für ganzheitliches Markenund Identitätsmanagement. Sie wurde auf der Grundlage der Erkenntnisse einer Studienreihe und der systematischen Aufarbeitung vielfältiger internationaler und globaler Kundenprojekte entwickelt. Dieser Ansatz für holistische Markenführung besteht aus einem Struktur- und einem Prozessmodell. Ausgehend von der holistischen Positionierung wird im Folgenden das Strukturmodell mit den sechs Identitätsdimensionen beschrieben. Die Identität einer Marke oder eines Unternehmens wird über sechs Dimensionen vermittelt und wahrgenommen. Sie müssen naturgemäß als Teile eines Ganzen verstanden werden; Teile, die zueinander in Wechselwirkung stehen und ein Gesamtsystem bilden. Dabei wird in konkreten Identitätsbildungsprozessen je nach Problemsituation und Aufgabenstellung mal die eine, mal die andere Dimension – oder eine Kombination mehrerer Dimensionen – der Ansatzpunkt sein.
4.1
Das Strukturmodell
Holistic Solutions steht in erster Linie für das Grundverständnis eines ganzheitlichen Marken(welt)bildes. Vor diesem Hintergrund werden Branding und Identitätsaufgaben grundsätzlich und umfassend betrachtet. Der holistische Denkansatz schließt alle Aspekte und Dimensionen der Marke in diese Betrachtung ein. Und dabei werden disziplinäre Schranken überwunden. Marken- und Unternehmensidentitäten lassen sich in sechs Dimensionen strukturieren, die in einem interdependenten Verhältnis zueinander stehen und in ihrer Gesamtheit die Identität ausmachen (vgl. Abbildung 1). Sie stellen sowohl die Erkenntnisbereiche für die Wahrnehmung und Analyse als auch die Wirkungsbereiche für die Steuerung von Marken und Unternehmensidentitäten dar. Die sechs Identitätsdimensionen sind: Kultur Verhalten Produkte und Dienstleistungen Märkte und Kunden Design sowie Kommunikation.
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Abbildung 1:
4.2
Holistic Solutions-Modell
Die Positionierung
Die Positionierung bildet die Basis für die ganzheitliche Konzeption und Steuerung einer Marken- oder Unternehmensidentität. Es werden die Vision, also das Ziel, die Mission als der markenspezifische Weg zur Zielerreichung und die Werte, die als Haltungen bei der Zielerreichung zu Grunde gelegt werden, definiert. Die Differenzierungsfaktoren bilden den Kern der holistischen Positionierung. Dabei wird nach rationalen und emotionalen Differenzierungsaspekten unterschieden. Sie bilden die Substanz und den Ausdruck der Marke, aus denen sich der Kundennutzen und das Leistungsversprechen ableiten lassen. Die holistische Positionierungsstrategie berücksichtigt alle sechs definierten Identitätsdimensionen bei der Analyse, Konzeption und Steuerung von Markenidentität. Auf dieser Grundlage wird die ganzheitliche Einbeziehung aller Wahrnehmungs- und Wirkungszusammenhänge von Marken- und Unternehmensidentität möglich:
Design als strategischer Erfolgsfaktor und Dimension von Identität
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Die Vision ist die – zukunftsgerichtete – Aussage zu den Zielen eines Unternehmens oder einer Marke. Sie muss prägnant, klar und deutlich, erinnerbar, motivierend, ehrgeizig, aber auch realistisch sein. Die Mission beschreibt Wege und Maßnahmen zur Zielerreichung. Sie sollte verständliche Vorstellungen vermitteln, auf welche Weise die in der Vision angestrebten Ziele erreicht werden können, sie bildet die Basis für die operative Umsetzung. Die Werte sind die individuellen und kollektiven Haltungen, die dem Handeln einer Marke oder eines Unternehmens zu Grunde liegen. Sie müssen an der Vision orientiert sein und die in der Mission beschriebenen Wege und Maßnahmen zur Zielerreichung unterstützen. Die Werte prägen das operative Handeln des Unternehmens oder der Marke und werden durch dieses vermittelt. Jenseits aller definitorischen Feinheiten ist es offensichtlich, dass das Handeln – und damit das öffentliche Bild – jedes Unternehmens, jeder Organisation geprägt ist von den Werten, die ihr Handeln bestimmen; gleichgültig, ob dieses bewusst oder unbewusst geschieht. Vision, Mission und Werte müssen kontinuierlich und gezielt auf ihre Relevanz und Zielerreichung überprüft werden.
Abbildung 2:
Differenzierungsfaktoren
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Die Differenzierungsfaktoren bilden den Kern der Positionierung. Sie definieren die für den Markterfolg kritischen Unternehmensmerkmale einer Marke oder eines Unternehmens zum Wettbewerb. Dabei wird nach rationalen und emotionalen Differenzierungsaspekten unterschieden, die im Folgenden als Substanz und Ausdruck bezeichnet werden. Beide liegen oft dicht beieinander und bedingen sich gegenseitig. Die Substanz bezieht sich auf die physischen und organisatorischen Grundlagen der Marke, bzw. des Unternehmens, also die rationalen Aspekte wie Produktion, die Produkte selbst, interne Strukturen und Prozesse, die vorhanden sein müssen, um das Markenversprechen einhalten zu können. Der Ausdruck beschreibt die Darstellung der Marke, also die emotionalen, subjektiv erfahrbaren Aspekte, die den Charakter einer Marke bestimmen. So z. B. der visuelle Auftritt, die Kommunikation oder auch die Qualifikation der Mitarbeiter. Aus der Gesamtheit der Differenzierungsfaktoren und ihrer Aspekte wird der Kundennutzen abgeleitet, der die Grundlage für die Formulierung des Leistungsversprechens darstellt (vgl. Abbildung 2). Die Positionierung ist somit eine umfassende Beschreibung einer Identität.
4.3
Die sechs Dimensionen
Die Identität einer Marke oder eines Unternehmens wird nach Holistic Solutions über sechs Dimensionen vermittelt und wahrgenommen. Sie müssen naturgemäß als Teile eines Ganzen verstanden werden; Teile, die zueinander in Wechselwirkung stehen und ein Gesamtsystem bilden. Dabei wird im konkreten Brandingprozess je nach Problemsituation und Aufgabenstellung mal die eine, mal die andere Dimension – oder eine Kombination mehrerer Dimensionen – der Ansatzpunkt sein. Kultur: Die Dimension Kultur beinhaltet alle kulturellen Bedingungen, Zielsetzungen und Zustände eines Unternehmes oder einer Marke. Die Unternehmenskultur ist ein wesentlicher Ansatzpunkt für Marken- und Identitätsprojekte, da sie zu den wesentlichen Einflussgrößen für den Gesamtauftritt zählt. Sie beeinflusst in entscheidendem Maße Einstellungen und Verhalten und kann auch als Kommunikationsmedium gesehen werden. In der Dimension „Kultur“ werden alle Faktoren einbezogen, die eine Organisation – bewusst oder unbewusst – einsetzt, um ihre Identität auszudrücken. Die Kultur umfasst so unterschiedliche Aspekte wie den Führungsstil im Unternehmen oder die Führungsgeschichte. Auch typische Unternehmensrituale sind Bestandteil der Unternehmenskultur. Die Kultur eines Unternehmens ist unter allen Dimensionen diejenige, die am tiefsten wurzelt und sich am langfristigsten auswirkt. Sie ist gleichzeitig die Dimension, die am häufigsten vernachlässigt und unterschätzt wird. Die Methode der „Holistic Solutions“ hilft Unternehmen, die eigene Kultur systematisch zu entwickeln – auf der Basis einer Analyse des Ist-Zustands und mit der Perspektive einer ganzheitlich fundierten Einhaltung des Markenversprechens.
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Verhalten: Diese Dimension ist definiert als das Handeln des Unternehmens oder der Marke, kollektiv und individuell: vom Verhalten und Auftritt des Gesamtunternehmens über das Verhalten des Managements, das interne Informationsverhalten, das Verhältnis zur Öffentlichkeit, das Umweltverhalten, den Umgang mit Ressourcen, das Sozialverhalten bis hin zu den Standort- oder Gastlandbeziehungen. Das Verhalten einer Organisation und ihrer Mitarbeiter ist, in dem zuvor skizzierten Sinne, zu einem guten Teil von der spezifischen Kultur dieser Organisation abhängig. Das Verhalten wird aber auch durch andere Faktoren beeinflusst; so durch die Wettbewerbssituation in einer Branche oder die wirtschaftliche Gesamtlage. Das Verhalten des einzelnen Mitarbeiters wie des gesamten Unternehmens gehört zu den entscheidenden Dimensionen einer Marke und ihrer Identität. Jede Möglichkeit, das Verhalten positiv zu beeinflussen, sollte daher aufgegriffen und genutzt werden. Produkte und Dienstleistungen: Diese Dimension beinhaltet die Produkte und Dienstleistungen, an sich und die mit ihnen im Zusammenhang stehenden Strategien und Aspekte, wie die Nutzerfreundlichkeit und die mit dem Produkt verbundenen Serviceleistungen. Die Qualität der Produkte und Dienstleistungen erfolgreicher Unternehmen ist in der Regel untrennbar verbunden mit deren Visionen und Wertvorstellungen. In manchen Fällen ist sogar schwer zu entscheiden, ob sich die Produkte an den Unternehmenswerten orientieren, oder ob die Werte sich im Laufe der Zeit – parallel zum Produkterfolg – erst entwickelt haben. Deutlich ist, dass beide Aspekte in einer engen Wechselwirkung stehen, sich im Idealfall gegenseitig stärken und so jene Kontinuität erzeugen, die die Grundlage für die nachhaltige Entwicklung einer Identität bilden. Produkte und Dienstleistungen sind auch Medien. Durch sie werden die Inhalte der Markenpositionierung bzw. das Markenversprechen erlebbar und überprüfbar. Ein Produkt oder eine Dienstleistung muss daher den Aussagen der Markenpositionierung und den Markenwerten entsprechen und kohärent mit dem Verhalten und der Kultur, dem Design und der Kommunikation sein. Märkte und Kunden: Die Dimension „Märkte und Kunden“ umfasst alle Bedingungen, Zielsetzungen und Strategien, die sich auf den Markt beziehen bzw. aus diesem resultieren: z. B. Marketingstrategien und Zielgruppensegmentierungen oder auch der Wettbewerb sowie der Stand der technologischen Entwicklung. Unternehmen oder Marken existieren nicht im wertfreien Raum. Sie sind in entscheidendem Maß abhängig von den Märkten, in denen sie sich bewegen. Diese Märkte sind einerseits geprägt von den Kunden, ihren Einstellungen, Vorlieben und Erwartungen. Sie sind andererseits durch den Wettbewerb bestimmt. Schließlich werden sie beeinflusst von allgemeinen Faktoren wie der Konjunktursituation oder gesetzlichen Restriktionen. Hier soll deutlich werden: Bei der Dimension „Märkte und Kunden“ haben wir es mit der komplexesten der sechs Dimensionen zu tun. Märkte müssen ständig beobachtet werden, um mit dem permanenten Wandel der Rahmenbedingungen Schritt halten zu können. Nur Unternehmen, die ihre Kunden und ihre Märkte wirklich kennen, werden nachhaltig erfolgreich sein. Das ist nicht viel mehr als eine Binsenweisheit. Doch wie behält man in Zeiten sich rapide verändernder Zielgruppen und Verbraucherwünsche den Kunden im
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Blick? Wie antwortet man auf sich stetig wandelnde Marktbedingungen? Veränderungen müssen erfasst und es muss schnell reagiert werden. Design: Die Dimension „Design“ umfasst alle visuellen Ausdrucks- und Erscheinungsformen der Marke und des Unternehmens. Neben dem Produkt- und Kommunikationsdesign, der visuellen Gestaltung beispielsweise für Werbung, Verpackung oder Ausstellungen, umfasst die Dimension den visuellen Gesamtauftritt des Unternehmens bis hin zur Architektur der Verwaltungs- oder Fabrikgebäude. Auf der operativen Ebene geht es um die Gestaltung der Visitenkarten, die Beschriftung der Firmenfahrzeuge oder die visuelle Konzeption von Hinweisschildern und Leitsystemen – aber auch um Werbekampagnen. Nur ein systematisches und von der Unternehmensleitung unterstütztes Design-Management kann über eine solche Bandbreite hinweg die Einheitlichkeit des Firmenauftritts gewährleisten. Und nur ein solches DesignManagement kann die Kreativ-Kräfte bändigen, die selbst in kleinen Unternehmen immer wieder für die Aufweichung von Design-Vorgaben verantwortlich sind. Gutes Design bedeutet nicht ungezügelte Kreativität. Es ist zwar kreativ, wird aber durch strategische Ziele und durch eine rationale Prozesskontrolle gesteuert. Damit wird gutes Design wirklich praktikabel anwendbar im Sinne einer zielorientierten Markenführung. Holistic Solutions stellt die Zusammenhänge zu den anderen Dimensionen der Marke her und schafft so die strategische Basis, um Design zur Ausschöpfung seines vollen Potenzials zu verhelfen. Kommunikation: „Everything communicates – communication is everything“ – „Alles kommuniziert – Kommunikation ist alles“ gehört zu den Maximen der Holistic SolutionsMethodik. Das Lächeln der Dame an der Rezeption; das erste „Hallo“ des Tages; die Art, in der Kollegen miteinander reden, die Versprechen, die ein Unternehmen gibt, hält oder auch bricht. Oder der Beipackzettel, die Bedienungsanleitung, die manchmal hilft, oft jedoch verwirrt. Ob von der Unternehmenskultur die Rede ist oder vom Marktverhalten eines Unternehmens, von den Produkten und Dienstleistungen, den Märkten und Kunden oder dem Design: Über und durch alle diese Faktoren kommuniziert eine Marke mit ihrem Umfeld. Der im holistischen Sinne verstandene Kommunikationsbegriff konzentriert sich auf die gesteuerte Kommunikation nach innen und außen, die über bestimmte Medien gezielte Botschaften verbreitet, reflektiert dabei aber die kommunikative Wirkung, die von anderen Dimensionen wie z. B. dem Design ausgeht. Oberste Ziele der Kommunikation müssen Eindeutigkeit, Konsistenz, Kontinuität und Effizienz sein. Nur so können die Potenziale der Kommunikation ausgeschöpft und zum Aufbau eines stimmigen Unternehmens- und Markenbildes beitragen. Aus der Perspektive der holistischen Markenführung ist die Kommunikation nur eine – wenn auch eminent wichtige – Dimension bei der Darstellung von Unternehmen und Marken. Sie muss mit den anderen Dimensionen systemisch entwickelt werden, um ein stimmiges Gesamtbild zu erreichen.
Design als strategischer Erfolgsfaktor und Dimension von Identität
5.
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Design – Wertschöpfungsfaktor im holistischen Kontext
Design bestimmt im ganz wesentlichen Mae die Identität von Marken, Produkten, Dienstleistungen oder Unternehmen. Damit ist Design ein wichtiger Schlüsselfaktor zur Differenzierung und Profilierung, nicht nur wegen seiner funktionalen Aspekte, sondern insbesondere auch wegen des psychologisch-emotionalen Mehrwerts, den es verleihen kann. Effektiv eingesetzt steigert Design bei Preis-Premium- und Mengen-Strategien den Unternehmenswert. Design als strategisches Instrument eingesetzt, basierend auf markenorientierten Zielsetzungen, als Ausdruck einer strategischen und kommunikativen Positionierung kann ein entscheidender Wertschöpfungsfaktor sein. Ausgehend von Marktbedingungen und -strategien können Design und Kommunikation als vernetzte Dimensionen zu Produkten und Dienstleistungen sowie Verhalten und Kultur wesentlich dazu beitragen, erfolgreiche Marken- und Unternehmensidentitäten zu generieren.
Literatur
Design Council (2005): Design Index – The Impact of Design on Stock Market Performance, London. Schmidt, Klaus (Hrsg.) (1994): Corporate Identity in Europa: Strategien, Instrumente, Erfolgreiche Beispiele, Frankfurt a. M./New York. Schmidt, Klaus (2003): Inclusive Branding. Methoden, Strategien und Prozesse ganzheitlicher Markenführung, München/Unterschleißheim.
Das Intranet der dritten Generation
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Das Intranet der dritten Generation Thomas Mickeleit
Dieser Beitrag diskutiert das Intranet der dritten Generation. Dabei handelt es sich notwendigerweise nicht um die Beschreibung des Ist-Zustands in Industrie und Verwaltung, sondern um einen Blick in die Zukunft der virtuellen Unternehmenskommunikation. Mittlerweile ist das Intranet nicht nur zum dominanten Kommunikationsmedium geworden, sondern zugleich zu einem erstrangigen Mittel zur Steigerung der Unternehmens-Produktivität. Es nutzt die kreativen Potenziale der Bottom-up-Kommunikation (wie man sie aus dem Internet kennt), ohne sich aus der Notwendigkeit einer verbindlichen Top-down-Kommunikation in Unternehmen lösen zu können. Die Kunst des Intranet-Managements besteht darin, diese konfliktträchtige Grundkonstellation in ein wertschöpfendes Zusammenspiel zu bringen. Vier Herausforderungen, vor denen die Intranet-Entwicklung heute steht (Lean Intranet, Virtual Mastership, Balanced Communications, Open Coherence), geben zugleich den Blick frei für die Interne Kommunikation der Zukunft, in der sich das Unternehmensfernsehen zum Leitmedium entwickeln wird.
1.
Ein Blick in die Zukunft der virtuellen Unternehmenskommunikation
Was vor zehn Jahren noch wie ein Sprachfehler klang – Intra- statt Internet –, ist heute die dominante Kommunikationstechnologie in Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen. Und dennoch bleibt die zentrale Differenz beider Netze selbst bei Experten häufig unbegriffen. Nehmen wir die Definition im Webopedia Computer Dictionary (www.webopedia.com), tagtäglich von Tausenden in aller Welt gelesen und zitiert: „Intranet: A network based on TCP/IP protocols (an internet) belonging to an organization, usually a corporation, accessible only by the organization’s members, employees, or others with authoriziation. An intranet’s Web sites look and act like any other Web sites, but the firewall surrounding an intranet fends off unauthorized access.” M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_28, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Neben Selbstverständlichkeiten (Netzwerk, Zugang nur für Organisationsmitglieder) geht in dieser Definition alles Wesentliche drunter und drüber: Weder ist das Intranet ein „Internet von Organisationen”, denn die vorherrschende Top-down-Kommunikation in Organisationen, insbesondere in Wirtschaftsunternehmen, steht diametral zur Bottom-up-Kommunikation des Internets. Noch macht eine Firewall die Differenz zwischen Intra- und Internet aus, denn jeder halbwegs sicherheitsbewusste Zeitgenosse hat heutzutage eine Firewall um seinen PC oder Laptop gelegt, ohne dass er sich deshalb (selbst mit zwei oder mehreren vernetzten Rechnern) in einem Intranet bewegt. Ziel dieses Beitrags ist es, das Intranet in der dritten Generation zu skizzieren, um von hier aus einen Blick in die virtuelle Zukunft der Unternehmenskommunikation werfen zu können. Schon Mitte der 90er Jahre wurde versucht, „The 21st Century Intranet“ auf den Begriff zu bringen (Stone Gonzales 1998).1 Hätte die Verfasserin geahnt, welch ungeheure Innovationen seitdem stattgefunden haben, hätte sie ihren Anspruch etwas niedriger geschraubt. Es ist also Vorsicht geboten, weshalb es im Folgenden weder um eine konventionelle Prognose noch um einen visionären Entwurf gehen soll. Vielmehr wird ausgehend vom State-of-the-Art ein Herausforderungs-Szenario beschrieben, das uns Hinweise auf den Megatrend der zukünftigen Unternehmenskommunikation liefern kann. Weil die Schwierigkeiten, das Intranet zu begreifen, bereits in fundamentalen Begriffsbestimmungen beginnen, müssen wir uns zunächst durch einige technologische wie soziologische Grundlagen unseres Themas wühlen: Nur wenn man sich über die basalen Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Intranet und Internet im Klaren ist, kann man den Megatrend der zukünftigen Intranet-Entwicklung erkennen. Nur dann kann man das innere Spannungsfeld zwischen kreativer Innovation und korporativem Gleichklang ermessen, das jeder Online-Kommunikation von Organisationen unweigerlich eingebrannt wird.
2.
Organisationssoziologische Grundlagen
Beginnen wir mit der Frage, über welche „Organisationen“ wir hier sprechen. Die Organisationssoziologie in den 80er und 90er Jahren war vernarrt in das Thema der „NetzwerkOrganisationen“ (Castells 2001: 173 ff.): Es schien, als würden die hierarchischen, geschlossenen und ultrastabilen Systeme des 19. und 20. Jahrhunderts, wie sie als bürokratische Herrschaft von Max Weber oder als tayloristisches Fabriksystem beschrieben wurden, endgültig der Vergangenheit angehören. Geblendet von den revolutionären Umwälzungen der Informations- und Kommunikationstechnologie sah man einen Organisationstypus die 1
Bereits vorher rückte das Intranet mit der Titelgeschichte „Here Comes The Intranet“ der BusinessWeek 9/1996 in das Gesichtsfeld einer breiteren Öffentlichkeit.
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Oberhand gewinnen, in dem es um flexible Netze und weniger um stabile Strukturen ging, um offenes Agieren und weniger um geschlossenes Auftreten gegenüber einer unberechenbaren Umwelt, um eigenverantwortliche Akteure und weniger um hierarchische Anweisungen und Kontrollinstanzen. Die wirkliche Welt der Organisationen sieht allerdings komplizierter aus. Nicht allein, dass wir zwischen den Extremen traditioneller Großorganisationen und kleiner Netzwerke alle möglichen Schattierungen und Kreuzungen finden. Selbst in ein und demselben Unternehmen finden wir diese beiden Grundmuster und ihre Mixturen wieder: nahezu unkontrollierbare Expertenteams hier, streng überwachte Produktionseinheiten dort; konventionelle Verwaltungs-, Einkaufs- oder Vertriebsorganisationen hier, junge IT-Einheiten, Redaktionen oder Pressestäbe dort – und das alles möglicherweise noch multipliziert mit den diversen Standorten und multinational-organisatorischen Gegebenheiten eines Unternehmens. Trotz dieser Vielfalt muss sich die Notwendigkeit einer verbindlichen Top-down-Kommunikation immer wieder Geltung verschaffen, insbesondere in Wirtschaftsunternehmen. Noch so ausgeprägte Netzwerk-Strukturen in Organisationen können daran nichts ändern. Wer glaubt, im harten wirtschaftlichen Wettbewerb mit quasi basisdemokratischen Kommunikationsstrukturen bestehen zu können, dem wäre die „Californian Ideology“ dann doch zu Kopf gestiegen. Zwar hat dieses egalitäre Denken aus der Pionierphase des Silicon Valley die Entstehung des Internets bis in seine technologische Tiefenstruktur hinein geprägt. Aber für sein innerorganisatorisches Pendant, das Intranet, gilt dies nur bedingt: Hier müssen egalitäre, interaktive und dialogische Strukturen immer wieder in hierarchische und autoritative Abläufe eingebettet werden. Wie leger und kommunikativ die moderne Unternehmensführung auch oft erscheinen mag – am Schluss muss jemand sagen, wo es langgeht.
3.
Technologien und Restriktionen
Welche Technologien haben das Internet zu einem offenen und transparenten, zu einem Bottom-up-Kommunikationssystem gemacht? Konzentrieren wir uns auf einige zentrale Grundzüge (Stenmark 2002: 10 ff.): Ursprünglich als Instrument gedacht, das den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, Forschern und Ingenieuren bewerkstelligen sollte, ruht das Internet erstens auf dem Hyperlink-Konzept. Diese Struktur ermöglicht allen Nutzern den extrem schnellen und leichten Zugang zu Informationen, die früher höchstens einer eng bemessenen Informationselite in Großorganisationen zugänglich waren. Hyperlinks machen den einzelnen Nutzer zum Aktionszentrum des Systems: Er ist es, der nach Informationen fragt und neue Informationen einspeist.
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Zweitens das extrem dezentrale Netzwerk-Konzept: Sowohl physisch wie in sozialer Hinsicht verteilt das Internet kommunikative Macht in einer fast schon anarchischen Weise, die selbst den alten Bakunin in Angst und Schrecken versetzt hätte. Die globale Client-Server-Architektur, der Uniform Resource Locator (URL) und die Router-Kommunikation zwischen unabhängigen Netzen ermöglichen es, Informationen paketweise irgendwo ins Nirgendwo zu schicken – und sie dann auch noch wiederzufinden. Kein zentrales Management organisiert das Ganze oder verteilt Zugangsrechte. Im Prinzip darf jeder alles publizieren, niemand wird zum Informationskonsumenten degradiert. Drittens die basalen Protokollstandards und Normen TCP/IP, http, HTML und neuerdings XML, die dafür Sorge tragen, dass – trotz unterschiedlichster Formate und Strukturen, trotz unterschiedlichster Informationssysteme und Kommunikationsgemeinschaften – im Internet alles miteinander verbunden und zum Austausch gebracht werden kann. Diese Standards und Normen sind völlig transparent und tragen dazu bei, dass kein staatlicher oder kommerzieller Monopolist die globale Netzkommunikation in seinen Besitz nehmen kann. Vor allem diese drei Grundzüge machten aus dem Internet ein egalitäres Kommunikationssystem, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Und eben dies kann sein Pendant in Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, das Intranet, nicht sein. Obwohl das Intranet – was Hardware wie Software, was Client-Server-Architektur wie Protokollstandards angeht – heute mit dem Internet nahezu identisch ist, werden in ihm die egalitären Potentiale durch mehr oder weniger harte Restriktionen im Zaum gehalten: Nutzer-Rollen mit unterschiedlichen Zugriffsrechten, Publishing Policies, Informationshierarchien, einheitliches Design, einheitliches Content-Management, zentrale Intranet-Redaktionen und so weiter. Um diesen Sachverhalt etwas lapidar, dafür aber umso anschaulicher zu formulieren: Das Intranet ist ein Internet mit Steuerrad und Bremse. Es nutzt den Reichtum und die innovativen Potentiale der Bottom-up-Kommunikation, ohne sich aus der Notwendigkeit einer verbindlichen Top-down-Kommunikation lösen zu können. Und die Kunst des IntranetManagements besteht darin, diese konfliktträchtige Grundkonstellation in ein wertschöpfendes Zusammenspiel zu bringen.
4.
Vom internen Netzwerk über die evolutionäre Vielfalt zum Intranet der dritten Generation
Corporate Computing beginnt natürlich nicht erst mit dem sich rapide ausbreitenden Einsatz des Intranets heutigen Verständnisses Mitte der 90er Jahre. Schon seit den 60er Jahren taten
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„Großrechner“, so genannte Mainfraimes, mit angeschlossenen Terminals ihren Dienst. Obwohl bereits solche Corporate Networks (schon wegen ihrer Kosten vor allem in Großunternehmen eingesetzt) erstaunliche Leistungsfähigkeit bewiesen, ergab sich die Beschränkung aus der baumartigen Navigation und der strikten Trennung der Anwendungen. Es folgte die Dezentralisierung der Elektronischen Datenverarbeitung Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Kurz beschrieben mit dem Begriff „Client-Server-Architektur“ und organisiert in so genannten LANs (Local Area Networks) und WANs (Wide Area Networks) – und bekannt vor allem durch ein Daten-Durcheinander, an dem viele Unternehmen noch heute laborieren. Heute läuft unter dem Stichwort Server-Konsolidierung die große RollbackBewegung, in der die Chief Information Officers (CIOs) wieder die Herrschaft über die Daten und vor allem die Kosten gewinnen wollen. Dieser stichwortartige Rückblick macht deutlich: Von einem „Intranet der ersten Generation“ lässt sich wohl erst ab der Stufe der LANs sprechen. Zwar ist der Intranet-Begriff zu dieser Zeit nicht geläufig, aber wenn wir die Netzwerk-Kommunikation in Organisationen einmal als ein kontinuierlich arbeitendes dezentrales Verbundsystem von intelligenten Akteuren definieren, die über Autonomiespielraum verfügen, dann fallen die vorangehenden Stufen aus der Betrachtung heraus. Wie klein der Kreis der Teilnehmer und wie beschränkt die informationstechnologischen Möglichkeiten anfangs auch waren: Ein neues Werkzeug hielt Einzug in Organisationen und Unternehmen, das man dann einige Jahre später, in Anlehnung an den mittlerweile populären Internet-Begriff, Intranet nannte. Bedienerfreundlich und populär wurde das Internet Anfang der 90er Jahre vor allem durch die World Wide Web-Technologie. Wo vorher unterschiedliche Programme installiert werden mussten, um E-Mail, Datenübertragung, Newsgroups usw. nutzen zu können, wo unterschiedliche Passworte, ein komplizierter Verbindungsaufbau und ein (hoffentlich geöffneter) Host erforderlich waren, reichte nun ein gemeinsames Mehrzweck-Instrument – der WebBrowser. Tag für Tag machten sich Abermillionen von Menschen auf den Weg zu Anwendungen – Online-Banking, Home-Shopping, Auktionen, Audio- und Video-Übertragungen, Videokonferenzen, Fernstudium, medizinische Beratung, Chats, News-Groups und so weiter –, die mit der Zeit immer sicherer und einfacher wurden. Kein Wunder daher, dass auch die innerorganisatorischen Kommunikationsnetze, deren Standards, Programme und Anwendungen von Unternehmen zu Unternehmen enorm variieren konnten, von dieser Flutwelle mitgerissen wurden. Nicht allein, dass die Protokollstandards des Internets sich nun auch in ihnen durchsetzten. Eine Internet-Anwendung nach der anderen wurde nun übernommen oder zumindest daraufhin getestet, ob sie nicht auch innerhalb von Organisationen hilfreich sein könnte. Dieser Anpassungsprozess ist spätestens Mitte der 90er Jahre vollzogen, und es beginnt eine Entwicklung, die sich als „Intranet der zweiten Generation“ bezeichnen lässt. Das Intranet als bloße Ansammlung statischer Webseiten wird zunehmend überwunden, immer mehr Firmen beginnen, mit den dynamischen, interaktiven und multimedialen Komponenten der Netzkommunikation zu experimentieren. Neben konventionellen Arbeitshilfen (Handbücher, Checklisten, Dokument-Vorlagen, Archive), neben Online-Versionen zu Schulung und
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Weiterbildung, zu Vorschlagswesen oder Stellenbewerbung tauchen nun immer häufiger Newsgroups, Chats, Videokonferenzen, Newsticker oder TV-Präsentationen im Intranet auf. Mittlerweile kommt jede Aufzählung der Anwendungen, Services und Inhalte von FimenIntranets locker auf 20 bis 30 Positionen (Hoffmann 2001: 91). Vor allem zwei Merkmale kennzeichnen diese Phase. Zum einen stellt das Intranet häufig nur ein Abbild des jeweiligen Organisations- oder Firmenmodells dar, wo jeder Geschäftsbereich (Einkauf, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit usw.) über eine eigene Website verfügt, auf welcher er seine spezifischen Inhalte präsentiert. Das Intranet bildet quasi das Organisationsmodell des Unternehmens ab. Zum anderen fehlt dem Ganzen häufig ein Mindestmaß an Koordination. Zum Beispiel trifft man häufig innerhalb eines Konzerns auf Hunderte unterschiedlicher Content Management-Systeme, was die Informationsbeschaffung dramatisch erschwert, weil die Suchmaschinen nur innerhalb der jeweiligen Systeme funktionieren. Oder man gerät beim Wechsel von einer Website auf die nächste in eine gänzlich unterschiedliche Navigation hinein. Was heute zumindest als Zielvorgabe selbstverständlich ist – einheitliches Corporate Design, einheitliche Navigationsstruktur, eine gemeinsame Suchmaschine, ein einheitliches Content Management-System –, fehlt in dieser Phase nur allzu häufig. Dieses Durcheinander war nicht zu vermeiden – und in gewisser Weise sogar notwendig, was man mit Hilfe einer einfachen Analogie verdeutlichen kann. Begreifen wir das Intranet einmal als kleine Hecke, die man pflanzt und hegt, auf das sie wächst und gedeiht, neue Arme und Äste bekommt, immer größer wird und immer wilder wuchert. Hätte man diese Hecke von vornherein beschnitten, dann hätte sie sich nicht entwickeln können – zumindest nicht mit der rasanten Geschwindigkeit. So kam es, dass bereits Ende der 90er Jahre fast alle großen Wirtschaftsunternehmen über ein Intranet verfügten (was zum Beispiel die Fortune 1000-Companies betrifft) und dass es innerhalb des internen Komunikationsmix eine immer bedeutsamere Rolle spielen konnte. Den Promotoren von Intranettechnologie in der Informationstechnologie- oder Automobilindustrie blieb das Chaos nicht verborgen. Auf das Organisationsmodell der frühen Tage (das in den weitaus meisten Unternehmen allerdings immer noch Realität ist) folgt das Funktionsmodell. Es entstehen „Einkäufer-Portale“, „Verkäufer-Portale“, „Neue Mitarbeiter-Portale“ und viele mehr. Sie sind gekennzeichnet durch die redundante Abbildung von Inhalten. Beliebt ist eine Seite mit Mitgliedern der Geschäftsleitung, die sich im Intranet größerer Unternehmen dann gleich im Dutzend wiederfindet. Oft betrieben durch engagierte Kommunikationslaien in den Fachabteilungen werden die Auftritte nicht selten somit Opfer ihres eigenen Erfolgs. Niemand überblickt mehr die Richtigkeit und Aktualität von Inhalten, weil Inhalte gepflegt werden, die außerhalb der Verantwortungsbereichs der Macher entstehen. Heute haben wir es mit dem „Intranet der dritten Generation“ zu tun, wobei kurz auf den Sinn solcher Abstufungen hingewiesen werden soll. Evolutionäre Betrachtungen dienen natürlich immer einem besseren Verständnis dessen, was man begreifen will. Aber in technologiegeschichtlichen Debatten hat der Begriff der „dritten Generation“ eine sehr spezifische Funktion: Nach der Erfindung/Entstehung einer Technik (1. Generation) und ihrer
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variationsreichen/experimentellen Phase (2. Generation) signalisiert der Begriff der 3. Generation in solchen Debatten meistens einen Konsolidierungs- und Reifegrad, den zu übersteigen immer schwerer fällt und von dem aus sich die zukünftigen Entwicklungen deutlicher erkennen lassen als zuvor. In diesem Sinne wird dieser Begriff hier verwandt, wohl wissend, dass die reale Entwicklung des Intranets von Branche zu Branche, von Unternehmen zu Unternehmen viel komplexer, widersprüchlicher und zeitversetzter verlaufen kann, als es diese einfache Abstufung unterstellt. Das Intranet der dritten Generation wird, jedenfalls auf den ersten Blick, durch die ultimative Fortsetzung des Portalgedankens markiert. Aus den Funktionsportalen der zweiten Generation entsteht aber ein einziges Portal, das rollenbasierte Inhalte bereitstellt. Beispielsweise wird aus der Intranet-Seite des Einkaufs die Bereitstellung von Inhalten, die das „Einkaufen“ unterstützen (zur Definition und Typologisierung von Portalen siehe Schick 2002: 150). Hinter diesen Neuerungen verbirgt sich jedoch ein weit reichender Paradigmenwechsel, den man auf die Formel „vom Organisationsmodell über das Funktionsmodell zum Rollenmodell“ bringen kann: Man ist jetzt nicht mehr bloß ein Mitglied des Geschäftsbereichs „Einkauf“ mit Zugangsberechtigung für dessen Website, sondern man hat die Rolle „Einkaufen“ zu erfüllen und verlangt vom seinem Intranet-Portal den Zugang zu allem was notwendig ist, um diese Rolle optimal ausfüllen zu können, ob es sich um spezifische und aktuelle Marktdaten oder um den Zugang auf die eigene SAP-Anwendung dieses Einkäufers handelt. Mit anderen Worten: Das Intranet ist nicht nur zum dominanten Kommunikationsmedium, sondern insbesondere zu einem erstrangigen Motor der Produktivität des Unternehmens geworden.
5.
Herausforderungen des Intranets für die Unternehmenskommunikation
Dies impliziert zugleich einen Wandel der Kommunikationsabteilung selber. Mitte der 90er Jahre bestand deren Intranet-Governance – überspitzt formuliert – darin, eine MitarbeiterZeitschrift und Pressemitteilungen ins Netz zu stellen. Heute bedeutet Intranet-Governance hingegen, in fortlaufender Abstimmung mit Unternehmenszielen und Wertschöpfungsprozessen diejenigen Parameter festzulegen, unter denen Kommunikation im Unternehmen stattfinden soll. Eine Aufgabe übrigens, die deutlich über die Kernkompetenzen von IT- oder Personalabteilungen, denen zuweilen die Intranet-Governance übertragen wurde, hinausweist.
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IBM, Microsoft, General Motors, DaimlerChrysler, Audi, Siemens – um nur einige Namen von Unternehmen zu nennen, welche die Entwicklung des Intranets der dritten Generation weit vorangebracht haben und heute immer größere Kreise auch im mittelständischen Firmenbereich nach sich ziehen. Spätestens im Jahr 2010 werden alle global oder kontinental operierenden Unternehmen dieses Niveau innerorganisatorischer Kommunikation erreicht haben. Sicherlich, auf diesem Weg müssen noch viele Hürden genommen werden. Vier entscheidende Aufgabenfelder und Herausforderungen werden hier skizziert. Sie alle kreisen mehr oder weniger um die Frage, wie die Motivation der Mitarbeiter, das Intranet aktiv und kreativ zu nutzen, gesteigert werden kann. Die Ursachen eines unzureichenden Online-Engagements von Mitarbeitern sind in den vergangenen Jahren immer wieder untersucht worden. Eine Intranet-Umfrage unter 430 Unternehmen im Frühjahr 2005 hat zum Beispiel ergeben, dass nur 31 Prozent der befragten Firmen antworten, alle ihre Mitarbeiter würden das Intranet nutzen. 38 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass eine „schlechte Struktur“ dafür verantwortlich ist, dass das Intranet nicht oder nicht von allen Mitarbeitern genutzt wird; 19 Prozent bemängeln, dass „wenig interessante und relevante Informationen“ enthalten sind; 9 Prozent kritisieren die „bedienerunfreundlichen Funktionen“, was die Effizienz der Intranet-Nutzung senkt und eine Distanz vieler Mitarbeiter zu diesem Medium bewirkt (add-all AG 2005). Ohne hier auf Details eingehen zu können, werden vier Herausforderungen der IntranetEntwicklung skizziert, die uns zugleich – wenn sie bewältigt werden – den Megatrend der virtuellen Unternehmenskommunikation beschreiben helfen: Lean Intranet: Der geschilderte Wildwuchs (was Inhalte, Strukturen und Programme des Intranets angeht), vor allem aber die immer wieder neu anbrandenden Informationswellen im Unternehmen erzwingen eine permanente Intranet-Revision. Ein Beispiel kann veranschaulichen, mit welchen Problemen sich früher oder später alle Unternehmen herumschlagen müssen: Eine Intranet-Revision bei der Volkswagen AG führte zu dem Ergebnis, dass nur die Hälfte aller Server im Rechenzentrum stand, der Rest verstreut unter irgendwelchen Schreibtischen. Zwei Drittel aller Seiten, die bislang ins Intranet gestellt wurden (und mit beträchtlichen Aufwand gewartet werden müssen), wurden von den Mitarbeitern niemals angesteuert. Selbst wenn von diesen Seiten viele sinnvoll zu nutzen wären – die verwendete Suchmaschine hätte 90 Prozent dieser Seiten gar nicht auffinden können. Eine totale Überflutung, die immer neuen Zufluss erhält. Mit jedem neuen Produkt, mit jedem neuen Verfahren, mit jeder organisatorischen Umstellung, mit jedem Personalwechsel strömen neue dicke Informationspakete herein. Keine Frage: Präzisere Filter, intelligentere Schleusen und insbesondere eine fortlaufende Revisionsarbeit müssen das Intranet der Zukunft funktionsfähig halten. Virtual Mastership: Die technologischen Möglichkeiten, Realität virtuell nachzubilden oder gar zu erzeugen, werden heute nur von wenigen Firmen-Netzwerken ausgeschöpft.
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Zum Beispiel ein Global-24h-Intranet-TV: statt teurer Fernsehstudios kleine Aufnahmeteams, Beiträge in allen Hauptsprachen des Unternehmens, CEO- und Experten-Talkshows zu zentralen Branchen- oder Unternehmensfragen, Best-Practices-Shows, auf alle Themen und Mitarbeiterschichten des Unternehmens abgestimmte Formate – wie lange werden wir darauf noch warten müssen? Virtual Mastership umfasst – zehn Jahre nach „Being Digital“ – natürlich nicht nur die raffinierten Kunststücke digitaler Kommunikation, wie sie Nicholas Negroponte damals einem faszinierten Publikum vor Augen geführt hat (Negroponte 1995). Wir schließen heute Kriterien wie Usability oder Wertschöpfungspotenzial in diesen Begriff mit ein, wenn die neuesten multimedialen und interaktiven Technologien und Programme für einen Einsatz getestet werden. Allerdings wird, übertragungstechnisch gesehen, auch die Intranet-Entwicklung heute noch stark limitiert durch die vorgegebenen Bandbreiten. Aus vielen Organisationen und Wirtschaftsunternehmen ist dieses Defizit der Online-Kommunikation als zentraler Engpass bekannt. Erst die UMTS-Bandbreiten oder die Einrichtung von lokalen, betrieblichen Hot Spots werden es ermöglichen, selbst mobilen Endgeräten wie Blackberry oder PDA ausreichend Bandbreite zur Verfügung zu stellen, um Arbeitshilfen oder betriebliche Kommunikationsabläufe als hochdifferenziertes Laut- und Bewegtbild zu präsentieren. Je mehr die virtuelle Darstellung einer unmittelbaren persönlichen Demonstration entspricht, umso authentischer, emotional wie kognitiv ansprechender wird das Intranet von den Mitarbeitern wahrgenommen werden. So wenig offenkundig wie doch wahrscheinlich ist die Tatsache, dass Unternehmensfernsehen so zum Leitmedium der Internen Kommunikation wird (Mickeleit/Ziesche 2006) Die aus dem Analogzeitalter stammenden Experimente mit Bewegtbild in Unternehmen schrecken mit absurden finanziellen Aufwendungen immer noch nachhaltig ab. Dabei zeigt allein die Entwicklung zu Lean-TV in den USA auf der Produktionsseite klar den Weg, wie Aufwandsreduzierungen erreichbar sind. Puristen mögen den Qualitätsverfall geißeln, aber der Trend zur Etablierung eines eigenen Genres „Nachrichtliches TV“ mit schnellen Takes aus der Schulter (wenn überhaupt) ist unumkehrbar. Die Omnipräsenz von Fernsehen im Alltag wird folglich nicht an den Werkstoren Halt machen. Die Celebrities und Anchormen heißen jedoch nicht Ulrich Wickert und Anne Will, sondern Wolfgang Bernhard oder Klaus Kleinfeld. Balanced Communications: Eine Eins-zu-eins-Authentizität von Intranet und Face-toFace-Kommunikation wird und kann es allerdings nie geben. Mit zunehmender Virtualisierung des Nachrichtenaustauschs unter den Mitarbeitern (E-Mail-Verkehr, VideoKonferenzen usw.) wächst zugleich das Bedürfnis nach persönlicher Kommunikation wie Vier-Augen-Gesprächen, Gruppensitzungen, usw. (Mickeleit 2000). Auf die wohl wichtigste Ursache derartiger Rebound-Effekte haben in den 90er Jahren zahlreiche empirische Untersuchungen zur „computervermittelten Kommunikation“ hingewiesen (Boos/Jonas/Sassenberg 1999): Sie lässt sich vereinfachend als emotionale und kognitive Reduktion bezeichnen und bringt zum Ausdruck, dass mit dem Vordringen der
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technikbasierten Kommunikation in den heutigen Organisationen der spontane, nonverbale, emotionale und kollektive Charakter der Kommunikation verloren geht oder zumindest abnimmt – und kompensiert werden muss. Dies bedeutet in unserem Zusammenhang: Ob Mitarbeiter das Intranet voll akzeptieren, ob sie heute und in Zukunft zu einer wertschöpfenden Online-Kommunikation des Unternehmens beitragen oder nicht, hängt immer auch davon ab, ob es in diesen Unternehmen gelingt, eine gelungene Balance von technisch vermittelter und persönlicher Kommunikation herzustellen. Je stärker Wirtschaftsunternehmen und andere Organisationen von elektronischen Medien durchdrungen werden, umso wichtiger werden komplementäre Face-to-Face-Strukturen, die einen unmittelbaren persönlichen Austausch ermöglichen. Open Coherence: Auch in vernetzten Organisationen bleibt eine verbindliche Top-downKommunikation notwendig. Diese bereits oben erläuterte Differenz von Intra- und Internet bleibt bestimmend. Sicherlich hat sich im Hinblick auf die Top-down-Kommunikation, vertikale Kommunikation bzw. „Abwärtskommunikation“ (Mast 2000: 84) in den vergangenen Jahren vieles verändert. Während sie in früheren Zeiten nach dem Bild einer Kaskade ablief – von Stufe zu Stufe abwärts –, kommunizieren heute, mit der Verbreitung des Intranets, der CEO oder die verschiedenen regionalen Geschäftsführer direkt mit allen Mitarbeitern. Bei großen Strategiefragen oder bei anderen bedeutsamen Unternehmensereignissen werden immer wieder zahlreiche Ebenen übersprungen. Ein Vorgang, der Hierarchien und Statusdifferenzen sicherlich in Frage stellt, aber ohne sie deswegen zugleich abzuschaffen – meist werden sie nur neu definiert. Wenn hier von notwendiger Top-down-Kommunikation die Rede ist, heißt dies natürlich nicht: Rückkehr zu traditionellen Kommando- und Kontrollstrukturen. Wo ein Intranet hierarchisch „übersteuert“ wird, wo es kreative Eigeninitiativen „ausbremst“, leidet immer auch die Akzeptanz der Mitarbeiter für das Online-Medium. Ob es sich um status- und ressortübergreifende Arbeitsprozesse innerhalb eines Unternehmens handelt (horizontale und diagonale Kommunikation), ob es sich um „mitarbeiterorientierte“, partizipative Abläufe oder um das traditionsreiche Wesen der Verbesserungsvorschläge handelt (Bottom-up-Kommunikation): Solche Strukturen sind und bleiben auch im Intranet-Zeitalter elementare Bestandteile einer wertschöpfenden Interaktion in Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Gutes Intranet-Management zeichnet sich also nicht allein dadurch aus, dass es den internen Kommunikationsprozessen eine auf die Organisationsziele ausgerichtete Kohärenz verleiht, sondern zugleich dadurch, dass es individuelle und teambezogene Freiräume sichert und formale Organisationsbarrieren durchlässig macht. In diesem Sinne könnte man von einer „offenen Kohärenz“ sprechen, wobei der innere Widerspruch der Formulierung das zuweilen Konfliktträchtige dieser Aufgabe deutlich machen soll. Wo man zunächst auf horizontalen oder diagonalen E-Mail-Verkehr in Unternehmen setzte, auf Corporate Chats oder Corporate Newsgroups (mit nicht gerade überwältigenden Teilnehmerzahlen), dort rücken heute Corporate Blogs ins Blickfeld der IntranetVerantwortlichen (Zerfaß/Boelter 2005). Auch Weblogs haben sich zunächst im Internet
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entwickelt, wo sie vor allem als quasi-journalistische Meinungsmacher die Bottom-upKommunikation bereicherten und vielen etablierten Medien und Pressestäben den Angstschweiß auf die Stirn treiben konnten. Aber wie diese sich zunehmend selber dieser Kommunikationsform bedienten, so finden Blogs heute auch in Wirtschaftsunternehmen Anwendung, sei es in der internen Kommunikation, in der Marktkommunikation oder im Bereich Public Relations. In „Knowledge Blogs“ tauschen Mitarbeiter neue und rasche Antworten auf technische oder administrative Fragen aus, in „Collaboration Blogs“ wird die grenzüberschreitende Projektkooperation von Mitarbeitern aus Dutzenden von Ländern unterstützt. Bekannt wurden aber auch „CEO Blogs“ (Zerfaß/Sandhu 2005), in denen sich Vorstände und Geschäftsführer zu aktuellen Branchenthemen, zu wirtschaftspolitischen Fragen, aber auch zu privaten Interessensgebieten äußern – eine Form, die sich natürlich auch für Expertenteams oder für Betriebsräte, also in Bottom-up-Version, gestalten lässt. An diesen vier Markierungen können wir uns orientieren, wenn wir über das Thema „Intranet der Zukunft“ diskutieren. Wie eingangs festgestellt, machen nicht wenige Beiträge über das Intranet des 21. Jahrhunderts bereits nach kurzer Zeit den Eindruck von historischen Rückblenden. Immer noch wird die Intra- wie Internet-Entwicklung von relativ kurzen Innovationszyklen geprägt. Wer hier auf der Ebene von Anwendungen oder Programmen argumentiert, wird schnell von der Wirklichkeit überholt. Dieser Beitrag ist daher einen anderen Weg gegangen. Auf Basis des heute erreichten Konsolidierungsniveaus wurden vier Herausforderungen beschrieben, die, wenn sie bewältigt werden, den Megatrend der Intranet-Entwicklung noch über viele Jahre bestimmen werden – und damit das Schicksal der Unternehmen im Ganzen. Denn Kommunikation unter räumlich anwesenden Personen ist schon lange nicht mehr die dominierende Form der Verständigung oder sozialen Interaktion, ob im Rahmen von Organisationen oder im Rahmen der Gesamtgesellschaft betrachtet. Was die modernen Massenmedien und vor allem das Fernsehen für die Gesellschaft als Frage und These aufwerfen, wird schon bald auch für das Verhältnis von Intranet und Organisation gelten: Was im Intranet nicht vorkommt, findet in der internen Unternehmenswirklichkeit überhaupt nicht statt.
Literatur
add-all AG (2005): Intranet-Umfrage 2005 – Ergebnisbericht, Friedrichsdorf, im Internet: www.intranetratgeber.de. Boos, Margarete/Jonas, Kai J./Sassenberg, Kai (Hrsg.) (1999): Computervermittelte Kommunikation in Organisationen, Göttingen.
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Castells, Manuel (2001): Die Informationsgesellschaft. Band 1: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Opladen. Hoffmann, Claus (2001): Das Intranet – Ein Medium der Mitarbeiterkommunikation, Konstanz. Mast, Claudia (2000): Durch bessere interne Kommunikation zu mehr Geschäftserfolg, Berlin. Mickeleit, Thomas (2000): Face-to-Face in virtualisierten Unternehmen. Für eine neue Balance in der internen Unternehmenskommunikation, in: Public Relations Forum, 6. Jg. Nr. 3. Mickeleit, Thomas/Ziesche, Birgit (Hrsg.) (2006): Corporate TV. Die Zukunft des Unternehmensfernsehens, Berlin. Negroponte, Nicholas (1995): Total digital, München. Schick, Siegfried (2002): Interne Unternehmenskommunikation, Stuttgart. Stenmark, Dick (2002): Designing the new Intranet, Gothenburg Studies in Informatics, Report 21, März 2002. Stone Gonzales, Jennifer (1998): The 21st Century Intranet, Upper Saddle River. Zerfaß, Ansgar/Boelter, Dietrich (2005): Die neuen Meinungsmacher. Weblogs als Herausforderung für Kampagnen, Marketing, PR und Medien, Graz. Zerfaß, Ansgar/Sandhu, Swaran (2005): CEO-Blogs: Personalisierung der Online-Kommunikation als Herausforderung für die Unternehmensführung, in: Picot, Arnold/ Fischer, Tim (Hrsg.): Weblogs professionell. Grundlagen, Konzepte und Praxis im unternehmerischen Umfeld, Heidelberg, S. 51-76.
Internet und Social Software in der Unternehmenskommunikation
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Internet und Social Software in der Unternehmenskommunikation Thomas Pleil/Ansgar Zerfaß
Das Internet wird bis heute vor allem eingesetzt, um den Managementprozess der Unternehmenskommunikation sowie den Dialog mit Kunden, Journalisten und anderen Stakeholdern zu unterstützen. Inzwischen ist jedoch ein Umbruch erkennbar: Wurde das Netz bislang vor allem als Lese-Medium eingesetzt, so spielen im heutigen „Web 2.0“ die lange Zeit nur propagierten Möglichkeiten der Partizipation, Interaktion sowie meinungsbildende Communities eine wichtige Rolle. Die rasche Verbreitung und die intensive öffentliche Diskussion von Weblogs, Podcasts und anderen Formen von Social Software zeigen, dass es dabei um weit mehr als um technische Möglichkeiten geht. Durch neue Anwendungen ändern sich gesellschaftliche Kommunikations- und Interaktionsstrukturen. Dies stellt die Unternehmenskommunikation vor neue Herausforderungen. Dazu gehört beispielsweise, das Internet als vormedialen Raum zu verstehen, aus dem heraus zunehmend Themen auf die öffentliche Agenda gesetzt werden. Gleichzeitig entsteht die Frage, inwiefern Unternehmen die neuen Entwicklungen auch für die aktive Kommunikation mit Anspruchsgruppen nutzen sollen und wie sich dies konkret gestalten lässt. Dieser Beitrag skizziert zunächst die klassische Rolle des Internets im Kommunikationsmix und gibt dann einen Überblick zu neueren Entwicklungen und den zu erwartenden Auswirkungen auf die Unternehmenskommunikation.
1.
Paradigmen der Online-Kommunikation
Das Internet hat alltägliche Vorgänge in vielerlei Hinsicht verändert: Immer mehr Menschen informieren sich „im Netz“ über ein Produkt, bevor sie es online oder im Einzelhandel kaufen; Kleinanleger halten das Internet für eine mindestens genauso wichtige Informationsquelle wie das Gespräch mit ihrem Bankberater, Journalisten beginnen ihre Recherchetätigkeit nicht im Archiv oder mit einem Anruf bei einer Pressestelle, sondern im Internet. M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_29, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Thomas Pleil/Ansgar Zerfaß
Dadurch trägt das Internet wesentlich zur Realitätskonstruktion und Meinungsbildung in modernen Gesellschaften bei. Aus Sicht der Unternehmensführung und einer an den verschiedenen Stakeholdern orientierten Kommunikationsstrategie (Zerfaß 2004, Karmasin 2007) sind diese Rahmenbedingungen von großer Bedeutung. Dabei ist es unverzichtbar, sich jenseits des alltäglichen, aber verkürzten Verständnisses des Internets als neuem Massenmedium ein Bild von der kommunikationstheoretischen und praktischen Bedeutung der OnlineKommunikation zu verschaffen.
1.1
Von netzbasierten Diensten zur interaktiven Kommunikation
Als Online-Kommunikation bezeichnet man „die Gesamtheit netzbasierter Kommunikationsdienste, die den einzelnen Kommunikationspartner via Datenleitung potenziell an weitere Partner rückkoppeln und ein ausdifferenziertes Spektrum verschiedenartiger Anwendungen erlauben“ (Rössler 2003: 506). Das durch weltweit einheitliche Übertragungsprotokolle gekennzeichnete Internet stellt daher – entgegen der umgangssprachlichen Rede – keineswegs ein zu Zeitung, Fernsehen etc. vergleichbares Medium dar, sondern ein Bündel verschiedenartiger Dienste bzw. Kommunikationsmodi (Döring 1999). Diese unterscheiden sich hinsichtlich der beteiligten Kommunikatoren und Rezipienten (1:1, 1:n, n:1, n:n), der zeitlichen Dynamik (synchron, asynchron), der Initiierung (push, pull) und weiterer Kriterien. Für die Unternehmenskommunikation bedeutsam sind die konkreten Kommunikationsplattformen und Anwendungen, die durch die Kombination einer oder mehrerer dieser Dienste insbesondere im World Wide Web entstehen. Das Spektrum reicht von Websites (Internetauftritten), die die Form von kampagnenbegleitenden Informationsseiten ebenso annehmen können wie jene redaktionell gestalteter Online-Magazine bis hin zu Online-Datenbanken mit Bildmaterial bzw. Pressemitteilungen oder interaktiv nutzbaren Projektmanagement- und Wissensmanagement-Plattformen (z. B. Wikis). Die Verbreitung des Internets hat die öffentliche Kommunikation und damit die Rahmenbedingungen der Unternehmenskommunikation in mehrfacher Hinsicht verändert (Zerfaß 2004: 418). Einerseits beschleunigt die globale Verfügbarkeit zielgruppengenauer Kommunikationskanäle die Fragmentierung der Gesellschaft in immer spezifischere und teilweise voneinander abgeschottete Lebensformen. Darüber wurde im Gefolge der interaktiven Möglichkeiten und der günstigen Produktionskosten netzbasierter Kommunikation das Medienspektrum erheblich ausgedehnt, insbesondere durch eine Vielzahl neuer redaktioneller Special-Interest-Angebote und reichweitenstarker Online-Dienste, die neben Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen getreten sind. Schließlich belegen Studien, dass sich die Mediennutzung bei wichtigen Stakeholdern ebenso wie bei Journalisten stetig verändert.
Internet und Social Software in der Unternehmenskommunikation
1.2
513
Internetnutzung durch Stakeholder und Journalisten
Mit Blick auf Kunden, Mitarbeiter und Investoren zeigt sich, dass immer mehr Menschen das Web genauso selbstverständlich wie Zeitung, Radio und Fernsehen nutzen, um aktuelle Nachrichten oder Fachinformationen zu erhalten. 58 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren sind online (van Eimeren/Frees 2005: 363). Dabei gilt bislang: Je jünger, desto intensiver wird das Internet genutzt. So sind 96 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren online. Von den 20- bis 39-Jährigen sind etwa 83 Prozent Internetnutzer, und etwa 75 Prozent sind es bei den 40- bis 49-Jährigen. Allerdings nimmt die Internetnutzung bei den älteren Altersgruppen seit einiger Zeit am stärksten zu. Damit gleichen sich die Unterschiede langsam aus, und die Nutzung des Internets wird in allen Bevölkerungsgruppen selbstverständlicher. Bemerkenswert ist dabei, dass die tägliche Nutzungsdauer des Internets jene der Tageszeitung bereits deutlich übertrifft: Während der Zeitung täglich im Schnitt 28 Minuten gewidmet werden, sind die Deutschen ab 14 Jahren im Schnitt jeden Tag bereits 44 Minuten online (Ridder/ Engel 2005: 425). Insgesamt nutzen 28 Prozent der Bevölkerung das Internet täglich (Ridder/Engel 2005: 429), und es ist die für Marketing und PR besonders interessante Zielgruppe der 30- bis 39-Jährigen, die das Internet besonders intensiv und selbstverständlich nutzt (van Eimeren/Frees 2005: 366 f.). Mit am intensivsten wird das Internet von Journalisten genutzt. Dabei gibt es graduelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Ressorts und Medienarten. Doch insgesamt ist das Netz selbstverständlicher Ausgangspunkt journalistischer Recherche – auch, weil Redaktionen unter zunehmendem wirtschaftlichem Druck auf günstige Recherchemöglichkeiten zurückgreifen müssen. Besonders selbstverständlich ist die Internetrecherche bei Journalisten, die in den Themenfeldern Industrie, Informationstechnologie und Weiterbildung tätig sind: Sie nutzen zu nahezu 100 Prozent das Internet für ihre Recherche. Im Vergleich zu anderen Rechercheinstrumenten ist für diese Journalisten das Internet am wichtigsten, bedeutsamer sogar als persönliche Kontakte (Maisberger Whiteoaks 2005). Eine Studie zur Internetnutzung durch US-amerikanische IT-Journalisten hat gezeigt, dass die Recherche neuer Themen meist bei Websites beginnt, die als vertrauenswürdig eingestuft werden (Hachigian/Hallahan 2003: 57). Dazu zählen besonders die Websites von Unternehmen, aber auch journalistische Angebote im Netz. Eine neuere Studie der Zürcher Hochschule Winterthur bestätigt, dass diese Befunde inzwischen für Journalisten aus allen Ressorts gelten: 92 Prozent der befragten Journalisten nutzen das Internet täglich, das Vertrauen in das Medium hat in den vergangenen drei Jahren erkennbar zugenommen (Keel/Bernet 2005).
514
1.3
Thomas Pleil/Ansgar Zerfaß
Das Internet als Mittel der Orientierung und Realitätskonstruktion
Praktisch alle Internetnutzer orientieren sich im Netz selbst: Für sie sind Suchmaschinen (z. B. Google) und Markennamen (z. B. www.name.de) inzwischen die wichtigsten Orientierungshilfen, während Hinweise auf Internetangebote in den klassischen Medien zunehmend an Bedeutung verlieren (van Eimeren/Frees 2005: 367). Dies belegt auch eine Studie des Pew Internet American Life Project: Demnach hat sich in den USA die Zahl der Internetnutzer, die jeden Tag eine Suchmaschine einsetzen, innerhalb eines Jahres um 55 Prozent erhöht. Damit sind die Nutzung von Suchmaschinen und die Nutzung des E-Mail-Dienstes im Internet inzwischen die wichtigsten Aktivitäten (Pew 2005). Allerdings ist bei den Suchmaschinen momentan eine Dominanz von Google festzustellen. Das gilt auch für Journalisten, die bevorzugt diese – und meist keine zweite – Suchmaschine nutzen (Keel/Bernet 2005). Dies unterstreicht die Bedeutung eigener Kommunikationsstrategien im Internet: Geht man davon aus, dass die Positionierung von Marken- und Unternehmensnamen über die Internetadresse (URL) seit langem eine Selbstverständlichkeit ist, so besteht heute eine große Herausforderung der Online-Kommunikation darin, eine gute Positionierung in Suchmaschinen zu erreichen. Dies hat längst nicht mehr allein mit Fragen der Gestaltung von Websites oder kontextbezogener Werbung bzw. der klassischen Suchmaschinenoptimierung zu tun, sondern sehr viel mit Inhalten und Vernetzungen. Dabei geht es nicht allein darum, als Unternehmen bzw. mit den eigenen Marken positioniert zu sein. Vielmehr sind Internetrecherchen zu einem großen Teil themenbezogen. Deshalb ist von großer Bedeutung, über entsprechende Schlagworte bzw. potenzielle Suchabfragen gefunden zu werden. Ein Lösungsansatz dazu ist kontextbezogene Online-Werbung. Die bessere Alternative ist jedoch, direkt in den Suchergebnissen mit einem Schlagwort aufzutauchen. Dies ist über die Inhalte der eigenen Websites möglich. Da Suchmaschinen jedoch auch die Aktualität von Suchergebnissen und deren Vernetzung in ihr Ranking einbeziehen, genügt auch ein bloßes Erwähnen möglichst vieler Stichwörter auf einer Website bei weitem nicht, der angebotene Inhalt muss also möglichst hochwertig – und damit für Besucher einer Site nützlich – sein. Insgesamt lässt sich auf jeden Fall konstatieren: Wer über Google & Co. nicht auffindbar ist, existiert in der Wahrnehmung vieler nicht. Das Internet trägt damit entscheidend zur Realitätskonstruktion seiner Nutzer und damit der Mehrheit der Gesellschaft bei (Neuberger/Pleil 2006, Röttger/Zielmann 2006).
Internet und Social Software in der Unternehmenskommunikation
2.
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Grundlagen der Online-Kommunikation
Dass die Unternehmenskommunikation vor dem Hintergrund der stets zunehmenden Bedeutung des Internets diesen Kommunikationsraum nutzt, ist kein Wunder. Dabei ist zu betonen, dass Online-Kommunikation grundsätzlich als integrierte Kommunikation zu betrachten ist. Denn das Internet bietet ein breites Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten, die eine Koordinierung im Sinne der integrierten Kommunikation voraussetzen: So können auf einer Website verschiedene Ausprägungsformen der Unternehmenskommunikation wie Public Relations, Werbung oder interne Kommunikation umgesetzt, aber auch Transaktionen im Sinne von E-Commerce sowie andere Formen der digitalen Wertschöpfung abgewickelt werden (Neuberger/Pleil 2006, Haasis/Strommer/Zerfaß 2002). Über diese Zielsetzungen hinaus bietet das Internet zahlreiche kommunikative Optionen, die die Art und Weise der Bedeutungsvermittlung und Beeinflussung selbst betreffen: Interaktion und Dialog, Netzstruktur, Hypermedialität, Globalität, Zeitunabhängigkeit und Multimedialität (Westermann 2004: 153 ff.). Daraus ergeben sich dann unter anderem auch veränderte Arbeitsprozesse, Veränderungen in der Aufmerksamkeitsökonomie sowie neue Wege zur Entstehung von Öffentlichkeit und der Bildung öffentlicher Meinung. Kein anderer Kommunikationskanal bietet so viele Möglichkeiten der Interaktivität im Sinne der Interaktion mit dem Medium selbst (beispielsweise der Abruf von Informationen aus einem Online-Archiv mit Presseinformationen) oder der durch ein Medium vermittelten Interaktion mit wichtigen Bezugsgruppen, z. B. während einer virtuellen Pressekonferenz (Zerfaß 1999: 34 f.). Die Online-Kommunikation muss daher als eigenständiges Kommunikationsfeld mit spezifischen Spielregeln und Strategien betrachtet werden.
Definition: Online-Unternehmenskommunikation Online-Unternehmenskommunikation nutzt das klassische bzw. das mobile Internet, um mit realen und virtuellen Bezugsgruppen zu kommunizieren. Online-Kommunikation setzt damit immer auf technische Systeme als Plattform für Kommunikation und Interaktion (Neuberger/ Pleil 2006). Innerhalb dieses Rahmens werden situationsspezifisch monologische oder dialogorientierte Kommunikationsprozesse initiiert und an Kommunikationen Dritter im Internet partizipiert. In Abhängigkeit von der jeweiligen Situation werden auch verschiedene Arten der kommunikativen Einflussnahme im Verhältnis zwischen dem Unternehmen und den jeweiligen Stakeholdern realisiert. Hierbei werden typischerweise persuasive, argumentative und informative Ansätze unterschieden (Zerfaß 1999: 34). Die Online-Unternehmenskommunikation kann demnach – immer unter der Maßgabe der integrierten Kommunikation – eigene Kommunikationsstrategien im Internet entwickeln, aber auch das klassische Kommunikationsmanagement unterstützen und die Reichweite bzw. Qualität von Instrumenten wie Pressearbeit, Investor Relations, Eventkommunikation oder Kundenkommunikation im Internet verbessern. Hierzu zählt auch die Vereinfachung von Arbeits- und Informationsprozessen zum Beispiel durch elektronische Pressespiegel, Bilddatenbanken im Netz oder Social Bookmarks.
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2.1
Thomas Pleil/Ansgar Zerfaß
Digitale Reputation als Wertschöpfungsfaktor
Eines der wichtigsten strategischen Ziele der Unternehmenskommunikation ist der Aufbau und die Sicherung von Reputation. Darunter versteht man die Summe der Wahrnehmungen und Einschätzungen eines Unternehmens durch die relevanten Stakeholder einschließlich der konkreten Unterstützungspotenziale (Kauf, Weiterempfehlung, Verteidigung bei Kritik etc.), die sich hieraus ergeben (Wiedmann/Fombrun/van Riel 2007). Im Rahmen der Diskussion um eine wertorientierte Unternehmensführung wird betont, dass Reputation ein immaterieller und schwer ersetzbarer Wert ist, der langfristig aufgebaut werden muss, von dem man aber ebenso nachhaltig zehren kann (Zerfaß/Boelter 2005: 69 f.). Online-Kommunikation übernimmt in diesem Zusammenhang vor allem Mitverantwortung für die digitale Reputation (Zerfaß/Boelter 2005: 88). Dabei handelt es sich um jenen Teil der Reputation, den ein Unternehmen in der virtuellen Welt des Internets erarbeiten kann. Allerdings ist bislang noch kaum diskutiert, welches mögliche Einflussfaktoren für digitale Reputation sind und wie diese gemessen werden kann. Relevant sind unter anderem der Grad der Vernetzung und die Authentizität der Online-Kommunikation (Copeland 2004, Horton 2004). Dabei handelt es sich jedoch nur um grobe Orientierungen. Beispielsweise kann aus einer intensiven Vernetzung noch nicht geschlossen werden, dass sich dahinter tatsächlich digitales Reputationskapital verbirgt – auch das Gegenteil könnte der Fall sein, wenn ein Unternehmen von vielen Kritikern im Netz angegriffen und verlinkt wird. Berücksichtigt werden sollten bei der Messung digitaler Reputation außerdem auch klassische Merkmale wie beispielsweise die Wahrnehmung von Websites, derer Gestaltung und Benutzerfreundlichkeit, aber auch die wahrgenommene Angemessenheit von Kommunikationsstrategien und -formen sowie der angebotenen Inhalte. Schließlich sind Wechselwirkungen der allgemein wahrgenommenen Reputation eines Unternehmens und seiner digitalen Reputation zu beachten. Ein nur schwer greifbares Konstrukt ist die häufig geforderte Authentizität: Sie kann als wahrgenommene Qualität der Kommunikation verstanden werden, wobei zum Beispiel Ehrlichkeit, Echtheit oder ein persönlich gehaltener Kommunikationsstil in der Wahrnehmung von Bezugsgruppen als Qualitätskriterien dienen können.
2.2
Auf dem Weg zum Dialog?
Jenseits dieser grundlegenden Wertschöpfungspotenziale zeigt eine Bilanz der ersten zehn Jahre der Online-Unternehmenskommunikation (Neuberger/Pleil 2006), dass viele Erwartungen und Hoffnungen bisher nicht erfüllt wurden. Sicherlich ist es vielen Unternehmen gelungen, sich im Netz zu positionieren und sich dabei teilweise auch ein innovatives Image zuzulegen. Auch das Ziel, den jeweiligen Stakeholdern relevante Informationen zu jeder Zeit verfügbar zu machen, wurde erreicht.
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Kaum erfüllt hat sich jedoch bisher die vor einigen Jahren diskutierte Erwartung, die Kommunikation von Unternehmen werde im Internet dialogorientierter. Dies bestätigen mehrere Untersuchungen. Beispielsweise hat Westermann (2004) in der bislang umfassendsten Studie zur Unternehmenskommunikation im Internet insgesamt 293 Corporate Websites in den USA, Europa und Deutschland inhaltsanalytisch miteinander verglichen. Es zeigte sich, dass die Mehrheit der Unternehmen auf ihren Websites umfangreiche Informationen für unterschiedliche Bezugsgruppen bereithält. Hier kann das Internet als nahezu unbegrenzter und immer verfügbarer Speicherort seine Stärken ausspielen: Neben speziell für das Internet aufbereiteten Texten, Bildern und Grafiken werden dort häufig Hintergrundinformationen wie beispielsweise Biografien von Vorständen oder Fachinformationen bereitgehalten. Ereignisse wie Reden oder Aktionärsversammlungen werden durch Audio- oder Filmmitschnitte oder zumindest die Manuskripte dokumentiert. Journalisten dienen die oft umfangreichen Pressebereiche als Archiv, Anleger informieren sich auf den Investor Relations-Seiten eines Unternehmens, und auch Bewerber, Kunden oder potenzielle Kooperationspartner finden auf den Corporate Websites wichtige Informationen. Allerdings handelt es sich bei diesen Angeboten fast ausschließlich um monologische Kommunikation, bei der der Besucher einer Website in der Rolle des Rezipienten verbleibt. Dialogangebote wie Chats, Foren, Gästebücher oder Kommentarmöglichkeiten bleiben dagegen eine Ausnahme. Damit verhält sich Online-Kommunikation weitestgehend analog zur realen Welt: Auch dort dominiert monologische Kommunikation (Baerns 2005: 53). Dies ist unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit nachvollziehbar. Die Vorstellung eines neuen Produktes beispielsweise erfordert nicht automatisch dialogorientierte und damit besonders aufwändige Kommunikation. Richten dagegen Bezugsgruppen konkrete und relevante Ansprüche an ein Unternehmen und gerät dessen Handeln in die Kritik, kann dialogorientierte Kommunikation strategisch und ökonomisch sinnvoll sein (Neuberger/Pleil 2006).
2.3
Herausforderungen und Chancen für das Kommunikationsmanagement
Diese Überlegungen verdeutlichen, dass das Internet nicht einfach ein weiterer Kommunikationskanal ist, der mit dem bekannten Handwerkszeug von Marketing, PR und interner Kommunikation bespielt werden kann. Vielmehr verändert das Internet die Beziehung zwischen Unternehmen und ihren Stakeholdern und damit die Rahmenbedingungen der Unternehmenskommunikation selbst. Diese erweiterte Sicht lenkt den Blick auf drei konkrete Bereiche, in denen sich Chancen und Herausforderungen ergeben (Zerfaß 2004: 419 f.): Managementtools und Informationsquellen im Internet. Die Vielfalt von Websites, OnlineDatenbanken und Anwendungen im Netz bildet in ihrer Gesamtheit einen globalen Informationspool, der bei der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle der Unternehmenskommunikation (unabhängig davon, ob diese selbst mit Hilfe klassischer oder neuer Me-
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dien geschieht) in Anspruch genommen werden kann. Außerdem können typische Arbeitsabläufe in der Unternehmenskommunikation, beispielsweise die Zusammenarbeit mit PRAgenturen und Bildagenturen, die Kommunikation in unternehmensweiten Projektteams sowie der Bezug von Presseclippings und Medienadressen mit Hilfe des Internets schneller und kostengünstiger gestaltet werden. Dies erhöht die Effizienz der Unternehmenskommunikation (vgl. hierzu Abschnitt 3). Öffentlichkeiten und Bezugsgruppen im Internet. Im virtuellen Raum des Internets bilden sich gänzlich neue Öffentlichkeiten. Das sind weltumspannende Kommunikationsräume mit eigenen Strukturen, Themen, Kommunikationsabläufen und Aufmerksamkeitsregeln, die sich grundlegend von anderen Handlungsfeldern der Unternehmenskommunikation unterscheiden. Sie sind dynamisch, schnell und schwer kontrollierbar, können aber – das ist die große Chance – besser denn je selbst oder gemeinsam mit Partnern geschaffen und geprägt werden. Ein Beispiel hierfür sind Online-Communities als neue Spielart virtueller Öffentlichkeiten. Zum Teil entstehen auch neue Stakeholder und Kommunikationspartner mit speziellen Interessenlagen, die es in dieser Form früher nicht gab: Online-Journalisten, Cyber-Initiativen, Betreiber von Weblogs und viele mehr (vgl. hierzu Abschnitt 4). Das Internet als Kommunikationskanal. Durch das Netz wurden neue Kommunikationsplattformen und -instrumente verfügbar, zum Beispiel Websites in Form von Unternehmensdarstellungen, Online-Magazinen (Corporate Publishing), Kampagnen-Websites, sowie E-Mail-Newsletter, interaktive Web-Konferenzen und neuere, als Social Software bezeichnete Anwendungsformen wie Weblogs, Wikis und Podcasts (vgl. hierzu die Abschnitte 5 und 6). Die Chance für die Unternehmenskommunikation besteht darin, durch Nutzung dieser Möglichkeiten ihre Effektivität nachhaltig zu steigern. Die Kommunikation kann nicht nur schneller, sondern vor allem auch besser werden: Wichtige Bezugsgruppen sind mit speziellen Internetangeboten und personalisierten E-Mails direkt ansprechbar, man kann eigene Themenplattformen aufbauen und betreiben, die Informationsbedürfnisse von Mitarbeitern und Journalisten können zielgerichtet erfüllt werden.
3.
Das Internet als Managementtool und Informationsquelle
Das Internet hat das Kommunikationsmanagement verändert, weil es völlig neue Möglichkeiten der Recherche, Informationsverarbeitung und Zusammenarbeit geschaffen hat. Ein jederzeitiger Netzzugang und entsprechende Anwendungen erleichtern den Kommunikationsverantwortlichen ihre Aufgabenerfüllung – unabhängig davon, ob sie bei der eigentliche Kommunikation mit internen und externen Stakeholdern auf klassische Vorgehensweisen
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(Presseaussendungen, Print-Publikationen) oder Online-Instrumente (Websites, E-Mail) setzen. Zu unterscheiden sind drei Ansatzpunkte und mögliche Vorteile: 1. Der Einsatz von Online-Anwendungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Projektsteuerung: Die Arbeitsabläufe in der Unternehmenskommunikation sind typischerweise stärker als jene in anderen Aufgabengebieten dadurch geprägt, dass mit externen Dienstleistern (Kommunikationsagenturen, Designern, Internetagenturen, Druckereien, Lettershops, Eventorganisatoren) und unternehmensweiten Teams (beispielsweise den PR-Verantwortlichen bei Tochterfirmen,) zusammengearbeitet wird und hierbei ein kurzfristiger Abstimmungsbedarf besteht. Extrembeispiele sind Krisensituationen und der gesamte Bereich der Investor Relations, in dem die Inhalte und Umsetzung der Kommunikationspolitik schnell und präzise mit vielen Beteiligten abgestimmt werden müssen. Ansätze hierzu bieten neben webbasierten Projektmanagement-Tools unter anderem Wikis, Social Bookmarks oder Weblogs für das Wissensmanagement und die Teamorganisation. 2. Die Optimierung des Informationssystems: Im Zuge des Kommunikationsmanagements, also der Planung und Umsetzung von Kommunikationsmaßnahmen, wird zwangsläufig ein mehr oder minder ausgefeiltes Informationssystem aufgebaut. Die bei der Öffentlichkeitsarbeit und Mitarbeiterkommunikation anfallenden Informationen und Daten werden in Ablagen, Ordnern und Archiven, zunehmend aber auch in elektronischer Form, erfasst und zur Vorbereitung weiterer Entscheidungen wieder zur Verfügung gestellt. Im Sinne einer Methodensammlung kann das Informationssystem auch bewährte Vorgehensweisen zur Bewältigung einzelner Aufgaben enthalten (zum Beispiel Vorgehen bei der Projektsteuerung oder Medienresonanzanalyse, Checklisten für Pressekonferenzen und andere PR-Instrumente). Durch den Einsatz von webgestützten Datenbanken kann im Idealfall ein interaktives Informationssystem aufgebaut werden, das den gesamten Workflow der Unternehmenskommunikation abbildet und unterstützt. Entsprechende Softwarelösungen mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit und Qualität sind auf dem Markt verfügbar, aber in der Unternehmenspraxis noch nicht sehr verbreitet. 3. Die Optimierung des Kommunikationsmanagements: Das Management der Unternehmenskommunikation umfasst verschiedene Schritte, deren Zusammenhang und Abfolge dem klassischen Zyklus der Unternehmenssteuerung entsprechen: Der PR-Analyse folgt die Planung, Umsetzung und Kontrolle von Kommunikationsprogrammen. Internetgestützte Anwendungen können diese Schritte unterstützen. Vor allem der letztgenannte Aspekt soll an dieser Stelle näher betrachtet werden: So lassen sich für die Analysephase allgemein zugängliche Datenbanken und Alert-Services nutzen, um eine einfache Themenbeobachtung (Issues Tracking) als Vorstufe des Issues Management (Wiedemann/Ries 2007, Kuhn/Ruff 2007) zu organisieren. Mit Hilfe entsprechender Dienstleister lässt sich dies soweit ausbauen, dass ein nahezu vollkommenes Issues Monitoring in Echtzeit möglich wird. Dabei können auch Inhalte von Diskussionsforen, Chats und Weblogs ausgewertet werden (Zerfaß/Sandhu 2006b, Eck/Pleil 2006). Eine regelmäßige Beobachtung der entsprechenden Diskussionen lohnt sich allerdings nur, wenn es sich dort um zentrale
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Stakeholder (zum Beispiel eine bestimmte Kritikergruppe) oder strategiekritische Themen dreht. Notwendig sind dann intelligente Mechanismen, die helfen, die dabei möglicherweise entstehende Informationsflut verwendbar zu machen. Zur Krisenprävention sowie in Krisenfällen kann dieser Aufwand jedoch zwingend erforderlich sein. Statt auf bereits vorhandene Informationen zurückzugreifen, ist es auch möglich – und bei bestimmten Fragestellungen unabdingbar –, selbst aktiv zu werden und Daten bzw. Meinungsäußerungen zu generieren. Hierzu sollten auf der eigenen Website Feedback-Möglichkeiten geschaffen werden. Beispiele hierfür sind Abstimmungen (Votings), Gästebücher, Foren oder Weblogs. Hinzu kommen Kommentarmöglichkeiten bei Artikeln sowie Online-Fokusgruppen und -Umfragen. Die Planung der Kommunikation wird durch den Einsatz verschiedener interaktiver Standardwerkzeuge erleichtert. Beispiele sind webbasierte Softwarelösungen für die Alternativenbewertung, Netzplanerstellung, Budgetierung und das gesamte Projektmanagement. Bei der Realisierung von Kommunikationsmaßnahmen und Kampagnen können interaktive Medien unterstützend eingesetzt werden. In der Pressearbeit sind Medien-Adressdatenbanken und Zeitschriften-Themenpläne im Internet verfügbar. Die meisten Redaktionen erwarten, Presseinformationen digital zu erhalten. Sinnvoll ist deshalb der Einsatz leistungsfähiger Datenbanken für das Customer Relationship Management, die beispielsweise den automatisierten Versand (mit individueller Ansprache) von Pressemitteilungen und die Pflege der Kontakthistorie zu Ansprechpartnern erlauben. Leistungsfähige Druckdienstleister betreiben heute Publishing-on-demand-Systeme, die über Internet zugänglich sind und bei denen man Drucksachen und Plakate online beauftragen kann – dadurch können auch begrenzte Adressatenkreise schnell und kostengünstig professionell angesprochen werden. Die Evaluation der Unternehmenskommunikation betrifft zwei Problemstellungen. Die (operative) Ergebniskontrolle prüft, inwiefern die formulierten Zielsetzungen durch die realisierten Kommunikationsaktivitäten erreicht wurden. Die Prozesskontrolle trägt dem Gedanken Rechnung, dass in den einzelnen Phasen des Kommunikationsmanagements immer wieder alternative Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten ausgeblendet werden müssen. Die Unterstützung der Kontrollfunktion durch interaktive Medien geschieht in ähnlicher Weise wie in der Analysephase. Dabei bezieht sich die Kontrolle der Online-Kommunikation auf eigene Websites (z. B. statistische Auswertung der Besucherzahlen, Usability) sowie auf die Verbreitung eigener Aussagen im Netz. Hier kommen Monitoringdienste zum Einsatz, die Online-Medien nach Stichwörtern durchsuchen und entsprechende Berichte bzw. Pressespiegel generieren (z. B. www.newsradar.de, www.presswatch.de). Im Prinzip handelt es sich hierbei um ein Online-Thementracking, das auch in der Analysephase angewendet wird.
Internet und Social Software in der Unternehmenskommunikation
4.
521
Öffentlichkeiten und Bezugsgruppen im Internet
Die intensive Nutzung des Internets hängt nicht nur damit zusammen, dass es bequem ist, Fahrkarten vom eigenen Schreibtisch aus zu kaufen oder Preisvergleiche anzustellen. Ein wichtiger Faktor ist auch, dass das Internet von vielen als sozialer Raum wahrgenommen wird. Man „surft“ im World Wide Web, trifft sich mit Gleichgesinnten zum Chat und sucht Newsgroups auf, um Neuigkeiten zu einem bestimmten Thema zu erfahren und mit anderen ins Gespräch zu kommen. Dabei bewegt man sich in neuen Öffentlichkeiten im Sinne von Kommunikationsräumen, die sich durch die Praxis der Online-Nutzung herausgebildet haben und dieser Praxis inzwischen selbst Sinn und Orientierung geben (Zerfaß/Boelter 2005: 74 ff.). Diese neuen Öffentlichkeiten unterscheiden sich von klassischen Öffentlichkeiten nicht allein durch ihre Virtualität, sondern beispielsweise auch durch eigene Regeln der Aufmerksamkeit und eigene Kommunikationsstile. Dabei ist zu berücksichtigen, dass unterschiedliche virtuelle Öffentlichkeiten unterschiedlichen Spielregeln folgen. Innerhalb dieser neuen Öffentlichkeiten spielen die klassischen Gatekeeper wie Journalisten und (traditionelle) Meinungsführer eine wesentlich geringere Rolle als in den klassischen Öffentlichkeiten, die durch die herkömmlichen Massenmedien wie Zeitung oder Rundfunk hergestellt werden. Allerdings bilden sich auch innerhalb neuer Öffentlichkeiten typischerweise in kurzer Zeit neue Meinungsführer und Bezugsgruppen heraus – oft unabhängig von Alter, beruflichem Hintergrund oder gesellschaftlichem Status. Die Unternehmenskommunikation kann durch diese Entwicklung neue Ansatzpunkte finden. Dies setzt voraus, dass diese neuen Meinungsführer erkannt und in die Kommunikation einbezogen werden. Allerdings verbietet die „Netiquette“ (die ungeschriebenen Verhaltensregeln im Netz) in vielen Situationen eine direkte Ansprache nicht-journalistischer Meinungsführer. Unternehmen, die hier die Regeln des sozialen Gefüges Internet nicht antizipieren, riskieren den Verlust digitaler Reputation. Die Interaktivität des Mediums Internet bringt es mit sich, dass digitale Bezugsgruppen nicht nur passive Konsumenten von Informationen sind. Vielmehr können sich solche Bezugsgruppen innerhalb kürzester Zeit zu Cyber-Initiativen zusammenschließen und wieder auflösen. Im Extremfall bezieht sich ein solches Zusammenschließen nicht nur auf den Austausch von Erfahrungen, etwa mit einem Produkt, sondern kann schnell zur Organisation konkreter Aktivitäten wie Protestaufrufen oder gar Boykotten führen. Spätestens diese Art der Aktivität bleibt üblicherweise auch den klassischen Massenmedien nicht verborgen, so dass Diskussionen und Initiativen aus dem vormedialen Raum in die breite öffentliche Diskussion einfließen können. Neue technische Entwicklungen, die unter dem Begriff „Social Software“ diskutiert werden (vgl. Abschnitt 6), erleichtern es dabei den Internet-Nutzern miteinander zu kommunizieren, zu interagieren und im Netz zu publizieren. Besonders aufmerksame Beobachter des digitalen Raumes sind naturgemäß Online-Redakteure. Dabei kann es sich um Mitarbeiter von Online-Magazinen handeln, die dem klassi-
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schen Berufsbild des Journalisten entsprechen, aber auch um so genannte Citizen Journalists, also Autoren, die ohne journalistische Ausbildung aus eigener, privater Initiative im Internet veröffentlichen und beispielsweise aufgrund ihres Fachwissens eine ähnliche Reputation genießen wie ihre professionellen Kollegen. Dennoch kann sich ihre Arbeitsweise deutlich unterscheiden: Einige Citizen Journalists respektieren nicht die Trennung zwischen Nachricht und Meinung; kombiniert mit der Tatsache, dass Auswahl und Recherche von Informationen nicht unbedingt professionellen Kriterien entsprechen. So kann eine aus Unternehmenssicht gefährliche Mixtur entstehen, die im Extremfall zur rasend schnellen Verbreitung beispielsweise von Gerüchten beitragen kann. Für das Kommunikationsmanagement geht es zunächst darum, neue Bezugsgruppen und Meinungsmacher im Netz frühzeitig zu identifizieren und regelmäßig zu analysieren. Dazu sollte ein auch für das Issues Management notwendiges Internet-Monitoring eingeführt werden (vgl. oben Abschnitt 3). In weiteren Schritten müssen Bedeutung, Beweggründe und Handlungsmuster der neuen Ansprechpartner analysiert und bewertet werden. Schließlich gilt es, zu den relevanten Kommunikationspartnern stabile Beziehungen aufzubauen. Klassische Vorgehensweisen wie die Aufnahme in den Presseverteiler funktionieren dabei jedoch häufig nicht. Im Gegenteil: Diese würden eher als unangemessen empfunden und könnten kontraproduktiv wirken. Erfolg versprechender ist dagegen, Information und Unterhaltung einzusetzen. Das bedeutet, dass mit Internetangeboten zunächst die Aufmerksamkeit digitaler Bezugsgruppen geweckt werden muss. Eine hohe Aktualität und attraktive Inhalte sowie situativ auch Feedback- und Dialogangebote können dabei als Bausteine des digitalen Beziehungsmanagements dienen.
5.
Das Internet als Kommunikationskanal
Eine Stärke des Internets liegt darin, dass es erlaubt, direkte und ungefilterte Beziehungen zu unterschiedlichen Stakeholdern zu pflegen bzw. zu unterstützen. Dazu diesen insbesondere Websites, die vom Unternehmen selbst betrieben werden. Die Herausforderungen sind hierbei weniger technischer Natur – ein Internetauftritt lässt sich heute mit Hilfe fachkundiger Agenturen sehr schnell und kostengünstig erstellen – sondern sie verbergen sich hinter den Schlagworten Konzeption und Zielgruppenansprache, Workflow und Usability: In konzeptioneller Hinsicht muss geklärt werden, welchem Zweck eine Website dient und welche Stakeholder sie ansprechen soll. Grundsätzlich ist es möglich, alle relevanten Bezugsgruppen und deren Informationsbedürfnisse mit einem einzigen Internetauftritt – der Corporate Website – anzusprechen. Dabei bietet es sich an, für Investoren und Analysten, Anwohner, Mitarbeiter, Geschäftspartner oder Journalisten jeweils unterschiedliche
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Einstiegsmöglichkeiten zu schaffen. Dadurch können unterschiedliche Kommunikationsziele verfolgt und beispielsweise durch die individuelle Aufbereitung von Informationen oder durch situativ skalierte Dialogangebote unterstützt werden. Da bei Corporate Websites jedoch immer eher der direkte Bezug zum Unternehmen im Vordergrund steht und diese inhaltlich nicht überfrachtet werden sollte, können spezifische Websites (so genannte Microsites) für einzelne Themen, Marken oder Produkte sinnvoll sein. Je nach inhaltlicher Ausrichtung können damit eher absatzorientierte Ziele (z. B. durch eine KampagnenWebsite im Rahmen einer Produkteinführung) oder eher gesellschaftspolitische Ziele bzw. PR-Ziele verfolgt werden, wenn beispielsweise ein Pharmahersteller bestimmten Patientengruppen eine Möglichkeit zum Austausch bietet. Vielfach unterschätzt wird der Workflow bzw. die Organisation der Informationsflüsse und Arbeitsabläufe beim Betrieb von Websites und Informationsportalen. Die in vielen Kommunikationsabteilungen gepflegte Improvisationskunst hat hier keinen Platz. Vielmehr verbergen sich hinter den meisten Websites umfangreiche Content Management-Systeme (CMS), also Online-Datenbanken, in denen Texte, Bilder und verknüpfende Informationen wie beispielsweise das Veröffentlichungsdatum jedes einzelnen Artikels, der Bearbeitungsund Freigabestatus und vieles mehr abgelegt sind. Dies vereinfacht die Strukturierung der Inhalte und erlaubt auch die mehrfache Verwendung an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Websites, stellt aber zugleich hohe Anforderungen an die Kompetenz und Disziplin der Redakteure. Das Stichwort Usability verweist darauf, dass die zunehmende Informationsflut zu einer Machtverlagerung im Kommunikationsprozess geführt hat. Die Nutzer haben heute die Qual der Wahl zwischen einer Vielzahl miteinander konkurrierender Fernsehprogramme, Zeitschriften, Websites und E-Mail-Newsletter. Deshalb wird die Aufmerksamkeit zum alles bestimmenden, knappen Gut. Und Aufmerksamkeit gewinnt man nicht nur mit attraktiven Inhalten und ansprechender Optik, sondern vor allem durch eine hervorragende Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit. Dieses im Englischen als „Usability“ bezeichnete Qualitätsmerkmal wird immer stärker zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal für Websites (Zerfaß/Hartmann 2005). Die laufende Überprüfung und Optimierung der Usability muss Bestandteil jedes Konzepts und jeder Strategie für Internetauftritte sein. Deshalb sollte man sich konsequent an den Nutzern und ihren Bedürfnissen orientieren, nicht an den Vorstellungen von Informatikern oder Designern. Wichtig sind beispielsweise die verständliche Benennung von Navigationselementen, die Länge von Überschriften und Texten sowie die Aussagekraft und Ladezeiten von Bildern. Aufgabe der Unternehmensführung und des Kommunikationsmanagements ist es in diesem Zusammenhang, die Durchführung von Usability-Tests mit Testpersonen aus dem Kreis der adressierten Stakeholder vor der Live-Schaltung von Websites einzufordern. Ein im Rahmen der Unternehmenskommunikation besonders häufig diskutiertes Anwendungsfeld sind virtuelle Presseservices bzw. vergleichbare Angebote für Journalisten auf Unternehmens-Websites. Damit soll die tägliche Redaktionsarbeit unterstützt und die Belastung der eigenen Pressesprecher durch Standardfragen nach Fotomaterial etc. verringert werden. Der Standard solcher Pressebereiche variiert trotz der überschaubaren Anforderun-
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gen weiterhin sehr stark. Meist zeigt bereits ein Benchmarking innerhalb der eigenen Branche, wo Verbesserungsbedarf besteht und wie man mit wenig Aufwand erhebliche Optimierungspotenziale realisieren kann. Journalisten erwarten heute einen Pressebereich, der ein gut durchsuchbares Archiv und einfach auffindbare Kontaktinformationen zu einem Pressesprecher beinhaltet (Keel/Bernet 2005). Ebenso wichtig sind aktuelle Nachrichten und Produktinformationen (Trostner 2004). Dass bei zwei Dritteln der Fachjournalisten der Wunsch nach druckfähigem Bildmaterial zum Download von größter Bedeutung ist (Maisberger Whiteoaks 2005), ist ein Indiz dafür, dass die Unternehmenskommunikation besonders dann punkten kann, wenn sie den Kommunikationskanal Internet zum virtuellen Servicemedium ausbaut.
6.
Social Software: Neue Formate für die OnlineKommunikation
Nach gut einem Jahrzehnt breiter Nutzung befindet sich das World Wide Web heute in einem deutlichen Umbruch. War das Internet bisher für die meisten Bezugsgruppen vor allem ein weiteres Massenmedium, das passiv konsumiert wurde, so bieten neue Formate wie Weblogs, Wikis, Podcasts oder Social Bookmarks sowie Community-Plattformen nun für die breite Masse der Internetnutzer die Möglichkeit, im Netz selbst zu publizieren und zu interagieren (Zerfaß/Boelter 2005). Diese Anwendungen werden üblicherweise unter dem Begriff Social Software zusammengefasst und markieren für viele Fachleute den Schritt zu einer neuen Entwicklungsstufe des Internets, des Web 2.0 (Sixtus 2005). Entscheidend dabei ist, dass die technischen und wirtschaftlichen Hürden, diese Anwendungen zu nutzen, sehr niedrig sind: Mit nur wenigen Mausklicks und geringen oder gar keinen Kosten kann jeder Internetnutzer beispielsweise ein Online-Tagebuch oder ein radioähnliches Programm starten. Der Einsatz von Social Software bleibt nicht nur Unternehmen mit großen Kommunikationsbudgets vorbehalten, sondern kommt auch für kleine Betriebe oder Selbstständige wie beispielsweise Berater, Agenturen oder Anwälte mit kreativen Ideen in Frage. Die Brecht’sche Utopie, nach der jeder die Möglichkeit haben sollte, zum Sender zu werden und nicht nur zu rezipieren, scheint zum Greifen nahe (Pleil 2006).
6.1
Grundlagen und Anwendungen
Social Software ist eigentlich kein neues Phänomen. Allerdings haben die erwähnten Formate erst seit dem Jahr 2005 breite Beachtung gefunden. Gemeint sind mit Social Software
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Anwendungen, „die menschliche Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit unterstützen“ (Sixtus 2005). Damit zählen auch Dienste wie E-Mail, Groupware oder Instant Messaging zu Social Software. Doch bleibt die Kommunikation hier in einem sozial klar abgegrenzten privaten Raum. Anders dagegen die neueren Anwendungen: Hier sind nahezu alle Informationen öffentlich (oder zumindest in einem Intranet) zugänglich. Über verschiedene Funktionen besteht zudem für jeden User die Möglichkeit, vorhandene Inhalte zu kommentieren (vor allem in Weblogs und Podcasts) oder sogar zu editieren (in Wikis). Damit ermöglicht Social Software nicht nur dem Einzelnen das Publizieren mit einfachen Mitteln, sondern sie hat – wie es der Name sagt – eine deutliche soziale Funktion, indem sie die Möglichkeit bietet, Netzwerke zu knüpfen (Davies 2003: 12 ff., 23 ff.). Intensiv wurde diskutiert, ob diese Veränderungen für die Unternehmenskommunikation tatsächlich relevant sind, oder ob es sich nur um einen Hype handelt. Vorhersagen sind immer – auch in dieser Frage – problematisch. Im Jahr 2005 haben jedoch einige Fälle gezeigt, dass beispielsweise durch Weblog-Beiträge Unternehmenskrisen ausgelöst bzw. verstärkt werden konnten, vor allem, wenn sie die Aufmerksamkeit der klassischen Massenmedien auf sich gezogen haben (Eck/Pleil 2006). Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, die neuen Formate ausschließlich als mögliche Bedrohung zu sehen. Vielmehr dürften im Normalfall die Chancen, diese Formate selbst als neue Instrumente beispielsweise für virale Kampagnen (Zerfaß/Boelter 2005: 101 ff.) einzusetzen, überwiegen. Für die Unternehmenskommunikation von Bedeutung sind insbesondere RSS, Weblogs, Podcasts und Wikis.
6.1.1
RSS (Real Simple Syndication)
RSS (Real Simple Syndication) ist eine Basistechnologie, die es erlaubt, Inhalte im Internet auch losgelöst von einer bestimmten Website zugänglich zu machen. Sie ist für die meisten Social Software-Anwendungen unverzichtbar. Mit RSS können Internetnutzer aktualisierte Inhalte einer Website abonnieren und mit Hilfe eines spezielles Programms (Feed- oder Newsreader) beziehungsweise eines Online-Dienstes auf einen Blick erkennen, welche neuen Beiträge beispielsweise in einem Weblog veröffentlicht wurden. Es ist somit also nicht mehr notwendig, einzelne Websites anzusurfen, um zu prüfen, ob neue Inhalte vorliegen. So genannte RSS-Feeds lassen sich sogar für Audio- oder Video-Dateien, aber auch für die Kommentare in einem Weblog einrichten. RSS ist damit eine Schlüsseltechnologie für den Erfolg neuer Social Software-Anwendungen und begünstigt das Entstehen kommunikativer Netzwerke. Gleichzeitig sorgt RSS für eine deutliche Beschleunigung der Kommunikation: Im Zeitalter der Newsfeeds erwarten Internetnutzer gegebenenfalls sehr schnelle Reaktionen.
6.1.2
Weblogs (Blogs)
Weblogs (Blogs) sind Nachrichtendienste im Internet mit umgekehrt chronologisch angeordneten Beiträgen einzelner Personen oder einer Gruppe, die ein Weblog gemeinsam betreibt
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Thomas Pleil/Ansgar Zerfaß
(Pleil 2005). Weblogs können oft kostenfrei und ohne technische Kenntnisse mit wenigen Mausklicks eingerichtet werden. Eine Besonderheit von Weblogs ist die Möglichkeit des Kommentars, durch den such jeder Leser an Diskussionen beteiligen kann. Die TrackbackFunktion wird eingesetzt, wenn ein Blogger in einem Artikel auf einen Beitrag aus einem anderen Weblog bezieht. Durch den Trackback entsteht automatisch eine Verlinkung der Beiträge, so dass inhaltlich der Verlauf einer Diskussion sehr einfach nachvollziehbar wird. Schließlich gehört noch die Blogroll zu einem Weblog. Dabei handelt es sich um eine Linkliste, in der die Lieblingsblogs des jeweiligen Bloggers aufgeführt sind. Leser von Weblogs können dank RSS automatisch jeden neuen Eintrag eines Blogs abonnieren. Die Zahl der Weblogs wächst im Internet derzeit rasant und hat bereits die Zahl der herkömmlichen Websites überholt. Betrieben werden Weblogs zu einem großen Teil von Privatpersonen (Schmidt 2006); aber auch zahlreiche Journalisten, Unternehmen und Nonprofit-Organisationen setzen Weblogs im Rahmen ihrer professionellen Kommunikation ein. Die Anwendungsmöglichkeiten von Weblogs im unternehmerischen Umfeld werden kontrovers diskutiert (Zerfaß/Boelter 2005, Picot/Fischer 2006, Pleil 2004). Corporate Weblogs können in allen Handlungsfeldern der Kommunikation, also in der internen Kommunikation, der Marktkommunikation und in den Public Relations eingesetzt werden, wobei auf jeder dieser Ebenen wiederum unterschiedliche kommunikative Ziele – von der Information über die Persuation bis zu Argumentation – verfolgt werden können (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1:
Einsatzmöglichkeiten von Weblogs in der Unternehmenskommunikation (Quelle: Zerfaß/Boelter 2005: 127)
Ohne an dieser Stelle detailliert auf die Anwendungsmöglichkeiten von Corporate Weblogs eingehen zu können, lassen sich einige grundsätzliche Feststellungen treffen, die insbesondere für Blogs gelten, die in der externen Kommunikation eingesetzt werden sollen: Weblogs bieten die Möglichkeit, direkte und ungefilterte Kommunikationsbeziehungen mit wichtigen Stakeholdern aufzubauen und zu pflegen. Damit wird die Gatekeeper-Funktion
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der klassischen Medien geschwächt, die Unternehmenskommunikation erlangt eine gewisse Unabhängigkeit vom Journalismus. Allerdings gilt dies bislang nicht generell. Unternehmen sollten deshalb analysieren, ob ihre Bezugsgruppen internet- und weblogaffin sind, oder ob diese mit diesem Kanal gar nicht erreicht werden können. Umgekehrt können mit Weblogs in einigen Konstellationen digitale Öffentlichkeiten erreicht werden, die herkömmliche Kommunikationsinstrumente ignorieren. Hat die Kommunikationsanalyse ergeben, dass ein Weblog in der jeweiligen Situation ein sinnvolles Instrument sein kann, so erweitert sich die Bandbreite der Kommunikationskanäle, die einem Unternehmen zur Verfügung stehen. Dies kann den kommunikativen Handlungsspielraum erweitern. So sind einige Unternehmen bereits dazu übergegangen, bestimmte Informationen nicht mit Hilfe von Pressemitteilungen, sondern zunächst in einem Blog zu veröffentlichen. Allerdings sollten notwendige inhaltliche Abgrenzungen getroffen werden. Dies gilt beispielsweise, wenn neben einem Corporate Blog ein wöchentlicher Newsletter existiert. Soll dieser fortgeführt werden, so ist zu klären, durch welche konzeptionellen Maßnahmen dessen Attraktivität gesichert werden kann. Wie alle Medien des Corporate Publishings (z. B. Newsletter, Mitarbeiter- oder Kundenmagazine) erfordern Weblogs ein klares inhaltliches Konzept. Damit wird ein Blog innerhalb des Internets positioniert, zu anderen Medien des Unternehmens abgegrenzt, und die potenziellen Leser und Autoren erhalten eine inhaltliche Orientierung. Erfolgreiche Weblogs bieten neben Inhalten, die Bedürfnisse der Bezugsgruppen befriedigen, typischerweise ein großes Maß an Aktualität und eine hohe Frequenz. Umgekehrt finden Weblogs, die nur alle paar Wochen aktualisiert werden, meist nur geringe Resonanz. Deshalb sollte bereits in der Konzeptionsphase eines Blogs festgelegt werden, wie diese Anforderungen erfüllt werden sollen. Entweder kann dazu ein Mitarbeiter oder Dienstleister ausreichend zeitliche Ressourcen erhalten, oder das Blog wird als Gemeinschaftsblog mehrerer Mitarbeiter konzipiert. Diese Alternativen sind nicht pauschal abzuwägen, doch in der Tendenz kommt die erste Variante einer Personalisierungsstrategie entgegen, während gemeinsam gepflegte Blogs eher bei einer Fokussierung auf ein Fachthema sinnvoll erscheinen. In Weblogs wird ein spezieller Schreibstil gepflegt: Im Gegensatz etwa zur Presseinformation wird hier in einer lockeren Sprache mit subjektiven Elementen und teilweise mit Andeutungen aus der Privatheit der Autoren gearbeitet. Dies ist selbst für erfahrene Journalisten bzw. PR-Experten häufig nicht einfach. Jedoch kann dadurch ein Weblog zum wichtigen Instrument des Corporate Storytellings werden und einem abstrakten Gebilde, dem Unternehmen, Authentizität und Glaubwürdigkeit verleihen. Dieser Ansatz wird besonders durch CEO-Blogs verfolgt, in denen ein Vorstand oder ein Mitglied der Geschäftsleitung seine Ansichten zur Diskussion stellt (Zerfaß/Sandhu 2006a).
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6.1.3
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Podcasts
Eine noch wesentlich jüngere Entwicklung im Internet ist Podcasting, ein Kunstwort, das aus dem Namen des bekannten MP3-Abspielgeräts „iPod“ von Apple und „Broadcasting“ zusammengesetzt ist. Podcasting bedeutet einfaches und kostengünstiges Produzieren, Verbreiten, Empfangen und Anhören von Audio-Beiträgen über das Internet (Rubens 2006). Podcasting ist in der Präsentation mit Blogging verwandt und in vielen Fällen auch kombiniert. Auch Podcasts können mit Hilfe von RSS automatisiert bezogen werden. Üblicherweise sind Podcasting-Beiträge kostenlos, wobei derzeit auch Bezahlmodelle in der Erprobung sind (Pleil 2006). Dabei lassen sie sich entweder am PC anhören, oder sie werden auf einen MP3Player oder ein Mobiltelefon übertragen und können unterwegs angehört werden. Podcasting wird häufig als Weiterentwicklung des Radios gesehen, mit dem Unterschied, dass die Hörer selbst entscheiden, wann und wo sie einen Beitrag hören und diesen auch mehrmals anhören können; insofern wird auch von asynchronem Radio gesprochen (Pleil 2005: 255 f.). Podcasting bietet auch Einsatzmöglichkeiten im Rahmen der Unternehmenskommunikation. Durch die zunehmende Verbreitung von MP3-Playern und Mobiltelefonen ist es möglich, Bezugsgruppen auch unterwegs zu erreichen, wobei das Internet als günstiger Distributionskanal eingesetzt wird: Meist werden Podcasts auf dem Weg zur Arbeit oder in der Freizeit gehört (Wunschel 2005). Dabei sind klassische Informationsformate (z. B. Interviews oder Nachrichten) ebenso möglich wie funktionsunterstützende Einsatzfelder wie beispielsweise Schulungen oder Audio-Dokumentationen von Veranstaltungen. Allerdings wollen die meisten Hörer von Podcasts unterhalten werden – Podcast-Angebote von Unternehmen müssen sich damit also dem Wettbewerb mit Radioprogrammen stellen. Eine Alternative kann das Sponsoring bereits bekannter und unabhängiger Podcasts bzw. Werbung in diesen sein.
6.1.4
Wikis
Wikis sind einfache Content Management Systeme, die es jedem Benutzer erlauben, Inhalte (vorwiegend Texte) von Websites zu editieren. Die Internet-Enzyklopädie www.wikipedia.de ist das bekannteste Beispiel hierfür. Wikis eignen sich besonders zum Wissensmanagement, beispielsweise innerhalb von Teams. So können beispielsweise Arbeitsprozesse einer PRAbteilung von allen Mitarbeitern in einem Wiki im Intranet auf einfache Art dokumentiert und laufend aktualisiert werden. In der externen Kommunikation eignen sich Wikis beispielsweise auch zum Community-Building. So ist etwa das Apfel-Wiki (www.apfelwiki.de) für zahlreiche Kunden des Computerherstellers Apple eine beliebte Anlaufstelle für Tipps und Tricks mit Apple-Produkten sowie für aktuelle Informationen dazu. Damit wird deutlich, dass Wikis eine Alternative zu FAQ (Frequently Asked Questions)-Bereichen auf Websites sein können – mit dem Unterschied, dass Wikis auch das Wissen anderer – typischerweise der Kunden – einbeziehen können.
Internet und Social Software in der Unternehmenskommunikation
6.1.5
529
Herausforderungen der Peer-to-Peer-Kommunikation
Eine wesentliche Herausforderung von Social Software ist die zunehmende Bedeutung der Peer-to-Peer-Kommunikation, also der Kommunikation zwischen Gleichgesinnten und der Herausbildung von sozialen Netzwerken jenseits der Grenzen von Raum und Zeit. Die Bedeutung von Peers nimmt umso mehr zu, je unübersichtlicher das Angebot an Informationen, aber auch an Stilen und Trends, wird. Edelman (2005) spricht in diesem Zusammenhang von einem Web of Trust: Dabei handelt es sich um ein persönliches Netzwerk aus Gleichgesinnten (Peers) wie z. B. Kollegen, Freunde, der Familie, Akademikern, aber auch fremden Menschen mit ähnlichen Interessen, deren Urteile im Vergleich zu den klassischen Massenmedien immer wichtiger werden. Zwar behalten die Massenmedien ihre dominierende Rolle für die Bildung öffentlicher Meinung, aber sie erhalten Konkurrenz. Meinungsbildung verlagert sich zumindest in Teilen auch in neue digitale Arenen und wird für jeden Außenstehenden nachvollziehbar (Zerfaß/Boelter 2005: 89 ff.). Neue Meinungsführer, beispielsweise Betreiber von Weblogs, die in ihren jeweiligen Online-Angeboten häufig aufeinander verweisen, schaffen eine neue Qualität der Vernetzung im Web, die sich wiederum sehr schnell in den Ergebnissen von Suchmaschinen wie Google widerspiegelt. In anderen Worten: Je intensiver ein Thema – beispielsweise ein neues Produkt oder ein strittiges Geschäftsmodell – in Weblogs diskutiert wird, desto mehr Internet-User – dazu gehören auch Journalisten – stoßen über Suchmaschinen auf diese Diskussionen. Für die Online-Kommunikation bedeutet dies, dass sie nicht nur angebots- beziehungsweise kommunikatororientiert vorgehen, sondern sich intensiv mit netzwerkartiger Kommunikation beschäftigen sollte (Wehmeier 2004: 299). Eine bislang im deutschsprachigen Raum noch wenig diskutierte Handlungsoption ist es, Mitarbeiter systematisch zu Botschaftern des eigenen Unternehmens zu machen. Da bisherige Autoritäten wie Politiker und Top-Manager zunehmend an Vertrauen verlieren, zieht Edelman aus einer entsprechenden internationalen Umfrage unter 1.500 Meinungsführern folgenden Schluß: „CEOs need to engage stakeholders in a very personalized way, through local media and in direct dialogue via the internet, empowering employees while using credible third parties as spokespeople“ (Edelman 2005). Social Software-Formate im Internet bieten hierzu interessante Möglichkeiten. So bemühen sich einzelne US-amerikanische Konzerne, ihre Mitarbeiter gezielt als Multiplikatoren oder für den Aufbau von Beziehungen zu Bezugsgruppen einzusetzen. Hierzu wird den Mitarbeitern beispielsweise auf der Unternehmens-Website die Möglichkeit eingeräumt, direkt und ohne Kontrolle durch eine Kommunikationsabteilung zu ihren jeweiligen Fachthema zu veröffentlichen, beispielsweise in Weblogs. Üblicherweise werden hierzu lediglich grobe Verhaltensregeln verabschiedet. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Strategie nicht ohne Risiken ist und vor allem von der jeweiligen Unternehmenskultur abhängt. Gegner einer solchen Öffnung aller Kommunikationskanäle fürchten, dass Unternehmen die strategischen Möglichkeiten der Kommunikation hierdurch zu sehr aus der Hand geben und dass Mitarbeiter auch kontraproduktiv wirkende Informationen nach außen geben können. Befürworter sind demgegenüber der Meinung, das Kontrollparadigma der Unternehmenskommunikation habe ohnehin ausgedient, mit anderen Worten: Unternehmen
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sind heute ohnehin erzwungenermaßen transparent, so dass der Schritt in die Offensive jeder Abschottungsmentalität vorzuziehen ist.
7.
Fazit
Online-Unternehmenskommunikation erweitert das Kommunikationsmanagement in den virtuellen Raum des Internets, und zwar in allen Phasen, also von der Analyse über die Planung und die Realisierung bis zur Evaluation. Dabei unterstützt der Einsatz des Internets einerseits die klassische Kommunikationsarbeit, etwa, indem die Reichweite und Effizienz von Instrumenten wie Pressearbeit, Investor Relations oder Krisen-PR gesteigert werden. Andererseits lassen sich eigene Kommunikationsstrategien entwickeln, um digitale Öffentlichkeiten und virtuelle Bezugsgruppen zu erreichen. Wichtige Instrumente hierzu sind beispielsweise Corporate Websites oder kampagnenbegleitende und themenbezogene Internetauftritte. Diese Angebote können um spezielle Services wie Newsletter, interaktive Datenbanken, Downloads etc. angereichert werden. Anwendungen, die einen Dialog mit wichtigen Stakeholdern fördern können, sind auf technischer Seite seit längerem entwickelt, kommen aber bislang nur selten zum Einsatz. Dies betrifft beispielsweise Gästebücher, Foren oder Chats. Mit der Verbreitung neuerer Formate der Social Software wie Weblogs, Podcasts und Wikis könnte sich dies ändern. Dabei liegt es auf der Hand, dass die Einsatzmöglichkeiten stets vor dem Hintergrund der jeweiligen Kommunikationsstrategie und unter Abwägung von Chancen und Risiken sowie Kosten und Nutzen abzuwägen sind. Damit wird sichergestellt, dass interaktive Technologien, die auch in Zukunft eine der wichtigsten Quellen von Wettbewerbsvorteilen und Wertschöpfung sein werden, zielführend für die Unternehmenskommunikation genutzt werden.
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10
Wertbestimmung und Evaluation
Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation
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Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation Victor Porák/Christian Fieseler/Christian Hoffmann
Die zunehmende Bedeutung der Unternehmenskommunikation hat eine fortschreitende Professionalisierung zur Folge. Instrumente, Ansätze und Maßnahmen des Kommunikationsmanagements werden laufend erneuert, ausgebaut und verbessert. Das führt zwangsläufig auch zu höheren Anforderungen an die Messung des Erfolgs. Heute existieren bereits zahlreiche Ansätze und Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation. Diese wurden zum Teil vor einem akademischen Hintergrund, zum Teil aber auch in der Kommunikationspraxis entwickelt. Dieser Beitrag stellt die gängigen Methoden im Überblick vor, systematisiert sie und unternimmt eine kritische Betrachtung. Gemäß der heutigen Kommunikationspraxis werden die Methoden der Erfolgsmessung differenziert nach den etablierten Kommunikationsfunktionen – Public Relations, Investor Relations, Kunden- und Mitarbeiterkommunikation – dargestellt.
1.
Einleitung
1.1
Zur Bedeutung der Erfolgsmessung im Kommunikationsmanagement
Unternehmenskommunikation basiert auf einem professionellen Management der Kommunikationsbeziehungen. Der Prozess des Kommunikationsmanagements kann dabei als ein in sich geschlossener Kreislauf dargestellt werden, der die Schritte Planung, Implementation, Wirkung und Kontrolle umfasst (vgl. Abbildung 1): Ohne eine solide Planung – einschließlich einer Analyse der aktuellen Situation und des Umfelds des Unternehmens – kann keine M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_30, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Victor Porák/Christian Fieseler/Christian Hoffmann
Kommunikationsmaßnahme erfolgsorientiert implementiert werden. Jede Kommunikationsmaßnahme löst bestimmte Kommunikationswirkungen aus. Diese müssen erhoben und kontrolliert werden. Die Erfolgskontrolle schafft eine solide Basis für die weitere Planung und Steuerung der Kommunikation. Ohne Erfolgskontrolle wird Unternehmenskommunikation willkürlich und zufallsabhängig.
Planung / Zielsetzung Feedback
Kontrolle / Controlling
Entscheidung
KommunikationsManagement
Wirkungs- & Erfolgsmessung
Organisation / Koordination
Wahl der Maßnahmen Umsetzung / Wirkung
Abbildung 1:
Der Kommunikationsmanagement-Prozess
Hinzu kommt, dass die finanziellen Aufwendungen für die Unternehmenskommunikation in vielen Fällen beträchtliche Ausmaße angenommen haben und die Frage nach deren Wirtschaftlichkeit aufwerfen. Erst die Erfolgsmessung der Unternehmenskommunikation ermöglicht Aussagen darüber, ob und inwieweit Kommunikationsaktivitäten einen Beitrag zur unternehmerischen Wertschöpfung leisten, ob sie also zum Erreichen der strategischen und operativen Ziele der Organisation beitragen. Fragen der Wertschöpfung von Kommunikation und des Kommunikationscontrollings gewinnen somit erkennbar an Bedeutung (Zerfaß/ Pfannenberg 2005, Piwinger/Porák 2005).
1.2
Der Erfolgsbegriff im Kommunikationsmanagement
Kommunikation ist für den Erfolg eines Unternehmens überlebensnotwendig. Unternehmen sind Organisationen, die auf verschiedenen Märkten interagieren und kommunizieren. Sie erwerben, kombinieren und bearbeiten dabei Produktionsfaktoren, um die sich daraus ergebenden Waren und Dienstleistungen schließlich ihren Kunden anbieten zu können.
Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation
537
Besonders bedeutsame Märkte sind daher in der Regel die Märkte für Produktionsfaktoren (Arbeits-, Kapital- und Warenmärkte) sowie die Absatzmärkte. Hier sieht sich das Unternehmen den Anspruchsgruppen der Kapitalgeber, der Mitarbeiter, der Lieferanten, der Kunden, der Wettbewerber sowie – im Sinne der Gestalter von Rahmenbedingungen – den staatlichen Stellen, den Medien sowie der allgemeinen Öffentlichkeit gegenüber (Wilbers 2004). Offensichtlich lassen sich unternehmerische Ziele nur in Kooperation und Abstimmung mit diesen Zielgruppen – den „Stakeholdern“ – erreichen (Karmasin 2007). Die Interaktionen mit ihnen sind zu einem ganz wesentlichen Anteil symbolische Interaktionen, also Kommunikation. Die Tätigkeiten eines Unternehmens basieren auf seiner Vision und/oder Mission und den daraus abgeleiteten strategischen Zielen bezüglich Märkten, Kunden, Marktstellung, Rentabilität und weiteren mehr. Auch das Kommunikationshandeln folgt diesen Zielen. Die strategischen Ziele werden dabei in Ziele der Unternehmenskommunikation überführt und in Teilziele einzelner Kommunikationsprogramme und -maßnahmen ausdifferenziert. Die Definition dieser Ziele beruht dabei unter anderem auf den Erfahrungen und Erkenntnissen aus vergangenen Maßnahmen. Die Umsetzung kann sich einer Vielzahl unterschiedlicher Instrumente bedienen und erfolgt heute meist differenziert nach Anspruchsgruppen in den Kommunikationsfunktionen Public Relations, Investor Relations, Marketing, Mitarbeiterkommunikation, Sponsoring, Government Relations/Lobbying etc. Bei diesen Stakeholdern erzielt die Unternehmenskommunikation unterschiedliche Wirkungen. Diese Wirkungen beginnen dabei stets in der Wahrnehmung des Unternehmens durch die Anspruchsgruppen (Bierhoff 2007). Die Wahrnehmungen der Anspruchsgruppen sind sozusagen die Eingangstür des Unternehmens in die Gedanken und – darauf aufbauend – die Handlungen der Stakeholder.
Abbildung 2:
Dimensionen der Kommunikationswirkung
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Victor Porák/Christian Fieseler/Christian Hoffmann
Das Wirkungsumfeld von Unternehmenskommunikation ist jedoch ausgesprochen komplex (vgl. Abbildung 2). Das Unternehmen ist selbstverständlich nur ein Kommunikator unter unzähligen weiteren, wie Medien, privaten und staatlichen Institutionen, die ebenfalls um die Aufmerksamkeit der Zielgruppen ringen. Wirkungen entfalten sich auf individueller Ebene ebenso wie auf Gruppen- oder Community-Ebene im Rahmen der Interaktion ihrer Mitglieder. Die Fristigkeit von Wirkungen kann zudem von sehr kurzfristig bis zu sehr langfristig äußerst unterschiedlich ausfallen. Wirkungen basieren immer auf der Verständigung der Interaktionspartner, darüber hinaus können sie eine Art Lernen darstellen (Einstellungs-, Meinungsbeeinflussung etc.), aber auch die darauf aufbauenden Handlungen beeinflussen. Angesichts dieser enormen Komplexität ist es nahezu unmöglich, eindeutige Kausalitäten zwischen Kommunikationsmaßnahmen und bestimmten Wirkungen herzustellen: Wirkungen können nie vollständig erfasst werden. Gleichzeitig gibt es im Rahmen der Interaktion eines Unternehmens mit seinen Anspruchsgruppen auch unbewusste bzw. unbeabsichtigte Kommunikation – etwa das Erscheinungsbild eines Mitarbeiters. Wirkungen können also auch dort auftreten, wo diese nicht intendiert waren. Dennoch beziehen sich alle – strategischen und operativen – Kommunikationsziele eines Unternehmens auf diese Wirkungen. Der Erfolg der Unternehmenskommunikation tritt also dann ein, wenn die Wirkungen der Kommunikation den gesetzten Zielen entsprechen. Eine Erfolgsmessung der Kommunikation setzt entsprechend eine Zieldefinition voraus.
Definition: Erfolgsmessung von Kommunikation Die Erfolgsmessung der Kommunikation macht den Zusammenhang von Kommunikationshandeln und dessen Wirkungen sichtbar und stellt diesen den vorab definierten Kommunikationszielen gegenüber.
Der Erfolg der Unternehmenskommunikation kann auf sehr unterschiedlichen Ebenen erhoben werden. Entsprechend der Komplexität der Wirkungen kann sich die Erfolgskontrolle auf kurz- bis langfristige, auf individuelle oder Gruppenreaktionen, auf Einstellungsänderungen oder Handlungen der Zielgruppen konzentrieren. Auch kann der Erfolg einzelner Kommunikationsmaßnahmen oder -programme ebenso gemessen werden wie derjenige der gesamten Unternehmenskommunikation. Wo die Erfolgskontrolle im Einzelfall ansetzt, hängt vor allem von den Zielsetzungen der Kommunikation ab. Das Erreichen eines Markterschließungziels etwa muss selbstverständlich an anderen Faktoren gemessen werden als das einer Imageverbesserung oder Krisenbewältigung. Daher muss jedes Unternehmen für sich entscheiden, wie es den Schritt der Erfolgskontrolle im Rahmen des Kreislaufs des Kommunikationsmanagement auslegen möchte (vgl. Abbildung 1). Der Kommunikationserfolg wird im Zuge der anhaltenden Effizienzorientierung aller Unternehmensfunktionen jedoch auch monetär ausgewiesen werden müssen. Dies kann aber nur mit einer entsprechenden Zielsetzung der Unternehmensführung gelingen (vgl. Abbildung 2).
Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation
539
Unerwähnt bleiben soll auch nicht, dass neben der Orientierung an den Kommunikationswirkungen auch die – tendenziell nach innen gerichtete – Perspektive des Kommunikationscontrollings zunehmend an Bedeutung gewinnt (Piwinger/Porák 2005, Zerfaß 2006). Hier werden vor allem die internen Prozesse des Kommunikationsmanagements erfasst und deren Effizienz anhand einheitlicher Kennzahlen kontrolliert und gesteuert. Das Kommunikationscontrolling ist somit keineswegs deckungsgleich mit der Erfolgskontrolle im Rahmen des Kommunikationsmanagement. Es kann, muss aber nicht bei den Wirkungen der Kommunikationsmaßnahmen ansetzen. Die Entwicklung eines Kommunikationscontrollings ist in der Regel eng mit der Forderung nach einem ausweisbaren Wertschöpfungsbeitrag der Kommunikation verbunden. Grundsätzlich lassen sich daher zahlreiche der hier vorgestellten Methoden der Erfolgsmessung ebenso im Rahmen eines Kommunikationscontrollings einsetzen.
2.
Erfolgsmessung in Forschung und Praxis
Die Methoden und Instrumente der Erfolgsmessung von Kommunikation werden laufend sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft – hier vor allem im Rahmen der Kommunikationswissenschaft und zunehmend auch in der Betriebswirtschaftslehre – fortentwickelt. Wie einleitend beschrieben wurde, zerfällt Unternehmenskommunikation heute häufig in die Interaktionsprozesse des Unternehmens mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen. Die Kommunikationsfunktionen der Public Relations, der Investor Relations und des Marketings arbeiten oftmals weitgehend unabhängig voneinander. Es kann daher nicht überraschen, dass, gespeist aus so unterschiedlichen Quellen, eine große Vielfalt von Methoden der Erfolgsmessung existiert, die auf unterschiedliche Zielgruppen ausgerichtet und an vielfältigen Erfolgsmaßstäben orientiert ist. All diese Methoden stehen jedoch ähnlichen Herausforderungen gegenüber: Die Komplexität des Wirkungsumfelds der Kommunikation, die Vielzahl der – bewussten und unbewussten – kommunikativen Einflüsse machen die kausale Zuordnung einer Wirkung zu einer distinkten Kommunikationsmaßnahme schwierig, wenn nicht unmöglich (Bonfadelli 2004). Die Evaluation von Kommunikation steht vor einer Reihe von Herausforderungen (Hilger/Kaapke 1995, Mast 2006): Erkenntnisproblem: Erfolgsevaluation erfordert eine klare Definition des zugrunde liegenden Zieles und eine entsprechende Auswahl und Ausrichtung der Erhebungsmethode, Kausalitätsproblem: Die eindeutige Rückführung bestimmter Ergebnisse auf eine eindeutige Ursache gestaltet sich oftmals sehr schwierig, Faktorenproblem: Es gilt die Wirkungsstärke mehrerer Einflussfaktoren zu differenzieren,
540
Victor Porák/Christian Fieseler/Christian Hoffmann
Messproblem: Ergebnisse werden oftmals durch Eigenschaften der gewählten Erhebungsmethode sowie deren Anwendung verzerrt, Effizienzproblem: Der Nutzen der Erfolgskontrolle muss in einem vernünftigen Verhältnis zu ihren Kosten stehen. Wirkungen – betreffen sie nun Verständnis, Meinungen, Wissen oder Handeln – können dabei grundsätzlich durch die ganze Bandbreite der Methoden empirischer Sozialforschung erhoben werden: Inhaltsanalysen, Befragungen, Beobachtungen und Experimente (Brosius/ Koschel 2005). Je nach Zielsetzung der Wirkungskontrolle können diese ausgerichtet und verfeinert werden. Besonders bedeutsam für eine tatsächliche Zuordnung des Erfolgs ist jedoch ein Verständnis der Wirkungsprozesse von Kommunikation, ihrer Einflussfaktoren und deren kausalen Zusammenhängen. Hier hat vor allem die Kommunikationswissenschaft einige Fortschritte erzielt; die Übertragung ihrer Erkenntnisse auf das Kommunikationsmanagement ist jedoch noch weitgehend mangelhaft.
Abbildung 3:
Ebenen der Erfolgsmessung von Kommunikation (Quelle: in Anlehnung an Naundorf 2001)
Die bisher ausgefeiltesten Ansätze der praxistauglichen Erfolgskontrolle im Kommunikationsmanagement finden sich vor allem im Bereich der Werbewirkungsforschung (Brauner et al. 2001, Bruhn 1997) sowie in der Evaluation der Public Relations (Baerns 1995, Broom/ Dozier 1990, Watson/Noble 2005). Der Public Relations-Forschung kann auch eine als weitgehend etabliert zu bezeichnende Systematik der Erfolgsmessung entnommen werden (Naun-
Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation
541
dorf 2001, Lindenmann 2003, DPRG 2001). Diese unterscheidet im Wesentlichen vier Ebenen der Kommunikationswirkung, welche im Folgenden übersichtsartig dargestellt werden: Ouput und Outgrowth hinsichtlich der Übertragung von Kommunikation, Outcome und Outflow hinsichtlich des Erfolgs von Kommunikation.
2.1
Output
Die erste, so genannte Output-Ebene betrachtet die reine „Produktionsleistung“ der Unternehmenskommunikation. Hier wird vor allem der Umfang der Kommunikationstätigkeiten gemessen: Anzahl Veröffentlichungen und Pressekontakte, Verbreitung, Zugriffsstatistiken etc. So können Aussagen über die Verfügbarkeit und Reichweite der unternehmerischen Kommunikationsleistungen getätigt werden. Sofern nicht die unmittelbaren Beziehungen des Unternehmens zu Presse und Medien als Zielrahmen im Zentrum der Erfolgskontrolle stehen, fallen nahezu alle Methoden der Medienauswertung in den Bereich der Output-Messung. Medienbezogene Evaluationsansätze sind dabei etwa Clippings (Sammlung und Auszählung von Abdruckbelegen) und Medienresonanzanalysen (inhaltsanalytische, qualitative Auswertung von Medienberichten). Offensichtlich betrachtet die Output-Ebene nicht die bei den Zielgruppen ausgelösten Wirkungen. Für eine Erfolgsmessung der Unternehmenskommunikation sind Output-Maße daher nur sehr bedingt geeignet. Die Maße der Output-Ebene können hier bestenfalls Indizien für den tatsächlichen Kommunikationserfolg liefern. Ist etwa die Erhöhung des Bekanntheitsgrades eines Produkts das Ziel eines Kommunikationsprogramms, so kann eine erhöhte Medienresonanz als starker Hinweis auf einen Kommunikationserfolg gewertet werden. Im Rahmen des Kommunikationscontrollings liefern Maße der Output-Ebene ebenfalls bedeutende Informationen bezüglich der Effizienz von Kommunikationsprozessen. Nicht zuletzt aber baut Erfolg – ob auf der Outcome- oder der Outflow-Ebene – auf einem soliden Kommunikations-Output auf.
2.2
Outgrowth
Auf der Outgrowth-Ebene wird die Frage beantwortet, ob eine Kommunikationsleistung die Zielgruppe überhaupt erreicht hat. Jede Kommunikationswirkung basiert auf der Verständigung zwischen den Kommunikationspartnern. Diese wiederum kann nur zustande kommen, sofern die jeweiligen Mitteilungen auch wahrgenommen werden. Als Outgrowth kann also die Aufmerksamkeit der Zielgruppe – und in einem gewissen Masse auch deren Erinnerungsleistung – betrachtet werden. Hier werden vor allem die kognitiven Wirkungen der Kommunikation untersucht. Recall-Tests etwa können Auskunft über Umfang und Präzision der Erinnerung von Kommunikationsinhalten geben. Auch auf der Outgrowth-Ebene wird in
542
Victor Porák/Christian Fieseler/Christian Hoffmann
erster Linie die Grundlage des Kommunikationserfolgs betrachtet und weniger dessen tatsächliche Qualität und Quantität.
2.3
Outcome
Erst auf der Outcome-Ebene stehen die Wirkungen der Kommunikation im Mittelpunkt der Betrachtung. Hier werden über die bloße Registrierung einer Kommunikationsmaßnahme hinaus das Verständnis sowie die Beeinflussung von Wissen, Einstellungen und Handlungen der Zielgruppen erhoben. Folgende Wirkungskomplexe können differenziert werden (Grunig/ Hunt 1984, Grunig 1983): Retention of Messages: Wirkungen auf das Wissen der Zielgruppen/Lernen, Acceptance of Cognitions: Emotional-affektive Wirkungen/Wertungen, Formation or Change of Attitude: Beeinflussung von Meinungen und Einstellungen, Overt Behavior: Wirkungen der Kommunikation auf das Handeln. Wie eingangs erwähnt, steht hier die ganze Bandbreite der Methoden der empirischen Sozialforschung zur Verfügung. Auf dieser Ebene treten jedoch die genannten Probleme und Herausforderungen bezüglich Komplexität und Kausalität in vollem Umfang zu Tage. Wahrnehmungen und die darauf aufbauenden Wirkungen sind stets subjektiv und nur mittelbar durch Außenstehende zu erheben. Kennzahlen der Outcome-Ebene können daher mit Sicherheit niemals Absolutheitsanspruch erheben. Dennoch ist es die Outcome-Ebene, die im Mittelpunkt der Erfolgsmessung im Kommunikationsmanagement stehen muss, da sich auf sie der Großteil der unternehmerischen Kommunikationsziele bezieht. Im Bereich der Outcome-Messung wurden daher auch die für die Erfolgsmessung bedeutendsten methodischen Fortschritte – vor allem in den Feldern der Werbewirkungsforschung und PR-Evaluation – erzielt.
2.4
Outflow
Die Outflow-Ebene schließlich betrachtet die monetären Auswirkungen des Outcome. Hier wird untersucht, inwiefern die kommunikativen Wirkungen auf das Wissen, die Einstellungen und darauf aufbauend vor allem das Handeln der Zielgruppen zu einem finanziellen Erfolg des Unternehmens geführt haben. Auf der Ebene des Outflow ist die in jüngerer Zeit stark an Bedeutung gewinnende Diskussion um die Wertschöpfung durch Kommunikation sowie ein Großteil der Untersuchungen hinsichtlich eines Kommunikationscontrollings anzusiedeln.
Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation
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(Zerfaß/Pfannenberg 2005, Piwinger/Porák 2005, Zerfaß 2006) Die für die Outcome-Ebenen genannten Probleme der Erfolgszumessung gelten in verschärfter Form auch für die Ebene des Outflows. Hier müssen nicht nur die Wirkungen der Kommunikation auf das Handeln der Zielgruppen identifiziert werden, diesen Handlungen muss darüber hinaus ein monetärer Wert zugemessen werden. Kommunikation ist in der unternehmerischen Wertschöpfung jedoch vor allem eine Unterstützungsfunktion, die in jede Stufe etwa einer Produkterstellung – von der Entwicklung über die Produktion bis zum Vertrieb – einfließt. Eine eindeutige Rückführung bestimmter Umsatz-, Gewinn- oder Unternehmenswertanteile oder -veränderungen auf bestimmte Kommunikationsmaßnahmen kann derzeit als sehr schwierig, wenn nicht als unmöglich betrachtet werden (Lange 2005). Es ist daher zu befürchten, dass der Versuch einer Erfolgsmessung auf der Ebene des Outflow „in eine Sackgasse“ führt (Mast 2005: 28). Derzeit vorliegende Ansätze versuchen sich entweder an einer Evaluation der gesamten Unternehmenskommunikation, z. B. mittels Corporate Due Diligences (Pfannenberg 2004), oder Communication Scorecards (siehe unten Abschnitt 3.5.2) oder weisen der Unternehmenskommunikation mittels bloßer Konventionen einen monetären Wert zu (insbesondere Markenbewertungen) (Bentele et al. 2003). Trotz aller Hindernisse bleibt jedoch festzuhalten, dass im Zuge einer weitgehend etablierten Wertorientierung der Unternehmensführung auch die Forderung nach einem Wertschöpfungsbeitrag der Kommunikation nicht ignoriert werden kann. Die klare Ausrichtung der Erfolgsmessung der Kommunikation auf die strategischen Zielsetzungen des Unternehmens ist hier ein notwendiger Schritt. Darüber hinaus lassen sich im Rahmen des Kommunikationscontrollings durchaus Aussagen bezüglich der Effizienz verschiedener Kommunikationsmaßnahmen und -programme treffen (Rolke 2005, Piwinger/Porák 2005). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die genannten Ebenen der Erfolgskontrolle aufeinander aufbauen und sich daher gegenseitig bedingen. Je höher die betrachtete Ebene ist, desto aufwendiger ist die Erhebung des Erfolgs, desto ausgefeilter haben die angewandten Methoden zu sein. Aus heutiger Perspektive kann festgestellt werden, dass sich zahlreiche Methoden der Wirkungs- und Erfolgskontrolle auf den Ebenen des Output und Outcome etabliert haben, während die Ebene des Outflows noch ganz am Anfang einer solchen Entwicklung steht. Welche der genannten Ebenen nun im Rahmen der Erfolgskontrolle betrachtet werden soll, hängt abermals allein von der zugrunde liegenden Zielsetzung der Kommunikationstätigkeit ab. Im Folgenden wird nun ein nach Kommunikationsfunktionen differenzierter Überblick über bestehende Ansätze und Methoden der Erfolgsmessung geboten.
544
3.
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Methoden und Instrumente der Erfolgsmessung
Im Wesentlichen hat sich die Erfolgsmessung im Kommunikationsmanagement bislang auf die Messung funktionsspezifischer Werte – etwa in den Public und Investor Relations oder der Marketing- und Mitarbeiterkommunikation – konzentriert. Daneben etablieren sich zunehmend jedoch auch funktionsübergreifende, integrierte Ansätze der Kommunikationsevaluation, welche am Ende dieses Kapitels vorgestellt werden. Die folgende Auflistung kann selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, soll jedoch einen Überblick über die wesentlichen Instrumente geben.
3.1
Wirkung und Kontrolle von Public Relations
Schon seit den 1970er Jahren werden kontinuierlich Evaluationsmethoden der Public Relations entwickelt und verfeinert (Dozier/Ehling 1992). Es finden sich darunter vornehmlich quantitative Methoden, welche zunächst den operativen Output der Kommunikationsarbeit erfassen. Da jedoch auch hier die Erkenntnis Fuß fasste, dass der Erfolg des Kommunikationsmanagement nicht nur anhand von Output-Zahlen gemessen werden kann, wurde zunehmend der Blick auch auf die tatsächlichen Erfolgsfaktoren der Kommunikation gerichtet (Grunig/Grunig 1992). So haben sich schließlich auch auf der Outgrowth- und OutcomeEbene verschiedene Verfahren etabliert, die Kommunikationswirkungen direkt bei den Adressaten erheben. So wird beispielsweise untersucht, ob Botschaften von relevanten Stakeholdern aufgenommen und verstanden wurden (Outgrowth) und ob diese zu einer Einstellungs- oder Verhaltensänderung geführt haben (Outcome). Unter den Methoden und Instrumenten der Output-Ebene lassen sich folgende Methoden unterscheiden und mit unterschiedlichen Kennzahlen (Rolke 2007) unterlegen: Clippings sind Zusammenstellungen von etwa nach Häufigkeit, Thematik und Umfang sortierten Pressebeiträgen zu einem Unternehmen oder Themenkomplex. Die Veröffentlichungsrate (Abdruckquote) erfasst quantitativ, inwiefern Kommunikationsleistungen eines Unternehmens tatsächlich durch Redaktionen verwertet wurden. Die Reichweite (Leserrate) erfasst den Leserkreis eines Mediums und erlaubt daher eine Abschätzung, welcher Teil der angepeilten Zielgruppen potentiell erreicht werden kann. Ein Präsenzindikator ermittelt die Verweildauer eines Inhalts bei einem Medium bis zum Abdruck und kann mit Hilfe von Medienbeobachtungs-Dienstleistern (Observer, Ausschnitt, Landau Media usw.) erstellt werden, die ausgewählte Medien auswerten und aufbereiten.
Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation
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Die Medienresonanzanalyse unterzieht ähnlich einer Inhaltsanalyse die Berichterstattung im Print-, Funk-, TV- und Internetbereich einer qualitativen Auswertung vor allem nach der darin vermittelten Wertungstendenz. Unterschieden werden dabei aktionsabhängige (Kampagnen), taktische (Produkteinführung), langfristig ausgelegte und mit den Konkurrenten vergleichende Medienresonanzanalysen. Werbeäquivalenz misst die Effizienz der Unternehmenskommunikation durch einen Vergleich mit den Kosten einer Werbemaßnahme (z. B. Anzeige) in vergleichbarem Umfang. Die Aussagekraft sowie die ökonomische Zuverlässigkeit dieser Kennziffer sind jedoch sehr umstritten. Auf der Ebene der Outcome-Messung haben sich verschiedene Arten der Befragung von Zielgruppen etabliert, wobei unsystematische Vorgehensweisen (Exploration, Gruppendiskussion) von systematischen (standardisierten Befragungen) unterschieden werden. Recognition- und Recall-Tests untersuchen die Aufmerksamkeit und die Erinnerungsleistung der Zielgruppen. Geprüft werden so etwa die Wiedererkennung von Anzeigen und Slogans sowie die Erinnerung kommunizierter Inhalte. Beide Verfahren sind Outgrowthorientiert und können ex-ante oder ex-post durchgeführt werden. Eine Exploration ist ein frei geführtes, qualitatives Interview mit ausgesuchten Einzelpersonen oder Gruppen. Sie zielt im Sinne eines Tiefeninterviews auf umfassende Informationsgewinnung und wird vorzugsweise bei der Erforschung von Einstellungen, Erwartungen, Motiven und Bedürfnissen sowie im Bereich der Imagestudien eingesetzt. Gruppendiskussionen zielen dagegen eher auf die Breite der Informationen und sollen ein möglichst umfassendes Spektrum an Meinungen, Einstellungen und Erwartungen zutage fördern. Die standardisierte Befragung erfolgt anhand eines strukturierten Fragebogens in schriftlicher, mündlicher oder telefonischer Form (Merten 2007). Einzelaussagen werden so vergleichbar und wiederholt überprüfbar, ohne jedoch Befragten eine ausgeprägte Möglichkeit zur Exploration zu bieten. Image- und Reputationsanalysen zielen – in Form einer standardisierten Befragung – auf Einstellungen und Meinungen zu einem bestimmten Gegenstand (vor allem zu Firmen oder Marken) (Wiedmann/Fombrun/van Riel 2007). Mittels Skalierungsverfahren werden Polaritätsprofile erstellt, welche die Aussagen der befragten Personen widerspiegeln. Die dargestellten Instrumenten der Erfolgsmessung der Ebenen Output (Medienresonanz) bis Outcome (Interviews, Perception Studies etc.) sind sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur, bestimmen dabei aber nicht die ökonomischen Auswirkungen von Kommunikationsleistungen (Fesser 2001). Hier konnte sich bislang lediglich eine reine Wirtschaftlichkeitskontrolle etablieren, mittels derer der personelle und finanzielle Mitteleinsatz der PR mit dem Ziel der Kostenkontrolle erhoben wird. Dieser Ansatz weist dabei vor allem die Schwäche auf, dass Möglichkeiten zur Ermittlung des Werts von Kommunikationsleistungen nach wie vor fehlen. Bruhn schlägt daher die Anwendung eines Opportunitätskostenansatzes vor
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Victor Porák/Christian Fieseler/Christian Hoffmann
(Bruhn 2006). Über die reine Erfolgsmessung hinaus haben sich auch Ansätze der Prozessanalyse – wie z. B. Kommunikations-Audit und Reputationsanalysen – in der Praxis bewährt.
3.2
Wirkung und Kontrolle von Investor Relations
Ähnlich wie im Bereich der Public Relations wurden auch im Rahmen der Investor Relations (IR) verschiedene Evaluationsansätze zur Identifizierung und Messung des Kommunikationserfolgs entwickelt. Es lassen sich dabei im Wesentlichen zwei Ebenen unterscheiden: die des operativen Outputs (beispielsweise die Anzahl der Pressemitteilungen pro Jahr) einerseits und die des tatsächlichen Erfolgs andererseits, wobei letztere den Einfluss der IR auf die Einstellungen und das Verhalten von relevanten Zielgruppen betrachtet (etwa die Veränderung der Aktionärsbasis durch die gezielte Ansprache von potenziellen Investoren). Um diesen Erfolg greifbar zu machen, bieten sich eine Reihe quantitativer und qualitativer Herangehensweisen an, die jedoch sehr unterschiedliche Rückschlüsse auf den Zusammenhang von IR und deren wirtschaftlichen Erfolg zulassen. Auf der Ebene der Output-Messung werden unter anderem die folgenden Ansätze angewandt: Die Analyst Coverage ist ein Indiz für die Qualität der Investor Relations. Man geht davon aus, dass Analysten diejenigen Unternehmen bevorzugt betreuen, welche ihnen möglichst wenig Aufwand bei der Recherche verursachen und zuverlässige Informationen zur Verfügung stellen. Die Anzahl teilnehmender Analysten, Investoren und Medienvertreter an IR-Konferenzen, Telefonkonferenzen, Präsentationen und weiteren Anlässen spiegelt das Interesse am Unternehmen wider und kann Resultat und damit Indikator einer gelungenen IR-Arbeit sein. Medienbeobachtung und -resonanzanalyse: Medien sind eine wichtige Informationsquelle der Kapitalmarktteilnehmer. Somit ist die Medienresonanz auch für die IR ein wesentlicher Einflussfaktor. Das Instrument der Medienbeobachtung (Clippings) erfasst die Häufigkeit der Berichterstattung. Die Medienresonanzanalyse untersucht die Berichterstattung zudem auch inhaltlich auf Bewertung und Interpretation. Weiterhin stehen eine Reihe von Instrumenten und Methoden auf der Outcome-Ebene zur Verfügung, die eine Evaluation der Kommunikationsleistung anhand der Einstellungen und des Verhaltens der Kapitalmarktteilnehmer erlauben: Die Ermittlung der Aktionärsstruktur gibt Aufschluss über das Verhältnis von institutionellen Investoren, Privatanlegern, ausländischen Investoren etc. – soweit die Aktionäre überhaupt identifiziert werden können. Eine breite Streuung ist häufig verbunden mit einer verringerten Volatilität des Kursverlaufs. Durch den Vergleich der periodisch erhobenen
Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation
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Aktionärsstruktur kann nachvollzogen werden, wie sich IR-Maßnahmen auf einzelne Zielgruppen ausgewirkt haben. Feedback von Analysten und Investoren: Analysten und Investoren werden zu ihrer Einschätzung der IR-Arbeit befragt. Nachteile dieser Evaluationsmethode können dabei unter Umständen einerseits die Repräsentativität der Aussagen (Zeitpunkt der Befragung und Auswahl der Gesprächspartner) sowie die Subjektivität der gewonnenen Aussagen sein. Perception Studies stammen ursprünglich aus der Verhaltens- und Verkaufspsychologie. Mittlerweile ist die Perception Study auch in den IR ein wichtiges Feedback-Instrument geworden: Durch sie wird anhand von Befragungen von Kapitalmarktteilnehmern erhoben, ob die von den Investor Relations kommunizierten Botschaften bei den professionellen Kapitalmarktteilnehmern wie gewünscht angekommen sind. Inhaltsanalyse von Research-Reports: Die Berichte verschiedener Analysten werden vor allem in Hinblick auf Abweichungen untereinander analysiert. Treten bei einem Unternehmen starke Abweichungen auf, kann das auf Missverständnisse in der Kommunikation hindeuten. IR-Ratings: Verschiedene Zeitschriften und Organisationen, wie zum Beispiel Reuters, veröffentlichen jährlich ein IR-Ranking, welches die Meinungen von Analysten, Fondsmanagern und Privatanlegern zur Qualität der IR verschiedener Unternehmen wiedergibt. Abgefragt werden dabei Kriterien wie Zeitnähe, Glaubwürdigkeit und Informationsqualität. Darüber hinaus existieren einige ökonomische Indikatoren, die auf der Outflow-Ebene indirekt Auskunft über die Qualität der Investor Relations geben und daher auch als Erfolgsmaßstab für die Kommunikationsarbeit dienen: Aktienkurs: Investor-Relations-Maßnahmen reduzieren die Informationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Finanzöffentlichkeit und beeinflussen so indirekt den Aktienkurs des Unternehmens. Eine hohe Transparenz stärkt das Vertrauen der Analysten und Investoren, was den Risikoabschlag mindert. Die Aktienkursentwicklung ist eine einfach verfügbare Beurteilungsgröße des IR-Erfolgs. In der Regel wird sie im Verhältnis zu einer Peer Group oder einem führenden Index betrachtet (Performancevergleich). Die Volatilität einer Aktie misst die Schwankung des Einzeltitels im Vergleich zum Gesamtmarkt. Ein kontinuierliches Erwartungsmanagement (Guidance) kann die Volatilität der Unternehmensaktie gering halten. Kapitalkosten: Eine dauerhaft geringe Volatilität hat wiederum geringere Kapitalkosten für das Unternehmen zur Folge. Der niedrigere Kapitalkostensatz hat eine niedrigere Abzinsung zukünftiger Cashflows zur Folge, was wiederum den Shareholder Value steigert. Der Kapitalkostensatz kann also indirekt einen Rückschluss auf den Erfolg der IR erlauben.
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Offensichtlich leiden die letztgenannten Methoden an einer kaum nachweisbaren Kausalität zwischen Kommunikation und dem Niederschlag in Aktienkurs, Volatilität und Kapitalkosten. Sind die gemessenen Effekte in der Tat durch IR-Tätigkeiten ausgelöst worden? Da vor allem die Einstellungen und das Verhalten der Finanzgemeinde (Investoren, Analysten, Wirtschaftsjournalisten) die Wirkung und damit den Erfolg der IR widerspiegeln, muss eine systematische Erfolgsmessung demnach zunächst nach Veränderungen dieser Werte fragen. Der heutige Stand der Erfolgskontrolle von Investor Relations vernachlässigt jedoch noch weitgehend die Aufnahme- und Entscheidungsprozesse der Akteure am Kapitalmarkt.
3.3
Evaluation in der Marketingkommunikation
Die Marketing- oder Kundenkommunikation verfügt über eine ganze Bandbreite von Methoden der Erfolgsmessung. An dieser Stelle sollen daher nur einige wenige vertieft behandelt werden. Zahlreiche Evaluationsmethoden, wie etwa die Werbewirkungsforschung und zunehmend der Ausweis des Markenwertes, sind im Marketing schon seit Längerem etabliert und üben starken Einfluss auf die Entwicklung vergleichbarer Instrumente in angrenzenden Funktionen der Unternehmenskommunikation aus. Vor allem im Feld der Werbung ist Erfolgskontrolle seit einiger Zeit an der Tagesordnung und hat im Rahmen der Werbewirkungsforschung zu der Entwicklung einer Reihe von Evaluationsmethoden und -instrumenten geführt. Abhängig von den definierten Marketingzielen sind die Methoden zur Messung der Werbeeffizienz entweder auf die Ermittlung des ökonomischen Werbeerfolgs oder auf die Analyse der psychologischen Werbewirkungen ausgerichtet. Neben dem Hauptziel der Werbung, der Gewinnung von Abnehmern für das beworbene Angebot, lassen sich auch Teilziele differenzieren, wie zum Beispiel Imagebildung, Sympathiegewinn und Bekanntheitssteigerung. Man unterscheidet diese Werbewirkung in kognitive, affektive und konative Komponenten. Kognitive Wirkungen beschreiben Prozesse wie Aufmerksamkeit, Verarbeitung, Speicherung und Erinnerung von Werbeinhalten oder -botschaften. Unter affektiven Wirkungen versteht man durch Werbung ausgelöste oder beeinflusste Gefühlslagen oder Einstellungen gegenüber einem Produkt oder einer Dienstleistung. Werbewirkungen auf konativer Ebene bezeichnen schließlich durch Werbung initiierte Handlungsabsichten. Die Werbewirkungsforschung befasst sich meist mit kognitiven Gedächtnisleistungen der Konsumenten. Mittels spontaner und gestützter Werbeerinnerung oder der Erhebung der Markenbekanntheit werden hier Erkenntnisse gewonnen. Hinzu kommen häufig umfassendere Befragungen – sei es mittels schriftlicher Fragebögen, Online-Befragungen, Telefoninterviews oder Einzelinterviews. Auch Beobachtungen und Experimente werden im Rahmen der Werbewirkungsforschung zur Analyse von Kauf-, Verwendungs- und Informationsverhalten eingesetzt. Neben der Werbewirkungsforschung ist die Markenbewertung eine häufig angewandte Evaluationsmethode der Kundenkommunikation, die Rückschlüsse auf die Qualität der Kommu-
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nikationsarbeit eines Unternehmens erlaubt (Bentele et al. 2003). Die Markenbewertung basiert meist auf Erkenntnissen der Outcome-Ebene und versucht zum Teil, mittels derer Monetarisierung Aussagen auf der Outflow-Ebene zu erlauben. Einige grundlegende Ansätze begnügen sich lediglich mit der Erhebung der so genannten Markenstärke, also der Wahrnehmung und Beurteilung der Marke durch Zielgruppen, und verzichten somit auf eine monetäre Bewertung. Während zahlreiche Methoden ausschließlich den Wert von Konsumgütermarken ausweisen und sich damit in den klar definierten Grenzen der Werbung bewegen, versuchen sich andere an der Bewertung ganzer Unternehmensmarken. Hier zeitigen selbstverständlich auch Kommunikationsmaßnahmen anderer Unternehmensfunktionen Wirkungen. Generell wird unter dem Markenwert die Gesamtwirkung einer Marke aus Sicht von Zielgruppen – auch im Sinne eines Markenguthabens in Form von Vertrauen – verstanden, welche teilweise in einen monetären Wert überführt wird. Im Markenwert soll das monetär quantifizierte Erfolgspotential einer Marke zum Ausdruck kommen, womit dann der Wertbeitrag einzelner Marken zum Unternehmenswert bestimmt werden kann. Eine solche Bewertung der Marke ermöglicht darüber hinaus die Vergleichbarkeit von Marketinginvestitionen (Kriegbaum 2000). Insgesamt wurden in den letzten Jahren zahlreiche konkurrierende Modelle zur Markenbewertung entwickelt. Eine Übersicht über eine Auswahl von monetären und nicht-monetären, marktbasierten und Indikator-Modellen der Markenbewertung bietet Sattler (2002). Markenbewertungsmethoden lassen sich danach differenzieren, ob sie direkt bei den ökonomischen Wirkungen des Unternehmens ansetzen (einstufiges Vorgehen) oder erst die Markenstärke bei Zielgruppen ermitteln und diese anschließend monetär fassen (zweistufiges Vorgehen). Zu den einstufigen Verfahren zählt Sattler unter anderem das kostenorienterte Verfahren (Ermittlung von Kosten, die mit Aufbau und Erhaltung der Marke oder deren Wiederbeschaffung verbunden sind), die Lizenzpreiseinnahmen (Anwendung branchenüblicher Lizenzsätze ähnlicher Marken) sowie Preisprämien und Einzahlungsüberschüsse anhand von Börsenwerten. Zu den zweistufigen Verfahren werden zum Beispiel die Ansätze von Nielsen, Interbrand, Semion, Sattler und GfK gezählt (Sattler 2002). In der Praxis haben sich vor allem die zweistufigen Verfahren durchgesetzt. Obwohl die meisten Verfahren auf einem ähnlichen Berechnungsprinzip beruhen, weichen sie in ihren Ergebnissen teils erheblich – bis um den Faktor 10 – voneinander ab. Die eingesetzten Modelle unterscheiden sich vor allem durch eine unterschiedliche Auswahl und Gewichtung von Einflussfaktoren der Markenstärke (Bentele et al. 2003). Es kann daher nicht verwundern, dass sich bisher kein weithin akzeptiertes Bewertungsmodell durchsetzen konnte. Tatsache ist, dass eine Marke als nicht handelbares, intangibles Gut über keinen Marktpreis verfügt. Methoden zu ihrer Bewertung müssen also immer zu gewissen Teilen auf Willkür beruhen – etwa, wenn Elementen der Markenstärke ein monetärer Wert zugemessen wird. Dennoch scheint Einigkeit darin zu herrschen, dass der Berechnung von Markenwerten zukünftig eine wachsende Bedeutung zukommen wird. Spätestens seit der Umsetzung der Bilanzierungsstandards IAS (Maul 2007) ist die Markenbewertung seit 2005 bei Unternehmenskäufen (M&A) unerlässlich. Es ist damit zu rechnen, dass die beteiligten Interessen-
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gruppen sich in absehbarer Zeit auf gemeinsame Konventionen der Markenbewertung einigen werden. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass im Bereich der Markenbewertung die größten Fortschritte bezüglich der Evaluation von Kommunikationsleistungen auf der Outflow-Ebene erzielt wurden. Es bleibt fraglich, inwiefern diese auf die Bewertung der gesamten Unternehmenskommunikation übertragen werden können.
3.4
Erfolgskontrolle in der Mitarbeiterkommunikation
Obwohl die Kommunikation mit und zwischen Mitarbeitern entscheidende Erfolgspotentiale für eine Organisation eröffnet, wird der Beitrag der internen Kommunikation zum Unternehmenserfolg bislang selten erhoben. In der Praxis haben sich Mitarbeiterbefragungen etabliert, häufig im Rahmen etwa des Personalcontrollings und daher verbunden mit dem Ziel, allgemeine Größen wie Arbeitsplatzzufriedenheit zu erheben. Die Mitarbeiterbefragung erfolgt meist in Form einer standardisierten bzw. teilstandardisierten Befragung von (ausgewählten) Mitarbeitern im Auftrag der Unternehmensleitung (Borg 2007). Ziel ist die Erfassung von Einstellungen, Erwartungen und Bedürfnissen. Obwohl sie selten der Evaluation der internen Kommunikation dienen, bieten sie doch Erkenntnisse bezüglich der wahrgenommenen Unternehmenskultur, der Beurteilung von Informationsquellen, -medien und -wegen sowie der allgemeinen Kommunikationsqualität. Mitarbeiterbefragungen können so für die Erarbeitung von Erfolgsindikatoren der internen Kommunikation herangezogen und als Bestandteil von Controlling-Systemen eingesetzt werden. Im Mittelpunkt steht auch hier die Ebene des Outcome. Auf der Outflow-Ebene können zwar im Bereich der internen Informations- und Kommunikationssysteme die Kosten und gebundenen Ressourcen erhoben werden. Zurzeit scheitert ein effektives Controlling jedoch an der monetären Darstellung des erzielten Nutzens. Auch hier kann festgestellt werden, dass die kausalen Prozesse der Mitarbeiterkommunikation weiterer Untersuchung bedürfen.
3.5
Integrierte Ansätze
3.5.1
Methoden der Image- und Reputationsmessung
Die Feststellung, dass die Reputation eines Unternehmens – die Corporate Reputation – Einfluss auf seinen betriebswirtschaftlichen Erfolg hat, kann als allgemein akzeptiert bezeichnet werden. Unternehmen mit einer starken Reputation verfügen über einen so genannten Vertrauensbonus, über ein Unterstützungspotential, das vor allem in Krisenzeiten aktiviert werden kann (Peetz/Plauschinat/Stein 2004). Die Reputation eines Unternehmens ergibt sich
Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation
551
dabei als Summe der Wahrnehmungen seiner Zielgruppen, die durch das Verhalten des Unternehmens beeinflusst werden. Bei der Erhebung der Unternehmensreputation werden häufig die Wahrnehmungen einzelner Zielgruppen als Teilreputationen differenziert betrachtet. Die Reputation kann einen bedeutenden Teil des Unternehmenswertes darstellen, welcher in der Bilanz oft als Goodwill aufgeführt wird. Der monetäre Wert der Reputation kann somit meist erst im Rahmen von Firmenverkäufen, Fusionen oder Übernahmen abgeschätzt werden. Reputation ist dabei laut Wartburg (2003) aus Unternehmensperspektive kein unkontrollierbares Politikum, sie lässt sich vielmehr steuern und „managen“. Die Erkenntnis, dass nicht allein die Meinung und Einstellung von Menschen zu den Produkten der Unternehmen von Bedeutung sind, sondern auch diejenigen bezüglich des Unternehmens als Ganzes, bildet den Grundstein für ein Image- bzw. Reputationsmanagement. Während die Reputation eine bewusste Bewertung von Unternehmenseigenschaften und Unternehmenswerten darstellt, wird unter einem Corporate Image tendenziell eher ein intuitives Unternehmensbild verstanden, welches aufgrund von spontanen Assoziationen entsteht. Für Fombrun (1996) ist die Reputation mit Werten/Attributen wie Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Verantwortungsbewusstsein verbunden. Gängige Verfahren der Reputationsmessung vergleichen das Fremd- mit dem Eigenbild von Unternehmen. Das Fremdbild wird dabei durch Befragung von wesentlichen Einflussgruppen sowie Medienanalysen mit entsprechender quantitativer und qualitativer Aufbereitung erhoben (Perception Studies). Das Eigenbild hingegen basiert auf der Befragung von Management und Mitarbeiterschaft eines Unternehmens (Unternehmensidentität). Klassische Ansätze der Image- bzw. Reputationsmessung beruhen auf Quer- und Längsschnittanalysen, welche auf psychologische Tests (wie etwa Assoziationstests, Satzergänzungstests, Befragungen mit indirekter Fragestellung sowie Kombination davon) zurückgreifen. In der Folge haben hier immer aufwendigere Verfahren wie Semiometrie, Kausalanalysen, Regressionen, Ratingskalen, Conjoint Analysen und weitere statistische Verfahren Anwendung gefunden. Ein ausdifferenziertes Verfahren ist der in vielen Ländern erprobte Reputation Quotient (Wiedmann/ Fombrun/van Riel 2007). Pragmatische Verfahren der Reputationsmessung sind in den USA vor allem die jährlich erscheinenden Image-Studien des Fortune Magazine („Global most admired companies“) und der Financial Times in Zusammenarbeit mit PriceWaterhouseCoopers („World’s most respected companies“) sowie in Deutschland die entsprechende periodische Umfrage des Manager Magazin. Diese Ansätze bieten den interessierten Unternehmen jedoch kaum Aufschluss über die zentralen Einflussfaktoren der Reputation oder etwa über Teilreputationen verschiedener Stakeholder-Gruppen. Die Reputationsmessung hat sich zusammenfassend weitgehend als ein Ansatz zur Beurteilung der kommunikativen Faktoren von Unternehmen etabliert. Umstritten bleibt, inwiefern eine Kennziffer wie die GesamtReputation eines Unternehmens tatsächlich Aussagen über die Qualität des Kommunikationsmanagements zulässt, und ob und wie sie für das Management der verschiedenen Stakeholder Relations instrumentalisiert werden kann.
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3.5.2
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Scorecard-Konzepte
Die verschiedenen Scorecard-Ansätze in der Unternehmenskommunikation beruhen auf dem Konzept der Balanced Scorecard, das im Rahmen betriebswirtschaftlichen Forschung bereits zu Anfang der 1990er Jahre als umfassendes Controlling-System entwickelt wurde (Kaplan/Norton 1992, 2004). Neu an diesem Ansatz war vor allem, dass es über die üblichen finanziellen Kennzahlen hinaus auch weitere Erfolgsindikatoren (z. B. immaterielle Vermögenswerte) berücksichtigt. Dieses System wurde in der Folge zu einem strategischen Managementkonzept weiterentwickelt, das die Planung und Steuerung der Unternehmenstätigkeiten unterstützt (Kaplan/Norton 1997). Während die Balanced Scorecard in den USA – u. a. durch die International Association of Business Communicators (IABC) – bereits ihren Weg in die PR als Communications Scorecard gefunden hat, wird sie zunehmend auch in Europa im Bereich der PR eingesetzt. In Deutschland hat unter anderem die Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA) auf Grundlage der Scorecard-Ansätze ein Communications Value System (CVS) entwickelt (Lange 2005). Dieses umfasst die vier Perspektiven der Anteilseigner/Aktionäre, des Beschaffungsmarktes, des Absatzmarktes und des Akzeptanzmarktes, womit die Aufgabenbereiche sowohl der Finanzkommunikation als auch der internen Unternehmenskommunikation, der Werbung und Produkt-PR sowie von PR/Pressearbeit/ Lobbying abgebildet werden. Hering/Schuppener/Sommerhalder (2004) entwickeln diesen Gedanken weiter und skizzieren das Vorgehen zur Entwicklung einer Communication Scorecard (CSC). Ihr Modell umfasst die Schritte (1) der Identifikation kommunikativer Werttreiber und deren Priorisierung nach ihrem Beitrag zur Steigerung des Unternehmenswerts, (2) die Festlegung strategischer Ziele, (3) die Zuordnung von quantitativen Messgrößen, (4) die Definition von Kommunikationszielen und schließlich (5) die Bestimmung von operativen Instrumenten. Allerdings bleibt anzumerken, dass die Autoren weder die Erfolgsmessung von Kommunikation näher betrachten, noch schildern, wie kommunikative Werttreiber überhaupt identifiziert und besonders nach ihrem Beitrag zur Steigerung des Unternehmenswertes priorisiert werden sollen. Zerfaß (2005) knüpft hier an und zeigt, dass die Communications Scorecard, weit über die operative Optimierung der Kommunikation hinaus, vor allem der strategischen Steuerung der Unternehmenskommunikation dienen muss. Er erweitert daher die CSC zur Corporate Communications Scorecard (CCS), welche durch ihre integrative Sichtweise die gesamte Unternehmenskommunikation als strategisches Steuerungsinstrument unterstützt. Basierend auf den Zielsetzungen der Unternehmensstrategie werden für alle Perspektiven der erweiterten Scorecard Erfolgsfaktoren, Werttreiber, Leistungskennzahlen und strategische Programme abgeleitet. Richtig eingesetzt, bündelt die Corporate Communications Scorecard so mehrere kommunikative Aspekte, wie beispielsweise Reputation und Markenimage, in einem Instrument und ermöglicht die Ermittlung und Darstellung der Auswirkungen unterschiedlicher Kommunikationsaktivitäten auf den Unternehmenserfolg (Zerfaß 2005). Sie stellt dabei – anders als etwa die Reputationsmessung – keine distinkte Methode der Erfolgsmessung dar, sondern integriert vielmehr die existierenden Ansätze aus den unterschiedlichen Kommunikationsfunktionen. Zweifellos kann so der zentrale Zusammenhang von strategischer Zielset-
Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation
553
zung und Kommunikationsleistung, und damit näherungsweise der Beitrag der Kommunikation zur unternehmerischen Wertschöpfung, verdeutlicht werden.
4.
Schlussbemerkungen
Eingangs wurde der Erfolg einer kommunikativen Maßnahme als das Übereinstimmen der erzielten Wirkungen mit den vorab festgelegten Zielen definiert. Diese sehr generelle Definition des Kommunikationserfolgs steht jedoch immer unter dem Vorbehalt der Praxisferne, sofern Wirkungsprozesse so komplex bzw. unbeobachtbar bleiben, dass eine Wirkung entweder nicht erkennbar oder nicht kausal einer vorangegangenen Maßnahme zugeordnet werden kann. Dennoch stellen diese, im heutigen Kommunikationsumfeld regelmäßig vorzufindenden empirischen Schwierigkeiten nicht die Richtigkeit der Definition in Frage. Vielmehr bieten sie einen Hinweis auf die Herausforderung, vor die alle Forschungsbemühungen im Feld des Kommunikationsmanagement gestellt sind: Es gilt, die Wirkungsprozesse der Kommunikation, ihre Einflussfaktoren und deren kausale Zusammenhänge zu identifizieren und darzustellen, um damit die Grundlage für eine zuverlässige Erfolgsmessung der Kommunikation zu schaffen. Die oben definierte Ebene des Output, also der reinen „Produktionsleistung“ des Kommunikationsmanagements, kann über den Erfolg der Kommunikation in etwa so viel aussagen wie der Output einer Fertigungsstätte über den Erfolg eines Unternehmens. Hier finden sich allenfalls Indizien, die jedoch aufgrund der Einfachheit ihrer Erhebung durchaus sinnvoll in ein prozessbegleitendes Kommunikationscontrolling integriert werden können. Die Wirkungen der Kommunikation beginnen jedoch mit der Wahrnehmung des Kommunikationspartners. Darauf aufbauend ändern sich Einstellungen, Meinungen, Wissen und auch das Handeln – oder eben auch nicht. Hier, auf der Ebene der Outcomes, muss eine Erfolgsmessung der Kommunikation offensichtlich ansetzen. In den verschiedenen Funktionsbereichen existieren zwar bereits viel versprechende Ansätze. Es besteht jedoch nach wie vor viel Raum für weitere Erkenntnisse und neue Instrumente und Methoden. Der Versuch, Erfolg in monetären Maßen, also auf der Outflow-Ebene, zu messen, steht noch in seinen Anfängen. So berechtigt Forderungen nach dem Ausweis des Wertschöpfungsbeitrages der Kommunikation auch sind, so groß sind auch die Hindernisse bei dessen Erhebung. Kommunikation ist kein marktfähiges Gut, es kann keinen „objektiven“ Preis, keinen „objektiven“ monetären Nutzen dafür geben. Den monetären Beitrag der Kommunikation zur unternehmerischen Wertschöpfung sichtbar zu machen, ist in etwa so schwierig wie z. B. den der Produktentwicklung zu quantifizieren. Aktuelle Entwicklungen – vor allem im Bereich der Markenbewertung – deuten darauf hin, dass intangible Vermögenswerte in
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bilanzieller Hinsicht allenfalls basierend auf vereinbarten Konventionen bewertet werden können, etwa im Rahmen von Wissensbilanzen (Will/Marten/Kivikas 2007). Integrierte Ansätze der Erfolgsmessung dagegen, welche zusammenfassend mehrere Erfolgsebenen abbilden, stellen einen begrüßenswerten Versuch dar, den Kreislauf des Kommunikationsmanagement zu schließen und den zentralen Zusammenhang von unternehmerischen Zielen und Kommunikationserfolg sichtbar zu machen.
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Victor Porák/Christian Fieseler/Christian Hoffmann
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Umfragen als Instrument der Unternehmenskommunikation
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Umfragen als Instrument der Unternehmenskommunikation Klaus Merten
Erfolgreiche Unternehmenskommunikation ist auf die kontinuierliche Information über Meinungen, Einstellungen und Verhaltensdispositionen und deren Veränderung bei relevanten Zielgruppen mehr denn je angewiesen. Das gilt sowohl für die Marktforschung, bei der relevante Verhaltensdispositionen von Konsumenten erfasst werden, als auch für die Meinungsforschung, bei der Meinungen und Einstellungen zu vorzugebenden Themen, Personen, Objekten oder Produkten erhoben werden. Eine besondere Rolle für die Unternehmenskommunikation spielt darüber hinaus die Image-Messung durch Umfragen. Umfragen werden im Rahmen von Ist-Analysen sowohl zu Beginn einer Kommunikationskampagne als auch zum Abschluss, als Teil des Effect Controllings durchgeführt, sie sind somit ein hochrelevantes methodisches Werkzeug. Dieser Beitrag skizziert zunächst das Instrument der Befragung, das als „Königsweg“ der empirischen Sozialforschung gilt, differenziert nach verschiedenen Typen von Umfragen nach unterschiedlichen Funktionen und Formen in Markt- und Meinungsforschung und in der Image-Analyse und fragt schließlich nach der Gültigkeit und Repräsentativität von Umfragen. Daran schließt sich die Vorstellung praktischer Anwendungen von Umfragen an.
1.
Das Instrument der Befragung
Die Erhebung sozialer Wirklichkeit kennt drei Instrumente: Beobachtung, Befragung und Inhaltsanalyse, die sämtlich reale oder virtuelle Kommunikationsprozesse darstellen. Dabei gilt die Befragung als „Königsweg“ der empirischen Sozialforschung, sie ist das meistgenutzte Instrument (Bortz 1984: 163). Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass Befragungen – etwa verglichen mit dem Instrument der Beobachtung – durch die Mithilfe der Befragten (eben durch deren Antworten!) vergleichsweise schnell und effizient relevante M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_31, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Klaus Merten
Informationen zu allen möglichen Bereichen generieren und weiterhin darin, dass die Befragung einer Mehrzahl von Personen einer Zielgruppe zum gleichen Thema und mit dem gleichen Instrument dann auch statistisch absicherbare Rückschlüsse für das Verhalten der gesamten Population (Zielgruppe, Grundgesamtheit) erlaubt: Man muss nicht alle, sondern eben nur einige Personen befragen, kann aber gleichwohl präzise Rückschlüsse auf alle Personen riskieren (Repräsentationsschluss).
Definition: Umfragen Wissenschaftliche Umfragen sind gezielt initiierte Kommunikationsprozesse mit einer meist auf Repräsentativität zielenden Stichprobe von n zu befragenden Personen (Zielgruppe), die in der Regel auf präzise Fragen über Wissen, Meinungen Einstellungen und Verhaltensdispositionen zu vorgegebenen Objekten anonym Antworten produzieren, die dann als Mittelwert (über alle n Befragten) ausgewiesen werden. Daraus lassen sich durch weitere statistische Analysen nach verschiedenen Kriterien verlässliche Informationen über Wissen, Meinungen, Einstellungen und Verhaltensdispositionen gewinnen.
1.1
Typologie
Befragungen lassen sich nach verschiedenen Dimensionen typisieren. Als erste Dimension ist der Zweck der Befragung zu nennen. Hier unterscheidet man grob in a) Konsum- bzw. Konsumentenbefragungen (Marktforschung), b) Meinungsbefragungen (Meinungsforschung) und c) Image-Analysen (vgl. Abbildung 1).
Typ
Konsumbefragung
Meinungsbefragung
Image-Analyse
Funktion
Fragen zu Wissen, Bekanntheitsgrad und Verwendung von Produkten und Marken
Fragen zu Meinungen über Personen, Parteien und Ideen
Fragen zum Image eines Objekts (Person, Organisation, Ereignis oder Idee)
Zielgruppe
Konsumenten
Wähler
Wähler, Käufer
Instrument
vollstandardisiert
vollstandardisiert
vollstandardisiert
Besonderheit
Abbildung 1:
Panelbefragung bei Wahlen
Funktionen von Befragungen
Umfragen als Instrument der Unternehmenskommunikation
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Konsumbefragungen (bzw. Konsumentenbefragungen) stellen den größten Anteil von Befragungen dar (Kroeber-Riel 1984: 28). Hier werden vor allem die Kenntnis und die Bewertung verschiedener Produkte, das Konsumverhalten allgemein und/oder Fragen zur Einschätzung und zur Verwendung von Markenprodukten erhoben. Bei der Meinungsbefragung werden vor allem die Meinungen zu bestimmten Objekten, vor allem zu (politischen) Personen und dies besonders anlässlich von Wahlkämpfen erhoben. Da sich Meinungen vergleichsweise leicht – vor allem durch die Massenmedien – verändern lassen, werden bestimmte Personen gelegentlich mehrfach befragt, um so besonders sensibel Veränderungen feststellen zu können (Panelbefragung) (Kromrey 1998: 366 f.). Bei der Image-Analyse wird der/die Befragte in der Regel gebeten, auf mehreren semantisch einschlägigen Skalen, die polarisierend (skaliert zwischen der stärksten positiven und der stärksten negativen Ausprägung) skaliert sind, sein Votum einzutragen. Verbindet man diese Eintragungen durch eine Linie, so erhält man ein Polaritätenprofil (Merten 1995: 247 ff.). Sowohl für die Konsum- und Meinungsbefragung als auch für die Image-Analyse werden durchweg vollstandardisierte Interviews durchgeführt, d. h. die gestellten Fragen sind vorab bis ins Letzte ausformuliert. Instrumentbezogen lässt sich das Instrument der Befragung nach zwei Dimensionen typisieren: 1) Nach dem Grad der Standardisierung der einzelnen Fragen (des Textes) und 2) nach dem benutzten Medium (mündlich versus schriftlich). Oder anders: Die Wahl des Themas und die Wahl des Mediums sind die wichtigsten Bestimmungsgrößen für die Durchführung von Interviews. Daraus ergibt sich eine 12 Typen umfassende Typologie der Befragung (vgl. Abbildung 2).
Nicht-standardisiert
mündlich
schriftlich
Gruppen- Inf ormelle Experten- Narratiinterv iew v es,situa- diskussion Umf rage bei Extionsf lexiperten bles Interv iew
(1)
(2)
Abbildung 2:
(3)
(4)
vollstandardisiert
teilstandardisiert
mündlich
Leitf adengespräch, Intensiv interv iew
(5)
schriftlich
Gruppeninterv iew
Expertenoder Zielgruppenbef ragung
(6)
(7)
mündlich
GruppenEinzelinterv iew interv iew (Telef oninterv iew)
(8)
(9)
schriftlich
Postalische Bef ragung
(10)
Verteilung und Abholung
(11)
Bef ragung in der Gruppensituation
(12)
Typologie der Befragung (instrumentbezogen) nach Kromrey (1998: 365)
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Klaus Merten
Der Grad der Standardisierung der Fragen legt die Flexibilität der Fragen/des Themas und der Interviewführung fest. Hier ist das Experteninterview respektive das journalistische Interview (1) die offenste Form des Interviews: Die Fragen liegen nicht vorab fest, sondern ergeben sich direkt im Anschluss an die zuvor gewonnenen Antworten bzw. Erkenntnisse, so dass gerade in dieser Form der Befragung neue Aspekte und Fragestellungen unmittelbar aufgegriffen werden können. Gleiches gilt abgeschwächt für das Leitfadengespräch oder das therapeutische Interview (5), bei dem zwar das Thema schon grob festliegt, aber genügend Raum für Differenzierungen, Abweichungen und Schwerpunktsetzungen gegeben ist. Keinerlei Spielraum bei der Beantwortung der Fragen enthält das vollstandardisierte Interview in seiner schriftlichen Form. Gerade weil keine Rückfragemöglichkeit (wie im mündlichen Interview) gegeben ist, müssen die Fragen vollkommen verständlich ausformuliert sein. Die schriftliche Befragung in der Gruppensituation (12), also etwa die Verteilung eines Fragebogens an alle Teilnehmer eines Seminars zur direkten Ausfüllung, ist die starrste Form des Interviews. Dazwischen liegen alle anderen Abstufungen. Das mündliche Interview stellt einen face-to-face-Kommunikationsprozess dar. Die zu befragende Person lässt sich dadurch in all ihren Reaktionen kontrollieren. Umgekehrt kann der Befragte die face-to-face-Situation ebenfalls nutzen, indem er bei Un- oder Missverständlichkeit von gestellten Fragen seinerseits direkte Rückfragen stellen und dadurch Klärung herbeiführen kann. Das schriftliche Interview entbindet von der wechselseitigen Anwesenheit und schafft Distanz. Es hat aber umgekehrt den Nachteil, dass der zu Befragende sich im Zweifelsfall keinen Rat beim Interviewer holen kann. Auch ist nicht gesichert, dass der zu Befragende den Fragebogen ohne Hilfe anderer ausfüllt oder diesen gar von anderen ausfüllen lässt.
1.2
Der Aufbau des Fragebogens
Befragungen sind Kommunikationsprozesse, die durch die Abfolge der Fragen in einem Fragebogen thematisch gesteuert werden können. Dabei werden prinzipiell vier verschiedene Typen von Fragen verwendet: Einleitungsfrage: Sie dient der Eröffnung des Interviews, sollte besonders freundlich gestellt und besonders einfach zu beantworten sein. Die eigentliche Sachfrage: Sie kann aus mehreren, zueinander geordneten (filternden) Fragen bestehen und dann auch sehr komplexe Antwortvorgaben erfordern. Nur die Antworten zu diesen Fragen enthalten die Informationen, die erhoben werden sollen. Die Kontrollfragen: Sie dienen der Überprüfung des Verständnisses des Befragten als auch der Kontrolle der Ehrlichkeit seiner Antworten.
Umfragen als Instrument der Unternehmenskommunikation
561
Demografische Fragen: Sie dienen der Erfassung demografischer Merkmale (vor allem: Alter, Geschlecht, Schulbildung, Berufstätigkeit, Familienstand, Einkommen) und werden in der Regel in allen Interviews zum Schluss erhoben (Noelle-Neumann 1963: 247 ff.). Der Interviewprozess beginnt, indem üblicherweise zunächst das Einverständnis des Befragten dadurch hergestellt wird, dass eine oder mehrere Einleitungsfragen gestellt werden (warming up process) und dass dem Befragten vermittelt wird, dass er zu entscheiden hat, welche Antwort er formuliert. Sodann beginnt das eigentliche Interview mit den vorgesehenen Sachfragen. Dabei ist zum einen wichtig, dass benachbarte Fragen voneinander unabhängig formuliert werden, um Ausstrahlungseffekte zu vermeiden. Zum anderen soll der Befragte bei der Befragung nicht in die Situation einer Gewissenserforschung mit anhaltendem Überlegen gedrängt werden. Das heißt: die Fragen sollen so gestellt werden, dass sie auch zügig beantwortet werden können. Das sichert nicht nur die Unbefangenheit des Befragten, sondern hilft auch, die Interviewdauer zu verkürzen. Denn das Interesse am Interview ist in der Regel nach einer halben Stunde erschöpft. Dagegen können bis zu einem gewissen Grad „Auflockerungsfragen“ helfen – indem man die zu Befragenden z. B. wie folgt versucht abzulenken: „Jetzt einmal etwas ganz anderes! Können Sie uns auf dem vorgelegten Blatt einfach mal einen Baum malen?“ Das ist in der Regel für den Befragten sehr einfach, man kann nichts falsch machen. Zugleich kann man aber selbst aus dieser Darstellung unter Umständen noch psychologische Rückschlüsse auf den Befragten ziehen (Noelle-Neumann 1963: 78). Heikle Fragen, z. B. Fragen nach dem Einkommen, nach der politischen Präferenz oder nach intimen Verhaltensweisen, werden in der Regel erst am Schluss gestellt: Zum einen hat das den Vorteil, dass der Befragte seine Scheu vor der Befragung etwas verloren hat und auch bei solchen Fragen nicht mit Abbruch reagiert. Zum anderen ist ein Abbruch zu Ende des Interviews weniger problematisch weil die meisten Fragen schon beantwortet sind (vgl. Abbildung 3).
562
Klaus Merten
Guten Tag, die Universität Münster macht eine Blitzumfrage zum Thema „Bürger in Münster“. Und hier gleich unsere erste Frage: 2
Haben Sie davon gehört, dass Münster weltweit zur „lebenswertesten Stadt“ gekürt worden ist? Ja ... 1
NEIN ... 0
!! Wenn NEIN, weiter o mit Variable Nr. 4
3
Wissen Sie noch, WOHER Sie das gehört haben? Nein ... 9 Internet …3 Aus den Medien ... 1 Postkarte vom OB … 4 Vom Hörensagen ... 2 Anderes, und zwar… 5 (Codes für Mehrfachnennung: 1+2 = 6 2+3 = 7 1 + 4 = 8)
4
Leben Sie in Münster oder Umgebung? In Münster …1 Umgebung
6
Lfd. Nr. …
…2
Nein … 3
In Asien hat eine Flutwelle mehr als 200.000 Menschen getötet. Viele Firmen und drei Viertel aller Bürger haben schon gespendet. Nun gibt es zwei Ansichten: Die einen sagen: Man muss so viel wie möglich helfen und spenden wo es geht. Wie stehen Sie dazu? Hier habe ich eine 10er SKALA, können Sie es einmal nach dieser Skala sagen: Eine „10“ würde bedeuten: „Man muss so viel wie möglich spenden.“ Eine „1“ würde bedeuten: „Man muss gar nicht spenden.“ Wo würden Sie sich einstufen? Zahl ... (1-10)
7
Die anderen sagen: In Deutschland ist das Geld knapp geworden, es gibt 5 Millionen Arbeitslose, man kann nicht viel spenden. Wie stehen Sie zu dieser Ansicht? Können Sie es wieder nach der Skala sagen: Eine „10“ würde bedeuten „Man sollte soviel wie möglich spenden.“ Eine „1“ würde bedeuten „Man muss gar nicht spenden, wenn es uns selbst schlecht geht.“ Wo würden Sie sich einstufen? Zahl ... (1-10)
8
Dürfen wir fragen, ob Sie gespendet haben? JA Nein, will aber noch
10
Will gar nicht Weiß nicht
…3 …9
Eine andere Frage: Derzeit wird vieles teurer, so dass es richtig weh tut: Benzin, Zigaretten, der Urlaub und so weiter. Diese Woche gab es eine Meldung in den Medien, dass 80% aller Bundesbürger nicht bereit wäre, mehr Geld für Strom zu zahlen wenn es zu viel wird. Haben Sie davon gehört? Nein Ja
12
…1 ... 2
... 0 ... 1
Ja, ich glaube/bin mir nicht sicher Weiß nicht / Keine Antwort
... 2 ... 9
In Bayern soll es bereits harte Proteste gegeben haben: 10 Prozent haben dort einfach ihre Stromrechnung nicht bezahlt. Finden Sie das okay oder weniger okay? Können Sie es wieder nach der SKALA sagen? Eine 10 würde bedeuten „Finde ich maximal richtig, eine „1“ würde bedeuten „finde ich ganz falsch“. Wo würden Sie sich einstufen? Skala ... (1-10) (Keine Antwort = 99)
Umfragen als Instrument der Unternehmenskommunikation
13
Und wenn in den nächsten Wochen der Strom in Münster teurer wird, würden Sie sich dann auch weigern, die Stromrechnung zu bezahlen? Nein Ja
14
…0 ... 1
Ja, ich glaube Weiß nicht / Keine Antwort
... 2 …9
Der Schutz der Umwelt ist ein Dauerthema. In Münster gibt es ja die Mülltrennung in Papier, Bio, gelben Sack und Restmüll. Die Stadt Münster beklagt sich aber laufend, dass die Mülltrennung von der Hälfte aller Bürger immer noch nicht befolgt wird, obwohl das gesetzlich sogar vorgeschrieben ist. Haben Sie davon gehört? Nein Ja
15
563
... 0 ... 1
Ja, ich glaube/bin mir nicht sicher Weiß nicht / Keine Antwort
... 2 …9
Jetzt einmal Hand aufs Herz: Wie ist das bei Ihnen? Trenne den Müll immer ... 4 Ist nicht so wichtig für mich ... 1 Trenne fast immer ... 3 Weiß nicht / Keine Antwort ... 9 Trenne in der Regel ... 2
ZUM ABSCHLUSS bitten wir noch um einige demografische Angaben: 20
Alter:
22
23
24
………. (21)
Geschlecht:
weiblich … 1
Schulabschluß: Volksschule Realschule Realschule mit Lehre Keine Angabe
…1 ... 2 …3 …9
Abitur Studium Studium mit Abschluss
…4 …5 …6
Beruf: In Ausbildung In Rente
Arbeitssuchend Berufstätig
... 3 ... 4
... 5
…1 ... 2
Hausfrau
Und welchen Beruf üben Sie aus (Bei arbeitssuchend: Welchen Beruf haben Sie erlernt?/ Bei Rentner und Hausfrau: Welchen Beruf haben Sie früher ausgeübt?) Das ist: Arbeiter Einfacher Angest./Beamter Meister ... Mittlerer Angest./Beamter Kleiner Selbständiger
25
männlich … 2
... 1 ... 2 …3 …4 ... 5
Leitender Angest./Beamter Selbständiger in mittl./groß. Betrieb Entfällt Weiß nicht / Keine Antwort
... 6 ... 7 …8 …9
Und wenn schon am nächsten Sonntag Bundestagwahl wäre, welche Partei würden Sie dann vermutlich wählen? CDU/CSU …1 Andere Parteien … 6 SPD …2 Weiß noch nicht … 7 FDP …3 Sage ich nicht …8 DIE GRÜNEN …4 Gehe nicht wählen … 9 LINKSPARTEI …5
Abbildung 3:
Aufbau eines Fragebogens
564
Klaus Merten
1.3
Die Befragungssituation
Wenn Interviews (mündliche Befragungen) Kommunikationsprozesse darstellen, dann ist die entsprechende Kommunikationssituation ein relevanter Faktor des Kommunikationsprozesses und nimmt definitiv Einfluss auf die gegebenen Antworten. Aufgefallen ist dieser Sachverhalt unter dem Stichwort „Reaktivität“: Die Situation nimmt Einfluss auf die Beantwortung der Frage, weil sie z. B. eine bestimmte Affinität zur Frage besitzt (Merten 2005b) und dadurch die Antwort gravierend verzerren kann. Oder abstrakter: Das Instrument der Befragung dient zur Erhebung von Daten über die soziale Wirklichkeit. Da die Befragung als Kommunikationsprozess aber ebenfalls eine soziale Wirklichkeit (der Erhebung) darstellt, ergibt sich das Paradoxon, dass die zu erhebende soziale Wirklichkeit jeweils durch die Wirklichkeit der Erhebung gebrochen wird, so dass man die „eigentliche“ soziale Wirklichkeit der Erhebung niemals pur, sondern immer nur mehr oder weniger verzerrt erheben kann. Genau dieser Sachverhalt ist mit dem Begriff der „Reaktivität“ gemeint.
Beispiel: Reaktivität durch Interpretationshilfen Jemand will die Lage von Industriearbeitern erforschen und stellt dabei u.a. die folgenden Fragen: – „Ist die Arbeitsstätte mit Maschinen überfüllt?“ – „Falls Sie im Stücklohn bezahlt werden, wird die Qualität der Produkte zum Vorwand genommen, um Ihren Lohn auf betrügerische Weise zu kürzen?“ Zusätzlich werden vor Beginn des Interviews folgende Informationen gegeben: „Wir hoffen dabei auf die Unterstützung aller Arbeiter in Stadt und Land, die begreifen, dass nur sie allein in voller Sachkenntnis die Leiden schildern können, die sie erdulden, dass nur sie alleine und keine von der Vorsehung bestimmten Erlöser energisch Abhilfe schaffen können gegen das soziale Elend, unter dem sie leiden.“ (Karl Marx 1880, hier zitiert nach Merten/Teipen 1991: 159)
Es ist klar, dass die in der Situation gegebenen Interpretationshilfen und Informationen (betrügerische Arbeitgeber, leidende Arbeiter) auf die Antworten der zu befragenden Arbeiter Einfluss nehmen werden, ja, Einfluss nehmen müssen. Oder anders: Wenn man jemanden auffordert, seine wirtschaftliche Lage zu beschreiben, und diesem gleichzeitig versichert, seine Lage sei objektiv schlecht, dann kann man sehr sicher sein, dass die Antworten des Befragten – mehr oder minder stark – in Richtung „objektiv schlecht“ verzerrt werden.
Umfragen als Instrument der Unternehmenskommunikation
565
Wie das folgende Beispiel zeigt, treten Verzerrungen auch dann auf, wenn die Frage bereits Präferenzen für eine bestimmte Antwort signalisiert.
Beispiel: Verzerrungen durch signalisierte Präferenzen Die Frage „Halten Sie sich für einen angenehmen Menschen?“ trifft eine relevante soziale Werthaltung, denn jeder Mensch möchte ein angenehmer Mensch sein. Von daher ist zu erwarten, dass die Antworten überwiegend „Ja“ lauten und daher kein valides Ergebnis produzieren.
Valide Antworten würde man erhalten, wenn man zunächst die Werthaltung relativiert und die mögliche Negation ausdrücklich als zulässig erklärt, dann eine sensible Skalierung vornimmt und die Frage einmal aus der Sicht des Befragten, zum anderen aus der Sicht einer vorgestellten Öffentlichkeit beantworten lässt. Etwa: 1. „Jeder Mensch möchte gern ein angenehmer Mensch sein. Aber es gibt durchaus Unterschiede: Manche Menschen sind es mehr, manche sind es weniger. Wie ist das bei Ihnen? Bitte schätzen Sie sich doch einmal nach der vorliegenden 10er-Skala ein: Eine ‚1’ würde bedeuten ‚Ich glaube, dass ich überhaupt kein angenehmer Mensch bin, eine ‚10’ würde bedeuten, dass ich mich für einen maximal angenehmen Mensch halte’ [Anwort …].“ 2. „Sie haben soeben selbst eingeschätzt, ob Sie ein mehr oder weniger angenehmer Mensch sind. Stellen Sie sich nun vor, wir würden auch andere Menschen, die Sie kennen, fragen, ob Sie ein angenehmer Mensch sind, und diese bitten, dies ebenfalls mit der 10er-Skala zu beantworten. Was glauben Sie, wäre die Antwort? Können Sie es wieder nach der 10er-Skala sagen? Eine ‚1’ würde bedeuten ‚Ich glaube, dass andere mich überhaupt nicht für einen angenehmen Menschen halten’, eine ‚10’ würde bedeuten ‚Ich glaube dass andere Menschen mich für einen maximal angenehmen Menschen halten’.“ An dieser Frage ist zudem der Begriff „angenehm“ problematisch, weil er vieldeutig ist und daher mehrere Interpretationen zulässt (etwa: anziehend, charmant, freundlich, liebenswürdig, nett, höflich, gesellig etc.). Man sollte diesen Begriff daher durch eine Aufzählung präzisieren oder aber direkt einen eindeutigeren Begriff wählen. Eine Verzerrung provoziert man aber auch dadurch, dass man in der jeweiligen Frage zu einem Sachverhalt Hinweise aufführt, wie „andere“ mit diesem Sachverhalt umgehen. In diesem Fall orientiert sich die Antwort des Befragten mehr oder minder stark an dem mitgeteilten Verhalten anderer, d. h., hier kommt eine sozial reflexive Orientierung (die z. B. auch grundlegend für das Zustandekommen der öffentlichen Meinung ist) zum Tragen (Merten 2005a).
566
Klaus Merten
Beispiel: Reaktivität durch Bezug auf externe Normen Angesichts der steigenden Energiepreise wollte man durch eine Umfrage erfahren, wie die Verbraucher auf höhere Strompreise wohl reagieren würden. Das war vor dem Hintergrund, dass in anderen Bundesländern einige Verbraucher die Zahlung der Gebühren verweigert hatten, von erheblicher Wichtigkeit. Die Formulierung lautete daher wie folgt (vgl. Abbildung 3): „In Bayern soll es bereits harte Proteste gegeben haben: 10 Prozent haben dort einfach ihre Stromrechnung nicht bezahlt. Finden Sie das okay oder weniger okay? Können Sie es wieder nach der SKALA sagen? Eine ‚10’ würde bedeuten ‚finde ich maximal richtig’, eine ‚1’ würde bedeuten ‚finde ich ganz falsch’. Wo würden Sie sich wohl einstufen? Bitte sagen Sie es nach der Skala ... (1-10)“. Die Antworten auf diese Frage werden tendenziell verzerrt zugunsten von mehr Protest ausfallen (Reaktivität durch Bezug auf eine externe Norm). Die Verzerrung nimmt mit der Stärke der Norm (hier: Anteil der Nichtbezahler von Stromrechnungen in Bayern) zu.
Daneben gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die eine problematische (verzerrte, ungültige) Antwort auf eine nicht korrekt gestellte Frage produzieren (Noelle-Neumann 1963: 34 ff., Merten/Teipen 1991: 116 ff.). Dies ist, verallgemeinert gesagt, immer dann der Fall, wenn der Befragte die Frage nicht präzise oder sogar falsch versteht, der Befragte sich gegen das Interview sträubt, der Befragte sozialen Kontakt zum Interviewer sucht oder umkehrt diesen meidet, der Befragte schon zu oft interviewt worden ist (sogenannte „Überforschung“), andere Personen während des Interviews anwesend sind, oder weil Interviewer und Interviewte einander bekannt sind. Von daher ist es unerlässlich, jeden Fragebogen vorab einem Pretest zu unterziehen. Dabei werden mit dem entwickelten Instrument vor der eigentlichen Befragung Interviews mit einer kleinen Stichprobe (n < 20) durchgeführt, die zeigen sollen, ob und wie die Befragten auf den Fragebogen reagieren und ob der Fragebogen auch Vorgaben für unerwartete Antworten bereithält, ob er, mit anderen Worten, valide Ergebnisse produziert. Die Erkenntnis, dass eine Befragung nicht der Beschuss von Befragten mit gleichen Stimuli (gleichen Fragen) ist, auf die ähnlich reagiert (geantwortet) wird, sondern dass hier hochsensible Kommunikationsprozesse ablaufen, hat die Umfrageforschung sehr viel sensibler werden lassen. Dies und ein gehöriges Maß an Erfahrung mit dialogischer Kommunikation sind gute Voraussetzungen, um trotz aller Reaktivität gleichwohl valide Befragungsergebnisse zu erzielen.
Umfragen als Instrument der Unternehmenskommunikation
1.4
567
Repräsentativität
Befragungen haben den ganz großen Vorteil, dass man mit den Methoden der Inferenzstatistik (schließende Statistik) prüfen kann, ob die Befragung einer bestimmten Stichprobe repräsentativ für die zugrunde liegende Grundgesamtheit und also verallgemeinerbar ist oder nicht. Für Repräsentativität müssen folgende zwei Bedingungen erfüllt sein: Die gezogene Stichprobe muss eine Zufallstichprobe sein Wir sprechen dann von einer Zufallstichprobe (vom Umfang n), wenn jedes Element der Grundgesamtheit (vom Umfang N) die gleiche Chance hat, in die Auswahl zu gelangen. Die Zufallstichprobe stellt, mit anderen Worten, sicher, dass die Ergebnisse der Stichprobe eben gerade nicht zufällig ausfallen, sondern dass von diesen im Rahmen angebbarer Toleranzen auf die Ergebnisse der Grundgesamtheit zurückgeschlossen werden kann.
Beispiel: Repräsentative Telefonbefragung In einer Stadt mit 500.000 Einwohnern und einer Telefonabdeckung von nahe 100 Prozent soll eine Zufallstichprobe vom Umfang n = 500 für eine repräsentative Telefonbefragung gezogen werden. Das örtliche Telefonbuch umfasst genau 2.000 Seiten mit durchschnittlich 250 Nummern pro Seite. Man kann daher im Abstand von zwei Seiten 500-mal eine Telefonnummer herausziehen, wenn die Startadresse (auf den ersten zwei Seiten mit den je 500 Nummern) rein zufällig bestimmt wird (etwa durch Benutzung von Zufallszahlen etc.), und dann jede weitere Nummer exakt im Abstand von zwei Telefonseiten ausmessen und exzerpieren.
Die Irrtumswahrscheinlichkeit für die Annahme von Repräsentativität darf bestimmte, vorgegebene Werte nicht überschreiten. Die Inferenzstatistik (Blalock 1972: 509 ff.) besagt, dass die Annahme, dass eine Zufallsstichprobe ein zutreffendes Ergebnis erbracht hat, als Sicherheits- oder Irrtumswahrscheinlichkeit (Signifikanz) dargestellt werden kann. Üblicherweise fordert man daher für die Signifikanz einen Wert von < 0.05. Die Signifikanz einer Stichprobe (= die zugrunde liegende Irrtumswahrscheinlichkeit) verbessert sich, wenn der Stichprobenumfang steigt. Von daher wird oft angenommen, dass die Stichprobe möglichst groß gewählt werden sollte. Dies ist allerdings nur sekundär zutreffend. In erster Linie hängt der notwendige Stichprobenumfang von der Streuung der Einzelfälle um die Grundgesamtheit ab: Je geringer die Streuung, desto geringer darf die Stichprobe ausfallen. Wenn alle Menschen vollkommen identisch wären, würde – trotz der riesigen Grundgesamtheit – ein Stichprobenumfang von n = 1 vollkommen ausreichen –
568
Klaus Merten
denn die Antworten des einen Befragten wären für alle anderen Menschen die gleichen (Dukes 1965). Im Übrigen gilt: Je kleiner die Grundgesamtheit N, desto größer muss anteilmäßig (n/N) die Stichprobe gewählt werden.
1.5
Perspektiven: Das Mehrmethodendesign
Die Befragung ist in der Regel ein Instrument, das – verglichen mit anderen Erhebungsprozessen respektive Messungen – vergleichsweise einfach eingesetzt werden kann. Von daher wird die Befragung oft im Rahmen eines Mehrmethodendesigns zur Messung von Wirkungen der Kommunikation – dem wichtigsten Ziel aller Kommunikation – eingesetzt. Schematisiert handelt es sich um einen Messprozess, bei dem mehr als ein Instrument der Datenerhebung zum Einsatz kommt.
MEDIUM
AUSSAGE
REZIPIENT
Input
Output
R
M
RelationaleDatenanalyse
1. Instrument: Inhaltsanalyse
Abbildung 4:
2. Instrument: Befragung
Mehrmethodendesign zur Messung von Wirkungen
In Abbildung 4 soll beispielsweise die Wirkung von Nachrichten untersucht werden. Zu diesem Zweck werden die Nachrichten aufgezeichnet und inhaltsanalytisch nach Variablen der Relevanz, der Aktualität etc. codiert. Direkt nach der Sendung wird eine repräsentative Umfrage durchgeführt, bei der in jedem x-ten Haushalt gefragt wird, ob die Nachrichten gesehen wurden. Ist das der Fall, wird ein Interview durchgeführt, in dem der Befragte einfach den Inhalt der Nachrichten – soweit dieser erinnert werden kann – nacherzählt. Diese Erzählung wird ergänzt um Fragen zur Mediennutzung, zur Persönlichkeitsstruktur und um demografische Variablen. Die Verknüpfung von Inhaltsanalyse (Input) und Befragung
Umfragen als Instrument der Unternehmenskommunikation
569
(Output) liefert im Rahmen einer relationalen Datenanalyse dann Ergebnisse wie: Welche thematischen, formalen, aktionsbezogenen oder sonstige inhaltlichen Dimensionen (Eigenschaften) muss ein Nachrichtenbeitrag (ein Werbespot etc.) in welchem Ausmaß besitzen, damit er von der jeweiligen Zielgruppe in welchem Ausmaß erinnert wird? (Merten 1985). Das Mehrmethodendesign mit gleich drei Instrumenten (eine Panelbefragung, eine korrespondierende Inhaltsanalyse) findet seine wichtigste Anwendung im Effect Controlling des Kommunikationsmanagements von Unternehmen (vgl. Abbildung 5).
SITUATIONSANALYSE
1 Problemdefinition 2 IST-Analyse/SWOT 3 SOLL-Analyse 4 IST/SOLL-Vergleich 5 Komm. Ziele
PLANUNG (Strategie)
6 Zielgruppen 7 Komm. Botschaften 8 Strategische Leitlinien 9 Positionierung 10 Instrumentenwahl
UMSETZUNG (Taktik)
11 Maßnahmenplan 12 Zeitplan 13 Kostenplan 14 Operationalisierung
Effect Contr. Feedback
Abbildung 5:
15 Resonanzanalyse
16
C O N T R O L L I N G 16
Effect Controlling als Anwendung des Mehrmethodendesigns
Misst man die Differenz der gemessenen Werte beider Befragungen (also: Steigerung des Bekanntheitsgrades, Verbesserung des Images, Erhöhung der Glaubwürdigkeit etc.), dann misst man exakt die Wirkung der jeweiligen Kommunikationskampagne bei der vorgesehenen Zielgruppe. Setzt man diese Differenz schließlich in Bezug zu den inhaltsanalytisch bestimmten Parametern der jeweiligen kommunikativen Botschaften, dann hat man eine Beziehung zwischen der Qualität der eingesetzten Kommunikationsinhalte und der damit erzielten Wirkung bei einer bestimmten Zielgruppe gewonnen. Der methodische Kunstgriff ist also ein doppelter: a) Durch eine Panelbefragung werden zweimal die gleichen Variablen gemessen; b) deren unterschiedliche Ausprägung (die gemessenen Differenzen) können als (erwünschte) Wirkung bei der anvisierten Zielgruppe definiert werden, und c) diese Wirkung
570
Klaus Merten
kann in Bezug zu den mittels Inhaltsanalyse gemessenen Qualitäten der wirkungsverursachenden Kommunikation gesetzt werden.
2.
Anwendungen
Relevante Anwendungsfelder für Umfragen sind vor allem die Markt- und Meinungsforschung. Daneben wird die Image-Analyse nicht nur inhaltsanalytisch bei der Auswertung von Medien-Texten eingesetzt (Merten 1995: 227 ff.), sondern in Verbindung mit einem semantischen Differential auch in der Umfrageforschung.
2.1
Marktforschung
Marketing und Konsumforschung basieren ganz überwiegend auf Informationen über Konsumenten, die vor allem durch Befragung gewonnen werden. Die Befragung ist auch hier –wie in den Sozialwissenschaften – das wichtigste Instrument (Meffert 2000: 155 ff.). Gerade die jüngste Variante des Marketings, die mikrogeographische Segmentierung, ist auf ein leistungsfähiges Databased-Marketing (was wiederum auf Befragungs-Daten basiert) angewiesen, um seine hohe Zielgruppen-Trennschärfe (-Selektivität) zu sichern (Meffert 2000: 186 ff.). Als Folge dessen kann nicht nur die jeweilige Produktion, sondern auch die kommunikative Ansprache, vor allem die durch Werbung, in vorselegierten Medien stark zielgruppenspezifisch ausgerichtet werden. Die dabei erzielte Trennschärfe erspart kostspielige Streuverluste und erhöht zum anderen auch die Wirkmöglichkeiten für zielgruppenspezifisch optimierte kommunikative Botschaften etc., so dass der wirkungsbezogene Zugriff auf den Konsumenten gesteigert werden kann. Diese Möglichkeit lässt sich insbesondere für die Hersteller von Markenprodukten nutzen, die schon durch Assoziation zu einer Marke über ein elementares Differenzierungskriterium verfügen. Zugleich ist die Befragung auch das geeignete Instrument für die Erhebung qualitativer Daten durch Tiefeninterviews. Dabei können emotionale Faktoren erhoben werden, z. B. Designwerte wie das Gefallen einer bestimmten Farbe für ein Produkt, aber auch tiefenpsychologische Assoziationen. Das ist essenziell etwa für die Erhebung von psychologischen Facetten von Marken (und den darunter vertriebenen Produkten), um damit Faktoren zu eruieren, die die Alleinstellung der Marke vergrößern helfen können (Trommsdorff/Paulsen
Umfragen als Instrument der Unternehmenskommunikation
571
2000: 1052 ff.). So bestimmt Gutjahr (2005) die Stärke von Marken nicht mehr nur durch eine Image-Analyse, sondern durch tiefenpsychologische Befragungen potenzieller Konsumenten mit Bildvorlagen.
2.2
Meinungsforschung
Eine Meinung ist ein „subjektives Fürwahrhalten“ (Kant) und hat als wertende Aussage grundsätzlich den Status einer Meta-Aussage (Information über eine Information). Die besondere Leistung einer Meinung liegt darin, dass sie – im Gegensatz zur zugrunde liegenden Information – nicht wahrheitspflichtig ist und daher jederzeit geändert werden kann. Diese Flexibilität ist es, die es erlaubt, Entscheidungen durch die Artikulation von Meinungen vorzustrukturieren. Meinungen lassen sich also vor allem politisch nutzen, was insbesondere in deren kollektiver Überhöhung, der öffentlichen Meinung, deutlich zum Ausdruck kommt. Während die Marktforschung klar dem Wirtschaftssystem zuzurechnen ist, ist die Meinungsforschung eher dem politischen System zuzurechnen, denn das ist der Ort, wo Wahrheiten laufend durch Mehrheiten, die allein auf Meinungen beruhen, substituiert werden. Das liegt vor allem daran, dass Meinungen schnell verändert werden können und daher ideale Indikatoren für sich ändernde Präferenzen für Parteien, Personen, Programme oder auch Produkte abgeben. Parlamentarische Entscheidungen werden also durch Meinungsbildungsprozesse vorbereitet und hier liefert die Meinungsforschung laufend die relevanten Informationen, insbesondere natürlich im Vorfeld von Wahlen. Ebenso einsichtig ist, dass gerade in der Meinungsforschung die Panel-Befragung – die wiederholte Befragung der gleichen Stichprobe zu den gleichen Fragen – beheimatet ist, weil gerade in der Wahlforschung bereits kleine Veränderungen Trends oder gar Siegerwartungen anzeigen können. Gerade in der Meinungsforschung zeigt sich der Fortschritt der Umfrageforschung besonders deutlich, weil hier besonders große Anstrengungen zur Verbesserung der Ergebnisse angestellt werden. So kann man nicht nur die Meinung eines Befragten abfragen, sondern mit der sogenannten Klima-Frage (Noelle-Neumann 1976: 228 ff.) auch erfragen, was der Befragte meint, was andere Befragte wohl meinen. Damit gewinnt man ein in seiner Summierung über alle Meinungen (über die Meinungen anderer) sehr valides PrognoseInstrument zur Veränderung von Meinungen, das in Zeiten von Wahlkämpfen vor allem zur Messung der Veränderung von Parteienpräferenz eingesetzt werden kann.
572
2.3
Klaus Merten
Image-Analyse
Der Begriff des Images ist relativ jung und fällt nicht zufällig mit dem der Mediengesellschaft zusammen (Merten 1999: 244 ff.). Während eine Meinung in der Regel nur eine einzige binäre Bewertungsdimension besitzt (meist: positiv-negativ), die deren Vertreter stets subjektiv, d. h. als Einzelner artikuliert, ist das Image eines Objekts (Person, Organisation, Ereignis, Idee) grundsätzlich eine kollektive Größe, deren jeweilige Facetten den Mitgliedern einer Gesellschaft bzw. der Öffentlichkeit laufend durch die Medien bekannt werden. Das erklärt auch, weshalb das Image eines Objekts in der Öffentlichkeit respektive bei vielen Personen in der Regel als hochkonsentiert wahrgenommen wird.
Fakt
o
Fiktion
Objektive Wirklichkeit („Realität“)
Medialer Wirklichkeitsentwurf
Ereignis
Event, Bericht über Ereignis (Text)
Person
Image
Zu lösendes Problem
Zu diskutierendes Thema
Wahrheit
Öffentliche Meinung
Beobachtung
Beobachtung der Beobachtung
Abbildung 6:
Typen von Fiktion als generalisierte Stellvertreter
Images sind ein Typ generalisierter Stellvertreter, die in der Mediengesellschaft benötigt werden, weil die reale Wirklichkeit („Realität“) durch die aus den Medien bezogenen medialen Wirklichkeitsentwürfe ergänzt oder gar substituiert wird (vgl. Abbildung 6). Dabei vertritt das Image als fiktionale Größe die reale Person. Es geht, mit anderen Worten, gar nicht mehr um das Ansehen realer Personen, sondern um deren Image. Von daher ist die Messung von Images sowohl in der Marktforschung, insbesondere im Markenmanagement, ebenso vertreten wie in der Meinungsforschung. Diese Tendenz wird weiter zunehmen, weil die Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft nicht mehr auf Personen, sondern auf deren Images fixiert ist und in vielen Bereichen ihr Handeln gegenüber einem Objekt vom „Zustand“ des jeweiligen Images abhängig macht. Zur Messung von Images im Rahmen einer Befragung werden für das zu bestimmende Image eines Objekts (Person, Institution, Organisation, Idee, Ereignis etc.) zunächst die jeweils relevanten Dimensionen (Eigenschaften) festgelegt. Die Polarisierung der jeweiligen Eigenschaft in eine positive und eine negative Ausprägung (daher auch der Name
Umfragen als Instrument der Unternehmenskommunikation
573
„Polaritätenprofil“) erzeugt einen semantischen Korridor, der dann sinnvollerweise durch eine geradzahlige Skalierung (1 bis 6 oder 1 bis 10) unterteilt wird. In Abbildung 7 ist das Polaritätenprofil für die Imagemessung eines Unternehmens mit 10 Skalen skizziert. Die Eigenschaften „dynamisch“, „fortschrittlich“, „zukunftssicher“ und „angesehen“ passen sehr gut auf das Image eines Unternehmens, die Eigenschaften „hilfsbereit“ oder „angenehm“ dagegen weniger (sie würden besser für die Einschätzung des Images einer Person passen).
Unternehmen X ist:
1 min
2
3
4
5
6
7
8
* *
fortschrittlich
*
effizient
*
zukunftsicher sozial
*
attraktiv angenehm angesehen
10 max
*
dynamisch freundlich
9
* * *
hilfsbereit
Abbildung 7:
Image-Messung mit dem Semantischen Differential (Polaritätenprofil)
Images werden vor allem durch die Medien aufgebaut und verändert. Das hat den Vorteil, dass man sie vergleichsweise einfach und schnell verändern kann. Das bringt aber umgekehrt auch den Nachteil mit sich, dass man sie häufig nachmessen muss.
Literatur
Blalock, Hubert M. (1972): Social Statistics, New York/London. Bortz, Jürgen (1984): Lehrbuch der empirischen Forschung, Berlin/Heidelberg. Dukes, William F. (1965): N = 1, in: Psychological Bulletin, 64. Jg., S. 74-79.
574
Klaus Merten
Gutjahr, Gerd (2005): Brand Explorer – der neue tiefenpsychologische Ansatz in der Markenforschung, in: Planung und Analyse, 333. Jg., Nr. 3, Sonderbeilage „Neue Ansätze in Markenforschung und Markenführung“, S. 27-34. Kroeber-Riel, Werner (1984): Konsumentenverhalten, 3. Auflage, München. Kromrey, Helmut (1998): Empirische Sozialforschung, 8. Auflage, Opladen. Meffert, Heribert (2000): Marketing. Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, 9. Auflage, Wiesbaden. Merten, Klaus (1985): Re-Rekonstruktion von Wirklichkeit durch Zuschauer von Nachrichtensendungen, in: Media Perspektiven, Nr. 10, S. 753-763. Merten, Klaus/Teipen, Petra (1991): Empirische Kommunikationsforschung, München. Merten, Klaus (1995): Inhaltsanalyse. Eine Einführung in Theorie, Methode und Praxis, 2. Auflage, Opladen. Merten, Klaus (1999): Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Band I: Grundlagen der Kommunikationswissenschaft, Münster/Berlin/London. Merten, Klaus (2005a): Die Marke – das Vertrauen in Vertrauen, in: Planung und Analyse, 333. Jg., Nr. 3, Sonderbeilage „Neue Ansätze in Markenforschung und Markenführung“, S. 35-37. Merten, Klaus (2005b): Reaktivität und Reflexivität, in: Wienand, Edith/Westerbarkey, Joachim/Scholl, Armin (Hrsg.): Kommunikation über Kommunikation. Festschrift für Klaus Merten, Wiesbaden, S. 102-128. Noelle-Neumann, Elisabeth (1963): Umfragen in der Massengesellschaft, Reinbek.
Kennzahlen für die Unternehmenskommunikation
575
Kennzahlen für die Unternehmenskommunikation Lothar Rolke
Erfolgreiches Kommunikationsmanagement muss heute mehr denn je in betriebswirtschaftlichen Kategorien denken und seine Leistungen jederzeit in der Sprache von Geschäftsleitung und Controllern nachweisen. Aus diesem Grund gewinnen einfache verständliche Steuerungssysteme wie z. B CommunicationControlCockpits, Scorecards und Kennzahlensysteme an Bedeutung. Dieser Beitrag stellt ausgewählte strategische und operative Kennzahlen vor, die in diesem Zusammenhang relevant sind und zum Einsatz kommen können.
1.
Kennzahlen als Bestandteil wertorientierter Unternehmenskommunikation
Langfristiger Unternehmenserfolg basiert auf der Fähigkeit der Unternehmung, Kooperationsgewinne mit den relevanten Stakeholder-Gruppen zu schaffen: den Kunden und Mitarbeitern, den Aktionären und den Journalisten als Stellvertretern der Öffentlichkeit. Und das Gewonnene immer wieder neu so fair zu verteilen, dass belastbare Beziehungen entstehen können, die sich deshalb als nachhaltig erweisen, weil jeder Partner davon profitiert und die Aufteilung als relativ angemessen empfindet. Der wichtigste Treiber dieses kooperativen und auf Vertrauen basierenden Wertschöpfungsprozesses ist das Image, das sich nachweislich in den Beziehungen zu eben diesen vier relevanten Stakeholder-Gruppen bildet (Rolke 2003/2004/2005 sowie Rolke/Koss 2005). Das Image bildet sich: in der Beziehung des Unternehmens zu seinen Kunden (Absatzmarkt), in der Beziehung zu Aktionären oder stellvertretend zu Analysten (Finanzmarkt), M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_32, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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in der Beziehung zu den Mitarbeitern, die als Botschafter und Repräsentanten des Unternehmens wahrgenommen werden (Beschaffungsmarkt) und in der Beziehung zur Öffentlichkeit über die Medien (Akzeptanzmarkt). Da Kommunikation der wichtigste Einflussfaktor für das Image eines Unternehmens ist, besteht die Aufgabe des Kommunikations-Controllings erstens darin, mittels geeigneter Kennzahlen die Imagebildung in den vier Stakeholder-Beziehungen sichtbar und steuerbar zu machen (operative Seite). Und zweitens darin, diese dann mit monetären Kennzahlen aussagefähig zu verbinden, um eine wertsteigernde Steuerung zu ermöglichen (strategische Seite). Die Verbindung von nicht-monetären und monetären Kennzahlen folgt insofern einer immanenten Logik, also einer, die in der Sache selber liegt, als die oben genannten StakeholderGruppen nicht nur kommunikativ handeln, sondern dieses Handeln selbst oder ein damit gekoppeltes Verhalten immer auch monetäre Effekte zeitigt: Kunden kaufen oder kaufen nicht. Mitarbeiter arbeiten produktiv oder eben unproduktiv. Aktionäre halten ihre Aktien, kaufen manchmal dazu oder versuchen, sie abzustoßen. Journalisten schließlich verstärken öffentliche Akzeptanz oder teuere Nicht-Akzeptanz, wie jedes Unternehmen weiß, das einmal in eine Krise geraten ist. Weil all das unmittelbar oder zumindest mittelbar Einfluss auf die Finanzkennzahlen des Unternehmens hat, lohnt es sich, durch Kennziffern und ihre Verknüpfung diese Zusammenhänge sichtbar zu machen.
2.
Operative Kennzahlen für das StakeholderManagement
Die Bildung von Kennzahlen ist zwar methoden- und modellabhängig, in der Verwendung aber sind neue Verknüpfungen erlaubt, sogar zu empfehlen. Das hier unterlegte offene Modell des Stakeholder-Kompasses hat den Vorteil, dass es die flexible Integration höchst unterschiedlicher Kennziffern ermöglicht – fokussiert, aber nicht begrenzt auf den wichtigsten kommunikativen Werttreiber: Image bzw. Reputation (in der Praxis wird hier kaum unterschieden) (Buß 2007, Wiedmann/Fombrun/van Riel 2007).
Kennzahlen für die Unternehmenskommunikation
2.1
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Kennziffern für die Kundenkommunikation
Die Beziehung des Unternehmens zu seinen Kunden hat für die Imagebildung die größte Bedeutung. Allerdings verändert diese Beziehung ihre Qualität, je nachdem ob es sich um eine potenzielle Kundenbeziehung (das Bild vor dem Kauf), eine neu entstehende Kundenbeziehung (das Bild während des Kaufs) oder eine feste Kundenbeziehung (das Bild nach dem Kauf) handelt. Der Einfachheit halber sollte zwischen Fernbild (potenzielle Kundenbeziehung) und Nahbild (feste Kundenbeziehung) unterschieden werden. Das Fernbild lässt sich gut durch folgende Merkmale erfassen: Bekanntheitsgrad, Interesse, Vergleich mit Wettbewerbern, Durchschnittliche Kontakte, Erinnerte Imagewerte, Sympathie, Kontakte. Für die Messung des Nahbildes sind eher die folgenden Messgrößen wichtig: Stärke der Präferenzmotive, Zufriedenheit, Loyalität/Bindung, Wiederkaufrate, direkte versus mediale Kontakte, Weiterempfehlungsbereitschaft. Für das Unternehmen ist der Abstand von Fern- und Nahbild von besonderem Interesse. Denn diesen gilt es zu überwinden, wenn aus möglichen Kunden treue Kunden werden sollen. Mitunter ist hier ein regelrechter Wahrnehmungs-Gap auszumachen, der durch Vergleichsmessungen zu ermitteln ist: Imageprofil, Vertrauensgrad und Sympathie sind interessante Aspekte, die bei potenziellen und festen Kunden stark differieren können. Um beispielsweise das ungenutzte Kommunikationspotenzial zu erkennen, bieten sich die folgenden Kennziffern an: die KommunikationsErfolgsElastizität (KEE): relative Veränderung der marktbezogenen Kommunikationskosten relative Veränderung des Umsatzes und der Kommunikations-Power-Index (KoPix): Erfolgsanteil von Kommunikation am Marketing-Mix Erfolgsbewertung der Kommunikationsarbeit Für Letzteren liegen interessante Werte mit Benchmarking-Qualität aus der Basisstudie (Rolke 2003) vor. Danach hat Kommunikation bei B2C-Unternehmen, die im Endkundengeschäft (Business to Consumer) tätig sind, eine um 50 Prozent höhere Bedeutung als bei B2B-Unternehmen, die vorrangig Leistungen für andere Firmen erstellen (Business to Business). Der gleiche Abstand wurde zwischen umsatzstarken Unternehmen (Umsatz > 10 Mrd. Euro) und umsatzschwächeren Unternehmen gemessen (Umsatz < 1 Mrd. Euro). Ob Unternehmen börsennotiert sind oder nicht spielt in diesem Zusammenhang offenbar keine Rolle.
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Weitere Kennzahlen zur Messung der Kundenbeziehung und vor allem Hinweise auf zweckdienliche Verknüpfungen liefern die Markenbewertungsmodelle (besonders anschaulich Schimansky 2004) und die Werbewirkungsforschung. Sehr interessante Erkenntnisse bringen regelmäßig Verknüpfungen von harten und weichen Indikatoren, für die sich Korrelationen berechnen lassen – beispielsweise den Zusammenhang zwischen Imageentwicklung und Veränderungen des Marktanteils.
2.2
Kennziffern für die Kommunikation mit den Medien und der Öffentlichkeit
Der größte Teil der heutigen Unternehmenskommunikation und Public Relations befasst sich erfahrungsgemäß nach wie vor mit der Medienarbeit – im Durchschnitt 50 bis 60 Prozent. Um die relevanten Effekte zu erfassen, bieten sich die Kennzahlen der Medienresonanzanalyse an: Kontakte (= redaktionelle Kontakte versus Werbekontakte), Affinitätswert (= inhaltliche Nähe der Berichterstattung zum angestrebten Imageprofil), Akzeptanzquotient (= das Verhältnis von positiver, neutraler und negativer Berichterstattung), Durchdringungsindex (gibt an, wie häufig ein Thema, eine Botschaft oder ein Produkt erwähnt wird), Initiativquotient (= Verhältnis von selbst- und fremdgesteuerter Berichterstattung), Aktivitätenquote (= Verhältnis der Berichterstattung von Einmalereignissen zu wiederkehrenden Anlässen). Um das ungenutzte Potenzial der Medienarbeit zu erfassen, empfiehlt sich eine Kennzahl, für die Vergleichswerte vorliegen: der Media-Pressure-Indicator (MPI): Pressesprecher (Anzahl) Kern-Journalisten (Anzahl)
x Pull-Aktivitäten (Anfragen der Journalisten) Push-Aktivitäten (Initiativen der Pressesprecher)
Je höher die Zahl der Pressesprecher und je größer die Zahl der Journalisten, desto höher ist der Druck, den Unternehmen auf die Medien ausüben können. Die Benchmark-Analyse ergab: Umsatzstarke Unternehmen (Umsatz > 10 Mrd. Euro) können einen viermal höheren Druck auf die Medien ausüben als umsatzschwächere Unternehmen (Umsatz < 1 Mrd. Euro). B2C-Unternehmen verfügen im Durchschnitt über einen relativ niedrigen MPI. Das bedeutet. Hier besteht nachweislich eine ungenutzte Kommunikationsreserve. Erfahrungsgemäß verlassen sich die am Privatkunden orientierten Markenartikler noch immer zu stark auf die
Kennzahlen für die Unternehmenskommunikation
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klassische Werbung, anstatt sie mit der insgesamt betrachtet glaubwürdigeren PR-Kommunikation effizient zu verknüpfen. Um den monetären Wert von Presse- und Medienarbeit einschätzen zu können, wird häufig der Werbeäquivalenzwert für die erzielte Berichterstattung ermittelt. Dabei wird der Anzeigenpreis der Clippings berechnet bzw. der AV-Beitrag in Werbezeit umgerechnet: Was hätte es das Unternehmen gekostet, wenn anstelle des Berichtes eine Anzeige bzw. ein Spot in gleichem Umfang geschaltet worden wäre? Interessant ist auch ein Vergleich des Share of Spendings (Eigene PR-Aufwendungen x 100 / Gesamtaufwendungen der Branche) mit dem Share of Voice (Summe der selbst erreichten Kontakte x 100 / Gesamtkontakte der Branche). Über die Medienarbeit hinaus können Sponsoring und Events wichtige Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit sein. In solchen Fällen sind adäquate Kennzahlen zu bilden wie Kontakte, Erinnerungen oder Imagetransfer für das Sponsoring, und für die Events wie etwa einen „Tag der offenen Tür“ zählen ebenfalls Kontakte (qualitativ allerdings höher zu bewerten), Assoziationen und vertrauensbildende Effekte. Unter dem Gesichtspunkt der Imagebildung sind regelmäßig die Effekte der Kundenkommunikation (Werbung, Direktmarketing etc.) und der Medienarbeit miteinander zu vergleichen. Nur ein kohärentes Kommunikationsecho vermeidet kognitive Dissonanzen bei den Rezipienten, die bekanntlich zugleich (potenzielle) Kunden und Zeitungsleser bzw. Fernsehzuschauer sind.
2.3
Kennziffern für die Mitarbeiterkommunikation
Die Kommunikation mit den Mitarbeitern ist heute vom Standpunkt einer professionellen Leistungspartnerschaft aus zu konzipieren. Das bedeutet, dass davon auszugehen ist, dass die Beschäftigen grundsätzlich ein Interesse haben, ihre Leistungskraft angemessen einzubringen und so genannte Motivationsmaßnahmen in der Regel dazu dienen, die grundsätzlich vorhandene Leistungsbereitschaft in die richtige Richtung zu lenken. Die interne Unternehmenskommunikation unterstützt beides: die Leistungsermöglichung und die optimale Justierung. Und beides lässt sich messen (vgl. exemplarisch Jäger/Lang/Marquart 2003). Um zu ermitteln, ob die Voraussetzungen stimmen (= Leistungsermöglichung), geben folgende Kennzahlen interessante Hinweise: Mitabeiterzufriedenheit, Informiertheit (im Verhältnis zur Produktivität), Fairnessbeurteilung des Vergütungssystems, Fehlzeitenquote (im Branchenvergleich), Fluktuationsrate (im Branchenvergleich) und Leistungsbereitschaft (Überstunden/Flexibilität). Kommunikation ist dann gelungen, wenn sie den Unternehmenserfolg steigern hilft. Insofern sind auch Ergebniskennzahlen zu berücksichtigen wie Personaleffizienz (= Umsatz / Eingesetzte Mitarbeiter x 100) oder
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Personaleffizienz (= Umsatz / Eingesetzte Mitarbeiter x 100) oder Personalaufwandsquote (= Personalaufwand / Leistung x 100). Interessant ist die Frage, inwieweit das zur Verfügung stehende Leistungspotenzial eines Mitarbeiters tatsächlich ausgeschöpft wird. Dazu findet sich ein interessanter Vorschlag bei Fischbach (2002): die Mitarbeitereffektivität: = Verfügbarkeit beeinträchtigt durch: – Leerzeiten – Fehlzeiten
x
Leistungsgrad x Qualitätsrate beeinträchtigt durch: – Qualifikation – Einstellung
beeinträchtigt durch: – Fehler im Lernund Arbeitsprozess
Um herauszufinden, welche strategische Bedeutung der Mitarbeitereinsatz im Unternehmen hat, ist von Zeit zu Zeit das Zielsystem des Unternehmens zu prüfen: Welchen Stellenwert haben dort mitarbeiterrelevante Ziele? Die Basisstudie (Rolke 2003) zeigte beispielsweise, dass die Ziele „Produktivitätssteigerung“ und „Mitarbeitermotivation“ signifikant an Bedeutung verloren hatten, ohne dass dies durch andere Mitarbeiterziele kompensiert worden war. So sank das Ziel „Produktivitätssteigerung“ von Rang 3 auf Rang 6; „Mitarbeitermotivation“ von Rang 5 auf Rang 9. Stattdessen schnellte das allgemeine Ziel „Kosteneinsparungen“ nach oben. Eine solche Peripherisierung des Faktors Mitarbeiter schlägt mit der Zeit auch auf die anderen Kennzahlen durch. Für die richtige Justierung des Arbeitskräfteeinsatzes haben sich folgende Kennziffern als zielführend erwiesen: Kenntnis der Unternehmensstrategie, Vorbildstärke des Vorgesetzten, Selbsteinschätzung des Mitarbeiters über seinen Beitrag für das Unternehmen, Übereinstimmung von Unternehmensmarke (Positionierung) und Markenverständnis des Mitarbeiters. Einen wichtigen Hinweis auf die interne Kommunikationsqualität liefert auch der Vergleich mit der externen – ermittelt über die Kommunikationskonsistenzquote: externe Kampagnenqualität (z.B. nach Schulnoten) x 100 interne Kampagnenqualität (z.B. nach Schulnoten) Bei der Basisstudie zeigte sich: Bei 40 Prozent der Unternehmen war die Qualität der internen Kommunikation deutlich schlechter als die externe (bei 41 Prozent war sie gleich gut). Während bei den umsatzstarken Unternehmen (Umsatz > 10 Mrd. Euro) die Mitarbeiterkommunikation im Durchschnitt 79 Prozent der Qualität erreichte, die Kunden und Journalisten erleben, betrug sie bei den umsatzschwächeren Unternehmen (Umsatz < 1 Mrd. Euro) nur 73 Prozent. B2B-Unternehmen erreichen hier sogar 93 Prozent.
Kennzahlen für die Unternehmenskommunikation
2.4
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Kennziffern für die Kommunikation mit Aktionären (oder anderen Geldgebern)
Nach einer empirisch bewährten Faustformel bildet sich der Aktienkurs zu rund 70 Prozent aufgrund harter Faktoren und zu rund 30 Prozent aufgrund eher weicherer Faktoren. In der Kennzahlenbildung sollte dieses Verhältnis berücksichtigt werden. Zur Beurteilung der „hard facts“ eignen sich ausgewählte Kennzahlen aus folgenden Bereichen: Bilanzkennzahlen (z. B. Eigenkapitalquote), Kennzahlen aus der Gewinn- und Verlustrechnung (z. B. EBIT), Cash-Flow-Kennzahlen (z. B. DCF), Rentabilitätskennzahlen (z. B. ROI), Kennzahlen zur Unternehmensbewertung (z. B. KGV und EVA). Zur Beurteilung der „soft facts“ eignet sich die Bewertung folgender Einflussfaktoren: Image des Vorstandsvorsitzenden, Qualität der IR-Arbeit und Erwartungsdelta (im Vergleich zu Mitbewerbern) Alle vorgenannten Hinweise können nur für börsennotierte Unternehmen gelten. Viele Unternehmen aber sind gar nicht an der Börse notiert. Aber sie haben Muttergesellschaften oder andere Geldgeber. In diesen Fällen gilt zweierlei. Erstens: Der Einfluss der über diese Stakeholder auf das Image wirkt, wird als eher gering eingeschätzt werden (drei bis fünf Prozent in der Gewichtung). Zweitens: Praktischerweise beschränken sich die Kommunikations-Controller häufig auf zwei Kennzahlen, eine harte und einer weiche. Beispielsweise auf die Folgenden: Auf den Umfang der öffentlichen Statements der Unternehmensmutter zum Tochterunternehmen; hier spielt vor allem die Frage ein Rolle, welche Zukunft die Firma aus Sicht der Muttergesellschaft hat. Und auf eine Kennziffer zum wirtschaftlichen Erfolg wie den Gewinn (EBIT); denn die „Mütter“ werden ihre „Töchter“ dann am liebsten pflegen und positiv kommentieren, wenn sie erfolgreich sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang immer wieder die Frage, wie eigenständig Tochtergesellschaften in der Öffentlichkeit überhaupt wahrgenommen werden. Wie wird die Dresdner Bank im Vergleich zur Allianz Versicherung gesehen, Audi im Verhältnis zu VW, Lufthansa Cargo im Vergleich zur Deutschen Lufthansa oder die DaimlerChrysler Bank zur Muttergesellschaft DaimlerChrysler? Gerade hier dürften das Nah- und Fernbild eine große Rolle spielen. Medienresonanzanalysen zeigen wiederholt: Je erfolgreicher die Tochterunternehmung ist, desto eigenständiger kann sie in der Regel öffentlich agieren.
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3.
Lothar Rolke
Strategische Kennzahlen zur Steuerung der Unternehmenskommunikation
Um zu einem Gesamt-Imagewert mit Indexqualität zu kommen, mit dem sich strategisch arbeiten lässt, müssen aus dem obigen Angebot die für das Unternehmen relevanten operativen Kennzahlen (in der Regel 20 bis 25) identifiziert, dann gescort und schließlich zu einer Ergebniszahl wie dem ImEx = Gesamtimagewert verdichtet werden. Strategische Aussagekraft gewinnt dieser Wert dann, wenn er ins Verhältnis gesetzt wird zur Wertschöpfung (EVA) und zum eingesetzten Budget, die beide auch in Beziehung zueinander gesehen werden können. Indem alle drei in Relation zueinander gesetzt werden, bilden sie ein indikatorisches Dreigestirn, das einen strategischen Blick auf die Unternehmenskommunikation ermöglicht. Die Kennzahlen im Einzelnen (Rolke/Koss 2005: 52 ff.): Die Value-Value-Relation (V2R) beziffert das Verhältnis von Imagewert eines Unternehmens und dem in einer Periode geschaffenen Unternehmenswert (Economic Value Added, kurz EVA). Damit wird angezeigt, ob sich der intangible und der tangible Unternehmenswert in der Balance befinden. Zur Berechnung wird das über die Addition der Einzelimages ermittelte Gesamtimage in Beziehung zum geschaffenen Unternehmenswert gesetzt (EVA), jener Kennzahl also, die den in einer Periode geschaffenen Wert eines Unternehmens misst. Die Faustformel zur Berechnung lautet: Gewinn nach Steuern minus Kapitalkosten (von Fremd- und Eigenkapital) = EVA: „Ist der EVA > 0, so ist der Unternehmenserfolg größer als die mit dem eingesetzten Kapital alternativ am Kapitalmarkt erziehbare Verzinsung. Erfahrungsgemäß weist der EVA eine positive Korrelation zum Aktienkurs des Unternehmens auf“ (Fischbach 2002). Normalerweise entwickeln sich auch Imagewert und Unternehmenswert (EVA) in der gleichen Richtung – idealiter nach oben. Sollte sich der ImEx deutlich stärker nach oben entwickeln als der EVA und sollte diese Entwicklung stabil sein, dann kann von einer Preisreserve ausgegangen werden, die auch kapitalisiert werden sollte. Sollte ein Unternehmen über eine andere Erfolgskennzahl gesteuert werden wie etwa dem Discounted Cash Flow (DCF), der vor allem die erreichte Stärke der Innenfinanzierung misst, dann sollte die Entwicklung des ImEx mit der Entwicklung des DCF verglichen werden. Der Return on Communication (RoCom) misst das Verhältnis von geschaffenem Unternehmenswert (EVA) und eingesetztem Kommunikationsetat, der sich wiederum aus den einzelnen Budgets für Werbung, PR, Direkt-Marketing, Investor Relations etc. zusammensetzt. Hier zeigt sich, ob sich die Investitionen in Kommunikation lohnen oder nicht. Wächst der EVA überproportional, kann davon ausgegangen werden, dass die Kommunikation strategisch zielführend eingesetzt wird. Verläuft die Wertentwicklung hingegen unterproportional, gibt es einen zwingenden Anlass, nach Ursachen zu suchen, die möglicherweise gar nichts mit Kommunikation zu tun haben (sondern beispielsweise im Produkt, den Distributionswegen, einer Marktoffensive des Wettbewerbers etc.) liegen können. Doch in jedem Fall besteht strategischer Klärungsbedarf. Wenn sich die Kommu-
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nikation dieser Aufgabe stellt, kann sie über ihren traditionellen Kernbereich hinaus Steuerungsfunktionen übernehmen. Übrigens kann auch hier mit dem DCF gearbeitet werden. Die Kommunikationseffizienz (KomEf) lässt sich am Verhältnis von ImEx und Kommunikationsetat ablesen: Je größer der Quotient aus beiden Werten, desto größer ist die erzielte Imagerendite. Gerade diese Kennzahl gibt an, ob die Kommunikation gut arbeitet: also zielführend wirkt und effizient gemanagt wird. Sie kann im Einzelfall Anlass sein, über Budgetverlagerungen nachzudenken. Beispielsweise könnte sich bei einem Markenartikler aus dem B2C-Bereich zeigen, dass eine Millionen Euro in der Produkt-PR besser angelegt sind als in der klassischen Anzeigenwerbung: er also mehr Imagepunkte für das eingesetzte Budget erhält, wenn er seine Below-the-line-Kommunikation intensiviert. Deshalb ist diese Kennzahl besonders geeignet, den Prozess der Integrierten Kommunikation vorantreiben: Studien belegen eindrucksvoll, dass in der strategischen und operativen Verzahnung von Kommunikationsaktivitäten ein bedeutsamer Hebel gesehen wird, den kommunikativen Erfolg entscheidend zu steigern (Rolke 2003). Doch die Praxis bestätigt ebenso nachdrücklich, dass es mit der Integration nicht klappt. Guter Wille und der Einsatz von Koordinatoren reichen nicht. Erst durch ein gemeinsames Controllingsystem von Marketing und PR, erhält der gute Wille zur Verzahnung die nötige Verbindlichkeit. Besonders die Kommunikationseffizienz kann in vielen Bereichen ein starker Treiber sein, Kommunikation strategisch und operativ zu koordinieren. Als gut können alle Beteiligten das akzeptieren, was messbar den Erfolg steigert. Das indikatorische Dreigestirn von V2R, RoCom und KomEf bilden gemeinsam die Leitwerte zur kommunikativen Prozesssteuerung. Aber sie können um weitere strategische Kennziffern ergänzt werden.
4.
Die Bildung von Kennzahlen
Operative und strategische Kennzahlen verhalten sich im Unternehmen zueinander wie im Auto der Motor zu den Armaturen: Operative Kenngrößen treiben die Ergebniszahlen. Und so wie ein guter Motor sehr viel schwerer zu konstruieren ist als ein Armaturenbrett, so ist auch das System der operativen Kennzahlen schwieriger zu bilden als die strategischen Kennziffern. Ersteren hat daher eine besondere Aufmerksamkeit zu gelten. Das Ziel bei der Bildung der operativen Kennzahlen besteht darin, die Beziehungsqualität zu der jeweiligen Stakeholder-Gruppe zu erfassen. Denn sie ist die Basis erfolgreicher Kooperationen, die wiederum die Voraussetzungen für die Generierung von Gewinnen sind. Da
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Lothar Rolke
gereifte Beziehungen (langfristig, belastbar, fair) erfahrungsgemäß ergiebiger sind als die rein situationsgesteuerten (kurzfristig, relativ kostenintensiv, unberechenbar), sollte der Fokus auf der Reife liegen, wenn die Beziehungsqualität für die einzelne Stakeholder-Gruppe vermessen wird. Wie die Leitidee der Reife für die Kennzahlenbildung operationalisiert werden kann, zeigt das in Mainz entwickelte R.I.P.E.-Modell, das die unterschiedlichen Beziehungsmerkmale voneinander abgrenzt. Das R.I.P.E-Modell geht davon aus, dass – nomen est omen – nur „reife“ Beziehungen auf Dauer einen teilbaren Kooperationsgewinn hervorbringen. Mit „Schnäppchen- oder Skandaljägern“ ist das langfristig in der Regel ebenso wenig möglich wie mit „Zufallsbekanntschaften“ oder Kommunikationspartnern, die sich längst „innerlich verabschiedet haben“. „Reife“ Beziehungen sind durch vier Merkmale geprägt: Relations, genauer: die Beziehung(sfestigkeit), die durch Loyalität und Bindung, also Langlebigkeit und Wiederholung (etwa Wiederholungskäufe, wiederholte Kontaktaufnahme oder stetiges Interesse) sichtbar wird; Image: das Bild vom Unternehmen (genauer: die Bildinhalte), das die Vorstellungen der Stakeholder beherrscht: ob es modern oder eher altmodisch wirkt, in den Augen der Stakeholder fair ist oder eher mit Tricks arbeitet, sich service-orientiert oder bürokratisch verhält, als preiswert oder teuer, exklusiv oder gewöhnlich eingeschätzt wird etc.; Power: die Intensität der Beziehung, die einerseits durch die Häufigkeit der Kontakte und die Vielzahl der Kontaktchancen, andererseits aber von der Tiefe der Kontakte bestimmt wird; Emotions: die Gefühle, die in der Beziehung entstehen: sind sie stark oder schwach; hat das Unternehmen mit seinen Angeboten und Leistungen existenzielle Bedeutung oder spielt es praktisch keine Rolle, ist es Lebensinhalt oder nicht; wird es als wichtig angesehen, vermag es zur Identifikation anzuregen etc.; all diese Aspekte spielen hier eine Rolle. Vor diesem Hintergrund ist nun eine ganze Reihe von Kennziffern denkbar, die für die Bestimmung und Messung des Imagewerts ImEx von Bedeutung ist. Für das Kommunikations-Controlling kommt es darauf an, die wesentlichen für das jeweilige Unternehmen zu identifizieren. Manche Kenngrößen werden nur einen Aspekt ausdrücken (z. B. die Kontaktzahl, die einen Indikator für die erreichte Power darstellt); andere sind komplexer und repräsentieren mehrere Aspekte (z. B. die Kundenzufriedenheit, über die sich Beziehungsfestigkeit, Imageanteile und Emotionen mitteilen). In jedem Fall wird der wesentlich durch Kommunikation beeinflusste Erfolgstreiber Image, der heute einer der wichtigsten für jedes Unternehmen ist, auf diese Weise messbar. Und darauf kommt es künftig an, wenn er wertgenerierend gesteuert werden soll.
Kennzahlen für die Unternehmenskommunikation
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Literatur
Buß, Eugen (2007): Image und Reputation – Werttreiber für das Management, in diesem Band. Fischbach, Sven (2002): Lexikon der Wirtschaftsformeln und Kennzahlen, 2., erweiterte Auflage, München. Jäger, Wolfgang/Lang, Andreas/Marquart, Alfred (2003): Controlling (Steuerung) der internen Kommunikation am Beispiel der elektronischen Kommunikation, in: Klöfer, Franz/Nies, Ulrich (Hrsg.): Erfolgreich durch interne Kommunikation, 3. überarbeitete Auflage, Neuwied/Kriftel, S. 176-187. Kralicek, Peter/Böhmdorfer, Florian/Kralicek, Günther (1993): Kennzahlen für Geschäftsführer, Wien. Pfannenberg, Jörg/Zerfaß, Ansgar (Hrsg.) (2005): Wertschöpfung durch Kommunikation, Frankfurt a. M. Porák, Victor (2005): Methoden zur Erfolgs- und Wertbeitragsmessung von Kommunikation, in: Piwinger, Manfred/Porák, Victor (Hrsg.): Kommunikations-Controlling, Wiesbaden, S. 163-193. Rolke, Lothar (2003): Produkt- und Unternehmenskommunikation im Umbruch. Was die Marketer und PR-Manager für die Zukunft erwarten, Frankfurt a. M. Rolke, Lothar (2004): Das CommunicationControlCockpit: Ein strategisches Kennziffernsystem für die wertorientierte Unternehmenskommunikation, in: Bentele, Günter/Piwinger, Manfred/Schönborn, Gregor (Hrsg.): Kommunikationsmanagement (Loseblattwerk 2001 ff.), München, Nr. 4.14, S. 1-27. Rolke, Lothar (2005): Wertschöpfende Unternehmenskommunikation nach dem Stakeholder-Kompass, in: Bentele, Günter/Piwinger, Manfred/Schönborn, Gregor (Hrsg.): Kommunikationsmanagement (Loseblattwerk, 2001 ff.), München, Nr. 4.16, S. 1-28. Rolke, Lothar/Koss, Florian (2005): Value Corporate Communications. Wie sich Unternehmenskommunikation wertorientiert managen lässt. Eine exemplarische Studie mit neuen Kennzahlen, Benchmarks und einer Anleitung zum Kommunikations-Controlling, Norderstedt. Schimansky, Alexander (2004): Der Wert der Marke, München. Temple, Peter (2002): Magische Zahlen, Weinheim. Wiedmann, Klaus-Peter/Fombrun, Charles J./van Riel, Cees B. M. (2007): Reputationsanalyse mit dem Reputation Quotient, in diesem Band.
Wahrnehmung als Kommunikationsergebnis
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Wahrnehmung als Kommunikationsergebnis Hans-Werner Bierhoff
Die Auftritte von Politikern, Unternehmern und Verbandsvertretern in Talkshows sind Musterbeispiele für Kommunikation. Die Diskutanten gehen inhaltlich auf verschiedene Fragen wie Steuerpolitik oder Familienpolitik ein, indem sie Standpunkte darstellen, die in der Regel schon bekannt sind. Es kommt ihnen vor allem darauf an, welchen Eindruck sie bei den Zuschauern hervorrufen. Wer erscheint als glaubwürdiger, kompetenter oder vertrauenswürdiger? Der Kommunikator will nicht nur informieren, sondern auch einen bestimmten Eindruck beim Empfänger der Botschaft erzeugen, der für seine Ziele förderlich ist. Kommunikation dient also dazu, die Wahrnehmung des Empfängers zu beeinflussen – dies ist damit auch ein zentrales Erfolgskriterium von Kommunikation. Dieser Beitrag beginnt mit der Skizzierung eines Modells der Kommunikation, in dem sowohl die subjektive Interpretation als auch verschiedene Indikatoren für den Erfolg einer Botschaft berücksichtigt werden. Anschließend werden zwei Komponenten der Kommunikation besprochen: Wie sich die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Quelle auf den Empfänger auswirkt und welchen Einfluss der Aufbau der Botschaft hat, ob es zum Beispiel sinnvoll ist, Gegenargumente zu entkräften oder Schlussfolgerungen zu ziehen. Im nächsten Schritt wird dargestellt, wie sich der Widerstand der Empfänger gegen Beeinflussung auf den Kommunikationserfolg auswirkt. Schließlich wird gezeigt, wie subtile Feedbackeffekte einen Prozess der Selbstüberredung auslösen können.
1.
Modell der Kommunikation
Der Input der Kommunikation lässt sich in fünf Teilfragen untergliedern (Lasswell 1948): Wer sagt was über welches Medium zu wem bezogen auf welche Verhaltensweise?
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_33, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Hans-Werner Bierhoff
Diesen fünf Fragen entsprechen fünf Komponenten des Inputs der Kommunikation: Quelle, Botschaft, Kanal, Empfänger, Ziel. Nehmen wir die Automobilwerbung als Beispiel, um die fünf Komponenten der Kommunikation zu verdeutlichen: Ein bekannter Rennfahrer preist ein bestimmtes Modell in einem Werbespot, der auf junge Leute abzielt, mit dem Ziel an, das Kaufverhalten der Empfänger zu beeinflussen. Mit diesem klassischen Komponentenmodell der Kommunikation ist die Inputseite dargestellt, die beschreibt, was bei einer Kommunikation abläuft. Die fünf Komponenten der Kommunikation bilden eine Sequenz. Sie stellen das Material bereit, das Kommunikationsexperten in Unternehmen, Organisationen und Verbänden zur Verfügung steht, um ihre Botschaften mit dem Ziel zusammenzustellen, die Öffentlichkeit zu überzeugen. Die Platzierung solcher Botschaften in der Öffentlichkeit wird im Folgenden Persuasion genannt:
Definition: Persuasion Persuasion stellt eine gerichtete Kommunikation dar, die dem Ziel dient, die Einstellung und das Verhalten der Empfänger positiv im Sinne des Kommunikators zu beeinflussen. Ein Beispiel sind Werbespots, wie sie in der Automobilwerbung eingesetzt werden.
Das Input-Modell der Kommunikation ist ein Anfang zum Verständnis erfolgreicher Kommunikation. Man hat damit noch nicht viel über erfolgreiche Kommunikation ausgesagt, da das Input-Modell die Empfängerreaktionen, die die Wahrnehmung der Kommunikation betreffen, ausspart. Auf diese Empfängerreaktionen kommt es wirklich an, wenn man erfolgreich kommunizieren will. Um sie besser verstehen zu können, wird die Auswirkung einer Persuasion auf die Empfänger schrittweise dargestellt (McGuire 1985). Die schrittweise Darstellung der Auswirkung der Persuasion ist nicht nur ein heuristisches Vorgehen, sondern sie spiegelt auch die innere Logik wider, nach der die Empfänger einer Kommunikation überzeugt werden. Einige Schritte des Prozesses der Überzeugung haben vermittelnden Charakter, während andere die eigentlich interessierenden Ergebnismerkmale der Kommunikation sind (vgl. Abbildung 1). Die subjektive Verarbeitung der Persuasion wird in den ersten vier Schritten in Abbildung 1 dargestellt, die auf den Input folgen. Sie beziehen sich auf kognitive und motivationale Prozesse der Empfänger und beinhalten die Wahrnehmung der Persuasion. Die Vermittlung reicht von der Aufmerksamkeitszuwendung über das Verstehen des Inhalts bis zum Nachden-
Wahrnehmung als Kommunikationsergebnis
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ken über die Botschaft. Die Erzeugung von Aufmerksamkeit und die Vermeidung von Missverständnissen sind wesentliche Schritte, um eine erfolgreiche Kommunikation anzubahnen (Piwinger/Ebert 2004).
Abbildung 1:
Modell der Kommunikation (Quelle: modifiziert nach McGuire 1985: 259)
Die weiteren Schritte, die in Abbildung 1 dargestellt sind, beziehen sich auf die Ergebnismerkmale der Persuasion. Sie reichen vom Akzeptieren der vertretenen Position über ihre Speicherung im Gedächtnis bis zum Handeln (z. B. Kaufen des Produkts, für das geworben wurde). Da den Ergebnismerkmalen die Wahrnehmung der Kommunikation zugrunde liegt, die in den vermittelnden Zwischenschritten lokalisiert ist, erweist es sich als wesentlich für ein Verständnis des Erfolgs einer Kommunikation, diese vermittelnden Wahrnehmungsprozesse zu analysieren. Die Wahrnehmung der Kommunikation bestimmt, was letztendlich im Hinblick auf die gewünschte Handlung beim Empfänger der Kommunikation bewirkt wird. Das Modell in Abbildung 1 verweist auf einen weiteren wichtigen Gesichtspunkt. Es kann irreführend sein, von einem frühen Schritt (z. B. Interesse haben und Quelle mögen) auf ein Ergebnismerkmal zu schließen (Bator/Cialdini 2000). Ein Beispiel für einen möglichen Fehlschluss ist die Annahme, dass das Mögen gegenüber dem Kommunikator (z. B. ein beliebter Rennfahrer) eine Verhaltensänderung auslöst. Denn das Mögen steht ganz am Anfang der Sequenz vor einer Vielzahl anderer Schritte, die schließlich in eine Handlung münden können, aber nur wenn diese Zwischenschritte erfolgreich durchlaufen werden (wenn z. B. die Einstellungsänderung im Gedächtnis abgespeichert wird). Auch wenn die Persuasion zu einer Einstellungsänderung geführt hat (vgl. „Position akzeptieren, die in der Botschaft vertreten wird“ in Abbildung 1), bedeutet das nicht unbedingt,
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Hans-Werner Bierhoff
dass die erwünschte Handlung ausgeführt wird. Dafür ist nicht nur eine Speicherung der Position im Gedächtnis, sondern auch ein Abruf des gespeicherten Materials aus der Persuasion und seine Einbeziehung in den Entscheidungsprozess erforderlich. Zwischen Akzeptieren der Position der Botschaft und der Ausführung des erwünschten Verhaltens besteht keine 1:1-Beziehung (Lord/Lepper 1999). Nur unter bestimmten Bedingungen kann von der Einstellung auf das Verhalten geschlossen werden (Bierhoff 2005). Von den Inputmerkmalen der Kommunikation werden im Folgenden zwei ausführlicher behandelt: Quelle und Botschaft. Das sind auch die beiden Inputmerkmale, deren Wirkungen am intensivsten untersucht wurden. Sie beeinflussen unmittelbar den Erfolg einer persuasiven Kommunikation: Glaubwürdigkeit, Expertentum, Vertrauenswürdigkeit als Merkmale der Quelle; Schlussfolgerungen ziehen, Gegenargumente entkräften, Reihenfolge der Argumente berücksichtigen als Merkmale der Botschaft. Kanalmerkmale beziehen sich z. B. auf den Vergleich von Face-to-Face-Kommunikation mit Videokonferenzen. Relevante Merkmale der Empfänger sind z. B. Alter, Intelligenz und soziale Schicht. Was die durch die Kommunikation angepeilten Handlungen angeht, wird zwischen Kurzzeit- und Langzeiteffekten unterschieden.
2.
Merkmale der Quelle einer Kommunikation
Die Bedeutung der Quelle der Kommunikation wird durch die Glaubwürdigkeit des Kommunikators veranschaulicht. Allerdings kann man nicht davon ausgehen, dass hohe Glaubwürdigkeit immer für eine erfolgreiche Kommunikation steht. Denn ihre Bedeutung ist vor allem dann sichtbar, wenn die Empfänger der Botschaft der Mitteilung mit oberflächlichem Interesse gegenüberstehen. Dann erleichtert es die wahrgenommene Glaubwürdigkeit des Kommunikators, sich schnell darüber klar zu werden, ob man die Kommunikation als zutreffend ansehen kann. Glaubwürdigkeit basiert auf Expertentum und Vertrauenswürdigkeit: Expertentum trägt dazu bei, dass eine Botschaft eher akzeptiert wird, wenn eine geringe Involviertheit der Empfänger gegeben ist. Die Person denkt nicht weiter über die einzelnen Argumente nach, sondern nutzt das Expertentum als Orientierung. Bei hoher Involviertheit ist hingegen die Qualität der Argumente von entscheidender Bedeutung (Chaiken/ Maheswaran 1994).
Wahrnehmung als Kommunikationsergebnis
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Vertrauenswürdigkeit lässt sich aus den Motiven, die dem Kommunikator zugeschrieben werden, ableiten. Besteht ein persönliches Interesse oder vertritt der Sprecher seinen Standpunkt, weil er oder sie der Wahrheit verpflichtet ist und über die Wahrheit informieren will? Eine Verpflichtung zur Wahrheit wird dann eher erschlossen, wenn ein Kommunikator gegen sein persönliches Interesse argumentiert. Hingegen wird einem voreingenommenen Kommunikator, der den Standpunkt vertritt, der ihm nützt, eher mit Skepsis begegnet (Eagly/Wood/Chaiken 1978).
3.
Merkmale der Botschaft
Wie bereits dargestellt, können in der Botschaft unterschiedlich überzeugende Argumente verwendet werden. Ein Kanzlerkandidat kann für sich werben, indem er auf die lange Tradition hinweist, in der er steht, oder indem er darauf hinweist, dass er die Lösungen für die drängenden Zukunftsprobleme des Staates ausgearbeitet hat. Das zweite Argument ist offensichtlich stichhaltiger als das erste. Beurteiler stimmen im Allgemeinen darin überein, ob ein Argument für einen bestimmten Standpunkt gut oder schlecht ist. Es gibt einen großen Konsensus, was die Qualität eines Arguments angeht, selbst wenn die Beurteiler zur Sache selbst unterschiedliche Standpunkte vertreten. Sie können sehr wohl unterscheiden, ob ein bestimmtes Argument Überzeugungskraft besitzt oder nicht. Die Überzeugungskraft der Argumente in einer Kommunikation ist dann entscheidend, wenn die Empfänger hoch involviert sind. Dann nehmen sie sich die Zeit, über den Inhalt der Botschaft kritisch nachzudenken und ihre Stärken und Schwächen aufzudecken. Hingegen spielt die Qualität der Argumente für den Erfolg einer Botschaft nur eine geringe Rolle, wenn die Empfänger wenig involviert sind oder durch andere Tätigkeiten abgelenkt sind (z. B. nebenbei Radio hören, während sie an einem Referat arbeiten [Petty/Wegener 1998]). Eine Botschaft sollte nach den Regeln aufgebaut sein, die den Austausch von Ideen und Gedanken zwischen Menschen bestimmen. Grice (1975) hat die Regeln von Rede und Gegenrede in Maximen zusammengefasst, die beinhalten, was ein kompetenter Sprecher tun oder lassen sollte. Im Einzelnen beziehen sich diese Gesprächsmaximen auf die Qualität, die Quantität, die Art und Weise und die Relevanz der Darstellung: Nach der Maxime der Qualität sollte ein Kommunikator keine falschen Darstellungen geben. Nach der Maxime der Quantität sollte ein Kommunikator nur die wesentliche Information darstellen und Nebensächlichkeiten weglassen.
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Nach der Maxime der Art und Weise sollte ein Kommunikator Argumente kurz und geordnet darstellen. Nach der Maxime der Relevanz sollte ein Kommunikator sich auf das Wesentliche beschränken. Aus diesen Postulaten lässt sich ableiten, wie eine erfolgreiche Argumentation zu gestalten ist. Sie sollte nur solche Argumente enthalten, die zur hinreichenden Erklärung des Ereignisses erforderlich sind. Wenn ein Kommunikator hingegen zahlreiche Argumente anführt, obwohl nur ein Argument ausreicht, um einen Sachverhalt zu erklären, überzeugt er weniger (Bierhoff 1991). Sollte eine explizite Schlussfolgerung erfolgen oder nicht? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Sollte der Wahlredner seine Rede mit dem Appell beenden, seine Partei zu wählen, oder wäre es besser, wenn er diese Schlussfolgerung den Zuhörern überlassen würde? In der Regel ist es zu bevorzugen, Schlussfolgerungen explizit zu ziehen (McGuire 1985). Viele Zuhörer bringen nicht die Zeit auf, über die Argumente sorgfältig nachzudenken, so dass sie die gewünschte Schlussfolgerung selbst ziehen könnten. Es kann auch sein, dass eine Botschaft, die keine Schlussfolgerung enthält, als schwach aufgefasst wird. Aus pragmatischer Sicht ist anzumerken, dass eine klare Schlussfolgerung, was man tun sollte, wenn man den Argumenten folgt, zum Erfolg der Kommunikation beiträgt (Bator/Cialdini 2000). Für die Planung der Kommunikation ist auch wichtig, ob man Gegenargumente einbezieht oder nicht. Üblicherweise gibt es für einen Standpunkt, der in einer Kommunikation vertreten wird, Gegenargumente, die häufig nahe liegend sind. Daher ist es besser, diese Gegenargumente in der Botschaft zu berücksichtigen, weil sie sowieso schon in der öffentlichen Diskussion bekannt sind. Das bedeutet, dass die geläufigen Gegenargumente in der Botschaft genannt und widerlegt werden. Dadurch wird der Empfänger gegen widersprüchliche Botschaften immunisiert (McGuire 1985). Wenn Argumente und Gegenargumente verwendet werden, ist eine Entscheidung über die Reihenfolge der Argumente zu treffen. Das Beispiel der Debatte der Kanzlerkandidaten kann das Problem veranschaulichen. Wer kann seine Position besser kommunizieren: der Kandidat, der als Erster spricht oder der, der als Zweiter spricht? Hovland (1957) hat in einer umfassenden Betrachtung analysiert, wann die anfänglich genannte Information den stärkeren Einfluss ausübt (Primacy-Effekt) und wann die später gegebene Information einflussreicher ist (Recency-Effekt). Ein wichtiger Faktor ist die Kenntnis des Themas. Wenn eine Person geringe Vorkenntnisse mitbringt, wird sie im Allgemeinen einen Primacy-Effekt zeigen. Hingegen werden Zielpersonen, die sich mit dem Thema auskennen, eher abwarten und ihr Urteil verschieben, bis die relevante Information vollständig präsentiert worden ist. Daher sollten sie eher einem Recency-Effekt unterliegen. Ein weiterer Faktor, der einen Primacy-Effekt hervorruft, besteht darin, dass die gegebenen Informationen eine Einheit bilden. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Persönlichkeitseindruck gebildet wird. Alle Eigenschaften, die genannt werden, beziehen sich auf eine konkrete
Wahrnehmung als Kommunikationsergebnis
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Person, für die ein Eindruck gebildet werden muss. Unter diesen Umständen ist das Auftreten eines Primacy-Effektes wahrscheinlich. Primacy wird auch dadurch gefördert, dass die Aufmerksamkeit im Verlauf von mehreren Kommunikationen abnimmt. Das ist dann leicht möglich, wenn der Empfänger einer Flut von Information ausgesetzt ist. Während der Empfänger anfänglich noch aufmerksam zuhört, lässt die Aufmerksamkeit später deutlich nach. Das Vorhandensein einer Flut von Beeinflussungen macht einen Primacy-Effekt wahrscheinlich. Eine andere Ursache der Primacy-Effekte liegt darin, dass die zuerst gegebene Information einen kognitiven Anker bildet, an den später gegebene Information assimiliert wird. Die anfangs gegebene Information hat insofern einen Vorteil, als sie dazu beiträgt, eine kognitive Struktur entstehen zu lassen, mit deren Hilfe der Empfänger die Botschaft zu verstehen versucht. Ein Beispiel sind Überschriften, die eine bestimmte Richtung der Argumentation nahe legen. Überschriften können Perseveranz-Effekte hervorrufen. Die Position, die in der Überschrift suggeriert wird, kann aufgrund von später auftretenden widersprüchlichen Informationen nicht hinreichend korrigiert werden (Gilbert 1991). Diese Anpassung an den vorgegebenen Anker wird dadurch verstärkt, dass häufig selektives Behalten auftritt. Die Überschrift über dem Zeitungsartikel trägt dazu bei, dass Informationen, die mit der Überschrift konsistent sind, besser behalten werden als solche, die der Überschrift widersprechen. Selektives Erinnern ist ein weit verbreitetes Phänomen (Snyder/Uranowitz 1978) Recency wird aufgrund von Vergessenseffekten vor allem dann erwartet, wenn der zeitliche Abstand zwischen den widersprüchlichen Botschaften groß ist. Folgen beide Botschaften unmittelbar aufeinander, wirkt sich das Vergessen nur geringfügig aus. Wenn hingegen zwei Botschaften im Abstand von mehreren Tagen dargeboten werden, wird in der Regel ein Recency-Effekt ausgelöst (Bierhoff 2005).
4.
Abwehr gegen Beeinflussung
Menschen lassen sich ungern durch andere kontrollieren. Dieser Widerstand gegen Beeinflussung wird als Reaktanz bezeichnet, die in einem Streben nach Wiederherstellung einer bedrohten Freiheit zum Ausdruck kommt (Brehm/Brehm 1981). Jede Botschaft schränkt die Freiheit des Empfängers in gewissem Sinne ein, weil sie seine Möglichkeit begrenzt, jede der möglichen Positionen zu einem Sachverhalt einzunehmen. Eine Festlegung auf eine Position bedeutet letztlich eine Freiheitseinschränkung. Persuasionen können als Angriff auf die Freiheit des Empfängers angesehen werden. Je stärker das Gefühl aufkommt, dass Druck durch die Persuasion ausgeübt wird, desto mehr Reaktanz ist
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zu erwarten. Dann geht die Kommunikation entweder ins Leere oder – was wesentlich schlimmer ist – ein Bumerangeffekt kommt zustande, der darauf beruht, dass der Empfänger sich in seiner Abwehrhaltung so sehr versteift, dass er nach der Persuasion dem Standpunkt der Botschaft gegenüber kritischer eingestellt ist als vorher (Wicklund 1974). Reaktanz kann auch dann ausgelöst werden, wenn mehrere Wahlalternativen vorhanden sind, von denen in der Botschaft eine als die beste bezeichnet wird. Die Auswahl einer Alternative als die beste impliziert eine Freiheitseinengung. Denn nach der Auswahl stehen die übrigen Alternativen nicht mehr zur Verfügung. Die Reaktanz ist größer, wenn der Empfänger nicht erwartet hat, dass er in seiner Freiheit eingeschränkt wird, und sich durch die Persuasion überrumpelt fühlt; wenn die Botschaft einen hohen Druck enthält, sich so zu entscheiden, wie es empfohlen wird; wenn dem Empfänger die Beibehaltung seiner Freiheit in dem angesprochenen Themenbereich besonders wichtig ist (z. B. weil es um viel Geld geht); wenn der Empfänger befürchtet, dass die Persuasion nur den Anfang für weitere Beeinflussungsversuche darstellt, sodass er immer mehr an Handlungsspielraum in unterschiedlichen Bereichen verlieren könnte, wenn er nicht rechtzeitig gegen hält. Prinzipien der Reaktanztheorie lassen sich vielfältig anwenden. Überall, wo Einfluss ausgeübt wird, ist Reaktanzmotivation subtil oder offen vorhanden. Ein Beispiel ist die Verwendung von Warnungen, bestimmte Angebote nicht an Jugendliche unter 18 Jahren zu verkaufen. Solche Warnungen tragen dazu bei, dass die verbotenen Angebote attraktiver gemacht werden. Dieser Bumerangeffekt ist besonders stark, wenn der Empfänger die Warnung als unangemessene Zensur auffasst. Dann wird er sich wahrscheinlich dagegen auflehnen, indem er genau das Verhalten zeigt, vor dem er gewarnt worden ist (Bushman/Stack 1996). Die motivierte Abwehr der Empfänger gegen Beeinflussung ist wie ein Naturgesetz der Persuasion. Daher kann sie bei der Planung einer Kommunikation nicht außer Acht gelassen werden. Erfolgreiche Persuasionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie möglichst wenig Reaktanz bei den Empfängern auslösen.
Wahrnehmung als Kommunikationsergebnis
5.
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Feedbackeffekte
Wir sind daran gewöhnt zu denken, dass Einstellungen das Handeln beeinflussen. Dabei vergessen wir häufig, dass es auch umgekehrt ablaufen kann: Handeln beeinflusst die Einstellungen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn jemand unter einem Vorwand zu einer bestimmten Handlung verleitet wird, die er ohne diese Einflussnahme nicht ausgeführt hätte. Ein Beispiel ist ein Kabel-TV-Anbieter, der eine Werbeaktion so gestaltet, dass er potenziellen Kunden anbietet, drei Monate lang umsonst 50 kostenpflichtige Programme zu empfangen. Da die potenziellen Kunden die Programme vermutlich auch einschalten werden – wenn sie nun schon einmal zur Verfügung stehen – lassen sie sich zu einem Handeln verführen, das sich vermutlich auf ihre Einstellung zum Kabelfernsehen und auf eine spätere Kaufentscheidung positiv auswirkt. Diese Zusammenhänge werden von der Theorie der kognitiven Dissonanz erfasst. Menschen überdenken ihre Einstellungen in Abhängigkeit davon, wie sie sich entschieden haben, um Konsistenz zwischen Handeln und Einstellungen herzustellen (Bator/ Cialdini 2000, Festinger 1964). Handlungen, die zu der skeptischen Meinung einer Person widersprüchlich sind, kann man nicht mehr rückgängig machen; man kann aber die Einstellungen ändern, so dass der Widerspruch aufgelöst wird. Solche Effekte lassen sich auf die Festlegung auf einen Standpunkt zurückführen: Menschen streben danach, vor sich selbst und vor Freunden und Bekannten als konsequent zu erscheinen (Cialdini 2004). Die Bindung an eine Handlung oder ein Angebot schafft eine Eigendynamik, die die Selbstwahrnehmung verändert. Der Vorgang der Selbstüberzeugung durch Beobachtung des eigenen Handelns wird durch den Erfolg der Fuß-in-der-Tür-Taktik verdeutlicht (Freedman/Fraser 1966). Diese Taktik besteht aus einer Sequenz von zwei Bitten. Während die erste Bitte relativ geringfügig ist, enthält die zweite Bitte eine substanzielle Forderung. In einem Demonstrationsexperiment, das in Kalifornien durchgeführt wurde, ging es um das Aufstellen eines großen hässlichen Plakats mit der Aufschrift „Fahre vorsichtig!“ im Vorgarten. In der Kontrollbedingung wurden die Hausbesitzer gebeten, das Plakat aufzustellen. In der Versuchsbedingung ging der Bitte eine geringfügige Bitte voraus, die zwei Wochen vorher anscheinend unabhängig von der zweiten Bitte gestellt worden war. Die Hausbesitzer waren um die Unterschrift unter eine Petition gebeten worden, die entweder sicheres Autofahren oder „Keep California beautiful“ forderte. Die Unterschrift unter die Petition wurde gerne geleistet. Die Bereitschaft, das große Plakat im Vorgarten aufzustellen, erhöhte sich nach der Erbringung dieser geringfügigen Vorleistung. Im Durchschnitt stieg sie im Vergleich zur Kontrollgruppe um mehr als das Dreifache auf 54,7 Prozent an. Zur Erklärung bietet sich die veränderte Selbstwahrnehmung an: Die Person entnimmt aus ihrer ersten Reaktion auf die vorausgeschickte Bitte, dass sie bereit ist, solche Bitten zu erfüllen. Diese Selbstzuschreibung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie später das große Plakat aufstellt. Die Handlung impliziert ein Feedback auf die Einstellung.
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Anekdoten aus dem Alltag unterstreichen die Bedeutung der Bindung an eine Handlung. So soll Richard Nixon vor seiner politischen Karriere auf die Frage, ob er Republikaner sei, geantwortet haben: „I guess, I voted for Dewey“. Gouverneur Thomas E. Dewey war der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, der 1944 und 1948 erfolglos antrat. Nixon erschloss also seine politische Einstellung, indem er sich an seinem Wahlverhalten orientierte. Die Fuß-in-der-Tür-Taktik ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Vorbereitung über eine kleine Bitte dazu führt, dass das Selbstbild verändert wird. Die Person weiß nicht, dass sich ihre Einstellung verändert, da der soziale Einfluss über ein scheinbar harmloses Handeln ausgelöst wird. Trotzdem ergibt sich eine nachweisbare Auswirkung dieses Handelns, die die Taktik als sehr effektiv erweist. Voraussetzung dafür ist, dass die Bindung an eine Handlung freiwillig erfolgt und mit einem gewissen Aufwand verbunden ist.
6.
Abschließende Bemerkung
Aus vielen Anwendungsbereichen ist bekannt, dass Persuasionen zwar kurzfristig wirksam sind, aber langfristig ohne Bedeutung bleiben (Bator/Cialdini 2000). Das hängt damit zusammen, dass die Menschen im Alltag mit Kommunikationen überflutet werden und dass sie Reaktanzmotivation besitzen. Außerdem erfolgt die Persuasion nicht zu dem Zeitpunkt, zu dem das angepeilte Verhalten erwünscht ist, so dass Gedächtnisprozesse wichtig werden. Daher ergibt sich die Folgerung, dass bei Themen, die für die öffentliche Diskussion von Bedeutung sind, einmalige Kommunikationen meist nicht viel bewirken. Vielmehr sind umfangreiche und auf der Grundlage des Modells der Kommunikation sorgfältig geplante Kampagnen (Röttger 2007) erforderlich, um eine langfristige Verhaltensänderung zu erzielen. Das gilt im Bereich von Antiraucher-Kampagnen genauso wie in anderen Feldern der öffentlichen Persuasion (z. B. Werbespots, die auf umweltschonendes Verhalten abzielen). Das Wissen über die Wahrnehmung als Kommunikationsergebnis ist der Schlüssel zur Entwicklung von Botschaften, die einen erwünschten Einfluss auf die Empfänger ausüben.
Wahrnehmung als Kommunikationsergebnis
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Literatur
Bator, Renee J./Cialdini, Robert B. (2000): The application of persuasion theory to the development of effective proenvironmental public service announcements, in: Journal of Social Issues, Vol. 56, S. 527-541. Bierhoff, Hans-Werner (1991): Schema der hinreichenden Ursache als Maxime der Kausalerklärung: Was sind informative und ausreichende Erklärungen?, in: Zeitschrift für Sozialpsychologie, 22. Jg., S. 112–122. Bierhoff, Hans-Werner (2005): Sozialpsychologie. Ein Lehrbuch, 6. Auflage, Stuttgart. Brehm, Sharon S./Brehm, Jack W. (1981): Psychological reactance: A theory of freedom and control, New York. Bushman, Brad J./Stack, Angela D. (1996): Forbidden fruit versus tainted fruit: Effects of warning labels on attraction to television violence, in: Journal of Experimental Psychology: Applied, Vol. 2, S. 207–226. Chaiken, Shelly/Maheswaran, Durairaj (1994); Heuristic processing can bias systematic processing, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 66, S. 460-473. Cialdini, Robert B. (2004): Die Psychologie des Überzeugens, 3. Auflage, Bern. Eagly, Alice H./Wood, Wendy/Chaiken, Shelly (1978): Causal interferences about communicators and their effects on opinion change, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 36, S. 424-435. Festinger, Leon (1964): Conflict, decision and dissonance, Stanford (CA). Freedman, Jonathan L./Fraser, Scott C. (1966): Compliance without pressure: The footin-the-door technique, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 4, S. 195-202. Gilbert, Daniel T. (1991): How mental systems believe, in: American Psychologist, Vol. 46, S. 107–119. Grice, Herbert Paul (1975): Logic and conversation, in Cole, Peter/Morgan, Jerry L. (Hrsg.): Syntax and semantics 3: Speech acts, New York, S. 41-58. Hovland, Carl I. (1957): Summary and implications, in Hovland, Carl I. et al. (Hrsg.): The order of presentation in persuasion, New Haven, S. 129-157. Lasswell, Harold D. (1948): The structure and function of communication in society, in: Bryson, Lyman (Hrsg.): The communication of ideas, New York, S. 37-52. Lord, Charles G./Lepper, Mark R. (1999). Attitude representation theory, in Zanna, Mark P. (Hrsg.): Advances in experimental social psychology, San Diego (CA), Vol. 31, S. 265-343. McGuire, William J. (1985): Attitude and attitude change, in: Lindzey, Gardner/Aronson, Elliot (Hrsg.): The handbook of social psychology, New York, Vol. 1, S. 223–346. Petty, Richard E./Wegener, Duane T. (1998): Attitude change: Multiple roles for persuasion variables, in: Gilbert, Daniel T./Fiske, Susan T./Lindzey, G.ardner (Hrsg.): Handbook of social psychology, Boston (MA), Vol. 1, S. 323–390.
598
Hans-Werner Bierhoff
Piwinger, Manfred/Ebert, Helmut (2004). Organisationskultur und Organisationskommunikation, in: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (Hrsg.): Öffentlichkeitsarbeit für Nonprofit-Organisationen, Wiesbaden, S. 341-362. Röttger, Ulrike (2007): Kampagnen planen und steuern: Inszenierungsstrategien in der Öffentlichkeit, in diesem Band. Snyder, Mark/Uranowitz, Seymour W. (1978): Reconstructing the past: Some cognitive consequences of person perception, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 36, S. 941-950. Wicklund, Robert A. (1974): Freedom and reactance, Potomac (MD).
Der Jahresabschluss als Medium der Information und Kommunikation Karl-Heinz Maul
Jahresabschlüsse gehören zu den wichtigsten Informationsmedien von Unternehmen. Sie dienen der Selbstinformation unternehmensinterner Eigentümer und der Information außenstehender Kapitalgeber sowie weiterer Unternehmensbeteiligter. Die Interessen dieser Adressaten sind nicht (immer) identisch. Sie können miteinander kollidieren, wenn die Befriedigung des Informationsinteresses einer Gruppe zum Schaden einer oder mehrerer anderer Gruppen gereicht. Gesetzliche Rechnungslegungsregeln müssen entweder Prioritäten setzen oder mögliche Interessengegensätze berücksichtigen und sowohl Mindestanforderungen als auch Informationsgrenzen festlegen. Dieser Beitrag stellt dar, inwieweit diese Anforderungen durch die gesetzliche Rechnungslegung erfüllt werden.
1.
Problemstellung
Jahresabschlüsse sind Instrumente der Rechenschaft. Sie können mit oder ohne gesetzliche Verpflichtung erstellt werden. Auf freiwilliger Basis erstellte Jahresabschlüsse sind an keine bestimmte Form gebunden, sondern können durch Vereinbarung unter den Bilanzierenden und den Adressaten frei gestaltet werden. Mit (gesetzlichen) Vorschriften über Jahresabschlüsse sind grundsätzlich Schutzwirkungen zugunsten bestimmter Unternehmensbeteiligter verbunden, so dass durch Gesetz oder über gesetzlich begründete Fachgremien („Standard Setter“) Mindestanforderungen an Form, Inhalt und Verwendung von Jahresabschlüssen bestimmt werden. Regelungen über Umfang und Inhalt gesetzlicher Jahresabschlüsse differieren nach der Rechtsform, der Branche und der Größe von Unternehmen. In allen Fällen hat der Jahresabschluss Dokumentationspflichten zu erfüllen: durch Sicherung von Urkundenbeständen gegen M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_34, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Karl-Heinz Maul
nachträgliche Inhaltsänderung im Interesse der Rechtspflege. Darüber hinaus dient der Jahresabschluss von Einzelkaufleuten im Wesentlichen der Selbstinformation des Eigentümers über seine wirtschaftliche Lage. Diese Funktion wird bei Personenhandelsgesellschaften mit mindestens einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter durch die Aufgabe ergänzt, die Basis der Gewinnverteilung unter den Gesellschaftern darzustellen (Stützel 1967). Erreichen solche Unternehmen eine nach Bilanzsumme, Umsatz und Zahl der Mitarbeiter volkswirtschaftlich relevante Größe, müssen sie ihre Jahresabschlüsse nach dem Publizitätsgesetz (PublG) von neutralen Sachverständigen (Wirtschaftsprüfern) prüfen lassen und veröffentlichen. Die gleiche Pflicht trifft Unternehmen, bei denen die Haftung für Gesellschaftsschulden beschränkt ist, d. h. Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften ohne mindestens eine natürliche Person als Vollhafter. In solchen Fällen dient der Jahresabschluss auch der Festlegung von Mindest- und Höchstausschüttungsbeträgen im Interesse von Anteilseignern und Gläubigern. Ausschüttungen sind nur möglich, wenn Schulden und Haftungskapital durch Vermögen gedeckt sind. Dieses Kapitalerhaltungsprinzip beherrscht deutlich den Kreis und die Bewertung von Bilanzvermögen. Unabhängig von der Rechtsform müssen Unternehmen gesetzliche Publizitätspflichten erfüllen, wenn ihre Tätigkeit auf dem Vertrauen der mit ihnen aktuell oder potenziell in Verbindung tretenden Personen beruht. Dieser Unternehmenskreis besteht hauptsächlich aus Kreditinstituten und Versicherungen. Wird die unternehmerische Tätigkeit nicht nur über ein Unternehmen, sondern über mehrere miteinander rechtlich und wirtschaftlich verbundene Unternehmen (unter einheitlicher Leitung) ausgeübt, müssen die Vermögens-, die Finanz- und die Ertragslage solcher Unternehmensgruppen in Konzernabschlüssen abgebildet werden. Wenden sich Unternehmen unabhängig von der Rechtsform an den anonymen Kapitalmarkt, muss der Jahresabschluss, abgesehen von den allgemeinen Dokumentations- und Publizitätspflichten, weitere Informationspflichten erfüllen. Da die Eigenkapitalgeber bei solchen Unternehmen, wenn sie nicht korporativ auftreten, regelmäßig keinen Einfluss auf die Geschäftsführung haben, sind sie bei ihren Anlageentscheidungen auf veröffentlichte Informationen angewiesen, die nicht nur Rechenschaftsberichte über abgeschlossene Perioden darstellen dürfen, sondern die zukünftige Entwicklung möglichst zuverlässig schätzen lassen. Dabei spielt der zeitliche Aspekt eine wichtige Rolle. Je früher die Unternehmensleitung den Kapitalmarkt über das Unternehmensgeschehen informiert und mit dem Kapitalmarkt kommuniziert, umso eher kann der Kapitalanleger die daraus für sein Verhalten notwendigen Maßnahmen treffen. Dies gilt sowohl für erwartete positive als auch für erwartete negative Entwicklungen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Kapitalanleger häufig keine Detailkenntnisse von den Märkten haben, in denen die Unternehmen tätig sind. Sie sind auch meist nicht in der Lage, interne und externe Einflüsse auf das unternehmerische Verhalten zu beurteilen, und benötigen deshalb aufbereitete Informationen. Jahresabschlüsse als wichtigste gesetzliche Informationsquellen müssen deshalb die komplexe wirtschaftliche Lage der Unternehmen in verständlicher Form widerspiegeln und dabei die Gefahr vermeiden, Kapitalanleger durch unverständliche oder zu umfangreiche Informationen zu überfordern. Aus der Kommunikation mit dem Kapitalmarkt soll möglichst eine Art Kundenbindung mit dem Unternehmen erzeugt werden. Der Kapitalanleger soll dem Unternehmen treu bleiben und bei möglichen Kapitalerhöhungen sein Bezugsrecht ausüben.
