Der Zugang Von Willenserklarungen (German Edition) 3428056671, 9783428056675

Originally presented as the author's thesis (doctoral)--Westfèalische Wilhelms-Universitèat Mèunster, Wintersemeste

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German Pages 191 [192] Year 1984

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Der Zugang Von Willenserklarungen (German Edition)
 3428056671, 9783428056675

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FRANZ - JOSEF BRINKMANN

Der Zugang von Willenserklärungen

MtJNSTERISCHE BEITRaGE ZUR RECHTSWISSENSCHAFT Herausgegeben im Auftrag des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Westfälischen Wilhelms·Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans·Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp

Band 3

Der Zugang von Willenserklärungen

Von

Dr. Franz-Josef Brinkmann

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Brinkmann, Franz-Josef: Der Zugang von Willenserklärungen / von Franz-Josef Brinkmann. Berlin: Duncker und Humblot, 1984. (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd. 3) ISBN 3-428-05667-1

NE:GT

D6 Alle Rechte vorbehalten © 1984 Duncker & Humblot, BerUn 41 Gedruckt 1984 bei Buchdruckerei Bruno Luck, BerUn 65 Printed in Germany ISBN 3·428-05667-1

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist im Wintersemester 1983/84 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen worden. Die Arbeit wurde im September 1983 abgeschlossen; Rechtsprechung und Literatur aus der Zeit bis zum 1. 4. 1984 sind in den Fußnoten noch eingearbeitet worden. Herrn Bundesverfassungsrichter a. D. Prof. Dr. Brox danke ich dafür, daß er mir während meiner Assistententätigkeit die Gelegenheit zur Anfertigung der Dissertation gegeben und die Mühe der Erstkorrektur auf sich genommen hat. Herrn Prof. Dr. Kollhosser habe ich für die Übernahme der Zweit korrektur und dafür zu danken, daß aufgrund seiner Vermittlung meine Arbeit in die Schriftenreihe "Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft" aufgenommen worden ist. Ich widme die Arbeit in Dankbarkeit meinen Eltern. Münster, im Mai 1984 Franz-J asef Brinkmann

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Einleitung, Gegenstand und Gang der Untersuchung

17

§ 1 Einleitung .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

§ 2 Gegenstand und Gang der Untersuchung ..........................

20

Zweites Kapitel Voraussetzungen des Zugangs bei verkörperten Willenserklärungen

23

Erster Abschnitt

Zugang bei verkörperten Willenserklärungen unter Abwesenden

23

§ 3 Voraussetzungen des Zugangs in Literatur und Rechtsprechung . . . . . .

24

1. Literatur ......................................................

24

1. Zugang bei Verschaffung einer zumutbaren Kenntnisnahmemöglichkeit für den Adressaten .............................

24

2. Zugang bei Einbringen der Willenserklärung in den (Macht-) Bereich des Adressaten ..................................... 3. Zugang bei Erlangung des Besitzes oder der tatsächlichen Verfügungs gewalt an der Erklärungsverkörperung .......... 4. Zugang bei Einbringen der Willenserklärung in eine Empfangseinrichtung des Adressaten.. ... ... .. .. . .. . . .. . ... .. . .. 5. Auseinanderfallen vonZugangseintritt und dem für die Rechtzeitigkeit der Willenserklärung maßgebenden Zeitpunkt .... 11. Rechtsprechung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des RG und des BGH ...................... 2. Rechtsprechung des RAG und BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Rechtsprechung der Instanzgerichte ........................

25 26 26 27 29 29 30 30

8

Inhaltsverzeichnis

§ 4 Entwicklung der Grundstruktur des Zugangs bei verkörperten Wil-

lenserklärungen unter Abwesenden ................................

1. Vorgaben für die Entwicklung der Zugangsvoraussetzungen aus

31

dem Gesetz und seiner Entstehungsgeschichte .................. 1. Wortlaut und systematische Stellung des § 130 I ............. 2. Entstehungsgeschichte des § 130 I .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

32 32 32

II. Grundelemente des Zugangs ................................... 1. Erlangung einer abstrakten Kenntnisnahmemöglichkeit ...... a) Herleitung dieser Voraussetzung aus der Risikoverteilung der Empfangstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Beurteilung der Möglichkeit der Kenntnisnahme aufgrund abstrahierender Betrachtung ............................. c) Berücksichtigung der dem Erklärenden bekannten Kenntnisnahmehindernisse .................................... 2. Hinausschieben des Zugangseintritts auf den Zeitpunkt der zu erwartenden tatsächlichen Kenntnisnahme . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz des Adressaten vor den Rechtswirkungen einer zur Unzeit eingehenden Willenserklärung durch Hinausschieben des Zugangseintritts ................................. b) Ausnahmen in den Fällen des "verfrühten" Auffindens der Erklärung durch den Adressaten .........................

35 35

47

III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

49

§ 5 Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen ......................

49

35 36 38 40 40

1. Konkretisierungsbedürftigkeit

der bisher herausgearbeiteten Grundsätze. .. ... .. . . .. . .. .. .. . . . . . ..... . . . .. . .. . . .. .. . . . .. .. .. 49

II. Kritik der bisherigen Konkretisierungsversuche ................ 1. Lehre vom Machtbereich ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Besitzlehre ................................................. 3. Lehre von den Empfangseinrichtungen ......................

50 51 53 57

III. Konkretisierung durch Bildung von Fallgruppen ................ 1. Angebot zur übergabe der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Benutzung einer Empfangseinrichtung des Adressaten ...... 3. Einbringen der Willenserklärung in den räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich des Adressaten .................. a) Nichtbenutzung der vorhandenen Empfangseinrichtung ... b) Einbringen der Erklärung in den räumlichen Bereich des Adressaten bei Fehlen einer Empfangseinrichtung ........ 4. Niederlegung der Erklärung außerhalb des vom Adressaten beherrschten räumlich-gegenständlichen Bereichs ............ a) Niederlegung trotz Bestehens sicherer Zugangsmöglichkeiten ................................................... b) Niederlegung bei Fehlen anderer geeigneter Zugangsmöglichkeiten ...............................................

64 64 65 65 65 67 69 69 70

Inhaltsverzeichnis 5. Zusammenfassung der Zugangsvoraussetzungen § 6 Abweichungen von den herausgearbeiteten Zugangsvoraussetzungen

in Fällen spezieller Schutzbedürftigkeit des Adressaten ............

1. Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem urlaubsabwesenden Arbeitnehmer .................................... 1. Sonderbehandlung der arbeitsrechtlichen Kündigung in Rechtsprechung und Literatur .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. überprüfung der Notwendigkeit einer Abweichung von den Zugangsvoraussetzungen anhand der Interessenlage ........ a) Schutz des Arbeitnehmers vor einer Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG ................................ b) Schutz der schwangeren Arbeitnehmerin vor einer Versäumung der Anzeigefrist des § 9 I 1 MuSchG ............ c) Sicherung des Erholungszwecks des Urlaubs .............. d) Verhinderung einer faktischen Verkürzung der Kündigungsfrist ...............................................

9

73 74 74 74 75 75 76 76 78

H. Deutschsprachige Erklärung gegenüber einem sprachunkundigen Ausländer .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 80

Zweiter Abschnitt

§ 7 Zugang verkörperter Willenserklärungen unter Anwesenden ......

83

Drittes Kapitel Wirksamwerden unverkörperter Willenserklärungen § 8 Wirksamwerden unverkörperter Willenserklärungen unter Anwesen-

den...............................................................

85

85

1. Darstellung der in der Literatur und in der Rechtsprechung vertretenen Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 85 1. Vernehmungstheorie . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . .. . . . . . . . .. . . . . .. . ..

2. Empfangstheorie ........................................... 3. Vermittelnde Auffassung. . . . . . . . . .. . . . .. . . . . .. . . . . . .. . .. . ..

85 86 87

11. Stellungnahme ................................................ 87 1. Vorgaben aus dem Gesetzeswortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 130 I ...................................... 87 2. Entwicklung einer Lösung aufgrund der Interessenlage und der Wertungen des § 130 I .......... . . . . . . . .. . .. . .. .. . . . .. .. 89

10

Inhaltsverzeichnis a) Empfangstheorie als nicht interessengerechte Lösung . . . . .. 89 b) Vernehmungstheorie als nicht interessengerechte Lösung 90 c) Verteilung des Vernehmungs risikos aufgrund einer vermittelnden Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 111. Ergebnis ......................................................

§ 9 Wirksamwerden unverkörperter Willenserklärungen unter Abwesen-

97

den...............................................................

98

I. Behandlung des Problems in Literatur und Rechtsprechung ....

98

II. Stellungnahme ................................................

99

Viertes Kapitel Zugangsprobleme bei Beteiligung von Mittelspersonen auf der Seite des Adressaten

102

§ 10 überblick über die verschiedenen Möglichkeiten und Rechtsfolgen der

Beteiligung von Mittelspersonen .................................... 102

§ 11 Zugang von Willenserklärungen bei Beteiligung eines Empfangsver-

treters ............................................................ 103 I. Wirksamwerden von Willenserklärungen bei der Empfangsvertretung ........................................................ 103 H. Voraussetzung für die Annahme einer Empfangsvertretung .... 104

HI. Mittelspersonen als Empfangsvertreter ohne Vertretungsmacht 106 § 12 Zugang von Willenserklärungen und die Lehre vom Empfangsboten 108

I. Literatur und Rechtsprechung zur Rechtsfigur des Empfangsboten ......................................................... 1. Literatur ................................................... a) Lehre vom Empfangsboten in den unterschiedlichen Ausprägungen .............................................. b) Ablehnung der Rechtsfigur des Empfangsboten .......... 2. Rechtsprechung ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. H. Entwicklung der eigenen Auffassung .......................... 1. Anerkennung des Empfangsboten als selbständige Rechtsfigur neben dem Empfangsvertreter .............................. a) Bedürfnis für die Anerkennung dieser Rechtsfigur ........ b) Abgrenzung der Empfangsbotenschaft von der Empfangsvertretung ..............................................

108 108 108 113 113 115 115 115 117

Inhaltsverzeichnis

11

2. Zugangseintritt bei Einschaltung von Empfangsboten ........ 119 3. Voraussetzungen für die Annahme einer Empfangsbotenschaft ...................................................... a) Zurechnung der ÜbermittIungstätigkeit von Mittelspersonen aufgrund des Kriteriums vom "Machtbereich" des Adressaten .............................................. b) Entwicklung eines Lösungsansatzes auf der Grundlage der Lehre von den Empfangseinrichtungen und einer Analogie zur Bevollmächtigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Empfangsbotenermächtigung kraft Verkehrsanschauung .. d) Entsprechende Anwendung der Regeln von der Duldungsund Anscheinsvollmacht .................................

122 123 124 127 130

§ 13 Zugang von Willenserklärungen bei der Einschaltung von Mittels-

personen, die weder Empfangsvertreter noch Empfangsboten sind .. 133 I. Begründungsansätze für die Verlagerung des ÜbermittIungsrisikos auf den Adressaten ..................................... 1. Analoge Anwendung der Zustellungsvorschriften ............ 2. Analoge Anwendung der §§ 50, 51 PostO .................... 3. Risikozurechnung aufgrund der vom Adressaten selbst getroffenen oder unterlassenen Empfangsvorkehrungen ............ a) Risikozurechnung aufgrund der getroffenen Empfangsvorkehrungen .............................................. b) Risikozurechnung bei Fehlen von Empfangseinrichtungen c) übertragung der entwickelten Zurechnungsgrundsätze auf mündliche Erklärungen ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

133 133 138 140 140 143 144

H. Belastung des Erklärenden mit dem übermittIungsrisiko ........ 145 § 14 Ergebniskontrolle und Zusammenfassung ........................... 147

I. Ergebniskontrolle ............................................. 147 H. Zusammenfassung der eigenen Lösung ......................... 148

Fünftes Kapitel Zugangshindernisse

151

§ 15 Darstellung der bisherigen Lösungsversuche in Literatur und Recht-

sprechung ......................................................... 152 I. Literatur ...................................................... 152 1. Fiktionslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 152 a) Herabsetzen der Zugangsvoraussetzungen ................ 152 b) Analogie zu den §§ 162, 815 .............................. 153

12

Inhaltsverzeichnis 2. Rückwirkungslösung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Analogie zu den §§ 123, 530 H, 2339 I Nr. 2 .. . . . . . . . . . . . . .. b) Analogie zu den §§ 121 I 2, 149 .......................... c) Analogie zu den Vorschriften des Gläubigerverzugs ...... d) Verlängerung der Erklärungsfrist aufgrund ergänzender Auslegung .............................................. e) Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben .... f) Fortbildung der dem § 130 I zugrundeliegenden Risikoverteilung ..................................................

153 154 155 155 156 156 157

3. Schadensersatzlösung ....................................... 157 a) Anspruchsgrundlagen .................................... 157 b) Art und Umfang des Schadensersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 158

I!. Rechtsprechung ........................ , ..... , ................. 159 § 16 Kritische Stellungnahme zu den bisherigen Lösungsversuchen ...... 161

1. Fiktionslösung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 161

H. Rückwirkungslösung ........................................... 164 IH. Schadensersatzlösung .......................................... 167 § 17 Konkretisierung der eigenen Auffassung ........................... 168

1. Konkretisierung der Bereichsverantwortlichkeit des Adressaten 168 1. Grundlagen der Zurechnung ................................ 168

2. Entwicklung konkreter Zurechnungsgrundsätze .............. 169 a) Zurechnung von Zugangshindernissen aufgrund von Einwirkungen des Adressaten durch positives Tun .......... 169 b) Zurechnung von Zugangshindernissen aufgrund des Unterlassens oder des Fehlschlagens von Empfangsvorkehrungen 172

H. Inhalt und Grenzen der Obliegenheit des Erklärenden zur Nachholung des Zugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 177 IH. Rückwirkung des später eingetretenen Zugangs und Zugangsfiktion ........................................................ 180 1. Rückwirkung des später eingetretenen Zugangs ............. 180 2. Zugangsfiktion in Ausnahmefällen bei erfolglos gebliebenen Zugangsbemühungen ....................................... 182 § 18 Zusammenfassung des fünften Kapitels ............................ 182

Literaturverzeichnis ................................................... 184

Abkürzungsverzeichnis

ArbG AR-Blattei ArchBürgR ARS ARSt Aufl.

anderer Ansicht Archiv für die eivilistische Praxis Amtsgericht Allgemeiner Teil Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsgericht Arbeitsrechts-Blattei Archiv für bürgerliches Recht Arbeitsrechts-Sammlung Arbeitsrecht in Stichworten Auflage

BAG BAGE BankArch BB Beschl. BetrVG BGB BGH BGHZ BIStSozArbR BVerfG BVerfGE

Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bank-Archiv, Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen Betriebsberater Beschluß Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

eie

eulpa in eontrahendo

DB Diss. DJZ DR DRiZ DRZ

Der Betrieb Dissertation Deutsche Juristen-Zeitung Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechtszeitschrift

EI

EzA

Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Erste Lesung, 1888 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Zweite Lesung, 1894, 1895 Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

FS

Festschrift

GS GruchB

Großer Senat Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot

a.A. AeP AG Allg. Teil AP

EI!

14

Abkürzungsverzeichnis

HGB h.L. h.M. HRR

Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung

JA JhJ

Juristische Arbeitsblätter Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen Rechts und deutschen Privatrechts (ab Bd. 37: Iherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts) Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung

JR JuS JW JZ KO KR KSchG

Konkursordnung Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und sonstigen kündigungsrechtlichen Vorschriften Kündigungsschutzgesetz

LS LZ

Landesarbeitsgericht Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Leitsatz Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

MDR Mot. MünchKomm MuSchG

Monatsschrift für Deutsches Recht Motive zum BGB Münchener Kommentar Mutterschutzgesetz

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

OLG OLGZ

Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen

PostO Prot. pVV

Postordnung Protokolle positive Vertragsverletzung

RAG Recht RG RGRK

Rspr.

Reichsarbeitsgericht Zeitschrift "Das Recht" Reichsgericht Kommentar, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft / Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Rechtsprechung

SächsArch SeuffBI StudKBGB

Sächsisches Archiv für Deutsches Bürgerliches Recht Seufferts Blätter für Rechtsanwendung Studienkommentar zum BGB

LAG LM

RGZ RIW/AWD

Abkürzungsverzeichnis Urt.

Urteil

VersR VGH Vorbem. VVG VwZG

Versicherungsrecht Verwal tungsgerichtshof Vorbemerkung Gesetz über den Versicherungsvertrag Verwal tungszustellungsgesetz

WE(n) WM

Willenserklärung(en) Wertpapiermitteilungen

ZHR ZIP zit. ZMR ZPO

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für die gesamte Insolvenzpraxis zitiert Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozeßordnung

§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des BGB

15

Erstes Kapitel

Einleitung, Gegenstand und Gang der Untersuchung § 1 Einleitung

In unserer vom Grundsatz der Privat autonomie beherrschten Zivilrechtsordnung ist die Rechtsfigur der Willenserklärung (WE) von zentraler Bedeutung. Gleichwohl sind die gesetzlichen Regelungen über die WE lückenhaft. So findet sich keine allgemeingültige Bestimmung darüber, wann die Rechtswirkungen einer WE eintreten. Für den praktisch wichtigsten Fall, nämlich für die empfangsbedürftige WE, die einem Abwesenden gegenüber abgegeben wird, bestimmt § 130 I, daß sie mit dem Zugang wirksam wird. Was unter "Zugang" zu verstehen ist, läßt sich aus dem Gesetz nicht eindeutig entnehmen. Der Gesetzgeber hat die Klärung der Zugangsvoraussetzungen der Wissenschaft und der Rechtspraxis überlassen. Nach Inkrafttreten des BGB setzte deshalb eine lebhaft geführte Diskussion über den Zugang von WEn ein 1 • Sie ist jedoch nach dem zweiten Weltkrieg so gut wie zum Erliegen gekommen2 • Das muß im Hinblick auf die Bedeutung der Zugangsproblematik für die Rechtsanwendung überraschen. Es liegt die Vermutung nahe, daß die Fragen des Zugangs in zufriedenstellender Weise geklärt sind. Dafür könnte auch sprechen, daß sich in der neueren Rechtsprechung und Literatur eine fast gleichlautende Zugangsformel findet. Nach der heute h. M. ist eine WE zugegangen und damit wirksam geworden, wenn sie so in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, daß dieser unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, und nach der Verkehrsanschauung von ihm die Kenntnisnahme auch erwartet werden kann 3 • 1 Das zeigt sich an der Vielzahl der zu diesem Problemkreis erschienenen Abhandlungen. Aus Raumgründen sei auf die Angaben im Literaturverzeichnis verwiesen. 2 Es gibt soweit ersichtlich - aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg nur eine größere Abhandlung über die dogmatischen Probleme des Zugangs, nämlich den Aufsatz von Dilcher, AcP 154, 120. Die Dissertation von Botz (Über das Wirksamwerden von Willenserklärungen unter Abwesenden, Diss. Heidelberg 1957) stellt die rechtsgeschichtliche Entwicklung der Lehren vom Zugang und vom Wirksamwerden der WEn in den letzten drei Jahrhunderten dar. 3 Vgl. die bis auf geringe sprachliche Unterschiede - übereinstimmen-

2 Brinkmann

18

1. Kap.: Einleitung, Gegenstand und Gang der Untersuchung

Mit dieser Definition ist die Zugangsproblematik jedoch nur scheinbar gelöst. Die von der h. M. verwendete Zugangsformel besteht nämlich aus einer Reihe wertausfüllungsbedürftiger Begriffe, die ganz verschieden ausgelegt und ausgefüllt werden können. Hinter der Fassade eines weitgehend anerkannten Zugangsbegriffs hat sich eine umfangreiche Kasuistik entwickelt. Dabei ist die Lösung von Einzelfällen umstritten. Es seien hier nur einige Beispiele herausgegriffen. So ist streitig, ob eine Kündigungserklärung des Arbeitgebers, die dem Arbeitnehmer während eines Auslandsurlaubs in den Briefkasten seiner verlassenen Wohnung gesteckt wird, schon während der Abwesenheit zugeht oder ob der Zugang erst eintritt, wenn der Arbeitnehmer nach Rückkehr aus dem Urlaub das Kündigungsschreiben vorfindet. Das BAG4 hat in einem solchen Fall angenommen, daß die Kündigung dem Arbeitnehmer erst nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub zugehe, wenn dem Arbeitgeber bei Abgabe der Kündigungserklärung die Abwesenheit des Arbeitnehmers bekannt gewesen ist. Soweit der Arbeitgeber dies nicht gewußt hat, scheint das BAG den Zugang schon mit Eintreffen des Kündigungsschreibens in der verlassenen Wohnung anzunehmen. In der Literatur und der Rechtsprechung der Instanzgerichte wird teilweise ein Zugang während der Urlaubsabwesenheit des Arbeitnehmers für möglich gehalten', teilweise aber auch abgelehnt6 • Streitig ist ferner, wann ein eingeschriebener Brief zugeht, den der Postbote nach einem vergeblichen Zustellungsversuch unter Zurücklassung eines Benachrichtigungsscheins auf dem Postamt niedergelegt hat. Nach der von der Rechtsprechung vertretenen Auffassung soll die Erklärung erst zugegangen sein, wenn dem Adressaten der Brief von der Post ausgehändigt wird 7 • Nach anderer Meinung liegt ein Zugang schon in dem Zeitpunkt vor, in dem der Adressat den Brief abholen kann und damit die Möglichkeit besteht, sich Kenntnis vom Inhalt der Erklärung zu verschaffen 8 • Als ebenfalls noch ungeklärt müssen die Probleme angesehen werden, die sich bei der Einschaltung von Hilfspersonen ergeben. Hilfsperden Zugangsdefinitionen bei Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II A 1 (975); Jauernig, § 130, Anm. 2 a; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 46; MünchKomm / FörschLer, § 130, Rdnr. 14; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 3 a. Auch der BGH bedient sich dieser Zugangsformel; vgl. BGHZ 67, 272, 275; BGH, NJW 1980, 990; BGH, NJW 1983, 929, 930. 4 BAG, BB 1981, 1030 m. Anm. WenzeL = JZ 1981, 632 m. Anm. v. mshausen = EzA Nr. 10 zu § 130 BGB m. Anm. M. WoLf. 5 LAG Berlin, DB 1964, 302; LAG Hamm, DB 1967, 1272; LAG Frankfurt, BB 1967, 1423; Staudinger / Neumann, Vorbem. zu § 620, Rdnr. 45. 6 ArbG Rheine, DB 1966, 1975; MünchKomm / Schwerdtner, § 620, Rdnr. 74. 7 BGHZ 67, 272, 275; BGH, VersR 1971, 262, 263; BAG, NJW 1963, 554, 555; OLG Celle, NJW 1974, 1386. 8 Behn, AcP 178, 505, 524; FLume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 c (235); Richardi, Anm. AP Nr. 4 zu § 130 BGB.

§ 1 Einleitung

19

sonen können vom Erklärenden zur übermittlung der WE, aber auch vom Adressaten zur Empfangnahme der Erklärung eingesetzt sein. Als auf seiten des Adressaten eingeschaltete Hilfsperson kennt die h. M. neben dem im Gesetz vorgesehenen Empfangsvertreter (§ 164 III) den Empfangsboten, der lediglich zur tatsächlichen Entgegennahme der WE ermächtitgt ist. Eine WE, die von einem Empfangsboten entgegengenommen worden ist, soll in dem Zeitpunkt zugehen, in dem eine Kenntnisnahme durch den Adressaten erwartet werden kann9 • Als Empfangsboten sieht die h. M. nicht nur diejenigen Personen an, die vom Adressaten zur Entgegennahme von Erklärungen ermächtigt worden sind, sondern auch diejenigen, die nach der Verkehrsanschauung als ermächtigt gelten, Erklärungen in Empfang zu nehmen10 • Demnach scheint es neben der vom Adressaten erteilten Botenermächtigung noch so etwas wie eine aus der Verkehrsanschauung abgeleitete unwiderlegliche Vermutung einer Botenermächtigung zu geben. Die dogmatische Grundlage dieser Vermutung ist jedoch ebenso unklar wie ihre Reichweite. Zur Frage, wer als Empfangsbote des Adressaten anzusehen ist, hat sich eine reichhaltige Kasuistik entwickelt. Erwachsene Familienangehörige ll , der Vermieter der Wohnung 12 , kaufmännische Angestellte des Adressaten W und sogar die Putzfrau 14 sind als Empfangsboten angesehen worden. Dogmatisch ungelöst sind schließlich die Probleme der Annahmeverweigerung und der Zugangshindernisse. Der Adressat kann z. B. die Annahme der Erklärung ohne berechtigten Grund verweigern oder seinen Aufenthalt so einrichten, daß die Erklärung ihn von vornherein nicht erreichen kann. Auch ungewollt können sich aus der Sphäre des Adressaten Umstände ergeben, die den Zugangseintritt hindern oder verzögern (z. B. Wohnungswechsel, verschlossene Wohnung ohne Briefkasten etc.). Es besteht zwar weitgehende Einigkeit darüber, daß der Erklärende in solchen Fällen zu schützen ist. Rechtsgrundlage und Umfang des Schutzes sind jedoch unklar. Bei einer arglistigen Annahmeverweigerung wird meist der Zugang bejaht 15 , da der Erklärende die Möglichkeit der Kenntnisnahme gehabt habe. In den übrigen Fällen der Zugangshindernisse versucht man überwiegend mit § 242 zu hel9 BGH, NJW 1965, 966; Erman / Brox, § 130, Rdnr. 12; Jauernig, § 130, Anm. 2 b bb; Soergel / SchuLtze-v. LasauLx, § 164, Rdnr. 32. 10 BGH, NJW 1951, 313; Erman / Brox, Fn. 9; MünchKomm / FörschLer, § 130, Rdnr. 19; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 3 c bb. 11 OLG München OLGZ 66, 2; Palandt / Heinrichs, Fn. 10. 12 BAG, DB 1976, 1018. 13 BGH, NJW 1965, 965, 966; BAG, DB 1977, 546. 14 OLG Karlsruhe, VersR 1977, 902. 15 Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II A 2 b (978); Erman / Brox, § 130, Rdnr. 23; Jauernig, § 130, Anm. 2 b aa; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 6 a; a. A. FLume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 c (235).

2'

20

1. Kap.: Einleitung, Gegenstand und Gang der Untersuchung

fen. Den Erklärenden soll die Obliegenheit treffen, unverzüglich durch einen erneuten Versuch den Zugang zu bewirken. Der Adressat könne sich dann nach § 242 nicht auf die Verspätung des Zugangs berufen, da er sich die Ursache der Verspätung zurechnen lassen müsse16 • Schon diese oberflächliche Darstellung der h. M. läßt erkennen, daß der Zugang von WEn weitgehend durch Blankettbegriffe und GeneralklauseIn bestimmt wird. In Problemfällen lassen sich damit kaum sichere und eindeutige Entscheidungen gewinnen. Die Rechtsprechung hat zwar einen weiten Argumentationsspielraum, um im konkreten Fall jeweils zu billigen Ergebnissen zu kommen. Es besteht jedoch die Gefahr, daß man sich von rational nicht nachprüfbaren Billigkeitserwägungen leiten läßt und dabei die grundlegenden Wertungen des Gesetzes aus den Augen verliert. Das Zurückgreifen auf Blankettbegriffe und Generalklauseln ist aber vor allem im Hinblick auf die Rechtssicherheit unbefriedigend. Für den Erklärenden, der eine fristgebundene Erklärung abgibt, muß erkennbar sein, ob der Zugang bewirkt worden ist oder ob noch weiteres Handeln (ggf. eine Zustellung nach § 132) erforderlich ist. Mit der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, die Voraussetzungen für den Zugang zu präzisieren und die zum Erliegen gekommene Diskussion über die Zugangsprobleme wieder zu beleben. Es geht dabei nicht so sehr darum, eine festumrissene Definition des Zugangs zu finden, aus der sich automatisch für alle denkbaren Fälle billige Ergebnisse ableiten lassen. Das dürfte wegen der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte kaum möglich sein. Das Ziel der Arbeit ist bescheidener: Es sollen primär die für den Zugang maßgebenden Wertungen herausgearbeitet und sodann die Zugangsvoraussetzungen für die verschiedenen Arten von WEn und die wichtigsten Problembereiche konkretisiert werden. § 2 Gegenstand und Gang der Untersuchung Untersuchungsgegenstand ist der Zugang als Voraussetzung für das Wirksamwerden privatrechtlicher WEn. Allein auf dieses letzte, den Erklärungsvorgang abschließende Moment, das den Zeitpunkt für den Eintritt der Rechtswirkungen einer WE festlegt, beschränkt sich unsere Untersuchung 1• Es geht also nicht 16 BGH, LM Nr. 1 zu § 130; Erman / Brox, § 130, Rdnr. 25; Soergel/ Hefermehl, § 130, Rdnr. 28. 1 Ob der Zugang Voraussetzung für die Existenz einer WE (so z. B. Hölder, § 130, Anm. 4) oder Voraussetzung für das Wirksamwerden der schon mit der Abgabe existierenden WE ist (so z. B. Oertmann, Recht 1906, 721, 723), war früher sehr umstritten (weitere Nachw. bei Kunstmann, 31 f.). Da der

Streit keine praktische Bedeutung hat, ist darauf nicht näher einzugehen.

§ 2 Gegenstand und Gang der Untersuchung

21

darum, umfassend alle Tatbestandsmerkmale und sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen von WEn herauszuarbeiten. Das würde auf eine Überprüfung der gesamten Lehre von der WE hinauslaufen, was die vorliegende Arbeit nicht leisten will. Nicht behandelt wird auch das Wirksamwerden von öffentlich-rechtlichen und prozeßrechtlichen Erklärungen, bei denen teilweise Besonderheiten gelten2 • Für das Wirksamwerden von WEn muß zwischen empfangsbedürftigen und nichtempfangsbedürftigen WEn unterschieden werden 3 • Die letztgenannten WEn, die keinen bestimmten Erklärungsadressaten haben (wie z. B. eine Auslobung oder eine letztwillige Verfügung), werden schon mit ihrer Abgabe wirksam4 • Sie haben für die vorliegende Untersuchung keine Bedeutung. Näherer Betrachtung bedürfen allein die empfangsbedürftigen WEn, für die kennzeichnend ist, daß sie zur Kenntnisnahme durch einen konkreten Adressaten bestimmt sind. Bei empfangsbedürftigen Erklärungen muß wiederum unterschieden werden zwischen WEn unter Abwesenden und solchen unter Anwesenden. § 130 I, der für das Wirksamwerden der WE den Zugang der Erklärung verlangt, erfaßt nur empfangsbedürftige WEn unter Abwesenden. Hinsichtlich des Wirksamwerdens von empfangsbedürftigen WEn unter Anwesenden trifft das Gesetz keine Regelung. Es wird zu prüfen sein, ob bei diesen Erklärungen ebenfalls ein Zugang erforderlich ist und welche Voraussetzungen für ihr Wirksamwerden erfüllt sein müssen. Neben dieser vom Gesetz vorgegebenen Unterscheidung ist bei der Untersuchung eine weitere Differenzierung im Hinblick auf die zur Wahl stehenden Erklärungsmittel angebracht. Der Erklärende kann die WE in verkörperter Form an den Adressaten richten oder aber sich der mündlichen Übermittlung oder der Geste bedienen. Ob bei solchen nichtverkörperten WEn ebenfalls ein von der Abgabe zu unterscheidender Zugang erforderlich ist, erscheint zweifelhaft, da die WE nur im Zeitpunkt der Abgabe wahrnehmbar ist und es an einem körperlichen Substrat fehlt, das zum Adressaten gelangen könnte. Jedenfalls ist es naheliegend, daß bei den nichtverkörperten Erklärungen der Zugang wegen der fehlenden Perpetuierung des Erklärungsinhalts nach anderen Grundsätzen bestimmt werden muß als bei den verkörperten. 2

Zum Wirksamwerden öffentlichrechtlicher Erklärungen vgl. Staudinger /

Dilcher, § 130, Rdnr. 78 m. w. N.; zum Wirksamwerden von Prozeßhandlungen vgl. Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, § 65 II (364 ff.). 3 Die Terminologie geht auf Zitelmann (Die Rechtsgeschäfte im Entwurf

eines BGB, Erster Theil, 22) zurück. Teilweise wird auch von richtungs- und nichtrichtungsbedürftigen WEn gesprochen (so v. Tuhr, Allg. Teil, Bd. lI/I, § 61 lIr [428]; E. Wolf, Allg. Teil, § 7 C II [323]). 4 Allgemeine Meinung; vgl. für viele Erman / Brox, § 130, Rdnr. 2; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 1 a; Staudinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 7.

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1.

Kap.: Einleitung, Gegenstand und Gang der Untersuchung

Der Gang der Darstellung hat sich an der vorgenommenen Aufgliederung des Untersuchungsgegenstandes auszurichten. Zunächst sollen für die empfangsbedürftigen verkörperten WEn unter Abwesenden die tatbestandlichen Voraussetzungen des Zugangs geklärt werden. Danach ist den Fragen nachzugehen, ob die entwickelten Grundsätze auch auf verkörperte WEn unter Anwesenden anwendbar sind und welche Grundsätze für das Wirksamwerden nichtverkörperter Erklärungen unter Anwesenden und unter Abwesenden gelten. Einer besonderen Untersuchung bedürfen die Zugangsprobleme, die sich ergeben, wenn Hilfspersonen WEn für den Adressaten in Empfang nehmen. Weiterhin ist nach einer Lösung für die Fälle der Zugangsvereitelung und der Zugangshindernisse zu suchen.

Zweites Kapitel

V oraussetzungen des Zugangs bei verkörperten Willenserklärungen Erster Abschnitt

Zugang bei verkörperten Willenserklärungen unter Abwesenden Die verkörperten WEn unter Abwesenden haben im Rechtsverkehr die größte praktische Bedeutung. Unter einer verkörperten WE ist eine Erklärung zu verstehen, die in einem körperlichen Substrat festgehalten ist, so daß dem Adressaten nicht nur im Augenblick der Entäußerung der Erklärung, sondern auch noch später die Wahrnehmung des Erklärungsinhalts möglich ist. Für die Frage, ob eine Erklärung unter Abwesenden vorliegt, kommt es nicht auf die räumliche Entfernung an. Diese kann durch (technische) Hilfsmittel so überwunden werden, daß der Austausch von WEn sich in gleicher Weise vollzieht wie bei räumlich Anwesenden. Das maßgebende Kriterium für eine Erklärung unter Abwesenden wird hier darin gesehen, daß die Beteiligten nicht unmittelbar miteinander verhandeln können und daß deshalb sofortige Rückfragen des Adressaten sowie eine sofortige Erläuterung des Erklärungsinhalts durch den Erklärenden unmöglich sind 1• Die Hauptgruppe der verkörperten Erklärungen unter Abwesenden bilden die schriftlichen Erklärungen, die der Erklärende dem Adressaten in dessen Wohnung oder Geschäftsräume übersendet. Diese Erklärungen stehen meist auch im 1 Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei darauf hingewiesen, daß diese Kriterien zunächst nur zur Abgrenzung des Untersuchungsfeldes dienen. Sie sollen lediglich helfen klarzustellen, für welche Arten von WEn die Zugangsvoraussetzungen im folgenden untersucht werden. Ob sie von juristischer Bedeutung sind, ob insbesondere der Anwendungsbereich des § 130 I sich auf die Abwesenheitserklärungen im hier definierten Sinn beschränkt, muß sich erst im folgenden herausstellen. Die als Arbeitshypothese vorgenommene Einteilung der empfangs bedürftigen WEn in vier Gruppen schließt auch nicht aus, daß im folgenden aufgrund gewonnener Erkenntnisse die Gruppenbildung korrigiert wird, eine weitere Differenzierung vorzunehmen ist oder sich die Einteilung - zumindest teilweise - als rechtlich bedeutungslos erweist.

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2. Kap.,!. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

Mittelpunkt der Betrachtungen, wenn in der Literatur und Rechtsprechung die Zugangs voraussetzungen bei WEn unter Abwesenden behandelt werden. § 3 Voraussetzungen des Zugangs in Literatur und Rechtsprechung

I. Literatur In der Literatur sind ganz unterschiedliche Kriterien zur Bestimmung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Zugangs herangezogen worden. Wenn man auch die ältere Literatur mit in die Betrachtung einbezieht und jede Feinheit in der Formulierung berücksichtigt, ergibt sich eine fast unübersehbare Zahl unterschiedlicher Zugangsdefinitionen. Im Hinblick auf die bestehenden Unterschiede in der Sache lassen sich jedoch im wesentlichen die folgenden fünf Gruppen von Meinungen unterscheiden. 1. Zugang bei Verschaffung einer zumutbaren Kenntnisnahmemöglichkeit für den Adressaten

Vor allem in der älteren Literatur hat man mit einem recht weitgefaßten Zugangsbegriff gearbeitet. Danach soll es für den Zugang allein darauf ankommen, daß der Adressat die Möglichkeit erlangt hat, vom Inhalt der WE Kenntnis zu nehmen 1. Das Merkmal der Kenntnisnahmemöglichkeit wird - soweit ersichtlich - von allen Autoren dabei nicht als eine rein faktische Voraussetzung verstanden, für die es nur auf die tatsächlichen Verhältnisse des konkreten Falles ankommt. Es ist vielmehr durch normative Momente ergänzt worden. Man stellt auf die unter normalen Umständen bestehende Kenntnisnahmemöglichkeit ab 2 • Auf diese Weise soll erreicht werden, daß außergewöhnliche Umstände, die in der Person oder im Verhalten des Adressaten begründet sind, den Zugang nicht hindern. Danach ist z. B. eine briefliche Erklärung, die in den Briefkasten des Adressaten gelangt ist, zugegangen, 1 Vgl. Bünger, 15; W. Cohn, 48; Dötzer, 20; Gottschalck, 40; Heyne, 26, 41; Hölder, JhJ Bd. 55, 413, 458; Kantorowicz, 33; Koch, 4; Lehmann / Hübner, Allg. Teil, § 32 II 2 (229); Oertmann, § 130, Anm. 3 c; Planck / Flad, § 130, Anm. 1 a; Rathenau, DJZ 1902, 147; Regelsberger, BankArch 1910, 273; Roedel, 39; Steinfeld, 37; auch M. Breit, GruchB 55, 1, 8 dürfte der hier dargestellten

Meinungsgruppe zuzurechnen sein; nach seiner Auffassung erfordert der Zugang, daß der Adressat die Möglichkeit hat, die Willenserklärung wahrzunehmen. 2 Vgl. Bünger, 15; Dötzer, 20; Lehmann / Hübner, Allg. Teil, § 32 II 2 (229); Planck / Flad, § 130, Anm. 1 a; Oertmann, § 130, Anm. 3 c; Roedel, 39; Stein-

feld, 37.

§ 3 Literatur und Rechtsprechung

25

obwohl der Adressat, weil er bettlägerig krank oder kurzzeitig abwesend ist, vom Inhalt der Erklärung tatsächlich keine Kenntnis nehmen kann. Unter normalen Umständen würde hier jedenfalls die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestehen. Die Zugangsvoraussetzungen werden meist noch um ein spekulatives Element ergänzt: Der Zugang soll erst 'eintreten, wenn nach der Verkehrsanschauung die Kenntnisnahme durch den Adressaten erwartet werden kann 3 • Diese Voraussetzung ist vor allem im Hinblick auf die zur Unzeit beim Adressaten angelangte Erklärung geschaffen worden, um in diesen Fällen zum Schutz des Adressaten den Zugang hinauszuschieben. So besteht bei einem zur Nachtzeit in den Briefkasten geworfenen Brief zwar die Möglichkeit der Kenntnisnahme, diese kann jedoch nach der Verkehrsanschauung erst am nächsten Morgen erwartet werden. Demnach wäre der Zugang erst zu diesem Zeitpunkt eingetreten.

2. Zugang bei Einbringen der Willenserklärung in den (Macht-)Bereich des Adressaten Ähnlich wie die unter 1. wiedergegebene Meinung bestimmt die h. L. die Voraussetzungen des Zugangs. Nach h. M. ist die WE zugegangen, sobald sie so in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, daß dieser sich unter normalen Umständen die Kenntnis des Erklärungsinhalts verschaffen kann, und die Kenntnisnahme nach der Verkehrsanschauung auch erwartet werden muß4. Im Unterschied zu der unter 1. dargestellten Auffassung wird die Risikoverteilung nach Einflußsphären stärker betont. Das Gelangen der Erklärung in den vom Adressaten beherrschten Bereich wird nicht nur deshalb für maßgebend gehalten, weil der Adressat dadurch regelmäßig eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme erlangt, sondern auch deswegen, weil damit das dem Absender nach der Empfangstheorie aufgebürdete übermittlungsrisiko enden muß. Im Bereich des Adressaten soll dieser billigerweise das Risiko eines Verlustes der Erklärung oder einer verzögerten Kenntnisnahme tragen 5 • Was zum Macht- oder Herrschaftsbereich des Adressaten gehört, entscheidet die h. M. rein kasuistisch nach der Verkehrsanschauung, wobei die tatsächliche Einflußnahmemöglichkeit des Adressaten und der Ausschluß von Bünger, 15; Dötzer, 20; Planck / Flad, § 130, Anm. 1 a; Roedet, 39. Vgl. Corts, DB 1979, 2081, 2082; Dieringer, 20; Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II A 1 (975); Erman / Brox, § 130, Rdnr. 6 f.; Iven, 2 f.; Jauernig, § 130, Anm. 2 a; Klingmütter, VersR 1967, 1109, 1110; Köhler, AcP 182, 126, 139; Medicus, Allg. Teil, Rdnr. 274; Moritz, BB 1977, 400, 401; Neugebauer, 27; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 3 a; RGRK / Krüger-Nieland, § 130, Anm. 5; Siecke, 16 ff.; G. Wotft, 21. 5 Vgl. dazu Zweigert, DRZ 1950, 471. 3 4

26

2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

Fremdeinwirkungen die maßgeblichen Beurteilungskriterien sein dürften.

3. Zugang bei Erlangung des Besitzes oder der tatsächlichen Ve"rjügungsgewalt an der Erklärungsverkörperung Die h. M. ist vor allem von Titze als zu unbestimmt kritisiert worden 6 • Er meint, die Begriffe "Möglichkeit der Kenntnisnahme", "Machtbereich" und "Herrschaftsbereich des Adressaten" stellten wertausfüllungsbedürftige Blankettbegriffe dar, die kein juristisches Element enthielten, das für die praktische R"echtsanwendung brauchbar seF. Um näher festzulegen, wann der Adressat eine zumutbare Möglichkeit zur Kenntnisnahme vom Erklärungsinhalt erlangt hat, will Titze auf die Verschaffung des Besitzes an der Erklärungsverkörperung abstellen8 . Nach seiner Auffassung "ist eine WE in dem Moment zugegangen, wo das sie enthaltende Schriftstück dergestalt in den Besitz des Adressaten gelangt ist, daß dieser unter normalen Verhältnissen ohne weiteres von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann"9. Unter Besitz wird dabei allein der unmittelbare Besitz verstanden. Die Meinung Titzes hat teilweise Zustimmung gefunden lo ; sie ist jedoch überwiegend abgelehnt wordenl l . Der Ansatz Titzes findet sich allerdings auch heute noch im Schrifttum wieder. So setzt nach H. Westermann der Zugang voraus, daß dem Adressaten die Verfügungsgewalt an der Erklärungsverkörperung verschafft und ihm dadurch bei normaler Gestaltung der Verhältnisse die Kenntnisnahme ermöglicht wird l2 •

4. Zugang bei Einbringen der Willenserklärung in eine Empjangseinrichtung des Adressaten Ein weiterer Lösungsansatz ist von H. Dilcherentwickelt worden l :!. Dilcher knüpft daran an, daß es im Rechtsverkehr bestimmte typische Vorkehrungen für den Empfang von verkörperten WEn gibt, wie z. B. Briefkästen, Postschließfächer und ähnliches. Er spricht hier von "EmpTitze, JhJ Bd. 47,379. Titze, Fn. 6, 384 f. 8 Titze greift hierbei eine überlegung von Thiele, AcP 89, 85, 136, auf. 9 Titze, Fn. 6, 387. 10 J. Breit, SeuffBl. 71, 589; HeHwig, JW 1905, 356; Kunstmann, 49; Moses, 19; Schüler, 11; Plettenberg, 32 ff. 11 Vgl. etwa DHcher, AcP 154, 120, 124; Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 b (230); MünchKomm I Förschler, § 130, Rdnr. 14; Soergell Hefermehl, § 130, Rdnr.7. 12 Erman I H. Westermann, 6. Aufl., § 130, Rdnr. 6; ähnlich auch die Rechtsprechung des BAG (vgl. unten II 2). 13 AcP 154, 120; Staudinger I DHcher, § 130, Rdnr. 21 ff. 6

7

§ 3 Literatur und Rechtsprechung

27

fangs einrichtungen " , die vom Adressaten entweder generell 14 oder für den konkreten Einzelfall 15 zur Entgegennahme von WEn bereitgestellt werden. Dilcher will zur weiteren Konkretisierung der für den Zugang entscheidenden Voraussetzung, daß dem Adressaten eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft wird, auf den Eingang der WEn in die geschaffenen Empfangseinrichtungen abstellen. Wenn die Erklärung eine Empfangseinrichtung erreicht habe, sei dem Adressaten die Kenntnisnahme zumutbar. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Risikoverteilung nach Einflußbereichen sei es angemessen, daß der Adressat von diesem Zeitpunkt an das Risiko des Erklärungsverlustes und einer verspäteten Kenntnisnahme trage l6 • Wenn allerdings die Erklärung zur Unzeit in die Empfangseinrichtung gelangt, dann soll der Zugang erst zu dem Zeitpunkt eintreten, in dem die überprüfung der Empfangseinrichtung durch den Adressaten erwartet werden kann l7 . Ein zur Nachtzeit in den Briefkasten eingeworfener Brief ist demnach erst am nächsten Morgen zugegangen. Dilcher kommt insoweit zu den gleichen Ergebnissen wie die h. M. Abweichendes ergibt sich jedoch, wenn sich der Erklärende nicht der bereitgestellten Empfangseinrichtungen bedient, wenn z. B. ein Brief unter der Haustür oder Wohnungstür durchgeschoben wird. In diesen Fällen soll die Erklärung nach Meinung Dilchers erst zugegangen sein, wenn der Adressat von dem übermittlungsversuch Kenntnis erlangt hat, er z. B. den unter der Tür durchgeschobenen Brief sieht1 8 • Demnach kann im Beispielsfall - anders als nach den unter 1. bis 3. dargestellten Meinungen - der Zugang nicht eintreten, wenn sich der Adressat vorübergehend nicht in seiner Wohnung aufhält.

5. Auseinanderfallen von Zugangseintritt und dem für die Rechtzeitigkeit de'r Willenserklärung maßgebenden Zeitpunkt Den bisher dargestellten Auffassungen ist gemeinsam, daß eine WE erst in dem Zeitpunkt zugeht, in dem vom Adressaten die tatsächliche Kenntnisnahme der in seinen Bereich gelangten Erklärung erwartet werden kann. Eine neuere Meinung 19 will demgegenüber auf ein solches Z. B. Briefkasten. Eine im Einzelfall bereitgestellte Empfangseinrichtung kann z. B. der Raum unter der Fußmatte vor der Wohnungstür sein, wenn der Antragende darum gebeten hat, ein evt!. Annahmeschreiben unter die Fußmatte vor die Tür zu legen. 16 Dilcher, AcP 154, 120, 128 ff.; Staudinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 22. 17 Stau dinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 25. 18 Stau dinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 23. 19 Grundlegend Stau dinger / Coing, 11. Auf!., § 130, Rdnr. 4; ihm folgend nume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 b (231 ff.); MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 14; Soergel / Hefermehl, § 130, Rdnr. 7. 14

15

2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

28

Hinausschieben des Zugangs eintritts verzichten. Der Zugang soll bereits bewirkt sein, wenn die Erklärung in den (Macht-)Bereich20 oder in eine Empfangseinrichtung21 des Adressaten eingebracht worden ist. Das soll selbst dann gelten, wenn die Erklärung zur Unzeit beim Adressaten eintrifft. Nur soweit es um die Rechtzeitigkeit der WE geht, will man darauf abstellen, wann vom Adressaten die tatsächliche Kenntnisnahme erwartet werden kann. Man unterscheidet also zwischen dem Zugangseintritt und demjenigen Zeitpunkt, der für die Rechtzeitigkeit der Erklärung maßgebend ist. Nach dieser Auffassung ist etwa eine zur Nachtzeit in den Briefkasten geworfene Erklärung zwar schon mit dem Einwurf zugegangen; soweit es jedoch um die Einhaltung einer Erklärungsfrist geht, ist zu berücksichtigen, daß vom Adressaten die Kenntnisnahme erst am nächsten Morgen verlangt werden kann. Die Unterscheidung zwischen dem Zugang und dem Eintritt der Zugangswirkungen für die Rechtzeitigkeit der Erklärung wird vor allem mit Gesichtspunkten der Risikoverteilung begründet. Im Hinblick auf das Verlustrisiko müsse der Zugang schon mit dem Einbringen der Erklärung in den Empfangsbereich des Adressaten bejaht werden. Denn wenn die Erklärung im Bereich des Adressaten verlorengehe, müsse das billigerweise zu dessen Lasten gehen22 • Auch aus Gründen der Rechtsklarheit sei es geboten, für den Zugang auf den leicht feststellbaren Zeitpunkt des Eintritts der Erklärung in den Empfangsbereich abzustellen statt auf den fiktiven Zeitpunkt, in dem vom Adressaten die Kenntnisnahme frühestens erwartet werden kann 23 • Schließlich wird zur Begründung der Auffassung auch auf eine Rechtsfolgenbetrachtung verwiesen24 • So sei es unangemessen, wenn der Erklärende, nachdem die Erklärung den Bereich des Adressaten erreicht habe, seine Erklärung noch widerrufen könnte (§ 130 I 2) oder wenn bei einer Erklärung, die eine Verfügung vollende, noch nach Eingang der Erklärung eine entgegenstehende Verfügung des Erklärenden erfolgen oder das Rechtsgeschäft noch von einer Verbotsnorm erfaßt werden könnte. Es sei weiterhin nicht sachgerecht, durch das Hinausschieben des Zugangs eine Unmöglichkeit, die nach dem Eintreffen eines Annahmeschreibens beim Adressaten, aber noch vor dem Zeitpunkt der vom Adressaten zu erwartenden Kenntnisnahme eintrete, zu einer anfänglichen Unmöglichkeit i. S. d. § 306 werden zu lassen.

20 21 22 23 24

So Flume, Fn. 19; MünchKomm / Förschler, Fn. 19. So Staudinger / Coing, Fn. 19. Rdnr. 3, 4. MünchKomm / Förschler, Fn. 19; Staudinger / Coing, Fn. 19, Rdnr. 4, 5. MünchKomm / Förschler, Fn. 19; Soergel / Hefermehl, Fn. 19. So vor allem Flume, Fn. 19 (232).

§ 3 Literatur und Rechtsprechung

29

11. Rechtsprechung

1. Rechtsprechung des RG und des BGR

Das RG beurteilte in seinen ersten Entscheidungen25 zu § 130 I den Zugang nach ähnlichen Grundsätzen wie die vor allem von Titze entwickelte Besitzlehre26 • Der Zugang sollte danach eintreten, sobald die Erklärung "in verkehrsüblicher Art in die thatsächliche Verfügungsgewalt des Adressaten oder eines Anderen, der ihn in der Entgegennahme von Briefen vertreten konnte, gelangt, und ihm in dieser Weise die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft ist"27. Mangels Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt lehnte das RG den Zugang in einem Fall ab, in dem ein Einschreibebrief vom überbringer lediglich vorgezeigt worden, die Ablieferung des Briefes jedoch unterblieben war2B . In späteren Entscheidungen wurde die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt an der Erklärungsverkörperung nur noch gelegentlich als Zugangsvoraussetzung genannt 29 • Das RG stellte dann entscheidend darauf ab, ob der Adressat in die Lage versetzt worden sei, unter gewöhnlichen Verhältnissen von der Erklärung Kenntnis zu nehmen30 • Ungewöhnliche Umstände wie Krankheit, Abwesenheit von zu Hause und dergleichen sollten dabei außer Betracht bleiben31 • Neben der objektiv bestehenden Möglichkeit der Kenntnisnahme verlangte das RG weiterhin, daß die tatsächliche Kenntnisnahme auch nach den Gepflogenheiten des Verkehrs erwartet werden konnte 32 • Schließlich findet sich in einer Entscheidung des RG aus dem Jahre 1934 die auch heute noch gebräuchliche Formulierung, wonach eine WE zugegangen ist, wenn sie derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, daß der Adressat ohne weiteres Kenntnis vom Erklärungsinhalt nehmen kann33 • Diese Formel hat der BGH übernommen; sie wird auch heute noch vom BGH als maßgebende Definition des Zugangs in den Entscheidungen zugrundegelegt 34 • RGZ 50, 191; 56, 262; 58, 406. Dazu oben unter I 3. 21 RGZ 50, 191, 194; ähnlich in RGZ 56, 262, 263; 58, 406, 407. 28 RGZ 56, 262, 263. 29 RGZ 61, 414, 415; 91, 62; RG, LZ 1925, 470. 30 RGZ 60, 334, 336; 61, 125, 127; 99, 20, 23; 105,255,256; 142, 402,407. 31 RGZ 60, 334, 336. 32 RGZ 99, 20, 23; 142, 402, 407. 33 RGZ 144, 289, 291; ebenso RGZ 170, 285, 288. 34 BGH, NJW 1951, 313; BGH, LM Nr. 1 zu § 130 BGB; BGH, NJW 1962, 1388; NJW 1964, 1951; BGHZ 67, 272, 275; BGH, NJW 1980, 990; BGH, NJW 25 26

1983, 929, 930.

2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

30

2. Rechtsprechung des RAG und RAG Die Rechtsprechung des RAG lehnt sich an die des RG an. Auch beim RAG findet sich die Formulierung, daß die Erklärung zugegangen ist, wenn sie in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist und dieser dadurch die Möglichkeit der Kenntnisnahme erlangt hat 35 • Das BAG gebraucht ebenfalls diese Zugangsdefinition36 • Oftmals stellt das BAG jedoch darauf ab, ob die WE in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Adressaten gelangt und diesem dadurch unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft worden ist 37 • In einer neueren Entscheidung 38 zur Frage, wann eine während der Urlaubs abwesenheit in den Briefkasten geworfene Kündigungserklärung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer zugeht, hat das BAG zum Schutz des Arbeitnehmers eine kaum bemerkte Modifikation der Zugangsvoraussetzungen vorgenommen39 • Nach Auffassung des BAG ist eine Erklärung erst dann zugegangen, "wenn und sobald der Erklärende die Kenntnisnahme des Adressaten vom Erklärungsinhalt berechtigterweise erwarten kann". Entgegen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung soll also das Merkmal der vom Adressaten zu erwartenden Kenntnisnahme nicht objektiv nach der Verkehrsanschauung, sondern aus der subjektiven Sicht des jeweiligen Erklärenden beurteilt werden. Da im entschiedenen Fall der Arbeitgeber von der Urlaubsabwesenheit des zu kündigenden Arbeitnehmers wußte, hat das BAG den Zugang während der Urlaubsabwesenheit des Arbeitnehmers verneint. Der Zugang sollte hier erst bei Rückkehr des Arbeitnehmers eingetreten sein. 3. Rechtsprechung der Instanzgerichte

Die Instanzgerichte arbeiten - wie nicht anders zu erwarten - mit den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung verwendeten Zugangsdefinitionen. Es wird entweder auf die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt an der Erklärungsverkörperung4°, auf das Gelangen RAG, JW 1932, 2565; RAG, HRR 1940 Nr. 1427; RAG, DR 1941, 1796. BAG, NJW 1963, 554, 555; BAG, BB 1981, 1030 m. Anm. Wenzel = JZ 1981, 632 m. Anm. v. Olshausen = EzA Nr. 10 zu § 130 m. Anm. M. Wolf. 37 BAG, DB 1976, 1018; DB 1977, 546; DB 1977, 1194, 1195. 38 BAG, BB 1981, 1030 m. Anm. Wenzel = JZ 1981, 632 m. Anm. v. Olshausen = EzA Nr. 10 zu § 130 m. Anm. M. Wolf. 39 VgI. aber v. Olshausen, JZ 1981, 633 f., der die Abweichung von der bisherigen Rspr. klar aufzeigt. 40 OLG Posen, OLG 35, 296; LAG Berlin, ZIP 1982, 614, 615; LAG Düsseldorf, EzA Nr. 12 zu § 130 BGB (BI. 81); LAG Düsseldorf, ARSt 1984 Nr. 1053 (S. 45). 35

36

§ 4 Grundstruktur des Zugangs bei verkörperten WEn

31

der Erklärung in den Machtbereich des Adressaten41 oder ohne ein näheres konkretisierendes Merkmal- auf die dem Adressaten verschaffte Möglichkeit der Kenntnisnahme 42 abgestellt. Der Zugang soll zu dem Zeitpunkt eintreten, in dem nach der Verkehrs anschauung erwartet werden kann, daß der Adressat von der in seinen Bereich gelangten Erklärung tatsächlich Kenntnis nimmt 43 • Nach neueren Entscheidungen von Arbeitsgerichten soll dabei auch zu berücksichtigen sein, daß der Adressat der deutschen Schriftsprache nicht mächtig ist und sich für die Kenntnisnahme die Erklärung erst durch einen Dolmetscher übersetzen lassen muß44. Diese Entscheidungen heben sich insoweit von der bisherigen Rechtsprechung ab, als für den Zeitpunkt der zu erwartenden Kenntnisnahme nicht auf eine verkehrstypische Betrachtung, sondern auf die besonderen, individuellen Umstände des Adressaten abgestellt wird. § 4 Entwicklung der Grundstruktur des Zugangs bei verkörperten Willenserklärungen unter Abwesenden

Es wäre verfehlt, die soeben dargestellten Lösungsansätze nunmehr einzeln auf ihre Tragfähigkeit zu untersuchen. Die einzelnen Lösungen bauen auf teilweise unterschiedlichen, zum großen Teil aber auch auf gemeinsamen Wertungen und Grundelementen auf. Die Kritik als auch die Entwicklung der eigenen Meinung muß an diesen für den Zugang maßgebenden Wertungen und Grundelementen ansetzen. Es ist deshalb erforderlich, diese zunächst herauszuarbeiten. Die Untersuchung hat dabei von der gesetzlichen Grundlage, nämlich von § 130 I, auszugehen. Dementsprechend muß vorrangig geprüft werden, ob und inwieweit sich aus dieser Vorschrift und der ihr zugrundeliegenden Interessenbewertung des Gesetzgebers Vorgaben für die Bestimmung der Zugangsvoraussetzungen ergeben.

41 OLG Kiel, OLG 35, 310; OLG Celle, NJW 1960, 870; OLG München, VersR 1968, 728, 729; LG Essen, VersR 1968, 660; AG Elze, ZMR 1968, 13; LG Wiesbaden, JZ 1975, 668, 669 m. Anm. Baumgärtel / Halbach; OLG Karlsruhe, VersR 1977, 902; ArbG Rheine, DB 1966, 1975; LAG Ramm, DB 1967, 1272; LAG Frankfurt, BB 1967, 1423; ArbG Ragen, DB 1976, 1159; LAG Ramm, EzA Nr. 9 zu § 130 (B!. 54). 42 OLG Ramburg, OLG 32, 343, 344; LAG Köln, BB 1962, 880. 43 LG Essen, Ver sR 1968, 660; AG Elze, ZMR 1968, 13; OLG Celle, NJW 1974, 1386; LAG Köln, BB 1962, 880; LAG Ramm, DB 1967, 1272; LAG Frankfurt, BB 1967, 1423; ArbG Ragen, DB 1976, 1159. 44 ArbG Wiesbaden, ARSt 1975 Nr. 110; LAG Ramm, Besch!. v. 15.9.1977 8 Ta 121/77; Besch!. v. 13.10.1977 - 8 Ta 156/77 (zitiert nach Wenzel, MDR 1978, 103, 107, Fn. 68); LAG Ramm, EzA Nr. 9 zu § 130 BGB m. Anm. W.

SchWter.

32

2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

I. Vorgaben für die Entwicklung der Zugangsvoraussetzungen aus dem Gesetz und seiner Entstehungsgeschichte

1. Wortlaut und systematische Stellung des § 130 I Der Gesetzeswortlaut des § 130 I ist wenig ergiebig. Aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs läßt sich aus dem Begriff "Zugang" nur soviel entnehmen, daß die Erklärung irgendwie beim Adressaten angekommen sein muß. Was das im einzelnen bedeutet, bleibt zweifelhaft. Der Wortlaut gibt keinerlei Aufschluß darüber, wie nahe der Erklärende die WE an den Adressaten herantragen muß, damit die Rechtswirkungen der Erklärung eintreten. Auch aus dem Gesetzeszusammenhang lassen sich hierfür keine weiteren Anhaltspunkte gewinnen.

2. Entstehungsgeschichte des § 130 I Von größerer Bedeutung für die Entwicklung der Zugangsvoraussetzungen könnte die dem § 130 I zugrundeliegende Interessenbewertung des Gesetzgebers sein, wie sie sich aus der Entstehungsgeschichte entnehmen läßt. Vor Schaffung des BGB war umstritten, zu welchem Zeitpunkt WEn wirksam werden. In der gemeinrechtlichen Literatur des 19. Jahrhunderts hatten sich im wesentlichen - entsprechend den Entwicklungsstadien, welche die WEn regelmäßig durchlaufen - vier Auffassungen herausgebildet. Nach der Äußerungstheorie sollte eine WE vollendet und damit wirksam sein, sobald der Erklärende sie geäußert hatte!. Nach der Absendungstheorie (Entäußerungs-, übermittlungstheorie) trat die Wirksamkeit der WE mit dem Absenden zum Adressaten ein2 • Die Empfangstheorie verlagerte dagegen den Eintritt der Wirksamkeit auf den Zeitpunkt, in dem die WE zum Adressaten gelangte3 • Nach der Vernehmungs theorie war schließlich zum Wirksamwerden der WE erforderlich, daß der Adressat Kenntnis vom Inhalt der Erklärung erlangte 4 • Der BGB-Gesetzgeber entschied durch Schaffung des § 130 I den damals bestehenden Meinungsstreit zugunsten der Empfangstheorie5• So z. B. Thöl, Handelsrecht, Bd. I, § 237, 4 m. w. N. So z. B. Koeppen, JhJ Bd. 11, 139, 373. 3 So z. B. Kohler, ArchBürgR Bd. 1, 283, 293; Schott, Der obligatorische Vertrag unter Abwesenden, 36 ff. m. w. N. 4 So z. B. Brinz, Lehrbuch der Pandekten, Bd. IV, § 572. 5 Die Empfangstheorie entsprach der damals h. M. Das ADHGB (Art. 319 ff.), das sächsische BGB (§ 815), das österreichische ABGB (§ 862) und das schweizerische Obligationenrecht (Art. 3, 7) waren der Empfangstheorie gefolgt (vgl. dazu Mot. I, 156). Auch das RG hatte sich schon vor Inkrafttreten des BGB für die Empfangstheorie ausgesprochen (RGZ 23, 164, 166). 1

2

§ 4 Grundstruktur des Zugangs bei verkörperten WEn

33

Schon die erste Kommission hatte sich für die Empfangstheorie ausgesprochen (vgl. § 74 E I; Mot. I, 156). Die Äußerungs- und die Absendungstheorie wurden von der ersten Kommission verworfen, weil sie zu einseitig die Interessen des Erklärenden berücksichtigten und in ihrer Anwendung zu Ergebnissen führten, die mit der Verkehrsanschauung und den Anforderungen der materiellen Gerechtigkeit schwer in Einklang zu bringen seien6 • Der mit der WE bezweckte rechtliche Erfolg, von dem auch der Erklärungsadressat betroffen werde, dürfe billigerweise erst dann eintreten, wenn dieser Kenntnis von der Erklärung erlangt oder zumindest die Möglichkeit dazu gehabt habe 7 • Die Vernehmungstheorie lehnte die erste Kommission aus rechtspraktischen Gründen ab. Zwar legten - so wird in den Motiven ausgeführtdie allgemeinen Grundsätze es nahe, die WE erst wirksam werden zu lassen, wenn der abwesende Adressat von ihr Kenntnis genommen habe. Die Vernehmungstheorie könne jedoch den Bedürfnissen des Verkehrs nicht gerecht werden. Gegen sie spreche, "daß in der Mehrzahl der Fälle es völlig in dem Belieben des anderen Theiles stehen würde, ob und wann er die WE wirksam werden lassen will - er braucht nur der Kenntnisnahme des Inhaltes des die Erklärung enthaltenen Briefes bzw. Telegrammes oder dem Anhören des Boten sich zu verschließen, und die Erklärung ist wirkungslos"8. Außerdem müßte nach dieser Theorie der Erklärende im Streitfall den Beweis dafür erbringen, daß der Erklärungsadressat tatsächlich Kenntnis vom Erklärungsinhalt erhalten habe; ein solcher Beweis könne nur in den seltensten Fällen erbracht werden. Um diese Nachteile für den Erklärenden zu vermeiden und andererseits aber auch die Interessen des Adressaten zu wahren, entschied sich die erste Kommission für die Empfangstheorie. Nach § 74 I des E I sollte eine WE unter Abwesenden mit dem Zeitpunkt wirksam werden, in dem sie dem Adressaten "zukommt"9. Dazu sei erforderlich, daß die WE "in die Hände oder zu Gehör desjenigen gelangt, an den sie gerichtet ist"lO. § 74 des E I wurde später durch die zweite Kommission abgeändert. Man ersetzte u. a. den Begriff "zukommen" durch die Formulierung "zugehen", ohne daß damit jedoch eine sachliche Änderung gewollt war l l . Es wurde auch erwogen, den Adressaten zu schützen, wenn er Mot. I, 157. Mot. 1,157. 8 Mot. I, 157. 9 § 74 des E I sah noch eine Sonderbehandlung für stillschweigende WEn vor. Diese sollten erst mit der Kenntniserlangung durch den Adressaten wirksam werden; insoweit sollte also die Vernehmungs theorie gelten. Diese Sonderregelung ist jedoch später von der zweiten Kommission gestrichen worden (vgl. Prot. I, 68 f.). 10 Mot. I, 157. 11 Prot. I, 68 f. 6

7

3 Brinkmann

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2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

ohne sein Verschulden von der ihm zugegangenen Erklärung keine Kenntnis genommen hat. Jedoch fand sich für eine entsprechende Modifikation der Empfangstheorie keine Mehrheit 12 • Aus der von der zweiten Kommission gewählten Fassung (§ 107 des EIl) entstand später nach Vornahme geringfügiger, rein sprachlicher Änderungen der heutige § 130 I. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Zugangs äußerte sich die zweite Kommission ähnlich unklar wie die erste Kommission. Die Mehrheit der zweiten Kommission vertrat in einem anderen Zusammenhang, nämlich bei der Beratung des heutigen § 299, beiläufig die Auffassung, daß es für den Zugang ausreiche, wenn die WE in den Bereich des Adressaten gelangt sei. Soweit diese Voraussetzung vorliege, könne eine Erklärung sogar dann wirksam werden, wenn der Adressat im konkreten Fall nicht in der Lage gewesen sei, von ihr Kenntnis zu nehmen13 • Hierbei handelt es sich jedoch - wie schon gesagt - um beiläufige und zudem wenig konkrete Äußerungen. Insgesamt gewinnt man den Eindruck, daß die Gesetzesverfasser sich kaum Gedanken über den Zugangsbegriff gemacht haben. Für den Gesetz~ geber stand die Entscheidung des damaligen Theorienstreits über das Wirksamwerden von WEn ganz im Vordergrund. Die Konkretisierung des relativ unbestimmten Begriffs "Zugang" sollte wohl der Rechtsprechung und der Rechtslehre überlassen werden. Auch aus der Entstehungsgeschichte lassen sich also nur relativ wenige Vorgaben für die Entwicklung der Zugangs voraussetzungen entnehmen. Die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten der Empfangs~ theorie und die dabei vorgenommene Interessenabwägung seitens des Gesetzgebers lassen aber immerhin die folgenden grundlegenden Wertungen erkennen: Aus der Ablehnung der Absendungstheorie folgt, daß dem Erklärenden der Transport der WE zum Adressaten obliegt und er auch die dabei auftretenden Risiken tragen muß. Aus der Ablehnung der Vernehmungstheorie ergibt sich andererseits, daß der Zugang jedenfalls der Kenntnisnahme vorgelagert sein muß. Wie die gesetzgeberischen Erwägungen zur Ablehnung der Vernehmungstheorie zeigen, sollte der Zugang möglichst von einer Mitwirkung des Adressaten unabhängig sein. Der Gesetzgeber wollte verhindern, daß der Zugangseintritt ins Belieben des Adressaten gestellt würde Demnach muß der Zugang nach Abschluß des Transportes der WE zum Adressaten, aber noch vor einer Kenntnisnahme und etwaigen dazu notwendigen Mitwirkungs~ handlungen des Adressaten eintreten. Außerdem wird aus den Überlegungen der zweiten Kommission deutlich, daß der Gesetzgeber mit § 130 I eine objektive Risikovertei12

13

Prot. I, 71. Prot. I, 331.

§ 4 Grundstruktur des Zugangs bei verkörperten WEn

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lung vornehmen und den Zugangseintritt jedenfalls von Gesichtspunk~ ten des Verschuldens freihalten wollte. Mit der Empfangstheorie sollte letztlich ein angemessener Interessenausgleich erreicht werden zwischen den Interessen des Erklärenden an einem gesicherten alsbaldigen Eintritt der Wirksamkeit der abgegebenen Erklärung und den Interessen des Adressaten, vor dem Wirksamwerden Kenntnis vom Inhalt der Erklärung zu erlangen. 11. Grundelemente des Zugangs

Auch bei Beachtung der soeben aufgezeigten Wertungen des Gesetzgebers bleibt noch ein weiter Gestaltungsspielraum für die Entwicklung der Zugangsvoraussetzungen. Soweit normative Vorgaben fehlen, muß im folgenden maßgebend auf die Interessenlage abgestellt und ein angemessener Interessenausgleich gesucht werden. Aufgrund der gesetzlichen Wertungen und aufgrund der Interessenlage sollen nunmehr zunächst einmal die Grundelemente des Zugangs herausgearbeitet werden. 1. ErZangung einer abstrakten KenntnisnahmemögZichkeit Es ist eine grundlegende Voraussetzung des Zugangs, daß der Erklärende dem Adressaten die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise den Inhalt der WE zur Kenntnis zu nehmen. Das dürfte unstreitig sein. Alle oben dargestellten Auffassungen 14 beruhen nämlich auf dieser Grundvoraussetzung. Unterschiede bestehen meist nur insoweit, als es darum geht, zu bestimmen, wie nahe die WE an den Adressaten herangebracht werden muß, um von einer ihm zumutbaren Möglichkeit der. Kenntnisnahme ausgehen zu können. a) Herleitung dieser Voraussetzung aus der Risikoverteilung der Empfangstheorie Die soeben genannte Grundvoraussetzung des Zugangs folgt letztlich aus der Entscheidung des Gesetzgebers für die Empfangstheorie und dem damit bezweckten Interessenausgleich. Nach der Empfangstheorie ist zwar für das Wirksamwerden der WE deren Kenntnisnahme nicht erforderlich, die Erklärung muß aber jedenfalls beim Adressaten eingetroffen sein. Von einem Eintreffen der Erklärung beim Adressaten kann jedoch bei billiger Berücksichtigung seiner Interessen erst gesprochen werden, wenn sie dem Adressaten so nahe gebracht worden ist, daß er die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Wenn der Gesetz14



Vgl. oben § 3.

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2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

geber zum Schutz des Erklärenden schon davon abgesehen hat, die WE erst mit der Kenntnisnahme wirksam werden zu lassen, obwohl empfangs bedürftige WEn auf die Kenntnisnahme durch den Adressaten abzielen, dann muß dem Adressaten, der von den Rechtswirkungen der WE betroffen wird, wenigstens die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft worden sein. Etwas anderes wäre mit der Empfangsbedürftigkeit der WE nicht zu vereinbaren. b) Beurteilung der Möglichkeit der Kenntnisnahme aufgrund abstrahierender Betrachtung Zweifelhaft ist, welche Umstände und Verhältnisse für die Frage, ob dem Adressaten die Möglichkeit der Kenntnisnahme eingeräumt worden ist, zu berücksichtigen sind. Es könnte auf die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Adressaten oder aber darauf ankommen, ob ein durchschnittlicher Adressat unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen kann. Überwiegend stellt man - meist ohne eine nähere Begründung - auf die objektive Möglichkeit der Kenntnisnahme ab 1s . Außergewöhnliche Umstände, die sich aus der Person oder dem Verhalten des Adressaten ergeben und die Kenntnisnahme hindern, wie z. B. Schlaf, Bewußtlosigkeit oder die Abwesenheit des Adressaten von seiner Wohnung, sollen außer Betracht bleiben. Eine Rechtfertigung für diese von den individuellen Umständen des Adressaten abstrahierende Betrachtungsweise könnte sich aus der dem § 130 I zugrundeliegenden Risikoverteilung ergeben. Bei § 130 I handelt es sich um eine Regelung der Gefahrtragung. Es geht um die Gefahren, denen die WE auf ihrer Reise von der Abgabe bis zur Kenntnisnahme durch den Adressaten ausgesetzt ist. Diese Risiken verteilt § 130 I nach Einwirkungsbereichen16 • Eine solche Risikoverteilung ist zwar vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich ausgesprochen worden. Sie folgt jedoch aus der Empfangstheorie, von der § 130 I ausgeht. Danach obliegt dem Erklärenden der Transport der WE zum Adressaten. Der Erklärende hat also die Gefahr zu tragen, daß die Erklärung während des Transports verlorengeht, verstümmelt wird oder verspätet beim Adressaten ankommt. Diese Gefahrtragung rechtfertigt sich daraus, daß die Erklärung während des Transports zur Disposition des Erklärenden steht und dieser oder die von ihm beauftragte Beförderungsperson auch die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit hat, während der Adressat überhaupt keinen Einfluß auf die Erklärung nehmen kann. Vgl. oben § 3 I, II 1. Grundlegend MüHer-Erzbach, AcP 106, 309, 431; vgl. auch Dilcher, AcP 154, 120, 124 f.; Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II Ale (976 f.); Marburger, AcP 173, 137, 142; MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 8; Soergel/ Hefermehl, § 130, Rdnr. 4; Zweigert, DRZ 1950, 471. 15

16

§ 4 Grundstruktur des Zugangs bei verkörperten WEn

37

Sobald die Erklärung beim Adressaten angelangt ist, verhält es sich genau umgekehrt. Der Adressat hat nunmehr die Möglichkeit der Einwirkung; der Erklärende hat demgegenüber jeden Einfluß auf die im Bereich des Adressaten befindliche Erklärung verloren. Das ist der Zeitpunkt, in dem auch das Risiko des Verlustes der Erklärung und der verspäteten Kenntnisnahme billigerweise auf den Adressaten übergehen muß. Mit dem Eintritt des Zugangs und dem Wirksamwerden der WE erfolgt diese Risikoverlagerung. Nach der Empfangstheorie wird also immer dem Beteiligten, der jeweils typischerweise am ehesten in der Lage ist, die auftretenden Gefahren zu beherrschen, das Verlust- und Verspätungsrisiko aufgebürdet1 7 • Es entspricht dieser Risikoverteilung, wenn außergewöhnliche Umstände, die in der Person oder im Verhalten des Adressaten ihren Grund haben und die alsbaldige Kenntnisnahme hindern, zu Lasten des Adressaten gehen18 • Denn solche Hindernisse stammen aus seiner Sphäre, und schon allein deshalb ist dem Adressaten die Übernahme des Risikos eher zuzumuten als dem Erklärenden. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit zur Gefahrbeherrschung erscheint es gerechtfertigt, diese Risiken dem Adressaten aufzugeben, da dieser im Gegensatz zum Erklärenden meist die der Kenntnisnahme entgegenstehenden Umstände beseitigen oder für eine Umgehung des Hindernisses Sorge tragen kann. Daß der Adressat dazu im konkreten Fall evtl. außerstande ist, hat dabei unberücksichtigt zu bleiben. Beim Zugang geht es nämlich um 'eine generelle Risikoverteilung. Es kann deshalb immer nur darauf ankommen, wer von den Beteiligten typischerweise am ehesten in der Lage ist, die Gesamtheit der vorhandenen Risiken zu beherrschen 19 . Der Adressat wird durch die dargestellte Risikoverteilung auch nicht unbillig belastet. Die Perpetuierung des Erklärungsinhalts ermöglicht es ihm, die Kenntnisnahme später nachzuholen20 • Für den Erklärenden wäre andererseits eine Belastung mit dem Kenntnisnahmerisiko unzumutbar, zumal für ihn Kenntnisnahmehindernisse auf seiten des Adressaten oftmals gar nicht erkennbar sind. Der Erklärende muß sich darauf verlassen können, daß die Rechtswirkungen der Erklärung eintreten, wenn er dem Adressaten die Erklärung so nahe gebracht hat, daß dieser unter normalen Umständen von ihr Kenntnis nehmen kann 21 • Im Interesse des Rechtsverkehrs ist Vgl. Marburger, Fn. 16; Müller-Erzbach, Fn. 16. Vgl. Zweigert, Fn. 16. 19 Zur Risikozurechnung nach diesem Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit vgl. vor allem Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, 78 ff. 20 In diesem Punkt unterscheidet sich die Interessenlage bei verkörperten WEn grundlegend von der bei unverkörperten Erklärungen (vgl. dazu § 8 II 17

18

2 a). 21

Vgl. Marburger, AcP 173,137,142.

2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

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es demnach geboten, für den Zugang auf die abstrakte Kenntnisnahmemöglichkeit abzustellen. Daß individuelle Kenntnisnahmehindernisse zu Lasten des Adressaten gehen müssen, läßt sich mittelbar auch aus § 131 I ableiten22 • Diese Vorschrift schützt den Geschäftsunfähigen; WEn an ihn werden erst wirksam, wenn sie seinem gesetzlichen Vertreter zugehen. Gleiches gilt nach § 131 II grundsätzlich für beschränkt Geschäftsfähige. Anders als bei § 105, der die Abgabe von WEn betrifft, hat der Gesetzgeber in § 131 die Bewußtlosen und die vorübergehend Geistesgestörten nicht geschützt23 • Nach der Wertung des Gesetzgebers sollen solche nur vorübergehenden, persönlichen Kenntnisnahmehindernisse den Wirksamkeitseintritt der Erklärung nicht hinausschieben. Der Wille des Gesetzgebers, den Zugang nicht von den besonderen, individuellen Umständen des jeweiligen Adressaten abhängig zu machen, kommt schließlich auch dadurch zum Ausdruck, daß in der zweiten Kommission der Antrag keine Mehrheit fand, den Adressaten in Fällen unverschuldet unterbliebener Kenntnisnahme zu schützen 24 • c) Berücksichtigung der dem Erklärenden

bekannten Kenntnisnahmehindernisse Es bleibt allerdings zu erwägen, ob für den Zugang ein beim Adressaten vorhandenes Kenntnisnahmehindernis ausnahmsweise zu berücksichtigen ist, wenn der Erklärende es bei Abgabe der WE gekannt hat. So fragt sich, ob eine Erklärung schon während der Abwesenheit des Adressaten zugeht, wenn der Erklärende sie in den Briefkasten der verlassenen Wohnung wirft, obwohl er gen au weiß, daß der Adressat sich auf einer Urlaubsreise befindet. Es fällt schwer, für solche Fälle eine einheitliche Lösung zu finden, da die Schutzbedürftigkeit des Erklärenden und des Adressaten nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ganz unterschiedlich sein kann. Grundsätzlich muß jedoch auch hier das Kenntnisnahmehindernis zu Lasten des Adressaten gehen 25 • Das Wissen des Erklärenden 22

Vgl. dazu schon Schlüter, Anm. zu LAG Hamm, EzA Nr. 9 zu § 130 BGB

23

Es handelt sich hierbei auch nicht um ein Redaktionsversehen. Nach

(BI. 59).

§§ 64 H, 66 I des E I sollte auch ein Rechtsgeschäft, das gegenüber einer vor-

übergehend des Vernunftgebrauchs beraubten Person vorgenommen wird, nichtig sein. Auf Beschluß der zweiten Kommission wurden die §§ 64, 66 des E I, aus denen die heutigen §§ 104 f., 131 entstanden sind, so abgeändert, daß bei Bewußtlosigkeit oder vorübergehender Geistesstörung nur die Abgabe von WEn nichtig ist. Solche nur vorübergehenden Zustände, so meinte die Kommissionsmehrheit, könnten es dagegen nicht hindern, "daß die Erklärung im Momente des Zukommens wirksam werde" (vgl. Prot. I, 72 f.). 24 Vgl. S. 33 f. 25 A. A. BAG, BB 1981, 1030 m. Anm. Wenzel = JZ 1981, 632 m. Anm. v.

§ 4 Grundstruktur des Zugangs bei verkörperten WEn

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ändert nämlich nichts daran, daß die Hinderungsgründe aus dem Einwirkungsbereich des Adressaten stammen und von diesem potentiell vermeidbar sind. Vom Erklärenden kann jedenfalls, wenn eine Frist zu wahren ist, nicht verlangt werden, daß er eine Verzögerung des Zugangs hinnimmt26 . Der Vermieter muß etwa den Zugang einer Kündigungserklärung bewirken können, auch wenn er genau weiß, daß der Mieter sich über den für die Rechtzeitigkeit der Kündigung maßgebenden Zeitpunkt hinaus im Urlaub befindet, und er mangels Kenntnis der Urlaubsanschrift die Kündigungserklärung nur zur verlassenen Wohnung übermitteln kann. Anderenfalls würde sein Kündigungsrecht faktisch entwertet. Es wäre auch mit den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs schwerlich zu vereinbaren, wenn der Adressat die Möglichkeit hätte, den Zugang einer verkörperten WE schon durch eine dem Erklärenden bekannt gemachte Abwesenheit von seiner Wohnung zu verhindern" Schließlich ist zu bedenken, daß das Wissen des Erklärenden vom Kenntnisnahmehindernis jedenfalls eine Zustellung nach § 132 I nicht ausschließen würde. Es ist dann aber kein Grund ersichtlich, warum dieses Wissen den Zugang nach § 130 I hindern so1l27. Nur in Ausnahmefällen kann das Wissen des Erklärenden vom Kenntnisnahmehindernis von Bedeutung sein, wenn dieser nämlich die Möglichkeit hat, das Kenntnisnahmehindernis ohne weiteres zu umgehen. Weiß er etwa von der Abwesenheit des Adressaten und kennt er auch die Adresse des derzeitigen Aufenthaltsortes, dann wird man von ihm erwarten müssen, daß er die Erklärung am derzeitigen Aufenthaltsort des Adressaten zugehen läßt. Denn nach dem Gebot der Rücksichtnahme auf die erkennbaren Interessen des anderen Teils und nach der dem § 130 I zugrundeliegenden Wertung ist vom Erklärenden zu verlangen, daß er die Erklärung so nahe an den Adressaten heranbringt, wie es ihm möglich und zumutbar ist 28 . Wenn nämlich § 130 I die Erklärung schon mit dem Zugang wirksam werden läßt, so wird damit bezweckt, den Erklärenden allein von solchen Umständen zu entlasten, die - wie die Kenntnisnahme - in der Sphäre des Adressaten liegen und vom Erklärenden nicht beeinflußbar sind 29 . Ansonsten hat dieser jedoch alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare zu tun, um die Erklärung dem Adressaten tatsächlich zur Kenntnis zu bringen. Er muß demnach für den Zugang den Weg wählen, der nach Olshausen = EzA Nr. 10 zu § 130 m. Anm. M. Wolf; die Entscheidung betraf

allerdings den Sonderfall der arbeitsrechtlichen Kündigung gegenüber einem urlaubsabwesenden Arbeitnehmer (vgl. dazu § 6 I). 26 Ebenso v. Olshausen, JZ 1981, 633, 634; Wenzel, BB 1981, 1031, 1032. 27 So Wenzel, BB 1981, 1031, 1032. 28 Vgl. v. Olshausen, JZ 1981, 633, 634. 29 Das folgt aus den Gründen, die den Gesetzgeber zur Ablehnung der Vernehmungstheorie bewogen haben; vgl. oben S. 33.