Der Jahresabschluss als Medium der Information und Kommunikation
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Jahresabschlüsse als Informations- und Kommunikationsmedien müssen deshalb so gestaltet sein, dass die (gesetzlichen oder von der Unternehmensleitung gewollten) Adressaten daraus die für ihre Entscheidungen maßgeblichen Daten erhalten oder ableiten können.
2.
Die Selbstinformationsfunktion von Jahresabschlüssen
Nach § 238 Abs. 1 HGB ist „jeder Kaufmann … verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens … ersichtlich zu machen“. Er hat darüber hinaus nach § 242 HGB „einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss (… Bilanz)“ und „eine Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs (Gewinn- und Verlustrechnung) aufzustellen“. Unterlässt er diese Pflicht, muss er unter bestimmten Bedingungen mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen. Er kann nach § 283 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wenn er in einer Krise, d. h. bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit, „entgegen dem Handelsrecht a) Bilanzen so aufstellt, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder b) es unterlässt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen“. Voraussetzung der Bestrafung sind Zahlungseinstellung, Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Ablehnung mangels Masse (§ 283 Abs. 6 StGB). Die Bestrafung ist – auch unter der Voraussetzung einer der Bedingungen des § 283 Abs. 6 StGB – nach § 283 b StGB milder, wenn die Versäumnisse außerhalb der Krise vorgekommen sind. Das heißt: Auch dann, wenn ein Unternehmen sich nicht in einer Krise befindet, aber durch irgendwelche unvorhersehbaren Ereignisse Insolvenz eintritt und die gesetzliche Bilanzierungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt wurde, droht die Bestrafung nach § 283 b StGB. Der Kaufmann soll sich rechtzeitig durch ordnungsgemäß erstellte Jahresabschlüsse eine „Vermögensübersicht“ verschaffen. Adressat dieser Jahresabschlüsse ist er selbst, im Insolvenzfall das Gericht. Publizität ist dazu nicht erforderlich. Die Verbindung der (periodischen) Rechnungslegungspflicht mit der Bestrafung im Insolvenzfall hat nur dann einen Sinn, wenn die zeitgerechte Bilanzierung Hinweise auf die Entfernung des Kaufmanns von einer Krise ist. Er soll so früh wie möglich eine drohende oder eingetretene Krise erkennen können, um eventuell gegenzusteuern oder die ihn treffenden Pflichten im Falle einer Insolvenz rechtzeitig zu erfüllen. Es ist demnach zu fragen, welchen Inhalt eine Bilanz haben muss, um Anhaltspunkte für den Grad der Krisengefahr zu erhalten. Da die Bilanz eine Stichtagsaufnahme widerspiegelt, beschränkt sich die Aussage-
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kraft auf den Überschuldungstatbestand; die Zahlungseinstellung ist eine autonome Entscheidung des Kaufmanns, und die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit lässt sich eher über einen Finanzplan statt über die Bilanz erkennen. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen nicht mehr die Schulden deckt. Wenn (regelmäßige) Bilanzen dafür Indikatoren sein sollen, definiert diese einfache Formulierung den Bilanzinhalt und die Bewertung. Es sind alle Schulden des Kaufmanns und sein gesamtes (Handels-)Vermögen zu erfassen, soweit es Schuldendeckungspotenzial darstellt. Das Vermögen ist so zu bewerten, wie es im Rahmen des normalen Geschäftsverlaufs Ertragspotenzial repräsentiert. Bilanzierungsverbote für in diesem Sinne wertvolle selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte und die über das Anschaffungswertprinzip mögliche Bildung stiller Reserven müssten danach beseitigt werden; der Geschäfts- oder Firmenwert wäre, da er als solcher nicht veräußerbar ist, mit einer Ausschüttungssperre wie die Ingangsetzungskosten zu belegen. Da das Bilanzrecht bewusst auf eine unvollständige, „vorsichtige“, auf eventuelle Vermögensreserven bedachte Vermögensdarstellung ausgerichtet ist, können Bilanzen keine zuverlässigen Informationen über den Grad einer Bestandsgefährdung liefern. Jahresabschlüsse sind deshalb als Mittel zur Selbstinformation im Sinne der §§ 283 ff. StGB nur bedingt geeignet. Der Zwang zur ordnungsgemäßen und zeitgerechten Erfüllung der Buchführungsund Bilanzierungsvorschriften soll jedoch dazu beitragen, ergänzende Informationen über den begrenzten Bilanzinhalt hinaus zu erlangen, um rechtzeitig das eigene Gläubigergefährdungspotenzial zu erkennen. Eine Volkswirtschaft, die auf das Vertrauen in die Kreditwirtschaft gegründet ist, muss auch Möglichkeiten zum Schutz von Gläubigern schaffen. Insoweit ist die Selbstinformationspflicht von Kaufleuten über ihren Vermögensstand Bestandteil eines solchen Schutzsystems. Diese gesetzlich geregelte Funktion von Jahresabschlüssen darf nicht damit verwechselt werden, dass Gläubiger zur Beurteilung der Sicherheit ihrer Kreditrückzahlungsansprüche auch auf Jahresabschlussinformationen zurückgreifen. Sie können bei der Kreditgewährung zusätzliche vertragliche Informationspflichten vereinbaren und haben auch Rechte aus dem Kreditwesengesetz. Kreditwürdigkeitsprüfungen nur auf Jahresabschlüsse zu beschränken, müsste als fahrlässig angesehen werden. Kreditrückzahlungen und Zinszahlungen hängen von künftigen Zahlungsüberschüssen ab, wofür vergangenheitsorienterte Jahresabschlüsse nur sehr begrenzte Anhaltspunkte geben. Auch die bei Kreditgewährungen üblichen Kreditsicherheiten werden nicht an Bilanzwerten gemessen, sondern an potenziellen Veräußerungserlösen. Gesetzlicher Gläubigerschutz ist nicht an die Publizität von Jahresabschlüssen gebunden.
Der Jahresabschluss als Medium der Information und Kommunikation
3.
Die Information Unternehmensexterner durch Jahresabschlüsse
3.1
Adressatenkreis und Informationsbedarf
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Als Unternehmensexterne sollen hier jene Personen oder Personengruppen bezeichnet werden, die anders als Mitglieder der Unternehmensleitung oder als Organ keinen Zugang zu unternehmensinternen Daten haben, sondern auf Informationen dieses Personenkreises angewiesen sind. Dazu zählen außenstehende Gesellschafter, Anlageberater, Gläubiger, Kunden, Arbeitnehmer, Finanzbehörden, Journalisten und die allgemeine Öffentlichkeit. Nicht alle haben einen gesetzlich geregelten Anspruch auf Information, einige sind in der Lage, sich vertragliche Informationsrechte zu sichern, wie beispielsweise Kreditinstitute bei der Kreditgewährung oder Arbeitnehmer über die betrieblichen Mitbestimmungsregelungen, andere werden von der Unternehmensleitung freiwillig und gezielt informiert, um bestimmte Zwecke zu erreichen, wie beispielsweise Analysten und Journalisten bei beabsichtigten Kapitalmaßnahmen. Soweit gesetzliche Informationspflichten bestehen, verbindet der Gesetzgeber mit der Information Schutzwirkungen. Sie gelten vor allem den Unternehmenseigentümern und sind danach differenziert, ob das Unternehmen in einer Rechtsform geführt wird, die durch die Trennung von Unternehmensleitung und Anteilsinhaberschaft gekennzeichnet ist, oder ob es den (anonymen) Kapitalmarkt in Anspruch nimmt. Bei Fremdorganschaft, wie dies regelmäßig bei Aktiengesellschaften der Fall ist, räumt das Gesellschaftsrecht der Verwaltung Kompetenzen ein, die in die Rechte der Eigentümer eingreifen. Dies betrifft unter anderem die Gewinnverwendungskompetenz. Nach § 58 Abs. 2 AktG können Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft im Rahmen der Jahresabschlussfeststellung bis zur Hälfte des Jahresüberschusses Rücklagen zuführen, d. h. die Gewinnausschüttung begrenzen. Der Anteilseigner wird über die um Rücklagenzuführungen verminderte Gewinnausschüttung erst über den Jahresabschluss informiert, hat aber selbst keine Möglichkeit, dies zu beeinflussen. Entstehen Gewinne innerhalb eines Konzerns auf der Ebene von Tochter- und Enkelgesellschaften, kann diese Einschränkung über die Rechtsform oder über den Beschluss der Muttergesellschaft als (alleiniger) Anteilseigner ausgedehnt werden. Anteilseigner der Muttergesellschaft können solche Informationen nur über den Vergleich der Einzelabschlüsse mit dem Konzernabschluss erlangen. Die Publizität von Jahresabschlüssen dient insoweit auch der Information über die Ausnutzung von Gewinnverwendungskompetenzen der Unternehmensleitung. Kapitalanleger erwarten mit der Beteiligung an einem Unternehmen eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Dazu benötigen sie Informationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zum Beteiligungszeitpunkt und Informationen über die voraussicht-
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liche künftige Entwicklung. Bei Unternehmensanleihen mit fester Verzinsung beschränkt sich der Informationsbedarf auf die Solvenz während der Anleihelaufzeit. Weitaus kritischer ist es beim Erwerb von Eigenkapitalanteilen (Aktien, Fonds- oder GmbH-Anteile). In den seltensten Fällen werden solche Anteile zum Nennbetrag ausgegeben, oder man muss am Markt gehandelte Anteile zu einem davon abweichenden Kurs erwerben; auch gibt es im Gegensatz zu den Anleihen keine Rückzahlungsgarantie der Höhe nach. Um die Berechtigung eines Kaufpreises über den Nennbetrag der Anteile hinaus zu beurteilen, benötigt der potenzielle Anteilseigner Informationen über die künftige, erwartete Erfolgsentwicklung. Der Preis von Überpari-Ausgaben oder die Preise von am Markt vorhandenen Anteilen sollen die künftige Ertragskraft der Anteile widerspiegeln. In Kenntnis dieser Preise und der eigenen Einschätzung der voraussichtlichen finanziellen Vorteile aus dem Engagement können potenzielle Anteilseigner beurteilen, ob sich ein Kauf lohnt. Sie müssen den Ertragswert ihrer Anteile schätzen. Dazu benötigen sie Prognosedaten. Gleiche Daten sind erforderlich, wenn sie nach einer bestimmten Zeit prüfen wollen, ob sich ihr Einsatz gelohnt hat und ein weiteres oder erweitertes Engagement geboten erscheint. Die Veränderung des Ertragswertes zeigt dann an, inwieweit die Erwartungen beim Erwerb bestätigt wurden. Daraus können Kritik oder Beifall für die Unternehmensleitung resultieren, aber auch die Einsicht in eigene Schätzfehler. Die Beurteilung der Geschäftsführung hinsichtlich ihrer Erfolgswirkung in einer abgeschlossenen Periode (einem Geschäftsjahr) setzt demnach voraus, dass man Zukunftserwartungen zu Beginn und am Ende dieser Periode miteinander vergleicht. Jahresabschlüsse und Lageberichte sind die einzigen regelmäßigen gesetzlichen Informationsmittel für die Anteilseigner. Wenn sie taugliche Mittel zur Information der Anteilseigner sein sollen, müssen sie Indikatoren der künftigen Unternehmensentwicklung enthalten, und zwar umso umfangreicher und verlässlicher, je mehr das Unternehmen auf den Kapitalmarkt angewiesen ist. Bei Aktiengesellschaften übt die Pflicht zur Information über die Beachtung der Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ (§ 161 AktG) einen nicht unerheblichen Druck auf die Vermittlung verbesserter Transparenz über das Jahresergebnis beeinflussende Faktoren aus, und zwar vor allem zeitnah zu besonderen Ereignissen. Dies führt zwangsläufig von der primär einseitigen Information mittels Jahresabschlüssen zur interaktiven Kommunikation zwischen Unternehmen und Kapitalmarktteilnehmern (zur Abgrenzung von Information und Kommunikation siehe Piwinger/ Porák 2005).
3.2
Bestandteile des Jahresabschlusses nach HGB
Nach § 242 Abs. 3 HGB besteht der Jahresabschluss aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften ohne mindestens eine natürliche Person als Vollhafter haben den Jahresabschluss um einen Anhang zu erwei-
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tern (§§ 264 Abs. 1, 264a Abs. 1 HGB). Sie haben ferner diesen – erweiterten Jahresabschluss – durch einen Lagebericht zu ergänzen (§ 264 Abs. 1 HGB). Liegen Konzernverhältnisse vor, ist die Muttergesellschaft verpflichtet, Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte zu erstellen (§ 290 Abs. 1 HGB). Wird von einem Konzernunternehmen der organisierte Kapitalmarkt in Anspruch genommen, muss das Mutterunternehmen als Bestandteile des Konzernabschlusses auch eine Kapitalflussrechnung, einen Segmentbericht und einen Eigenkapitalspiegel veröffentlichen (§ 297 Abs. 1 HGB). Jahresabschlüsse und Konzernjahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften über eine bestimmte Größe hinaus müssen von Abschlussprüfern geprüft werden und sind mit dem Lagebericht dem Handelsregister einzureichen. Ab einer bestimmten Unternehmensgröße (§ 267 Abs. 3 HGB) ist auch die Veröffentlichung im Bundesanzeiger vorgeschrieben. Weitere Veröffentlichungspflichten können im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung der Gesellschaften geregelt sein. Die Ausrichtung der Bilanzen und der Gewinn- und Verlustrechnungen sowie, damit zusammenhängend, der Segmentberichte und der Kapitalflussrechnung von Konzernmuttergesellschaften ist vergangenheits- und stichtagsorientiert. Es handelt sich vor allem um Rechenschaftsberichte über die Tätigkeit der Unternehmen im abgeschlossenen Geschäftsjahr. Die Erfolgsrechnungen enthalten überwiegend Aufwendungen und Erträge abgewickelter Rechtsgeschäfte. Auf Grund des Kapitalerhaltungsprinzips wird Bilanzvermögen (mit wenigen Ausnahmen) auf Schuldendeckungspotenzial beschränkt. Investitionen in die immer wichtiger werdenden, selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerte sind von der Bilanzierung ausgeschlossen (§ 248 Abs. 2 HGB); das damit geschaffene Erfolgspotenzial bleibt verborgen. Als laufende Aufwendungen der Gewinn- und Verlustrechnung werden sie auch nicht separat in Kapitalflussrechnungen ausgewiesen. Prognosewerte fließen nur begrenzt in Bilanzwerte ein, und zwar vor allem dann, wenn erwartete künftige Ereignisse Vermögensminderungen oder Schuldenerhöhungen bedeuten. Die dadurch zwangsläufigen Informationsschranken sollen durch Anhang und Lagebericht überwunden werden (Maul/Greinert 2002). Darauf weist § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB mit der Verpflichtung zu Anhangangaben hin, wenn besondere Umstände dazu führen, dass der Jahresabschluss kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt. Allerdings interpretiert die Praxis diese Forderung nicht ertragswertorientiert, sondern hält sich durchweg an die in den §§ 284 ff. HGB im Einzelnen aufgeführten Pflichtangaben. Wesentliche Ergänzungen erfährt der Jahresabschluss im Lagebericht, besonders auf Grund der Neufassung der §§ 289 und 315 HGB, durch das Bilanzrechtsreformgesetz vom 4. Dezember 2004 (Bundesministerium für Justiz 2004). Gegenüber der früheren Fassung des § 289 HGB sind folgende wichtige Ergänzungen hinzugekommen: 1. Der Lagebericht soll eine „ausgewogene und umfassende, dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeitt entsprechende Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft“ enthalten.
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2. Die für die Geschäftstätigkeit bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren sind in Verbindung mit den Jahresabschlusszahlen zu erläutern. 3. Bei großen Kapitalgesellschaften sind auch die nichtfinanziellen Leistungsindikatoren in die Erläuterungen einzubeziehen. 4. Die voraussichtliche Entwicklung der Gesellschaft mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken ist zu beurteilen und zu erläutern. Die zugrunde liegendenen Annahmen sind dabei anzugeben. Die Regelungen für den Lagebericht sind weitgehend wortgleich für den Konzernlagebericht in § 315 HGB übernommen worden. Die Beschränkung der Berichterstattung über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren auf große Kapitalgesellschaften gilt nicht für den Konzernlagebericht. Die als vierter Punkt aufgeführte Darstellung der voraussichtlichen Entwicklung der Gesellschaft war schon in der vorher gültigen Fassung als Sollvorschrift und ohne die jetzt detaillierten Anforderungen enthalten. Wichtig erscheint dabei, dass nicht nur auf die Risiken hinzuweisen ist, sondern auch die wesentlichen Chancen anzugeben sind. In der Begründung zu diesen Zusatzanforderungen heißt es, dass sie dazu beitragen sollen, den Gehalt des Lageberichts an entscheidungsrelevanten Informationen zu erhöhen und dem Investor Soll-Ist-Vergleiche zu ermöglichen. Die Ziele und Strategien für das Unternehmen sind in ihren wesentlichen Elementen darzustellen. Unklar ist, was der Gesetzgeber unter den „nichtfinanziellen Leistungsindikatoren“ verstanden wissen will. Der Gesetzestext weist, wenn auch nur beispielhaft, auf Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange hin, soweit sie für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind, aber die Begründung zu dieser Regelung ist wesentlich deutlicher: Die Aufzählung der Belange der Arbeitnehmer und des Umweltschutzes soll keineswegs abschließend sein und auch keine Schwerpunktbildung dokumentieren. Verlangt werden auch „sonstige nichtfinanzielle Angaben …, wenn sie zur Einschätzung von Geschäftsverlauf oder Lage von Bedeutung sind oder die voraussichtliche Unternehmensentwicklung wesentlich beeinflussen können. Dazu werden regelmäßig die Entwicklung des Kundenstammes, das Humankapital, der Bereich Forschung und Entwicklung, unter Umständen auch die – z. B. durch Sponsoring oder karitative Zuwendungen seitens des Unternehmens geförderte – gesellschaftliche Reputation der Kapitalgesellschaft zählen“ (Bundesministerium für Justiz 2004: 64). Die genannten immateriellen Vermögenswerte sind, soweit sie selbst geschaffen sind, nicht bilanzierbar. Die Betriebswirtschaftslehre hat sich – wohl auch aus diesem Grund – lange Zeit nicht um Quantifizierungsverfahren bemüht, sondern sich auf Indikatoren beschränkt. Statt beispielsweise den Wert einer selbst geschaffenen Marke zu ermitteln, hat man sich damit begnügt, die Marketingaufwendungen, den Bekanntheitsgrad der Marke, Wiederkaufraten, Absatzwirkungen von Promotions und Ähnliches statistisch zu verfolgen. Die stetig wachsende Bedeutung immaterieller Vermögenswerte für den Wert von Unternehmen hat in den letzten Jahren jedoch eine Fülle verschiedener Ansätze zur Bewertung einzelner immaterieller Vermögenswerte hervorgebracht, so dass man sich nicht mehr mit solchen Indikatoren zur Beurteilung der Investitionen in immaterielles Vermögen begnügen muss. Wirtschaftlichen Kapitaleinsatz kann man nur beurteilen, wenn man auch
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lichen Kapitaleinsatz kann man nur beurteilen, wenn man auch den damit erzielten Output in der gleichen Dimension, nämlich in Währungseinheiten, misst. Es ist zu hoffen, dass die gesetzliche Formulierung der nichtfinanziellen Leistungsindikatoren extensiv ausgelegt wird und auch die damit verbundenen finanziellen Ströme und Veränderungen (Investitionen, Aufwendungen, Erfolge, Werte und ihre Veränderungen) darunter subsumiert. Wenn die immateriellen Vermögenswerte oft mehr als die Hälfte des Unternehmenswertes ausmachen, aber nicht bilanziell erfasst werden, besteht kein Zweifel daran, dass sie, wie die Begründung oben ausdrückt, „zur Einschätzung von Geschäftsverlauf oder Lage von Bedeutung sind“. Konzernabschlüsse dienen vor allem der Information Außenstehender. Sie sind kein Instrument der Kapitalerhaltung und auch nicht für die Ermittlung von Ausschüttungen maßgebend. Man könnte deshalb annehmen, dass die restriktiven Bilanzierungsregeln für Einzelabschlüsse im Konzernabschluss nach §§ 290 ff. HGB nicht anzuwenden seien. Stattdessen übernimmt § 298 HGB für den Konzernabschluss die Regelungen des Einzelabschlusses, so dass der Informationsbezug gegenüber dem Einzelabschluss keine besondere Ausprägung erhält. Da der Gesetzgeber schon mehrmals die Möglichkeit hatte, den Informationsaspekt beim Konzernabschluss stärker zu betonen, aber nicht dazu genutzt hat, ist davon auszugehen, dass Jahresabschluss- und Konzerninformationen bewusst begrenzt sein sollen. Öffentliche Rechnungslegung dient nicht nur den Kapitalmarktteilnehmern, sie ermöglicht es auch Wettbewerbern, die wirtschaftliche Lage ihrer Konkurrenten einzuschätzen. Insoweit kollidiert das Informationsbedürfnis der Kapitalgeber mit dem gesetzlich notwendigen Schutz der Wettbewerbswirtschaft. Geschäftsjahre dürfen zwölf Monate nicht überschreiten (§ 240 Abs. 2 Satz 2 HGB); außer bei Änderungen des Geschäftsjahres oder bei einer Neugründung umfassen die Geschäftsjahre der Unternehmen diese Zeit. Das bedeutet für die gesetzliche Jahresabschlusspublizität eine sehr lange Zeit, in der außenstehende Unternehmensbeteiligte nicht über die wirtschaftliche Lage der Unternehmen informiert werden (müssen). Wendet sich ein Unternehmen über die Börse an den Kapitalmarkt, ist die Unternehmensleitung verpflichtet, „innerhalb eines Geschäftsjahrs regelmäßig mindestens einen Zwischenbericht zu veröffentlichen, der anhand von Zahlenangaben und Erläuterungen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Finanzlage und des allgemeinen Geschäftsgangs des Emittenten im Berichtszeitraum vermittelt“ (§ 40 Abs. 1 BörsG). Werden Unternehmen im Prime Standard der Deutschen Börse notiert, sind sie verpflichtet, nach den Vorgaben der Börsenordnung Quartalsberichte zu veröffentlichen (§§ 62, 63 BörsO der Frankfurter Wertpapierbörse). Im General Standard reichen Halbjahresberichte aus. Bei kursrelevanten Ereignissen besteht die Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG. Die aus diesen Gesetzen resultierenden Publizitätspflichten werden hier nicht weiter analysiert, da sie nicht die Jahresabschlusspflichten berühren.
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3.3
Internationale Abschlüsse
Im Zuge der Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen hat sich der Kapitalbedarf international tätiger Unternehmen verstärkt. Damit sind die Ansprüche der Unternehmen an den Kapitalmarkt und als Konsequenz davon der Wettbewerb um Eigenkapital gestiegen, aber umgekehrt auch die Ansprüche der Kapitalanleger auf international vergleichbare und gleichwertige Informationen über die wirtschaftliche Lage der kapitalnachfragenden Unternehmen. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 wurde deshalb die Pflicht zur Aufstellung konsolidierter Abschlüsse nach internationalen Rechnungslegungsregeln festgelegt (Europäisches Parlament 2002). Ziel ist es, dass „der freie Kapitalverkehr im Binnenmarkt und ein Beitrag dazu geleistet (wird), dass die Unternehmen in der Gemeinschaft in die Lage versetzt werden, auf den gemeinschaftlichen Kapitalmärkten und auf den Weltkapitalmärkten unter gleichen Wettbewerbsbedingungen um Finanzmittel zu konkurrieren“ (Europäisches Parlament 2002: Präambel Ziffer 4). Die Verpflichtung ist durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) mit dem neuen § 315a HGB in das deutsche Bilanzrecht aufgenommen worden und gilt seit 1. Januar 2005. Der deutsche Gesetzgeber hat auch von dem Wahlrecht Gebrauch gemacht, Aufstellung und Handelsregistereinreichung von Einzelabschlüssen nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften zuzulassen (§ 325 Abs. 2a und 2b HGB); allerdings sind die Einzelabschlüsse nach deutschen Rechnungslegungsvorschriften auch weiterhin für die Besteuerung und die Ermittlung der Ausschüttung aufzustellen und beim Handelsregister einzureichen. Basis der internationalen Rechnungslegungsregeln sind die „International Financial Reporting Standards (IFRSs) including International Accounting Standards (IASs) and Interpretations“, die vom International Accounting Standards Board (IASB) herausgegeben werden. Die offizielle Bezeichnung lautet demnach IFRS und besagt gleichzeitig, dass die weiterhin geltenden IAS als Teile davon anzusehen sind (Einzelheiten bei Schönbrunn 2005). Bestandteile eines internationalen Jahresabschlusses sind nach IAS 1.8: 1. eine Bilanz, 2. eine Gewinn- und Verlustrechnung, 3. eine Aufstellung der Eigenkapitalveränderung, die entweder alle Veränderungen des Eigenkapitals oder Veränderungen des Eigenkapitals zeigt, die nicht aus Transaktionen mit
Anteilseignern in ihrer Funktion als solche resultieren, 4. eine Kapitalflussrechnung und 5. Erläuterungen, die eine Zusammenfassung der wichtigsten Bilanzierungsprinzipien und andere Erläuterungen umfassen. Kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen darüber hinaus das Ergebnis je Aktie veröffentlichen (IAS 33.2). Wie auch im deutschen Rechnungslegungsrecht ist ein Lagebericht nicht
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Bestandteil des Jahresabschlusses, aber anders als im deutschen Recht nicht explizit gefordert. IAS 1.9 f. weisen zwar darauf hin, dass viele Unternehmen außerhalb des Jahresabschlusses Berichte veröffentlichen, die die wichtigsten Bestimmungsfaktoren der Vermögens- und Ertragslage sowie die bedeutendsten Risiken näher erläutern und auf unternehmensspezifische Besonderheiten wie Umwelteinflüsse und Wertschöpfungen hinweisen, aber es handelt sich nach IFRS dabei immer um freiwillige Maßnahmen. Die IFRS sind, wie das Framework (F) dazu hervorhebt, primär, wenn nicht gar ausschließlich, auf die Informationsfunktion von Jahresabschlüssen ausgerichtet. Als Adressaten werden neben den Investoren auch Beschäftigte, Gläubiger, Kunden, Regierungsstellen und die Öffentlichkeit schlechthin genannt. Deren unterschiedliche Interessen seien zwar nicht vollständig durch Jahresabschlüsse zu erfüllen, aber da die Investoren den Unternehmen Risikokapital zur Verfügung stellten, sei deren Informationsbedarf so umfassend, dass der Bedarf der anderen Unternehmensbeteiligten damit weitgehend gedeckt würde (F.9 f.). Damit sind die Hauptadressaten der IFRS-Rechnungslegung die Kapitalmarktteilnehmer. Die Kapitalerhaltung wird unter zwei Aspekten gesehen: als finanzwirtschaftliche und als leistungswirtschaftliche Kapitalerhaltung (financial capital maintenance und physical capital maintenance). Die finanzwirtschaftliche Kapitalerhaltung richtet sich nach der Veränderung des Reinvermögensstands im Geschäftsjahr in nominellen Größen oder in Größen konstanter Kaufkraft. Leistungswirtschaftliche Kapitalerhaltung ist erreicht, wenn die physische Produktionskapazität oder die betriebliche Leistungsfähigkeit („the physical productive capacity or operative capability“) im Geschäftsjahr aufrechterhalten bleibt (F.104). Hauptunterschied der beiden Kapitalerhaltungskonzeptionen ist die unterschiedliche Behandlung von Preisänderungen auf die Bewertung der Vermögens- und Schuldposten. Die Kapitalerhaltung nach dem leistungswirtschaftlichen Prinzip erfordert den Ansatz von aktuellen Zeitwerten (current cost basis). Bei steigenden Preisen können dadurch die Anschaffungsoder Herstellungskosten überschritten werden, was nach deutschem Bilanzrecht nicht zulässig ist. Vermögensänderungen auf Grund von Preisschwankungen sind Bestandteile des Eigenkapitals und werden nicht über die Gewinn- und Verlustrechnung geleitet (F.109). Im Framework nicht erwähnt, aber in mehreren Standards (z. B. IAS 16, 36, 38, 39, 40) als wichtiger Bewertungsansatz genannt, ist der Fair Value, der mit dem beizulegenden Wert des deutschen Bilanzrechts vergleichbar ist. Wie im Einzelfall der Fair Value zu ermitteln ist, wird höchst unterschiedlich gefordert. In vielen Fällen werden erwartete Cash-Flows herangezogen, die auf den Bewertungsstichtag diskontiert werden, so dass die Erwartungsgrößen und der Kapitalisierungszinssatz den Unternehmen Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen, aber den externen Jahresabschlussadressaten zusätzliche Bewertungsunklarheiten präsentieren (Ballwieser/Küting/Schildbach 2004, Richter 2005). Wichtige Änderungen gegenüber dem deutschen Bilanzrecht sind mit IFRS 3 und IAS 38 in der Fassung vom 31. März 2004 eingetreten. Im Anschluss an die US-amerikanischen Regelungen des SFAS 141 über Business Combinations und des SFAS 142 über Goodwill and other Intangible Assets (FASB 2001) wurden vor allem die Interessenzusammenführungsmethode der Konsolidierung und die planmäßige Abschreibung des Firmenwerts
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verboten sowie ausführliche Regelungen zur Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte getroffen. Der Firmenwert darf nur dann – außerplanmäßig – abgeschrieben werden, wenn auf Grund jährlicher Bewertungsprüfungen (Impairment Tests) der Wertansatz nicht mehr gerechtfertigt ist. Dies bedeutet nach dem Jahr des den Firmenwert generierenden Unternehmenserwerbs jährliche Unternehmensbewertungen und ermöglicht Außenstehenden, die Akquisitionsmaßnahmen der Unternehmen zu kontrollieren. Bei den immateriellen Vermögensgegenständen werden mehrere Differenzierungen vorgenommen. Zunächst wird zwischen solchen unterschieden, die eine begrenzte Nutzungsdauer haben, und solchen, die eine unbestimmbare Nutzungsdauer haben. Immaterielle Vermögenswerte mit begrenzter Nutzungsdauer sind planmäßig während der voraussichtlichen Nutzungsdauer abzuschreiben. Bei unbestimmbarer Nutzungsdauer ist, ähnlich der Behandlung des Firmenswertes, nur eine außerplanmäßige Abschreibung auf Grund von Impairment Tests zulässig. Daraus folgt beispielsweise, dass erworbene Markenwerte und Kundenbeziehungen (z. B. auf Grund von Stromlieferungsverträgen, Telekommunikationsverträgen, Bankbeziehungen) in den meisten Fällen Bilanzvermögen darstellen und Abwertungen Hinweise auf die strategischen Absichten oder die (Un-)Wirtschaftlichkeit von Akquisitionen geben. Außerdem wird bei den immateriellen Vermögenswerten zwischen der Forschungs- und der Entwicklungsphase differenziert. Aufwendungen in der Forschungsphase sind nicht bilanzierbar, da in dieser Phase keine Möglichkeit besteht zu belegen, dass daraus künftig ökonomische Vorteile resultieren. Aufwendungen der Entwicklungsphase dürfen aktiviert werden, wenn die technischen Voraussetzungen für die Vollendung des Vermögenswertes gegeben sind, die Möglichkeit besteht, den Vermögenswert zu nutzen oder zu verkaufen, und dargelegt werden kann, wie der immaterielle Vermögenswert künftige ökonomische Vorteile generieren kann. Aufwendungen für intern entwickelte Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten und damit vergleichbare Vermögenswerte dürfen nicht aktiviert werden (IAS 38.63). Die Veröffentlichungspflichten sind sehr ausführlich und zu den einzelnen Vermögens- und Schuldposten in den entsprechenden Standards geregelt. Beispielhaft gilt für die immateriellen Vermögenswerte, dass folgende Informationen gewährt werden müssen: für jede Gruppe, ob bestimmte oder unbestimmbare Nutzungsdauern vorliegen, die für Vermögenswerte mit begrenzter Nutzungsdauer angewandte Bewertungsmethode, Bruttobuchwerte und kumulierte Abschreibungen zu Anfang und Ende des Geschäftsjahres sowie die Entwicklung der Buchwerte während des Geschäftsjahres, differenziert nach dem Veränderungsgrund (interne Entwicklung, Kauf, Verkauf, Impairment, Planabschreibung, Zuschreibung auf Grund einer Neubewertung). Die Angabepflicht bezieht sich, jeweils separat, auf Marken, Drucktitel und Verlagsrechte, Computer Software, Lizenzen und Franchiserechte, Urheberrechte, Patente oder ähnliche
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Rechte, Rezepte, Modelle, Prototypen sowie immaterielle Vermögenswerte in der Entwicklungsphase. Bei immateriellen Vermögenswerten mit unbestimmbarer Nutzungsdauer sind u. a. die Buchwerte und die Gründe für die Annahme einer unbestimmbaren Nutzungsdauer anzugeben, ferner der ursprüngliche Fair Value und der aktuelle Buchwert.
4.
Information und Kommunikation im Jahresabschluss – eine Beurteilung
Jahresabschlussinformationen sind nach den gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Publikationsmittel, des Adressatenkreises und ihrer Zwecke begrenzt. Bestandteile von Jahresabschlüssen sind vor allem Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen und dazu gehörende Erläuterungen (Anhang oder notes). Erweiterungen gibt es für Unternehmen, die den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen. Der gesetzlich (vermutlich) gewollte Adressatenkreis ist nicht klar definiert, sondern muss aus den Rechnungslegungszwecken abgeleitet werden. Diese sind jedoch keineswegs eindeutig oder fest abgrenzbar. Soweit die Rechnungslegung nach dem HGB angesprochen ist, muss man die Adressaten aus der historischen Entwicklung der gesetzlichen Rechnungslegung und ergänzend (heute) aus den Bilanzierungsregeln ableiten. Es zeigt sich dabei, dass der Gläubigerschutz über Jahrhunderte hinweg der dominierende Rechnungslegungszweck war (Savary 1757: 292 f.). Die Bilanzierungspflicht soll den Kaufmann dazu zwingen, sich zur Vermeidung der Bestrafung wegen Bankrotts über seine wirtschaftliche Lage zu informieren. Die Entwicklung der Kreditwirtschaft als wichtiges Element des Wirtschaftslebens hat diesen Zweck unterstützt. Öffentliche Rechnungslegung war dazu nicht erforderlich. Der Gesetzgeber hielt sie dann für erforderlich, als das Unternehmenswachstum Großunternehmen unabhängig von der Rechtsform hervorrief, deren wirtschaftliches Wohl die Finanzlage und die Beschäftigungssituation in Gemeinden oder Regionen wesentlich beeinflusste. Die Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes durch Aktiengesellschaften mit anonymen Anteilseignern führte unabhängig von der Unternehmensgröße dazu, dass zum Schutz der Kapitalgeber auf den Jahresabschluss bezogene Informationspflichten kodifiziert wurden. Die als Treuhänder der Anteilseigner fungierenden Vorstände dieser Gesellschaften müssen jährlich Rechenschaft über das wirtschaftliche Ergebnis ihres Handels gegenüber ihren Geldgebern ablegen. Der Zweck wurde immer wichtiger, je mehr die Unternehmen auf den Kapitalmarkt angewiesen wurden. Mit der Globalisierung der Märkte und den gleichermaßen globalen unternehmerischen Aktivitäten sowie dem damit verbundenen wachsenden Kapital-
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bedarf hat diese Entwicklung mit der Neugestaltung und Internationalisierung der Rechnungslegung ihren (vorläufigen) Abschluss gefunden. Will man durch Selbstinformation des Kaufmanns über Jahresabschlüsse Insolvenzschäden vermeiden oder verringern, müssten Jahresabschlüsse Hinweise auf die zeitliche Entfernung des Unternehmens von insolvenzauslösenden Situationen geben. Die Zahlungsunfähigkeit ist durch Jahresabschlüsse nicht feststellbar. Das Gleiche gilt für die Überschuldung, da Bilanzvermögen weder vollständig noch zu realisierbaren Werten anzusetzen ist. Allerdings lässt sich aus dem Vergleich von Bilanzen über mehrere Jahre hinweg ableiten, ob es einen positiven oder negativen Verschuldungstrend gibt und mit welchen Raten die jährlichen Entwicklungen sich vollziehen. Es lässt sich empirisch feststellen, mit welcher Wahrscheinlichkeit bei bestimmten Verschuldungsgraden innerhalb von etwa zwei bis drei Jahren eine Insolvenz befürchtet werden muss. In der drohenden Krise ist der Jahresabschluss jedoch kein geeignetes Informationsinstrument, da Krisen nicht regelmäßig zum Zeitpunkt der Jahresabschlusserstellung auftreten. Hinsichtlich der Information des Kapitalmarktes ist zu prüfen, welchen Informationsbedarf die Kapitalmarktteilnehmer haben. Auch hier spielt die voraussichtliche Insolvenz der Unternehmen eine Rolle, jedoch wird sie im Allgemeinen dem Renditedenken untergeordnet (oder nicht gesehen). Das Gläubigerinteresse bezieht sich im Spannungsfeld mit den Aktionärsinteressen auf die Gewinnverwendung für Rücklagen und Ausschüttung. Kapitalmarktteilnehmer erwerben Wertpapiere von Unternehmen und erwarten eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Ihr Interesse bezieht sich auf die Entwicklung des Unternehmens ab dem Anlagezeitpunkt und später auf seine künftige Entwicklung. Jahresabschlüsse sind deshalb als Informationsmittel nur dann relevant, wenn sie künftige Entwicklungen induzieren (können). Dazu hat der Gesetzgeber sukzessive die Informationspflichten kapitalmarktorientierter Unternehmer durch Erweiterung der Bilanzinhalte sowie der erläuternden (der Anhang) und der ergänzenden (der Lagebericht) Teile des Jahresabschlusses erhöht. Allerdings hat sich an der Konzeption des Jahresabschlusses und seiner Vergangenheitsorientierung nichts geändert. Durch die internationalen Rechnungslegungsregeln ist zwar der Detailliertheitsgrad der Informationen gestiegen, aber es sind auch neue Unklarheiten und Spielräume für unternehmerische Gestaltungen der Jahresabschlüsse geschaffen worden (Ballwieser 2005). Welche praktische Bedeutung die Informationen im Lagebericht über die künftige Entwicklung der Unternehmen haben werden, wird erst die Erfahrung zeigen. Das Risiko, dass Unternehmensleitungen an ihren zu veröffentlichenden Prognosen später gemessen werden, lässt nicht darauf schließen, dass sehr aussagefähige Informationen zu erwarten sind. Ergänzend zu den gesetzlichen Jahresabschlussinformationen üben die Börsen weiteren Informationsdruck aus, der in intensive Kommunikation mit wichtigen Kapitalmarktteilnehmern mündet. Dazu gehören vor allem regelmäßige Analystentreffen und Quartalsberichte. Die gesetzlichen und die börsenrechtlichen Informations- und Kommunikationspflichten reichen aber im Wettbewerb mit kapitalsuchenden anderen Unternehmen nicht aus. Besonders die zunehmende Bedeutung institutioneller Investoren mit professionellen Analysten zwingt die Unternehmen dazu, über diese Pflichten hinausgehende Kapitalmarktpflege zu betreiben. Dies geschieht teilweise über häufigere Analystentreffen, aber auch über wertorientierte Berichterstattung (Value Reporting). Hierzu richten die Unternehmen
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entierte Berichterstattung (Value Reporting). Hierzu richten die Unternehmen besondere Abteilungen für Investor Relations ein (Kirchhoff/Piwinger 2007). Aus Analystentreffen kann die Unternehmensleitung die Resonanz des Kapitalmarktes auf Art und Ergebnis ihrer geschäftlichen Tätigkeit ableiten und möglicherweise Schlüsse für das unternehmerische Verhalten und die Kommunikation mit den Kapitalmarktteilnehmern ziehen. Die wertorientierte Berichterstattung steckt noch in den Anfängen. Zwar berichten viele Unternehmen über ihre Kapitalkosten und den Vergleich mit dem erwirtschafteten Ergebnis, aber es fehlen wichtige Informationen über die Werttreiber, ihr Management, die Maßnahmen dazu und den Erfolg mit den Maßnahmen (im Einzelnen). Auch bleiben die Berechnungsmodi der Kapitalkosten in Währungseinheiten, d. h. die Bezugsgröße des Kapitalkostensatzes (Bilanzwerte? inklusive aller immaterieller Vermögenswerte? Unternehmenswerte?), meist im Dunkeln. Anders als (beispielsweise) in den skandinavischen Ländern fehlen in deutschen Geschäftsberichten ausführliche Erläuterungen der immateriellen Vermögenswerte in Wissensbilanzen (Maul 2000, Maul/Menninger 2000, Will/Alwert/Kivikas 2007), die inzwischen bei vielen Unternehmen mehr als die Hälfte des Unternehmenswertes ausmachen. Die Geschäftsberichte der Unternehmen (Piwinger 2007) sind in den letzten Jahren zwar umfangreicher geworden, aber man wird Zweifel anmelden müssen, ob der Informationswert parallel dazu mitgewachsen ist.
Literatur
Ballwieser, Wolfgang (2005): Die Konzeptionslosigkeit des International Accounting Standards Board (IASB), in: Crezelius, Georg/Hirte, Heribert/Vieweg, Klaus (Hrsg.): Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung, Sportrecht. Festschrift für Volker Röhricht, Köln, S. 727745. Ballwieser, Wolfgang/Küting, Karlheinz/Schildbach, Thomas (2004): Fair value – erstrebenswerter Wertansatz im Rahmen einer Reform der handelsrechtlichen Rechnungslegung?, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 56. Jg., S. 529-549. Brecht, Ulrich (Hrsg.) (2005): Neue Entwicklungen im Rechnungswesen, Wiesbaden. Bundesministerium für Justiz (2004): Regierungs-Entwurf zum Bilanzrechtsreformgesetz mit Begründung (RegE BilReG, Berlin (im Internet: www.bmj.bund.de/media/archive/649. pdf). Europäisches Parlament (2002). IAS-Verordnung – Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002, Straßburg/Brüssel (im Internet: http//europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_doc).
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Financial Accounting Standards Board (FASB) (2001): Statement of Financial Accounting Standards No. 141 Business Combination & No. 142 Goodwill and Other Intangible Assets, Financial Accounting Series No. 22-B & 221-C, Norwalk. Kirchhoff, Klaus Rainer/Piwinger, Manfred (2007): Kommunikation mit Kapitalgebern: Grundlagen der Investor Relations, in diesem Band. Maul, Karl-Heinz (2000): Wissensbilanzen als Teil des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, in: Deutsches Steuerrecht, 38. Jg., S. 2009-2016. Maul, Karl-Heinz/Greinert, Markus (2002): Der Lagebericht im Entwurf des Rahmenkonzepts des DSR, in: Der Betrieb, 55. Jg., S. 2605-2608. Maul, Karl-Heinz/Menninger, Jutta (2000): Das „Intellectual Property Statement“ – eine notwendige Ergänzung des Jahresabschlusses, in: Der Betrieb, 53. Jg., S. 529-533. Piwinger, Manfred (2007): Geschäftsberichte als Mittel der Information und Beziehungspflege, in diesem Band. Piwinger, Manfred/Porák, Victor (2005): Grundlagen und Voraussetzungen des Kommunikations-Controllings, in: dies. (Hrsg.): Kommunikations-Controlling, Wiesbaden, S. 11-55. Richter, Frank (2005): Praxisprobleme und Lösungen bei der Umsetzung von IAS/IFRS und US-GAAP, in: Brecht, Ulrich (Hrsg.): Neue Entwicklungen im Rechnungswesen, Wiesbaden, S. 135-152. Savary, Jacques (1757): Le Parfait Négociant ou Instruction Générale pour ce qui regarde le commerce des Marchandises de France, & des Pays Etrangers, 8ième edition, Paris. Schönbrunn, Norbert (2005): IFRS und HGB – Unterschiede, Gemeinsamkeiten, in: Brecht, Ulrich (Hrsg.): Neue Entwicklungen im Rechnungswesen, Wiesbaden, S. 87-112. Stützel, Wolfgang (1967): Bemerkungen zur Bilanztheorie, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 37. Jg., S. 314-340. Will, Markus/Alwert, Kay/Kivikas, Mart (2007): Wissensbilanzierung – Strategische Kommunikationsprozesse bewerten und steuern, in diesem Band.
Wissensbilanzierung – Strategische Kommunikationsprozesse bewerten und steuern Markus Will/Kay Alwert/Mart Kivikas
Unternehmen und deren Geschäftsleitungen stehen vor der Herausforderung, Strategien für die wissensbasierte Wirtschaft zu entwickeln und zu kommunizieren. Eine konsistente Geschäftsstrategie muss nicht nur – im Sinne einer integrierten Unternehmenskommunikation – nach außen und innen einheitlich dargestellt und gelebt werden. Sie muss auch an den spezifischen immateriellen Vermögenswerten, Wissensressourcen und Alleinstellungsmerkmalen des Unternehmens ansetzen und diese konsequent weiterentwickeln. Der Beitrag zeigt diesen Zusammenhang zwischen Strategieprozess und integrierter Unternehmenskommunikation bezüglich immaterieller Werte auf und stellt das Managementinstrument „Wissensbilanz“ zur Unterstützung dieses Prozesses vor. Unter anderem werden die Methodik des deutschen Pilotprojekts zur Wissensbilanzierung in kleinen und mittelständischen Unternehmen beschrieben, die wesentlichen Ergebnisse des Wissensbilanz-Prozesses veranschaulicht und die Möglichkeiten zur Bewertung und Steuerung von strategisch relevanten Kommunikationsprozessen mit Hilfe der Wissensbilanz diskutiert. Abschließend werden die bisherigen Erfahrungen mit dem Einsatz der Methode sowie die derzeit bestehenden Grenzen des Instruments Wissensbilanz und der daraus resultierende Weiterentwicklungsbedarf dargelegt.
1.
Einleitung
Eine immer wieder diskutierte Frage des Kommunikationsmanagements ist: Wie hängen strategisches Management und Unternehmenskommunikation zusammen bzw. wie sollte das Zusammenspiel idealerweise funktionieren?
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_35, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Nicht nur neue Beratungskonzepte, die Strategieberatung und Kommunikationsberatung zusammenführen, sondern auch aktuelle unternehmerische Herausforderungen zeigen den Bedarf auf, diese Frage erneut zu stellen – und vor allem geeignete Werkzeuge zu entwickeln. Dies hat mehrere Gründe: Zunehmender Wettbewerbsdruck zwingt Unternehmen zur Schärfung ihrer strategischen Positionierung am Markt. Dabei werden Wissen als zentraler Produktionsfaktor und die so genannten weichen Faktoren zu den entscheidenden Differenzierungsmerkmalen. Strategische Alleinstellungsmerkmale müssen gezielt entwickelt und nach außen kommuniziert werden, um Kunden wie Investoren von der besonderen Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu überzeugen. Diese strategische Ausrichtung darf sich nicht auf oberflächliche Werbeslogans beschränken, sondern muss sich – im Sinne einer integrierten Unternehmenskommunikation – in allen (wahrnehmbaren) Handlungen der Mitarbeiter ausdrücken. Die Wissensbilanzierung ist eine Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen. Die Wissensbilanz stellt ein Instrument dar, um strategisches Management und interne wie externe Kommunikation strukturiert zusammenzuführen. Schon lange wird von verschiedenen Seiten gefordert, strategisches Management besser mit der Unternehmenskommunikation zu verzahnen. Die (eher akademische) Frage in dieser Diskussion war, ob Unternehmenskommunikation lediglich die einseitige „Verkündung“ der Unternehmensstrategie nach außen und innen zur Aufgabe hat, oder ob ein zweiseitiger Kommunikationsprozess nötig ist. Ist die Unternehmenskommunikation also ein der Strategie nachgeordneter Prozess oder füttert sie den Strategieprozess mit relevanten Themen aus dem Unternehmensinneren und seinem Umfeld und extrahiert wiederum Entscheidungen aus dem Strategieprozess, um sie für verschiedene Zielgruppen aufzubereiten? Jenseits dieser kommunikationswissenschaftlichen Diskussion kann zunächst festgehalten werden: Strategie ist Kommunikation. Selbst wenn nur eine Person im Unternehmen (der „Chef“) explizit mit „Strategie“ befasst ist, benötigt diese Person Informationen über Chancen und Risiken im Umfeld und über Stärken und Schwächen innerhalb des Unternehmens (SWOT-Analyse). Unerheblich wie systematisch dies erfolgt, muss sie dann auf dieser Basis Entscheidungen treffen, die sich zumindest im eigenen Handeln ausdrücken. Sind diese Handlungen für interne und/oder externe Zielgruppen sichtbar, kann bereits von Kommunikation (im Sinne Watzlawicks) gesprochen werden. Doch zunehmende Komplexität und Mehrdeutigkeit innerhalb und außerhalb des Systems „Organisation“ erschwert diesen Prozess. Strukturierte Kommunikation ist notwendig, um Komplexität so zu reduzieren, dass sinnvolle und koordinierte Handlungen möglich sind, die letztendlich den Geschäftserfolg eines Unternehmens bewirken. Die rasante Entwicklung von Märkten und Kundenanforderungen, Technologien und Geschäftsmodellen als Komplexität in der Unternehmensumwelt ist eine allgemein bekannte Tatsache. Die innere Komplexität des Systems „Organisation“ ist dagegen in den klassischen Managementkonzepten kein allgemein akzeptierter Fakt. Klar strukturierte Organigramme
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(Aufbauorganisation) und Prozessmodelle (Ablauforganisation) suggerieren, dass alles in geordneten Bahnen verläuft und „unter Kontrolle“ ist. Bezieht man allerdings die viel zitierten „weichen Faktoren“, wie z.B. Fachkompetenz, Motivation, Kommunikation und Kooperation oder interner und externer Wissensaustausch, mit ein, wird schnell deutlich: Wechselseitige Abhängigkeiten zwischen diesen Faktoren und deren komplexe Wirkungszusammenhänge mit Leistungsprozessen und Geschäftserfolgen erlauben keineswegs, eine eindeutige Funktionsweise der Organisation zu unterstellen. Wird nun im Rahmen der strategischen Unternehmensentwicklung gefragt, welche dieser immateriellen Faktoren von besonderer strategischer Bedeutung sind und in welche am besten investiert werden sollte, um größtmögliche Erfolgswirksamkeit zu entfalten, steht der Unternehmer vor einer fast unlösbaren Herausforderung, die bisher nur durch das berühmte „Bauchgefühl“ gestemmt werden konnte. Berücksichtigt man dann noch, dass die so genannten immateriellen Vermögenswerte auch zunehmend von Investoren und Kreditgebern zur Bestimmung des Unternehmenswerts und des Investitionsrisikos herangezogen werden, wird die Notwendigkeit zur Systematisierung solcher Wirkungsgeflechte und darauf basierender unternehmerischer Entscheidungen offensichtlich (Mertins/Alwert/Heisig 2005). Zusammenfassend lässt sich festhalten: Weiche Faktoren müssen zu möglichst „harten Fakten“ gemacht werden, um sie dem strategischen Management zuzuführen. Wie bereits angedeutet, heißt die Lösung: Kommunikation. Subjektive Wahrnehmungen einzelner immaterieller Faktoren und ihrer Wirkung auf das Geschäftsergebnis müssen in kollektive Denkmuster überführt und mittels Indikatoren überprüfbar gemacht werden. Gemäß der alten Controlling-Weisheit, „nur was gemessen werden kann, kann gemanagt werden“, ist unternehmensintern ein gemeinsames Verständnis über die spezifische Funktionsweise der eigenen Organisation sowie die Ausprägung der relevanten immateriellen Faktoren herzustellen, um darauf basierend koordinierte Handlungen zur Erreichung strategischer Zielsetzungen zu ermöglichen. Und um andererseits ein stimmiges Bild der Organisation und ihrer Strategie nach außen zu kommunizieren (Bornemann/Denscher/Sammer 2004). Entscheidend ist – wie bei allen Kommunikationsmaßnahmen eines Unternehmens – welches Ziel verfolgt wird. Will man lediglich externe Stakeholder kurzfristig beeindrucken, könnte man diesen Prozess vermutlich einzelnen Kommunikationsspezialisten überlassen. Sollen sich die dabei entwickelten Botschaften aber im täglichen Handeln der Mitarbeiter ausdrücken und sollen aufgezeigte Entwicklungsmaßnahmen auch langfristig die erwünschten Ergebnisse liefern, ist es für eine nachhaltige Strategie und eine glaubwürdige Kommunikation unerlässlich, sowohl das Top-Management als auch die Belegschaft in einer geeigneten Form in diesen Kommunikationsprozess zu involvieren. Das Ziel einer konsistenten und glaubwürdigen Außendarstellung hängt also unmittelbar mit der strategischen Ausrichtung der Verhaltensweisen innerhalb des Unternehmens zusammen. Dies ist einer der wesentlichen Aspekte der integrierten Unternehmenskommunikation (Bruhn 2006). Eine entsprechende Einstellungs- und Verhaltensänderung der Mitarbeiter kann aber nur über die bereits angesprochene kollektive Bewusstseinsbildung erreicht werden (Finke/Will 2005). Anders ausgedrückt: Es ist ein gemeinsames Verständnis über die Zusam-
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menhänge im Unternehmen herzustellen, um die immateriellen Erfolgsfaktoren gezielt zu entwickeln. Denn diese Faktoren beinhalten das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter genauso wie die Art der Zusammenarbeit und dafür notwendige Kommunikationsstrukturen. Wie kann dieses „big picture“ hergestellt und in den Köpfen verankert werden? Und wie können daraus konkrete Maßnahmen abgeleitet werden? Ein partizipativer Ansatz dient zweierlei: Das Management erhält Einblicke in die Sicht der Mitarbeiter auf die eigene Organisation, um valides Wissen über Stärken und Schwächen des Intellektuellen Kapitals zu erhalten, das sonst verborgen bleibt. Andererseits erhalten die Mitarbeiter Einblicke in übergeordnete Zielsetzungen und konstruieren gemeinsam ein stimmiges Bild über die komplexen Zusammenhänge der immateriellen Ressourcen der Organisation. Nur so können gezielte, strategische Veränderungen nachhaltig umgesetzt werden (Reinhardt/Bornemann 2005). Insofern ist die Wissensbilanz als ein Instrument zu verstehen, das den Strategieprozess und internes sowie externes Kommunikationsmanagement integriert. Sie dient sowohl als strukturierte Entscheidungsgrundlage für das Management als auch der Transparenz über die immateriellen Werttreiber für Mitarbeiter und externe Stakeholder, wie Eigner, Investoren oder Banken. Als Teile der immateriellen Ressourcen werden auch die täglich ablaufenden internen und externen Kommunikationsprozesse hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen sowie ihrer Relevanz für zukünftige Geschäftserfolge untersucht (siehe Abschnitt 4). Im Folgenden wird der Ansatz zur Wissensbilanzierung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) dargestellt, der im Rahmen des Pilotprojekts „Wissensbilanz – Made in Germany“ entwickelt und getestet wurde. Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), erstellen bereits über 50 deutsche KMU eigene Wissensbilanzen auf dieser Basis. Unter der wissenschaftlichen Leitung des Fraunhofer IPK, Berlin, begleitet der Arbeitskreis Wissensbilanz (www.akwissensbilanz.org) die Pilotunternehmen. Im „Wissensbilanz-Leitfaden 1.0“ (BMWi 2004) werden die Methode und erste empirische Ergebnisse im Überblick dargestellt. Detailliert wird der Ansatz in der Dissertation von Alwert (2006) beschrieben.
2.
Wissensbilanz-Modell
Basis der Wissensbilanzierung ist ein Strukturmodell, das die Organisation als ein soziales System begreift, in dem Geschäftsprozesse ablaufen, deren Ergebnisse eine bestimmte Wirkung in der Organisationsumwelt erzielen (vgl. Abbildung 1):
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Abbildung 1:
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Wissensbilanz-Modell des Arbeitskreis Wissensbilanz (Quelle: BMWi 2004)
Ausgangspunkt ist die Vision und Strategie der Organisation mit Blick auf die Möglichkeiten und Risiken im Geschäftsumfeld. Die Organisation leitet daraus eine Reihe von Maßnahmen ab, wie sie sich entsprechend ihres Intellektuellen Kapitals positionieren will. Durch die Erfassung der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Arten des Intellektuellen Kapitals (Wissensprozesse) zeigt sich, welchen Stellenwert die einzelnen immateriellen Faktoren für die Organisation haben, welche besonders gut und welche eher schwach ausgeprägt sind. Ihr Zusammenwirken mit den Geschäftsprozessen führt gemeinsam mit den sonstigen Ressourcen zum Geschäftserfolg (oder Misserfolg). Aus diesem Ergebnis leitet die Organisation Konsequenzen für die Zukunft ab, die zu einer Veränderung der Vision und Strategien führen können. Die erzielten Erkenntnisse über die Wissensprozesse und die relevanten Ressourcen erleichtern die Ableitung von Maßnahmen in einem neuen Zyklus und damit die nachhaltige Ausrichtung der Organisation auf die festgelegte Strategie. Das Intellektuelle Kapital repräsentiert alle relevanten immateriellen Ressourcen einer Organisation und ist in drei Arten unterteilt: Das Humankapital (HK) charakterisiert die Kompetenzen, Fertigkeiten, Motivation und Lernfähigkeiten der Mitarbeiter. Das Strukturkapital (SK) umfasst all jene Strukturen, Prozesse und Abläufe, welche die Mitarbeiter benötigen, um in ihrer Gesamtheit produktiv und innovativ zu sein, also all je-
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ne intelligenten Strukturen, welche bestehen bleiben, wenn Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Das Beziehungskapital (BK) stellt die externen Beziehungen zu Kunden und Lieferanten, sowie zu sonstigen Partnern und der Öffentlichkeit dar.
3.
Wissensbilanzierung als strukturierter Kommunikationsprozess
Als integrierter Strategie- und Kommunikationsprozess ist das Wissensbilanz-Projekt im jeweiligen Unternehmen zunächst gewissenhaft vorzubereiten, um die erwünschte Qualität der Ergebnisse sicher zu stellen. Dabei sind einige Prinzipien einzuhalten, die im folgenden Abschnitt dargestellt werden (Alwert 2006: 58 ff.).
3.1
Projektvorbereitung
Rahmen und Ausgangspunkt für das gesamte Wissensbilanz-Projekt sind die Projektzielsetzungen. Diese werden in ersten Gesprächen mit dem Gesamtverantwortlichen festgelegt. In mittelständischen Organisationen sind das in der Regel der Geschäftsführer und die erste Führungsebene. Um die Projektziele zu definieren, können unterschiedliche Methoden zum Einsatz kommen. Bewährt haben sich Workshopmethoden, in denen die wichtigsten Entscheider gemeinsam Nutzen, Chancen und Risiken sowie Aufwände diskutieren und gegeneinander abwägen. Ergebnis ist eine priorisierte Liste mit Projektzielsetzungen, die für die Wissensbilanzierung folgende Fragen beantwortet: Steht die gesamte Organisation im Fokus oder nur Teile? Zielt die Wissensbilanz auf die Verbesserung des internen Managements oder auf die externe Kommunikation des intellektuellen Kapitals? Welches sind die Zielgruppen: Management, Mitarbeiter, das Wissensbilanz-Team, Banken, Kunden, Eigentümer, Öffentlichkeit oder andere? Welcher Nutzen wird im Detail erwartet? Wird eine vollständige Wissensbilanz erstellt oder sollen nur einzelne Module erarbeitet werden?
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Stehen die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung? Wer ist für die Projektleitung verantwortlich? Das Wissensbilanz-Team führt, repräsentativ für die gesamte Organisation, einen Großteil der Arbeiten durch. Das Team muss demzufolge die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Organisation widerspiegeln. Vertreter aller Unternehmensteile und Hierarchieebenen sind hierzu zu integrieren. Sowohl die oberste Führungsebene als auch operative Mitarbeiter sollten im Wissensbilanz-Team vertreten sein, um Ausgewogenheit zwischen strategischer Sicht und operativem Geschäft herzustellen. Die Vertreter aus den unterschiedlichen Funktionsbereichen der Organisation bringen die fachspezifische Sicht z. B. aus Vertrieb, Produktion, Marketing, Controlling sowie Forschung und Entwicklung ein. Ihre Aufgabe ist es, die speziellen Anforderungen, Chancen und Risiken ihres Bereiches aufzuzeigen. Für sie besteht die Möglichkeit, Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit offen anzusprechen und mit Vertretern aus den anderen Bereichen zu diskutieren. Dadurch kann das Verständnis für die eigene Sichtweise und Situation bei den anderen gefördert und ein Verständnis für die Problemzusammenhänge aufgebaut werden. Für alle Teilnehmer gilt, dass sie jeweils eine ganze Gruppe von Mitarbeitern und Sichtweisen vertreten. Es ist ihre Aufgabe möglichst alle bekannten Argumente ohne Vorbehalte einzubringen. Gemäß ihrer Stellvertreterfunktion trifft dies auch auf Argumente zu, die sie persönlich nicht vertreten, ihnen jedoch bekannt sind. Dies stellt nicht unerhebliche Anforderungen an die soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit der einzelnen Teammitglieder. Folgende Grundprinzipien unterstützen die Workshoparbeit: Für die Zeit der Workshops ist die hierarchische Weisungsbefugnis aufgehoben. Alle unbegründeten Aussagen werden nicht berücksichtigt und weiter diskutiert. Alle Teilnehmer streben einen Konsens an, welcher sich auf die geführte Argumentation stützt. Grundsätzlich ist es wichtig, dass für alle Mitarbeiter jederzeit nachvollziehbar ist, wer an der Wissensbilanzierung beteiligt ist und was in den einzelnen Workshops besprochen und erarbeitet wird. Der Projektleiter hat daher die Funktion die anderen Mitarbeiter zu informieren, in dem z. B. die Zwischenergebnisse und Protokolle für jeden einzusehen sind. Wesentlich ist, dass für alle Mitarbeiter transparent wird, wie die Teamzusammensetzung zustande gekommen ist. Dies fördert die Akzeptanz der Ergebnisse bei den nicht Beteiligten und ist damit ein wichtiger Baustein, wenn es um die Umsetzung von Maßnahmen aus der Wissensbilanzierung geht. Ein entsprechend geschulter Moderator hat die Aufgabe, die Gleichverteilung der Redeanteile anzustreben und die Prinzipien der Workshop-Arbeit einzuhalten. Übernimmt ein externe Berater diese Funktion, kann größtmögliche Neutralität und ein vorbehaltloses Steuern des Gruppenprozesses gewährleistet werden.
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3.2
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Die acht Schritte der Wissensbilanzierung
Die eigentliche Erstellung der Wissensbilanz erfolgt in acht Schritten, die das Projekt in klar abgegrenzte Arbeitseinheiten unterteilt. Dadurch wird sichergestellt, dass jeweils sinnvolle Zwischenergebnisse erreicht werden und der Prozess nach jedem Schritt unterbrochen werden kann, ohne das Gesamtergebnis zu gefährden oder Doppelarbeiten zu verursachen. Die Dokumentation kann mit Hilfe der Wissensbilanz-Toolbox erfolgen, eine Software, die das BMWi kostenlos zur Verfügung stellt (siehe www.akwissensbilanz.org). Mit diesem Tool können auch die wesentlichen Auswertungen automatisiert und das finale Dokument „Wissensbilanz“ erzeugt werden.
Schritt 1: Geschäftsmodell beschreiben Um den Rahmen für alle nachfolgenden Schritte festzulegen, sind folgende Fragen zur Ausgangssituation des Unternehmens zu beantworten: Bilanzierungsbereich Welche Teile Ihrer Organisation wollen wir mit der Wissensbilanz betrachten? Geschäftsumfeld Welche Chancen und Risiken beeinflussen unser Geschäft? Welche aktuellen Entwicklungen im Geschäftsumfeld (neue Wettbewerber, neue Technologien, neue Gesetze, ...) gibt es? Welche Chancen werden gesehen, um sich am Markt zu verbessern? Welche Risiken liegen im Geschäftsumfeld, die das Geschäft negativ beeinflussen können? Wie sieht der Markt für potenzielle und zukünftige Mitarbeiter aus? Vision Wie wollen wir uns langfristig positionieren? Welche übergeordneten Ziele verfolgen wir? Strategie Was hat uns in der Vergangenheit stark gemacht? Welche mittelfristigen Teilziele streben wir an, um die Vision zu erreichen? Was sind neue Produkte oder Geschäftsfelder, die in Zukunft auf- oder ausgebaut werden sollen? Welches Wissen benötigen wir konkret, um unsere Leistungen zu erbringen und um die Geschäftsstrategie umsetzen zu können? Was von unserem Wissen ist einzigartig und unbedingt notwendig, um am Markt erfolgreich zu sein? Wie muss es in Bezug auf Kunden und Wettbewerbsfähigkeit entwickelt werden? Als zentrale Bezugsgrößen zur Analyse der immateriellen Faktoren sind weiterhin die wichtigsten Geschäftsprozesse sowie die angestrebten Geschäftsergebnisse zu definieren:
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Geschäftserfolge (GE) Welche Geschäftsergebnisse müssen wir mittelfristig sicherstellen, um unsere Vision zu erreichen und unsere Strategie zu erfüllen? Woran misst sich der Erfolg unseres Unternehmens? Geschäftsprozesse (GP) Über welche zentralen Leistungsprozesse werden unsere Geschäftsergebnisse erstellt? Welches sind die zentralen Produkte oder Produktgruppen (Dienstleistungen), mit denen das Geld verdient wird? Welche Hauptprozesse sind notwendig, um die Produkte und Leistungen zu erstellen und zu vermarkten?
Schritt 2: Intellektuelles Kapital definieren Im zweiten Schritt werden die unternehmensspezifischen immateriellen Ressourcen festgelegt und als so genannte Einflussfaktoren möglichst präzise definiert und gegeneinander abgegrenzt. Im Rahmen des ersten Workshops liefert jedes Teammitglied Vorschläge auf Moderationskarten, die dann zu Clustern zusammengefasst werden, sodass maximal 5-6 Einflussfaktoren pro Kapitalart entstehen. Nach Auswertung der ersten 14 Pilotunternehmen ergeben sich dabei die folgenden typischen Einflussfaktoren für die drei Kapitalarten (Alwert 2006: 71 f.): Humankapital Mitarbeiterqualifikation, Mitarbeitererfahrung, Soziale Kompetenz, Mitarbeitermotivation, Führungskompetenz. Strukturkapital Unternehmenskultur, Kooperation und Kommunikation innerhalb der Organisation, Führungsprozess, Informationstechnik und explizites Wissen, Wissenstransfer und -sicherung, Produktinnovation, Prozess- und Verfahrensinnovation Beziehungskapital Kundenbeziehungen, Lieferantenbeziehungen, Beziehungen zur Öffentlichkeit, Beziehungen zu Kapitalgebern, Investoren und Eignern, Beziehungen zu Kooperationspartnern
Schritt 3: Bewertung des Intellektuellen Kapitals In der so genannten QQS-Bewertung diskutiert das Wissensbilanz-Team die aktuelle Ausprägung aller Einflussfaktoren des Intellektuellen Kapitals nach den drei Bewertungsdimensionen: Quantität, Qualität und Systematik. Dabei wird versucht, ein Konsens über den Status Quo zu erreichen, der mit Begründungen aus der Diskussion dokumentiert wird. Wichtig ist, dass dabei der Bezugsrahmen immer wieder deutlich ist, d. h. die Ausprägung des jeweiligen
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Einflussfaktors muss sich auf den strategischen Rahmen beziehen, der in Schritt 1 festgelegt wurde. Die Selbstbewertung im Workshop beginnt, indem zu jedem Einflussfaktor folgende Fragen gestellt werden: Quantität/Menge: Wie viel haben wir davon? Qualität: Wie ist die Qualität dessen, was wir haben? Systematik: Wie systematisch gehen wir mit dem Einflussfaktor um, um diesen zu erhalten und gezielt zu entwickeln? Als Bewertungsmaßstab wird eine prozentuale Skala von 0 bis 120 Prozent verwendet, die in fünf Bewertungsstufen aufgeteilt ist: 0 % = die Quantität/Qualität/Systematik ist nicht ausreichend. 30 % = ... teilweise ausreichend. 60 % = ... überwiegend/größtenteils ausreichend. 90 % = ... vollständig ausreichend. 120% = ... besser oder mehr als erforderlich. Die Bewertungsstufe 120 Prozent ermöglicht es, Einflussfaktoren mit Rationalisierungspotenzial zu identifizieren, also Bereiche, die besser ausgeprägt sind, als operativ und strategisch erforderlich. Sie sind ggf. durch Veränderungen in der Ausrichtung der Organisation entstanden oder dadurch, dass ihnen in der Vergangenheit viel Aufmerksamkeit zuteil wurde. Ergebnis dieses Schritts ist ein Stärken-Schwächen-Profil der wichtigsten immateriellen Werttreiber der Organisation.
Schritt 4: Messung des Intellektuellen Kapitals Um die Selbstbewertung aus Schritt 3 auf eine solidere Basis zu stellen, sollten für die wichtigsten Einflussfaktoren Indikatoren definiert werden. So kann die Bewertung des Intellektuellen Kapitals quantitativ überprüfbar gemacht werden, was vor allem für die externe Kommunikation gegenüber Investoren und Banken die Aussagekraft einer Wissensbilanz erhöht. Ein Indikator setzt sich aus einer immer gleich berechneten Kennzahl und einem Interpretationsrahmen zusammen, der die Bedeutung der Kennzahl in Bezug auf den zu messenden Sachverhalt festlegt. Idealerweise findet das Wissensbilanz-Team für jede der drei Bewertungsdimensionen der QQS-Bewertung mindestens einen Indikator. Folgende Fragen helfen bei der Erfassung von Indikatoren: Welche Indikatoren sind zur Beschreibung der einzelnen Einflussfaktoren und Bewertungskriterien geeignet? Welche Indikatoren nutzen wir bereits, die ggf. verwendet werden kön-
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nen? Wie definieren wir die Indikatoren und wie lautet die genaue Messvorschrift zur Berechnung der Werte? Wie werden die Indikatoren erhoben und aus welcher Datenquelle stammen sie? Wie sind die Indikatoren in ihrem jeweiligen Bedeutungskontext zu interpretieren (wann ist ein Wert „gut“, wann „schlecht“)? Welche Werte haben die Indikatoren? Liegen bereits Zeitreihen vor?
Schritt 5: Wirkungszusammenhänge erfassen Um die komplexen Wechselwirkungen der immateriellen Ressourcen in den Geschäftsprozessen strukturiert zu erfassen, kann im nächsten Schritt die so genannte Einflussanalyse durchgeführt werden (Vester 1999). Dabei wird in einer Matrix die Wirkung jeweils eines Einflussfaktors auf alle anderen Einflussfaktoren erfasst. Das Wissensbilanz-Team einigt sich im Workshop auf die Stärke jedes einzelnen Wirkungszusammenhangs in 4 Stufen: 0 = keine Wirkung, 1 = schwache Wirkung (unterproportionaler Einfluss), 2 = mittlere Wirkung (proportionaler Einfluss), 3 = starke Wirkung (überproportionaler Einfluss)
Schritt 6: Auswertung und Ergebnisinterpretation Die Analyse des Intellektuellen Kapitals aus den Schritten 3 bis 5 kann nun in unterschiedlichen Diagrammen und Berichten ausgewertet werden, um die Analyseergebnisse zu interpretieren. Ziel ist es, diejenigen Einflussfaktoren des Intellektuellen Kapitals zu identifizieren, die das größte Entwicklungspotenzial haben. Dazu wird die QQS-Bewertung aus Schritt 3 mit der Einflussanalyse aus Schritt 5 kombiniert, um Einflussfaktoren mit dem größten Verbesserungspotenzial (niedrige QQS-Bewertung) und dem größten Einfluss (viele und starke Wirkungen gehen von dem Einflussfaktor aus) herauszufiltern. Aus beiden Aspekten ergibt sich das „Entwicklungspotenzial“ jedes Einflussfaktors. Sind so die besten Stellhebel zur Entwicklung des Intellektuellen Kapitals identifiziert, kann nun im Detail untersucht werden, wie sich Veränderungen der betroffenen Einflussfaktoren im Gesamtsystem des Unternehmens auswirken. Durch so genannte Wirkungsnetze lassen sich die Zusammenhänge der Einflussfaktoren des Intellektuellen Kapitals in den Geschäftsprozessen und ihr Einfluss auf den Geschäftserfolg ableiten. So lassen sich auch Generatoren identifizieren – sich selbst verstärkende Regelkreise, die besonders wirksame Entwicklungen erwarten lassen (vgl. Abbildung 2).
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Abbildung 2:
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Auszug eines Wirkungsnetzes (Quelle: Alwert 2006)
Schritt 7: Maßnahmen ableiten An den Einflussfaktoren mit dem größten Entwicklungspotenzial sollte nun angesetzt werden, um gezielte Maßnahmen zur strategischen Entwicklung des Intellektuellen Kapitals zu planen und umzusetzen. Für die betroffenen Einflussfaktoren und die ihnen zugeordneten Indikatoren können Soll-Werte definiert werden, um im nächsten Bilanzierungszyklus mittels eines Soll-Ist-Vergleichs den Maßnahmenfortschritt zu überwachen. So hilft die Wissensbilanz auch als Controllinginstrument, um die Erfolgswirksamkeit von WissensmanagementMaßnahmen und anderen Entwicklungsprojekten im Unternehmen valide zu messen.
Schritt 8: Wissensbilanz erstellen Im letzten Schritt wird die eigentliche Wissensbilanz als Dokument zusammengestellt. Sie kann aus allen Elementen der vorher beschriebenen Schritte bestehen, Listen mit den bewerteten Einflussfaktoren und Indikatoren enthalten, unterschiedliche Visualisierungen und Diagramme enthalten, Interpretationen der Analyseergebnisse wiedergeben und die daraus abgeleiteten Konsequenzen und Maßnahmen aufzeigen. Anekdoten können helfen, die quantitativen Bewertungen mit Leben zu füllen und anschaulich zu machen. Welche Inhalte enthalten sein sollen, hängt letztendlich von der Zielgruppe und ihren Erwartungen ab. Es kann sinnvoll sein, eine detailliertere Version für die interne Kommunikation zu erstellen, die vor allem
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auch Schwachstellen und Entwicklungspotenzial deutlich macht, und eine externe Version für Kapitalgeber und/oder Kunden zu erstellen, die vor allem messbare Indikatoren enthält und in entsprechendem Layout als Ergänzung des klassischen Geschäftsberichts verwendet werden kann.
4.
Bewerten und Steuern von Kommunikationsprozessen mit der Wissensbilanz
Unter dem Gesichtspunkt der Unternehmenskommunikation kann man die beiden Kapitalarten, Strukturkapital und Beziehungskapital, auch als Ergebnisse bisher stattgefundener Kommunikationsprozesse verstehen, die wiederum als Ressource („assets“) in der zukünftigen Wertschöpfung eingesetzt werden. Das Strukturkapital umfasst unter anderem die Art und Weise wie Mitarbeiter wichtige Informationen und Wissen untereinander austauschen, wie Entscheidungen gefällt werden und welche Informationswege für Entscheidungen genutzt werden. Somit stellt das Strukturkapital die internen Kommunikationsprozesse im Unternehmen dar. Auf die externen Kommunikationsprozesse bezieht sich das Beziehungskapital. Hierunter versteht man das Management der externen Beziehungen und die Art und Weise wie das Unternehmen mit Kunden, Lieferanten, Kapitalgebern, sowie mit sonstigen Partnern und der Öffentlichkeit kommuniziert (vgl. Abbildung 3). In der QQS-Bewertung (siehe Schritt 3) wird der Status Quo erfasst, d. h., welche Ergebnisse die täglich laufenden internen und externen Kommunikationsprozesse gebracht haben. Hier wird strukturiert analysiert, in welchen immateriellen Ressourcen das Unternehmen quantitativ, qualitativ und systematisch gut positioniert ist und wo Verbesserungspotenzial besteht. Durch nachprüfbare Kennzahlen untermauert (Schritt 4) und nach Einflussstärke gewichtet (Schritt 5) können so auch die strategisch wichtigen Kommunikationsprozesse im Kontext des gesamten Intellektuellen Kapitals evaluiert werden.
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Abbildung 3:
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Interne und externe Kommunikationsprozesse als Analysegegenstand der Wissensbilanz (Quelle: Fraunhofer IPK 2006)
Darüber hinaus ist der gesamte Wissensbilanz-Prozess, insbesondere die Workshops, als interner Kommunikationsprozess zu verstehen, der die Auseinandersetzung mit den erfolgskritischen weichen Faktoren vorantreibt und ein gemeinsames Verständnis über die Funktionsweise der eigenen Organisation herstellt. Insbesondere die Stärken-Schwächen-Analyse in der QQS-Bewertung fördert die Einbeziehung und das Involvement der WorkshopTeilnehmer durch strukturierte Reflexion des eigenen Wissens, der Unternehmensstrukturen, -strategien und -ziele. Im Idealfall sollte jeder Workshop-Teilnehmer die Ergebnisse aus dem Workshop in die verschiedenen Bereiche zurückspielen und Feedback einholen, wodurch eine möglichst umfassende Einbeziehung und Integration der verschiedenen (internen) Zielgruppen und Gesichtspunkte gewährleistet ist. Somit kann die Wissensbilanz als ein internes Kommunikations-Tool verstanden werden, das die Entwicklung und Implementierung von Wissensstrategien zur Sicherung des zukünftigen Unternehmenserfolgs unterstützt.
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5.
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Erfahrungen und Ausblick
Die bisherigen Pilotunternehmen, die eine eigene Wissensbilanz nach dem hier beschriebenen Verfahren erstellt haben, heben durchweg die Aha-Effekte hervor, die durch den strukturierten Kommunikations- und Erstellungsprozess erreicht wurden. Die Teilnehmer der Wissensbilanz-Teams profitierten von der gemeinsamen Erarbeitung eines stimmigen Bilds der Funktionsweise der eigenen Organisation. Das Management erhielt so eine valide Entscheidungsgrundlage für die strategische Entwicklung der wichtigsten immateriellen Faktoren im Unternehmen. Fast noch wichtiger war die dadurch erreichte Weiterentwicklung und Präzisierung der Unternehmensstrategie, die mit Hilfe der Wissensbilanz in den folgenden Geschäftsjahren und Bilanzierungszyklen immer weiter an Veränderungen im Geschäftsumfeld und im Intellektuellen Kapital angepasst werden kann. Gleichzeitig muss aber festgehalten werden, dass die hier dargestellte Methode zur Wissensbilanzierung in KMU sich noch im (fortgeschrittenen) Entwicklungsstadium befindet. Die Erfolge bei der Schaffung interner Transparenz zur gezielten Steuerung des strategischen Wandels müssen im nächsten Schritt durch operative Konzepte zur erfolgreichen Implementierung von Maßnahmen unterstützt werden. Auch können einzelne Erfolge bei der externen Offenlegung immaterieller Vermögenswerte zur Reduzierung von Kreditkosten noch nicht als breite Akzeptanz bei Banken und Investoren interpretiert werden. Hier ist eine engere Abstimmung mit den Anforderungen des Finanzmarkts erforderlich. Die externe Kommunikation der immateriellen Vermögenswerte, die im Jahresabschluss oder anderen Berichten des traditionellen Rechnungswesens nicht enthalten sind, gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung. Finanzmarktaufsichtsbehörden und Rechnungslegungsbehörden in Europa und Nord-Amerika haben beispielsweise Empfehlungen ausgegeben, durch einen zusätzlich zum Jahresabschluss zu erstellenden qualitativen Bericht über die immateriellen Vermögenswerte und deren Entwicklung zu berichten. Neben den mehr als 50 KMUAnwendern des vom BMWi geförderten Pilotprojektes hat beispielsweise die Energie BadenWürttemberg AG (EnBW) als einer der ersten deutschen Konzerne eine Wissensbilanz in ihren aktuellen Lagebericht integriert (siehe www.enbw.com). An beiden Strängen – der internen Steuerung und der externen Kommunikation des Intellektuellen Kapitals – arbeitet der Arbeitskreis Wissensbilanz im Rahmen der Initiative „Wissensbilanz – Made in Germany“ weiter. Die aktuellen Entwicklungen sind kontinuierlich unter www.akwissensbilanz.org abrufbar.
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Literatur
Alwert, Kay (2006): Wissensbilanzen für mittelständische Organisationen, Stuttgart. Bruhn, Manfred (2006): Integrierte Unternehmens- und Markenkommunikation. Strategische Planung und operative Umsetzung, 4. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Stuttgart. Bornemann, Manfred/Denscher, Gerhard/Sammer, Martin (2004): Kommunikation und Intellectual Capital Reporting. Die Rolle der Wissensbilanz als internes und externes Kommunikationsinstrument, in: Rüdiger Reinhardt (Hrsg.): Wissenskommunikation in Organisationen, Berlin, S. 225-240. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) (Hrsg.) (2004): Wissensbilanz – Made in Germany – Leitfaden 1.0, Bergheim. Finke, Ina/Will, Markus (2005): Mitarbeiterorientierte Einführung von Wissensmanagement, in: Barske, Heiko/Gerybadze, Alexander/Hünninghausen, Lars/Sommerlatte, Tom (Hrsg.): Das innovative Unternehmen – Produkte, Prozesse, Dienstleistungen (Digitale Fachbibliothek), Düsseldorf, Nr. 2012.01.01, S. 1-58. Kivikas, Mart/Pfeifer, Guido (2005): Wissensbilanzierung als Chance für den Standort Deutschland: Ein Fallbeispiel, in: Finanz Betrieb, 7. Jg., Nr. 12, S. 799-807. Mertins, Kai/Alwert, Kay/Heisig, Peter (Hrsg.) (2005): Wissensbilanzen – Intellektuelles Kapital erfolgreich nutzen und entwickeln, Berlin/Heidelberg/New York. Reinhardt, Rüdiger/Bornemann, Manfred (2005): Die Implementierung von Wissensbilanzen als Problem, in: Matzler, Kurt/Hinterhuber, Hans H./Renzl, Birgit/Rothenberger, Sandra (Hrsg.): Immaterielle Vermögenswerte – Handbuch der Intangible Assets, Berlin, S. 205-230. Vester, Frederic (1999): Die Kunst vernetzt zu denken – Ideen und Werkzeuge für einen Umgang mit Komplexität, München.
Kostenerfassung der Unternehmenskommunikation
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Kostenerfassung der Unternehmenskommunikation T. Flemming Ruud/Jan Pfister
Die Vielseitigkeit und zunehmende Bedeutung der Unternehmenskommunikation birgt die Gefahr ineffizienter, unwirksamer und fehlerhafter Informations- und Kommunikationsprozesse in sich. Deshalb besteht in der Praxis zunehmend der Bedarf, die Kosten und den Nutzen der Unternehmenskommunikation systematisch zu erfassen. Mit einem Kommunikations-Controlling als funktionsübergreifendes System können diese Entscheidungsgrundlagen vorgelegt und die Effizienz und Wirksamkeit der Unternehmenskommunikation gefördert werden. Dieser Beitrag soll konstruktive Vorschläge zur Umsetzung eines KommunikationsControlling liefern. Dazu werden zuerst die theoretischen Grundlagen und die Bestimmungsansätze der Informations- und Kommunikationskosten dargelegt, um dann ein allgemeines Umsetzungskonzept zu entwickeln, aus dem unternehmensspezifische Lösungen gebildet werden können.
1.
Einleitung
Mit der technologischen Entwicklung entstehen wiederholt neue und verbesserte Möglichkeiten der Informationsverarbeitung und -übertragung. Diese führen dazu, dass die bereitgestellten Informationsmengen immer umfassender werden und ein vermehrtes Potenzial ineffizienter, unwirksamer und fehlerhafter Unternehmenskommunikation geschaffen wird (Beyhs/ Hirsch 1999: 171). Während die Informationsflut zur Auseinandersetzung mit irrelevanten Informationen führen kann, besteht gleichzeitig die Gefahr, dass wichtige Informationen durch die begrenzte Aufnahmefähigkeit in der Masse untergehen („Information Overload“). Eine Schwierigkeit besteht auch darin, passende und der jeweiligen Kompetenz des Adressaten entsprechende Informationen zu positionieren. Unzuverlässige Informationen führen zu
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_36, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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T. Flemming Ruud/Jan Pfister
Fehlentscheidungen und bei Aufdeckung zu gravierenden Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlusten (Ariely 2000: 233). Der gezielte Einsatz relevanter und zuverlässiger Information und Kommunikation ist somit Voraussetzung für eine erfolgreiche und rentable Unternehmenskommunikation. In diesem Bereich liegt das Potenzial eines Kommunikations-Controlling, indem Wege gesucht werden, die Kosten der Unternehmenskommunikation zu erfassen und ihrem Nutzen gegenüberzustellen. Die Notwendigkeit eines solchen Controllings liegt auf der Hand und wird von der Wirtschaft und Wissenschaft gleichermaßen gefordert (Fuchs 2003). Da Information und Kommunikation jedoch sehr weite Begriffe sind, deren Erfolg schwer objektivierbar und erfassbar erscheint, erstaunt das geringe Entwicklungsstadium des Kommunikations-Controlling wenig. Voraussetzung zu dessen Etablierung ist ein grundlegendes unternehmerisches Umdenken. Ziel dieses Beitrags ist es, Möglichkeiten zur Erfassung der Unternehmenskommunikation aufzuzeigen und auf diesen aufbauend ein grobes Konzept zur Umsetzung eines Kommunikations-Controlling zu entwickeln. Als ganzheitliches Instrument sollte sich dieses an der Unternehmensstrategie ausrichten und als funktionsübergreifendes System die Möglichkeit bieten, die geeigneten Mittel zur optimalen Unternehmenskommunikation zu bestimmen und einzusetzen. Der in diesem Beitrag gewählte prozessorientierte Ansatz kann als Teilaspekt eines solchen ganzheitlichen Kommunikations-Controlling verstanden werden, indem hauptsächlich die optimale Ressourcenverteilung fokussiert, die strategische Wirkung der eingesetzten Kommunikationsmittel aber vernachlässigt wird.
2.
Theoretische Grundlagen
2.1
Begriffsdefinitionen und Kategorisierungen
Voraussetzung der Kostenzuweisung von Information und Kommunikation sind klare und einheitliche Begriffsauffassungen. Es werden Kriterien benötigt, die es ermöglichen, die beiden Kostentreiber Information und Kommunikation zu kategorisieren, abzugrenzen und zu bewerten. An dieser Stelle werden die Begriffe deshalb vorerst grob unterschieden. Information: Information kann unter anderem in Form von Nachrichten, Mitteilungen, Hinweisen, Auskünften, Aufklärungen oder Belehrungen auftreten. Bei all diesen Informationsformen geht es letztlich um eine sachbezogene Bereitstellung von Informationen.
Kostenerfassung der Unternehmenskommunikation
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Dieses Informieren verändert den Informationsstand des Adressaten und übt Einfluss auf dessen Entscheidung bezüglich verschiedener Handlungsalternativen aus. Zur Führung von Unternehmen (bzw. Organisationen) ist das Identifizieren und Erfassen der relevanten Informationen grundlegend, um die Unternehmensziele zu erreichen. Informationen werden auf allen Stufen von Unternehmen benötigt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Informationen ein wichtiger Bestandteil, Risiken zu erkennen und einzuschätzen, um geeignete Maßnahmen mit deren Umgang treffen zu können. Kommunikation: Da die Information der Kommunikation inhärent ist, sind Information und Kommunikation eng miteinander verbunden. Bei der Kommunikation geht es nicht um die Information an sich, sondern um die Verständigung untereinander, also die Art der Informationsübertragung und -vermittlung. Während bei der Information die Mitteilung im Zentrum steht, geht es bei der Kommunikation um die Übermittlung. Kommunikation kann sowohl einseitig wie auch zweiseitig ablaufen (Bruhn 2003: 9, siehe dazu auch COSO 2004). Information und Kommunikation lassen sich vielfältig kategorisieren. Zum Beispiel kann nach der Art der Aufbereitung in quantitative oder qualitative, nach ihrem Inhalt in finanzielle oder nicht-finanzielle oder nach ihrem Sender bzw. Empfänger in externe oder interne Information und Kommunikation eingeteilt werden. Hinzu kommt die unterschiedliche Auffassung von Information und Kommunikation aus Sicht des Senders und des Empfängers, die sich auf divergente Interessen zurückführen lässt. „Informieren“ oder „sich informieren“ ist anders motiviert und setzt andere Schwerpunkte. In der Literatur bestehen unterschiedliche Auffassungen des Controllings. Küpper (2005) und Weber (2004) verstehen das Controlling im weiten Sinne als Führungsgesamtsystem, das sämtliche Unternehmensziele einbezieht. Dagegen betrachten Horváth (2005) und Reichmann (2005) das Controlling in einem engeren Sinne, nämlich ergebnisorientiert, ausgerichtet auf ausgewählte Unternehmensziele. Die nachfolgende Definition geht von der engen Perspektive aus und lehnt sich an Reichmann (2005) an.
Definition: Kommunikations-Controlling Kommunikations-Controlling ist ein Instrument zur Unterstützung der Führungsaufgaben, indem die Informations- und Kommunikationsprozesse des Unternehmens systematisch erfasst und bewertet und damit dem Management die Entscheidungsgrundlagen zu einer effizienten und wirksamen Ressourcenzuteilung der Unternehmenskommunikation bereitgestellt werden.
Das Kommunikations-Controlling ist funktionsübergreifend und unterstützt auch andere Bereiche, wie die Strategieumsetzung, die Governance, die Berichterstattung oder das Marketing. Mit der starken Entwicklung der neuen Informations- und Kommunikationsmedien wurden Begriffe wie IT-Controlling, Informationsinfrastruktur-Controlling oder Informations-Controlling geprägt. Diese beziehen sich schwerpunktmäßig auf ein Controlling der
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T. Flemming Ruud/Jan Pfister
technischen Informationsinfrastruktur, das Kommunikations-Controlling hingegen auf die inhaltlichen Möglichkeiten.
2.2
Kommunikationswege des Unternehmens
Information und Kommunikation finden sowohl innerhalb des Unternehmens wie auch nach außen statt. Abbildung 1 veranschaulicht die verschiedenen Informations- und Kommunikationswege des Unternehmens. Es zeigt auch die verschiedenen Steuerungs- und Kontrollstellen auf und setzt das Unternehmen in Bezug zu seinem Umfeld. Unternehmensintern: Im Unternehmen sind die Informationswege sowohl horizontal als auch vertikal einzuordnen. Von besonderer Bedeutung ist die vertikale Informations- und Kommunikationsversorgung. Indem das Management gezielt informiert wird, kann es die geeigneten Entscheidungen treffen. Information und Kommunikation von den höheren auf die unteren Hierarchiestufen des Unternehmens sind für die Umsetzung einer einheitlichen und klaren Unternehmenskommunikation notwendig. Die Unternehmensführung auf der obersten Stufe des Unternehmens setzt die Vision, Ziele und Strategien des Unternehmens fest und vermittelt diese auf die unteren Hierarchieebenen. Diese Unternehmenspositionierung wird im Wertschöpfungsprozess umgesetzt. Im Steuerungs- und Überwachungssystem des Unternehmens bildet der Aufsichtsrat die oberste Instanz. Das Audit Committee, Remuneration Committee und das Nomination Committee sind zusätzlich spezialisierte Ausschüsse des Aufsichtsrates. Weitere die Unternehmensführung und -überwachung unterstützende Funktionen sind das Controlling, das Interne und Externe Audit, die Interne Steuerung und Kontrolle, die Compliance sowie das Risikomanagement. Das erfolgreiche Zusammenspiel all dieser internen Abläufe funktioniert nur durch relevante und zuverlässige Informations- und Kommunikationsprozesse. Unternehmensextern: Die Information und Kommunikation von und nach außen sind für die Stellung des Unternehmens bestimmend. Zu den bedeutendsten außenstehenden Zielgruppen gehören die Kunden, Lieferanten, Kapitalgeber, Analysten, die Öffentlichkeit und der Staat. Das Unternehmen hat die Anforderung, sich durch die geeigneten Kommunikationsinstrumente von den Konkurrenten zu differenzieren. Es geht nicht nur darum, Kunden anzuziehen und zu binden, sondern auch um die Positionierung auf weiteren bedeutenden Märkten wie dem Kapital- oder dem Arbeitsmarkt. Die Investor Relations und Public Relations bilden im externen Bereich die Hauptaufgaben der Kommunikationspolitik. Die vielen externen Anspruchsgruppen und deren unterschiedliche Ansprüche machen die Kommunikationspolitik komplex (Ruud 2003: 74 f.).
Kostenerfassung der Unternehmenskommunikation
Abbildung 1:
2.3
635
Information und Kommunikation im Unternehmen (Quelle: Ruud 2003: 75)
Informationstheorien
Information und Kommunikation spielen in den betriebswirtschaftlichen Theorien eine zentrale Rolle. Nachfolgend werden Aspekte der Unternehmenskommunikation aus drei informationstheoretischen Perspektiven diskutiert. Informationsasymmetrie: Informationsasymmetrie entsteht durch den unterschiedlichen Informationsstand der Anspruchsgruppen von Unternehmen. Diese betrifft nicht nur den Wissensvorsprung der Manager gegenüber Investorengruppen, sondern bezieht sich auch auf sämtliche weiteren Beziehungskonstellationen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Beispiele unternehmensinterner Beziehungen sind der Umgang mit den Mitarbeitern, die Vernetzung zwischen einzelnen Hierarchiestufen oder im weiteren Sinne die Abstimmung zwischen Tochter- und Muttergesellschaften. Nach außen spielen unter anderem Beziehungen zu Kunden, Lieferanten, Investoren oder dem Staat entscheidende Rollen. Diese vielfältigen Informationsasymmetrien und Interessensgegensätze im Bezie-
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hungsnetz des Unternehmens schaffen das Bedürfnis nach Information und Kommunikation (Jensen/Meckling 1976: 311, Fama 1980: 290, Moll 2002: 71 f.). Prinzipal-Agent-Theorie: Beziehungsverhältnisse zwischen einem Auftraggeber und einem Auftragnehmer werden durch die Prinzipal-Agent-Theorie charakterisiert. Der Prinzipal (Auftraggeber) delegiert einen Auftrag mitsamt der Entscheidungskompetenz und Verantwortung an den Agenten (Auftragnehmer). Durch die Auftragsausführung hat der Agent einen Informationsvorsprung gegenüber dem Prinzipal. Der Agent kann diesen Informationsvorsprung zu seinen eigenen Gunsten und auf Kosten des Prinzipals ausnutzen. Die Problematik für den Prinzipal liegt darin, den Agenten zu überwachen. Prinzipal-Agenten-Beziehungen lassen sich beinahe auf alle oben genannten Beziehungen des Unternehmens übertragen. Gezielte Information und Kommunikation tragen entscheidend zur Lösung dieser Fragen bei (Ross 1973: 134, Jensen/Meckling 1976: 308, Wenger/ Terberger 1988: 506). Theory of the Firm: Die „Theory of the Firm“ knüpft an diesem Beziehungsgeflecht der Unternehmen an. Eine unternehmensinterne Koordination funktioniert durch Anweisungen oder durch interne Marktmechanismen. Letztere verursachen so genannte Transaktionskosten. Sofern diese höher sind als die Kosten direkter interner Anweisungen, verzichtet das Unternehmen auf die betriebswirtschaftlich optimaler erscheinenden Marktmechanismen (Coase 1937: 386 ff., Alchian/Demsetz 1972: 783, Haase 2000: 67). Die Theorie besagt weiter, dass ein Unternehmen nicht als ein eigenständiges Gebilde zu interpretieren ist, sondern lediglich als eine legale Fiktion, die auf den Verträgen der verschiedenen Anspruchsgruppen untereinander basiert. Das Unternehmen selbst hat weder individuelle Rechte noch gesellschaftliche Verpflichtungen. Vielmehr liegen diese bei den Individuen, die hinter dem Unternehmen stehen. Diese Anweisungs- bzw. Vertragsbeziehungen verursachen Informations- und Kommunikationskosten (Jensen/Meckling 1976: 311).
3.
Bestimmungsansätze der Kosten
3.1
Kostenarten
Die bisherigen Ausführungen haben den Stellenwert von Information und Kommunikation dargelegt und gleichzeitig vermittelt, wie vielseitig diese im Unternehmen auftreten. Beinahe jede Aktivität im und um das Unternehmen hat im weitesten Sinne einen Informations- und Kommunikationsbestandteil.
Kostenerfassung der Unternehmenskommunikation
637
Die Problematik der Bestimmung von Informations- und Kommunikationskosten liegt weniger in der Erfassung, als vielmehr in der Zuteilung. Je nachdem, ob es sich nämlich – um einige Beispiele zu nennen – um Marketing, die finanzielle Berichterstattung oder das interne Informationssystem handelt, werden die anteiligen Kosten der Information und Kommunikation in den entsprechenden Aufwand- bzw. Kostenkonten erfasst. Die Frage stellt sich, wie viel dieser erfassten Kosten der Information und Kommunikation zuzuteilen sind. Eine Zuteilung nach einem möglichst nachvollziehbaren und objektiven Schema ist gleichzeitig Grundlage und größtes Hindernis für die Implementierung eines KommunikationsControlling. Eine restriktive Begriffsauffassung erscheint hierbei unausweichlich. Werden nämlich die Begriffe unternehmensspezifisch eingeschränkt, wird eine sachliche Zuteilung der Kosten möglich. Information und Kommunikation des Unternehmens können aus zwei Perspektiven gesehen werden. Dem Unternehmen entstehen sowohl Kosten als Informations- und Kommunikationsanbieter wie auch als -nachfrager (Bruhn 2003: 8). Eine dritte Unterteilung bilden Assurance-Kosten (Kinney 2000: 1). Angebotsorientierte Kostenerfassung: Das Unternehmen informiert und kommuniziert im Sinne eines Informations- und Kommunikationsangebots. Die dazu benötigten Kosten lassen sich beispielsweise bestimmen durch den Unterhalt der zugrunde liegenden Informationssysteme, die Zeitaufwendungen des Personals oder durch weitere administrative Kosten der Informationsbereitstellung. Hinzu kommen Kosten der Kommunikation, also der Übertragung der Botschaft zum Adressaten. Nachfrageorientierte Kostenerfassung: Benötigt hingegen das Unternehmen Information und Kommunikation, wird es diese nachfragen. Es stellt sich dem Unternehmen die Frage, wie viel es bereit ist, dafür zu bezahlen. Die Erfassung von Informations- und Kommunikationskosten setzt also ebenfalls voraus, wie viel Wert ihr als Nachfrager beigemessen wird. Kosten dieser Art können beispielsweise durch Beschaffung allgemeiner Marktdaten, Konkurrenz-, Kunden- oder Lieferantenanalysen oder durch externe Schulungen von Mitarbeitern entstehen. Assurance-Kosten: Information und Kommunikation müssen den Qualitätskriterien Relevanz und Zuverlässigkeit genügen. Dem Unternehmen können sowohl auf Seite des Informations- und Kommunikationsanbieters wie auch auf Seite des Nachfragers Assurance-Kosten anfallen.1 Hierbei spielen die Internen Auditoren und die Wirtschaftsprüfer eine besondere Rolle. Beispielsweise wird die finanzielle Berichterstattung durch die Wirt-
1
Je nach Vertragskonstellation unterscheidet man bezüglich „assurance services“ die Formen „information originator“, „information investigator“ und „information certifier“. Als „information originator“ wird ein unabhängiger Vertragspartner bezeichnet, der die Informationen für den Entscheidungsträger aufbereitet und analysiert (z. B. Beratertätigkeit). Ein „information investigator“ prüft einen Untersuchungsgegenstand und berichtet an das Management (z. B. Interner Auditor berichtet an Verwaltungsrat). Ein „information certifier“ ist ein unabhängiger Vertragspartner, beauftragt vom Management mit dem Ziel, die Informationen abzusichern und damit für außenstehende Gruppen glaubwürdige Entscheidungsgrundlagen zu liefern (z. B. Testat des Wirtschaftsprüfers).
638
T. Flemming Ruud/Jan Pfister
schaftsprüfer beglaubigt. Andererseits können sowohl externe als auch interne Daten durch das Interne Audit abgesichert werden (Kinney 2000: 19).
3.2
Kosten- versus Investitionsrechnung
Eine weitere Erfassungs- und Zuteilungsproblematik liegt in der Abgrenzung zwischen Kosten und Investitionen. Die Wirkungen von Informations- und Kommunikationsausgaben können kurz- oder langfristiger Natur sein. Vor Implementierung eines KommunikationsControlling sollte deshalb die Frage überprüft werden, ob eine kurz-, langfristige oder ganzheitliche Perspektive durch das Controlling ins Auge gefasst werden soll. Wird durch Information und Kommunikation eine langfristige Steigerung des Unternehmenswertes erreicht und müssen die Kosten deshalb aktiviert werden oder können sie den laufenden Erlösen der Periode gegenübergestellt werden? Diese Frage der Abgrenzung zwischen Kosten und Investition lässt sich mit Hilfe bestehender Rechnungslegungsstandards angehen. Eine kurzfristige Sicht stellt die Kosten einer laufenden Periode den Erlösen derselben gegenüber. Geht man hingegen davon aus, dass die Ausgaben zu langfristigen Ertragsrückflüssen führen, müssen die Ausgaben als Investition betrachtet und im Sinne einer Investitionsrechnung beurteilt werden. Diese immateriellen Informations- und Kommunikationswerte sollten dann im finanziellen Rechnungswesen als aktivierter Wert in der Bilanz eingebracht sein. Gemäß IAS 38 werden dazu die Kriterien der Identifizierbarkeit, die Verfügungsmacht durch das bilanzierende Unternehmen und das Vorhandensein eines zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens benötigt (Bruns/Thuy/Zeimes 2003: 138 f.).
3.3
Einschränkungen
Zur Etablierung eines Kommunikations-Controlling ist eine ausgiebige Analyse der Prozesse im Unternehmen notwendig. Konkrete Lücken in der Beurteilung von Information und Kommunikation müssen erkannt und Möglichkeiten zu deren Behebung gesucht und beurteilt werden. Da Information und Kommunikation überall präsent sind, werden Einschränkungen zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten und Irrelevantem benötigt. Nachfolgend werden Ansätze zur Fokussierung der Informations- und Kommunikationsprozesse gemäß den unternehmensindividuellen Anforderungen beschrieben. Kosten/Nutzen-Analyse: Der Einsatz eines Kommunikations-Controllings macht nur Sinn, wenn dessen Kosten den Nutzen nicht übersteigen. Es sollten deshalb von vornherein
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639
diejenigen Informations- und Kommunikationsprozesse ausgeschlossen werden, bei denen absehbar die Kosten einer Erfassung den Nutzen bei weitem übersteigen. Zudem muss die Gefahr von Doppelspurigkeiten mit andern Abteilungen (z. B. mit dem Marketing oder der Informatik) vermieden werden. Risikoorientierte Beurteilung: Indem das Unternehmen die Bestandteile seiner Unternehmenskommunikation analysiert, kann es die Risiken von Fehlausgaben erkennen. In diese Analyse sollte die gesamte interne und externe Unternehmenskommunikation eingehen. Anhand einer Risikoanalyse kann das Kommunikations-Controlling gezielt die Schwachstellen fokussieren und dem Management die notwendigen quantitativen wie auch qualitativen Fakten zur optimalen Entscheidungsfindung liefern. Die konsequente Anwendung dieser Einschränkungen sollte in der Praxis zu einer Positionierung des Kommunikations-Controllings führen, die bestehende Lücken schließt und zu einer wertvollen Effizienz- und Wirksamkeitssteigerung im Unternehmen beiträgt.
4.
Konzept eines Kommunikations-Controlling
4.1
Funktionaler Nutzen
Die bisherigen Ausführungen haben eine konkrete Festsetzung der Kostenerfassung bzw. -zuteilung vermieden. Dagegen wurde die grundlegende Problematik der Vielseitigkeit von Information und Kommunikation beschrieben und eine Systematik der Kostenerfassung vorgeschlagen. Allein das Wissen der Notwendigkeit eines Kommunikations-Controlling bedingt noch nicht dessen Berechtigung. Es benötigt konkrete funktionale Aspekte, die dieses Controlling erfüllen kann. Nachfolgend werden zwei zentrale Funktionen aufgeführt. Führungs- und Entscheidungsinstrument: Die wichtigste Funktion des KommunikationsControlling ist diejenige als Führungs- und Entscheidungsinstrument. Die Fokussierung auf die übergreifenden Informations- und Kommunikationsprozesse in und um das Unternehmen liefert dem Management eine andere Sichtweise der internen und externen Strukturen. Eine systematische Erfassung und Beurteilung kann der Unternehmensführung die Entscheidungsgrundlagen für eine effiziente und wirksame Kommunikationspolitik zur Verfügung stellen (Hering/Rieg 2001: 12). Instrument zum gezielten Einsatz von Assurance-Leistungen: Durch die Beurteilung der Information und Kommunikation kann ein gezielter Einsatz von Assurance-Leistungen
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unterstützt werden. Das Kommunikations-Controlling deckt Schwächen der Glaubwürdigkeit oder Mängel an angemessener Zusicherung der Informations- und Kommunikationsprozesse auf. Diese Schwächen und Mängel können durch geeignete Assurance-Leistungen behoben werden.
4.2
Prozess zur Umsetzung
Da die verschiedenen Unternehmenstypen (z. B. Dienstleistungs- versus Produktionsbetrieb) unterschiedliche Schwerpunkte der Informations- und Kommunikationspolitik aufweisen, erscheint eine starre Auflistung der Kosten- bzw. Investitionsbestandteile die falsche Vorgehensweise zu sein. Vielmehr muss ein Rahmen gefunden werden, mit dessen Hilfe die Unternehmen ein maßgeschneidertes Kommunikations-Controlling implementieren können.
1. Schritt: Erfassung der Informations- und Kommunikationsprozesse Skizzierung der Flüsse und Zusammenhänge Gewichtung und Einschätzung der Wirkungen 2. Schritt: Auswahl und Fokussierung
SWOT-Analyse bestehender und potenzieller Prozesse Risikobeurteilung Kosten/Nutzen-Abwägung Machbarkeit
3. Schritt: Festlegung der Erfassungsart und Analyse der ausgewählten Prozesse Quantitative und/oder qualitative Beurteilungen Einschätzung der Relevanz und Zuverlässigkeit Einschätzung der Effizienz 4. Schritt: Folgerungen und Maßnahmen Neuzuteilung der Ressourcen Einsatz von Assurance-Leistungen 5. Schritt: Nachkontrolle Erfolgsbeurteilung der Maßnahmen Neubeurteilung der systematischen Implementierung
Abbildung 2:
Konzept für ein Kommunikations-Controlling (Quelle: Ruud/Pfister 2005: 71)
Kostenerfassung der Unternehmenskommunikation
641
Es wird deshalb an dieser Stelle das in Abbildung 2 veranschaulichte konzeptionelle Vorgehen für ein Kommunikations-Controlling vorgeschlagen. Es bietet den Vorteil einer Fokussierung auf ineffiziente Prozesse des Unternehmens. Nachfolgend werden die einzelnen Schritte beschrieben und zusätzlich durch verschiedene Beispiele verdeutlicht. In einem ersten Schritt werden die Informations- und Kommunikationsprozesse des Unternehmens aufgenommen. Dabei sollen nicht nur die Kommunikationsflüsse erfasst, sondern auch die Zusammenhänge, Gewichtungen und Wirkungen veranschaulicht und eingeschätzt werden. Dieser Schritt soll es dem Unternehmen erleichtern, seine Informations- und Kommunikationsprozesse überhaupt als solche zu erkennen.
Beispiel: Kommunikation mit der Gewerkschaft Durch die Skizzierung der Kommunikationsflüsse wird ersichtlich, dass mehrere Stellen unterschiedlicher Hierarchiestufen im Unternehmen im direkten Informationsaustausch mit der Gewerkschaft involviert sind. Eine explizite Koordinationsstelle für die Kommunikation mit der Gewerkschaft ist nicht vorhanden.
Der zweite Schritt nimmt eine Auswahl und Fokussierung der Prozesse vor. Es werden zuerst die Stärken und Schwächen sowie Chancen und Gefahren vorhandener und potenzieller Prozesse aufgelistet und diese gewichtet. Anschließend werden deren Risiken beurteilt. Es geht einerseits darum, diejenigen Prozesse mit der höchsten Wahrscheinlichkeit an Ineffizienz herauszufiltern, und andererseits um das Erkennen fehlender Prozesse. Die ausgewählten vorhandenen und potenziellen Informations- und Kommunikationsprozesse werden dann auf ihre Beurteilbarkeit hin geprüft. Erscheint eine Einschätzung zu komplex bzw. nicht machbar, muss auf eine Analyse verzichtet werden. Hinzu kommt eine Kosten/Nutzen-Abwägung der verbliebenen Prozesse. Ist offensichtlich, dass die Kosten einer Beurteilung weitaus höher ausfallen, als der durch die Analyse des Prozesses erzielte Nutzen, kann von vornherein von einer fokussierten Beurteilung abgesehen werden.
Beispiel: Verkaufsflächen von Filialen Zur Steigerung der Mitarbeitermotivation haben die zwölf Filialen eines Möbelgeschäfts weitgehend eigene Kompetenzen betreffend der Ausgestaltung der Verkaufsfläche. Eine Analyse hat nun gezeigt, dass Kunden teilweise in verschiedenen Filialen dieses Möbelgeschäfts einkaufen, aber die unterschiedlichen Verkaufsflächen als befremdend empfinden. Die Unternehmensführung erkennt hier ein Risiko und sieht eine weitergehende Prozessbeurteilung durch das Kommunikations-Controlling als machbar. Zudem verspricht sie sich daraus Kosteneinsparungen sowie Nutzensteigerungen.
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Die aus den ersten beiden Schritten ausgewählten aktuellen und potenziellen Informationsund Kommunikationsprozesse werden im dritten Schritt einer Analyse unterzogen. Während vorhandene Prozesse aufgrund der bestehenden Fakten geprüft werden können, basiert die Einschätzung potenzieller Prozesse auf Erwartungs- und Vergleichswerten. Es muss festgelegt werden, ob die Prozesse quantitativ anhand einer Kosten- oder Investitionsrechnung und/oder qualitativ anhand von Beurteilungen und Erfahrungswerten analysiert werden sollen und können. Die aufbereiteten Ergebnisse der Untersuchung sollen insbesondere Folgerungen über die Relevanz und Zuverlässigkeit der Informations- und Kommunikationsprozesse geben sowie eine damit verbundene Effizienzbeurteilung ermöglichen.
Beispiel: Sponsoring eines Fußballklubs Das Unternehmen sponsert einen Fußballklub, der gegen den Abstieg spielt. Die Kosten des Sponsorings sind einfach bestimmbar. Die Beurteilung, inwieweit der Misserfolg des Klubs sich auf den Erfolg des Sponsorings bzw. das Image des Unternehmens überträgt, verlangt die Einbeziehung qualitativer Beurteilungen.
Im vierten Schritt werden Folgerungen und Maßnahmen abgeleitet, die dem Management als Entscheidungsgrundlage vorgelegt werden. Ineffiziente und ineffektive Prozesse sollen modifiziert oder abgeschafft, potenzielle, Erfolg versprechende Prozesse dagegen neu entwickelt und implementiert werden. Hinzu kommt der Einsatz von Assurance-Leistungen. Durch die Aufdeckung unzuverlässiger oder nicht angemessen zugesicherter Informationsund Kommunikationsprozesse können Assurance-Leistungen gezielt eingesetzt werden und wertsteigernd wirken. Ziel dieses Schrittes ist es, dem Management die Grundlagen für eine effiziente Neuzuteilung der vorhandenen Ressourcen zu liefern.
Beispiel: Interne Kommunikation Es hat sich herausgestellt, dass das unternehmensinterne Magazin von den Mitarbeitern nicht gelesen wird. Es erweisen sich drei Möglichkeiten als machbar: (1) Abschaffung ohne Ersatz, (2) Neukonzeptionierung des Magazins oder (3) Abschaffung des Magazins und Erweiterung des Intranets mit Beiträgen des Magazins. Das Management entscheidet sich für die dritte Variante. Mit Hilfe eines Zertifizierungstools und einer Zutrittsberichtigung können hier zudem vertrauliche Informationen abteilungsspezifisch adressiert werden.
Der fünfte Schritt besteht in einer Nachkontrolle. Es werden einerseits die getroffenen Maßnahmen nachbeurteilt und andererseits Schwächen in der Vorgehensweise aufgedeckt, indem die Implementierung und Systematik des Kommunikations-Controlling im Unternehmen kritisch hinterfragt werden. Diese Beurteilung führt zu einer dynamischen Anpassung und ständigen Verbesserung des unternehmensindividuellen Kommunikations-Controlling.
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Beispiel: Interne E-Mails Da sich verschiedene Mitarbeiter der Finanzabteilung über die fast nicht zu bewältigende Flut von E-Mails beschwert haben, wurden im Unternehmen Richtlinien für die Versendung von E-Mails geschaffen. Die Anwendung hat jedoch gezeigt, dass diese Richtlinien die Mitarbeiter in ihrer Flexibilität stark einschränken. Es wird deshalb einerseits eine Neubeurteilung der Maßnahmen vorgenommen, und andererseits muss der Ablauf zur Auswahl der vom Kommunikations-Controlling vorgeschlagenen Maßnahmen überprüft werden.
5.
Fazit
Information und Kommunikation sind allgegenwärtig im Unternehmen. Obwohl beinahe jeder Prozess informative und kommunikative Komponenten aufweist, werden die entsprechenden Kosten bisher nur in wenigen Unternehmen systematisch überwacht. Dies bietet Potenzial für ein Kommunikations-Controlling. Es kann die Prozesse, insbesondere deren Ausgaben und Nutzen, beurteilen und der Unternehmensführung Entscheidungsgrundlagen liefern, um die Effizienz und Wirksamkeit der Unternehmenskommunikation zu verbessern. Es sollen dabei nicht nur angebotsorientierte Informations- und Kommunikationsausgaben einbezogen werden, sondern auch nachfrageorientierte Prozesse sowie Assurance-Kosten der Information und Kommunikation. Der Aufbau und die Implementierung eines solchen Controllings bringen verschiedene Erfassungs- und Zuteilungsprobleme mit sich. Es wird hier deshalb vorgeschlagen, anhand eines standardisierten Grobkonzepts unternehmensindividuelle Lösungen zu bilden. Durch die Kriterien Kosten/Nutzen, Risiko und Machbarkeit kann das Controlling sinnvoll eingeschränkt werden. Es werden durch das Controlling nur vorhandene und potenzielle Prozesse beurteilt, deren Erfassung überhaupt machbar ist, deren Kosten der Erfassung den Nutzen nicht übersteigen und die mit angemessener Wahrscheinlichkeit ein gewisses Risiko der Ineffizienz aufweisen. Voraussetzung zur Umsetzung eines Kommunikations-Controlling ist in erster Linie die Anerkennung der Notwendigkeit durch die beteiligten Gruppen. Können die Verantwortlichen den Wert einer systematischen Erfassung und Beurteilung dieser Prozesse erkennen, werden auch die nicht unerheblichen administrativen Ressourcen, die zu einer Implementierung notwendig sind, in Kauf genommen. Der Unternehmensführung wird mit dem Kommunikations-Controlling ein bedeutendes Instrument zur Entscheidungsfindung geliefert. Es
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bildet eine Grundlage zur erfolgreichen Umsetzung der Unternehmensstrategie und unterstützt die Zielerreichung des Unternehmens.
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Bereitstellung von Organisation und Kompetenz
Kommunikation als Teil der Führungsaufgabe
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Kommunikation als Teil der Führungsaufgabe Ralf Reichwald/Jutta Hensel
Die Anforderungen an Führungskräfte steigen: Einerseits steht die fachliche Zielerreichung im Vordergrund, andererseits gehört der erfolgreiche Umgang mit Wandel und Veränderungsinitiativen zu den Aufgaben von Führungskräften. Von hoher Bedeutung bei der täglichen Führungsarbeit ist die Kommunikation – sowohl mit Aufgabenbezug als auch zum Aufbau und der Pflege von Beziehungen zu Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern. Dieser Beitrag stellt die Grundlagen der Kommunikation und Führung dar und gibt Anregungen für die Gestaltung der Kommunikation im Unternehmen aus interpersoneller Perspektive.
1.
Kommunikation als Führungsaufgabe
Die Anforderungen, die an Führungskräfte gestellt werden, nehmen zu. Neben fachlicher Kompetenz, die nach wie vor als Grundvoraussetzung für die Wahrnehmung von Führungsverantwortung in Unternehmen gilt, sind vor allem soziale Kompetenz, wie Kommunikationsfähigkeit oder Konfliktfähigkeit, bei der Bewältigung anspruchsvoller Führungsaufgaben von Bedeutung. Der Druck, unter dem Unternehmen und Manager stehen und Entscheidungen treffen müssen, wird immer größer. Ursachen sind der zunehmende Wettbewerb, eine höhere Innovationsgeschwindigkeit sowie instabile Rahmenbedingungen im Umfeld von Unternehmen. In dieser Situation des Wandels als Normalzustand muss eine Führungskraft die Mitarbeiter verstärkt für die gemeinsame Zielerreichung gewinnen und motivieren sowie Kontinuität und Stabilität gewährleisten. Kommunikation und Information sind dabei der Schlüssel, um Menschen Orientierung und Überblick über Zusammenhänge zu geben. Kommunikation ist jedoch auch elementarer Bestandteil des täglichen Miteinanders. Bisherige Untersuchungen zur Arbeit von Führungskräften zeigen übereinstimmend, dass Manager die meiste Zeit mit Kommunikation M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_37, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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verbringen. Der größte Zeitanteil von rund 60 Prozent entfällt dabei auf Besprechungen bzw. Gespräche (Pribilla/Reichwald/Goecke 1996: 26 f.). Dabei muss das persönliche Gespräch nicht immer das effiziente Medium für alle Kommunikationsaufgaben im beruflichen Alltag sein. Vielmehr spielt die Art der Aufgabe, die es zu bewältigen gilt, eine entscheidende Rolle bei der Auswahl des passenden Kommunikationsinstruments. Sind diese grundlegenden Prinzipien erfolgreicher Kommunikation verinnerlicht, ist ein zweites Gebiet der Kommunikation zu gestalten: der Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation und damit die Beziehungsebene zwischen Führungskraft und Mitarbeitern als auch zwischen Gruppen von Mitarbeitern. In den folgenden Abschnitten werden zunächst die begrifflichen Grundlagen der Kommunikation und Führung dargelegt, bevor eine Vertiefung des Themenfeldes erfolgt.
1.1
Grundlagen der Kommunikation
In der Betriebswirtschaft wird unter Kommunikation ein Prozess verstanden, bei dem Informationen zum Zweck der aufgabenbezogenen Verständigung ausgetauscht werden (Reichwald 2005: 257). Damit wird die Kommunikation im Unternehmen in erster Linie zur Wahrnehmung von Koordinationsaufgaben gesehen, die durch arbeitsteilige Wertschöpfungsprozesse entstehen. Kommunikation erfüllt jedoch noch eine weitere wesentliche Funktion im Unternehmen, in dem der Aufbau von zwischenmenschlichen Beziehungen durch Kommunikation erst möglich wird. Die Kommunikationsforschung wurde insbesondere durch die Arbeiten von Paul Watzlawick bereichert (Watzlawick/Beavin/Jackson 2003). Im Rahmen seiner Axiome arbeitet Watzlawick heraus, dass jede zwischenmenschliche Kommunikation auf zwei Aspekten beruht: dem Inhalts- und dem Beziehungsaspekt.
Abbildung 1:
TALK-Modell nach Neuberger
Kommunikation als Teil der Führungsaufgabe
651
Oswald Neuberger hat auf dieser Basis das Kommunikationsmodell der Führung entwickelt (Neuberger 1985). Sein sogenanntes TALK-Modell ist besonders gut geeignet, die Kommunikationsabläufe zwischen Führungskraft und Mitarbeiter bzw. zwischen Mitarbeitern zu analysieren und damit besser zu verstehen (vgl. Abbildung 1). Das TALK-Modell von Neuberger unterscheidet vier Aspekte in Kommunikationsprozessen: Die Tatsachendarstellung („Es ist“) entspricht dem Inhaltsaspekt einer Nachricht in Watzlawicks Ausführungen. Ausdruck („Ich bin“), Lenkung („Du sollst“) und Kontakt („Wir sind“) verdeutlichen hingegen die Dimensionen des Beziehungsaspektes zwischen Sender und Empfänger. Alle vier Aspekte spielen in Kommunikationsprozessen zwischen Menschen eine entscheidende Rolle und können nicht partiell ausgeblendet werden. Die Tatsachendarstellung genießt im beruflichen Alltag von Führungskräften häufig einen dominanten Stellenwert. Dies ist verständlich, wenn der Blick auf die verschiedenen Phasen dieses Aspektes fällt: In einem idealtypischen Ablauf werden zunächst Probleme formuliert, dann erfolgt die Zielklärung, schließlich werden Lösungsalternativen diskutiert und bewertet, und schlussendlich erfolgt eine Entscheidung sowie Umsetzung und Kontrolle des Erfolgs. Diese strukturierte Vorgehensweise bei der Diskussion neuer Themenfelder bzw. Aufgaben im Unternehmen ist weit verbreitet. Häufig spielt jedoch der Ausdruck (z. B. Gesten und Mimik), der bei der Kommunikation von Tatsachen ebenfalls übermittelt wird, eine unterschätzte Bedeutung und bildet eine wesentliche Quelle für Missverständnisse. Neuberger unterscheidet hier klar zwischen dem Ausdruck, der die innere Lage eines Menschen wiedergibt, und der Wirkung auf das Gegenüber. Diese beiden Dimensionen sind nicht immer identisch und können zu Wahrnehmungsdifferenzen im Kommunikationsprozess führen. Der Lenkungsaspekt beschreibt hingegen die Tatsache, dass jede Führungskraft bzw. jeder Mitarbeiter mit der Übermittlung einer Information eine bestimmte Wirkung beim Empfänger erzielen will. Entweder kann explizit durch die Verwendung von Aufforderungsformeln eine Lenkung erzielt werden oder implizit durch motivationssteigernde Aussagen der Gesprächspartner in eine bestimmte Richtung geführt werden. Der vierte Aspekt Kontakt steht für die Beschreibung der konkreten Haltung und Position der Kommunikationspartner zueinander. Viele Kommunikationsvorgänge dienen vornehmlich dem Aufbau oder der Pflege von Beziehungen zwischen Menschen. Die Tatsachendarstellung tritt dabei in den Hintergrund. Wichtig ist, als Gesprächspartner frühzeitig zu erkennen, welcher Aspekt im Gespräch vom Gegenüber gerade priorisiert wird. Kommt es zu Konflikten, wenn z. B. Gesprächspartner unterschiedliche Aspekte der Kommunikation betonen, kann die Metakommunikation eine entscheidende Rolle bei der Auflösung von Kommunikationsstörungen spielen. Hierzu zielt die Kommunikation über die Kommunikation auf ein besseres gegenseitiges Verständnis, wobei sich die Gesprächspartner an den vier Aspekten der Kommunikation orientieren sollten. Allerdings setzt die Ebene der Metakommunikation einen sehr disziplinierten und kontrollierten Umgang mit sich selbst und dem Gegenüber voraus. Das TALK-Modell betrachtet die Aspekte menschlicher Kommunikation auf individueller Ebene und stellt damit eine Basis für die Führung im Unternehmen dar. Eine Führungskraft wird nur dann wirkungsvoll Mitarbeiter für ein gemeinsames Ziel begeistern können, wenn die grundlegenden Mechanismen zwischenmenschlicher Kommunikation gelebt werden. Im
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nachfolgenden Abschnitt wird auf diesen Grundsätzen der Kommunikation aufgebaut und der Begriff der Führung erläutert.
1.2
Aspekte der Führung im Unternehmen
Nachdem ein Grundverständnis für die verschiedenen Aspekte der Kommunikation zwischen Menschen gelegt wurde, stellt sich die Frage, worauf Führung abzielt. Auch hier bietet die Führungsforschung vielfältige Theorieansätze und Begriffsdefinitionen. In einer ersten begrifflichen Annäherung ist festzuhalten, dass Führung auf die bewusste und zielbezogene Verhaltensbeeinflussung von Mitarbeitern abzielt (von Rosenstiel 2003: 75 ff.). Um das Verhalten eines Mitarbeiters zu beeinflussen oder gar zu verändern, sind Kommunikation und damit der Austausch von Informationen mit Aufgabenbezug sowie auch der Aufbau einer Beziehungsebene zum Mitarbeiter elementare Bestandteile der Führung. Die inhaltlichen Aspekte der Führung zur Förderung der Aufgabenerfüllung und Zielerreichung werden auch als Lokomotionsfunktion bezeichnet. Wohingegen die Förderung der sozialen Integration, des Zusammenhalts und der Beziehung zwischen Menschen als Kohäsionsfunktion definiert werden. Im kommunikationstheoretischen Ansatz von Watzlawick wird darüber hinaus auch die Verhaltensdimension der Führungskommunikation beschrieben. Watzlawick stellt fest, dass ein Mensch keine Möglichkeit hat, nicht zu kommunizieren. Auch das Unterlassen von verbaler Kommunikation ist damit bereits eine Interaktion im Bereich der Führung, der vom Gesprächspartner eine bestimmte negative oder positive Bedeutung beigemessen werden kann. Doch wie kann eine Führungskraft in den beiden Aspekten der Führung – der Lokomotionsund der Kohäsionsfunktion – unterstützt werden? Diese Frage ist ganz entscheidend für erfolgreiches Agieren in Unternehmen. Untersuchungen haben gezeigt, dass zwei Ansätze zu unterscheiden sind: der personale und der strukturale Ansatz der Führung. Nach dem personalen Ansatz wirkt die Führungskraft rein auf der Interaktionsebene in oben beschriebener verhaltensbeeinflussender Weise. Hier sind die persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten der Führungskraft von großer Bedeutung. Die Führungsforschung hat sich mit diesem Feld sehr ausgiebig beschäftigt. Dies zeigen zahlreiche Untersuchungen über die Bedeutung von Charisma oder aber Reputation und Autorität als Eigenschaften von Führungskräften (House 1977). Der strukturale Ansatz hingegen geht davon aus, dass Mitarbeiter durch den strategischen und zielgerichteten Einsatz von Verfahren, Methoden, Anreizsystemen und Werkzeugen zu führen sind. Systeme dienen der Unterstützung von Führung, müssen jedoch im Kontext von Unternehmensstrategie, -struktur und -kultur gesehen werden. Beide Ansätze sind in ihrem Zusammenwirken erfolgskritisch für Führung im Unternehmen.
Kommunikation als Teil der Führungsaufgabe
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Das folgende Kapitel vertieft diese Gestaltungsdimensionen der Führung und geht zunächst näher auf die Aktionsfelder von Führungssystemen ein, um in einem nächsten Schritt Kriterien erfolgreicher Führungssysteme darzustellen.
2.
Gestaltung der Führung
Führung schafft die Voraussetzungen, unter denen Menschen außergewöhnliche Leistungen vollbringen können. Neben den persönlichen Eigenschaften, die eine Führungskraft zur Aufgabenerfüllung aufweisen muss, sind es insbesondere die Strukturen und Systeme im Unternehmen, die exzellente Führung fördern. Zum einen müssen diese Systeme so gestaltet sein, dass die Zusammenarbeit der Menschen auf die gemeinsame Zielerreichung möglichst effizient unterstützt wird. Auf der anderen Seite ist bei der Gestaltung von Führungssystemen der Bezug zur Zielsetzung und den Rahmenbedingungen im Unternehmen sicherzustellen, um das Unternehmen auf die Anforderungen im Wandel auszurichten, Flexibilität zu gewährleisten, aber auch Kontinuität sicherzustellen. Beide Aspekte werden in den folgenden Abschnitten besprochen und geben Ansatzpunkte zur Professionalisierung von Führung und Kommunikation in Unternehmen.
2.1
Aktionsfelder der Führung
Neben der persönlichen Kompetenz von Führungskräften spielt die strukturelle Ausgestaltung von unterstützenden Systemen mit entsprechenden Instrumenten eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung von Kommunikations- und Führungsaufgaben. Die verschiedenen Instrumente stammen in der Praxis aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen, wie Personalmanagement, Controlling, Unternehmenskommunikation, Organisationsgestaltung und Unternehmensführung, und können vier Aktionsfeldern zugeordnet werden. Diese bilden den Rahmen für ein Führungssystem (Reichwald/Siebert/Möslein 2004), wie es in Abbildung 2 dargestellt wird.
654
Abbildung 2:
Ralf Reichwald/Jutta Hensel
Das generische Führungssystem und seine Aktionsfelder
Welche inhaltlichen Schwerpunkte liegen nun in den jeweiligen Aktionsfeldern vor? Nachfolgend werden die Aktionsfelder eines Führungssystems kurz vorgestellt und Beispiele für Instrumente aufgezeigt. Aktionsfeld 1: Führung als Interaktion im Alltag In diesem Feld geht es um die Frage, wie Führungskräfte im Alltag durch ein Führungssystem in ihrer täglichen Führungsarbeit unterstützt werden können. Hierzu gehören Instrumente wie Balanced Scorecards, Mitarbeitergespräche oder aber auch Coaching und Mentoring. Aktionsfeld 2: Kennzahlen zum Einsatz der Instrumente Dieses Feld richtet den Blick auf die Messung der individuellen Führungsleistung. Beispiele für eingesetzte Instrumente in diesem Bereich sind das 180- oder das 360-GradFeedback für eine output-orientierte Messung der Führungsleistung. Aktionsfeld 3: Gestaltung des Führungsprozesses Hier geht es um die Frage der Leistungskonsequenzen von Führung und die Gestaltung von Anreizsystemen im Unternehmen zur Förderung von Führungskräften. In der Praxis finden in diesem Bereich Incentive-Modelle Anwendung, die sich am Geschäftserfolg oder der persönlichen Zielerreichung orientieren, oder aber Karrieremodelle zur Förderung des Führungsnachwuchses. Aktionsfeld 4: Auswahl von Führungskräften und Führungskräfteentwicklung Zentrale Fragen in diesem Feld betreffen die Identifikation von Führungskräften mit Entwicklungspotenzial sowie die Gestaltung von Personalentwicklungssystemen. Als Beispiele können hier interne Assessment Center oder auch Weiterbildungsseminare sowie der Aufbau von Corporate Universities genannt werden.
Kommunikation als Teil der Führungsaufgabe
655
Nachdem die Aktionsfelder eines Führungssystems zur Unterstützung von Führungskräften im Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgestellt wurden, wird im nächsten Abschnitt der Frage nachgegangen, welche Anforderungen an die gezielte Gestaltung eines effektiven und integrierten Führungssystems in der Praxis gestellt werden. Hierzu wird das zuvor beschriebene generische Führungssystem in Bezug zu Strategie, Struktur und Kultur eines Unternehmens gesetzt.
2.2
Führungssysteme im Kontext von Strategie, Struktur und Kultur
Losgelöste Systeme oder aber auch Einzelinstrumente sind im Bereich der Führung und Kommunikation im Unternehmen wirkungslos. Erst ein abgestimmtes Gesamtssystem mit integrierten Einzelinstrumenten ist geeignet, Führungskräfte optimal bei ihrer Arbeit zu unterstützen und somit auch die Herausbildung von unternehmensweiten Standards im Bereich der Führung und Kommunikation zu fördern. Ein Führungssystem sollte in allen vier vorgestellten Aktionsfeldern folgende Anforderungen erfüllen: Die Instrumente sollten durchgängig und miteinander verkoppelt sein, es sollte eine Ökonomie zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug sichergestellt sein, die Orientierung der Instrumente an den Zielen des Unternehmens muss gewährleistet sein, der Strategie-, Kulturund Marktbezug sollte sich in der Gestaltung des Führungssystems widerspiegeln sowie die Eigen- und Fremdwahrnehmung stimmig sein. Ein Führungssystem sollte einerseits den Unternehmenserfolg sichern, zum anderen das Unternehmen in seiner Wandlungsfähigkeit unterstützen. In der Praxis wird häufig Kritik geäußert, dass Systeme eher verfestigen und nicht die Wandlungsfähigkeit eines Unternehmens oder von Abteilungen unterstützen. Hier ist von Bedeutung, dass Führungssysteme ebenfalls einem permanenten Wandel unterworfen sind und sich ähnlich wie das Unternehmen als Ganzes den Veränderungen im Umfeld anpassen müssen. Von überflüssigen Instrumenten, die selten zur Anwendung kommen oder Abläufe nur erschweren, sollten sich Führungskräfte trennen und sich dabei immer die Frage stellen, welche wirklich wichtigen Instrumente und Prozesse sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Entscheidend ist, dass die Instrumente nicht zum Selbstzweck im Unternehmen eingesetzt werden, sondern dass ihr Einsatz einen hohen Nutzen für das Unternehmen stiftet. Exzellente Führung und Kommunikation zeigt sich dort, wo die strategischen Ziele des Unternehmens in den einzelnen Unternehmensbereichen umgesetzt, an die Mitarbeiter in geeigneter Form kommuniziert und mit höchster Motivation in der Praxis übertragen werden. Erst dann stellt die strukturelle Unterstützung über Führungssysteme einen Wettbewerbsvorteil dar und trägt als Kernkompetenz des Unternehmens zum Erfolg bei.
656
3.
Ralf Reichwald/Jutta Hensel
Führung und Kommunikation im Wandel
Der Umgang mit Veränderungen ist mittlerweile zum Tagesgeschäft von Führungskräften geworden. Unternehmen müssen sich den veränderten Bedingungen kontinuierlich anpassen, um ihre Marktposition zu sichern bzw. auszubauen. Deshalb sind die Initiierung und Leitung von Projekten zur Optimierung interner Prozesse bzw. zur Neuausrichtung des Unternehmens keine seltenen Ereignisse, sondern gehören zur vorrangigen Aufgabe von Führungskräften. Untersuchungen haben gezeigt, dass Veränderungsprojekte häufig scheitern, wenn Ziele und Notwendigkeit der Projekte von den Mitarbeitern nicht mitgetragen werden. Ursache hierfür ist in vielen Fällen eine unzureichende Kommunikation des Wandlungsbedarfs und der mit dem Wandel verbundenen Ziele. Wie aber kann die effiziente Begleitung von Wandlungsprozessen gestaltet werden, um Mitarbeiter an Veränderungen zu beteiligen? Im nachfolgenden Abschnitt wird zunächst der Umgang mit Wandel und Veränderungsprozessen aus Sicht von Führungskräften und Mitarbeitern dargestellt, um abschließend einen Ausblick auf die zentralen Herausforderungen der Führung im täglichen Spannungsfeld von Zielerreichung und Mobilisierung zu geben.
3.1
Umgang mit Wandel und Veränderungsprozessen
Wandel und Veränderungen verursachen bei den meisten Menschen zunächst Vorbehalte oder auch Ängste. Gewohnte und verinnerlichte Abläufe und Methoden werden in Frage gestellt. Hingegen sollen neue Ansätze Vorteile bringen, die zunächst in weiter Ferne stehen und nicht greifbar sind. Untersuchungen zeigen, dass Veränderungsprozesse häufig einem bestimmten Muster von Reaktionen der vom Wandel betroffenen Mitarbeiter folgen. In Abbildung 3 ist dieser Verlauf dargestellt. Viele Veränderungen rufen zunächst einen Schockzustand bei Mitarbeitern hervor, der sich im weiteren Verlauf zu einer Verneinung der geplanten Veränderungen entwickeln kann, wenn auf eine durchgehende Begleitung des Veränderungsprozesses kein Schwerpunkt gelegt wird. Der Verneinung der Veränderung folgt eine Phase der Einsicht in die Notwendigkeit des Wandels, die bei entsprechender Begleitung zu einer ersten Akzeptanz und einem Ausprobieren der neuen Situation führen kann. Die wahrgenommene Kompetenz der Mitarbeiter in der Veränderungssituation wird erst dann hoch eingestuft, wenn die Gründe für den einsetzenden Projekterfolg erkannt werden. In einem letzten Veränderungsschritt wird die neue, erfolgreiche Verhaltensweise in das eigene Repertoire übernommen und verinnerlicht. Erst dann kann von einem erfolgreichen Veränderungsprozess gesprochen werden.