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2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

den ihm bekannten Verhältnissen des Adressaten die alsbaldige Kenntnisnahme sicherstellt. Tut er das nicht, so kann der Zugang noch nicht mit der Verschaffungeiner abstrakten Kenntnisnahmemöglichkeit eintreten, mit welcher der abwesende Adressat zunächst nichts anfangen kann. Vielmehr erscheint es hier gerechtfertigt, den Zugang bis zur Rückkehr des Adressaten hinauszuschieben 30 • Wenn man von solchen Ausnahmefällen absieht, muß es bei der oben dargestellten Risikoverteilung bleiben. Für den Zugang ist also die Verschaffung einer objektiven, zumutbaren Kenntnisnahmemöglichkeit grundlegend, wobei besondere, individuelle Kenntnisnahmehindernisse des Adressaten grundsätzlich unberücksichtigt bleiben.

2. Hinausschieben des Zugangseintritts auf den Zeitpunkt der zu erwartenden tatsächlichen Kenntnisnahme a) Schutz des Adressaten vor den Rechtswirkungen einer zur Unzeit eingehenden Willenserklärung durch Hinausschieben des Zugangseintritts Nach überwiegender Auffassung 31 gibt es noch eine weitere grundlegende Voraussetzung des Zugangs: Es muß nach der Verkehrsanschauung zu erwarten sein, daß der Adressat tatsächlich von der Erklärung Kenntnis nimmt. Dieses spekulative Element dient zur zeitlichen Fixierung des Zugangseintritts. Es schiebt den Zugang bei zur Unzeit eingehenden WEn auf den Zeitpunkt hinaus, zu dem die Kenntnisnahme verkehrsüblicherweise erwartet werden darf. Die Notwendigkeit, den Adressaten in den Fällen der zur Unzeit eingehenden Erklärungen zu schützen, ist bei Betrachtung der Interessenlage unmittelbar einsichtig. Dem Adressaten ist es unzumutbar, sich auch zur Unzeit, etwa zur Nachtzeit, auf den Eingang von WEn einzustellen. Er muß davor bewahrt werden, schon vor der von ihm zu erwartenden tatsächlichen Kenntnisnahme vom Erklärungsinhalt mit den eventuell nachteiligen Rechtswirkungen der eingegangenen WE überzogen zu werden. Demgegenüber kann man vom Erklärenden verlangen, daß er sich auf die für ihn erkennbaren Verkehrsgewohnheiten einstellt und die Erklärung rechtzeitig auf den Weg bringt. 30 Ebenso v. Olshausen, Fn. 28. Im Fall der arbeitsrechtlichen Kündigung gegenüber einem urlaubsabwesenden Arbeitnehmer kommen teilweise auch die Arbeitsgerichte und die arbeitsrechtliche Literatur zu diesem Ergebnis; vgl. etwa LAG Berlin, DB 1964, 221, 302; LAG Hamm, DB 1967, 1272; LAG Hamm, DB 1978, 119; Hueck / Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, § 56 II 1 (543); KR / Friedrich, § 4 KSchG, Rdnr. 111; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz, Rdnr. 80. 31 Vgl. die Literatur unter § 3 I 1 - 4 und die unter § 3 II dargestellte Rechtsprechung.

§ 4 Grundstruktur des Zugangs bei verkörperten WEn

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Fraglich ist aber, ob es sachgerecht ist, den gebotenen Schutz des Adressaten durch das Hinausschieben des Zugangs zu verwirklichen. Nach der vor allem von Coing und Flume vertretenen neueren Meinung 32 besteht der bessere Weg darin, den Zugang schon bei Eintreffen der WE zu bejahen und nur bei der Frage nach der Rechtzeitigkeit der Erklärung auf den Zeitpunkt der vom Adressaten zu erwartenden Kenntnisnahme abzustellen. Ob dies wirklich die bessere Lösung ist, bedarf der kritischen Überprüfung. Während die h. M. sich mit der gesetzlichen Regelung ohne weiteres vereinbaren läßt, ergeben sich bei der neueren Lösung, nach welcher der Zugangseintritt und der für die Rechtzeitigkeit der Erklärung maßgebende Zeitpunkt auseinanderfallen, erhebliche dogmatisch-konstruktive Bedenken. Nach § 130 I führt der Zugang zum Wirksamwerden der Erklärung. Wenn eine Erklärung innerhalb der für sie geltenden Frist durch Zugang wirksam geworden ist, dann erscheint es aber zwingend zu sein, daß damit auch die Frist gewahrt ist. Die Rechtsfolge des § 130 I, nämlich der Eintritt der Rechtswirkungen der Erklärung, spricht dafür, daß für die Wahrung einer Frist der rechtzeitige Zugang genügt. Es ist demgegenüber widersprüchlich, mit dem Zugang die Erklärung wirksam werden zu lassen, für die Frage der Rechtzeitigkeit jedoch das Wirksamwerden der Erklärung zu leugnen 33 • Entweder ist die Erklärung durch den Zugang wirksam geworden oder nicht. Dieser Widerspruch könnte zwar vermieden werden, indem man im Wege der 'ergänzenden Auslegung die vertraglichen und gesetzlichen Fristvorschriften dahingehend interpretiert, daß zur Wahrung der Frist nicht das Wirksamwerden der Erklärung und damit der Zugang maßgebend ist, sondern der spätere Zeitpunkt, zu dem die Kenntnisnahme durch den Adressaten erwartet werden kann34 • Aber auch hiergegen bestehen Bedenken. Es ist schwer verständlich, daß eine innerhalb der zu wahrenden Frist wirksam gewordene WE gleichwohl verspätet sein kann. Das ist mit dem Begriff des Wirksamwerdens kaum vereinbar. Zudem läßt sich für einen der wichtigsten Fälle, nämlich für die Einhaltung einer Annnahm:efrist, aus § 149 entnehmen, daß für die Wahrung der Frist der Zugang der Annahmeerklärung maßgebend ist. Dies spricht dafür, daß es für die Rechtzeitigkeit einer Erklärung immer auf den Zeitpunkt ihres Zugangs ankommt 35 • Vgl. oben § 3 I 5. Vgl. auch Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 11 A 2 b, Fn. 20 (978 f.). 34 In diesem Sinne wohl auch Soergel / Hefermehl, § 130, Rdnr.7; Staudinger / Coing, 11. Aufl., § 130, Rdnr. 4. 35 Ebenso in der Kritik Larenz, Allg. Teil, § 21 11 b (410). 32

33

42

2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

Nun mag man rein begriffliche und dogmatische Erwägungen allein nicht für entscheidend halten. über die aufgezeigten Bedenken könnte man sich eventuell hinwegsetzen, wenn für die von Flume und Coing entwickelte Auffassung der Gesetzeszweck oder die Interessenlage sprächen. Das soll im folgenden überprüft werden. Die Vorteile der eigenen Lösung gegenüber der h. M. sollen nach Coing und Flume 36 vor allem in einer gerechteren Risikoverteilung und

in einer größeren Rechtsklarheit liegen. Das Argument, daß durch den Verzicht auf das Merkmal der nach der Verkehrsanschauung zu erwartenden Kenntnisnahme die Zugangsvoraussetzungen klarer gefaßt würden, überzeugt aber schon deshalb nicht, weil es für die in der Praxis oftmals allein relevante Frage nach der Rechtzeitigkeit der Erklärung wieder auf dieses Merkmal ankommt. Die angebliche Unsicherheit in der Rechtsanwendung würde sich dann nicht beim Zugang, sondern bei der Frage nach der Rechtzeitigkeit der Erklärung ergeben. Größeres Gewicht haben allerdings überlegungen, die zu einer angemessenen Risikoverteilung angestellt werden. Bei einer Risikoverteilung nach Einflußbereichen37 muß das Risiko des Erklärungsverlustes schon dann auf den Adressaten übergehen, wenn die Erklärung die Sphäre des Adressaten erreicht hat. Denn damit verliert der Erklärende die Einwirkungsmöglichkeit auf die Erklärung, während der Adressat eine solche Einwirkungsmöglichkeit erlangt. Das Moment der nach der Verkehrsanschauung vom Adressaten zu erwartenden Kenntnisnahme ist dagegen für diese Risikoverteilung irrelevant38 • Zur Verdeutlichung sei ein von Coing gebildeter Beispielsfall39 angeführt. Der Erklärende hatte ein Kündigungsschreiben am Abend unter der Wohnungstür des Adressaten durchgeschoben. Am selben Abend wurde das Schreiben von einem Kind des Adressaten vernichtet. Es wäre unbillig, wenn in einem solchen Fall der Zugang verneint und der Erklärungsverlust zu Lasten des Erklärenden gehen würde, der im Gegensatz zum Adressaten keine Einwirkungsmöglichkeit auf die in dessen Wohnung gelangte Erklärung hatte 40 • Ein Erklärungsverlust, der nach Beendigung der Erklärungsübermittlung zum Empfangsort im Bereich des Adressaten eintritt, muß vielmehr zu dessen Lasten gehen, weil der Adressat in der von ihm beherrschten Sphäre die Gefahr eines ErVgl. oben § 3 I 5. Vgl. oben S. 36 f. 38 Insoweit zutreffend MünchKomm I Förschler, § 130, Rdnr. 14. 39 Staudinger I Coing, 11. Aufl., § 130, Rdnr. 5. 40 Unbillig ist dieses Ergebnis allerdings nur, wenn kein Briefkasten vorhanden war und es auch sonst keinen sichereren Weg gab, die Erklärung zum Adressaten gelangen zu lassen (vgl. dazu S. 58 ff., 65 f.). 38

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§ 4 Grundstruktur des Zugangs bei verkörperten WEn

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klärungsverlustes eher abwenden kann als der Erklärende und nach der Empfangstheorie der Erklärende nur für den Transportweg das Verlustrisiko zu tragen hat. Gleichwohl ist es nicht notwendig, den Zugang schon immer zu dem Zeitpunkt eintreten zu lassen, in dem der Adressat die objektive Kenntnisnahmemöglichkeit erlangt hat. Eine angemessene Risikoverteilung läßt sich auch durch folgende kleine Abänderung der von der h. M. vertretenen Lösung erreichen: Der Zugang ist zwar auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem nach der Verkehrsanschauung die Kenntnisnahme durch den Adressaten erwartet werden kann. Es ist jedoch nicht zu fordern, daß zu diesem Zeitpunkt die Erklärung noch unversehrt im Bereich des Adressaten vorhanden ist. Es reicht vielmehr aus, wenn beide Zugangselemente hintereinander verwirklicht werden; bei Erfüllung der zweiten Zugangsvoraussetzung muß also die erste Voraussetzung nicht notwendigerweise noch weiterhin vorliegen. Dadurch wird vermieden, daß zwei sachlich verschiedene Problembereiche, die beim Zugang zu lösen sind, unzulässigerweise miteinander verknüpft werden. Einmal geht es nämlich um die Verteilung des Verlustrisikos hinsichtlich der Erklärungsverkörperung; eine interessengerechte Lösung läßt sich insoweit allein durch die oben unter II 1 her':' ausgearbeitete Zugangsvoraussetzung gewährleisten. Die dadurch erreichte angemessene Risikoverteilung darf nicht durch das zweite Zugangselement verfälscht werden. Dessen Funktion besteht vielmehr darin, ein anderes Problem sachgerecht zu lösen, nämlich den Zeitpunkt zu fixieren, in dem die Rechtswirkungen der WE gegenüber dem Adressaten eintreten41 • Wendet man diese Grundsätze auf den oben dargestellten Beispielsfall an, so ergibt sich, daß das Verlustrisiko schon am Abend mit der Erlangung der objektiven Kenntnisnahmemöglichkeit auf den Adressaten übergegangen ist. Die Erklärung ist deshalb trotz der Vernichtung der Erklärungsverkörperung am nächsten Morgen zugegangen, sobald die Kenntnisnahme nach der Verkehrsanschauung erwartet werden mußte. Diese Lösung vermeidet nicht nur die vorhin dargestellten begrifflich-konstruktiven Unzulänglichkeiten, sondern erweist sich auch als in jeder Hinsicht interessengerecht. Einerseits führt sie zu einer angemessenen Verteilung des Verlustrisikos; andererseits trägt sie aber auch dem Schutz des Adressaten umfassend Rechnung. Dieser wird 41 Daß deshalb der Zeitpunkt des Zugangseintritts und der des Risikoübergangs auseinanderfallen können, ist in Teilbereichen auch von der h. M. anerkannt. So soll etwa bei übergabe einer WE an einen Empfangsboten das übermittlungsrisiko auf den Adressaten übergehen, der Zugang jedoch erst in dem Zeitpunkt eintreten, in dem mit der Aushändigung der Erklärung an den Adressaten zu rechnen ist (dazu später S. 112, 120 ff.).

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2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

nach der neueren Literaturmeinung nur insoweit geschützt, als es um die Rechtzeitigkeit der WE geht. Der damit gewährte Schutz greift jedoch zu kurz. Es kann nicht darum gehen, einzelne Rechtswirkungen der WE abzuspalten und nur deren Eintritt zum Schutz des Adressaten hinauszuschieben. Der Adressat muß vielmehr umfassend davor geschützt werden, daß eine zur Unzeit eingegangene WE überhaupt irgendeine Rechtswirkung gegen ihn entfaltet, bevor von ihm die tatsächliche Kenntnisnahme erwartet werden kann. Daß das Hinausschieben der Rechtswirkungen einer WE auch insoweit geboten ist, als es nicht um die Wahrung einer Frist geht, sei an Beispielen kurz verdeutlicht. Wenn etwa zur Unzeit beim Beauftragten ein Widerruf des Auftrages eingeht, so ist es durchaus möglich, daß der Beauftragte vor der tatsächlichen Kenntnisnahme in Ausführung des Auftrags noch Aufwendungen macht oder sonstige Dispositionen trifft. § 674, der das Fortbestehen des Auftrags fingiert, bis der Beauftragte von dem Erlöschen Kenntnis erlangt oder das Erlöschen kennen muß, würde dem Adressaten nicht helfen, da diese Vorschrift bei einem Widerruf gerade nicht anwendbar ist 42 • - Eine ähnliche Lage besteht bei einem zur Unzeit eingehenden Widerruf einer Innenvollmacht. Es besteht die Gefahr. daß der Adressat zwischenzeitlich noch im Vertrauen auf die bestehende Vollmacht für den Erklärenden rechtsgeschäftlich tätig wird. Der Adressat wäre hier in sachgerechter Weise geschützt, wenn die Rechtswirkungen der WE erst im Zeitpunkt der zu erwartenden Kenntnisnahme eintreten würden 43 • - Ein Hinausschieben des Zugangs eintritts ist schließlich auch in den Fällen geboten, in denen die zur Unzeit eingegangene WE ihrerseits eine Frist in Lauf setzt oder andere nachteilige Rechtswirkungen für den Adressaten hat, auf die dieser sich einstellen muß. So wäre es nicht sachgerecht, wenn etwa eine Kündigungserklärung dem Arbeitnehmer schon zur Unzeit zugehen und dementsprech'end die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage nach § 4 S. 1 KSchG zu laufen beginnen würde oder wenn bei einer Mahnung 44 schon zur Unzeit die verschärfte Verzugshaftung des Adressaten nach § 287 einträte. 42 Der Widerruf ist deshalb in § 674 ausgenommen worden, weil er erst durch Zugang beim Beauftragten wirksam wird, so daß dieser von ihm Kenntnis erhält oder zumindest erhalten kann und dann nicht mehr schutzbedürftig ist (vgl MünchKomm / Seiler, § 674, Rdnr. 3). 43 Auch Coing (in Stau dinger, 11. Aufl., § 130, Rdnr. 4 unter a, a. E.) scheint dem Rechnung tragen zu wollen, indem er die Zugangswirkungen auch dann hinausschieben will, wenn es "auf das tatsächliche Kennenmüssen des Inhalts der Urkunde in bestimmten Fällen ankommt". Die Kenntnisnahme vom Erklärungsinhalt ist jedoch für den Adressaten immer wesentlich, da alle empfangsbedürftigen WEn irgendwie auf dessen Rechtskreis einwirken. 44 Die Mahnung ist zwar keine WE, sondern eine geschäftsähnliche Handlung; auf sie sind jedoch die Vorschriften über WEn - und demnach auch § 130 I - entsprechend anwendbar (vgl. Palandt / Heinrichs, § 284, Anm. 3).

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Auch im übrigen erweist es sich als durchaus interessengerecht, wenn die Rechtswirkungen der WE insgesamt auf den Zeitpunkt der zu erwartenden Kenntnisnahme hinausgeschoben werden. Flume nennt zwar einige Fälle, wo dies zu unbilligen Ergebnissen führen so1l45. Seine Ausführungen können aber nicht überzeugen. So meint Flume 46 , es sei unangemessen, wenn der Erklärende seine Erklärung noch nach § 130 I 2 widerrufen könnte, nachdem sie schon den Bereich des Adressaten erreicht habe. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum der Widerruf verspätet sein soll, wenn er den Adressaten erreicht, bevor dieser von der widerrufenen Erklärung Kenntnis genommen hat und bevor die Kenntnisnahme vom Adressaten erwartet werden kann. Denn erst vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme an ist das Vertrauen des Adressaten auf den Bestand der WE schutzwürdig und deshalb ein Ausschluß des Widerrufsrechts geboten. Die Auffassung Flumes, nach welcher die Erklärung schon mit dem Eintreffen beim Adressaten zugegangen und damit nach § 130 I 2 die Widerrufsmöglichkeit ausgeschlossen ist, führt demgegenüber zu einer unangemessenen Beschneidung des Widerrufsrechts des Erklärenden, was zum Schutz des Adressaten nicht notwendig ist 47 • Ein weiterer Einwand Flumes 48 geht dahin, daß dann, wenn eine WE, die zur Vollendung einer Verfügung führt, beim Adressaten angelangt sei, entgegenstehende Verfügungen des Erklärenden ausgeschlossen sein müßten und auch eine Verbotsnorm die Verfügung nicht mehr erfassen dürfe. Dieser Einwand erweist sich jedoch ebenfalls als nicht stichhaltig. Da nach geltendem Recht auch ein Verfügungsgeschäft erst mit dem Zugang der dafür notwendigen WEn wirksam werden kann, ist die Gefahr unvermeidbar, daß nach Abgabe der zur Vollendung der Verfügung führenden WE noch Wirksamkeitshindernisse eintreten, die zum Scheitern der Verfügung führen 49 . Damit müssen der Erklärende (Verfügende) und auch der Adressat rechnen. Dieser ist wenn man einmal von den Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs absieht - nicht davor geschützt, daß der Verfügende zwischen der Abgabe und dem Zugang seiner Erklärung noch anderweitig über denselben Gegenstand verfügt oder daß Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Verfügungsgegenstand erfolgen. Zur Beantwortung der Frage, wann diese unsichere Lage be endet sein muß und die Wirksamkeit der Verfügung durch Zugang der sie vollendenden WE einzutreten hat, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 b (232 f.). Vgl. Fn. 45. 47 Ebenso Erman I Brox, § 130, Rdnr. 7; Staudinger I Dilcher, § 130, Rdnr. 59. 48 Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 b (233). 49 Es könnte allenfalls rechtspolitisch erwägenswert erscheinen, bei Verfügungsverträgen die Annahmeerklärung - und damit auch die Verfügung immer schon mit der Abgabe der Erklärung durch den Verfügenden wirksam werden zu lassen (vgl. dazu FLume, Fn. 48, § 14, 3 a [229]). 45

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lassen sich kaum zwingende Billigkeitserwägungen heranziehen. Man könnte sich allenfalls daran orientieren, wann die Beteiligten darauf vertrauen dürfen, daß die WE und folglich auch die Verfügung wirksam geworden sind. Der Adressat vertraut jedenfalls erst dann auf die Wirksamkeit der Verfügung, wenn er von der WE des Verfügenden Kenntnis erlangt hat. Der Erklärende, der seine die Verfügung vollendende Erklärung zur Unzeit zum Adressaten gelangen läßt, kann auch nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß seine Erklärung und damit die Verfügung schon wirksam werden, bevor vom Adressaten die tatsächliche Kenntnisnahme zu erwarten ist. Es läßt sich somit nicht feststellen, daß das Hinausschieben des Zugangseintritts auf den Zeitpunkt der vom Adressaten zu erwartenden Kenntnisnahme bei Verfügungen zu sachwidrigen Ergebnissen führt. Schließlich beruft sich Flume bei seiner Kritik an der h. M. auf den Fall, daß zwischen dem Eintreffen einer Vertrags annahme beim Adressaten und dem Zeitpunkt der zu erwartenden Kenntnisnahme die Vertragsleistung unmöglich geworden ist. Eine solche Unmöglichkeit könne nicht als anfängliche Unmöglichkeit i. S. d. § 306 behandelt werden50 • Auch diese Argumentation überzeugt nicht. Es ist zwar zutreffend, daß die Abgrenzung zwischen der anfänglichen und der nachträglichen Unmöglichkeit schon wegen der verschiedenen Rechtsfolgen von erheblicher Bedeutung ist. Bei der anfänglichen Unmöglichkeit ist der gesamte Vertrag einschließlich der Gegenleistungspflicht nichtig. Der Vertragspartner, der die Unmöglichkeit kannte oder kennen mußte, ist dem anderen Teil allenfalls zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet. Bei der nachträglichen Unmöglichkeit tritt demgegenüber eine Verschuldenshaftung ein, die auf das positive Interesse geht, und die Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung fällt nur in den Fällen der §§ 323 I, 325 I 3 weg. Bei der nachträglichen Unmöglichkeit besteht somit eine weitergehendere Haftung als bei der anfänglichen Unmöglichkeit. Es ist jedoch nicht unbillig, diese weitergehendere Haftung erst dann eingreifen zu lassen, wenn beide Vertragsparteien vom Bestehen des Vertrages wissen oder zumindest wissen könnten. Das ist aber beim Adressaten erst der Fall, wenn von diesem nach der Verkehrsanschauung die Kenntnisnahme der Annahmeerklärung erwartet werden kann. Im übrigen muß bezweifelt werden, daß der von Flume herangezogene Fall überhaupt etwas für die Entwicklung der Zugangsvoraussetzungen hergibt. Es handelt sich dabei nämlich um einen seltenen Ausnahmefall. Hinzu kommt, daß an eine Unterscheidung des Gesetzes angeknüpft wird, deren Sachgerechtigkeit nicht zweifelsfrei ist. Die unterschiedliche Behandlung der anfänglichen und der nachträglichen Unmöglichkeit ist nämlich schon immer als 50

Flume, Fn. 48.

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rechtspolitisch verfehlt kritisiert worden 51 • Es ist bedenklich und jedenfalls ohne großen Argumentationswert, aus einem extrem gelagerten Ausnahmefall unter Anwendung von rechtspolitisch zweifelhaften Regelungen des Unmöglichkeitsrechts Folgerungen für die Zugangsvoraussetzungen ableiten zu wollen. Es wäre auch methodisch verfehlt, Rechtsfolgen einer eingetretenen Unmöglichkeit, die unsachgemäß erscheinen, nicht mit den Mitteln des Unmöglichkeitsrechts, sondern durch das Zurechtbiegen der Zugangsvoraussetzungen zu korrigieren. Dies muß ebenso für den von Flume nicht näher betrachteten Fall gelten, daß zwischen dem Einbringen einer Annahmeerklärung in den Bereich des Adressaten und dem Zeitpunkt der zu erwartenden Kenntnisnahme dem Erklärenden die Vertragsleistung subjektiv unmöglich wird. Die von der h. M.52 in den Fällen des anfänglichen Unvermögens befürwortete Garantiehaftung des Schuldners wäre hier zwar nicht interessengerecht, weil der Erklärende bei Abgabe seiner Erklärung zu Recht von seiner Leistungsfähigkeit ausgehen durfte. Ein unbilliges Ergebnis läßt sich in diesem Fall jedoch ohne weiteres durch eine entsprechende Einschränkung der Garantiehaftung vermeiden. Es geht hier letztlich um das auch bei anderen Fallgestaltungen zu lösende Problem, die Einstandspflicht des Schuldners beim anfänglichen Unvermögen sachgerecht zu begrenzen53 • Mit dem Zugang von WEn und der dabei vorzunehmenden Risikoverteilung hat das nichts zu tun. Die vorstehenden überlegungen haben gezeigt, daß jedenfalls im Grundsatz mit der h. M. daran festzuhalten ist, daß der Zugang und damit alle Rechtswirkungen der WE erst eintreten, wenn die Kenntnisnahme vom Adressaten nach der Verkehrsanschauung erwartet werden kann. b) Ausnahmen in den Fällen des "verfrühten" Auffindens der Erklärung durch den Adressaten Es bleibt zu überlegen, ob der Zugang ausnahmsweise schon vor diesem Zeitpunkt eintritt, wenn der Adressat wider Erwarten die Erklärung schon vorher auffindet. Als Beispiel sei der Fall genannt, daß 51 Vgl. etwa die Kritik bei Esser / E. Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, § 22 Irr (307 ff.); Huber, Gutachten, 813; MünchKomm / Emmerich, Vor § 275, Rdnr. 38 ff. Bezeichnend ist, daß etwa das Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG) die anfängliche und die nachträgliche Unmöglichkeit gleich behandelt (vgl. Art. 74 EKG). In der neueren Literatur besteht die Tendenz, den Anwendungsbereich des für verfehlt gehaltenen § 306 stark einzuschränken und zu ähnlichen Rechtsfolgen zu kommen wie bei der nachträglichen Unmöglichkeit (vgl. z. B. Esser / E. Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, 308 ff.). 52 Vgl. z. B. RGZ 69, 355, 357; BGHZ 8, 222, 231; Palandt / Heinrichs, § 306, Anm.3. 53 Vgl. dazu Larenz, Allgemeines Schuldrecht, § 8 rr (96 ff.).

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2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

der Adressat gegen 21 Uhr nach Hause kommt, seinen Briefkasten leert und eine Kündigungserklärung seines Vermieters vorfindet, die dieser gegen 20 Uhr eingeworfen hat. Stellt man hier auf den Zeitpunkt der nach der Verkehrsanschauung zu erwartenden Kenntnisnahme ab, dann wäre die Kündigungserklärung erst am nächsten Morgen zugegangen. Das kann zumindest dann nicht richtig sein, wenn der Adressat schon vorher vom Inhalt der Erklärung tatsächlich Kenntnis genommen hat 54 . Denn mehr als die Kenntnisnahme ist selbst nach der Vernehmungstheorie für das Wirksamwerden der WE nicht erforderlich. Kennt der Adressat den Inhalt der Erklärung, dann kann er sich auf die Rechtswirkung derselben einstellen. Ein weiteres Hinauszögern des Zugangseintritts ist zu seinem Schutz nicht mehr erforderlich. Der Adressat wird nach der Kenntnisnahme oftmals auch auf den Bestand der WE vertrauen. Es wäre deshalb nicht interessengerecht, wenn der Erklärende infolge eines Hinausschiebens des Zugangs noch die Möglichkeit des Widerrufs (§ 130 I 2) hätte. Es ist schließlich noch einen Schritt weiterzugehen und die Frage zu stellen, ob der Zugang nicht unabhängig von einer Kenntnisnahme schon dann eintritt, wenn der Adressat die Erklärung bereits zur Unzeit auffindet. Man stelle sich vor, daß in dem Beispielsfall der Mieter nach seiner Rückkehr gegen 21 Uhr seinen Briefkasten öffnet, das Schreiben des Vermieters sieht und, da er wegen der Absenderangabe eine Kündigung oder etwas Ähnliches vermutet, den Brief bis zum nächsten Tag, an dem die Kündigung nicht mehr rechtzeitig zugehen würde, im Briefkasten liegen läßt. Die Entscheidung der Zugangsfrage hängt in solchen Fällen allein davon ab, in welchem Umfang man den Adressaten für schutzbedürftig hält. Es ist gerechtfertigt, den Zugang und damit die Wirksamkeit der WE schon mit der Wahrnehmung der Erklärung eintreten zu lassen, wenn dem Adressaten schon zu diesem Zeitpunkt die Kenntnisnahme zuzumuten ist. Für den Adressaten ist es sicherlich unzumutbar, sich zur Unzeit auf die Entgegennahme von WEn einzustellen und insoweit besondere Vorkehrungen für eine sofortige Kenntnisnahme zu treffen. Er muß etwa am Abend und in der Nacht die Möglichkeit haben, sich zur Ruhe zu begeben, ohne befürchten zu müssen, von den Rechtswirkungen einer ihm unbekannten WE, die möglicherweise inzwischen in seinen Briefkasten geworfen worden ist, überrascht zu werden. Wenn auch dem Adressaten nicht zugemutet werden kann, seinen Bereich dauernd und damit auch zur Unzeit auf den Eingang von WEn zu kontrollieren, so ist die Lage jedoch anders, wenn er zufällig eine WE vor54 Ebenso im Ergebnis Medicus, Allg. Teil, Rdnr. 276; Rhodovi, 31; Thiele, BGB Allgemeiner Teil - Allgemeines Schuldrecht, 28; Titze, JhJ Bd. 47, 379, 429, 435, Fn. 89.

§ 5 Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen

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findet. Dann ist ihm auch die Kenntnisnahme zuzumuten, die regelmäßig keinen besonderen Aufwand erfordert. Diese Wertung liegt nahe, wenn man die Rechtslage bei den mündlichen WEn 55 vergleichend heranzieht. Falls der Erklärende den Adressaten zur Unzeit antrifft oder telefonisch erreicht, kann er diesem eine WE zusprechen und dadurch das Wirksamwerden der Erklärung herbeiführen56 • Bei mündlichen Erklärungen wird also dem Adressaten zur Unzeit die Kenntnisnahme abverlangt, sofern es zu einem Kontakt mit dem Erklärenden kommt. Es wäre wenig verständlich, wenn man bei verkörperten WEn, die der Adressat aufgefunden hat, die Zumutbarkeit der Kenntnisnahme anders beurteilen würde. Im übrigen gibt ein Adressat, der z. B. zur Unzeit seinen Briefkasten auf eingegangene Erklärungen überprüft, zu erkennen, daß er selbst die Entgegennahme der WEn für zumutbar hält. Man kann dann von ihm auch erwarten, daß er vom Inhalt der vorgefundenen Erklärung Kenntnis nimmt. Es ist somit gerechtfertigt, den Zugang ausnahmsweise schon vor dem Zeitpunkt der nach der Verkehrsanschauung zu erwartenden Kenntnisnahme eintreten zu lassen, wenn nämlich der Adressat die Erklärungsverkörperung schon vorher aufgefunden hat 57 • 111. Zwischenergebnis

Für den Zugang von verkörperten WEn unter Abwesenden sind von den aufgezeigten Ausnahmen abgesehen - zwei Voraussetzungen grundlegend: Der Erklärende muß dem Adressaten die Möglichkeit verschafft haben, unter normalen Umständen in zumutbarer Weise von dem Inhalt der WE Kenntnis zu nehmen. Die tatsächliche Kenntnisnahme muß nach der Verkehrsanschauung vom Adressaten zu erwarten sein. § 5 Konkretisierung der Zugangs voraussetzungen I. Konkretisierungsbedürftigkeit der bisher herausgearbeiteten Grundsätze

Die soeben herausgearbeiteten beiden Grundelemente bringen zwar die für den Zugang maßgebenden Wertungen zur Geltung. Für die Vgl. dazu § 8. Zu diesem Ergebnis gelangt man aufgrund aller Auffassungen, die zum Wirksamwerden unverkörperter Erklärungen vertreten werden (vgl. dazu 55

56

§ 8 I). 57

Ebenso im Ergebnis Titze, JhJ Bd. 47, 379, 435, Fn. 89.

4 Brinkmann

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praktische Rechtsanwendung ist damit allerdings noch nicht allzuviel gewonnen. Die entscheidenden Fragen, wann dem Adressaten die Möglichkeit der Kenntnisnahme eingeräumt ist und wann von ihm die Kenntnisnahme erwartet werden muß, bleiben offen. Beide Grundelemente bestehen nämlich aus wertausfüllungsbedürftigen Blankettbegriffen, die in Problemfällen zu keiner eindeutigen Lösung führen. So ist etwa unklar, ob für den Adressaten eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht, wenn ein unzustellbarer Einschreibebrief unter Zurücklassung eines Benachrichtigungszettels bei der Post niedergelegt oder wenn dem Adressaten eine Erklärung postlagernd übersandt wird. Es könnte eine Vielzahl weiterer Fälle angeführt werden, in denen sich allein anhand der beiden Grundelemente des Zugangs keine eindeutigen Ergebnisse gewinnen lassen. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit ist eine Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen geboten. Für den Erklärenden muß objektiv erkennbar und damit kontrollierbar sein, ob seine Bemühungen zum Eintritt des Zugangs geführt haben oder ob noch weitere Maßnahmen (z. B. eine Zustellung nach § 132) erforderlich sind l . Es liegt auch im Interesse des Adressaten, daß Klarheit darüber besteht, wann das Verlust- und Verspätungsrisiko auf ihn übergeht. Einer eindeutigen Fixierung des Zugangseintritts bedarfes vor allem, wenn es auf den Zeitpunkt des Zugangs ankommt, wenn z. B. eine Frist zu wahren ist, die zugegangene Erklärung ihrerseits eine Frist in Lauf setzt oder es um die Rechtzeitigkeit eines Widerrufs (§ 130 I 2) geht 2 • Eine exakte Bestimmung der Zugangsvoraussetzungen ist schließlich auch im Interesse Dritter geboten, die von den Rechtswirkungen der WE mittelbar betroffen werden. Für Dritte kann etwa eine WE Bedeutung erlangen, die zur Vollendung einer Verfügung führt. Vom Zeitpunkt ihres Zugangs hängt es eventuell ab, ob entgegenstehende Verfügungen oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach dem Prioritätsprinzip vorgehen oder ob die Verfügung unwirksam ist, weil der Verfügende seine Verfügungsbefugnis aufgrund einer Konkurseröffnung nach § 6 I KO vorher schon verloren hatte. Es ist somit notwendig, die Voraussetzungen des Zugangs so eindeutig und präzise wie möglich zu fassen. 11. Kritik der bisherigen Konkretisierungsversuche

In der Literatur und Rechtsprechung ist durchaus erkannt worden, daß man mit den beiden Grundelementen des Zugangs nicht auskommen kann. Es werden meist zusätzlich noch weitere, unterschiedliche 1 2

Vgl. Dilcher, AcP 154, 120, 122, 125, 127. Vgl. Dilcher, Fn. 1; Titze, JhJ Bd. 47,379,381 ff.

§ 5 Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen

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Kriterien herangezogen, die vor allem dazu dienen sollen, hinreichend klar zu bestimmen, wie nahe die Erklärung in räumlicher Hinsicht an den Adressaten herangebracht werden muß, damit dieser eine zumutbare Kenntnisnahmemöglichkeit erlangt hat3 • Es ist im folgenden zu überprüfen, inwieweit diese Kriterien geeignet und ausreichend sind, die Zugangsvoraussetzungen in der notwendigen Weise zu präzisieren, und ob sie dabei zu einer sachgerechten Verteilung des übermittlungsrisikos führen.

1. Lehre vom Machtbereich Kritisch zu betrachten ist hier zunächst einmal der Versuch der h. M.4, durch das zusätzliche Kriterium des "Machtbereichs" die Sphäre des Adressaten näher einzugrenzen, welche die WE zum Zweck des Zugangs erreichen muß. Die h. M. greift dabei auf ein Kriterium zurück, das alles andere als eindeutig ist. Der Begriff "Machtbereich" hat keinen hinreichend geklärten Bedeutungsinhalt. Man könnte darunter den ausschließlich dem Adressaten vorbehaltenen räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich verstehen. Als solche exklusiven Einwirkungsbereiche des Adressaten kämen dessen Wohnung sowie sonstige abgeschlossene Räume und Behältnisse in Betracht, die seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt unterliegen. Mit dem Begriff "Machtbereich" ist jedoch möglicherweise auch eine vom Adressaten beherrschte Organisation gemeint. Schließlich kann Machtbereich im weitesten Sinne der jeden Menschen überall umgebende Einwirkungs- und Wahrnehmungsbereich sein. Damit wäre dann aber nur zum Ausdruck gebracht, daß die Erklärung für den Zugang irgend wie in die Nähe des Adressaten zu bringen ist, wobei weiterhin unklar bleibt, wie nahe die Erklärung an den Adressaten tatsächlich herangetragen werden muß. Die h. M., insbesondere die Rechtsprechung, scheint mit einem solchen weiten, konturenlosen Begriff zu arbeiten 5 • Das folgt jedenfalls aus den Ergebnissen, zu denen die h. M. kommt. So hat etwa das RG in dem Fall einer postlagernden Sendung zunächst als maßgebliche Voraussetzung des Zugangs das Gelangen der WE in den Machtbereich des Adressaten herausgestellt; es ist aber dann zu dem Ergebnis gekommen, daß die Sendung schon zugegangen sei, wenn diese zur Abholung bei der Post bereitliege und nach der Verkehrs anschauung mit der Abholung zu rechnen sei6 • Für das RG war letztlich entscheidend, Vgl. oben die in § 3 I 2 - 4 dargestellten Meinungen. Vgl. oben § 3 I 2. 5 Eine Erläuterung oder Definition des Begriffs "Machtbereich" findet sich nirgendwo. 6 RGZ 144,289. 3

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daß der Adressat mit der Bereitstellung der Sendung zum Abholen die ihm zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme erlangt hatte. Der BGH hat angenommen, daß eine Erklärung in den Machtbereich des Adressaten gelange, wenn sie der Ehefrau des Adressaten ausgehändigt worden seF. In einer neueren Entscheidung des BGH ging es um den Zugang eines Kündigungsschreibens, das im Rahmen eines zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten wegen einer anderen Angelegenheit geführten Rechtsstreits an die Prozeßbevollmächtigten des Adressaten gerichtet worden warB. Die Prozeßbevollmächtigten, die insoweit keine Empfangsvollmacht hatten, händigten das Schreiben nicht an ihren Mandanten aus; sie ließen sich aber den Auftrag erteilen, gegen die Kündigung vorzugehen. Der BGH hat hier, wie aus dem Zusammenhang der Entscheidungsbegründung zu entnehmen ist, den Zugang noch nicht dadurch als bewirkt angesehen, daß der Adressat von seinen Anwälten über die Kündigung unterrichtet worden ist9 • Die Kündigungserklärung soll jedoch mit Erteilung des Mandats in den Machtbereich des Adressaten gelangt und damit zugegangen sein, weil der Adressat mit der Beauftragung der Anwälte einen Anspruch auf Einsichtnahme in das sich in den Anwaltsakten befindende Kündigungsschreiben erlangt habe. Die drei Entscheidungen zeigen, daß das Kriterium des Machtbereichs in der Rechtsprechung einen völlig verschwommenen Inhalt hat. Die Konturenlosigkeit der Machtbereichsformel wird vor allem in der zuletzt dargestellten Entscheidung erkennbar, in welcher der BGH angenommen hat, die Erklärung sei in den Machtbereich des Adressaten gelangt, obwohl die Erklärung sich in einer fremden Büroorganisation (Anwaltsbüro) befand 10 • Der BGH scheint hier den Begriff "Machtbereich" in einem übertragenen, inhaltlich kaum faßbaren Sinn zu verstehen. Von einer präzisen Umschreibung der Zugangsvoraussetzungen, BGH, NJW 1951, 313. BGH, NJW 1980, 990. 9 Das dürfte im Ergebnis richtig sein. Es kann für den Zugang nicht ausreichen, daß ein Dritter, der weder Vertreter noch Bote des Erklärenden ist, den Adressaten über den Inhalt der abgegebenen Erklärung unterrichtet. Die Erklärungsverkörperung selbst muß zum Adressaten gelangen, damit dieser die Möglichkeit hat, die Authentizität und den genauen Inhalt der Erklärung festzustellen. Er braucht sich nicht auf die unsicheren Angaben Dritter zu verlassen, zumal dem Erklärenden eine Falschübermittlung des Dritten nicht zurechenbar wäre. Es wäre auch nicht sachgerecht, wenn der Erklärende durch eine Indiskretion Dritter, die der abgegebenen WE vorauseilt, um die Möglichkeit des Widerrufs gebracht werden könnte. 10 Das Ergebnis (Zugang der Erklärung mit der Mandatserteilung) dürfte zwar zutreffend sein. Es hätte sich m. E. jedoch viel überzeugender mit Hilfe des Vertretungsrechts begründen lassen. Dadurch, daß der Adressat seinen Anwalt bevollmächtigte, gegen die Kündigung vorzugehen, mußte er sich jedenfalls von diesem Zeitpunkt an dessen Kenntnis vom Inhalt des Kündigungsschreibens analog § 166 I zurechnen lassen. 7

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§ 5 Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen

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wie sie aus Gründen der Rechtssicherheit geboten ist, kann also keine Rede sein. Die Rechtsprechung muß oftmals zur Begründung ihrer Entscheidung wiederum allein auf die für den Adressaten bestehende Möglichkeit der Kenntnisnahme abstellen. Dies macht deutlich, daß es sich bei der von der h. M. verwendeten Formel vom Machtbereich des Adressaten letztlich um eine wertausfüllungsbedürftige Leerformel handelt, der neben den herausgearbeiteten beiden Grundelementen des Zugangs keine 'eigenständige Bedeutung zukommt. Einigermaßen erkennbare Konturen bekäme der Begriff "Machtbereich" nur, wenn man darunter den dem Adressaten vorbehaltenen räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich versteht. Bei einer solchen engen Auslegung des Begriffs würde jedoch das Kriterium des Machtbereichs als Zugangsvoraussetzung allenfalls in den Fällen passen, in denen die WE in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in den Briefkasten des Adressaten gelangt. Aber auch außerhalb dieser vom Adressaten beherrschten räumlich-gegenständlichen Bereiche muß die Herbeiführung des Zugangs möglich sein. Zu denken ist etwa daran, daß die WE dem Adressaten auf der Straße, am Arbeitsplatz, in einem Geschäftsraum eines Dritten übergeben wird oder daß der Adressat sich Briefe postlagernd zusenden läßt. In diesen Fällen vertritt niemand die Auffassung, die Erklärung sei erst zugegangen, wenn der Adressat mit der Erklärung nach Hause komme. Offensichtlich hat hier der Adressat schon viel früher eine Einwirkungsmöglichkeit hinsichtlich der Erklärungsverkörperung und damit eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme erlangt. Durch eine solche enge Auslegung ließe sich also allenfalls in einem Teilbereich eine gewisse Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen erreichen. Insgesamt ist jedoch der Begriff des Machtbereichs - ganz gleich, ob man ihn in einem weiten oder engen Sinne versteht - nicht geeignet, den Bereich, den die WE zum Zweck des Zugangs erreichen muß, in eindeutiger und gleichzeitig sachgerechter Weise einzugrenzen.