Kommunikation als Teil der Führungsaufgabe
Abbildung 3:
657
Reaktionen auf Wandel – Phasen in Veränderungsprojekten
Um in frühen Phasen von Veränderungsprojekten Widerstand und Verneinung vorzubeugen, wird in zahlreichen Abhandlungen im Bereich der Veränderungsbegleitung die Bedeutung eines aktiven und durchgängigen Kommunikationsmanagements hervorgehoben. Besondere Bedeutung kommt übergreifenden Inhalten der Kommunikation im Wandel zu. Hierzu gehören folgende Bereiche (Krüger 2002: 263 ff.): Kommunikation des Wandlungsbedarfs mit Nennung von Gründen für das Veränderungsvorhaben, Kommunikation des Programmziels mit konkreten Inhalten und detaillierten Unterzielen, Kommunikation der notwendigen Wandlungsbereitschaft und -fähigkeiten mit Darstellung aller relevanten Konsequenzen für den Einzelnen und das Unternehmen, Kommunikation von Erfolgen und Misserfolgen des Veränderungsvorhabens sowie Pflege eines kontinuierlichen Dialogs mit den betroffenen Mitarbeitergruppen. Alle Aspekte sollen eine durchgehende Beteiligung von betroffenen Mitarbeitergruppen am Veränderungsprozess sicherstellen. Die Einbindung von Mitarbeitern kann nur durch Kommunikation im Sinne eines gleichberechtigten Dialogs sichergestellt werden (Kieser/ Hegele/Klimmer 1998: 232 f.). Dabei steht die Rolle und Verantwortung von Führungskräften als Promotoren der Veränderung im Mittelpunkt. Führungskräfte verkörpern eine Vorbildfunktion in Wandlungsprozessen und müssen damit über den gesamten Verlauf eines Veränderungsprojektes präsent sein und professionell die in den vorherigen Kapiteln beschriebenen Grundzüge effektiver Kommunikation sicher beherrschen. Damit steigen die
658
Ralf Reichwald/Jutta Hensel
Erwartungen an die Kommunikationskompetenz von Führungskräften, die sich in der Vergangenheit vorrangig durch gutes Expertenwissen auszeichnen mussten. Das Kompetenzprofil einer Führungskraft wird sich maßgeblich von der fachlichen hin zu einer überfachlichen Ausrichtung wandeln müssen, um diesen veränderten Anforderungen gerecht werden zu können. Erst dann können Führungskräfte ihre Rolle als Kommunikatoren im Wandel zufrieden stellend ausfüllen.
3.2
Führungskräfte als Kommunikatoren im täglichen Spannungsfeld
Der zeitliche Spielraum für Führungskräfte im Spannungsfeld von operativer Aufgabenerfüllung und -steuerung sowie jährlicher Zielerreichung ist für die Wahrnehmung von Kommunikationsaufgaben insbesondere zum Aufbau und der Pflege von Beziehungen zu Mitarbeitern und Vorgesetzten begrenzt. Somit scheitern häufig gute Absichten von Führungskräften, die Kommunikation zur Chefsache zu erklären und Präsenz an der Schnittstelle zu Mitarbeitern zu zeigen, an der zeitlichen Verfügbarkeit. Zum anderen besteht sowohl im Bereich der Weiterbildung und Stärkung der Kommunikationskompetenz als auch in der Optimierung struktureller Voraussetzungen im Unternehmen Handlungsbedarf, wie die Ausführungen zu Führungssystemen gezeigt haben. Hier können wichtige Akzente gesetzt werden, die die Basis für die immer schnelleren Zyklen von Veränderungsprojekten bilden können. Führungskräfte müssen zunehmend die Vielschichtigkeit und Komplexität in Unternehmen reduzieren helfen. Hierzu benötigen sie Kommunikations- und Führungskompetenz, um Mitarbeiter für die gemeinsamen Aufgaben zu gewinnen und zur Erreichung gemeinsamer Ziele zu motivieren. Eine praxisnahe Diskussion des Themengebietes Führung und Kommunikation muss daher sowohl den Inhalts- und Beziehungsaspekt von Kommunikationsprozessen zwischen Menschen als auch die Bedeutung integrierter und abgestimmter Führungssysteme umfassen.
Kommunikation als Teil der Führungsaufgabe
659
Literatur
Goecke, Robert (1997): Kommunikation von Führungskräften: Fallstudien zur Medienanwendung im oberen Management, Wiesbaden. House, Robert J. (1977): A 1976 Theory of Charismatic Leadership, in: Hunt, James G./ Larson, Lars L. (Hrsg.): Leadership: The Cutting Edge, S. 189-207. Kieser, Alfred/Hegele, Cornelia/Klimmer, Matthias (1998): Kommunikation im organisatorischen Wandel, Stuttgart. Krüger, Wilfried (2002): Excellence in Change – Wege zur strategischen Erneuerung, 2. Auflage, Wiesbaden. Neuberger, Oswald (1985): Miteinander arbeiten – miteinander reden!, 6. Auflage, München. Pribilla, Peter/Reichwald, Ralf/Goecke, Robert (1996): Telekommunikation im Management, Stuttgart. Reichwald, Ralf (2005): Informationsmanagement, in: Bitz, Michael/Domsch, Michel, Ewert, Ralf/Wagner, Franz W. (Hrsg.): Vahlens Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, Band 2, 5. Auflage, München. Reichwald, Ralf/Siebert, Jörg/Möslein, Kathrin (2004): Leadership Excellence: Führungssysteme auf dem Prüfstand, in: Personalführung, 3/2004, S. 50-56. von Rosenstiel, Lutz/Comelli, Gerhard (2003): Führung zwischen Stabilität und Wandel, München. Watzlawick, Paul/Beavin, Janet H./Jackson, Don D. (2003): Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien, 10. Auflage, Bern.
Organisation der Kommunikationsfunktion
661
Organisation der Kommunikationsfunktion: Teamarbeit als Erfolgsfaktor Manfred Bruhn/Grit Mareike Ahlers
Die Bedeutung der Kommunikation für den Erfolg von Unternehmen ist weithin anerkannt. Erfolgreich kommunizieren kann ein Unternehmen jedoch nur, wenn die Kommunikationsarbeit durch adäquate Organisationsmaßnahmen unterstützt wird. Da die Kommunikationsfunktionen in Unternehmen häufig in unterschiedlichen Abteilungen angesiedelt sind, besteht eine zentrale Herausforderung in der Gestaltung der cross-funktionalen Zusammenarbeit der jeweiligen Kommunikationsexperten, um die Entwicklung eines einheitlichen Kommunikationsprogramms zu gewährleisten. Der vorliegende Beitrag verdeutlicht vor diesem Hintergrund zunächst die Notwendigkeit zur Koordination der Kommunikation und analysiert sodann die Eignung und Einsetzbarkeit von Teamarbeit.
1.
Bedeutung der Organisation für den Erfolg der Kommunikation
Die Organisation wird gemäß einer wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtungsweise als Teil des Unternehmens betrachtet und findet neben Beschaffung, Produktion und Absatz als eigenständiger Problembereich Berücksichtigung (Bühner 2004: 1 f.). Einem funktionalen Verständnis folgend wird sie als Funktion der Unternehmensführung gesehen, die zur Sicherstellung der Zweckerfüllung des Unternehmens bzw. zur Realisierung der Unternehmensziele dient (Schreyögg 2003: 5, Bühner 2004: 2). Werden die Kommunikationsziele idealtypisch aus den Marketingzielen und diese wiederum aus den Unternehmenszielen abgeleitet, bedeutet dies, dass organisatorische Regelungen auch für den Erfolg der Kommunikation von wesentlicher Bedeutung sind. Deutlich wird die zentrale Rolle der Organisation, wenn bei einer unternehmerischen Gesamtaufgabe eine Arbeitsteilung vorgenommen wird und sie durch zwei oder mehr M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_38, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Manfred Bruhn/Grit Mareike Ahlers
Organisationseinheiten zu erfüllen ist (Frese 2000: 54 ff., Bühner 2004: 5). Dies trifft ebenfalls auf den Kommunikationsbereich zu. So kann z. B. die (Neu-)Positionierung einer Marke durch vielfältige Maßnahmen der Marketing- und Unternehmenskommunikation, wie Werbung, Sponsoring, Verkaufsförderung und Public Relations, unterstützt werden, und auch intern sind die Mitarbeiter über die Neuausrichtung zu informieren. Auf Grund der begrenzten zeitlichen und fachlichen Kapazität einzelner Mitarbeiter und der Notwendigkeit zur Spezialisierung befinden sich diese Kommunikationsfunktionen aber zumeist nicht in einer Abteilung. So sind Werbung und Sponsoring häufig im Marketing angesiedelt, Public Relations auf Vorstandsebene, die Verkaufsförderung im Vertrieb und die Verantwortung für die Interne Kommunikation liegt in vielen Unternehmen beim Personalmanagement. Organisatorische Regelungen haben folglich die Koordination der mit Teilaufgaben betrauten Mitarbeiter zu gewährleisten, um eine optimale Erfüllung der Gesamtaufgabe zu ermöglichen. Findet eine Koordination durch Organisation indessen nicht statt, besteht die Gefahr, dass potenzielle Synergieeffekte zwischen den Kommunikationsmaßnahmen nicht genutzt werden und/oder Widersprüche zwischen den Maßnahmen auftreten, die mit negativen Konsequenzen für die Kommunikationswirkung verbunden sind. Sowohl die internen als auch die externen Folgen betrachtend ist eine mangelhafte Koordination somit als kritisch für den Kommunikationserfolg zu beurteilen. Dies gilt umso mehr angesichts der Notwendigkeit einer Integrierten Kommunikation, die über sämtliche Instrumente der Unternehmens-, Marketing- und Internen Kommunikation ein einheitliches Erscheinungsbild des Bezugsobjektes der Kommunikation (z. B. Marke, Geschäftsbereich, Unternehmen) anstrebt und auf diese Weise interne Effizienz- und externe Effektivitätsvorteile in der Kommunikation zum Ziel hat. Angesichts der weithin anerkannten Wichtigkeit einer einheitlichen Kommunikationspolitik (z. B. Bruhn 2006: 1, Esch 2005: 1) wird auch die Organisation der Kommunikationsfunktion in diesem Beitrag speziell für die Realisierung einer Integrierten Kommunikation analysiert.
2.
Organisation der Kommunikation im situativen Unternehmensumfeld
Eine besondere Problematik erfährt die Organisation der Kommunikationsfunktion dadurch, dass die Entwicklung von Organisationsstrukturen in der Regel nicht gemäß den Anforderungen der Integrierten Kommunikation erfolgt, sondern vor dem Hintergrund übergeordneter Unternehmensziele vorgenommen wird. Infolgedessen werden die Möglichkeiten der organisatorischen Gestaltung im Kommunikationsbereich wesentlich durch die existierende Organisationsform eines Unternehmens bestimmt. Grundsätzlich unterscheiden lassen sich
Organisation der Kommunikationsfunktion
663
funktions- bzw. verrichtungs- und objektorientierte Organisationsstrukturen (z. B. Schreyögg 2003: 129 ff.). Daneben ist in den letzten Jahren die Matrixorganisation getreten, bei der zwei (oder mehr) Gliederungsprinzipien gleichzeitig zur Anwendung kommen. Im Hinblick auf die Ermittlung des Koordinationsbedarfs stellt sie damit eine Erweiterung der Betrachtung funktions- und objektorientierter Organisationsformen dar, so dass sie in den weiteren Ausführungen – wenngleich sich durch die Matrixorganisation noch zahlreiche Zusatzprobleme für die Kommunikation ergeben – jedoch nicht eigenständig behandelt wird.
2.1
Organisation der Kommunikationsfunktionen in funktionalen Organisationsformen
In einer funktionsorientierten Organisation sind gleichartige Funktionen zusammengefasst, wobei die meisten Industriebetriebe über die Kernsachfunktionen Einkauf, Forschung & Entwicklung, Produktion und Marketing sowie die unterstützenden Funktionen Finanzierung und Personal verfügen (z. B. Laux/Liermann 2005: 289). Funktional organisierte Unternehmen zeichnen sich in der Regel durch eine starke Zentralisierung von Entscheidungsbefugnissen aus, da die Funktionsleiter über die Aktivitäten des gesamten Unternehmens zu entscheiden haben.
Geschäftsleitung
...
Forschung & Entwicklung
Produktion
PR
Marketing
Personal
Finanzen
Interne Kommunikation
Investor Relations
Vertrieb Verkaufsförderung
Mediawerbung
Kommunikation
Sponsoring
...
Marktforschung
Event Marketing
...
Organisationseinheiten mit Kommunikationsaufgaben
Abbildung 1:
Verteilung von Organisationseinheiten mit Kommunikationsaufgaben in einer funktionalen Organisation (Beispiel) (Quelle: Ahlers 2006: 49)
Welche Konsequenzen sich mit funktionalen Organisationsformen für die Organisation der Kommunikationsfunktionen verbinden, lässt sich anhand des idealtypischen Organigramms in Abbildung 1 veranschaulichen. Demnach ist die Kommunikationsabteilung unterhalb des
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Manfred Bruhn/Grit Mareike Ahlers
Marketing angesiedelt und intern unter anderem in die Bereiche Mediawerbung, Sponsoring und Events gegliedert. Strukturell unterhalb des Marketingbereichs befinden sich auch die Marktforschung und der Vertrieb, der ausgewählte Kommunikationsaufgaben wie die Verkaufsförderung übernimmt. Public Relations ist indessen als Stab der Unternehmensleitung angesiedelt (vgl. z. B. die Untersuchung von Röttger/Hoffmann/Jarren 2003: 165). Weitere Organisationseinheiten mit Kommunikationsaufgaben sind zudem Investor Relations, das häufig dem Finanzvorstand untersteht (z. B. Günther/Otterbein 1996: 39) sowie die Interne Kommunikation, die dem Personalmanagement unterstellt ist. Strebt ein Unternehmen unter den dargestellten organisatorischen Bedingungen für die Unternehmens- oder eine Produktmarke eine einheitliche Kommunikationspolitik an, sind sämtliche Abteilungen mit Kommunikationsaufgaben zu koordinieren und die Aktivitäten der jeweiligen Mitarbeiter aufeinander abzustimmen. Organisatorische Maßnahmen sind folglich speziell auf die abteilungsübergreifende bzw. cross-funktionale Koordination auszurichten.
2.2
Organisation der Kommunikationsfunktionen in objektorientierten Organisationsformen
Im Unterschied zur funktionsorientierten Organisation werden in einer Objektorganisation nicht gleichartige Funktionen gebündelt, sondern – ausgehend von bestimmten Objekten (z. B. Produkte, Kundengruppen, Regionen) – Funktionen zusammengefasst, die für deren Bearbeitung notwendig sind (z. B. Frese 2000: 427). Objektorientierte Organisationsformen sind häufig durch eine starke Dezentralisation gekennzeichnet, und die Geschäftsbereiche verfügen zumeist über umfassende Zuständigkeiten und Autonomie in Bezug auf das operative Geschäft. Unterstützung erhalten sie in der Regel durch Zentralabteilungen, in denen geschäftsbereichsübergreifend gleichartige Unternehmensfunktionen (z. B. Personalmanagement) zusammengefasst sind. Auch für den objektorientierten Unternehmenstyp lässt sich die Organisation der Kommunikationsfunktion anhand eines idealtypischen Organigramms beschreiben. Wie Abbildung 2 verdeutlicht, besteht der wesentliche Unterschied zur funktionalen Organisationsform in der Unterscheidung zwischen der Marketingkommunikation, die dezentral auf Produkt- bzw. Kundengruppenebene (im Organigramm allgemein als Geschäftsbereich bezeichnet) angesiedelt ist sowie der als Zentralbereich organisierten Unternehmenskommunikation (Corporate Communications). Auf Unternehmensebene innerhalb der jeweiligen Vorstandsbereiche sind auch die Interne Kommunikation und Investor Relations angesiedelt. Wird in einem objektorientierten Unternehmenstyp eine einheitliche Kommunikationspolitik über sämtliche Geschäftsbereiche angestrebt, hat die Abstimmung der Kommunikationsaktivitäten zum einen über die Kommunikationsfunktionen, zum anderen aber auch über die Produkt- bzw. Kundengruppen hinweg zu erfolgen. Neben einer cross-funktionalen Abstim-
Organisation der Kommunikationsfunktion
665
mung haben organisatorische Maßnahmen folglich auch die geschäftsbereichsübergreifende Koordination zu gewährleisten, so dass sich erhöhte Herausforderungen für die Organisation der Kommunikationsfunktion ergeben.
Geschäftsleitung
Zentralbereiche Corporate PR
Geschäftsbereich 1
Geschäftsbereich 2
Forschung & Entwicklung
...
Produktion
Geschäftsbereich 3
Marketing
Controlling
Corporate Communications
Public Affairs
Personal
Corporate Mediawerbung
Interne Kommunikation Corporate Sponsoring
Finanzen Investor Relations
Vertrieb Verkaufsförderung
Marketingkommunikation
Marktforschung
...
... ...
Produktwerbung
Produkt-PR
Sponsoring & Events
Direct Marketing
...
Organisationseinheiten mit Kommunikationsaufgaben
Abbildung 2:
Verteilung von Organisationseinheiten mit Kommunikationsaufgaben in einer objektorientierten Organisation (Beispiel) (Quelle: Ahlers 2006: 51)
Nachdem die Ausgangslage für die Organisation der Kommunikationsfunktion für eine funktionale und objektorientierte Organisationsform konkretisiert ist und der Koordinationsbedarf in der Kommunikationsarbeit grundsätzlich verdeutlicht wurde, geht es im weiteren Vorgehen um dessen inhaltliche Konkretisierung.
666
Manfred Bruhn/Grit Mareike Ahlers
3.
Koordinationsbedarf in der Kommunikation
3.1
Ebenen der Kommunikationsplanung
Grundsätzlich lässt sich bei der Kommunikationsarbeit in Unternehmen zwischen zwei Planungsebenen unterscheiden (Bruhn 2006: 148 ff.): Strategische Planung der Gesamtkommunikation (Integrierte Kommunikation) sowie Strategische und taktische Planung der einzelnen Kommunikationsinstrumente. Auf Ebene der Gesamtkommunikation geht es um die Entwicklung eines Managementprozesses, der für das Bezugsobjekt der Kommunikation einen einheitlichen Kommunikationsauftritt gewährleistet. Unabhängig von konkreten Kommunikationsinstrumenten ist idealtypisch eine Situationsanalyse für das Bezugsobjekt durchzuführen, es sind die Ziele und Zielgruppen der Gesamtkommunikation festzulegen und die zentralen Kommunikationsinstrumente sind auszuwählen. Ebenfalls ist über die Höhe und die instrumentelle Verteilung des Kommunikationsbudgets zu befinden, und im Anschluss an die Kommunikationsumsetzung ist die Erfolgskontrolle der Gesamtkommunikation durchzuführen. Die Kommunikationsplanung verläuft Top-down, indem unter Einbezug der relevanten Kommunikationsabteilungen die Integrierte Kommunikation für das gesamte Unternehmen geplant wird. Auf Ebene der Kommunikationsfachabteilungen steht demgegenüber die Planung spezifischer Kommunikationsinstrumente und -aktivitäten im Vordergrund. Ausgehend von einer instrumentebezogenen Situationsanalyse geht es um die Planung, Umsetzung und Kontrolle der einzelnen Kommunikationsinstrumente. Bottom-up wird demnach relativ isoliert der Einsatz der verschiedenen Kommunikationsinstrumente festgelegt. Um die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integrierte Kommunikation zu schaffen, kann die Kommunikationsplanung auf den beiden Ebenen nicht isoliert erfolgen. Vielmehr sind im Sinne einer Down-up-Planung beide Planungsansätze miteinander zu kombinieren, um die Integration einzelner Kommunikationsaktivitäten in die Gesamtkommunikation zu gewährleisten. Zu diesem Zweck dient das Strategische Konzept der Integrierten Kommunikation, das mit der Definition der angestrebten Positionierung des Bezugsobjektes (Oberziel der Kommunikation), der Formulierung einer kommunikativen Leitidee sowie der zentralen Kommunikationsinstrumente einen gemeinsamen Bezugsrahmen für die Kommunikation darstellt (Bruhn 2006: 169 ff.). Ausgehend von diesen strategischen Vorgaben lassen sich Regeln für die alltägliche und praktische Kommunikationsarbeit ableiten, die die Einheitlichkeit der Kommunikation sicherstellen. Basierend auf den Planungsaufgaben in der Integrierten Kommunikation können die Organisationseinheiten identifiziert werden, die einen Beitrag zur Realisierung dieser Auf-
Organisation der Kommunikationsfunktion
667
gaben leisten und deren Koordination demnach sicherzustellen ist (vgl. ausführlich Ahlers 2006: 163 ff.).
3.2
Koordinationsbedarf auf Ebene der Gesamtkommunikation
Auf Ebene der Gesamtkommunikation geht es um die Abstimmung sämtlicher Organisationseinheiten, die am Managementprozess für die Gesamtkommunikation beteiligt sind. Auf Grund der zentralen Bedeutung der hier anfallenden Aufgaben für den Gesamterfolg der Kommunikation ist für eine funktionale Organisationsform davon auszugehen, dass die Verantwortung in diesem Bereich bei den zuständigen Führungsebenen liegt (Bruhn 2006: 151). So bedarf es eines Einbezugs der Geschäftsleitung, um zum einen die Konsistenz der Kommunikationsziele mit den Unternehmenszielen und der Unternehmensstrategie zu gewährleisten sowie zum anderen die unternehmensinterne Durchsetzungskraft der Kommunikationsstrategie zu stärken. Auf Grund ihrer kommunikationsspezifischen Kompetenz ist zudem der Kommunikationsleitung eine zentrale Rolle im Rahmen des Planungsprozesses der Gesamtkommunikation einzuräumen. Koordinationsbedarf ergibt sich des Weiteren zum Marketing, um die Abstimmung mit den übergeordneten Marketingzielen und Zielgruppen sowie den Budgetvorgaben sicherzustellen sowie zur Marktforschung, um die Kommunikationsplanung anhand von Marktforschungsinformationen zu fundieren. Gegebenenfalls ist auch der Vertrieb in die Kommunikationsplanung einzubeziehen; abhängig davon, welche Vertriebsstrategie das Unternehmen verfolgt und inwieweit diese die Kommunikationspolitik beeinflusst. Neben den genannten Organisationseinheiten, die sich in der Regel während ihrer alltäglichen Arbeit mit kommunikationsbezogenen Fragestellungen auseinander setzen, bedarf es für die Planung der Gesamtkommunikation auch eines Einbezugs der „kommunikationsfremden“ Organisationseinheiten Produktion und Forschung & Entwicklung, um technisch-funktionale Leistungsmerkmale bei der Entwicklung der Positionierung des Bezugsobjektes zu berücksichtigen. Für die Kontrollphase ist zudem eine enge Zusammenarbeit mit dem Controlling im Unternehmen erforderlich. Nicht zuletzt empfiehlt es sich, auch die für die Kommunikationsinstrumente verantwortlichen Fachabteilungen in die Planung der Gesamtkommunikation zu involvieren, um sowohl von deren kommunikationsspezifischem Wissen zu profitieren als auch die Akzeptanz für die Kommunikationsstrategie zu erhöhen und die Durchsetzung des Integrationsgedankens auf unteren Hierarchieebenen zu fördern. Ausgehend von einer Markenstrategie, in der die Unternehmensmarke im Mittelpunkt steht, unterscheidet sich die Planung der Gesamtkommunikation in einer objektorientierten Organisationsform grundsätzlich nicht von den entsprechenden Planungsschritten in einer funktionalen Organisation. Dennoch verbinden sich mit den einzelnen Aufgaben erhöhte Anforderungen, die speziell in der Entwicklung des strategischen Konzeptes der Integrierten Kommunikation deutlich werden. So sind eine Positionierung zu entwickeln und eine
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Manfred Bruhn/Grit Mareike Ahlers
kommunikative Leitidee zu formulieren, die für das gesamte Unternehmen als Bezugsobjekt der Kommunikation Gültigkeit haben, die sich aber ebenfalls auf die einzelnen Geschäftsbereiche übertragen lassen. Dies bedeutet, dass in die Planung der Gesamtkommunikation auch ausgewählte Vertreter aus den Geschäftsbereichen einzubeziehen sind. Je mehr Geschäftsbereiche ein Unternehmen aufweist, desto mehr Organisationseinheiten haben sich folglich abzustimmen. Abbildung 2 betrachtend trifft dies ebenfalls für die dezentral angesiedelten Bereiche Marketing, Produktion, Forschung & Entwicklung, Vertrieb sowie Marktforschung und nicht zuletzt die Marketingkommunikation zu. Mit den Funktionen der Unternehmenskommunikation, die zentral auf Unternehmensebene angesiedelt sind, ist der Koordinationsbedarf hingegen vergleichsweise übersichtlich.
3.3
Koordinationsbedarf auf Ebene der Kommunikationsfachabteilungen
Auf Ebene der Kommunikationsfachabteilungen besteht das Ziel organisatorischer Maßnahmen darin, über sämtliche Kommunikationsinstrumente hinweg die Förderung eines einheitlichen Erscheinungsbildes des Bezugsobjektes sicherzustellen. Koordinationsbedarf ergibt sich in einer funktionalen Organisationsform folglich zwischen sämtlichen Kommunikationsfachabteilungen, deren Arbeit inhaltlich, formal und zeitlich aufeinander abzustimmen ist. Besonders anspruchsvoll wird dabei die Koordination zwischen solchen Abteilungen sein, die unterschiedlichen Instanzen unterstellt sind, z. B. zwischen Mediawerbung, Verkaufsförderung, Public Relations und Interner Kommunikation. Analog zur funktionalen Organisationsform geht es auch in einer objektorientierten Organisationsform auf Ebene der Kommunikationsfachabteilungen um die inhaltliche, formale und zeitliche interinstrumentelle Abstimmung. Verfügt ein Unternehmen über mehrere Geschäftsbereiche, bedeutet dies, dass sich zum einen die zentralen, auf Unternehmensebene angesiedelten, Kommunikationsfachabteilungen bezüglich ihrer Kommunikationsaktivitäten – speziell im Rahmen der Unternehmens- und der Internen Kommunikation – abzustimmen haben. Zum anderen sind auch die Maßnahmen zentraler und dezentraler Kommunikationsfachabteilungen zu koordinieren, um Konsistenz zwischen der Kommunikation des Gesamtunternehmens und der einzelnen Geschäftsbereiche, insbesondere der hier angesiedelten Marketingkommunikation, zu gewährleisten. Angesichts des vielfältigen abteilungsübergreifenden Koordinationsbedarfs in der Kommunikationsarbeit bedarf es organisatorischer Maßnahmen, die die Zusammenarbeit der unterschiedlichen an der Kommunikation beteiligten Mitarbeiter fördern. Maßnahmen, die sich zu diesem Zweck grundsätzlich anbieten, werden im Folgenden diskutiert.
Organisation der Kommunikationsfunktion
669
4.
Koordinationsmechanismen in der Kommunikation
4.1
Vertikale und horizontale Koordinationsmechanismen
Das Problem der Arbeitsteilung und mit ihm die Notwendigkeit zur Koordination stellt kein spezielles Problem im Kommunikationsbereich dar, sondern tangiert sämtliche Unternehmensbereiche. So ist es nicht verwunderlich, dass in der Literatur vielfältige Maßnahmen diskutiert werden, die auf eine Bewältigung des Koordinationsbedarfs in Unternehmen ausgerichtet sind. Im Folgenden sei grundsätzlich zwischen vertikalen und horizontalen Koordinationsmechanismen unterschieden. Den klassischen vertikalen Koordinationsmechanismus stellt die Hierarchie dar (Schreyögg 2003: 159 ff., Bühner 2004: 124). Durch eine rangmäßige Einstufung sämtlicher Stellen im Unternehmen wird hierbei ein gestaffeltes System von Über- und Unterordnungen geschaffen und die Abstimmung zwischen Organisationseinheiten durch einen formalen Lösungsprozess bewirkt: Koordinationsprobleme werden von einer untergeordneten Einheit so lange „nach oben“ weitergereicht, bis eine Instanz gefunden ist, die über die Kompetenz verfügt, das Koordinationsproblem durch Anweisung zu lösen. Abhängig davon, ob die Koordinationsaufgabe auf eine oder mehrere Instanzen verteilt ist bzw. eine Stelle einer oder mehreren Instanzen untersteht, lässt sich das Ein- und Mehrliniensystem unterscheiden. Problematisch erweist sich die hierarchische Koordination jedoch bei zunehmender Komplexität des Koordinationsbedarfs, mit dem sich eine Überlastung der Instanzen einstellen kann. So ist z. B. mit zunehmender Unternehmensgröße, zunehmender Anzahl der Kommunikationsabteilungen und eingesetzter Kommunikationsinstrumente in der Praxis kaum mehr denkbar, dass eine Instanz sämtliche Koordinationsprobleme in der Kommunikation zu lösen vermag. Häufig verfügt sie nicht über die notwendigen Informationen für fundierte Entscheidungen, so dass Rücksprache mit Kommunikationsexperten untergeordneter Abteilungen notwendig wird und Zeit in Anspruch nimmt. Nicht selten treffen persönlichen Weisungen zudem auf Widerstände bei den Mitarbeitern, wenn diese nicht aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Unterstützend zu hierarchischen Koordinationsinstrumenten kommen häufig Programme zum Einsatz (Kieser/Walgenbach 2003: 115, Schreyögg 2003: 170). Grundsätzlich verstehen sich hierunter verbindliche Verfahrensrichtlinien, die – ohne Einschaltung einer Instanz – die reibungslose Koordination unterschiedlicher Aktivitäten zum Ziel haben. Da Programme Koordinationsprobleme vorwegnehmen, können sie allerdings nur dort zum Einsatz kommen, wo der Koordinationsbedarf antizipierbar ist und standardisierte Lösungen möglich sind. Für Teilbereiche der Kommunikation, z. B. die formale Gestaltung von Kommunikationsmitteln, mag dies möglich sein. Darüber hinaus zeichnen sich zahlreiche Entscheidungen im
670
Manfred Bruhn/Grit Mareike Ahlers
Kommunikationsbereich durch eine hohe Dynamik aus und sind nicht selten veränderten Situationen im kommunikativen Umfeld oder veränderten Bedürfnissen der Anspruchsgruppen anzupassen. Zur Bewältigung des Koordinationsbedarfs in der Kommunikation bieten sich Programme somit nur ergänzend an. Angesichts der geschilderten Defizite vertikaler Koordinationsmaßnahmen haben sich in den letzten Jahren verstärkt horizontale Koordinationsmechanismen entwickelt, die im Kern eine Selbstabstimmung der zu koordinierenden Organisationseinheiten vorsehen (Schreyögg 2003: 172). Als Koordinationsmaßnahme eingesetzt, versteht sich darunter jedoch nicht ein unverbindlicher Informationsaustausch, sondern eine institutionalisierte Form der Abstimmung von Organisationseinheiten, wie sie in unterschiedlichen Formen der Teamarbeit zum Ausdruck kommt. Unter Teams werden zeitlich begrenzt oder unbegrenzt zusammengehörige, zahlenmäßig überschaubare Gruppen von Personen betrachtet, die sich durch eine gemeinsame Zielsetzung und eine relativ hohe, aber begrenzte Autonomie auszeichnen (Bea/Göbel 2002: 357, ähnlich Högl 2004: 1402). Ihre Arbeitsweise ist dadurch gekennzeichnet, dass Aufgaben durch die kooperative Interaktion mehrerer Einzelpersonen bearbeitet werden. Bewährt hat sich diese Form der Koordination bereits in vielen Unternehmensbereichen, z. B. der Produktion, Forschung & Entwicklung und im Marketing, wobei sie grundsätzlich darauf ausgerichtet ist, die durch Arbeitsteilung und funktionale Differenzierung bewirkte Isolierung von Spezialisten in Unternehmen zu verhindern. Die Organisationsprobleme in der Kommunikation betrachtend, stellen Teams damit auch eine viel versprechende ablauforganisatorische Gestaltungsoption für den Kommunikationsbereich dar.
4.2
Vorteile der Teamarbeit in der Kommunikation
Wie deutlich wurde, dient eine verstärkte Teamorientierung primär einer aktiven Einbindung unterschiedlicher Organisationseinheiten in die Kommunikationsarbeit. Vorteile, die sich auf diese Weise für die Kommunikationsplanung ergeben, lassen sich nach einem personalen, fachlichen und machtbezogenen Aspekt systematisieren (Bruhn 2006: 227 f., generell zu den Vorteilen von Teamarbeit z. B. Picot/Dietl/Franck 2002: 392 sowie mit Bezug zur Integrierten Kommunikation Duncan/Moriarty 1997: 169 ff.). Stärken der Teamarbeit liegen vor allem in der partizipativen Arbeitsweise, die sich positiv auf die Kreativität, die Eigeninitiative und Motivation der Mitarbeiter sowie den Kooperationsgedanken im Unternehmen auswirkt (personaler Aspekt). Arbeiten Vertreter unterschiedlicher Abteilungen regelmäßig und unter einer gemeinsamen Zielsetzung zusammen, reduziert sich zudem die Gefahr kontraproduktiver Konflikte, die sich durch Ressortegoismen und kulturelle Unterschiede zwischen Abteilungen ergeben. Cross-funktional und heterogen besetzte Teams bieten zudem die Möglichkeit einer umfangreichen Nutzung der Humanressourcen im Unternehmen (fachlicher Aspekt). So kann durch
Organisation der Kommunikationsfunktion
671
die direkten Kommunikationswege zwischen den Teammitgliedern das Wissen und Erfahrungspotenzial der (Kommunikations-)Spezialisten unterschiedlicher Abteilungen intensiver genutzt werden und dem Gesamterfolg der Kommunikation dienen. Schließlich können durch die Teamorientierung Konflikte reduziert werden, die sich in klassischen Organisationsformen durch die Hierarchisierung und eine einseitige Machtausübung ergeben (Machtaspekt). Führungskräfte partizipieren an der Teamarbeit, ihr Autoritätseinfluss ist in diesem Rahmen aber möglichst gering zu halten, um durch die Gleichberechtigung der Mitarbeiter deren Motivation zu erhöhen. Setzen sich Teams aus Vertretern unterschiedlicher Abteilungen zusammen, ist auch eine bessere Akzeptanz der Arbeitsergebnisse und Durchsetzbarkeit getroffener Entscheidungen zu vermuten.
4.3
Teamarbeit auf Ebene der Gesamtkommunikation
Gemäß der Unterscheidung zwischen der Kommunikationsplanung auf Ebene der Gesamtkommunikation und der Kommunikationsfachabteilungen bietet es sich an, auch den Einsatz der Teamarbeit nach diesen Ebenen zu differenzieren. Teams können jeweils sowohl abteilungsintern als auch -übergreifend zum Einsatz kommen, wobei im Folgenden – vor dem Hintergrund der Bedeutung einer instrumenteübergreifend einheitlichen Kommunikationspolitik – nur der letztgenannte Aspekt thematisiert wird. Zur Institutionalisierung der Teamarbeit im Unternehmen bietet sich für die Kommunikationsplanung insbesondere die Arbeit in Entscheidungs- und Beratungsausschüssen an. Ebenfalls können Ausführungsausschüsse eingesetzt werden; sie übernehmen jedoch in erster Linie operative Aufgaben, die im Rahmen dieses Beitrags nicht behandelt werden. Auf Ebene der Gesamtkommunikation bietet sich der Einsatz von Entscheidungsausschüssen in erster Linie für die Entwicklung der strategischen Rahmenvorgaben für die Integrierte Kommunikation an. So können die Geschäftsleitung und die Vorsitzenden der Marketingund Kommunikationsabteilung(en) z. B. ein Mal jährlich bzw. je nach Bedarf zusammenkommen und die Positionierung des Bezugsobjektes, die kommunikative Leitidee und die zentralen Kommunikationsinstrumente für eine bestimmte Kampagne festlegen. Fallweise kann entschieden werden, inwieweit der Einbezug kommunikationsfremder Bereiche notwendig erscheint; etwa nur für bestimmte Entscheidungen wie die Entwicklung der Positionierung oder nur, wenn sich wesentliche Änderungen im Leistungsprogramm ergeben haben. Ebenfalls ist über den Einbezug des Vertriebs unternehmensspezifisch zu entscheiden; abhängig davon, welche Bedeutung der Bereich für das Unternehmen bzw. die Entwicklung einer neuen Kommunikationsstrategie aufweist. In objektorientierten Organisationsformen wird indessen zwangsläufig eine personelle Beschränkung des Entscheidungsausschusses notwendig sein, um eine produktive Teamarbeit nicht zu behindern (als optimale Ausschussgröße wird häufig eine Mitgliederanzahl von vier bis acht angegeben, vgl. z. B. Grochla 1982: 269). Die Abstimmung mit den Bereichen Produktion, Forschung & Entwicklung und
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dem Vertrieb wird folglich geschäftsbereichsintern bzw. durch einen Beratungsausschuss vorzunehmen sein. Die Beteiligung der Internen Kommunikation ist demgegenüber in keiner Organisationsform in Frage zu stellen, da nur auf diese Weise die notwendige interne Unterstützung für die Kommunikationsstrategie aufgebaut werden kann. Der Beratungssauschuss ähnelt in seinen Gründzügen dem Entscheidungsausschuss, seine Kompetenz beschränkt sich allerdings auf die Entwicklung eines Vorschlags im Hinblick auf die strategischen Rahmenvorgaben der Kommunikation. Hierzu befasst er sich unter anderem mit der Sammlung und Auswertung problemrelevanter Informationen sowie der Generierung, Begründung und Bewertung von Lösungsalternativen (grundlegend z. B. Laßmann 1992: 234). Da es im Beratungsausschuss nicht darauf ankommt, eine richtige Lösung zu erarbeiten, bietet es sich an, auch Vertreter der (zentralen und dezentralen) Kommunikationsfachabteilungen und die Marktforschung in den Ausschuss einzubinden. Die Pluralität des Ausschusses ist geeignet, unterschiedliche Perspektiven bei der Lösungsfindung zu berücksichtigen und die Kreativität zu fördern. Speziell für die Entwicklung der Positionierung und die Formulierung von Vorschlägen für eine kommunikative Leitidee kann dies wertvoll sein.
4.4
Teamarbeit auf Ebene der Kommunikationsfachabteilungen
Analog zur Ebene der Gesamtkommunikation bieten sich auch auf Ebene der Kommunikationsfachabteilungen Entscheidungs- und Beratungsausschüsse an, um die Teamarbeit zu institutionalisieren. Entscheidungsausschüsse werden hier mit dem Ziel eingesetzt, instrumenteübergreifend das Kommunikationsprogramm für eine bestimmte Periode zu verabschieden und für sämtliche Kommunikationsfachabteilungen verbindlich zu machen. Die Mitglieder des Ausschusses haben sich demnach sowohl über die inhaltliche Zielgruppenansprache als auch über die zeitliche Abstimmung ihrer Kommunikationsaktivitäten zu verständigen, um die Entwicklung eines einheitlichen Kommunikationsprogramms und die Ausnutzung von Synergien zwischen den Kommunikationsinstrumenten zu gewährleisten. Fungiert das Unternehmen als Bezugsobjekt der Kommunikation, wird sich die Ausschussarbeit in einer objektorientierten Organisationsform allerdings nicht mit sämtlichen Kommunikationsmaßnahmen befassen, die in den Geschäftsbereichen zum Einsatz kommen. Der Schwerpunkt wird vielmehr in der Verabschiedung solcher Maßnahmen liegen, die zentral für das gesamte Unternehmen durchgeführt werden. Daneben können auch Integrationsstrategien für dezentrale Kommunikationsmaßnahmen geplant werden, z. B. Kundenevents der Geschäftsbereiche im Rahmen zentraler Sponsoringaktivitäten oder Schaltung einer Produktwerbekampagne parallel zu einer unternehmensbezogenen Imagekampagne. Die Detailplanung dieser Maßnahmen findet allerdings auf Geschäftsbereichsebene statt. Zur Entwicklung des Kommunikationsprogramms empfiehlt es sich, in den Entscheidungsausschuss die Leitungen sämtlicher (zentraler und dezentraler) Kommunikationsfachabtei-
Organisation der Kommunikationsfunktion
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lungen sowie die Kommunikationsleitung bzw. in Objektorganisationen die Leitung der Marketing- und Unternehmenskommunikation einzubeziehen. Würde dies – speziell bei Existenz mehrerer Geschäftsbereiche – bedeuten, die kritische Größe eines Entscheidungsausschusses zu übertreffen, ist jedoch eine personelle Beschränkung auf besonders bedeutende Kommunikationsfunktionen vorzunehmen. Beratungsausschüsse bieten sich ergänzend zu Entscheidungsausschüssen an und dienen in erster Linie der Erarbeitung eines bzw. mehrerer Vorschläge für das Kommunikationsprogramm. Zu diesem Zweck bietet es sich an, den Beratungsausschuss gegenüber dem Entscheidungsausschuss personell umfangreicher zu besetzen und beispielsweise auch Spezialisten für die Mediaplanung, Marktforscher, Kreative und externe Berater und/oder Agenturvertreter einzubeziehen. In Objektorganisationen besteht zudem die Möglichkeit, Vertreter von Kommunikationsfachabteilungen, die nicht im Entscheidungsausschuss vertreten sind, über den Beratungsausschuss in die Kommunikationsplanung zu integrieren. So ist es z. B. möglich, alle Sponsoringverantwortlichen im Unternehmen (d. h. von der Unternehmensebene und aus den Geschäftsbereichen) einzuberufen, um über ein einheitliches Sponsoringkonzept zu beraten. Tendenziell ist dabei davon auszugehen, dass der Nutzen eines Beratungsausschusses umso höher sein kann, je heterogener seine Besetzung ist bzw. umso mehr zentrale und dezentrale Kommunikationsfunktionen vertreten sind. Mögliche Interdependenzen zwischen zentralen und dezentralen Kommunikationsaktivitäten können in dieser Konstellation berücksichtigt werden, und das Know-how unterschiedlicher Fachabteilungen steht für die Vorschläge zum Kommunikationsprogramm zur Verfügung.
5.
Erfolgsfaktoren der Teamarbeit in der Kommunikation
Die bisherige Betrachtung hat die prinzipiellen Vorteile der Arbeit in Teams im Kommunikationsbereich verdeutlicht und mögliche Formen der Teamarbeit in der Kommunikationsplanung aufgezeigt. Die positiven Effekte teamorientierter Organisationsformen werden sich allerdings nicht automatisch einstellen, sondern sind an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft, von denen hier fünf Erfolgsfaktoren thematisiert werden: Fachliche und persönliche Eigenschaften der Teammitglieder. Inwieweit die Arbeit in Teams eine erfolgreiche Kommunikationsplanung unterstützen kann, wird maßgeblich durch die Eigenschaften der Teammitglieder beeinflusst. So ist von den betroffenen Mitarbeitern zum einen fachliches Know-how in Bezug auf die (integrierte) Kommunikationsplanung gefragt, zum anderen sind spezielle persönliche Eigenschaften verlangt, die die Basis für eine erfolgreiche Teamarbeit bilden. Hinsichtlich fachlicher Eigenschaften
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bedarf es insbesondere eines grundlegenden Verständnisses über die Bedeutung und Funktionsweise Integrierter Kommunikation sowie darüber hinaus in Abhängigkeit der Rolle eines Mitarbeiters in der Teamarbeit spezifischen Wissens, z. B. hinsichtlich der Wirkungsweise unterschiedlicher Kommunikationsinstrumente, der Kommunikationsbedürfnisse der Zielgruppen oder der Interpretation von Marktforschungsstudien. Als zentrale persönliche Eigenschaften eines Teammitglieds lassen sich zudem die Bereitschaft zur Kommunikation im Team, gegenseitige Akzeptanz und gegenseitiges Vertrauen, Interesse an der gemeinsamen Zielsetzung und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ideen nennen (Forster 1978: 58 ff.). Teamzusammensetzung. Im Hinblick auf die Kommunikationsplanung überzeugt an der Teamarbeit speziell die heterogene, cross-funktionale Zusammensetzung der Teams (zur Heterogenität von Teams vgl. Stock 2005). Eine einheitliche Kommunikationspolitik wird sich dabei umso besser verwirklichen lassen, je mehr Kommunikationsfunktionen bzw. Abteilungen mit Kommunikationsaufgaben in den Teams vertreten sind. Folglich empfiehlt es sich, Fachexperten unterschiedlicher Hierarchieebenen aus der Linie und aus Stäben sowie gegebenenfalls externe Berater zur Bearbeitung der kommunikativen Aufgabenstellungen zusammenzuführen. In objektorientierten Organisationsformen ist zudem sicherzustellen, dass die Perspektiven der Geschäftsbereiche bei der Teamarbeit Berücksichtigung finden. Teamführung. Als wesentliche Eigenschaft eines Teams wird wiederkehrend die Gleichstellung seiner Mitglieder genannt. In der Praxis dürfte dieses Ideal jedoch an seine Grenzen stoßen, sobald die Mitglieder eines Teams auf Grund ihrer originären Aufgaben in der Kommunikationspolitik unterschiedliche Ansichten und Interessen vertreten. Man denke beispielsweise an das häufig konfliktbehaftete Verhältnis zwischen Marketingkommunikation und Public Relations (z. B. Bruhn/Ahlers 2004) oder an mögliche Interessendivergenzen zwischen der Kommunikationsleitung auf Unternehmensebene und den Geschäftsbereichen. Die Integration hierarchischer Komponenten in die Teamarbeit wird in vielen Fällen somit nicht zu umgehen sein. Denkbar ist z. B., der Kommunikationsleitung (bzw. in Objektorganisationen der Leitung der Unternehmenskommunikation) die Teamleitung auf Ebene der Kommunikationsfachabteilungen zu übertragen. Mit dieser Aufgabe stellen sich allerdings spezielle Anforderungen an die jeweilige Organisationseinheit, die die Teamarbeit nicht allein durch fachliche Kompetenz zum Erfolg führen kann, sondern auch die Fähigkeiten, ein Team zu führen und einen Interessenausgleich zwischen seinen Mitgliedern herbeizuführen, vorzuweisen hat. Zielkonformität der Teamarbeit. Teamarbeit ist darauf ausgerichtet, dass die Mitglieder eines Teams gemeinsam eine spezifische Zielsetzung verfolgen. Für die integrierte Kommunikationspolitik steht dabei die Realisierung eines einheitlichen Erscheinungsbildes des Bezugsobjektes im Mittelpunkt, an dem sich die Arbeit in den Teams sowohl auf Ebene der Gesamtkommunikation als auch der Kommunikationsfachabteilungen zu orientieren hat. In der Kommunikationspraxis ist die gemeinsame Zielausrichtung jedoch keinesfalls garantiert. So birgt die cross-funktionale Teamzusammensetzung neben den genannten positiven Aspekten auch die Gefahr, dass auf Grund konfligierender Zielsetzungen und
Organisation der Kommunikationsfunktion
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Ressortegoismen Abstimmungsprozesse verzögert oder gar verhindert werden und es zu Kompromissen kommt, die ein suboptimales Kommunikationsprogramm zur Folge haben. Um dies zu verhindern, empfiehlt sich der Einsatz zusätzlicher Anreize (z. B. teamorientierte Kompensationsmechanismen), die der häufig anzutreffenden Praxis entgegenwirken, dass die Mitarbeiter in erster Linie nach ihrem vollamtlichen Tätigkeitsgebiet (z. B. in der PR- oder Werbeabteilung) beurteilt werden und folglich dessen Aspekte in den Vordergrund rücken (Leumann 1979: 23). Unterstützung durch die Unternehmensleitung. Der Erfolg der Teamarbeit hängt wesentlich von der aktiven Unterstützung durch die Unternehmensleitung ab. Wenn auf oberster Hierarchieebene die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit in der Kommunikationsarbeit befürwortet und unterstützt wird, kann sich unternehmensweit eine teamorientierte Kultur durchsetzen und werden die Mitarbeiter bereit sein, ihre Kompetenz und Arbeitszeit für die Arbeit in Teams zur Verfügung zu stellen. Ist dieses Unterstützungspotenzial nicht vorhanden, ist jede Teamarbeit im Prinzip von Beginn an zum Scheitern verurteilt.
Literatur
Ahlers, Grit Mareike (2006): Organisation der Integrierten Kommunikation. Entwicklung eines prozessorientierten Organisationsansatzes, Wiesbaden. Bea, Franz Xaver/Göbel, Elisabeth (2002): Organisation. Theorie und Gestaltung, 2. Auflage, Stuttgart. Bleicher, Kurt (1961): Ausschüsse in der Organisation, in: Schnaufer, Erich/Aghte, Klaus (Hrsg.): Organisation, TFB-Handbuchreihe, Band 1, Berlin, Baden-Baden, S. 311-338. Bruhn, Manfred (2006): Integrierte Unternehmens- und Markenkommunikation. Strategische Planung und operative Umsetzung, 4. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Stuttgart. Bruhn, Manfred/Ahlers, Grit Mareike (2004): Der Streit um die Vormachtstellung von Marketing und Public Relations in der Unternehmenskommunikation – Eine unendliche Geschichte?, in: Marketing ZFP, 26. Jg., Nr. 1, S. 71-79. Bühner, Rolf (2004): Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 10. Auflage, München. Duncan, Thomas/Moriarty, Sandra (1997): Driving Brand Value. Using Integrated Marketing to Manage Profitable Stakeholder Relationships, New York u.a. Esch, Franz-Rudolf (2005): Wirkung Integrierter Kommunikation. Ein verhaltenswissenschaftlicher Ansatz für die Werbung, 3. Auflage, Wiesbaden.
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Manfred Bruhn/Grit Mareike Ahlers
Forster, Jürg (1978): Teams und Teamarbeit in der Unternehmung. Eine gesamthafte Darstellung mit Meinungen und Beispielen aus der betrieblichen Praxis, Bern/Stuttgart. Frese, Erich (2000): Grundlagen der Organisation, 8. Auflage, Wiesbaden. Grochla, Erwin (1982): Grundlagen der organisatorischen Gestaltung, Stuttgart. Günther, Thomas/Otterbein, Simone (1996): Die Gestaltung der Investor Relations am Beispiel führender deutscher Aktiengesellschaften, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 62. Jg., Nr. 4, S. 389-417. Högl, Martin (2004): Teamorganisation, in: Schreyögg, Georg/von Werder, Axel (Hrsg.): Handwörterbuch der Unternehmensführung und Organisation, 4. Auflage, Stuttgart, Sp. 1401-1408. Kieser, Alfred/Walgenbach, Peter (2003): Organisation, 4. Auflage, Stuttgart. Laßmann, Arndt (1992): Organisatorische Koordination. Konzepte und Prinzipien der organisatorischen Einordnung von Teilaufgaben, Wiesbaden. Laux, Helmut/Liermann, Felix (2005): Grundlagen der Organisation. Die Steuerung von Entscheidungen als Grundproblem der Betriebswirtschaftslehre, 6. Auflage, Berlin u. a. Leumann, Peter (1979): Die Matrix-Organisation, Bern/Stuttgart. Picot, Arnold/Dietl, Helmut/Franck, Egon (2002): Organisation: Eine ökonomische Perspektive, 3. Auflage, Stuttgart. Röttger, Ulrike/Hoffmann, Jochen/Jarren, Otfried (2003): Public Relations in der Schweiz: Eine empirische Untersuchung zum Berufsfeld Öffentlichkeitsarbeit, Konstanz. Schreyögg, Georg (2003): Organisation. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung, 4. Auflage, Wiesbaden. Stock, Ruth (2005): Können Marketingteams zu homogen sein? Verhaltenstheoretische Überlegungen und empirische Befunde, in: Die Unternehmung, 59. Jg., Nr. 5, S. 131160.
Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen
677
Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen: Auswahl, Briefing, Kosten, Erfolgskontrolle Oliver Klein
Wer sich – aus welchen Gründen auch immer – nach einer Kommunikationsagentur umschaut, findet schnell einen vielfältigen, aber auch unübersichtlichen Markt vor. Um dabei aber nicht unnötig Zeit, Energie und Geld zu verschwenden, ist eine gründliche Vorbereitung unumgänglich. Auch wenn es zunächst nach Mehrarbeit aussieht: Der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall, schafft Klarheit auf allen Seiten und erleichtert die Zusammenarbeit mit der zukünftigen Kommunikationsagentur auf vielfältige Weise: angefangen von der eigenen Besinnung auf Kommunikationsaufgaben und -ziele, über erwartete Leistungen, Budgetaufteilung und Vergütungsmodelle bis hin zu vertraglicher Fixierung sowie Steuer- und Kontrollinstrumenten. Nach den ersten grundsätzlichen Überlegungen gibt es verschiedene Wege zur Auswahl einer Agentur. Bevor es möglicherweise zu einer Wettbewerbspräsentation (einem „Pitch“) kommt, können im Vorwege aber schon viele entscheidende Weichen gestellt werden. Danach ist die Abwägung wesentlich leichter, inwieweit z. B. eine Wettbewerbspräsentation überhaupt sinnvoll ist. Oder welche Alternativen vielleicht mehr Sinn machen. Wie auch immer die weitere Vorgehensweise sein sollte: Es ist immer entscheidend, alles schriftlich und eindeutig zu formulieren. Das gilt für die Rahmenbedingungen zu einem Pitch genauso wie für die vertragliche Ausarbeitung der Zusammenarbeit oder die zukünftige Aufgabenbeschreibung und Auftragserteilung mittels Briefings. Streit und Hader zwischen den Partnern können so vermieden werden, gerade auch in Hinblick auf den sensiblen Bereich der Erfolgsmessung. Doch unabhängig davon, auf welchem Wege man zu einer neuen Agenturbeziehung gelangt, eines darf dabei niemals vergessen werden: Auf allen Seiten arbeiten Menschen, und Fairplay ist noch immer die beste Voraussetzung für eine fruchtbare und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Kunde und Agentur.
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_39, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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1.
Oliver Klein
Auf dem Weg zu einer neuen Agentur
Es gibt viele verschiedene Gründe, eine Kommunikationsagentur zu suchen oder zu wechseln. Vorab sollte geklärt sein, inwieweit Aufgaben hausintern besser, schneller oder effektiver gelöst werden können. Bei vielen Projekten oder neuen Herausforderungen macht es aber Sinn, sich einen kompetenten Partner zu suchen, der beispielsweise Teilaufgaben übernimmt, Spezialwissen einbringt oder mit frischen Ideen neue Impulse setzt. Wird schon mit einem Agenturpartner zusammengearbeitet und liegt Unzufriedenheit vor, sollten auch hier die Umstände kurz untersucht werden. Vielleicht liegt es nur an einem einzelnen Berater und ein Personalwechsel kann hier schnell helfen. Dieser sollte auf jeden Fall in Betracht gezogen werden, bevor man sich von einem eingearbeiteten und ansonsten erfolgreichen AgenturTeam trennt. Doch wie auch immer die Beweggründe aussehen mögen, über die Marktsituation und die eigenen Wünsche, Erwartungen und Anforderungen sollte man sich bestens im Klaren sein. Denn einfach das Telefon zur Hand zu nehmen und die größten Wettbewerber anzurufen, reicht heute nicht mehr.
1.1
Marktsituation
Wer einen Handwerker sucht, greift meist zum Branchenbuch oder verlässt sich auf Hörensagen. Es genügt, wenn der Handwerker in der Nähe und zuverlässig ist und sein Handwerk versteht. Die Suche nach einer Agentur sieht anders aus und ist eher mit der Suche nach einem guten Facharzt zu vergleichen: Neben einer großen Fachkompetenz muss ein guter Arzt wie eine gute Agentur vertrauenerweckend und sympathisch sein. Darüber hinaus werden nicht nur Standardarbeiten und Reparaturen erwartet, sondern auch Heilung, Prävention und Einfühlungsvermögen. Ähnlich jedoch wie die Medizinbranche präsentiert sich die Kommunikationswirtschaft. So wie es Allgemeinmediziner und Fachärzte, Spezialkliniken und allgemeine Krankenhäuser, Gemeinschaftspraxen und Rehazentren gibt, so kommen auch in der Agentur-Szene die unterschiedlichsten Formationen vor. Hier konkurrieren internationale Holdings und Networks mit nationalen, inhabergeführten Agenturgruppen, kleinen Agenturschmieden mit Hotspots oder charismatischen Einzelberatern. Dies gilt nicht nur für die PR, sondern für alle Kommunikationsdisziplinen gleichermaßen. Hinzu kommen seit einiger Zeit die sogenannten Fullservice-Agenturen, die verschiedene interdisziplinäre Dienstleistungen anbieten. Kurzum: Der Markt ist sehr unübersichtlich, was sich in den nächsten Jahren eher noch verschärfen dürfte.
Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen
1.2
679
Erwartungen, Wünsche, Anforderungen
Umso wichtiger ist die eingehende Betrachtung der eigenen Anforderungen, Erwartungen und Wünsche an eine Kommunikationsagentur. Wie wichtig sind Internationalität und Reputation? Erfordern die zu lösenden Aufgaben ein hohes Maß an Kreativität oder wird solide Basisarbeit gewünscht? Geht es um die reine Umsetzung bestehender Kommunikationsinstrumente oder werden eine neue Strategie und ein neues Konzept benötigt? Werden Optimierungsvorschläge als selbstverständlich erwartet oder als störend empfunden? Wie viel Beratung steht der Agentur zu? Geht Kostenbewusstsein vor Kreativität? Ohne diese schonungslose Analyse der Anforderungen und Zielsetzungen kann die anstehende Agentursuche nicht erfolgreich und effizient gelöst werden. Leider hat sich diese Erkenntnis in vielen Unternehmen noch nicht durchgesetzt, und die Agenturauswahl erfolgt noch häufig nach dem Motto: Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der ... Aus den Anforderungen und Zielsetzungen abgeleitet werden sollte unbedingt ein Kriterienkatalog, der sowohl Hardfacts wie Standort, Agentur- und Teamgröße, Kommunikationsdisziplinen und Netzwerkzugehörigkeit als auch Softfacts wie Aufgabenstellung, Etatgröße und Agenturstil beinhaltet. Mit Hilfe dieses Kriterienkatalogs wird die eigentliche Auswahl einer Agentur später wesentlich erleichtert und das nicht unwesentliche Risiko verringert, eine falsche oder ungeeignete Agentur auszuwählen. Außerdem läuft man durch die im Vorfeld definierten Anforderungskriterien wenig Gefahr, den mehr oder weniger geschickten Neugeschäftstechniken der Agenturen, deren legitimes Interesse es ist, Kunden zu gewinnen, zu erliegen.
2.
Auswahl von Agenturen
Sind die Anforderungen und Auswahlkriterien für die Suche nach einer Kommunikationsagentur geklärt und notiert, steht für die meisten Marketingentscheider der schwierigste Teil bevor, da er als zeitraubend, diffus und ermüdend empfunden wird: das Screening. Mit ein paar kleinen Handgriffen lässt sich aber auch diese Herausforderung meistern, um das Screening effizient und erfolgreich durchzuführen.
680
2.1
Oliver Klein
Screening
Grundlage des Screenings ist dabei eine simple Liste mit Agenturen, die möglichst gut auf einen Teil der Anforderungen passen. Als Grundlage für die Auswahl bieten sich Fachmedien, Internetportale, persönliche Kontakte, Agenturunterlagen oder beispielsweise die Branchenverbände an. Auf der Screeningliste finden sich sowohl diejenigen Kommunikationsagenturen, mit denen eine Zusammenarbeit vorstellbar ist, als auch solche, die in der Vergangenheit erfolgreich für Mitbewerber, einen selber oder einen Kollegen gearbeitet haben. Erweitert wird die Screeningliste mit Agenturen, die generell positiv aufgefallen sind. Wer erwägt, eine konkrete Agentur z. B. auf Grund persönlicher Kontakte zu verpflichten, sollte sie ebenfalls notieren. Wie alle Mitbewerber muss sich diese Agentur in der Checkliste bewähren und beweisen, dass sie auch über das reine Bauchgefühl hinaus ihre Qualitäten hat. Nach dem Abgleich der Kriterien der Checkliste sollten letztlich maximal fünf bis zehn Agenturen übrig bleiben, mit denen eine zukünftige Zusammenarbeit lohnend scheint. Dennoch ist diese Anzahl an Agenturen für eine effiziente, abschließende Auswahl immer noch zu hoch. Daher sollten weitere Informationen zu den einzelnen Anbietern eingeholt werden, um eine qualitative Differenzierung zu ermöglichen. Neben der Lektüre einschlägiger Fachmedien und der Recherche im Internet bieten sich auch immer zugesandte Agenturdarstellungen an. Dabei gilt: Egal aus welcher Quelle die Informationen stammen, sie sollten immer kritisch hinterfragt werden. Etwa die Aussagekraft von Kundenreferenzen. Große, bekannte Namen können schnell beeindrucken. Aber wie alt sind die Referenzen eigentlich? Sind die Macher der entsprechenden Projekte überhaupt noch in der Agentur? Und um welche Art von Auftrag handelt es sich? Ist es nur ein kleines Projekt? Gerade große Konzerne arbeiten mit einer Vielzahl von Agenturen zusammen, die ihrerseits oft auch noch SubUnternehmer wie z. B. Freelancer oder kleine Agenturen mit ins Boot nehmen. Alle Fragen sollten in einem Telefonat geklärt werden können. Hält sich eine Agentur mit Erläuterungen zurück, ist auf jeden Fall gesunde Skepsis angebracht. Gleichzeitig liefert das Telefonat einen weiteren interessanten Anhaltspunkt: Welche Stimmung vermittelt das Gegenüber am anderen Ende der Leitung? Mittels der eingeholten Informationen hat sich die Longlist nun nochmals verringert. Hier empfiehlt es sich, diese auf drei bis vier Kandidaten zu kürzen und ihnen die Möglichkeit zu einem persönlichen Kennenlerngespräch zu bieten. Die Chance herauszufinden, ob der potenzielle Partner vom Stil her zum Unternehmen und ganz persönlich zum Team passt, sollte genutzt werden. Unabhängig von der konkreten Aufgabe, um die es im nächsten Schritt geht.
Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen
2.2
681
Der eigentliche Auswahlprozess
Nach Screening und Vorstellungsrunde kann man fast sicher sein, dem künftigen AgenturTeam bereits die Hand geschüttelt zu haben. Dennoch muss man sich für einen Anbieter entscheiden. Möglicherweise fällt diese Entscheidung sehr leicht, da eine der Agenturen beim persönlichen Gespräch mit ihrer Eigenpräsentation so überzeugt hat, dass sie beauftragt wird. Die Chancen stehen gut, dass sich die ausgewählte Agentur für den Vertrauensvorschuss mit Ideen und außergewöhnlichem Einsatz bedankt. Wer sich an diesem Punkt absolut sicher ist, sollte nicht zögern, diese Option zu wählen. Wer noch eine Absicherung benötigt, stellt der ausgewählten Agentur eine konkrete Testaufgabe zur Bewährung. Nimmt sie diese Hürde, hat sie den Etat, und die Testaufgabe wird zum Startprojekt der Zusammenarbeit. Ein Glücksfall für Kunde und Agentur. Haben alle sich persönlich vorgestellten Agenturen einen gleich guten, kompetenten Eindruck hinterlassen und erfüllen die Anforderungsliste gleichermaßen oder unterscheiden sich nur in Nuancen, empfiehlt sich ein Pitch. Letztendlich kann es sich dabei auch nur um eine Testaufgabe für alle Agenturen handeln. Ebenso ist zu einer Wettbewerbspräsentation zu raten, wenn die einzelnen Agenturen scheinbar nur Teilaspekte der gewünschten Anforderungen erfüllen oder wenn das Bauchgefühl ein entsprechendes Signal sendet. Insgesamt sollten für einen Pitch aber Ablauf und Spielregeln eindeutig festgelegt und kommuniziert werden.
2.3
Der Pitch
Wer sich zu einem Pitch entscheidet, sollte immer bedenken, dass dieser zeitlich wie finanziell sehr aufwändig ist. Daher ist auch dringendst davon abzuraten, sich die vermeintlichen Mühen mit Kriterienkatalog, Auswahlliste und Recherche zu sparen und direkt eine Hand voll Agenturen zur Wettbewerbspräsentation einzuladen. Ohne diese Grundlagen wird ein Pitch immer aufwändiger sein, mehr Verwirrung und Uneinigkeit im eigenen EntscheiderTeam stiften und zudem in den meisten Fällen über kurz oder lang zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen. Nicht zuletzt wäre ein unvorbereiteter Pitch auch nur unfair den Agenturteilnehmern gegenüber. Hat man sich für einen Pitch entschieden, sollten höchstens vier, besser nur drei Agenturen eingeladen werden. Folgende Dinge sollten berücksichtigt werden, bevor es in die Wettbewerbspräsentation geht:
682
Oliver Klein
Checkliste: Wettbewerbspräsentation (Pitch) 9 max. vier Agenturen 9 Einladungen drei bis vier Wochen vorab 9 Präsentation aller Agenturen am gleichen Tag 9 Agenda und Tagesablauf entwickeln 9 identisches Pitch-Briefing an alle Kandidaten 9 Pitch-Briefing inkl. Kommunikationszielen, detaillierter Aufgabenbeschreibung, Präsentationsform (siehe auch Abschnitt 3: Das Briefing) 9 festes Team zur Agentur-Beurteilung 9 keine Wechsel innerhalb dessen 9 Festlegung Pitch-Honorar
Unabdingbar ist, sich vorab klarzumachen, was ein Pitch leisten kann und was nicht. Schließlich wird ein Agenturpartner und seine Leistungsfähigkeit im Bereich Strategie und Kreation exemplarisch in einem Wettbewerb ermittelt – nicht mehr und nicht weniger. Wer darüber hinaus Erwartungen hat, wird enttäuscht. Es ist meist unrealistisch, in dieser speziellen Wettbewerbssituation eine einsatzfähige Lösung für laufende Aufgaben zu erhalten. Denn wirkliche Lösungen sind nur durch gemeinsames Involvement von Kundenund Agentur-Team zu finden. Dies kann im Pitch, in dem der Agentur häufig noch vertrauliche Informationen vorenthalten werden, nicht geleistet werden. Hinzu kommt der notorische Zeitmangel. Geht es um die Vergabe von Einzelprojekten, muss zudem hinterfragt werden, ob der zeitliche Umfang der Aufgabe, das zur Verfügung stehende Budget und der Aufwand für alle Beteiligten eine Wettbewerbspräsentation rechtfertigen. Darüber hinaus entsteht kein realistisches Bild von den speziellen Fähigkeiten der Kandidaten. Denn eine Agentur mit guten Pressekontakten ermittelt ein Pitch ebenso wenig wie einen überdurchschnittlich zuverlässigen Partner. Auch wenn die Wirklichkeit oft anders aussieht: Allen Kandidaten steht seriöserweise ein Honorar zu, denn ihnen entstehen Kosten für Personal, Material und Reise. Darüber hinaus erbringen die Agenturen echte Leistungen. Das Pitch-Honorar ist daher meist eine Art Aufwandsentschädigung, welche die tatsächlichen Kosten der Agentur in der Regel bei weitem nicht deckt. Ein seriös handelnder Auftraggeber sollte dies durch ein entsprechendes Pitch-Honorar anerkennen, und eine seriöse Agentur wird danach fragen.
Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen
3.
683
Das Briefing
Ob man nun eine neue Agenturbeziehung beginnt oder in einer laufenden steckt: Basisinstrument der Zusammenarbeit zwischen Kunde und Agentur ist immer das Briefing. Das beginnt schon bei den Vorbereitungen für eine Wettbewerbspräsentation – wie zuvor aufgeführt. Natürlich soll das Briefing in erster Linie den beauftragten Dienstleister über die anstehende Aufgabe informieren. Doch ein wichtiger Nebeneffekt ist, dass der Auftraggeber sich selbst noch einmal auf die kommende Herausforderung konzentriert. Nicht zuletzt deshalb sollte bei größeren Aufgaben das Briefing intern abgestimmt werden: eine Chance, auch das eigene Team auf die Aufgabe einzuschwören – sofern nicht vorab schon geschehen. Im Mittelpunkt des Briefings steht die Kernaufgabe. Manchmal ist es schwer, dabei das richtige Maß an Information zu finden. Eine lückenhafte Beschreibung ist genauso riskant wie zu viele Angaben. Sie bergen die Gefahr, dass die Arbeit der Agentur schlimmstenfalls an der eigentlichen Aufgabenstellung vorbeigeht. Am zweckmäßigsten ist es, das Briefing in einen Hauptteil mit Beschreibung der Kernaufgabe und einen Anhang mit erläuternden Zusatzinformationen aufzugliedern. Die Kernaufgabe muss knapp, präzise und eindeutig formuliert werden. Wünsche und Erwartungen hinsichtlich der Ausführung gehören hier genauso hinein wie konkrete Angaben etwa zu Ziel- und Anspruchsgruppen, Budgetvolumen und Zeitplan. Ganz wichtig ist die Definition klarer, möglichst überprüfbarer Ziele, an denen die Agenturarbeit später gemessen und bewertet werden kann. Aus dem Briefing muss ferner hervorgehen, für welche Marken, Produkte oder Dienstleistungen kommuniziert werden soll. Hintergrundinformationen wie Basisdaten des Unternehmens, Beschreibung der Corporate Identity und des Corporate Designs sowie interne Grundsätze zur Unternehmenskommunikation gehören in den Anhang. Ebenso wie Daten zu Umsatz, Marktanteil oder Bekanntheitsgrad der Marke, des Produktes oder der Dienstleistung, die kommunikativ im Mittelpunkt der Aufgabe steht. Wird von der Agentur ein Strategiekonzept verlangt, empfehlen sich auch Angaben zu Wettbewerbern und deren Konkurrenzprodukten. All diese erläuternden Zusatzinformationen helfen der Agentur, die Kernaufgabe im Gesamtkontext besser zu verstehen. Nicht zu vergessen sind bei diesem Teil des Briefings auch die Ansprechpartner auf Unternehmensseite. Zum Schluss sollten auch Bildmaterial, Preisangaben oder Muster und Warenproben dem Briefing beigelegt werden, um den Gesamteindruck abzurunden.
684
3.1
Oliver Klein
Gute und schlechte Briefings
Lange Briefings sind schlechte Briefings. Etwa drei bis sechs Seiten genügen in der Regel, um die Kernaufgabe zu beschreiben. Wer ein Briefing von 30 oder 40 Seiten verschickt, darf sich nicht wundern, wenn die Agentur daran verzweifelt oder die Aufgabe falsch interpretiert. Zu einem guten Briefing gehört außerdem ein persönliches Gespräch. Dabei werden alle noch offenen Fragen geklärt, und die Agentur erhält die Chance, die Intention noch besser zu verstehen. Falls ein persönliches Gespräch nicht möglich ist, sollte der Auftraggeber ein ReBriefing anfordern, in dem die Agentur ihr Verständnis von der Aufgabe darlegt. Darüber hinaus besteht für den Kunden die Möglichkeit, bei einem sogenannten SchulterblickMeeting erste Ansätze gemeinsam mit der Agentur zu besprechen. Gleichzeitig kann er einschätzen, ob die Ausarbeitungen der Agentur in die gewollte Richtung gehen. Bei größeren Projekten, wie etwa einem Strategiewechsel oder einer Vorbereitung eines Börsenganges, bieten sich auch Zwischenpräsentationen an. Ob persönliches Gespräch, Re-Briefing, Schulterblick-Meeting oder Zwischenpräsentation – wichtig ist der produktive Diskurs zwischen Kunde und Agentur.
Checkliste: Agentur-Briefing 9 nicht mehr als drei bis sechs Seiten zur Beschreibung der Kernaufgabe 9 kurze, prägnante und eindeutige Formulierungen 9 Nennung der betroffenen Marken, Produkte, Dienstleistungen 9 Nennung klarer, überprüfbarer Kommunikationsziele 9 Angaben zu USP, Kernbotschaften, Zielgruppen 9 Budgetvolumen und Zeitrahmen fixieren 9 erläuternde Hintergrundinformationen in den Anhang 9 Ansprechpartner auf Unternehmensseite benennen 9 Basisdaten zum Unternehmen beifügen 9 Bildmaterial, Preislisten, Muster oder Warenproben zur Verfügung stellen
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4.
685
Vergütung und Verträge
Wer gute Arbeit leistet, benötigt auch eine angemessene Vergütung. Wie jede andere Unternehmung, hat auch eine Agentur das Ziel der Gewinnmaximierung. Daher sollte sich der Kunde nicht der Illusion hingeben, dass er dies z. B. durch besonders geschickte Verhandlungen außer Kraft setzen kann. Denn ein Kunde, der aus Sicht der Agentur unrentabel ist, zwingt diese über kurz oder lang, sich a) vom Kunden zu trennen oder b) sich über andere Erlöswege Gedanken zu machen. Letzteres entweder durch verdeckte Provisionen oder zu hohe Abrechnungen. Oder die Agentur wird c) ihre Leistungen so verändern, dass die Kundenbetreuung wieder rentabel wird. Dies bekommt der Kunde – wenn überhaupt – durch mangelhafte Ausführungen oder Unklarheiten bei den Abrechnungen mit. Daher ist es zu empfehlen, die Agentur fair und angemessen zu vergüten und dafür auf möglichst hohe Transparenz hinsichtlich Kalkulation und Abrechnung hinzuwirken. In diesem Zusammenhang sollte sich jeder Kunde insbesondere über den Nutzen und den für ihn entstehenden Gegenwert von guter strategischer und/oder kreativer Arbeit im Klaren sein und diese auch entsprechend ausreichend honorieren.
4.1
Vergütungsmodelle
Wie in jeder Branche, so gilt auch im Kommunikationsmarkt: Je größer und bekannter eine Agentur, desto höher können ihre Honorarsätze ausfallen. Neben Reputationsgesichtspunkten liegen die Gründe häufig in einem höheren Verwaltungsaufwand, im Vorhalten von weiteren Services und/oder zusätzlichen Overheads, die Networks international abführen müssen. Wie nun einzelne Projekte oder Gesamt-Betreuungen abgerechnet werden, ist immer eine Frage der Aufgaben, der Verhandlungen und der daraus resultierenden Gesamtvergütung. Generell bestehen die Möglichkeiten der Vergütung nach effektivem Zeitaufwand oder Pauschalen. Provisionen können diese ergänzen. Zu unterscheiden sind konzeptionelle Arbeiten wie Strategieentwicklung, kreative Arbeiten wie Text, Grafik, Design oder planerische, administrative und organisatorische Arbeiten wie Controlling oder Produktion. Vergütung nach effektivem Zeitaufwand berechnet sich in Stunden oder Tagessätzen. Doch nicht immer ist es leicht abzuschätzen, ob eine zündende Idee im Rahmen eines umfangreichen Prozesses oder in fünf Minuten unter der Dusche entsteht. Für solche Arbeiten empfiehlt sich der Einsatz von Pauschalen, sofern nicht mit der Agentur eine Gesamtvergütung vereinbart wurde. Bei Pauschalen gilt, dass sie sich in der Regel aus dem Aufwand ergeben, den eine Agentur für einen Kunden schätzt. Je länger eine Zusammenarbeit für die Agentur fixiert ist, desto günstiger kann die Agentur hierbei eine Pauschale anbieten, z. B. monatlich. Grund hierfür ist eine bessere Auslastung der Ressourcen und somit eine bessere Planungssicherheit.
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Oliver Klein
In der Regel kann ein Kunde bei einer pauschalen Monatsvergütung in einem Jahr leicht 10 bis 20 Prozent im Vergleich zu dem selben Aufwand auf loser Projektbasis einsparen. Nachteile für den Kunden sind eine enge und länger fixierte Zusammenarbeit und wenig Flexibilität. Neben der Vergütung der Zeit gibt es aus Sicht vieler Agenturen auch noch weitere Möglichkeiten, mit einem Kunden Income zu generieren. Dies können Provisionen, Kosten für Porto, Fax, Internet, Material, Farbkopien etc. oder ggf. weitere Service-Leistungen sein. Manche Agenturen versuchen auch, dem Kunden weitere Leistungen zusätzlich zur vereinbarten Aufgabe anzubieten. Hier muss jeder Kunde für sich überlegen, ob er die Agentur nach Einzelprojekten oder für eine Gesamtbetreuung beauftragt und was in solchen enthalten bzw. ausgeschlossen ist. Weitere Einnahmemöglichkeiten, die aber selten bei PR-Agenturen, sondern eher bei Werbeagenturen etc. zu finden sind, sind Vergütungen für Nutzungsrechte, Prämien für Fremdleistungen oder gar Vereinbarungen mit Lieferanten – so genannte Kickbacks – von denen der Kunde häufig nicht in Kenntnis gesetzt wird. Am häufigsten und letztlich auch am transparentesten ist eine Mischform verschiedener Honorierungsmodelle. Denn damit hat der Auftraggeber die Möglichkeit, Signale zu senden, welche Art von Arbeit er erwartet und in welcher Höhe er sie jeweils honoriert. Wer sich für die üblichen Stundensätze der PR-Branche interessiert, kann sie in den jährlichen Honorarumfragen der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) nachlesen. Der Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA), der die führenden Werbe- und Kommunikationsagenturen vertritt, gibt gleichfalls Honorarempfehlungen heraus. Wer sie liest, sollte aber im Hinterkopf haben, dass sie aus Sicht der Agenturen verfasst sind und insofern eine Verhandlungsposition markieren. Auf der anderen Seite vermitteln diese Auflistungen einen guten Überblick und ein Gefühl für den Wert und Umfang kreativer und kommunikativer Dienstleistungen. Nicht vergessen werden sollte zudem, dass eine Agentur wie ein guter Arzt ein ständiger Begleiter ist, der im Notfall auch mal eine Nacht durcharbeitet und zu hoher Flexibilität fähig ist.
4.1.1
Erfolgsabhängige Vergütung
In den letzten Jahren ist ein Trend zu erfolgsabhängiger Vergütung zu beobachten. Besonders Großunternehmen setzen mehr und mehr auf diese Art der Bezahlung. Der Auftraggeber zahlt in der Regel zunächst nur ein kostendeckendes Fixum an die Agentur. Ist die Kampagne oder die Strategie ein Erfolg, erhält die Agentur einen vorher definierten Bonus. Unbedingt zu beachten in Bezug auf PR-Dienstleistungen ist die Differenzierung zwischen legitimiertem Erfolgshonorar und unzulässigen Erfolgsgarantien.1 Wer mit einer erfolgsorientierten Vergütung liebäugelt, sollte sich im Voraus darüber im Klaren sein, wie er den Erfolg messen will, und dies vertraglich eindeutig fixieren. Als Erfolgskriterien werden gängige Methoden 1
Vgl. hierzu die einschlägigen Sprüche des Deutschen Rats für Public Relations (DRPR): DRPR-Spruch 1999/1: Verbot von Erfolgsgarantien bekräftigt, 27.07.1999, sowie DRPR-Spruch 2001/1: Erfolgsgarantien abgemahnt, verfügbar unter www.drpr-online.de.
Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen
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der Markt- und Werbewirkungsforschung definiert, weshalb hier auch gesonderte Kosten kalkuliert werden müssen, beispielsweise für die PR-Evaluation. Mitunter bieten auch einige Agenturen selbst solche Instrumente an. Doch wer sich darauf einlässt, läuft Gefahr, den Bock zum Gärtner zu machen. Ein Schuss gesundes Misstrauen ist hier angebracht. Bei einer erfolgsorientierten Vergütung empfiehlt sich meist ein Anteil am Gesamthonorar zwischen zehn und 20 Prozent. Bei einem Anteil unter zehn Prozent ist der Motivationshebel, der ja der eigentliche Vorteil dieser Vergütungsart ist, für die Agentur nicht groß genug. Bei mehr als 20 Prozent jedoch geht die Agentur ein zu hohes Risiko ein. Schließlich muss sie ihre laufenden Kosten decken und kann meist mit einer erfolgsabhängigen Komponente erst am Jahresende rechnen.
4.2
Verträge
Am Beginn einer Agentur-Beziehung sollte als Erstes der Vertrag stehen. Selbst, wenn es nur um einen Projektetat geht, sollte es zumindest einen schriftlichen Rahmenvertrag geben, der die Aufgabe und die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit genau regelt. Die Initiative zum Vertrag sollte der Auftraggeber ergreifen. Wer dies nicht tut, gibt ein wichtiges Instrument aus der Hand, mit dem die gemeinsame Arbeit gelenkt werden kann. Denn ähnlich wie bei einem Pitch haben Agenturen auch in der Ausgestaltung der Agentur-Verträge in der Regel die weitaus größeren Erfahrungen als die Auftraggeber. Natürlich gibt es für den Kunden die Möglichkeit, sich an die Kommunikationsverbände GWA oder GPRA zu wenden, die Vertragsvordrucke bereithalten. Doch dabei sollte man nicht vergessen, dass die Verbände die Interessen der Agenturen vertreten. Grundsätzlich sollte der Vertrag alle Spielregeln der Zusammenarbeit genaustens festlegen. Die Leistungen und Aufgabenbereiche der Agentur müssen detailliert beschrieben werden. Es muss klar daraus hervorgehen, was von der Agentur geleistet wird, wie es vergütet werden soll und was darin nicht enthalten ist. Ebenso müssen die Inhalte und Vergütungen für sonstige Leistungen fixiert werden. Für manche Leistungen fallen zudem Nutzungsrechte an, die berücksichtigt und deren Handhabung entsprechend vereinbart werden muss. Immer sollte auch das Agentur-Team im Vertrag benannt sein, damit man als Kunde bei einem Personalwechsel nicht unangenehm überrascht wird. Ein weiterer Punkt, der vertraglich geregelt werden kann, ist der Umgang mit Wettbewerbern. Es gibt Auftraggeber, die nichts dagegen haben, wenn ihre Agentur gleichfalls für direkte Mitbewerber arbeitet. Diese Auftraggeber versuchen, von der einschlägigen Branchenerfahrung der Agenturen zu profitieren. Es ist jedoch gut möglich, dass Ideen und Strategien einmal von der Agentur entwickelt und dann mehrfach verwendet werden. Seriöse Agenturen wissen natürlich, dass hochsensible Interna nicht an andere Kunden gelangen dürfen. Sie werden aber auch durch zu viel Offenheit in einen Konflikt gebracht. Wichtig ist: Diese Frage muss klar im Vertrag geregelt sein. An Wettbewerberkonflikten sind schon viele Agenturbeziehungen zerbrochen.
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5.
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Erfolgskontrolle
Wer den Erfolg einer Strategie oder Kampagne und damit letztendlich die Arbeit einer Agentur messen will, muss sich darüber im Klaren sein, wie der Erfolg definiert werden soll. Im Falle des Handwerkers liegt die Definition auf der Hand: Wenn der Wasserhahn nicht mehr tropft, hat der Handwerker seine Aufgabe mit Erfolg erledigt. Selbst bei einem Arzt kann man sagen, dass, wenn der Mensch geheilt und gesund ist, die Behandlung ein Erfolg war. In der Kommunikationsbranche führt die Erfolgsdefinition wieder zurück auf die ursprünglich der Agentur mitgeteilten Kommunikationsziele. Zur Erfolgsmessung werden Größen wie Veränderung von Umsatz, Marktanteil oder Rendite herangezogen – sofern sie von der Kommunikationsarbeit beeinflussbar sind. Der Erfolg kann aber auch direkt an der Arbeit der Agentur festgemacht werden. Wenn sie sich als schnell und effektiv erweist, wird der Kunde in der Regel mit der Zusammenarbeit zufrieden sein. In der klassischen Werbekommunikation ist es üblich, den Erfolg anhand der Marktforschung zu messen. Umfragen und Panels sind jedoch eine sehr aufwändige und damit teure Methode der Erfolgskontrolle. Zwar können auf diese Weise aufschlussreiche Hinweise auf Verhalten und Einstellung von Verbrauchern in Bezug auf z. B. eine bestimmte Marke zusammengetragen werden. Doch aus PR-Sicht ergibt sich bei dieser Art der Erhebungen das Problem, dass sich ihre Effekte schwer von denen anderer Kanäle isolieren lassen. Wer sich entscheidet, die Ergebnisse der Presse- und Medienarbeit systematisch zu erfassen, hat die Wahl zwischen verschiedenen Methoden. Die Orientierung an reiner Medienresonanz greift meist zu kurz: Was sagt die Anzahl der Nennungen in Print, Hörfunk, Fernsehen und Internet allein aus? Nicht besonders viel, und daher wurde der Anzeigenäquivalenzwert entwickelt, bei der der monetäre Gegenwert einer der redaktionellen Berichterstattung entsprechenden Anzeige als Bezugsgröße Einzug ins PR-Geschäft erhielt. Der 1:1-Vergleich der Kommunikationseffekte von Pressearbeit und Werbung ist gleichwohl sehr kritisch zu betrachten. Denn eine Anzeige ist ein anderes Format als ein journalistischer Text und daher ist der direkte Vergleich immer nur als ein gedankliches Hilfskonstrukt zu betrachten. Infolgedessen wurden in den letzten Jahren weitere Modelle zur PR-Evaluation erfolgreich entwickelt, die auch den wachsenden Trend aufgreifen, dass sich Kommunikationserfolge an unmittelbaren Unternehmenszielen messen lassen müssen. So gibt es neben der Balanced Scorecard und ihren verschiedenen Weiterentwicklungen auch praxisnahe KennziffernSysteme (Zerfaß 2007, Porák/Fieseler/Hoffmann 2007, Rolke 2007). Für welche Art der Erfolgsmessung man sich entscheidet, die betreuende Agentur sollte darüber informiert und bis zu einem gewissen Grad involviert werden. Gerade auch im Hinblick auf erfolgshonorierte Vergütung. Wenig sinnvoll erscheint es in diesem Zusammenhang, auf Agenturmodelle zur Erfolgsmessung zurückzugreifen, wenn es um die Bewertung der selbst erbrachten Leistungen geht. Ein externer Dienstleister bietet hier immer noch die objektivere Beurteilung erbrachter Agentur-Leistungen.
Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen
6.
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Kunden-Agenturbeziehung als Zukunftsinvestition
Die Beziehung zwischen Kunde und Agentur unterscheidet sich sehr deutlich von der begrenzten Zweckgemeinschaft zwischen Kunde und Handwerker. Zwar muss man nicht gleich den Vergleich mit der Ehe bemühen. Doch auch Kunde und Agentur wollen einen längeren Weg zusammengehen und verfolgen dabei ein gemeinsames Ziel: den Erfolg. Und den können sie nur als echtes Team gemeinsam erreichen. Daher muss nicht nur die Chemie zwischen den Partnern stimmen. Unbedingte Voraussetzung für gute Teamarbeit ist Fairness. Und Fairness hat Transparenz zur Bedingung. Ebenso gilt es, sich gegenseitig zu respektieren und die jeweilige Fachkompetenz des anderen anzuerkennen. Potenzielle Streitpunkte sollten daher unbedingt in einem Vertrag geregelt werden. Für beide Seiten muss klar sein, dass die einmal schriftlich getroffene Übereinkunft gültig ist: Hinterher um zu hoch erscheinende Honorare schachern zu wollen oder mit unautorisierten AgenturSonderleistungen weitere Vergütungen einzustreichen, belastet die Kunden-Agenturbeziehung ungemein. Sicher wird es immer wieder gute Gründe geben, Leistungen und Kosten zu überprüfen. Dies sollte jedoch nur in Hinblick auf die vereinbarte Quantität und Qualität der erbrachten Leistungen erfolgen. Für eine harmonische und effektive Kunden-Agenturbeziehung braucht es außerdem Vertrauen, Professionalität und Engagement. Schriftliche Briefings sind hier ein unverzichtbarer Schlüssel zum Erfolg. Genauso wie transparente Entscheidungswege eine Selbstverständlichkeit sein sollten. Ein weiterer, wünschenswerter Punkt für das erfolgreiche und fruchtbare Zusammenspiel zwischen Auftraggeber und Agentur ist eine größtmögliche personelle Kontinuität. Never change a winning team – dieser gern zitierte Satz behält seine Bedeutung selbstverständlich auch in der Kunden-Agenturbeziehung. Und mit Sicherheit hilft es allen Beteiligten, eine Agentur nicht als Kostenfaktor, sondern als eine gute Investition zu betrachten, die bei der Erarbeitung von Ergebnissen auf jeden Fall einen Return of Invest liefert.
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Literatur
Behrens, Frank (2004): Lernen von den Nachbarn, in: PR Report, 40. Jg., Nr. 12, S. 3537. Behrens, Frank (2004): Von Wirkung zu Wertung: Auf der Suche nach einer Formel, in: PR Report, 40. Jg., Nr. 8, S. 28-31. Frank, Andreas (Hrsg.) (2004): Rotstift: Kostenkontrolle in der Unternehmenskommunikation, Ellwangen. Hanser, Peter (Hrsg.) (2004): Werbe- und Marketingplaner 2005: Medien, Reichweiten, Preise, Düsseldorf. Klein, Oliver/Schotthöfer, Peter/Skroch, Peter (2004): Das kostet Kommunikation: Preise, Leistungen und Rechte im Kommunikationsmarkt 2004/2005, Düsseldorf. Nägele, Helmut (2002): Vergütung in Werbeagenturen, Frankfurt a. M. Porák, Victor/Fieseler, Christian/Hoffmann, Christian (2007): Methoden der Erfolgsmessung von Kommunikation, in diesem Band. Rolke, Lothar (2007): Kennzahlen für die Unternehmenskommunikation, in diesem Band. Schnettler, Daniel (2003): Agentursuche mit System, in: absatzwirtschaft, 46. Jg., Nr. 8, S. 86-89. Weber, Markus (2005): Messen, zählen, regeln, in: werben & verkaufen, 43. Jg., Nr. 17, S. 34-38. Weber, Markus (2005): Täglich eine neue Kröte, in: werben & verkaufen, 43. Jg., Nr. 9, S. 32-34. Zerfaß, Ansgar (2007): Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement: Grundlagen, Wertschöpfung, Integration, in diesem Band.
Personalmanagement und Unternehmenskommunikation
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Personalmanagement und Unternehmenskommunikation: Kompetenzen für Kommunikationsmanager Joachim Klewes/Sabrina van der Pütten
Die Unternehmenskommunikation gehört anders als z. B. Controlling, Marketing oder Human Ressources nicht zu den traditionellen Querschnittsdisziplinen des Managements. Als verhältnismäßig neue Managementfunktion hat sie auch nicht dieselbe systematische Beachtung wie ihre Geschwisterdisziplinen erfahren. Aktuelle Studien beweisen jedoch eindrucksvoll den wertschöpfenden Charakter der Unternehmenskommunikation. Der Beitrag widmet sich dieser Funktion und im Besonderen denjenigen, die sie erst mit Leben füllen: den Kommunikationsmanagern und ihren Kompetenzprofilen. Es wird deutlich, dass die Kompetenzen der Kommunikationsprofis ebenso vielseitig sind wie die Kommunikationsfunktion selbst. Seit etwa zwei Jahrzehnten haben sich innerhalb der Kommunikationsabteilungen zahlreiche Unterbereiche – von Business Communications über Financial Communications bis Produkt-PR – herausgebildet, deren Kompetenzprofile herausgearbeitet werden. Doch auch ein noch so kompetenter Kommunikationsmanager ist auf bestimmte organisatorische Strukturen im Unternehmen – wie z. B. die Anbindung an den CEO – angewiesen, um wertorientiert und erfolgreich arbeiten zu können. Diese strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen für erfolgreiches Kommunikationsmanagement werden aufgezeigt.
1.
Randfunktion Kommunikationsmanagement?
Als verhältnismäßig neue Management-Funktion hat sich die Unternehmenskommunikation bis heute der systematischen Beachtung anderer Querschnittsdisziplinen des Managements weitgehend entzogen. Daran hat auch die regelmäßige semantische Aufrüstung der Funktion M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_40, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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wenig geändert – von Public Relations über „Integrierte Kommunikation“ oder umfassend „Kommunikationsmanagement“ bis zum heutigen „Reputation Management“. Ein klassischer Zugang zur Frage der Kompetenzprofile erfolgreicher Kommunikationsmanager 1 – damit sind diejenigen gemeint, die in Unternehmen und Organisationen die operative und strategische Verantwortung für die systematische Allokation von kommunikativen Ressourcen tragen – würde zunächst nach den Merkmalen fragen, die bei „besonders guten“ Repräsentanten der Profession zu finden sind. Ein klassischer Best-Practice-Ansatz also, wie er etwa in der Excellence-Studie von James E. Grunig (1992) versucht wird. Demnach zeichnen sich exzellente Kommunikationsmanager und die von ihnen geführten Abteilungen dadurch aus, dass sie Unternehmenskommunikation strategisch begreifen. Damit ist gemeint, dass PR geplant, durch konkrete Absichten geleitet, evaluiert und mit den allgemeinen Zielsetzungen des Unternehmens verbunden ist. Kommunikationsmanager, die strategisch handeln, „scannen“ ihre Umwelt ständig auf neue Entwicklungen (Issues) und identifizieren das Maß an positiven Möglichkeiten, das sich ihnen bietet. Die Begriffe „Mission“ und „Umwelt“ dominieren diesen Ansatz: Ein kompetenter Kommunikationsmanager verfolgt eine Mission, die in der ihn umgebenden Umwelt durchsetzbar ist (Grunig 2001). Damit hängt nach Ansicht dieser Forschungsrichtung zusammen, dass erfolgreiche Kommunikationsmanager ihre Abteilung „symmetrisch führen“. Dies bedeutet, sie schätzen die Unternehmensinteressen als für den Erfolg genauso wichtig ein wie die Interessen der Öffentlichkeit. Ökologische Sicherheit und Gewinnmaximierung bilden beispielsweise so einen „Interessenszwilling“. Eine symmetrische Kommunikationsstrategie ist nach Grunig die effektivste, soll auf lange Sicht eine positive Beziehung zwischen dem Unternehmen und der Öffentlichkeit aufgebaut werden. Solch eine PR ist dialogorientiert und beansprucht für das Unternehmen nicht, „Recht zu haben“ – diese Frage kann Grunig zufolge vor allem bei brisanten Themen (z. B. Gentechnologie, Stammzellenforschung) sowieso nur auf dem Verhandlungswege, eben durch symmetrische Kommunikation, gelöst werden. Und schließlich betont Grunig die Untrennbarkeit von Management- und Kommunikationsfunktionen: Exzellente Kommunikationsprofis verstehen ihre Aufgabe als Managementfunktion. Voraussetzung dafür ist, dass sie in das allgemeine Managementteam des Unternehmens, die sogenannte „dominant coalition“, eingebunden sind – auf diesen Punkt wird an späterer Stelle zurückzukommen sein. Grunigs viel zitierte Excellence-Studie beruht auf Usancen eines anderen Wirtschaftsraumes (Ergebnisse aus den USA, Kanada und Großbritannien), und die Daten sind inzwischen etwa zwei Jahrzehnte alt. Dennoch gibt sie den zentralen Hinweis für das Kompetenz-Profil von Kommunikationsmanagern: Sie sollten in den Schnittstellen zu allgemeinen Management-Dimensionen zu suchen sein.
1
Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden die grammatikalisch einfachere Form gewählt: Wenn von Kommunikationsmanagern, Mitarbeitern (...) die Rede ist, sind selbstverständlich Kommunikationsmanager und -managerinnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (...) gemeint.
Personalmanagement und Unternehmenskommunikation
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Als einem von zahlreichen Autoren könnten wir auf der Suche nach solchen allgemeinen Management-Dimensionen Malik (1994) folgen, der sechs zentrale Aspekte hervorhebt: Kompetente Manager orientieren sich erstens ausschließlich an den Resultaten ihrer Arbeit und nicht an dem Aufwand, der hierfür während des Arbeitsprozesses geleistet werden muss. Das ist eine kluge Orientierung, wenn man bedenkt, dass in der Regel der Aufwand mit zunehmender Erfahrung und Perfektion deutlich sinkt. Ein Gegenbeispiel aus dem Kommunikationssektor: Kommunikationschefs unterlassen oft den Kontakt zu Meinungsbildner-Medien, wenn diese als schlecht zugänglich oder schwer zu beeinflussen gelten. Damit verzichten sie wahrscheinlich auf die wirkungsvollste Möglichkeit zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Zweitens ist es nach Malik für einen kompetenten Manager wichtig, einen Beitrag für die Organisation in ihrer Gesamtheit zu erbringen. Er fragt also permanent nach dem Nutzen seiner Tätigkeit für das Unternehmen. Professionelle Kommunikationschefs richten in diesem Sinne das Programm ihrer Abteilung konsequent an den übergeordneten generellen Zielen der Organisation aus – beispielsweise über eine Balanced Scorecard (Hering/ Schuppener/Sommerhalder 2004) oder über ein „CommunicationsControlCockpit“ (Rolke/Koss 2005). Drittens konzentrieren sich gute Manager auf einige wenige, ausgewählte Tätigkeitsfelder. So verhindern sie, von den Details der Tagesarbeit aufgefressen zu werden. Selbst wirklich routinierten Kommunikationschefs gelingt dieses übrigens selten – am ehesten noch in der Delegation von kompletten Bereichen wie der Redaktion der internen Medien. Eine bewährte Methode liegt auch darin, jedes Jahr systematisch zwanzig bis dreißig Prozent des Kommunikationsbudgets (und entsprechende Programm-Bestandteile) zur Disposition zu stellen und neu zu planen, anstatt in einen Wildwuchs von Aufgaben zu geraten. Malik stellt viertens dar, dass erfolgreiche Manager sich nicht an den Schwächen, sondern den Stärken orientieren, die sie selbst und ihre Mitarbeiter mitbringen. So folgen sie dem Ziel, jeden dort einzusetzen, wo er den größten Nutzen für das Unternehmen erbringen kann. Denn sie erwarten nur dann gute Resultate, wenn die Mitarbeiter ihre Stärken entfalten können, nicht dann, wenn sie auf ihre Schwächen gestoßen werden. Die Bedeutung dieses Kompetenz-Kriteriums für den Kommunikationsbereich liegt auf der Hand – schließt es doch die eigenen Mitarbeiter wie auch die Auswahl und Steuerung von Dienstleistern wie Agenturen ein. Fünftens betrachten exzellente Manager Vertrauen als die wichtigste Basis erfolgreicher Zusammenarbeit, weswegen sie stets bemüht sind, das Vertrauen ihrer Mitarbeiter zu gewinnen und zu erhalten. Dieses Management-Kriterium muss bei einem Kommunikationsmanager, der eben ja auch außerhalb der Grenzen seiner Organisation agiert, deutlich erweitert werden: Es geht keineswegs allein darum, die Ressource „Vertrauen“ bei den eigenen Mitarbeitern zu heben. Vielmehr trifft dies genauso auf Interaktionspartner bei wichtigen externen Stakeholder-Gruppen zu – insbesondere bei den Journalisten.
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Und schließlich zeichnet nach Malik konstruktives und positives Denken gute Manager aus. Sie wissen, dass Führungskräfte die Aufgabe haben, Chancen und Gelegenheiten für das Unternehmen zu nutzen, und versuchen deswegen jeder noch so schwierigen Situation das Positive abzuringen. Dem ist für den Kommunikationssektor wenig hinzuzufügen. Unsere Schlussfolgerung: Erfolgreiche Kommunikationsmanager müssen gleichzeitig Generalisten und Spezialisten sein. Zwar sollten sie einerseits das generelle Handwerkszeug eines Managers von der Pike auf beherrschen – andererseits aber auch in hohem Maße spezialisiert sein. Spezialisiert allerdings nicht auf „Kommunikation allgemein“, sondern zunehmend auch auf einzelne Sub-Funktionen der Kommunikation. Denn heute weist auch der Bereich Unternehmenskommunikation eine ähnlich ausdifferenzierte Organisationsstruktur auf wie zum Beispiel die Nachbardisziplin, das Marketing. Natürlich: Der Spezialisierungsgrad von Kommunikationsmanagern variiert in Abhängigkeit von der Hierarchie-Ebene sehr stark. Nehmen wir z. B. einen Top-Kommunikationsmanager, der in einem großen Unternehmen die Arbeit verschiedener Sub-Funktionen an zentraler Stelle koordiniert und direkt an das allgemeine Managementteam angebunden ist. Er hat viel weniger mit dem Alltagsgeschäft – etwa der zielgruppenbezogenen Arbeit – zu tun als beispielsweise der Leiter der Internen Kommunikation. Dies ändert nichts daran, dass nicht nur aus Führungs- und Akzeptanzgründen gerade der Top-Manager über die Anforderungen und fachlichen Strukturen der von ihm zu führenden Abteilungen bestens Bescheid wissen muss. Speziell für den Kommunikationsbereich gilt es in unserem Zusammenhang, die Vorstellung zu revidieren, dass nur derjenige ein „echter“ Manager sei, der einen großen Mitarbeiterkreis führt. Dies ist bei der in der Regel als Stabsfunktion geführten Kommunikationsabteilung selten anzutreffen. Selbst die großen Kommunikationsteams international agierender Unternehmen umfassen selten mehr als zweihundert Mitarbeiter weltweit. Und diese sind in den seltensten Fällen direkt an den Chef der Unternehmenskommunikation im „Headquarter“ angebunden. Vielmehr ist es die Regel, dass sich in großen Organisationsstrukturen Kommunikationsmanager in den unterschiedlichsten Konzernteilen, in verschiedenen Hierarchieebenen und Teilabteilungen finden – und dementsprechend höchst unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen haben. Abbildung 1 verdeutlicht, welche allgemeinen Qualifikationen Kommunikationsprofis heute mitbringen sollten. Ihre Fähigkeiten setzen sich demnach einerseits aus verschiedenen Wissensgebieten, andererseits aus unterschiedlichen handwerklich-technischen Fertigkeiten zusammen. So wird der lehr- und lernbare Charakter der Öffentlichkeitsarbeit betont, die keineswegs als „Begabungsberuf“ angesehen werden sollte. Diese Übersicht beschreibt die Kompetenzen von Kommunikationsmanagern jedoch noch nicht en détail, dies soll im Folgenden durch eine Analyse der Aufgabenfelder in verschiedenen Teilabteilungen geleistet werden.
Personalmanagement und Unternehmenskommunikation
Abbildung 1:
2.
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Qualifikationsprofil Öffentlichkeitsarbeit (Quelle: DPRG 2005)
Sub-Funktionen der Unternehmenskommunikation
Schon kleine und mittlere Unternehmen unterscheiden zwischen interner und externer Kommunikation – und folgen damit der gröbsten allgemeinen Zielgruppen-Differenzierung. Größere Unternehmen weisen zumeist weitaus ausdifferenziertere Strukturen auf: Hier finden wir eine Untergliederung mit Bezug auf verschiedene Kommunikationsinstrumente (z. B. Internet, Pressearbeit) und Zielgruppen (z. B. Mitarbeiter, Medienvertreter, Autoritäten aus Politik und Wirtschaft) – aber auch nach unterschiedlichen Themen der Kommunikation (z. B. die Spezialabteilungen für „Oldtimer-PR“ bei einem Automobilhersteller oder der Spezialist für „Philatelie-Kommunikation“ bei einem Postunternehmen). Die Vielfältigkeit der organisatorischen und inhaltlichen Ausdifferenzierung der Kommunikationsfunktion erlaubt es (noch) nicht, einen oder gar den Standard in diesem Bereich zu identifizieren. Je nach Unternehmensgröße und -kultur bieten sich unterschiedliche Organisationsformen an (Klewes/van der Pütten 2005). Seit etwa zwei Jahrzehnten haben sich jedoch eine ganze Reihe klar identifizierbarer Unterbereiche von Kommunikationsfunktionen herausgebildet, deren Kompetenzprofile herausgearbeitet werden können. Orientierung gibt dabei die Praxis der – oftmals angelsächsisch geprägten – Unternehmen,
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die weltweit in der Unternehmenskommunikation eine Vorreiterrolle übernommen haben. Je nach konkretem Fall werden die Sub-Funktionen dann in der Unternehmenspraxis unterschiedlich kombiniert und konzipiert sein. Die Abteilung für Business Communications (oft auch als Corporate Communications bezeichnet) hat dabei eine besonders lange Tradition. Ziel der Business Communications ist es, das Interesse und Vertrauen relevanter Bezugsgruppen (Stakeholder) am Unternehmen allgemein zu erhöhen. Intern wie extern soll ein positives und markantes „Business Image“ des Unternehmens geschaffen werden. Die Themenbereiche, über die dies erreicht werden soll, können je nach Branche und Unternehmenshistorie höchst unterschiedlich sein. Sie reichen beispielsweise von der Unternehmenskultur über ein besonderes Engagement in der Region bis zur Kommunikation rund um die Person des CEO oder anderer TopPersönlichkeiten. Die Kompetenzen der Kommunikationsmanager werden nicht nur in diesem Bereich vor allem am Output, den diese Funktion erbringt, deutlich: Neben Kommunikationsstrategien und daraus ableitbaren Zielgruppen-Effekten werden hier „anfassbare“ Ergebnisse erwartet – etwa Informationsmaterial und Broschüren zur Corporate Identity, Medienaktivitäten und Geschäfts- bzw. Corporate-Events. Neben dem allgemeinen Verständnis für kommunikative Prozesse und die oftmals etwas diffus definierten Zielgruppen der Business Communications (Bandbreite: von den Standort-Öffentlichkeiten über Meinungsbildner in Branche und Gesellschaft bis zu speziellen Anspruchsgruppen) müssen sie ein außerordentlich großes Verständnis für das Unternehmen insgesamt mitbringen. Nicht ohne Grund gibt es große Konzerne, in denen auf den Visitenkarten dieser Funktion „Unternehmenspolitik und Kommunikation“ erscheint. In den ausführenden Bereichen der Business Communications kommen – je nach Teildisziplin – dann spezielle Zusatzqualifikationen hinzu – im Bereich Company Image beispielsweise (text-)gestalterische oder grafische Kompetenzen. Kommunikationsmanager, die für das Company Image arbeiten, haben die Aufgabe, das Unternehmensprofil in den (eigenen) Medien zu schärfen sowie Angemessenheit und Aktualität der Unternehmensmarke zu überwachen. Dazu werden vor allem Materialien zur Unternehmensmarke zur Weiterverwertung durch andere Unternehmensbereiche produziert (z. B. Unterlagen zum Unternehmensprofil für potenzielle Neukunden) und dafür Sorge getragen, dass Design und Layout in allen Niederlassungen und Ländern gleiche Kommunikationsstandards schaffen. Die Abteilung für Public Affairs regelt den Dialog der Organisation mit relevanten externen Bezugsgruppen (z. B. Meinungsführer, Handelsorganisationen, NGOs) und organisiert gesellschaftspolitische Aktivitäten des Unternehmens mit dem Ziel, eine positive Wirkung und einen vergrößerten Handlungsspielraum für die Unternehmensaktivität zu erreichen. Hier sind politik- und sozialwissenschaftliche Kenntnisse wichtiger als in anderen Teilbereichen. In der Online-Kommunikation, zuständig für die Entwicklung von Online-Medien und die Steigerung ihrer internen Nutzung, wird ein Kommunikationsmanager ohne fundierte Software-Kenntnisse nicht weit kommen.
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Besonderes betriebswirtschaftliches Know-how fordert beispielsweise die Teildisziplin Investor Relations/Finanzkommunikation ein. Ihre dominanten Bezugsgruppen sind Stockholder des Unternehmens; ihr Ziel besteht darin, deren Anzahl zu erhöhen und die Wertbestimmung des Unternehmens vorzunehmen. Dabei stehen die Strategie- und Programmentwicklung zu Fragen der Investor Relations im Vordergrund, außerdem werden spezielle Aktivitäten, wie z. B. Diskussionsrunden mit interessierten Zielgruppen, organisiert und durchgeführt sowie die Finanzwelt und Shareholder mit Informationen über das Unternehmen versorgt. Kommunikationsmanagern in dieser Teildisziplin müssen die gesetzlichen und strategischen Anforderungen des Kapitalmarktes bekannt sein, hier finden sich besonders viele Absolventen einer Banklehre oder eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse mit Fokus auf ihre inhaltliche und organisatorische Dimension sind ebenfalls in den Bereichen Employee Communications und Eventmanagement von besonderer Wichtigkeit. Die Mitarbeiterkommunikation entwirft und implementiert das Unternehmensleitbild, sie unterstützt das allgemeine Managementteam und übernimmt das Reporting von Informationen an die Mitarbeiter. Dafür wird eine Strategie speziell für die interne Kommunikation entwickelt, die auch den internen Informationsfluss detailliert kaskadiert. Um diese Aufgaben zu erfüllen, werden verschiedene Kommunikationskanäle aktiviert: Von Face-to-Face-Kontakten, über Online- und Print-Medien bis zu (Teambuilding-)Events und Aktivitäten. Die Abteilung ist außerdem oft für interne Umfragen, beispielsweise zur Zufriedenheit der Mitarbeiter, verantwortlich – statistische Kenntnisse sind in diesen Fällen besonders gefragt. Die Abteilung für Eventmanagement „produziert“ Veranstaltungen jeglicher Couleur – z. B. Symposien für Kunden oder interne Veranstaltungen – mit dem Ziel, eine dialogorientierte Kommunikation zu fördern, das Unternehmen in der Öffentlichkeit als aktives Unternehmen darzustellen und Offenheit, wenn man so will „Gastfreundlichkeit“, nach außen zu demonstrieren. Eingangs wurde bereits betont, dass sich je nach Unternehmensgröße, Unternehmenskultur und Branche unterschiedliche Organisationsstrukturen aufdrängen und folglich auch unterschiedliche Kompetenzprofile der Mitarbeiter ergeben. Ein großer Pharmakonzern mit internationaler Reichweite wird beispielsweise nicht ohne Wissenschaftskommunikation auskommen, um die öffentliche Wahrnehmung der Forschungsaktivitäten zu schärfen sowie den Führungsanspruch in dem vom Unternehmen bedienten Bereich durch gezielte Kommunikationsaktivitäten zu untermauern. Die Abteilung für Wissenschaftskommunikation entwirft beispielsweise öffentlichkeitswirksame Stories zu den jeweiligen Forschungsaktivitäten, dokumentiert den Forschungsprozess, übernimmt publizistische Aufgaben und beobachtet den Markt, um zukünftige Forschungstrends für das Unternehmen zu identifizieren. In einer solchen Abteilung werden vor allem Kommunikationsmanager mit stärker akademischen Hintergrund (z. B. einer Promotion), im genannten Beispiel z. B. in der Pharmazie oder der Chemie, nachgefragt. Weitere Beispiele für Teilbereiche, die in gewisser Weise einen Sonderstatus einnehmen, sind auch die Kommunikationsfunktionen Produkt-PR sowie Social Responsibility/Community Relations. Die Sonderstellung der Produkt-PR ergibt sich aus ihrem jeweiligen Branchen-
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bezug – denn die produktbezogenen PR-Aktivitäten für eine Haarpflege-Marke folgen nun einmal anderen „Gesetzen“ als die für einen Gabelstapler-Hersteller. Gemeinsam sind allen Branchen (und Markttypen) die Erstellung marketingorientierter Unterlagen zu den Produkten oder Dienstleistungen, die Entwicklung von PR-Strategien und Programmen. Ohne eine hohe Nähe zum Marketing einerseits und eine sichere Beherrschung der jeweiligen Zielgruppen-Medien andererseits ist diese Aufgabe nicht professionell zu bewältigen. Eine Funktion, die sich speziell mit der Social Responsibility oder den Community Relations beschäftigt, hat auch nicht jedes Unternehmen „nötig“. Dabei ist vor allem die Unternehmensgröße und nicht ausschließlich die Branche ausschlaggebend für die An- oder Abwesenheit einer solchen Abteilung. Ein Mittelständler mit eher regionalen Öffentlichkeiten nimmt seine „Community-Beziehungen“ oft in Person der Unternehmensleitung wahr – ein Verhalten, das für das große Pharmaunternehmen aus dem oben genannten Beispiel fatal sein könnte. Mitarbeiter in diesem Bereich müssen breite Kompetenzen aufweisen; sie gestalten Corporate-Responsibility-Strategien und Programme, nutzen dafür alle geeigneten Kommunikationsmittel sowie die Expertise spezialisierter Funktionen. In der Regel dokumentieren sie ihre und die Arbeit des Unternehmens in einem sogenannten Corporate-Responsibility-Report und entwerfen Richtlinien für zukünftiges Verhalten. Vielseitigkeit ist auch in der Abteilung für Crisis and Issues Communications gefragt. Dies lässt sich beispielsweise durch die Verschiedenheit der möglichen Bezugsgruppen dieser Kommunikationsfunktion (Medien, Wirtschafts- und Finanzwelt, Stockholder, gesellschaftspolitische Autoritäten, NGOs, Mitarbeiter, allgemeine Öffentlichkeit) und die mannigfaltigen Themen, derer sie sich annehmen muss, begründen. Ein Issue wird nämlich nicht erst dann für das Unternehmen relevant, wenn es sich in eine handfeste Krise verwandelt hat. Vielmehr sollte es der Krisenkommunikation eines Unternehmens darum gehen, ein Frühwarnsystem für das Unternehmen zu entwickeln, um so die Transformation eines Issues zur Krise zu verhindern. Im Ernstfall sind dann die Spezialisten für Krisenkommunikation dafür verantwortlich, die negativen Effekte einer Krise zu senken – wobei in dieser Situation meist alle organisatorischen Routineregelungen außer Kraft gesetzt werden, um alle Kräfte auf die Krisenbewältigung zu richten. „Pressesprecher“ kann es in mehreren der oben genannten Spezialfunktionen geben. Ihr Profil ist – jenseits der spezifischen thematischen Kompetenzen, die sich z. B. zwischen dem Wirtschaftspressesprecher und dem Ansprechpartner für die Wissenschaftspresse unterscheiden – durch eine hohe Belastbarkeit, spontane Formulierungskompetenz und eine Balance zwischen unbedingter Unternehmensloyalität und Risikobereitschaft gekennzeichnet: Schließlich müssen sie nachhaltige Beziehungen zu Medienvertretern aufbauen, bei denen sie in einem genau dosierten Maß Informationen an Journalisten weitergeben – und genauso übrigens aus dem Mediensystem ins Unternehmen hineintragen. Die Vielseitigkeit der organisatorischen Struktur der Kommunikationsfunktion färbt also auf die Kommunikationsmanager ab. Den Kommunikationsmanager gibt es dabei genauso wenig wie die organisatorische Struktur der Kommunikationsfunktion. Flexibilität kann hier jedoch
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in keinem Falle als Manko, sondern muss als Stärke begriffen werden – und gleichzeitig als wichtige Eigenschaft eines jeden kompetenten Kommunikationsmanagers. Das folgende anonymisierte Organigramm eines international operierenden Telekommunikationsunternehmens, das 88.000 Mitarbeiter – darunter 100 in der Kommunikationsabteilung – beschäftigt, konkretisiert eine mögliche Form der Organisation für eine umfangreich ausgebaute Kommunikationsfunktion.
Abbildung 2:
Struktur einer Kommunikationsabteilung (Beispielorganigramm)
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3.
Strukturelle und organisatorische Voraussetzungen für erfolgreiches Kommunikationsmanagement
Ein noch so kompetenter Kommunikationsmanager wird nur dann wirklichen Erfolg haben, wenn die organisatorischen Strukturen, die er vorfindet, ihm den Erfolg auch ermöglichen. Diese Gleichung lässt sich auch umdrehen: Ein Unternehmen sollte so organisiert sein, dass selbst ein weniger kompetenter Manager nur einen möglichst geringen Schaden anrichten kann, vgl. dazu Malik (1994). Was ist also neben der Aufteilung der Kommunikationsaktivitäten in bestimmte Sub-Funktionen zu beachten, um ein erfolgreiches Kommunikationsmanagement zu ermöglichen? Zum Beispiel reicht es nicht aus, die verschiedenen Funktionen zu differenzieren, sie müssen vor allem auch an zentraler Stelle koordiniert werden. Aus praktischen Erfahrungen lernen wir, dass eine echte strategische Integration der Kommunikationsfunktionen im Hinblick auf Zielgruppen, Kommunikationsinstrumente und themen sowie den zeitlichen Ablauf nicht durch allzu komplizierte Regelungen wie z. B. die Beschäftigung eines speziellen Koordinators zwischen den Disziplinen, sondern allein durch einheitliche Leitung zu erreichen ist – also durch kompetentes Kommunikationsmanagement an der Spitze eines differenzierten Kommunikationsteams. Ein Kommunikationsmanager in einer solchen Stellung benötigt wiederum eine andere strukturelle Voraussetzung für seinen Erfolg: die Anbindung an die Unternehmensspitze. Excellence-Forscher James E. Grunig (1992) betont, dass eine Kommunikationsabteilung nur dann wirklich erfolgreich arbeiten kann, wenn sie von der Unternehmensführung als wertschöpfende Funktion verstanden und dies durch eine direkte Anbindung an das TopManagement bzw. den CEO übersetzt wird. Ein Kommunikationsmanager mit Führungsaufgaben, der nicht direkt an den CEO berichtet, ist schlecht über essenzielle Entscheidungen und Entwicklungen des Unternehmens informiert und kann nur eingeschränkt bzw. zeitlich verzögert handeln. Es lässt sich außerdem beobachten, dass solche Kommunikationsmanager bzw. die von ihnen verantworteten Abteilungen über vergleichsweise geringe Budgets und Ressourcen verfügen. Vor allem in Krisensituationen ist der Kommunikationsmanager ohne CEO-Anbindung in seinem Handeln eingeschränkt und kann die Kommunikation z. B. gegenüber journalistischen Zielgruppen nicht optimal bewältigen. Die Best-Practice in der Unternehmenskommunikation hat den Erfolgsfaktor CEOAnbindung schon längst erkannt und umgesetzt: Bei den deutschen DAX- und anderen börsennotierten Unternehmen ist die Anbindung die Regel. Ausnahmen sind eher im großen Mittelstand oder bei kleineren Unternehmen zu finden. In einer Untersuchung von Baerns/ Klewes aus dem Jahr 1999 geben 83 Prozent der befragten deutschen Kommunikationsprofis an, dass sie direkt an die oberste Managementebene berichten. Mehr als 90 Prozent haben zu jeder Zeit Zugang zum CEO. Die Befragten kommen dabei aus verschiedenen Branchen, „ihre“ Unternehmen haben unterschiedliche Größen und Geschäftsumsätze – die CEOAnbindung gilt also über diese Unterschiede hinweg unverändert.
Personalmanagement und Unternehmenskommunikation
701
Ein weiteres Indiz für kompetentes Kommunikationsmanagement ist die Selbstständigkeit, mit der Kommunikationsmanager ihre Aufgaben ausüben können. Wer eigenverantwortlich entscheiden kann (und idealerweise gleichzeitig über einen CEO-Zugang verfügt), wird in der Regel wiederum schneller etwas bewegen, gezielter auf seine Zielgruppen eingehen und seine Botschaften effektiver an interne und externe Öffentlichkeiten vermitteln können. Natürlich bleiben auch die Punkte Erfolgskontrolle und Controlling wichtig für ein Unternehmen, eine zu starke „Bürokratisierung“ ist aber der Todfeind erfolgreicher Kommunikation. Dies spiegelt sich ebenfalls in den Kompetenzprofilen von Kommunikationsmanagern wider. Eine aktuelle Untersuchung des PR-Trendmonitor (2005) ergab, dass folgende Aufgaben von Kommunikationsmanagern (beschäftigt in Agenturen oder in Pressestellen bei Unternehmen) selbstständig erledigt werden: Durchschnittlich 77 Prozent nehmen am Telefon eigenständig gegenüber Journalisten Stellung, etwa 52 Prozent haben die Leitung von Pressekonferenzen inne. 39 Prozent geben Radio-, 28 Prozent TV-Interviews selbstständig, und 35 Prozent übernehmen in Krisensituationen die Repräsentation des Unternehmens nach außen. Dass keine von den genannten Aufgaben eigenverantwortet wird, trifft in Pressestellen von Organisationen auf nur 15,8 Prozent zu. Auch die Studie von Baerns/Klewes (1999) bestätigt die relativ große Selbstständigkeit von Kommunikationsmanagern, hier ist der Blickwinkel allerdings ein etwas anderer: Es geht nicht allein darum, welche Aufgaben autonom übernommen werden, sondern um die Frage, wie groß die Entscheidungskompetenz von Kommunikationsmanagern außerhalb der eigenen Abteilung ist. Auch hier geben nur 21 Prozent der Befragten an, nicht in bereichsexterne Entscheidungsprozesse integriert zu sein, 27 Prozent nehmen in ausgewählten Sektoren Einfluss. Der Rest, also beinahe die Hälfte aller Befragten, sind mal mehr, mal weniger formell in jede für das Unternehmen wesentliche Entscheidung eingebunden. Alles in allem weist damit das Profil erfolgreicher Kommunikationsmanager durchaus Facetten auf, die diesen Beruf für die talentiertesten Absolventen von ManagementStudiengängen attraktiv machen sollten. Wenn dennoch heute die „Besten der Besten“ ihre Karriere eher in anderen Managementfunktionen starten, hat dieses eindeutig mehr mit zwei anderen Faktoren zu tun (vgl. zum Thema auch: Sievert/Westermann 2005): der Reputation des Kommunikationsmanagements im Vergleich zu anderen Managementfunktionen – und der materiellen Kompensation der Tätigkeit. Beides hinkt nach wie vor hinter den etablierten – und historisch älteren – Managementfunktionen im Controlling, im Personalbereich oder im Marketing her – selbst wenn heute der Kommunikations-Chef eines DAX-Unternehmens schon einmal 300.000 oder 400.000 Euro verdienen kann.
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Joachim Klewes/Sabrina van der Pütten
Literatur
Baerns, Barbara/Klewes, Joachim (1999): Comparative Research on Public Relations: Do we manage to start a European Research Project?, Berlin. Deutsche Public Relations Gesellschaft e. V. (Hrsg.) (2005): Öffentlichkeitsarbeit/PRArbeit. Berufsfeld – Qualifikationsprofil – Zugangswege, Bonn. Grunig, James E. (Hrsg.) (1992): Excellence in Public Relations and Communication Management, Hillsdale (NJ). Grunig, James E. (2001): The Role of Public Relations in Management and Its Contribution to Organizational and Societal Effectiveness, Speech delivered in Taipei/Taiwan, May 12th, 2001. Hering, Ralf/Schuppener, Bernd/Sommerhalder, Mark (2004): Die Communication Scorecard: Eine neue Methode des Kommunikationsmanagements, Bern/Stuttgart/ Wien. Klewes, Joachim/van der Pütten, Sabrina (2006): Erfolgsfaktor Organisation: Unternehmenskommunikation in Aufbau- und Prozessorganisation, in: Bentele, Günter/ Piwinger, Manfred/Schönborn, Gregor (Hrsg.): Kommunikationsmanagement (Loseblattwerk 2001 ff.), München, Nr. 4.19, S. 1-30. Malik, Fredmund (1994): Kompetenz zur Führung: Was Führungspersönlichkeiten auszeichnet, St. Gallen. News aktuell/Mummert Communications (Hrsg.) (2005): PR-Trendmonitor 3/2005. PRBudgets und Kommunikationsstrategien, Hamburg 2005. Im Internet: www.newsaktuell.de/de/prtrendmonitor/032005/prtrendmonitor.htx Rolke, Lothar/Koss, Florian (2005): Value Corporate Communications: Wie sich Kommunikation wertorientiert managen lässt, Norderstedt. Sievert, Holger/Westermann, Arne (2005): Ungleiche Brüder. Aktuelle Einstellungen von General Managern und PR-Verantwortlichen zur Unternehmensführung durch Kommunikation, in: ZFO Zeitschrift Führung und Organisation, 74. Jg., Nr. 3, S. 171173.
Androgyne Kommunikationskompetenz: Kommunikation in der Geschlechterrolle
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Androgyne Kommunikationskompetenz: Kommunikation in der Geschlechterrolle Helmut Ebert/Manfred Piwinger/Katrin Henneke
Gegenwart und Zukunft fordern neue Formen der Zusammenarbeit von Mann und Frau. Damit wächst die Notwendigkeit, die historisch tradierte Ungleichwertigkeit abzuschütteln und das Verhältnis zwischen den Geschlechtern neu zu bestimmen. Unternehmen begegnen dieser Herausforderung unsicher und verlassen sich lieber auf eingespielte Rituale. Rollenklischees wie „Frauen eignen sich nicht für Führungspositionen“ haben noch nicht ausgedient und spiegeln sich im Arbeitsleben wider: Frauen sind seltener im Management anzutreffen, haben es schwerer, kreative und innovative Ideen einzubringen, und verdienen weniger. Dieser Beitrag identifiziert die sozial, kulturell und psychologisch geprägten Unterschiede im Kommunikationsverhalten von Frauen und Männern, die zu Missverständnissen führen können, und entwickelt Vorschläge zur Vermeidung von Beziehungsstörungen. Er soll als Anregung verstanden werden, über die Kommunikation in der Geschlechterrolle nachzudenken und situationsangemessene Konzepte für Organisationen zu entwickeln, denn ein offenes Kommunikationsklima und kooperative Formen der Kommunikation verhindern Reibungsverluste und sind somit ein Beitrag zur Wertschöpfung.
1.
Einleitung
Frauen und Männer folgen unterschiedlichen kommunikativen Normen und haben unterschiedliche Erwartungen an das Verhalten ihres Kommunikationspartners. Dies ist Ursache vieler unerkannter Geschlechterkonflikte. Vor allem Frauen tun sich schwer, die unterschiedliche Norm männlicher Kollegen oder Vorgesetzten zu erkennen, weil die gesellschaftlich dominierende Norm immer eine männliche war und bis heute ist (Dahlbom-Hall 1997: 62).
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_41, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
704
Helmut Ebert/Manfred Piwinger/Katrin Henneke
Um effizient zusammenzuarbeiten und um Missverstehen und Nicht-Verstehen zu minimieren, müssen alle Beteiligten ihre Wahrnehmung sensibilisieren und ihre sozialen (Sprecher-) Rollen erhellen und überprüfen. Wird dies unterlassen, werden aus Verständigungsproblemen und Konflikten schnell Probleme, die den Unternehmenserfolg negativ beeinflussen: Unternehmen verlieren gute Mitarbeiterinnen, die sich unterfordert fühlen. Gute Ideen gehen verloren, weil Männer innovative Beiträge von Mitarbeiterinnen nicht erkennen oder andere nicht an der Problemlösung beteiligen. US-Wissenschaftler haben festgestellt, dass amerikanische Chefs ihre weiblichen Angestellten über alle Maßen loben, die männlichen hingegen befördern. Frauen durchschauen das und arbeiten daher unbewusst schlechter.1 Beim Kaufverhalten per Internet verhalten sich Frauen deutlich zurückhaltender als Männer (Thimm/ Kleinberger-Günther 2006). Diese wenigen Beispiele zeigen, dass das Problem keinesfalls unterschätzt werden darf. Die Arbeitsteilung entlang der Geschlechtergrenze ist ein Relikt der patriarchalischen Gesellschaft. Der historische Wechsel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft erfordert im Zusammenhang mit zunehmender Globalisierung und gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozessen eine ökonomisch-gesellschaftliche Modernisierung der Geschlechterbeziehung. Unsere Hauptthese lautet: Androgyne Kommunikationskompetenz ist ein Erfolgsfaktor für den Erfolg und die Entwicklung von Personen und Organisationen. Was dies für die Unterehmenskommunikation bedeutet, und wie sich die Sprach- und Kommunikationsstile von Frauen und Männern unterscheiden, wird im Folgenden diskutiert.
Definition: Androgyne Kommunikationskompetenz Unter „androgyner“ Kommunikationskompetenz verstehen wir die Fähigkeit von Personen und Organisationen, männliche und weibliche Verhaltensstile situativ angemessen so zu integrieren, kombinieren oder auszuwählen, dass dadurch die zentralen Führungsaufgaben unterstützt werden, nämlich fachlich (Aufgabenerledigung) und menschlich (Beziehungsgestaltung) zu optimieren. Die Vorstellung, dass männliche und weibliche Verhaltensstile einander ausschließen, ist zu revidieren. „Alle Menschen besitzen in ihrer Persönlichkeit immer auch Anteile des Gegengeschlechts“ (Kasten 2003: 32).
1
Financial Times Deutschland vom 09.05.2005: 29.
Androgyne Kommunikationskompetenz: Kommunikation in der Geschlechterrolle
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2.
Zentrale Begriffe
2.1
Biologisches und soziales Geschlecht (sex/gender)
Von Simone de Beauvoir stammt der Satz: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ (Beauvoir 1986: 265). Damit meinte sie, dass Frau-Sein durch gesellschaftliche Einflüsse bestimmt wird, nicht aber durch ein „biologisches, psychisches, wirtschaftliches Schicksal“ (ebd.). Die Gegenposition hat Sigmund Freud vertreten. Für ihn bestimmte die Anatomie das Schicksal. Demnach wäre die Gleichheit von Frauen und Männern prinzipiell nicht möglich. Es war die zweite Frauenbewegung in den USA bzw. Großbritannien, die den Unterschied zwischen „sex“ und „gender“ einführte (Baur/Fleischer/Schober 2005: 13). Diese Ausdrücke wurden im Deutschen mit „natürlichem“ bzw. „sozialem“ Geschlecht übersetzt. Sex umfasst das Unveränderliche, d. h. die anatomischen, hormonellen und physiologischen Geschlechtsunterschiede. Gender meint das Veränderliche, d. h. den kulturell, psychologisch und sozial geprägten Teil des Frau- bzw. Mann-Seins.
2.2
Geschlechterdifferenzen und -stereotype
Die soziale Geschlechterdifferenz bezieht sich auf die realen Lebensbedingungen. Es ist beiielsweise eine Frage dieser Differenz, dass im Jahre 1995 Männer durchschnittlich eine Minute täglich für die im Haushalt anfallende Wäsche aufwenden, Frauen jedoch 45 Minuten (Baur/Fleischer/Schober 2005: 29). Die Geschlechterstereotypen beziehen sich dagegen auf die symbolische Ebene und die damit verbundenen normativen Zuschreibungen. Stereotype (Klischees) sind tradierte und in bestimmten Gruppen verbindliche Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata (vgl. Abbildung 1). Stereotype leiten unser Verhalten noch vor jeder Wahrnehmung und werden von uns als selbstverständlich angesehen. Geschlechterstereotype beeinflussen die Zugangsmöglichkeiten zu Berufen, Gruppierungen und Institutionen. Ein Geflecht von Wechselwirkungen sorgt für die relative Stabilität eines Stereotypensystems: „Frauen sind nicht für Führungspositionen geeignet, weil ihnen die notwendigen Management-Fähigkeiten fehlen – Frauen bewerben sich nicht gleichermaßen wie Männer um Führungspositionen, weil ihnen vermittelt wird, dass sie da nicht hineinpassen, und sie werden auch weniger eingestellt – die Folge: Es gibt weniger Frauen als Männer in Führungspositionen, weil sie offenbar nicht dafür geeignet sind“ (Baur/Fleischer/Schober 2005: 28). Auch Management-Ratgeber transportieren Geschlechtsrollenstereotype. Beispielsweise
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Helmut Ebert/Manfred Piwinger/Katrin Henneke
neigen laut Kutzschenbach (2005) Männer in „Horden“ eher zur Arbeitsteilung und Fokussierung auf bestimmte Tätigkeiten, weshalb sie letztlich eines Anführers oder Häuptlings bedürften. Frauen dagegen seien friedlich nebeneinander her arbeitende Generalistinnen, die auch ganz gut ohne Chef auskämen.
Geschlechtsrollen-Stereotype Frauen sind …
abhängig, ängstlich, behutsam, charmant, einfühlsam, emotional, familienorientiert, friedlich, gehorsam, geschwätzig, hilflos, kinderlieb, kleidungsbewusst, launisch, nachgiebig, nett, passiv, rücksichtsvoll, sanft, schutzbedürftig, schwach, sensibel, sicherheitsbedürftig, taktvoll, umgänglich, unentschlossen, unlogisch, unselbstständig, verständnisvoll, weich, zart
Männer sind …
abenteuerlustig, aggressiv, aktiv, ausgeglichen, bestimmend, direkt, dominant, ehrgeizig, entschieden, entschlusskräftig, entscheidungsstark, führungsbewusst, hart, kämpferisch, kontrolliert, kühn, nicht leicht verletzbar, objektiv, sachlich, rational, realistisch, selbstbewusst, stark, überlegen, unabhängig, unternehmungslustig, verantwortungsbewusst, weinen nicht, wettbewerbsorientiert, zuverlässig
Abbildung 1:
Geschlechtsrollen-Stereotype (Quelle: in Anlehnung an Kasten 2003: 30)
Hinter den Geschlechtsrollenstereotypen steht ein eindimensionales Verständnis von Männlichkeit und Weiblichkeit als komplementäre bzw. einander ausschließende Eigenschaftsmuster. Mann und Frau werden hier in einer komplementären und hierarchischen Beziehung gesehen: Mann und Frau ergänzen sich, wobei der Mann als Norm gilt, als Ideal, die Frau als die Andere, als Abweichung, die weniger wertgeschätzte Eigenschaften hat bzw. Tätigkeiten übernimmt. Aufgrund von umfangreichen Untersuchungen konnte dieses Modell widerlegt und durch ein zweidimensionales ersetzt werden (Kasten 2003: 31 f.). Nach dem zweidimensionalen Konzept kann eine Person – unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht – sowohl maskuline als auch feminine Merkmale besitzen. Dies bringt die oben bereits genannten Kategorie „Gender“ zum Ausdruck. Männer und Frauen wurden befragt, ob sie sich als instrumentell oder expressiv beurteilten. Die Skala Instrumentalität enthält „typisch männliche“ und im Wesentlichen aufgabenbezogene Eigenschaften wie z. B. „aktiv“, „selbstsicher“ und „Druck gut standhaltend“. Die Skala Expressivität enthält „typisch weibliche“ Eigenschaften aus dem Bereich der sozial-emotionalen Unterstützung wie „hilfreich zu anderen“, „freundlich“ und „fähig, auf andere einzugehen“. Instrumentalität und Expressivität sind unabhängige Dimensionen, d. h. dass das Ausmaß der Expressivität einer Person nicht von ihrem Ausmaß an Instrumentalität abhängig ist (und umgekehrt). Im Ergebnis beschreiben Frauen sich im Durchschnitt expressiver und Männer als instrumenteller. Entscheidend aber ist der große Überlappungsbereich, „d. h. eine Reihe von Frauen beurteilt sich instrumenteller als manche Männer und eine Reihe von Männern beurteilt sich expressiver als manche Frauen“ (Kasten 2003: 32). Aufgrund dieser
Androgyne Kommunikationskompetenz: Kommunikation in der Geschlechterrolle
707
Ergebnisse hat sich in unserem Kulturkreis die Unterscheidung von vier vom biologischen Geschlecht unabhängigen Persönlichkeitstypen als praktisch sinnvoll erwiesen (vgl. Abbildung 2).
Persönlichkeitstypen
Eigenschaften
Maskuline
überwiegender Anteil maskuliner Eigenschaften
Androgyne
mit überdurchschnittlich hohem Anteil maskuliner und femininer Eigenschaften
Undifferenzierte
mit unterdurchschnittlich niedrigem Anteil maskuliner und femininer Eigenschaften
Feminine
überwiegender Anteil femininer Eigenschaften
Abbildung 2:
2.3
Vier vom biologischen Geschlecht unabhängige Persönlichkeitstypen (Quelle: Kasten 2003: 33)
Geschlechterbeziehungen – Geschlechterverhältnis – Geschlechterordnung – Geschlechtersystem
Die Frage nach den Geschlechterbeziehungen ist eine Frage der vergleichenden Geschlechterforschung (Baur/Fleischer/Schober 2005: 29 ff.). Die Geschlechter werden nicht für sich untersucht, sondern in ihren Beziehungen zueinander. Der Begriff der Beziehung stammt aus der Mathematik. Elemente sind größer, kleiner als andere oder auch gleich, symmetrisch oder asymmetrisch. Folgende Fragen sind Fragen nach der Beziehung zwischen den Geschlechtern: Wie sind die Ressourcen verteilt? Wie ist die (kommunikative) Macht verteilt? Gibt es hierarchische oder egalitäre Strukturen? Geschlechterverhältnisse sind soziale Verhältnisse. Soziale Verhältnisse sind z. B. Verhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder zwischen Ehepartnern. Wechselseitige Verpflichtungen oder Abhängigkeiten, die von einem institutionellen Rahmen vorgegeben sind, prägen diese Verhältnisse. Dies gilt auch für die Geschlechterverhältnisse in allen gesellschaftlichen Bereichen: Arbeitsmarkt, Unternehmen, Sozialstaat, Bildungssystem, politische Institutionen, Öffentlichkeit, Haushalt und Privatleben. Es geht dabei nicht um die persönlichen Beziehungen zwischen einzelnen Menschen, sondern um soziostrukturelle Verhältnisse. Auch wenn Vorgesetzte nett zu ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sind, stehen sie doch unter dem Zwang, diese zu beurteilen und die Abteilungs- oder Unternehmensziele zu erreichen.
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Helmut Ebert/Manfred Piwinger/Katrin Henneke
Unter dem Begriff Geschlechterordnung versteht die EU ein „System wirtschaftlicher, sozialer und politischer Strukturen, die bestimmte Geschlechterrollen und Geschlechtsattribute verfestigen und reproduzieren“ (EU-Kommission 2004). Die Geschlechterordnung – auch Geschlechtervertrag genannt – enthält explizite und implizite Regeln, die die Beziehung zwischen Männern und Frauen regeln und ihnen unterschiedliche Arbeiten, Verantwortlichkeiten, Pflichten und Werte zuweist.
Beispiel: Kinderbetreuung Die Zuständigkeit von Frauen für die Kinderbetreuung wird über die Sozialisation, über die Angebote am Bildungsmarkt, über die Lohndifferenz, die eine Inanspruchnahme von Auszeiten nahe legt, bis zu den Öffnungszeiten von Einrichtungen der Kinderbetreuung „geregelt“.
Im Rahmen einer geschlechtsspezifischen Sozialisation werden die geltenden Werte, Normen, Sitten über Sprachgebrauch, Kommunikationsmuster, Rollenbilder und Stereotypen und das alltägliche Erleben der Geschlechterverhältnisse vermittelt. Erlernt werden dabei der Grundtenor „Männer sind besser bewertet als Frauen“ sowie Fähigkeiten wie z. B. die geschlechtsspezifische Körpersprache oder der geschlechtsspezifische Gesprächsstil. Unter dem Geschlechtersystem versteht man die Vernetzung verschiedener institutionenbezogener Geschlechterordnungen. So wirken Bildungssystem, Beschäftigungssystem und Sozialsystem zusammen, um die aktuelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aufrechtzuerhalten.
3.
Geschlechtsspezifische Unterschiede in Sprache und Kommunikation
3.1
Unterschiede in Sprache und Gesprächsstil
Um Wahrnehmungsfallen und Missverständnissen zu entgehen, muss man die Unterschiede in der Sprache und im Gesprächsstil kennen. Einige wichtige Unterschiede fasst Abbildung 3 zusammen.