2. Besitzlehre Zu relativ eindeutigen und klaren Zugangsvoraussetzungen gelangt man, wenn der vornehmlich in der älteren Literatur vertretenen Besitzlehre gefolgt wird 1t, nach der es für den Zugang verkörperter Erklärungen darauf ankommt, daß dem Adressaten der Besitz an der Erklärungsverkörperung verschafft wird. Der Rechtsbegriff des Besitzes hat nämlich im Sachenrecht - vor allem auch aufgrund der Aufbereitung durch Rechtsprechung und Literatur - einen klar bestimmten Inhalt erlangt. Die durch die Heranziehung des Besitzbegriffs zu er11

Vgl. § 3 I 3.

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reichende Präzisierung der Zugangsvoraussetzungen ist jedoch nur von Wert, wenn dieses Kriterium auch zu sachgerechten Ergebnissen führt. Im Regelfall mag dieses Kriterium durchaus sachgerecht sein; denn der Adressat wird bei verkörperten Erklärungen meist durch Verschaffung des Besitzes an der Erklärungsverkörperung eine zumutbare Möglichkeit zur Kenntnisnahme vom Erklärungsinhalt erlangen. Gleichwohl ergeben sich gegen die Besitzlehre durchgreifende Bedenken. Stellt man nämlich für den Zugang auf die Erlangung des unmittelbaren Besitzes ab, dann ist nicht nur erforderlich, daß dem Adressaten die tatsächliche Gewalt an der Erklärungsverkörperung verschafft wird; die Erlangung der tatsächlichen Gewalt müßte vielmehr auch von einem Sachherrschaftswillen getragen sein12 • Das würde jedoch dazu führen, daß der Zugangseintritt vom Willen des Adressaten abhängig wird. Dieser könnte durch einen entgegenstehenden Willen und sogar schon dadurch, daß er die Bildung eines Besitzerwerbswillens unterläßt, den Zugang verhindern. Der Zugang wäre also zur Disposition des Adressaten gestellt. Das wollte der Gesetzgeber aber gerade durch die übernahme der Empfangstheorie vermeiden. Der Eintritt des Zugangs sollte vom Willen des Adressaten unabhängig sein13 • Die Besitztheorie würde ge~ nau die Mängel wieder einführen, die den Gesetzgeber zur Ablehnung der Vernehmungstheorie bewogen haben. Sie widerspricht somit der gesetzgeberischen Wertung g . Ein Schutz des Erklärenden gegen die Willkür des Adressaten ließe sich nur über die Grundsätze der Zugangsvereitelung erreichen; das wäre jedoch ein Umweg, der nicht zur Korrektur von Ergebnissen benutzt werden sollte, die ihre Ursachen in verfehlten Zugangskriterien haben. Außerdem würden folgende Bedenken bestehen bleiben: Aus Gründen des Verkehrsschutzes muß für den Erklärenden erkennbar sein, wann der Zugang eingetreten ist und damit das Risiko des Erklärungsverlustes und der Erklärungsverspätung auf den Adressaten übergeht. Eine klare, für den Erklärenden erkennbare Markierung des Risikoübergangs fehlte jedoch, wenn es für den Zugang auf die für Dritte nicht ohne weiteres wahrnehmbare Bildung eines Besitzerwerbswillens seitens des Adressaten ankäme 15 . 12 Daß für die Besitzerlangung ein Sachherrschaftswille notwendig ist, entspricht ganz h. M.; vgl. etwa Palandt / Bassenge, § 854, Anm. 2; Soergel / Mühl, § 854, Rdnr. 7. 13 Vgl. dazu S. 33 f. 14 Ebenso in der Kritik Dieringer, 19. In einem anderen Zusammenhang, nämlich bei der Beratung des § 131, hat auch die Mehrheit der 2. Kommission die Auffassung vertreten, daß mit "Zugehen" nicht der Besitzerwerb im technischen Sinne gemeint sei; das Zugehen sei nicht abhängig von besonderen juristischen Begriffen (Prot. VI, 132). 15 Hierauf hat Dilcher, AcP 154, 120, 124, aufmerksam gemacht.

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Die aufgezeigten Mängel ließen sich wohl vermeiden, wenn man nicht auf den unmittelbaren Besitz im sachenrechtlichen Sinne, sondern allein auf die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt an der Erklärungsverkörperung abstellt1 6 • Dann wäre ein entsprechender Sachherrschaftswille auf seiten des Adressaten nicht erforderlich. Jedoch ergeben sich auch gegen diesen Lösungsansatz Bedenken. Er paßt zunächst einmal nicht in den Fällen, in denen dem Adressaten die Erklärung ohne übergabe der Erklärungsverkörperung übermittelt oder ihm diese jedenfalls nur zur Einsichtnahme überlassen wird 17 . So kann dem Adressaten eine Vertragsurkunde nur zur Unterschrift vorgelegt werden; zu denken ist weiterhin an ein Zirkular, das eine WE enthält und dem Adressaten vorgelegt wird, oder an Kollektiverklärungen, die ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern durch Anschlag am "Schwarzen Brett" im Betrieb bekanntmacht1 8 • In diesen Fällen wird dem Adressaten die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft, ohne daß er die tatsächliche Verfügungsgewalt an der Erklärungsverkörperung erlangt. Für den Zugang solcher Erklärungen müßten demnach andere Kriterien herangezogen werden. Das ließe sich noch hinnehmen. Schwerer wiegt dagegen, daß der kritisierte Lösungsansatz in einigen Fällen nicht zu interessengerechten Ergebnissen führt. So wäre etwa der Zugang, wenn der Adressat die Postabholung beantragt hat oder sich Sendungen postlagernd zusenden läßt1 9 , nicht schon mit der Bereitstellung der Erklärung zur Abholung, sondern erst mit der tatsächlichen Abholung eingetreten. Denn erst mit der übergabe hat der Adressat nämlich die tatsächliche Verfügungsgewalt an der Erklärungsverkörperung erlangt. Er hätte es also wiederum in der Hand, durch Nichtabholen der Erklärung den Eintritt des Zugangs willkürlich hinauszuschieben; davor wollte der Gesetzgeber den Erklärenden jedoch gerade schützen 2o • Dieses Ergebnis erscheint auch deshalb unbillig, weil der Adressat sich hier selbst zum Abholen eingehender Sendungen erboten hat. Das Abholen der Erklärung gehört also kraft eigener Bestimmung zu seinem Aufgabenbereich. Denn er hat selbst die Post zum Ort des Empfangs von Erklärungen bestimmt und damit veranlaßt, daß die Erklärung ihm nicht ins Haus gebracht worden ist. Der Adressat hat damit festgelegt, wie weit der Erklärende (oder die von diesem 18 So etwa RGZ 50, 191, 194; BAG, DB 1976, 1018; DB 1977, 1195; Erman I H. Westermann, 6. Aufl., § 130, Rdnr. 6. 17 Vgl. dazu auch die Kritik bei Dötzer, 18; Heyne, 39 f.; Nitz, 63. IB Vgl. dazu Hueck I Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, § 56 II 3 (545); Soergell Hefermehl, § 130, Rdnr. 14; Staudinger I Dilcher, § 130, Rdnr.

46.

19 Zu den technischen Einzelheiten der Postabholung auf Antrag und der postlagernden Sendungen vgl. §§ 53, 54 Posto. 20 Vgl. S. 33 f.

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eingeschaltete übermittlungsanstalt) die WE zu transportieren hat, damit diese von ihm in Empfang genommen werden kann. Daran muß er sich festhalten lassen. Die Erklärungsübermittlung zum Empfangsort, die nach der Empfangstheorie dem Erklärenden obliegt und auf dessen Risiko zu geschehen hat, ist mit dem Eintreffen der Erklärung bei dem Postamt, wo die Postlagerung erfolgt, abgeschlossen. Mit der Beendigung des übermittlungsvorgangs und dem Verschaffen einer Möglichkeit zur Kenntnisnahme für den Adressaten muß nach der Risikoverteilung des § 130 I das Risiko des Erklärungsverlustes und der -verspätung auf den Adressaten übergehen. Für den Zugang kann es demnach nicht auf das Abholen der Erklärung ankommen21 • Die Auffassung, die für den Zugang auf die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt an der Erklärungsverkörperung abstellt, gelangt ferner in den Fällen zu keiner befriedigenden Lösung, in denen der Adressat unberechtigt die Annahme der ihm angebotenen Erklärung verweigert. Da es nicht zur Aushändigung der Erklärungsverkörperung an den Adressaten gekommen ist, muß konsequenterweise der Zugang verneint werden. Das erscheint jedoch nicht interessengerecht. Durch das Anbieten der Erklärung hat der Adressat eine sofort zu realisierende Möglichkeit zur Kenntnisnahme vom Erklärungsinhalt erlangt. Der Erklärende hat hier alles getan, um dem Adressaten den Inhalt der WE zu vermitteln. Es ist nicht ersichtlich, was er noch weiter tun soll; näher kann er die Erklärung gar nicht an den Adressaten heranbringen. Für die Kenntnisnahme ist allein noch eine Handlung des Adressaten erforderlich, die diesem ohne weiteres möglich und zumutbar ist. Von solchen Handlungen des Adressaten, die der Kenntnisnahme dienen oder diese vorbereiten (z. B. Ergreifen und Öffnen des Briefes), soll jedoch nach der Empfangstheorie der Zugang und damit der Eintritt der Rechtswirkungen der WE nicht abhängig sein. Demnach muß es für den Zugang ausreichen, wenn die Erklärung zum Adressaten gebracht und diesem so angeboten worden ist, daß die Kenntnisnahme nur noch von einer ihm zumutbaren Mitwirkung abhängt 22 • 21 So auch die ganz h. M.; vgl. RGZ 144, 289, 292; Erman / Brox, § 130, Rdnr. 8; MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 16; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 3 b; Soergel / Hefermehl, § 130, Rdnr. 12; Stau dinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 35; a. A. Titze, JhJ Bd. 47, 379, 403. 22 Ebenso Erman / Brox, § 130, Rdnr. 23; Larenz, Allg. Teil, § 21 II b (413); MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 31; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 6 a; Staudinger / Coing, 11. Aufl., § 130, Rdnr. 6; unentschieden BGH, NJW 1983, 929, 930, der meint, der Adressat müsse sich jedenfalls bei einer unberechtigten Annahmeverweigerung so behandeln lassen, als sei die Erklärung zugegangen; a. A. RGZ 110, 34; Flume, Allg. Teil, § 14, 3 c (235); RGRK / KrügerNieland, § 130, Anm. 27; Titze, JhJ Bd. 47, 379, 388 ff. (dem Erklärenden soll mit den Grundsätzen über die Zugangsverhinderung geholfen werden).

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Es zeigt sich also, daß weder der Besitz noch die tatsächliche Verfügungsgewalt an der Erklärungsverkörperung geeignete Kriterien darstellen, um die Voraussetzungen des Zugangs zu konkretisieren. 3. Lehre von den Empjangseinrichtungen Auch der Lehre von den Empfangseinrichtungen23 geht es darum, konkrete Zugangskriterien zu entwickeln, die eine klare und interessengerechte Risikoverteilung sowie eine eindeutige Bestimmung des Zugangseintritts ermöglichen. Daß es zu einer präziseren Fassung der Zugangsvoraussetzungen beiträgt, wenn für den Zugang auf das Einbringen der Erklärung in eine Empfangseinrichtung des Adressaten abgestellt wird, ist allerdings nicht ohne weiteres erkennbar. Der Begriff der Empfangseinrichtung scheint ebenso wie der des Machtbereichs relativ unbestimmt zu sein. Nach Dilcher sind darunter Vorkehrungen oder Einrichtungen zu verstehen, die der Adressat entweder allgemein gegenüber allen präsumtiven Absendern oder gegenüber einem bestimmten Absender in erkennbarer Weise getroffen hat, um sich Erklärungen zugehen zu lassen 24 • Dadurch, daß auf die Erkennbarkeit der Empfangseinrichtungen für den Erklärenden abgestellt wird, ergeben sich jedoch für die praktische Rechtsanwendung weniger Schwierigkeiten, als diese relativ unklare Begriffsbestimmung vermuten läßt. Es kommen entweder nur solche Einrichtungen in Betracht, die 1;ypischerweise der Entgegennahme von WEn dienen, wie etwa Briefkästen, Postschließfächer oder die vom Adressaten beantragte Postlagerung. Hier verhilft schon die Verkehrsanschauung zur eindeutigen Bestimmung der Empfangseinrichtungen. Oder aber die Eindeutigkeit ist dadurch gewährleistet, daß der Adressat im Einzelfall gegenüber einem bestimmten Erklärenden einen besonderen Ort oder eine besondere Art der Empfangnahme von WEn in objektiv erkennbarer Weise bestimmt hat. Die Lehre von den Empfangseinrichtungen ist demnach durchaus geeignet, die Zugangsvoraussetzungen zu präzisieren. Auch bei diesem Lösungsansatz stellt sich jedoch die Frage, ob er in allen Fällen zu interessengerechten Ergebnissen führt. Soweit WEn in vorhandene Empfangseinrichtungen eingebracht werden, ist es ohne weiteres einsichtig, daß der Erklärende damit alles zur Herbeiführung des Zugangs Notwendige getan hat und das Verlust- und Verspätungsrisiko auf den Adressaten übergehen. Mit der Schaffung von Empfangseinrichtungen hat der Adressat nämlich selbst einen nach außen erkennbaren Bereich bestimmt, in den die WE ge23

24

Vgl. oben § 3 I 4.

Dilcher, AcP 154, 120, 128.

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langen soll, um ihm die Möglichkeit der Kenntnisnahme zu vermitteln. An dieser Bestimmung muß er sich festhalten lassen. Wie Dilcher zu treffend ausführt 25 , darf der Erklärende sich berechtigterweise darauf verlassen, "daß mit dem überschreiten der durch solche EmpfangsanstaUen bezeichneten Grenze seine Risikoträgerschaft bezüglich der Erklärung endet und das Kenntnisnahmerisiko auf den Empfänger übergeht". Auch die h. M. dürfte hier kaum zu anderen Ergebnissen gelangen. Die Lehre von den Empfangseinrichtungen führt dagegen zu einer von der h. M. ganz abweichenden Risikoverteilung, falls der Erklärende die Empfangseinrichtung(en) nicht benutzt, sondern die Erklärung in anderer Weise in den Bereich des Adressaten gelangen läßt. Nach Auffassung Dilchers geht die Erklärung dann erst zu, wenn der Adressat oder eine ihm zuzurechnende Person von dem übermittlungsversuch Kenntnis erlangt hat 26 • Ist beispielsweise ein Brief nicht in den vorhandenen Briefkasten geworfen, sondern unter der Wohnungstür hindurchgeschoben worden, so wäre die Erklärung erst zugegangen, wenn der Adressat den Brief tatsächlich wahrgenommen hat. Bei Abwesenheit des Adressaten könnte der Zugang erst mit dessen Rückkehr eintreten. Hätte der Erklärende dagegen den Briefkasten benutzt, so wäre die Erklärung auf jeden Fall schon zu dem Zeitpunkt zugegangen, in dem nach der Verkehrsanschauung mit einer Leerung des Briefkastens gerechnet werden konnte 27 • Daß diese unterschiedliche Behandlung sachgerecht ist, wird in der Literatur bestritten28 • Auch wenn der Erklärende die vorhandene(n) Empfangseinrichtung(en) nicht benutze, müsse die Erklärung zugegangen sein, wenn sie anderweitig so in den Bereich des Adressaten gelangt sei, daß für diesen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestehe29 • Im Hinblick auf die für den Zugang notwendige Kenntnisnahmemöglichkeit des Adressaten ergibt sich in der Tat kein Unterschied zwischen einer unter der Tür hindurchgeschobenen Erklärung, die dem Adressaten schon nach dem Öffnen der Tür ins Auge fallen muß30, und einer in den Briefkasten geworfenen Erklärung. In beiden Fällen ist die Erklärung in den - wie auch immer abVgl. Fn. 24. Staudinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 23. 27 Stau dinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 30. 28 Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II 1, Fn. 10 (975 f.); Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 b, Fn. 20 (231); Larenz, Allg. Teil, § 21 II b, Fn. 43 (410). 29 Vgl. die in Fn. 28 Genannten. 30 Anders ist allerdings der von Dilcher genannte Fall zu beurteilen, in dem die Erklärung beim Durchschieben unter der Wohnungs tür unter den verlegten Teppich gerät (Staudinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 23). Hier liegt nach allseitiger Auffassung kein Zugang vor, da die Erklärung für den Adressaten überhaupt nicht erkennbar ist und insoweit keine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. 25 26

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zugrenzenden - Bereich des Adressaten gelangt, und es besteht auch eine Möglichkeit zur Kenntnisnahme; ein unter der Tür durchgeschobener Brief mag sogar noch eher vom Adressaten entdeckt werden als ein Brief im Postkasten. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß das Aufstellen von Empfangseinrichtungen eine doppelte Funktion hat. Empfangseinrichtungen dienen einerseits dazu, dem Erklärenden das Bewirken des Zugangs zu erleichtern. Auf der anderen Seite verfolgt der Adressat jedoch regelmäßig auch eigene Interessen. Dadurch erreicht er nämlich, daß der Bereich seiner Sphäre, den er auf eventuell eingetroffene Erklärungen kontrollieren muß, eingegrenzt wird. Wer z. B.einen Briefkasten hat, kann davon ausgehen, daß er seine Post nicht vor oder hinter der Wohnungstür oder sonstwo zusammensuchen muß. Durch Empfangseinrichtungen läßt sich aber vor allem das Risiko eines Erklärungsverlustes und einer Verzögerung der Kenntnisnahme einschränken. Der Adressat hat ein anerkennenswertes Interesse daran, dieses Risiko, das er in seinem Einwirkungsbereich zu tragen hat, möglichst gering zu halten. Dieses Interesse ist jedenfalls insoweit zu schützen, als das nicht zu einer Benachteiligung des Erklärenden führt. Empfangseinrichtungen ermöglichen eine Risikoeingrenzung, ohne daß die Belange des Erklärenden beeinträchtigt werden. Durch die Empfangs einrichtung wird ein leicht kontrollierbarer und beherrschbarer Empfangsbereich geschaffen, der nur dem Adressaten oder einer eingesetzten Hilfsperson zugänglich ist. Ein Brief, der sich im Briefkasten oder im Postschließfach befindet, ist weitgehend geschützt und kann kaum verlorengehen. Anders ist es jedoch bei Erklärungen, die etwa unter der Tür hindurchgeschoben oder sonstwie auf einem vom Adressaten nicht vorgesehenen Weg in dessen Bereich gebracht werden. Die Gefahr des Verlustes oder der Zerstörung der Erklärung ist dann erheblich größer. Das kleine Kind kann etwa in einem unbeaufsichtigten Augenblick den Brief verlegen, oder in Geschäftsräumen können Angestellte des Adressaten ein Schreiben unterschlagen. Für den Adressaten sind diese Gefahren schwer zu beherrschen. Bei vorhandenen Empfangseinrichtungen wird er auch kaum Veranlassung haben, insoweit irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Denn damit, daß der Erklärende die WE in anderer Weise in seinen Bereich bringt. braucht er nicht zu rechnen. Hat der Adressat durch eine Empfangseinrichtung für eine Risikoeingrenzung gesorgt und wählt der Erklärende trotzdem den risiko reicheren Weg, um ihm eine Erklärung zukommen zu lassen, muß das billigerweise zu Lasten des Erklärenden gehen. Es erscheint dann gerechtfertigt, diesen zunächst weiterhin mit dem Verlust- und Verspätungsrisiko zu belasten und jene Risiken erst auf den Adressaten übergehen zu lassen, wenn die durch die Nichtbenutzung der Empfangseinrichtung geschaffene Risikoerhöhung sich

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nicht mehr auswirken kann oder zumindest von diesem beherrschbar ist. Das ist der Fall, wenn der Adressat oder jedenfalls eine Person, die befugt ist, für ihn WEn entgegenzunehmen3 1, die Erklärung entdeckt hat 32 • Denn damit ist die erhöhte Gefahr des Erklärungsverlustes, die sich vor allem daraus ergibt, daß man auf seiten des Adressaten nichts von der Erklärung wußte und auch mit einer in dieser Weise in den Bereich des Adressaten verbrachten Erklärung nicht rechnen mußte, gebannt. Der Adressat (oder die empfangsbefugte Person) hat es nunmehr in der Hand, die Erklärung an sich zu nehmen und damit eventuellen Fremdeinwirkungen auf die ungeschützt herumliegende Erklärung zuvorzukommen. Für die dargestellte Risikoverteilung spricht außerdem, daß der Adressat sich auf die Benutzung der bereitgehaltenen Empfangseinrichtung(en) einstellt und möglicherweise seine Empfangsvorkehrungen darauf ausrichtet. Sein Vertrauen auf die Benutzung der Empfangseinrichtung(en) muß in solchen Fällen geschützt sein. Das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Der Adressat kann etwa während einer Urlaubsabwesenheit einen Wohnungsnachbarn damit beauftragen, die Post aus dem im Hausflur angebrachten Briefkasten an sich zu nehmen und wichtige Schreiben an den Urlaubs ort nachzusenden. Wenn nun eine Erklärung statt in den Briefkasten unter der Tür her in die verlassene Wohnung geschoben wird, dann würden die vom Adressaten für seine Urlaubsabwesenheit getroffenen Empfangsvorkehrungen versagen. Der Adressat würde, wenn der Beauftragte keinen Schlüssel zur Wohnung hat oder diese jedenfalls nicht betritt, die Erklärung erst bei seiner Rückkehr vorfinden. Reichte es für den Zugang aus, daß die Erklärung irgend wie in den Herrschaftsbereich des Adressaten gelangt ist, dann wäre die Erklärung schon während der Urlaubsabwesenheit zugegangen. Daß der Adressat wegen seiner Abwesenheit die Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht sofort realisieren kann, steht einem Zugang nicht entgegen, da solche persönlichen Umstände, welche die Kenntnisnahme hindern, in den Risikobereich des Adressaten fallen33 • Im Beispielsfall erscheint jedoch ein Zugang während der Abwesenheit des Adressaten als unbillig. Dieser hat hier eine für den Rechtsverkehr erkennbare Empfangseinrichtung geschaffen und durch weitere Maßnahmen sichergestellt, daß ihn Erklärungen auch im Urlaub erreichen. Sein Vertrauen, daß bei der übermittlung von WEn Zur Empfangsbefugnis von Mittelspersonen vgl. §§ 10 - 14. Wenn Dilcher für den Zugang darauf abstellt, daß der Adressat von dem übermittlungsversuch Kenntnis erlangt hat (Staudinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 23), so ist das mißverständlich. Auf diese Kenntnis allein kann es nicht ankommen. Erfährt etwa der Adressat von der übermittlung, ist die Erklärung jedoch vorher schon verlorengegangen, so reicht auch die Kenntnis vom übermittlungsversuch nicht aus, um den Zugang zu bewirken. 88 Vgl. § 4 II 1 b. 81

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die vorhandene Empfangseinrichtung benutzt wird, ist schutzwürdig. Wenn der Erklärende, obwohl er es könnte, nicht die erkennbare Empfangseinrichtung gebraucht, sondern einen anderen Weg wählt, um die Erklärung zugehen zu lassen, dann muß es billigerweise zu seinen Lasten gehen, daß die Erklärung erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Hände des Adressaten gelangt. Die Lehre von den Empfangseinrichtungen führt in solchen Fällen zu durchaus sachgerechten Ergebnissen. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß es auch Fälle gibt, in denen der Erklärende die WE ohne Benutzung der vorhandenen Empfangseinrichtung in den Bereich des Adressaten gelangen läßt, dadurch aber weder das Verlust- oder Verspätungsrisiko erhöht noch irgendwelche auf die Empfangseinrichtung ausgerichtete Empfangsvorkehrungen des Adressaten umgangen werden. So ist z. B. eine Risikoerhöhung nicht feststellbar, wenn die WE statt in den Briefkasten in die verlassene Wohnung des Adressaten eingebracht wird, die dieser ganz allein bewohnt und in der auch ansonsten keine Gefahrenquelle für die hinter der Wohnungstür liegende WE vorhanden ist. Auch bei Berücksichtigung solcher Fälle erscheint es jedoch im Grundsatz zutreffend, den Erklärenden bei Nichtbenutzung von Empfangs einrichtungen generell mit dem übermittlungsrisiko zu belasten und die Risikoverteilung nicht von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängig zu machen. Beim Zugang geht es nämlich um eine formalisierte, abstrakt-generelle Risikoverteilung. Eine von den Einzelumständen abstrahierende Typisierung erscheint schon aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geboten, denen beim Zugang besondere Bedeutung beizumessen ist 34• So wird etwa das vom Adressaten zu tragende Risiko durch § 130 I dahingehend typisiert, daß ihm generell alle Kenntnisnahmehindernisse zugerechnet werden, unabhängig von der Vermeidbarkeit des konkreten Hindernisses und der im Einzelfall bestehenden Schutzbedürftigkeit des Adressaten35 • Würde man demgegenüber die Risikobelastung des Erklärenden davon abhängig machen, daß im jeweiligen Einzelfall eine konkrete Risikoerhöhung infolge der Nichtbenutzung der Empfangseinrichtung eingetreten ist, so ergäbe sich eine ähnliche Rechtsunsicherheit wie bei dem oben kritisierten Lösungsansatz vom Machtbereich des Adressaten. Eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Risikobetrachtung und die Hinnahme der damit verbundenen Rechtsunsicherheit erscheinen auch mit Rücksicht auf die Interessen des Erklärenden nicht geboten. Wenn dieser die erkennbar gemachte Empfangsorganisation des Adressaten nicht respektiert, muß er eben gewisse Rechtsnachteile in Kauf neh34

35

Vgl. § 5 I. Vgl. § 4 II 1 b.

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men. Das Hinausschieben des Risikoübergangs und des Zugangseintritts bis zum Auffinden der Erklärung durch den Adressaten führt unter normalen Umständen zu keiner unbilligen Belastung des Erklärenden. Bedenken ergeben sich allerdings in den Fällen, in denen die Erklärung während einer (längeren) Abwesenheit des Adressaten in dessen verlassene Wohnung eingebracht wird, ohne daß durch diese Art der Übermittlung irgendwelche auf die Empfangseinrichtung ausgerichtete Empfangsvorkehrungen des Adressaten umgangen werden. Wenn hier die WE erst später nach der Rückkehr des Adressaten von diesem aufgefunden und zur Kenntnis genommen wird, so steht das in keinem Zusammenhang mit der Nichtbenutzung der Empfangseinrichtung, sondern beruht allein auf der Abwesenheit des Adressaten. Dieser hätte die WE auch erst nach seiner Rückkehr vorgefunden, falls der Erklärende sie in den Briefkasten oder eine andere Empfangseinrichtung eingebracht hätte. Es ist dann aber verfehlt, für den Zeitpunkt des Zugangseintritts auf das Auffinden der Erklärung nach der Rückkehr des Adressaten abzustellen. Die aus der Nichtbenutzung der Empfangseinrichtung sich eventuell ergebenden Risiken würden sonst nämlich mit dem Risiko einer verspäteten Kenntnisnahme vermischt werden, das sich aus einer Abwesenheit oder sonstigen persönlichen Kenntnisnahmehindernissen des Adressaten ergibt. Nach der Wertung des § 130 I müssen jedoch die Kenntnisnahmehindernisse aus dem Bereich des Adressaten diesem zugerechnet werden36 • Bei der Verteilung des Verspätungsrisikos und der Bestimmung des Zeitpunktes für den Zugangs eintritt erscheint somit eine Differenzierung notwendig zu sein. Ein verspätetes Auffinden der WE durch den Adressaten darf nur zu Lasten des Erklärenden gehen, soweit es auf die Nichtbenutzung der Empfangseinrichtung und die vom Erklärenden statt dessen gewählte Art der Erklärungsübermittlung zurückzuführen ist. Die Lehre von den Empfangseinrichtungen trägt dem Erfordernis einer solchen differenzierten Risikoverteilung keine Rechnung. Weitere Bedenken gegen den von Dilcher entwickelten Lösungsansatz von den Empfangseinrichtungen ergeben sich in den Fällen, in denen beim Adressaten keine benutzbare Empfangseinrichtung vorhanden ist. Nach Auffassung Dilchers soll auch hier eine in anderer Weise in den Bereich des Adressaten gelangte Erklärung erst zugehen, wenn dieser von dem Übermittlungsversuch Kenntnis erlangt hat37 • Im übrigen behandelt er das Nichtvorhandensein von Empfangseinrichtungen als ein Zugangshindernis. Soweit der Adressat aufgrund eines bestehenden Rechts- oder Verhandlungsverhältnisses zur Installation einer 38 37

Vgl. § 4 II 1 b. Stau dinger / DHcher, § 130, Rdnr. 23.

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Empfangseinrichtung verpflichtet ist, soll der Erklärende durch die Rückwirkung eines (ggf. nach § 132) nachgeholten Zugangs geschützt werden 38 • Diese Lösung wird den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs nicht gerecht und widerspricht den Wertungen des Gesetzgebers. Der Adressat hätte es danach in der Hand, durch das Nichtanbringen von Empfangseinrichtungen ein Zugangshindernis zu schaffen, das der Erklärende nur unter erheblichen Schwierigkeiten überwinden könnte. Die Zustellung nach § 132, die dem Erklärenden beim Fehlen von Empfangseinrichtungen zugemutet werden müßte, ist mit Mehrkosten verbunden und viel zu umständlich, um einen brauchbaren Ausweg zu bieten. Auf diesen Weg kann der Erklärende nur in Ausnahmefällen verwiesen werden. Der entscheidende Einwand ergibt sich jedoch wiederum daraus, daß der Gesetzgeber mit der Empfangstheorie das Wirksamwerden einer WE möglichst unabhängig von Mitwirkungshandlungen des Adressaten machen wollte39 • Bei der Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen ist diese Wertung des Gesetzgebers zu beachten. Der Zugang darf deshalb nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Adressat eine Empfangseinrichtung installiert hat. Bei Fehlen einer Empfangseinrichtung muß es vielmehr ausreichen, daß die Erklärung in anderer Weise in den Einwirkungsbereich des Adressaten gebracht wird. Das entspricht auch der Verkehrs anschauung; so ist es z. B. durchaus üblich, bei Fehlen einer Empfangseinrichtung die Erklärung durch einen Türspalt in die Wohnung des Adressaten zu schieben. Es ist somit nicht immer für den Zugang erforderlich, daß die Erklärung in eine Empfangseinrichtung eingebracht wird. Die Bedeutung der Empfangseinrichtungen besteht im wesentlichen darin, daß der Adressat durch sie den in seiner Sphäre liegenden Bereich abstecken kann, in dem er eine WE entgegennehmen will. Sie dienen also der Erleichterung des Zugangs und führen - wie ausgeführt - vor allem auf seiten des Adressaten zu einer Eingrenzung des Verlust- und Verspätungsrisikos 40 • Wenn dieser eine solche Risikoeingrenzung nicht vornimmt, muß es dem Erklärenden freistehen, die Erklärung anderweitig in den Bereich des Adressaten zu bringen. Das höhere Verlust- und Verspätungsrisiko muß dann, sobald die Erklärung im Einwirkungsbereich des Adressaten angelangt ist, zu dessen Lasten gehen. Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß auch die Lehre von den Empfangseinrichtungen nur in einem Teilbereich zu einer zuDilcher, AcP 154, 120, 130 ff. Vgl. oben S. 33 f. 40 Die Errichtung von Empfangsanlagen liegt somit vor allem im Interesse des Adressaten und nicht - wie die Ausführungen DUchers nahelegen - vornehmlich im Interesse des Erklärenden. 38

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friedenstellenden Lösung der Zugangsproblematik führt. Vor allem beim Fehlen von Empfangseinrichtungen erweist sie sich als nicht interessengerecht. 111. Konkretisierung durch Bildung von Fallgruppen

Die Kritik der bisherigen Lösungsversuche hat gezeigt, daß diese teilweise richtige Ansätze enthalten, die Gesamtproblematik jedoch nicht befriedigend lösen können. Es wird entweder mit einer abstrakten und wertausfüllungsbedürftigen Klausel gearbeitet, oder aber die verwendeten Kriterien passen nur für bestimmte Fallgestaltungen. Dies deutet darauf hin, daß es wegen der Vielgestaltigkeit der in Betracht kommenden Lebenssachverhalte nicht möglich ist, eine allgemeingültige und gleichwohl hinreichend konkrete Zugangs formel zu finden, die in allen Fällen zu sachgerechten Ergebnissen führt. Es erscheint deshalb notwendig, für die unterschiedlichen Fallgestaltungen verschiedene Zugangskriterien heranzuziehen und so zu einer Fallgruppenbildung zu kommen. Dabei kann im wesentlichen auf das zurückgegriffen werden, was soeben bei der Kritik der verschiedenen Konkretisierungsversuche schon ausgeführt worden ist. Die hier gewonnenen Erkenntnisse gilt es zusammenzutragen und, soweit notwendig, zu ergänzen.

1. Angebot zur übergabe der Erklärung Ein sicherer Weg, dem Adressaten die WE zum Zweck der Kenntnisnahme nahezubringen, besteht darin, daß sie ihm persönlich überbracht wird. Für den Zugang ist hier nicht erforderlich, daß dem Adressaten die verkörperte Erklärung tatsächlich übergeben oder jedenfalls vorübergehend zur Kenntnisnahme überlassen worden ist. Da der Zugangseintritt möglichst von eventuellen Mitwirkungshandlungen des Adressaten freizuhalten ist41 , muß es bereits ausreichen, wenn diesem die Erklärung zur übergabe (bzw. zur vorübergehenden überlassung) angeboten wird und die Kenntnisnahme nur noch von seiner zumutbaren Mitwirkung abhängt 42 • Im Interesse des Adressaten ist allerdings zu verlangen, daß das Angebot zur übergabe der Erklärung klar erkennbar ist. Der Adressat wird nämlich nicht immer damit rechnen, daß ihm eine WE überbracht werden soll. Eine ständige Aufmerksamkeit und Bereitschaft zur Entgegennahme ihm eventuell nahegebrachter Erklärungen dürfte von ihm Vgl. S. 33 f. Vgl. S. 56. An der Zumutbarkeit der noch erforderlichen Mitwirkung fehlt es z. B., wenn der Adressat bei Entgegennahme eines ihm vom Postboten angebotenen Briefes Strafporto bezahlen müßte. 41

42

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auch kaum zu verlangen sein. Es kann für den Zugang jedenfalls nicht genügen, daß dem Adressaten die WE untergeschoben, sie ihm beispielsweise heimlich in die Tasche gepackt oder sonstwie heimlich zugesteckt wird 43 •

2. Benutzung einer Empjangseinrichtung des Adressaten Vielfach wird die Möglichkeit bestehen, WEn in eine Empfangseinrichtung des Adressaten einzubringen. Mit der Empfangseinrichtung hat der Adressat selbst einen Bereich abgesteckt, in den die WE zum Zweck des Zugangs eingebracht werden soll. Der Erklärende darf sich dann darauf verlassen, daß das Verlust- und Verspätungsrisiko mit Einbringen der WE in die Empfangseinrichtung auf den Adressaten übergeht4 4 • Er hat damit alles getan, um den Zugang zu bewirken. Der Zugang tritt hier zu dem Zeitpunkt ein, in dem der Adressat die Erklärung wahrnimmt 45 , spätestens jedoch, wenn die tatsächliche Kenntnisnahme nach der Verkehrsanschauung erwartet werden muß46. Wann nach der Verkehrsanschauung mit der Kenntnisnahme gerechnet werden darf, läßt sich nicht nach allgemeingültigen Regeln festlegen. Das hängt von den im Einzelfall bereitgestellten Empfangseinrichtungen, den örtlichen Gewohnheiten und schließlich auch von dem Geschäftskreis ab, dem der Adressat angehört. Von einem Kaufmann wird man etwa erwarten können, daß er mehrmals am Tag seine Empfangseinrichtungen auf eingegangene Erklärungen überprüft4 7 • Außerhalb des kaufmännischen Verkehrs dürfte dagegen eine solche Erwartung nicht berechtigt sein.

3. Einbringen der Willenserklärung in den räumlichgegenständlichen Einwirkungsbereich des Adressaten a) Nichtbenutzung der vorhandenen Empfangseinrichtung Sofern eine benutzbare Empfangseinrichtung vorhanden ist, muß vom Erklärenden verlangt werden, daß er die darin liegende Eingrenzung des Empfangsbereichs durch den Adressaten respektiert und die 43 Es entspricht allgemeiner Auffassung, daß der Zugang nicht etwa auf diese Weise "erschlichen" werden kann; vgl. dazu die instruktive Entscheidung des LAG Frankfurt, ARSt 1983 Nr. 90, sowie Erman ! Brox, § 130, Rdnr. 17; FLume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3b (230f.); MünchKomm! FörschLer, § 130, Rdnr.23. 44 Vgl. S. 57 f. 45 Vgl. § 4 II 2 b. 46 Vgl. § 4 II 2 a. 47 So auch OLG Celle, WM 1975, 550, 551 (betr. Kaufmann, der ein Postfach hat).

5 Brinkmann

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WE nicht einfach in die Wohnung oder einen anderen räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich des Adressaten einbringt. Vorauszusetzen ist dabei jedoch, daß die Empfangseinrichtung für ihn erkenn~ bar und ihre Benutzung bei der von ihm im konkreten Fall gewählten Erklärungsübermittlung auch möglich und zumutbar ist48 • Bringt der Erklärende die WE in den räumlich-gegenständlichen Bereich des Adressaten ein, obwohl er ohne weiteres eine Empfangseinrichtung hätte benutzen können, so geht ein damit verbundenes höheres Ver~ lust- und Verspätungsrisiko zu seinen Lasten. Wie oben ausgeführt, treten in einem solchen Fall der Risikoübergang auf den Adressaten und der Zugang erst ein, wenn der Adressat die Erklärung auffindet und erkennt, daß es sich dabei um eine an ihn gerichtete Mitteilung handelt 49 • Dieser Grundsatz bedarf allerdings einer Ergänzung im Hinblick auf jene Fälle, in denen das Auffinden der Erklärung durch die Abwesenheit oder sonstige Kenntnisnahmehindernisse des Adressaten verzögert wird. Es muß verhindert werden, daß der Erklärende auch mit den Kenntnisnahmehindernissen aus dem Lebensbereich des Adressaten belastet wird 50 • Das läßt sich in interessengerechter Weise erreichen, indem an die oben herausgearbeitete Trennung zwischen dem übergang des übermittlungsrisikos und dem Zeitpunkt des Zugangseintritts angeknüpft wird51 • Wenn eine WE statt in die benutzbare Empfangs~ einrichtung in den räumlichen Bereich des Adressaten eingebracht wird, ist zwar für den Zugang und den übergang des Verlustrisikos das Auffinden der Erklärung durch den Adressaten notwendig. Der Zeit~ punkt des Auffindens muß jedoch nicht immer auch für den Zeitpunkt des Zugangseintritts und damit für das Wirksamwerden der WE maß~ gebend sein. Wie beim Einbringen der WE in die Empfangseinrichtung der Risikoübergang sofort, der Zugang jedoch erst im Zeitpunkt der zu erwartenden Kenntnisnahme eintritt52 , so ist hier ebenfalls ein zeitliches Auseinanderfallen von Risikoübergang und Zugangseintritt in Betracht zu ziehen. Soweit sich das Auffinden der Erklärung allein aufgrund einer Abwesenheit oder eines sonstigen persönlichen Kenntnis~ nahmehindernisses auf seiten des Adressaten verzögert hat, erscheint 48 Daran fehlt es z. B., wenn der Adressat ein Postschließfach unterhält, der Erklärende jedoch die WE per Boten zur Wohnung des Adressaten bringen läßt, wo kein Briefkasten vorhanden ist, oder wenn die Erklärungsverkörperung wegen ihres sperrigen Formats nicht in den Briefkasten geworfen werden kann. 49 Vgl. S. 60. Es kommt dabei nicht darauf an, daß eine durch die Nichtbenutzung der Empfangseinrichtung verursachte Risikoerhöhung auch im konkreten Einzelfall nachweisbar ist. Es handelt sich vielmehr um eine typisierte Risikoverteilung (vgl. S. 61 f.). 50 Vgl. dazu oben schon S. 62. 51 Vgl. § 4 II 2 a. 52 Vgl. oben III 2.

§ 5 Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen

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es sachgerecht, den Zugangseintritt auf den Zeitpunkt zurückzubeziehen, in dem die WE ohne das Kenntnisnahmehindernis normalerweise aufgefunden worden wäre. Es ist dann sichergestellt, daß entsprechend der dem § 130 I zugrundeliegenden Risikoverteilung die persönlichen Kenntnisnahmehindernisse des Adressaten auch bei Nichtbenutzung der Empfangseinrichtung in dessen Risikobereich verbleiben und der Erklärende damit nicht belastet wird. Eine Zurückbeziehung des Zugangseintritts ist allerdings nur gerechtfertigt, wenn die in den räumlichen Bereich des Adressaten gelangte WE für diesen ohne weiteres erkennbar gewesen ist und damit feststeht, daß dieser sie unter normalen Umständen alsbald aufgefunden hätte. Weiterhin dürfen durch die Nichtbenutzung der Empfangseinrichtung keine Empfangsvorkehrungen umgangen worden sein, die der Adressat gerade im Hinblick auf das Kenntnisnahmehindernis getroffen hat 53 • Die aus der Umgehung von Empfangsvorkehrungen sich ergebenden Nachteile stehen nämlich im inneren Zusammenhang mit der Nichtbenutzung der Empfangseinrichtung und müssen deshalb zu Lasten des Erklärenden gehen, der die erkennbare Empfangsorganisation des Adressaten nicht respektiert hat. Es bleibt dann bei dem Grundsatz, daß das Auffinden der Erklärung durch den Adressaten auch für den Zeitpunkt des Zugangseintritts maßgebend ist. b) Einbringung der Erklärung in den räumlichen Bereich des Adressaten bei Fehlen einer Empfangseinrichtung Soweit eine benutzbare Empfangseinrichtung fehlt, ist der Erklärende meist darauf angewiesen, die WE in die Wohnung oder einen anderen räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich des Adressaten einzubringen. In Fällen fehlender Empfangseinrichtungen ist das auch durchaus verkehrsüblich; der Erklärende kann hier typischerweise nicht auf einen sichereren und gleichzeitig zumutbaren anderen Weg verwiesen werden, um dem Adressaten die WE nahezubringen. Wenn dieser keine benutzbare Empfangseinrichtung geschaffen hat, um die Empfangssphäre einzugrenzen und so für eine Risokobeschränkung zu sorgen, dann erscheint es gerechtfertigt, ihm das Verlust- und Verspätungsrisiko schon aufzubürden, sobald die WE die von ihm beherrschten Räumlichkeiten erreicht. Um den Risokoübergang zu bewirken, muß die Erklärung allerdings von seiten des Erklärenden so in den Einwirkungsbereich eingebracht werden, daß sie von dem Adressaten ohne weiteres als solche aufgefunden werden kann. Denn nur unter dieser Voraussetzung hat der Adressat eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme erlangt, und nur 53

Vgl. dazu den Beispielsfall auf S. 60.

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2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

dann ist auch hinreichend gesichert, daß der Adressat tatsächlich alsbald vom Erklärungsinhalt Kenntnis nimmt. Es geht hier letztlich um eine billige Verteilung des Risikos, daß die in den Einwirkungsbereich des Adressaten gelangte Erklärung nicht oder nur verspätet aufgefunden wird. Es ist sachgerecht und entspricht der dem § 130 I zugrundeliegenden Risikoverteilung nach Einwirkungsbereichen, dem Erklärenden dieses Risiko aufzubürden, soweit er es beherrschen kann. So leuchtet es ein, daß es zu seinen Lasten gehen muß, wenn er dem Adressaten eine Erklärung mit der Absicht unterschiebt, deren Entdeckung zu erschweren, oder wenn er die Erklärung in einer Weise in die Räume des Adressaten gelangen läßt, bei der ihm jedenfalls von vornherein Zweifel daran kommen müssen, daß die Erklärung alsbald gefunden wird. Als Beispiel sei der Fall genannt, daß der Erklärende einen Brief oder einen Zettel mit einer WE von draußen durch das geöffnete Fenster in die Wohnung des Adressaten wirft. Aber auch wenn dem Erklärenden nicht erkennbar ist, daß die in die Räume des Adressaten hineingebrachte WE nicht ohne weiteres aufgefunden werden kann, muß das zu seinen Lasten gehen, weil er die Gefahren typischerweise beherrschen kann. Zu denken ist etwa daran, daß der Erklärende die WE unter der Tür durchschiebt und die Erklärung dabei unter den verlegten Teppich gerät54 • In solchen Fällen, in denen die WE nicht in verkehrsüblicher Weise in den Einwirkungsbereich gelangt ist, tritt der Zugang erst ein, wenn der Adressat sie tatsächlich bemerkt. Das Risiko, daß die WE nicht entdeckt wird und die Kenntnisnahme deshalb nicht erfolgt, ist dem Adressaten nur aufzubürden, wenn ihm die in seine Räume gelangte Erklärung ins Auge fallen müßte und sie auch als solche objektiv erkennbar ist. Denn dann können allenfalls besondere Umstände aus der Sphäre des Adressaten das Auffinden der Erklärung und die Kenntnisnahme verhindern. Nach der Risikoverteilung des § 130 I müssen jedoch solche besonderen Umstände aus dem Bereich des Adressaten zu dessen Lasten gehen. Wenn die Erklärung in der gerade geschilderten Weise in den räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich des Adressaten gelangt ist, hat der Erklärende das Erforderliche getan, um den Zugang zu bewirken 55 • Fall nach AG Elze, ZMR 1968, 13. Praktisch kommen wohl nur zwei Möglichkeiten in Betracht, bei denen das alsbaldige Auffinden der Erklärung hinreichend gesichert ist: Der Erklärende kann die Erklärung unter der Tür her in die Wohnung schieben, so daß die Erklärung - für den Adressaten offen sichtbar - hinter der Tür auf dem Boden liegt. Wenn der Erklärende oder sein Bote Zutritt zu den Räumen des Adressaten hat, kann die Erklärung auch auf einen Tisch gelegt werden, wo sie ebenfalls alsbald wahrgenommen werden müßte. 54

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§ 5 Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen

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Für den Zeitpunkt des Zugangseintritts kommt es wiederum darauf an, wann die Kenntnisnahme seitens des Adressaten nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist56 • Für die Bestimmung dieses Zeitpunktes lassen sich auch hier keine allgemeingültigen und gleichzeitig hinreichend konkreten Grundsätze aufstellen, da vieles von den örtlichen Besonderheiten und dem Geschäftskreis abhängt, dem der Adressat angehört57 • Bei Einbringen der WE in eine Privatwohnung wird man erwarten können, daß der Adressat eine während des Tages eingegangene Erklärung noch am selben Tag auffindet. Bei einer am Abend oder in der Nacht eingegangenen Erklärung dürfte dagegen die Kenntnisnahme erst am nächsten Tag zu erwarten sein. Ist die WE in die Geschäftsräume des Adressaten gelangt, so wird man von einer Kenntnisnahme am selben Tag nur auszugehen haben, wenn die Erklärung während der üblichen Geschäftszeiten eingebracht worden ist.

4. Niederlegung der Erklärung außerhalb des vom Adressate"n beherrschten räumlich-gegenständlichen Bereichs Schließlich kann die WE dem Adressaten dadurch nahegebracht werden, daß sie irgendwo außerhalb seines räumlichen Bereichs (z. B. vor seiner Wohnungstür, im Hausflur, an seinem Arbeitsplatz) niedergelegt 58 wird. a) Niederlegung trotz Bestehens sicherer Zugangsmöglichkeiten Diese Art der Erklärungsübermittlung ist regelmäßig mit einem er~ höhten Verlust- und Verspätungsrisiko verbunden. Soweit eine sichere Zugangsmöglichkeit besteht, die Erklärung etwa in die Empfangseinrichtungen oder den räumlich-gegenständlichen Bereich des Adressaten eingebracht werden kann, muß eine Niederlegung von vornherein ausscheiden. Wird die WE gleichwohl außerhalb des räumlichen Einwirkungsbereichs des Adressaten niedergelegt, ist der Erklärende mit dem erhöhten Verlust- und Verspätungsrisiko zu belasten. Der Zugang tritt erst ein, wenn der Adressat die niedergelegte Erklärung aufgefunden hat und die Kenntnisnahme nur noch von dessen zumutbarer Mitwirkung abhängt.

56 Allerdings tritt auch hier der Zugang schon vorher ein, wenn der Adressat die Erklärung bereits vor dem Zeitpunkt der objektiv zu erwartenden Kenntnisnahme aufgefunden hat (vgl. § 4 II 2 b). 57 Vgl. zur ähnlichen Problematik oben unter III 2. 58 Der Begriff "Niederlegung" ist hier nicht im technischen Sinne der §§ 182, 195 a ZPO, sondern in einem weiteren Sinne zu verstehen. Gemeint ist damit, daß die Erklärung irgendwo für den Adressaten hingelegt, angeheftet oder aufgehängt wird.

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2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

b) Niederlegung bei Fehlen anderer geeigneter Zugangs möglichkeiten Näherer Betrachtung bedürfen allein die Fälle, in denen die Erklärung zur Wohnung oder zu den Geschäftsräumen des Adressaten gelangt, sie dort jedoch weder übergeben noch in Empfangseinrichtungen oder in die Räume des Adressaten eingebracht werden kann. Hier ließe sich erwägen, ob es für den Zugang nicht ausnahmsweise genügt, wenn die Erklärung an einem geeignet erscheinenden Ort für den Adressaten niedergelegt wird. (1) Nach den bisher herausgearbeiteten Grundsätzen müßte der Zugang allerdings verneint werden, sofern die Erklärung einfach vor der Wohnungstür oder an einem anderen Ort hingelegt (bzw. befestigt) wird, wo sie schutzlos einem eventuellen Zugriff Unbefugter ausgesetzt ist. Die Erklärung ist damit nämlich noch nicht in den dem Adressaten vorbehaltenen Einwirkungsbereich gelangt, wo für diesen das Verlust- und Verspätungsrisiko t,ypischerweise beherrschbar ist. Sie befindet sich vielmehr in einem Bereich, wo sie noch für eine Vielzahl von Fremdeinwirkungen zugänglich ist. Die Erklärung ist auch noch für den Erklärenden manipulierbar; er kann sie ohne weiteres wieder an sich nehmen oder sie inhaltlich verändern. Der Adressat hat noch keine hinreichend gesicherte Kenntnisnahmemöglichkeit hinsichtlich des Erklärungsinhalts erlangt, was eine Grundvoraussetzung des Zugangs ist59 • Es bleibt jedoch zu überlegen, ob an der bisherigen Risikoverteilung ausnahmslos festgehalten werden kann oder ob nicht bei der hier behandelten Fallgruppe die Anforderungen an den Zugang zu senken sind. Für letzteres ließe sich anführen, daß der Adressat, der es unterlassen hat, für Empfangseinrichtungen oder für eine sonstige sichere Zugangsmöglichkeit zu sorgen, weniger schutzwürdig erscheint als der Erklärende, der sich darum bemüht, ihm die Erklärung nahezubringen. Trotz der sicherlich vorhandenen schützenswerten Interessen des Erklärenden ergeben sich jedoch durchgreifende Bedenken gegen 'eine Aufweichung der Zugangsanforderungen. Hiergegen sprechen zunächst einmal Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Dadurch, daß auf das Einbringen der Erklärung in eine Empfangseinrichtung oder den räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich des Adressaten abgestellt wird, läßt sich der Bereich, den die WE für den Zugang erreichen muß, hinreichend klar abstecken. Dagegen ist der Bereich, der für eine Niederlegung der Er~ klärung in Betracht kommen könnte, kaum näher festzulegen. Die bisher gewonnene Klarheit bei der Eingrenzung der Empfangssphäre sollte nicht ohne zwingenden Grund preisgegeben werden. Ein solcher Grund ist jedoch nicht ersichtlich. Dem Schutzbedürfnis des Erklären59

V gl. § 4 II 1.

§ 5 Konkretisierung der Zugangs voraussetzungen

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den, dem die Herbeiführung des Zugangs wegen des Fehlens von Empfangseinrichtungen und sonstiger geeigneter Zugangsvorkehrungen erschwert wird, kann nämlich, wie noch im einzelnen aufgezeigt wird 60 , mit Hilfe der Grundsätze über die Zugangsverhinderung hinreichend Rechnung getragen werden. Außerdem ist bei aller Betonung der Schutzbedürftigkeit des Erklärenden zu beachten, daß ein Minimum an Schutz auch für den Adressaten gewährleistet bleiben muß. Genügte für den Zugang schon die Niederlegung der Erklärung an einem ungeschützten Ort, so würde dem Adressaten ein erhebliches Verlust- und Verspätungsrisiko aufgebürdet, und er wäre zudem noch der Gefahr von Manipulationen seitens des Erklärenden schutzlos ausgesetzt. Die besseren Gründe sprechen somit dafür, daß der Erklärende selbst bei Fehlen einer sicheren Zugangsmöglichkeit das Verlust- und Verspätungsrisiko hinsichtlich einer niedergelegten Erklärung tragen muß und der Zugang erst bei Auffinden der Erklärung durch den Adressaten eintritt. Auch eine Rückwirkung des Zugangseintritts für den Fall, daß das Auffinden der Erklärung infolge von Kenntnisnahmehindernissen auf seiten des Adressaten verzögert wird, erscheint nicht sachgerecht, da die Erklärung bis zu ihrem Auffinden durch den Adressaten für den Erklärenden noch manipulierbar ist 61 • (2) Eine Niederlegung der Erklärung könnte allenfalls für den Zugang ausreichen, wenn diese am Ort der Niederlegung von Dritten62 verwahrt wird und dem hiervon benachrichtigten Adressaten das Abholen der Erklärung zumutbar ist. Von praktischer Bedeutung ist hier vor allem der Fall der Einschreibsendung, die unter Zurücklassung eines Benachrichtigungszettels bei der Post niedergelegt worden ist, weil der Postbote keineempfangsbefugte Person angetroffen hat. Man könnte den Standpunkt vertreten, daß der Erklärende mit der Niederlegung der Einschreibsendung auf der Post schon eine hinreichend gesicherte Möglichkeit der Kenntnisnahme erlangt habe und daß es ihm ohne weiteres zumutbar sei, die Erklärung von der Post abzuholen 63 • Es wäre jedoch verfehlt, wenn allein aufgrund dieses Gesichtspunktes der Zugang bejaht würde. Die Verschaffung einer KenntnisVgl. §§ 15 - 18. In diesem Punkt besteht ein entscheidender Unterschied zu der oben unter 3 a behandelten Fallgruppe. 62 Als "Dritte" sind hier nur solche Personen zu verstehen, die nicht Empfangsvertreter oder sonstige Empfangsbefugte des Adressaten sind. Zu den Zugangsproblemen, die sich bei Einschaltung von Mittelspersonen auf seiten des Adressaten ergeben, vgl. §§ 10 - 14. 63 Mit dieser Begründung wird der Zugang z. B. bejaht von Behn, AcP 178, 505, 524 m. w. N.; Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 c (235); A. Hueck, ARS Bd. 15,358; Larenz, Allg. Teil, § 21 II b (412); Richardi, AP Nr. 4 zu § 130. 60

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2. Kap.,!. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

nahmemöglichkeit für den Adressaten ist zwar grundlegende Voraussetzung des Zugangs, diese Voraussetzung ist jedoch, wie ausgeführt 64, konkretisierungsbedürftig und viel zu unscharf, um in Zweifelsfällen eine genaue und eindeutige Abgrenzung der Risikosphären zu ermöglichen. Wenn man die bisherigen Kriterien betrachtet, die zur näheren Eingrenzung der Risikosphäre des Adressaten herangezogen worden sind, so ist für den übergang des übermittlungsrisikos und damit für den Zugang immer kennzeichnend, daß der Erklärende und die von ihm beauftragte übermittlungsperson (übermittIungsanstaIt) alles getan haben, um dem Adressaten die Kenntnis vom Erklärungsinhalt zu vermitteln. Die Kenntnisnahme hängt nur noch von einem Handeln des Adressaten ab 65 • So kann dieser ohne ein weiteres Zutun des Erklärenden oder der übermittIungsperson von der Erklärung Kenntnis nehmen, wenn diese ihm zur übergabe angeboten wird oder sie in seinen räumlich-gegenständlichen Bereich eingebracht worden ist. Eine solche unmittelbar zu realisierende Kenntnisnahmemöglichkeit hat der Adressat aber im Fall der niedergelegten Einschreibsendung noch nicht erlangt. Denn für die Kenntnisnahme ist hier nicht nur das Abholen des Einschreibens durch den Adressaten, sondern auch noch ein weiteres Handeln der Post (nämlich die Aufbewahrung und die Herausgabe des Einschreibens) notwendig. Der letztlich entscheidende Gesichtspunkt ergibt sich jedoch aus dem Prinzip der Risikoverteilung nach Einwirkungsbereichen, das dem § 130 I zugrundeliegt 66 • Danach ist für den Zugang erforderlich, daß der Adressat die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit hinsichtlich der Erklärung erlangt hat. Das ist jedoch noch nicht der Fall, wenn die WE bei einem Dritten niedergelegt wird und sie sich damit in einem fremden Organisationsbereich befindet, der dem Adressaten nicht ohne weiteres zugänglich ist. Es wäre nicht gerechtfertigt, wenn der Adressat etwa schon das Verlust risiko hinsichtlich eines Einschreibens tragen müßte, solange sich dieses noch in dem ihm unzugänglichen Betrieb der Post befindet, die als übermittlungsanstaIt des Erklärenden tätig ist. Bei Beachtung der Risikoverteilung des § 130 I muß davon ausgegangen werden, daß die Niederlegung des Einschreibens für den Zugang nicht ausreicht 67 ; dieser tritt vielmehr erst ein, wenn dem Adressaten das Einschreiben auf der Post zur übergabe angeboten wird. Vgl. § 5 I. Dieser Gesichtspunkt ist schon in der älteren Literatur für den Zugang herangezogen worden (vgl. Roedel, 39); vgl. ferner VGH Kassel, NJW 1968, 1979, 1980 (betr. Zugang nach § 4 VwZG); Enneccerus I Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II Alb (976). 66 Vgl. § 4 II 1 b. 67 So auch die wohl h. M.; vgl. etwa BGH, VersR 1971, 262, 263; BGHZ 67, 64

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§ 5 Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen

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Nach der hier vertretenen Lösung besteht zwar die Gefahr, daß das Abholen der Erklärung aufgrund von persönlichen Umständen des Adressaten verzögert wird oder dieser sogar absichtlich das Abholen der Erklärung unterIäßt und dadurch den Zugangseintritt verhindert. Der Erklärende kann jedoch in solchen Fällen wiederum hinreichend mit Hilfe der Grundsätze über die Zugangshindernisse geschützt werden 68 • 5. Zusammenfassung der Zugangsvoraussetzungen

Faßt man die Ergebnisse zusammen, die für die einzelnen Fallgruppen herausgearbeitet worden sind, so gelangt man zu folgenden Zugangsvoraussetzungen: (1) Eine verkörperte WE geht zu, wenn sie dem Adressaten in erkennbarer Weise zur übergabe (bzw. zur vorübergehenden überlassung) angeboten wird und die Kenntnisnahme nur noch von einer zumutbaren Mitwirkung des Adressaten abhängt. (2) Eine WE ist auch zugegangen, wenn sie in eine Empfangseinrichtung des Adressaten eingebracht worden ist und die Kenntnisnahme durch den Adressaten nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist. (3) Bei Fehlen einer benutzbaren Empfangseinrichtung reicht es für den Zugang bereits aus, daß die Erklärung in den räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich des Adressaten gelangt ist und die Kenntnisnahme nach der Verkehrsanschauung erwartet werden kann. Ist die WE statt in eine ohne weiteres benutzbare Empfangseinrichtung in den räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich eingebracht worden, so geht sie nur zu, wenn der Adressat (oder eine empfangsbefugte Person) sie auffindet. Falls sich allerdings das Auffinden der Erklärung allein durch eine Abwesenheit oder ein sonstiges Kenntnisnahmehindernis auf seiten des Adressaten verzögert hat, wirkt der Zugangseintritt auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Erklärung ohne das Kenntnisnahmehindernis unter normalen Umständen aufgefunden worden wäre. Diese Rückwirkung gilt jedoch nicht, sofern der Adressat gerade im Hinblick auf das Kenntnisnahmehindernis besondere Empfangsvorkehrungen getroffen hat, die durch die Nichtbenutzung der Empfangseinrichtung(en) umgangen worden sind. (4) Unabhängig von den unter (1) bis (3) genannten Voraussetzungen tritt der Zugang jedenfalls ein, wenn der Adressat die ihm nahegebrachte Erklärung als solche wahrgenommen hat und die Kenntnis272, 275 ff.; BGH, DB 1983, 40, 41; BGH, VersR 1984, 45; BAG, NJW 1963, 554, 555; Erman / Brox, § 130, Rdnr. 8; MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 16. 68 Vgl. im einzelnen §§ 15 - 18.

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2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

nahme nur noch von einer ihm zumutbaren Mitwirkungshandlung abhängt 69 • § 6 Abweichungen von den herausgearbeiteten Zugangsvoraussetzungen in Fällen spezieller Schutzbedürftigkeit des Adressaten Zu überprüfen bleibt, ob die herausgearbeiteten Zugangsvoraussetzungen und die ihnen zugrundeliegende Risikoverteilung ausnahmslos gelten oder aber in einigen Sonderfällen, in denen eine spezielle Schutzbedürftigkeit des Adressaten besteht, Modifizierungen notwendig sind. I. Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem urlaubs abwesenden Arbeitnehmer Ein solcher Sonderfall könnte die arbeitsrechtliche Kündigung gegenüber einem urlaubsabwesenden Arbeitnehmer darstellen. Nach den herausgearbeiteten Zugangsvoraussetzungen würden weder der Urlaub noch eine Abwesenheit des Adressaten den Zugangseintritt hindern. Diese könnte sich allenfalls als ein vorübergehendes, persönlich'es Kenntnisnahmehindernis auswirken, das aber nach der aus § 130 I abgeleiteten Risikoverteilung nach Einwirkungsbereichen1 zu Lasten des Adressaten geht.

1. Sonderbehandlung der arbeitsrechtlichen Kündigung in Rechtsprechung und Literatur In der Rechtsprechung und Literatur wird demgegenüber teilweise die Notwendigkeit gesehen, in diesem Sonderfall des Arbeitsrechts zu einer abweichenden Risikoverteilung zu kommen, um der speziellen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers Rechnung tragen zu können. So hat das BAG in einem Fall, in dem es um eine Kündigung des Arbeitgebers gegenüber einem urlaubsabwesenden Arbeitnehmer ging, die Zugangsvoraussetzungen dahingehend modifiziert, daß der Zugang erst zu dem Zeitpunkt eintreten soll, in dem der Erklärende mit der Kenntnisnahme rechnen kann2 • Soweit dem Arbeitgeber die Urlaubsng Die letztgenannten Zugangsvoraussetzungen erfassen nicht nur die Fallgruppe der niedergelegten WEn (lU 4), sondern auch die Fälle der "verfrüht" aufgefundenen WEn (IlI 2, 3 b) und der nicht in verkehrsüblicher Weise in den räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich eingebrachten WEn, die vom Adressaten aufgefunden werden (UI 3 b). 1 Vgl. § 4 U 1 b. 2 BAG, BB 1981, 1030 m. Anm. Wenzel = EzA Nr. 10 zu § 130 BGB m. Anm. M. Wolf = JZ 1981, 632 m. Anm. v. Olshausen = NJW 1981, 1470. Das BAG greift hier einen Lösungsansatz auf, der vorher schon vereinzelt von den Instanzgerichten und in der Literatur vertreten woren ist; vgl. ArbG Rheine,

§ 6 Fälle spezieller Schutzbedürftigkeit des Adressaten

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abwesenheit des Arbeitnehmers bekannt ist, geht danach die Kündigungserklärung erst im Zeitpunkt der vom Arbeitgeber erwarteten Rückkehr des Arbeitnehmers zu. Auch in der Literatur und bei den Instanzgerichten besteht das Bestreben, für diesen Fall die Zugangsvoraussetzungen so aufzubereiten, daß der Zugangseintritt bis zur Rückkehr des Arbeitnehmers von der Urlaubsreise oder gar bis zur Beendigung des Urlaubs hinausgeschoben wird. So stellt man hier zum Teil für den Zugang ausnahmsweise auf die Erlangung der individuellen Kenntnisnahmemöglichkeit des Adressaten ab3 • Andere sehen in der übersendung der Kündigung während einer dem Arbeitgeber bekannten Urlaubsabwesenheit des Arbeitnehmers eine Fürsorgepflichtverletzung, wegen der sich der Arbeitgeber so behandeln lassen müsse, als sei die Kündigung erst nach Rückkehr von der Urlaubsreise zugegangen4 • Schließlich geht man sogar so weit, daß man im Urlaub des Arbeitnehmers ein objektives Zugangshindernis für eine Kündigungserklärung sieht5 •

2. überprüfung der Notwendigkeit einer Abweichung von den Zugangsvoraussetzungen anhand der Interessenlage Ob Rechtsprechung und Literatur hier vorschnell von der grundlegenden Risikoverteilung des § 130 I abgewichen sind oder ob eine solche Abweichung tatsächlich zum Schutz des Arbeitnehmers geboten ist, läßt sich nur aufgrund einer näheren Betrachtung der Interessenlage feststellen. Vier Gründe sind dabei in Betracht zu ziehen, die es rechtfertigen könnten, zum Schutz des Arbeitnehmers für den Zugang ausnahmsweise auf die individuelle Kenntnisnahmemöglichkeit des Adressaten abzustellen oder den Zugang allgemein bis zur Beendigung des Urlaubs hinauszuschieben. a) Schutz des Arbeitnehmers vor einer Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG Zunächst einmal erscheint es notwendig, der Gefahr entgegenzuwirken, daß der Arbeitnehmer die Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG versäumt und deshalb eine Kündigungsschutzklage abgewiesen werden muß. Beim Zugang während der Urlaubsabwesenheit wird nämlich die Ausschlußfrist des § 4 S. 1 KSchG in Gang gesetzt, so daß im ExtremDB 1966, 1975; LAG München, ARSt 1975 Nr. 1204; Corts, DB 1979, 2081; Staudinger / Neumann, Vorbem. zu § 620, Rdnr. 45. 3 VgI. etwa Dersch, ARS 40, 186; Flume, Allg. Teil, 2. Bd. § 14, 3 e (239); ähnlich auch M. Wolf, EzA Nr. 10 zu § 130 BGB (BI. 65 f.), der meint, der Zugang könne nur am Urlaubsort des Adressaten bewirkt werden. 4 Helwing, BB 1968, 511; ähnlich auch LAG Hamm, BB 1967, 1272; LAG Frankfurt, BB 1967, 1423, 1424; M. Wolf, EzA Nr. 10 zu § 130 BGB (BI. 67 f.). 5 MünchKomm / Schwerdtner, Vor § 620, Rdnr. 74.

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2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

fall diese Frist schon abgelaufen ist, wenn der Arbeitnehmer bei seiner Rückkehr die Kündigung vorfindet. Um den Arbeitnehmer hier wirkungsvoll zu schützen, ist es jedoch nicht notwendig, für den Zugang etwa auf die individuelle Kenntnisnahmemöglichkeit des Adressaten abzustellen. Wenn dem Arbeitnehmer kein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist, kann ihm schon durch eine nachträgliche Zulassung der Klage nach § 5 KSchG geholfen werden6 • Dieser Weg muß auch in anderen Fällen beschritten werden, in denen der Arbeitnehmer infolge eines Kenntnisnahmehindernisses (z. B. infolge des Verlustes der Erklärung nach dem Zugangseintritt) ohne sein Verschulden von der zugegangenen Kündigung erst verspätet Kenntnis 'erlangt. b) Schutz der schwangeren Arbeitnehmerin vor einer Versäumung der Anzeigefrist des § 9 I 1 MuSchG Ein ähnliches Schutzproblem ergibt sich bei der Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin, die zur Erhaltung des besonderen Kündigungsschutzes nach § 9 I 1 MuSchG innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Kündigungserklärung dem Arbeitgeber die Schwangerschaft mitteilen muß. Aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG7 besteht aber nunmehr auch hier ein ausreichender arbeitsrechtlicher Schutz8 • Das BVerfG hat nämlich § 9 I 1 MuSchG insoweit für verfassungswidrig erklärt, als diese Norm den besonderen Kündigungsschutz schwangeren Arbeitnehmerinnen entzieht, welche die Einhaltung der Frist unverschuldet versäumen, die Mitteilung aber unverzüglich nachholen. Die schwangere Arbeitnehmerin kann sich demnach durch eine unverzügliche Nachholung der Mitteilung den besonderen Kündigungsschutz des § 9 MuSchG erhalten. c) Sicherung des Erholungszwecks des Urlaubs Möglicherweise könnte jedoch eine Kündigung im Urlaub den Erholungszweck des Urlaubs gefährden. Hierauf beruft man sich zum Teil in der neueren Literatur, um den Zugang und damit das Wirksamwerden der Kündigungserklärung während des Urlaubs ganz auszuschließen 9 • Eine Gefährdung des Erholungszwecks wird darin gesehen, daß 8 So zutreffend Wenzel, BB 1981, 1031; ihm folgend LAG Hamm, EzA Nr. 11 zu § 130 BGB. 7 BVerfGE 52, 357, 365. 8 Vgl. dazu Wenzel, BB 1981, 1031. 9 So MünchKomm / Schwerdtner, Vor § 620, Rdnr. 74; mit Einschränkungen auch M. Wolf, EzA Nr. 10 zu § 130 BGB (BI. 67 f.), der es dem Arbeitgeber jedenfalls wegen einer Fürsorgepflichtverletzung und wegen einer unzulässigen Rechtsausübung versagen will, sich auf einen während des Urlaubs eingetretenen Zugang zu berufen.

§ 6 Fälle spezieller Schutzbedürftigkeit des Adressaten

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durch die Kündigung der Arbeitnehmer schon während des Urlaubs mit der Sorge um seine weitere berufliche Zukunft belastet werde. Der Arbeitnehmer sei praktisch gezwungen, den Urlaub abzubrechen, um anwaltlichen Rat wegen einer evtl. Kündigungsschutzklage einzuholen und sich um eine neue Arbeitsstelle zu kümmern 10 • Diese Argumentation erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung als nicht stichhaltig. Es besteht objektiv keine Notwendigkeit für den Arbeitnehmer, wegen der Kündigung den Urlaub abzubrechen. Der Arbeitnehmer ist nicht darauf angewiesen, den Urlaub zur Stellensuche einzusetzen. Zu diesem Zweck muß ihm der Arbeitgeber nach § 629 eine (bezahlte) Freistellung von der Arbeit gewähren. Auch die anwaltliche Beratung wegen einer evtl. zu erhebenden Kündigungsschutzklage kann er ohn'e Rechtsnachteile bis zur Rückkehr von der Urlaubsreise verschieben. Bei einer Versäumung der Klagefrist in folge urlaubsbedingter Ortsabwesenheit wird er durch § 5 KSchG geschützt l l • Soweit der Arbeitnehmer seinen Urlaub allerdings zu Hause verbringt, ist es ihm zumutbar, einen Anwalt aufzusuchen. Das ist nur mit geringem Zeitaufwand verbunden und stellt keine ins Gewicht fallende Störung des Urlaubs dar. Der Erholungszweck des Urlaubs wird letztlich nur durch die mit der Kündigung verbundene Beunruhigung und Sorge des Arbeitnehmers wegen seiner weiteren beruflichen Zukunft gefährdet. Eine solche Gefährdung ist allerdings nur möglich, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs von der Kündigungserklärung tatsächlich Kenntnis erlangt hat. Weiß er aber erst einmal von der Kündigung, dann ist ein Hinausschieben des Zugangs völlig ungeeignet, ihm diese Sorge wieder zu nehmen und dadurch die Erholungswirkung des Urlaubs zu erhalten12 • Durch ein Hinausschieben des Zugangs könnte allenfalls erreicht werden, daß der Arbeitgeber, dem bekannt ist, daß die Kündigung während des Urlaubs nicht zugehen kann, sich möglicherweise von vornherein davon abhalten läßt, die Erklärung dem Arbeitnehmer schon während des Urlaubs zuzuschicken 1:!. Ob diese Wirkung tatsächlich erzielt wird, ist jedoch zweifelhaft. Unabhängig davon erscheint es jedenfalls als eine überspannung des Erholungszwecks, wenn man verlangen würde, daß der Arbeitnehmer während des Urlaubs von Sorgen um seine weitere berufliche Zukunft verschont bleiben muß. Die Konfrontation mit Sorgen, Nöten und Leiden gehört zum allgemeinen Lebensrisiko; hiervon kann der Arbeit10 11 12

ken.

Vgl. Schwerdtner, Fn. 9; Wolf, Fn. 9. Vgl. KR f Friedrich, § 5 KSchG, Rdnr. 60. Man könnte hier schon eher an die Gewährung eines Nachurlaubs den-

18 Das Hinausschieben des Zugangs hätte dann in gewisser Weise eine präventive Funktion.

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2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

nehmer während des Urlaubs nicht freigestellt werden. Mit der Sorge um seine weitere berufliche Zukunft wird er während des Urlaubs z. B. auch belastet, wenn die Kündigung schon vor dem Urlaubs antritt ausgesprochen worden ist 14, man ihm eine Kündigung nach dem Urlaub in Aussicht gestellt oder er vorher auf einer Betriebsversammlung erfahren hat, daß der Betriebsteil, in dem er arbeitet, alsbald stillgelegt wird. Solche oder ähnliche Sorgen können allemal während des Urlaubs auf den Arbeitn'ehmer zukommen; es überzeugt deshalb nicht, wenn eine Kündigung wegen der damit verbundenen psychischen Belastungen während des Urlaubs nicht wirksam werden soll. d) Verhinderung einer faktischen Verkürzung der Kündigungsfrist Ein Hinausschieben des Zugangseintritts könnte allenfalls durch den Zweck der Kündigungsfrist geboten sein. Mit der Einräumung einer Kündigungsfrist soll dem Arbeitnehmer eine Zeit der Anpassung, insbesondere zur Suche einer neuen Arbeitsstelle, gewährt werden 15 • Wie von M. Wolf16 zutreffend ausgeführt worden ist, wird diese Frist faktisch verkürzt, wenn die Kündigung schon während der Urlaubsabwesenheit zugeht und der Fristbeginn ebenfalls in den Zeitraum der Abwesenheit fällt. Der Arbeitnehmer ist nämlich erst nach Rückkehr aus dem Urlaub in der Lage, auf Stellensuche zu gehen und die sonst notwendigen Maßnahmen der Anpassung vorzunehmen. Ihm steht damit für diese Zwecke nicht die volle Kündigungsfrist zur Verfügung, was vor allem bei kurzen Kündigungsfristen zu einer unzumutbaren Härte führen kann. Das Problem tritt in gleicher Weise auf, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub zu Hause verbringt. Es kann von ihm dann jedenfalls nicht erwartet werden, daß er seinen Erholungsurlaub schon für die Stellensuche einsetzt. Selbst wenn man insoweit den Schutz des Arbeitnehmers für lückenhaft hält, ist allerdings zweifelhaft, ob einer drohenden faktischen Verkürzung der Kündigungsfrist durch das Hinausschieben des Zugangs der Kündigung entgegenzuwirken ist. Es ergeben sich schon aus systematischer Sicht Bedenken, ein Problem des Arbeitnehmerschutzes durch eine Modifizierung der für alle Rechtsgebiete einheitlich geltenden Zugangsvoraussetzungen zu lösen. Bevor für diesen Sonderfall ein spezieller Zugangsbegriff entwickelt wird, muß nach einer arbeits14 VgI. aber auch M. Wolf, EzA Nr. 10 zu § 130 BGB (BI. 67 f.), der in einer kurz vor dem Urlaubsantritt ausgesprochenen Kündigung ebenfalls eine Fürsorgepfiichtverletzung sieht, die ein Hinausschieben des Zugangs rechtfertigen soll. 15 VgI. Hueck / Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, § 57 II (564); KR / M. Wolf, Allg. Grundsätze, Rdnr. 31, 101 f. 16 M. Wolf, EzA Nr. 10 zu § 130 BGB (BI. 66); ähnlich schon Corts, DB 1979, 2081.

§ 6 Fälle spezieller Schutzbedürftigkeit des Adressaten

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rechtlichen Lösung gesucht werden. Eine solche Lösung ist hier ohne weiteres möglich: Man könnte nämlich in den Fällen, in denen die Kündigungsfrist faktisch verkürzt wird, dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus gewähren. Die Dauer der Weiterbeschäftigung hat dabei jenem Zeitraum der Kündigungsfrist zu entsprechen, der dem Arbeitnehmer wegen des Urlaubs nicht für die Stellensuche und die sonstigen Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden hat 17 • In vielen Fällen bedarf es auch eines solchen Anspruchs gar nicht, weil der Arbeitnehmer schon aufgrund des Widerspruchs des Betriebsrats nach § 102 V BetrVG vorerst weiterbeschäftigt werden muß. Neben systematischen Erwägungen spricht für die hier vorgeschlagene arbeitsrechtliche Lösung vor allem, daß sie der Interessenlage viel besser gerecht wird als jene Auffassung, die den Zugang der Kündigungserklärung hinausschieben will. Sie trägt nämlich einerseits dem Arbeitnehmerschutz in ausreichendem Maße Rechnung. Es ist gewährleistet, daß dem Arbeitnehmer in jedem Fall die durch die Kündigungsfrist festgelegte Zeit zur Verfügung steht, um sich auf den Verlust seines Arbeitsplatzes einzustellen. Andererseits bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit erhalten, das Arbeitsverhältnis auch im Urlaub zu kündigen. Das Hinausschieben des Zugangseintritts führt demgegenüber zu einer faktischen Kündigungssperre, die beim Arbeitgeber zu untragbaren rechtlichen und demzufolge auch wirtschaftlichen Nachteilen führt. Der Arbeitgeber könnte dadurch z. B. daran gehindert sein, die außerordentliche Kündigung innerhalb der Ausschlußfrist des § 626 II oder eine ordentliche Kündigung rechtzeitig zum nächsten Kündigungstermin wirksam werden zu lassen. Das hätte zur Folge, daß er das Recht zur außerordentlichen Kündigung verloren hätte oder soweit es etwa um die ordentliche Kündigung eines Angestellten geht er diesen noch ein weiteres Kalendervierteljahr beschäftigen müßte (vgl. § 622 I 1). Die Hinnahme solcher Rechtsnachteile kann dem Arbeitgeber aber nicht zugemutet werden. Nach der hier vertretenen Lösung muß er dagegen lediglich bei einer ordentlichen Kündigung den Arbeitnehmer evtl. noch eine kurze Zeit weiterbeschäftigen. Bei Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen ist ihm das jedoch zumutbar. Es zeigt sich somit, daß die Probleme der während des Urlaubs gegenüber dem Arbeitnehmer erklärten arbeitsrechtlichen Kündigung in 17 Es mag hier im einzelnen offenbleiben, worin die gen aue dogmatische Grundlage dieses Anspruchs zu sehen ist, ob er im Wege der Rechtsfortbildung unmittelbar aus der Beeinträchtigung des Zwecks der Kündigungsfrist abzuleiten ist oder ob er aus der allgemeinen arbeitsvertraglichen Nebenpflicht des Arbeitgebers zur Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitnehmers folgt.