Androgyne Kommunikationskompetenz: Kommunikation in der Geschlechterrolle
Spracheigenschaften
Frauen
Männer
Aussprache
stärker an die Umgebungs-
weniger an die Umgebungs-
sprache angepasst
sprache angepasst
Stimme
leise und hoch
laut und tief
Wortwahl
sorgfältiger
unbedachter
weniger Flüche und
mehr Flüche und Kraft-
Kraftausdrücke Wortschatz
Satzbau in geschriebener Sprache
Abbildung 3:
ausdrücke
Umfang und Differenziertheit
Umfang und Differenziertheit
abhängig von weiblichen Lebenswelten
abhängig von männlichen Lebenswelten
Neigung zu Verbalstil
Nominalstil (= Hauptwortstil)
kurze, einfache Sätze
lange, komplexe Sätze
näher an gesprochener
Übererfüllung schriftsprachli-
Sprache
709
cher Normen
Sprachliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern (Quelle: Ebert/Piwinger 2002: 14)
Verdeutlichen lassen sich diese sprachlichen Unterschiede am Beispiel der Stimme und des Problemgesprächs:
Beispiel: Stimme Auch die menschliche Stimme wird stereotyp wahrgenommen und bewertet. Männer und Frauen nutzen den ihnen verfügbaren Stimmumfang einseitig aus. Männer nutzen mehr den unteren, Frauen mehr den oberen Grundfrequenzbereich. So entsteht eine Polarisierung und damit ein Wahrnehmungsstereotyp. Männerstimmen werden als Respekt einflößend, intelligent und glaubwürdig wahrgenommen, Frauenstimmen als expressiv, emotional und trivial. Um sich Gehör durch eine tiefere Stimme zu verschaffen, absolvierte die frühere englische Premierministerin Margaret Thatcher ein Stimmtraining. Sie lernte auch, die Stimme am Ende des Satzes nicht zu senken. So konnte die „Eiserne Lady“ ungestört ausreden. „Viele Frauen, die mehr Autorität erlangen wollen, sprechen fälschlicherweise mit einer höheren Stimme, was sie aggressiv erscheinen lässt“ (Pease/Pease 2000: 160).
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Gesprächsstil
Frauen
Männer
Gesprächsanteile
reden kürzer
reden länger
andere unterbrechen
seltener
häufiger
das Thema bestimmen
seltener
häufiger
Sprecherstandpunkt
personalisieren
generalisieren
fragen
um für ein gutes Klima in einer
um Inhalte voranzutreiben
(gemischtgeschlechtlichen) Gruppe zu sorgen
stellen mehr Fragen, wenn
(„ich/wir können …“)
angehängte Fragen
verwenden häufiger
Heckenausdrücke und Rückzieher
verwenden häufiger Heckenaus-
direkte/indirekte Ausdrücke
bevorzugen indirekte
Sprachrituale
bedanken und entschuldigen sich
„tag questions“ („nicht?“, „nicht wahr?“)
drücke („ich finde“, „ich meine“) und Rückzieher („das mag eine naive Frage sein, aber …“)
Ausdrücke („Könnten Sie kommen?“, „Ich würde mich freuen, wenn …“)
häufiger ohne einen wirklichen Anlass, allerdings mit dem Ziel, ein Beziehungsgleichgewicht herzustellen Argumentieren
argumentieren von innen nach außen: sie thematisieren zuerst die eigenen Vorlieben/Präferenzen und sehen die eigene Position als verhandelbar an
Abbildung 4:
(„man kann/muss …“)
eine Frau die Gruppe leitet
verwenden seltener „tag questions“
verwenden seltener Heckenausdrücke und Rückzieher
bevorzugen direkte Ausdrücke („Kommen Sie bitte!?“, „Ich freue mich, wenn …“)
neigen zu rituellem Opponieren, um nachzuweisen, dass sie ihr Bestes leisten
argumentieren von außen nach innen: sie glauben, dass eigene Vorlieben/ Präferenzen nicht wirklich verhandelbar sind
Unterschiedliche Gesprächsstile von Frauen und Männern (Quelle: Ebert/Piwinger 2002: 15)
Androgyne Kommunikationskompetenz: Kommunikation in der Geschlechterrolle
711
Beispiel: Problemgespräche als Mittel der Gemeinschaftsbildung Frauen sind gewohnt, ein Problem zu besprechen und auszuleuchten, um Gemeinsamkeit herzustellen: Sie erzählt von einem Problem, weil sie zeigen will, dass sie ein ganz normaler Mensch ist und nicht glaubt, alles im Griff zu haben. Die Partnerin reagiert mit der Erzählung eines vergleichbaren eigenen Problems. Dadurch bleibt der Anschein einer gleichrangigen Beziehung zwischen den Gesprächspartnerinnen gewahrt. Weil nun Problemgespräche unter Männern seltener vorkommen, glauben Männer, dass von ihnen eine Lösung erwartet wird, wenn man ihnen ein Problem schildert. Daraus erwächst die Gefahr, dass Männer Frauen für Klageweiber halten, die angeblich unfähig sind, die Probleme des Berufsalltags zu lösen (Tannen 1997: 84 f.).
3.2
Psychologische Unterschiede im Kommunikationsverhalten
Fröhlich (2003: 17) hat verschiedene psychologische Merkmale des kommunikativen Verhaltens von Frauen (im Vergleich zu dem von Männern) zusammengestellt; vgl. Abbildung 5.
Kommunikative Charakteristika
Psychologische Merkmale des kommunikativen Verhaltens von Frauen (im Vergleich zu dem von Männern)
Nonverbal
dekodieren nonverbale Signale besser und genauer nonverbales Verhalten zeigt mehr Einfühlungsvermögen, mehr Freundlichkeit, mehr Liebenswürdigkeit – insgesamt sozial sensibler
nonverbales Verhalten drückt mehr Wärme und soziale Nähe aus senden mehr nonverbale Signale aus zeigen insgesamt mehr emotionalen Ausdruck verhalten sich weniger distanziert und weniger raumgreifend
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Verbal
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weniger aufgabenorientiert, weniger direktiv, weniger dominant und weniger hierarchisch
verhalten sich kooperativer und unterstützender kümmern sich in Gesprächssituationen mehr um das sozial-emotionale Klima streben in Diskussionen häufiger Konsens an betonen eher Gemeinsamkeiten als die Kontroverse geben in Gesprächssituationen mehr positive Bewertungen und Komplimente Abbildung 5:
3.3
Verbale und nonverbale kommunikative Charakteristika von Frauen (Quelle: Fröhlich 2003: 17)
Unterschiede in Aufforderungs- und Entscheidungssituationen
Thimm (1994) hat das Aufforderungsverhalten von Frauen und Männern am Arbeitsplatz mit Hilfe von Rollenspielen untersucht. Hierbei handelte es sich einerseits um das Auffordern zum Kaffeekochen und zum anderen um das Delegieren von Verantwortlichkeit in arbeitsbezogenen Interaktionszusammenhängen. Beim Kaffeekochen-Spiel wurden eine Standardsituation und eine Reaktanzsituation unterschieden. Denen, die die Rolle des/der Vorgesetzten spielten, wurde gesagt, dass die Sekretärin gerne bzw. weniger gerne Kaffee kochen würde (Thimm 1994: 331). Bei der Auswertung wurden die in Abbildung 6 skizzierten Strategien und Strategieschritte unterschieden. Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: Männer agieren strategischer als Frauen. Sie unterscheiden im Kaffeekochen-Spiel deutlicher zwischen der Standardsituation und der Reaktanzsituation und versuchen gezielt, die Situation zu entschärfen. Dabei nutzen Männer eine größere Variationsbreite an verbalen Ausdrucksmöglichkeiten, u. a. frauensprachliche Formen von Abschwächungen: „Bitte, wären Sie so nett; wenn Sie so gut sein würden; grad noch; vielleicht; noch’n Tässchen Kaffee“. Frauen setzen diese Formen nicht in der hier beschriebenen strategischen Weise ein, sondern versuchen, über Verzögern und SichKurz-Fassen möglichst wenig Widerstand zu provozieren. In delegierenden Schritten übernehmen Frauen weniger deutlich die Rolle des Vorgesetzten. Laut Thimm deuten die Ergebnisse darauf, dass der geschlechtsspezifische Kommunikationsstil weniger dem realen Geschlecht zuzuschreiben ist, „sondern in hohem Maße situationsabhängig ist. Männer beherrschen die sogenannte „Frauensprache“ nämlich offensichtlich dann, wenn sie sie strategisch sinnvoll für ihre Ziele einsetzen wollen“ (Thimm 1994: 337).
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Ziele
Strategie
Strategieschritte
Vermeiden, ausweichen
Ausweichstrategie
Delegieren, Thema wechseln, vages Sprechen, externe Quellen anführen, Thema stückeln (splitting)
Beziehung sichern, Interaktion aufrecht erhalten
Beziehungssicherungsstrategie
persönliches Ansprechen, bestätigen, informieren, rückversichern, idiomatische Wendungen, Metakommunikation
Andere Personen zur Kooperation veranlassen
Kooperationsstrategie
komplimentieren, loben, Ausgleichsangebote machen, bedanken
Macht über andere etablieren oder bestätigen
Machtstrategie
befehlen, drohen, Hierarchie erwähnen, beschuldigen, Fachsprache
Abbildung 6:
Aufforderungsstrategien am Arbeitsplatz (Quelle: Thimm 1994: 334)
Nach Dobson (1999: 37) ist der dominierende Typus des Managers der Gegenwart ein technisch-rational entscheidender Mann. Ein prototypischer Repräsentant dieses Typs ist die Filmfigur des Mr. Spock aus der Serie „Raumschiff Enterprise“: Gefühle sind Störgrößen, die man ausschalten muss, um rational (wie ein Computer) entscheiden zu können. Nach Gilligan (1982) ist das moderne Managementkonzept ein Konzept, das die männliche Sichtweise ausdrückt. Gilligan hat signifikante Unterschiede in der moralischen Orientierung von Männern und Frauen entdeckt und „zwei Stimmen“ („two voices“) identifiziert (vgl. Abbildung 7).
Moralische Orientierung Männer
autonomes Selbst („separated self“), abgeschnitten von den anderen in einer Welt von Hierarchien
Moralfragen sind ein Fall für Recht und Gesetz Ethik hat zu tun mit strategischen Spielen nach festen Regeln Frauen
personales Selbst („connected self“), eingebunden mit anderen in eine Welt von Beziehungen
Moralfragen sind ein Fall für Fürsorge und Empathie Ethik hat zu tun mit kontextsensitiver Beziehungsorientierung Abbildung 7:
Moralische Orientierung von Männern und Frauen (Quelle: Gilligan 1982, zitiert in Anlehnung an Dobson 1999: 37 f.)
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Helmut Ebert/Manfred Piwinger/Katrin Henneke
Die spannende Frage ist nach Dobson (1999), ob eine männliche Firma ökonomisch optimal oder wünschenswert ist: „In essence, within the feminine firm, trust becomes a rational and feasible implicit contractual enforcement mechanism“ (Dobson 1999: 41).2
3.4
Unterschiede in Kooperationskontexten und Arbeitsbesprechungen
Männer und Frauen, die die unterschiedlichen kommunikativen „Spielregeln“ nicht kennen, gefährden den Erfolg ihrer Kooperation. Beispielsweise drücken Frauen im Vorfeld von Entscheidungen ihre Vorstellungen eher dadurch aus, dass sie unmittelbare Erfahrungen äußern und dem Gesprächspartner gegenüber offener sind. Männer drücken ihre Vorstellungen eher unpersönlich, abstrakt und tatsachenorientiert aus. Man kann daher leicht erkennen, dass eine überwiegend männliche Gruppe im weiblichen Verhalten eine Verletzung der Regel „Verhalte Dich rational“ sieht. Bei der gemeinsamen Suche nach Lösungen denken Frauen laut und nutzen Selbstgespräch und Dialog als Denkmittel. Dadurch, dass sie den Prozess der Erkenntnisgewinnung nach außen tragen und mehr Fragen stellen, laufen sie Gefahr, in den Augen der Männer als inkompetent zu erscheinen. Um sich keine Blöße zu geben, schweigen Männer meist solange, bis sie eine fertige Lösung präsentieren können (Ebert/Piwinger 2002: 21). Auch die Nichterfüllung von Grundbedürfnissen des jeweils anderen Geschlechts und unterschiedliche „Überlebens-Strategien“ können sich als Barrieren für eine effiziente und befriedigende Zusammenarbeit erweisen (vgl. Abbildung 8).
Frauen und Männer erfüllen Grundbedürfnisse des jeweils anderen Geschlechts nicht, indem sie Männer
nicht zuhören nicht auf implizite Botschaften eingehen Ratschläge erteilen Verständnis verweigern Gefühle trivialisieren oder als Vorwurf deuten unbedingt Recht haben wollen sich zurückziehen
2
Siehe hierzu auch die Ausführungen zur Agency-Theorie bei Dobson (1999) und die Einleitung des Beitrags von Hubig/Siemoneit (2007).
Androgyne Kommunikationskompetenz: Kommunikation in der Geschlechterrolle
Frauen
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versuchen, den anderen zu erziehen ungefragt helfen nicht anerkennen, was ein Mann für sie tut ihre Wünsche rhetorisch umschreiben nicht „Nein“ sagen Kritik persönlich nehmen sich bis zur Erschöpfung einsetzen
Abbildung 8:
Schwierigkeiten der Geschlechter, einander Grundbedürfnisse zu erfüllen (Quelle: in Anlehnung an Buholzer Meier 1997: 30)
Ebert (2006) hat das Kommunikationsverhalten von Frauen und Männern in Arbeitsbesprechungen mit gesprächsanalytischen Methoden untersucht. Es wurden vier Arbeitsbesprechungen mit einer Gesamtdauer von drei Stunden und 25 Minuten aufgezeichnet und verschriftet.3 Folgende Tendenzen wurden festgestellt. Frauen bestätigen einander: „Das schaffst du schon!“. Männer fordern einander heraus: „Ob du das schaffst?“ Frauen werten ihre Leistungen ab: „Ansonsten hab’ ich heute nix Besonderes.“ Männer werten ihre Leistungen auf: „(Ich habe noch) Restarbeiten haufenweise.“ Weibliche Vorgesetzte fordern Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen indirekt und unpersönlich auf:4 „Dann würde ich Sie bitten …“. Männliche Vorgesetzte fordern direkter und persönlicher auf: „Dann schreibst du mir das bitte auf!?“ Frauen sprechen emotional und kombinieren fach- und alltagssprachliche Elemente: „Das war gut“; „Das ist mir ein Dorn im Auge“; „Hallihallo!“ Die Sprache der Männer ist instrumenteller und fachsprachlicher. Männer geben weniger Rückmeldesignale wie „Ach“, ,Aha“, „Mh“, „Okay“, „Genau“ u. a., wenn die Teambesprechung von einer Frau geleitet wird. Frauen formulieren hypothetischer und abschwächender als Männer: „Und wenn man das hinbekäm’ … wäre das noch schöner“; „Verschlägt es was, beides zu tun, eigentlich nicht, ne?“ Frauen entschuldigen und rechtfertigen sich häufiger als Männer: S1: „Ich arbeite zur Zeit über das Thema [x]“; S2: „Historisch nicht?“; S1: „Nicht historisch. Leider nein.“;
3 4
Das Textkorpus hat einen Umfang von 86 DIN A4-Seiten. Dies ist kein Widerspruch zum Ergebnis von Thimm (1994; siehe oben Abschnitt 3.3), da in diesem Fall der Sprachstil der weiblichen Vorgesetzten nicht Ausdruck einer strategischen Entscheidung war.
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S2: „Irgendwie ein bisschen die Geschichte aufgebrochen?“; S1: „Leider nein.“; S2: „Schade.“ S1: „Ja.“ Frauen arbeiten sich bei Verhandlungen und Problemlösungen von innen nach außen (vgl. oben Abbildung 4): „Möglichkeiten gäbe es schon. Für mich stellt sich die Frage … wissen Sie … So auf den ersten Blick schwebt mir vor … Aber das ist jetzt nicht abschließend …“ Frauen verwenden mehr sprachliche Mittel der Intensivierung: „Das war ausgesprochen authentisch“; „Und was ganz erfreulich ist“; „Denken wir … kräftig drüber nach …“. Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Gestaltung von Arbeitsbesprechungen? Männer müssen anerkennen, dass der dauerhafte Erfolg nur möglich ist, wenn man die Sachaufgabe und die Beziehungsaufgabe löst. Sie müssen lernen, sich zurückzunehmen und zuzuhören. Frauen müssen lernen, in der Sache ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen, um Gehör zu finden. Eine partnerschaftliche Einstellung und die Kenntnis der geschlechtsspezifischen „Spielregeln“ verhindern bei Männern und Frauen, dass kommunikative Macht über andere in strukturelle Macht umschlägt, die das Erreichen der gemeinsamen Unternehmensziele erschwert.
4.
Empfehlungen
Abschließend seien sieben allgemeine Grundsätze genannt, deren Beachtung die Kommunikation zwischen Frauen und Männern verbessert: Beharren Sie (als Mann) nicht auf dem männlichen Sprachstil als Norm und gehen Sie (als Frau) nicht zum männlichen Stil über. Frauen und Männer sollten ihre aktive und passive Kommunikationskompetenz um Elemente des jeweils anderen Geschlechts erweitern. Bewerten Sie das Verhalten Ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten nicht auf der Grundlage von Klischees. Wahrnehmung und Bewertung einer Situation werden durch Klischees und Vorurteile negativ beeinflusst. Erkunden Sie die Selbsteinschätzung Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ob Frauen und Männer erfolgreich handeln, ist immer auch eine Frage ihrer Selbsteinschätzung und nicht allein eine Frage (neuro-)biologischer Unterschiede. Schulen Sie Ihre soziale Wahrnehmungsfähigkeit und achten Sie auf relative Unterschiede und graduelle Abstufungen in den Persönlichkeitseigenschaften von Männern und Frauen.
Androgyne Kommunikationskompetenz: Kommunikation in der Geschlechterrolle
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Orientieren Sie Ihre Entscheidungen nicht an absoluten Persönlichkeitseigenschaften der Geschlechter. Die gibt es nämlich nicht. Auf den ersten Blick besticht das Erklärungsmuster Geschlecht durch seine Einfachheit. Frauen nutzen weibliche Sprachstile, Männer männliche. Eigentlich einleuchtend. Doch Kommunikationsverhalten hat komplexere Ursachen. Beispielsweise spielen bei Arbeitsbesprechungen neben dem Geschlecht situationsspezifische Merkmale wie die Häufigkeit der Treffen, die Relevanz der Besprechung für den Arbeitsalltag (Ausnahme oder Routine), die Konstellation der Gruppe, das Ziel der Besprechung (Informieren, Entscheiden, Kontakt) für das Verstehen einzelner Äußerungen eine maßgebliche Rolle. Seien Sie skeptisch gegenüber allen Praxisratgebern, die Ihnen das Denken abnehmen wollen und lediglich vorhandene Klischees verstärken oder alte durch neue Klischees ersetzen. Nehmen Sie sich mehr Zeit für Gespräche, denn mit Hilfe von Gesprächen werden Erfahrungen integriert. Geteilte Erfahrungen sind Voraussetzung für gelingende Verständigung.
Literatur
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Helmut Ebert/Manfred Piwinger/Katrin Henneke
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12
Dritter Teil: Handlungsfelder der Unternehmenskommunikation
Strategien für zentrale Bezugsgruppen
Kommunikation mit Kapitalgebern: Grundlagen der Investor Relations
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Kommunikation mit Kapitalgebern: Grundlagen der Investor Relations Klaus Rainer Kirchhoff/Manfred Piwinger
Der Kurs einer Aktie hängt wesentlich davon ab, in welchem Maße die Finanzwelt über das Unternehmen informiert ist und wie sie sein Informationsverhalten empfindet: offen, umfangreich oder restriktiv, zeitnah oder verzögert? Gleichzeitig ist auch der Anspruch gewachsen, den der Kapitalmarkt an das Kommunikationsverhalten der Unternehmen hat, und damit wiederum der Einfluss, den ein Unternehmen durch eine professionelle Informationspolitik auf den eigenen Aktienkurs und die langfristige wirtschaftliche Entwicklung nehmen kann. Vertrauen und das Gefühl einer konstruktiven Partnerschaft zwischen Kapitalgebern und Unternehmen erleichtern den Umgang mit sich stark veränderten Rahmenbedingungen: der verstärkte Wettbewerb um Kapital durch die Globalisierung der Finanzmärkte, die Intensivierung von Kunden- und Lieferantenbeziehungen zur Verbesserung der Wertschöpfungskette, Veränderungen im Anlageverhalten besonders privater Investoren oder die Verwendung der Aktie als Akquisitionswährung.
1.
Einführung in Investor Relations
Noch vor wenigen Jahren sprach jeder vom Erfolg des Neuen Marktes und dem imposanten Börsenstart der Telekom. Heute ist der Neue Markt tot, und die Telekom hat seit dem Höchststand ihrer Aktie mehr Wert vernichtet als der gesamte Neue Markt. Was war geschehen? Die Kapitalmärkte brachen weltweit zusammen. Auf die stärkste Hausse der jüngeren Geschichte folgte eine Baisse, die wir in dieser Nachhaltigkeit seit den zwanziger Jahren nicht mehr erlebt haben. Da diese Entwicklung einherging mit einer Krise der gesamten Weltwirtschaft, hatten insbesondere die jungen Unternehmen des Neuen Marktes kaum eine Chance zu reüssieren.
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_42, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Klaus Rainer Kirchhoff/Manfred Piwinger
Was bedeutet dies für die Investor Relations? So wie der Börsenboom den Unternehmen die gestalterische Kraft guter Investor Relations vor Augen geführt hat, erleben sie nun in der Krise die Notwendigkeit, mit strategischen Investor Relations zu verhindern, dass die eigene Aktie in den allgemeinen Sog des Niedergangs gerät. Tatsächlich haben letztlich beide Entwicklungen der letzten Jahre – der Börsenboom und der Crash – die Professionalisierung der Investor Relations befördert. Und es wurde deutlich, dass sich auch in schlechten Börsenzeiten gute Investor Relations auszahlen. Mehr und mehr Unternehmen richten Investor-Relations-Abteilungen ein und erkennen in den Investor Relations eine bedeutende strategische Aufgabe. Dabei dienen Investor Relations nicht der Stimulierung des Aktienkurses, schon gar nicht kurzfristig. Ihr Ziel ist auch nicht die Maximierung des Aktienkurses. Vielmehr sind die Ziele der Investor Relations eingebettet in die Strategie der Unternehmen, eine nachhaltige Wertsteigerung zu erreichen. Somit sind Investor Relations eine Investition in die Zukunft des Unternehmens.
1.1
Der Begriff der Investor Relations
In der Literatur kursieren zahlreiche Definitionen von Investor Relations (IR), die teilweise sehr unterschiedliche Auffassungen widerspiegeln. Investor Relations können verallgemeinernd als finanzmarktbezogener Teil der Unternehmenskommunikation bezeichnet werden.
Definition: Investor Relations Investor Relations können definiert werden als „Ausdruck einer planmäßigen und strategischen Beziehungspflege zwischen einer Publikums-AG und den einzelnen Mitgliedern der Financial Community. Sie haben die Aufgabe, eine Lücke zwischen dem tatsächlichen Unternehmenswert und der Marktkapitalisierung der Gesellschaft zu schließen und so zu einer Shareholder-Value-Steigerung beizutragen“ (Drill/Hubmann 2005). Weiterhin fällt unter den Begriff Investor Relations die Gesamtheit aller pflichtgemäßen und freiwilligen Kommunikationsmaßnahmen von Unternehmen, die darauf abzielen, finanzwirtschaftliche Ziele zu realisieren und damit verbundene Marktwiderstände zu überwinden.
Darstellungen zu Investor Relations sind häufig auch unter dem Stichwort Finanzkommunikation sowie Aktienmarketing zu finden. Der Kapitalmarkt umfasst dabei Equity-Investoren (Investoren, die Eigenkapital zur Verfügung stellen), Fixed-Income-Investoren (Investoren, die Fremdkapital zur Verfügung stellen), Analysten (Experten für Finanzmärkte) und RatingAgenturen (beurteilen die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Ländern).
Kommunikation mit Kapitalgebern: Grundlagen der Investor Relations
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Investor Relations sind neben Public Relations und Marketing ein Teilbereich der Unternehmenskommunikation. Alle Bereiche beziehen sich auf das Unternehmen und haben die gleiche Zielsetzung, dem Unternehmen zu dienen. Der Fokus auf unterschiedliche Zielgruppen bzw. den speziellen Kommunikationsgegenstand ist jedoch der signifikanteste Unterschied. Investor Relations finden ihre Zielgruppen auf dem Kapitalmarkt und sprechen die wirtschaftliche Situation des Unternehmens an. In ihren Anfängen waren Investor Relations lediglich eine Übertragung der in der Public-Relations-Arbeit gewonnenen Erfahrungen auf die Finanzkommunikation. Längst sind Investor Relations eine eigene Disziplin geworden, mit eigenen Instrumenten, Zielgruppen und Strategien.
1.2
Investor Relations als Kommunikationsdisziplin
Die fortschreitende Fragmentierung und Globalisierung der Kommunikationsmärkte hat über die letzten Jahre dazu geführt, dass viele traditionelle Konzepte der Unternehmenskommunikation ihre Gültigkeit verloren haben und derzeit ein Paradigmenwechsel hin zu „Value Communications“ im Gange ist. Unternehmenskommunikation wird zunehmend als strategische Aufgabe begriffen. Die Frage, inwieweit es auf Dauer gelingt, schlüssige betriebswirtschaftliche Nachweise für den Wertschöpfungscharakter von Kommunikation und Information zu erbringen, wird letztlich darüber entscheiden, wie das Kommunikationsmanagement in die betriebliche Hierarchie eingeordnet wird. Beeinflusst ist diese Entwicklung durch die Verbreitung und Umsetzung des Shareholder-Value-Konzepts, das sich auf die Steigerung des Unternehmenswertes und die stärkere Berücksichtigung der Aktionärsinteressen konzentriert. Investor Relations sind die Kommunikationsdisziplin mit den höchsten Sachausgaben und der höchsten Regulierungsdichte. Denn anders als die meisten anderen Kommunikationsdisziplinen unterliegen Investor Relations einem eng gefassten gesetzlichen und privatwirtschaftlichen Reglement. Zunehmend wird bereits von einer Überregulierung gesprochen, die den Kapitalmarkt behindert. Hinzu kommen Zeitvorgaben und Terminsetzungen für die pflichtgemäße Information der Finanzmärkte. Damit hatte Kommunikation in der Vergangenheit wenig zu tun, abgesehen von der routinemäßigen Erstellung von Geschäftsberichten und der Abhaltung der jährlichen Hauptversammlung. Investor Relations geben in der Unternehmenskommunikation den Takt vor und haben schneller als jede andere Teildisziplin das Management überzeugt, unter anderem weil Unternehmensvorstände selbst kommunikative Aufgaben innerhalb der Investor Relations wahrnehmen. Das hat die Einsicht in die Wichtigkeit von Kommunikation als unternehmensstrategische und gleichzeitig wertschöpfende Funktion befördert und somit eine bisher noch nicht da gewesene Wahrnehmungsebene erreicht (Piwinger 2005).
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2.
Klaus Rainer Kirchhoff/Manfred Piwinger
Ziele und Zielgruppen von Investor Relations
Die wichtigste Aufgabe der Investor Relations ist es, Investoren über die Entwicklungen in und um das Unternehmen offen und vollständig zu informieren und so Vertrauen in das Management zu schaffen. Gefordert ist eine transparente, anlegerorientierte Informationspolitik der Unternehmen. Ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang ist der Shareholder-Value-Ansatz und in zunehmendem Maße auch der Corporate-Governance-Gedanke. Corporate Governance fordert eine ausgewogene Machtverteilung zwischen Management, Anteilseignern und Aufsichtsgremien von Unternehmen, Denn der Interessensausgleich zwischen Management und Aktionären hat direkte Auswirkungen auf die Leistungskraft der Unternehmen und darauf, ob sie Gewinne erzielen und Arbeitsplätze schaffen können. Leitmotiv beider Ansätze ist eine wertorientierte Unternehmensführung, die sich auch im Aktienwert niederschlägt. Ziel erfolgreicher Unternehmen ist die kontinuierliche Steigerung des Unternehmenswerts. Aufgabe der Investor Relations ist es, diese Wertsteigerung zu unterstützen und zu kommunizieren, darüber hinaus die aktive Beteiligung am Wertoptimierungsprozess. Als Bindeglied stehen Investor Relations zwischen dem Unternehmen und der Financial Community. Anregungen und Forderungen der Anleger fließen auf diese Weise in die Unternehmensstrategie ein. Zusammenfassend geht es um die Minimierung von Informationsdefiziten und die Berücksichtigung der Interessen des Kapitalmarktes bei der strategischen Planung als Schlüssel zur Realisierung einer angemessenen Bewertung der Aktien.
2.1
Ziele der Investor Relations im Überblick
Aus diesen Überlegungen leiten sich überprüfbare, operationale Ziele ab. Dabei dient die Umsetzung kommunikationspolitischer Ziele als Grundlage für die Verwirklichung der finanzwirtschaftlichen Ziele (Kirchhoff 2005).
2.1.1
Finanzwirtschaftliche Ziele
Senkung der Eigenkapitalkosten: Wirkungsvolle Finanzkommunikation erleichtert die langfristige Eigenkapitalbeschaffung auch in schwierigen Zeiten, da sich eine erhöhte Transparenz reduzierend auf die Risikoprämie auswirkt, die Anleger für ihre Investition
Kommunikation mit Kapitalgebern: Grundlagen der Investor Relations
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verlangen. Die positiven Auswirkungen reichen weiterhin von einer günstigeren Gestaltung der Kapitalrücklagenbildung bis hin zu einer verbesserten Eigenkapitalsituation des Unternehmens. Geringe Schwankung des Aktienkurses: Der Kurs soll auf einem angemessenen Niveau stabil gehalten werden, um die Kapitalplanung sowie die Bestimmung des Emissionspreises bei Kapitalerhöhungen zu erleichtern. Die Verringerung der Schwankung stärkt das Vertrauen der Aktionäre, was sich wiederum positiv auf den Kurs auswirkt. Dies wird unter anderem durch eine breite Streuung der Aktie erreicht, denn ein hoher Free Float (Aktienanteil eines Unternehmens, der nicht in festem Besitz ist) sichert eine ausreichende Liquidität der Aktie im Börsenhandel und hat einen stabilisierenden Einfluss auf den Börsenkurs. Zugang zu global verfügbarem Kapital: International angelegte Investor Relations sind ein entscheidender Wettbewerbsfaktor innerhalb der Kapitalakquisition. Die Anwendung der Rechnungslegungsgrundsätze nach IFRS (International Financial Reporting Standards) oder US-GAAP (Generally Accepted Accounting Principles) hat dabei entscheidenden Einfluss auf die Transparenz eines Unternehmens und erfüllt damit die Anforderungen des Marktes. Investor Relations müssen zunehmend auch die Anforderungen der internationalen Anlegerschaft erfüllen. Schutz vor feindlichen Übernahmen: Eine zu niedrige Börsenkapitalisierung erhöht die Gefahr der feindlichen Übernahme. Der durch die Investor Relations positiv beeinflusste Aktienkurs kann diese Gefahr verringern. Zudem können geeignete Maßnahmen im Falle einer feindlichen Übernahme helfen, die Aktionäre an das Unternehmen zu binden oder zumindest den Übernahmepreis in die Höhe zu treiben, so dass die Übernahme für den Übernehmer ihren Reiz verliert. Unterstützung bei der Bewältigung von Unternehmenskrisen: Professionelle Investor Relations schaffen Vorteile in Unternehmenskrisen. Das konstant aufgebaute Vertrauen zu den Anlegern ermöglicht eine relativ günstige Eigenkapitalbeschaffung, die zur Krisenbewältigung eingesetzt werden kann. Damit werden dringend notwendige Handlungsmöglichkeiten offen gehalten. Zudem werden Aktionäre, die bisher von dem Unternehmen nicht enttäuscht wurden, auch in Krisenzeiten zu „ihrem Unternehmen“ stehen und die Aktien halten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Maßnahmen zur Überwindung einer Krise auch glaubwürdig und überzeugend kommuniziert werden. Implementierung von M&A-Strategien: Die Ankündigung von Übernahmen und Fusionen führt nicht mehr zwangsläufig zum Kursanstieg, sondern wird häufig mit Verkäufen der Investoren abgestraft. Die Anleger sind zu Recht vorsichtig geworden, da viele Transaktionen und Fusionen scheitern oder mit spärlichen Ergebnissen aufwarten. Die konsequente strategische Ausrichtung des Unternehmens muss der Financial Community einfühlsam vermittelt werden. Ziel ist es, dass die Bekanntgabe von M&A-Aktivitäten vom Markt als langfristig angelegte Strategie des Unternehmens verstanden und entsprechend honoriert wird.
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Beeinflussung der Aktionärsstruktur: Unternehmen können durch eine breite Streuung der Aktien ihre Aktionärsbasis erweitern, was von Vorteil ist, da Privatanleger in BaisseZeiten dazu neigen, trotz geringerer Renditeerwartungen das Papier zu halten. Dazu gehört auch, dass bestehende Aktionäre bestärkt und darüber hinaus neue Investoren zum Kauf der Aktie bewegt werden. Dies kann unter anderem durch ein gezieltes Aktienmarketing erreicht werden, wodurch die Identifikation des Investors mit der Unternehmensphilosophie der Gesellschaft gefördert wird. Die Beeinflussung der Aktionäre ist eng mit dem Ziel der positiven Kursentwicklung verbunden. Hoher Aktienkurs als Akquisitionswährung: Da immer mehr Unternehmensübernahmen über Aktientausch finanziert werden, ist ein hohes Kursniveau vorteilhaft, denn je höher der Aktienkurs des übernehmenden Unternehmens ist, desto günstiger werden durch Aktientausch finanzierte Übernahmen.
2.1.2
Kommunikationspolitische Ziele
Den wahren Unternehmenswert zeigen: Erzielte Wertsteigerungen müssen dem Kapitalmarkt kommuniziert werden, um eine positive Kursentwicklung zu erreichen. Mit einer gezielten Informationspolitik lässt sich die Wahrnehmungslücke schließen und eine höhere Bewertung der Aktien an der Börse bewirken. Schaffung von Vertrauen bei der Financial Community: Durch eine offene Informationspolitik fördert das Unternehmen die Loyalität der Aktionäre. Nur wenn die Anspruchsgruppen der Financial Community Vertrauen ins Management haben, werden sie auch in Krisenzeiten zum Unternehmen stehen und auf negative Nachrichten nicht zwangsläufig mit Verkauf reagieren. Steigerung des Bekanntheitsgrades: Ein erhöhter Bekanntheitsgrad führt neue, sowohl nationale als auch internationale Investorengruppen an das Unternehmen heran. Auch potenzielle Kunden und Mitarbeiter werden auf das Unternehmen aufmerksam. Unternehmen in der Branche positionieren: Unternehmen, deren Aktienkurs positiv verläuft, haben ein sichereres Standbein in ihrer Branche. Sie können unabhängig bleiben, Übernahmen sind unwahrscheinlicher und sie haben Vorteile in der Außenfinanzierung etc. Zusätzlich verhindert die richtige Positionierung, dass das Unternehmen von Analysten falsch eingeordnet und mit den falschen Unternehmen verglichen wird (Peer Group). Verbesserung des Informationsstandards: Informationen müssen sachlich, kontinuierlich und vor allem zielgruppenorientiert vermittelt werden. Fehlinformationen über das Unternehmen müssen korrigiert und bestehende Informationsdefizite ausgeglichen werden. Image positiv beeinflussen: Professionelle Investor-Relations-Arbeit steigert das Image. Beispiele sind die jährlichen Wettbewerbe der Wirtschaftsmagazine Manager Magazin und Capital sowie verschiedene Rankings.
Kommunikation mit Kapitalgebern: Grundlagen der Investor Relations
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Attraktivität für (neue) Mitarbeiter steigern: Börsennotierte Unternehmen wachsen in der Regel schneller als nicht börsennotierte. Sie bieten ihren Mitarbeitern oftmals neue, interessantere Herausforderungen als die Wettbewerber. Auch die Aussicht auf Stock-OptionsProgramme ist für (potenzielle) Mitarbeiter interessant. Somit ist es für börsennotierte Unternehmen leichter, qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren.
2.2
Zielgruppen der Investor Relations
Die Zielgruppen der Investor-Relations-Arbeit lassen sich in drei große Bereiche teilen: private Anleger, institutionelle Anleger und Multiplikatoren. Die Gesamtheit dieser Zielgruppen bezeichnet man als Financial Community. Zwischen den Mitgliedern der Financial Community bestehen Interdependenzen. Diese Abhängigkeiten bewirken eine Dynamik innerhalb des Kommunikationsprozesses. So werden Investoren bei ihren Anlageentscheidungen beispielsweise von der Wirtschaftspresse beeinflusst oder von der Signalwirkung, die Aktienkäufe oder -verkäufe durch Fondsmanager haben. Investor Relations sind in hohem Maße persönliche Kommunikation mit den Zielgruppen. Die Bedingungen der personellen Kommunikation verlangen prinzipiell ein erweitertes Wissen im Umgang mit Dritten. Selbstdarstellung und andere Präsentationstechniken sind unter diesem Gesichtpunkt wichtige Voraussetzungen für professionelle Investor Relations.
2.2.1
Private Investoren
Privatanleger stellen Unternehmen vor eine besondere Schwierigkeit: Sie sind eine heterogene und zahlenmäßig große Gruppe, weswegen es sehr zeit- und kostenintensiv ist, Privatanleger über die traditionellen Kommunikationsmittel und -wege zu erreichen. Diese Zielgruppe verfügt darüber hinaus über das geringste Anlagekapital pro Entscheider. Somit steht ein hoher Zeit- und Kostenaufwand einem geringen Anlagepotenzial je Aktionär gegenüber. Eine weitere Problematik besteht für börsennotierte Aktiengesellschaften darin, dass viele individuelle Anleger schwer identifizierbar sind; durch die vorherrschende Anlageform der Inhaberaktie ist der Aktionär dem Unternehmen nicht namentlich bekannt. Im Gegensatz dazu steht die Namensaktie, wie sie in den USA weit verbreitet ist. Trotz der genannten Erschwernisse ist die Zielgruppe der privaten Investoren aus mehreren Gründen interessant. In Deutschland werden immense Geldvermögen vererbt, die als Neuanlage zur Disposition stehen, und es ist bereits festzustellen, dass sich insbesondere jüngere Generationen zunehmend für die Aktie als Geldanlage interessieren.
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Ein weiterer Anreiz, den Anteil der Privatanleger innerhalb der Aktionärsstruktur zu vergrößern, ist ihre Ausdauer. Sie stehen nicht unter dem Performancedruck, dem die institutionellen Investoren ausgesetzt sind, und verhalten sich in Krisensituationen loyaler, was sich stabilisierend auf den Aktienkurs auswirkt. Vor allem langfristig orientierte Anleger tendieren dazu, Aktien auch in schwierigeren Situationen zu halten. Eine offene und ehrliche Kommunikationspolitik stärkt das Vertrauen der Privatanleger in das Management der Aktiengesellschaft und verringert so die Gefahr extremer Kursschwankungen.
2.2.2
Institutionelle Investoren
Die Bedeutung der institutionellen Investoren hat in den 1980er und 1990er Jahren erheblich zugenommen. Dies gilt insbesondere für Investmentfonds, die in Deutschland rund 20 Prozent der nicht in Festbesitz befindlichen Aktien halten. Bei institutionellen Aktionären handelt es sich in der Regel um professionelle Großanleger, wie zum Beispiel Versicherungen und Investmentfonds, die sehr detaillierte Informationen über das Umfeld, die Besonderheiten des Unternehmens und seine Zukunftsaussichten erwarten. Das Interesse an Angaben zur strategischen Orientierung statt an der Rechtfertigung der Vergangenheit hat stark zugenommen. Es ist für Unternehmen von großer Bedeutung, die Zielvorstellungen in einem Zeithorizont von fünf Jahren klar zu formulieren. In diesem Zusammenhang ist auch das Phänomen der „Self-fullfilling prophecies“ zu nennen, das besagt, dass die Hauptursache für das eingetretene Ereignis oft die Prophezeiung selbst ist. Institutionelle Investoren stehen im Mittelpunkt der traditionellen Investor-Relations-Arbeit, da Großanleger auf Grund ihres hohen Kapitaleinsatzes zeitnahe und intensive Informationen erwarten. Die Zielgruppe der institutionellen Anleger steht in starkem Gegensatz zu den Privatinvestoren. Sie bildet zahlenmäßig die kleinste Gruppe, in der jedoch pro Entscheider das größte Anlagekapital verfügbar ist. Die Anlageentscheidung institutioneller Investoren kann Signalwirkung für private Investoren haben und somit Kursschwankungen verursachen. Unternehmen unterhalten meistens enge Beziehungen zu den institutionellen Anlegern in Form von regelmäßigen Einzelgesprächen und Unternehmenspräsentationen, in die oft auch Fondsmanager und Finanzanalysten einbezogen werden. Der Aufbau einer persönlichen Beziehung zu den Großanlegern kann sich in Krisensituationen kursstabilisierend auswirken.
2.2.3
Multiplikatoren
Die Gruppe der Multiplikatoren setzt sich aus Wirtschaftsjournalisten, Bankern, Wertpapieranalysten, Fondsmanagern und Rating-Agenturen zusammen. Sie haben eine wichtige Bedeutung für das börsennotierte Unternehmen, besonders im Hinblick auf die Privatanleger, deren Anlageentscheidung durch das Urteil der Multiplikatoren beeinflusst wird. Multiplikatoren verfügen in den meisten Fällen über eine große Sachkenntnis und liefern den weniger
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informierten Privatanlegern fundierte Auswertungen der Unternehmensveröffentlichungen. Da ihre Aussagen Verstärkereffekte beinhalten, ist ihren Informationsbedürfnissen besonders Rechnung zu tragen. Die Wirtschafts- und Finanzpresse ist auf Grund ihrer meinungsbildenden Funktion ein sehr wichtiger Multiplikator. Wirtschaftsjournalisten beeinflussen durch ihre Publikationen die Financial Community erheblich. Deshalb müssen die Unternehmen versuchen, zu den Journalisten eine enge, von Vertrauen geprägte Beziehung aufzubauen.
2.2.4
Fondsmanager
Fondsmanager können einerseits als Funktionsträger in Institutionen Anlageentscheidungen treffen; für sie gelten dann die Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt. Andererseits werden sie von Unternehmen aus Kostengründen als externe Fondsmanager engagiert und üben dann eine Mittlerfunktion aus. Fondsmanager bewerten die Managementleistung der Unternehmen, bringen ihre Beurteilung jedoch selten direkt über die Ausübung der Stimmrechte zum Ausdruck, sondern indirekt über den Kauf oder Verkauf von Papieren. Ziel der Fondsmanager ist es, die Chancen und Risiken einer möglichen Investition abschätzen zu können. Sie versuchen, die Zahl risikoreicher Anlagen durch optimale Information gering zu halten und so eine gute Performance zu erzielen.
2.2.5
Finanzanalysten
Die Kommunikation mit den Analysten hat einen wesentlichen Einfluss auf die Bewertung des Unternehmens durch die verschiedenen Mitglieder der Financial Community. Ihre Unternehmensanalysen sind in vielen Fällen die Entscheidungsbasis für Großanleger und Fondsmanager. Dass die Qualität der Information eine entscheidende Rolle bei der Bewertung durch die Analysten spielt, liegt auf der Hand. Zusammengefasst besteht die große Herausforderung für die Investor-Relations-Abteilung eines Unternehmens darin, eine heterogene Gruppe bestehend aus professionellen Anlegern, Wirtschaftsjournalisten und Privatpersonen gleichermaßen zufrieden stellend zu informieren.
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3.
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Investor Relations in der Praxis
Investor Relations gewinnen zunehmend an Bedeutung, entsprechend hat sich ihr Platz im Unternehmen geändert. Im Jahre 1994 verfügten nur etwa 10 Prozent der deutschen Unternehmen über eine eigene Investor-Relations-Abteilung. Heute haben die meisten börsennotierten Unternehmen, jedenfalls wenn sie in einem der Indizes enthalten sind, zumindest Investor-Relations-Beauftragte, oft aber auch bereits professionell besetzte IR-Abteilungen. Auch lässt sich feststellen, dass immer mehr Vorstände erkennen, dass Investor Relations Chefsache sind und dass sie einen großen Teil ihrer Zeit mit Investor Relations verbringen. Investor-Relations-Aktivitäten sind heute vielfach im Bereich Public Relations und Kommunikation angesiedelt, was Vor- und Nachteile mit sich bringt. Der Vorteil besteht in dem zweifellos vorhandenen hohen Abstimmungsbedarf zwischen Investor Relations und Public Relations; den Informationsfluss kann man durch eine Zusammenlegung der Bereiche häufig begünstigen. Andererseits gibt es doch erhebliche Unterschiede beim Kommunikationsgegenstand und der spezifischen Vorgehensweise von Investor Relations und Public Relations. In einer gemeinsamen Abteilung sollten daher Investor-Relations-Spezialisten eingesetzt werden, die allen Mitgliedern der Financial Community qualifiziert und kompetent gegenübertreten können.
3.1
Der Investor-Relations-Prozess
Innerhalb des Investor-Relations-Prozesses gibt es verschiedene Phasen: Den Markt verstehen: Der Kapitalmarkt spiegelt stets den Erfolg oder Misserfolg einer Investor-Relations-Strategie oder -Aktion wider. Dabei ist der Kursverlauf auf der einen Seite reaktiv, auf der anderen Seite beeinflussend. Er reagiert auf Nachrichten, ob wirtschaftlich oder politisch, und antwortet sensibel auf Gerüchte und Spekulationen. Zugleich stellt er auch die Prognose des Kapitalmarkts über die Zukunft des Unternehmens dar. Die Produkte und Services verstehen und kommunizieren: Man sollte davon ausgehen können, dass die verantwortlichen Menschen in einem Unternehmen optimal über die eigenen Produkte und Dienstleistungen informiert sind. Noch wichtiger für erfolgreiche Investor Relations ist jedoch, dass es den Verantwortlichen gelingt, ihre Strategien und Visionen so zu vermitteln, dass potenzielle Anleger überzeugt sind, dass eine Investition in das Unternehmen eine angemessene Rendite erwarten lässt. Die Zielgruppen identifizieren und verstehen: Investor-Relations-Arbeit richtet sich an verschiedene Zielgruppen mit eigenen Charakteristika, die deshalb verschiedenartige
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Informationsbedürfnisse und Kommunikationsverhalten aufweisen. Die Informationen müssen zielgruppengerecht aufbereitet werden. Die Produkte und Dienstleistungen der Investor Relations zu verstehen, bedeutet in diesem Zusammenhang, sie im Sinne der Zielgruppen zu begreifen. Ziele definieren: Instrumente anwenden und Schlüsse ziehen: Für den Erfolg der InvestorRelations-Arbeit ist eine klare Zieldefinition notwendig. Die Ziele sollten messbar sein, damit die Wirksamkeit einer jeden Maßnahme überprüft werden kann. Nach der Zieldefinition müssen taktische und strategische Vorgehensweisen entwickelt werden. Die Ziele und Strategien sind ausschlaggebend für die Auswahl und den Einsatz der Instrumente. Über anschließende Ursache-Wirkungs-Analysen, z. B. über Pressespiegel oder Resonanzbefragungen, können Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, um InvestorRelations-Strategien und den Einsatz künftiger Investor-Relations-Maßnahmen zu optimieren.
3.2
Inhalte von Investor Relations
Verschiedene Unternehmensinformationen, wie z. B. Konjunktur- und Branchenumfeld, Wachstumsprognosen und Unternehmensstrategien sind Inhalte der Investor Relations. Je nach Zielgruppe und Investor-Relations-Instrument werden diese Daten unterschiedlich umfangreich und vertieft kommuniziert. Die Financial Community soll die Möglichkeit erhalten, den subjektiven Wert der Aktie selbst zu beurteilen. Ein Großteil der Informationen ergibt sich aus Publizitätspflichten oder aus verschiedenen Rechnungslegungsvorschriften. Beispielsweise schreibt die Börsenzulassungsverordnung für im Prime Standard notierte Unternehmen die Bilanzierung nach US-GAAP (Generally Accepted Accounting Principles) oder IFRS (International Financial Reporting Standards) vor. Dadurch werden die Unternehmenszahlen insbesondere für internationale Anleger transparenter. Diese Investor-Relations-Inhalte sind in erster Linie vergangenheitsbezogen und gehen aus Jahresabschluss und Lagebericht sowie aus Zwischenabschlüssen hervor, welche in der Regel als Geschäftsbericht oder auch unterjährig als Quartals- oder Halbjahresberichte den Investoren präsentiert werden (Piwinger 2007). Grundsätzlich sind zum besseren Verständnis der Daten entsprechende Vorjahreszahlen zu ergänzen. Dieses umfangreiche Zahlenwerk ist um Wachstumsprognosen und Renditeziele zu erweitern, um Anlegern eine wertvolle Orientierung der eigenen Umsatz- und Ertragseinschätzungen zu geben. Darüber hinaus sollte zur Beurteilung der aktuellen und zukünftigen Entwicklung des Unternehmens ein Überblick über die allgemeine Konjunkturentwicklung gegeben werden. Die Positionierung des Unternehmens im Markt und die Rolle der Wettbewerber ist für die Financial Community von besonderem Interesse.
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Neben quantitativen Faktoren sind auch qualitative Einflussfaktoren Gegenstand der Investor Relations. So ist dem Interessenten Einblick in die Struktur des Unternehmens, seine einzelnen Geschäftsbereiche und Produkte zu geben. Der aktuelle Entwicklungsstand über neue Produkte und der Zeitpunkt von Markteinführungen geben Aufschluss über zusätzliche Umsatzpotenziale. Im Weiteren ist über geplante Investitionen und Akquisitionen zu informieren, die Rückschlüsse auf Wachstumschancen des Unternehmens zulassen. Die Darstellung der Unternehmensphilosophie ermöglicht ein besseres Verständnis des Managements und seiner Strategien. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass alle relevanten Entscheidungen und Ereignisse, die den Wert der Unternehmensanteile beeinflussen, Inhalt von Investor Relations sein können.
3.3
Wertschöpfung im Investor-Relations-Prozess
Da an den Aktienmärkten ein Unternehmen täglich analysiert, eingeschätzt und mit dem Tageskurs bewertet wird, leuchtet es unmittelbar ein, dass effiziente Kommunikationsarbeit erheblichen Anteil an der allgemeinen Wertschöpfung des Unternehmens hat. Angesichts der raschen Globalisierung von Waren- und Geldmärkten und besonders in Zeiten der zunehmenden Austauschbarkeit und Ähnlichkeit von Produkten erhalten die Inszenierungsformen der Unternehmenskommunikation Nutzencharakter. Die „Rendite“ bzw. der Return on Investment drücken sich in der Wertschöpfung bezogen auf den Marktwert des Unternehmens aus. Oftmals unterschätzen Publikumsgesellschaften die Möglichkeit, durch Informationsqualität Wert zu generieren. Im Unterschied zu Investitionen in Sachanlagen handelt es sich bei Investitionsaufwendungen für die Reputation des Unternehmens um Investitionen in Meinungen, Bindungen, Wertschätzungen und Ansehen, damit also um –vordergründig betrachtet – immaterielle Güter. Der intensiv geführte Wettbewerb auf den internationalen Waren- und Finanzmärkten verlangt zwingend eine Differenzierung im Marktauftritt. Dies muss man sich vor Augen halten, wenn man in der modernen Wirtschaft von Kommunikation spricht, weil es hier um ganz andere Größenordnungen geht. Marken- und Firmenimage werden – und das gilt beileibe nicht ausschließlich für die nationalen Märkte – zu wettbewerbsbestimmenden Größen. Aktien, die für profilierte Unternehmensmarken stehen, zeigen langfristig eine bessere Wertentwicklung als Unternehmen, die allein auf ihre Produktmarken setzen. Analysten gehen immer mehr dazu über, den Wert einer Marke in die Unternehmensbewertung einfließen zu lassen. Eine Marke hebt ein Produkt bzw. ein Unternehmen aus dem Dunstkreis des Durchschnittlichen. „Die Aktie muss als Markenartikel angesehen und auch so behandelt werden“, forderte Michael Dürr schon 1994 in seinem Buch „Investor Relations“ (Dürr 1994). Eine Marke ist werthaltig. So ist bekannt und belegt, dass die Bereitschaft
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zum Aktienkauf bei Marken mit der Klarheit des Markenbildes steigt. Inzwischen haben sich zahlreiche Autoren diese Forderung zu Eigen gemacht. Eine Marke fördert außerdem ein Grundvertrauen in die Aktie, durch das die Informationsunsicherheit der Anleger sowie die Anfälligkeit der Aktie gegenüber kurzfristigen negativen Einflüssen reduziert werden können. Wenn kein Vertrauen da ist, wird nicht investiert. Unternehmen sind von ihrem Ruf am Kapitalmarkt abhängig.
3.4
Grundsätze der Investor Relations
Für eine erfolgreiche Investor-Relations-Arbeit sind einige grundsätzliche Regeln zu beachten. Effektive Investor-Relations-Arbeit beginnt mit der Einhaltung von Kommunikationsgrundsätzen. Die im Folgenden dargestellten Grundsätze sind nicht isoliert zu sehen, denn erst ihr Zusammenspiel führt zum Erfolg. Grundsatz der Stetigkeit: Die Einhaltung gesetzlicher Informationspflichten reicht nicht aus. Auch vereinzelte taktische Investor-Relations-Maßnahmen, wie beispielsweise übertriebene Ad-hoc-Meldungen, sind ungünstig. Kontinuität innerhalb der Finanzkommunikation und eine zielgenaue und großzügige Informationsweitergabe entscheiden über den Erfolg der Investor Relations. Unternehmen, die ihre Anteilseigner nur in guten Zeiten oder kurz vor Kapitalerhöhungen über ihre Erfolge in Kenntnis setzen, in schlechten Zeiten jedoch Probleme verschweigen, wirken unglaubwürdig. Grundsatz der Glaubwürdigkeit: Die Financial Community muss den veröffentlichten Daten Glauben schenken. Dazu gehört auch, dass Meldungen nicht nur positive Ereignisse betreffen, sondern dass auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Kontakt gepflegt wird. So werden Falschmeldungen und Misstrauen gegenüber dem Unternehmen vorgebeugt. Die Beurteilung der Unternehmenssituation durch Dritte lässt sich zweifellos besser steuern, wenn das Management die entsprechenden Informationen selbst verbreitet. Grundsatz der Wesentlichkeit: Um dem „information overload“ und dessen Folgen vorzubeugen, sind Informationen auf das Wesentliche zu reduzieren. Da die Zielgruppen unterschiedliche Informationsbedürfnisse haben, ist zu berücksichtigen, welche Informationen jeweils entscheidungsrelevant sind. Grundsatz der Zielgruppenbezogenheit: Unterschiedliche Zielgruppen verfügen über spezifische Informationsbedürfnisse, denen durch eine differenzierte Informationspolitik Rechnung getragen werden kann. Privatanleger erwarten in der Regel weniger detaillierte Informationen als Fondsmanager, Analysten und Wirtschaftsjournalisten. Dabei werden Privatanleger aus Zeit- und Kostengründen meistens über unpersönliche Instrumente wie zum Beispiel Geschäfts-, Zwischen- und Quartalsberichte informiert, während institutio-
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Klaus Rainer Kirchhoff/Manfred Piwinger
nelle Investoren in persönlichen Gesprächen oder Telefonkonferenzen über die aktuelle Situation aufgeklärt werden. Grundsatz der Transparenz: Die Bewertung der publizierten Informationen und Zahlen rund ums Unternehmen wird durch Vergleichswerte erleichtert. Darum sind Branchenzahlen und Vergangenheitszahlen bzw. zuvor veröffentlichte Benchmarks in Relation zu aktuellen Daten zu setzen. Das bedeutet, dass über alle Unternehmenszahlen und -fakten zeitnah und regelmäßig informiert werden muss. Grundsatz der Aktualität: Da die Gefahr von Insidergeschäften nach § 14 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz) und die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes besteht, schreibt § 15 WpHG vor, dass Unternehmen kursrelevante Informationen sofort (ad hoc) der Finanzwelt zur Verfügung stellen müssen, um Insidergeschäfte zu verhindern. Leider sind viele Unternehmen durch das Insidergesetz verunsichert und betreiben vorsichtshalber keine differenzierte Informationspolitik mehr, um nicht in den Verdacht zu geraten, Insidergeschäfte zuzulassen.
4.
Instrumente der Investor Relations
Nach Festsetzung der Ziele und Bestimmung der Zielgruppen gilt es, die Financial Community mit gezielten Maßnahmen über Unternehmensdaten und -neuigkeiten zu informieren. Dies kann mittels unpersönlicher Instrumente, aber auch persönlich erfolgen. Viele Möglichkeiten stehen dem Unternehmen offen, doch muss der Instrumente-Mix dabei auch gesetzliche Bestimmungen berücksichtigen. Einerseits sind Pflichtmaßnahmen zu erfüllen, andererseits müssen auch internationale Vorschriften beachtet werden, da beispielsweise in den USA, Kanada und Japan die Werbung um die Gunst der Anleger eingeschränkt ist. Insbesondere das Zusammenwirken der Kommunikationsinstrumente erfüllt die gewünschten Effekte, nämlich die Erhöhung des Bekanntheitsgrades und damit eine Stärkung des Vertrauens in das Unternehmen und das Management.
4.1
Pflichtmaßnahmen
Dass Investor Relations nicht nur finanzwirtschaftliche und kommunikationspolitische Zielsetzungen verfolgen, sondern darüber hinaus dem Anlegerschutzgedanken entsprechen
Kommunikation mit Kapitalgebern: Grundlagen der Investor Relations
737
müssen, zeigen zahlreiche gesetzliche Vorschriften und Verordnungen wie beispielsweise das Börsenzulassungsgesetz der Deutschen Börse oder staatliche Regelungen wie das Aktiengesetz. Die Aufzählung der in Abbildung 1 dargestellten deutschen Regelungen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll nur einen ersten Überblick vermitteln. Aktiengesetz (AktG) § 20 Abs. 6 § 25 § 40 §§ 42, 43 § 73 Abs. 2 § 26 Abs. 2 § 106 § 121 Abs. 3 § 124 § 125 § 126 § 190 § 196
Pflichtanzeige des Anteilsbesitzes Art und Form der Unternehmenspublizität Pflichtanzeige über Eintragung in das Handelsregister Pflichtanzeige über Zweigniederlassungen Pflichtanzeige über die Kraftloserklärung von Aktien Pflichtanzeige über die Änderungen im Aufsichtsrat Bekanntgabe der Hauptversammlung Hauptversammlung: Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte, Wahl der Aufsichtsratmitglieder Hauptversammlung: Versand der Hauptversammlungsunterlagen Hauptversammlung: Aktionärsanträge Pflichtanzeige bei Kapitalerhöhungen Pflichtanzeige des Beschlusses einer bedingten Kapitalerhöhung
Börsengesetz (BörsG) § 37 Abs. 1 § 39 f.
Veröffentlichungspflichten bei der Zulassung zum Handel Regelmäßige Unternehmenspublizität
Verkaufsprospektgesetz (VerkProsG) § 9 ff.
Veröffentlichungspflichten bei der Zulassung zum Handel
Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) § 15 §§ 21
Ad-hoc-Mitteilungen, Insiderhandelsverbot Mitteilungspflicht von Stimmrechtsbesitz an einer AG
Handelsgesetzbuch (HGB) § 325 ff., § 328
Regelmäßige Unternehmenspublizität
Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV) § 13 ff. §§ 53 ff. § 63 § 63 Abs. 1 § 66 § 70
Abbildung 1:
Veröffentlichungspflichten bei der Zulassung zum Handel Regelmäßige Unternehmenspublizität Pflichtanzeige der Dividenden, Umtausch-, Bezugs- und Zeichnungsrechte Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung Pflichtanzeige bei jeder Änderung der mit Wertpapieren verbundenen Rechte Art und Form der Unternehmenspublizität
Gesetzliche Bestimmungen für Investor Relations
738
4.2
Klaus Rainer Kirchhoff/Manfred Piwinger
Unpersönliche Maßnahmen
Zu den unpersönlichen Kommunikationsmaßnahmen zählen Instrumente, die sich an ein großes, weitgehend unbekanntes Publikum richten: Geschäftsbericht Quartals- und Zwischenberichterstattung Sonstige Berichte Aktionärsbriefe und -zeitschriften Finanzanzeigen Imageanzeigen TV-Spots Fernsehinterviews Online-Dienste bzw. Internet Factbooks Pressemitteilungen Telefon-Hotlines Das wichtigste Instrument innerhalb der Gruppe der unpersönlichen Instrumente ist der Geschäftsbericht. Weiterhin gehören sämtliche Printmedien, Zwischen- und Quartalsberichte, Factbooks, Imagebroschüren etc. zu dieser Gruppe. Sie werden zur Massenansprache verschiedener Zielgruppen eingesetzt, bei einer großen Anzahl von Privatinvestoren wäre der Einsatz persönlicher Kommunikationsinstrumente, wie Telefonkonferenzen oder persönliche Treffen, einerseits schwer durchführbar und andererseits kaum zu finanzieren.
4.3
Persönliche Maßnahmen
Persönliche Investor-Relations-Maßnahmen zeichnen sich dadurch aus, dass ein direkter Kontakt zwischen Unternehmen und Kapitalgebern zustande kommt. Die Kommunikation ist dialogisch, Unternehmen und Zielgruppen können sich direkt Feedback geben. Charakteristisch ist der ausschließlich verbale Austausch, wodurch direkt auf spezifische Informationsbedürfnisse und Rückfragen eingegangen werden kann. Die persönlichen Maßnahmen sind somit viel wirkungsvoller:
Kommunikation mit Kapitalgebern: Grundlagen der Investor Relations
739
Hauptversammlung Roadshows Einzel- und Roundtablegespräche Analystenkonferenzen Pressekonferenzen Betriebsbesichtigungen
4.4
Unterstützende Maßnahmen
Unterstützende Maßnahmen sind diejenigen, die nur in Verbindung mit anderen Maßnahmen angewendet werden: Videofilm CD-Rom SMS, E-Mail und WAP Give-aways
5.
Das Management ist gefordert
Es hat sich gezeigt, dass Investor Relations eine Kommunikationsaufgabe von großer Bedeutung sind. Schätzungen zufolge können bis zu 40 Prozent des Kurswertes einer Aktie von der Kommunikation abhängen. „Die Chancen einer fortschrittlichen Investor-Relations-Politik sind aber nicht nur über den firmenexternen Bereich zu sehen, sondern es werden auch die internen Informations- und Kommunikationsprozesse verbessert. Value Reporting setzt ein umfassendes Wertcontrolling voraus, dessen Nutzen vor allem auch im Rahmen der Unternehmensführung spürbar werden dürfte. Dabei sind die firmenkulturellen und mentalen Auswirkungen nicht zu unterschätzen, indem das Wertbewusstsein auf allen Stufen eines Unternehmens gefördert werden kann“ (Volkart/Labhart 2005). Börsennotierte Unternehmen sind verpflichtet, präzise, aufrichtig und
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Klaus Rainer Kirchhoff/Manfred Piwinger
transparent zu informieren und ihre Informationen jedermann zeitgleich zur Verfügung zu stellen. Insgesamt hat dies zu einer Offenheit der Unternehmen geführt, die noch vor wenigen Jahren undenkbar war. Man kann nicht nach außen „offen“ sein und nach innen „verschlossen“ sein wie eine Auster – eine Konsequenz, die viele Unternehmensvorstände nicht verstanden haben und dramatisch unterschätzen. Sie verschenken Ansehensgewinne und bessere Bewertungen durch Analysten und Rating-Agenturen und vernachlässigen die Betrachtung der Opportunitätskosten. Investor Relations nach innen ist ein weitgehend unbeackertes Feld. Würde hier dieselbe Sorgfalt wie in der Kommunikation mit den Finanzmärkten betrieben, ließe sich mit Gewissheit eine bessere Wertschöpfung erreichen – einschließlich weiterer Nebeneffekte. Wer angesichts der täglichen Überfülle an Informationsarten und -veranstaltungen bestehen will, braucht nicht nur gute Nerven, sondern auch Durchstehvermögen und ein großes Wissen darüber, wie kommunikative Prozesse in der heutigen Mediengesellschaft ablaufen und wie man an ihnen zum Nutzen des Unternehmens teilhaben kann. Hier setzen die Aufgaben von Investor Relations an.
Literatur
Drill, Michael/Hubmann, Michael J. (2005): Anforderungen an die IR aus der Sicht einer Investmentbank, in: Kirchhoff, Klaus Rainer/Piwinger, Manfred (Hrsg.): Praxishandbuch Investor Relations, Wiesbaden, S. 393-415. Dürr, Michael (1995): Investor Relations. Handbuch für Finanzmarketing und Unternehmenskommunikation, 2. Auflage, München/Wien. Kirchhoff, Klaus Rainer (2005): Grundlagen der Investor Relations, in: Kirchhoff, Klaus Rainer/Piwinger, Manfred (Hrsg.): Praxishandbuch Investor Relations, Wiesbaden, S. 31-54. Labhart, Peter/Volkart, Rudolf (2005): Investor Relations als Wertsteigerungsmanagement, in: Kirchhoff, Klaus Rainer/Piwinger, Manfred (Hrsg.): Praxishandbuch Investor Relations, Wiesbaden, S. 167-184. Piwinger, Manfred (2005): Investor Relations als Inszenierungs- und Kommunikationsstrategie, in: Kirchhoff, Klaus Rainer/Piwinger, Manfred (Hrsg.): Praxishandbuch Investor Relations, Wiesbaden, S. 2-29. Piwinger, Manfred (2007): Geschäftsberichte als Mittel der Information und Beziehungspflege, in diesem Band.
Kommunikation mit dem Kunden
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Kommunikation mit dem Kunden: Marken-PR und Produkt-PR als Instrumente der Marktkommunikation Peter Szyszka
Presse-/Medienarbeit, ein zentrales Instrument der PR-Arbeit, wird auch im Rahmen der Marketingkommunikation eingesetzt. Ziel ist es, Produktpublizität im redaktionellen Teil der Massenmedien zu erlangen, um auf diesem Weg Informationen über Produkte zu verbreiten und bei der Frage der Akzeptanz von der höheren Glaubwürdigkeit einer journalistischen Darstellung dieser Sachverhalte zu profitieren. Die jüngere Fachdiskussion zeigt dabei, dass sich vertriebsunterstützende PR-Arbeit ausdifferenziert hat, um Probleme der Marktkommunikation effektiver und effizienter zu lösen: in Marken-PR, die auf Präsenz und Profil einer Produktmarke im öffentlichen Bewusstsein zielt, und Produkt-PR, die als Informationsarbeit gezielt Einfluss zugunsten gewünschter Produktentscheidungen nehmen soll.
1.
Formen der Marktkommunikation
Der Begriff Marktkommunikation kann gleichermaßen für Kommunikationsaktivitäten des Marketing wie für die Kommunikation im Absatzmarkt stehen: Immer werden Produkte oder Dienstleistungen1 eines Unternehmens oder Fragen deren Nutzens zum Thema gemacht. Marktkommunikation im enger gefassten, instrumentellen Sinne ist Marketingkommunikation und damit der Teil der Unternehmenskommunikation, der sich mit absatzorientierten Kommunikationsproblemen befasst. Absatz- oder vertriebsunterstützende Kommunikationsaktivitäten sind auf den Markt (Kunden) und das Marktumfeld (potenzielle Kunden und
1
Im Folgenden wird der Begriff „Produkt“ als Sammelbegriff für Produkte wie Dienstleistungen verwendet.
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_43, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
742
Peter Szyszka
Meinungsführer) gerichtet, weshalb bisweilen auch von Kundenkommunikation gesprochen wird (z. B. Mast/Huck/Güller 2005). Aktivitäten der Marktkommunikation zielen darauf, die Aufmerksamkeit öffentlicher Kommunikation (Massenmedien) auf die Produkte eines Unternehmens zu lenken und dort zu binden, diese Produkte möglichst alleingestellt und positiv bewertet im Bewusstsein von Meinungsführern und potenziellen Kunden zu positionieren und zu verankern, wesentliche, für Beurteilungs- und Entscheidungsprozesse maßgebliche Produkt- und Nutzeninformationen bei potenziellen Kunden und Meinungsführern zu ermitteln und diesen zu vermitteln und schließlich Kaufwillige am Kaufort im unmittelbaren Kaufprozess zu unterstützen. Die Terminologie der Marketingliteratur bezeichnet Marketingkommunikation als Kommunikationspolitik und Kommunikations-Mix (vgl. z. B. Bruhn 2005, Meffert 2000). In gängigen Darstellungen ist sie neben Produkt-, Preis- und Distributionspolitik ein Instrumentalbereich des Marketing-Mix, dessen Instrumente häufig additiv zugeordnet werden. So benennt z. B. Bruhn (2005: 209 ff.) Mediawerbung, Verkaufsförderung, Direct-Marketing, Public Relations, Sponsoring, persönliche Kommunikation, Messen und Ausstellungen, Event-Marketing und Multimedia-Kommunikation, ohne deren funktionale Bezüge zu thematisieren: Zentrales Kommunikationsinstrument ist die Werbung. Die Rolle von Public-Relations-Aktivitäten als spezifisches Instrument der Marketingkommunikation bleibt dagegen meist diffus; stattdessen wird häufig der Einbezug der Unternehmenskommunikation ins Marketing vorgeschlagen und grob skizziert (vgl. Szyszka 2005a: 245 f.). Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive findet sich demgegenüber bei Mast/Huck/Güller (2005: 22 und 49 ff.) ein absatzorientierter Vorschlag, wenn sie aus einem PR-Kontext Kundenkommunikation als Aufbau und Pflege von Kundenbeziehungen mit dem Ziel der Kundenansprache und Kundenbindung definieren. In einem weiter gefassten, diskursbezogenen Sinne ist Marktkommunikation die Kommunikation über die Produkte eines Unternehmens im Absatzmarkt, der damit zu einem spezifischen Meinungsmarkt innerhalb der öffentlichen Kommunikation wird. Damit hier Kommunikation über Produkte zustande kommen kann, sind rudimentäre Bekanntheit eines Produkts damit einleitende Aktivitäten der Marketingkommunikation Voraussetzung. Hieran anschließende Meinungsbildungsprozesse können, müssen sich aber nicht weiter hierauf beziehen. Einmal angestoßen können diese Prozesse auch auf Begegnung mit bzw. Beobachtung von Produkten, ihrer Anbieter oder Nutzer, auf Erfahrungen mit Analog-Produkten eines anderen oder anderen Produkten des gleichen Anbieters, auf Darstellungen und Meinungen adäquater Meinungsführer innerhalb und außerhalb der Massenmedien sowie auf Bedürfnissen und Nutzenerwartungen u. a. möglichen Einflussgrößen beruhen. Im Ergebnis schlagen sich die im Absatzmarkt verhandelten Meinungen in Beurteilungen und Bewertung eines Produkts und in konkretem Kommunikations- und Kaufverhalten nieder. Produkte sind – häufig mehr als Unternehmen selbst – potenzielle Gegenstände öffentlicher und privater Kommunikation und dies im unmittelbaren wie im mittelbaren Zusammenhang
Kommunikation mit dem Kunden
743
von Absatzprozessen. Kommunikation über die Produkte eines Unternehmens findet als öffentliche oder private Kommunikation immer dann statt, wenn z. B. Produkte medienwirksam inszeniert werden (Aufmerksamkeitsanreiz, Informationsangebot) und in ihrer Inszenierung einen Nachrichtenwert besitzen, Produkte allgemein interessant erscheinen (Neuigkeitswert, Trend, Streitbarkeit) und von Medien thematisiert werden (öffentliche Kommunikation), Interessenten und/oder Nutzer sich über Erfahrungen, Einschätzungen und Bewertungen austauschen (private Kommunikation) und potenzielle Kunden gezielt nach Informationen für ihr konkretes Entscheidungsverhalten suchen (Informationsnachfrage). Öffentliche, von Medien repräsentierte Kommunikation und private Kommunikation stehen in enger Beziehung, denn private Kommunikation und individuelles Entscheidungsverhalten orientieren sich in vielen Fällen an Darstellungen und Bewertungen von Medien, wenn diese als glaubwürdige Meinungsführer gelten. Die Präsenz von Produkten in den Medien und deren dort möglichst positive Bewertung sind somit als Produkt-Publizität von zentraler Bedeutung für den angestrebten Absatzprozess. Dies eröffnet einen Problemhorizont der Marketingkommunikation: Sie muss auf ProduktPublizität ausgerichtet sein, die sie über den als solchen erkennbaren Werberaum der Medien (Anzeige, Spot) als Selbstdarstellung und den redaktionellen Medienteil (journalistische Beiträge) als Fremddarstellung zu erreichen sucht. Von Produkt-Publizität werden dabei Präsenz- und Glaubwürdigkeitsleistungen (Kotler/Bliemel 1992: 857) erwartet, wobei die Selbstdarstellung eher Einfluss auf die Präsenz und die Fremddarstellung eher Einfluss auf die Glaubwürdigkeit nimmt. Damit kristallisiert sich ein zentrales Aufgabenfeld absatzorientierter Public-Relations-Aktivitäten heraus: die journalistische Berichterstattung über Produkte als indirekte Form der Kundenkommunikation.
2.
Probleme der Marketingkommunikation
Um Funktionen und Aufgaben der verschiedenen Instrumente der Marketingkommunikation und insbesondere von Marken- und Produkt-PR bestimmen zu können, muss zunächst gefragt werden, wann, mit welcher Tiefe und mit welcher Häufigkeit Produktinformationen in Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse eingehen. Die Frage verweist auf drei grundlegende Probleme der Marktkommunikation, mit denen sich Marketingkommunikation auseinander setzen muss: Aufmerksamkeit, Komplexität und Aktualisierbarkeit.
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Peter Szyszka
Das gesellschaftsweite Überangebot an Informationen, die zu Gegenständen öffentlicher Kommunikation werden sollen, wie auch das der Massenmedien, die in der Öffentlichkeit um Aufmerksamkeit konkurrieren, zwingen zu einem permanenten Auswahlverhalten. Das Problem: Aufmerksamkeit ist die entscheidende Engpassressource (Franck 2007). Was keine Aufmerksamkeit findet, bleibt aus öffentlichen wie privaten Diskursen ausgeblendet, ist nicht präsent. Um über den Weg der öffentlichen Kommunikation anvisierte Zielgruppen zu erreichen, muss Marketingkommunikation zwei Barrieren überwinden: Medienaufmerksamkeit und damit Niederschlag im redaktionellen Medienteil finden nur Produkte oder Produktthemen, die aus Perspektive eines Mediums als öffentlich relevant und zielgruppenadäquat eingestuft werden; die Belegung des Werbeteils kennt diese Einschränkung praktisch nicht. Individuelle Aufmerksamkeit wird ebenfalls selektiv gewährt und bleibt auf jene Produkte beschränkt, die aus individueller Perspektive irgendeine Bedeutung (Neuigkeit, Interesse, Betroffenheit) besitzen; gemeinsames Produkt- oder Themeninteresse konstituiert dabei Bezugsgruppen als Teile von Öffentlichkeit. In gleicher Weise selektiv ist der Prozess der Informationsverarbeitung und damit die Tiefe, mit der Produkte wie Produktinformationen als komplexe Sachverhalte wahrgenommen werden. Um mit dem Problem der Komplexität umzugehen und diese zu reduzieren, konzentriert sich Informationsverarbeitung einerseits auf markante Merkmale eines Produktes, denen Repräsentativität unterstellt wird, und andererseits auf Merkmale, die sich an spezifische Produktinteressen der Informationsverarbeitenden knüpfen. Gemeinsam erfahren sie eine individuelle Bewertung, die Stellvertreterfunktion für das Ganze hat und der Erinnerung, Identifikation und Orientierung dient. Die so gewonnenen, rudimentären Vorstellungsbilder Einzelner werden zu einem Image, wenn sie in ihrer Grundausrichtung von verschiedenen Personen geteilt werden und öffentlich präsent sind. Marketingkommunikation macht sich diesen Umstand zu Nutze, indem sie die aus ihrer Perspektive wesentlichen Produktmerkmale hervorhebt, Bewertungsvorschläge macht und ein Produkt als eine auf wenige zentrale Merkmale reduzierte Marke kommuniziert. Werte und Informationen sind Orientierungsgrößen in Meinungsbildungsprozessen. Werte sind dabei „Konzeptionen des Wünschenswerten, die [..] als zentrales Referenzsystem menschlichen Denkens und Handelns auch […] das Kaufverhalten prägen“ (Mast/Huck/ Güller 2005: 71). Sie positionieren ein Produkt, schaffen Interesse und Bedürfnisse, stellen aber keine konkreten Produktinformationen bereit. Eine konkrete, über den Umgang mit Produktimages hinausgehende Informationsnachfrage entsteht dann, wenn Meinungsbildner ihrem Mitteilungsverhalten (indirekter Absatzeinfluss) und potenzielle Kunden ihrem Entscheidungsverhalten (direkter Absatzeinfluss) bestimmte Informationen zugrunde legen wollen. Die Kommunikation von Marken und die Verbreitung von Produktinformationen bilden damit zwei unterscheidbare Probleme der Marketingkommunikation. Das Problem der Aktualisierbarkeit schließlich resultiert aus einem gewissen Widerspruch, in dem Aufmerksamkeit und Markenbildung zueinander stehen. Medien gewähren Aufmerksamkeit, wenn ein Sachverhalt einen Neuigkeitswert besitzt. Produkte durchlaufen als
Kommunikation mit dem Kunden
745
Themen öffentlicher Kommunikation einen bestimmten Thematisierungszyklus, ehe sie als solche nicht mehr aktualisierbar sind, weil sich ihr Nachrichtenwert erschöpft hat. Ein Markenauftritt bedarf entsprechend immer wieder thematischer Neuinszenierung, damit eine Marke aktualisierbar bleibt und fortgesetzte Medienresonanz erfahren kann. Demgegenüber stehen Marken für Kontinuität der mit ihnen verknüpften Werte. Ihre Akzeptanz setzt Vertrauenswürdigkeit und Berechenbarkeit und damit streng genommen das „Immergleiche“ voraus (Bentele/Hoepfner 2004: 1549), was Möglichkeiten zur Neuinszenierung und damit die Chancen ihrer Aktualisierbarkeit in den Medien eingrenzt. Auch dieses Problem hat Marketingkommunikation und hier insbesondere Marken- und Produkt-PR zu lösen.
3.
Instrumente der Marketingkommunikation
Um Marken- und Produkt-PR funktional in die Marketingkommunikation einordnen zu können, eignen sich Marketingansätze, die das Zusammenwirken der Instrumentalbereiche und Instrumente des Marketing-Mix thematisieren. Einen derartigen Ansatz liefert Becker (1993: 461 ff.), der den Marketing-Mix zu einer 3x3er-Systematik darstellt. Er unterscheidet drei Instrumentalbereiche: Angebotspolitik mit der Aufgabe, marktfähige Produkte und damit die Basisleistung zu schaffen (= Produktleistung), Distributionspolitik mit der Aufgabe, für eine ausreichende Verfügbarkeit dieser Produkte im Markt zu sorgen (= Präsenzleistung) und Kommunikationspolitik mit der Aufgabe, für die angebotenen Produkte marktadäquate Profile zu erarbeiten und zu vermitteln (= Profilleistung).
Komponenten des Marketing-Mix (Marketinginstrumente) Präsenzleistung (Vertriebspolitik)
Produktleistung (Angebotspolitik)
Profilleistung (Kommunikationspolitik)
Absatzwege Absatzorganisation Absatzlogistik
Produkt Programm Preis
Werbung PR-Aktivitäten Verkaufsförderung
Abbildung 1:
Komponenten des Marketing-Mix bei Becker (1993) (eigene Darstellung)
746
Peter Szyszka
Bei Becker werden durch die Integration des Preises (monetäre Wertigkeit) in die Angebotspolitik alle Merkmale, die ein Produkt primär charakterisieren, gemeinsam in den Mittelpunkt gerückt und von „Methoden und Werkzeugen“ (Becker 1993: 463), die für dessen physische und psychische Präsenz am Markt sorgen sollen, abgegrenzt (vgl. Abbildung 1). Aus kommunikativer Perspektive birgt die Produktleistung primäre Informationspotenziale (Produktwahrnehmung und -bewertung), während die Präsenzleistung als sekundäres, aber mögliches Potenzial für Meinungsbildung einzustufen ist. Mit ihrer Profilleistung schließlich will Marketingkommunikation die Auseinandersetzung mit einem Produkt initiieren, unterhalten, ausgestalten und auf den Produktabsatz hinwirken. Becker unterschätzt in seiner Darstellung das strategische Potenzial der Kommunikationspolitik, da er u. a. PR-Aktivitäten nicht in einem absatzbezogenen Sinne in sein Modell integriert, sondern ebenfalls nur eine Verknüpfung zur Unternehmenskommunikation herstellt (Becker 1993: 469 ff.). So muss der Denkansatz an dieser Stelle weiterentwickelt werden.
Kommunikationspolitische Instrumente des Marketings als Teil der Unternehmenskommunikation öffentliche Präsenz
öffentliche Publizität
Verkaufortspräsenz
Aufmerksamkeit
profilierende/ entscheidungsalleinstellende beeinflussende Information
Handlungsunterstützung
Werbung
absatzbezogene PR-Aktivitäten
Verkaufsförderung
Marken-PR
Produkt-PR
absatzorientierter Kommunikationsprozess
Abbildung 2:
Instrumente der Marktkommunikation im absatzorientierten Kommunikationsprozess
Werbung und Verkaufsförderung können als Pole im Prozess der Marketingkommunikation aufgefasst werden, mit deren Hilfe das ökonomische Ziel eines finalen Kaufverhaltens angesteuert wird (vgl. Abbildung 2): Werbung als Instrument der Prozesseröffnung, das Aufmerksamkeits-, Animations- und Stimulationsleistungen für ein Produkt mit dem Ziel erbringt, Interesse hervorzurufen und bei potenziellen Kunden auf eine Kaufentscheidung hinzuwirken. Verkaufsförderung als Instrument des Prozessschlusses, das mittels kommunikativer Methoden, Maßnahmen und Medien den Kaufwilligen beim Auffinden eines Produktes am Verkaufort und bei dessen Kaufhandlung unterstützen soll.
Kommunikation mit dem Kunden
747
Zwischen diesen beiden Polen vollzieht sich der Prozess der Kaufentscheidung, der von Fall zu Fall unterschiedliche kommunikative Ansprüche stellt: Dieser unterscheidet hier rationales, gewohnheitsmäßiges, impulsartiges und sozial abhängiges Kaufverhalten. Das Spektrum unterschiedlicher Formen von Informationsnachfrage reicht entsprechend von absichtsloser, zufälliger Informationsaufnahme bis zur aktiven Suche nach Informationen (Kroeber-Riel 1992: 255). Mit unterschiedlicher Gewichtung spielen dabei die vorstehend schon thematisierte profilierte Bekanntheit eines Produkts und die Verfügbarkeit von Produktinformationen als Produkt-Publizität in Kommunikationsprozessen ihre Rollen. Produkt-Publizität in Medien als indirekte Kundenkommunikation herzustellen, ist das zentrale Aufgabenfeld absatzbezogener Medienarbeit. Absatzbezogene Medienarbeit zielt einerseits auf eine möglichst profilierte Präsenz von Produkten in den Massenmedien und andererseits auf eine möglichst glaubwürdige Weiterverbreitung entscheidungsrelevanter Produktinformationen. Entsprechend dieser beiden Zielsetzungen (vgl. Abbildung 2) lassen sich absatzbezogene Public-Relations-Aktivitäten in zwei Typen unterscheiden, die sich beide des Instruments der Medienarbeit bedienen (Szyszka 2005b: 147 ff.): Marken-PR als der profilprägende Typ absatzbezogener Public Relations-Aktivitäten, der Produkte auf Basis zentraler Merkmale im öffentlichen Bewusstsein mit gewünschten Bewertungen möglichst alleingestellt, profiliert und differenziert positionieren und Entscheidungsprozesse einleiten will, und Produkt-PR als der profilkonkretisierende, informationsorientierte Typ, der meinungsbildungs- und entscheidungsrelevante Informationsangebote zu einem Produkt bereitstellt, um damit tiefergehende, entscheidungsrelevante Informationen in öffentlicher Kommunikation verfügbar zu machen und Entscheidungsprozesse zu unterstützen.
4.
Formen absatzunterstützender PR-Arbeit
Absatzunterstützende PR-Arbeit ist produktbezogene PR-Arbeit im Rahmen der Marketingkommunikation. Sie bedient sich dazu der Instrumente unternehmenspolitischer PR-Arbeit und verbleibt ein Prozess des Kommunikationsmanagements. Als Managementprozess setzt sich absatzunterstützende PR-Arbeit mit dem Absatzmarkt als Meinungsmarkt auseinander, beobachtet und analysiert Meinungsbildungs- und -entwicklungsprozesse, führt diese Erkenntnisse mit absatzpolitischen Zielsetzungen zusammen und entwickelt Kommunikationsprogramme, um den Absatzprozess mit ihren Mitteln zu unterstützen.
748
4.1
Peter Szyszka
Marken-PR
Für den Markenbegriff findet sich in der Literatur keine einheitliche Definition. Semiotisch betrachtet ist eine Marke ein Bedeutungsträger, der als öffentlich zugänglicher Zeichenkomplex wenige, als wesentlich betrachtete Aussagen und Werte zu einer Schlüsselbotschaft zusammenfasst (Bentele/Hoepfner 2004: 1542). Auf Grund der immer selektiven Verarbeitung von Produktinformationen ist es dabei für das Entstehen einer Marke unerheblich, ob ein Produkt von seinem Anbieter bewusst als solche kreiert wird oder ob es durch die mit dem Angebot eines Produktes kommunizierten Merkmale und Bedeutungsvorschläge zur Markenbildung kommt. Eine Marke ist das zentrale Element eines Beziehungssystems zwischen dem Anbieter eines Produktes, der dessen für ihn wünschenswerte Charakteristik kommuniziert, und den für den Anbieter relevanten Teilen des öffentlichen Meinungsmarktes (Absatzmarkt und Marktumfeld), die ihr eine interessen- und bedürfnisbedingte Bewertung zuordnen. Sie müssen ein gewünschtes Markenprofil kennen und akzeptieren, damit die vom Anbieter angestrebten Diskurs-, Bedürfnis- und Nachfrageeffekte zustande kommen können. Um die Kommunikationsproblematik aufzeigen zu können, ist es sinnvoll, den Begriff der Marke abzugrenzen. Unter Marke wird hier ausschließlich der ein Produkt markierende Zeichenkomplex als zentrales Kommunikat (Aussagen- und Werteschema) über ein Produkt verstanden, das von dessen Anbieter ausgeht. Markenimage ist analog dazu das Schema, das eine Bezugsgruppe in Markt und Marktumfeld einem Produkt als ein bewertetes Vorstellungsbild zuweist. Abhängig von der Unterschiedlichkeit der Interessen und Bedürfnisse, aber auch der grundlegenden Werteschemata differenter Bezugsgruppen (z. B. soziale Milieus) kann ein Produkt über unterschiedliche Markenimages verfügen. Der Grad der Markenakzeptanz markiert dabei Übereinstimmungen und Differenzen zwischen Marke und Markenimages, der Grad der Markenkonsistenz die Ausrichtung der Markenimages untereinander. Der Markenwert schließlich ist die akquisitorische Kraft, mit der eine Marke im Absatzmarkt wirkt. Er wird vom angebotenen Schema einer Marke und dessen Akzeptanz, den Markenimages und ihrer Konsistenz sowie vom unterstellten Nutzwert beeinflusst, hängt letztlich aber vom tatsächlichen Absatz des markierten Produktes im Markt ab. In Anlehnung an einen Vorschlag von Merten (2004: 53 ff.) lassen sich der Marken-PR fünf Aufgaben zuweisen: Bekanntmachung und Steigerung des Bekanntheitsgrades einer Marke, Kommunikation der Einzigartigkeit einer Marke als Alleinstellungsanspruch und Differenzierung gegenüber anderen Marken, Kommunikation von Schlüsselbotschaften zur Ausprägung von Markenidentität (zentrale Produktmerkmale, Grund- und Zusatznutzen), Unterstützung der Ausprägung gewünschter Markenimages und der Schaffung von Handlungsanreizen,
Kommunikation mit dem Kunden
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Befestigung gewünschter Überzeugtheit von der Marke bei Bezugsgruppen. Die Führung einer Marke im Meinungsmarkt macht es darüber hinaus erforderlich, Markenakzeptanz und Markenkonsistenz, die Position der Marke im Meinungsmarkt sowie deren inhaltliche Ausrichtung und Entwicklung fortlaufend zu kontrollieren, zu analysieren und mit kommunikativen Mitteln zu beeinflussen. Marken-PR soll eine Marke im öffentlichen Meinungsmarkt positionieren, profilieren und differenzieren, um Entscheidungsprozesse einzuleiten. Dabei knüpft sie – dem gängigen Verständnis nach – an Werbung an, die zuvor über kurzfristige, emotionale Aufmerksamkeitseffekte für rudimentäre Bekanntheit und mögliche gegenstands- und eigenschaftsgerichtete Interessen (Steffenhagen 1993: 290 ff.) an einem Produkt gesorgt hat. Werbung ist Selbstdarstellung und operiert in als solchen markierten Werberäumen. Präsenz durch Selbstdarstellung reicht jedoch nicht aus, um ausreichende Glaubwürdigkeitseffekte für eine Marke zu erzielen, für die publizistische Medienpräsenz erforderlich ist. Marken müssen also zusätzlich Themen journalistischer Fremddarstellung werden, um nach dem Durchlaufen des Filters journalistischer Selektion als geprüft und für gut befunden gelten zu können und von journalistischer Glaubwürdigkeit profitieren zu können. Dies gilt für die Einführung neuer wie auch den Wiederaufbau alter Marken. Ob Marken-PR damit Start- und Werbung Folgeinstrument ist, wie in populären Thesen (z. B. Ries/Ries 2002) vertreten wird, ist eine eher ideologische Frage: Beide Instrumente haben ihr eigenes, zweckmäßig miteinander zu verzahnendes Wirkungsspektrum. Marken-PR operiert in ihrem Kern nicht in markierten Werberäumen – diese haben hier nur eine ergänzende Funktion –, sondern sucht in erster Linie den Weg in den redaktionellen Teil der Medien, um nach Überwindung der Selektionsbarrieren Medienresonanz für eine Marke und deren Markenwelt zu generieren. Da sie auf journalistische Fremddarstellung und den damit verbundenen Glaubwürdigkeitsgewinn zielt, muss sie sich an der Systemlogik der Massenmedien orientieren. Neben Aktualität und Neuigkeit müssen Produktaussagen daher vor allem dem Kriterium der Wahrhaftigkeit entsprechen. Strategisch ausgerichtete Marken-PR setzt sich dazu fortlaufend mit den Stärken und Schwächen einer Marke und deren Chancen und Risiken im öffentlichen Meinungsmarkt auseinander. Sie transferiert Marken in Themen, um sie fortgesetzt öffentlichkeitsfähig zu machen und möglichst nah an Zielpublika heranzuführen. Bentele/Hoepfner (2004: 1554 ff.) benennen hierfür vier „Erfolgsfaktoren“: Issues-Management, da Markenführung der Themenselektion zur Entdeckung von Chancen und Risiken für Marken in Meinungsmärkten bedürfe, Konzentration auf Schlüsselbotschaften (Kernaussagen), um Markenidentität auf differenzierende und repräsentierende Kerngedanken zu reduzieren, die sie durch Alleinstellung und Faszination unterscheidbar machen, Storytelling, da Marken nur über bezugsgruppenadäquate Geschichten aktualisierbar seien, welche zielgenau den Transport der Schlüsselbotschaft in die Sprach- und (Er-) Lebenswelten dieser Gruppen leisten müssten, und
750
Peter Szyszka
Dialog-Kommunikation, da persönliche Begegnungen mit abstrakten Marken Markenrelevanz und Markenbindung in den Zielgruppen erhöhten.
4.2
Produkt-PR
Als profilkonkretisierender, informationsorientierter Typ absatzbezogener PR-Aktivitäten ist Produkt-PR – im Gegensatz zu Marken-PR – stärker inhaltlich ausgerichtet. Von der Prozesslogik her schließt Produkt-PR vor allem dann an Marken-PR an, wenn Kaufentscheidungsprozesse von einem höheren Involvement geprägt sind, wodurch in Markt und Marktumfeld eine intensivierte Informationsnachfrage entsteht. Während das Schaffen profilierter Bekanntheit seitens Marken-PR als initiative Informationstätigkeit eingestuft werden kann (Angebotssituation), muss sich Produkt-PR als reflexive Informationstätigkeit in ihren Aktivitäten an meinungsbildungs- und entscheidungsrelevanten Informationsbedürfnissen im Markt und Marktumfeld orientieren (Nachfragesituation bzw. unterstellbare Nachfragesituation).2 Sie hat die Aufgabe, merkmals- und anwendungs-/nutzenbezogene Informationen in notwendiger Breite und Tiefe in den Meinungsmarkt einzusteuern, um Entscheidungsprozesse zu stützen und die Entscheidung zugunsten des betreffenden Produkts zu beeinflussen. Wie zwischen Werbung und Marken-PR ist auch der Übergang von Marken- zu Produkt-PR in der Praxis fließend. Indem sich Produkt-PR an Informationsbedürfnissen von Meinungsführern und potenziellen Kunden (Mitteilungs- bzw. Entscheidungsverhalten), aber auch von Kunden (Verhaltensbestätigung) orientiert, ist sie eine Vermittlungsinstanz zwischen den tatsächlichen Produktzugängen von Informationsnachfragern (Fremdbilder) und dem gewünschten Produktzugang des Anbieters (Selbstbild). Innerhalb von Kaufentscheidungsprozessen soll sie mit ihren Aktivitäten die „Informationslücke“ füllen, die bei Entscheidungsprozessen entsteht, die für einen potenziellen Kunden mit Risikoempfinden (höheres Involvement) behaftet sind. Für dieses Risikoempfinden lassen sich drei markante Risikotypen ausmachen: finanzielles Risiko: Bewertung von (hohen) Kosten und Nutzen, technisches Risiko: Bewertung der Anwenderfreundlichkeit, Status-Risiko: Bewertung sozio-psychologischer Dimensionen/Effekte. Gegen ein empfundenes Risiko versucht sich ein potenzieller Kunde abzusichern, indem er Informationen nachsucht. Er kann hierzu (1) Selbstdarstellungsmedien des Produzenten (Internet, Publikationen), (2) Fachmedien (Fachzeitschriften, Special-Interest-Magazins) und (3) einschlägige Rubriken allgemeiner Medien, sofern diese über das Thema berichten, konsultieren oder (4) das Gespräch mit Personen suchen, die für ihn in der Fragestellung 2
In dieser Differenzierung entsprechen Marken-PR dem zweiten und Produkt-PR dem dritten PR-Modell von Grunig/Hunt (1984: 21 f.); vgl. auch Szyszka (2004a: 23 f.).
Kommunikation mit dem Kunden
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seines Risikoproblems den Status von Experten oder Semi-Experten genießen, weil sie Nutzer sind oder Themenkompetenz besitzen (persönliche oder institutionalisierte Meinungsführer). Soweit dieser Personenkreis nicht selber Nutzer des betreffenden Produktes ist oder über eigene Erfahrungen hinaus eine informationengestützte Expertise abgeben will, muss auch er produktbezogene Informationen nachsuchen, die er ebenfalls in den vorgenannten Medien findet. Dies unterstreicht nochmals die Bedeutung von Produkt-Publizität. Kunden und potenzielle Kunden als Marktfeld und Meinungsbildner als wesentliche Kommunikationsakteure des Marktumfeldes bilden gemeinsam den Meinungsmarkt eines Produktes, der in systemischer Perspektive fest in Öffentlichkeitsstrukturen eingebunden und Teil derselben ist (vgl. Abbildung 3). Maßnahmen der Produkt-PR zielen in ihrem Kern auf Produkt-Publizität in eben diesem Meinungsmarkt, wobei z. B. im Fall von Fachmedien Meinungsbildner und potenzielle Kunden direkter angesprochen werden als im Falle einer Präsenz in allgemeinen Medien. Angebotene Informationen diffundieren so auf verschiedenen Wegen und über mehrere Stufen durch dieses Meinungsmarktfeld, wie die Pfeile in Abbildung 3 zeigen. Neben Relevanz, Prägnanz und Wahrhaftigkeit angebotener Kernaussagen und Schlüsselbotschaften spielt hier im Prozessverlauf die Konsonanz von Informationen für deren Akzeptanz eine wesentliche Rolle. Im Gegenzug können auftretende Aussagediskrepanzen als Indikatoren für bestehende Kommunikationsprobleme eingestuft werden.
Vertriebsunterstützende PR-Aktivitäten
Öffentlichkeitsarbeit
Meinungsbildner
Potenzielle Kunden
Kunden Marktumfeld
Abbildung 3:
3
Markt
Produkt-PR als entscheidungsunterstützendes Informationspotenzial 3
Das Wirkungsmodell kann Marken-PR und Produkt-PR zugrunde gelegt werden.
752
Peter Szyszka
Produkt-PR ist ein Informationsmanagement, das potenzielle Informationsbedürfnisse in Markt und Marktumfeld antizipiert, entsprechende Informationen aufbereitet und mit Mitteln der PR-Arbeit zielgerichtet in diesen Meinungsmarkt einsteuert. Gegenüber den dabei unterscheidbaren Zielgruppen werden verschiedene Zielsetzungen verfolgt: Im Marktumfeld sollen Aufmerksamkeit, inhaltliche Bekanntheit/Informiertheit und positive Bewertung herbeigeführt werden, um Leistungen substanziell ins Gespräch zu bringen (Aktualität, Trend) und über den Umweg von Diskussion und Empfehlungen mittelbar Einfluss auf Entscheidungsverhalten zu nehmen. Beim potenziellen Kunden sollen durch die Verfügbarkeit entscheidungsrelevanter Informationen Verhaltensunsicherheit abgebaut und Risikoabsicherung (Orientierung an öffentlicher Meinung) erreicht werden, damit eine Kaufentscheidung zugunsten des eigenen Produkts erfolgen kann. Kunden schließlich sollen in ihrem Verhalten bestätigt werden, um sie als Kunden zu binden und gleichzeitig als potenzielle Meinungsführer zur Risikoabsicherung potenzieller Kunden zu aktivieren.
5.
Instrumente absatzunterstützender PR-Arbeit
Absatzunterstützende PR-Arbeit ist direkt oder indirekt auf die Gewinnung von ProduktPublizität ausgerichtet. Ihr zentrales Instrument dazu ist die Medienarbeit, mit deren Hilfe sie versucht, die Selbstdarstellung ihrer Produkte in journalistische Fremddarstellung zu überführen, um zwei Partizipationsziele zu erreichen: Multiplikationsziel: Informationsverbreitung in die Medienöffentlichkeit (Medienpräsenz) als Publizität. Glaubwürdigkeitsziel: Glaubwürdigkeitsgewinn durch indirekte (Auswahl) oder direkte journalistische Informationsbewertung. Da journalistische Fremddarstellung in der Regel auf die Vorleistungen der Medienarbeit von Marken- und Produkt-PR-Aktivitäten zurückgeht, muss hier genau genommen von fremddargestellter Selbstdarstellung gesprochen werden.
Kommunikation mit dem Kunden
5.1
753
Medienarbeit als Schlüsselinstrument
Pressearbeit oder mit einem moderneren Begriff Medienarbeit ist ein Instrument der Unternehmenskommunikation, das überall dort eingesetzt wird, wo Bezugs- und Zielgruppen auf einem indirekten, durch die Leistungen des Journalismus aufgewerteten Wege erreicht werden sollen. Unmittelbare und sozusagen zwischengeschaltete Zielgruppen der Medienarbeit sind dabei Journalisten, die als Selektionsinstanz über die Auswahl, Weiterverbreitung und Bewertung von Informationen entscheiden. Fengler/Ruß-Mohl (2007) beschreiben diesen Prozess als ein Tauschgeschäft, bei dem Journalisten für ihre Arbeit notwendige Vorleistungen in Form von Presse- oder Medienmitteilungen erhalten (Akzeptanz des Informationsangebots) und hierfür (Selektions-)Aufmerksamkeit und im Idealfall in wünschenswerter Form die angestrebte Publizität gewähren. Ob es sich dabei um eine Win-Win-Situation handelt, ist insbesondere in der Journalistik nicht unumstritten (Szyszka 2004b). Zentrales Mittel der Medienarbeit ist die Presse- oder Medienmitteilung. Sie ist ein autorisiertes Handlungsmedium des – hier absatzunterstützenden – Kommunikationsmanagements, das Journalisten ein Informationsangebot unterbreitet und dabei das primäre Ziel der Weiterverbreitung der in der Medienmitteilung angebotenen Kernaussagen und Schlüsselbotschaften verfolgt. Autorisiert bedeutet dabei, dass es sich um „offizielle“ Aussagen eines Unternehmens zu einem Sachverhalt handelt, bei denen man bereit ist, sich der Überprüfung ihrer Wahrhaftigkeit zu stellen. Ein zentrales Problem in der Arbeit mit Medienmitteilungen besteht darin, dass kein Anspruch auf eine Weiterverbreitung besteht. Im Gegenteil: Da die Konkurrenz um Medienaufmerksamkeit gerade in den Feldern von Marken- und Produkt-PR groß ist, erlangt nur ein kleiner Teil das angestrebte Ziel der Produkt-Publizität. Über ein Zustandekommen von Produkt-Publizität entscheidet der Nachrichtenwert.
5.2
Events als Thematisierungsinstrument
Nachrichtenwert knüpft sich an den Neuigkeitswert eines Themas wie an die Relevanz für das Zielpublikum eines Mediums. Während Relevanz in der Medienarbeit eine Diversifizierungsproblematik darstellt, die z. B. durch die Verbreitung unterschiedlicher, medientyp- oder medieninteressenbezogener Medienmitteilungen gelöst werden kann, ist der Neuigkeitswert eine grundlegende Problematik. Auch wenn der Neuigkeitswert von Produkten weniger an nachrichtliche Tagesaktualität gebunden ist, erschöpft er sich im Laufe der Markteinführung eines Produktes. Marken-, aber auch Produkt-PR steht damit vor dem zentralen Kommunikationsproblem, das Produkt als Thema fortlaufend aktualisieren zu müssen, ohne dabei bekannte Kernaussagen in Frage zu stellen. Fortgesetzte Produkt-Publizität bedarf also fortgesetzter thematischer Neuinszenierung des Markenauftritts, aber auch neuer, neu bewerteter oder neu inszenierter Informationsangebote zu Produktmerkmalen. Eine Möglichkeit hierzu
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Peter Szyszka
bieten Events, die neben ihrer lokalen Relevanz Berichterstattungsanlässe über ein oder im Kontext eines Produktes bieten und damit aus Perspektive der Produkt-Publizität als Thematisierungsinstrumente eingestuft werden können.
5.3
Ergänzende Selbstdarstellungsinstrumente
Neben Medienarbeit, die auf den redaktionellen Teil der Medien abzielt, kann absatzunterstützende PR-Arbeit auch Werberaum in Medien „kaufen“, um mittels PR-Anzeigen oder PRSpots Aussagen sicher und ohne den Einfluss journalistischer Bearbeitung zu verbreiten. In diesem Fall verbleibt Selbstdarstellung allerdings Selbstdarstellung, die als solche auch für das Medienpublikum erkennbar ist. Die Medienpräsenz beschränkt sich hier auf die Verbreitung von Informationsangeboten. Vergleichbar mit Werbung, in deren wahrnehmungspsychologischer Nähe diese Instrumente operieren, erreicht Präsenz im Werberaum gegenüber Präsenz im redaktionellen Raum geringere Aufmerksamkeits- und Glaubwürdigkeitswerte, was diese Instrumente in der Regel zu flankierenden oder ergänzenden Instrumenten von Produkt-Publizität macht. Neben Produkt-Publizität kann absatzunterstützende PR-Arbeit auch andere Medien als Selbstdarstellungsinstrumente einsetzen, muss hierzu deren Verbreitung aber selbst übernehmen. Insbesondere der Selbstdarstellung im Internet kommt dabei heute Bedeutung zu, da sich hier ein Unternehmen als Ganzes unter Einbeziehung seiner Produkte der Öffentlichkeit stellt. Die Selbstdarstellung von Produkten im Internet bietet die Möglichkeit, Produktinformationen leicht zugänglich bereitzustellen. Das Internet ist aber gleichzeitig ein Marktplatz, auf dem sich ein Informationsnachfrager auf prinzipiell gleiche Weise Informationen über Konkurrenzprodukte oder meinungsbildende Expertise – welcher Qualität auch immer – einholen kann. Der Beobachtung und Analyse von Meinungsbildungsprozessen zu Produkten im Internet als einem besonderen Teil des Meinungsmarktes Absatzmarkt kommt damit eine gleichgewichtige Funktion zu, was abschließend nochmals den Begriff des Kommunikationsmanagements illustriert.
6.
Fazit
Auch wenn es die PR- wie die Marketingdiskussion bisweilen zu suggerieren scheinen: Kommunikationsinstrumente sind nicht disziplingebunden und damit nicht ausschließlich einer
Kommunikation mit dem Kunden
755
bestimmten Disziplin der Unternehmenskommunikation zuzuordnen: Prinzipiell steht immer das ganze Repertoire in dessen Breite zur Verfügung. Auswahlentscheidungen sollten von der Frage der Zweckmäßigkeit und damit nutzenorientiert fallen. So ist Medienarbeit nicht nur Instrument der unternehmensbezogenen PR-Arbeit, sondern auch der Marketingkommunikation. Absatz- oder vertriebsunterstützende Medienarbeit kann sogar als klassisches Instrument der Marktkommunikation eingestuft werden, denn in der Praxis lässt sich deren breitflächiger Einsatz leicht bis in die 1960er Jahre und damit die Anfänge des Marketing zurückverfolgen. Dass die Marketingliteratur weitgehend auf eine Darstellung der spezifischen Instrumentalität produktbezogener Medienarbeit verzichtet hat, ist damit eher ein Paradoxum.
Literatur
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Peter Szyszka
Szyszka, Peter (2004b): Produkt-PR und Journalismus. Annäherung an eine verschwiegene Win-Win-Situation, in: Raupp, Juliana/Klewes, Joachim (Hrsg.): Quo vadis Public Relations? Auf dem Weg zum Kommunikationsmanagement, Wiesbaden, S. 66-78. Szyszka, Peter (2005a): PR-Verständnis im Marketing, in: Bentele, Günter/Fröhlich, Romy/Szyszka, Peter (Hrsg.): Handbuch der Public Relations, Wiesbaden, S. 241253. Szyszka, Peter (2005b): PR-Arbeit in der Marktkommunikation. Substitut der Werbung oder komplementäre Funktion?, in: Seufert, Wolfgang/Müller-Lietzkow, Jörg (Hrsg.): Theorie und Praxis der Werbung in den Massenmedien, Baden-Baden, S. 141-155.
Interne Unternehmenskommunikation
757
Interne Unternehmenskommunikation: Der Dialog mit Mitarbeitern und Führungskräften Claudia Mast
Die Alarmzeichen sind unübersehbar. Die Turbulenzen auf den Märkten nehmen zu. Unternehmen haben große Schwierigkeiten, sich dem unaufhörlichen Wandel anzupassen – mehr noch, sogar selbst Veränderungen zu produzieren. Gewinner in diesem globalen Rennen um die besten Plätze wird derjenige, der ein Kommunikationssystem vorweist, das mit Blick auf Tempo, Reaktionsfähigkeit, Beweglichkeit und Lernvermögen Spitze ist. Dabei haben sich die Bedingungen für die Optimierung der internen Unternehmenskommunikation verschärft. Die Ressourcen Zeit und Geld werden knapper, wohingegen die Komplexität der Einflüsse und Entscheidungen steigt (Doppler/Lauterburg 2000). Erfolgreich werden die Unternehmen sein, die Strategien und Projekte schnell umsetzen können, Prozesse flexibel und effizient beherrschen und es schaffen, dass Mitarbeiter und Führungskräfte engagiert mitziehen. Die Information der Mitarbeiter und deren kommunikative Einbindung in das Geschehen eines Unternehmens sind für den wirtschaftlichen Erfolg ausschlaggebend. „In the information age an organization's assets include the knowledge and interrelationsships of its people. Its business is to take the input of information, using the creative and intellectual assets of its people to process it in order to produce value. Internal communication is the core process by which business can create this value“ (Quirke 2000: 21).
1.
Interne Kommunikation als Wettbewerbsfaktor
Die interne Kommunikation wird vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen als Wettbewerbsfaktor unterschätzt (Mast 2000a: 14 ff.). Während die Großunternehmen systematisch Kommunikationsoffensiven zur Optimierung der internen Abläufe durchziehen (Klöfer/Nies M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_44, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Claudia Mast
2003), ist bei kleinen und mittleren Firmen noch großer Nachholbedarf. Sie vertrauen auf ihre natürliche Kommunikationsfähigkeit, d. h. auf die überschaubaren Strukturen und Mitarbeiterzahlen. Dabei übersehen sie häufig, dass sich die Anforderungen an die interne Kommunikation ebenso dramatisch geändert haben wie die Bedingungen auf dem Markt. Damit rücken die Binnenabläufe eines Unternehmens in den Mittelpunkt der Betrachtung. Sie wurden über Jahrzehnte in ihrer Bedeutung für den Geschäftserfolg unterschätzt, zumal in dieser Zeit das Management der klassischen Produktionsfaktoren (z. B. Kapital und Arbeit) genügend Spielraum für Produktivitätssteigerungen eröffnete. Dies hat sich nun grundlegend geändert. Die klassischen Faktoren scheinen ausgereizt zu sein, wohingegen die Art und Weise, wie sich Mitarbeiter und Führungskräfte über das weitere Vorgehen verständigen, über Gewinn- und Verlustchancen auf den Märkten entscheiden. Unternehmen leiden an Hypotheken der Vergangenheit – starre Strukturen, bürokratische Abläufe und Menschen, die sich an den Status quo klammern (Wyatt 1998). Dabei benötigen sie ein Kommunikationssystem, das ihre Beweglichkeit fördert und die Mitarbeiter ermutigt, am kontinuierlichen Wandel mitzuarbeiten und ihn auch emotional zu akzeptieren. Indem Kommunikation die Umsetzung von Strategien und Vorhaben fördert, schafft sie Unternehmenswerte. Durch Kommunikation können Unternehmen Werte erhöhen oder sie aber zerstören (Mast 2005). Ein einprägsamer Vergleich in Form eines Symbols illustriert, welches Ausmaß die Veränderungen in der Kommunikationslandschaft annehmen können. Die Wirtschaftsberatungsgesellschaft KPMG Netherlands krempelte vor vielen Jahren ihre Unternehmenskultur um und verglich ihre alte Form mit einem trägen Flusspferd, das gern viel schläft und aggressiv reagiert, wenn es gestört wird. Die Zukunft sollte eher einem Delfin gleichen – verspielt, lernbegierig und einsatzbereit im Team auf den Weltmeeren. Sind die Kommunikationssysteme der Unternehmen für diese Anforderungen gerüstet? Kritische Stimmen nehmen zu, die betonen, dass die Leistungsfähigkeit der internen Kommunikation ungenügend sei. Watson Wyatt Managementconsulting (1998) hat über 2.000 Vorstände und Führungskräfte in 23 Ländern befragt. Ihr Votum ist trotz kultureller Akzente überraschend homogen. Die drei größten Barrieren für Veränderungen sind die innerbetrieblichen Abläufe und Routinen („Unternehmenskultur“ 30 Prozent), der Widerstand der Mitarbeiter (15 Prozent) und fehlende Qualifikationen im Management, das mit dem Wandel nicht umzugehen wisse (13 Prozent). Wichtigster Ansatz, um die Produktivität zu verbessern, ist für 59 Prozent der befragten Manager weltweit die Verbesserung der internen Kommunikation, der Konsens über angestrengte Ziele und Werte (53 Prozent) sowie eine Erhöhung der Qualifikation und des Wissens der Belegschaft (42 Prozent).
Interne Unternehmenskommunikation
759
Der Nutzen effizienter Kommunikationsabläufe ist durch eine Vielzahl an Fallstudien (Klöfer/Nies 2003, Klöfer 1996, Kieser/Hegele/Klimmer 1998, Mohr/Woehe 1998, Mohr 1997, Noll 1996) belegt: Rasche Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung im Unternehmen; Beschleunigte Umsetzung von Plänen und Projekten; Steigerung der Produktivität bei Veränderungsprozessen; Hohe Mitarbeitermotivation und -bindung. Unternehmensführung ist Kommunikationsmanagement geworden, oder wie es Peter F. Drucker formuliert: „Management ist Kommunikation“. Kommunikation ist zwar kein Allheilmittel gegen jedes auftretende Problem, aber eine Veränderungsenergie, die sich in der Isolation – getrennt von Personal-, Management- und Organisationsentwicklung – nicht entfalten kann. Kommunikationsmaßnahmen werden häufig ex post als Mittel zur Behebung von Problemen ergriffen nach dem Motto „Wir haben eben nicht gut genug kommuniziert“. Sie sollten aber ex ante in die Unternehmensführung integriert werden. Sie sind das Wasser, in dem Delfine schwimmen.
2.
Die Scheu des Managements vor den weichen Faktoren
Immer neue Managementansätze wurden in der Theorie propagiert und Welle für Welle in der Unternehmenspraxis diskutiert (Eschenbach/Eschenbach/Kunesch 2003). Als Baumuster für die Aufgabenkataloge der Manager dienten bewährte Konzepte von Jay Galbraith oder McKinsey, die eines gemeinsam haben: Sie enthalten harte Faktoren wie Strategie, Strukturen oder Abläufe und weiche Faktoren wie Personal, Kultur oder Selbstverständnis. In Literatur und Praxis gleichermaßen ist ein Befund auffällig. Die meisten Manager beschäftigen sich lieber mit den harten Faktoren und meiden die weichen. Allerdings reichte es früher auch, sich nur um die harten Faktoren zu kümmern. Wer sich nicht um die weichen Faktoren bemühte, konnte dennoch erfolgreich sein. Das ist heute anders. Wenn die weichen Faktoren entsprechend berücksichtigt werden, sind auch die harten Zahlen in Ordnung (Brandes 2005). Die Scheu des Managements vor dem weichen Faktor Kommunikation hat mehrere Ursachen. Kommunikation ist schwer fassbar und erfordert eine selbstkritische Überprüfung des eigenen Verhaltens. Daher wenden sich Manager lieber den greifbaren Themen wie Änderun-
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Claudia Mast
gen der Organisation zu und delegieren die ungeliebten Kommunikationsaufgaben an andere, z. B. die PR- oder Personalabteilung. Das Handling der harten Faktoren ist auch vergleichsweise einfach, da die weichen Handlungsfelder auf das Gebiet der Meinungsbildung, der Verhaltensweisen, der Kommunikationsabläufe führen, bei denen nicht nur fassbare Größen wie Zahlen, Statistiken, Gesetze und Verordnungen eine Rolle spielen, sondern auch Emotionen aller Art wie Ängste, Unsicherheit, Machtgefühle, Neid, Eitelkeit, Eifersucht oder Wut (Mast 2006: 406 ff.). Dieses Feld ist den meisten Managern auf Grund ihrer Ausbildung fremd. Sie wissen nicht, wie sie dort Einfluss nehmen können. Bei der Auswahl der Führungskräfte (Personalentwicklung) werden auch soziale Fähigkeiten (z. B. Kommunikation) nur wenig, wenn überhaupt berücksichtigt (Jung 2005: 130 ff.). Dann bekommt der fachlich Beste eben die Führungsposition. Allerdings wird künftig der Wettbewerb der Unternehmen über die weichen Faktoren entscheiden. Die Faszination des Messbaren, der Kennzahlen, der statistischen Auswertungen und Portfolio-Charts verstellt den Blick auf die Basis solcher Erfolge oder Misserfolge getreu der längst überholten Managementweisheit: „Was man nicht messen kann, kann man auch nicht managen!“ Bereits Albert Einstein gab zu bedenken, dass nicht alles, was gemessen wird, auch von Bedeutung ist, und dass nicht alles, was wichtig, auch messbar sei. Das traditionelle Managementdenken hat aber eine Schwäche für exakt quantifizierbare Aufgaben. Sind die internen Kommunikationsabläufe im Unternehmen intakt, werden sie nicht wahrgenommen. Aufmerksamkeit erhalten nur die Mängel, z. B. Doppelarbeit, mangelnde Akzeptanz für Entscheidungen oder gescheiterte Projekte. Spürbar werden Defizite, die aber nicht gesondert in den Bilanzen oder Geschäftsberichten erscheinen. Sie produzieren daher auf den ersten Blick keinen Handlungsbedarf. Interne Kommunikation wird zudem als Kostenfaktor unterschätzt. Defizitäre Kommunikation kostet nur vermeintlich nichts. Wie viel Zeit und Geld wird wohl verschwendet, wenn Hauszeitschriften schlecht gemacht sind und nur von wenigen genutzt werden, wenn Rundschreiben so unklar formuliert sind, dass die Gerüchteküche kocht, weil man zwischen den Zeilen lesen muss, wenn Führungskräfte 70 bis 80 Prozent ihrer Arbeitszeit in ineffektiven Meetings sitzen? Eine Besprechung mit fünf Mitarbeitern, die alle zwei Wochen ca. drei Stunden abgehalten wird, kostet ohne Vor- und Nachbereitungszeit bzw. An- und Abreisezeiten je nach Branche zwischen 80.000 und 150.000 Euro pro Jahr. Spitzenkräfte erfordern ein Vielfaches. Technische Systeme (z. B. das Intranet) oder die Produktion von Medienangeboten (z. B. die Mitarbeiterzeitschrift) werden von vielen Managern als „die Lösung“ der Kommunikationsprobleme angesehen. Nun liege es alleine an den Mitarbeitern, wenn sie nicht genügend informiert seien. Zu glauben, dass die Etablierung eines leistungsfähigen Mediensystems allein bereits die Probleme löse, hat sich schon in der Vergangenheit als Irrtum erwiesen. Erfahrungen mit dem Einsatz des Intranets (Kalmus 1998: 121 ff., Hoffmann/Lang 2006) zeigen, dass die Akzeptanz und Rentabilität dieser Systeme erst dann zur vollen Entfaltung kommen, wenn sie in eine intakte Kommunikationslandschaft eingebettet werden.
Interne Unternehmenskommunikation
3.
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Das Trugbild des schlecht informierten Mitarbeiters
Je größer die Unsicherheiten auf den Märkten, aber auch die Verantwortungsspielräume beim Einzelnen werden und je weniger die Organisationsstrukturen in den Unternehmen Sicherheitsgefühle vermitteln, desto lauter werden in der Belegschaft stereotype Forderungen wie: „Wir brauchen mehr Informationen. Wir werden zu schlecht informiert.“ Der Abbau der Hierarchien in den Unternehmen hat – psychologisch betrachtet – Sicherheiten abgebaut, die bislang nicht kompensiert wurden. Das Management hat in der Vergangenheit mit zahlreichen Einzelmaßnahmen reagiert, um den Vorwurf der schlechten Mitarbeiterinformation zu beseitigen. Informationsdienste wurden ins Leben gerufen, die Hauszeitschriften aufpoliert, Themenbroschüren gedruckt und Medien aller Art eingesetzt, um der Belegschaft die Unternehmensstrategie oder Einzelprobleme zu erläutern. Auch Jahrestagungen und eine Vielzahl von Workshops ändern nichts an dem lauten Ruf nach mehr Information. Im Gegenteil: Er wird immer schriller. Kein Wunder, denn genau betrachtet geht es nicht um echte Informations-, sondern Kommunikationsdefizite (Brandes 2005). Innerbetriebliche Untersuchungen erbrachten, dass in gut 80 Prozent der Fälle nicht die Informationen, also die hard facts, die fehlenden News das Problem waren, sondern die mangelnde Beachtung und Mitwirkung des Personals, die fehlende Bewertung und Übersetzung der Fakten auf die besondere Situation des jeweiligen Mitarbeiters sowie das Fehlen einer persönlichen Adressierung und Ansprache der Mitarbeiter. Eine Befragung von Führungskräften und Betriebsräten eines international tätigen Forschungs- und Dienstleistungsunternehmens (Mohr 1997: 293) ergab, dass knapp die Hälfte der Belegschaft der Meinung war, es seien nicht genügend Informationen verfügbar (43 Prozent), außerdem nicht rechtzeitig (42 Prozent ) oder klar und präzise (45 Prozent). Weit mehr als die Hälfte (57 Prozent) wollen Informationen auf andere Weise, in einem anderen Stil (54 Prozent) und mit Feedback-Möglichkeit (66 Prozent). Der schlecht informierte Mitarbeiter (Kocks 2001: 129 ff.) ist ein Trugbild, das in die falsche Richtung weist. Es geht um die Kommunikationskultur eines Unternehmens, d. h. um die Einbindung der Mitarbeiter und Führungskräfte in das System der innerbetrieblichen Kommunikation, um deren Positionierung und Zugang zu den unterschiedlichen Formen des Austausches und der Kommunikation. Das Management hat aber – getreu der Vision, den Informationsstand zu verbessern – mit zahlreichen Einzelmaßnahmen reagiert, und nicht mit einer Prozess- bzw. Systemoptimierung. Das Kommunikationssystem eines Unternehmens, nicht nur in der Binnenperspektive, bedarf einer gründlichen Renovierung. Neben Informationsmaßnahmen treten interaktive, dialogisch aufgebaute Kommunikationsformen und die Optimierung des Beziehungsmanagements.
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4.
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Paradigmenwechsel in der internen Kommunikation
Der Wandel von der Verteilkommunikation zu interaktiven Prozessen in der internen Unternehmenskommunikation lässt sich an einem Instrument der Mitarbeiterinformation erläutern: der so genannten Informationskaskade. Informationen der Geschäftsleitung werden über die verschiedenen Führungsebenen weitergegeben, bis sie ganz unten beim letzten Glied der Kette ankommen. Dies ist ein häufig eingeschlagener Weg der Mitarbeiterinformation. Die Kaskade, ein künstlich geschaffener Wasserfall, mag Parkanlagen durchaus attraktiv bereichern, für ein effizientes Management von Unternehmenskommunikation unter den heutigen Bedingungen ist sie nur selten (z. B. in außergewöhnlichen Situationen wie bei Änderungen der Strategie oder Fusionen) geeignet. Im Regelfall jedoch erbringt dieser Kommunikationsweg unkalkulierbare Ergebnisse. Die Botschaften verlieren von Stufe zu Stufe an Kontext und gewinnen an zusätzlichen Bedeutungen bzw. Fehlinterpretationen. Je weiter sich die Informationen von der Ursprungsquelle entfernen, desto mehr werden sie mit unterschiedlichen Interessen und Motiven angereichert. Informationskaskaden können aus verschiedenen Gründen Mängel aufweisen: Mangelnde Klarheit und Eindeutigkeit der Botschaft am Ausgangspunkt. Häufig fehlt es an der Verbindung zwischen dem, was an Kommunikationsinhalten verbreitet wird, und dem, was die Rezipienten verstehen; ein kleiner Halbsatz, ein Semikolon, das von der Geschäftsleitungssitzung unter großen Mühen im Konsens gesetzt wurde, wird von den Empfängern nicht einmal wahrgenommen, oft wird es auch missverstanden, denn es macht keinen Sinn, ein Detail losgelöst vom Kontext zu kommunizieren. Fehlende Übersetzung der Botschaften auf die Belange der einzelnen Führungsebenen und dadurch lediglich Weiterreichung von immer „entfernteren Inhalten“. Distanzierung der Akteure nach dem Motto „Ich gebe das nur so weiter“. Verzerrungen durch Missverständnisse oder gezielte Eigeninteressen und persönliche Motive der Akteure. Feedback zur Verbesserung des Prozesses entsteht nicht oder zu spät („Warum funktioniert das immer noch nicht? Wir haben doch schon vor Wochen darüber informiert. Lesen unsere Mitarbeiter die Rundschreiben nicht?“). Die Leitidee des Prozessmanagements geht davon aus, Kommunikation nicht auf Verteilprozesse zu beschränken, sondern Austauschprozesse zu moderieren, zu gestalten und zu optimieren. Wenn Botschaften verbreitet werden, sollten die Kommunikationsinhalte vom ersten bis zum letzten Glied der Kette jeweils verbessert, mit lokalem Kontext angereichert und auf die Werte (Visionen, Leitbilder) ausgerichtet werden, die es zu betonen gilt (Simon 2004: 495 ff., Kalmus 1998: 28 ff.). Regelmäßiges Feedback aus allen Stufen sorgt für die Agenda der
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nächsten Runde oder anderer Kommunikationsformen. Außerdem können Medien wie Business-TV (Mast 1999: 21 ff.), Intranet (Hoffmann/Lang 2006) oder persönliche Briefe des Vorstandsvorsitzenden an alle Mitarbeiter den Kommunikationsprozess begleiten und dafür sorgen, dass die Ausgangsbotschaften auch wirklich unverfälscht am Ende der Kaskade ankommen. Die Einstellung der jeweiligen Akteure kann auch bei puren Verteilprozessen auf eine Verbesserung der Prozesskette ausgerichtet sein und einige Ebenen zusammenfassen oder überspringen. Nicht die partielle Weiterreichung von Inhalten ist das Ziel, sondern die inhaltliche Veredelung mit Blick auf die Rezipienten und das Setzen in den Kontext. In der Praxis stoßen solche Prozesse der internen Kommunikation noch auf vielfachen Widerstand. Dennoch kann versucht werden, Denkhaltungen in der Unternehmenspraxis zu fördern wie „Jeder ist Unternehmer“ oder „Jeder ist Kunde, auch der Kollege der Nachbarabteilung“. Das ist der Paradigmenwechsel, der in Theorie und Praxis erforderlich ist. Dieser Wechsel im theoretischen und praktischen Verständnis von Kommunikation ergänzt die instrumentelle Sichtweise des Faktors Kommunikation (Brandes 2005) durch die Aufgabe, Kommunikationsbeziehungen zu gestalten, in Kommunikationszyklen (Clampitt 2001) zu denken, den Adressaten im Auge zu behalten und letztlich die Koordinaten des Kommunikationsmanagements neu zu setzen. Diese sind: Erstens die konsequente Ausrichtung der internen Kommunikation auf Orientierungssysteme wie Unternehmenswerte (Zerfaß/Pfannenberg 2005), Marken (Hubbard 2004), Reputation (Hannington 2004) oder Image (Mast 2005). Zweitens die Vermittlung von Inhalten mit orientierendem Gehalt (z. B. Ziele, Botschaften). Drittens die Einbindung der Mitarbeiter und Führungskräfte in leistungsfähige Kommunikationsnetze, die sowohl reine Informationsprozesse als auch dialogische Formen und vor allem Feedback ermöglichen. Die meisten Ansätze der Unternehmenskommunikation verharren noch im instrumentellen Denken (Bruhn 2005, Bruhn 2000). Man ist sich bewusst, dass Kommunikation zum Geschäftserfolg beitragen soll, und versucht, anfallende Kommunikationsaufgaben durch klare Systematisierung und effizienten Einsatz von Instrumenten zu lösen. Interne Unternehmenskommunikation wird als ein strategisches Werkzeug betrachtet, das lediglich für das anstehende Problem geeignet sein müsse. Dabei gehen sie unausgesprochen von folgender Annahme aus: Je besser eine Botschaft formuliert ist und je einflussreicher der Kommunikator, desto höher ist auch die Wirkung bei der anvisierten Zielgruppe. Phillip G. Clampitt (2001: 2 ff.) hat die Metapher des Pfeils benutzt, um diesen Ansatz zu charakterisieren („Arrow Approach“). Für viele Manager kommt der Kommunikationsprozess einem Pfeil gleich, den man ins Ziel schießt: Eine E-Mail wird schnell und exakt adressiert. Wenn ein Kommunikator rechtzeitig und zielgenau eine Botschaft verschicke, sei das Problem gelöst. Das Kommunikationsmanagement kommt in dieser Vorstellung einer Art Engineering gleich. Sie ist effektiv, wenn der/die richtige Mann/Frau in der richtigen Sprache
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zur rechten Zeit eine richtige Maßnahme ergreift. Der Kommunikationsprozess wird als Einbahnstraße betrachtet und basiert vor allem auf Fertigkeiten und Fähigkeiten des Kommunikators. Wenn Defizite im Kommunikationsprozess auftreten, ist eher der Rezipient dafür verantwortlich: „Wir haben doch schon vor Wochen darüber informiert.“ Grundannahmen des traditionellen Verständnisses von interner Unternehmenskommunikation sind etwa: Wenn eine Botschaft die Mitarbeiter und Führungskräfte erreicht, wird sie aufgenommen, verstanden und akzeptiert. Was in den Augen des Kommunikators klar, verständlich und überzeugend ist, ist es auch in den Augen der Rezipienten. Feedback spielt eine geringe Rolle, vielmehr wird der Rezipient als passiver Adressat von Botschaften und Mitteilungen gesehen. Dieser instrumentelle Ansatz des Kommunikationsmanagements hat trotz der genannten Hypothesen durchaus Stärken (Clampitt 2001: 7 ff.). Er stimuliert zu klarem Denken, systematischem Vorgehen, akkuratem Formulieren von Anweisungen und deutlichen Botschaften. Er legt den Fokus der Betrachtung auf die Umsetzung von Aktionen und hat durchaus Erfolg, vorausgesetzt die Kommunikatoren kennen die Ziele und Sorgen der Bezugsgruppen genau. Ist dies nicht der Fall, weiß niemand, ob der „Pfeil“ auch ins Ziel ging. Jedenfalls fehlen jegliche Hinweise zur Optimierung sowie Korrekturmaßnahmen. Diese instrumentellen Ansätze der Unternehmenskommunikation (vor allem aus dem Marketing) verwenden modifizierte Stimulus-Response-Kommunikationsmodelle, die aus der Medienwirkungsforschung (Bonfadelli 2004a/2004b) bekannt sind. Eine Betrachtung der Kommunikationsvorgänge als Kreislauf oder Zyklus geht davon aus, dass Netzwerke aufgebaut und Beziehungen gepflegt werden müssen. Nicht der einzelne Kommunikationsakt steht im Vordergrund, sondern das Beziehungsmanagement, d. h. die Kommunikationsprozesse und die Einbindung des Einzelnen in Kommunikationsnetze. Clampitt (2001: 8 ff.) verwendet daher die Metapher des Kreislaufs („Circuit Approach“). Leitbild ist eine Zwei-Wege-Kommunikation in einem dynamischen Interaktionsfeld zwischen aktiven Sendern und Empfängern. Der Beziehungsaspekt und das Feedback sind wichtige Ansatzpunkte. Wer die Zielgruppe genau kennt und ihr zuhört, weiß, „wo der Schuh drückt“. Schließlich werden Botschaften nur im persönlichen Beziehungskontext interpretiert und verarbeitet. Interne Unternehmenskommunikation ist auf die Schaffung von Werten ausgerichtet, wenn sie die Umsetzung von Geschäftsstrategien befördert. Im Zentrum stehen Orientierung und Dialog, d. h. die Beeinflussung von Meinungen und Einstellungen sowie die Stärkung individueller Handlungsmotivationen, die Reduktion von Komplexität und das Management von Beziehungen, Medien und Inhalten.
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5.
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Kernbereiche der internen Kommunikation
Wer auf den Märkten erfolgreich sein will, definiert Kernkompetenzen (Thomsen 2001, Rose 2000, Staehle 1999: 87) und konzentriert sich auf seine Stärken. Wer den Schatz in den Köpfen der Mitarbeiter nutzen und mehren will (Wilkesmann/Rascher 2005, Pawlowsky/ Reinhardt 2002, Sanchez 2001), konzentriert seine Anstrengungen auf die Kernprozesse der internen Kommunikation. Stärken müssen auch hier souverän ausgespielt und Schwächen ausgemerzt werden. Die aktive Gestaltung dieser Kernbereiche betrieblicher Kommunikation ist eines der wichtigsten Management-Tools geworden, das wie Portfolio- (Garz/Günther/Moriabadi 2004, Spremann 2000) oder Speed-Management (Feldman/Spratt 2000) bzw. Benchmarking (Zdrowomyslaw/Kasch 2002) von Vorständen und Führungskräften gleichermaßen beherrscht werden muss. Untersuchungen (Mast 2003b, Mast 2000b: 184 f.) weisen auf drei zentrale Kommunikationswege hin, die – jeder auf seine Art – zum Kernbereich der internen Kommunikation gehören. Auf sie müssen sich die Aktivitäten der Unternehmen konzentrieren. Denn sie leben von schneller und effizienter Verarbeitung von Marktinformationen, der Nutzbarmachung und Mehrung der Wissenspotenziale im Unternehmen sowie der Motivation der Mitarbeiter.
5.1
Intranet
Den ersten Kernbereich der Unternehmenskommunikation bildet die elektronisch gestützte Kommunikation des Intranets als Kommunikationsplattform (Hoffmann/Lang 2006, Mickeleit 2007). Die Unternehmen passen das Intranet an ihre speziellen Belange an und nutzen es zu mehreren Zwecken: Das Intranet optimiert als Arbeitsmittel die Produktionsabläufe und bündelt als Informations- und Kommunikationsplattform das Wissen, das Mitarbeiter ohne Filterung durch das Management abrufen können. Vor allem dezentral organisierte und international tätige Firmen profitieren von dem schnellen und kostengünstigen Kommunikationsnetz. Auf Grund seiner permanenten Verfügbarkeit und Schnelligkeit ist es besonders in Krisensituationen ein geeignetes Medium. Die Stärken des Intranets liegen in seiner Flexibilität und Aktualität. Als Medium zur Selbstbedienung offeriert es Informationen ohne hierarchische Barrieren, hebt Grenzen von Zeit und Raum auf und wartet geduldig auf den aktiven Nutzer. Mit einem Blitzstart stieß das neue Medium Intranet von den hinteren Rängen auf der Skala der Informationsquellen im Betrieb ganz nach vorne vor (Mast 2002: 43 f.). In bürogeprägten Unternehmen (Banken, Versicherungen, Dienstleistungsfirmen, Verwaltungen) ist es bereits das Leitmedium der internen Kommunikation. Die Auswirkungen des Intranets auf die Medienlandschaft der Unternehmen sind beachtlich. In vielen Firmen wurden Newsletter substi-
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tuiert und die Mitarbeiterzeitschrift im Umfang in der Erscheinungsweise und im Inhalt an die neuen Bedingungen angepasst. Auf dem ersten Platz, wenn sich Mitarbeiter im Betrieb informieren, rangieren seit Jahrzehnten die Vorgesetzten und Kollegen. Doch das Intranet macht den Chefs diese Platzierung in einigen Betrieben bereits streitig. „Im letzten Jahr ... hat das Intranet den Vorgesetzten ... abgelöst“, sagt stellvertretend für viele Firmen ein IBMSprecher (Mast 2000b: 188) und verweist auf aktuelle Mitarbeiterbefragungen. Die Einführung der Intranets in den Unternehmen birgt jedoch die ernste Gefahr einer „Zweiklassengesellschaft“ (Hoffmann 2001: 174 ff.; Rifkin 2001): diejenigen, die mit den leistungsfähigen Netzen arbeiten, und die Nicht-Nutzer. Die elektronischen Informationen erreichen oft nur einen Teil der Mitarbeiter, da nicht an jedem Arbeitsplatz ein PC steht. Vor allem gewerbliche Mitarbeiter in den Produktionsbereichen sind von diesem Mangel betroffen. Erste Erfahrungen in den Unternehmen zeigen, dass vor allem Papierdokumente wie Handbücher, Adressenverzeichnisse, Umläufe und Rundschreiben Schritt um Schritt substituiert werden, da sie über das Intranet kostengünstiger, gezielter und aktueller verbreitet werden können. Das schwarze Brett als klassisches Medium verliert an Bedeutung, wird aber nicht verschwinden (Hoffmann 2001: 246 f.). Die „Bulletin Boards“ des Intranets übernehmen partiell seine Funktion, da reine Mitteilungsvorgänge per Netz leichter vollzogen werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass die Mitarbeiter Zugriff auf das elektronische System haben. Die Mitarbeiterzeitschrift allerdings behält ihren zentralen Platz in der internen Kommunikation (Meier 2002: 54 f.).
Für die Optimierung von Intranet-Kommunikation können die folgenden Fragen beantwortet werden – Spielregeln für das Einstellen von Informationen: Sind die Vorgaben ausreichend? Werden sie befolgt? – Strukturierung des Intranets: Muss das Eingangsportal modifiziert werden? Wie können die Suchprozesse verkürzt werden? – Personalisierung: Auf welche Weise können personalisierte und rollenbasierte Informationen und Dienstleistungen angeboten werden? Wie weit sollen die Mitarbeiterportale individuell gestaltbar sein, d. h. die Angebotsfülle nach Bedarf und Position der Nutzer gebündelt werden? – Zugang zum Intranet für alle Mitarbeiter: Auf welchem Weg sollen Mitarbeiter, die bislang noch nicht angeschlossen sind, Zugang zur Kommunikationsplattform erhalten? – Konzept zur Qualitätssicherung bzw. Entsorgung von Informationsmüll: Wie können mit Blick auf die Aktualität und Nutzerfreundlichkeit die Informationsbestände durchforstet werden? – Substitution der Papierdokumente: Auf welche gedruckten Ausgaben mit hohem Aktualisierungspotenzial kann künftig verzichtet werden?
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– Einbindung der Netzleistungen in das übrige Mediensystem („Verlinkung“): Wie können die Inhalte des Intranets und die gedruckten Informationen verbunden werden? Welche Bezüge und Hinweise sind sinnvoll und notwendig? – Interaktionsmöglichkeiten: Wie können die Feedback-Möglichkeiten des Netzes besser genutzt werden? Einige Unternehmen haben das Motto ausgegeben: Keine Seiten ins Netz ohne Feedback-Möglichkeiten. – Evaluation: Welche Angebote werden warum genutzt? Wie werden sie von den Bezugsgruppen bewertet?