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2. Kap., 1. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

sachgerechter Weise mit den Mitteln des Arbeitsrechts zu lösen sind. Eine Abweichung von den herausgearbeiteten Zugangsvoraussetzungen ist weder erforderlich noch interessengerecht 18 • 11. Deutschsprachige Erklärung gegenüber einem sprachunkundigen Ausländer

Neben der arbeitsrechtlichen Kündigung gibt es noch einen weiteren Sonderfall, in dem es nach neuerer Auffassung notwendig sein soll, zum Schutz des Adressaten den Zugang hinauszuschieben. Es geht um den Fall der deutschsprachigen Erklärung gegenüber einem sprachunkundigen Ausländer. Nach der vor allem von den Arbeitsgerichten vertretenen Auffassung soll hier der Zugang erst eintreten, wenn die nach Treu und Glauben erforderliche Zeitspanne abgelaufen ist, die der Adressat benötigt, um sich eine übersetzung für die in seinen Bereich gelangte Erklärung zu beschaffen 1D • Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß ein Ausländer, der die deutsche Schriftsprache nicht beherrscht, erst nach Beschaffung einer übersetzung die tatsächliche Möglichkeit erlangt, den Erklärungsinhalt zur Kenntnis zu nehmen 20. Bei der Sprachunkenntnis handelt es sich um einen individuellen, in der Person des konkreten Adressaten liegenden Umstand, der die Kenntnisnahme vom Erklärungsinhalt erschwert. Mit der Berücksichtigung dieses Umstandes hat man sich -- bewußt oder unbewußt21 über die dem § 130 I zugrundeliegende Risikoverteilung hinweggesetzt, nach der es für den Zugang allein auf die Erlangung einer abstrakten Kenntnisnahmemöglichkeit ankommt und individuelle Kenntnisnahmehindernisse des Adressaten unberücksichtigt bleiben22 . 18 Auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur wird hier eine Abweichung von den allgemeinen Zugangsvoraussetzungen vielfach nicht für erforderlich gehalten; vgl. etwa LAG Hamm, EzA Nr. 11 zu § 130 BGB; LAG Düsseldorf, EzA Nr. 12 zu § 130 BGB; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz, Rdnr. 79 ff.; Wenzel, BB 1981, 1031; vgl. auch LAG Düsseldorf, ARSt 1984 Nr. 1053 (betr. Zugang während der Inhaftierung des Arbeitnehmers). 19 ArbG Wiesbaden, ARSt 1975 Nr. 110; LAG Hamm, Beschl. v. 15.9.1977 8 Ta 121/77; BeschI. v. 13.10.1977 - 8 Ta 156/77 (zitiert bei Wenzel, MDR 1978, 103,107, Fn. 68); LAG Hamm, EzA Nr. 9 zu § 130 m. abI. Anm. SchWter = ARBlattei, Kündigung 11, Entscheidung 19 m. abI. Anm. SöHner. Diese Auffassung findet sich aber auch in der Literatur; vgl. etwa BriH, BB 1976, 1276, 1278; Hohn, BB 1963, 273, 275; Jauernig, § 130, Anm. 2 b aa; KR / M. Wolf, Allg. Grundsätze, Rdnr. 290; Lepke, Die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer, Rdnr. 195; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 3 b; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 42 I 3 (178); Schlechtriem, FS f. Weitnauer, 129, 136; Wenzel, MDR 1978, 103, 106. 20 Vgl. LAG Hamm, EzA Nr. 9 zu § 130 BGB (BI. 54). 21 Die apodiktischen Entscheidungsgründe legen es nahe, daß die Rechtsprechung sich der Abweichung von der Risikoverteilung des § 130 I gar nicht hinreichend bewußt geworden ist. 22 Vgl. dazu vor allem die Kritik von W. SchWter, Anm. EzA Nr. 9 zu § 130

§ 6 Fälle spezieller Schutzbedürftigkeit des Adressaten

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Eine Durchbrechung der aus der Empfangstheorie folgenden Risikoverteilung könnte hier allenfalls aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit des sprachunkundigen Ausländers gerechtfertigt sein. Es ist aber schwerlich einzusehen, warum der sprachunkundige Adressat schutzwürdiger sein soll als derjenige, der z. B. wegen Krankheit, zeitweiliger Abwesenheit oder aus sonstigen in seiner Person liegenden Umständen an der sofortigen Kenntnisnahme der eingegangenen WE gehindert ist 23 • Die Sprachunkenntnis des Adressaten wirkt sich regelmäßig nur als ein vorübergehendes, zeitlich kaum ins Gewicht fallendes Kenntnisnahmehindernis aus, da für den Adressaten eine Übersetzung - von Ausnahmefällen abgesehen - alsbald zu erlangen sein dürfte. Für eine Sonderbehandlung der Sprachunkenntnis gegenüber sonstigen Kenntnisnahmehindernissen des Adressaten ist kein vernünftiger Grund ersichtlich. Das gilt auch für den Bereich des Arbeitsrechts. Ein sprachunkundiger Arbeitnehmer mag zwar schutzbedürftiger erscheinen als ein sprachunkundiger Geschäftsmann, der in der Bundesrepublik geschäftlich tätig ist2 4 • Es 'erscheint jedoch wiederum verfehlt, der speziellen Schutz"" bedürftigkeit des Arbeitnehmers durch eine Modifizierung der allgemeinen Zugangsvoraussetzungen Rechnung zu tragen. Der Schutz des Arbeitnehmers ist vielmehr auch hier mit den Sonderregeln des Arbeitsrechts zu gewährleisten25 • Wenn es etwa - wie in den bisher von den Arbeitsgerichten entschiedenen Fällen - infolge der Sprachunkenntnis des Arbeitnehmers zu einer verspäteten Erhebung der Kündigungsschutzklage gekommen ist, so kann diesem nach § 5 KSchG geholfen werden. Neben dem Fehlen eines zwingenden Schutzbedürfnisses auf seiten des sprachunkundigen Adressaten sprechen auch die Verkehrserforder., nisse gegen die Berücksichtigung der Sprachunkenntnis als einen den Zugang hinauszögernden Umstand. BGB (BI. 58 f.); kritisch auch Sönner, AR-Blattei, Kündigung II, Anm. zur Entscheidung 19; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz, Rdnr. 76. 23 Daß die Sonderbehandlung der Sprachunkenntnis in einem Wertungswiderspruch zur Nichtberücksichtigung sonstiger persönlicher Kenntnisnahmehindernisse steht, wird von den Vertretern der oben genannten Auffassung nicht gesehen; vgl. etwa Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 3 a und andererseits Anm. 3 b. 24 Dieser wird das Problem oftmals schon dadurch umgehen können, daß er sich gar nicht auf Deutsch als maßgebende Vertragssprache einläßt. - Die Sprachenfrage bei Geschäften mit ausländischen Vertragspartnern wird teilweise ebenfalls als ein Zugangsproblem angesehen (vgl. Reinhart, RIW/AWD 1977, 16, 18 m. w. N.). Da es sich dabei jedoch um ein spezielles Problem des Internationalen Privatrechts handelt, soll hier nicht näher darauf eingegangen werden. 25 Ebenso Schlüter, Fn. 22 (BI. 66); Sönner, Fn. 22. 6 Brinkmann

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2. Kap.,!. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Abwesenden

Zunächst könnten sich - insbesondere bei Ausländern, die sich schon längere Zeit in der Bundesrepublik aufhalten - erhebliche Unsicherheiten bei der Feststellung ergeben, ob die Sprachkenntnisse tatsächlich nicht ausreichen, um in zuverlässiger Weise von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Vieles hinge vom Inhalt und Umfang der konkreten Erklärung ab 26 • Es ließe sich die Gefahr nicht ausschließen, daß in einzelnen Fällen vom Adressaten die Notwendigkeit, einen Dolmetscher herbeizuziehen, nur vorgegeben wird, um den Zugangseintritt hinauszuschieben. Der Erklärende kann jedenfalls bei einer verkörperten Erklärung unter Abwesenden nicht überprüfen, ob der Adressat aufgrund seiner mangelhaften Sprachkenntnisse die Erklärung tatsächlich verstanden hat oder nicht. Weitere Unsicherheiten ergäben sich bei der Berechnung des Zeitraumes, der für die Beschaffung einer übersetzung angemessen ist. Eine Typisierung erscheint hier kaum möglich. Wann der Adressat eine Übersetzung erlangen kann, hängt maßgebend von den jeweiligen individuellen Verhältnissen des Adressaten ab, die für den Erklärenden regelmäßig nicht erkennbar sind. So könnte etwa von Bedeutung sein, ob der Adressat sich die Erklärung von hilfsbereiten, sprachkundigen Familienangehörigen oder sonstigen Landsleuten übersetzen lassen kann. Der Erklärende wäre aber nicht nur mit den aufgezeigten Unsicherheiten belastet; er müßte infolge des Hinausschiebens des Zugangs auch eine faktische Verkürzung einer eventuell von ihm einzuhaltenden Frist hinnehmen. Das kann ihm jedoch vor allem bei kurzen Fristen, wie z. B. bei der Erklärungsfrist des § 626 II, nicht zugemutet werden27 • Die Sprachunkenntnis des Adressaten muß - wie jedes andere Kenntnisnahmehindernis - in den Risikobereich des Adressaten fallen. Sie hat keinen Einfluß auf den Zeitpunkt des Zugangseintritts. Insgesamt ist somit festzustellen, daß ein Abweichen von den oben herausgearbeiteten Zugangsvoraussetzungen in den beiden hier untersuchten Sonderfällen nicht notwendig ist. Entgegen einer neueren Tendenz in Rechtsprechung und Literatur ist auch in diesen Fällen für den Zugang an der Risikoverteilung nach Einwirkungsbereichen festzuhalten.

26 VgI. etwa LAG Hamm, EzA Nr. 9 zu § 130 BGB (BI. 55), wo z. B. auf die besondere Länge des Kündigungsschreibens abgestellt wird. 27 Ebenso Schlüter, Fn. 22 (BI. 60).

§ 7 Zugang verkörperter WEn unter Anwesenden

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Zweiter Abschnitt § 7 Zugang verkörperter Willenserklärungen unter Anwesenden

Es ist möglich, daß der Erklärende dem Adressaten persönlich eine verkörperte Erklärung überbringt oder daß bei Vertragsverhandlungen ein Beteiligter seine Erklärung schriftlich niederlegt und dem anderen zur Kenntnisnahme überreicht. In diesen Fällen handelt es sich um eine verkörperte Erklärung unter Anwesenden 1• Nach seinem Wortlaut gilt § 130 I nur für Erklärungen unter Abwesenden, dagegen nicht für solche unter Anwesenden. Der Gesetzgeber hat das Wirksamwerden von WEn unter Anwesenden gesetzlich nicht geregelt, weil er das nicht für regelungsbedürftig hielt. In den Motiven wird dazu ausgeführt, daß sich bei den WEn unter Anwesenden der Eintritt der Wirksamkeit regelmäßig aus der Natur der Sache ergebe. Die Lösung von Zweifelsfragen, die sich in Einzelfällen ergeben könnten, sei nicht Aufgabe des Gesetzes2 • Der Gesetzgeber hat also insoweit eine Regelungslücke gelassen, die von der Rechtsprechung und der Rechtslehre auszufüllen ist. Das kann nur in der Weise geschehen, daß man sich an den Wertungen orientiert, die der gesetzlichen Regelung des § 130 I zugrundeliegen. Dabei ist allerdings immer zu fragen, ob im Hinblick auf die Anwesenheit des Adressaten und die Art der Erklärungsübermittlung die Interessenlage der Beteiligten eine abweichende Risokoverteilung erfordert. Soweit es um das Wirksamwerden von verkörperten Erklärungen unter Anwesenden geht, besteht in wesentlichen Punkten die gleiche Interessenlage wie bei den soeben behandelten verkörperten WEn unter Abwesenden. Auch hier dürfen die Rechtswirkungen der WE erst eintreten, wenn der Adressat, der durch die Erklärung betroffen wird, die Möglichkeit erlangt hat, sich von ihrem Inhalt Kenntnis zu verschaffen. Der Erklärende andererseits muß in der Lage sein, ohne eine Mitwirkung des Adressaten die Wirksamkeit seiner Erklärung alsbald herbeizuführen. Schließlich wird die WE ebenfalls durch ein körperliches Substrat übermittelt. Der einzige Unterschied besteht darin, daß der Erklärende dem Adressaten die WE direkt übergeben kann. Daraus folgt jedoch nur, daß der Transport der Erklärung zum Adressaten und damit auch das vom Erklärenden zu tragende Transportrisiko 'entfallen. Wegen der im wesentlichen gleichen Interessenlage werden nach allseitiger Auffassung verkörperte WEn unter Anwesenden ebenfalls 1 Zur Abgrenzung der 'VVE unter Anwesenden von der unter Abwesenden vgl. S. 23. 2 Mot. I, 156; Prot. I, 69.



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2. Kap., 2. Abschn.: Zugang verkörperter WEn unter Anwesenden

durch den Zugang wirksam; hierfür gelten dann die gleichen Grundsätze wie bei den verkörperten Erklärungen unter Abwesenden3 • Meist wird gesagt, daß für den Zugang die Übergabe der Erklärung, und sei es nur die vorübergehende Aushändigung zum Zweck des Durchlesens, notwendig sei4 • Das ist jedoch zumindest mißverständlich. Auf die Übergabe der Erklärungsverkörperung kann es nicht ankommen. Denn sonst hätte der Adressat es in der Hand, durch die Verweigerung der Annahme den Zugang zu verhindern oder hinauszuschieben. Wie schon oben5 für die verkörperten WEn unter Abwesenden ausgeführt, muß es vielmehr ausreichen, wenn der Erklärende dem Adressaten die Erklärungsverkörperung so anbietet, daß die Übergabe und die Kenntnisnahme vom Erklärungsinhalt nur noch von einer zumutbaren Mitwirkung des Adressaten abhängen. Dabei ist allerdingserforderlich, daß das Angebot zur Übergabe der Erklärung nach außen eindeutig erkennbar ist. Eine dem Adressaten "untergeschobene Erklärung" geht nicht zu 6• Entsprechend den für die WEn unter Abwesenden entwickelten Grundsätzen tritt der Zugang einer solchen "untergeschobenen Erklärung" erst ein, wenn der Adressat die Erklärungsverkörperung als solche wahrgenommen hat. Als Ergebnis ist somit insgesamt festzuhalten, daß bei allen verkörperten Erklärungen für den Zugang dieselben Grundsätze gelten. Die Unterscheidung zwischen WEn unter Abwesenden und solchen unter Anwesenden ist hier ohne rechtliche Bedeutung.

3 Vgl. etwa RGZ 61, 414, 415; Erman/ Brox, § 130, Rdnr. 17; MünchKomm/ Förschler, § 130, Rdnr. 23; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 4 a; Soergell Hefermehl, § 130, Rdnr. 20. 4 Vgl. etwa Erman / Brox, Fn. 3; MünchKomm / Förschler, Fn. 3; Soergel/ Hefermehl, Fn. 3. 5 S. 56, 64. 6 Allgemeine Meinung; vgl. z. B. Erman I Brox, § 130, Rdnr. 17; Münch Komm / Förschler, § 130, Rdnr. 23; vgl. auch oben § 5 III 1.

Drittes Kapitel

Wirksam werden unverkörperter Willenserklärungen § 8 Wirksamwerden unverkörperter Willenserklärungen unter Anwesenden Zu den unverkörperten Erklärungen unter Anwesenden gehören die mündlichen Erklärungen, die der Erklärende in Hörweite des Adressaten an diesen richtet, sowie die Erklärungen durch Gesten und sonstige Zeichen, die für den Adressaten im Zeitpunkt der Abgabe wahrnehmbar sind. Da für die Anwesenheit nicht die räumliche Entfernung, sondern die für die Beteiligten bestehende Möglichkeit unmittelbaren Verhandelns maßgebend ist!, gehören die fernmündlichen Erklärungen ebenfalls zu dieser Gruppe. Diese Einordnung der fernmündlichen Erklärungen entspricht auch der Regelung des § 147 I 22 • I. Darstellung der in der Literatur und in der Rechtsprechung vertretenen Auffassungen 1. Vernehmungstheorie

Nach h. M. ist für das Wirksamwerden von unverkörperten WEn unter Anwesenden erforderlich, daß der Adressat die Erklärung vernommen hat3. Bei mündlichen Erklärungen bedeutet dies, daß er sie akustisch richtig verstehen muß; bei Gesten und Zeichen des Erklärenden kommt es darauf an, daß sie vom Adressaten wahrgenommen und verstanden werden. Vgl. S. 23. Vgl. auch Mot. I, 160: " ... Es spricht manches für die Annahme, daß auf diesen Verkehr (gemeint ist der telefonische Verkehr; Anm. des Verf.) die Grundsätze des mündlichen Erklärens unter Anwesenden Anwendung zu finden haben". 3 Bieber, 9 ff.; J. Breit, SächsArch Bd. 15, 637, 655 f.; Dieringer, 26; Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 11 B 1 (981); Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 f (240 ff.); Hadding, StudK BGB, §§ 130 -132, Anm. 2 a; Jauernig, § 130, Anm. 3 b; Jung, AcP 117, 73, 74 f.; R. Müller, 14 ff.; Lehmann / Hübner, Allg. Teil, § 32 11 3 (229 f.); MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 24; Oertmann, § 130, Anm. 4 a; ders., Recht 1906, 722, 723 ff.; Planck / Flad, § 130, Anm. 2 b; Regelsberger, BankArch 1910, 273, 274; Samolewitz, 23; Starke, 39 ff., 64; 1 2

3. Kap.: Wirksamwerden unverkörperter WEn

86

In der älteren Literatur ist dieses Ergebnis vor allem aus einem Umkehrschluß zu § 130 I und aus begrifflich-dogmatischen Erwägungen hergeleitet worden. § 130 I und die für den Zugang entwickelten Grundsätze könnten - so hat man argumentiert' - auf unverkörperte WEn keine Anwendung finden, da § 130 I nur für WEn unter Abwesenden gelte. Bei den WEn unter Abwesenden habe der Gesetzgeber aber allein die schriftlichen WEn vor Augen gehabt. Wenn deshalb § 130 I von WEn unter Abwesenden spreche, dann seien damit entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch in Wirklichkeit die verkörperten Erklärungen gemeint. Bei unverkörperten Erklärungen sei ein vom Vernehmen zu unterscheidender Zugang logisch undenkbar. Denn zugehen könne nicht die Erklärung als Handlungsakt, sondern nur eine mit Dauerexistenz versehene, sinnlich wahrnehmbare Erklärungsverkörperung, die bei unverkörperten WEn gerade fehle. Da bei solchen Erklärungen ein Zugang nicht denkbar sei, müsse für ihr Wirksam werden die (inhaltlich richtige) Vernehmung durch den ·,Adressaten maßgebend sein. überwiegend wird allerdings nicht auf solche konstruktiven überlegungen als vielmehr auf die Notwendigkeit abgestellt, den Adressaten zu schützen. Diesen hält man für schutzbedürftig, da er - anders als bei verkörperten Erklärungen bei unverkörperten nur im Augenblick der Abgabe der WE die Möglichkeit zur Kenntnisnahme habe 5 • Demgegenüber sei der Erklärende ohne weiteres in der Lage, festzustellen, ob seine Erklärung richtig verstanden worden sei6 • 2. Empfangstheorie

Nach anderer Meinung gilt auch bei unverkörperten Erklärungen die dem § 130 I zugrundeliegende Empfangstheorie7 • Das Wirksamwerden empfangsbedürftiger WEn - so wird argumentiert - könne nur nach einheitlichen Grundsätzen bestimmt werdenS. Die Empfangstheorie führe auch bei unverkörperten WEn zu angemessenen ErgebnisSoergell Hefermehl, § 130, Rdnr. 21; Stau dinger I Coing, 11. Aufl., § 130, Rdnr. 12; Staudinger I Dilcher, § 130, Rdnr. 14; BAG, ZIP 1982, 1466, 1467. 4 So Oertmann, § 130, Anm. 4 a; ders., Recht 1906, 722, 723 f.; ähnlich oder zustimmend J. Breit, SächsArch Bd. 15, 637, 656 ff.; Dieringer, 25 f.; Planck I Flad, § 130, Anm. 2 b; Samolewitz, 22 f.; Sokolowski, 18 ff. 5 Vgl. z. B. Borgmann, 15 f.; Dieringer, 26; Soergell Hefermehl, § 130, Rdnr.

21.

Vgl. z. B. Bieber, 12; Roedel, 41. Bongardt, 21 f.; M. Breit, GruchB Bd. 55, 1, 7 f.; Bünger, 21 f.; W. Cohn, 65; Duftner I Witter, JuS 1978, 690, 691; Koppers, GruchB Bd. 46, 225 f.; Neugebauer, 47 ff.; Rhodovi, 57 ff.; Steinfeld, 32 ff.; E. Wolf, Allg. Teil, § 7 D III d (338 f.); G. Wolft, 34 f.; so wohl auch RGZ 90, 166, 167 (unklar); mit Einschränkungen v. Tuhr, Allg. Teil, Bd. lI/I, § 61 III 2 (439). 8 E. Wolf, Fn. 7; Duftner I Witter, Fn. 7. 6

7

§ 8 Wirksamwerden unverkörperter WEn unter Anwesenden

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sen. Es dürfe nicht zu Lasten des Erklärenden gehen, wenn der Adressat eine an sich vernehmbare Erklärung aufgrund besonderer, in seiner Person liegender Umstände nicht verstanden habe 9 • Für den Zugang und damit für das Wirksamwerden der unverkörperten Erklärung soll deshalb ausreichend sein, daß der Adressat die objektive Möglichkeit gehabt hat, vom Erklärungsinhalt Kenntnis zu nehmen. Einige Anhänger der Empfangstheorie wollen allerdings dem Schutz des Adressaten dadurch Rechnung tragen, daß sie nicht auf die objektive, sondern auf die subjektive, für den konkreten Adressaten bestehende Möglichkeit der Kenntnisnahme abstellen1o . Der Zugang tritt danach nicht ein, wenn der Adressat aufgrund besonderer körperlicher oder geistiger Mängel an der Kenntnisnahme gehindert war. 3. Vermittelnde Auffassung

Weiterhin wird noch eine vermittelnde Auffassung vertreten, die zwar von der Vernehmungstheorie ausgeht, diese aber abschwächt, um auch den Interessen des Erklärenden hinreichend Rechnung tragen zu können. Danach soll es auf die Vernehmung der Erklärung durch den Adressaten nicht ankommen, wenn dieser die objektive Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte und für den Erklärenden nach den ihm erkennbaren Umständen kein Grund bestand, an der tatsächlichen Kenntniserlangung durch den Adressaten zu zweifeln l l • In einem solchen Fall hält man den Erklärenden für schutzwürdiger als den Adressaten. 11. Stellungnahme

1. Vorgaben aus dem Gesetzeswortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 130 I

Der Gesetzeswortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 130 I lassen offen, unter welchen Voraussetzungen die unverkörperten WEn unter Anwesenden wirksam werden. Daß § 130 I nur die WEn unter Abwesenden nennt, rechtfertigt noch nicht den Umkehrschluß, wonach diese Vorschrift und die ihr zugrundeliegende Empfangstheorie auf Erklärungen unter Anwesenden nicht v. Tuhr, Fn. 7. Iven, 6 f.; E. Wolf, Fn. 7. 11 Brox, Allg. Teil, Rdnr. 159; Köhler, Allg. Teil, § 13 11 4 a (120); Larenz, Allg. Teil, § 21 11 c (415 f.); Diederichsen / Marburger, Fälle und Lösungen, BGB Allgemeiner Teil, 84; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 4 b; Pawlowski, Allg. Teil, Rdnr. 375 f.; Rüthers, Allg. Teil, Rdnr. 273; Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 219 ff., 226; M. Wolf, Grundlagen des Vertrags- und Schuld9

10

rechts, § 2 IV 3 a (77); dieser Auffassung scheint auch das LAG Baden-Württemberg, BB 1980, 630 (LS) zu folgen.

3. Kap.: Wirksamwerden unverkörperter WEn

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anwendbar sind. Die Beschränkung des § 130 I auf WEn unter Abwesenden hat ihren Grund allein darin, daß der Gesetzgeber für die Erklärungen unter Anwesenden ein Regelungsbedürfnis verneint hat1 2 • Er meinte, bei diesen Erklärungen ergebe sich das Wirksamwerden schon aus der Natur der Sache; die Klärung eventueller Streitfragen sollten der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen bleiben13 • Welche Folgerungen der Gesetzgeber hier aus der "Natur der Sache" ziehen wollte, ist nicht feststellbar 14 • Seine vagen Äußerungen können wohl nur so verstanden werden, daß er eine eindeutige Festlegung vermeiden und alles Nähere dem Rechtsanwender überlassen wollte. Aus § 130 I ist auch nicht zu entnehmen, daß diese Vorschrift und die ihr zugrundeliegende Empfangstheorie nur für verkörperte, nicht aber für unverkörperte Erklärungen gilt. Die in der älteren Literatur unternommenen Versuche, eine solche Beschränkung schon aus dem Zugangsbegriff abzuleiten, können, selbst wenn man von der begriffsjuristischen Verengung in der Argumentation absieht, nicht überzeugen. Der Begriff des "Zugehens" ist relativ unscharf. Daraus ergibt sich nur, daß irgend etwas in den Bereich des Adressaten gelangt sein muß. In diesem weiten Sinn kann auch bei einer unverkörperten WE, die den Wahrnehmungsbereich des Adressaten erreicht hat, von einem Zugang gesprochen werden15 • Die These, der Gesetzgeber habe mit den WEn unter Abwesenden in Wirklichkeit die verkörperten WEn gemeint und nur für diese Gruppe von Erklärungen die Empfangstheorie einführen wollen16, läßt sich ebenfalls nicht halten. Diese Interpretation widerspricht dem Gesetzeswortlaut; sie findet auch keine Stütze in der Entstehungsgeschichte. In den Motiven werden sogar an einer Stelle, wo der Gesetzgeber seine Entscheidung zugunsten der Empfangstheorie begründet, die mündlichen Erklärungen erwähnt1 7 • Es kann also keine Rede davon sein, daß der Gesetzgeber bei Schaffung des § 130 I nur an die verkörperten Erklärungen gedacht hat. Allerdings darf die Vgl. schon § 7. Mot. I, 156; Prot. I, 69. 14 "Denn leider ergibt die Natur der Sache hier so wenig etwas wie bei den Willenserklärungen unter Abwesenden" (so zutreffend Zitelmann, Die Rechtsgeschäfte im Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 101). 15 So zutreffend Arndt, 23. 16 Diese These findet sich auch noch in der neueren Literatur; vgl. etwa Staudinger I Dilcher, § 130, Rdnr. 9. 17 Vgl. Mot. I, 157: " ... ; er (gemeint ist der Adressat; Einfügung des Verf.) braucht nur der Kenntnisnahme des Inhaltes des die Erklärung enthaltenden Briefes bezw. Telegrammes oder dem Anhören des Boten sich zu verschließen, und die Erklärung ist wirkungslos ... Ungleich annehmbarer als die Vernehmungstheorie erweist sich die der letzteren zunächst stehende und nahe verwandte Empfangstheorie, welcher zufolge eine Willenserklärung in dem Zeitpunkte wirksam wird, in welchem sie in die Hände oder zu Gehör desjenigen gelangt, an den sie gerichtet ist ... ". 12

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§ 8 Wirksamwerden unverkörperter WEn unter Anwesenden

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beiläufige Erwähnung der mündlichen Erklärungen in den Motiven auch nicht überbewertet werden. Der Gesetzgeber hat sich, soweit ersichtlich, mit den Besonderheiten der unverkörperten Erklärungen überhaupt nicht näher auseinandergesetzt1 8 • Deshalb kann aus den Gesetzesmaterialien letztlich kein überzeugendes Argument für oder gegen eine Sonderbehandlung unverkörperter Erklärungen hergeleitet werden.

2. Entwicklung einer Lösung aufgrund der Interessenlage und der Wertungen des § 130 I Da eine eindeutige normative Festlegung fehlt, läßt sich eine überzeugende Lösung nur aufgrund einer Interessenabwägung entwickeln. a) Empfangstheorie als nicht interessengerechte Lösung Es liegt nahe, für die Interessenbewertung an die dem § 130 I zugrundeliegende Risikoverteilung anzuknüpfen und zu fragen, inwieweit die Andersartigkeit unverkörperter Erklärungen unter Anwesenden Abweichungen erfordert l9 • Dem § 130 I liegt - wie oben aufgezeigt20 - der Gedanke einer Risikoverteilung nach Einwirkungsbereichen zugrunde. Die individuellen, in der Person des konkreten Adressaten liegenden Kenntnisnahmehindernisse fallen danach in dessen Risikobereich 21 • Bei unverkörperten Erklärungen unter Anwesenden würde dies bedeuten, daß es für deren Wirksamwerden ausreicht, wenn der Adressat eine objektive Kenntnisnahmemöglichkeit erlangt hat. Denn dann könnten nur noch besondere Umstände in der Person des Adressaten die tatsächliche Kenntniserlangung hindern. Diese Risikoverteilung erweist sich jedoch wegen der Besonderheiten unverkörperter Erklärungen als nicht interessen gerecht. Bei unverkörperten Erklärungen hat der Adressat nur im Zeitpunkt der Entäußerung der WE die Möglichkeit zur Kenntnisnahme. Wenn er in diesem Augenblick (z. B. wegen Schwerhörigkeit, mangelnder Sprachkenntnis oder Unaufmerksamkeit) die Erklärung nicht wahrnimmt, ist es ihm nicht mehr möglich, sich vom Erklärungsinhalt Kenntnis zu verschaffen 22 • Ganz anders ist die Lage bei den verkörperten Erklä18 Es ist deshalb verfehlt, wenn etwa Iven (S. 6) aus der oben zitierten Stelle der Motive folgert, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die Empfangstheorie auch auf die Erklärungen unter Anwesenden uneingeschränkt angewendet werden sollte. 19 Dieser Ansatz findet sich bei Larenz, Allg. Teil, § 21 II c (416). 20 Vgl. § 4 II 1 b. 21 Vgl. § 4 II 1 b. 22 Diese Besonderheit der unverkörperten Erklärung ist schon in der älteren Literatur zutreffend herausgearbeitet worden; vgl. z. B. J. Breit, Sächs Arch Bd. 15, 637, 655; v. Tuhr, Allg. Teil, Bd. II/l, § 61 IU 2 (438 f.).

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rungen. Der Adressat hat hier nach dem Eintreffen der Erklärung aufgrund der Perpetuierung des Erklärungsinhaltes eine fortdauernde Möglichkeit der Kenntnisnahme. Kenntnisnahmehindernisse führen deshalb hier typischerweise nicht zum Scheitern, sondern nur zum vorübergehenden Hinausschieben der Kenntniserlangung. Vor einer Vernichtung der verkörperten Erklärung kann sich der Adressat durch eine entsprechende Organisation seines Empfangsbereichs (z. B. durch Anbringen von Empfangseinrichtungen) schützen. Bei unverkörperten Erklärungen gibt 'es dagegen keine gleichwertigen Mittel, um das Risiko zu beschränken, daß die Erklärung nicht wahrgenommen wird. Betrachtet man die Lage des Erklärenden, so ergeben sich ebenfalls erhebliche Unterschiede. Bei verkörperten Erklärungen unter Abwesenden kann der Erklärende, um dem Adressaten den Erklärungsinhalt zur Kenntnis zu bringen, nicht mehr tun, als die Erklärung in den Empfangsbereich des Adressaten einzubringen. Auf die Kenntnisnahme selbst hat er keinen Einfluß; er kann auch nicht erkennen, ob und wann der Adressat Kenntnis nimmt. Das Interesse des Erklärenden gebietet es hier, die Wirksamkeit der verkörperten Erklärung schon mit dem Eintreffen der Erklärung im Bereich des Adressaten eintreten zu lassen. Nur so bleibt das Wirksamwerden der WE für den Erklärenden beeinflußbar und kalkulierbar. Bei einer unverkörperten Erklärung unter Anwesenden ist der Erklärende jedoch nicht in gleicher Weise schutzbedürftig23 • Für ihn ist hier nämlich regelmäßig schon aufgrund der Reaktion seines Gegenübers erkennbar, ob dieser die Erklärung (akustisch) richtig verstanden hat oder nicht. Bestehen insoweit Zweifel, so kann der Erklärende sich durch entsprechende Rückfragen Gewißheit verschaffen. Stellt sich heraus, daß der Adressat die Erklärung nicht (richtig) vernommen hat, dann ist es dem Erklärenden ohne weiteres zumutbar, durch eine Wiederholung der Erklärung dem Adressaten die Kenntniserlangung zu ermöglichen. Aufgrund der dargestellten Besonderheiten der unverkörperten Erklärungen unter Anwesenden geht die h. M. zutreffend davon aus, daß die Empfangstheorie auf diese Erklärungen nicht paßt. Die Empfangstheorie würde hier über den notwendigen Schutz des Erklärenden hinausgehen und diesen einseitig begünstigen; die Interessen des Adressaten würde sie dagegen zuwenig berücksichtigen. b) Vernehmungstheorie als nicht interessengerechte Lösung Der besonderen Interessenlage bei unverkörperten Erklärungen kann aber auch die Vernehmungstheorie nicht gerecht werden. Bei ihr ergibt sich zunächst einmal die Schwierigkeit, eindeutig festzulegen, wann 23 Auch das Folgende ist schon mehrfach zutreffend herausgearbeitet worden; vgl. z. B. Borgmann, 16; Dieringer, 27 f.; Planck: / Flad, § 130, Anm. 2 b.

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eine Erklärung vom Adressaten vernommen worden ist. Diese Frage wird, wie sich bei näherer Betrachtung zeigt, von den Anhängern der Vernehmungstheorie durchaus unterschiedlich beantwortet; demzufolge ergeben sich auch feine Unterschiede in der Risikoverteilung. Nach der verkehrsfreundlichen Variante der Vernehmungstheorie reicht es aus, wenn der Adressat die Erklärung akustisch oder visuell richtig wahrgenommen hat. Daß der Adressat vom Erklärungsinhalt zutreffend Kenntnis nimmt, soll dagegen nicht erforderlich sein 24 . Mit dieser Unterscheidung zwischen der akustischen oder optischen Vernehmung und der geistigen Erfassung des Erklärungsinhaltes wird das Ziel verfolgt, das Risiko von Vernehmungsfehlern angemessen zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten zu verteilen. Dieser Lösungsansatz ist jedoch weder praktikabel noch interessengerecht. Die akustische oder optische Wahrnehmung der Erklärung und die geistige Erfassung des Erklärungsinhalts sind als komplexe Prozesse so miteinander verwoben, daß zumindest im nachhinein kaum feststellbar ist, ob der Vernehmungsfehler dem einen oder dem anderen Bereich zuzuweisen ist 25 . Das zeigt sich schon an einem einfachen, vom RG26 entschiedenen Fall, in dem der Erklärende 200 Ballen Baumwolle telefonisch bestellt, der Adressat jedoch verstanden hat, es sollten nur 100 Ballen geliefert werden. Ein solches Mißverständnis wird teilweise als ein Fehler bei der gedanklichen Verarbeitung der Erklärung angesehen27 , andere nehmen in solchen Fällen dagegen einen Wahrnehmungsfehler an28 • Je nach den Umständen kann das eine oder das andere gegeben sein; eventuell liegt sogar beides zusammen vor. Der Entscheidung des RG könnten z. B. folgende tatsächliche Geschehensabläufe zugrunde gelegen haben: (1) Der Adressat hat vielleicht aufgrund von störenden Außengeräuschen statt ,,200" die Zahl ,,100" gehört. Hier läge ein Wahrnehmungsfehler vor. 24 So z. B. Diederichsen, Allg. Teil, Rdnr. 254; ders., Fälle und Lösungen, BGB Allgemeiner Teil, 4. Auf!., 92 f.; RGRK / Krüger-Nieland, § 130, Rdnr. 30; Staudinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 14. 25 Ob nach den Erkenntnissen der Psychologie die Wahrnehmung und die geistige Verarbeitung des Wahrgenommenen zwei voneinander abgrenzbare Prozesse darstellen, mag offenbleiben. 26 RG, GruchB Bd. 50, 893. Das RG hat allerdings das Zugangsproblem nicht erkannt; in den Entscheidungsgründen finden sich nur Ausführungen zur Frage des Dissenses und des Irrtums. . 27 Diederichsen, Fälle und Lösungen, BGB Allgemeiner Teil, 4. Auf!., 90, 92; der dort behandelte Fall entspricht im wesentlichen dem Sachverhalt der in Fn. 26 zitierten Entscheidung des RG. 28 So Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 213 H., 224, Fn. 15; er behandelt den Fall, daß der Erklärende zum 1. Juni kündigt, der Adressat aber 1. Juli versteht.

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(2) Der Adressat könnte auch aufgrund von störenden Geräuschen die Mengenangabe gar nicht gehört haben. Da in dem vom RG entschiedenen Fall Vorverhandlungen über die Lieferung von nur 100 Ballen stattgefunden hatten, könnte der Adressat bei der geistigen Verarbeitung seiner akustischen Wahrnehmungen anstelle der nicht verstandenen unbewußt die ihm aufgrund der Vorverhandlungen geläufige Mengenangabe gesetzt haben. Hier wäre ein Mangel in der Wahrnehmung und in der geistigen Erfassung des Erklärungsinhalts gegeben. (3) Schließlich ist möglich, daß der Adressat die Zahl ,,200" akustisch wahrgenommen, diese jedoch geistig nicht mehr verarbeitet hat, da er aufgrund der Vorverhandlungen nur die Liefermenge von 100 Ballen im Kopf hatte. Wo nun jeweils die wirkliche Ursache des Vernehmungs fehlers in einem konkreten Fall liegt, dürfte s-elbst für den Adressaten im nachhinein nicht mehr aufklärbar sein. Für den Richter wäre das bei einer Beweisaufnahme erst recht nicht feststell bar. Von diesen praktisch kaum lösbaren Abgrenzungsproblemen einmal abgesehen, spricht gegen den hier kritisierten Lösungsansatz, daß er in einigen Fällen zu nicht interessengerechten Ergebnissen führt. So kann ein sprachunkundiger Ausländer eine Erklärung in deutscher Sprache akustisch einwandfrei vernehmen. Es wäre jedoch unbillig, die Rechtswirkungen der Erklärung eintreten zu lassen, auch wenn der Ausländer den Erklärungsinhalt geistig in keiner Weis erfaßt hat und das für den Erklärenden klar erkennbar war29 • Gleiches gilt, wenn der Adressat aus anderen Gründen, die für den Erklärenden ersichtlich sind, den Erklärungsinhalt nicht erfaßt hat (wenn er z. B. eine lange und komplizierte Erklärung nicht verstanden hat 30). Es erweist sich somit als verfehlt, für das Wirksamwerden unverkörperter Erklärungen allein auf die akustische oder optische Wahrnehmung des Adressaten abzustellen. Verlangt man demgegenüber - wie die meisten Vertreter der Vernehmungstheorie31 - für die Vernehmung die Kenntniserlangung vom Erklärungsinhalt, so werden zu Lasten des Erklärenden einseitig die Interessen des Adressaten begünstigt. Dieser könnte das Wirksamwerden der Erklärung beliebig vereiteln, indem er sich der Vernehmung der Erklärung verschließt (z. B. bei mündlichen Erklärungen 29 Im Hinblick auf die fehlende Perpetuierung des Erklärungsinhalts ist hier die Interessenlage ganz anders als bei den verkörperten Erklärungen gegenüber sprachunkundigen Ausländern (vgl. dazu oben § 6 II). 30 Beispiel nach Soergell Hefermehl, § 130, Rdnr. 21. 31 Vgl. z. B. Enneccerus I Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II B 1 (981); Jauernig, § 130, Anm. 3 b; Soergell Hefermehl, § 130, Rdnr. 21.

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durch Zuhalten der Ohren)32. Noch größere praktische Bedeutung als die absichtliche Vereitelung der Vernehmung dürften die Fälle haben, in denen der Adressat aus Unaufmerksamkeit die Erklärung nicht vernommen hat und dies für den Erklärenden nicht erkennbar gewesen ist. Wenn der Adressat etwa mit anderen Gedanken beschäftigt ist und auf die an ihn klar und vernehmlich gerichtete mündliche Erklärung nur geistesabwesend nickt, dann muß der Erklärende darauf vertrauen dürfen, daß die Erklärung wirksam geworden ist. Die Geistesabwesenheit des Adressaten kann billigerweise nicht zu Lasten des Erklärenden gehen 33 • Der Erklärende käme auch in eine schwierige Beweislage, wenn man das Wirksamwerden der Erklärung von der inneren Tatsache der richtigen Vernehmung abhängig machen würde. Es besteht die Gefahr, daß der Adressat diese Beweisschwierigkeiten zu Manipulationen ausnutzt. So könnte er sich etwa unter dem Vorwand eines Vernehmungsfehlers den Rechtswirkungen der abgegebenen WE oder eines abgeschlossenen Vertrages zu entziehen versuchen34 • Mit der Vernehmungstheorie läßt sich also das Problem des Wirksamwerdens von unverkörperten WEn unter Anwesenden ebenfalls nicht zufriedenstellend lösen. c) Verteilung des Vernehmungsrisikos aufgrund einer vermittelnden Auffassung Zu einer interessengerechten Lösung führt nur eine vermittelnde Auffassung. (1) Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, daß der Erklärende alles tun muß, um dem Adressaten die Kenntnis vom Erklärungsinhalt zu verschaffen 35 • Wenn der Erklärende merkt, daß er von seinem Gegenüber nicht (richtig) verstanden worden ist, dann hat er seine Erklärung zu wiederholen oder entsprechende Erläuterungen zu geben. Eine solche Obliegenheit des Erklärenden rechtfertigt sich daraus, daß für den Adressaten die Kenntniserlangung von erheblicher Bedeutung und andererseits dem Erklärenden es ohne weiteres möglich und zumutbar ist, seine Erklärungsbemühungen weiter fortzusetzen, bis der anwesende Adressat den Erklärungsinhalt vernommen hat. Der genannte Grundsatz entspricht auch der dem § 130 I zugrundeliegenden Risikoverteilung, wonach der Erklärende alles in seinem Einwirkungsbereich

Vgl. Bünger, 22; Neugebauer, 48; Rhodovi, 51. So zutreffend Arndt, 6 f.; Brox, Allg. Teil, Rdnr. 159; Larenz, Allg. Teil, § 21 II c (415); Rüthers, Allg. Teil, Rdnr. 273. 34 Ebenso in der Kritik Diederichsen, Fälle und Lösungen, 4. Aufl., 92; Duffner / Witter, JuS 1978, 691. 35 Vgl. Larenz, Allg. Teil, § 21 II c (416); Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 219 f.; v. Tuhr, Allg. Teil, Bd. II/1, § 61 111 2 (440). 32

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Liegende tun muß, um dem Adressaten die Erklärung zur Kenntnis zu bringen. Der Erklärende soll nur von solchen Risiken entlastet werden, die außerhalb seines Einflußbereiches liegen 36 • Auf der anderen Seite muß aber auch der Erklärende hinreichend geschützt werden. Wenn er dem Adressaten die Möglichkeit zur Kenntnisnahme verschafft hat und er keine Zweifel daran haben kann, daß seine Erklärung tatsächlich vernommen worden ist, dann ist sein Vertrauen auf das Wirksamwerden der Erklärung schützenswert37 • Mehr kann von dem Erklärenden nicht erwartet werden, als daß er das tut, was nach den erkennbaren Umständen zur Kenntnisverschaffung objektiv notwendig ·erscheint. Daß unter diesen Voraussetzungen dem Vertrauensinteresse des Erklärenden Vorrang vor dem Interesse des Adressaten an der Kenntniserlangung eingeräumt wird, ist schon deshalb gerechtfertigt, weil der Adressat durch seine (fehlende) Reaktion das entsprechende Vertrauen des Erklärenden veranlaßt hat. Wenn der Adressat schon aufgrund von in seiner Sphäre liegenden Umständen eine Erklärung nicht vernimmt, dann ist von ihm wenigstens zu erwarten, daß er das dem Erklärenden zu erkennen gibt. Reagiert er dagegen so, als habe er die Erklärung verstanden, dann muß die fehlende Kenntniserlangung zu seinen Lasten gehen. Der Adressat ist erst recht nicht schutzbedürftig, wenn er absichtlich die Kenntnisnahme verhindert, indem er z. B. bei der mündlichen Erklärung sich die Ohren zuhält oder beim Telefongespräch den Hörer einfach kurz zur Seite legt. In diesen Fällen braucht der Erklärende, wenn für ihn die Verhinderungsabsicht erkennbar ist, die Erklärung auch nicht zu wiederholen. Das wäre hier unzumutbar und sinnlos, weil die Kenntnisnahme gegen den Willen des Adressaten kaum zu erreichen ist38 • Es genügt vielmehr, wenn der Erklärende sich (einmal) so geäußert hat, daß der Adressat ohne weiteres hätte Kenntnis nehmen können39 • (2) Die bisherige Betrachtung hat im wesentlichen zu den Ergebnissen geführt, wie sie von der oben unter I 3 wiedergegebenen Meinung vertreten werden. Zweifelhaft ist, ob diese Auffassung einen angemessenen Interessenausgleich auch in den Fällen ermöglicht, in denen der Erklärende aufgrund der objektiv erkennbaren Umstände davon aus36 37

Vgl. dazu schon S. 39 f. So zutreffend Brox, Allg. Teil, Rdnr. 159; Larenz, Allg. Teil, § 21 II c

(415 f.).

38 Von der Interessenlage her bestehen m. E. wesentliche Ähnlichkeiten zu dem Fall, in dem der Adressat eine schriftliche WE ungelesen vernichtet, was für das Wirksamwerden der Erklärung ohne Bedeutung ist. 39 Ebenso im Ergebnis z. B. Brox, Allg. Teil, Rdnr. 160; Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II B 1 (981); MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 24; a. A. z. B. Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 f (241); Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 215, die dem Erklärenden über die Grundsätze der Zugangsvereitelung helfen wollen.

§ 8 Wirksamwerden unverkörperter WEn unter Anwesenden

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gehen konnte, daß seine Erklärung verstanden worden ist, der Adressat subjektiv aber gar nicht in der Lage war, die Erklärung zu verstehen. Nach der Schutzbedürftigkeit des Adressaten sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: (a) Wenn der Adressat trotz der Beschränkung seiner Fähigkeit zur Vernehmung von WEn jedenfalls erkennen konnte, daß sein Gegenüber eine WE abgegeben hat, dann muß von ihm erwartet werden, daß er durch seine Reaktion zum Ausdruck bringt, die Erklärung nicht verstanden zu haben. Tut er das nicht und erweckt er dadurch beim Erklärenden den Eindruck, 'er habe alles verstanden, dann muß das zu seinen Lasten gehen. Es ist hier sachgerecht, das Vertrauen des Erklärenden, die Erklärung sei verstanden und damit wirksam geworden, zu schützen. (b) Problematisch ist dagegen, ob dem Vertrauensinteresse des Erklärenden auch dann Vorrang vor dem Schutz des Adressaten einzuräumen ist, wenn dieser aufgrund des in seiner Person liegenden Kenntnisnahmehindernisses überhaupt nicht erkennen konnte, daß eine Erklärung abgegeben worden ist. Ein solch seltener Fall liegt etwa vor, wenn ein schwerhöriger oder sprachunkundiger Adressat dem Erklärenden freundlich zunickt und dabei in dem Glauben ist, bei der von ihm nicht verstandenen Erklärung handele es sich um eine belanglose Äußerung. In solchen Fällen erscheinen beide Beteiligten schutzwürdig. Für die Lösung dies'es Interessenkonflikts lassen sich im Gesetz nur schwer Anhaltspunkte finden. Nach den Grundsätzen der vermittelnden Auffassung müßte der Verkehrsschutz vorgehen 40 • M. E. ist jedoch genau umgekehrt zu entscheiden. Hierfür spricht, daß der Erklärende mit der unverkörperten Erklärung ein im Verhältnis zur verkörperten Erklärung risiko reicheres Erklärungsmittel einsetzt. Wenn der Erklärende bewußt diesen relativ unsicheren Weg statt des ihm offen stehenden sicheren Weges einer verkörperten Erklärung wählt, dann ist er weniger schutzwürdig als ein Adressat, der aufgrund geistiger oder körperlicher Mängel von vornherein keine Möglichkeit hat, die unverkörperte Erklärung zu verstehen, und die Kenntnisnahme wegen der fehlenden Perpetuierung der Erklärung auch nicht nachholen kann. Eine Stütze für diese Lösung ergibt sich auch aus den den §§ 131, 104 ff. zugrundeliegenden Wertungen. Bei der Abgabe von WEn durch Geschäftsunfähige, beschränkt Geschäftsfähige, Bewußtlose und vorübergehend Geistesgestörte hat das Gesetz in den §§ 104 ff. dem Schutz dieser Personen uneingeschränkt Vorrang vor dem Verkehrsschutz eingeräumt. § 131 schützt einen Teil dieses Person'enkreises, nämlich die 40 So jedenfalls Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 4 b; Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 230; die meisten Vertreter der vermittelnden Auffassung gehen allerdings auf diese Fallgestaltung nicht näher ein.

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3. Kap.: Wirksamwerden unverkörperter WEn

Geschäftsunfähigen und die beschränkt Geschäftsfähigen, in gleicher Weise bei der Empfangnahme von WEn. Danach müssen WEn gegenüber Geschäftsunfähigen dem gesetzlichen Vertreter zugehen; ein Zugang beim Geschäftsunfähigen selbst reicht dagegen nicht aus. Gleiches gilt nach § 131 Ir grundsätzlich auch bei Erklärungen gegenüber beschränkt Geschäftsfähigen, wenn die Erklärung nicht nur rechtliche Vorteile bringt. Der Grund für den Schutz der Geschäftsunfähigen und der beschränkt Geschäftsfähigen liegt darin, daß bei diesen Personen typischerweise die erforderliche Fähigkeit fehlt, die rechtliche Tragweite der Erklärung einzusehen, sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen und die notwendigen Maßnahmen zur rechtsgeschäftlichen Reaktion zu treffen 41 • Zumindest genauso schutzbedürftig wie der Minderjährige und der Geschäftsunfähige, die typischerweise nicht fähig sind, die Erklärung geistig richtig zu verarbeiten und die rechtlich notwendigen Maßnahmen zu treffen, ist jedoch der Adressat, der aufgrund eines Mangels in der Wahrnehmungsfähigkeit, aufgrund eines (vorübergehenden) geistigen Defektes oder wegen Sprachunkenntnis erst gar nicht in der Lage ist, den Inhalt einer an ihn gerichteten unverkörperten Erklärung zur Kenntnis zu nehmen. Wenn in den durch § 131 geregelten Fällen der Schutz des Adressaten Vorrang vor "einem eventuellen Vertrauensinteresse des Erklärenden hat, dann muß in den hier behandelten, von der Schutzbedürftigkeit her gleichgelagerten Fällen der Schutz des Adressaten ebenfalls vorgehen. Dem steht nicht entgegen, daß der Gesetzgeber in § 131 bewußt nur eine Regelung für Geschäftsunfähige sowie beschränkt Geschäftsfähige geschaffen hat und der Entwurf der ersten Kommission abgelehnt worden ist, wonach auch WEn, die an vorübergehend Geistesgestörte oder Bewußtlose gerichtet sind, unwirksam sein sollten42 • Bei solchen nur vorübergehenden Zuständen der Bewußtlosigkeit und der Geistesstörung sollte nur die Abgabe (vgl. heute § 105 Ir), nicht aber die Empfangnahme einer Erklärung unwirksam sein43 • Daraus muß zwar der Schluß gezogen werden, daß der Gesetzgeber die vorübergehenden, in der Person des Adressaten liegenden Kenntnisnahmehindernisse nicht auf eine Stufe mit dem Fehlen der Geschäftsfähigkeit stellen, sondern solche Umstände dem Risikobereich des Adressaten zuweisen wollte. Er hat hierbei jedoch, wie sich aus den Protokollen entnehmen läßt 4 4, allein an die WEn unter Abwesenden und hier vor allem an die verkörperten Erklärungen gedacht, bei denen aufgrund der Perpetuierung 41 Zum Schutzzweck des § 131 vgl. z. B. Brox, Allg. Teil, Rdnr. 163; Rhodovi, 65; Staudinger / Coing, 11. Auf!., § 130, Rdnr. 1; v. Tuhr, Allg. Teil, Bd. lI/I, § 61 III 7 (449). 42 Vgl. §§ 64 lI, 66 I des E 1. 43

44

Vgl. Prot. I, 72. Vgl. Prot. I, 73.

§ 8 Wirksamwerden unverkörperter WEn unter Anwesenden

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des Erklärungsinhalts die Kenntnisnahme später nachgeholt werden kann. Auf unverkörperte Erklärungen unter Anwesenden lassen sich diese Grundsätze nicht übertragen, was vom Gesetzgeber auch gesehen worden ist 45 • Denn bei diesen Erklärungen besteht - wie schon ausgeführt - ein unvergleichbar höheres Schutzbedürfnis des Adressaten; auch eine nur zeitweilige Bewußtlosigkeit, Störung der Geistestätigkeit oder ein sonstiges momentanes Kenntnisnahmehindernis lassen die Kenntniserlangung (endgültig) scheitern. Von der Schutzbedürftigkeit her erscheint es deshalb durchaus gerechtfertigt, eine Parallele zu den in § 131 geregelten Fällen zu ziehen und auch hier dem Schutz des Adressaten Vorrang vor dem Verkehrsschutz einzuräumen. 111. Ergebnis

Als Ergebnis der Untersuchung lassen sich folgende Grundsätze aufstellen: Unverkörperte Erklärungen unter Anwesenden werden grundsätzlich nur wirksam, wenn der Adressat den Erklärungsinhalt richtig verstanden hat 46 • Hiervon gibt es zwei Ausnahmen: Verhindert der Adressat bewußt die Kenntniserlangung, dann reicht es aus, wenn der Erklärende sich so geäußert hat, daß der Adressat vom Erklärungsinhalt ohne weiteres hätte Kenntnis nehmen können. Die Erklärung wird schließlich auch dann wirksam, wenn der Erklärende aufgrund des ihm erkennbaren Verhaltens des Adressaten davon ausgehen durfte, daß dieser die Erklärung verstanden hat. Der An45 So hatte die 2. Kommission erwogen, die WEn unter Abwesenden und die unter Anwesenden unterschiedlich zu behandeln. Anders als bei den Abwesenheitserklärungen sollten WEn unter Anwesenden auch dann nicht wirksam werden, wenn der Adressat zur Zeit der Erklärungsabgabe sich in einem vorübergehenden Zustand der Geistesstörung befand (vgl. Prot. I, 72 f.). Diesem Gedanken ist allerdings nicht weiter nachgegangen worden. Der Grund hierfür kann nur darin gesehen werden, daß der Gesetzgeber bei den Erklärungen unter Anwesenden schließlich ganz auf eine Regelung verzichtet hat und alles weitere der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen wollte (vgl. oben § 7). 46 Ob man hier von einem Zugang der unverkörperten Anwesenheitserklärung sprechen kann, ist streitig. Sieht man das kennzeichnende Merkmal des Zugangs darin, daß der Wirksamkeitseintritt der Erklärung nicht mit der Kenntnisnahme zusammenfällt, dann würde der Begriff des Zugangs nur bei Anwendung der Empfangstheorie passen (so Staudinger / DiLcher, § 130, Rdnr. 10). Diese rein terminologische Frage, um die es dabei letztlich geht, läßt sich jedoch auch anders entscheiden. Von einem Zugang i. w. S. kann immer dann gesprochen werden, wenn die Erklärung den Adressaten erreicht hat und damit wirksam wird. In diesem Sinne ist auch bei unverkörperten Erklärungen ein Zugang notwendig (vgl. dazu auch Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 48). Man muß sich allerdings darüber klar sein, daß die Zugangsanforderungen bei den einzelnen Gruppen von WEn unterschiedlich sind.

7 Brinkmann

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3. Kap.: Wirksamwerden unverkörperter WEn

schein der richtigen Vernehmung genügt allerdings nicht, wenn der Adressat aufgrund eines Mangels in der Wahrnehmungsfähigkeit, infolge vorübergehender geistiger Störungen oder wegen Sprachunkenntnis nicht in der Lage war, die Erklärung zu verstehen, und auch gar nicht erkennen konnte, daß ihm gegenüber eine WE abgegeben worden ist. § 9 Wirksamwerden unverkörperter Willenserklärungen unter Abwesenden

Erklärungsmittel unter Abwesenden ist zwar regelmäßig die verkörperte WE. Es können jedoch auch unverkörperte Erklärungen zwischen Abwesenden ausgetauscht werden. Zu denken ist hier vor allem an unverkörperte (mündliche) Erklärungen, die der Erklärende dem Adressaten durch einen Boten überbringen läßt1. Hierher gehören aber auch die sehr seltenen Fälle, in denen dem räumlich entfernten Adressaten eine Erklärung mit Hilfe optischer oder akustischer Signale übermittelt wird, ohne daß die Möglichkeit der unmittelbaren Rückfrage und der Erläuterung des Erklärungsinhalts besteht 2 • I. Behandlung des Problems in Literatur und Rechtsprechung

Die unverkörperten WEn unter Abwesenden werden meist nicht gesondert untersucht; die Diskussion über das Wirksamwerden unverkörperter Erklärungen dreht sich fast immer nur um die mündlichen Erklärungen unter Anwesenden. Da zudem der Begriff der "Abwesenheit" mit unterschiedlichen Bedeutungen verwandt wird, ist der Meinungsstand nicht ganz klar erkennbar. Diejenigen, die davon ausgehen, daß der Gesetzgeber mit den in § 130 I genannten WEn unter Abwesenden in Wirklichkeit allein die verkörperten Erklärungen gemeint habe und nur auf diese die Empfangstheorie habe beschränken wollen, wenden auf alle unverkörperten Erklärungen die Vernehmungstheorie an 3 • Es ist danach ohne Bedeutung, wenn der Adressat räumlich abwesend ist und deshalb eine unmittelbare Kommunikation zwischen den Beteiligten nicht möglich ist. 1 Eine unverkörperte WE unter Abwesenden liegt auch vor, wenn der Erklärende oder sein Bote eine unverkörperte Erklärung an eine Empfangsperson des Adressaten ausrichtet. Diese Fälle sollen jedoch im nächsten Kapitel noch gesondert untersucht werden. 2 Ist dagegen eine unmittelbare Kommunikation zwischen den Beteiligten möglich (wie z. B. beim Telefongespräch), dann liegt eine WE unter Anwesenden vor (vgl. dazu oben S. 23, 85). 3 Vgl. z. B. Lehmann / Hübner, Allg. Teil, § 32 II 3 (229 f.); Oertmann, § 130, Anm. 4 a, b; Roedel, 40 ff.; Samolewitz, 20 ff.; Staudinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 9,14.

§ 9 Wirksamwerden unverkörperter WEn unter Abwesenden

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Ebenfalls eindeutig ist die Rechtslage für die Vertreter eines einheitlichen Zugangsbegriffs, nach denen die in § 130 I normierte Empfangstheorie für alle empfangsbedürftigen WEn gilt4 • Ebenso wie die verkörperten werden danach die unverkörperten Erklärungen unter Abwesenden wirksam, wenn der Adressat die Möglichkeit der Kenntnisnahme 'erlangt hat. Weniger klar ist der Standpunkt derjenigen, die bei den Erklärungen unter Abwesenden entsprechend dem Wortlaut des § 130 I von der Geltung der Empfangstheorie ausgehen, bei den unverkörperten Erklärungen unter Anwesenden aber wegen der Besonderheiten der unverkörperten Erklärungen die Vernehmungstheorie oder die vermittelnde Auffassung vertreten5 • Meist wird zu den unverkörperten Erklärungen unter Abwesenden nichts näheres gesagt; danach scheint man auch auf diese Erklärungen die Empfangstheorie anwenden zu wollenG. Soweit die unverkörperten Erklärungen unter Abwesenden im einzelnen behandelt werden, geht man jedoch auch davon aus, daß bei diesen die gleichen Grundsätze wie bei den unverkörperten Anwesenheitserklärungen gelten müssen 7 • Demnach wäre die Vernehmungstheorie oder die vermittelnde Lösung anwendbar. 11. Stellungnahme

Nach dem Wortlaut des § 130 I fallen die unverkörperten WEn unter Abwesenden unter den Regelungsbereich dieser Vorschrift. Es wäre allerdings falsch, wenn man allein aus der begrifflich-systematischen Einordnung als Erklärung unter Abwesenden folgern wollte, auf die hier untersuchte Gruppe von WEn sei nach § 130 I uneingeschränkt die Empfangstheorie anwendbar. Ein solcher Schluß könnte schon deshalb nicht überzeugen, weil die von uns verwendeten Kriterien zur Abgrenzung der Erklärungen unter Abwesenden von denen unter Anwesenden nicht normativ abgeleitet, sondern nur zur Absteckung des Untersuchungsfeldes eingesetzt worden sind8 • Davon abgesehen erscheint es überhaupt als verfehlt, den Geltungsbereich der Empfangstheorie von dem wie auch immer zu bestimmenden Begriff der Erklärung un4 Vgl. z. B. Iven, 5 ff.; Rhodovi, 63 ff., 77 ff.; E. Wolf, Allg. Teil, § 7 III c 3, d (333 ff.). 5 Vgl. für viele Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II A, B (974 ff.); Erman / Brox, § 130, Rdnr. 6 ff., 18; Larenz, Allg. Teil, § 21 II b, c (408 ff.); MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 14 ff., 24 f. 6 Vgl. RGZ 60, 334, 336; 61, 125, 127; 105, 255, 256; Enneccerus / Nipperdey, Fn. 5 (979); Larenz, Fn. 5 (408); MünchKomm / Förschler, Fn. 5; ausdrücklich für Empfangstheorie Soergel / Hefermehl, § 130, Rdnr. 2, 16. 7 Dieringer, 33 ff.; Ganschow, 44; Jauernig, § 130, Anm. 2 c bb. 8 Vgl. S. 23, Fn. 1.

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3. Kap.: Wirksamwerden unverkörperter WEn

ter Abwesenden abhängig zu machenD; maßgebend müssen vielmehr die Eigenarten der einzelnen Gruppen von WEn und vor allem die Interessenlage der Beteiligten sein. Auch der Gesetzgeber wollte - wie sich bereits aus der bisherigen Darstellung der Entstehungsgeschichte des § 130 I entnehmen läßt lO - die Anwendungsgrenzen der Empfangstheorie nicht durch die Regelung des § 130 I und insbesondere nicht durch den Begriff der WE unter Abwesenden abstecken l l . Er hat in § 130 I lediglich eine Grundsatzentscheidung zugunsten der Empfangstheorie getroffen. Die Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen für die einzelnen Arten von WEn sollten der Rechtsprechung und der Wissenschaft überlassen bleiben l2 • Dieser Konkretisierungsauftrag an den Rechtsanwender dürfte auch eine Einschränkung oder Abänderung der Empfangstheorie rechtfertigen, soweit die besondere Eigenart von Erklärungen dies gebietet. Das gilt zumindest für die unverkörperten WEn, deren Besonderheiten vom Gesetzgeber nicht gesehen worden sind l3 • Wenn man sich nicht auf den Irrweg rein begrifflicher Argumentation begibt, sondern statt dessen maßgebend auf die Interessenlage der Beteiligten abstellt, dann leuchtet es ohne weiteres ein, daß für die unverkörperten Erklärungen unter Abwesenden die gleichen Grundsätze gelten müssen, wie sie soeben für die unverkörperten WEn unter Anwesenden herausgearbeitet worden sind. Denn die Interessenlage ist im wesentlichen gleich. Bei allen unverkörperten Erklärungen besteht nämlich eine erhöhte Schutzbedürftigkeit des Adressaten, der nur im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung eine Kenntnisnahmemöglichkeit hat und eine unterbliebene Kenntniserlangung später nicht nachholen kann l4 • 9 In der älteren Literatur hat man das allerdings anders gesehen. Dem Begriff der WE unter Abwesenden sollte bei der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Empfangstheorie eine maßgebende Bedeutung zukommen. Man versuchte dabei diesen Begriff so aufzubereiten, daß er alle WEn erfaßte, bei denen die Anwendung der Empfangstheorie sachgerecht erschien (vgl. z.B. Heyne, 8ff.; Roedel, 24ff.; Steinfeld, 17ff.). Ein solches Vorgehen ist aber ohne Wert, wenn letztlich doch die Eigenart der einzelnen WEn über die Anwendung der Empfangstheorie entscheidet. 10 Vgl. oben § 4 I 2. 11 Die in den Gesetzesmaterialien zu findenden Außerungen zur Frage des Wirksamwerdens von Erklärungen unter Anwesenden (Mot. I, 156; Prot. I, 69; vgl. dazu §§ 7, 8 II 1) deuten darauf hin, daß der Gesetzgeber selbst noch keine klaren Vorstellungen über die genauen Anwendungsgrenzen der Empfangstheorie hatte. 12 Vgl. oben S. 34. 13 In den Gesetzesmaterialien finden sich zwar einige wenige Stellen, wo die mündlichen WEn beiläufig erwähnt werden (Nachw. § 8, Fn. 17); es ist aber nicht zu erkennen, daß der Gesetzgeber die Besonderheiten der mündlichen Erklärungen mit in seine Erwägungen einbezogen hat. 14 Vgl. schon oben § 8 II 2 a.

§ 9 Wirksamwerden unverkörperter WEn unter Abwesenden

101

Nur auf seiten des Erklärenden unterscheidet sich in einem Punkte die Lage bei der unverkörperten Erklärung unter Abwesenden von derjenigen, die bei einer Erklärung unter Anwesenden besteht: Der Erklärende kann sich bei Abwesenheit des Adressaten nicht darüber vergewissern, daß der Adressat die Erklärung (richtig) verstanden hat. Dieser Unterschied rechtfertigt jedoch keine Verschiebung der oben herausgearbeiteten Risikoverteilung zugunsten des Erklärenden. Wenn der Erklärende einen Erklärungsboten zur übermittlung der unverkörperten Erklärung einsetzt, dann hat dieser anstelle des Erklärenden die Möglichkeit, an der Reaktion seines Gegenübers zu überprüfen, ob die Erklärung verstanden worden ist. Der Erklärungsbote kann auch gegebenenfalls die Erklärung wiederholen oder erläutern, bis der Adressat sie verstanden hat. Falls er diese Möglichkeit nicht nutzt, muß das zu Lasten des Erklärenden gehen. Es wäre jedenfalls ungereimt, wenn der Erklärende durch Einschaltung einer Hilfsperson das Risiko der richtigen Vernehmung seitens des Adressaten auf diesen verlagern könnte. Ob der Erklärende selbst mit dem Adressaten spricht oder durch einen Boten eine mündliche Erklärung ausrichten läßt, kann für die Risikoverteilung keine Bedeutung haben15 • Bei einer übermittlung der WE durch akustische oder optische Signale kann der Erklärende typischerweise weder selbst noch über eine Hilfsperson erkennen, ob seine Erklärung verstanden worden ist. Bei ihm kann dann aber auch von vornherein kein berechtigtes Vertrauen darauf entstehen, daß der Adressat die Erklärung vernommen hat. Der Erklärende, der ein solches mit besonderen übermittlungsrisiken behaftetes Erklärungsmittel einsetzt, erscheint weniger schutzwürdig als der Adressat. Es ist deshalb auch hier sachgerecht, grundsätzlich dem Erklärenden das Vernehmungsrisiko aufzubürden. Demnach wird eine Erklärung nur wirksam, wenn der Adressat die akustischen oder optischen Signale verstanden hat 16 •

Ebenso Jauernig, § 130, Anm. 2 C, bb. Die Anwendung der Vernehmungstheorie könnte allenfalls dann für den Erklärenden eine Härte bedeuten, wenn der Einsatz optischer oder akustischer Signale als Erklärungsmittel vorher mit dem Adressaten vereinbart worden ist und die Vernehmung allein aufgrund von Umständen scheitert, die im Verantwortungsbereich des Adressaten liegen. In solchen Fällen ist dem Adressaten jedoch nach den Grundsätzen über die Zugangshindernisse (vgl. §§ 15 - 18, insbes. § 17 I 2 b) zu helfen. 15

16

Viertes Kapitel

Zugangsprobleme bei Beteiligung von Mittelspersonen auf der Seite des Adressaten § 10 überblick über die verschiedenen Möglichkeiten und

Rechtsfolgen der Beteiligung von Mittelspersonen

Beim Austausch und bei der Übermittlung empfangsbedürftiger WEn sind nicht immer nur die Parteien des Rechtsgeschäfts beteiligt. Vielfach sind dritte Personen eingeschaltet. Erklärender kann ein Vertreter sein, der die WE mit Wirkung für den Vertretenen abgibt. Bei der Übermittlung der WE zum Adressaten kann eine Beförderungsperson oder -anstalt tätig werden. Soweit es sich um solch'e Mittelspersonen handelt, die auf seiten des Erklärenden tätig werden, ergeben sich für die Frage des Zugangs keine Besonderheiten. Es gelten die oben für die einzelnen Gruppen von WEn dargestellten Grundsätze. Dagegen können sich besondere Probleme des Zugangs ergeben, wenn die zu übermittelnde Erklärung an eine Person gelangt, die in rechtlicher oder tatsächlicher Beziehung zum Adressaten steht. Es stellt sich dann nämlich die Frage, ob schon mit Übergabe der Erklärung oder bei mündlichen Erklärungen - mit der Mitteilung der Erklärung an diese Person der Zugang und damit die Risikoverlagerung eintreten oder ob dazu noch eine Weiterleitung der Erklärung an den Adressaten notwendig ist. Es sei kurz angeführt, welche Fallgestaltungen hier in Betracht kommen: Wenn die Erklärung zur Wohnung oder zu den Geschäftsräumen des Adressaten gebracht wird, dann nimmt sie dort oftmals nicht der Adressat selbst, sondern einer seiner Familienangehörigen oder Angestellten entgegen. Bei mündlichen Erklärungen wird oftmals ein Familienmitglied oder ein Angestellter gebeten, sie dem Adressaten auszurichten. Trifft der Erklärende oder sein Bote in der Wohnung des Adressaten niemanden an, dann wird die Erklärung manchmal auch beim Vermieter oder beim Nachbarn abgegeben. Im geschäftlichen Bereich entspricht es fast der Regel, daß Angestellte sowohl bei der Abgabe als auch bei der Entgegennahme von WEn beteiligt sind. Ihnen kann dabei vom Geschäftsherrn ein mehr oder weniger großer Handlungsspiel~ raum eingeräumt sein.

§ 11 Zugang von WEn bei Empfangsvertretung

103

Die aufgeworfene Frage, ob der Zugang schon mit Aushändigung oder Mitteilung der Erklärung an die zum Adressaten in Beziehung stehende Mittelsperson eintritt, läßt sich kaum einheitlich beantworten. Denn die Beziehungen zwischen dieser und dem Adressaten sind in den einzelnen Fällen von ganz unterschiedlicher Intensität. Nach ganz herr~ schender Rechtsanschauung hängt die Risikoverteilung davon ab, ob die Mittelsperson Empfangsvertreter, Empfangsbote oder Erklärungsbote ist. Handelt es sich um einen Empfangsvertreter oder um einen Empfangsboten, dann führt die übergabe der Erklärung an die Mittelsperson nach h. L. zur Risikoverlagerung auf den Adressaten. Ist sie beides nicht, so soll sie als Erklärungsbote fungieren, auch wenn der Erklärende gar nicht den Willen hatte, sie als Erklärungsboten einzusetzen. Das Verlust-, Verfälschungs- und Verspätungsrisiko verbleibt dann weiterhin beim Erklärenden. Ob mit Hilfe dieser Rechtsfiguren eine angemessene Verteilung des übermittlungsrisikos erreicht werden kann, soll im folgenden überprüft werden. Dabei ist vor allem auch zu untersuchen, nach welchen tatbestandlichen Voraussetzungen die Einordnung der Mittelspersonen vor~ zunehmen ist. Darüber besteht, wie sich beim näheren Zusehen zeigen wird, keine Einigkeit. Maßgebende Bedeutung müssen auch hier wiederum jene Wertungen haben, die oben bei der Entwicklung der allgemeinen Grundsätze des Zugangs herausgearbeitet worden sind. § 11 Zugang von Willenserklärungen bei Beteiligung eines Empfangsvertreters I. Wirksamwerden von Willenserklärungen bei der Empfangsvertretung

Wie sich aus § 164 IU ergibt, ist eine Vertretung in der Empfangnahme von WEn möglich. Aus der Verweisung des § 164 IU auf § 164 I folgt, daß eine gegenüber dem Vertreter abgegebene WE für und gegen den Vertretenen wirkt. Auf die Abgabe der WE kommt es allerdings nicht an, sondern für das Wirksamwerden ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Zugang maßgebend. Aus § 164 IU läßt sich jedenfalls entnehmen, daß ein Zugang der Erklärung beim Vertreter genügt. Liegen also die Voraussetzungen des Zugangs, wie sie oben für die einzelnen Gruppen von WEn herausgearbeitet worden sind, in der Person des Vertreters vor, dann werden die WEn auch gegenüber dem Vertretenen wirksam 1 . Eine Weitergabe der Erklärung an den Vertretenen ist also nicht erforderlich. Die Erlangung der Kenntnis durch den Vertretenen fällt demnach in dessen Risikobereich. 1

Allgemeine Meinung; vgl. statt aller BGH, NJW 1965, 965, 966; Erman /

Brox, § 130, Rdnr. 11; MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 18.

104

4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

11. Voraussetzungen für die Annahme einer Empfangsvertretung

Die alleinige Problematik liegt bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Empfangsvertretung vorliegt. Nicht erforderlich ist, daß die Mittelsperson als Vertreter des Adressaten auftritt. Ein solches Erfordernis, wie es sich für die Aktivvertretung aus dem Offenkundigkeitsprinzip ergibt, kann hier schon deshalb nicht bestehen, weil es bei der Entgegennahme der WE an einem aktiven Verhalten des Vertreters fehlt2 • Tätig wird allein der Erklärende. Ihm obliegt es, ausdrücklich klarzustellen oder aus den Umständen erkennbar werden zu lassen, daß den Vertretenen die Rechtsfolgen der abgegebenen WE treffen sollen3• Die Feststellung dieser Voraussetzung dürfte in der Praxis kaum Schwierigkeiten bereiten. Aus der Adressierung sowie aus der Bezugnahme auf ein bestehendes Rechtsverhältnis oder auf laufende Vertragsverhandlungen ergibt sich meist eindeutig, wer durch die Erklärung berechtigt und verpflichtet werden soll. Erforderlich ist weiterhin, daß die Mittelsperson Vertretungsmacht hat, für den Vertretenen die Erklärung in Empfang zu nehmen. Die Vertretungsmacht kann sich - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen - aufgrund Gesetzes oder aufgrund Rechtsgeschäfts ergeben. Eine Vollmacht kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erteilt werden. Ob eine konkludente Bevollmächtigung vorliegt, läßt sich nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls entscheiden. Bei der Frage, welche Anforderungen an die konkludente Erteilung einer Empfangsvollmacht zu stellen sind, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Teilweise wird schon aus der nahen Beziehung der Mittelsperson zum Adressaten eine stillschweigende Bevollmächtigung abgeleitet. So soll grundsätzlich davon auszugehen sein, daß die Ehefrau, die Hausgenossen und Hausbediensteten des Adressaten sowie alle kaufmännischen Angestellten von Geschäftsleuten zur Entgegennahme von WEn bevollmächtigt seien 4 • Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß diese Personen nach der Anschauung des Rechtsverkehrs als zur Entgegennahme von Erklärungen befugt angesehen würden. Die h. M.5 hat das zu Recht als reine Fiktion einer Bevollmächtigung abgelehnt. Ein auf Bevollmächtigung gerichteter rechtsgeschäftlicher 2 Vgl. für viele Bettermann, Vom stellvertretenden Handeln, 3 f.; Erman / Brox, § 164, Rdnr. 24; MünchKomm / Thiele, § 164, Rdnr. 127; Staudinger / Dilcher, § 164, Rdnr. 20. 3 Vgl. Bettermann, Fn. 2; Erman / Brox, Fn. 2; MünchKomm / Thiele, Fn. 2; Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, § 164, Rdnr. 31; Staudinger / Dilcher, Fn. 2. 4 Dieringer, 50; Dötzer, 54; Koch, 32 (für verkörperte Erklärungen); Rosenberg, Stellvertretung im Prozeß, 205. 5 E. Cohn, 106, 112; Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II A 2 c (979); Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 d (236); Rhodovi, 135 f.

§ 11 Zugang von WEn bei Empfangsvertretung

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Wille wird sich hier meist nicht feststellen lassen. Daß eine Bevollmächtigung der oben genannten Hilfspersonen nicht ohne weiteres unterstellt werden darf, wird besonders deutlich, wenn man einmal betrachtet, welche Befugnisse damit der Hilfspersoneingeräumt würden und welche Rechtsfolgen das für den Geschäftsherrn hätte. Der Empfangsvertreter tritt beim Empfang von WEn an die Stelle des Vertretenen6 • Ihm geht die Erklärung zu, und auch die Kenntnisnahme vom Inhalt der Erklärung gehört zu seinen Obliegenheiten. Letzteres ergibt sich schon daraus, daß es nach § 166 I bei der Kenntnis oder dem Kennenmüssen von Umständen, die Einfluß auf die rechtlichen Folgen der WE haben, grundsätzlich auf die Person des Vertreters ankommt. Für die Auslegung der Erklärung ist maßgebend, wie der Empfangsvertreter aufgrund der ihm erkennbaren Umstände die Erklärung verstehen konnte und mußte 7 • Eine solche selbständige Stellung, wie sie nach dem Vorstehenden dem Vertreter zukommt, will der Geschäftsherr den oben genannten Personen aber regelmäßig nicht einräumen. Weder bei der Ehefrau noch bei sonstigen Familienangehörigen oder gar Hausangestellten läßt sich ohne weiteres unterstellen, daß sie nach dem Willen des Geschäftsherrn etwa zur Kenntnisnahme einer in einem verschlossenen Brief enthaltenen WE befugt sein sollen und daß es hinsichtlich der rechtsgeschäftlich relevanten Umstände auf ihr Wissen ankommen soll. Auch der Erklärende wird das nicht annehmen können. Deshalb fehlt auch für eine Anscheinsvollmacht von vornherein jede Grundlage. Den genannten Personen wird allenfalls eine Hilfsfunktion bei der Übermittlung der Erklärung zum Geschäftsherrn zukommen. Wie diese Übermittlungsfunktion rechtlich einzuordnen ist, kann hier noch offen bleiben. Jedenfalls ist der angesprochene Personenkreis regelmäßig nicht zur Vertretung des Geschäftsherrn befugt. Die Feststellung, ob Empfangsvertretungsmacht besteht oder nicht, wird dadurch erleichtert, daß diese regelmäßig mit einer Befugnis zur Aktivvertretung gekoppelt ist. Denn die passive Vertretung ist die Ergänzung der aktiven Vertretungs. Bei einer Generalvollmacht und der handelsrechtlichen Prokura ist selbstverständlich, daß sie auch die Passivvertretung umfassen. Aber auch bei einer Gattungs- oder Spezialvollmacht gilt das gleiche, wenn sie sich - wie üblich - auf die Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte beziehen. Dann schließen sie notwendigerweise auch die Befugnisse zur Entgegennahme von WEn ein, die zum Abschluß dieser Rechtsgeschäfte erforderlich sind9 • Ist etwa 6

7

59.

Vgl. dazu MünchKomm I Thiele, Vor § 164, Rdnr. 58 f.; § 164, Rdnr. 127. Vgl. Brox, Allg. Teil, Rdnr. 479 f.; MünchKomm I Thiele, Vor § 164, Rdnr.

Richardi, AcP 169, 385, 400. Larenz, Allg. Teil, § 30 I a (571); MünchKomm I Thiele, § 164, Rdnr. 127; Stoll, AcP 131, 228, 230; kritisch Pawlowski, Allg. Teil, Rdnr. 751 ff. 8 9

106

4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

jemand zum Abschluß eines bestimmten Kaufvertrages bevollmächtigt, dann kann er nicht nur das Angebot für den Vertretenen abgeben, sondern auch die Annahmeerklärung des anderen Vertragsteils entgegennehmen. Auf der anderen Seite wird man aus dem Fehlen einer Vertretungsmacht für die Aktivvertretung meist den Schluß ziehen können, daß auch die Befugnis zur Passivvertretung fehItl°. Zwar ist eine isolierte Empfangsvertretungsmacht rechtlich möglich; das Gesetz selbst sieht diese z. B. in den §§ 55 IV HGB, 43 VVG und 174 ZPO vor. Sie ist jedoch eine seltene Ausnahme, die nur bei einer entsprechenden gesetzlichen Regelung oder dann angenommen werden kann, wenn das dem eindeutig zum Ausdruck gebrachten Willen des Vertretenen entspricht. Ohne eindeutige Anhaltspunkte läßt sich die Erteilung einer isolierten Empfangsvollmacht schon deshalb nicht einfach unterstellen, weil eine solche Vollmacht wenig sinnvoll wäre und den Interessen des Geschäftsherrn widersprechen dürfte. Denn die wesentlichen Rechtsfolgen der Empfangsvertretung, nämlich die Auslegung der eingegangenen Erklärung nach dem Wissenshorizont des Vertreters und die Anwendung des § 166 I, sind nur sachgerecht, wenn der Vertreter auch Träger des rechtsgeschäftlichen Willens und somit zur rechts geschäftlichen Reaktion in der Lage ist. Behält sich dagegen der Geschäftsherr das aktive rechtsgeschäftliche Handeln vor, dann wird er kaum die Empfangnahme der gegnerischen WE, deren Kenntnisnahme und deren Auslegung in die Hände eines anderen legen wollen. Demnach können also Mittelspersonen nur dann ohne weiteres als Empfangsvertreter angesehen werden, wenn sie in der betreffenden Angelegenheit auch die Befugnis zur Aktivvertretung haben. Das gilt auch bei Familienmitgliedern, Hausgenossen und Hausangestellten des Geschäftsherrn. Bei kaufmännischen Angestellten hat das Fehlen von Vertretungsmacht zur Aktivvertretung ebenfalls indizielle Bedeutung. Bei ihnen kann sich aber eine allein auf die Entgegennahme von WEn beschränkte Vertretungsmacht aus Sondervorschriften des HGB (§§ 55 IV, 75 g, 91 II HGB) ergeberl. 111. Mittelspersonen als Empfangsvertreter ohne Vertretungsmacht

Teilweise ist versucht worden, die Zugangsprobleme bei Einschaltung von Hausangestellten und Familienmitgliedern des Adressaten durch eine Empfangsvertretung ohne Vertretungsmacht zu lösenl l . Soweit 10 So auch Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 d, Fn. 42; LaTenz, Allg. Teil, § 30 I a (532); zu weitgehend StoH, AcP 131, 228, 231, der die Möglichkeit einer

isolierten Empfangsvertretung ganz verneint. 11 HeHwig, JW 1905, 356; Jung, AcP 117, 73, 81 ff.; Sokolowski, 39.

§ 11 Zugang von WEn bei Empfangsvertretung

107

diese Personen - was nach dem Vorstehenden der Regelfall ist - keine Vertretungsmacht zur Empfangnahme von WEn haben, sollen sie als Vertreter ohne Vertretungsmacht anzusehen sein. Genehmige der Adressat später das Handeln der Mittelsperson, so sei wegen der Rückwirkung der Genehmigung (§ 184 I) der Zugang schon mit der übergabe der Erklärung an die Hilfsperson eingetreten. Diese Konstruktion ist jedoch rechtlich bedenklich und praktisch nicht brauchbar. Zwar ist auch bei der Entgegennahme von WEn eine Vertretung ohne Vertretungsmacht rechtlich möglich. Das folgt schon aus § 180 S. 3. Es fehlt jedoch jede Grundlage, um die genannten Mittelspersonen als Empfangsvertreter des Adressaten einzuordnen. Wenn keine Vertretungsmacht vorliegt, dann kann eine solche Einordnung nur daran anknüpfen, daß die Mittelsperson nach außen als Empfangsvertreter aufgetreten ist. Hausangestellte und Familienmitglieder treten jedoch bei der Entgegennahme von Erklärungen regelmäßig nicht als Vertreter des Adressaten auf, noch erscheinen sie als solche 12 • Allein aus dem passiven Akt der Entgegennahme der WE läßt sich jedenfalls noch nicht schließen, daß sie sich zu Empfangsvertretern (ohne Vertretungsmacht) aufschwingen. Hinzu kommen praktische Bedenken. Die Genehmigung des Geschäftsherrn käme erst in Betracht, wenn diesem die Erklärung übergeben oder - bei der mündlichen Erklärung - der Inhalt der Erklärung mitgeteilt worden ist. In diesem Zeitpunkt ist die WE aber allemal zugegangen, ganz gleich, wie man die Mittelsperson einordnet. Einer Genehmigung bedarf es dann nicht mehr. Es würde jedenfalls der Wertung des § 130 I widersprechen, wenn der Zugangseintritt von einer Genehmigung abhängig gemacht würde 13 • Eine Genehmigung könnte allenfalls Bedeutung haben wegen ihrer Rückwirkung; diese führt nämlich dazu, daß die WE schon mit ihrer Entgegennahme durch die Mittelsperson wirksam wird 14 • Aber auch insoweit erweist sich die hier kritisierte Konstruktion als lebensfremd. Der Geschäftsherr wird, wenn er von der eingegangenen WE erfährt, nie auf den Gedanken kommen, das Verhalten der Mittelsperson noch zu genehmigen. Gerade wenn es auf den Zeitpunkt des Zugangseintritts ankommt, wie z. B. bei der Wahrung einer Frist, würde eine solche Rückwirkung auch meist seinen Interessen widersprechen. Eine Empfangsvertretung ohne Vertretungsmacht wird man entsprechend der soeben aufgezeigten Ergänzungsfunktion der Empfangsvertretung grundsätzlich nur dann annehmen können, wenn die Mittels12 13 14

Ebenso in der Kritik Cochems, 33. Vgl. E. Cohn, 113; Cochems, 33 f.; Rhodovi, 139. Vgl. HeUwig, JW 1905, 356, 357.

108

4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

person gegenüber dem Erklärenden auch als Aktivvertreter aufgetreten ist. Das ist etwa der Fall beim Vertragsschluß durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht. Hier führt die Genehmigung des Vertretenen nach § 177 dazu, daß der Vertrag - und damit auch die dem Vertreter übermittelte WE des Dritten - gegenüber dem Vertretenen wirksam wird. § 12 Zugang von Willenserklärungen und die Lehre vom Empfangsboten Da das Vertretungsrecht meist nicht weiterhilft, ist in der Literatur und Rechtsprechung nach anderen Begründungsansätzen gesucht worden, um dem Adressaten die Entgegennahme der WE von Personen aus seinem Bereich zuzurechnen und den Erklärenden vom Verlust- und Verspätungsrisiko zu entlasten. Weitgehend wird dabei heute mit der Rechtsfigur des Empfangsboten gearbeitet, die im folgenden näher untersucht werden soll. I. Literatur und Rechtsprechung zur Rechtsfigur des Empfangsboten 1. Literatur

Bei der Rechtsfigur des Empfangsboten handelt es sich um eine Rechtsfortbildung, die teilweise aus einer Analogie zum Recht der Stellvertretung und der Erklärungsbotenschaft sowie teilweise aus dem Zugangsbegriff entwickelt worden ist. Da es an einer eindeutigen Rechtsgrundlage fehlt, ist vieles streitig. a) Lehre vom Empfangsboten in den unterschiedlichen Ausprägungen Die ganz h. M. erkennt den Empfangsboten als selbständige Rechtsfigur neben dem Empfangsvertreter an!. Der Empfangsbote wird als Gegenstück zum Erklärungsboten verstanden. Wie der Erklärende sich zur übermittlung seiner Erklärung einer Hilfsperson bedienen kann, so soll sich auch der Adressat einer Hilfsperson zur Entgegennahme von Erklärungen bedienen können. Als Empfangsboten werden alle Personen angesehen, die ermächtigt sind, für den Adressaten WEn entgegenzunehmen und ihm zu übermitteln. Mit der Aushändigung der 1 Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 178 III 4 (1094); Erman / Brox, § 130, Rdnr. 12; Larenz, Allg. Teil, § 30 I c (579); Lehmann / Hübner, Allg. Teil, § 32 II 2 (230); MünchKomm / Thiele, Vor § 164, Rdnr. 58; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 3 c bb; RGRK / Krüger-Nieland, § 130, Rdnr. 19; Soergel / Hejermehl, § 120, Rdnr. 9; Staudinger / Coing, 11. Auf!., Vorbem. § 164,

Rdnr.33.