5.2
Printmedien
Den zweiten Kernbereich der internen Unternehmenskommunikation stellen die Zeitschriften und gedruckten Dienste, allen voran die Mitarbeitermagazine, dar (Mast 2000b: 184, Viedebantt 2007). Nach der Verbreitung elektronischer Medien wie E-Mail, Intranet und BusinessTV verlagern sich die Leistungen der Druckmedien von der aktuellen Information über das Unternehmensgeschehen hin zur Vermittlung von Hintergründen und Zusammenhängen, zur Bewertung und Analyse von Problemthemen und zur emotionalen Bindung der Mitarbeiter an ihr Unternehmen. Ihre Inhalte müssen nun anders bearbeitet werden, wollen sie ihre neue Rolle aktiv ausfüllen. Am Beispiel der gedruckten Mitarbeiterzeitschrift und den Online-Informationen für die Belegschaft wird deutlich, dass neue Medien wie das Intranet eine Umorientierung des alten Mediums notwendig machen. Viele Mitarbeiterzeitschriften brauchen Fitness-Kuren, damit sie den Wettbewerb der Kommunikationskanäle bestehen. Sie müssen ihre Stärken als gedrucktes Medium optimieren. Denn in der Aktualität sind ihnen die elektronischen Systeme weit überlegen. Die gedruckten Zeitschriften können hingegen die Rolle des Wegweisers oder Navigators in der internen Unternehmenskommunikation übernehmen (Mast 2003b: 124 ff.). Die gedruckten Medien sind im Vorteil, wenn die Textlänge zwei bis drei Seiten überschreitet. In die Online-Angebote kann dann eine kurze Meldung zur Broschüre oder Zeitschrift eingestellt werden, die den Nutzer aufmerksam macht. In die gedruckte Ausgabe wiederum werden Hinweise auf Online-Informationen aufgenommen, die weitergehende Bedürfnisse der Leser befriedigen oder ständig aktualisiert werden. Alte und neue Textmedien sollten aber nicht nur entsprechend ihrer Eigenart, die die Nutzung prägt, optimiert, sondern gegenseitig vernetzt („verlinkt“) werden. Auf jeden Fall muss vermieden werden, dass Zeitschriften weiter produziert werden, als ob es die schnelleren Wege der Mitarbeiterinformation nicht gäbe, oder dass Inhalte, die für das Lesen auf Papier geschrieben wurden, ohne Bearbeitung in die elektronischen Speicher gestellt werden. Auswahl
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und Bearbeitung der Inhalte der gedruckten Medien müssen deshalb die veränderte Landschaft in den Unternehmen berücksichtigen. Die (tages-)aktuelle Information der Belegschaft und deren Versorgung mit Nachrichten zu Entwicklungen des Unternehmens können das Intranet oder das Business-TV übernehmen. Das entlastet die Redaktionskonzepte der Mitarbeiterzeitschriften, die sich nun auf Erklärung von Zusammenhängen und Erläuterung von Hintergrundinformationen sowie bewertende Analysen konzentrieren können. In dieser Funktion ist die betriebsinterne Zeitschrift unersetzbar. „Sie schafft die atmosphärische, emotionale Bindung ans Unternehmen nicht nur der Mitarbeiter selbst, sondern auch ihres sozialen Umfelds.“ (Sprecher von Microsoft, zitiert nach Mast 2000b: 188) Mitarbeiterzeitschriften, wenn sie den Freiraum durch eine Neupositionierung aktiv nutzen, können sich verjüngen und an Attraktivität gewinnen. Mitarbeiter erwarten von diesen gedruckten Medien jedenfalls nicht nur, dass sie professionell gemacht sind, sondern Transparenz fördern, damit Zusammenhänge in den stark arbeitsteiligen Unternehmen deutlich werden. Das ist auch die Voraussetzung für den Aufbau eines Wir-Gefühles, in dem sich der einzelne Mitarbeiter als Teil des Ganzen wiederfindet. Außerdem kann die Zeitschrift die notwendige Orientierung und Motivation der Belegschaft stärken, wenn sie die Unternehmenspolitik oder einzelne Vorstandsentscheidungen anschaulich erläutert.
So kann die gedruckte Kommunikation optimiert werden: – Neupositionierung der gedruckten Medien, damit sie gegenüber den elektronischen Konkurrenten ihre Stärken ausspielen und ihre Schwächen minimieren können; – Vernetzung der gedruckten Medien mit Online-Informationen, z. B. durch Hinweise auf aktuelle Intranet-Informationen; – Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit und Attraktivität der gedruckten Medien (Evaluation), z. B. aussagekräftige Bildausschnitte, die wirklich als Eyecatcher fungieren, und Themen, die dem Leser vor allem einen Nutzwert bringen; – Überprüfung des Erscheinungsintervalls und Umfangs der gedruckten Medien, zumal sie angesichts der elektronischen Informationsversorgung schlanker werden können; – Exakte Abgrenzung der Zielgruppen, die sich publizistisch angesprochen und betroffen fühlen müssen.
5.3
Persönliche Kommunikation
Der dritte Kernbereich der internen Unternehmenskommunikation ist die persönliche Kommunikation (Mast 2000b: 185, Mast 2000a: 32 ff.) der Vorgesetzten mit ihren Mitarbeitern,
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der Fachleute untereinander und im Kollegenkreis. Die Bedeutung der Face-to-Face-Kommunikation steigt, ihre Inhalte und Abläufe müssen sich den veränderten Bedürfnissen der Führungskräfte und Mitarbeiter anpassen. Das persönliche Gespräch (Neuberger 1998, Jung 2005: 469) ist – wenn es richtig eingesetzt und praktiziert wird – die wirksamste und effizienteste Form der Kommunikation, da es mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllt: Information, Interaktion, Interpretation und Beeinflussung. Persönliche Gespräche und Meetings geben den Kommunikationspartnern laufend Rückkoppelungsmöglichkeiten, indem sie abwechselnd sprechen, rückfragen und Unklarheiten beseitigen können. Das erklärt die Intensität der Beeinflussung, die in dieser Kommunikationsform möglich ist. Persönliche Gespräche sind anderen Kommunikationsformen überlegen, wenn intensive Kontakte aufgebaut und Einfluss auf die Kommunikationspartner ausgeübt werden sollen. Sie sind der Weg, auf dem komplexe Sachverhalte behandelt werden können und gleichzeitig ein Höchstmaß an emotionaler Ansprache möglich ist. Auf Grund der persönlichen Übermittlung von Botschaften und der Interaktivität dieser Kommunikationsform eignen sie sich besonders für die Motivation und Integration von Mitarbeitern, aber auch zur Beratung und Betreuung. Beim Verkauf von Produkten beim Kunden ist der Wert persönlicher Kommunikation längst anerkannt (Mast/Huck/Güller 2005: 156). Die persönliche Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle bei der Motivation und bei der Vermittlung von Veränderungen. Face-to-Face-Kontakte in Unternehmen sind dann wichtig, wenn Ziele und Botschaften erläutert und mit Leben gefüllt werden sollen (z. B. bei Dialogen mit Vorstandsvorsitzenden und Vorständen), es in der Kommunikation auf Nuancen ankommt, weil Emotionen im Spiel sind (z. B. bei Umstrukturierungen), komplizierte Verhandlungen geführt werden müssen (z. B. mit Kunden, die immer selbstbewusster Konditionen aushandeln), detaillierte Problemanalysen durchgeführt werden sollen (z. B. beim Verfehlen der Planvorgaben einzelner Abteilungen oder ganzer Geschäftsbereiche), Mitarbeiter/-innen für unangenehme oder schwierige Aufgaben gewonnen werden sollen (z. B. zur Mitarbeit bei Restrukturierungsmaßnahmen) oder generell Vertrauen in die Kompetenz und Souveränität des Managements vermittelt werden soll. Im Zeitalter der elektronischen Kommunikation sind besondere Anstrengungen notwendig, damit die persönliche Kommunikation die ihr gebührende Aufmerksamkeit erhält. Spezielle Programme haben sich z. B. bei der Dresdner Bank, der Deutschen Bank und bei Siemens bewährt. Je größer ein Unternehmen wird, desto größer wird auch der Aufwand, mit dem persönliche Begegnungen organisiert werden müssen.
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Face-to-Face-Kommunikation lässt sich so optimieren: – Organisation von Face-to-Face-Programmen, an denen nur ausgewählte Mitarbeiter und Manager teilnehmen (denn je voller die Terminkalender und je überbordender die täglich zu bewältigenden E-Mails werden, desto wichtiger wird die Organisation von persönlicher Kommunikation); – Kompetenzabgrenzung: Wer ist im Unternehmen verantwortlich für die Verbesserung der direkten Kommunikation? Sicher in erster Linie die Führungskräfte, aber wer gibt ihnen Hilfen und Service? Auf welche Weise kann die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Personal und Unternehmenskommunikation gestärkt werden?; – Sensibilisierung und Vorbereitung der Führungskräfte auf ihre neuen Kommunikationsaufgaben (z. B. Business-TV) und Schulung in den Optimierungsmöglichkeiten, die sie in ihrem Verantwortungsbereich haben; – Bewertung von Kommunikationsfähigkeiten als Kriterium für die Personalentwicklung, da persönliche Kommunikation das Selbstverständnis und die Qualifikation der Führungskräfte widerspiegelt.
Allerdings müssen sich die Abteilungen für Unternehmenskommunikation und vor allem die Manager darauf einstellen, dass Inhalt und Ablauf persönlicher Gespräche dem veränderten Medienszenario in den Unternehmen entsprechen. Was die Mitarbeiter bereits aus den internen Medien erfahren haben, wollen sie von ihren Chefs nicht nochmals hören. Die Vorgesetzten müssen selbst bestens informiert sein, denn ihre Mitarbeiter verlangen nach einem Kompass in der Informationsflut. In dieser Rolle benötigen sie Unterstützung von den Abteilungen für Unternehmenskommunikation.
6.
Wettbewerbsvorteile durch Kommunikations-Mix
Doch nicht nur das Auftauchen der neuen Kommunikationswege verändert die Medienlandschaft eines Betriebes, sondern auch der enorme Zuwachs an medialen Möglichkeiten. Wurde über Jahrzehnte die Mitarbeiterzeitschrift im besten Fall noch von Informationsdiensten, Druckschriften und Aushängen am „schwarzen Brett“ ergänzt, ist die Medienwüste nun zu einem Dschungel geworden: Intranets, Business-TV und Business-Radio, Videokonferenzen, Voice-Mail, E-Mail, Mobiltelefone, Telefonkonferenzen, Videokassetten und viele andere Medien sind hinzugekommen. Ihr Einsatz sollte systematisch geplant werden. Hierbei hilft eine erste Bestandsaufnahme und Ordnung der vorhandenen Medien. Da sie in der Vergan-
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genheit nach und nach hinzugekommen sind und jeweils eine „Tradition“ haben, kann eine systematische Ordnung nach Inhalten, Zielgruppen, Erscheinungsweise, Kosten, verantwortlichen Abteilungen und Akzeptanz- oder Nutzungswerten einen Überblick über das Arsenal der Kommunikationswege geben. Die Herausforderung für die interne Unternehmenskommunikation liegt zum einen darin zu erkennen, für welche Kommunikationsaufgaben die einzelnen Medien in Frage kommen und sie gezielt einzusetzen. Zum anderen muss darauf geachtet werden, dass der Kommunikations-Mix stimmt, d. h. die Medien aufeinander abgestimmt sind und die personale Kommunikation nicht verdrängt wird. Der Kommmunikations-Mix (Bruhn 2006) – darunter versteht man den aufeinander abgestimmten Einsatz mehrerer Formen (z. B. Tagungen und Meetings) und Medien (z. B. Mitarbeiterzeitschrift und Intranet) der Kommunikation – kann nach folgenden Kriterien geordnet und gestaltet werden: Die Richtung, die ein Kommunikationsvorgang in der Firma nehmen soll: Zu unterscheiden ist die Abwärtskommunikation („top down“), Aufwärtskommunikation („bottom up“) und die horizontale Kommunikation des gegenseitigen Austausches („in between“). Die meisten Unternehmen verfügen über zahlreiche, gut organisierte Kanäle der Abwärtskommunikation, wohingegen die Aufwärtskommunikation oder gar der horizontale Austausch eher dem Zufall oder informellen Kontakten überlassen wird. Medien wie das Intranet können diese Kommunikationsbeziehungen stärken. Face-to-Face-Programme sind aber unerlässlich. Kernbereiche der internen Kommunikation: Zu unterscheiden ist zwischen personaler Kommunikation („Face-to-Face-Kontakte“), den gedruckten Medien und elektronischer Kommunikation (z. B. Intranet, E-Mail, Business-TV). Diese Kernbereiche der internen Kommunikation müssen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit gezielt eingesetzt und miteinander vernetzt werden. Funktionalität der Kommunikationswege: Eignen sich die Kommunikationsformen auch für bestimmte Ziele und Aufgaben und werden Ressourcen verschleudert? Dies ist der Fall, wenn für eine einfache Kommunikationsaufgabe (z. B. die Abstimmung eines Termins) eine Besprechung im größeren Kreis über mehrere Minuten unnötigerweise aufgehalten wird. Es gibt aufwändige und einflussreiche Kommunikationswege wie das persönliche Gespräch oder das Business-TV und eher „ärmere“ Kommunikationskanäle wie Rundschreiben, Broschüren und Briefe, deren Möglichkeiten zur emotionalen Ansprache der Mitarbeiter geringer sind. Eine Verschleuderung von Ressourcen liegt dann vor, wenn „reiche“ Medien für einfachste Kommunikationsprozesse (z. B. das Informieren über aktuelle Zahlen und Fakten) eingesetzt werden. Ihr Potenzial ist dann nicht voll ausgeschöpft (Pribilla/Reichwald/Goecke 1996, Daft/Lengel 1986). Die symbolische Bedeutung der Kommunikationsformen spielt vor allem in emotional angespannten Situationen eine Rolle, z. B. Unfällen, gravierenden Wandlungsprozessen oder Konflikten. Wenn Mitarbeiter unangenehme Nachrichten auf schriftlichem Weg erfahren, während das Management dazu schweigt, deuten sie den gewählten Einsatz des neuen Mediums – in diesem Fall eines Briefes – auf ihre Weise. „The medium is the message“
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(McLuhan/Fiore 1967). Die Wahl des Mediums kann die Botschaft sein, denn es hat eine symbolische Bedeutung. Das Kommunikationsziel und die zu erledigenden Aufgaben bestimmen die Wahl des Mediums. Wenn der Einsatz von Medien im Betrieb aus Zufall, Tradition („weil wir es immer schon so gemacht haben“) oder persönlichen Vorlieben (z. B. eines Computer-Freaks) gesteuert wird, werden die Defizite in der Unternehmenskommunikation kaum behoben. Der Einsatz neuer Medien wie Intranet und Business-TV oder die Modernisierung der alten, gedruckten Medien wie Mitarbeiterzeitschriften sind keine hinreichenden Erfolgsfaktoren der Unternehmenskommunikation mehr. Erst die Verknüpfung der drei strategischen Kommunikationsbereiche persönliche Kommunikation, gedruckte und elektronische Medien sowie die Verzahnung der einzelnen Medien eröffnen einen Vorsprung im Wettbewerb der Unternehmen untereinander.
7.
Ausblick
Dialogorientierte Kommunikation im Visier und ein für die Praxis tauglicher Mix an Kommunikationswegen sind Herausforderungen für das interne Kommunikationsmanagement von Unternehmen. Die Kernprozesse der internen Kommunikation – Face-to-Face-Kommunikation, schriftliche und gedruckte Medien sowie elektronische Medien – müssen vernetzt werden. Die aktive Gestaltung und Optimierung dieser Kernbereiche ist eines der wichtigsten Management-Tools geworden, das wie Portfolio- oder Speedmanagement und Benchmarking von den Unternehmen gezielt eingesetzt werden muss. Wettbewerbsvorteile werden durch die geschickte Verknüpfung der Kommunikationsbereiche und die Einbettung des Einzelnen in leistungsfähige Kommunikationsnetze errungen. Die alleinige Optimierung einzelner Kommunikationsmaßnahmen reicht nicht mehr aus. Die Gestaltung des Kommunikations-Mix sowie der Cross-Media-Prozesse (Mast 2003a: 27 ff., Mast 2003b: 136 ff.) erfordern geänderte Abläufe in den Unternehmen. Das Kommunikationsverhalten der Mitarbeiter hat sich geändert. Welches Bild vom Mitarbeiter haben die Verantwortlichen für Unternehmenskommunikation bzw. die Führungskräfte vor Augen, wenn sie über eine Verbesserung der internen Kommunikation nachdenken? Glauben sie wirklich, dass Mitarbeiter die Hauszeitschrift lesen, nur weil sie von ihrem Unternehmen produziert wurde, oder Business-TV-Sendungen anschauen, nur weil Fernsehen ein vertrautes Medium für sie ist? Meinen sie wirklich, dass Mitarbeiter und Führungskräfte im Intranet auf verschlungenen Pfaden nach aktuellen Nachrichten suchen, während der Flurfunk bessere und interessantere Informationen liefert?
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Mitarbeiter überlegen genau, für was sie ihre Zeit investieren, denn der Ergebnisdruck an den Arbeitsplätzen hat in allen Unternehmen massiv zugenommen. Auf eine kurze Formel gebracht: Mitarbeiter sind eiliger, anspruchsvoller und kritischer geworden, denn sie müssen mit ihrer Arbeitsleistung kontinuierlich Ergebnisse liefern. Mitarbeiter haben immer weniger Zeit und suchen daher nach individualisierten Kommunikationsprozessen, die ihre speziellen Wünsche oder Sorgen berücksichtigen (Trend: Individualisierung der internen Kommunikation). Mitarbeiter benötigen Informationen mit Nutzwert, denn sie müssen mit den Inhalten etwas anfangen können. Das ist meist nicht nur eine Frage der Auswahl von Themen, sondern vor allem von deren Aufbereitung (Trend: Nutzwertorientierung der internen Kommunikation). Mitarbeiter wollen als Personen beachtet werden. Die persönliche Kommunikation wird wichtiger, aber schwieriger (Trend: Personalisierung der internen Kommunikation). Mitarbeiter ziehen Vergleiche zwischen der Machart von Medien, die sie im Betrieb nutzen und denen, die sie aus der Freizeit kennen. Mitarbeiterzeitschriften stehen in Konkurrenz zu Wirtschaftsmagazinen und Fernsehen im Unternehmen steht in Konkurrenz zu Sendungen, die nach Feierabend angesehen werden (Trend: Professionalität der Medienkommunikation). Spätestens jetzt wird ersichtlich: In der internen Unternehmenskommunikation geht es nicht nur um Medien, sondern um die Optimierung der drei Kernbereiche Print, Face-to-Face und elektronische Kommunikation und den Aufbau einer dialogorientierten Kommunikationslandschaft. Während derzeit über Modelle nachgedacht wird, um die gedruckte und elektronische Kommunikation bestmöglich zu vernetzen (Cross Media), liegt die Herausforderung der Zukunft in der Verzahnung von medialer und unvermittelter, persönlicher Kommunikation mit der Managementkommunikation (Mast 2003b: 153 f.).
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Unternehmenskommunikation und Journalismus
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Unternehmenskommunikation und Journalismus – ökonomische Analyse einer ungleichen Partnerschaft Susanne Fengler/Stephan Ruß-Mohl
Dieser Beitrag diskutiert das Zusammenspiel zwischen Unternehmenskommunikation und Journalismus. Wohl und Wehe von Unternehmen werden in zunehmendem Maße davon tangiert. Deshalb soll, anknüpfend an Ergebnisse der empirischen Kommunikations- und Sozialforschung, das traditionell eher gespannte als „partnerschaftliche“ Verhältnis nicht nur systematisch beschrieben werden. Mit Hilfe der Ökonomik (Rational-Choice-Theorie) werden die taktischen und strategischen Optionen ausgelotet, die auf beiden Seiten bestehen. Abschließend soll allerdings auch gezeigt werden, dass das rationale Ausüben von Handlungsoptionen beider Seiten mit großer Wahrscheinlichkeit zu Ergebnissen führt, die im Blick auf die Qualität des Journalismus eher als „gesellschaftlich unerwünscht“ gelten dürften.
1.
Einführung
Ein abfälliges Wort, das als anmaßend und arrogant empfunden wird – die „Peanuts“Bemerkung zu den offenen Handwerkerrechnungen des Baulöwen und Pleitiers Jürgen Schneider; eine Indiskretion zur drohenden Insolvenz von Leo Kirch; eine falsche Geste – zwei zum Victory-V gespreizte Finger des Vorstandsvorsitzenden zum Prozessauftakt über Schmiergeldzahlungen bei der Fusion von Mannesmann mit Vodafone; die Ankündigung bevorstehender Entlassungen zum falschen Zeitpunkt – anlässlich einer Bilanzpressekonferenz, bei der Rekordgewinne ausgewiesen wurden. Kein anderes Trio von Wirtschaftsführern hat in Deutschland in so kurzer Abfolge durch ungeschickte Kommunikation so viel Kapital und Kredit verspielt wie Hilmar Kopper, Rolf E. Breuer und Josef Ackermann von der Deutschen Bank. M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_45, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Susanne Fengler/Stephan Ruß-Mohl
Bereits dieses Beispiel erlaubt zwei Schlussfolgerungen im Hinblick auf unser Thema: 1. Kommunikation mit Journalisten und mit der Öffentlichkeit ist für Unternehmen, zumal für Großunternehmen „lebenswichtig“. Kommunikationsfehler und -pannen können Unternehmen großen Schaden zufügen – im Extremfall sogar die Unternehmensexistenz gefährden. 2. Wenn Journalisten Journalisten bleiben und nicht zu „gekauften“ PR-Beratern mutieren sollen, dann können sie nur „Partner“ im Sinne einer Sparring-Partnerschaft sein: Als Unternehmer sollte man von Journalisten nicht Wohlverhalten erwarten, und schon gar nicht, dass sie eigenes Kommunikationsversagen ungeschehen machen. Einmal in der Welt, sind die Peanuts-Bemerkung, der flapsige Nebensatz über die drohende Zahlungsunfähigkeit eines Kunden, die Victory-Geste und auch die Entlassungsankündigung nicht „rückrufbar“. Verspielter Kredit ist verspielt – und oft nur in zäher Kleinarbeit zurückzugewinnen.
2.
Verzerrte (Selbst-)Wahrnehmung von Journalisten
Dass Journalisten selbstlos im Dienste des „Gemeinwohls“ handeln und damit Widerpart sind von Managern und Unternehmern, die einzig und allein auf Gewinn, Karriere und persönlichen Vorteil bedacht sind: Vielleicht ist dies einer der letzten – und nicht zuletzt deshalb von manchen Journalisten sorgfältig gepflegten – Mythen der Mediengesellschaft. Befragungsergebnisse haben jedenfalls wiederholt gezeigt, dass Journalisten ihr Publikum „möglichst sachlich und präzise informieren”, „komplexe Sachverhalte erklären und vermitteln” sowie „dem Publikum möglichst schnell Informationen vermitteln” möchten, dass sie „die Realität genauso abbilden” wollen, wie sie ist, dass sie keine „Nachrichten ohne Bestätigung des faktischen Inhalts” bringen und „intellektuelle und kulturelle Interessen des Publikums ansprechen” möchten (Scholl/Weischenberg 1998: 165, vgl. auch Weischenberg 2005). Solche empirischen Untersuchungen über Journalisten und ihre Handlungsintentionen sind allerdings für die Analyse ökonomischer Eigeninteressen von Journalisten und damit auch für eine Einschätzung von deren taktischem und strategischem Verhalten wenig ergiebig, denn die Antwortvorgaben führen in die Irre. So wurden Schweizer Journalisten z. B. gefragt, ob sie es für wichtig hielten, als „neutraler Berichterstatter“, „Analytiker komplexer Sachverhalte”, „Kritiker von Fehlentwicklungen”, „Ratgeber”, „Kommentator”, „Vermittler”, „Anwalt” oder „Dienstleister” zu wirken. Es verwundert kaum, dass sich die Befragten insbesondere zu den drei erstgenannten und besonders positiv besetzten Rollenbildern bekannten (Marr et al. 2001: 124) und ökonomische Interessen – seien es eigene oder die ihres Medienunternehmens – in solchen Befragungssituationen eher verdrängten.
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Viele Kommunikationswissenschaftler haben somit ihr Scherflein dazu beigesteuert, dass der Mythos vom Journalisten als selbstlosem Gutmenschen überleben konnte. Sie haben eben nicht nur normativ ein Rollenbild vom Journalisten eingefordert, der im Dienst am Allgemeinwohl aufgeht, sondern zudem nicht hinreichend zwischen dieser normativen und der faktischen Ebene unterschieden. Und damit der Journalist auch ja so bleibt, wie sie ihn haben wollten, haben sie ihn dann nur allzu gern als machtlosen Rollenträger in ihr „System“ eingebettet – und damit als Opfer von Zwängen wahrgenommen, aber kaum je als Täter, der mit seinen alltäglichen Entscheidungen genau das Mediensystem hervorbringt, das seine Entscheidungsspielräume angeblich einengt. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
3.
Eigeninteressierte Journalisten
Tatsächlich handeln Journalisten, wie andere Menschen auch, meist rational – und insofern „berechenbar“ eigeninteressiert. Sie konkurrieren um Anerkennung und Aufmerksamkeit, neigen aber manchmal auch dazu, sich durch Faulheit und Bequemlichkeit selbst zu verwirklichen. Mitunter biegen sie professionelle Spielregeln, aber auch Regulierungen und Gesetze so zurecht, wie sie sie zum eigenen Vorteil brauchen können. Sei es bei der Recherche, sei es bei der Blattkritik, sei es bei Verabredungen mit Interviewpartnern: Tag für Tag nehmen Journalisten immer auch ökonomische Abwägungen vor: In welche Themen investieren sie ihre knappen Ressourcen Zeit und Arbeitskraft, von welcher Story erwarten sie sich die größten Erträge in Form von Aufmerksamkeitsrenditen, welche Tauschgeschäfte gehen sie mit ihren Quellen ein? Journalistisches Arbeiten lässt sich somit als nutzenmaximierendes Handeln im Sinne der modernen Ökonomik (auch: Institutionenökonomie, Rational-Choice-Theorie) darstellen (Fengler/Ruß-Mohl 2005).1 Die Ökonomik geht – in aller Kürze formuliert – von einem rationalen Akteur aus, dem „Homo oeconomicus maturus“ (Frey 1997: 1132 f.). Dieser handelt eigennützig, indem er materielle und soziale Anreize verfolgt und dabei versucht, seinen Nutzen zu optimieren. Die neuere Ökonomik unterstellt ihm inzwischen aber auch ein Bemühen um den Erhalt wertvoller Kooperationspotenziale, was der Verfolgung kurzsichtigen Eigennutzes Grenzen setzt. Ferner handelt er unter der Bedingung knapper Ressourcen, und er trifft (begrenzt) rationale Entscheidungen auf Basis von (hinreichender) Information. Der Politikwissenschaftler Dietmar Braun (1999: 39 f.) fasst das Forschungsprogramm der Ökonomik wie folgt zusammen: „Jeder Mensch, egal in welchem Bereich er handelt, wird in Analogie zum Wirtschaftssubjekt konstruiert. Bei jedem (materiellen oder immateriellen) 1
Im deutschsprachigen Raum wird die Ökonomik insbesondere von den Schweizer Wirtschaftswissenschaftlern Bruno S. Frey (1990, 1997), Gebhard Kirchgässner (1991) und Guy Kirsch (2004) vertreten.
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Gut, was man also anstrebt, wird die Kalkulation wie eine Preisberechnung behandelt, die der Akteur in seinem Inneren vornimmt.“ 2 Wir sollten uns daher auch in der Wissenschaft – PRPraktiker haben dies wohl längst getan – von der Vorstellung verabschieden, dass Journalisten ausschließlich uneigennützig handeln. Nachdem in der Kommunikationswissenschaft lange Zeit die Systemtheorie dominierend war, beschäftigen sich Forscher wie Hosp (2005), Reinemann (2005) und Vowe/Wolling (2000) inzwischen zunehmend mit einer Analyse journalistischen Handelns auf Grundlage der hier skizzierten ökonomischen Theorie. An dieser Stelle ist zu ergänzen, dass es lange Zeit einen „missing link“ zwischen Ökonomik und Kommunikationswissenschaft gab – denn wie sollte man Journalisten in getreuer Auslegung der Ökonomik als „gewinnmaximierende“ Akteure beschreiben, wenn doch die Mehrzahl von ihnen im Vergleich zu anderen akademischen Berufen nachweislich schlecht bezahlt wird? Hier hat Franck Ende der 1990er Jahre eine entscheidende Debatte neu angestoßen und dargelegt, dass in der Informationsgesellschaft Aufmerksamkeit – neben Zeit und Geld – zur knappen Ressource geworden ist (Franck 1998 und 2007). Gehandelt werden in der Mediengesellschaft also nicht nur Waren oder Dienstleistungen gegen „Bares“, sondern auch – beispielsweise bei der Interaktion von Journalist und Quelle – Informationen gegen Aufmerksamkeit. Ein wichtigerer Anreiz als Geld ist für Journalisten meist, durch ihre Arbeit öffentliche Aufmerksamkeit zu erreichen – und damit einhergehend Selbstverwirklichung, Prestigegewinn, soziales Ansehen, aber auch leichteren Zugang zu exklusiven Quellen und auch Macht. Erst mittelbar kann ein hohes Aufmerksamkeitseinkommen möglicherweise auch zu Einkommenssteigerungen führen.3
2
3
In den vergangenen Jahren wurde die ökonomische Methode insbesondere auf politische Zusammenhänge angewandt, aber auch auf Bereiche wie Kunst, Religion, Kriminalität und Familienbeziehungen. Die Kommunikationswissenschaft hat sich hingegen bislang erst zögerlich mit dem Modell des rationalen Akteurs zur Erklärung journalistischen Verhaltens auseinander gesetzt (vgl. als – noch ökonomie-fernen Überblick zum Stand der Theorie-Diskussion Löffelholz 2004). Warum Journalisten sich mit vergleichsweise niedrigen Einkommen zufrieden geben müssen, haben Becker et al. (1996) – implizit erkennbar ökonomisch – mit dem Überangebot an Arbeitskräften erklärt: Die jährliche Zahl der Absolventen kommunikationswissenschaftlicher Studiengänge bzw. Journalism Schools übersteigt in Amerika bei weitem die Einstiegsmöglichkeiten in den Beruf. Besonders viele Nachwuchs-Journalisten drängten dort zudem in den Fernsehbereich, wo infolgedessen – auch im Vergleich zu den Zeitungen – noch niedrigere Gehälter gezahlt würden. Eine ähnliche Situation ergibt sich für den europäischen Raum, wo das Überangebot an journalistischen Arbeitskräften seit der Medienkrise 2001/2002 noch zugenommen hat und die Preise weiter drückt. Umgekehrt konnte man andererseits beobachten, wie die Gehälter für Wirtschaftjournalisten im Gefolge des Börsenbooms zeitweilig explodierten, da die vielen neu gegründeten Wirtschaftstitel kaum qualifizierte Finanzjournalisten finden konnte. Ein Gehaltsbestandteil bei Journalisten ist mithin die „Aufmerksamkeitsdividende”: Der privilegierte Zugang zu Eliten, zu gesellschaftlichen Ereignissen von Rang und zur Öffentlichkeit, die Chance, sich gedruckt zu sehen und die damit einhergehende Selbstverwirklichung werden von den Verlegern als „geldwerte” Vorteile eingestuft. Journalisten müssen sie meist mit Gehaltsverzicht „erkaufen”. Da Journalisten beim Berufseinstieg in der Regel bereits wissen, dass mit einer akademischen Ausbildung anderswo höhere Einkommen zu erzielen sind, dürften materielle Interessen in ihrem Kalkül also keine herausragende Rolle spielen. Der Beruf wird – zumindest anfangs – als Berufung gesehen. Erst im Verlaufe eines journalistischen Berufsleben verschieben sich oftmals die Präferenzen: Das Einkommen wird wichtiger – sei es wegen familiärer Verpflichtungen und gestiegener Ansprüche, sei es, weil der Beruf weniger idealistisch und damit nicht mehr als „Berufung” eingeschätzt wird; viele Journalisten wechseln in die Öffentlichkeitsarbeit über (Marr et al. 2001: 97).
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Wenn ein Journalist als „ökonomisch handelnder Mensch“ nach Aufmerksamkeit strebt, dann muss er gleichwohl, ähnlich einem Unternehmer, Kostenkalkulationen anstellen. Handbücher für angehende Journalisten lehren jedoch lediglich, dass diese die klassischen W-Fragen beantworten sollten, wenn sie einen Beitrag erarbeiten. Welche „Preisberechnungen“ nimmt indes der rationale Journalist – implizit oder explizit – vor? Der amerikanische Ökonom und Medienwissenschaftler James T. Hamilton (2004: 7, 14) geht davon aus, dass sich ein Journalist fünf „ökonomische W-Fragen“ stellt, wenn er vor der Entscheidung steht, seine Ressourcen in ein bestimmtes Thema zu investieren: Wen interessiert eine bestimmte Information? Was würden diese Interessenten für die Information ausgeben, oder was würden andere dafür bezahlen, um diese Interessenten zu erreichen? Wo können Medienunternehmen bzw. Werbetreibende diese Leute erreichen? Wann ist es profitabel, diese Information anzubieten? Warum ist das profitabel? Hamiltons W-Fragen zielen darauf ab, vor der Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Thema zu kalkulieren, wie viel Aufmerksamkeit der daraus resultierende Beitrag bei welchen Zielgruppen erreichen kann und welche potenziellen Auflagen- oder Quotensteigerungen bzw. Werbeeinkünfte sich damit möglicherweise erzielen lassen. Als US-Amerikaner, der sich mit einem weit stärker kommerzialisierten Mediensystem auseinander setzt als dem deutschen, betont Hamilton bei seinen fünf W-Fragen die Frage nach der „Profitabilität“ eines journalistischen Produkts in besonderem Maße. Doch auch hierzulande stellen Journalisten „Preisberechnungen“ an, wenn sie den Nachrichtenwert einer Information abwägen und sich für diejenigen Themen entscheiden, welche hohe Aufmerksamkeit versprechen – so dass also beispielsweise selbst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Sport immer mehr die Politik in den Nachrichtensendungen verdrängt oder bei den privaten Hörfunk- und TVAnbietern sowie in Boulevardzeitungen täglich neu ein bunter Cocktail aus Sex, Crime, Klatsch und Katastrophen angerührt wird. Ein weiteres Eigeninteresse zumindest einiger Journalisten besteht in dem Wunsch, selbst ins Zeitgeschehen einzugreifen und Macht auszuüben. Der Reporter Hans Leyendecker beschreibt ein solches Handeln von Journalisten mit vornehmer Zurückhaltung als „berufsveränderndes Wirken“ (zitiert nach Minkmar 2004). Drastischer bringt es der amerikanische Regionalzeitungs-Chefredakteur Frank Denton (1998) auf den Punkt: Er und seine Kollegen nutzten als Erfolgsmaß noch immer „die Zahl der Köpfe, die wir an unsere Wand pinnen können, weil sie aus dem Amt gejagt oder gar ins Gefängnis geworfen wurden.“
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3.1
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Eine Typologie rationaler Journalisten
Wer mit Journalisten zusammenarbeiten will, sollte also zunächst journalistisches Handeln ökonomisch analysieren. Er sollte demzufolge mit der Frage nach den Präferenzen und Eigeninteressen von Journalisten beginnen – und den Anreizen, auf die sie bei der Verwirklichung ihrer Präferenzen reagieren. Die Präferenzen von Journalisten können sehr vielfältig sein; für den Ökonomen sind sie jeweils exogen vorgegeben. Um zu verdeutlichen, dass es nicht allein um den Prototyp des „klassischen“ Homo oeconomicus geht, der zum eigenen Vorteil einzig seine Karrierechancen und sein Einkommen maximiert, lassen sich – in Anlehnung an eine Typologie, die Anthony Downs (1967) ursprünglich zur Klassifikation von Bürokraten entwickelt hat – fünf „Idealtypen“ rationaler Journalisten unterscheiden: Karrieristen (climbers) versuchen, ihre eigene Macht, ihr Einkommen und ihr Prestige zu maximieren. Bewahrer (conservers) wollen ihre Sicherheit und Bequemlichkeit maximieren. Eiferer (zealots) setzen sich missionarisch für eine Überzeugung ein. Staatsmänner (statesmen) versuchen bei ihrem Handeln, vielfältige Interessen auszubalancieren und haben dabei mehr als die anderen ein – allerdings wenig konturiertes – „Gemeinwohl“ im Blick. Advokaten (advocates) vertreten von Fall zu Fall bestimmte Interessen. Wie alle Idealtypen, werden auch diese der Vielfalt realer Möglichkeiten nicht gerecht. Aber es entsteht ein Klassifikationsschema. Mit seiner Hilfe lassen sich z. B. Hypothesen darüber generieren, welcher Journalistentyp unter den Bedingungen eines kommerzialisierten Mediensystems in welchem Ressort reüssiert, und wie sich gegebenenfalls die Zusammenarbeit gestalten lässt. Der Wissenschaftsjournalismus ist beispielsweise eher ein Nischenressort. Deshalb ist zu vermuten, dass der Karrierist dort relativ selten anzutreffen ist oder gar ausharren wird. Das Arbeitsfeld bietet, anders als das Politik- und das Wirtschaftsressort, wenige Aufstiegschancen. Wie sich dagegen das Mischungsverhältnis zwischen Eiferern, Staatsmännern und Advokaten in diesen Kernressorts „ausmendelt“, dürfte stark vom Redaktionsmanagement, sprich: der Personalpolitik abhängen. Die gesellschaftspolitischen „Konjunkturen“ (RußMohl 1981, 1993) – also z. B. die Studentenrevolte von 1968, die Öko-Bewegung, aber auch der New Economy-Hype zur Jahrtausendwende – werden vom Journalismus miterzeugt, aber eben auch „aufgesaugt“ und schlagen sich dann in der Zusammensetzung des Redaktionspersonals nieder.
Unternehmenskommunikation und Journalismus
3.2
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Knappe Ressourcen
Weil Journalisten unter Bedingungen knapper Ressourcen wie Zeit, Arbeitskraft und Redaktionsbudget handeln, müssen sie bei der Recherche ökonomisch vorgehen und die Grenzkosten der Informationsbeschaffung und -verarbeitung gegen den Grenznutzen abwägen (Downs 1968: 204 f.). Dies thematisiert auch Haller (1983: 31), wenn er davor warnt, man könne „jedes Thema auch ‚zu Tode’ recherchieren“. Darum werde „der kompetente Redakteur ab einem gewissen Punkt die alte Regel befolgen müssen: ‚Go with what you’ve got.’“ Journalisten brechen die Informationssuche in der Tat häufig ab, wenn sie mit geringem Zeit-, Geld- und Arbeitsaufwand ein passables Rechercheergebnis erzielt haben oder ihnen die Konkurrenz zuvorzukommen droht und damit bisherige „Investments“ in ein Thema gefährdet. Journalisten verlassen sich beispielsweise selbst bei komplexen Risikothemen vielfach „ökonomisch“ auf offizielle Quellen (Kitzinger/Reilly 1997: 325) – oder gar auf die Meinung desjenigen Experten, der gerade greifbar und mediengewandt ist, aber vielleicht nicht unbedingt wissenschaftlich die erste Wahl (Grefe 2000; vgl. auch Thomann 2002 und Spiewak 2005). Göpfert (2001: 68 ff.) konnte zudem zeigen, dass eigenständige und exklusive Recherchen, die gerade in komplexen Themengebieten wie dem Wissenschaftsjournalismus mit hohem Aufwand verbunden sind, der Ausnahmefall sind. Das gilt gewiss auch für die Wirtschaftsberichterstattung. Zu den knappen journalistischen Ressourcen gehört ferner ein möglichst großes Netzwerk an exklusiven Quellen. Dies aufzubauen, ist für Journalisten gerade am Anfang der Karriere mit Schwierigkeiten verbunden. Ist man hingegen erst einmal ein Starreporter, kann man „aus dem Vollen schöpfen“, denn die Informanten versprechen sich vom Kontakt zu ihm natürlich auch ein ganz besonders hohes Aufmerksamkeitseinkommen für sich selbst.
3.3
Eingeschränkte Rationalität
Von der Annahme vollständiger Information, die dem ursprünglichen Modell des „Homo oeconomicus“ zugrunde liegt, sind die Ökonomen bereits seit langem abgerückt. So hat beispielsweise Anthony Downs (1968) auf die hohen Kosten der Beschaffung und Auswertung von Information für eine rationale Entscheidung zwischen mehreren Handlungsoptionen hingewiesen. Obwohl Journalisten mehr als andere Berufsgruppen auf das Verarbeiten großer Informationsmengen spezialisiert sind, müssen sie ständig Entscheidungen vor dem Hintergrund unvollständiger Information und folglich von Ungewissheit treffen. Ein rationaler Journalist hält sich daher angemessen auf dem Laufenden, indem er systematisch eine bestimmte Anzahl von Informationsquellen nutzt, die er zu diesem Zwecke
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ausgewählt hat. Mit Blick auf die „eingeschränkte Rationalität“ ist anzunehmen, dass ein Journalist kein „optimales“, also vollständiges, sondern ein hinreichendes Informationslevel anstrebt, bevor er Entscheidungen z. B. über die Recherche oder Publikation eines Beitrags fällt. Durch Recherche kann er seinen Kenntnisstand allenfalls auf ein befriedigendes Niveau heben, denn „Informationen (werden) selbst zu ökonomischen Gütern, die nur unter Ressourcenaufwand, z. B. aufgrund zeitaufwendiger Informationssuche und Informationsverarbeitung [...] genutzt werden können“ (Männel 2002: 209 f.). Für Sparrow (1999: 49) ist angesichts der „Zukunftsoffenheit“ der Welt sogar das Streben nach journalistischer Objektivität letztlich eine ökonomisch-rationale Strategie. Ein Beispiel aus dem Wirtschaftsjournalismus ist die feindliche Übernahme eines Unternehmens: Es ist oft nicht vorauszusehen, welche Seite siegreich aus der Schlacht hervorgehen wird. Folglich erscheint es rational, möglichst ausgewogen zu berichten – ansonsten würden sich später Journalisten wertvolle Kooperationspotenziale mit der Seite verscherzen, die sie voreilig zum Verlierer der feindlichen Übernahme erklärt haben.
4.
Strategische Schlussfolgerungen
Was folgt daraus für die Unternehmenskommunikation und das Zusammenspiel mit dem Journalismus? Gute Unternehmensführung besteht nicht zuletzt darin, nicht einseitig und kurzsichtig nur den Shareholder Value, also den Unternehmenswert für die Anteilseigner, zu erhöhen, sondern auch den Stakeholder Value zu berücksichtigen (Karmasin 2007). In diesem Kontext interessieren die Interessen und Präferenzen von Unternehmern und Managern im Umgang mit Journalisten und der Öffentlichkeit: Wirtschaftsführer können aus institutionellen, aber auch aus persönlichen Gründen Interesse daran haben, Gegenstand von Medienberichterstattung zu werden. Prominenz, so der Ex-Chefredakteur von Bild am Sonntag, Michael Spreng, ist zum „Wirtschaftsfaktor” geworden.4 Hamilton und Zeckhauser (2004: 3) formulieren es so: „Eine gute Publicity für den Vorstandsvorsitzenden kann Investoren, Kunden und Mitarbeiter anziehen. Dem Vorstandsvorsitzenden selbst bietet sein Ruhm intrinsische Belohnungen – einen höheren Bekanntheitsgrad beispielsweise und Schmeicheleien –, aber auch materielle Belohnungen, wie höhere Einkünfte.” Jaeggi (2002: 54) verweist auf eine internationale Studie von Burson Marsteller, wonach die Reputation eines Vorstandsvorsitzenden inzwischen zu 45 Prozent für die Reputation des gesamten Unternehmens steht; 95 Prozent aller Finanzanalysten bewerten das Ansehen des 4
Zitiert nach Die Zeitung vom 18.12.1998, S. 18.
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CEO als gewichtigen Faktor, der Investment-Entscheidungen beeinflusst. Und Roland Schatz, dessen Forschungsunternehmen Media Tenor Vorstände und Kommunikationschefs großer Unternehmen mit detaillierten Medienresonanz-Analysen versorgt, betont, dass ein kontinuierlicher Informationsfluss (share of voice) vom Unternehmen in die Medien für den Aufbau einer Reputation des Unternehmens und seines Vorstandsvorsitzenden sehr wichtig ist (Schatz 2004).5 Pfetsch und Wehmeier (2002: 47) machen zudem darauf aufmerksam, dass Wirtschaftsunternehmen und ihre Repräsentanten natürlich auch versuchen, Aufmerksamkeit für wirtschaftspolitische Anliegen zu erzeugen. Öffentlichkeitsarbeiter und Medienberater zielen darauf, die Macht ihrer Auftraggeber zu erhalten und zu steigern – und so gegenüber ihren Auftraggebern ihre „Relevanz [...] und ihre Unersetzbarkeit” zu demonstrieren (Jarren/Donges 2006: 312). Erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit mit Hilfe der Massenmedien setzt voraus, dass PR-Leute Journalisten dazu bewegen, dem Auftraggeber der PR ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit zu gewähren. Der Wirtschaftsjournalist Ulrich Viehöver rät deshalb angehenden Kollegen zu einer gründlichen Analyse der Interessenlage von Informationsanbietern, bevor sie eine Tauschbeziehung mit ihnen eingehen: Journalisten sollten sich fragen, „welche Motivation” ein Informant hat, wie seine „Absichten” lauten, ob „eigene Interessen im Spiel” sind, ob „der Informant aus der Veröffentlichung Vorteile” zieht, und was die wahren Motive sind: „Rache, Geld, Kursspekulationen, Karriere, Schuldgefühle?” (Viehöver 2003: 318). Der Autor ermuntert Journalisten also, sich – wie im klassischen Gefangenen-Dilemma 6 – über die Eigeninteressen des Gegenübers klar zu werden, bevor er in Tauschgeschäfte mit ihm eintritt. Gewiss ist es genauso legitim und angezeigt, wenn sich umgekehrt auch Unternehmensvertreter und PRLeute solche Fragen stellen, bevor sie sich auf eine Interaktion mit Journalisten einlassen.
5
6
Die Studie von Hamilton und Zeckhauser (2004: 27) ergab im Übrigen, dass häufig jene Wirtschaftsführer überdurchschnittlich in Soft-News-Storys und damit in öffentliche Eigen-PR investiert haben, die später durch Misswirtschaft und kriminelles Verhalten auffielen. Das ökonomische Modell des Gefangenendilemmas erklärt Kirchgässner (1991: 50 ff.) wie folgt: „In einem Prozess seien zwei Gefangene angeklagt, die gemeinsam eine Reihe von Verbrechen begangen haben. Die Beweislage des Staatsanwalts ist schlecht: Ohne ein Geständnis kann er beide nur relativ geringer Straftaten überführen. Daher versucht er, beide als Kronzeugen gegen den jeweils anderen Angeklagten zu gewinnen. Damit ergibt sich für die Gefangenen, die sich untereinander nicht verständigen können, folgende Lage: Gestehen beide, so werden beide mit jeweils 10 Jahren schwer bestraft. Gesteht keiner, so kommen sie beide mit einer vergleichsweise geringen Strafe von 2 Jahren davon. Gesteht aber nur einer, so geht er als Kronzeuge frei aus, während der andere mit 12 Jahren Gefängnis sehr schwer bestraft wird. [...] Für beide Gefangene wäre es in dieser Situation sinnvoll, sich kooperativ zu verhalten und nicht zu gestehen. Keiner kann sich jedoch sicher sein, dass der andere nicht doch gesteht. Dann aber ist es für jeden sinnvoll (individuell rational) zu gestehen, da er sich damit besser stellt, was immer der andere auch tut. Dies führt dazu, dass beide gestehen und zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt werden. Allgemeiner gesprochen haben wir hier eine Situation vor uns, in welcher der sozial ›beste‹ Zustand dadurch erreicht wird, dass die beiden Individuen miteinander kooperieren. Gleichwohl ist es für jedes Einzelne von ihnen ›rational‹, sich nicht kooperativ zu verhalten, da er/sie sich dadurch noch besser stellt, falls sich der Gegenspieler kooperativ verhält. Wenn aber beide sich so verhalten, wird nicht der sozial beste, sondern womöglich sogar der sozial am wenigsten erwünschte Zustand herbeigeführt.”
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4.1
Susanne Fengler/Stephan Ruß-Mohl
Asymmetrische Informationsverteilung
Interaktionen zwischen Unternehmen und Journalisten werden letztlich davon bestimmt, dass Informationen zwischen den „Tauschpartnern” asymmetrisch verteilt sind. Journalisten befinden sich gegenüber ihren Informanten insoweit in einer „benachteiligten” Situation, als sie weniger Informationen über ein Ereignis oder eine Situation als ihre Quellen besitzen. Der Wirtschaftsjournalist weiß nicht aus eigener Anschauung, was in der Vorstandssitzung diskutiert wurde, sondern muss sich auf die anschließende offizielle Pressekonferenz oder aber die vertraulichen Auskünfte eines Gremienmitglieds verlassen. Der Wirtschaftsjournalist kann die Unternehmenskennzahlen von DaimlerChrysler schwerlich so gut kennen wie Mitarbeiter an der Spitze des Konzerns, die Zugriff auf alle relevanten Daten haben. Bei jeder Recherche wissen die Journalisten damit zunächst weniger über bestimmte Fakten oder Vorgänge als die Informanten, mit denen sie interagieren – sei es in Form von Interviews, von Anfragen nach Information und vielleicht sogar mittels verdeckter Recherche. Handelt es sich beim Journalisten um ein „kaum informiertes Wirtschaftssubjekt”, können Quellen ihren Informationsvorsprung ungehindert ausnutzen. Dies ist besonders bei komplexen Materien denkbar, wie wir sie im Wirtschafts- oder im Wissenschaftsjournalismus vorfinden (Dyck/Zingales 2003: 5). Ist die Interaktion von Unsicherheit über das Verhalten des Gegenübers geprägt, handelt es sich, ökonomisch gesprochen, um eine „Dilemmastruktur”. Deren Kennzeichen ist, dass A nicht weiß, ob B die Kooperationsbereitschaft von A vielleicht zum eigenen Vorteil ausnutzen wird – und umgekehrt. Kann beispielsweise der PR-Chef, der einem Journalisten vorab vertrauliche Interna zuschanzt, sicher sein, dass der Journalist sich nicht namentlich auf ihn als Quelle beruft? Dem Journalisten und seinem Informanten stehen spieltheoretisch drei Interaktionsvarianten offen: Kooperation: Journalist und Quelle arbeiten zusammen. Das ist der „Normalfall“, den Forscher oftmals auch zur „Symbiose“ oder „Intereffikation“ (Bentele /Liebert/Seeling 1997) verklärt haben. Beim Kontakt zu Journalisten geht es ganz nüchtern um eine Geschäftsbeziehung: „Gehandelt“ werden Informationen gegen das ebenfalls knappe Gut öffentlicher Aufmerksamkeit. Wir haben es also mit einem klassischen Tauschakt zu tun, bei dem sich am Ende im Regelfall beide Seiten besser stellen. „Partnerschaft“ ist dabei für seriöse Journalisten jedoch eher eine Zumutung: „Ein guter Journalist macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten“, hat der Tagesthemen-Moderator Hajo Friedrichs einmal konstatiert – und einer der angeseheneren Journalistenpreise ist vermutlich auch deshalb nach ihm benannt, weil er das nicht nur so dahin gesagt hat. Wenn Journalisten Distanz zu den Mächtigen wahren, statt sich auf allzu große Vertraulichkeiten mit ihnen einzulassen, sollte dies als Zeichen journalistischer Professionalität gewertet werden.
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Defektion: Der eine Akteur nutzt die Kooperationsbereitschaft des anderen Akteurs aus und „brennt mit dem Kooperationsgewinn durch” – nur eine Seite realisiert also einen Vorteil. Der Umgang mit den im Medienbetrieb üblichen Sperrfristen ist hierfür ein Beispiel: Ein Journalist hält sich nicht daran, sondern geht vorab mit der Meldung an die Öffentlichkeit, um im Wettbewerb mit anderen Medien einen Aufmerksamkeitsgewinn für seine Nachricht zu erzielen. Außerdem kann er ja nicht wissen, ob ein Kollege gerade denselben Gedanken hat; er befürchtet dies aber und will ihm deshalb zuvorkommen. Interaktionsabbruch: Journalist oder Informant verzichten im Zuge der Anbahnung des „Tauschgeschäfts” – zum Beispiel aus Misstrauen – auf die Kooperation. Die Interaktion wird abgebrochen, keiner der beteiligten Interaktionspartner erzielt die möglichen Kooperationsgewinne. Ein Fernsehmagazin meldet sich beispielsweise bei einem Unternehmen, um ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden zu führen. Bei den Vorgesprächen stellt sich allerdings heraus, dass die Journalisten nicht ergebnisoffen an das Interview herangehen, sondern letztlich nur einen O-Ton zur Illustration einer bereits gefestigten These suchen, die das Unternehmen in einem ungünstigen Licht erscheinen lässt. Da die PRAbteilung zudem schon mehrfach schlechte Erfahrungen mit diesem Fernsehmagazin gemacht hat, sagt sie das Interview ab – ein Gespräch würde dem Unternehmen keinen Nutzen bringen, und aufgrund der Vorgeschichte sind die „Beziehungen“ zwischen Unternehmen und Redaktion ohnehin „zerrüttet“. Viehöver (2003: 338, 341) beschreibt auch ausführlich, was Journalisten möglicherweise droht, die die Avancen von PR-Leuten verschmähen: „Wer [...] bezahlte Einladungen ablehnt, riskiert, von Informationen abgeschnitten zu werden.” PR-Leute können zudem „kritische Journalisten [...] katalogisieren, ‚aussortieren’ und wenn nötig ‚bestrafen’”: Üblich bei Unternehmen, Parteien, Verbänden, Organisationen seien die folgende Methoden: „Kritiker werden zuerst ‚ausgetrocknet’, also im Presseverteiler herabgestuft oder gestrichen. Sie bekommen weniger oder keine Informationen und Einladungen mehr, werden ignoriert, bei ihren Recherchen einfach hängen gelassen. Seltener wird zum Angriff übergegangen, um Kritiker ‚abzuschießen’, etwa durch Desinformation und Denunziation bei Kollegen/innen, Vorgesetzten [...] oder durch üble Nachrede (‚fehlerhafte Arbeit’, ‚schlecht recherchiert’, ‚nicht kompetent’, ‚voreingenommen’ usw.)” (ebd.). Andererseits müssen auch Informanten den Abbruch der Kooperation durch Journalisten fürchten, z. B. wenn Sprecher sie wissentlich falsch informieren – aber auch, wenn Informanten als Quelle wertlos werden, weil beispielsweise ein Aufsichtsratsmitglied seinen Platz im höchsten Gremium des Unternehmens verliert und nun keine Interna aus Sitzungen mehr liefern kann.
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4.2
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Iterative Spiele zwischen Journalisten und Quellen
Zur Defektion oder zum Interaktionsabbruch kommt es selten, weil beide Seiten meist aufeinander angewiesen sind und die Beziehung zwischen Unternehmensvertreter und Journalist einem sich wiederholenden Ritual ähnelt: „So pokern sie denn nicht selten, die Frager und die Befragten, und das Endprodukt ist eine einvernehmlich betriebene Irreführung des Lesers”, schreiben die Lehrbuchautoren Schneider und Raue (1996: 74). Wo Praktiker von „Pokern” sprechen, würden Ökonomen von iterativen Spielen reden. Wenn der Vorstandschef und der einflussreiche Wirtschaftsredakteur beruflich immer wieder aufeinander treffen, entsteht solch eine Spielsituation, die auch als „supergame” beschrieben wird: „Ein Spiel zwischen zwei Akteuren wird in regelmäßigen Abständen unter den gleichen Bedingungen und Parametern wiederholt. [...] Das Besondere an diesen Spielen ist, dass die Spieler jetzt auf vorhergehende Züge des anderen oder der anderen Spieler reagieren und dementsprechend ‚Superspiel-Strategien’ wählen können, d. h. Strategien, die dazu dienen, das gesamte Spiel mit möglichst hohem Nutzen zu beenden und nicht nur für die einzelnen Spiele. [...] Man muss sich nicht mehr lediglich für und gegen Kooperation entscheiden, sondern kann mehrfach nicht-kooperativ sein oder kooperieren oder jede beliebig andere Kombination von Nicht-Kooperation und Kooperation wählen” (Braun 1999: 201). Ein Beispiel dafür, wie ein solches „Superspiel” in der Praxis aussehen kann: Größere Redaktionen setzen mindestens einen Journalisten dauerhaft für die Berichterstattung über ein Unternehmen oder eine Branche ein. Der Redakteur, der also beispielsweise über DaimlerChrysler berichtet, wird bei Pressekonferenzen, Hintergrundkreisen, Interviews usw. regelmäßig mit hochrangigen Vertretern des Unternehmens zusammentreffen, so dass auf diese Weise ein auf Wiederholung angelegtes Zusammenspiel zwischen Journalist und Managern entsteht. Nehmen wir nun an, dass der Journalist die Aussage eines Unternehmenssprechers im Anschluss an ein Interview in einer Meldung zuspitzt, damit die Nachricht eine Schlagzeile rechtfertigt – dass aber diese Zuspitzung nicht die Aussage des Sprechers treffend wiedergibt. Nach diesem Eröffnungsschachzug beginnt eine Spielrunde zwischen den Akteuren: Der Sprecher ruft nach der Publikation des Beitrags den Journalisten an, weist auf den Fehler hin und bittet um Berichtigung. Der Journalist ist nicht bereit, dem Folge zu leisten – sei es um der schönen Schlagzeile willen, sei es, weil er sich nicht vor seinem Redaktionsleiter blamieren will. Der Sprecher droht dem Journalisten, dass er in nächster Zeit exklusive Nachrichten nicht mehr an ihn, sondern an die Konkurrenz geben wird. Der Journalist bietet daraufhin als Kompromiss an, die nächste Pressekonferenz als „Wiedergutmachung” größer aufzumachen, als das Thema dies eigentlich hergibt – wenn damit der Ärger um die zugespitzte Aussage vom Tisch ist. Diesem Verhandlungsergebnis stimmen beide Seiten zu, denn sie sind sich bewusst, dass sie weiterhin kooperieren müssen. Auch ein „guter” Journalist wird somit zuweilen Gefälligkeitsberichterstattung als Teil eines „iterativen Spiels” betreiben. Als stilles Einverständnis zwischen Journalist und Informant
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beschreibt Sparrow (1999: 63) dieses „tit-for-tat” („Eine-Hand-wäscht-die-andere”) im Journalismus. „Um an Informationen zu gelangen, kann es legitim sein, ausnahmsweise Meldungen zu veröffentlichen, die journalistisch nicht gerade der Knaller sind”, pflichtet Viehöver (2003: 337) bei und fährt fort: „Gewisse ‚Gegengeschäfte’ mit PR-Profis gehören – zugegeben – zum Alltag. Dazu zählen auch Zusagen bei Einladungen zu Konferenzen, Versammlungen, Besichtigungen, [...], zu Essen und Reisen, in Einzelfällen vielleicht sogar gemeinsame (PR-) Aktionen. Die Grenzen für solche Deals sind indes fließend.” Kompromisse und „tägliche Deals” nennt Viehöver das – und ergänzt: „Wenn das der Leser wüsste [...]” (Viehöver 2003: 336). Als Tauschware für iterative Spiele im Journalismus eignen sich insbesondere vertrauliche Informationen. Sie werden vorab gezielt und selektiv an ausgewählte Journalisten abgegeben; im Gegenzug wird Publizität an prominenter Stelle erwartet und die Chance, die Medienberichterstattung im eigenen Interesse zu steuern.
4.3
Machtkonzentration und Gefälligkeiten
Auf beiden Seiten gibt es Machtkonzentration und damit „Hierarchien“. Wie hoch letztlich der Einfluss der PR auf den Journalismus ist, variiert von Marktsegment zu Marktsegment. Bei mittelständischen Unternehmen, die in großer Zahl um die Aufmerksamkeit weniger Medien konkurrieren, schlägt sich erwartbar deren Öffentlichkeitsarbeit relativ selten in Medienberichterstattung nieder. In anderen Berichterstattungsfeldern – etwa der Unternehmenskommunikation von internationalen Konzernen – ist der Einfluss von Öffentlichkeitsarbeit auf den Journalismus viel größer. Es macht auch einen Unterschied, ob der PR-Chef eines Global Players, z. B. der BMW AG, dem Chefredakteur des Spiegel oder einem Lokalredakteur des Münchner Merkur begegnet. Aber auch der große Auto-Konzern kann vermutlich eher auf dem Berliner Zeitungsmarkt, wo heftiger Wettbewerb herrscht, damit rechnen, im Motorteil der dortigen Regionalblätter gebührend gewürdigt zu werden, als von einem Monopolblatt in der Provinz, in dem er nicht zugleich Inserate schaltet. Umgekehrt ist es nicht unerheblich, wer sich um die Aufmerksamkeit der Medien bemüht. Die Chance, mit seiner Botschaft durchzudringen, ist für den Hersteller einer begehrten Luxuskarosse ungleich größer als für den Zulieferer, der nur Bremsbeläge bereitstellt. Es gibt Trendsetter, die als Benchmarks im PR-Sektor dienen, und Leitmedien, die sowohl für PR-Leute als auch für Journalisten besonders wichtige professionelle Referenzpunkte sind. Auf beiden Seiten besorgen die professionellen, mitunter symbiotisch verbandelten „opinion leaders“ nicht nur das Agenda Setting. Sie helfen auch, die Informationskosten zu senken – allerdings auf die Gefahr hin, dass viele Themen, die weder von den tonangebenden PRExperten inszeniert und ins Mediensystem eingefüttert noch von den Leitmedien selbst auf-
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gegriffen werden, medial und damit auch real (soll heißen: im Bewusstsein der Öffentlichkeit) nicht „stattfinden“ – und seien sie noch so wichtig. Wenn sich die Chance ergibt und sich entsprechende Nischen auftun, werden beide Seiten sich im Übrigen persönliche Bequemlichkeiten und Vorteile gönnen. So wird erklärbar, dass sich der Korridor an Gefälligkeiten stetig ausgeweitet hat, die „branchenüblich“ und damit von beiden Seiten als nicht-korrupt definiert werden, während diese, von außen betrachtet, klar als Vorteilsnahme empfunden werden. Zwei Beispiele: Touristik- und Autokonzerne laden Journalisten regelmäßig generös zu Reisen an exotische Urlaubsdomizile ein, um sie ihre Produkte testen zu lassen – die Rezipienten erfahren davon so gut wie nie. Und zahllose Unternehmen gewähren Journalisten auf ihre Produkte und Dienstleistungen beträchtliche Rabatte (www.journalistenrabatte.de) – natürlich in der Erwartung, dass ihnen für derlei Aufmerksamkeiten die Journalisten ihrerseits zu öffentlicher, wohlwollender Beachtung verhelfen. Beide Seiten neigen im Übrigen auch deshalb dazu, ihre Macht und ihren Einfluss auf den Prozess öffentlicher Kommunikation eher zu unterschätzen – schon um nicht für die Folgen ihrer Einflussnahme zur Verantwortung gezogen zu werden.
4.4
Voodoo Economics
Ökonomisch betrachtet, ist die Beziehung von PR und Journalismus als Business-to-Business-Relation zu begreifen. Deren „Erfolg“ wird letztlich von dritter Seite mitdeterminiert – vom Publikum, aber auch von Anzeigenkunden. Die Interessen der Letzteren sind wiederum allzu häufig eng mit denen der PR-Experten und ihrer Auftraggeber verwoben, was jeweils selektiv die Machtposition einiger PR-Leute gegenüber anderen PR-Wettbewerbern stärkt. Unsere bisherige spieltheoretische Analyse der Beziehung zwischen Unternehmen und Journalismus war also zu eng angelegt – es gilt, sie um folgende Dimensionen zu erweitern: 1. Zum rationalen Kalkül so mancher Medienleute – seien das nun Journalisten und Programmverantwortliche oder auch Kommunikationsmanager, Unternehmenssprecher und Werbetreibende – gehört, dass sie mit einem gewissen Maß an ausbeutbarer Dummheit des Publikums rechnen. So direkt wird das natürlich niemand zugeben. Es sind aber beileibe nicht nur die Zyniker, die damit kalkulieren: Dass der Köder dem Fisch und nicht dem Angler schmecken muss (Helmut Thoma), ist jedenfalls eine branchenintern gern verbreitete „Erkenntnis“. 2. Der Wettbewerb um die zu ködernden Fische und damit um knappe öffentliche Aufmerksamkeit hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschärft. Bei diesem Wettbewerb verschieben Unternehmen, aber auch Regierungsapparate und Non Governmental Organisations (NGOs) zusehends Ressourcen von der Werbung in die PR – ablesbar an der Diskussion um „Ad Value“, also um den Wert, den eine PR-Veröffentlichung im
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redaktionellen Teil eines Mediums für den Auftraggeber hätte, wenn er für den verfügbar gemachten Platz den üblichen Anzeigenpreis bezahlen müsste (Werbeäquivalenz). Das Konstrukt „Ad Value“ ist zwar grober Unfug, weil eine redaktionelle Veröffentlichung ganz anders zu bewerten ist als ein Inserat und man so Äpfel mit Birnen vergleicht. Aber ein Schritt in die richtige Richtung ist es gleichwohl – nämlich hin zur Bewertung von Kommunikationsleistungen (und damit zu mehr Transparenz auch im Journalismus). 3. Bereits das Beispiel „Ad Value“ bestätigt allerdings einen Eindruck, der generell entsteht, wenn man im Grenzbereich zwischen PR und Journalismus Kommunikationsleistungen angemessen zu bewerten versucht.7 Es herrschen „Voodoo“-Economics. Man muss nur einmal nachrechnen, was ein und derselbe Text „kostet“ bzw. wert ist – je nachdem, ob er
von einem freien Mitarbeiter einer Zeitung erstellt und mit Zeilenhonorar vergütet wird;
von einem festangestellten Redakteur verfasst wird und die Gegenleistung aus einem Gehaltsanteil besteht;
von einem PR-Profi für einen Auftraggeber erstellt und gegen Honorar abgerechnet wird;
oder ob eben der PR-Profi seinem Auftraggeber – unter Rückgriff auf den Ad Value – aufaddiert, was sein erfolgreich im redaktionellen Teil eines oder mehrerer Medien platzierter Beitrag „wert“ ist.
Erst wenn man journalistische Leistungen und PR-Leistungen als Markttransaktionen begreift und sie mit Preisschildern versieht, wird halbwegs sichtbar, wie sich auf wundersame Weise im Grenzbereich zwischen PR und Journalismus Geld vermehrt. 4. Andererseits wird auch erkennbar, in welche Falle der Journalismus gerät: Seine Ressourcenbasis schwindet dramatisch – und damit auch seine Recherchekapazität und letztlich seine Glaubwürdigkeit. Denn jeder Euro, den ein Unternehmen in PR statt in Werbung steckt, fehlt den Verlegern und Sendern zur Finanzierung ihrer Redaktionen. Gleichzeitig steigert er das in Umlauf befindliche Aufkommen an PR und verstärkt damit zugleich die subtile Fernsteuerung des Journalismus durch Öffentlichkeitsarbeit. 5. Die Organisationen und Unternehmen, welche die Redaktionen mit PR-Material beliefern, und die Werbetreibenden sind häufig identisch – und sie kalkulieren rational, welchen „Kanal” sie vorteilhafter nutzen können, um ihre Botschaften „an den Mann” zu bringen: Gelingt es ihnen, eine PR-Botschaft über die Journalisten in den redaktionellen Teil des Mediums transportieren zu lassen, ist das von doppeltem Vorteil: Die PR-Leute ersparen ihrem Auftraggeber die Kosten für eine Anzeige, und dieser profitiert zusätzlich davon, dass das redaktionelle Angebot von den Publika meist für glaubwürdiger gehalten wird als die Werbung. Der Nachteil: Eine PR-Abteilung oder ein Pressesprecher hat nicht unter Kontrolle, ob und wie eine Medienmitteilung von der Redaktion übernommen wird. 7
Solche Versuche beschränken sich – aus nahe liegenden Gründen – bisher leider eher auf den Bereich der Unternehmenskommunikation als den Journalismus; vgl. dazu insbesondere Zerfaß 2006.
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Außerdem erscheint sie im redaktionellen Teil nur ein einziges Mal, weshalb PR-Leute ständig mit neuen Geschichten aufwarten müssen, um dafür zu sorgen, dass ihre Auftraggeber im Gespräch bleiben. Ein und dieselbe Anzeige kann man dagegen mehrfach schalten – und womöglich entsteht gerade deshalb die erwünschte Wirkung.8
5.
Fazit
Mit einem Bild aus der Welt des Theaters haben die Kommunikationswissenschaftler Frank Esser und Bernd Spanier (2005, 37f und 46f) das Verhältnis zwischen Journalisten und Politikern umschrieben: Während sich beide Seiten auf der Vorderbühne einen heftigen Schlagabtausch liefern und sich, wie Held und Anti-Held im Drama, zum Gaudium des Publikums als erbitterte Gegenspieler inszenieren, ist auf der Hinterbühne Kooperation, bisweilen sogar Kungelei der Regelfall. Abseits des grellen Scheinwerferlichts der (Medien-) Öffentlichkeit, in der Routine des journalistisch-politischen Alltags, arbeiten Politiker und Journalisten zum beiderseitigen Vorteil vielfach verlässlich zusammen. Je mehr Unternehmenschefs ins Rampenlicht der Medien rücken, desto öfter lässt sich dieses Bild auch auf die Wirtschaft übertragen. Die Unternehmen versorgen ebenso wie Regierungen, Parteien und Verbände die Journalisten regelmäßig mit Informationen in Form von Pressemitteilungen, Pressekonferenzen, Hintergrundgesprächen und Interviews. Ohne diese Zulieferungen könnte keine Zeitung und keine Nachrichtensendung entstehen. Die Journalisten wiederum verschaffen ihren Informanten Aufmerksamkeit für ihre Statements und Forderungen. Journalisten lassen sich im Sinne der Ökonomik als rationale Akteure beschreiben, die unter Bedingungen knapper Ressourcen und mit eingeschränkter Rationalität handeln. Journalisten versuchen allerdings, neben materiellen vor allem auch immaterielle Güter – wie eben Aufmerksamkeit – zu maximieren. Nur wer versteht, welche Anreize bei der Entstehung von Medieninhalten eine Rolle spielen und wie Journalisten darauf reagieren, kann die Medien angemessen nutzen und mit Journalisten als Sparring-Partnern zusammenarbeiten, statt womöglich ihr Spielball zu werden. Partnerschaft setzt allerdings voraus, dass der Partner nicht kompromittiert und auch seine ökonomische Existenz nicht aufs Spiel gesetzt wird. Dieser doppelten Gefahr gilt es ins Auge 8
Weil PR und Werbung in ihren Wirkungen eben nicht vergleichbar sind, ist es im Übrigen auch nicht sinnvoll, den „Wert” einer erfolgreich platzierten PR-Meldung danach zu vermessen, was vergleichbarer Platz bzw. Textumfang als Anzeige gekostet hätte. Diese Form der Bewertung von PR-Arbeit erfreut sich zwar weiterhin unter PR-Leuten und ihren Chefs großer Beliebtheit, ist aber – ökonomisch betrachtet – ein Versuch am untauglichen Objekt.
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zu sehen: Koppelgeschäfte, bei denen Anzeigenaufträge in Abhängigkeit von redaktioneller Berichterstattung vergeben werden, aber auch PR-Aufträge an Journalisten, die deren unabhängige Berichterstattung gefährden, untergraben die journalistische Glaubwürdigkeit. Noch gefährlicher für einen unabhängigen Journalismus ist allerdings die Umschichtung von Etats aus der Werbung in die PR. Sie mag unter bestimmten Konstellationen betriebswirtschaftlich sinnvoll und unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs sogar notwendig sein. Gerade dem seriösen Journalismus wird so jedoch seine Ressourcenbasis entzogen – es sei denn, den Medienunternehmen gelingt es, anspruchsvollen Journalismus in Zukunft anders als über Werbung zu finanzieren. Unabhängiger, auch unbequemer und kritischer Journalismus ist und bleibt indes in freiheitlichen Gesellschaften ein wichtiges Korrektiv, um auf Fehlentwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft aufmerksam zu werden und sie so gegebenenfalls korrigieren zu können. Was solcher Journalismus der Gesellschaft „wert“ sein sollte, drückt sich allerdings in der Zahlungsbereitschaft von Kunden nur unzureichend aus – seien das Rezipienten, also Leser, Hörer, Zuschauer, seien das Werbetreibende, die diese Rezipienten mit ihren Botschaften erreichen möchten.
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Public Affairs und Lobbying
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Public Affairs und Lobbying Marco Althaus
Die Schnittstelle von Wirtschaft und Politik definiert ein Handlungsfeld der Unternehmenskommunikation, das im Zuge der Ablösung des korporatistischen Staats und globaler, mit immer neuen Rahmenbedingungen konfrontierten Marktstrategien ständig an Bedeutung gewinnt: Public Affairs und Lobbying. Dieser Beitrag skizziert die Herausforderungen, geht auf organisatorische und personelle Strukturen ein, beleuchtet die Entwicklung in Deutschland im internationalen Vergleich, diskutiert zentrale inhaltliche Aspekte wie die Umweltund Verbraucherpolitik und schließt mit einem Fallbeispiel aus der Unternehmenspraxis.
1.
Einleitung
Public Affairs und Lobbying sind eng miteinander verwandt, aber nicht bedeutungsgleich. Dies zeigt die nachfolgende definitorische Abgrenzung:
Definitionen: Public Affairs und Lobbying Public Affairs ist beides: Risikomanagement von öffentlichen Angelegenheiten für Unternehmen und Beratung in öffentlichen Angelegenheiten für die Politik. Strategisch arbeiten Public Affairs-Manager an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Politik, Recht und Medien. Lobbying als direkte Beeinflussung von politischen Entscheidungsprozessen durch Personen, die nicht an diesen Entscheidungen beteiligt sind, ist ein Teil dieser Anstrengungen.
Lobbying ist jedoch nur ein Instrument unter mehreren. Zudem kann es als kurzfristige Schadensbegrenzung („last minute lobbying“) nur begrenzt Erfolg haben, mehrjährige Strategien und entsprechende Planung sind erforderlich. Die Aufgaben sind vielfältig: Es geht um
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_46, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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die Recherche, Analyse und Prognose von Vorschlägen und Entwürfen für Gesetze, Richtlinien und Verordnungen bei Parlamenten und Behörden, einschließlich der offiziellen Drucksachen, aber auch Berichte und Studien anderer Organisationen, das Monitoring und die laufende Berichterstattung im Unternehmen und in den Branchenverbänden über die Entwicklung dieser Themen, Präsenz und Vertretung der Unternehmensinteressen bei Anhörungen des Parlaments, der Ministerien, Regulierungsbehörden oder EU-Behörden, Mitwirkung in der politischen Community, also Anwesenheit und Mitwirkung bei Parteitagen, Tagungen, Fachveranstaltungen, gesellschaftspolitischen Initiativen, in Verbänden sowie Netzwerk-Organisationen und informellen Lobbyistenkreisen, Aufbau, Pflege und Koordination von Bündnissen mit anderen Unternehmen oder Interessengruppen, die ähnliche Problemlagen oder Lösungsvorschläge haben, Erstellen interner Rundbriefe und Briefings sowie von Materialien für begleitende Pressearbeit, außerdem Hintergrundgespräche mit Journalisten, Information und Argumentation nicht nur vor politischen Entscheidungsträgern, sondern auch intern: bei Vorstand, Fachabteilungen, Mitarbeitern. Die interne Seite des Lobbyings wird meist drastisch unterschätzt, obwohl sie meist besonders viel Zeit kostet und die Vorbedingung für eine Interessenvertretung „mit einer Stimme“ ist. Solange die Interessenvertretung punktuell und informell ist, also abseits der Medien, nichtöffentlich und in persönlichen Gesprächen, kleinen Gremiensitzungen und mit Bezug auf nur unter Experten verbreiteter Papiere stattfindet, spricht man von (direktem) Lobbying: Das ist ein wechselseitiger, sachbezogener Informationsaustausch, interessengeleitete Kontaktpflege und politische Überzeugungsarbeit zwischen Interessenvertretern und politischen Entscheidungsträgern ohne Zwischenstufe. Lobbyisten sind (meist am Regierungssitz ansässige) Informationsmakler, die in erster Linie „externen Sachverstand“ anbieten – entweder durch eigene Fachexpertise oder durch Vermittlung derselben. Dagegen bewegt sich Public Affairs Management in einer Arena des gesamten vorstaatlichen, vorpolitischen Raums der Willensbildung. Dazu kann prinzipiell alles an externen Beziehungen des Unternehmens beigeordnet werden, was sich in der Nähe der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft, Recht und Medien befindet. Die wachsende Zahl der Akteure macht eine Vielzahl neuer Allianzen und Vorgehensweisen möglich. Die Überlegung, wer wann welche für das Unternehmen wichtige Entscheidung treffen könnte und wer sie beeinflussen könnte, geht über das Lobbying am Regierungssitz hinaus. Die kontinuierliche Beziehungspflege zu für die politischen Rahmenbedingungen direkt oder indirekt wichtigen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen mag ebenso dazu gehören wie die mehrmonatige Medienkampagne mit Mobilisierung Tausender Bürger für die Änderung bestimmter Rahmenbedingungen. Die strategische Ausrichtung zielt darauf, künftige Probleme zu vermeiden, statt sie im Nachhinein zu lösen. Weder langjährige Auseinandersetzungen vor Gericht noch die Anpassung bisheriger Produktions- und Geschäftsverfahren an eine neue Rechtslage können jemals
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kostengünstiger sein als die vorausschauende Arbeit an der Schnittstelle zur Politik. Selbst wenn das Problem nicht ganz beseitigt werden kann, ist zumindest ein Informationsvorsprung vor dem Wettbewerber möglich.
1.1
Public Affairs und Public Relations
Public Affairs ist häufig Non-Public Relations. Public Affairs zielt nicht so sehr auf Beziehungen zur Öffentlichkeit als vielmehr auf Beziehungen zu denjenigen, die über öffentliche Angelegenheiten entscheiden. Diese Angelegenheiten sind die res publica, die Staatsgeschäfte: oft öffentlich debattiert, aber von Politikern und nicht von der Öffentlichkeit entschieden. Wenn in Konzernen, Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen besonders gern englische Ersatzbegriffe wie Public Policy, Government Relations, Corporate Affairs, Corporate Relations, External Affairs, Regulatory Affairs verwendet werden, dann zeigt das auch einen Unwillen, die Aufgabe unbedingt der Unternehmenskommunikation unterzuordnen. Um eine politische Parallele zu wählen: Regierungssprecher und Botschafter (oder gar Außenminister) sind sehr unterschiedliche Rollen, auch wenn sie vieles gemeinsam haben. Interessengruppen sind in einer Demokratie nicht wie Bittsteller und Höflinge an Herrscherhöfen; sie sind ein „Integrationsfaktor“, wie schon der erste EWG-Kommissionspräsident Walter Hallstein feststellte, die „potenziell schon Vorkompromisse der nationalen Realitäten ausarbeiten und damit fürchterliche Fehler der EG-Bürokratie verhindern helfen können.“ (zitiert nach Köppl 2000: 154). Der frühere französische Senator Jean-Dominique Giuliani meinte: „Lobbying ist ein demokratisches Recht und sogar ein Instrument der Demokratie“ (zitiert nach Geiger 2005: 145). Pragmatisch gesehen: Ohne Informationen aus Verbänden und Unternehmen könnten Politiker und Beamte ihre Arbeit als Gesetzgeber und Exekutive nicht leisten. Dafür sind viele Themen einfach zu komplex geworden. Die Zusammenarbeit verlangt allerdings viel Fingerspitzengefühl, politische Antennen und Kenntnis des Rechtsrahmens.
1.2
Rechtliche Grundlagen
Während der Begriff Lobbyist vor allem für bezahlte, professionelle Interessenvertreter verwendet wird, steht das Lobbying doch jedem Bürger frei – und durch Vereine, Gewerkschaften, Kirchen, und nicht zuletzt auch Unternehmen nehmen sie die zugehörigen Rechte wahr. Das betrifft nicht nur bezahlte Interessenvertreter, sondern auch ehrenamtliche. Gerade weil professionelles Lobbying oft unter Verdacht undemokratischer Strippenzieherei gestellt wird, sollten sich Public Affairs-Verantwortliche nicht nur auf die Meinungs- und Pressefreiheit des
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Grundgesetzartikels 5 berufen, sondern auf die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit des Artikels 9 sowie das Petitionsrecht des Artikels 17, in dem es heißt: „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“ Das Petitionsrecht umfasst nicht nur das Recht, dem Petitionsausschuss des Parlaments einen Brief zu schreiben. Ebenso verankert ist das Lobbying in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Artikel 41 unter der Überschrift „Recht auf eine gute Verwaltung“: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden. Dieses Recht umfasst insbesondere: Das Recht einer jeden Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird.“ „Das Recht bildet den Rahmen, ist der Gegenstand, aber auch Instrument des Lobbyingprozesses. Das Wissen um die relevanten rechtlichen Zusammenhänge ist Grundvoraussetzung erfolgreichen Lobbyings“, fasst Karenfort (2005: 211) treffend zusammen. Die Strukturen und Verfahrensabläufe in der Politik sind in einer Demokratie nicht völlig frei gestaltbar, sondern sind in einen rechtlichen Rahmen gegossen. Kennt man diese als Lobbyist nicht, stellt sich schon die Frage, ob man den richtigen Adressaten und den geeigneten Zeitpunkt im Verfahren finden wird, um Einfluss zu erlangen. Verfahren prägen Inhalte, und Verfahrensfragen prägen Machtfragen, ebenso wie die Geschäftsverteilung. Die häufigsten Fehler im Lobbying sind die Ansprache der falschen Personen zum falschen Zeitpunkt mit Informationen, mit denen der Akteur dann wenig bis gar nichts anfangen kann. Rechtlicher Sachverstand erleichtert in jeder Phase die Beurteilung von Gesetzgebungsvorhaben, und gegenüber den politischen Entscheidern ist das Mitdenken der rechtlichen Verfahren und der juristischen Argumente viel wert. Wer muss beteiligt werden? Wer kann eine Entscheidung verhindern? Wer kann dagegen Einspruch erheben oder klagen, und mit welcher Aussicht auf Erfolg? Hier zeigen sich nicht zuletzt die Schwachstellen politischer Projekte und damit die Ansatzpunkte für Hebel im Lobbying.
2.
Organisationsformen und Personal
Public Affairs ist der Natur nach eine Querschnittsfunktion, die in Unternehmen sehr unterschiedlichen Stäben und Abteilungen zugeordnet werden kann, zum %eispiel: Unternehmenskommunikation, Planungsstab oder Abteilung für Grundsatzangelegenheiten, allgemeines Vorstandsbüro,
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Rechtsabteilung, Regulierungsangelegenheiten, Risikomanagement, selbstständige Abteilung für politische Beziehungen. Nun wird die deutsche Wirtschaft vorwiegend von mittelständischen Unternehmen geprägt. In diesen wird Public Affairs Management zum kleineren Teil von der Geschäftsleitung selbst betrieben und zum größeren Teil von den Verbänden übernommen, in denen diese Unternehmen Mitglied sind. Solche Unternehmen haben als bedeutende Arbeitgeber lokal und regional die Chance, auf Entscheidungen Einfluss zu nehmen und sich als Gesprächspartner für Politik und Verwaltung dauerhaft zu positionieren. Auch das ergibt sich nicht von allein, das Bewusstsein für die Notwendigkeit solcher Beziehungen stellt sich oft erst bei heraufziehenden Schwierigkeiten ein. Doch sind die Wege im Allgemeinen kürzer, und erste Kontakte werden durch geeignete Institutionen – etwa die Industrie- und Handelskammern, Wirtschaftsklubs oder örtliche Wirtschaftsförderung – schneller arrangiert als überregional. Lokalpolitik ist übersichtlicher und einfacher zugänglich als Politik in den höheren Ebenen. In den Landeshauptstädten, erst recht in Berlin und Brüssel hingegen ist der Mittelstand auf seine Branchen-, Arbeitgeber- und Berufsverbände angewiesen. Nur wenige Unternehmen entscheiden sich dafür, eine Public-Affairs-Agentur oder Kanzlei als dauerhaftes Verbindungsbüro zu engagieren – wenn sie dies tun, dann von Fall zu Fall. Verbände haben in politischen Verfahren nicht nur einige Privilegien, sondern besitzen auch höhere Legitimität; vor allem aber haben sie eine personelle und organisatorische Infrastruktur, die nicht ad hoc aufgebaut werden muss. Arbeitsteilung und Spezialisierung sind in einem Maße möglich, das für die meisten Unternehmen nicht in Frage kommt. Zwar haben die meisten Verbände nur kleine Geschäftsstellen, doch sind sie im Regelfall in ein Netz von Arbeitskreisen bei ihren Dachverbänden integriert, die die Ressourcen deutlich vergrößern. Umgekehrt bieten die Verbände ihren Unternehmen die Mitarbeit in verschiedenen eigenen Arbeitskreisen an, um Fachthemen zu besprechen und strategische Linien vorzubereiten. Für alle Unternehmen jeglicher Größe ist die Abstimmung mit und Mitarbeit in ihren Verbänden daher eine wichtige Aufgabe, die sich in der Organisation der Public Affairs-Aufgaben spiegeln muss. Kommunikation ist ein Teil davon, aber nicht der einzige. In den Unternehmen gehört ein größerer Teil der Public Affairs-Verantwortlichen zur Kommunikationsabteilung. Die steigende Einbeziehung auch anderer Vorstandsbereiche und die notwendige enge Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung intern und extern mit Anwaltskanzleien deuten jedoch künftig auf andere Aufstellungen hin. Für stark regulierte Branchen wie etwa Energie, Telekommunikation, Gesundheitswirtschaft, Pharma oder Luftfahrt sind enge Beziehungen zu den Aufsichtsbehörden, die für Lizenz- und Zulassungsangelegenheiten, Kartell- und Wettbewerbsrecht zuständig sind, überlebenswichtig. Dies sind fachlich komplizierte Angelegenheiten, die allein durch Kommunikationsexperten nicht zu bewältigen sind. Sie können hochpolitisch sein, aber keinerlei öffentliche
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Kommunikation erfordern. Hier sind in der Regel Fachleute am Werk, die über Patente, Preise, Verträge, Verordnungen oder Genehmigungen verhandeln. Oder auch um Handelsfragen, wenn es um Ein- und Ausfuhrbeschränkungen, Zölle oder Auflagen geht. Ähnlich sieht es in Branchen aus, die zwar weniger reguliert sind, aber stark von Steuerregelungen, öffentlichen Subventionen oder öffentlicher Infrastruktur abhängig sind. Hier geht es im Kern um betriebswirtschaftliche Strategien der steuerlichen Optimierung oder der Finanzierungen durch staatliche Programme, andererseits um konkrete Rechtsberatung im Dickicht der Förderrichtlinien. Steuer- oder Fördermittelberatung liegt fest in der Hand von zugelassenen Steuerberatern und Rechtsanwälten, die ihre Privilegien auch hart verteidigen. Dies mag in erster Linie eine Streitfrage externer Dienstleister sein (besonders bei der EU-Förderpolitikberatung streiten sich Anwaltssozietäten, Unternehmensberatungen und Kommunikationsagenturen regelmäßig vor Gericht), hat aber auch Auswirkungen auf die Aufgabenverteilung innerhalb von Unternehmen. Wieder anders gelagert sind Public-Affairs-Schwerpunkte in Branchen wie Nahverkehr, ITSysteme, Ausrüstung und Spezialfahrzeuge für Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr und Müllabfuhr, Straßenbau und Entsorgung, wo die Erlangung öffentlicher Aufträge und die Betreuung von Ausschreibungen wichtige Aufgaben sind. Die Beschaffungsaufgaben von Verwaltungsbehörden, staatlichen und kommunalen Betrieben müssen durch adäquate Gesprächspartner in Vertrieb und Großkundenmarketing aufgenommen werden. Für ein solches Unternehmen ist es nicht sinnvoll, Public-Affairs-Aufgaben mit alleiniger Zuständigkeit in die Unternehmenskommunikation zu delegieren. Diese mag die Betreuung klassischer Produkt-PR und Werbung in Zielgruppenmedien übernehmen, wird im Regelfall aber nicht das „Beschaffungslobbying“ steuern. Eine breit forcierte öffentliche Kommunikation, beispielsweise zum Thema wie „Einführung des digitalen Polizeifunks“, vermag durchaus die Nachfrage zu erhöhen. Um daraus aber Auftragseingänge zu machen, muss erst eine Einigung von 17 Innenministerien her, die sich ihrerseits mit zahlreichen Institutionen und Organisationen einigen müssen. Die fachliche Betreuung solcher Prozesse geht meist weit über die Fähigkeiten der Unternehmenskommunikation hinaus. Weil es in jeder Branche anders ist, sind auch branchenübergreifende Unternehmen wie zum Beispiel Großbanken dazu gezwungen, ihre Public Affairs-Aufgaben entsprechend aufzuteilen. Bei Kredit- und Investmentgeschäften mit Unternehmen aus den oben aufgeführten Branchen ist es notwendig, im Risikomanagement nicht nur die betriebswirtschaftlichen und Finanzmarkt-Daten zu bewerten, sondern auch den politischen Kontext. Die Analysten und Risikomanager einer Bank übernehmen daher regelmäßig das Monitoring und zum Teil die strategische Betreuung von Themen. So liegt auf der Hand, dass sich auch die Auswahl und Beauftragung externer Dienstleister stark nach der internen Aufgabenverteilung richtet: Kommunikationsabteilungen arbeiten eher mit Kommunikationsagenturen, Rechtsabteilungen eher mit Anwaltssozietäten, Projektmanager aus Fachabteilungen eher mit Unternehmensberatungen, Vorstandsbüros eher mit spezialisierten Einzelberatern. Je stärker sich ein interdisziplinäres Verständnis der Public Affairs durchsetzt, desto eher neigen Unternehmen auch dazu, interdisziplinär zusammenge-
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setzte Projektteams zu bilden, in denen je nach Bedarf unterschiedliche Dienstleister zu finden sind. Der Markt der Dienstleister ändert sich ständig. Profitierten nach dem Regierungsumzug nach Berlin zunächst Kommunikationsagenturen von der Nachfrage, drängen nach der Liberalisierung des anwaltlichen Niederlassungsrechts inzwischen häufig große überörtliche Sozietäten unter amerikanischer oder britischer Führung hinein. Und auch klassische Unternehmensberatungen sehen hier ein Wachstumsfeld. Einstieg in das Berufsfeld Public Affairs und Lobbying sind offen für Seiteneinsteiger aller Fachrichtungen. Häufig werden jedoch Vorerfahrungen in Politik, Verwaltung oder Recht gewünscht. Politische Erfahrung sammeln viele durch eine Zeit als Mitarbeiter in einem Abgeordneten- oder Parteibüro, durch Wahlkampf- oder Kampagnenarbeit für Non-Profit-Organisationen oder durch Referendarstationen in Ministerien oder Parlamentsfraktionen. Die Fähigkeit zur schnellen Recherche, eine kommunikative, aber diplomatische und diskrete Persönlichkeit, strategisches Denken, Einfühlungsvermögen als Berater, Interesse und Begeisterung für Politik sind die Hauptqualitäten von Bewerbern – die formale Qualifikation und Fachwissen zählen weniger. Nur wenige Stellen werden ausgeschrieben. Die meisten Agenturen und Beratungsgesellschaften sind klein (weniger als 20 Mitarbeiter) und haben eine hohe Personalfluktuation. Sie stellen gezielt ein, wenn zusätzliche Aufträge hereinkommen. Bei Verbänden und Unternehmen sind Wechsel weniger häufig, jüngere Einsteiger ab Ende Zwanzig sind hier relativ selten in Public Affairs-Positionen tätig. Eine geregelte Ausbildung gibt es nicht. Auch die Trainee- oder Volontärsstellen bei einschlägigen Agenturen vermitteln in der Regel vor allem PR-Wissen. Größere Organisationen haben zum Teil interne Weiterbildungsprogramme. An den Hochschulen entwickeln sich Spezialprogramme für politische Kommunikation und Interessenrepräsentation erst sehr langsam. Zu den relevanten Berufsorganisationen gehören u. a. die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung (degepol) und in Brüssel die Society of European Affairs Professionals (SEAP).
Die Organisationserfordernisse haben Auswirkungen auf die Rekrutierung und Schulung des Personals. Ein Werksleiter oder eine Regionalvertretung eines Konzerns, die lokal mit Public Affairs-Problemen konfrontiert wird, wird nur begrenzt auf Hilfe aus der Kommunikationsabteilung der Konzernzentrale hoffen können. In dieser „Vorposten-Falle“ stecken inzwischen viele örtliche Führungskräfte, oftmals Ingenieure oder Betriebswirte, deren Distanz zu Kommunikationsaufgaben ebenso groß ist wie zur Politik. Ihr Problem müssen sie aber selbst lösen. Ein Beispiel: Mit dem Antennenausbau beauftragte Ingenieure eines Mobilfunkkonzerns stoßen in einer Stadt auf Widerstand von Bürgerinitiativen, die eine Kampagne in Politik und Medien beginnen. Im Regelfall wird die Konzernzentrale hier wenig selbst zur Lösung des Problems beitragen. Damit ist es aber erforderlich, die örtlichen Manager für die Bewältigung solcher Public AffairsQuerschnittsaufgaben zu schulen. Wieder anders stellt sich die Frage bei der Besetzung von Verbindungsbüros und Unternehmensrepräsentanzen in der Hauptstadt, also in Berlin, Brüssel und zum Teil auch in Landeshauptstädten. Ein klassischer Konflikt besteht in der Entscheidung, ob es besser ist, ein Eigengewächs des Hauses, also einen Fachmann, der das Unternehmen sehr gut kennt, zu
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berufen; oder einen externen Kenner der Politik, z. B. einen früheren Politiker, Mitarbeiter oder Berater von Politikern dafür neu einzustellen. Viele Unternehmensrepräsentanzen beantworten die Frage nach Fachmann oder Politik-Insider mit einem Sowohl-als-auch, z. B. mit einem gemeinsam verantwortlichen Zweierteam. Im direkten Lobbying wird dann auch auf Parteinähe geachtet (ist z. B. der Leiter des Verbindungsbüros in Berlin unionsnah, wird sein Stellvertreter eher aus SPD- oder Grünen-Kreisen rekrutiert usw.). Entscheidend sind aber nicht die Parteibücher, sondern die mit vorheriger parteinaher Tätigkeit verbundenen Kommunikationskanäle zu Entscheidungsträgern. Diese müssen durch eigenständiges, aktives Sich-Einbringen in die politische Community und das Knüpfen eigener Netzwerke kontinuierlich ausgebaut werden. Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache ist kein Tabu mehr, sondern gefordert als bewusste Präsentation der Public Affairs-Botschafter eines Unternehmens oder einer Organisation als Ansprechpartner. Relevante Kontakte sind, entgegen vorherrschender Meinung, jedoch nicht alles. Im Gegenteil liegt ein Problem bei der Rekrutierung von Personal aus der aktiven Politik darin, dass sich diese Personen nur schwer von ihren alten (Partei-)Netzwerken distanzieren, um neue aufzubauen, die für den Arbeit- oder Auftraggeber relevanter sind. Die eigentliche Währung sind relevante Informationen für die geeigneten Adressaten in den geeigneten Verfahren. Das setzt neben den Fachkenntnissen vor allem Struktur- und Verfahrenswissen voraus, zum Beispiel über Geschäftsordnungen, Abläufe im Gesetzgebungsverfahren, Abstimmungsmechanismen auf mehreren Politikebenen im Föderalismus und in der EU. Dies sind nicht allein Fragen, die sich auf den Blick in Gesetzbücher beantworten lassen, denn die informellen Wege sind oft ebenso wichtig wie die formalen. Dabei geht es nicht um Geheimwissen, sondern um Kenntnis und Gespür für relativ simple Regeln und Gebräuche, etwa beim politischen Kalender oder den üblichen Rhythmen der Haushaltsaufstellung. Die Qualifikationsanforderungen sind also komplex. Unternehmens- und Branchenkenntnis sind ebenso wichtig wie politisches Urteilsvermögen, Gespür und Prozesswissen, Analyse-, Problemlösungs-, Konzeptions- und Kommunikationsfähigkeiten, Sensibilität für alle Medienfragen, Verhandlungsgeschick und Streitbarkeit verbunden mit der Bereitschaft, Spitzenpolitikern und hohen Beamten auf gleicher Augenhöhe zu begegnen. Hinzu kommt die Fähigkeit, dem Unternehmensmanagement die Abläufe in der Politik einschließlich der mühsamen Suche nach Mehrheiten zu erklären – denn dafür ist meist wenig Verständnis vorhanden. Welche Qualifikation bevorzugt wird, ist in Unternehmen sehr unterschiedlich. Einerseits werden rationale analytische und strategische Fähigkeiten immer höher bewertet. Personalverantwortliche würden vielleicht mit van Schendelen (2005: 264, eigene Übersetzung) formulieren: „Der ideale Public-Affairs-Manager ist ein dreifacher Meister: wie ein Sokrates, der in jedem Lobbyfach fundamentale Fragen stellt, wie ein Max Weber, der durch geduldiges Vorbereiten und Analysieren die Antworten findet, und wie ein Niccolo Machiavelli, der dies mit Ehrgeiz und Überlegung in die Praxis umsetzt.“
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Andererseits suchen manche Unternehmen für ihre Botschafterposten vorrangig Repräsentanten mit Prestige, die als Gastgeber und Türöffner fungieren, während die operativen Tätigkeiten durch andere erledigt werden. Früher sagte man dazu „Frühstücksdirektor“. Oder aber die Rollenbeschreibung lautet wie in diesem Originalzitat eines Konzernvorstands: „Ich brauche keine politischen Analysen. Für mich ist Politik wie Voodoo, also brauche ich einen VoodooMaster.“ Wieder andere setzen auf Politiker mit Doppelfunktion. Während es zur Tradition der Parteien gehört, nahe stehende Verbände auch bei der Aufstellung der Kandidatenlisten zu bedienen und damit „eingebauten Lobbyisten“ eine parlamentarische Plattform zu geben, ist die wachsende Zahl von Politikern, die als Rechtsanwälte oder Agentur-Consultants wechselnde Mandanten beraten und vertreten, eine neuere Erscheinung. In beiden Fällen ist nie immer ganz klar, auf wessen Seite sie stehen (vgl. dazu den Kasten „Verhaltensregeln“). In Verruf gekommen ist die langjährige Praxis von Großunternehmen, Angestellten, die eine Politikerlaufbahn eingeschlagen haben, zusätzlich zu den staatlichen Diäten weiter Gehalt oder auch zusätzliche Beraterhonorare zu zahlen. Problematisch ist dies insbesondere, wenn keine konkrete Gegenleistung für dieses Geld nachgewiesen werden kann.
Verhaltensregeln für Politiker Alle Parlamente haben Gesetze und Geschäftsordnungen, die Verhaltensregeln fest- und mögliche Interessenkonflikte offen zu legen. Bundestagsabgeordnete müssen seit 1972 u. a. Ämter in Lenkungs- und Kontrollgremien von Unternehmen, Anstalten öffentlichen Rechts und Verbänden angeben. Sie werden im Bundestagshandbuch und im Internet veröffentlicht. Abgeordnete müssen gegenüber dem Bundestagspräsidenten Nebeneinkünfte deklarieren. Auch Beratertätigkeiten und publizistische Tätigkeiten müssen veröffentlicht werden, soweit sie 3.000 Euro im Monat oder 18.000 Euro im Jahr überschreiten. Verstoßen die Parlamentarier gegen die Regeln, riskieren sie eine öffentliche Rüge. Strafbar macht sich ein Abgeordneter erst, wenn er sein Stimmverhalten gegen Geld verkauft – ein schwer nachzuweisendes Delikt. Spenden an Abgeordnete sind zulässig und müssen ab 5.000 Euro je Kalenderjahr und Spender und ab 10.000 Euro pro Jahr dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden.
3.
Entwicklung im internationalen Vergleich
Dass der Begriff der Public Affairs in Deutschland Ende der 1990er Jahre entdeckt wurde, als die 68er-Generation die politischen Führungspositionen übernahm, ist historisch nicht zufällig. Die Umbrüche der Sechziger und Siebziger waren nicht nur gesellschaftlicher Art; sie änderten das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft. Mitbestimmung der Arbeitnehmer, Ausbau der Sozialen Marktwirtschaft als Konsensmodell, Ausbau des Rechtswegestaats, Verbraucherschutz, Gesundheitsschutz, Umweltschutz und Ökologie, neuer Städtebau und
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Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, Bildungsreformen, Frauenemanzipation, Ausländer- und Migrantenpolitik, europäische Integration – all das und noch viel mehr fand seinen Niederschlag in Regulierung, neuen Behörden und Institutionen, neuen Politikfeldern und neuen Akteuren, die in einem ebenso wachsenden Mediensystem immer leichter Partner fanden. Solange in Deutschland – wie in weiten Teilen Westeuropas – das konsensorientierte System des Korporatismus ein Gleichgewicht der Kräfte von Dachverbänden garantieren konnte, hatte das Lobbying wenig Ähnlichkeit mit Brüssel, London oder Washington. Public Affairs war als Begriff kaum bekannt, obwohl er in den USA schon Anfang der Sechziger geprägt wurde. Die erste Boomphase der Public Affairs lässt sich in den USA auf 1965 bis 1985 datieren. Vieles von dem, was sich in Deutschland erst unter dem Druck von Globalisierung, Europäisierung, dem politischen Generations- und Regierungswechsel, dem Medienwettbewerb und einem rasant wachsenden Dritten Sektor tut, passierte in den USA tatsächlich schon damals. Die Siebziger und frühen Achtziger Jahre ließen die Public Affairs-Stäbe schnell wachsen, und eskalierende Auseinandersetzungen mit Gewerkschaften, NGO, Politikern und Regulierungsbehörden sorgten zusätzlich für einen Bedarf an externer politischer Beratung, der (außerhalb der Wahlkampfzeiten) von den entstehenden Berateragenturen, den Political Consultants, befriedigt wurde. Hinzu kam der große Finanzierungsdruck, der auf den Politikern lastet, die ihre Wahlkampagnen weitgehend selbst organisieren müssen. Wahlkämpfe sind extrem teuer, auch einzelne Abgeordnete müssen dafür zum Teil Millionenbeträge auftreiben. Der Weg, Politiker finanziell zu unterstützen, führt legal fast ausschließlich über eine rechtliche Sonderform, das Political Action Committee (PAC). PAC Management hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten zu einer für das Lobbying und breiter angelegte Public Affairs sehr wichtigen Funktion entwickelt, weil sie in der Lage ist, aktive Kampagnenpolitik in Wahlkämpfen und in den (ebenso teuren) Volksabstimmungskampagnen zu betreiben. Unternehmen und Verbände erkannten, dass Zahl und Engagement ihrer Mitarbeiter für politische Zwecke nutzbar sind, um die Interessen der Firma zu schützen. Allerdings nur, wenn die Mitarbeiter das selbst wollen. Das wiederum setzt ein bestimmtes Betriebsklima voraus, außerdem die Bereitschaft, die Politik ins Unternehmen zu holen. Die Grundprinzipien sind einfach: Politiker erhalten Fachinformationen in der Hauptstadt, aber Druck aus dem Wahlkreis – und wenn sie den Druck spüren, bewegen sie sich schneller. Grassroots Lobbying, also die Mobilisierung von Mitarbeitern, Kunden usw. für politische Interessenvertretung und auch Medienarbeit, ist seit Ende der Siebziger in vielen USUnternehmen verankert. Public Affairs in den USA ist ohne diesen „Corporate Activism“ schwer zu verstehen. In der zweiten Hälfte der Achtziger Jahre war diese Welle vorbei, Politik, Konzerne, NGO und Medien schienen erschöpft von der Dynamik, die sie entfesselt hatten. Erst in der Clinton-Ära begann er von neuem, ausgelöst durch Rezession und polarisiertem politischen Streit um Wirtschaftspolitik, Gesundheitssystem und die grundlegende Reform des Wohlfahrtsstaates sowie der Streit um die Freihandelszone NAFTA und den Beitritt zur WTO. Dies, gekoppelt mit einer Rückverlagerung politischer Macht auf die Einzelstaaten und Kommunen, waren Stromstöße für die etwas apathisch gewordene PublicAffairs-Funktion der Wirtschaft. Heute sind Public Affairs amerikanischer Unternehmen zunehmend internationaler ausgerichtet, mit Blick auf die EU und andere Märkte. Zugleich
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haben ausländische Unternehmen, deren direktes Lobbying in Washington stark reglementiert ist, die Hebelwirkung der breiter angelegten Public Affairs erkannt. Sie ahmen die USTechniken nach – und das wiederum hat Auswirkungen auf das Verständnis der Public Affairs in anderen Ländern.
EU-Angelegenheiten (European Affairs) Wer in der Unternehmenskommunikation für Public Affairs zuständig ist, wird früher oder später Flugscheine nach Brüssel lösen müssen. Aller Europaromantik zum Trotz ist die EU das, was sie schon 1957 war, nämlich in erster Linie eine Wirtschaftsgemeinschaft. Es ist nicht nur Politikerwille, sondern auch Unternehmens- und Lobbyistenwille gewesen, der die wirtschaftsrelevante Gesetzgebung so stark in Brüssel zentralisiert hat, dass Dreiviertel aller bei uns geltenden Marktregelungen dort initiiert werden und rund die Hälfte aller Subventionen, die der Wirtschaftsförderung zur Verfügung steht, aus EU-Kassen stammt. Wie Regeln umgesetzt und die Gelder verteilt werden, ist im Detail Sache der Nationalstaaten. Doch sind sie nicht frei in dem, wie sie es tun. Und wenn sie die Regeln wirklich ändern wollen, müssen sie genau wie die anderen 15.000 Interessenvertreter Lobbying betreiben. Alle können dafür im Rahmen einer Public Affairs-Strategie auch die Medien und die Öffentlichkeit mobilisieren. Doch eine pan-europäische Öffentlichkeit gibt es nicht. Medienstrategien, die das Lobbying begleiten, müssen stark national ausgerichtet sein und erfordern eine Infrastruktur in den jeweiligen Zielländern. Nationale und europäische Akteure sind in Brüssel gleichermaßen präsent. Zugleich treffen bei den Beamten und Politikern die sehr unterschiedlichen nationalen Traditionen des Umgangs mit Lobbyisten aufeinander. Insgesamt ist Brüssel aber eine sehr Lobby-freundliche Stadt. So hat sich in Brüssel ein eigener Lobbying-Stil herausgebildet, der geprägt ist von Offenheit, Transparenz, wechselnden Bündnissen, intensiver Konkurrenz, Ideologie- und Parteien-Ferne, hoher Professionalität und einer sehr starken Rolle von freien Lobbyberatern, Anwaltskanzleien und Agenturen. Schließlich funktionieren die EU-Institutionen auch völlig anders als nationale Exekutiven und Parlamente. So bietet das Unikum der „Komitologie“ – rund 1.300 technische Expertenkomitees – eine Klaviatur, die es nirgendwo sonst gibt. Was in den Hauptstädten der Mitgliedsstaaten als Strategien und Taktiken erfolgreich ist, wird in Brüssel nicht automatisch funktionieren – und umgekehrt.
Dass Deutschland recht lange brauchte, um hier aufzuschließen, liegt nicht nur an der (inzwischen aufgelösten) Abschottung der in der „Deutschland AG“ eng verflochtenen Unternehmen. Die letzten großen Gesetzgebungsprojekte waren in den Siebzigern erledigt, man hatte es sich eingerichtet. Kein Vietnam, kein Watergate hatte das Vertrauen in den Staat erschüttert. Weder gab es in den Achtzigern mit Kohl, Genscher und Lambsdorff einen radikal deregulierenden, gewerkschaftsfeindlichen Thatcherismus noch eine Phase riskanter Reaganomics. Die in Großbritannien und erst recht in den USA verfolgte Idee, Geldmittel, Steuerpolitik und Gesetzgebungskompetenzen zurück auf die unteren Politikebenen zu verlagern und damit zusätzlichen Wettbewerb auszulösen, hatte in Deutschland keine Chance. Praktisch sahen die Großunternehmen keinerlei Veranlassung, zusätzliche Stabsfunktionen zu schaffen, um politische Entwicklungen zu beobachten und zu beeinflussen. Sie fühlten sich weder vom Markt noch von Politik und Gesellschaft bedroht. Aus Vorstandssicht war die Welt damals einfach: Um die Presse kümmerte sich der Pressechef, um das Recht der Syndi-
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kus, um die Politik normalerweise die Verbände, in denen die Firma Mitglied war; und gelegentlich, wenn unbedingt nötig, ein Vorstand, der zum Mittagessen nach Bonn fuhr. Gesellschaftliche Verpflichtungen der Firma gab es auch, aber die bewegten sich fast ausschließlich im lokalen und wohltätigen Bereich. Public Affairs-Management gehörte definitiv nicht zu den Managementmoden, die in den Achtzigern über den Atlantik kamen.
Regulierungsangelegenheiten (Regulatory Affairs) Diese Public Affairs-Aufgabe umfasst die Interessenvertretung dort, wo der Staat Regulierungsmaßnahmen trifft und so bei Unternehmen betriebswirtschaftliche Wirkungen auslöst. Regulierung wird auf Unternehmensseite meist durch Rechtsabteilungen und Fachanwälte betreut, muss aber auch kommunikativ und politisch begleitet werden. Beispiele sind Zulassungsverfahren für Chemikalien und Arzneimittel, Hygienevorschriften, Bedingungen für Lebensversicherungen und Vorsorgepolicen, Handelsauflagen wie Zölle oder Importquoten u. a. Intensiv reguliert sind früher staatliche oder kommunale Leistungen der Daseinsvorsorge im Netzinfrastrukturbereich (Post, Telekommunikation, Energie) und Verkehr (Bahn, Luftfahrt). Regulierungsagenturen sind meist einem Bundesministerium unterstellte Bundesoberbehörden, die den Wettbewerb beaufsichtigen (z. B. Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen, Bundesnetzagentur). Regulierungsbehörden dürfen zum Beispiel durch Festsetzen von Preisen aktiv in das Markt- und Wettbewerbsgeschehen proaktiv und allgemein eingreifen, während das Bundeskartellamt dies nur bei Vorliegen von Beweisen im Einzelfall darf. Entscheidungen und Arbeitsweise der Regulierungsbehörden haben erheblichen Einfluss auf den Markt. Es ist nicht allein Aufgabe, mit diesen Behörden zu kooperieren, sie zu beobachten und die Analyse in Unternehmensentscheidungen einfließen zu lassen. Unternehmen in regulierten Märkten haben oft Informations- und Auskunftspflichten gegenüber der Behörde, und gegen Entscheidungen müssen sie gelegentlich juristisch vorgehen. Dabei ist nie zu vergessen, dass die Behörde vor allem das ausführt, was der Gesetzgeber politisch will, aber bei der Weiterentwicklung der Gesetze selbst erheblichen eigenen Einfluss hat.
Die deutsche Einheit und der beschleunigte europäische Einigungsprozess aber drückten das Gaspedal der Veränderung durch. In den Neunzigern liefen die andernorts bekannten Prozesse wie im Zeitraffer ab, natürlich nicht als Kopie, sondern mit sehr deutschem und europäischem Charakter. Europäisch auch deshalb, weil sich Public Affairs andernorts in (West-) Europa schneller entwickelten als in Deutschland. Berlin holt derzeit nicht nur nach, was vor 20 Jahren in Washington passierte, sondern auch, was vor zehn Jahren in Brüssel und London passiert ist. Wie sehr sich Struktur und Stil der Public Affairs verändert haben, zeigt sich beispielsweise an der Pharmabranche. Früher war sie auch wichtig, aber einheitlicher aufgestellt. Inzwischen gibt es ein halbes Dutzend miteinander konkurrierender Dachverbände, und die großen Unternehmen betreiben eigene Repräsentanzen und unterhalten zusätzlich Beratungsagenturen. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller ist inzwischen eine mit Personal und Etat hochgerüstete Kampagnenzentrale geworden; Multis wie Pfizer scheuen sich nicht, die Bundesregierung mit Anzeigen und Interviewserien frontal anzugreifen; und selbst um die Aufmerksamkeit einfacher Abgeordneter wird mit drastischen Mitteln geworben – beispielsweise durch E-Mails mit Bildern von angefaulten und teils abgestorbenen menschlichen Gliedma-
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ßen. Die Aussage lautete: „Wollen Sie, dass unser durchblutungsförderndes Mittel künftig den Versicherten nicht mehr zur Verfügung steht?“ Es ging um ein Medikament, das nicht in die diskutierte „Positivliste“ für von Krankenkassen bezahlte Arzneimittel aufgenommen worden war.
Die „Lobbyliste“ Von A wie Arbeitsgemeinschaft Amateurfunkfernsehen bis Z wie Zentralverband der deutschen Schweineproduktion reicht die so genannte Lobbyliste des Bundestages. Seit 1972 führt die Bundestagsverwaltung dieses Verbandsregister. Waren auf der ersten Liste 635 Verbände verzeichnet, sind es mittlerweile 1.900. Aufgenommen werden Verbände, die ein allgemeines Vertretungsinteresse glaubhaft machen können. Die Liste wird im Bundesanzeiger veröffentlicht und dient den Abgeordneten und anderen Interessierten als Informationsquelle. Unternehmen und Vereine werden nicht aufgenommen. Rechtsgrundlage für die Liste ist die Anlage 2 zur Geschäftsordnung des Bundestages. Ein Anhörungsrecht ergibt sich daraus noch nicht. Im Internet: www.bundestag.de/bic/archiv/sachgeb/lobbyliste/index.html Wer im Europäischen Parlament Zugang als Lobbyist haben will, ist zur öffentlichen Akkreditierung und Einhaltung des Verhaltenskodex verpflichtet. Im Internet: www.europarl.eu.int/parliament/expert/lobbyAlphaOrderByOrg.do?language=de
4.
Zentrale Themenfelder
In Deutschland nehmen drei Querschnittsgebiete der Public Affairs eine hervorgehobene Stellung ein: Umweltpolitik, Verbraucherschutzpolitik und die außerökonomische Verantwortung von Unternehmen. In den drei Arbeitsgebieten gibt es sowohl ein feinmaschiges Netz an staatlichen Vorschriften als auch den politischen Willen, das Reglement weiter auszubauen, und eine für gute wie schlechte Nachrichten empfängliche Öffentlichkeit – was sowohl die Medien als auch zahlreiche Non Profit-Organisationen in Kampagnen zu nutzen verstehen. Bei verbrauchernahen Themen wie Alcopops-Steuer, Dosenpfand oder Dieselrußfiltern wird das immer wieder schnell deutlich, bei sperrigeren Themen wie der EU-Chemikalienpolitik (vgl. die Fallstudie in Abschnitt 5) sieht das etwas anders aus.
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Umweltpolitik in den Public Affairs
Unternehmen begriffen in den 1980er Jahren, dass es nicht sinnvoll ist zu warten, bis der Staat detaillierte Vorschriften erlässt oder Greenpeace-Aktivisten auf dem Schornstein sitzen. Sie gehen heute in vielen Fällen freiwillig über die Mindeststandards hinaus, suchen den (weiterhin schwierigen) Dialog mit Umweltpolitikern und -gruppen, das Produktmarketing wird mit Öko-Anreizen gekoppelt („Kasten Bier kaufen heißt Regenwald retten“). Vorstandspressekonferenzen präsentieren Umweltberichte und die Investor Relations den Bankenanalysten die nachhaltige Geldanlage in einer „Sustainability Road Show“. Sie lassen Umweltstandards per Öko-Audit prüfen, sie sind Mitglieder von Verbandsgruppen wie „Econsense“, sie engagieren sich durch Stiftungen und investieren kontinuierlich in die Entwicklung ökologischer Produktion. Sie nehmen Altgeräte oder Verbrauchsmaterialien zurück und versprechen den Kunden dafür einen Bonus. Auch wenn die Politik inzwischen zunehmend auf marktorientierte Mechanismen setzt, um ökologische Ziele zu erreichen, bleibt die Umweltgesetzgebung doch ein engmaschiges Netz der Regulierung, in dem sich Unternehmen schnell verfangen können. Neben Geldbußen haben die Behörden die Möglichkeit, Informationen über Umweltstandards einer Firma zu veröffentlichen, Verwaltungs- und Zivilrecht einsetzen, die Staatsanwaltschaft bemühen – je nach Gesetzeslage. Dagegen stehen ökonomische Anreize: vom Steuermalus (Ökosteuer) oder Steuervergünstigungen über Investitionszuschüsse (z. B. bei Einbau umweltfreundlicher Filter oder Entsorgungsanlagen) bis zu Tauschsystemen (z. B. Kohlendioxid-Emissionshandel an der Börse). Es kann sehr teuer werden, gegen die Vorschriften zu verstoßen. Es ist aber oft auch sehr teuer, die Vorschriften zu erfüllen. Umweltschutz ist in fast jedem Fall eher ein Kosten- als ein Nutzenfaktor. Dauer und Umfang von Genehmigungsverfahren bei Modernisierungen und Betriebserweiterungen sind permanent in der Bürokratiekritik und werden als Investitionshemmnis gesehen. Das „Greening of Business“ hat Grenzen. Die weiter bestehenden Interessenkonflikte zu lösen oder auszutragen, ist Aufgabe der Public Affairs.
4.2
Verbraucherpolitik in den Public Affairs
Bei Verbraucherorientierung geht es nicht nur um Service, Kundendienst und Produktqualität. In den Public Affairs geht es um die Beobachtung, Analyse und Bewertung des gesellschaftlichen Konsumverhaltens, der Verbraucherschutzpolitik sowie der Tätigkeit von Verbraucherschutzorganisationen. Aufgabe ist es, zwei Funktionen der Unternehmensstrategie politisch abzusichern: Verbrauchervertrauen zu erhalten und den Absatzmarkt zu schützen.
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Im Idealfall führt das zur Teilhabe und Beteiligung von Verbrauchern (und Verbraucherpolitik) bei Produktinnovationen. Das beugt juristischen Auseinandersetzungen, Schadenersatzforderungen, Imageschäden durch Kampagnen und übertriebener Regulierung vor. Public Affairs reagieren damit auf die Verbraucherschutzbewegung, die die ungleiche Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer zugunsten des Käufers verändern will. Ihre Forderungen: Recht auf Schutz gegen Vermarktung von gefährlichen oder gesundheitsschädlichen Gütern und Dienstleistungen; Recht auf Unterrichtung, Aufklärung, umfassende Information: Schutz gegen betrügerische oder irreführende Informationen, Werbung, Etikettierung, und Verpflichtung der Hersteller und Händler zur Weitergabe aller relevanten Informationen über das Produkt; Recht auf Schutz der wirtschaftlichen Interessen und der Auswahlmöglichkeiten: die Möglichkeit, zwischen Produkten und Dienstleistungen zu akzeptablen, transparenten Preisen ohne Qualitätseinbußen wählen zu können; Recht auf Gehör und politische Interessenvertretung und das Recht auf Datenschutz und Privatsphäre in Werbung und Marketing. Das Schutzbedürfnis führt zu Fragen nach der Haftung und die Sicherheit von Produkten. Ob es um allergieauslösende Kosmetika, Überspannung in Elektrogeräten, unfaire Verträge bei Krediten und Geldanlagen, Zusatzstoffe in Lebensmitteln, Abgase von Motoren, gebührenpflichtige Mehrwert-Telefondienste, Giftrückstände in Kleidung oder unbekannte Risiken von gentechnisch veränderten Tomaten geht: Da niemand außer den Herstellern selbst dafür sorgen kann, dass die Produkte unbedenklich sind, wenden sich die Verbraucher entweder an sie oder an den Gesetzgeber, der die Hersteller zwingt. Der Gesetzgeber ist mit zahlreichen Vorschriften den Forderungen der Verbraucherschutzbewegung gefolgt, z. B. Informationspflichten, Sicherheitsstandards, Preisüberwachung, Produkthaftung, Diskriminierungsverbote. Hinzu kam die Errichtung einer ganzen Reihe von Regulierungsbehörden, Beiräten der Ministerien und Forschungsinstituten, die ebenfalls der Überwachung dienen. Aber: Verbraucherschutz ist wie Umweltschutz eine klassische Querschnittsaufgabe. Welches Ministerium sich um einen Missstand oder Regelungsbedarf kümmert, war bis zur Bildung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz im Jahr 2000 stets unklar. Auch in der EU-Kommission gibt es eine Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz. Ein Verbraucherschutz-Gesetzbuch gibt es jedoch nicht, stattdessen regeln Technische Vorschriften und Einzelgesetze die Problematik. Verbraucherschutzvorschriften finden sich in so unterschiedlichen Normen wie dem BGB, dem Lebens- und Futtermittelgesetzbuch, Arzneimittelgesetz, im Mieterrechtsreformgesetz oder der Insolvenzordnung. In Deutschland sind die meisten Verbraucherberatungs- und Lobbyorganisation zwar private Vereine, jedoch überwiegend vom Staat finanziert, z. B. durch die Wirtschaftsministerien der Länder. Neben den allgemeinen Organisationen gibt es Kundenvereinigungen, die von Privatpersonen (z. B. Fahrgastverband Pro Bahn) oder von kleineren und mittleren Unternehmen (z. B. Verband der Postbenutzer oder Energieverbraucher) getragen werden. Auch Wohl-
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fahrtsverbände wie AWO, Caritas und Diakonie sind im Verbraucherschutz aktiv (z. B. Schuldnerberatung). Professionelle Lobbyarbeit als Dachverband von 16 Länder-Verbraucherzentralen und 21 Einzelvereinen betreibt der im Jahr 2000 – mitten im größten deutschen Lebensmittelskandal, der BSE-Krise – gegründete Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), in dem die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, der Verbraucherschutzverein und die Stiftung Verbraucherinstitut aufgegangen sind. Neben Lobbying sind Verbraucherrechtsschutz und die Weiterbildung seine Aufgaben. Mit „Wahlprüfsteinen“ nimmt er Einfluss im Wahlkampf. Eine Sonderrolle spielt seit 1964 die von der Bundesregierung ins Leben gerufene unabhängige Stiftung Warentest, die erheblichen Einfluss auf Konsumentscheidungen hat. Heute sind Hersteller auf gute Testergebnisse stolz und nutzen sie in der Werbung. Der Stiftungsgründung gingen jedoch massive politische und juristische Auseinandersetzungen zwischen Verbraucherschutz und Wirtschaft voraus. Diese Konflikte flammen regelmäßig wieder auf.
4.3
Verantwortung der Unternehmen
Große Unternehmen sind quasi-öffentliche Institutionen. Die Corporate Governance-Debatte um bessere und transparentere Unternehmenssteuerung und Überwachung dreht sich nicht nur um eine Firmenverfassung, die das Kapital der Anleger schützt. Die gesellschaftliche Akzeptanz des Unternehmens soll erhalten und erhöht werden. Darauf zielen auch die freiwilligen Engagements des Unternehmens, die als Corporate Citizenship oder Corporate Social Responsibility bezeichnet werden (Scherer/Baumann 2007). Bei allen stellt sich die Frage nach den drei Dimensionen unternehmerischer Verantwortung: die ökonomische, die rechtliche und die ethische Verantwortung. In jeder kann die Politik zusätzliche Regeln schaffen oder anstehende Entscheidungen anders gewichten und begründen. Durch Kampagnen und Angriffe in Medien und Öffentlichkeit kann die Politik sogar Normen schaffen, die auch ohne Gesetze und Verordnungen den Spielraum eines Unternehmens de facto stark begrenzen oder zum Beispiel auch den Börsenwert beeinflussen. Ein Unternehmen mag im Inland vorbildlich Mitarbeiterrechte pflegen, ein von Wohltätigkeit, Dialogorientierung, Partnerschaften mit Kommunen, Arbeitsplatzsicherheit geprägtes Standortverhalten zeigen, sich im Geschäftsverhalten unauffällig und solide geben, brav Steuern zahlen und den Umweltschutz beachten. Dasselbe Unternehmen lässt im Ausland die Gewerkschafter verfolgen, Kinder am Fließband arbeiten, giftige Chemikalien in die Flüsse leiten, Steuern hinterziehen oder Politiker bestechen. Wird das publik, kann die Politik im Inland nicht so tun, als gehe sie das nichts an. Möglicherweise wird sie die kritisierte Praxis nicht direkt ändern können, aber sie kann sie an den Pranger stellen und die Daumenschrauben an anderer Stelle anlegen, wo es genauso weh tut – sei es bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, sei es bei der Steuerprüfung, sei es bei der Kartellaufsicht, sei es bei der Verweigerung der Mitwirkung an wichtigen Branchengesetzen.
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Fallstudie
Die EU-Chemikalienpolitik und der Kampf um REACH In der EU-Chemiepolitik steht REACH für Registrierung, Evaluierung, Autorisierung von Chemikalien, eine Verordnung. Zugleich steht die Abkürzung aber auch für eine breit angelegte Abwehrkampagne der europäischen Industrie. Über Jahre nahmen die nationalen Medien und Öffentlichkeiten davon kaum Notiz. Inzwischen gilt der Kampf um REACH als Paradebeispiel für die neuen Spielregeln in den Public Affairs. Im Mittelpunkt steht der Plan der EU-Kommission, 30.000 bisher nicht zentral erfasste Chemikalien nach ihrer Umweltwirkung zu klassifizieren und der Wirtschaft umfassende Informationspflichten aufzuerlegen – auch bei kleinsten Mengen und in der gesamten Produktionskette. Eine Chemikalienagentur sollte als Registerstelle und Aufsichtsbehörde gegründet werden, die sich über Gebühren der Industrie finanzieren sollte. Die Initiative dazu kam im April 1998 vom Rat der EU-Umweltminister, damals unter deutscher Ratspräsidentschaft. Im Juni 1999 bekam die Kommission das Mandat für ein „Weißbuch“, das die neue Chemiepolitik skizzieren sollte. Es wurde im Februar 2001 vorgelegt. Im Juni 2002 unterstützte der Rat, im November das Parlament mehrheitlich das „Weißbuch“, womit die Kommission grünes Licht für die Ausarbeitung der Details hatte. Im Mai 2003 kam eine erste Fassung, die bis zur offiziellen Vorlage des Verordnungsentwurfs im Oktober 2003 schon deutlich entschärft wurde. Neben der Kommission sollte auch das Parlament zustimmen. Aber erst das im Juni 2004 auch von den EU-Beitrittsstaaten neu gewählte Plenum sollte die Beratungen aufnehmen. Ende 2005 war dann der Schluss des Verfahrens vorgesehen. Das Ergebnis? Über die Jahre hat sich ein großer Wurf für die Umwelt- und Verbraucherpolitiker zum Minimalkonsens verwandelt. Die Wirtschaft hat spät, aber wirksam das Thema und den Kontext der umstrittenen Verordnung verändert. Vor allem die Beweislastumkehr zuungunsten der Industrie hatte Sorgen ausgelöst: Die EU wollte das Prinzip „wenn keine Daten, dann keine Vermarktung“ durchsetzen. Zudem sollte REACH die Industrie auch verpflichten, für unter Verdacht stehende Stoffe Ersatzchemikalien zu verwenden, wenn diese zur Verfügung stehen. Die chemische Industrie beschäftigt rund 1,7 Millionen Arbeitnehmer und ist seit Jahrzehnten ein Schwergewicht in Brüssel. Ihr Dachverband ist CEFIC, ein Zusammenschluss von nationalen Verbänden (wie dem deutschen VCI) und Unternehmen (wie BP, Bayer, BASF, Dow, DuPont, ExxonMobil, Novartis, Shell, Solvay, Total, Unilever). Dass REACH zur wichtigsten Herausforderung der nächsten Jahre sein würde, war früh klar. Schon im Oktober 1998 hatte CEFIC versucht, die Regulierungsideen durch Selbstverpflichtungen abzuwenden. CEFIC-Präsident Jean-Pierre Tirouflet, Manager des französischen Chemieunternehmens Rhodia, vermied die Konfrontation, suchte Dialog und Partnerschaft. Tirouflet mobilisierte die Unternehmen für Beiträge im Sinne der UN-Beschlüsse für umweltschonende
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und nachhaltige Entwicklung. Die Industrie stellte ihre „High Production Volume Initiative“ vor. Sie sollte für rund 1.000 Stoffe in der Großproduktion Sicherheitsdaten bis Ende 2004 bereitstellen, die „Long Range Research Initiative“ Forschung über die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit finanzieren. Doch das Angebot fruchtete wenig. Als mit dem ersten Weißbuch der Kommission klar wurde, dass die neue Chemikalienpolitik weit darüber hinausgehen würde, schwenkte zuerst die deutsche Industrie um. So schaltete der VCI im Herbst 2001 Anzeigenserien in meinungsbildenden Medien wie Spiegel und European Voice gegen die neue Politik. Als 2002 der BASF-Manager Eggert Voscherau den Vorsitz bei CEFIC übernommen hatte, ließ er keinen Zweifel mehr daran, dass die Industrie zum Kampf bereit war. Er warnte vor der „De-Industrialisierung Europas“ und davor, die Industrie zum „Testlabor für ein bürokratisches Regulierungsexperiment“ zu machen. Geschickt positionierte CEFIC den Verordnungsentwurf als unvereinbar mit den Beschlüssen des Lissaboner Gipfels 2000 zur Stärkung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der EU. Im März 2003 schaltete sich der Rat ins Verfahren mit der Auflage ein, der Entwurf möge die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Chemieindustrie auf dem Weltmarkt berücksichtigen. Im September schrieben die Regierungschefs Schröder, Blair, Chirac einen offenen Brief an Kommissionspräsident Prodi mit der unmissverständlichen Aufforderung, REACH gründlich zu überprüfen. Die Interessengruppen munitionierten sich vor allem mit Studien auf. Die Kommission hatte keine Schätzungen zu den Kosten ihres Entwurfs veröffentlicht – CEFIC erklärte, allein die Testkosten für Chemikalien würden sich über zehn Jahre auf acht Milliarden Euro belaufen. Als die Behörde im Mai 2002 eine eigene Studie präsentierte, nach der die Testkosten auf 3,6 Milliarden über 11 Jahre betragen würden, konterte CEFIC, es kämen weitere Kosten dazu, bis zu einem Gesamtvolumen zwischen 20 und 30 Milliarden Euro Belastung für die Unternehmen. National sekundierten Studien wie die des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI): REACH würde mindestens 2,3 Millionen Arbeitsplätze und 20 Prozent der Produktion vernichten. Die Gegenseite konterte mit eigenen Studien: Der WWF bezifferte die europaweiten positiven Gesundheitseffekte im Wert von 280 Milliarden Euro, während Greenpeace oder BUND Studien über die Chemikalienbelastung von Muttermilch und Blut, von Produkten wie Spielzeug, Kinderschlafanzüge, Haushaltsreiniger, Computern, Fernsehern, Teppichen und Möbeln vorlegten. Sie argumentierten mit den wachsenden Gefahren in der Nahrungskette, vor Chemikalien als Auslöser von Allergien, Krebs, genetische und Geburtsschäden, sinkender Fruchtbarkeit, Schäden in der Pflanzen- und Tierwelt. Die Medienarbeit der Chemie führte Journalisten auch auf Nebengleise: beispielsweise, dass die neue Politik vor allem von Schweden vorangetrieben werde – ein Land, das keine nennenswerte Chemieindustrie hat, aber mit Umweltkommisarin Wallström und dem Parlamentsberichterstatter Schörling zwei wichtige Akteure stelle. Die Industrie lancierte auch die Nachricht, dass für die von der EU-Kommission gewollten Chemikalientests Millionen von Labortieren für Tierversuche notwendig seien – was eine Welle der Empörung von Tierschützern auslöste und die Reihen der Umweltverbände zu spalten drohte.
Public Affairs und Lobbying
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Operatives Hauptziel der Chemie war nun das Europäische Parlament. Zwei Jahre lang vermittelten die Industrievertreter ihre Sicht der Dinge an Abgeordnete und deren Mitarbeiter: in Briefen, Gesprächen, Veranstaltungen, Fachseminaren, Betriebsbesuchen. Die begleitende Pressearbeit zielte nicht zuletzt auf die Wahlkreise von Parlamentariern aus den Industrieländern Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Das Hauptargument war der drohende Verlust von Arbeitsplätzen durch steigende Kosten und sinkende Produktion, ausgelöst durch übertriebene Bürokratie. Glaubwürdig wurde die Aufmerksamkeit auf nichtchemische Industrie und den Mittelstand gelenkt. Denn dieser wäre von den Kosten und Datenauflagen härter getroffen worden als die Großchemie. Dass BASF-Vorstandschef Jürgen Strube neuer Präsident des Arbeitgeber-Dachverbands UNICE wurde, erleichterte die Abstimmung der Kampagne mit Unternehmen, die Chemikalien nicht herstellen, aber verwenden. Zugleich fand CEFIC einen Bündnispartner in der Dachorganisation der Chemiearbeitergewerkschaften EMCEF (zu der z. B. auch die mächtige deutsche IGBCE gehört). Der Verordnungsentwurf hätte zwar auch eine Verbesserung der Arbeitsschutzbedingungen in den Chemiebetrieben bedeutet, doch das Risiko der Arbeitsplatzverluste wog für die Gewerkschafter schwerer. Gewerkschaftsführer wie IGBCEChef Hubertus Schmoldt wetterten gegen das „bürokratische Monster“ REACH. Eine äußerst heterogene Koalition wurde so Schritt für Schritt aufgebaut. Doch ihre Hebelwirkung in Brüssel und den Hauptstädten der EU-Mitglieder war den Strategen nicht genug. Deutsche und amerikanische Unternehmen decken einen Großteil der Chemieproduktion der Welt ab, und so spielten Einrichtungen wie der „Transatlantic Business Dialogue“ und die Koordination der Lobbyarbeit mit dem CEFIC-Gegenpart American Chemistry Council eine wichtige Rolle. Die Europäer überzeugten die Amerikaner, dass REACH auch eine Handelsbarriere für US-Exporte werden könnten. Die Regierung Bush übernahm wesentliche Positionen der amerikanischen Chemieindustrie, und begann ihrerseits mit intensivem Lobbying gegen den REACH-Entwurf – nicht nur in Brüssel, sondern über die Botschaften in zahlreichen EU-Mitgliedsländern und bei der Welthandelsorganisation WTO in Genf. Gegen Ende 2005 zeichnete sich dann ein Minimalkonsens ab. Die beratenden Ausschüsse des Europaparlaments machten deutlich Abstriche am Entwurf und drehten die Beweislastumkehr um: Nicht die Unternehmen müssen die Ungefährlichkeit, sondern die Behörden die Gefährlichkeit nachweisen – und für 24.000 der ursprünglich 30.000 identifizierten Stoffe sind nur geringe bis gar keine Pflichten zu erfüllen. Der Kampf um REACH dauerte mehr als ein halbes Jahrzehnt, und er wird sich fortsetzen. Der erst leise, dann laut und aggressiv auftretende Widerstand der Chemieindustrie hat durch ein geschicktes Themen- und Bündnismanagement viele Erfolge gesichert. Das hat neue professionelle Standards gesetzt, zugleich politische Grundentscheidungen in der erweiterten EU formuliert. Die Kampagne hat aber auch viel gekostet, alte, überwunden geglaubte Polarisierungen (Industrie gegen Verbraucher, Industrie gegen Umwelt) erneuert, viele neue Feinde gemacht, das gegenseitige Vertrauen erschüttert und zugleich den unaufgeregten Stil des Brüsseler Lobbyings verändert.
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Literatur
Geiger, Andreas (2005): Lobbying als anwaltliches Betätigungsfeld – ein Wachstumsmarkt, in: Busch-Janser, Florian/Gerding, Sandra/Voigt, Mario (Hrsg.): Politikberatung als Beruf, Berlin, S. 145-154. Karenfort, Jörg (2005): Recht und Lobbying, in: Althaus, Marco/Geffken, Michael/ Rawe, Sven (Hrsg.): Handlexikon Public Affairs, Münster, S. 211-214. Köppl, Peter (2000): Public Affairs Management, Wien. Scherer, Andreas Georg/Baumann, Dorothée (2007): Corporate Citizenship: Herausforderung für die Unternehmenskommunikation, in diesem Band. van Schendelen, Rinus (2005): Machiavelli in Brussels. The Art of Lobbying the EU, 2. Auflage, Amsterdam.
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Konzepte für besondere Kommunikationssituationen
Veränderungskommunikation: Unterstützung von Change-Prozessen
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Veränderungskommunikation: Unterstützung von Change-Prozessen Jörg Pfannenberg
Kommunikation ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für umfassende Veränderungsprozesse wie Restrukturierung, strategische Neuausrichtung des Unternehmens oder Mergers & Acquisitions. Dieser Beitrag zeigt, wie eine strategisch geplante Veränderungskommunikation gestaltet wird, wie sie die verschiedenen Phasen des Wandels unterstützt und mitgestaltet, welche Fehler man vermeiden sollte und wie ein prozessbegleitendes Kommunikations-Controlling aussehen kann.
1.
Ziele der Veränderungskommunikation
Ob bei Restrukturierung, Business Reengineering, Implementierung von umfassenden Qualitätsprogrammen, Kundenorientierungsinitiativen, strategischer Neuausrichtung oder Mergers & Acquisitions und Ausgründungen von Unternehmensteilen: Immer wenn Veränderungsprozesse von großer Tragweite gesteuert werden müssen, benötigt die Unternehmensleitung verstärkt Unterstützung durch Kommunikation. In Befragungen von Managern und Mitarbeitern wird fehlende oder mangelhafte Kommunikation immer wieder als Hauptgrund für das Scheitern von Veränderungsprozessen bezeichnet (Mohr 1997: 17). Als unverzichtbare Schlüsselfunktion liegt das Ziel von Veränderungskommunikation darin, Veränderungsprozesse von Unternehmen und anderen Organisationen zu ermöglichen bzw. die kommunikativen Hindernisse für den Wandel aus dem Weg zu räumen. Insofern ist Veränderungskommunikation eng mit dem organisatorischen Wandel verknüpft: Veränderungskommunikation aktiviert Führungskräfte und Mitarbeiter für den Wandel. Veränderungskommunikation hält in Umbruchsituationen die Loyalität von Kunden und Lieferanten aufrecht. M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_47, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Veränderungskommunikation sichert die Unterstützung von Aktionären und Finanzöffentlichkeit für neue Strategien. Veränderungskommunikation wirbt um Akzeptanz und Unterstützung bei Politik, Behörden und Standort-Öffentlichkeiten. Insbesondere zielt Veränderungskommunikation auf die Verhaltensänderung von Führungskräften und Mitarbeitern. Dabei steht das Erreichen konkreter Veränderungsziele z. B. durch überdurchschnittliches Engagement, funktions- und grenzüberschreitende Kooperation oder auch Innovation im Mittelpunkt. Veränderungskommunikation, so die nachfolgend vorgestellte Definition, ist damit ein unverzichtbarer Bestandteil von Change-Prozessen (Pfannenberg 2003: 10).
Definition: Veränderungskommunikation Veränderungskommunikation aktiviert in Umbruchsituationen Führungskräfte und Mitarbeiter für den Wandel, sie hält die Loyalität von Kunden und Lieferanten aufrecht und sichert die Akzeptanz bei Aktionären, Politik und Standortöffentlichkeit. Dabei geht es um die Veränderung von Verhalten. Veränderungskommunikation orientiert sich an den Phasen des organisatorischen Wandels: Zunächst müssen ein Gefühl der Dringlichkeit für die Veränderung erzeugt (1) und eine Führungskoalition aufgebaut werden (2). Eine attraktive und gleichzeitig realistische Vision und Strategie orientiert die Zielgruppen auf die Veränderungsziele (3). Mit der Kommunikation dieser Vision und Strategie erfolgt der Startschuss für die Veränderung (4). Die Ermutigung der Mitarbeiter zu eigenverantwortlichem Handeln (5) und die Realisierung kurzfristiger Erfolge zur Motivation der Beteiligten (6) sind entscheidende Faktoren für den Veränderungserfolg. Abschließend werden die Ergebnisse konsolidiert (7) und die Veränderungsbereitschaft in der Unternehmensstruktur verankert (8). Prozessbegleitende Evaluation ermöglicht die laufende Optimierung und sichert so den Erfolg der Veränderungskommunikation.
2.
Strategie der Veränderungskommunikation
Die Beteiligten und Betroffenen erleben Veränderungen oft als unfreiwillig, denn sie werden meist von außen an das Unternehmen herangetragen: durch neue Eigentümer, die finanzielle Situation oder Veränderungen am Markt. Die dynamische Beschleunigung der Prozesse, die hohe Ereignisdichte und Komplexität und die abnehmende Vertrautheit der Ereignisse führen zu Brüchen in der Wahrnehmung. Gemäß ihrer Situation – der empfundenen Relevanz, der Konstellation in der eigenen Gruppe, der dort geltenden Agenda – nehmen die Anspruchsgruppen (Stakeholder) des Unternehmens unterschiedliche Risiken wahr:
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Die Mitarbeiter, insbesondere auch die Führungskräfte, fragen sich, welche Bedeutungen die Veränderungen für ihre berufliche Zukunft haben. Bei den Führungskräften resultiert aus der erhöhten Wahrnehmung von Risiken das Gefühl starker eigener Verantwortlichkeit und negativen Handlungsdrucks. Kunden und Lieferanten fragen sich, was die Veränderungen für die Geschäftsbeziehungen bedeuten. Die Aktionäre und die Finanzöffentlichkeit fragen sich, ob die angekündigten Veränderungen den Wert des Unternehmens tatsächlich steigern. Behörden und Politiker fragen sich, ob ein zusätzlicher Regelungsbedarf bzw. die Notwendigkeit politischer Einflussnahme besteht. Die Standort-Öffentlichkeit fragt sich, welche Bedeutungen die Veränderungen für den Standort und sein regionales Umfeld haben. Diese Anspruchsgruppen stehen in vielfältigem Kontakt miteinander, direkt und auch vermittelt über Medien. In Veränderungsprozessen intensiviert sich der Austausch. Vor allem jedoch haben alle Beteiligten und Betroffenen über die unternehmenseigenen Medien hinaus Zugang zu Informationen in der Presse. So verbinden sich die Anspruchsgruppen in unterschiedlichen Konstellationen zu themenbezogenen Teilöffentlichkeiten (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1:
Zielgruppen der Veränderungskommunikation
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Veränderungskommunikation muss alle wichtigen Anspruchsgruppen des Unternehmens integrieren: Interne und externe Kommunikation müssen eine Einheit bilden. Die Kernbotschaften gemäß der Kommunikationsstrategie sind für alle Zielgruppen identisch, innerhalb dieses Rahmens werden die Botschaften entsprechend den Interessensschwerpunkten und Erwartungen der Zielgruppen variiert und ergänzt. Der Ablauf der Veränderungskommunikation folgt den Prinzipien „Top-down“ und „von innen nach außen“, beide mit abnehmender Informationsdichte und -tiefe: Zuerst werden die Führungskräfte und Mitarbeiter, dann Kunden und Lieferanten sowie die Aktionäre und schließlich die nicht unmittelbar mit dem Unternehmen verbundenen externen Stakeholder informiert. Dabei kommt es auf eine schnelle und umfassende Durchdringung der relevanten Öffentlichkeiten mit den zentralen Inhalten des Veränderungsprojekts an. Kotter hat ermittelt, dass sich in Veränderungsprozessen meist deutlich weniger als ein Prozent der Kommunikation im Unternehmen auf die Veränderung richtet – damit werden auf der Kommunikationsebene die bestehenden Strukturen zementiert (Kotter 1996: 89). Die Veränderungskommunikation muss Vorrang vor der Regelkommunikation erhalten: Die Kommunikationsmittel einschließlich der Feedback-Funktionen müssen von Anfang an zur Verfügung stehen, damit das hohe Momentum des Starts beibehalten werden kann. Sehr schnell müssen Projekte implementiert werden, die eine aktive Auseinandersetzung der Zielgruppen mit den Inhalten der Veränderung ermöglichen. Auch für die Bottom-up-Kommunikation müssen vom Projektstart an Medien wie auch Prozesse zur Verfügung stehen. Gegebenenfalls muss die Unternehmensleitung schnell auf Fragen und Initiativen der Mitarbeiter reagieren – dafür müssen die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden. Die Vision des Wandels muss so oft wie möglich kommuniziert werden. Die Kernbotschaften müssen immer und immer wieder – in ständiger Wiederholung – in verschiedenen Medien und bei zahlreichen Events in den gleichen Worten und mit den gleichen Bildern wiederholt werden. Ergebnisse müssen sofort nach der Entscheidung kommuniziert werden – sonst nimmt die Dynamik der Bottom-up-Bewegung schnell ab. In der internen Kommunikation hat das mittlere Management einen – gegenüber den eigentlichen, in den Stellen- und Ablaufbeschreibungen festgelegten Kompetenzen – stark überproportionalen informellen Einfluss auf Entscheidungen. Befragungen zeigen immer wieder, dass für die meisten Mitarbeiter der direkte Vorgesetzte die bevorzugte Quelle von Informationen ist (Larkin/Larkin 1994: 14 ff.). Das bedeutet für die Veränderungskommunikation: Bei wesentlichen Veränderungen muss eine direkte exklusive Kommunikation zwischen dem Top-Management und den Führungskräften vor Ort installiert werden. Die persönliche Kommunikation des Top-Managements sollte sich auf die Führungskräfte beschränken. Die Kommunikation vor Ort wird den lokalen Führungskräften überlassen. Sie erhalten dafür die notwendigen Instrumente, ihre Kommunikationsleistung wird kontrolliert.
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3.
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Phasen des Veränderungsprozesses: Anforderungen an die Kommunikation
Veränderungsprojekten liegt die Abfolge von Auftauen – Verändern – Fixieren zu Grunde: Verhärtete Strukturen und Prozesse werden in Bewegung gebracht, neue Verhaltensweisen werden eingeführt. Sind die Veränderungsziele erreicht, müssen die neuen Strukturen und Prozesse stabilisiert werden. Auf der Basis des organisatorischen Ablaufs von Veränderungsprojekten hat John P. Kotter in seinem Buch „Leading Change“ sein Augenmerk auf die Blocker und Treiber erfolgreicher Veränderungsprozesse gerichtet und dabei die Führungsaufgaben des Managements in den Mittelpunkt gerückt (Kotter 1996: 38 ff.). Daraus leiten sich die Aufgaben des Kommunikationsmanagements ab.
3.1
Erste Phase: Ein Gefühl von Dringlichkeit erzeugen
Niemand bewegt sich ohne Handlungsdruck. Bevor die Veränderungsarbeit beginnt, muss deshalb ein „Gefühl der Dringlichkeit“ (Sense of Urgency) erzeugt werden. Dabei verbindet die Kommunikation die schrittweise intensivierte Darstellung von Risiken und Notwendigkeiten mit ersten Hinweisen auf Chancen und mögliche Strategien. Die Kommunikation ist in dieser Phase noch weitgehend auf das Top-Management beschränkt. Gleichzeitig erfolgen erste vorbereitende Schritte auch gegenüber anderen internen Zielgruppen. Die Aufgaben der Veränderungskommunikation in dieser Phase: Der Informationsfluss wird von den relevanten internen und externen Meinungsmärkten zum Top-Management intensiviert und systematisiert. Um die Mobilisierung der Mitarbeiter vorzubereiten, werden verstärkt die Risiken der Nichtveränderung dargestellt. Typischerweise erhält insbesondere das mittlere Management in dieser Phase mehr Informationen über Kundenzufriedenheit und Umsätze – insbesondere Informationen, die Schwachstellen hervorheben. Der Austausch der Führungskräfte mit unzufriedenen Kunden und Lieferanten wie auch verstimmten Aktionären wird forciert. In den Medien der Unternehmenskommunikation werden „ehrliche“ Beiträge zu Leistungen und Services veröffentlicht.
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3.2
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Zweite Phase: Die Führungskoalition aufbauen
Die Kommunikationsabteilung unterstützt das Top-Management beim Aufbau der Führungskoalition. Es berät und coacht die Initiatoren des Wandels bei den sensiblen Kommunikationsprozessen innerhalb des Top-Managements und bei der Einbindung weiterer Schlüsselpersonen im Unternehmen: Identifizierung von Schlüsselpersonen und Commitment-Matrix (vgl. Abbildung 2). Eine wichtige Voraussetzung für den Aufbau der Veränderungskoalition sind Informationen und Einschätzungen über die Meinungen und Einstellungen möglicher und notwendiger Mitglieder sowie über die Meinungsbildungsprozesse in diesem Personenkreis. Zuerst ist zu ermitteln, wer die Inhaber von Schlüsselpositionen und die informellen Meinungsbildner im Unternehmen sind. Das Meinungsbild wird in einer Commitment-Matrix verdichtet, in der die relevanten Personen gemäß den Kriterien „Unterstützung“ und „Einfluss“ als Verbündete und Blocker, als Irritierte und Freundliche klassifiziert werden. Veranstaltungen für die Teammotivation. Das Teambuilding im Top-Management wird über Klausurtagungen gefördert. Gemeinsame Analysen und offene Diskussionen wechseln sich mit Aktivitäten z. B. in der freien Natur oder Spielen ab.
Abbildung 2:
Commitment-Matrix (Quelle: nach Towers Perrin)
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3.3
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Dritte Phase: Vision und Strategie entwickeln
Die Entwicklung einer Vision beginnt meist mit der Idee einer einzelnen Person. Diese erste Idee wird durch die Führungskoalition oder eine noch größere Gruppe von Menschen in mehreren Schritten weiterentwickelt. Die Vision des Unternehmens muss für alle Stakeholder attraktiv und erstrebenswert sein. Gleichzeitig muss sie realistisch, d. h. erreichbar, sein. Darüber hinaus müssen die Unternehmensziele zumindest gesellschaftlich legitim, möglichst sogar wünschenswert sein. Die aus der Unternehmensvision abgeleiteten Ziele müssen die Interessen aller wesentlichen Anspruchsgruppen des Unternehmens berücksichtigen. Die Aufgaben der Kommunikation in dieser Phase sind: Einbeziehung interner und externer Stakeholder in den Prozess der Strategieentwicklung. Mitarbeit bei Entwicklung von Vision und Veränderungsstrategie. Kommunikationsfachleute „gießen“ die erarbeitete Vision in eine kommunikationsfähige sprachliche Form – in Corporate Mission und Claim der Unternehmensmarke. Aufbau der Projektkommunikation. Gleichzeitig mit der Projektorganisation für den Wandel wird die Projektkommunikation aufgebaut. Erstinformation über das anstehende Projekt. Die Mindestinformation für alle Zielgruppen umfasst: Name und Zielsetzungen des Veränderungsprojekts, strategischer Hintergrund, Projektstruktur und Meilensteine/Timing sowie mögliche Szenarien. Die Kerninformation ist für alle Zielgruppen identisch, die Informationstiefe und die Auswahl zusätzlicher Aspekte erfolgt gemäß den Bedürfnissen der Zielgruppen.
3.4
Vierte Phase: Die Vision des Wandels kommunizieren
Jetzt gilt es, alle relevanten Zielgruppen schnell und mit hohem Druck über die Vision des Wandels und die Veränderungsstrategie zu informieren und sie zu emotionalisieren. Eine breit angelegte Kommunikationskampagne stellt eine hohe Kommunikationsintensität sicher. Foren ermöglichen die aktive Teilnahme der Zielgruppen. Die Aufgaben der Kommunikation: Intensive Information über die Vision des Wandels und die Veränderungsstrategie. Foren für interaktive Kommunikation bereitstellen. Eine breite Diskussion ermöglicht den Beteiligten die aktive Auseinandersetzung mit den Zielen und der Strategie des Wandels. Die rasche Beantwortung von Fragen hilft, Irritationen schnell auszuräumen.
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Projektkommunikation implementieren. Die Medien der Projektkommunikation, die Instrumente des Wissensmanagements und die Tools für die Kommunikation in den Projektgruppen werden eingeführt. Unterstützung des Managements in dessen Kommunikationsaufgaben. Organisatorische und inhaltliche Vorbereitung von entsprechenden Informations- und Diskussionsveranstaltungen für das Top-Management. Bereitstellung von Basisinformationen und Tools. Beratung und Coaching des TopManagements in der Kommunikation; Inszenierung symbolischer Handlungen zur Verdeutlichung der Vision und der Entschlossenheit der Unternehmensleitung. Start des prozessbegleitenden Monitorings. Der Erfolg der Veränderungskommunikation, das Meinungsbild und Verhaltensveränderungen werden kontinuierlich gemessen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden im laufenden Veränderungsprozess sofort in Optimierungen der Kommunikation umgesetzt.
3.5
Fünfte Phase: Empowerment der Mitarbeiter
Im Allgemeinen sind 20 Prozent der Mitarbeiter sehr begeisterungsfähig und offen für neue Ideen, 20 Prozent können dagegen als Beharrer oder Blocker des Wandels gelten. Die restlichen 60 Prozent der Mitarbeiter sagen zwar zunächst „Ja“, meinen jedoch innerlich „Aber“. Die Gegner der Veränderung warten auf ihre Chance, um Lücken in der Veränderungskoalition zu entdecken und Felder zu identifizieren, in denen das Momentum der Veränderung nachlässt. Deshalb müssen die potenziellen Gewinner des Veränderungsprozesses mobilisiert, Unterstützer gestärkt und Blocker in ihrem Einfluss soweit wie möglich gehindert werden. Opponenten, die sich auch nach eindeutigen Warnungen dem Veränderungsprozess widersetzen, müssen mit aller Konsequenz ruhig gestellt werden. Tabus der Unternehmenskultur können jetzt nicht mehr Beachtung finden. Die Aufgaben der Kommunikation in dieser Phase sind: Zu Risikobereitschaft und ungewöhnlichen Handlungen ermutigen. Das Management signalisiert, dass es Risikobereitschaft unterstützt. Mobilisierung von Unterstützern, Ruhigstellung von Blockern. Frühzeitig zeigt das TopManagement Entschlossenheit und Belohnungs-/Sanktionsbereitschaft bei der Mobilisierung von Unterstützern und der Ruhigstellung von Blockern. Belohnungen und Sanktionen werden öffentlich begründet und breit kommuniziert. Interaktive Kommunikation mit Kunden und Lieferanten, mit Aktionären und anderen externen Anspruchsgruppen. Der Vertrieb des Unternehmens muss die Fragen der Kunden/ Lieferanten im persönlichen Gespräch kompetent und glaubwürdig beantworten.
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3.6
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Sechste Phase: Kurzfristige Erfolge („Short term wins“) planen und realisieren
Symbolische Anfangserfolge sind für die Dramaturgie von Veränderungsprojekten unerlässlich. Dies sicherzustellen, gehört deshalb zu den festen Aufgaben der Umsetzungsplanung im Veränderungsmanagement. Die zentralen Aufgaben der Kommunikation in dieser Phase sind: Sobald erste Erfolge messbar sind, werden sie offensiv dargestellt und als Indiz für den positiven Wendepunkt des Veränderungsprojekts interpretiert. Anerkennung und Auszeichnung der Menschen, die den Erfolg ermöglichen. Dies betont die Erreichbarkeit der Verhaltensziele für jedermann.
3.7
Siebte Phase: Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen einleiten
Ist die Veränderungsbewegung stabil, gilt es, die wachsende Glaubwürdigkeit zu nutzen: Alle mit der neuen Vision und Unternehmensstrategie des Unternehmens nicht konformen Systeme, Strukturen und Verfahren werden nun systematisch in die Veränderungsbewegung einbezogen und umgestaltet. Jetzt werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, Menschen, welche die Vision des Wandels umsetzen können und wollen, einzustellen, zu befördern und zu entwickeln. Die Aufgaben der Kommunikation in dieser Phase sind: Veränderungsnotwendigkeit wach halten. Neben Erfolgsmeldungen werden jetzt wieder verstärkt auch Problemfelder benannt und die Dynamik des Marktgeschehens eingeblendet, um daraus weitere Veränderungen abzuleiten. Vision weiter konkretisieren und Transformationswege aufzeigen. Die Kommunikation muss dafür sorgen, dass die Diskussion über die Vision und die Strategie weitergeht und dabei innerhalb der von der Geschäftsleitung vorgegebenen Leitplanken des Wandels bleibt. Neue Personalentwicklungskonzepte und Vergütungssysteme transparent machen. Der Launch neuer Personalentwicklungskonzepte und Vergütungssysteme zeigt die Entschlossenheit der Unternehmensleitung, die neue Vision und Strategie tatsächlich in Mitarbeiterverhalten umzusetzen. Die Kommunikation stellt die Verbindung zwischen diesen Konzepten und der Vision des Wandels her.
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Erfolgsgeschichte des Veränderungsprozesses. Mit dem Erreichen von wichtigen Meilensteinen im Veränderungsprojekt und zum Start von Anschlussprojekten ist der Zeitpunkt für eine Bilanz auch gegenüber externen Stakeholdern gekommen.
3.8
Achte Phase: Veränderungsbereitschaft in der Unternehmensstruktur verankern
Wenn sich das neue Verhalten in veränderten Normen und Werten stabilisiert hat, können diese in Unternehmensleitsätzen und Verhaltensregeln kodifiziert werden. Als zentrales Merkmal der neuen Unternehmensidentität sollte dabei auch der Wille zur ständigen Veränderung festgehalten werden. Die Aufgaben der Kommunikation in dieser Phase sind: Beziehung herausstellen zwischen neuem Verhalten, Unternehmenserfolg und Nutzen für die Marktpartner. Neue Normen und Werte kodifizieren. Die Kodifizierung der Werte und Normen in Unternehmensleitsätzen verleiht der Unternehmenskultur Stabilität. Neue Normen und Werte nach innen und außen kommunizieren. In Corporate Mission, Selbstverpflichtungen und Garantien gegenüber Marktpartnern wird die neue Unternehmenskultur zum Motor für weitere Veränderungen entsprechend der Vision und Strategie des Unternehmens.
4.
Botschaften: Typische Fehler vermeiden
Veränderungskommunikation zielt auf die Veränderung des Verhaltens. Dies bedeutet aber keineswegs, dass das Thema „Verhalten“ im Mittelpunkt der Kommunikation stehen muss – ebenso wenig wie die „Werte“, die das Verhalten legitimieren. Das Interesse der Mitarbeiter wie auch von Kunden und Lieferanten an unternehmensbezogenen Themen ist gering – dies wird in Befragungen immer wieder deutlich. Noch geringer ist das Interesse von Mitarbeitern wie auch der anderen Beteiligten und Betroffenen an übergeordneten Werten – ganz gleich, ob sie als allgemeine Prinzipien („Die Zufriedenheit des Kunden ist unser oberstes Ziel“) oder als Verhaltensmaximen („Wir tun alles, um unsere Kunden zufrieden zu stellen“) formuliert sind.
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Typische Kommunikationsfehler in diesem Zusammenhang sind: Allgemeine Statements. In einem negativen Kontext lassen gut gemeinte Versicherungen der Unternehmensleitung das Schlimmste befürchten, heizen Spekulationen und Gerüchtebildung erst recht an. Schweigen. Damit überlässt das Management den Meinungsmarkt einer unkontrollierten Eigendynamik, zudem erscheint das Schweigen wenig souverän. Der damit verbundene Verlust an Ansehen wirkt sich bei den weiteren Kommunikationsschritten negativ aus. Salamitaktik. Die schrittweise Kommunikation der schlechten Nachrichten soll das Skandalierungspotenzial vermindern. Doch abgesehen von der Glaubwürdigkeitsfrage führt die Salamitaktik zu unkontrollierter Gerüchtebildung. Das wiederholte Nachladen negativer Nachrichten blockiert die Ansätze zu konstruktiver Veränderung. Unterbrechung der Feedback-Schleifen. Gerade bei schweren Entscheidungen muss die Unternehmensleitung Präsenz zeigen und die Reaktionen auf sich selbst kanalisieren. Wenn die Unternehmensleitung in Krisensituationen Feedback-Möglichkeiten beschneidet, wird dies als Zeichen von Angst interpretiert. Beschönigung und Bedauern beim Verkünden schlechter Nachrichten. Beschönigungen zerstören die Glaubwürdigkeit und rufen Abwehrreaktionen hervor. Persönliches Bedauern demonstriert zwar emotionale Beteiligung, doch engt es die Handlungsspielräume der Unternehmensleitung ein. Auch die in Veränderungssituationen oft praktizierte „Rhetorik des Bruchs“, mit der die Unternehmensleitung Dringlichkeit und eigene Handlungsfähigkeit zum Ausdruck bringen möchte, führt eher zu Desorientierung und teilweise Verängstigung. Gerade auch in Zeiten schneller Veränderung sollte die Kommunikation die Kontinuitäten betonen. Nur so können die in der Vergangenheit aufgebauten Potenziale des Unternehmens als Kraft für die Veränderung genutzt werden. In Zeiten großer Unsicherheit und im Kontext negativer Szenarien muss der Erwartungshorizont der Beteiligten und Betroffenen möglichst klar strukturiert werden (vgl. Abbildung 3): Anstatt strategische Hintergründe zu erläutern, werden die Zielsetzungen klar und unmissverständlich dargestellt. Diese Zielsetzungen verändern sich im Projektvollzug nicht und erscheinen stets in denselben Formulierungen. Sie sind fassbar, d. h. messbar, erscheinen erreichbar und stehen für eine attraktive Vision. Die operativen Ziele des Veränderungsprojekts werden auf organisatorische Ziele heruntergebrochen – und damit für alle Beteiligten fassbar. Wenn das Projekt aufgesetzt wird, werden Namen und Zielsetzungen des Veränderungsprojekts, der strategische Hintergrund, die Projektstruktur sowie die Meilensteine mit Terminen breit kommuniziert. Das Thema des Projekts und seine Zielsetzungen können den Erwartungshorizont der Betroffenen vorstrukturieren und dadurch viele andere Möglichkeiten ausschließen.
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Sind Entscheidungen gefallen, werden sie so früh wie möglich kommuniziert. Der strategische Hintergrund, z. B. die Marktentwicklung und die Wettbewerbssituation, sollte nur kurz am Anfang dargestellt werden. Andererseits wird deutlich gemacht, welche Entscheidungsspielräume noch bestehen, wer im Projekt diese Entscheidungen vorbereitet und wer die Entscheidung fällt. Dabei werden die Mitwirkungsmöglichkeiten in der Projektarbeit betont. In Zeiten der Ungewissheit bieten Einschätzungen der Geschäftsleitung über die Wahrscheinlichkeit von bestimmten Szenarien Orientierung. Auch kann die Unternehmensleitung, soweit rechtlich möglich und angemessen, ihre Präferenz öffentlich machen. Allerdings werden gleichzeitig die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten dargestellt – sonst droht Ansehensverlust, wenn der Wunsch nicht Wirklichkeit wird.
Abbildung 3:
Botschaften der Mitarbeiterkommunikation in Veränderungsprozessen
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5.
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Prozessbegleitendes Kommunikations-Controlling
In umfassenden Veränderungsprozessen steht die Zukunft des Unternehmens auf des Messers Schneide. Maßstab für den Erfolg der Veränderungskommunikation ist der Erfolg des Veränderungsprojekts. Dementsprechend geht es beim Controlling der Veränderungskommunikation weniger um Budgetkontrolle oder die Ex-post-Evaluation, sondern um die laufende operative Steuerung und Optimierung der Kommunikationsprozesse: Im Vorfeld von Veränderungsprojekten wird das Umfeld-Monitoring intensiviert, als Beitrag zur Ermittlung und Spezifizierung des Veränderungsbedarfs. Vor der Implementierung von Kommunikationsprogrammen erfolgt eine Prä-Evaluation der wesentlichen Maßnahmen und Botschaften, durch Fokusgruppen-Interviews oder auch durch Gespräche z. B. mit der Arbeitnehmervertretung. Prozessbegleitende Meinungsforschung und Evaluation erlauben es, in allen Phasen des Veränderungsprozesses positive und negative Entwicklungen schnell zu erfassen und die Kommunikation während des Prozesses kontinuierlich nachzujustieren. Mit Hilfe eines Netzwerks im Unternehmen und seinem Umfeld hat das Kommunikationsteam das Ohr an den Stimmungs- und Meinungsmärkten, um ggf. Krisenherde und kommunikative Veränderungshindernisse schnell identifizieren zu können – denn Gerüchte können sich schnell zu Stimmungen verselbstständigen. An den wichtigsten Meilensteinen des Projekts werden die tatsächlichen Meinungen und Einstellungen der wichtigsten Zielgruppen mit den Kommunikationszielen verglichen. Die Weitergabe von Informationen durch das mittlere Management ist der kritische Punkt für jede tief greifende Veränderung. Gegenüber dem Markt sind Vertrieb und Einkauf die Botschafter des Unternehmens. Entgegen der üblichen Praxis sollten bei wichtigen Veränderungs- und Informationsschritten das Wissen der Führungskräfte, das Wissen von Vertrieb und Einkauf sowie die Weitergabe der Information an die Mitarbeiter bzw. die Marktpartner unmittelbar überprüft werden (Larkin/Larkin 1994: 28 ff., 72): Wissenstest. Direkt nach der Informierung der Führungskräfte bzw. der Informierung von Vertrieb und Einkauf wird das Wissen dieser Informations- und Meinungsmittler getestet. Führungskräfte/Mitarbeiter, die weniger als 75 Prozent der Fragen richtig beantworten, werden noch am selben Tag nachgeschult. Transmission Check. Durch Telefoninterviews werden das Wissen und das Verständnis der Zielgruppen in Stichproben überprüft – und damit die Weitergabe der Information durch die Informations- und Meinungsmittler. Insbesondere bei negativen Ergebnissen werden diese Tests regelmäßig wiederholt. Befragung zum Kommunikationsverhalten des mittleren Managements. Die Ergebnisse werden nach Standorten und/oder nach Funktionsbereichen ausgewertet und veröffent-
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licht. Das Management erklärt einen Wert im oberen Drittel zum Benchmark und kündigt eine Wiederholung der Aktion an. Nach zwei Wochen erfolgt eine erneute telefonische Befragung mit der Leitfrage: Hat sich die Kommunikation verbessert? Maßstab für den Erfolg von Veränderungskommunikation ist das Verhalten. Wichtige Verhaltensparameter werden messbar z. B. durch Mystery-Shopper-Aktionen (Testkäufe). Bei der Planung von Mystery-Shopper-Aktionen ist zu berücksichtigen, dass die Durchführung ohne das Wissen der getesteten Mitarbeiter als Vertrauensbruch gewertet werden kann. Anders als vielfach angenommen, decken auch angekündigte Mystery-Shopper-Aktionen signifikante Mängel auf – denn die Verhaltensänderung kann nicht auf Knopfdruck erfolgen. Außerdem leistet die Ankündigung der Aktion bereits einen Teil des Issue Setting und motiviert zur selbstgesteuerten Optimierung des Verhaltens. Teilnehmende Beobachtung an Arbeitsprozessen bzw. an Kundengesprächen auf der Grundlage des Zieltableaus für das Soll-Verhalten. Auswertung von Kundenreklamationen. Befragung der internen Kunden zur Servicequalität von Zentralfunktionen, z. B. als vierteljährliche Befragung der Niederlassungen zu den Leistungen der Zentralressorts. Die Nullmessung am Anfang des Veränderungsprojekts und die Vergleichsmessung mit weitgehend identischen Fragestellungen schließen auch die Projektkommunikation ein. Die gewonnenen Erkenntnisse können dazu dienen, die Kommunikation im Anschlussprojekt besser zu gestalten. Im Rahmen des unternehmensübergreifenden Austausches von Best Practices sollten die Ergebnisse der Erfolgskontrolle auch anderen Unternehmen, die Veränderungsprojekte planen, zugänglich gemacht werden.
Literatur
Kotter, John P. (1996): Leading Change, Boston. Larkin, T. J./Larkin, Sandar (1994): Communicating Change: How to Win Employee Support for New Business Directions, New York. Mohr, Niko (1997): Kommunikation und organisatorischer Wandel. Ein Ansatz für ein effizienteres Kommunikationsmanagement im Veränderungsprozess, Wiesbaden. Pfannenberg, Jörg (2003): Veränderungskommunikation, Frankfurt a. M.
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Personality-Kommunikation: Die Führungskraft als Imageträger Karl Nessmann
Dieser Beitrag beleuchtet die Rolle der Führungskraft als Imageträger im Rahmen der Unternehmenskommunikation. An Hand von empirischen Studien und Praxiserfahrungen wird gezeigt, dass Personality-Kommunikation eine verantwortungsvolle Managementaufgabe ist, die systematisch geplant und kontinuierlich umgesetzt werden kann.
1.
Die Treiber und Stolperfallen der Personalisierung
Führungskräfte und hier allen voran die Chief Executive Officers (CEOs) bekommen im Rahmen der Unternehmenskommunikation wieder mehr Gewicht. Das war nicht immer so. Eine Zeit lang – insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren – stand die Unternehmensmarke (Corporate Brand) im Vordergrund. Die Manager (überwiegend Männer) hielten sich zurück und waren in der Öffentlichkeit eher unbekannt. Um die Jahrtausendwende wandelte sich das Bild. Aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen (verstärkter Trend zur Börse, erhöhte Ansprüche der Stakeholder, Personalisierung der Medien etc.) mutierten Vorstandssprecher und -sprecherinnen (zunehmend auch Frauen) von Unternehmen zu Medienstars. Einzelne CEOs wurden regelrecht wie Popstars behandelt. Die CEOs wurden mit ausgeklügelten Inszenierungs-, Personalisierungs- und Positionierungsstrategien – wie zum Teil bereits in der Politik erfolgreich angewendet – zur Marke hochstilisiert: Der CEO als Marke. Einige waren damit auch sehr erfolgreich und brachten den Unternehmen hohe Gewinne. Vor allem in börsenorientierten Unternehmen gelang es einigen CEOs, Aktienkurse und Unternehmenswert enorm zu steigern. Dabei lassen sich zwei wesentliche Treiber identifizieren: Der Börsengang ist ein entscheidender Treiber der Personalisierung. Der Gang an die Börse bedeutet für Unternehmen, in die Öffentlichkeit zu gehen. Damit steigt die Notwendigkeit, das Unternehmen und die Personen öffentlich und transparent zu machen. PersoM. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_48, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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nality-Kommunikation werden im Rahmen von Investor Relations zur Pflichtveranstaltung. Die Medien sind ein weiterer ‚Treiber’ der Personalisierung. Auch für nichtbörsenorientierte Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) wird Personality-Kommunikation immer wichtiger. Die Öffentlichkeit ist zunehmend daran interessiert, was für ein Mensch der Chef/die Chefin ist. Die Medien konzentrieren ihre Berichterstattung immer stärker auf jene Personen, die das Unternehmen leiten. Insgesamt ist ein signifikantes Ansteigen von personalisierten Berichten in den Medien zu diagnostizieren. Denn die Medien wollen nicht abstrakt, sondern anhand von Personen über wirtschaftliche Zusammenhänge berichten. Der Nachrichtenfaktor „Personalisierung“ spielt in allen Medien (Rundfunk, TV, Print, Internet) eine immer dominantere Rolle. Führungskräfte werden zunehmend zum Nachrichtenwert. Vor allem in der Krisenkommunikation müssen die Führungskräfte an Bord. Die personalisierte Berichterstattung über Unternehmen ist zugleich ein großer Risikofaktor für die Unternehmenskommunikation. Die Stolperfallen bzw. Flops von Führungskräften aus der Wirtschaft – hier allen voran die viel zitierten Chefs der Deutschen Bank (Hilmar Kopper, Rolf Breuer und Josef Ackermann) oder die CEOs von Infineon (Ulrich Schumacher), Deutsche Telekom (Ron Sommer) und Deutsche Bahn (Hartmut Mehdorn) – zeigten drastisch auf, wie schnell die persönliche Glaubwürdigkeit verloren gehen und der Reputation des ganzen Unternehmens großer Schaden zugefügt werden kann. Die Medien und die Öffentlichkeit reagierten sehr sensibel auf verbale Aussagen (z. B. 50 Millionen Deutsche Mark sind Peanuts, Zugfahrten über vier Stunden sind eine Tortur), auf nonverbale Gesten (z. B. das Victory-Zeichen) oder auf unmoralisches Verhalten (z. B. überhöhte Vorstandsbezüge bei gleichzeitigem Sparkurs, Bereicherung, Korruption etc.). Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverluste sind die Folge. Unabhängig von diesen Flops spricht man in der Kommunikationsbranche bereits vom sogenannten „Tycoon-Faktor“: Je prominenter der CEO, desto schlechter sei die Performance des Unternehmens. All diese Entwicklungen führten in den Kommunikationsabteilungen zu großer Verunsicherung. Viele PR- und Kommunikationsverantwortliche wurden hinsichtlich der Personalisierung vorsichtiger bzw. zurückhaltender und stellten sich aufgrund der Flops und negativen Auswirkungen auf die Unternehmensreputation die Frage, ob und inwieweit sie die Führungskräfte in die Unternehmenskommunikation einbauen und sie als „Träger“ der Kommunikation einsetzen sollen. Wie weit dürfen, müssen, sollen sie dabei gehen? Die von den Kommunikations-Agenturen Burson-Marsteller (2001), Güttler/Klewes (2001) und Publicis Sasserath (2004) in Auftrag gegebenen repräsentativen CEO-Studien belegen eindrucksvoll den Zusammenhang von CEO-Reputation und Unternehmensimage und verweisen auf die bedeutende Stellung der Führungskräfte in der Unternehmenskommunikation. Diese in den Branchenmagazinen vielfach zitierten CEO-Studien beflügelten zwar die Debatte zum Thema Personalisierung, konnten aber die aufgekommenen Zweifel an den Personalisierungsstrategien nicht zur Gänze ausräumen.
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So belegt z. B. die Burson-Marsteller-Studie (2001), dass das Ansehen (Reputation/Image) eines Unternehmens in der Öffentlichkeit zu zwei Dritteln von der Person an der Spitze bestimmt wird. 48 Prozent der Deutschen und 95 Prozent der Amerikaner lassen sich laut dieser Studie beim Aktienkauf vom Image des Vorstandes beeinflussen.1 Laut der Studie von Güttler/Klewes- (2001) ist ein Drittel der Befragten sogar bereit, Aktien bei Kursrückgang nicht zu verkaufen, wenn der CEO bekannt ist und ein positives Image hat. Und: 70 Prozent wollen wissen, was für ein Mensch der Chef oder die Chefin ist. Die Umfrage von Publicis Sasserath- (2004) hat allerdings nachgewiesen, dass sogar zwei Drittel der Deutschen das Verhalten der CEOs kritisch beobachten und sanktionieren. Außerdem wurde festgestellt, dass das Fehlverhalten von CEOs dem Markenimage schadet. In den CEO-Studien kommt auch zum Ausdruck, dass die zunehmend personalisierte Medienberichterstattung vom Bekanntheitsgrad und Image der CEOs beeinflusst wird. Menschen verfolgen Unternehmen aufmerksamer in den Medien, wenn die Führungskraft bekannt ist und geschätzt wird. Bei negativen Schlagzeilen kann die Führungsperson das Unternehmensimage stabil halten. Die Studien zeigen aber auch, dass die Öffentlichkeit (insbesondere Opinion Leader) von Unternehmen erwarten, dass sie im Einklang mit der Gesellschaft handeln, sich in ihr Umfeld integrieren und Vorbildfunktionen übernehmen. Umweltgerechtes Verhalten ist nach wie vor bedeutsam. Ein Fazit der Studien lautet: Das Image bzw. die Reputation der Führungskraft und das Unternehmensimage bzw. die Unternehmensreputation sind symbiotisch miteinander verbunden. Die Reputation und der Bekanntheitsgrad des CEO haben nicht nur Auswirkungen auf das Unternehmensimage, sondern auch positive wie negative Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Beurteilung des Unternehmens, die Medienberichterstattung, das Kaufund Verkaufsverhalten (insbesondere von Aktien), den Börsenkurs und den Unternehmenswert. Vor dem Hintergrund der oben angeführten CEO-Studien und Stolperfallen wird klar, dass Führungskräfte sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Unternehmensreputation und -performance haben und umgekehrt: Die Chancen und Vorteile der Personalisierung sind klar: Führungskräfte (CEOs), die das Unternehmen nach innen und außen repräsentieren, sind nicht nur wichtige Imageträger, sondern auch wichtige „Träger“ der Kommunikation. Als solche transportieren sie Kernbotschaften, Werte, Visionen und strategische Entscheidungen zu den relevanten Stakeholdern. Sie ermöglichen Identifikation für bestimmte Zielgruppen, geben dem Unternehmen ein Gesicht und bieten den Medien einen Nachrichtenwert. Die Probleme und Risiken des personalisierten Kommunikationsmanagements liegen meistens in den Personen selbst, im Fehlverhalten der Führungskräfte. Vor allem wenn Handlungen und Aussagen der Führungskräfte nicht übereinstimmen, sind Glaubwürdigkeits-, Vertrauens- und Imageverluste die Folge. Ein weiteres Problem entsteht dann, wenn es zu Diskrepanzen zwischen den Aussagen von Führungspersönlichkeiten und den kommunikativen Bemühungen (z. B. der PR-Abteilung) einer Organisation kommt. 1
Eine Übersicht über die weiteren Burson-Marsteller-Studien zum Thema „CEO-Reputation“ gibt GainesRoss (2003).
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2.
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Personality-Kommunikation als unverzichtbarer Bestandteil der Unternehmenskommunikation
Ein modernes, zeitgemäßes Kommunikationsmanagement muss sich aufgrund der oben skizzierten gesellschaftlichen Entwicklungen den Chancen und Risiken der Personalisierung stellen. Denn trotz der zum Teil widersprüchlichen Forschungsergebnisse und der negativen Fallbeispiele kann an der Kernaussage, dass die Positionierung von Führungskräften ein unverzichtbarer Bestandteil der Unternehmenskommunikation ist, nicht gerüttelt werden. Die Führungskraft einer Organisation ist und bleibt ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Die Personalisierung darf dabei allerdings nicht bloßer Selbstzweck (Ego-Marketing von eitlen Managern und Managerinnen) sein, sondern muss sich in den Dienst des Unternehmens stellen. Die Handlungen der Führungskräfte müssen mit deren Aussagen und Werthaltungen in Einklang gebracht werden. Der kommunikative Auftritt der Führungskräfte muss (ganz im Sinne der integrierten Kommunikation) mit allen anderen kommunikativen Bemühungen der Organisation abgestimmt werden. Personality-Kommunikation rückt den Menschen mit seiner Wesensart, mit seinen Charaktereigenschaften, Werten, Stärken und Schwächen in den Vordergrund, positioniert die Führungskräfte in den wichtigsten Märkten (Kapital-, Absatz-, Arbeits- und Meinungsmarkt) als „Botschafter“ des Unternehmens und macht ihn damit auch zur Marke. Die „Marke CEO“ muss sich im Dienst des Corporate Branding stellen: „Nur wenn die Marke nicht für sich selbst glänzt, sondern auf die Unternehmensmarke abstrahlt, ist eine Personalisierungsstrategie des CEOs sinnvoll“ (Casanova 2004: 57). Daher muss die enge Koordination der Corporate Brand und der Personal Brand sichergestellt sein. Die Markenpositionierung von Spitzenmanagern, so der Autor weiter, muss zum Image und zur Strategie des Unternehmens passen. Die Positionierung sollte sich allerdings auf wenige, wesentliche Eigenschaften der Führungskraft beschränken. Und diese wiederum müssen für die Zielkunden relevant und wahrnehmbar sein. Aus den bisher dargestellten Ergebnissen und Überlegungen lassen sich einige Grundsätze und Prinzipien ableiten. Glaubwürdigkeitspostulate der Öffentlichkeit sind meistens auf der moralischen Ebene angesiedelt. Werden die moralischen Forderungen nicht erfüllt, treten Konflikte auf. Die Öffentlichkeit erwartet von den Unternehmen und insbesondere von deren Führungskräften, dass sie im Einklang mit der Gesellschaft handeln, d. h. ein verantwortliches und authentisches Verhalten an den Tag legen, das sich auf ethisch-moralische Prinzipien stützt. Ziele wie etwa Vertrauen, Verständnis und Glaubwürdigkeit sind nur durch offene, ehrliche und aufrichtige Kommunikation sowie durch verantwortliches und authentisches Verhalten erreichbar. Um Vertrauen zu erreichen, bedarf es einer bestimmten Grundhaltung, die von Offenheit, Mut, Risikobereitschaft und Verpflichtung getragen ist. Um Vertrauen zu gewinnen, müssen wir mit den Mitmenschen in Beziehung treten, uns öffnen, aufeinander zugehen, zuhören,
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gegenseitiges Verständnis aufbringen. Vertrauen muss man sich erwerben, erarbeiten! Wie? Durch aufrichtigen, offenen und respektvollen Umgang mit Menschen. Dazu gehört unter anderem auch, dass man Versprechen hält, Fehler zugibt oder Schwächen eingesteht. Dies erfordert einen wechselseitigen, dialogischen Kommunikationsstil, der auch die Bedürfnisse, Erwartungen, Befürchtungen und Ängste der Öffentlichkeit bzw. der für das Unternehmen relevanten Stakeholder ernst nimmt. Die Dialogorientierung ist somit ein weiteres Handlungsprinzip der Personality-Kommunikation. Fazit: Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Authentizität entstehen im Spannungsfeld zwischen Aussagen, Handlungen und Werthaltungen, d. h. eine Person, eine Führungskraft erscheint uns dann als authentisch, vertrauens- und glaubwürdig, wenn ihre Taten (Handlungen) konsistent mit ihren Worten (Aussagen) und Werthaltungen (ethisch-moralischen Prinzipien) übereinstimmen.
3.
Konzeptions- und Planungsmodelle
Wer Personality-Kommunikation professionell betreiben möchte, muss bewusst, systematisch und kontinuierlich vorgehen. Der kommunikative Auftritt von Führungskräften und Mitarbeitern muss strategisch geplant werden. Dazu gibt es die verschiedensten Modelle, die wiederum vom jeweiligen Zugang zur Thematik abhängig sind. Das Marketing-Modell begreift den Menschen als „Marke“ (vgl. z. B. Rein/Kotler/Stoller 1997, Greisinger 1998, Seidl/Beutelmeyer 1999, Herbst 2003) und nutzt dabei die Erkenntnisse der modernen Markenführung und des Marketings. Das Modell geht davon aus, dass sich auch Menschen professionell vermarkten müssen, da sie ihre Leistungen auf Märkten anbieten, die durch zunehmende Sättigung und Verdrängungswettbewerbe gekennzeichnet sind (als kritische Reflexion dazu vgl. Nessmann 2003/2005). Die Vertreter des marken- bzw. marketingorientierten Modells operieren dabei mit den Dachbegriffen „Personality Marketing“, „Personal Branding“, „Image-Consulting“, „Ich-Marke“ etc. Die meisten dieser Autoren orientieren sich bei der Konzepterstellung für Personen in der Regel an den vier P`s des Marketing: Produkt: Dienstleistungen, Angebote, Qualitäten der Person; Preis: die Bedingungen, zu denen eine Person bereit ist, ihre Dienstleistungen anzubieten (Honorare, Gehälter); Platz: der Ort bzw. die Bühnen, wo die Person ihre „Produkte“ bzw. Dienstleistungen anbietet; Promotion: die Kommunikationsinstrumente wie etwa Werbung, Sponsoring, Testimonials, Public Relations etc. Das Reputation-Modell (vgl. z. B. Casanova 2004, Bauhofer 2004) greift zwar auch auf die Erkenntnisse der modernen Markenführung zurück und versteht ebenfalls die Führungskraft als „Marke“. Diese Autoren verwenden allerdings nicht mehr den Begriff
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„Image“, sondern „Reputation“. Die definitorischen Unterscheidungsversuche sind theoretisch betrachtet nicht besonders überzeugend, wohl aber der von den Autoren propagierte Weg, wie der Ruf einer Marke bzw. Person aufgebaut werden kann.2 Die Eckpfeiler des Reputation-Management-Modells sind Berechenbarkeit, Kalkulierbarkeit, Nachhaltigkeit (in sozialer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht), Orientierung an den Stakeholdern (Investoren, Analysten, Kunden, Mitarbeiter etc.) sowie die sich hieraus ergebenen Unterstützungspotenziale für das Unternehmen bzw. die Person. Das Stakeholder-Monitoring (Bauhofer 2004) bzw. das CEO-Reputation-Monitoring (Casanova 2004) sind hier das empirische Herzstück und zugleich Ausgangspunkt für sämtliche Maßnahmenplanungen, die sich im Wesentlichen auf folgende Elemente konzentrieren: erstens Themenführerschaft durch Issues-Management in Form von Schlüsselbotschaften sowie zweitens gezielte Inszenierungen in den Bereichen Ereignismanagement und Mediaplacement (Casanova 2002/2004). Detaillierte Angaben zur Umsetzung der Maßnahmen werden allerdings von den Autoren nicht getätigt.3 Das Public-Relations-Modell (Nessmann 2005) orientiert sich an der in der Öffentlichkeitsarbeit etablierten Konzeptionslehre. Public Relations (PR) versteht sich hier allerdings nicht als bloße Pressearbeit und als Element des Marketing-Mix, sondern als eigenständige Kommunikationsdisziplin, als eine unverzichtbare Managementfunktion bzw. als Kommunikationsfunktion des Managements. Personality-PR ist demnach ein bewusst gestalteter, systematisch geplanter und kontinuierlich umgesetzter Kommunikationsprozess von Personen mit deren Bezugsgruppen und Stakeholdern. Das PR-bezogene Konzeptionsmodell für Personen versteht sich als Weiterentwicklung des reputations- und markenorientierten Modells. Es basiert ebenfalls auf den personen- und unternehmensbezogenen Werten, orientiert sich an den für das Unternehmen und die Person relevanten Stakeholdern und ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Das PR-Modell ist – was die Planungsschritte betrifft – allerdings wesentlich differenzierter und systematischer als die bisherigen Modelle. Im Folgenden werden die Eckpfeiler des PR-bezogenen Konzeptionsmodells für Personen skizziert sowie die wichtigsten Maßnahmenbündel dargestellt.
2 3
Eine theoretisch fundierte Begriffsbestimmung von „Image“ und „Reputation“ liefert Eisenegger (2005); vgl. ferner Buß (2007). Der von Fombrun in den USA entwickelte und von Wiedmann in Europa bereits mehrfach eingesetzte „Reputation Quotient“ (RQ) ist ein valides und bereits bewährtes empirisches Instrument zur Messung der Unternehmensreputation. Dieses Messkonzept, insbesondere die dort genannten Reputationsfaktoren, liefern für die Erhebung der CEO-Reputation hilfreiche Anhaltspunkte (Wiedmann/Fombrun/van Riel 2007 sowie www.reputationinstitute.com). Das von Eisenegger (2005) entwickelte Modell „Issues Monitoring“ könnte ebenfalls als Messinstrument herangezogen werden.
Personality-Kommunikation
4.
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Wie Kommunikationskonzepte für Führungskräfte erstellt werden
Nach Klärung der Ausgangslage (Problem- und Aufgabenstellung) erfolgt die Bestandsaufnahme sämtlicher personenbezogenen und unternehmensbezogenen Fakten (insbesondere der Image- bzw. Reputationsfaktoren, Stärken, Werte etc.) und deren Analyse (SWOT-Analyse, Soll-Ist-Vergleich etc.). Das übergeordnete Ziel der zum Teil sehr umfangreichen Bestandsaufnahmen bzw. Situationsanalysen ist das Herausfinden der Kerneigenschaften, des Identitäts- bzw. Markenkerns der Person; der sogenannten USP – Unique Selling Proposition (das Einzigartige, Unverwechselbare der Person, die individuelle persönliche Note); des wertorientierten Leitbildes der Person (Mission Statement). Diese personenbezogenen Merkmale bzw. Eigenschaften werden dann den unternehmensspezifischen Merkmalen (Markenkern, Unternehmensleitbild, -strategie, -philosophie etc.) gegenübergestellt bzw. aufeinander abgestimmt. Die Analyse der unternehmens- und personenspezifischen Situation stellt somit die Basis dar. Die Ermittlung der relevanten Reputationsfaktoren kann mit Hilfe von qualitativen Zielgruppenbefragungen, Selbst- und Fremdwahrnehmungstest (Nessmann 2005) oder mit multivarianten, statistischen Erhebungen (Casanova 2004, Eisenegger 2005, Wiedmann/Fombrun/ van Riel 2007, Buss/Fink-Heuberger 2000) 4 durchgeführt werden. Im Strategieteil werden die personen- und unternehmensbezogenen Kommunikationsziele, Bezugsgruppen, Botschaften und Leitlinien formuliert. Hier geht es vor allem darum, realistische und überprüfbare Ziele zu formulieren, die für das Unternehmen und die Führungskraft wichtigsten Bezugsgruppen (Bühnen und Netzwerke) zu identifizieren und auf Basis der strategischen Leitlinien die für die Stakeholder und das Unternehmen relevanten Kernbotschaften zu formulieren. Im Strategieteil kann auch (wenn es erforderlich bzw. gewünscht sein sollte) ein persönlicher Markenname kreiert werden. Die Inszenierung bzw. Positionierung des Markennamens ist natürlich von der Unternehmensstrategie abhängig und erfolgt situationsspezifisch. So wird z. B. Ulrich Lehner, der Vorstandsvorsitzende von Henkel International, in der Öffentlichkeit bzw. in den internationalen Medien einmal als „Der Läufer“ (weil begeisterter Marathonläufer) dann wieder als „Der weiße Riese“ (in Anspielung auf eines der HenkelProdukte) positioniert. Wolfgang Hötschl, CEO des internationalen Snackherstellers Kelly’s, 4
Das von Buß/Fink-Heuberger (2000) entwickelte Messverfahren zielt (ähnlich wie der Reputation Quotient) primär auf die Erhebung des Unternehmensimage ab. Die dort aufgelisteten Image-Items liefern jedoch interessante Anhaltspunkte zur Messung von CEO-Reputationsfaktoren.
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wird sehr häufig in den Medien mit Kelly’s-Produkten abgelichtet und als „Mr. Kelly’s“ betitelt: „Mr. Kelly’s und das echte Knistern im Leben“ lautet beispielsweise (in Anspielung an die knisternden Kartoffelchips) eine Headline in einem österreichischen Wirtschaftsmagazin. Martin Huber, Chef der Österreichischen Bundesbahnen, wird wiederum ausschließlich vor ÖBB-Zügen oder Lokomotiven fotografiert. In den Medien wird der Unternehmensführer je nach Themenschwerpunkt wie folgt betitelt: „der Lokführer“, „der Sanierer“ (in Anspielung auf die ÖBB-Reformen), „der Fisch im Führerstand“ (in Anspielung auf sein Sternzeichen) oder als „der ranghöchste Weichensteller der Nation“. Formulierungen wie etwa „grünes Licht für den Lokführer“ sind in den Pressetexten keine Seltenheit. Wolf-Dieter Hellmaier, der Chef von Porsche Austria, wird wiederum passenderweise mit den neuesten Modellen abgelichtet und „macht im In- und Ausland mächtig Tempo“, so eine von vielen Schlagzeilen. Entscheidend bei der Namenspositionierung ist, dass die Attribute authentisch sind und mit dem Markenkern des Unternehmens bzw. der Produkte einerseits und der Person bzw. Führungskraft andererseits übereinstimmen. Das Gleiche gilt für die Kommunikation von Kernbotschaften. Laut der Studie von BursonMarsteller (2001) sollen Führungskräfte insbesondere folgende zwei Kernthemen kommunizieren: erstens die langfristige Unternehmensstrategie und zweitens die Unternehmensziele bzw. -politik. Eine personalisierte Kommunikationsstrategie wird daher versuchen, die unternehmensbezogenen Kernthemen mit persönlichen Kernbotschaften zu verbinden. Dies können Elemente des persönlichen Leitbildes, der Lebensphilosophie, der persönlichen Werte, Visionen, Stärken, Erfahrungen etc. sein. Wie die Namenspositionierung erfolgt natürlich auch die Kommunikation von Kernbotschaften strategieorientiert, zielgruppen- und situationsspezifisch, d. h. die Themen bzw. Botschaften müssen sowohl für das Unternehmen als auch für die Bezugsgruppen bzw. Stakeholder relevant sein, zielgruppengerecht formuliert werden und zum Charakter bzw. zum Personentyp der Führungskraft passen.
4.1
Die vier Maßnahmenbündel der Personality-PR
Erst nach dem oben skizzierten Analyse- und Strategieteil erfolgt im sogenannten Taktik-Teil die detaillierte Maßnahmenplanung. Die bisherige Praxisliteratur listet eine Vielzahl an personenbezogenen PR-Maßnahmen auf, allerdings sehr unsystematisch. In Anlehnung an die gängige Managementterminologie wird hier ein Klassifikationsversuch vorgestellt, der die zahlreichen Einzelinstrumente der Personality-PR systematisch in vier Maßnahmenbündel zusammenführt. Die für Führungskräfte relevanten Maßnahmen bzw. Instrumente werden im Weiteren dargestellt.
Personality-Kommunikation
4.1.1
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Selbstmanagement – Datendokumentation zur Führungskraft
In diesem Maßnahmenbündel werden die im Zuge der Bestandsaufnahme und Situationsanalyse erhobenen Daten, die im Rahmen des Selbstmanagementprozesses gemeinsam mit dem Coach und der Führungskraft erarbeitet wurden, dokumentiert. Zur Datendokumentation von Führungskräften sollten zumindest ein aktueller Lebenslauf mit den wichtigsten Eckdaten zur Person sowie ein persönlicher Markenbogen einschließlich Fotoarchiv zur Verfügung stehen. Der Markenbogen ist eine Art Steckbrief und beinhaltet Fragen, die von Medien bzw. Journalisten häufig gestellt werden, wie z. B.: Stärken, Schwächen, Erfolge, Misserfolge, Ziele, Visionen, Eigenschaften, Leidenschaften, Werte, Hobbys, Vorlieben, Abneigungen, Lebensmotto, Lebensphilosophie, Leitbild (Mission Statement) etc. Die Aufgabe von Personality-Beratern besteht somit darin, sich mit der Führungskraft auf solche Journalistenfragen vorzubereiten. Die Praxis hat gezeigt, dass die Ausarbeitung bzw. Beantwortung dieser Fragen nicht einfach ist und viel Zeit in Anspruch nimmt.
4.1.2
Impression Management – Selbstdarstellungstechniken
In diesem Maßnahmenbündel werden all jene Verhaltensweisen und Kommunikationsformen festgehalten, mit denen die Führungskraft ihren Eindruck, den sie bei ihren Stakeholdern hinterlassen möchte, beeinflussen und steuern kann. Die Literatur zum Impression Management hat eine Reihe von Selbstdarstellungstechniken identifiziert, die Menschen eher kurzfristig und situationsbedingt einsetzen, um ihr Image zu steuern (Mummendey 1995, Piwinger 2001, Ditz 2003). Im Maßnahmenbündel Impression Management geht es im Grunde genommen um menschliche Verhaltensweisen, um Respekt und Höflichkeit (Ebert 2003), um den Umgang mit Menschen. Zahlreiche Umfragen bestätigen unsere tägliche Erfahrung, dass Tugenden wie Höflichkeit, Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit und Aufrichtigkeit von den Mitmenschen am meisten geschätzt werden. Und am negativsten werden Arroganz und Unehrlichkeit empfunden –das Nachrichtenmagazin Stern widmete dem im Januar 2004 sogar eine Titelstory: „Die Arroganz der Mächtigen“. Aber auch der bewusste Einsatz von Sprache, Sprachstil, Kleidung, Symbolen bzw. symbolischen Handlungen, Büroeinrichtung etc. ist Teil der Selbstdarstellungstechniken. Die Wirkung der einzelnen Taktiken wurde in Hunderten von Untersuchungen nachgewiesen (z. B. Mummendey 1995). Aber auch die Öffentlichkeit nimmt immer mehr Notiz von Impression Management-Details wie etwa Outfit oder Accessoires. So wurde z. B. unlängst von deutschen Qualitätszeitungen im Zusammenhang mit dem Abbau von Arbeitsplätzen die teure Rolex-Armbanduhr von Siemens-Chef Klaus Kleinfeld zynisch kommentiert und diskutiert. Und die ebenfalls zynisch-ironischen Kommentare österreichischer Journalisten über Frisur, Brille und die rote Aktentasche von Alfred Gusenbauer, Vorsitzender der
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Sozialdemokratischen Partei Österreichs, sind ein weiterer Beleg dafür, wie sensibel und aufmerksam solche Details wahrgenommen werden. Jedenfalls gibt es genügend Indizien dafür, dass es sich empfiehlt, zusätzlich zu den Kommunikationsabteilungen externe ExpertInnen (z. B. für Farb- oder Stilberatung) heranzuziehen.
4.1.3
Medienmanagement – Themen positionieren
Wie bringe ich den Chef oder die Chefin in die Medien? Wie schaffe ich es, die Führungskraft aus negativen Schlagzeilen herauszuhalten? Um solche Fragen geht es im Maßnahmenbündel „Medien- und Themenmanagement“, d. h. um den richtigen Umgang mit Journalistinnen und Journalisten, um das gezielte Positionieren von Themen in den Medien. Hier stehen grundsätzlich alle klassischen Instrumente der Medien- und Pressearbeit zur Verfügung, z. B. Presseaussendungen, Pressekonferenzen, Leserbriefe, Gastkommentare, Interviews, Statements, Homestories, Reportagen etc. Zum Maßnahmenbündel zählen über die Massenmedien hinaus auch selbst produzierte Medien, wie etwa die Website mit persönlichen Hintergrundinformationen und professionell gestalteten Portraitfotos des CEO. Besonders hervorzuheben ist hier die Bedeutung von Fotografien, insbesondere von Portraitfotos. Diese sind, so unsere Beobachtungen und Analysen, zum Teil überhaupt nicht inszeniert. Die wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnisse zur enormen Wirkung und Macht von Bildern und Fotografien (Frey 1999) werden in der PRPraxis noch weitgehend unterschätzt (vgl. dazu auch Rosumek 2003, Herbst/Scheier 2004). Die Aufgabe von Personality-Beratern besteht darin, die Einzelinstrumente in Anbindung an die Strategie präzise und kreativ zu planen, zu arrangieren und zu inszenieren. Primär geht es darum, Ereignisse (z. B. öffentliche Auftritte von Führungspersonen) zu inszenieren und zu mediatisieren (Ereignismanagement) mit dem Ziel, für die Medien einen Nachrichtenwert zu schaffen. Personalisierung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Eine weitere Funktion von Personality-Beauftragten besteht darin, in persönlichen Gesprächen mit Medienvertretern die Führungskraft ins „rechte“ Licht zu rücken, indem z. B. gewisse Schwächen der Person zugegeben und gleichzeitig Stärken, Ziele oder Vorhaben hervorgehoben werden. Dies kann wie folgt geschehen. Eine PR-Beraterin spricht z. B. mit einer Journalistin über ihren Chef und sagt: „Sie kennen ihn ja! Pressekonferenzen sind nicht seine Lieblingsbeschäftigung, er ist kein exzellenter Redner, kein Showmaster, aber dafür ein Macher, ein Sanierer, ein aufrichtiger Kerl … ihm ist wichtig … ihm liegt am Herzen …“ (was immer man an Botschaften vermitteln will). Eine weitere Aufgabe von Personality-Kommunikation besteht schließlich darin, die Führungskraft für öffentliche Auftritte (Nachrichtensendungen, Talkshows oder öffentliche Reden) vorzubereiten (Schatz et al. 2004, Bazil 2005). Das Training sollte sich allerdings nicht nur auf die Vermittlung von rhetorischen und journalistischen Kompetenzen reduzieren, sondern ganzheitlich angelegt sein, d. h. sich auch
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843
auf die in der Bestandsaufnahme identifizierten Grundwerte, Stärken, Schwächen, Vorlieben der Führungskraft beziehen.
4.1.4
Soziales Management – Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen
In diesem Maßnahmenpaket werden sämtliche gesellschaftlichen Aktivitäten, Initiativen und das soziale Engagement einer Führungskraft gebündelt, wie z. B. Engagement in Vereinen, Clubs, Interessensvertretungen; finanzielle Unterstützung von karitativen oder sozialen Einrichtungen (Spenden, Sponsoring); Übernahme von gesellschaftspolitischer Verantwortung, z. B. als Kontaktperson zu kulturellen, politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder sportlichen Institutionen, Verbänden, Interessensvertretungen. Auch hier gilt: All diese Aktivitäten müssen natürlich mit der Unternehmensstrategie und den Aktivitäten der Unternehmenskommunikation (Corporate Citizenship, Corporate Governance, Corporate Social Responsibility etc.; vgl. Scherer/Baumann 2007) abgestimmt werden. Unsere Analysen und Recherchen im Zuge des Forschungs- und Entwicklungsprojekts „Personal Communication Management“ an der Universität Klagenfurt haben gezeigt, dass immer mehr Führungskräfte direkt in Corporate Social Responsibility- oder Sponsorship-Aktivitäten involviert werden, indem sie soziale, gesellschaftliche und ökologische Verantwortung nicht nur „predigen“, sondern diese auch in konkrete Taten umsetzen und sich persönlich z. B. für karitative Zwecke engagieren. In diesen Aktivitäten liegt ein enormes Potenzial, die CEOund Unternehmensreputation gleichzeitig positiv zu beeinflussen. Für die persönliche Reputation der Führungskraft sind außerdem die kleinen Aufmerksamkeiten, die große Wirkung zeigen, nicht zu unterschätzen. Zum Beispiel: persönliche Geschenke bzw. Aufmerksamkeiten, Geburtstagsgrüße, spontane Telefonanrufe bei Freunden, Kolleginnen, Journalistinnen sowie persönliche Essenseinladungen oder Geschäftsessen (Business-Lunch). Es kann nicht oft genug erwähnt werden: Alle diese Aktivitäten sind nur dann glaubwürdig, wenn sie ehrlich gemeint sind und in Einklang mit dem Charakter, den Wertvorstellungen, den persönlichen Überzeugungen der Person stehen. Wichtig dabei ist: Für jede einzelne Führungskraft im Unternehmen muss ein individuelles Maßnahmenpaket, das zur Person passt, geschnürt werden. Wenn jemand ein begeisterter Sportler bzw. eine begeisterte Sportlerin (z. B. Segler oder Marathonläufer) ist, wird die PR- bzw. Kommunikationsabteilung die entsprechenden Bühnen suchen, z. B. Sportevents, Sportmagazine mit Schwerpunkt Laufen oder Segeln. Sollte sich jemand für Kunst interessieren oder engagieren, wird man die entsprechenden Plattformen aufsuchen (z. B. Kunstvereine, Vernissagen) oder ein Kunstsponsoringprojekt ausarbeiten. Verfügt eine Person bereits über einen hohen Sympathiewert und Bekanntheitsgrad, kommt unter Umständen eine Testimonialkampagne in Frage. Unsere Analysen haben gezeigt, dass immer mehr Führungskräfte im Rahmen der Unternehmenskommunikation auch für klassische Werbekampagnen eingesetzt werden.
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4.2
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Evaluation in Form von Reflexion
Personality-Konzepte für Führungspersonen sollten schließlich auch Evaluationsmaßnahmen beinhalten. Die Kommunikationsabteilung muss sich demnach Gedanken darüber machen, mit welchen Methoden und Instrumenten die formulierten Ziele auch tatsächlich überprüft werden können. Die Vorschläge zur Evaluation (Erfolgs- und Wirkungskontrolle) können auch als eigenes Maßnahmenpaket beschrieben und ausgewiesen werden. Bei größer angelegten PR-Kampagnen für Führungskräfte sollte man exakt festlegen, was genau überprüft werden soll, wer die Evaluation durchführt, wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen wird und wie hoch die Kosten dafür sind. Grundsätzlich steht hierzu das gesamte Evaluationsinstrumentarium zu Verfügung. Bei der summativen Evaluation geht es primär darum, am Ende einer Kampagne zu überprüfen, ob und inwieweit die im Strategieteil formulierten Kommunikationsziele auch tatsächlich erreicht wurden, z. B. indem man den Bekanntheitsgrad der betreffenden Führungskraft nochmals erhebt, eine neuerliche Imageumfrage durchführt oder die Medienauftritte analysiert. Die formative Evaluation versteht sich im Bereich der PersonalityKommunikation eher als ständiger Reflexions- und Auseinandersetzungsprozess der Person. Gemeinsam mit dem PR-Berater bzw. dem Coach werden die getätigten Aussagen und Handlungen der Führungskraft auf ihre beabsichtigte Wirkung hin (insbesondere in Hinblick auf Glaubwürdigkeit und Authentizität) kritisch reflektiert und hinterfragt. Die hier gemachten Erfahrungen bilden schließlich die Basis für die weitere Arbeit.
5.
Personality-Kommunikation: eine verantwortungsvolle Managementaufgabe
Dieser Beitrag hat gezeigt, dass Führungskräfte und hier allen voran CEOs nicht nur wichtige Imageträger für das Unternehmen sind, sondern auch wichtige „Träger“ der Kommunikation. Die Positionierung von Führungskräften, ihr kommunikativer Auftritt muss trotz aller Risiken, Stolperfallen und Flops, die mit Personalisierungsstrategien verbunden sind, systematisch geplant und kontinuierlich im Rahmen des Kommunikationsmanagements umgesetzt werden. Bei der Personality-Kommunikation geht es nicht um bloße Publicity, um billige Verkaufstricks, um egozentrierte Selbstdarstellung oder um kurzfristige Aufmerksamkeit. Es geht auch nicht um die Seitenblicke-Gesellschaft. Personalisierung darf auch nicht mit Privatisierung verwechselt werden. Die Intimsphäre von Personen muss gewahrt bleiben. Private Homestories über Führungskräfte sollten sehr sparsam eingesetzt werden. Das hier
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vorgestellte Modell von Personal Communication Management basiert auf den personenbezogenen und unternehmensbezogenen Werten und ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Personality-Kommunikation ist somit eine verantwortungsvolle Managementaufgabe. Personal Communication Management erfordert von PR- und Kommunikationsberatern neben grundlegenden Erfahrungen aus ihrer Tätigkeit in der Unternehmenskommunikation zusätzliche Kenntnisse aus den Bereichen Coaching, Branding, CEO-Reputation-Management und Impression Management.5 Besonders wichtig ist dabei die Einhaltung von ethischmoralischen Prinzipien, wie sie etwa in den verschiedenen PR-Kodizes festgehalten sind. Denn immerhin steht relativ viel auf dem Spiel: Vertrauen, Verständnis, Akzeptanz, Glaubwürdigkeit, Integrität und – last, but not least – die Reputation des Unternehmens und der Führungskraft.
Literatur
Bauhofer, Bernhard (2004): Reputation Management – Glaubwürdigkeit im Wettbewerb des 21. Jahrhunderts, Zürich. Bazil, Vazrik (2005): Impression Management – Sprachliche Strategien für Reden und Vorträge, Wiesbaden. Burson-Marsteller (2001): Der CEO – Wichtigster Faktor für das Unternehmensimage. Zusammenfassung einer Studie zur Reputation deutscher Vorstandsvorsitzender, in: PRspektiven Nr. 2/2001, im Internet: www.burson-marsteller.de. Buß, Eugen (2007): Image und Reputation – Werttreiber für das Management, in diesem Band. Buß, Eugen/Fink-Heuberger, Ulrike (2000): Image Management, Frankfurt a. M. Casanova, Marco (2002): Der CEO als Marke, in: Persönlich, o. Jg., Nr. 12, S. 70-72. Casanova, Marco (2004): Branding von Spitzenmanagern, in: Repräsentanz Expert (Hrsg.): Corporate Speaking. Auftritte des Spitzenmanagements, Bonn, S. 55-61. Ditz, Katharina (2003): Mein persönlicher Auftritt. Impression Management – die Kunst der Selbstdarstellung, Graz. Ebert, Helmut (2003): Höflichkeit und Respekt in der Unternehmenskommunikation. Wege zu einem professionellen Beziehungsmanagement, München.
5
Seit Herbst 2005 bietet die Universität Klagenfurt ein neues, bislang einzigartiges Weiterbildungsprogramm zum Thema „Personal Communication Management“ an, das wissenschaftlich fundiert und zugleich praxisorientiert die wichtigsten Erkenntnisse zur Positionierung von Personen vermittelt. Auf der Website dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekts www.pcm-lehrgang.at finden sich weitere Literaturquellen zum Thema.
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Karl Nessmann
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Innovationskommunikation: Neue Produkte, Ideen und Technologien erfolgreich positionieren Ansgar Zerfaß/Simone Huck
Innovationen gelten als wesentlicher Treiber für den wirtschaftlichen Erfolg. Erst in jüngster Zeit hat sich allerdings die Einsicht durchgesetzt, dass neue Produkte, Dienstleistungen, Technologien oder Vertriebskonzepte nur dann erfolgreich sind, wenn die kommunikative Vermittlung an Mitarbeiter, Kunden, Investoren und weitere Bezugsgruppen gelingt und in allen Phasen des Innovationsprozesses systematisch berücksichtigt wird. Dieser Beitrag führt in die Thematik ein und zeigt, wie Innovationskommunikation auf mehreren Ebenen zur Wertschöpfung beiträgt. Sie bedient sich der Mitarbeiterkommunikation, um innerhalb des Unternehmens ein innovationsfreundliches Klima zu schaffen und sorgt im Rahmen der Kundenkommunikation sowie Pressearbeit für die Bekanntheit und Vertrauen bei Kunden bzw. Journalisten. Innovationskommunikation ist jedoch nicht nur eine Herausforderung für Kommunikationsabteilungen, sondern vor allem auch eine Aufgabe für die Geschäftsleitung und jeden einzelnen Manager: Führungskräfte müssen zu Impressionisten und Erzählern werden, die Neuerungen von ihren technokratischen und ökonomischen Hüllen befreien und lebendige Visionen über zukunftsfähige Anwendungen vermitteln.
1.
Innovationskommunikation als strategische Herausforderung
Wenn Outsourcing, Offshoring und Gesundschrumpfen immer mehr Arbeitsplätze in den westlichen Industrienationen kosten, steigt die Notwendigkeit, neue Wege zu gehen. Der Ausweg aus der Misere scheint einfach: Innovationen braucht das Land, darin sind sich Wirtschaftswissenschaft und Politik einig. Zugleich gelten neue Produkte, Prozesse, Technologien M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_49, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Ansgar Zerfaß/Simone Huck
und Geschäftsmodelle als Schlüssel für den Unternehmenserfolg. Als „Land der Tüftler und Erfinder“ liegt Deutschland seit Jahren weltweit auf einem der vorderen Rangplätze bei der Zahl der Patentanmeldungen. Dennoch verpuffen zahlreiche Innovationsoffensiven von Konzernen, mittelständischen Firmen und der öffentlichen Hand ohne Ergebnis. 40 Mrd. Euro gehen dadurch nach einer Schätzung der Berater von A. T. Kearney pro Jahr in Deutschland verloren (Friedmann/Maurer 2003). Betrachtet man Innovationsprozesse innerhalb von Unternehmen oder an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und ihren Stakeholdern, so zeigen sich häufig Schwächen bei der kommunikativen Vermittlung von Innovation (Mast/Huck/Zerfaß 2005, 2006). In vielen Fällen erreichen Innovationen gar nicht erst die relevante Öffentlichkeit, so dass die Diffusion von Innovationen in die Gesellschaft (Rogers 2003) schon an ihrem Beginn zum Erliegen kommt. Der Begriff der Innovation bezeichnet dabei all jene neuen Produkte, Dienstleistungen, Technologien, Prozesse, Konzepte oder Ideen, die erfolgreich eingeführt und wirtschaftlich genutzt oder sozial akzeptiert werden (in Anlehnung an Schumpeter 1934, Tuomi 2002). Damit sie im Markt erfolgreich sein und akzeptiert werden können, müssen sie zuerst einmal bekannt gemacht werden. Der Kommunikation von Produkt-, Dienstleistungs- oder Prozessinnovationen kommt deshalb eine entscheidende Bedeutung für den Erfolg oder Misserfolg von Innovationsprozessen zu (Mast/Zerfaß 2005, Zerfaß/Sandhu/Huck 2004). Innovationskommunikation ist dabei weitaus mehr als bloße Produkt- oder Fach-PR (Bentele/ DFJV 2006), Wissenschaftskommunikation (Göpfert 2006, von Aretin/Wess 2005) oder spezialisierte Berichterstattung in der Tradition des Technikjournalismus. Innovationskommunikation umfasst zwar wie die oben genannten Handlungsfelder vielfältige Fragen der Vermittlung komplexer Neuerungen zum Beispiel durch sprachliche Übersetzung in einfache, verständliche Botschaften. Sie endet jedoch nicht bei handwerklichen Aspekten, sondern legt eine ganzheitliche Betrachtung zu Grunde, indem sie eine konsequente Einbindung der Kommunikation in das Innovationsmanagement und eine Auseinandersetzung mit entsprechenden betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Konzepten fordert. Sie stellt damit eine Herausforderung für die Unternehmensführung dar, die sich als roter Faden durch Unternehmensplanung, Forschung und Entwicklung, Marketing, Führungskommunikation sowie interne und externe Unternehmenskommunikation ziehen sollte. Diese Sichtweise mündet in die nachfolgende Definition (in Anlehnung an Zerfaß/Sandhu/Huck 2004):
Definition: Innovationskommunikation Innovationskommunikation ist die systematisch geplante, durchgeführte und evaluierte kommunikative Vermittlung neuer Produkte, Dienstleistungen, Technologien, Prozesse, Konzepte und Ideen mit dem Ziel, Verständnis für und Vertrauen in die Innovation zu schaffen und die dahinter stehende Organisation als Innovator zu positionieren.
Innovationskommunikation
2.
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Innovation – richtig verstanden
Die zunehmende Bedeutung der Innovationskommunikation ist Folge eines grundlegend gewandelten Innovationsverständnisses in Wirtschaft und Wissenschaft. Es existiert eine Vielzahl neuer Denkanstöße im Feld der Innovationsforschung, von denen vor allem drei Ansätze einen näheren Blick wert sind (ausführlicher hierzu Zerfaß 2005a, 2005c): Innovationen entstehen heute nicht mehr in der von Schumpeter (1934) geprägten Tradition dadurch, dass Unternehmen möglichst viel exzellentes Know-how intern bündeln, neue Ideen entwickeln und diese dann kontrolliert zur Marktreife bringen. Im Zeitalter der Open Innovation (Chesbrough 2003, 2006) muss vielmehr eine Vielzahl interner und externer Stakeholder systematisch in den Innovationsprozess eingebunden werden. Ob Mitarbeiter, Investoren oder Kunden – Innovationen entstehen über die gezielte Einbeziehung fremden Wissens und verschiedenste Formen kollaborativer Entwicklung (Bullinger 2006, Rademacher 2005: 144). Was im viel zitierten Bereich der Open Source-Software bereits seit Jahren üblich ist, erreicht zunehmend auch andere Branchen. Innovationen werden nicht mehr länger abgeschottet in einzelnen Unternehmen erdacht, sondern in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern wie Zulieferern, Engineering-Büros, Forschungseinrichtungen, Vertriebsfirmen und insbesondere auch Lead-Usern (von Hippel 2005) gemeinsam erdacht, entwickelt und getestet. Dabei werden an die Projektkommunikation spezifische Anforderungen gestellt. Frühzeitige, zielgerichtete Kommunikation über Neuerungen ist eine essenzielle Voraussetzung für das Funktionieren offener Innovationsprozesse. Auf einer übergeordneten, volkswirtschaftlichen Ebene kommen Industrieökonomie und Techniksoziologie zu ganz ähnlichen Einsichten. Die Untersuchung der Innovationsfähigkeit von Nationen und Regionen hat gezeigt, dass neue Ideen, Produkte und Dienstleistungen insbesondere im Kontext von Innovationssystemen bzw. Clustern entstehen. Nationale Innovationssysteme (Porter 1990) sind dabei ebenso bedeutsam wie regionale Cluster (Schiele 2003, Andersson et al. 2004). Erfolgsfaktoren sind hierbei vor allem die räumliche Nähe und das enge Zusammenspiel von Unternehmen mit Zulieferern, Kunden, Konkurrenten, Hochschulen, Forschungsinstituten, Verbänden, politischen Entscheidern und Institutionen der Standortentwicklung. Im Rahmen erfolgreicher Innovationscluster treten neben die kurzen Wege und die enge Kooperation vielfältige öffentliche und bilaterale Kommunikationsbeziehungen. Innovationskommunikation wirkt demnach nicht nur auf der Ebene der unmittelbaren Projektkommunikation innerhalb von Arbeitsteams, sondern etabliert zudem Beziehungen zwischen Innovatoren im Allgemeinen und innerhalb von Innovationsclustern im Besonderen. Eine dritte für die Innovationskommunikation wesentliche Einsicht ist die des finnischen Innovationsforschers Ilkka Tuomi (2002). In seinem wegweisenden Werk Networks of Innovation legt er dar, dass Innovationen immer erst dann entstehen, wenn sich die soziale
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Ansgar Zerfaß/Simone Huck
Praxis ändert. Lange Zeit ging man davon aus, dass eine Innovation immer dann entsteht, wenn ein neues Produkt, eine Dienstleistung oder ein Prozess geschaffen und erfolgreich wirtschaftlich genutzt wird. Diese Sichtweise greift aus sozialtheoretischer Sicht jedoch zu kurz. Denn was Gegenstände und Prozesse bedeuten und wozu sie nützlich sind, entscheiden immer erst die handelnden Akteure, die in ihrer konkreten Praxis darauf zurückgreifen (Giddens 1988). Verschiedene Nutzer und Bezugsgruppen können die gleiche Technologie oder Dienstleistung völlig unterschiedlich anwenden. Zwei klassische Beispiele verdeutlichen, dass ein und dieselbe Erfindung in der sozialen Praxis ganz unterschiedlich genutzt werden kann: Das Telefon spielt aufgrund der unterschiedlichen nationalen Kommunikationskulturen in China, den Vereinigten Staaten, Spanien, Finnland und Bangladesch bis heute eine sehr unterschiedliche Rolle (Tuomi 2002: 11). SMS-Nachrichten auf dem Mobiltelefon sind dagegen ein Beispiel dafür, wie technologische Innovationen von den Anwendern immer wieder neu definiert werden. Dieser Kommunikationsmodus war als Teil des GSM-Standards dafür vorgesehen, Mobilfunknutzer auf eine vorliegende Sprachnachricht hinzuweisen. Inzwischen hat sich daraus insbesondere bei Jugendlichen eine völlig neue, weltweite Kommunikationskultur entwickelt mit erheblichen Auswirkungen auch für die Geschäftsmodelle der Anbieter.
Abbildung 1:
Kommunikation als Katalysator für Innovationsfähigkeit: Das Konzept der Innovation Readiness (Quelle: Zerfaß 2005c: 25)
Innovationskommunikation
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Unternehmen müssen verstehen, dass Innovationen im Sinne neuer, praxisleitender Bedeutungen und Handlungsweisen grundsätzlich erst im Zusammenspiel zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren. entstehen: „Innovation is ... more about creating meanings than it is about creating artefacts“ (Tuomi 2002: 13). Diese Bedeutungsvermittlung im Sinne der Unternehmensziele mitzugestalten ist eine zentrale Aufgabe der Innovationskommunikation. Für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen bedeutet dies (vgl. Abbildung 1): Eine konsequente Stakeholderorientierung und insbesondere eine intensive Kommunikation mit allen Betroffenen ist unverzichtbar, wenn die wertschöpfende Kraft von Innovationen zur Entfaltung gebracht werden soll. Die Kommunikation als Mittel der Handlungskoordination und des Interessenabgleichs erhält damit einen neuen Stellenwert sowohl innerhalb von Unternehmen als auch im Rahmen von Verbundprojekten. Denn viele Beziehungen lassen sich nicht über den (per se sprachfreien) Marktmechanismus, durch Machtbeziehungen oder mithilfe von administrativ-rechtlichen Regeln gestalten. Es kommt vielmehr auf die Bedeutungsvermittlung und Beeinflussung durch Kommunikation an, also durch persönliche Interaktion ebenso wie durch mediale Kommunikation.
3.
Drei Ebenen der Herausforderung
Aus dem in Abbildung 1 skizzierten Konzept der Innovation Readiness lassen sich mehrere Ebenen der Innovationskommunikation ableiten. Kommunikation wirkt in dreifacher Hinsicht als Katalysator und Treiber der Innovationsfähigkeit: Auf der Mikroebene findet Innovationskommunikation im unmittelbaren Kontakt zwischen den Mitgliedern des Unternehmens statt. Am wichtigsten ist in diesem Kontext die Kommunikation der Führungskräfte, die als Multiplikatoren sowohl in die Organisation hinein als auch in ihrem Umfeld wirken können. Wenn dabei neue Produkte, Prozesse und Technologien erklärt und interpretiert werden, so kann von einer innovationsbezogenen Führungskommunikation die Rede sein. In ihrem Rahmen nehmen Führungskräfte auf die Vorstellungen und Einstellungen von Mitarbeitern und Interaktionspartnern zu Neuerungen aller Art Einfluss. Im Sinne einer „Leadership Communication“ (Hackman/Johnson 2004, Witherspoon 1997) reicht dies deutlich über die unmittelbar arbeitsbezogene Ebene hinaus, wenn beispielsweise Mitarbeiter für innovative Problemlösungen begeistert und als Mitstreiter bei der Realisierung von Visionen gewonnen werden. Weil die Führungskommunikation immer in konkrete Handlungskontexte und etablierte Beziehungsmuster eingebettet ist, ist sie ein zentraler Ansatzpunkt für die Durchsetzung von Innovationen.
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Ansgar Zerfaß/Simone Huck
Auf der Mesoebene einzelner Unternehmen dient Innovationskommunikation vor allem der Profilierung im Wettbewerb. Als Teil der institutionalisierten Unternehmenskommunikation umfasst sie die systematisch geplante, durchgeführte und evaluierte Kommunikation von Neuerungen. Ihr Ziel ist es, Verständnis für und Vertrauen in die Innovation zu entwickeln sowie die dahinter stehende Organisation als Innovator zu positionieren (Zerfaß/Sandhu/Huck 2004). Für die so verstandene Innovationskommunikation kommt es in besonderem Maß darauf an, dass sie den gesamten betrieblichen Innovationsprozess begleitet, entsprechend organisatorisch verankert ist und in der Umsetzung alle relevanten Kanäle, Zielgruppen und Kommunikationsdisziplinen integriert. Auf der Makroebene steht die Innovationskommunikation im gesamtgesellschaftlichen Kontext im Fokus der Betrachtung. Die breite öffentliche Kommunikation über Neuerungen spielt für die Wettbewerbsfähigkeit von Nationen und Regionen eine zentrale Rolle. Neben der Beeinflussung des Innovationsklimas in einer Region oder einem Land geht es insbesondere darum, Leitthemen zu bestimmen und zu kommunizieren, Chancen und Risiken neuer Technologien zu diskutieren und wissenschaftliche Erkenntnisse einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Gefragt sind in erster Linie die Massenmedien, vor allem der Journalismus. Für den Journalismus entsteht eine neue Aufgabe, die eine ressortübergreifende Berichterstattung notwendig macht (Mast/Huck/Zerfaß 2006): Die Berichterstattung über Innovationen muss in der Regel technische, wirtschaftliche und soziale Aspekte miteinander verbinden, um der Tragweite und den Implikationen einer Neuerung gerecht werden zu können. Innovationsjournalismus, so fordern Innovationsforscher an der Stanford University, in Schweden und in Finnland, soll als spezifische Form der journalistischen 360 Grad-Berichterstattung unter Einbeziehung ökonomischer, technischer und sozialer Aspekte die gesellschaftliche Innovationskraft fördern (Nordfors 2005). So unterschiedlich Innovationskommunikation auf diesen drei Ebenen auch ausgerichtet ist, im Kern geht es immer um eine möglichst verständliche, nachvollziehbare und differenzierte Vermittlung von Neuerungen. Dabei muss in besonderem Maß Wert darauf gelegt werden, dass die relevanten Stakeholder zielgruppenadäquat angesprochen werden. Denn Innovationen als komplexe Neuerungen, deren Auswirkungen zu Beginn der sozialen Übernahme meist noch nicht vollständig absehbar sind, sind in besonderer Weise erklärungsbedürftig. Zudem sind sie häufig mit Emotionen – übertriebenen Hoffnungen, Ängsten, Skepsis – belastet, so dass bei ihrer Vermittlung besondere Vorsicht geboten ist.
Innovationskommunikation
4.
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Handlungsmöglichkeiten für die Unternehmenskommunikation
Worauf kommt es bei der Vermittlung von Innovationen an? Wie können Neuerungen möglichst einfach und verständlich kommuniziert werden? Gibt es besondere Erfolgsfaktoren, die die Unternehmenskommunikation dabei beachten sollte? Zwei in den Jahren 2006 und 2004 durchgeführte Umfragen unter Kommunikationsfachleuten und Journalisten in Deutschland zeigen,1 wo Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Innovationskommunikation auf der Meso- und Makroebene bestehen (vgl. Abbildung 2 sowie vertiefend Mast/Huck/Zerfaß 2005, 2006): In erster Linie komme es auf die verständliche Darstellung von Innovationen an. Einfache, plastische Beispiele können ebenso wie aussagekräftige Bilder für die Vermittlung komplexer Neuerungen eingesetzt werden. Wenn konkrete Anwendungs- oder Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt werden, kann der Einzelne leichter verstehen, welche Implikationen eine Neuerung hat. Darüber hinaus werden von den Befragten eine unterhaltende und spannende Präsentation von Innovationen und die Personalisierung durch Erfinder oder Anwender als Erfolgsfaktoren genannt.
Abbildung 2:
1
Erfolgsfaktoren bei der Vermittlung von Innovationen (Quelle: Trendumfrage INNOVATE 2004, Mast/Huck/Zerfaß 2005)
Die Trendumfragen INNOVATE 2004 und INNOVATE 2006 wurden von der Universität Hohenheim und der MFG Baden-Württemberg, der Innovationsagentur und dem Kompetenzzentrum des Landes für Informationstechnologie und Medien, durchgeführt. Es beteiligten sich n = 460 bzw. n = 346 Kommunikatoren, darunter Journalisten aller Mediengattungen sowie mehrheitlich Kommunikationsfachleute vor allem aus Unternehmen, Agenturen, Forschungsinstitutionen, Hochschulen sowie Politik und Verwaltung.
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Ansgar Zerfaß/Simone Huck
Innovationen sollten wann immer möglich in Bezug gesetzt werden zu bereits Bekanntem, indem zum Beispiel die Aktualität verdeutlich wird oder auf bestehende Themenframes aufgebaut wird. Im Rahmen des Framing wird Neues bereits eingeführten Themen zugeordnet, so dass beim Leser, Zuhörer oder Zuschauer bereits ein Bezugs- und Deutungsrahmen besteht (Dahinden 2006, Scheufele 2003 und 2007: Abschnitt 3.2). Neues kann so schneller wahrgenommen, eingeordnet und verstanden werden. Dies zeigt das folgende Beispiel.
Beispiel: Framing bei Sony Ericsson Das Mobiltelefon Sony Ericsson W800i ist zugleich ein mobiler MP3-Player – zum Zeitpunkt seiner Markteinführung eine echte Innovation, die potenziellen Kunden erst einmal näher gebracht werden musste. Das Unternehmen löste diese Herausforderung, indem es das Mobiltelefon „Walkman-Handy“ nannte und damit Kunden, Händlern und Fachjournalisten eine klare Vorstellung dessen vermittelte, was das W800i in Sachen Musik zu bieten hatte. Die technischen Dimensionen der neuen Technologie traten darüber vollständig in den Hintergrund. Die Kommunikation wurde allein durch den für die Bezugsgruppen spürbaren Nutzen bestimmt (Mast/Huck/Zerfaß 2006: 110 ff.).
Betrachtet man die unterschiedlichen Ausprägungen der Antworten von Kommunikationsfachleuten und Journalisten in den empirischen Umfragen, so lassen sich hieraus konkrete Hinweise für die Unternehmenskommunikation ebenso wie für das Spezialfeld der Pressearbeit ableiten. Mit Blick auf die Medien kommt es darauf an, Journalisten lediglich solche Neuerungen als Innovationen anzubieten, bei denen es sich auch tatsächlich um Innovationen handelt. Der Begriff der Innovation ist mittlerweile so überstrapaziert, dass er in Redaktionen kaum noch für Interesse sorgt. Pressefachleute in Unternehmen können als interne Gatekeeper wirken, indem sie jede Innovationsmeldung, die im Unternehmen an sie herangetragen wird, einer ersten Prüfung unterziehen. Handelt es sich wirklich um eine Innovation? Wo könnte der Nutzen dieser Innovation für einzelne Stakeholder liegen? Mit welcher Botschaft kann es gelingen, die Innovation in die Medien zu tragen? Entspricht zum Beispiel ein neues Produkt nicht den Erwartungen von Fachpresse und Kunden an eine Innovation, so sollte es auch nicht als solche weitervermittelt, sondern auf andere Weise kommuniziert werden. Hat eine Innovation jedoch diesen ersten Prüfprozess erfolgreich durchlaufen, so haben sich PRFachleute mit Fragen der Aufbereitung zu beschäftigen. Neben der Anforderung, einfache, plastische Beispiele (idealerweise gekoppelt mit Bildmaterial) zu finden, kommt es vor allem darauf an, bei meinungsbildenden Journalisten das Interesse am Thema zu wecken. Was in Abbildung 2 im Stichwort des Geschichtenerzählens anklingt, hat sich in unterschiedlichen Untersuchungen als zentraler Erfolgsfaktor der Innovationskommunikation erwiesen (Mast/Huck/Zerfaß 2006, 2005). Storytelling (Frenzel/Sottong/Müller 2006, Thier 2005) kann aus einer zunächst einmal abstrakten, komplexen Innovation eine ansprechende Geschichte werden lassen, die die Stakeholder des Unternehmens ebenso wie journalistische Adressaten gerne lesen, hören oder sehen. In ihrem Rahmen können all die oben genannten Ansatzpunkte
Innovationskommunikation
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einer Innovationskommunikation wie zum Beispiel die Personalisierung oder die Arbeit mit konkreten Anwendungsszenarien zum Einsatz kommen.
Beispiel: Storytelling bei Apple Auch wenn sich die Geister letztlich daran scheiden, ob Apple-Produkte echte Innovationen sind, so gelingt es dem Unternehmen immer wieder, sich durch eine beispielhafte Kommunikation als Trendsetter zu positionieren. Vom Design angefangen über die auf Geheimhaltung und pompösen Produktvorstellungen basierende Marketingstrategie bis hin zur aktiven Fan-Community im Internet ergibt sich das Kaleidoskop eines innovativen Unternehmens. Wesentlichen Anteil an dieser Markenbildung haben dabei die Stories, die sich um Firmengründer Steve Jobs, sein Unternehmen und seine Produkte ranken (Mast/ Huck/Zerfaß 2006: 63 ff.).
Betrachtet man die institutionelle Innovationskommunikation aus strategischer Warte, so lassen sich aus der im Jahr 2006 durchgeführten Studie zur Innovationskommunikation weitere Erkenntnisse ableiten (Mast/Huck/Zerfaß 2006). Innovationskommunikation setzt bei der internen Kommunikation an. Führungskräfte sollten so früh wie möglich über Hintergründe und Interpretationsrahmen informiert und Mitarbeiter bereits während der Entwicklungsphase eingebunden werden. Vergleichsweise früh sollten nach Ansicht der Befragten auch Journalisten und Kunden angesprochen werden, so dass sich noch vor der Markteinführung einer Neuerung ein internes und externes Kommunikationsnetz ausbildet. Das heißt jedoch nicht, dass Innovationskommunikation zu einem beliebigen Zeitpunkt erfolgt oder gar unverzichtbare Geheimhaltungsbedürfnisse missachtet. Eine erfolgreiche Unternehmenskommunikation wartet mit der Vermittlung einer Innovation ab, bis die Zeit reif ist. Intelligent geplante Kommunikationskampagnen (Röttger 2007) können einen dramaturgischen Spannungsbogen aufbauen, so dass das Feld bereitet ist, wenn schließlich das Produkt, die Dienstleistung oder die neue Technologie verfügbar ist. Immer kommt es jedoch darauf an, die Innovation mit den Augen der Zielgruppe zu sehen und vor dem Kenntnis- und Bedürfnisstand der jeweiligen Stakeholder zu vermitteln.
5.
Führungskräfte und Innovationsvermittlung
Führungskräften kommt im Rahmen des Innovationsmanagements eine wichtige Rolle zu (Zerfaß/Huck 2007): Sie steuern Innovationsprozesse in ihrem Bereich oder ihrer Abteilung,
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Ansgar Zerfaß/Simone Huck
koordinieren Arbeitsabläufe und motivieren Mitarbeiter. Zugleich sind sie sowohl intern wie auch im externen Umfeld wichtige Botschafter für zentrale Informationen der Unternehmensleitung und der Unternehmenskommunikation. Aus diesem Grund greifen jene Managementkonzepte und betriebswirtschaftlichen Forschungsansätze zu kurz, die Führungskräfte im Innovationsprozess primär als Koordinatoren von Abläufen und Manager des gezielten Wandels sehen. Sie übernehmen vielmehr auch eine zentrale Verantwortung dafür, wie Innovationen wahrgenommen und kommunikativ in den Köpfen der Menschen verankert werden. Theoretisch fassen lässt sich dies mit dem aus dem Innovationsmanagement bekannten Konzept der Promotoren. Studien zeigen seit Anfang der 1970er Jahre, dass sich Barrieren gegen Innovationen sich am besten durch den persönlichen Einsatz von Promotoren (Schlüsselpersonen) überwinden lassen (Witte 1973). Als Fach-, Macht-, Prozess- oder BeziehungsPromotoren übernehmen Führungskräfte zentrale Positionen, wenn sie über ihr fachliches Knowhow, ihre hierarchische Position oder über ihr Kontaktnetzwerk Innovationsprozesse steuern und vorantreiben (Hauschildt 2004: 199 ff.). Mit Blick auf die oben erwähnte, vorrangig intersubjektive Konstruktion von Innovationen lässt sich dieses Konzept um die Rolle der Kommunikations-Promotoren erweitern (Zerfaß 2005b, Zerfaß/Huck 2007). Kommunikations-Promotoren verfügen über die persönliche und mediale Vermittlungskompetenz, um die häufig auftretenden Barrieren des Nicht-Verstehens zu überwinden. Sie kennen die Spielregeln der Bedeutungsvermittlung und Beeinflussung und fokussieren auf die Vorstellungsbilder, die sich mit neuen Ideen, Produkten, Prozessen, Technologien und Geschäftsmodellen verbinden. In der Praxis bedeutet dies für jede einzelne Führungskraft, dass die für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens wichtigen Innovationen täglich von ihren technokratischen und ökonomischen Hüllen befreit und mit lebendigen, zukunftsweisenden Visionen verbunden werden müssen. Unterstützung und Begeisterung sollten im Rahmen von Innovationsprozessen nach innen und außen getragen werden. Neuere Führungsansätze sprechen deshalb von moderner Führung als Management of Meaning (Bennis/Nanus 1985). Diese Grundidee des Leadership (Yukl 2006, Daft 1999) setzt auf die Begeisterung der Mitarbeiter, die zu aktiven und engagierten Teilhabern an Innovationsprozessen ebenso wie an Change-Maßnahmen werden. Führung löst sich von der Fokussierung auf Planung, Steuerung und Kontrolle und entwickelt sich stärker zu einem prozessorientierten Beziehungsmanagement, in dem Kommunikation eine wichtige Rolle spielt (Hackman/Johnson 2004, Witherspoon 1997). Die Führungskraft muss zum Impressionisten und Erzähler werden (Deekeling 2004). Es geht darum, die Perspektiven neuer Ideen, Produkte und Prozesse in die Lebenswelt der Betroffenen zu übersetzen und die Bilder in den Köpfen der Menschen aktiv mitzugestalten. Innovation, so der bekannte amerikanische Erfinder Dean Kamen in einem Vortrag an der Harvard Business School, „hat mehr zu tun mit der Veränderung der Menschen und ihrer Wahrnehmungen, ihrer Einstellungen und ihrer Bereitschaft, den Wandel zu akzeptieren, als mit den Gesetzen der Physik und den Ingenieurskünsten“. Gezielte Investitionen in eine strategisch verankerte und handwerklich solide umgesetzte Innovationskommunikation lohnen sich deshalb – auch angesichts der z. B. im Verhältnis zu den Forschungs- und Entwicklungsetats sehr günstigen Kostenstrukturen – für jedes Unternehmen.
Innovationskommunikation
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Corporate Citizenship: Herausforderung für die Unternehmenskommunikation
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Corporate Citizenship: Herausforderung für die Unternehmenskommunikation Andreas Georg Scherer/Dorothée Baumann
„Corporate Citizenship“ ist in den vergangenen Jahren zum Schlagwort für unternehmerische Verantwortung avanciert. Der vorliegende Beitrag zeigt die Herausforderungen auf, die sich im Zuge eines Engagements als Corporate Citizen an die Unternehmung stellen. Die Art und Weise der Unternehmenskommunikation spielt bei der Umsetzung von Corporate Citizenship eine wesentliche Rolle. Besonders geeignet erscheint das Kommunikationsinstrument des Unternehmensdialogs. Dies wird anhand einer Fallstudie des Sportartikelherstellers Nike verdeutlicht, an der sich zeigen lässt, welche Formen der Unternehmenskommunikation auf dem Weg zur Legitimierung unternehmerischen Handelns ergriffen werden.
1.
Corporate Citizenship: Begründung, Begriffsverständnis und Handlungsmöglichkeiten
„Corporate Citizenship” hat in den vergangenen Jahren nicht nur in der Unternehmenspraxis (Behrent/Wieland 2003), sondern auch in der Wissenschaft (Matten/Crane 2005, Weiß 2002) einen Boom erfahren. Inzwischen definieren sich viele Unternehmen gegenüber der Öffentlichkeit als „Corporate Citizen“, starten entsprechende Projekte und verfassen Deklarationen und Berichte, in denen sie ihr gesellschaftliches Engagement unterstreichen oder sich gar als verantwortungsvolle Bürger in der Weltgesellschaft darstellen (z. B. World Economic Forum 2002). In der Praxis werden allerdings die Begriffe „Corporate Responsibility“,„Corporate Social Responsibility”, „Corporate Sustainability”, „Corporate Responsiveness” und „Corporate Citizenship“ nicht selten vermengt oder synonym verwendet. Auch im wissenschaftlichen Schrifttum lässt sich gelegentlich eine Gleichsetzung von „Corporate Social Responsibility“ und „Corporate Citizenship“ beobachten (Carroll 1998). Verschiedene Autoren haben daher versucht, die Begriffe abzugrenzen (Matten/Crane 2005, Waddock 2004). M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_50, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Andreas Georg Scherer/Dorothée Baumann
Den genannten Konzepten ist zunächst einmal gemeinsam, dass es dabei um Verhaltensweisen von Unternehmen geht, die sich nicht ausschließlich an kurzfristigen Gewinninteressen orientieren, sondern vielmehr für ein besonderes soziales oder ökologisches Engagement stehen, das über die bloße Einhaltung der geltenden Gesetze hinausgeht. Dabei legen die Unternehmen ihrem Verhalten bestimmte ethische Werthaltungen zugrunde, die nicht selten in Form von Unternehmenskodizes („Codes of Conduct“) und Standards gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert werden. Diese Gesichtspunkte bringt auch die Definition von „Corporate Social Responsibility“ des UN Economic and Social Council zum Ausdruck:
Definition: Corporate Social Responsibility „Corporate social responsibility is a widely used concept to describe specific decision-making policies of the business community that are: linked to ethical values; in fully compliance with existing legal requirements; and show respect for people and the priorities of local communities, including environmental protecting. This social responsibility, combined with corporate responsibility to a wide range of stakeholders, notably consumers, employees and their representatives, investors and shareholders, is assessed in terms of meeting a growing range of standards.” (UN Economic and Social Council 2002, zit. nach Wieland 2003: 17)
Was macht nun aber das Spezifische am „Corporate Citizenship“ aus? – Der Begriff der „Corporate Citizenship“ lehnt sich an die durch Rechte und Pflichten beschriebene Rolle des Bürgers in einer freien Gesellschaft an und soll dabei nicht nur an die Freiheiten des Bürgers, sondern auch an die Verantwortung für die und Solidarität mit der Gemeinschaft erinnern. Mit der Übertragung des Bürgerbegriffs auf korporative Akteure soll die soziale Verantwortung der Unternehmen für die lokale Gemeinschaft betont werden. Unternehmen seien demzufolge als „legal entities with rights and duties, in effect, ‚citizens’ of states in which they operate“ zu verstehen (Marsden 2000: 11). Die Begründung der sozialen Verantwortung der Unternehmung fußt also nicht wie bei der „Corporate Social Responsibility“ auf bestimmten ethischen Werthaltungen der Unternehmung (oder eines Unternehmers), sondern auf der spezifischen Rolle des Bürgers in seiner Gemeinschaft. Die aktuelle Diskussion geht daher der Frage nach, wie sich die Bürgerrolle näher umreißen und ob sie sich auf Unternehmen übertragen lässt. Die Managementforschung knüpft dabei an die Politikwissenschaft und die dort entwickelten alternativen politischen Philosophien an (Moon/Crane/Matten 2005, Scherer/Palazzo/Baumann 2006). Dabei zeigt sich, dass die Übertragung des Bürgerbegriffs auf Unternehmen nur dann Sinn macht, wenn ein republikanisches Politikverständnis des Bürgers zugrunde gelegt wird, das eine Doppelrolle des Bürgers markiert: Als Privatbürger („bourgeois“) geht er seinen eigenen individuellen Interessen nach, während er als Staatsbürger („citoyen“) diese transzendiert und seine Aktivitäten auf das Wohl der Gemeinschaft ausrichtet. Es ist offensichtlich, dass in dieser Doppelrolle das Konfliktverhältnis zwischen privatem und öffentlichem Interesse zum Ausdruck kommt, das natürlich auch bei einer Übertragung des Bürgerbegriffs auf die Unternehmung erhalten bleibt.
Corporate Citizenship: Herausforderung für die Unternehmenskommunikation
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Die Unternehmensführung und mit ihr die Unternehmenskommunikation steht vor der Herausforderung, dieses Konfliktverhältnis zu lösen und einen Ausgleich zwischen dem (privaten) Gewinninteresse der Unternehmung und dem öffentlichen Interesse zu finden (Steinmann/Zerfaß 1993). Die Entwicklung eines Unternehmens zum „Corporate Citizen“ – zum Unternehmen also, das Verantwortung für gesellschaftliche Belange trägt, – setzt eine Veränderung der Unternehmenskommunikation mit den verschiedenen Stakeholdern voraus. Diese Veränderung im Modus der Kommunikation lässt sich – wie wir später sehen werden – an der Verhaltensänderung von Nike nachzeichnen. Die Ableitung des Begriffs der „Corporate Citizenship“ (CC) aus dem Bürgerbegriff entspricht einer Begriffsverwendung, wie sie in Theorie und Praxis häufig anzutreffen ist (Marsden 2000, Seitz 2002). Ein solches Verständnis von Corporate Citizenship setzt allerdings voraus, dass der Adressat der sozialen Verantwortung die jeweilige soziale Gemeinschaft genau umschrieben ist. Der „Citoyen“ steht in Verantwortung zu „seiner“ sozialen Gemeinschaft, der jeweiligen Bürgerschaft. Wie verhält es sich aber bei multinationalen Unternehmen, die gleichsam der Weltgesellschaft gegenüberstehen? Wir können hierzu die umfangreiche Diskussion um Weltbürgertum und Weltgemeinschaft nicht aufgreifen (Höffe 2004), sondern beleuchten einen Vorschlag, der uns in diesem Zusammenhang aussichtsreich erscheint. Auch Matten und Crane knüpfen die Verantwortung der Unternehmen systematisch an den „Citizenship”-Begriff (Matten/Crane 2005). Unter „Corporate Citizenship“ verstehen Matten und Crane „the role of the corporation in administering citizenship rights for individuals“ (Matten/Crane 2005: 173). Damit tragen sie der Beobachtung Rechnung, dass im Zeitalter der Globalisierung Unternehmen immer häufiger die Funktion des Schutzes, der Ermöglichung und der Verwirklichung von Bürgerrechten übernehmen (Matten/Crane 2005: 172). Dies gilt insbesondere dort, wo (1) der Staat sich zurückzieht oder zurückziehen muss, wo (2) der Staat noch nicht die Verwirklichung von Rechten übernommen hat oder wo (3) er prinzipiell nicht in der Lage dazu ist. Dieser neue Ansatz von CC, den Matten und Crane als „Extended View“ bezeichnen, beschreibt drei Ebenen von Bürgerrechten (Marshall 1964: 72). Die bürgerlichen Freiheitsrechte, zu denen nicht nur das Recht auf Eigentum und Vertragsfreiheit gehören, sondern beispielsweise auch die Meinungsäußerungsfreiheit, sollen die Freiheit der Bürger vor dem Einfluss des Staates und vor dem unberechtigten Eingriff dritter Parteien schützen. Die sozialen Rechte, wie etwa das Recht auf Bildung oder medizinische Versorgung, geben dem Bürger die Möglichkeit, an der Gesellschaft teilzunehmen. Die politischen Rechte der Bürger schließlich sollen gewährleisten, dass der Bürger am Prozess der kollektiven Meinungs- und Willensbildung innerhalb einer Gesellschaft teilnehmen kann. Im demokratischen Verfassungsstaat garantiert der Staat die Gewährung und Einhaltung dieser Rechte. Nun haben wir es in der globalisierten Welt mit einer Situation zu tun, in der viele Staaten an dieser Aufgabe versagen (Fukuyama 2004). An Ihre Stelle treten, so scheint es, immer häufiger Unternehmen durch ihre CC-Initiativen. Betrachtet man die Entwicklung von Nike, kann man sehen, dass Corporate Citizenship im Sinne von Matten und Crane keine Utopie, sondern in der Praxis umsetzbar ist. Die Art und Weise wie Nike seine gesellschaftliche Verantwortung gegenüber Stakeholdern kommuniziert, unterstreicht diese Entwicklung.
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Wie wir sehen, ist die Diskussion um die Bedeutung von Corporate Citizenship noch lange nicht abgeschlossen. Vorläufig empfiehlt es sich, die Definition des UN Economic and Social Council zugrunde zu legen, die viele der eben diskutierten Gesichtspunkte umfasst.
Definition: Corporate Citizenship „Corporate citizenship entails a similar approach, and is often used interchangeably with corporate social responsibility, although, it is potentially wider in scope, implying an active role for private sector entities as „citizens”, having both rights and responsibilities. In addition to adopting the business policies and practices of corporate social responsibility, corporate citizenship is geared, in particular, to maximizing private sectors contributions to social development without undermining business practices. The concept of corporate citizenship goes beyond focusing on compliance, responding to external scrutiny or simply minimizing negative impacts, thereby engaging the private sector in a more proactive way to actively search out and pursue ways to promote social development.” (UN Economic and Social Council 2002, zit. nach Wieland 2003: 17)
2.
Fallstudie: Der lange Weg zur Corporate Citizenship beim Sportartikelhersteller Nike
Am 13. April 2005 veröffentlichte der amerikanische Sportartikelhersteller Nike seinen zweiten Corporate Responsibility Report.1 Obwohl inzwischen viele multinationale Unternehmen über ihr Engagement im Umwelt- und Sozialbereich regelmäßig berichten, war die Medienaufmerksamkeit zu diesem Anlass groß. Dies kann auf zwei Gründe zurückgeführt werden. Zunächst hatte Nike mit seinem ersten Corporate Responsibility Report aus dem Jahre 1998 ein Fiasko erlebt. Der Arbeitsrechtsaktivist Marc Kasky hatte Nike in den USA verklagt und behauptet, die Firma Nike würde in ihrem Bericht Angaben über die Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten machen, die der Wirklichkeit in den Fabriken in China und Vietnam nicht annähernd entsprächen. Der Fall gelangte bis vor den US Supreme Court, wo Kasky und Nike sich nach einem fünfjährigen Prozess einigten, den Rechtsstreit beizulegen. Das Unternehmen verpflichtete sich zu einer Zahlung von 1,5 Mio. US-Dollar an die Fair Labor Association, die sich für den Schutz internationaler Arbeitsrechte einsetzt. Die mit dem Rechtsstreit verbundenen Kosten und Imageverluste hatten dazu geführt, dass die Firma Nike in den vergangenen drei Jahren keinen Bericht über ihr Engagement im Umwelt-
1
Der Bericht ist erhältlich unter: http://www.nike.com/nikebiz/nikebiz.jhtml;bsessionid= 2S11FXW3K2LH4CQCGIRSF4YKAIZEOIZB?page=29&item=fy04
Corporate Citizenship: Herausforderung für die Unternehmenskommunikation
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und Sozialbereich erstellt hatte. Umso größer war nun die Spannung im Vorfeld des zweiten Berichts. Ein weiterer Grund für die große Medienresonanz war die Ankündigung des aktuellen NikeReports, eine vollständige Liste der Hersteller bzw. Zulieferer im Internet zu veröffentlichen. Damit kommt Nike den langjährigen Forderungen von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen nach und gewährt als bislang einziger Sportartikelhersteller ein solches Maß an Transparenz. Erklärtes Ziel des Unternehmens ist es, damit die Arbeitsbedingungen in der gesamten Sportartikelindustrie zu verbessern.2 Diese Ereignisse zeigen, dass die Unternehmenskommunikation bei der Umsetzung unternehmerischer Verantwortung eine entscheidende Rolle spielt. Im Folgenden sollen die Erfahrungen von Nike die Herausforderungen an multinationale Unternehmen illustrieren, die sich beim Bemühen um Corporate Citizenship stellen.3
2.1
Ausgangssituation
Nike lehnte eine Kommunikation mit kritischen Stakeholdern zunächst gänzlich ab. Anfang der 1990er Jahre geriet Nike mehrfach in die Kritik, in den Produktionsstätten in Drittweltländern Menschen- und Arbeitsrechte zu missachten. Während das Geschäftsmodell der Firma Nike – globales Outsourcing – sich nicht von dem anderer Sportartikelhersteller unterschied, wurde Nike aufgrund seines überaus positiven Markenimages von Studentengruppierungen in den USA und anderen internationalen Arbeitsrechtsgruppierungen wirkungsvoll ins Rampenlicht gerückt. In Kampagnen an Hochschulen, vor Nike-Geschäften und im Internet forderten diese Gruppen, dass das Unternehmen sich der mangelhaften Zustände in seinen Zulieferbetrieben annehme und die Umsetzung internationaler Umweltund Sozialstandards sicherstelle. Nikes erste Reaktion bestand darin, die Vorwürfe abzustreiten und eine Verantwortung für die beklagten Zustände in der Zulieferkette abzulehnen. Dies befriedigte die aufgebrachten Stakeholder nicht und führte zu weiteren Attacken auf das Unternehmen. Zadek (2004: 125), der das Kommunikationsverhalten von vielen multinationalen Unternehmen analysiert hat, beschreibt eine solche defensive Reaktion als typisch für multinationale Unternehmen (MNUs), die zum ersten Mal Ziel einer kritischen Kampagne werden.
2 3
Vgl. http://www.nike.com/nikebiz/nikebiz.jhtml;bsessionid= 2S11FXW3K2LH4CQCGIRSF4YKAIZEOIZB?page=29&item=fy04 Die folgende Darstellung basiert vorwiegend auf den Nike-Fallstudien von Scherer 2003 und Zadek 2004.
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2.2
Andreas Georg Scherer/Dorothée Baumann
Entwicklungsstufen zur Corporate Responsibility
Auf der Grundlage eines Modells des Organisationalen Lernens identifiziert Zadek (2004) neben dieser ersten Defensive Stage weitere vier Entwicklungsstufen, die MNUs typischerweise durchlaufen, wenn sie aufgrund eines Krisenfalles veranlasst werden, sich im Bereich der Corporate Responsibility engagieren zu müssen. Als zweite Stufe einer solchen Entwicklung nennt Zadek die Compliance Stage, in der sich das Unternehmen aufgrund der fehlgeschlagenen Verantwortungsablehnung der ersten Phase nun bereit erklärt, problematische Geschäftspraktiken zu unterlassen, indem es einen Code of Conduct entwirft, der die Verhaltensstandards und den Verantwortungsbereich des Unternehmens klar abgesteckt. Ein solcher Code of Conduct umfasst in der Regel international anerkannte Umwelt- und Sozialstandards und bezieht sich auf die Einhaltung der lokalen Gesetze. Darüber hinaus jedoch, trotz defizitärer Gesetzeslage und fehlendem staatlichen Engagements in vielen Drittweltländern, wird keine Verantwortung übernommen. Kritikergruppen sehen den Aufgabenbereich eines Unternehmens an diesem Punkt jedoch noch lange nicht erschöpft. In einer dritten Phase realisiert das Unternehmen zumeist selbst, dass die kritisch beäugte Umsetzung seines Code of Conduct nur möglich ist, wenn sämtliche Organisationsprozesse an dieses neue Unternehmensziel angepasst werden. Während der Managerial Stage gilt es, Organisationsstrukturen und -prozesse umzugestalten und Anreize neu zu definieren, um langfristig die Einhaltung der Standards garantieren zu können. In diesem Implementierungsprozess erkennt das Unternehmen in der Regel auch, dass im Bemühen um Compliance nicht nur kostenträchtige Anstrengungen, sondern auch ökonomische Chancen stecken. Corporate Responsibility (CR) wird als eigenständiger Unternehmenswert entdeckt, der beispielsweise dazu beiträgt, Innovationen zu fördern oder das Unternehmen vor Stakeholdern in ein gutes Licht zu rücken. Für die Erreichung langfristiger Ziele wird CR als notwendig eingeschätzt und man hofft, sich als „First Mover“ von Wettbewerbern zu differenzieren und besonders hohe Imagegewinne einzufahren. Gesellschaftliche Belange werden folglich in das Zentrum der Unternehmensstrategie gestellt. Dieser Strategic Stage kann in einem letzten Schritt nach Zadek die Civil Stage folgen. Die Unternehmen realisieren, dass gesellschaftliche Probleme nicht im Alleingang bewältigt werden können. Zur Erreichung ihrer Ziele und zur Überwindung systemischer Probleme bedarf es folglich der Kooperation der Wettbewerber in einer Branche. Im CR-Bereich führende Unternehmen versuchen deshalb, ihre Konkurrenten in CR-Initiativen einzubinden, um auf diesem Wege die Standards der gesamten Branche zu heben. Zugleich werden damit für die Unternehmen gleiche Spielregeln im Wettbewerb geschaffen.
Corporate Citizenship: Herausforderung für die Unternehmenskommunikation
2.3
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Die Lernkurve bei Nike
Die von Zadek idealtypisch und im Modell quasi linear verlaufende Entwicklung zur Corporate Citizenship kann sicherlich nicht immer direkt auf die Praxis übertragen werden. Organisationale Lernprozesse sind komplex und verlaufen idiosynkratisch. Doch die Grundcharakteristika der fünf Entwicklungsphasen spiegeln sich auch im Fall Nike wider. Der enorme gesellschaftliche Druck, der auf das Unternehmen aufgrund seiner Größe und seines Images über die Jahre hinweg ausgeübt wurde, hat Nike veranlasst, sich kontinuierlich mit CR-Themen auseinander zu setzen und sich im Spannungsfeld zwischen Gewinnorientierung und sozialer Verantwortung immer wieder neu zu positionieren. Um aufzuzeigen, dass das Lernmodell von Zadek praktische Relevanz hat, wird im Folgenden die Lernkurve von Nike skizziert, wobei Augenmerk auf die Rolle der Unternehmenskommunikation gelegt wird. Als Nike Anfang der 1990er Jahre aufgrund kritischer Zustände in einigen der Zulieferbetriebe an den Pranger gestellt wurde, reagierte das Unternehmen zunächst ablehnend und wies darauf hin, dass es sich bei den Lieferanten um rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Betriebe handelt: „We don’t pay anybody at the factories and we don’t set policy within the factories, it is their business to run“ (Katz 1994). Zudem verwies Nike auf andere Sportartikelunternehmen, die nach dem gleichen Geschäftsmodell und teilweise in den gleichen Fabriken ihre Produkte fertigen ließen. Man realisierte jedoch bald, dass diese Schuldabweisungen die Kritiker nicht beruhigen konnten und Zugeständnisse unumgänglich waren, wollte man das Markenimage nicht weiter gefährden. Folglich willigte Nike im Jahr 1992 ein, einen Code of Conduct zu entwerfen (Scherer 2003: 20). Nike beugte sich schließlich auch der Forderung, externe Audits zuzulassen, um die Umsetzung des Codes von unabhängiger Seite zu überprüfen. Daraufhin wurden Firmen und Individuen engagiert, die die externen Audits durchführen sollten. Diese Akteure jedoch hatten weder Erfahrung mit Audits, noch genossen sie Glaubwürdigkeit bei den Human-Rights-Aktivisten und LabourRights-NGOs, was zur Folge hatte, dass die Ergebnisse der Audits angezweifelt, und Nike mangelnde Ernsthaftigkeit unterstellt wurde (Zadek 2004: 128). Aufgrund des anhaltenden Drucks konnte Nike jedoch nicht abwarten, bis professionellere Auditoren rekrutiert wurden. Deshalb gründete das Unternehmen im Jahr 1996 eine Abteilung, die dafür zuständig war, die Einhaltung von Arbeitsstandards in den Zulieferstätten zu kontrollieren. 1998 folgte die Gründung des Corporate Responsibility Departments (Zadek 2004: 129). Zudem wurde im Jahr 1998 der Code of Conduct erneut grundlegend überarbeitet (Scherer 2003: 21). Diese Entwicklungen zeigen, dass von da an CR bei Nike nicht mehr als bloße Compliance begriffen wurde und die CR-Themen nun eingebettet in einem institionalisierten Rahmen behandelt werden sollten. Im Jahr 2000 beschäftigte Nike bereits mehr als 80 Mitarbeiter in seinem Corporate Responsibility Department. Zusätzlich wurden professionelle Firmen damit beauftragt, die ca. 900 Zulieferunternehmen zu überprüfen. Trotz dieser Maßnahmen riss die negative Berichterstattung über mangelhafte Zustände in Nike-Produktionsstätten nicht ab.
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Zunehmend frustriert über den geringen Erfolg des eigenen CR-Programmes, gab schließlich der CEO von Nike, Philip Knight, eine Studie in Auftrag, die die Wurzeln der Probleme erörtern sollte. Das Untersuchungsteam, bestehend aus Nike-Senior-Managern und externen Experten, stellte nach sechsmonatiger Untersuchung fest, dass weniger die Qualität des CRProgrammes von Nike für die anhaltende „non-compliance“ vieler Zulieferbetriebe ursächlich war, sondern vielmehr die Organisationsstruktur Anreizprobleme und Fehlsteuerungen hervorrief. So stützte sich bei Nike die Entlohnung der Einkäufer auf die Faktoren Preis, Qualität und Lieferzeit. Bei diesen Kriterien jedoch hatten die Einkäufer keinen Anreiz, die Nike Code-Standards zu beachten. Das System führte vielmehr dazu, dass Zulieferer von Einkäufern aktiv dazu auffordert wurden, die Standards zu unterlaufen, um Produktionsziele zu erfüllen (Zadek 2004). Die Koordination der verschiedenen Managementfunktionen machte folglich komplizierte und mitunter auch profitbeschränkende Umgestaltungen notwendig. Um dennoch im Wettbewerb zu bestehen, galt es nun, sowohl Zulieferer als auch Konkurrenzunternehmen in diese Anstrengungen einzubeziehen. An diesem Punkt in der Entwicklung der Firma Nike kann die Wende zur Civil Stage ausgemacht werden, die im Hinblick auf die Art und Weise der Unternehmenskommunikation von Bedeutung ist. Denn während die bisherigen Bemühungen vor allem unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne die relevanten Stakeholder unternommen wurden, öffnete sich Nike nun und machte die Prozesse transparent, um Kooperationen und weiteren Wissensaufbau für das Management von CR-Problemen zu ermöglichen. Nike begann, dauerhafte Beziehungen mit Internationalen Organisationen und NGOs aufzubauen, die das CR-Feld gestalteten. Das Unternehmen ist seit 2000 aktives Mitglied des UN Global Compacts, einer Initiative zur Förderung von Corporate Citizenship. Die Mitglieder des Global Compact verpflichten sich zu zehn Prinzipien, die sich auf die Unterstützung der Menschen-, Arbeits- und Umweltrechte sowie auf die Bekämpfung der Korruption erstrecken (www.unglobalcompact.org). Nike war auch Gründungsmitglied der Global Alliance for Workers and Communities, einem Zusammenschluss von privaten, öffentlichen und Non-Profit-Organisationen, die gemeinsam Arbeitsbedingungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche in Entwicklungsländern verbessern wollen (www.theglobalalliance.org). Zudem ist Nike Mitglied der Fair Labor Association (FLA, ehemalige Apparel Industry Partnership). Diese 1996 von US-Präsident Clinton gegründete Multi-Stakeholder-Initiative koordiniert unabhängige externe Audits für die Zulieferstätten der Mitgliedsunternehmen und verifiziert die Einhaltung des „FLA Code of Conducts“, der auf den ILO-Standards basiert, d.h. den Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation (www.ilo.org). Die Audit-Ergebnisse werden auf der Website der FLA veröffentlicht. Durch diese Transparenz wird Glaubwürdigkeit für die Ernsthaftigkeit der Anstrengungen der Unternehmen geschaffen. Über die FLA ist Nike auch gemeinsam mit anderen Mitgliedsunternehmen aus der Branche an Projekten beteiligt, die darauf abzielen, die Standards in der gesamten Textilbranche zu verbessern (www.fairlabor.org). Trotz weiterhin anhaltender Kritik hat Nike aufgrund der Mitgliedschaft in diesen Initiativen die Möglichkeit, Konflikte mit Stakeholdern auf andere Weise als bisher zu lösen. Als
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Mitglied dieses Beziehungsgeflechts kann Nike in den oben beschriebenen Foren seine Unternehmenspolitik darstellen und rechtfertigen. Welche Instrumente der Unternehmenskommunikation sich hierfür als geeignet erwiesen haben, wird im folgenden Abschnitt beschrieben.
3.
Konsequenzen für die Unternehmenskommunikation von Nike
Dieser stufenweise Lernprozess macht deutlich, dass Unternehmen heute zur Rechtfertigung ihres Handelns gezwungen sind, wenn sie keinen Imageschaden durch negative Schlagzeilen erleiden wollen. Ein solcher kann – wenn überhaupt – nur sehr kostenintensiv wieder behoben werden.4 In allen Entwicklungsphasen spielt deshalb das Instrument der Unternehmenskommunikation eine entscheidende Rolle, denn die Rechtmäßigkeit (Legalität) des unternehmerischen Handelns ist grundsätzlich nicht mehr ausreichend. An deren Stelle rückt die gesellschaftliche Legitimation in den Mittelpunkt des Interesses (Hansen et al. 1996: 309, Scherer 2003: 417 ff., Palazzo/Scherer 2006). Dies gilt umso mehr, als multinationale Unternehmen häufig in Ländern mit defizitärer Rechtsordnung und unzureichenden staatlichen Institutionen agieren. Das Handeln einer Organisation wird nämlich erst dann als legitim betrachtet, wenn sie sozial akzeptierte Ziele in einer sozial akzeptierten Art und Weise verfolgt (Palazzo/Scherer 2006). Eine angemessene Unternehmenskommunikation zur Rechtfertigung unternehmerischer Entscheide ist folglich zur langfristigen Sicherstellung von Akzeptanz und Legitimität unabdingbar. Entscheidend für die Schaffung von Legitimität ist jedoch in erster Linie die Art und Weise der Unternehmenskommunikation. Wie sich im Fall der Firma Nike gezeigt hat, blieben deren erste Versuche, ihre Unternehmenspolitik öffentlich zu rechtfertigen, erfolglos. Hierfür können folgende Gründe aufgeführt werden: Die ersten Anschuldigungen der Kritikergruppen trafen Nike unvorbereitet. Nike war über die Zustände in den Zulieferfirmen nur unzureichend informiert und konnte gegenüber den vorgebrachten Vorwürfen schlecht kontern. Zudem war Nike auch im Umgang mit NGOs unerfahren. Die Forderungen der Kritikergruppen – Unternehmen sollen sich für mangelhafte Zustände im Umwelt- und Sozialbereich verantwortlich zeigen – stellte Nike vor neue Herausforderungen, sollte das Unternehmen doch plötzlich einspringen, wo staatliche 4
Der Krisenfall „Brent Spar” des Energiekonzerns Shell bietet hierfür einen Präzedenzfall: Das Vorgehen von Shell war zwar in diesem Fall rechtlich konform, trotzdem geriet das Unternehmen in das Zentrum des öffentlichen Interesses und der Kritik (Lawrence 2002).
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Akteure versagt hatten. So sollen, so die Forderungen nicht nur der NGOs, sondern auch des UN Global Compact, im Zuge einer fortschreitenden Globalisierung multinationale Unternehmen politische Aufgaben übernehmen und dort, wo der Staat versagt, rechtmäßige Zustände schaffen. Unklar ist, inwieweit private Firmen diesen Forderungen nachkommen sollen und wie eine solche Doppelfunktion (als ökonomischer und als politischer Akteur) mit der Profitorientierung des Unternehmens in der Wettbewerbswirtschaft vereinbar ist (vgl. dazu Scherer 2003, Scherer/Palazo 2997; zur Kritik vgl. z. B. Hendersen 2001). Die Firma Nike bewegte sich folglich auf ungewohntem Terrain, wie es sich auch in der Art und Weise ihrer Unternehmenskommunikation widerspiegelte. Von anfänglicher Ablehnung jeglicher Verantwortung bewegte man sich schließlich zu vereinzelten und isolierten Zugeständnissen, die jedoch weder in die Politik des Unternehmens eingebunden, noch dauerhaften Charakter zu haben schienen. Vielmehr glichen sie PR-Aktionen, die zwar die Kritikergruppen besänftigen, gleichzeitig aber das Kerngeschäft des Unternehmens nicht berühren sollten. Dennoch exponierten diese Aktionen Nike in der Öffentlichkeit, was Kritikergruppen wiederum Anlass bot, an diesen Stellen anzusetzen und ein „Mehr“ an Verantwortung sowie einen systematischeren Umgang mit CR-Themen zu fordern. Aufgrund der ökonomischen Verantwortung des Unternehmens jedoch konnte es nicht all diesen Forderungen unmittelbar nachgeben (Williams 2004). Die Kommunikation des Unternehmens vermochte es aber nicht, die – sicherlich teilweise – begründeten Grenzen der Verantwortung so darzustellen, dass diese auch von Kritikern des Unternehmens als legitim betrachten werden konnten. Denn die Kommunikation des Unternehmens mit Stakeholdern erfolgte in der Regel reaktiv und einseitig mit dem Ziel, sich gegen vorgebrachte Vorwürfe und Boykottaufrufe zu wehren. Das Ergebnis glich jedoch eher einer „PR-Schlacht“ zwischen Nike und seinen Kritikergruppen als einer von beiden Seiten getragenen diskursiven Suche nach vernünftigen Lösungen. Selbst nachdem Nike ein grundsätzliches Einlenken signalisiert hatte – man wollte die Arbeitsbedingungen in den Zulieferstätten verbessern – erlitt das Unternehmen durch negative Medienberichte immer wieder Rückschläge (Scherer 2003: 37). Erst als das Unternehmen zeigen konnte, dass seine PR-Aktionen keine bloßen Lippenbekenntnisse waren, sondern vielmehr die Organisationsstrukturen und -prozesse auf die Einhaltung der Standards abgestimmt wurden, und innerhalb des Unternehmens eine Kontaktstelle eingerichtet wurde, die sich ausschließlich mit CR-Themen auseinander setzte und die Unternehmenspolitik von Nike im Hinblick auf die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards überwacht, wurden die Anstrengungen der Firma von den kritischen Stakeholdern erstmals honoriert. Gleichwohl ist die Kritik nicht verstummt, sondern bezieht sich nun besonders auf die konkrete Ausgestaltung der Compliance-Maßnahmen (Scherer 2003: 29 ff.). Offen blieb auch, inwieweit das Unternehmen den Forderungen der Kritikergruppen nachgeben kann und soll. Zudem fehlte es noch an einer Klärung, welche unternehmerischen Handlungen als sozialverträglich und akzeptabel eingestuft werden. Für einen solchen Aushandlungsprozess hatte sich die einseitige Kommunikation als ungeeignet erwiesen.
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Für Nike stellte sich daher die Frage nach geeigneten Kommunikationsmitteln zur Schaffung bzw. Wahrung von Legitimation und somit zur Sicherung des unternehmerischen Handlungsspielraumes. Im folgenden Abschnitt werden die Voraussetzungen und Vorteile des Dialogs als Instrument zur Kommunikation sozialer Verantwortung der Unternehmung vorgestellt.
4.
Argumentativer Dialog als Instrument zur Kommunikation von „Corporate Citizenship“
Grundsätzlich ist die Eignung eines Kommunikationsinstrumentes abhängig von der jeweiligen Problemstellung (Zerfaß 2004: 184 ff.). Für die Kommunikation unternehmerischer Verantwortung hat sich der Dialog in vielen Situationen als geeignet erwiesen (Zerfaß/Scherer 1995, Hansen/Niedergesäß/Rettberg 1996). Es gibt verschiedene Kommunikationsformen, die sich in der Art und Weise der wechselseitigen Beeinflussung der Beteiligten und der Herstellung von Akzeptanz – also im Kommunikationsstil – unterscheiden. Die Palette reicht von Manipulation über Verhandlung bis hin zu argumentativen Ansätzen. Letztere, auf die sich die folgenden Ausführungen beziehen, zielen auf einen Konsens ab. Falls ein solcher nicht erreicht werden kann, wird auf einen „rationalen Dissens“ zurückgegriffen. Ein unternehmenspolitischer Dialog erfordert die Öffnung des Unternehmens gegenüber den vielschichtigen und mitunter widersprüchlichen Anforderungen des externen und internen Unternehmensumfelds. Ein Dialog ist ein wechselseitiger Prozess des Kommunizierens zwischen zwei gleichgestellten Partnern, wobei die Offenheit des Dialogs und der gemeinsame Sachbezug wesentliche Gesichtspunkte darstellen (Lueken 1996: 62 ff.). Dabei gilt es zu beachten, dass der Sachbezug nicht bereits vor Beginn des Dialogs festgelegt werden kann, sondern erst im Dialog selbst geklärt werden muss. Die Chance dabei liegt in der Erweiterung der eigenen Perspektive (Lueken 1996: 65 ff.).
Definition: Unternehmensdialog Unternehmensdialoge sind „zumeist mittlergestützte Dialogprozesse, die das Ziel verfolgen, gesellschaftliche Problemfelder der Unternehmensstrategie im Sinne einer proaktiven Konfliktvermeidung, reaktiven Konfliktbewältigung oder kooperativen Problemlösung gemeinsam mit allen relevanten Bezugsgruppen zu thematisieren, um auf diesem Wege argumentativ begründete Situationsdeutungen, Handlungsoptionen und Interessensstandpunkte zu erarbeiten“ (Zerfaß 2004: 367).
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Bei dieser Definition wird deutlich, dass Unternehmensdialoge in der Regel „mittlergestützt“ sind, d. h. eines Mediators bedürfen, der sicherstellt, dass der Dialog zwar über einen unverbindlichen Gedankenaustausch hinausgeht, aber nicht zum Manipulationsinstrument einer Partei wird. Außerdem stellt der Dialog über die Verständigung hinaus auf eine kooperative Problemlösung ab, die nicht nur die wechselseitige Anerkennung der am Dialog Beteiligten als gleichberechtigte Kooperationspartner, sondern von diesen auch konkrete Lösungsvorschläge erwartet, aus denen sich im Idealfall Handlungsoptionen ergeben. Die Formen des Unternehmensdialogs unterscheiden sich je nach Dialoganlass, dem daraus resultierenden Konfliktausmaß und den Zielen, die mit dem Dialog verfolgt werden. Dabei können drei Formen des Dialogs identifiziert werden: Sensibilisierungs-, Risiko- und Regulierungsdialog. Während die beiden ersten Formen präventive Dialoge darstellen, dient der reaktive Regulierungsdialog der Schadensregulierung im Konfliktfall (Seydel 1998): Der Sensibilisierungsdialog wird ohne konkreten Problemanlass regelmäßig von Unternehmen mit dem Ziel initiiert, Entwicklungen und Wertewandlungstendenzen in ihrem Umfeld frühzeitig zu erkennen und zu reflektieren. Er kann folglich als Medium der Umfeldbeobachtung und Sensibilisierung hinsichtlich ökologischer und sozialer Problemfelder bezeichnet werden. Des Weiteren eröffnet er allen am Dialog beteiligten Parteien die Möglichkeit zu proaktivem Handeln. Demgegenüber verfolgt der Risikodialog das Ziel, unternehmensinterne Risiken, die zu ökologischen oder sozialen Beeinträchtigungen führen können, zur öffentlichen Diskussion zu stellen. Da die Risikowahrnehmung in Unternehmen und in der Gesellschaft oft auseinander fallen, ist eine solche Beurteilung von Seiten der Stakeholder im Hinblick auf die Akzeptanz und Legitimation unternehmerischen Handelns von großer Bedeutung. Der Regulierungsdialog dagegen dient der reaktiven Aufarbeitung von Problemsituationen, die sich aus der unternehmerischen Tätigkeit ergeben haben. Der Dialog ermöglicht in dieser Situation den Austausch der Auffassungen der unterschiedlichen Stakeholdergruppen zur Verständigung in aktuellen Konflikten. Konkret erfordert dies die Offenlegung und eventuell gegenseitige Annäherung der verschiedenen Positionen (Hansen/Niedergesäß/Schoenheit 1995: 118, Hansen/Niedergesäß/Rettberg 1996: 317 ff.). Die Anwendung aller drei Formen des Dialogs bietet sich an, um unternehmerische Verantwortung zu begründen und zu kommunizieren. Besonders die Maßnahmen eines proaktiven Unternehmensdialogs verringern eine Vielzahl von Risiken, die sich durch die Öffnung des Unternehmens ergeben können. Erstens muss deutlich gemacht werden, dass auch Kritikergruppen Interessen vertreten und nicht umstandslos als neutrale Wächter des gesellschaftlichen Wohls betrachtet werden können. Man kann heute zwischen kooperativen NGOs und reinen „Pressure Groups“ unterscheiden, wobei Letztere auch nicht davor zurückschrecken, selbst aus schlecht recherchierten Fällen große Kampagnen im Internet zu lancieren. Vor solchen Gruppierungen kann sich ein einzelnes Unternehmen nur schützen, indem es mit anderen Stakeholdern gute
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Kontakte pflegt und diese bereit sind, ungerechtfertigte negative Schlagzeilen über das Unternehmen in das rechte Licht zu rücken. Zudem kann ein regelmäßiger Austausch als „proaktive Konfliktvermeidung“ betrachtet werden. Eine gesteigerte Transparenz durch institutionalisierte Stakeholderbeziehungen legt das Zustandekommen unternehmerischer Entscheidungen offen und vermag unter Umständen auch unpopulären Entscheidungen vorübergehend Legitimität zu verleihen. Zweitens dienen proaktive Formen der Unternehmenskommunikation dazu, die Akzeptanz und Eignung der geplanten CR-Massnahmen des Unternehmens mit den relevanten Stakeholdern zu prüfen. Insofern eröffnet der Dialog eine Feedbackschleife, die ausschlaggebend für den Erfolg und die Nachhaltigkeit der Maßnahmen ist.
5.
Schlussbetrachtung
Wie anhand des Sportartikelunternehmens Nike gezeigt wurde, spielt die Unternehmenskommunikation bei der Verwirklichung der neuen Rolle der Unternehmung als Corporate Citizen eine wesentliche Rolle. Ein intensiver Dialog mit Stakeholdern, wie er sich bei Nike über die Jahre entwickelt hat, ist in diesem Zusammenhang besonders geeignet, eine Vertrauensbasis herzustellen und die Inhalte und Grenzen der sozialen Verantwortung der Unternehmung immer wieder neu abzustecken und zu begründen.
Literatur
Behrent, Michael/Wieland, Josef (Hrsg.) (2003): Corporate Citizenship und strategische Unternehmenskommunikation in der Praxis, München/Mering. Carroll, Archie B. (1998): The Four Faces of Corporate Citizenship, in: Business and Society Review, Vol. 100, S. 1-7. Fukuyama, Francis (2004): State-Building, Ithaka (N.Y.). Hansen, Ursula/Niedergesäß, Ulrike/Schönheit, Ingo (1995): Unternehmensdialoge als besondere Verfahren im Rahmen des Interessensausgleichs zwischen Unternehmen und Gesellschaft, in: Hansen, Ursula (Hrsg.): Verbraucher- und umweltorientiertes Marketing, Stuttgart, S. 109-125.
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Andreas Georg Scherer/Dorothée Baumann
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Kommunikation in Krisen – Krisen in der Kommunikation?
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Kommunikation in Krisen – Krisen in der Kommunikation? Peter Höbel
Krisen sind Ereignisse oder Störungen, die negativen Einfluss mit nachhaltiger Wirkung auf die Wirtschaftskraft oder die Reputation eines Unternehmens oder einer Organisation haben oder haben können. Zur Schadensminderung ist aktives Krisenmanagement erforderlich. Jede Krise hat eine operative und eine kommunikative Komponente. Entsprechend sind im Vorfeld die Krisenprävention und im Ernstfall die Krisenintervention zu organisieren. Krisenkommunikation ist daher integrativer Bestandteil des Krisenmanagements. Die Krise hat viele Gesichter: „Schadensereignisse“ wie Flugzeugabstürze, Explosionen, Terroranschläge oder Naturkatastrophen können überall, jederzeit und unvorhersehbar eintreten. Aber auch schleichende Konflikte, wirtschaftliche Schieflagen, Schmiergeldaffären, Politikskandale, Umweltsünden oder Produktprobleme erschüttern die Republik. So erschreckend das Ereignis, so unzulänglich ist häufig die Kommunikation. Warum werden selbst Großunternehmen mit mächtigen PR-Abteilungen über Nacht von Ereignissen überrollt, stehen zumindest dem öffentlichen Anschein nach hilflos mit dem Rücken zur Wand? Dieser Beitrag vermittelt einen Einblick in die Thematik und zeigt, wie man sicherstellt, dass die Kommunikation in Krisen nicht zu Krisen in der Kommunikation führt.
1.
Krisenkommunikation im Krisenmanagement
1.1
Wozu Krisenkommunikation?
Von Krisen bedroht sind nicht nur „klassische“ High-Risk-Unternehmen. „Krisen-PR ist wichtig“, sagen rund 80 Prozent der 400 Top-Unternehmen Deutschlands und analysieren M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_51, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Peter Höbel
ihre Anfälligkeit für eine Krise. Trotzdem hatten zwei Drittel dieser Unternehmen im Frühjahr 2004 noch keinen Krisenplan bzw. Krisenstab (Schröder 2004). In den meisten Unternehmen existieren einzelne für das Krisenmanagement erforderliche operative Elemente. So können beispielsweise Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung, dem Qualitätsmanagement oder dem Beschwerdemanagement genutzt werden. In vielen Branchen sind operative Krisen-Reaktionen aufgrund gesetzlicher Vorgaben geregelt. Die betroffenen Unternehmen haben nach der Störfallverordnung, Richtlinien des Arbeitschutzes, der Finanzaufsicht oder spezifischer Kontrollverfahren von Zulassungsbehörden Nachweise über entsprechende Einrichtungen und Maßnahmen zu führen. Für die erforderlichen Kommunikationsstrukturen jedoch sind in den wenigsten Fällen ausreichende Prozesse definiert. Die Kommunikation mit Medien, Mitarbeitern und Kunden, sowie Partnern, Dienstleistern, Zulieferern, Agenturen und ausgegliederten Betriebsteilen ist unzureichend geregelt und nur in seltenen Fällen sinnvoll vernetzt. Operative und kommunikative Elemente müssen jedoch miteinander verknüpft werden. Denn hier steckt die Hauptursache für Konflikte und Sekundärkrisen. Eine erfolgreich geplante und umgesetzte Krisenkommunikation als Teil der Unternehmenskommunikation (Ditges/Höbel/Hoffmann 2007, Coombes 2006, Erickson 2006, Laumer/Pütz 2006, Millar/Heath 2004, Möhrle 2003, FearnBanks 2002, Trauboth 2002, Töpfer 1999, Uth 1994) trägt daher entscheidend zum Erhalt und Ausbau des Unternehmenswerts bei.
1.2
Die sechs Faktoren der Krise
Es sind sechs Faktoren, die die Krisenkommunikation bestimmen: Zeitfaktor, Personalfaktor, Vertrauensfaktor, Komplexitätsfaktor, Kostenfaktor und Know-how-Faktor. Jeder dieser Faktoren hat seine eigene Bedeutung und Gesetzmäßigkeit. Gleichzeitig sind sie eng miteinander verwoben und müssen in der Summe betrachtet und beachtet werden.
1.2.1
Der Zeitfaktor
Krisenreaktion erfordert sofortiges Handeln. Krisen sind dynamisch, ihre Auslöser unterschiedlich, ihr Verlauf variiert – doch immer lösen sie einen dramatischen Wettlauf gegen die Zeit aus. Jede Minute zählt – im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Ereignissen von einer bestimmten Tragweite beträgt beispielsweise die Zeit, bis ein TV-Übertragungswagen sendebereit vor dem Werkstor steht, nur noch 20 Minuten. Die Medien sind schneller, zahlreicher und aggressiver denn je. Neue Techniken im Internet (z. B. Massenmails, Weblogs, Hatesites) sorgen für eine explosionsartige Verbreitung von Nachrichten ohne Rücksicht auf deren Wahrheitsgehalt und ohne redaktionelle Einflussmöglichkeit (Zerfaß/Boelter 2005).
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In den ersten Stunden werden alle Weichen gestellt, denn von den öffentlich wahrgenommenen Handlungsweisen ganz zu Beginn einer aufkommenden Krise wird der gesamte spätere Krisenverlauf bestimmt. Fehler lassen sich nur sehr schwer und nur mit sehr großem Aufwand korrigieren. Taktisches Ziel sollte es sein, die Meinungsführerschaft zu erlangen. Dies ist völlig aussichtslos, wenn durch zu langes Warten nur reagiert werden kann, wenn sich das Unternehmen mit Dementis und Richtigstellungen in eine bloße Verteidigungsrolle drängen lässt. Für die Praxis bedeutet das: Schnelligkeit geht vor Vollständigkeit. Je offensiver die Informationspolitik, desto kürzer ist die Krise. Auch wenn das Ziel ehrgeizig, vielleicht unerreichbar klingen mag – als Zielvorgabe sollten maximal 30 Minuten ab Ereignis für die erste Eigenmeldung festgeschrieben werden. Zunächst kommt es ohnehin nicht auf Details an. Es genügt zu sagen: „Es ist etwas geschehen und wir wissen das“, „Wir haben die nötigen Schritte eingeleitet“, „Wir wissen genau was zu tun ist“, „Mehr können wir derzeit nicht sagen“ und „Sobald wir Neuigkeiten haben werden wir aktiv und unverzüglich informieren“. Diese scheinbar banal klingenden Aussagen sind für die Außenwirkung enorm wichtig, denn sie vermitteln die klare strategische Botschaft, dass wir aktiv, betroffen, kompetent, servicebereit und offen sind. Sinngemäß angepasst auf die spezifische Situation des Unternehmens sind diese Kernaussagen für jede Krisenlage gültig. Deshalb ist es unabdingbar, dass die verantwortlichen Krisenkommunikatoren ohne langwierige Rücksprachen mit Vorgesetzten jederzeit die Befugnis haben, die Erstmeldungen „rauszuschießen“. Der lapidare Satz: „Eine Stellungsnahme war bis Redaktionsschluss nicht zu erhalten“ ist ein kommunikativer Offenbarungseid.
1.2.2
Der Personalfaktor
Sie wissen: Ihre Mitarbeiter sind in ihrem Fachgebiet kompetent, verantwortungsbewusst, belastbar und vielleicht für den Standardbetrieb zahlenmäßig ausreichend. Der Kriseneinsatz unterscheidet sich aber grundlegend vom gewohnten Geschäftsbetrieb. Das erfordert Auswahl, Anleitung, praktisches Training, Entscheidungshilfen und immer wieder kritische Prüfung. Zu den wichtigsten Vorbereitungen gehört eine Personalmatrix, in der die Rollen vorab verteilt werden. An erster Stelle stehen geeignete Führungskräfte. Ein Kommunikator, in der Regel der Leiter der Unternehmenskommunikation, muss als strategischer Berater möglichst permanent bei der Geschäftsleitung bzw. (falls ein solcher gebildet wird) beim Krisenstab angesiedelt sein. Dort hat er zum einen die Aufgabe, die kommunikativen Erfordernisse vorzutragen und sie
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Peter Höbel
möglichst auch durchzusetzen. Zum anderen bekommt er für die interne und externe Kommunikation die nötigen Informationen aus erster Hand. Eine zweite Führungsperson ist der „Anchorman“. Bei diesem Chef vom Dienst (CvD) werden alle Medienaktivitäten koordiniert und gesteuert. Hier laufen alle Informationen ein, werden Recherchen in Auftrag gegeben, Medien beobachtet, Medienanfragen gesammelt, Texte produziert und in die verschiedenen ausgehenden Kanäle eingespeist. Aus dem Input der Nummer 1 formuliert er Sprachregelungen, die für das ganze Haus verbindlich sind. Der Anchorman oder CvD ist gleichzeitig die Kontrollinstanz für alle Inhalte und Schnittstelle zu anderen Kommunikatoren im Hause, wie zum Beispiel Kundenbetreuern, Qualitätsmanagern und zum Marketing. Außerdem ist er Schnittstelle zu externen oder Drittkommunikatoren (vgl. Abschnitt 1.2.4). Die dritte – in der Außendarstellung sicherlich wichtigste – Position ist die des Sprechers. Er (oder sie) ist Sympathie- und Kompetenzträger. Da 55 Prozent des Auftritts von der Körpersprache bestimmt werden (Blick, Mimik, Gestik, Körperhaltung, Kleidung), 38 Prozent der Wirkung auf die Stimme entfallen (Artikulation, Dynamik, Tempo) und nur 7 Prozent auf den reinen Inhalt (Mehrabian 1981), muss schon im Vorfeld sehr sorgfältig überlegt sein, wer in schwerer Zeit das Gesicht des Unternehmens ist. In jedem Fall müssen für die Sprecherrolle ausgewählte Mitarbeiter ein intensives TV- und Medientraining absolviert haben, das möglichst jährlich aufgefrischt wird. Bei Krisen von hoher Tragweite erwartet die Öffentlichkeit einen hochrangigen Unternehmensvertreter als Sprecher. Selbstverständlich gilt auch für Vorstände, dass sie nicht unvorbereitet vor Kameras treten. Die drei kommunikativen Führungsrollen sollten im laufenden Einsatz nicht getauscht oder vermischt werden, wenngleich die Not des Personalmangels dies in der Praxis oft erfordert. Besser ist es, zeitig fantasievoll zu planen, wo Verstärkung rekrutiert werden kann. Intern vielleicht aus anderen artverwandten Abteilungen (wie z. B. Protokoll oder Strategie) oder extern von spezilaisierten Agenturen oder erfahrenen Beratern. Je nach Unternehmen und Krise werden unterhalb der drei Schlüsselpositionen ausreichend ausführende Mitarbeiter benötigt. Krisenarbeit erfordert in erster Linie Erfahrung. Erfahrung, die gerade bei den in der PR-Branche oft sehr jungen Kräften fehlt. Da Krisenarbeit in den meisten Unternehmen (glücklicherweise) nicht zum täglichen Kerngeschäft zählt, empfiehlt es sich, regelmäßig mit dem ganzen Team Seminare, Workshops oder Übungen durchzuführen. Das nötige Spezialwissen, die praktische Krisenerfahrung und Vergleichsmöglichkeiten durch reale Einsätze können entweder „kampferprobte“ eigene Kollegen oder externe Referenten einbringen. Wenn der Ernstfall eintritt, ist es erfahrungsgemäß nie ein Problem, die Leute zu motivieren. denn alle wollen mithelfen. Im Gegenteil: Mit Dienstplänen und frühzeitiger Planung für interne und/oder externe Verstärkung muss verhindert werden, dass die eigenen Mitarbeiter bis zum Zusammenbruch im Einsatz sind. Eine noch relativ junge Erkenntnis ist, dass nicht nur an der operativen Front psychologische Dienste erforderlich sind. Unter dem enormen physischen und psychischen Druck dauert es
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auch im Bereich Kommunikation nicht lange, bis die Nerven blank liegen. Mitarbeiter in den Stäben – besonders im Katastropheneinsatz oder bei Schadensereignissen – können durch den Umgang mit Betroffenen am Telefon oder sogar aufgrund schrecklicher Berichte oder Bilder ein so genanntes Posttraumatisches Stress Syndrom und damit nachhaltige gesundheitliche Schäden erleiden.
1.2.3
Der Vertrauensfaktor
Jede Krise ist mit einem oft massiven Vertrauensverlust verbunden. Sorgfältig aufgebautes Image und mühsam erkämpfte Marktposition sind in Gefahr. Kunden und Medien reagieren auf Störungen anspruchsvoll, hochemotional, oft überkritisch und aggressiv. Oberste Aufgabe der Krisenkommunikation ist es, Vertrauen zu schaffen, zu bewahren oder wieder herzustellen. Dies gelingt nur, indem mit allen Anspruchsgruppen zielgerichtet kommuniziert wird. Schnelle, zuverlässige und glaubwürdige Kommunikation wird so gut wie immer honoriert. Fürsorge führt nachweislich zu Imagegewinn. Warum das so ist, soll eine kleine Exkursion verdeutlichen. Stark vereinfacht haben auch wir modernen Menschen nach dem atavistischen Prinzip nur drei Grundbedürfnisse: Nahrungsaufnahme, sicheres Hausen und Brutpflege. Wann immer eines dieser drei Elementarbedürfnisse in Gefahr ist, oder auch nur in Gefahr zu sein scheint, reagieren wir – wiederum wie unsere Altvorderen – mit drei Grundmustern: Flucht, Kampf oder Verharren. Übertragen auf unsere Zeit stellt sich Flucht als (Kauf-)Verweigerung dar. Kampf findet in Form von Prozessen und Medienkonflikten statt. Und Verharren? Dies ist zu beobachten, wenn sich Unternehmen tot stellen und hoffen, dabei nicht erwischt zu werden. Eine Form der Angst. Wir sind eine Angstgesellschaft: Wenn wir in ein Verkehrsmittel steigen, reisen Bilder von rauchenden Trümmern im Kopf mit. Immerhin 60 Prozent der Menschen haben Flugangst. Nachdem die Seuche SARS in Hongkong und Teilen Chinas einige hundert Menschenleben forderte, brach der Tourismus in der ganzen Region Asien zusammen. Verglichen mit den großen Weltkrankheiten wie Malaria, Grippe oder Zigarettenrauch war das Risiko zu erkranken minimal. Sich ständig wiederholende Bilder von Anschlägen legen nahe: An jeder Ecke lauert ein Terrorist. Dennoch steht das angenommene Risiko, einem Terroranschlag zum Opfer zu fallen, in keinem Verhältnis zur tatsächlichen persönlichen Bedrohung. Ebenso verhält es sich bei Themen wie BSE im Kalb, Pflanzenschutzmittel im Huhn, Schweinepest, Vogelgrippe, Bakterien im Trinkwasser, tödliche Babynahrung. „Unser täglich Gift gib uns heute?“ Die Leitmedien verstärken durch skandalisierende Berichterstattung unsere latenten Ängste. Auf eine einfache Formel gebracht: Angst + Medien = Krise. Wer wirksame Krisenkommunikation betreiben will, kommt daher an der Angst und damit am Vertrauensfaktor nicht vorbei. Eher technisch-wirtschaftliche und an Zahlen, Daten, Fakten orientierten Branchen und Disziplinen fällt es traditionell schwer, sich in die fragile Gefühlswelt der Öffentlichkeit hineinzuversetzen. Jeder hat heute ein Handy in der Tasche, und doch agieren aus Furcht vor
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Elektrosmog mehr als 12.000 Bürgerinitiativen in Deutschland gegen Funk-Umsetzer. Gegen Emotionen helfen weder sachliche Argumente noch Grenzwerte. Es ist die Aufgabe der Kommunikatoren, gemeinsam mit Psychologen neue Wege zu entwickeln, die tradierten kognitiven Ansätze und deren Beschwichtigungs-Konzepte zu vermeiden.
1.2.4
Der Komplexitätsfaktor
Unterschiedliche Interessen von unmittelbar oder indirekt Beteiligten, operative Sachzwänge und Rahmenbedingungen bilden stets ein hochkomplexes und schwer durchschaubares „Nervengeflecht“ in Krisensituationen. Lieferanten, Kunden, Opfer, Hinterbliebene, Behörden, Verbände, Medien, Mitarbeiter, Wettbewerber, Geschäftspartner, Versicherungen, Staatsanwälte, Krisengewinnler und viele mehr haben eines gemeinsam: Alle kommunizieren. Jede Krise verläuft anders, selbst gleichartige Krisen können aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen unterschiedliche Verläufe nehmen. Dennoch lassen sich bestimmte Grundmuster vorab antizipieren. Ein Freund-Feind-Radar ermöglicht zumindest, grundsätzlich die zu erwartenden Konfliktparteien einzuschätzen. So empfiehlt es sich, mit regelmäßigen Partnern Verfahrensabsprachen zu treffen. Und wenn schon Inhalte nicht festgelegt werden können oder womöglich aufgrund gegensätzlicher Interessen Auseinandersetzungen drohen, so lassen sich doch Spielregeln und Fairnessabkommen zur gegenseitigen Unterrichtung schließen. Voraussetzung ist das frühzeitige Gespräch in „Friedenszeiten“. Mindestens ebenso gravierend wie externe sind die internen Konflikte. In der Regel werden einzelne Aspekte noch immer von verschiedenen Stellen unabhängig voneinander angegangen. Also: Die operativen Aufgaben sind Sache der entsprechenden Fachabteilung, für die Öffentlichkeitsarbeit ist die Pressestelle oder eine PR-Agentur zuständig, für juristische Probleme nimmt man die Rechtsabteilung oder seinen Hausanwalt, und ob für den psychologischen Teil ein passender Psychologe gefunden wird, ist Zufall. Gutes Krisemanagement setzt nicht nur Erfahrung auf all diesen Einzelgebieten voraus, sondern umfasst sämtliche Teilbereiche integrativ. Nur die Lösung aus einem Guss ist hilfreich. Dass im Krisenfall fast immer Zielkonflikte zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Anwälten entstehen, ist sicher kein böser Wille der Beteiligten. Jeder macht seinen Job eben so, wie er ihn gelernt hat und für richtig hält. Während Juristen typischerweise möglichst wenig sagen wollen, um für eventuelle spätere Verfahren nichts zu präjudizieren, versuchen vernünftige PR-Leute meist, mit Transparenz Punkte zu machen. Der Klassiker: Die Presseabteilung eines Verkehrskonzerns lud nach einem schweren Unfall Fernsehteams ein, in einer Werkstatt zu filmen. Die gute Absicht der PR-Leute: Sie wollten zeigen, wie sorgfältig und modern in ihrem Betrieb gearbeitet wird. Die Rechtsabteilung hingegen befürchtete (ohne konkreten Anlass) zufällige Aufnahmen, die in einem zu erwarteten Prozess vielleicht schädlich sein könnten. Die Juristen setzten durch, dass die Fernsehleute wieder ausgeladen wurden. Folgerichtiger Gegenstand breiter Berichterstattung? Na klar – was haben die zu verbergen. Ein
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881
solches Eigentor ist leicht zu verhindern – wenn die Vorgehensweise abgestimmt ist. Mögliche Probleme kann und muss man bereits in der Risikoanalyse antizipieren und in ruhigen Zeiten lösen.
1.2.5
Der Kostenfaktor
Verkaufsförderung, Werbung, Marketing und Public Relations sind selbstverständlicher mit Kosten verbundener Kommunikations-Alltag. Krisen-Maßnahmen erfolgen dagegen häufig erst, wenn der Krisenfall bereits eingetreten ist. In einer Zeit, in der Evaluation und Wertschöpfung auch in der Kommunikation immer mehr an Bedeutung gewinnen, fällt es nicht unbedingt leicht, den Wert von Krisenmanagement einschließlich Krisenkommunikation zu bestimmen. Im Gegensatz zu messbarer Verkaufsförderung ist Krisenkommunikation auf fiktive Annahmen angewiesen. Wozu Geld ausgeben für Fälle, die möglicherweise (oder hoffentlich) nie eintreten? Kein vernünftiger Betriebswirt lässt das Vermögen seines Unternehmens unversichert. Für jedes Gebäude, für jede Maschine, für jedes Fahrzeug werden selbstverständlich hohe jährliche Prämien bezahlt. Dass sich auch der Schutz „weicher“ Werte lohnt, ist noch längst nicht Allgemeingut bei den Controllern. Dennoch: Jede Investition in Krisenprävention stellt eine Art Versicherung für die Marke, für das Image und die Reputation des Unternehmens dar. Jeder investierte Euro sichert im Ernstfall ein Vielfaches an Umsatz und letztlich den Bestand des Unternehmens. Zweifelsohne zählt auch eine solide Alltags-PR mit Kontaktpflege zu Journalisten und vorausschauender Öffentlichkeitsarbeit zu den Einzahlern auf die Habenseite, von deren Polster im Krisenfall gezehrt werden kann.
1.2.6
Der Know-how-Faktor
Effizientes Krisenmanagement lebt von der Kunst, schnelle Entscheidungen sicher zu treffen. Das stellt selbst erfahrene Manager vor Probleme. Alltägliche wirtschaftliche und administrative Mechanismen greifen nicht wie gewohnt. Deshalb müssen Risiken analysiert, spezifische Krisen-Prozesse definiert und festgeschrieben sowie Krisen-Tools intern und extern etabliert werden. Die Vorbereitung erfolgt mental, organisatorisch, personell, technisch, strategisch und inhaltlich-taktisch. Wobei der mentalen Vorbereitung die höchste Bedeutung zuzumessen ist, da ohne ausreichende Sensibilisierung des Top-Managements in der Regel alle Folgeschritte unterbleiben. Krisenmanagement funktioniert nur top-down.
882
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2.
Krisenerfahrung
2.1
Verlauf und Einflüsse
Keine Krisenlage gleicht der anderen. Dennoch gibt es Stereotype: die akute Phase, „The Day After“ (der sich auch über mehrere Tage erstrecken kann) und die Nachbereitung. Zu Krisenverläufen gibt es verschiedene wissenschaftliche Modelle, die in der Analyse unterstützen (z. B. Töpfer 1997: 58 ff.) – in der Praxis kommt es jedoch vor allem auf die Umsetzung in konkrete Handlungen an.
2.1.1
Die akute Phase
Bei plötzlichen Krisen (z. B. Schadensereignissen) beginnt die akute Phase mit dem Alarm. Bei schleichenden Krisen gibt es überraschenderweise einen vergleichbaren Zeitpunkt: Dann nämlich, wenn aus risikohaften Vorgängen und latenten Wahrnehmungen die Krise akut aufflammt. In beiden Fällen dieser akuten Phase fehlen zunächst exakte Informationen. Das Unternehmen ist mit sich selbst beschäftigt, bis es sich organisiert hat (manchmal geradezu paralysiert durch ungläubiges Erstaunen). Es dauert eine Weile, bis sich die Stäbe bilden, mitunter begleitet von Kompetenzgerangel und Kommunikationsproblemen. Der jetzt einsetzende Mediendruck ist bestimmt von Gerüchten und Spekulationen. Neben dem eigentlichen Ereignis gibt es Steigerungsquotienten. Zu den Verlauf bestimmenden Faktoren gehört der „Sensationsgrad“. Wenn also die üblichen verdächtigen Branchen betroffen sind, wie Chemie, Pharma, Atomindustrie, Luftverkehr, können bereits kleinere Zwischenfälle zu überproportionaler Berichterstattung führen. Image und Bedeutung der Beteiligten spielen eine Rolle. Die bekannte Marke oder die Prominenz eines Beteiligten erhöht ebenfalls den Aufmerksamkeitswert. Die allgemeine Nachrichtenlage bestimmt den Stellenwert. Während eine Fülle sonstiger Ereignisse zur Abwertung führt, sorgt die nachrichtenarme „Saure Gurken-Zeit“ für Bedeutungszuwachs. Zufällig aufeinander folgende Ereignisse gleicher oder ähnlicher Art steigern die Wahrnehmungs-Sensibilität der Redaktionen („Schon wieder ein ...“, „Erneut kam es zu ...“, „Die Serie von ... reißt nicht ab“, usw.). Nicht zu unterschätzen sind Themen-Vorlieben oder Verärgerung bestimmter Medien und Journalisten. Krisenzeiten sind immer auch Gelegenheiten, offene Rechnungen zu begleichen.
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2.1.2
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„The Day After“
Die Phase zwei („The Day After“) wird bestimmt von tiefer gehenden Recherchen. Die Lage sollte jetzt für das Unternehmen überschaubar geworden sein: Fakten recherchiert, Maßnahmen (und seien es Befreiungsschläge) eingeleitet, Strategien beschlossen und festgezurrt. Jetzt droht Gefahr durch Illoyalität und Indiskretionen. Manchmal resultieren diese nur aus Ungeschicklichkeit gegenüber erfahrenen investigativen Reportern. Mitunter handelt es sich jedoch um gezielte Indiskretion aus Eigennutz oder schlichtweg gegen Bares. Häufig findet sich ein ehemaliger Angestellter, der als Kronzeuge den Medien Missstände zu Protokoll gibt – vorzugsweise aus dramaturgischen Gründen hinter einer Schattenwand. Mitarbeiter werden vor den Werkstoren befragt – schlechte Mitarbeiterinformation rächt sich an dieser Stelle. Und es ist die Zeit der „Frühstücksfernsehen-Experteritis“. Häufig besteht die einzige Expertise darin, drei Minuten zuzutexten. Notfalls interviewt schon mal ein Journalist einen anderen Journalisten. Die Not der Planungs-Redakteure, sehr schnell einen Gesprächspartner finden zu müssen, kann sich das Unternehmen zu Nutze machen. Auch wenn es selbst nicht mit einem Sprecher auftreten kann oder darf (etwa wegen staatsanwaltlicher Ermittlungen). Frühzeitig ein Netz geeigneter und geneigter eigener Experten aufzubauen, die den richtigen Ton treffen, ist eine lohnende Investition: Verbandssprecher, Hochschullehrer oder unabhängige freie Experten genießen hohe Glaubwürdigkeit und werden von den Sendern gerne eingeladen.
2.1.3
Nachbereitung
Wenn die Berichterstattung abgeebbt ist, kann mit den üblichen Mitteln der Kommunikation (PR, Werbung, Marketing-Tools etc.) daran gegangen werden, eine Image-Runderneuerung durchzuführen. Voraussetzung dafür ist, dass die Krise als Chance begriffen wurde, Veränderungen im Unternehmen herbeizuführen. Erneute Negativ-Berichterstattung droht an Jahrestagen (z. B. nach Großschäden am ersten, zweiten, fünften, zehnten Jahrestag), bei allen Arten von offiziellen Berichten (Zwischen-, Abschluss-, Untersuchungsberichte), offiziellen Ereignissen (Gerichtsverfahren, Veranstaltungen von Interessenverbänden) und vergleichbaren Vorkommnissen oder Krisen bei Dritten, zum Beispiel Wettbewerbern. Immer dann werden berichte und Bilder aus den Archiven geholt und die alte Geschichte wieder hoch gekocht. Geschickte Kommunikationsmanager halten zu den relevanten Akteuren Kontakt, so dass sie nicht überrascht werden. Bei Jahrestagen und Interessengruppen bietet es sich an, sich selbst an die Spitze der Bewegung zu setzten und den Event (mit) zu organisieren.
884
2.2
Peter Höbel
Die Macht der Bilder
In unserer Medienwelt gilt: Das Bild ist die Botschaft. Es gibt Krisenkommunikatoren, die sogar so weit gehen, dass sie annehmen, die Krise werde von Bildern maßgeblich bestimmt. Zweifelsohne spielt das Foto im Boulevard- und Magazinjournalismus eine große Rolle für Aufmachung und Platzierung. Und Fernsehen lebt von der Live-Übertragung. Allerdings solle man sich nie in Sicherheit wiegen: Auch Dokumente investigativer Journalisten sind faksimilierbar, und im Zeitalter von Foto-Handys und digitalen Kameras ist jederzeit mit druck- bzw. sendefähigem Material zu rechnen. Für die Unternehmenspraxis wichtig ist der Umgang mit Kameraleuten und Bildjournalisten. Entscheidungen wann und wofür gibt es eine Dreherlaubnis? Dürfen Teams auf das Firmengelände? Macht der Sprecher eine gute Figur oder ist er chancenlos? Die Gratwanderung: zwischen freizügig zur Verfügung stehen – und sich um Kopf und Kragen zu reden. Oder zu versuchen, Drehs zu verhindern und sich neben der Verärgerung der Reporter deren Ehrgeiz einzuhandeln, doch noch zu Bildern zu kommen.
2.3
Wahrnehmung und Früherkennung
Ein Kernproblem für Unternehmen ist es, Krisen zu erkennen – und Krisen auch als solche zu akzeptieren. Insbesondere wenn das Top-Management involviert ist oder involviert sein könnte, wird zuerst geschwiegen, dann werden Vorgänge geleugnet, die öffentlich längst offen diskutiert werden. Vorschnelle Ehrenerklärungen stärken nicht die Glaubwürdigkeit, wie zahlreiche Fälle der jüngeren Vergangenheit belegen. Montags genießt die Führungskraft noch „unser uneingeschränktes Vertrauen“, am Mittwoch muss sie ihren Hut nehmen, und am Freitag erstattet der eigene Aufsichtsrat Strafanzeige und kündigt Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe an. Es fehlt meist nicht an den Werkzeugen. Medienauswertung und Medienanalysen sind auf einem hochprofessionellen Stand und liefern exakte Einschätzungen. Issues Management und Corporate Foresight können die Früherkennung von Krisen unterstützen (Wiedemann/Ries 2007, Kuhn/Ruff 2007). Krisen kündigen sich oft durch lange Latenzzeiten an: Medienanfragen, Andeutungen, Gerüchte, Berichte der Innenrevision. Es mangelt an schonungslosen Worst-Case-Szenarien. Nur wer es wagt, das Undenkbare zu denken, kann sich so darauf vorbereiten – dass er es vielleicht abwenden kann. Zumindest aber den Schaden mindern. Nur: Welcher Kommunikationschef traut sich, ein Szenario in die Schublade zu legen, bei dem sein eigener Vorstand – wenn auch nur fiktiv – im Mittelpunkt einer kriminellen Machenschaft steht ...?
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2.4
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Peinlichkeiten
Im Alltag der Krisenkommunikation kommen so viele Peinlichkeiten vor, dass sich dafür ein eigenes kleines Kapitel lohnt. Was nützt beispielsweise ein hervorragend formuliertes Kondolenzschreiben eines Vorstands, wenn der Briefumschlag durch die Frankiermaschine gejagt und mit einem knackigen Werbespruch verziert wird? Wie peinlich wirkt eine unangemessene Musik in der Telefonwarteschleife? Flyer, Plakate, Anzeigen können in Krisen lächerlich oder zynisch, auf alle Fälle kontraproduktiv wirken. Das Gleiche gilt für Internetauftritte: Raus mit der Flash-Animation und dem Preisausschreiben, wenn ein schwerer Zwischenfall zu melden ist. Was fühlt ein Hinterbliebener, wenn eine Fluggesellschaft nach einem Flugzeugabsturz im Text ihrer Website die Passagier(=Todes)liste veröffentlicht und im Frame darüber den Slogan „Mit Vergnügen fliegen“ stehen hat?
3.
Tools und Tricks
Grundsätzlich gelten für die Krisenkommunikation alle Grundregeln der alltäglichen Unternehmenskommunikation. Allerdings gibt es Einschränkungen und Ergänzungen. Die sicherlich wichtigste ist der Umgang mit Journalisten. In Krisen stehen fast nie die vertrauten Fachoder Lokaljournalisten als Gesprächspartner zur Verfügung. Und wenn, stehen sie unter Druck. meistens aber hat man es mit dem Newsdesk oder mit investigativen Reportern zu tun. Diese Kollegen stehen zum einen unter massivem Konkurrenz- und Erfolgsdruck. Zum anderen können sie es sich leisten, „verbrannte Erde“ zu hinterlassen. Für die betroffene Pressestelle bedeutet das: Informationen gibt es grundsätzlich nur entlang der offiziellen Sprachregelungen und Pressetexte.
3.1
Krisenmanual
Das Herzstück jeglicher Krisenarbeit ist das Krisenmanual oder Krisenhandbuch. Es soll in einem allgemeinen Teil die für Krisenfälle geltenden Unternehmensrichtlinien (Policies) enthalten. Darüber hinaus soll es praktische Organisationshilfen liefern in Form von Checklisten, Flow-Charts, Plänen und Formularen. Es enthält ebenso Alarmpläne (wer ist wann und wie erreichbar?) wie interne und externe Ansprechpartner. Für antizipierte Szenarien können
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Textbausteine enthalten sein. Gute Krisenhandbücher sind leicht handhabbar, enthalten alle wichtigen Informationen – und sind trotzdem nicht zu dick. Selbstverständlich kann nicht jedes kleinste Detail darin geregelt sein. Es muss ein sinnvoller Rahmen vorgegeben werden, der Raum für flexible Entscheidungen lässt. Zu umfangreiche Werke schrecken ab, werden in ruhigen Zeiten nicht gelesen und in der Krise nicht beachtet.
3.2
Telekommunikation
Trotz Internet und E-Mail ist bei der Bewältigung von Schadensereignissen nach wie vor das Telefon das wichtigste Kommunikationsmittel. Deshalb müssen ausreichend Leitungen vorhanden sein, deren Nummern nicht veröffentlicht sind. Nur auf Mobiltelefone zu vertrauen ist riskant, denn schon bei Ausfall weniger Umsetzer können Netze zusammenbrechen (so geschehen bei der Oder-Flut) oder überlastet sein (mehr als 700 Reporter beim Seilbahnunglück in Kaprun). Wer auf Mobilfunk vertraut, sollte zumindest als Backup einen zweiten Provider haben oder für den Außeneinsatz ein Satelliten-Handy. Völlig unterschätzt wird in Krisen die Flut der völlig unstrukturiert ankommenden Anrufe. Die können in die Hunderte, leicht aber auch in die Tausende gehen. Ein Großteil ist so überflüssig und hinderlich wie der Stau auf der Gegenfahrbahn bei Autobahnunfällen. Ebenso wichtig wie die Telefon-Technik ist deshalb die Organisation der Anrufe. Nur Großunternehmen sollten es sich zumuten, in großen Krisenlagen die Anrufe mit Bordmitteln abzuarbeiten. Den anderen sind Ad-hoc-Call-Center empfohlen, die als Filter vorgeschaltet werden. Routineanrufe von nicht Betroffenen und Neugierigen werden dort abschließend bearbeitet. Kundenanrufe werden dosiert weitergeleitet oder kommen auf eine Rückrufliste, und an das Krisen-Team werden nur Rückruflisten von unmittelbar involvierten Personen übermittelt. Auch die Medien werden so gefiltert und für die Pressesprecher auf Rückruflisten gebündelt.
3.3
Verteiler, Ad-hoc-Services und Beobachtung
Ähnlich wie die Telekommunikation sollten Pressestellen sich auf ihre Veröffentlichungen organisatorisch vorbereiten. E-Mail- und Fax-Verteiler per Hand aufzusetzen kostet zu viel wertvolle Personalkapazität. Ad-hoc-Nachrichtendienste erledigen die Aufgabe zuverlässig und effizient. Sie nutzen dieselben Kanäle wie die Presseagenturen und kommen so direkt auf die Bildschirme der Redaktionssysteme. Die Originaltext-Verteiler können zielgruppenspezifisch selektiert werden und haben den Charme, dass die Nachricht nicht redaktionell verändert worden ist.
Kommunikation in Krisen – Krisen in der Kommunikation?
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Nach demselben Prinzip funktionieren auch O-Ton-Services, die als Hauptzielgruppe die zahlreichen Privatradios haben. Gerade kleine Sender, die bei großem Andrang nach Telefoninterviews oft chancenlos sind, nehmen diese Beiträge dankbar entgegen. Weniger positiv sind Video-Beiträge und „Footage“ (selbst gedrehtes vorbereitetes Schnittmaterial) für Fernsehsender zu beurteilen. Das Material wird von den TV-Sendern allenfalls als Ergänzung genommen. Immerhin verhindert man dadurch, dass unaktuelles oder falsches Archivmaterial über das eigene Unternehmen auf den Schneidetisch wandert. Um schnell und angemessen zu reagieren ist permanente Medienbeobachtung nötig. Selbstverständlich haben alle Kommunikatoren ein Auge auf den Tickermeldungen und der aktuellen Fernsehberichterstattung. Die systematische Auswertung (auch in Echtzeit) überlässt man besser den technisch perfekt ausgestatteten Profis von entsprechenden Mediendienstleistern. Für alle Krisen-Dienstleister gilt gleichermaßen: frühzeitig den Markt sondieren, Angebote vergleichen und Absprachen treffen bzw. die Dienste maßgeschneidert stand-by abonnieren.
3.4
Internet
Obwohl das Internet in der Echtzeitkommunikation eine Schlüsselrolle spielt, wird es in Krisen von den meisten Unternehmen noch dramatisch unterschätzt. Einer Umfrage zufolge gehen inzwischen mehr als 88 Prozent der Journalisten vor oder während ihrer Recherche auf die Unternehmens-Website (Hill & Knowlton 2004). Das Internet in Krisen nicht schnellstens mit umfassenden Informationen zu füttern ist ein Doppelfehler: Erstens beraubt sich der Kommunikationsmanager der Möglichkeit, frühzeitig Einfluss zu nehmen, und zweitens ist eine unaktuelle Website eine denkbar schlechte Visitenkarte. Im Umgang mit anderen Zielgruppen, etwa Kunden, nimmt eine aktuelle Website Anfragedruck von den Hotlines und Servicetelefonen. Damit eine Internetsite in Krisenfällen schnell zur Verfügung steht, empfehlen sich „Darksites“. Dies sind speziell vorbereitete Websites mit einfacher Grafik und einfacher Navigation, die entweder schon mit Texten bestückt sind oder mit Textbausteinen leicht und schnell angepasst werden können. Sie sind fertig im Netz und werden bei Bedarf nur freigeschaltet.
3.5
Krisenraum und Krisenausstattung
Manche Krisenexperten lieben den kriegerischen Namen „War Room“. Für den Krisenstab ist ein geeignet großer Raum, meist ein Konferenzraum, nötig. Bedingung: Er soll für die Stabs-
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Peter Höbel
mitglieder gut zu erreichen und darf von außen nicht einsehbar sein, sonst wird durch die Fenster fotografiert, gefilmt – und gelauscht. Der Zugang sollte bewacht oder abgeschirmt sein. Internet und Telekommunikation sind Standardausrüstung, ein oder mehrere Beamer, Whiteboards und Flipcharts haben sich bewährt. Ideal sind eine Ruhezone und Verpflegungsmöglichkeiten. Für den Einsatz außerhalb der Firma, beispielsweise bei Schadensereignissen auf dem flachen Land, ist ein fertig ausgerüsteter Krisenkoffer hilfreich. Der Krisenmanager oder Sprecher vor Ort hat in seinem mobilen Büro alle nötigen Utensilien und Geräte.
4.
Schlussbemerkung
Möglicherweise wirken die vielen hier aufgeführten Anforderungen abschreckend. Dies gilt jedoch nur für solche Unternehmen, die in ihrer Kommunikation bei Null anfangen. Kommunikationsmanager, die im Alltag einen verantwortungsbewussten Umgang mit den Medien und der Öffentlichkeit pflegen, werden ihr vorhandenes Instrumentarium nur ergänzen müssen. Allerdings sind auch für gut ausgestattete Kommunikatoren Krisen nicht aus dem Stand heraus zu bewältigen. Nur die ständige mentale Bereitschaft, Beobachtung der Krisenreaktionen anderer und laufende Aktualisierung der eigenen Prävention versprechen im Ernstfall eine gute Chance, Krisen unbeschadet zu überstehen. Denn in der Krisenarbeit ist die Frage nicht, ob ein Ereignis eintritt, sondern wann.
Literatur
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Internationale Unternehmenskommunikation
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Internationale Unternehmenskommunikation Simone Huck
Unternehmenskommunikation ist im Zeitalter der Globalisierung eine grenz- und kulturüberschreitende Aufgabe. Um eine global konsistente Reputation aufbauen zu können, muss internationale Unternehmenskommunikation als grenzüberschreitendes Kommunikationsmanagement angelegt sein. Ziele, Strategien und Pläne werden dann grenzüberschreitend festgelegt. Zugleich ist Kommunikation eine zutiefst kulturgebundene Aufgabe, so dass die Umsetzung dieser Pläne so individuell wie möglich in den einzelnen Ländern stattfinden sollte. „Think global, act local“, so lässt sich der zentrale Grundsatz internationaler Unternehmenskommunikation auf einen Nenner bringen. Der Beitrag gibt einen Überblick darüber, wie dieser Grundsatz im Rahmen der internationalen Unternehmenskommunikation zu verstehen ist und umgesetzt werden kann. Zunächst werden die zentralen Entwicklungslinien des Diskussionsfeldes umrissen. Im Anschluss werden nationale und globale Einflussfaktoren einer internationalen Kommunikationsarbeit kurz vorgestellt und in ihrer Bedeutung für die Wahl einer Internationalisierungsstrategie diskutiert. Schließlich richtet sich der Blick auf den Managementprozess grenzüberschreitender Unternehmenskommunikation und ausgewählte Fragen der Umsetzung.
1.
Einleitung
Die Internationalisierung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft hat die Rahmenbedingungen für Unternehmen verändert. Viele mittelständische und große Unternehmen sind heute „Global Player“, die in einer Vielzahl von Ländern Produktionsstandorte, Vertriebsniederlassungen oder Tochterunternehmen haben. Die Gründe für die Notwendigkeit einer internationalen Wirtschaftstätigkeit sind vielfältig: Outsourcing als ökonomischer Treiber dieser Entwicklung, stagnierende Märkte, zunehmend austauschbare Produkte oder die sich M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5_52, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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verändernden Stakeholder-Erwartungen haben neue Rahmenbedingungen und damit neue betriebswirtschaftliche Herausforderungen geschaffen. Nicht nur die unmittelbare Geschäftstätigkeit der Unternehmen ist von diesen Entwicklungen betroffen, sondern auch die Unternehmenskommunikation (Mast/Huck/Güller 2005: 3 ff.). Unternehmenskommunikation ist schon lange nicht mehr nur auf nationale Öffentlichkeiten beschränkt, sondern überschreitet zunehmend regionale, nationale und damit auch kulturelle Grenzen. Mit jedem neuen Land, auf das ein weltweit tätiges Unternehmen seine Kommunikationsarbeit ausweitet, vervielfachen sich die Herausforderungen. In Zeiten globaler Kommunikation ist auch die grenzüberschreitende Unternehmenskommunikation zu einer globalen Aufgabe geworden: Um einen größtmöglichen Beitrag zum Geschäftserfolg leisten zu können, muss sie in multinationalen Unternehmen die weltweiten Märkte im Blick haben. Ob Reputation, Image oder Vertrauen – die Zielgrößen der Kommunikationsarbeit machen nicht vor Ländergrenzen Halt. Internationale Unternehmenskommunikation ist deshalb auf der Ebene des Kommunikationsmanagements eine globale Aufgabe. Weltweite Zielsetzungen, eine grenzüberschreitende Kommunikationsstrategie und ein für alle Kommunikationsabteilungen verbindlicher Plan sind unabdingbare Voraussetzungen dafür, dass ein multinationales Unternehmen global konsistent auftritt. Zugleich sollten die Botschaften und Inhalte der Kommunikation ebenso wie die Wahl der Kommunikationskanäle möglichst passgenau auf die Zielgruppen vor Ort zugeschnitten sein. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher nationaler Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern kommt es deshalb darauf an, so lokal wie möglich zu kommunizieren. Allein schon die kulturellen Unterschiede in Wahrnehmung, Werthaltung, Sprache oder Kommunikationsstil setzen einer weltweit einheitlichen, standardisierten Kommunikation klare Grenzen (Huck 2004). Internationale Unternehmenskommunikation bewegt sich damit immer im Spannungsfeld zwischen Standardisierung und Differenzierung, zwischen einem globalen Kommunikationsmanagement und einer lokalen Kommunikationsarbeit.
Definition: Internationale Unternehmenskommunikation Der Begriff der internationalen Unternehmenskommunikation bezeichnet alle internen und externen Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens, deren Ziel es ist, Beziehungen zu Bezugsgruppen in anderen Nationen bzw. Kulturen aufzubauen. Es handelt sich also um länder- und kulturüberschreitendes Kommunikationsmanagement und seine Umsetzung vor Ort.
Während Fragen der Internationalisierung von Unternehmenskommunikation in der Praxis zunehmend intensiv diskutiert werden, liegen von Seiten der Wissenschaft bislang allenfalls erste Hinweise zum Thema vor. Zwar etablierte sich bereits ab Ende der 1960er Jahre das Forschungsfeld des internationalen Marketings (Perlmutter 1969, Sweeney 1970, Wind/ Douglas/Perlmutter 1973). Die Kommunikationswissenschaft jedoch beschäftigt sich erst in den letzten Jahren mit Fragen einer grenzüberschreitenden Unternehmenskommunikation, vor allem im Feld der Public Relations (PR) (Anderson 1989, Nally 1991, Wouters 1991,
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Kunczik 1992). Im Kern dieser neueren Ansätze stehen Fragen nach den Einflussfaktoren und der Praxis internationaler Unternehmenskommunikation. So wurde zum Beispiel untersucht, welche Strategien Unternehmen ihrer internationalen Kommunikationsarbeit zugrunde legen und wie sie diese umsetzen (Huck 2005), welche Rolle die Kultur eines Landes für die PR spielt (Huck 2004) und welche Bedeutung der Globalisierung für die Kommunikationsarbeit von multinationalen Unternehmen zukommt (Andres 2004). Auch Fragen nach grenzüberschreitenden Gemeinsamkeiten („General Principles“) und nationalspezifischen Ausformungen von PR („Specific Applications“) sind Gegenstand vor allem der amerikanischen Forschungstradition (Veri/Grunig/Grunig 1996, Wakefield 2001, MacManus 1997/2000). Bis heute wird das Forschungsfeld jedoch klar vom ländervergleichenden Ansatz dominiert. Nahezu alle Publikationen, die unter dem Titel oder Stichwort „Internationale PR“ erscheinen, bestehen aus einer Sammlung deskriptiver Ein-Länder-Studien. Im Rahmen dieser Beiträge werden die politischen, rechtlichen, ökonomischen, kulturellen Ausgangsbedingungen, das Mediensystem und gegebenenfalls weitere Rahmenbedingungen eines Landes in ihrer Bedeutung für die PR dargestellt und die jeweilige PR-Praxis vor Ort beschrieben. Das Label der Internationalität bezieht sich dann nicht auf grenzüberschreitende Kommunikation, sondern wird auf Grund der Zusammenstellung von Länderberichten zum Beispiel über Deutschland, Italien, Frankreich, Slowenien, Polen, China, Japan und Indien vergeben. In den letzten Jahren wurden vor allem für Europa, aber auch verstärkt für den asiatischen Raum solche Länderberichte vorgelegt (z. B. Sriramesh/Veri 2003, Culbertson/Chen 1996). Für Fragen grenzüberschreitender Unternehmenskommunikation bildet dieser Forschungszweig ein wichtiges Fundament, indem er die Rahmenbedingungen für die Ansprache von Zielgruppen innerhalb eines Landes untersucht. Die zentralen Fragen grenzüberschreitender, globaler Unternehmenskommunikation kann er jedoch nicht unmittelbar beantworten, so dass für die internationale Unternehmenskommunikation in erster Linie grenzüberschreitende Studien sowie Analysen der Kommunikationsarbeit multinationaler Unternehmen erforderlich sind. Aufgabe der internationalen Unternehmenskommunikation ist es, ein global konsistentes Image und eine weltweit stimmige Reputation zu schaffen, zu lenken und zu stärken. Zugleich wollen Journalisten, Mitarbeiter, Kunden, Investoren und eine Vielzahl weiterer Zielgruppen durch eine möglichst individuelle Kommunikation angesprochen, gewonnen und überzeugt werden. Zentrales Ziel der Unternehmenskommunikation ist es schließlich, Beziehungen zu wichtigen Stakeholdern herzustellen – eine Aufgabe, die nur durch eine glaubwürdige, vertrauensvolle und vor allem passgenaue Ansprache erreicht werden kann. Die zentralen Fragen internationaler Unternehmenskommunikation sind damit: Welche lokalen und globalen Rahmenfaktoren spielen für die Festlegung von Strategien und deren konkrete Ausgestaltung eine Rolle? Welche Strategien eignen sich zur Realisierung globaler und zugleich lokaler Ziele? Wie kann die Balance zwischen globalen und lokalen Aspekten beschaffen sein? Wie kann ein globales Kommunikationsmanagement aussehen, das zugleich genügend Spielraum für die Anpassung der unterschiedlichen Kommunikationsinstrumente an die Gegebenheiten des jeweiligen Landes lässt?
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2.
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Rahmenbedingungen internationaler Unternehmenskommunikation
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Internationalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ändern sich die Rahmenbedingungen für Unternehmenskommunikation kontinuierlich. Die Globalisierung ist einer jener Trends, die einen starken Einfluss auf die Anlage und Ausgestaltung von Unternehmenskommunikation haben (Andres 2004). Zugleich haben sich auch die nationalen Umfelder teilweise deutlich geändert. Denkt man zum Beispiel an den Wandel, dem die Unternehmenskommunikation derzeit in den osteuropäischen Ländern, im Baltikum oder auch in China im Zuge der sich aktuell vollziehenden Veränderungen unterliegt, so wird das komplexe Umfeld der internationalen Unternehmenskommunikation deutlich. Aber auch Länder, in denen die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen über die Zeit hinweg weitgehend stabil bleiben, unterliegen einem kontinuierlichen Wandel. Vor allem die kulturellen Rahmenbedingungen sind es, die der Globalisierung deutliche Grenzen setzen und nationale Unterschiede weiterhin aufrechterhalten. Es sind vor allem die politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen, technologischen und kulturellen Faktoren, die die nationale und internationale Unternehmenstätigkeit prägen. Für die Unternehmenskommunikation treten darüber hinaus medienbezogene Faktoren (z. B. Mediensystem) und adressatenbezogene Faktoren (z. B. Aktivismuspotenzial, Meinungsführer, Individualisierungsgrad der Zielgruppen) hinzu (Huck 2006). Diese externen Rahmenfaktoren spielen sowohl auf der Ebene des jeweiligen Landes als auch auf globaler Ebene eine Rolle. Sie variieren von Kontext zu Kontext. Im Gegensatz dazu sind die Rahmenfaktoren, die innerhalb des multinationalen Unternehmens für die internationale Unternehmenskommunikation bestehen, über Ländergrenzen hinweg weitgehend stabil (vgl. Abbildung 1). Betrachtet man die internen Rahmenfaktoren, so handelt es sich vor allem um interne Strukturen, Prozesse und grundlegende Ziele des Unternehmens, die über Länder- und Kulturgrenzen hinweg stabil sein sollten. Unternehmenskultur, Unternehmensphilosophie oder Corporate Identity spielen hier ebenso eine Rolle wie die Zielsetzung und strategische Ausrichtung des Unternehmens und die organisatorischen Grundlagen. Mit Blick auf die Unternehmenskommunikation kommt ihnen vor allem deshalb eine große Bedeutung zu, weil sie meist die (historisch gewachsene oder bewusst festgelegte) Kompetenzverteilung zwischen internationaler Zentrale und lokalen Einheiten mit beeinflussen.
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Abbildung 1:
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Das Spannungsfeld internationaler Unternehmenskommunikation
Neben den internen Faktoren muss ein multinational tätiges Unternehmen im Rahmen seiner Kommunikationsarbeit vor allem auch die externen Rahmenbedingungen für die Unternehmensplanung und Strategiefindung berücksichtigen. Diese nationalen und internationalen Faktoren der Unternehmensumwelt variieren von Land zu Land teilweise stark und können deshalb eine spezifische Adaption notwendig machen: Politische Rahmenbedingungen beziehen sich in erster Linie auf die politische Stabilität und das politische System eines Landes. Beide können z. B. auf ökonomische Rahmenbedingungen oder auf das Mediensystem Einfluss nehmen und wirken sich dann mittelbar etwa auf die Pressearbeit aus. Eine direkte Bedeutung haben politische Faktoren für die politische Kommunikation, v. a. aber für das Lobbying. Beispiele für die Rolle der rechtlichen Rahmenbedingungen sind die spezifischen Werbevorschriften für öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland, rechtliche Maßgaben für die Kennzeichnung von Anzeigen und Advertorials oder auch die Maßgaben für die Ad-hocPublizität im Rahmen der Investor Relations.
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Ein weiterer Faktor sind ökonomische Rahmenbedingungen in Verbindung mit technologischen Faktoren. Unter ökonomischen Faktoren wird das Wirtschaftssystem eines Landes und mit ihm das Ausmaß des Wettbewerbs vor Ort verstanden. Technologische Gegebenheiten beziehen sich mit Blick auf die Unternehmenskommunikation z. B. auf die Verbreitung von Internet oder TV-Medien, was Auswirkungen auf die Struktur und Erwartungshaltung von Stakeholdern oder für die Gestaltung der Pressearbeit, der Mediaplanung oder auch der internen Kommunikation haben kann. Die technologischen Rahmenbedingungen beeinflussen somit in erster Linie die Verfügbarkeit von Kommunikationskanälen, jedoch haben sie auch Auswirkungen auf die Möglichkeiten der internen Koordination und Abstimmung internationaler Unternehmenskommunikation (z. B. über weltweite Informationsdatenbanken). Kulturelle Aspekte beziehen sich auf Werthaltungen, normative Prinzipien, Mentalitäten und die kulturelle Prägung der Menschen eines Landes. Sie beeinflussen Einstellungen, Verhaltensweisen und Wahrnehmungen. So sind z. B. die Farbwahrnehmung und -bedeutung von Kultur zu Kultur unterschiedlich, was bei der Entwicklung einer Hausfarbe oder der Gestaltung von Werbemitteln oder PR-Anzeigen bedacht werden muss. Für die Unternehmenskommunikation gewinnen neben den internen und externen Rahmenfaktoren eigene, kommunikationsspezifische Einflussfaktoren an Bedeutung. Diese sogenannten medial-kommunikativen Umwelteinflüsse sind ausschließlich bzw. in erster Linie für die Unternehmenskommunikation von Bedeutung und treten für andere Bereiche der Unternehmenstätigkeit eher in den Hintergrund (Huck 2006: 373 f.). Medial-kommunikative Faktoren lassen sich in drei Kategorien fassen: Zu den adressatenbezogenen Faktoren gehören all jene Rahmenfaktoren, die durch die unterschiedlichen nationalen oder internationalen Bezugs- und Zielgruppen sowie Meinungsführer vorgegeben werden. Struktur, Bedeutung und Erwartungen der unterschiedlichen Stakeholder können von Land zu Land variieren. Auch die Rolle und Bedeutung sowie die Zusammensetzung von Meinungsführern können je nach Kultur unterschiedlich sein. Unterschiede in Sprache, Mentalität, Wahrnehmungsmustern, Bewertungsmaßstäben und Kommunikationsstil spielen ebenso eine Rolle, so dass die Verbindung zwischen adressatenbezogenen Faktoren und der Kultur besonders stark ausgeprägt ist. Ein weiterer Faktor ist der Aktivismus, der innerhalb eines Landes oder länderübergreifend zum Tragen kommt. Neben diese allgemeinen Elemente treten individuelle Besonderheiten der einzelnen nationalen Zielgruppen: Wie können Journalisten am besten angesprochen werden, um das Unternehmen in den Medien zu positionieren? Wie kann das Vertrauen von Anwohnern vor Ort gewonnen und erhalten werden? Wie müssen Politiker und Verbandsvertreter eines Landes im Rahmen des Lobbyings angesprochen werden? Medienbezogene Faktoren, die sich auf Besonderheiten der Medienlandschaft (z. B. Medienverfügbarkeit, -system, -nutzung) beziehen, sind vor allem für die Pressearbeit und Anzeigenwerbung von Bedeutung. Einerseits zeigen sich Unterschiede in der Mediennutzung in unterschiedlichen Kulturräumen; andererseits bestehen bei den Medien nationale Unterschiede in Reichweite, Bedeutung, Verfügbarkeit und Zugänglichkeit. Während
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in den meisten westlichen Ländern die Unabhängigkeit der Redaktionen in den Leitsatz „never pay for coverage“ mündet, kann redaktionelle Berichterstattung in östlichen und asiatischen Ländern häufig bezahlt, durch Geschenke erkauft oder durch Vetternwirtschaft erwirkt werden (z. B. in Russland, China). Neben der nationalen Ebene spielt im Rahmen der medienbezogenen Faktoren auch die globale Medienarena eine Rolle. Auch wenn bislang nur sehr wenige wirklich grenzüberschreitende Medien wie CNN, Business Week, Financial Times oder Wall Street Journal existieren, so lässt sich zumindest eine internationalisierte Berichterstattung nationaler Medien sowie eine internationale Medienagenda für die Pressearbeit nutzen. Mit Blick auf die öffentliche Meinungsbildung kommt der internationalen Medienarbeit eine zentrale Rolle zu.
3.
Management grenzüberschreitender Unternehmenskommunikation
Die zahlreichen nationalen und grenzüberschreitenden Rahmenbedingungen zeigen deutlich, dass internationale Unternehmenskommunikation in einem komplexen Umfeld angesiedelt ist. Ob Mitarbeiter eines Konzern weltweit informiert werden sollen oder Journalisten in aller Welt über eine Entscheidung der Unternehmensleitung informiert werden sollen – der Informationsfluss endet längst nicht mehr an Ländergrenzen. Besonders in den letzten Jahren hat sich die Schlagzahl internationaler Kommunikation noch einmal deutlich erhöht: Das Internet ist einer der ersten wirklich globalen Kommunikationskanäle, der Informationen für Milliarden von Menschen in aller Welt verfügbarer macht. Vor dem Hintergrund dieser Aufhebung von räumlichen und zeitlichen Grenzen werden erhöhte Anforderungen an eine weltweit integrierte, kontinuierliche und konsistente Kommunikation gestellt. Neben Image und Reputation sind es vor allem Glaubwürdigkeit und Vertrauen, die durch die globale Übereinstimmung von Reden und Handeln gewährleistet werden müssen. Um dieses Ziel der globalen Konsistenz zu erreichen, legen nahezu alle multinationalen Unternehmen ihrer internationalen Kommunikation eine One-Voice-Policy zu Grunde. Internationale Unternehmenskommunikation, so die Überzeugung, müsse auf globalen Zielen und Strategien beruhen, die durch eine systematisch geplante und abgestimmte Kommunikation in den einzelnen Ländern umgesetzt werde. Dazu ist ein strategisches Kommunikationsmanagement erforderlich, das sich wie jeder Managementprozess entlang von vier Prozessphasen vollzieht: Analyse, Planung, Implementation, Evaluation. Im Rahmen des Managements internationaler Unternehmenskommunikation werden in einem ersten Schritt nationale Umfelder sowie die globalen Rahmenbedingungen analysiert. Diese Analyse vollzieht sich in der Praxis in der Regel in enger Abstimmung zwischen der Zentrale
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für internationale Unternehmenskommunikation und den nationalen Kommunikationseinheiten eines multinationalen Unternehmens. Wichtiger Bestandteil dieser ersten Phase kann dabei das Issues Management sein, bei dem es sich um ein Instrument zur strategischen Früherkennung von für das Unternehmen konflikthaltigen oder chancenreichen Themen handelt (Wiedemann/Ries 2007). Im Zuge einer weitgehend globalisierten Informations- und Kommunikationsinfrastruktur entwickeln sich solche Themen nur noch selten innerhalb der Grenzen eines Landes. Die Erkennung und Beobachtung solcher Themen findet heutzutage dementsprechend global statt, auch wenn ihre Bearbeitung dann durchaus lokal erfolgen kann. Sind die Rahmenbedingungen analysiert, zu bearbeitende Themen oder Aufgaben festgelegt, so werden in der zweiten Stufe des Managementprozesses der internationalen Unternehmenskommunikation strategische und taktische Ziele festgelegt. In der Regel werden die Ziele in einem ersten Schritt auf globaler Ebene formuliert und dann auf die einzelnen Länder oder Regionen heruntergebrochen (Huck 2006). Aus den Zielen werden schließlich Strategien abgeleitet, die sich ebenfalls zwischen globalen und nationalspezifischen Elementen aufspannen lassen. Welche Strategien sind es, die im Rahmen der internationalen Unternehmenskommunikation verfolgt werden können? Diese Frage ist eine der Kernfragen internationaler Unternehmenskommunikation – sowohl in der Praxis als auch in der Forschung (Huck 2001). Wenn internationale Unternehmenskommunikation ein grenzüberschreitendes, schlüssiges Ganzes sein soll, so muss zwangsläufig grenzüberschreitend gedacht und gehandelt werden. Dieser Anforderung trägt die sogenannte Standardisierungs- oder Globalisierungsstrategie Rechnung. Sie ist darauf ausgelegt, Unternehmenskommunikation über Ländergrenzen hinweg so einheitlich wie möglich zu betreiben, indem eher globale, integrative Aspekte betont werden. Gerade mit Blick auf ein konsistentes Image oder die One-Voice-Policy gewinnt die Standardisierung internationaler Kommunikation an Bedeutung. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht lassen sich zudem Synergieeffekte, die Möglichkeit des einfachen Know-how-Transfers über Ländergrenzen hinweg oder eine vergleichsweise hohe Effizienz als Pluspunkte dieser strategischen Stoßrichtung verbuchen. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern stößt die Standardisierungsstrategie jedoch an klare Grenzen. Eine weltweite Standardisierung aller Aspekte der Unternehmenskommunikation ist weder möglich noch sinnvoll, sollen Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und Kulturen angesprochen werden. Kommunikation ist eine kulturspezifische Aufgabe, die eine im Idealfall individuelle Ansprache notwendig macht. Dieser Grundsatz liegt der Differenzierungs- oder Lokalisierungsstrategie zu Grunde. Sie ist darauf ausgelegt, Kommunikation durch eine möglichst weitgehende Adaption an die spezifischen Besonderheiten vor Ort zu betreiben. Im Gegensatz zur Strategie der Standardisierung kann hier eine wesentlich genauere Ansprache der relevanten Zielgruppen und Medien gelingen, allerdings auf Kosten von möglichen Synergien, Know-How-Transfer und einer einfachen Koordination. Standardisierung und Differenzierung sind Extremausprägungen eines Kontinuums, das die Praxis internationaler Unternehmenskommunikation erfasst. In der Regel bewegt sich grenz-
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überschreitende Kommunikation in der Mitte dieses Kontinuums, häufig sogar mit klarem Gewicht hin zur Differenzierung und Lokalisierung. Internationale Unternehmenskommunikation, so die aktuell vorherrschende Meinung, könne deshalb als „glokal“ bezeichnet werden. Diese Strategie, auch als standardisierte Differenzierung oder „Glokalisierungsstrategie“ bezeichnet, vereint sowohl lokale als auch globale Aspekte: „Think global, act local“, so lässt sich der Kern dieses Mittelwegs beschreiben (Bolten 2000, Morley 1996). Er versucht, die Stärken der Standardisierung mit den Vorteilen einer Differenzierungsstrategie zu verbinden. Dazu wird ein „international konsistentes Kommunikationsdach“ entwickelt (Bird 2001), in dessen Rahmen sowohl lokale bzw. nationale Besonderheiten als auch grenzüberschreitende Gemeinsamkeiten berücksichtigt werden. Die Strategie der standardisierten Differenzierung kann als grenzüberschreitende integrierte Kommunikation auf internationaler Ebene verstanden werden. Sie betont die Notwendigkeit der Anpassung an lokale Besonderheiten, ohne darüber die grenzüberschreitende Konsistenz und Effizienz zu vernachlässigen. Johanssen (2001: 53) bringt die zentrale Idee der standardisierten Differenzierung folgendermaßen zum Ausdruck: „Überall da, wo es um die Darstellung des Unternehmens als Ganzes geht, bedarf es eines international einheitlichen Auftritts.“ Im Rahmen der Glokalisierungsstrategie werden also globale, weitgehend standardisierte Aspekte mit differenzierten, an lokale Gegebenheiten adaptierten Aspekten zusammengeführt. Standardisiert wird überall dort, wo es um das Unternehmen als Ganzes geht: bei der Analyse, der Planung und der Strategiefindung für die Gesamtkommunikation ebenso wie bei der Abstimmung, Koordination und Kontrolle der lokalen Kommunikationsabteilungen. Im Gegensatz dazu wird an kulturelle Besonderheiten immer dann angepasst, wenn es um die Ansprache, Bindung und Überzeugung von lokalen Zielgruppen geht. Die eigentliche Kommunikation, die dann im Rahmen der Implementationsphase des Managementprozesses stattfindet, ist lokalspezifisch differenziert. Die Implementierung erfolgt also schließlich – je nach Zielgruppe, Instrumenten und Maßnahmen – differenziert. Die Strategie der standardisierten Differenzierung findet somit für jede Zielgruppe und bei jedem Instrument eine individuelle Ausprägung auf dem Spektrum zwischen Standardisierung und Differenzierung.
4.
Glokale Kommunikationsarbeit
Internationale Unternehmenskommunikation kann zur Vermittlung ihrer Botschaften auf ein breites Spektrum an Handlungsfeldern, Instrumenten und Maßnahmen zurückgreifen. Neben der Mitarbeiterkommunikation sind dies vor allem Pressearbeit, Kundenkommunikation und Investor Relations (vgl. hierzu die Beiträge in den Kapiteln 2.5 und 3.1 dieses Handbuchs). Hinzu können spezialisierte Formen wie zum Beispiel die Community Relations (die Kommunikation mit Anwohnern und Nachbarn der Unternehmensstandorte) oder die
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Kommunikation mit Kooperationspartnern, Händlern oder Lieferanten treten. Auch was die Instrumente anbelangt, steht der internationalen Unternehmenskommunikation dieselbe Palette zur Verfügung wie der nationalen Unternehmenskommunikation: Face-to-Face-Kommunikation, schriftliche und digitale Kommunikation, Einweg- und Zweiweg-Instrumente oder Maßnahmen zur Information, zur emotionalen Bindung oder um ein gewünschtes Verhalten (z. B. Kauf) auszulösen. Je nachdem um welche Themen es sich handelt und welche Zielgruppen angesprochen werden, variiert im Rahmen der internationalen Unternehmenskommunikation der Standardisierungs- bzw. Differenzierungsgrad (Huck 2006). Die Investor Relations etwa ist eines der wenigen Handlungsfelder, die weitgehend global, also standardisiert umgesetzt werden. Analysten, Fachjournalisten und institutionelle Investoren sind per se global orientiert, so dass sie weltweit mehr oder weniger einheitlich adressiert werden können. Nichtsdestotrotz: Die Kommunikation mit diesen wichtigen Zielgruppen erfolgt meist im Rahmen von persönlichen Kontakten, die über Jahre hinweg aufgebaut und systematisch gepflegt werden. Von ihrer Anlage, ihrem Hintergrund und ihrem Internationalisierungsgrad her sind sie dasjenige Handlungsfeld im Rahmen internationaler Unternehmenskommunikation, das am „globalsten“ angelegt ist. Im Gegensatz dazu ist die Pressearbeit eine Aufgabe, die nahezu ausschließlich differenziert betrieben wird. Dies liegt einerseits an der Ausrichtung der Zielgruppe, der Journalisten selbst. Als Vertreter lokaler, überregionaler oder nationaler Medien sind Redakteure und freie Journalisten in der Regel in einem klar umgrenzten nationalen Markt tätig, den sie sich über persönliche Kontakte in Pressestellen erschließen. Was bei lokalen Themen (Themen ohne grenzüberschreitende Relevanz) selbstverständlich ist, gilt auch weitgehend für internationale Botschaften: Auch Themen von grenzüberschreitender oder gar weltweiter Reichweite werden von Pressefachleuten vor Ort an die nationalen Medien herangetragen. Der Versand einer Pressemitteilung zum Beispiel von Deutschland aus an einen Medienverteiler von mehreren tausend Journalisten in aller Welt ist in der Regel wenig aussichtsreich, denn Pressearbeit ist eine Frage des persönlichen Kontakts, der regelmäßigen Interaktion und der Reputation und Glaubwürdigkeit des jeweiligen Pressesprechers vor Ort. Die Praxis zeigt, dass selbst globale Botschaften – also Themen, die weltweit so konsistent wie möglich kommuniziert werden müssen – über persönliche Kontakte vor Ort in die Medien getragen werden. Die Botschaft, kann z. B. in Form einer Pressemitteilung in der Zentrale für internationale Unternehmenskommunikation formuliert und gegebenenfalls übersetzt worden sein, die Übermittlung der Pressemitteilung erfolgt in den meisten multinationalen Unternehmen über die lokalen Kommunikationsabteilungen. Sollen europaweit oder international verfügbare Medien angesprochen werden, so ist auch hier der persönliche Kontakt entscheidend. Meist wird dieser persönliche Kontakt dann in jenem Land hergestellt, in dem die jeweiligen Medien ihren Sitz haben. Das Beispiel der Finanzpressearbeit verdeutlicht dies: Fachleute für Finanzkommunikation sitzen an jenen Orten der Welt, wo sich die Finanzmärkte und damit auch die Korrespondenten befinden. In Europa etwa haben viele multinationale Unternehmen eine starke Dependance ihrer Finanzpressearbeit in London. Das Beispiel zeigt: Pressearbeit kann im Gegensatz zur Investor Relations sowohl
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stärker standardisiert als auch stark differenziert sein. Die konkrete Ausprägung hängt vom Internationalisierungsgrad der jeweiligen Zielgruppe und vom zu vermittelnden Thema ab (Huck 2005, 2006). In der Regel jedoch ist sie eher lokalspezifisch adaptiert als standardisiert. Als Beispiel für ein Handlungsfeld, das eher in der Mitte des Kontinuums der standardisierten Differenzierung angesiedelt ist, kann die internationale interne Kommunikation genannt werden. Führt man sich zum Beispiel das Intranet vor Augen (Mickeleit 2007), so wird in multinationalen Unternehmen meist mit Portallösungen gearbeitet. Die Mitarbeiter erhalten so lokale Inhalte und weltweite Informationen auf derselben Oberfläche, häufig ohne dass für den User überhaupt erkennbar ist, ob die nationale Kommunikationsabteilung oder das internationale Kommunikations-Headquarter diese Informationen eingestellt hat. Auch die Mitarbeiterzeitschrift ist heute weitgehend international. Ob es sich um einen weltweit einheitlichen Mantel handelt, der lediglich noch übersetzt wird, oder ob Themen und Informationen des Gesamtkonzerns in ein lokal produziertes Heft aufgenommen werden: Mitarbeiter werden im Rahmen der internationalen internen Kommunikation sowohl standardisiert als auch differenziert angesprochen. Die Verwendung einer weltweit verbindlichen Konzernsprache vereinfacht dies heutzutage deutlich.
Abbildung 2:
Strategien internationaler Unternehmenskommunikation
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Abbildung 2 zeigt die beiden Dimensionen, die den Standardisierungs- bzw. Differenzierungsgrad beeinflussen, im Überblick: Einerseits sind es Reichweite und Relevanz der Themen, die Gegenstand der Kommunikation sind; andererseits spielt der Internationalisierungsgrad der jeweiligen Zielgruppe eine wichtige Rolle. Der Internationalisierungsgrad der Unternehmenskommunikation spiegelt die Internationalität der Zielgruppen wider. Ein fixer Punkt auf dem Kontinuum lässt sich für die einzelnen Handlungsfelder freilich nicht festsetzen, so dass die Bandbreiten der in Abbildung 2 dargestellten Instrumente lediglich als exemplarische Näherungen zu verstehen sind.
5.
Zusammenfassung und Ausblick
Von internationaler Unternehmenskommunikation kann immer dann die Rede sein, wenn Strategien, Programme und Maßnahmen der Unternehmenskommunikation grenzüberschreitend geplant, umgesetzt und gesteuert werden. Die Umsetzung dieser Strategien und Programme erfolgt dann in der Regel vor Ort in den einzelnen Ländern durch nationale Kommunikationsfachleute so lokalspezifisch wie möglich. Lediglich einige wenige globale Themen und global ausgerichtete Zielgruppen können bislang mittels weitgehend standardisierter Kommunikation erreicht werden. Internationale Unternehmenskommunikation besteht also meist aus lokaler Kommunikation, die jedoch durch einen globalen, integrativen Planungs- und Steuerungsprozess zusammengehalten wird, der aus der Summe der nationalen Kommunikationsaktivitäten ein internationales Ganzes werden lässt. Zentrale Erfolgsgrößen sind dabei ein weltweit konsistentes Image, eine globale Reputation und ein auf Dauer angelegtes Vertrauens- und Beziehungsmanagement. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher, teilweise hochkomplexer nationaler und internationaler Rahmenbedingungen muss eine internationale Unternehmenskommunikation auf einem systematischen Planungsprozess beruhen und Teil des strategischen Managements sein. Nur dann kann sie einen Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens oder Konzerns leisten. Ihre Handlungsfelder, Instrumente und Maßnahmen müssen dabei vor dem Hintergrund der globalen Ziele, der Strategie und des weltweiten Kommunikationsplans zusammenspielen und ineinander greifen. Je nach Thema und Zielgruppe kann die operative Umsetzung des Plans dann differenziert oder stärker globalisiert erfolgen, tendenziell befindet sich die Praxis internationaler Kommunikation jedoch eher am lokalisierten Ende der Glokalisierungsskala.
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Literatur
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Die Herausgeber
Manfred Piwinger, Dipl.-Ing., Jg. 1936, ist seit 1998 Unternehmens- und Kommunikationsberater in Wuppertal. Zuvor war er langjährig in verschiedenen Industrieunternehmen tätig, zuletzt 20 Jahre als Kommunikationschef bei dem erfolgreichen Familienunternehmen Vorwerk & Co. Für seine Praxisarbeiten, insbesondere den Vorwerk-Geschäftsbericht, wurde er mit dem Deutschen PR-Preis und in Helsinki mit dem „PR-Oscar“, dem „Golden World Award“ der IPRA International Public Relations Association, ausgezeichnet. Manfred Piwinger ist Mitglied des Deutschen Rats für Public Relations, Lehrbeauftragter am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig sowie an der Fachhochschule Gelsenkirchen; außerdem Mitglied und langjähriger Vorsitzender der Jury für den Deutschen PR-Preis. Er ist Mitglied im Beirat der econet AG, München, und hat umfangreich zu Themen wie Unternehmenskultur, Kommunikations-Controlling und Finanzberichterstattung publiziert. Aktuelle Bücher: Ausgezeichnete PR. Von Profis lernen: Fallbeispiele exzellenter Kommunikation (Frankfurt a. M. 2002), Ausgezeichnete Geschäftsberichte (Frankfurt a. M. 2003), Kommunikations-Controlling – Kommunikation und Information quantifizieren und finanziell bewerten (Wiesbaden 2005), Praxishandbuch Investor Relations – Das Standardwerk der Finanzkommunikation (Wiesbaden 2005). Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Ansgar Zerfaß, Dipl.-Kfm., Dr. rer. pol. habil., Jg. 1965, ist Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig. Darüber hinaus wirkt er als Berater für Unternehmen und Institutionen sowie in der Executive-Weiterbildung in Deutschland, Österreich und der Schweiz, u. a. an der Donau-Universität Krems und der Universität St. Gallen. Nach dem Studium mehrjährige Tätigkeit am Lehrstuhl für Unternehmensführung der Universität Erlangen-Nürnberg, Promotion in Betriebswirtschaftslehre, Habilitation für Kommunikationswissenschaft. Mehr als zehn Jahre Erfahrung in leitenden Funktionen der Unternehmenskommunikation und Politikberatung, zuletzt für eine Landesregierung. Die wissenschaftlichen Arbeiten von Ansgar Zerfaß wurden ebenso wie die von ihm betreuten Kommunikationsprojekte mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Ludwig-Schunk-Preis für Wirtschaftswissenschaften, dem Deutschen PR-Preis und dem Deutschen Multimedia Award. Im Herbst 2005 wurde er zum „PR-Kopf des Jahres“ in Deutschland gewählt. Aktuelle Bücher: Unternehmensführung und Öffentlichkeitsarbeit, 2. Auflage (Wiesbaden 2004), E-Content – Technologies and Perspectives for the European Market (Berlin/Heidelberg/New York 2005), Wertschöpfung durch Kommunikation (Frankfurt a. M. 2005), Die neuen Meinungsmacher (Graz 2005), Innovationskommunikation in dynamischen Märkten (Berlin/Münster 2006). Kontakt: [email protected]
M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
Die Autoren
Dr. Grit Mareike Ahlers, Jg. 1975, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Marketing und Unternehmensführung der Universität Basel. Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und an der Universidad Complutense de Madrid, Spanien. Dissertation zum Prozessmanagement der integrierten Kommunikation. Kontakt: [email protected] Dr. Marco Althaus, Jg. 1971, ist Akademischer Direktor des Deutschen Instituts für Public Affairs, Berlin, sowie selbstständiger Unternehmensberater für Kommunikation und Politik. Studium der Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, der Duke University, Durham, North Carolina, und der Graduate School of Political Management, George Washington University, Washington D.C., Promotion in Göttingen. Redaktionsvolontariat und Berufserfahrung als Tageszeitungsjournalist sowie als Leiter der Pressestelle des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr. Mehrere Publikationen zu den Themen Politische Kommunikation, Lobbyismus und Public Affairs. Kontakt: [email protected] Dr.-Ing. Kay Alwert, Jg. 1970, ist Eigner und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens alwert., Berlin, das sich auf Entwicklung, Training und Implementierung im Bereich Wissensbilanzierung, strategisches Management, Prozess- und Wissensmanagement konzentriert. Nach seiner Tätigkeit als Projektleiter im Bauwesen war er bis 2006 im Bereich Unternehmensmanagement des Fraunhofer Institut Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (Fraunhofer IPK) in Berlin tätig, wo er 2005 zum Thema Wissensbilanzierung promovierte. Er verantwortete u. a. die Entwicklung und deutschlandweite Implementierung von Wissensbilanzen in kleinen und mittelständischen Unternehmen, Konzernen und Forschungsorganisationen und ist Gründungsmitglied des „Arbeitskreis Wissensbilanz“. Kontakt: [email protected] Dorothee Baumann, Dipl. Verw.wiss., M. A., Jg. 1978, ist Research Consultant bei der Fair Labor Association, Genf/Washington D. C., sowie Doktorandin am Institut für Organisation und Unternehmenstheorien der Universität Zürich. Sie studierte Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz und Politikwissenschaft an der Rutgers University, Newark (NJ). Kontakt: [email protected] Dr. Vazrik Bazil, Jg. 1966, ist PR-Berater für Unternehmen, Agenturen und politische Organisationen in Berlin mit den Schwerpunkten Sprachmanagement, Reputation Management und Personality-PR. Studium der Philosophie, Psychologie, Germanistik und Theologie in Rom und München, anschließend Promotion in Philosophie. PR-Ausbildung an der BayeriM. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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schen Akademie für Werbung und Marketing (BAW) sowie mehrere Jahre Referent im Deutschen Bundestag. Mitbegründer der DPRG-Landesgruppe Sachsen-Anhalt und Vorstandsmitglied des Verbandes der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS). Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Günter Bentele, Jg. 1948, ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentlichkeitsarbeit/PR an der Universität Leipzig. Studium der Germanistik/Linguistik, Soziologie, Publizistikwissenschaft und Philosophie. Promotion und Habilitation an der Freien Universität Berlin, dann Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Bamberg. Gastprofessuren an den Universitäten Zürich und Lugano (Schweiz), Jyväskylä (Finnland), Klagenfurt (Österreich) und Riga (Lettland), Visiting Research Professor an der Ohio University Athens/Ohio (USA). Bentele wurde als „PR-Kopf des Jahres 2004“ in Deutschland ausgezeichnet und ist Mitglied des Board of Directors der EUPRERA European Public Relations Education and Research Association. Zahlreiche Aufsätze und Bücher, darunter Standardwerke zur öffentlichen Kommunikation und zu den wissenschaftlichen Grundlagen der Public Relations. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Hans-Werner Bierhoff, Jg. 1948, ist Professor für Sozialpsychologie an der RuhrUniversität Bochum. Promotion und Habilitation in Bonn, anschließend Professor und Dekan an der Universität Marburg. Arbeitsschwerpunkte: Fairness und Gerechtigkeit, Solidarität und Prosoziales Verhalten, Enge Beziehungen, Interpersonelles Vertrauen und Kommunikation. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Ingwer Borg, Jg. 1945, ist wissenschaftlicher Leiter am Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen e.V. (ZUMA) in Mannheim, Inhaber der Stiftungsprofessor für angewandte psychologische Methodik an der Universität Gießen, sowie Partner bei der Human Resources Consulting GmbH, München. Borg ist Autor zahlreicher Bücher und Artikel zur sozialwissenschaftlichen Methodik (insbesondere zur Skalierung und zu Mitarbeiterbefragungen) und zu inhaltlichen Themen wie Arbeitswerten, Arbeitszufriedenheit, Einstellungen oder der Psychologie von Ähnlichkeits- und Präferenzurteilen. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Manfred Bruhn, Jg. 1949, ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Unternehmensführung, am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ) der Universität Basel sowie Honorarprofessor an der Technischen Universität München. Studium der Betriebswirtschaftslehre sowie Promotion und Habilitation; danach Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Handel an der European Business School (ebs), Oestrich-Winkel. Verfasser und Herausgeber zahlreicher Standardwerke zum Marketing und zur Integrierten Kommunikation. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Eugen Buß, Jg. 1943, ist Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie und empirische Sozialforschung an der Universität Hohenheim, Stuttgart, sowie Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Identity Foundation – Gemeinnützige Stiftung, Düsseldorf. Nach dem Studium der Soziologie und Volkswirtschaft in Deutschland, Schweiz und den USA war Buß zunächst in einem multinationalem Konzern und einer Unternehmensberatung tätig.
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Anschließend habilitierte er sich im Fach Soziologie. Gastprofessur an der Kulturakademie Riga. Forschungsschwerpunkte: Identitätsforschung, Elitenforschung, Unternehmensführung, Organisationskommunikation und Wertewandel. Zahlreiche Projektkooperationen mit Unternehmen und öffentlichen Institutionen. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Helmut Ebert, Jg. 1958, ist Kommunikationsberater für Wirtschaft, Politik und Verwaltung sowie Außerplanmäßiger Professor für Linguistik/Organisationskommunikation an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Er hatte Gastprofessuren und Lehraufträge u. a. an der Technischen Universität Chemnitz, an der RWTH Aachen und am Zentrum für strategische Unternehmensführung und Leadership der Leopold-FranzensUniversität Innsbruck. Arbeitsschwerpunkte: Verständlichkeitsforschung, Corporate Language, Sprache und Leadership, europäische Kommunikationskultur. Kontakt: [email protected] Dr. Susanne Fengler, Jg. 1971, ist Kommunikationswissenschaftlerin und Lehrbeauftragte für Organisationskommunikation und Journalismusforschung an den Universitäten Zürich und Luzern. Zuvor Stationen als Oberassistentin an der Universität Zürich und als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin. Sie studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Berlin und an der Columbia University, New York, promovierte über Medienjournalismus in den USA und hat zudem als Journalistin sowie in der Politischen Kommunikation gearbeitet. Kontakt: [email protected] Christian Fieseler, lic. oec. HSG, Jg. 1978, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen. Er studierte Medienund Kommunikationsmanagement in St. Gallen und Shanghai und befasst sich im Rahmen seiner Forschungstätigkeit mit Fragen der Wirkungs- und Erfolgsmessung von Kommunikation im unternehmerischen Kontext. Kontakt: [email protected] Thorsten Fischer, Jg. 1972, ist als Rechtsanwalt im Bereich Corporate/M&A bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (vormals: Andersen Legal) in Düsseldorf tätig. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Osnabrück sowie Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre an der Universität Münster. Fischer ist in erster Linie mit gesellschaftsrechtlichen Transaktionen auf nationaler und internationaler Ebene befasst. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen dabei in den Bereichen Mergers & Acquisitions, Aktien- und Kapitalmarktrecht sowie (Teil-)Privatisierungen der öffentlichen Hand. Kontakt: [email protected] Prof. Charles J. Fombrun Ph. D., Jg. 1954, ist Executive Director des Reputation Institute, New York et al. Er ist ferner Professor emeritus an der Stern School of Business, New York University, an der er Management lehrte. Zuvor war er Fakultätsmitglied an der Wharton School. Fombrun ist Autor und Herausgeber zahlreicher Artikel und Bücher zum Reputationsmanagement. Kontakt: [email protected]
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Prof. Dr. Georg Franck, Dr. rer. pol., Jg. 1946, ist Professor für digitale Methoden in Architektur und Raumplanung an der Technischen Universität Wien. Studium der Philosophie, Architektur und Volkswirtschaftslehre in München. Langjährige Tätigkeit als freier Architekt und Entwickler von Software für die räumliche Planung, später auch als Unternehmer im Bereich der Entwicklung räumlicher Informationssysteme. Zahlreiche Veröffentlichungen zum Ausgleich von Ökonomie und Ökologie, zur Rolle der digitalen Medien in Architektur und Raumplanung, zur Ökonomie der Aufmerksamkeit und zur Philosophie der Zeit. Kontakt: [email protected] Dr. Katrin Henneke, Jg. 1969, ist Pressesprecherin der Stadt Arnsberg (Westfalen). Zuvor war sie als PR-Beraterin und Veranstaltungsmanagerin vor allem für Unternehmen und Verbände der Versicherungswirtschaft, Touristik und Gastronomie tätig. Henneke studierte Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster und promovierte dort über internationale Public Relations als Phänomen der Informationsgesellschaft. Kontakt: [email protected] Jutta Hensel, Dipl.-Kffr., Jg. 1973, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre – Information, Organisation und Management der Technischen Universität München. Forschungsschwerpunkt: Management von Unternehmensnetzwerken in der Automobilindustrie. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Dieter Herbst, Jg. 1960, ist Kommunikationsberater mit Schwerpunkt Bildkommunikation und Geschäftsführer der source 1 networks GmbH, Berlin. Er ist Honorarprofessor an der Universität der Künste Berlin, Honorarprofessor an der Lettischen Kulturakademie in Riga, Hauptdozent im Executive MBE der Universität St. Gallen sowie Gast an weiteren Universitäten und Hochschulen international. Darüber hinaus hat Herbst, der über langjährige Praxiserfahrung in der Unternehmenskommunikation von Schering verfügt, mehrere Praxishandbücher zum Kommunikations- und Markenmanagement verfaßt. Kontakt: [email protected] Peter Höbel, Jg. 1955, ist Managing Director der crisadvice Unternehmensberatung für Krisenmanagement, Frankfurt a. M. In dieser Funktion berät er Konzerne in RisikoBranchen, Ministerien und andere Organisationen. Höbel war früher Journalist (u. a. Stern, ARD-Hörfunk), Sprecher eines Ministeriums und langjährig Nachrichtenchef der Deutschen Lufthansa. Er ist Lehrbeauftragter am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Kontakt: [email protected] Christian Hoffmann, lic. oec. HSG, Jg. 1978, ist Forschungsassistent am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich der Wirkungsmessung und des Controllings von Kommunikationsmaßnahmen. Kontakt: [email protected]
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Prof. Dr. Christoph Hubig, Jg. 1952, ist Ordinarius für Philosophie an der Universität Stuttgart sowie Honorarprofessor an der Dalian University of Technology (VR China). Er war sechs Jahre Vorsitzender des Bereichs „Mensch und Technik“ des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und leitet als Kurator der Alcatel SEL-Stiftung das Studienzentrum Deutschland. Arbeitsgebiete: Wissenschaftstheorie, Technik- und Kulturphilosophie, anwendungsbezogene Ethik. Kontakt: [email protected] Dr. Simone Huck, Dipl. rer. com., Jg. 1977, ist Wissenschaftliche Assistentin am Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim, Stuttgart. Während des Studiums der Kommunikationswissenschaft arbeitete sie als Journalistin und freie Kommunikationsberaterin. Sie promovierte zum Verhältnis von Kultur und Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen internationaler PR. Spezialgebiete: Internationale Unternehmenskommunikation, Innovations- und Kundenkommunikation, Glaubwürdigkeit und Kommunikationsmanagement. Kontakt: [email protected] Dirk Immetsberger, Jg. 1974, ist Senior-Berater bei der Agentur Citigate Demuth GmbH, Frankfurt a. M. Der Diplom-Kaufmann berät seit mehreren Jahren Unternehmen in Fragen des Brandings, der Markenstrategie und ihrer kommunikativen Umsetzung. Zuvor war er im Finanzdienstleistungs- und Industriegütermarketing tätig. Kontakt: [email protected] Prof. Mag. Dr. Dr. Matthias Karmasin, Jg. 1964, ist Ordinarius für Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt. Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft, Philosophie und Betriebswirtschaft. Promotionen in Betriebswirtschaftslehre (WU Wien) und Philosophie, Habilitation für Kommunikationswissenschaft, jeweils an der Universität Wien. Lehrtätigkeiten in Österreich, USA und Deutschland; Professor für Medienwirtschaft an der Technischen Universität Ilmenau. Hauptforschungsgebiete: Kommunikationstheorie, Organisationskommunikation, Kulturtheorie und Kulturwissenschaft, Medienethik, Wirtschaftsethik, Medienökonomie, Medienmanagement. Kontakt: [email protected] Klaus Rainer Kirchhoff, Jg. 1956, ist Vorstandsvorsitzender der Kirchhoff Consult AG, Hamburg, einer der führenden Beratungsgesellschaften und Designagenturen für Kapitalmarktkommunikation. Der Rechtsanwalt arbeitet seit langen Jahren als Berater für Finanzkommunikation. Kirchhoff ist Mitglied der DVFA (Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management) und des National Investor Relations Institute (NIRI). Zudem wirkt er als Mitglied in der Jury des Manager Magazin zur Beurteilung von Geschäftsberichten sowie als Verfasser und Herausgeber von mehreren Büchern zu den Themen Geschäftsbericht und Investor Relations. Kontakt: [email protected] Mart Kivikas, Jg. 1967, ist Mitbegründer und Geschäftsführer von Wissenskapital Edvinsson & Kivikas GmbH mit Sitz in Oberreichenbach, Mittelfranken. Er studierte an der Stockholm School of Economics und lebt seit 1996 in Deutschland. Nach seiner Tätigkeit als
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Controller bei Unternehmen wie Unilever und Skanska gründete er 2001 mit Prof. Leif Edvinsson die Wissenskapital GmbH. Im Rahmen dieser Tätigkeit ist er als Projektmanager für das Projekt „Wissenbilanz – Made in Germany” (www.akwissensbilanz.org) tätig. Außerdem wirkt er als Experte für „intellectual capital reporting“ u. a. für die Europäische Kommission und das Ministry for Economics, Trade and Industry (METI) in Japan. Kontakt: [email protected] Oliver Klein, Jg. 1964, ist Gründer und Inhaber des Beratungsunternehmens cherrypicker – Agency Selection Service, Hamburg, sowie ehrenamtlich Vizepräsident des Kommunikationsverband e. V. Klein verfügt über langjährige Berufserfahrungen sowohl auf Kunden- als auch auf Agenturseite. Dabei hatte er verschiedene Funktionen bis zur Geschäftsleitung inne, u. a. bei edding AG, Bellevue & Moire AG, GREY, MSB+K, McCann-Erickson, ColemanSchmidlin. Er wirkt außerdem als Juror bei mehreren Branchenwettbewerben (Die Klappe, BoB Best of Business to Business, Coporate Design Award, CREA Credential Award) mit. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Joachim Klewes, Jg. 1954, berät als Senior Partner von PLEON Kohtes Klewes, Europas größter Agenturgruppe für PR und Public Affairs mit Sitz in Düsseldorf, deutsche und internationale Unternehmen zu Kommunikations- und Markenstrategien. Er war zuvor geschäftsführender Gesellschafter der komm.passion group GmbH, einer partnergeführten Kommunikationsagentur mit mehreren Standorten in Deutschland, sowie Gesellschafter und President Europe von Edelman Public Relations Worldwide, und hatte nach Stationen bei verschiedenen anderen Agenturen den heutigen Marktführer Kohtes Klewes gegründet. Klewes ist zudem Honorarprofessor am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Freien Universität Berlin und Gesellschafter des Forschungsinstitutes com.X, Bochum. Nach dem Studium der Germanistik, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Psychologie und Pädagogik promovierte er in Soziologie. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Klaus-Peter Konerding, Dr. phil. habil., Jg. 1957, ist Außerplanmäßiger Professor für Linguistik und Linguistische Kommunikationswissenschaft an der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg und Kommunikationsberater für Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Beratungs- und Forschungsschwerpunkte: Sprachliche Interaktion und kollektives Wissen, Kommunikations- und Wissensmanagement, Veränderungskommunikation, Leitbildentwicklung. Kontakt: [email protected] Michael Kuhn, Jg. 1965, ist Leiter der Abteilung Strategy, Controlling, News & Issues Management im Bereich Kommunikation der DaimlerChrysler AG, Stuttgart. Der studierte Betriebswirt ist unter anderem verantwortlich für die Entwicklung der Kommunikationsstrategie, den globalen Issuesmanagement-Prozess sowie das Reputationscontrolling. Daneben ist Michael Kuhn Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der Issues Management Gesellschaft (IMAGE) Deutschland e. V. Kontakt: [email protected]
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Prof. Dr. Claudia Mast ist Inhaberin des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim, Stuttgart. Sie studierte Kommunikationswissenschaft, Politische Wissenschaft und Romanische Philologie an der Universität München und absolvierte eine Berufsausbildung zur Redakteurin an der Deutschen Journalistenschule in München. Mast arbeitete lange Jahre bei Zeitungen und Rundfunk und war als leitende Angestellte und Abteilungsleiterin bei der Siemens AG für gesellschaftspolitische Informationsarbeit und Managementschulung verantwortlich. Sie habilitierte sich mit einer Analyse des Strukturwandels in den Kommunikationssystemen und ist Verfasserin zahlreicher praxisorientierter Publikationen zum Wirtschaftsjournalismus und zur Unternehmenskommunikation. Kontakt: [email protected] Dr. Karl-Heinz Maul, Jg. 1939, war als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater langjährig in leitender Stellung bei PricewaterhouseCoopers tätig. Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, anschließend Promotion an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Lehraufträge zum Bilanzrecht an den Universitäten in Frankfurt und Bochum. Schwerpunkte der praktischen und der wissenschaftlichen Tätigkeit waren und sind Unternehmens- und Anteilsbewertung, besonders in gesellschaftsrechtlichen Streitfällen, sowie die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten, insbesondere die Bewertung von Marken. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Klaus Merten, Jg. 1940, ist emeritierter Professor für empirische Kommunikationsforschung an der Universität Münster. Studium der Mathematik, Publizistik und Soziologie an den Universitäten Aachen, Münster und Bielefeld. Promotion über den Kommunikationsbegriff. Professor für empirische Sozialforschung an der Universität Gießen, dann in Münster. Merten ist Gründer der COMDAT Medienforschung GmbH sowie der Fernstudiengänge PR+plus und com+plus. Er erhielt Auszeichnungen von der ICA International Communiation Association (Top Award) und der Thyssen-Stiftung. Arbeitsgebiete: Theorie und Methoden der Kommunikationsforschung, Wirkungsforschung, Public Relations. Kontakt: [email protected] Thomas Mickeleit, Jg. 1958, ist Direktor Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Microsoft Deutschland GmbH, Unterschleißheim bei München, und verantwortet in dieser Funktion die Unternehmens- und Produktkommunikation des weltweit führenden Anbieters von Standardsoftware. Der Rechtswissenschaftler leitete nach Stationen bei der Berliner Krone AG und Grundig zuvor die Kommunikation von IBM in Deutschland und zuletzt innerhalb der Konzernkommunikation die Unternehmenskommunikation von Volkswagen. Mickeleit hat einen Lehrauftrag am Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim, Stuttgart. Kontakt: [email protected] Cornelius Muth, Jg. 1947, ist Geschäftsführer Werbung und Corporate Branding bei der Agentur Citigate Demuth GmbH, Frankfurt a. M. Der Diplom-Kommunikationswirt verfügt über langjährige Erfahrungen in Marketing, Werbung und Branding (u. a. Grey, Ogilvy,
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Unilever, TBWA) und berät Unternehmen in Fragen der Positionierung, Corporate Identity und Corporate Branding sowie der Umsetzung in ganzheitliche Kommunikationsstrategien. Kontakt: [email protected] Dr. Karl Nessmann, Mag., Jg. 1956, ist Assistenz-Professor an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Er forscht und lehrt dort im Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Organisationskommunikation/PR. Nessmann ist Begründer und Leiter des Klagenfurter Universitätslehrganges für Öffentlichkeitsarbeit und des heutigen Kompakt-Lehrgangs Personal Communication Management (PCM). Kontakt: [email protected] Howard Nothhaft, M. A., Jg. 1973, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Öffentlichkeitsarbeit/PR der Universität Leipzig. Er studierte Kommunikations- und Medienwissenschaft, Anglistik und Philosophie an der Universität Leipzig. Seine Abschlußarbeit wurde von der Deutschen Public Relations Gesellschaft mit dem Albert-Oeckl-Preis ausgezeichnet. Interessengebiete: Kommunikationsmanagement, Lobbying, Verhältnis von Journalismus und PR, Methoden und Instrumente der PR-Arbeit. Kontakt: [email protected] Hermann Orgeldinger, Jg. 1953, ist Geschäftsführer der Orgeldinger Media Group GmbH in Esslingen am Neckar, die mit der Audio-Agentur all4radio spezialisierte Dienstleistungen für die Unternehmenskommunikation anbietet. Der Betriebswirt und Kommunikationswissenschaftler war zuvor freier Mitarbeiter bei Tageszeitungen und Magazinen, dann zwölf Jahre lang Reporter und Redaktionsleiter beim Süddeutschen Rundfunk und von 1990 bis 2002 Programmdirektor des Hörfunksenders Radio 7 in Ulm. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Margit Osterloh, Dipl.-Ing., Dr. rer. pol. habil., ist ordentliche Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich und leitet dort den Lehrstuhl für Organisation, Innovations- und Technologiemanagement. Sie hat an der Technischen Universität Berlin Wirtschaftsingenieurwesen studiert, an der Freien Universität Berlin promoviert und sich an der Universität Erlangen-Nürnberg habilitiert. Ihre Spezialgebiete sind Organisationstheorie, Innovations- und Technologiemanagement, Frauen in der Unternehmung, sowie Corporate Governance. Sie ist Mitglied im Deutschen Wissenschaftsrat sowie in zwei Aufsichtsbzw. Verwaltungsräten in Deutschland und der Schweiz. Kontakt: [email protected] Jörg Pfannenberg, Jg. 1959, ist Geschäftsführer der JP:KOM GmbH, Düsseldorf/Frankfurt a. M., sowie Vorsitzender des Arbeitskreises „Wertschöpfung durch Kommunikation“ der Deutschen Public Relations Gesellschaft e. V. Zuvor war Pfannenberg in leitenden Positionen bei den Agenturen Kohtes & Klewes, MS&L Public Relations und Koob & Partner tätig. Er ist Herausgeber von Standardwerken zu den Themen Veränderungskommunikation und Wertschöpfung durch Kommunikation. Kontakt: [email protected]
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Jan Pfister, M. A., Jg. 1977, ist Visiting Scholar an der Haas School of Business der University of California, Berkeley, und Doktorand an der Universität Zürich. Sein Dissertationsprojekt im Bereich Internal Control wird durch ein Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds unterstützt. Zuvor studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Universität Fribourg und war wissenschaftlicher Mitarbeiter sowie Lehrbeauftragter am Institut für Rechnungswesen und Controlling der Universität Zürich. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Thomas Pleil, Dipl. Journ., Dr. phil., Jg. 1967, ist Professor für Public Relations an der Hochschule Darmstadt. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Online-PR, Nonprofit-PR und PR für neue Technologien. Er studierte Journalistik in Eichstätt, war Mitarbeiter in einer PRAgentur in Stuttgart und arbeitete dann als selbstständiger PR-Berater. Promotion zu Methoden der PR-Forschung an der Universität Salzburg, dann Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Katholischen Universität Eichstätt. Kontakt: [email protected] Dr. Victor Porák, Jg. 1970, ist Habilitand an der Universität St. Gallen und leitet dort das Center for Financial Communication (CFC). Neben einem Schwerpunkt in der Finanzkommunikation forscht er zur Wirkungs- und Erfolgsmessung sowie zum Controlling der Unternehmenskommunikation. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Prof. h. c. Dr. h. c. Ralf Reichwald, Jg. 1943, ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre – Information, Organisation und Management an der Technischen Universität München. Er studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Marburg, Bonn und München. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität München, ab 1975 Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule der Bundeswehr München, ab 1990 an der TU München. Reichwald war Gründungsdekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg 1984. Im Jahr 1994 war er Gastprofessor an verschiedenen Universitäten in den USA. Seit 1998 ist er ständiger Gastprofessor an der Universität Tunis. Forschungsschwerpunkte: Empirische Organisationsforschung, anwendungsorientierte Technikentwicklung und -implementierung sowie neue Informations- und Kommunikaitonstechnologien. Kontakt: [email protected] Dr. Klaus Peter Ries, Dipl.-Kfm., Jg. 1965, ist Director Regional Business Unit Europe Agricultural Products der BASF AG, Ludwigshafen. Er studierte Betriebswirtschaftslehre der Universität Mannheim und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Marketing von Professor Hans Raffée. Daneben Tätigkeit als selbstständiger Unternehmensberater und nach der Promotion tätig bei der BASF AG im Bereich Betriebswirtschaftliches Training und Beratung / Management Programme, später Produktmanager im Globalen Marketing und Leiter des Europäischen Marketings des Unternehmensbereichs Pflanzenschutz. Kontakt: [email protected]
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Prof. Dr. Ulrike Röttger, Dipl.-Journ., Dr. phil., Jg. 1966, ist Professorin für Public Relations am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster. Studium der Journalistik an der Universität Dortmund; Lehr- und Forschungstätigkeiten an den Universitäten Hamburg und Zürich, sowie an der Fachhochschule Hannover. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind: Public Relations / Organisationskommunikation (u. a. PR-Evaluation, interne Kommunikation, Kampagnen- und Kundenkommunikation), Frauen in der PR und in Medienberufen, Berufsrollen- und Kommunikatorforschung. Sie ist Verfasserin und Herausgeberin von Standardwerken zu Kommunikationskampagnen und zum Issues Management. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Lothar Rolke, Jg. 1954, lehrt Betriebswirtschaftslehre und Unternehmenskommunikation an der Fachhochschule Mainz und berät Unternehmen in Fragen der internen und externen Unternehmenskommunikation. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kommunikationsmanagement und -controlling. Er war zuvor Geschäftsführender Gesellschafter der Reporter PR GmbH, Frankfurt a. M., später Mitglied im Aufsichtsrat der Tecis AG. Rolke ist Vorsitzender der Prüfungskommission der DAPR Deutsche Akademie für Public Relations sowie Autor zahlreicher Bücher, Aufsätze und Studien zur Unternehmenskommunikation. Kontakt: [email protected] Dr. Frank Ruff, Jg. 1958, ist Leiter der Abteilung Sozialwissenschaftliche Umfeld- und Trendforschung im Forschungsbereich Gesellschaft und Technik der DaimlerChrysler AG, Berlin. Er verantwortet Forschungs- und Beratungstätigkeiten in strategischen Projekten für Geschäfts- und Zentralbereiche des Konzerns sowie für externe Auftraggeber. Arbeitsschwerpunkte: Themenentwicklung in den Feldern Umfeld- und Zukunftsforschung, gesellschaftlicher Wandel, Märkte und Kunden der Zukunft, zukunftsorientierte Organisations- und Unternehmensforschung. Er ist Autor mehrerer Veröffentlichungen zu sozialwissenschaftlicher Technikforschung, Zukunftsforschung und gesellschaftlichem Wandel. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Stephan Ruß-Mohl, Jg. 1950, ist Professor für Kommunikationswissenschaft und Leiter des European Journalism Observatory an der Università della Svizzera italiana in Lugano. Zuvor war er Publizistik-Professor an der Freien Universität Berlin und dort für den Studiengang Journalisten-Weiterbildung und für das Journalisten-Kolleg verantwortlich. Hauptarbeitsgebiete: Journalistische Praxis und Medienmanagement. Kontakt: [email protected] Prof. T. Flemming Ruud, PhD, Wirtschaftsprüfer (Norwegen), Jg. 1956, ist Professor für Wirtschaftsprüfung und Internes Audit an der Universität Zürich sowie Ständiger Gastprofessor an der Universität St. Gallen und der Norwegian School of Management in Oslo. Er ist im Vorstand des Schweizerischen Verbandes für Interne Revision, im Verwaltungsrat der Schweizerischen Akademie für Wirtschaftsprüfung sowie im Vorstand verschiedener akademischer Verbände. Zudem hat er Verwaltungsratsmandate in der Schweiz und in Norwegen inne und fördert als Berater die Entwicklung von Corporate Governance sowie jene des
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Externen und Internen Audits. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Andreas Georg Scherer, Dipl.-Kfm., Dr. rer. pol. habil., Jg. 1964, ist Inhaber des Lehrstuhls für Grundlagen der BWL und Theorien der Unternehmung sowie Direktor des Instituts für Organisation und Unternehmenstheorien der Universität Zürich. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg. Promotion und Habilitation am dortigen Lehrstuhl für Unternehmensführung, anschließend Professor für Betriebswirtschaft der Öffentlichen Verwaltung/Managementlehre an der Universität Konstanz. Forschungsschwerpunkte: Internationales Management, Unternehmensethik, Wissenschaftstheorie. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Bertram Scheufele, M. A., Dr. phil., Jg. 1969, ist Professor für Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er hat mehrere DFG-Projekte zu verschiedenen Fragestellungen der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft durchgeführt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören unter anderem Politische Kommunikation, Medieninhalte und Medienwirkungen, Gewaltforschung, quantitative und qualitative Methoden sowie Zeitreihenanalysen. Kontakt: [email protected] Dr. Klaus Schmidt, Jg. 1946, ist CEO der internationalen Unternehmensberatung für Branding und Corporate Identity Henrion Ludlow Schmidt, London/Hamburg. Als Executive Consultant betreut er seit 30 Jahren internationale und globale Marken und Unternehmen. Nach seinem Diplom-Studium Grafikdesign und Kommunikationswissenschaft war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Psychologie an der Universität Braunschweig und promovierte 1991 an der Bergischen Universität Gesamthochschule Wuppertal. Im Jahre 1994 stellte er erstmalig „Holistic Solutions“ vor, eine interdisziplinäre und ganzheitliche Alternative zu den gängigen Marken- und Identitätsmanagement-Methoden. Schmidt ist Mitglied im Kuratorium des Deutschen Institut für Public Affairs (DIPA), Berlin, und im Beirat der Henriettenstiftung Hannover. Er hat als Herausgeber und Autor zahlreiche Bücher und Publikationen zu den Themen Branding und Corporate Identity veröffentlicht. Kontakt: [email protected] Norbert Schulz-Bruhdoel, Jg. 1952, arbeitet mit seiner Agentur Punktum PR + Dialog als PR-Trainer und Freier Journalist in Remagen am Rhein. Er studierte Rechtswissenschaft und Geschichte in München und Bonn und absolvierte ein Volontariat bei einer Tageszeitung. Es folgten zehn Jahre bei Zeitschriften, u. a. als Wissenschaftsjournalist in London. Danach leitete er nacheinander die Pressestellen zweier Hochschulen und arbeitete als Sprecher eines Ingenieurverbands. Kontakt: [email protected] Oliver Siemoneit, Dipl.-Kfm. techn., Jg. 1975, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Stuttgart. Er studierte technisch orientierte Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Controlling, Finanzwirtschaft, Planung und Kraftfahrtechnik. Seine Arbeitsgebiete sind Wissenschaftstheorie, Technikphilosophie sowie Unter-
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nehmens- und Wirtschaftsethik. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Peter Szyszka, Jg. 1957, ist Professor für Organisationskommunikation an der Zürcher Hochschule Winterthur. Der studierte Kommunikationswissenschaftler war nach beruflichen Stationen in Wissenschaft, PR-Praxis und Erwachsenenbildung zuvor Professor für Marketing und Kommunikationsmanagement an der Fachhochschule Osnabrück, wo er den Studiengang Kommunikationsmanagement aufbaute. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen zu Public Relations und Organisationskommunikation. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Anna M. Theis-Berglmair, geb. 1955, ist Professorin für Kommunikationswissenschaft/Journalistik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und leitet dort die Forschungsstelle für Neue Kommunikationsmedien. Nach einem Studium der Soziologie an der Universität Trier forschte und lehrte sie an den Universitäten Trier, Augsburg und Dresden sowie am Internationalen Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES) in Leitershofen, wo sie Forschungsprojekte im Auftrag diverser Bundesministerien durchführte. Die Promotion erfolgte in Augsburg, die Habilitation an der Universität Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Organisationskommunikation, Kommunikationstheorie und neue Medien. Kontakt: [email protected] Sabrina van der Pütten, Jg. 1983, ist Mitarbeiterin bei der Kommunikationsagentur komm. passion Group GmbH in Düsseldorf. Sie studiert Medienwissenschaft, Politikwissenschaft und Neuere Deutsche Literatur an der Universität Bonn mit den Schwerpunkten Medien und Gesellschaft sowie Ästhetische Kommunikation, gefördert durch die Studienstiftung des deutschen Volkes. Außerdem arbeitet sie als studentische Hilfskraft am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Cees B. M. van Riel, Jg. 1951, ist Professor für Unternehmenskommunikation und Leiter des Corporate Communications Centre an der Erasmus Universität Rotterdam. Darüber hinaus ist er Managing Director des Reputation Institute, New York et al., und gemeinsam mit Charles Fombrun Herausgeber der internationalen Zeitschrift Corporate Reputation Review. van Riel ist ferner in zahlreichen holländischen Unternehmen als Koordinator internationaler Kommunikationsprogramme aktiv. Kontakt: [email protected] Dr. Klaus Viedebantt, Jg. 1943, ist freier Autor und Medienberater sowie Lehrbeauftragter für Journalismus an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und der Edith Cowan University in Perth, Australien. Der promovierte Kulturanthropologe arbeitete als Pressesprecher der Universität Frankfurt, freier Journalist für Printmedien, Hörfunk und Fernsehen und Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er war Leiter des Reiseressorts bei der ZEIT, Ressortleiter Rhein-Main-Zeitung/F.A.Z., Koordinator der ostdeutschen Zeitungen in der F.A.Z.-Gruppe sowie Leiter der F.A.Z.-Volontärsausbildung. Kontakt: [email protected]
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Dr. Antoinette Weibel, lic. oec. publ., Jg. 1969, ist Oberassistentin und Habilitandin am Institut für Organisation und Unternehmenstheorien der Universität Zürich. Sie hat Betriebswirtschaftslehre in Zürich studiert und dort zum Thema „Vertrauen und Kontrolle in strategischen Wissensnetzwerken“ promoviert. Ihre Spezialgebiete sind Organizational Behavior, Motivation, Vertrauen und strategische Netzwerke. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Kurt Weichler, Jg. 1955, ist Professor für Journalismus und Medien und Direktor des Instituts für Journalismus und Public Relations an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Zuvor war er Chefredakteur und Verlagsleiter bei Hamburger Großverlagen. Seine Spezialgebiete sind Corporate Publishing, Printjournalismus, Journalismus als Beruf und Redaktionsmanagement. Er ist unter anderem Autor des Buches „Die Kundenzeitschrift“ (zusammen mit Stefan Endrös). Kontakt: [email protected] Dr. Peter M. Wiedemann, Jg. 1948, ist Leiter der Programmgruppe Mensch, Umwelt, Technik im Forschungszentrum Jülich. Nach dem Studium der Psychologie an der Humboldt Universität Berlin und der Promotion an der Technischen Universität Berlin war er zunächst als Assistent und Hochschulassistent am Institut für Psychologie der Technischen Universität Berlin tätig. Er ist seit langem Lehrbeauftragter an der Universität Innsbruck. Ein Arbeitsschwerpunkt von Wiedemann ist die Bewertung und Kommunikation von Risiken. Er ist außerdem Mitglied in den Editorial Boards internationaler Zeitschriften zur Risikoforschung. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Klaus-Peter Wiedmann, Jg. 1952, ist Direktor des Instituts für Marketing & Management (M2) der Universität Hannover. An der Nahtstelle zur Unternehmensberatung wirkt er unter anderem im Board verschiedener Kompetenzzentren: Strategy & Marketing Institute (SMI), Center for Finance (CFM) sowie Center for Energy Management (CEM). Ferner ist er Managing Director des Reputation Institute Germany. Wiedmann wurde von der Academy of Global Business Advancement (AGBA) als „Global Scholar of the Year 2005” ausgezeichnet. Kontakt: [email protected] Markus Will, M. A., Jg. 1975, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Unternehmensmanagement am Fraunhofer Institut Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (Fraunhofer IPK), Berlin. Der Kaufmann und Kommunikationswissenschaftler arbeitete zunächst als Junior Consultant bei Siemens Business Services, bevor er ab 2001 im Fraunhofer Competence Center Wissensmanagement an Projekten zu Veränderungsprozessen und interner Kommunikation in mittelständischen Firmen und Konzernen beteiligt war. Er ist seit 2005 Mitglied des „Arbeitskreis Wissensbilanz“ und war verantwortlich für die Konzeption der Software „Wissensbilanz-Toolbox“ zur Unterstützung der Wissensbilanzierung in mittelständischen Unternehmen. Kontakt: [email protected]
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Dr. Axel Zitzmann, Jg. 1956, ist Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (vormals: Andersen Legal) und zugelassener Rechtsanwalt in Düsseldorf. Er war zuvor als Rechtsanwalt in der Anwaltskanzlei Galler Meyer-Landrut Miller sowie als selbstständiger Rechtsanwalt und Kooperationspartner von Arthur Andersen tätig. Seine Sachgebiete sind das Gesellschafts- und Kartellrecht, seine Arbeitsgebiete sind Unternehmenskauf und Konzernorganisation, (Teil-)Privatisierungen der öffentlichen Hand sowie Börsengänge. Kontakt: [email protected]
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Stichwortverzeichnis Ad-hoc-Publizität 145 ff., 607, 895 Agenda Setting 10, 115 ff., 130, 387 ff., 402, 511, 789 Aktienrechtliche Mitteilungspflichten 141 Anchorman 878 Anspruchsgruppen o Bezugsgruppen, Stakeholder Anzeigen 51, 107, 275, 410, 448 f., 477, 545, 738, 754, 791, 808, 885, 895 f. Anzeigenäquivalenz/Ad Value/Werbeäquivalenz 369, 579, 688, 790 ff. Aufmerksamkeit 5, 53, 74, 109, 116, 127, 159 ff., 219 ff., 230 ff., 381 ff., 515, 558 ff., 744 ff., 779 ff. Balanced Scorecard o Corporate Communications Scorecard, Scorecard Beachtung 162 ff., 167 f., 205 ff., 219 f., 231, 322, 331 ff., 454, 524, 604, 691, 716, 761, 790, 826 Befragung 53, 61, 314, 326, 339 ff., 369, 450, 472, 545 ff., 557 ff., 831 f., 839 (siehe auch: Umfragen) Beobachtung 125 ff., 175 f., 290, 294, 310, 314, 394, 519, 540, 548, 557 f., 572, 754, 810, 832, 870, 886 Betriebsverfassungsgesetz 6, 153 ff. Bezugsgruppen 7, 23 f., 40, 49, 56, 94, 178 f., 245 ff., 363 f., 375 ff., 400, 473 ff., 515, 518, 521 ff., 696 f., 743 ff., 748 f., 838, 850, 869, 892 (siehe auch: Stakeholder, Zielgruppen) Bilanz 8, 12, 29, 49, 138 ff., 149, 231, 233, 243 f., 454, 549, 551, 581, 599 ff., 615 ff., 638, 733 ff. Bilanzeid 140, 144 Bilanzrecht 454, 602, 605, 608 f. Blogs oWeblogs Börsengesetz 144, 737 Briefing 316, 677, 682 ff., 789 Business TV/Corporate TV 45, 427, 441, 763, 767 ff. Campaigning o Kampagnen CEO-Kommunikation 13, 430, 509, 527, 529, 696, 785, 833 ff. Change/Wandel 23, 74, 159 f., 303, 350, 474, 649 ff., 758, 819 ff., 856 Change Communication o Veränderungskommunikation Change Management 474 Clippings 369, 518, 541, 544, 546, 579 M. Piwinger, A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation, DOI 10.1007/978-3-8349-9164-5, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007
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Stichwortverzeichnis
Controlling 7, 14, 56 ff., 72, 184, 187, 329 ff., 368 ff., 392, 535 ff., 557 ff., 575 ff., 631 ff., 667, 701, 831 Corporate Citizenship 8, 13 f., 24, 28, 72, 75, 124, 258, 463, 812, 843, 859 ff. (siehe auch: Corporate Social Responsibility, Unternehmensethik) Corporate Communications Scorecard 358, 552 Corporate Foresight 11, 303 ff., 364, 884 Corporate Governance Kodex 144, 150, 458, 604 Corporate Publishing 12, 61, 441 ff., 475, 518, 527 Corporate Social Responsibility/Corporate Responsibility 8, 24, 326, 385, 458, 698, 812, 843, 859 f., 862, 864 f. (siehe auch: Corporate Citizenship, Unternehmensethik) Crossmedia 55 Design 7, 55, 59, 216, 250, 274 ff., 433, 487 ff., 683, 696, 855 Deutungsgemeinschaft 431 Directors‘ Dealings 147 Dokumentationspflichten 461, 600 Elektronisches Handels-/Unternehmensregister 142 Emotionale Ansprache 477 f. Emotionen 7, 107, 111, 212, 274, 315, 322, 408 f., 478 ff., 584, 760, 769, 852, 880 Empirische Sozialforschung 61, 175, 194, 310, 357, 392, 540 ff., 557 ff. Entsprechenserklärung 140, 150, 458 Erfolgskontrolle/Ergebniskontrolle/Erfolgsmessung 7, 62, 213, 286, 289, 297, 315, 448, 450, 452, 520, 535 ff., 538 ff., 543, 548, 550, 666, 677 ff., 688, 701, 832 Erfolgspotenziale 23, 25 ff., 44 Evaluation 7, 12, 56, 60 ff., 297, 342, 359 f., 368 ff., 392 f., 520, 533 ff., 539 ff., 688, 767, 820, 831, 844 Evaluationsmethoden 544, 548 Eventkommunikation 477 ff., 515 Events 48, 53, 183, 212, 477 ff., 579, 664, 696, 753 f., 822, 843 Excellence-Theorie 366, 700 Fachzeitschriften 401 f., 446, 750 Finanzkalender 151 Finanzkommunikation 6 f., 21, 378, 453, 460 f., 552, 697, 724 ff., 735, 900 (siehe auch: Investor Relations) Firmenwert 233, 602, 609 f. Formative Evaluation 369 f., 844 Früherkennung 286 f., 294, 300, 303 f., 312 f., 884, 898 Führung/Leadership 12, 38 f., 43 ff., 59, 193, 197, 326 ff., 331, 333, 339 ff., 432, 427, 465 ff., 494, 623, 633, 639, 649 ff., 674 f., 704, 761, 770, 823, 833 ff., 851, 856, 877 Führungskommunikation 44 f., 652, 848, 851
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Gatekeeper 5, 105, 409, 521, 526, 854 Gender Mainstreaming 703 ff. Geschäftsbericht 43, 150, 221, 253, 275, 441 f., 453 ff., 613, 725 ff. Geschlecht 114, 376, 561, 703 ff. Geschlechtsrollen-Stereotype 706 Gestaltende Kommunikation 6 Glaubwürdigkeit 8, 25 ff., 35, 112, 130, 132, 171 ff., 217, 240, 262, 272, 315, 322, 383, 393, 402, 411, 423, 443, 456, 527, 547, 569, 587 ff., 632, 735, 743, 749, 752, 754, 791, 827, 836 f., 886, 897 Globalisierung 8, 10, 15, 24, 27, 63, 73, 90, 487, 608, 611, 704, 723, 725, 734, 806, 861, 868, 891, 893 f., 898 Grenzkosten 6, 219, 783 Handlungsfelder 5, 10, 13, 21 f., 39, 46, 48, 55, 72, 349 f., 518, 526, 719, 760, 848, 899, 902 Handlungsinterpretation 31, 34 Handlungskoordination 23, 31, 33, 40, 46 f., 63, 98, 851 Herrschaftsordnung 44 Hierarchieordnung 30, 39, 44 Image 8, 29, 32 ff., 47 f., 50, 77, 96, 154, 175, 205 ff., 228 ff., 246, 267, 322, 363, 375, 383, 399, 430, 441, 444 f., 455, 484, 550 ff., 557 ff., 575 ff., 642, 696, 728, 744, 748, 753, 811, 834 f., 864, 882, 892 (siehe auch: Reputation) Image-Analyse 557 ff. (siehe auch: Reputations-Analyse) Image-Management 229, 231, 235, 237, 245, 249, 253, 261 Immaterielles Kapital/Immaterielle Werte/Intangible Assets 27, 44, 463, 606, 609, 610, 613, 629 Impression Management 11, 205 ff., 250, 253, 841, 845 Informations- und Publizitätspflichten 10, 137 ff. Informationsgesellschaft 22, 71 f., 85, 159 f., 167, 385 ff., 780 (siehe auch: Mediengesellschaft) Informationsökonomie 160 f. Informationspflichten 137, 153 ff., 600, 602 f., 611 f., 735, 811, 813 Informationsverarbeitung 134, 159 f., 164 f., 214, 267, 518, 631, 744, 759, 784 Innere Bilder 484 f. Innovationsfähigkeit 849 ff. Innovationskommunikation 847 ff. Insiderverzeichnis 144 f. Inszenierung 12, 21 f., 179, 205 ff., 381 ff., 457, 482 ff., 743, 826, 833 Intangible Assets o Immaterielles Kapital Integration 30 ff.
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Integrierte Kommunikation 7, 23, 41, 52 f., 58, 62, 382, 390, 400, 515, 666, 671, 673 f., 692, 899 Interaktive Kommunikation 825 f. (siehe auch: Online-Kommunikation) Intereffikation 406, 786 Interessenintegration 31, 63 Interkulturelle Kommunikation 27,34, 254, 891 ff. Internationale Kommunikation 891 ff., 901 Interne Kommunikation 6, 23, 42 ff., 52, 59, 316, 466 f., 499, 515, 580, 626, 642, 662 ff., 697, 757 ff., 901 (siehe auch: Mitarbeiterkommunikation) Internet 12, 48, 54, 61, 73, 101 f., 104 ff., 131 ff., 161, 175, 314, 346, 402, 414, 423, 427, 463, 481 f., 511 ff., 545, 680, 695, 738, 754, 855, 863, 876, 887, 896 (siehe auch: Interaktive Kommunikation, Online-Kommunikation, Podcasts, Weblogs, Wikis) Intranet 12, 28, 45, 180, 316, 400, 427, 466 ff., 499 ff., 528, 642, 760, 765 ff., 901 Investitionsrechnung 29, 638, 642 Investor Relations 6, 43, 137, 316, 428, 454, 460 f., 525, 519, 546 ff., 582, 613, 634, 663 f., 697, 723 ff., 834, 895, 899 f. (siehe auch: Finanzkommunikation) Issues Management 11, 55, 133 f., 257 f., 285 ff., 303 ff., 364, 390, 519, 749, 838, 884, 898 Issues Monitoring 11, 40, 285 ff., 364, 519 Jahresabschluss 12, 138 ff., 233, 415, 453 ff., 599 ff., 629, 733 Journalismus 125, 130, 309, 388, 403 ff., 443 f., 471 f., 527, 753, 777 ff., 848, 852, 884 Journalisten 5, 13 f., 22, 51, 56, 97, 105 ff., 127 ff., 310, 368, 399 ff., 419 ff., 459, 471, 513 f., 517, 521 f., 578, 603, 693, 753, 778 ff., 841, 853, 881, 896 Kampagnen/Kommunikationskampagnen 10, 40, 55, 60, 323, 370, 378, 381 ff., 496, 512, 518, 523, 525, 545, 580, 803, 806, 855, 863 Kapitalmarkt 6, 137 ff., 233, 246, 270, 277, 455, 546 ff., 582, 600 ff., 697, 723 ff. Kennzahlen 12, 56, 60, 333, 358, 370, 539, 544 ff., 575 ff., 627, 654, 760 Kennziffernsystem 358, 372 Kommunikation als Werttreiber 5 ff., 60 Kommunikation in der Geschlechterrolle 703 ff. Kommunikationsagenturen 378, 519, 677 ff., 802 f. Kommunikationsbegriff 89, 178 f., 496 Kommunikationscontrolling 7, 29, 56, 60 ff., 186, 206, 335, 270, 474, 536, 539, 541 ff., 553, 576, 631 ff., 831 ff. Kommunikationsfähigkeit 8, 621, 649, 758, 770, 804 Kommunikationskampagnen o Kampagnen
Stichwortverzeichnis
925
Kommunikationskanal 14, 22, 51, 55, 81, 104, 276, 417, 427, 512, 515, 517 f., 522, 524, 527, 529, 697, 767, 771, 804, 892, 896, 897 Kommunikationskapital 64 Kommunikationskompetenz 12, 658, 703 ff. Kommunikationskosten 577, 631, 636 f. Kommunikationsmanagement 11, 21 ff., 79, 358, 361 ff., 518 ff., 535 f., 573, 615, 657, 691 ff., 700, 747 f., 759, 763, 823, 835, 892 Kommunikationsmärkte 7, 725 Kommunikationsmaßnahmen 22, 28, 52, 54, 56, 61, 64, 132, 183, 267, 272, 278, 306, 315, 323, 348, 369, 373, 375, 519 f., 538 f., 543, 549, 617, 662, 672, 724, 738, 759, 772 Kommunikationsmodelle 89, 92, 764 Kommunikationsplanung 7, 311, 357, 391, 666 f., 670 f., 673 f. Kommunikationsprogramme 11, 55, 60, 357 ff., 519, 537, 747, 831 Kommunikationssituation 13, 93, 564, 817 ff. Kommunikationsstrategie 34, 53, 56, 60 f., 81, 215 f., 247, 288, 371 ff., 400, 466, 512, 514 f., 667, 672, 692, 840, 892 Kommunikationswissenschaft 9, 41, 72, 89 ff., 123, 366, 376, 393, 539, 742, 779 f., 892 Konzeption 11, 60, 357 ff., 390 f., 400, 642, 685, 804, 827 f. Konzeptionsmodelle/Konzeptionslehre 357 ff., 366 ff., 371, 373 f., 376 ff., 838 Konzernabschluss 138, 140, 151, 454, 600, 603, 605, 607 Koordination 10, 23, 29 ff., 81, 98, 176 f., 255, 536, 636, 650, 661 ff., 851, 866, 896 Koordinationsformen 23, 37, 64 Kostenerfassung 631 ff. Kostenplan 61, 367, 596 Kostenrechnung 28, 461 Kreativität 22, 189, 291, 496, 670, 672, 679 Krisenkommunikation/Krisen-PR 137, 157, 233, 289, 298, 364, 421, 423, 530, 698, 834, 875 f., 879, 881, 885 Krisenmanagement 298, 875 f., 881 Kundenkommunikation 157, 515, 548, 577, 579, 742 f., 747, 847, 899 Kundenzeitschrift 61, 441 ff. Lagebericht 49, 138 ff., 144, 454 f., 604 ff., 608, 612, 629, 733 Leadership o Führung Legitimität 23 ff., 31, 36, 50, 78, 83, 373, 801, 867, 871 Licence to operate 25, 28, 860 Lobbying/Lobbyismus 13, 21, 28, 37, 51, 287, 289, 537, 552, 797 ff., 895 f. (siehe auch: Public Affairs) Macht 32, 37 ff., 99, 124, 130, 219, 293, 405, 502, 523, 638, 670 f., 707, 726, 780 ff., 800, 856 Managementmodelle 361, 365
926
Stichwortverzeichnis
Managementprozess 10 ff., 28, 43, 57 f., 62, 72, 79, 511, 666 f., 747, 841, 891, 897 ff. Marke 7, 9, 21, 25, 28 f., 47, 60, 77, 222, 227 ff., 246, 254, 265 ff., 369, 375, 432, 481, 487 ff., 514, 558, 580, 745 ff., 833, 855, 865, 882 Markenbewertung 29, 543, 548 ff., 553, 571, 578 Markenkommunikation/Marken-PR 28, 275 ff., 741 ff. Marketing 9, 40, 47 f., 52 f., 183, 289, 324, 376, 382, 385, 404, 443, 487 ff., 513, 548 ff., 570, 577, 662 ff., 698, 742, 764, 810, 837, 848, 892 Marktkommunikation 10, 21, 23, 41, 47 f., 52 ff., 59, 61, 64, 509, 526, 548 ff., 741 ff. Marktordnung 50 Massenmedien 7, 14, 32, 40, 51, 101 ff., 124 ff., 161 ff., 315, 378, 386, 399 ff., 521, 529, 741 ff., 785, 852 Maßnahmenplan 61, 286, 329 f., 367, 569, 838, 840 Mediaforschung 89, 107 ff. Media-Screening 314 Medienarbeit 7, 51, 62, 399 f., 405 ff., 410 f., 578 f., 688, 741, 747, 752 ff., 806, 814, 897 (siehe auch: Pressearbeit) Mediengesellschaft 5, 10, 19 ff., 22, 58, 73, 75, 123 ff., 304, 381, 386, 394, 572, 740, 778, 780 (siehe auch: Informationsgesellschaft) Medienkooperation 417 Medienmarkt 306, 402 f., 411, 417, 446 Mediennutzung/Medienrezeption 55, 89, 108 ff., 114, 230, 512, 568, 896 Medienpreise 410, 416 Medienresonanzanalyse 61, 314, 316 f., 369, 519, 541, 545 f., 578, 581 Medienunternehmen 22, 403, 778, 781, 793 Meinungsbildung 10 f., 35 f., 47, 112, 123 ff., 283 ff., 315, 317, 376, 512, 529, 571, 742 ff., 746 f., 750, 754, 760, 824, 897 Meinungsforschung 12, 53, 227, 315, 557 f., 570 ff., 831 Meinungsführer 5, 51, 55, 112 f., 521, 529, 696, 742 f., 750 ff., 877, 894, 896 Mergers & Acquisitions 819 Metasteuerung 370 Methoden Mitarbeiterbefragung 11, 53, 339 ff., 550, 766 Mitarbeiterkommunikation 7, 14, 21, 30, 137, 156, 243, 427, 429, 519, 535, 537, 544, 550, 579 f., 697, 830, 847, 899 (siehe auch: Interne Kommunikation) Mitarbeiterzeitschrift 12, 45, 61, 465 ff., 505, 766 ff., 901 Multiplikatoren 238, 428, 441 ff., 529, 729 f., 851 Nachrichtenfaktoren 106, 125, 387 f., 409 Netzwerkkommunikation 64
Stichwortverzeichnis
927
Öffentliche Kommunikation 89, 123, 231, 378, 387, 392, 512, 743, 802, 852 Öffentlichkeiten 15, 39, 48, 77, 126, 129 ff., 133, 364, 369, 376, 441, 518, 521, 527, 530, 696, 698, 701, 813, 820 ff., 892 Öffentlichkeitsarbeit o Public Relations Ökonomie 11, 23 ff., 55, 74, 159 ff., 172 f., 386, 515, 655, 779, 849 Ökonomie der Aufmerksamkeit 11, 74, 159 ff. Online-Kommunikation 7, 22, 48, 62, 103 f., 500, 507 f., 511 f., 514 ff., 520, 524, 529, 696 (siehe auch: Interaktive Kommunikation, Internet, Intranet) Organisationskommunikation 41, 51, 60, 72, 76, 78 Organisationskultur 11, 44, 245 ff., 299, 373 (siehe auch: Unternehmenskultur) Organisationsstruktur 58, 299, 662 f., 694, 697, 761, 864, 866, 868 Outcome 369, 541 ff., 549 f., 553 Outflow 369, 541 ff., 547, 549 f., 553 Outgrowth 369, 541, 544 f. Output 24, 76, 161, 166, 197, 369, 541, 543 ff., 553, 568 f., 607, 654, 696 Perception Studies 545, 547, 551 Personalentwicklung 77, 79, 654, 760, 770, 827 Personalmanagement 59, 653, 662, 691 ff. Personality-Kommunikation 13, 833 ff. Personalmanagement 28, 43, 59, 72, 653, 662, 664, 691 ff. Persuasion 81, 91, 110, 112, 116, 588 ff., 593 f., 596 Pitch 677, 681 f., 678 Planung 7, 11, 28, 56, 61, 79, 107, 288, 291, 321, 357 ff., 381 ff., 519, 535 f., 552, 666 f., 837 Podcasts 12, 44, 419, 427, 511, 518, 524 f., 528, 530 PR-Agenturen 22, 403 ff., 412, 423, 686 Pressearbeit 9, 12, 21, 61, 399 ff., 515, 520, 688, 695, 753, 798, 842, 854, 896, 900 (siehe auch: Medienarbeit) Pressemeldung 51, 258, 266, 412 f. Presseportal 414 Pressestellen 403 ff., 410 f., 414, 419, 701, 886 Presseverteiler 412, 522, 787 Prestigeordnung 35, 37, 44, 50 Produktkommunikation/Produkt-PR 28, 421, 428, 741 ff. Prozesskontrolle 56, 62, 496, 520 Public Affairs 13, 37, 378, 665, 696, 797 ff. (siehe auch: Lobbyismus) Public Relations 7, 10, 23, 46, 48 ff., 64, 96, 127, 183, 286, 358 ff., 442, 478, 515, 544 ff., 578, 634, 664, 674, 686, 732, 742 ff., 799, 838, 892 Publizitätsgesetz 23, 49, 150, 600
928
Stichwortverzeichnis
Publizitätspflichten 10, 137 ff., 471, 600, 607, 733 Radio 12, 108, 166, 400, 419 ff., 528, 591, 701, 770, 887 Rating 8, 175, 458, 462, 547, 551, 724, 730, 740 Realitätskonstruktion 89, 95 f., 512, 514 Rechnungslegungstransparenz 138 Rechtsabteilung 156, 801, 802, 808, 880 Rechtsordnung 36, 50 f., 142, 292, 867 Redemanagement 429 ff. Reengineering 436, 819 Regulatory Affairs/Regulierungsangelegenheiten 799, 801, 808 Reputation 6 ff., 28 f., 34 f., 46, 53, 75, 163, 175, 206 ff., 227 ff., 274, 313, 322, 369, 430, 516, 545, 606, 652, 701, 734, 784, 893 (siehe auch: Image) Reputations-Analyse 314, 321 ff., 545, 550 f., 576 (siehe auch: Image-Analyse) Reputationsrisiko 293, 312, 875 ff. Restrukturierung 75, 769, 819 Schweigespirale 113 Scorecard 60, 333, 339, 341, 352, 358, 369, 372, 543, 552, 575, 654, 686, 688, 693 (siehe auch: Corporate Communications Scorecard) Sekundärtugenden 8 Selbstdarstellung 111, 127 f., 205 ff., 255 f., 375, 377, 384, 433, 443, 729, 743, 749 ff., 841 ShareholderValue 24, 724 ff. Social Software 12, 48, 511 ff. (siehe auch: Podcasts, Weblogs, Wikis) Soziale Integration 23, 30 ff., 51 Sozialkapital 8, 74 f., 79, 84, 173 Sozialtheorie 23, 30, 35 Sponsoring 7, 48, 183, 399, 416 f., 481, 528, 537, 579, 606, 642, 662 ff., 672 f., 742, 837, 843 Sprachkultur 429, 433 f., 436 ff. Sprachstile 717 Stakeholder 10, 24 ff., 33, 40, 71 ff., 189, 291, 314, 325, 363, 513, 537, 551, 575 f., 820 f., 849 f., 860 ff., 896 (siehe auch: Bezugsgruppen, Zielgruppen) Stakeholder Management 10, 71 ff., 576 Stakeholder Value 24 ff., 784 Stakeholder-Dialog 13, 75 (siehe auch: Unternehmensdialog) Storytelling 208, 527, 749, 854 f.
Stichwortverzeichnis
929
Strategieentwicklung 312, 364, 685, 825 Strukturationstheorie 23, 63 Sustainable Finance 311, 312 SWOT-Analyse 306, 308, 312 f., 323, 352, 616, 640, 839 Symbolische Interaktion 94, 537 Szenarien 290, 295, 306 ff., 312 f., 316, 825, 829 f., 855, 884 f. Szenarioanalysen 290, 297, 306 ff., 884 Taktik 61, 223, 342, 360, 364, 366 f., 569, 595 f., 807, 829, 840 f. Technologien 14, 25, 27, 63, 73, 84, 305, 416, 487, 501, 507, 530, 616, 622, 847 ff. Teilöffentlichkeiten 126, 364, 369, 376, 441, 821 Telekommunikation 90, 108, 610, 699, 801, 808, 886, 888 Theorie der Unternehmenskommunikation 40 ff. Tradition 8 f., 180, 245, 332, 434, 456, 480, 591, 772, 807 Trendforschung 303 f., 306, 309 ff. Trends 14, 57, 133, 238, 303 ff., 352, 373, 400, 456, 529, 571, 697, 789, 855, 894 TV 12, 22, 45, 103, 107 ff., 419 ff. Überzeugungskraft 222, 591 Umfeld-Monitoring 831 Umfragen 108, 126, 175, 182, 369, 445, 520, 557 ff., 686, 688, 697, 841, 853 f. (siehe auch: Befragung) Unternehmen als Marke 265 ff. Unternehmensdialog 896 f. (siehe auch: Stakeholder-Dialog) Unternehmensethik 8, 185 (siehe auch: Corporate Citizenship, Corporate Social Responsibility) Unternehmensführung 9, 24 ff., 75, 150 f., 303, 357 f., 512, 634, 643, 661, 700, 726, 759, 784, 848, 861 Unternehmenskommunikation 6, 14, 23 ff., 40 ff., 76 ff., 96, 100, 178, 237, 249, 305, 357 ff., 499, 536, 634, 664, 695, 852, 861 Unternehmenskultur 6, 28 f., 44, 92, 95, 175, 211, 245 ff., 432, 489, 529, 623, 758, 826 ff., 894, 652 (siehe auch: Organisationskultur) Unternehmensnetzwerk 63 f. Unternehmensstrategie 10, 14, 25 ff., 46, 59, 242, 287, 371 ff., 552, 580, 616, 632, 652, 667, 733, 761, 810, 827, 864, 869 Usability 507, 520, 522 f. Veränderungskommunikation 13, 30, 819 ff. Veranstaltungen 44, 51, 61, 128, 183, 400, 404 f., 416, 421, 426, 433, 478, 481 f., 528, 697, 740, 798, 815, 824, 826, 883 (siehe auch: Events)
930
Stichwortverzeichnis
Verbraucherpolitik 797, 810 f., 813 Verhaltensänderung 218, 350, 383, 393, 544, 589, 596, 617, 820, 832, 861 Verhaltensstile 11, 245 ff., 704 Verpflichtende Kommunikation 6 Vertrauen 8, 28, 32, 109, 144, 171 ff., 190 f., 230 ff., 246, 258, 315, 333, 341, 383, 404, 444, 453, 471, 513, 529, 547, 550, 577, 591, 600, 693, 726, 745, 769, 836, 879 f., 896 Vertrauensmanagement 184, 189 ff. Wahrnehmung 11, 95 f., 109, 211 ff., 288, 329, 353, 369, 389, 459, 483, 490, 516, 537 ff., 587 ff., 617, 705, 754, 778, 884, 896 Weblogs/Blogs 12, 51, 102, 131, 309, 315, 508 f., 511 ff., 525 ff., 876 Werbeäquivalenz o Anzeigenäquivalenz Werbung 7, 38, 47, 91, 128, 165, 210, 275, 385, 405 f., 445 ff., 548 f., 577 f., 588, 662, 745 ff., 791 ff. Wertbestimmung 12, 533 ff., 697 Werteordnung 35 Wertorientierte Unternehmensführung 24, 26 f., 516, 726 Wertpapierprospekt 143 Wertschöpfung 7, 21 ff., 27 ff., 82, 231 ff., 240 ff., 357 ff., 497, 516, 542 f., 553, 582, 627, 650, 734, 847 Wertschöpfungsstufen 10 f., 56, 281 ff. Werttreiber 5 ff., 60, 227 ff., 278, 324, 328, 552, 576, 613, 618, 624 Wikis 12, 512, 518 f., 524 f., 528, 530 Wissensbilanzen 12, 29, 463, 554, 613, 618 Zeitfaktor 455, 876 Zielgruppen 48, 71, 81 ff., 103, 108, 132, 178, 220, 252, 376, 392 f., 442, 495, 522, 537, 542 ff., 557 ff., 666, 695 ff., 726 ff., 752, 768, 820 ff., 894 (siehe auch: Bezugsgruppen, Stakeholder) Zukunftsforschung 303 ff., 308 f., 312, 317, 319