§ 12 Zugang von WEn und die Empfangsbotenlehre

109

Erklärungsverkörperung oder mit der Mitteilung der mündlichen Erklärung an den Empfangsboten soll der Erklärende alles seinerseits Erforderliche zur Herbeiführung des Zugangs getan haben. Bei einzelnen Fragen bestehen jedoch auch innerhalb der h. M. unterschiedliche Auffassungen. Streitig sind die Rechtsnatur und die Voraussetzungen der Botenermächtigung, der Umfang der Risikoverlagerung auf den Adressaten sowie der Zeitpunkt des Zugangs eintritts. (1) Zur Rechtsgrundlage und zu den Voraussetzungen der Botenermächtigung, von denen letztlich abhängt, welche Personen als Empfangsboten des Adressaten einzuordnen sind, finden sich im wesentlichen vier Auffassungen: (a) Teilweise hält man es für erforderlich, daß der Adressat den Empfangsboten durch einseitiges Rechtsgeschäft zur Entgegennahme von WEn ermächtigt 2 • Die Ermächtigung soll analog § 167 sowohl gegenüber dem Erklärenden als auch gegenüber dem Empfangsboten erklärt werden können. Es werden also ähnliche Grundsätze herangezogen wie bei der Bevollmächtigung. (b) Nach anderer Auffassung handelt es sich bei der Ermächtigung nicht um ein Rechtsgeschäft, sondern um eine tatsächliche Willensbekundung3 • Eine solche ist auch gegenüber Geschäftsunfähigen möglich, während für eine rechtsgeschäftliche Ermächtigung nach § 131 I der Zugang der Ermächtigungserklärung beim gesetzlichen Vertreter notwendig wäre. Nach beiden Auffassungen ist jedenfalls erforderlich, daß der Empfangsbote vom Adressaten ausdrücklich oder konkludent zur Entgegennahme der konkreten WE ermächtigt worden ist. (c) Die wohl überwiegende Ansicht geht demgegenüber davon aus, daß eine Ermächtigung der Empfangsperson nicht unbedingt vorliegen muß. Es soll ausreichen, wenn die eingeschaltete Hilfsperson zur übermittlung geeignet und nach der Verkehrsanschauung als ermächtigt erscheint, die WE für den Adressaten entgegenzunehmen4 • Begründet wird diese "Ermächtigung aufgrund der Verkehrsanschauung" teilweise damit, daß der Erklärende nach übergabe der Erklärung an die Mittelsperson aus dem Lebensbereich des Adressaten darauf vertrauen E. Brinkmann, 62 H.; E. Cohn, 37 ff. E. Wolf, Allg. Teil, § 7 II d 2 dd (326); wohl auch Enneccerus I Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 178 III 4 (1094); MünchKomm I Förschler, § 130, Rdnr. 19. 4 Brox, Allg. Teil, Rdnr. 155; Erman I Brox, Fn. 1; Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 d (236); Larenz, Fn. 1; Lehmann I Hübner, Fn. 1; MünchKomm I Förschler, § 130, Rdnr. 19; Palandt I Heinrichs, § 130, Anm. 3 c bb; RGRK I KrügerNieland, Fn. 1; Soergell Hefermehl, Fn. 1; Staudinger I Coing, 11. Auf!., § 130, Rdnr. 4 (unter cl. 2

3

110

4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

dürfe, alles für den Zugangs eintritt getan zu haben 5 • Für die h. M., die für den Zugang maßgebend darauf abstellt, daß die Erklärung den Machtbereich des Adressaten erreicht hat 6, läßt sich die Begründung dadurch finden, daß bestimmte Personen einfach dem Machtbereich des Adressaten zugeordnet werden 7• Bei der Frage, welche Personen als nach der Verkehrsanschauung zur Entgegennahme von WEn ermächtigt anzusehen sind, zeigt sich wiederum eine große Meinungsvielfalt. Hausangestellte und Familienmit-· glieder hält man allgemein für befugt, in der Wohnung verkörperte Erklärungen für den Adressaten entgegenzunehmen. Gleiches soll für die in den Geschäftsräumen des Adressaten tätigen Angestellten gelten B• Einschränkungen werden teilweise bei mündlichen Erklärungen gemacht9 • So wird darauf abgestellt, ob die Hilfsperson die für die übermittlung der mündlichen Erklärungen notwendigen geistigen Fähigkeiten und die nötige Zuverlässigkeit hat, was bei erwachsenen Hausgenossen und Angestellten, dagegen nicht ohne weiteres bei Kindern zu unterstellen sepo. Es soll auch auf den Inhalt der zu übermittelnden Erklärung ankommen. Hausangestellte hält man z. B. nur für befugt, WEn entgegenzunehmen, die sich auf laufende Haushalts~ geschäfte beziehenl l • Nach anderer Meinung sind Hausangestellte nur bei besonders wichtigen oder komplizierten Erklärungen nicht zur Empfangnahme berechtigt1 2 • Keine Einigkeit besteht auch darüber, ob die genannten Personen außerhalb der Wohnung ebenfalls zur Entgegennahme von Erklärungen für den Adressaten befugt sind. Einige bejahen das13 ; andere verneinen die Frage 14 • Sie wollen den Transport der Erklärung jedenfalls Vgl. etwa Staudinger / Coing, 11. Aufl., Fn. 4. Vgl. § 3 I 2. 7 V gl. Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 d (236 f.); Larenz, Allg. Teil, § 30 I c (579 f.); Medicus, Allg. Teil, Rdnr. 285 f.; Richardi, AcP 169, 385, 400. B MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 20; RGRK / Krüger-Nieland, § 130, Rdnr. 20; Soergel / Hejermehl, § 130, Rdnr. 8; Stau dinger / Coing, 11. Aufl., § 130, Rdnr. 4 (unter cl. 9 Vgl. etwa Erman / B7'ox, § 130, Rdnr. 12; Marburger, AcP 173, 137, 142; MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 21; RGRK / Krüger-Nieland, § 130, Rdnr. 22; Rüthers, Allg. Teil, Rdnr. 272; Soergel / Hefermehl, § 130, Rdnr. 16. Die ältere Literatur lehnt sogar überwiegend eine Empfangsbotenstellung von Haus- und Familienmitgliedern bei der Entgegennahme mündlicher Erklärungen ganz ab und läßt den Erklärenden das Übermittlungsrisiko tragen; vgl. etwa J. Breit, SächsArch Bd. 15, 637, 663 f.; Joerges, ZHR 56, 44, 73; Oertmann, Recht 1906, 722, 726; Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 322 f. 10 Erman / Brox, Fn. 9; MünchKomm / Förschler, Fn. 9; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 3 c bb; Soergel / Hejermehl, Fn. 9. 11 Soergel/ Hefermehl, § 120, Rdnr. 9. 12 MünchKomm / Kramer, § 120, Rdnr. 6; ähnlich Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 d (236). 13 Flume, Fn. 12 (237); Larenz, Allg. Teil, § 30 I c (580). 14 Soergel / Hefermehl, § 130, Rdnr. 18. 5 6

§ 12 Zugang von WEn und die Empfangsbotenlehre

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bis zur Wohnung des Adressaten in den Risikobereich des Erklärenden fallen lassen und behandeln deshalb die Mittelsperson bis dahin als Erklärungsboten. Bei Personen, die nicht zum Haushalt oder zu den Angestellten des Adressaten gehören, lehnt man meist eine Empfangsbotenschaft ab, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte für eine Ermächtigung seitens des Adressaten bestehen 15 • Die Empfangsboteneigenschaft ist aber auch bejaht worden etwa beim Vermieter des Adressaten 16 , beim Hotelportier 17 und selbst beim Nachbarn 18 • (d) Schließlich wird auch die Auffassung vertreten, daß sich die Ermächtigung des Boten allein aus dem Innenverhältnis zwischen ihm und dem Geschäftsherrn ergebe 19 • Die Ermächtigungsgrundlage könne etwa in einem Auftrag oder einem Geschäftsbesorgungsvertrag zu finden sein. Neben einer rechtsgeschäftlichen soll aber auch eine gesetzliche Ermächtigung in Betracht kommen. Eine solche ergebe sich etwa aus der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353) oder aus der Dienstleistungspflicht der Kinder (§ 1619)20. (2) Ebenfalls unterschiedliche Auffassungen bestehen hinsichtlich der Frage, ob bei Übergabe der Erklärung an den Empfangsboten das Übermittlungsrisiko auf den Adressaten übergeht und wann der Zugang eintritt. In der älteren Literatur ist teilweise die Meinung vertreten worden, daß das Risiko der Übermittlung durch den Empfangsboten grundsätzlich nicht allein dem Adressaten aufgegeben werden dürfe, sondern angemessen zwischen beiden Beteiligten aufzuteilen sei 21 • Der Zugang soll erst mit Ausrichtung oder Übergabe der Erklärung an den Adressaten eintreten, weil dieser dann erst die Möglichkeit der Kenntnisnahme erlange. Ein Untergang oder eine Verspätung der Erklärung geht also zu Lasten des Erklärenden, dem man allenfalls Schadensersatzansprüche gegen den Adressaten zubilligen will, sofern dieser für das Fehlverhalten der Empfangsperson nach §§ 278, 831 verantwortlich ist. Dagegen soll der Erklärende nicht das Verfälschungsrisiko tragen. Bei einer Falschübermittlung durch den Empfangsboten lehnt man eine Bindung des Erklärenden an die übermittelte Erklärung ab; andererseits wird aber auch der Zugang der von ihm gewollten Erklärung verneint 22 •

Vgl. etwa Flume, Fn. 12; MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 19. MünchKomm / Förschler, Fn. 15; RGRK / Krüger-Nieland, § 130, Rdnr. 21; Hadding, StudK BGB, §§ 130 - 132, Anm. 2 c. 17 MünchKomm / Förschler, Fn. 15. 18 Soergel / Hefermehl, § 130, Rdnr. 18. 19 So Staudinger / Dilcher, Vorbem. § 164, Rdnr. 76. 20 Staudinger / Dilcher, Vorbem. § 164, Rdnr. 77 f. 21 E,. Cohn, 52 ff.; Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 292 ff. 22 E. Cohn, 63; Titze, Fn. 21, 300. 15

16

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen hat E. Cohn für Familienangehörige und Angestellte entwickelt, wenn deren Übermittlungstätigkeit lediglich innerhalb der Räume des Adressaten erfolgt 23 • Unter dieser Voraussetzung soll den genannten Personen eine erweiterte Botenmacht zukommen und der Zugang schon mit Übergabe der Erklärung an den Empfangsboten 'eintreten. Diese Differenzierung zwischen Empfangsboten mit erweiterter und ohne erweiterte Botenmacht hat sich in der Literatur nicht durchgesetzt. Die ganz überwiegende Meinung geht davon aus, daß das gesamte übermittlungsrisiko mit Übergabe der Erklärung an den Empfangsboten vom Adressaten zu tragen ist24 • Es gehört danach zum Risikobereich des Adressaten, ob und wann ihm die Erklärung übermittelt wird und ob die Empfangsperson bei mündlichen Erklärungen den Erklärungsinhalt zutreffend wiedergibt. Unterschiede ergeben sich innerhalb der h. M. wiederum bei der Frage nach dem Zeitpunkt des Zugangseintritts. Teilweise wird angenommen, daß der Zugang schon bei übergabe der Erklärung erfolgt25 • Nach der Gegenmeinung fallen der Zeitpunkt des Risikoübergangs und der des Zugangs eintritts auseinander. Der Zugang soll erst zu dem Zeitpunkt eintreten, in dem regelmäßig die Weitergabe an den Adressaten zu erwarten ist26 • Nach anderer Auffassung muß differenziert werden: Wenn die Erklärung innerhalb der Geschäfts- oder Wohnräume des Adressaten dem Empfangsboten übergeben werde, trete der Zugang mit der übergabe ein; sei das nicht der Fall, dann müsse die für die übermittlung normalerweise benötigte Zeit hinzugerechnet werden 27 • Flume unterscheidet auch bei der Abgabe der Erklärung an den Empfangsboten zwischen dem Eintritt des Zugangs und der Rechtzeitigkeit des Zugangs. Wenn eine Erklärung außerhalb der Räumlichkeiten des Adressaten an einen Empfangsboten übergeben wird, sollen zwar die allgemeinen Zugangswirkungen mit der übergabe der Erklärung

E. Cohn, 56 f., 106 ff.; ähnlich auch Titze, Fn. 21, 303 f. Vgl. etwa Erman / Brox, § 130, Rdnr. 12; Larenz, Allg. Teil, § 30 I c (579 f.); Marburger, AcP 173, 137, 140; MünchKomm / Kramer, § 120, Rdnr. 6; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 3 c bb; Soergel / Hejermehl, § 120, Rdnr. 9; Stau dinger / Dilcher, § 120, Rdnr. 6. 25 E. Brinkmann, 70, 75; Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, § 178 111 3 (1094); Hadding, StudK BGE, §§ 130 - 132, Anm. 2 c; Soergel / Hejermehl, § 130, Rdnr. 8; Staudinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 33; E. Wolf, Allg. Teil, § 13 A 11 h (564). 26 Erman / Brox, Fn. 24; RGRK / Krüger-Nieland, § 130, Rdnr. 19; Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, § 164, Rdnr. 32. 27 Larenz, Allg. Teil, § 30 I c (580); MünchKomm / Thiele, Vor § 164, Rdnr. 59 f. 23

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eintreten. Für die Frage der Rechtzeitigkeit der Erklärung will Flume aber darauf abstellen, wann die Erklärung unter normalen Umständen dem Adressaten ausgerichtet werden kann 28 • b) Ablehnung der Rechtsfigur des Empfangsboten Eine Mindermeinung in der Literatur lehnt die Rechtsfigur des Empfangsboten ganz ab 29 • Die übermittlungsperson kann nach dieser Auffassung entweder nur Bote des Erklärenden oder Empfangsvertreter des Adressaten sein30 • Zur Begründung beruft man sich im wesentlichen darauf, daß das Gesetz - wie aus § 120 zu folgern sei - nur einen Boten des Erklärenden k enne'l1. Eine Botenschaft sei auch begrifflich nur bei der dem Erklärenden obliegenden Übermittlung einer konkreten Erklärung denkbar, nicht aber auf seiten des Adressaten bei der Entgegennahme von WEn 32 • Der Anerkennung eines Empfangsboten im Wege der Rechtsfortbildung stehe entgegen, daß die in § 164 III vorgesehene Empfangsvertretung in allen Fällen zu zufriedenstellenden Ergebnissen führe. Neben dem Empfangsvertreter sei kein Raum für die Rechtsfigur des Empfangsboten. In den Fällen, in denen es berechtigt sei, mit der Gegenmeinung dem Adressaten die Entgegennahme der Erklärung durch die Hilfsperson zuzurechnen, handele es sich in Wirklichkeit um eine Empfangsvertretung33 •

2. Rechtsprechung In der Rechtsprechung des RG findet sich - soweit ersichtlich keine Entscheidung, in der das Gericht auf die Rechtsfigur des Empfangsboten zurückgegriffen hat. Die Fälle, in denen Hilfspersonen aus dem Bereich des Adressaten die Erklärung entgegengenommen hatten, sind vom RG mit Hilfe der allgemeinen Zugangsformel gelöst worden34 • Es hat entscheidend darauf abgestellt, ob die Erklärung mit der übergabe an die Hilfsperson schon in den Machtbereich des Adressaten gelangte. Nach Meinung des RG soll das der Fall sein, wenn die Erklä28 29

Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 d (237). Assmann, 67 ff.; Dieringer, 47 f.; Dötzer, 38 ff.; Franzke, 36 ff.; Hellwig, 1905, 356; Koch, 31; Plettenberg, 48 ff.; Rosenberg, Stellvertretung im

JW Prozeß, 202. 30 Vgl. etwa Dötzer, 54 ff.; Franzke, 42. 31 32 33

Plettenberg, 49. Koch, 30; Plettenberg, 51 f. Dieringer, 47 f.; Dötzer, 47; Koch, 31, 36; Plettenberg, 53 f.

34 Vgl. RGZ 50, 191, 194; 56, 262, 263; 58, 406, 407; 60, 334, 336 f.; 61, 125, 127; 91, 60, 62; 102, 295, 296; 105, 255, 256; 170, 285, 288; RG, JW 1922, 1194; RG, LZ 1925,470,471; ebenso auch RAG, HRR 1940 Nr. 1427; DR 1941, 1796.

8 Brinkmann

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

rung an Familienangehörige, Hausbedienstete oder kaufmännische Angestellte des Adressaten übergeben worden ist 35 • Auch der BGH ist zunächst ohne die Rechtsfigur des Empfangsboten ausgekommen36 • Er hat dann allerdings in einer späteren Entscheidung auf die in der Literatur entwickelte Empfangsbotenlehre zurückgegriffen 37 • Seine Ausführungen erschöpfen sich dabei in der Feststellung, daß eine WE, die einem Empfangsboten übergeben werde, dem Adressaten zu dem Zeitpunkt zugehe, in dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge mit einem Eintreffen der Erklärung beim Adressaten zu rechnen sei. In der Rechtsprechung des BAG findet sich zwar nicht der Begriff des Empfangsboten. In der Sache geht das BAG jedoch ebenfalls von der Empfangsbotenlehre aus. So hat es ausgeführt, daß es für den Zugang ausreiche, wenn die Erklärung einer Person übergeben werde, die nach der Verkehrsanschauung als ermächtigt anzusehen sei, den Adressaten in der Empfangnahme der WE zu vertreten38 • Es soll dabei nicht erforderlich sein, daß dieser Person eine besondere Vollmacht oder eine Ermächtigung erteilt worden sei; es reiche aus, wenn sie nach der Verkehrssitte ermächtigt erscheine, Erklärungen für den Adressaten entgegenzunehmen. Zu den nach der Verkehrsanschauung empfangsberechtigten "Vertretern" des Adressaten 39 zählt das BAG neben Familienangehörigen und Hausangestellten auch den Zimmervermieter40 und den Buchhalter eines Hotels, das unter der Leitung des Adressaten steht41 • In der Rechtsprechung der Instanzgerichte wird der Zugangseintritt bei einer Übergabe der Erklärung an Angehörige oder Angestellte des Adressaten ebenfalls oft schon damit begründet, daß die Erklärung bereits mit der Übergabe an die Mittelsperson in den Machtbereich des Adressaten gelangt sei 42 • Es wird jedoch auch auf die Lehre vom Empfangsboten zurückgegriffen 43 • Der Kreis der zur Entgegennahme von 35 RGZ 56, 262, 263; 58, 406, 407; 60, 334, 336 f.; 61, 125, 127; 91, 62; 105, 255, 256; RG, LZ 1925, 470, 471. 36 Vgl. BGH, NJW 1951, 313; BGH, LM Nr. 8 zu § 130 BGB. 37 BGH, NJW 1965, 966. 38 BAG, DB 1976, 1018; DB 1977, 546. 39 Die Formulierungen in den Entscheidungsgründen sind teilweise mißverständlich. Zwar spricht das BAG oftmals von "Vertretern" des Adressaten. Eine echte Empfangsvertretung kann das BAG damit kaum gemeint haben, da es eben auf eine entsprechende Vertretungsmacht nach den §§ 164 1,167 I nicht ankommen soll. 40 BAG, DB 1976, 1018. 41 BAG, DB 1977, 546. 42 OLG Celle, NJW 1960, 870; OLG München, OLGZ 1966, 1; OLG München, VersR 1969, 728; OLG Karlsruhe, VersR 1977, 902. 43 LAG Düsseldorf, DB 1965, 186; OLG Hamm, VersR 1980, 1164, 1165.

§ 12 Zugang von WEn und die Empfangsbotenlehre

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Erklärungen befugten Empfangspersonen ist teilweise recht weit gezogen worden. Sogar die Putzfrau soll befugt sein, WEn fÜr den Adressaten entgegenzunehmen 44 . 11. Entwicklung der eigenen Auffassung

1. Anerkennung des Empjangsboten als selbständige Rechtsfigur neben dem Empjangsve'rtreter a) Bedürfnis fÜr die Anerkennung dieser Rechtsfigur Für den Empfangsboten gibt es keine gesetzliche Grundlage 45 • Bei ihm handelt es sich um eine Zweckschöpfung der Rechtsdogmatik, um das bei Einschaltung von Hilfspersonen bestehende übermittlungsrisiko angemessen zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten zu verteilen. Eine solche Rechtsfortbildung ist nUr gerechtfertigt, wenn die gesetzliche Regelung lückenhaft ist. Eine Regelungslücke ist allerdings nicht ohne weiteres ersichtlich. Bei formaler Betrachtung enthält das Gesetz ein geschlossenes System der Risikoverteilung: Grundsätzlich trägt - wie sich insbesondere aus § 120 folgern läßt - der Erklärende das aus der Einschaltung von Mittelspersonen resultierende übermittlungsrisiko. Unter den Voraussetzungen einer Empfangsvertretung wird dem Adressaten die Entgegennahme der Erklärung durch einen Dritten zugerechnet. Gleichwohl kann dieses System eine Lücke aufweisen, wenn die Regelungen, gemessen am Gesetzeszweck und den sonstigen Wertungen des Rechts, unzureichend erscheinen 46 • Geht man von den Wertungen des Vertretungs rechts und der dem § 130 I zugrundeliegenden Risikoverteilung nach Einflußbereichen aus, dann muß, wie im folgenden aufgezeigt werden soll, tatsächlich eine Gesetzeslücke angenommen werden. Die Regelungen über die Erklärungsbotenschaft und über die Stellvertretung erweisen sich nämlich in den Fällen als unzureichend, in denen der Adressat eine Hilfsperson lediglich zur Entgegennahme von WEn eingesetzt hat. Eine solche Hilfsperson kann jedenfalls nicht dem Erklärenden als Erklärungsbote zugerechnet werden. Für diesen ist kennzeichnend, daß er vom Erklärenden zur übermittlung der WE eingesetzt wird. Die Auswahl und potentielle überwachung der übermittlungsperson liegt OLG Karlsruhe, VersR 1977,902. § 120 betrifft nach allseitiger Auffassung nur den Erklärungsboten. 46 Es entspricht heute gesicherter Erkenntnis, daß die Feststellung von Gesetzeslücken letztlich auf einer Wertung beruht, vgl. etwa Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 16 f., 31 ff.; Larenz, Methodenlehre, 357 ff. Nach h. M. ergibt sich der Maßstab dieser Wertung aus der Teleologie der betroffenen gesetzlichen Regelung und den sonstigen Wertungen des Gesetzes; vgl. Canaris, 16 f., 31 ff. m. w. N. 44

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

beim Erklärenden. Nur unter diesen Umständen und im Hinblick darauf, daß nach der Empfangstheorie der Erklärungstransport zu seinen Obliegenheiten gehört, ist es sachlich gerechtfertigt, dem Erklärenden das Übermittlungsrisiko aufzubürden. Es wäre jedoch offensichtlich unbillig, diesen das Übermittlungsrisiko auch bei solchen Personen tragen zu lassen, die vom Adressaten zur Empfangnahme von Erklärungen eingesetzt worden sind. Anders als beim Erklärungsboten geht hier die Einschaltung der Hilfsperson auf eine Initiative des Adressaten zurück. Dieser muß deshalb das aus der Einsetzung der Hilfsperson resultierende Risiko tragen. Hierfür spricht auch der dem § 130 I zugrundeliegende Gedanke einer Risikoverteilung nach Einwirkungsbereichen. Die Hilfsperson, die der Adressat in den Übermittlungsprozeß eingeschaltet hat, ist seinem Einwirkungsbereich zuzuordnen. Jedenfalls hat er in bezug auf die Tätigkeit dieser Person die im Verhältnis zum Erklärenden größeren Einwirkungs- und Gefahrbeherrschungsmöglichkeiten. Andererseits wäre es verfehlt, die Mittelsperson einfach als Empfangsvertreter einzuordnen. Für den Vertreter ist nämlich kennzeichnend, daß in seiner Person der Tatbestand des Rechtsgeschäfts verwirklicht wird 47 • Auf seine Person kommt es an, wenn es um Willensmängel oder um die Kenntnis oder das Kennenmüssen von Umständen geht, die für die Folgen der WE von Bedeutung sind. Bei der Auslegung eingehender WEn sind die ihm erkennbaren Umstände maßgebend. Diese für die Stellvertretung wesentlichen Regelungen passen nicht auf Hilfspersonen, die für den Adressaten lediglich eine WE entgegennehmen und - oftmals ohne eigene Kenntnisnahme - an diesen weiterleiten sollen. So wäre es etwa lebensfremd anzunehmen, ein Geschäftsmann würde seiner Schreibkraft (Empfangs-)Vollmacht einräumen, wenn er sie anweist, während seiner Abwesenheit für ihn Erklärungen in Empfang zu nehmen. Solche Hilfspersonen nehmen in keiner Weise geistigen Anteil am Rechtsgeschäft, wie das für den Vertreter kennzeichnend ist. Ihre Tätigkeit ist vielmehr rein mechanischer Art. Von ihrer Funktion her können sie nur mit einem Briefkasten48 oder einer sonstigen Empfangseinrichtung des Adressaten verglichen werden. Es gibt auch keinen sachlichen Grund, warum der Adressat nicht einen Geschäftsunfähigen zur Entgegennahme und Weiterleitung von WEn sollte einsetzen können. Wie sich aus § 165 entnehmen läßt, ist es jedoch nicht möglich, Geschäftsunfähige als Empfangsvertreter zu bestellen. Dies zeigt wiederum, daß die Regelungen des Vertretungsrechts nicht auf solche reinen Übermittlungspersonen des Adressaten Vgl. Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 43, 3 (752 ff.), sowie oben § 11 Ir. Dieser zutreffende Vergleich findet sich schon bei Voswinkel, ArchBürgR Bd. 32, 386, 388. 47

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§ 12 Zugang von WEn und die Empfangsbotenlehre

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zugeschnitten sind 49 • Es ist somit durchaus eine Regelungslücke festzustellen. Um diese Regelungslücke zu schließen, stehen zwei Wege offen. Einmal könnte man mit der h. M. im Wege der Rechtsfortbildung neben dem Empfangsvertreter als weitere Mittelsperson des Adressaten den Empfangsboten einführen, auf den ggf. einige Vorschriften des Vertretungsrechts analog anzuwenden sind. Die andere Lösung besteht darin, die übermittlungsperson des Adressaten zwar als Empfangsvertreter einzuordnen, jedoch im Wege teleologischer Reduktion die Anwendung jener Vorschriften des Vertretungsrechts auszuschließen, die wie z. B. die §§ 165, 166 auf eine nur bei der Erklärungsübermittlung eingesetzte Hilfsperson nicht passen50 • Welcher Weg beschritten wird, dürfte allein eine Frage der juristischen Konstruktion sein, von deren Beantwortung die Lösung der einzelnen Sachprobleme nicht entscheidend abhängt 51 • Für die h. M. und gegen den zuletzt genannten Lösungsweg, der auf eine Anerkennung eines Empfangsvertreters minderen Rechts hinauslaufen würde, spricht allerdings, daß ein nicht unerheblicher funktionaler Unterschied besteht zwischen dem Vertreter, der nach der Konzeption des BGB als Repräsentant des Vertretenen für diesen beim Geschäftsabschluß tätig wird, und der Empfangsperson, deren Tätigkeit sich allein in der überbringung der Erklärung erschöpft. Von daher erscheint es letztlich gerechtfertigt, auch auf der Passivseite zwischen Vertretung und Botenschaft zu unterscheiden. b) Abgrenzung der Empfangsbotenschaft von der Empfangsvertretung Wenn man mit der h. M. den Empfangsboten als eigenständige Rechtsfigur anerkennt, ergibt sich die Notwendigkeit, die Empfangsbotenschaft von der Empfangsvertretung abzugrenzen 52 • Vgl. dazu auch E. Cohn, 8 ff.; Voswinkel, Fn. 48. Daß ein solcher Weg konstruktiv möglich ist, hat schon Rosenberg, Stellvertretung im Prozeß, 235 ff., aufgezeigt. Rosenberg behandelt allgemein den Boten, und zwar auch den Erklärungsboten, als einen Unterfall des Vertreters. 51 Mit beiden Konstruktionen lassen sich letztlich die gleichen Ergebnisse erzielen; ob nun einzelne Vorschriften des Vertretungsrechts analog herangezogen werden oder ob bei grundsätzlicher Anwendung des Vertretungsrechts einzelne Vorschriften von der Anwendung ausgenommen werden, dürfte auf das gleiche hinauslaufen. Es erscheint deshalb müßig, diesem Konstruktionsproblem im einzelnen nachzugehen. 52 Auch wenn man der Konstruktion Rosenbergs (Fn. 50) folgte, würde sich dieses Abgrenzungsproblem stellen. Es ergäbe sich nur in einer anderen Einkleidung, nämlich bei der Frage, in welchen Fällen die §§ 164 ff. uneingeschränkt gelten und in welchen eine Empfangsvertretung minderen Rechts vorliegt, bei der z. B. die §§ 165, 166 nicht anwendbar sind und für die Auslegung der WE auf den Wissenshorizont des Vertretenen abzustellen ist. 49

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

Anders als bei der Abgrenzung der Aktivvertretung von der Erklärungsbotenschaft 53 kann hier nicht auf das äußere Auftreten der Mittelsperson abgestellt werden. Denn die Empfangnahme einer WE ist ein rein passiver Akt, bei dem sich das äußere Verhalten des Empfangsvertreters typischerweise nicht von dem des Empfangsboten unterscheidet 54 • Soweit sich in der Literatur überhaupt eine Stellungnahme speziell zur Abgrenzung des Empfangsboten vom Empfangsvertreter findet, wird der Unterschied meist in der Adressierung der Erklärung gesehen. Für die Empfangsvertretung soll kennzeichnend sein, daß die Erklärung von vornherein an den Vertreter selbst gerichtet ist, dieser also der Adressat der WE ist. Eine Empfangsbotenschaft zieht man dagegen in Betracht, wenn der Mittelsperson eine an den Geschäftsherrn adressierte Erklärung übergeben wird 55 • Diese Differenzierung, für die sich allenfalls vage Anhaltspunkte im Wortlaut des § 164 III finden lassen (" ... wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende WE dessen Vertreter gegenüber erfolgt"), kann jedoch nicht überzeugen 56 • Es wäre z. B. wenig interessengerecht, eine Empfangsbotenschaft anzunehmen, wenn einem Prokuristen ein an den Geschäftsherrn selbst adressierter Geschäftsbrief übergeben oder eine an den abwesenden Geschäftsherrn gerichtete Erklärung an den für die Zeit der Abwesenheit eingesetzten Vertreter ausgehändigt wird. Diese Personen sollen geistigen Anteil an dem betreffenden Rechtsgeschäft nehmen, wie das für den Stellvertreter charakteristisch ist. Der Geschäftsherr hat auch in seiner Person die notwendigen Voraussetzungen für eine Zurechnung nach den §§ 164 III, 166 I geschaffen, woran er sich vom Erklärenden festhalten lassen muß. Das Problem der Abgrenzung läßt sich nur befriedigend lösen, wenn dabei maßgebend auf die der Mittelsperson vom Adressaten eingeräumte Befugnis abgestellt wird 57 • Es kommt darauf an, ob der Mit53 Die h. M. stellt hier entscheidend darauf ab, wie die Mittelsperson nach außen auftritt, ob sie als Übermittler einer fremden WE (dann Bote) oder äls jemand erscheine, der eine eigene WE abgebe (dann Vertreter); vgl. z. B. BGHZ 12, 327, 334; Erman / Brox, Vor § 164, Rdnr. 23; MünchKomm / Thiele, Vor § 164, Rdnr. 47 ff.; Palandt / Heinrichs, Einf. v. § 164, Anm. 3 f.; a. A. G. Hueck, AcP 152, 432; Stau dinger / Dilcher, Vorbem. § 164, Rdnr. 76, die entscheidend auf das Innenverhältnis zum Geschäftsherrn abstellen. 54 Vgl. dazu Richardi, AcP 169, 385, 399; vgl. aber auch Schilken, 86 ff. 55 So Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 178 III 1 (1093); v. Tuhr, Allg. Teil, Bd. II/2, § 84 V (359); E. Wolf, Allg. Teil, § 13 A II h (564); ähnlich wohl auch Richardi, AcP 169, 385, 400 (" ... Ein Unterschied kann nur teleologisch daraus begründet werden, daß bei dem Empfang durch den Empfangsboten die Willenserklärung dem Vertretenen, bei der Empfangsvertretung dagegen dem Vertreter zugeht"). 56 Ablehnend auch E. Cohn, 24 f.; Rosenberg, Stellvertretung im Prozeß, 203 ff.; Staudinger / Dilcher, § 164, Rdnr. 20. 57 Im Ergebnis ebenso MünchKomm / Thiele, § 164, Rdnr. 127 f.; a. A. aber

§ 12 Zugang von WEn und die Empfangsbotenlehre

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telsperson Vertretungsmacht eingeräumt ist oder ob sie lediglich mit der Entgegennahme und Weiterleitung der Erklärung an den Adressaten betraut ist. Hat die Mittelsperson nach den oben herausgearbeiteten Grundsätzen58 Vertretungs macht, dann ist sie Vertreter, selbst wenn der Erklärende die VertretersteIlung nicht erkannt hat und auch nicht erkennen konnte (er z. B. die Mittelsperson für einen Empfangsboten gehalten hat)59. Die Unbeachtlichkeit solcher Fehlvorstellungen ergibt sich schon daraus, daß der Erklärende hier typischerweise nicht schutzbedürftig ist; die Zurechnung des Erklärungsempfangs nach § 164 Irr und des Wissens der Mittelsperson nach § 166 I entspricht gerade seinem Interesse. Hat die Mittelsperson dagegen keine Vollmacht, dann kann sie allenfalls als Empfangsbote in Betracht kommen. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Erklärende ihre Stellung falsch einschätzt, sie etwa für einen Vertreter hält. Dem Adressaten kann hier jedenfalls die Entgegennahme der Erklärung durch die Mittelsperson mangels Vertretungsmacht nicht nach Vertretungsrecht, sondern allenfalls nach den Grundsätzen vom Empfangsboten zugerechnet werden 60 • Die Empfangsbotenschaft stellt somit im Verhältnis zur Vertretung den subsidiären Zurechnungsgrund dar; sie ist nur heranzuziehen, wenn dem Adressaten das Verhalten der Mittelsperson nicht schon nach Vertretungs recht zugerechnet werden kann. Entgegen der Einschätzung der Kritiker der Empfangsbotenlehre61 führt also die Anerkennung des Empfangsboten neben dem Empfangsvertreter auch nicht zu unüberwindbaren Abgrenzungsproblemen.

2. Zugangseintritt bei Einschaltung von Empfangsboten Da der Empfangsbote gleichsam als menschliche Empfangseinrichtung fungiert, hat der Adressat das aus der Einschaltung dieser Mittelsperson sich ergebende Übermittlungsrisiko zu tragen62 • Das Risiko des Erklärungsverlustes, der Erklärungsverstümmelung und der verspäteten Kenntniserlangung geht demnach auf ihn über, wenn dem Empfangsboten eine verkörperte WE übergeben oder ihm eine mündz. B. RGRK / Steffen, Vor § 164, Rdnr. 20; Schilken, 86 ff. 58 § 11 II. 59 Ebenso MünchKomm / Thiele, Fn. 57. 60 Es gibt allerdings zwei Ausnahmefälle, in denen für die Zurechnung nicht die der Mittelsperson eingeräumte Befugnis, sondern deren äußeres Auftreten maßgebend ist. Das sind einmal die Fälle der Duldungs- und Anscheinsvollmacht und zum anderen die Fälle, in denen die Mittelsperson als Vertreter ohne Vertretungsmacht aufgetreten ist und der Geschäftsherr eine Genehmigung nach den §§ 177, 180 S. 2, 3 erteilt hat. 61 Vgl. Fn. 29. 62 Vgl. oben II 1 a.

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

liche Erklärung zur Weiterleitung an den Adressaten mitgeteilt wird. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß in diesem Zeitpunkt auch der Zugang eintritt. Wie schon an anderen Stellen ausgeführt~3, müssen der Zeitpunkt des Risikoübergangs und der des Zugangseintritts nicht unbedingt zusammenfallen. Erreicht die Erklärung eine Empfangseinrichtung des Adressaten, so geht damit zwar das Übermittlungsrisiko auf diesen über, weil die Erklärung in seinen Einwirkungsbereich gelangt ist. Der Zugang tritt jedoch erst ein, wenn vom Adressaten nach der Verkehrsanschauung die Kenntnisnahme erwartet werden kann. Denn erst von diesem Zeitpunkt an ist es gerechtfertigt, daß die WE Rechtswirkungen für und gegen den Adressaten entfaltet. Da der Empfangsbote als eine menschliche Empfangseinrichtung einzuordnen ist, erscheint es folgerichtig, diese Grundsätze auch bei der Entgegennahme von WEn durch den Empfangsboten anzuwenden. Es bleibt allerdings zu überprüfen, ob diese Folgerung aus der Einordnung des Empfangsboten als Empfangseinrichtung sich auch als sachgerecht erweist. In der Literatur ist teilweise eingewandt worden, daß die Übergabe der Erklärung an den Empfangsboten nicht mit dem Einwurf der Erklärung in den Briefkasten verglichen werden könne, weil der Empfangsbote Instruktionen vom Adressaten erhalte, die diesem zugerechnet werden müßten 64 • Dieser Einwand vermag jedoch nicht zu überzeugen. Eventuell erteilte Instruktionen des Adressaten hinsichtlich der Ausführung der Empfangsbotentätigkeit ändern nichts an der Stellung des Empfangsboten als reines Übermittlungswerkzeug. Vom Adressaten, auf den es für den Zugang allein ankommt, kann jedenfalls erst nach Ablauf der vom Empfangsboten für die Übermittlungstätigkeit normalerweise benötigten Zeit erwartet werden, daß er von der Erklärung Kenntnis nimmt. Andere wollen aus der Einschaltung des Empfangsboten durch den Adressaten herleiten, dieser wolle damit von einem Zugang bei ihm persönlich absehen65 • Auch dieser Einwand erscheint jedoch nicht überzeugend. Ein solcher Verzicht auf den Zugang ist zwar möglich, er kann jedoch allein aufgrund der Einschaltung eines Empfangsboten nicht ohne weiteres angenommen werden. Wer einen anderen lediglich zur Entgegennahme und Weiterleitung der Erklärung einsetzt, will jedenfalls nicht von der eigenen Kenntnisnahme der eingegangenen Erklärung absehen. Es ist dann aber nicht einzusehen, warum er auf den der Kenntnisnahme vorgelagerten Zugang verzichten sollte, zumal er hierdurch im wesentlichen nur Nachteile und kaum Vorteile erlangen würde. 63

S. 43, 66 f.

Staudinger ! Dilcher, § 130, Rdnr. 33. So v. Tuhr, Allg. Teil, Bd. II/2, § 84 V (359 f.); ihm folgend z. B. Hadding, StudK BGB, §§ 130 - 132, Anm. 2 c. 64

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§ 12 Zugang von WEn und die Empfangsbotenlehre

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Gegen das Hinausschieben des Zugangseintritts läßt sich auch nicht einwenden, daß dadurch die Widerrufsmöglichkeit des Erklärenden unangemessen verlängert wird. Dieser könnte allerdings nach § 130 I 2 die Erklärung auch noch nach der übergabe an den Empfangsboten wirksam widerrufen. Das erscheint jedoch durchaus sachgerecht66 , da der Adressat vor der Kenntnisnahme vom Erklärungsinhalt noch kein schützenswertes Interesse am Ausschluß des Widerrufsrechts hat. Der Adressat bedarf nämlich insoweit erst des Schutzes, wenn er auf die Wirksamkeit der Erklärung vertraut. Durchgreifende Bedenken könnten sich am ehesten daraus ergeben, daß im Hinblick auf den Zugangseintritt die übergabe der WE an einen Empfangsboten anders behandelt würde als die übergabe an einen Empfangsvertreter, die nach § 164 III, I sofort zum Zugang führt. Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch aufgrund der verschiedenartigen Interessenlagen gerechtfertigt. Der Empfangsvertreter ist nämlich als rechtsgeschäftlicher Repräsentant des Geschäftsherrn nach Kenntnisnahme der WE typischerweise in der Lage, die auf seiten des Adressaten erforderlichen Dispositionen, die als Reaktion auf die Rechtswirkungen der eingegangenen WE notwendig sind, vorzunehmen oder deren Vornahme jedenfalls zu veranlassen. Der Empfangsbote erlangt demgegenüber bei verkörperten Erklärungen regelmäßig überhaupt keine Kenntnis vom Erklärungsinhalt, und bei unverkörperten Erklärungen kann zumindest eine verständige Würdigung des Erklärungsinhalts von ihm nicht erwartet werden. Auf seiten des Adressaten können deshalb die im Hinblick auf die WE notwendigen Dispositionen erst vorgenommen werden, wenn dieser selbst vom Erklärungsinhalt Kenntnis erlangt hat. Im Hinblick darauf erscheint es durchaus sachgerecht, hier das Wirksamwerden der WE hinauszuschieben. Das ist vor allem dann zum Schutz des Adressaten notwendig, wenn durch den Zugang der Erklärung eine Frist in Gang gesetzt oder sonstwie in kurzer Zeit eine Reaktion des Adressaten erforderlich wird (z. B. bei Widerruf einer dem Adressaten erteilten Inrrenvollmacht, bei Widerruf eines Auftrags oder bei einer fristlosen Kündigung). Es ist somit der Grundsatz aufzustellen, daß eine WE, die an einen Empfangsboten übermittelt worden ist, erst zu dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem unter normalen Umständen mit der Weiterleitung der Erklärung an den Adressaten gerechnet werden kann 67 • Dieser Grundsatz ist allerdings ergänzungsbedürftig und bedarf zudem gewisser Einschränkungen. So ist ein (weiteres) Hinausschieben des Zugangseintritts zum Schutz des Adressaten nicht mehr erforderlich, wenn diesem schon vor dem Zeitpunkt der nach der Verkehrs anschau66

67

A. A. Flume, Allg. Teil, Bd. 2, § 14, 3 d (237).

So zutreffend die in Fn. 26 Genannten.

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

ung zu erwartenden Kenntnisnahme die WE vom Empfangsboten ausgehändigt (bzw. mitgeteilt) wird~8. Weiterhin muß die oben aus § 130 I abgeleitete Risikoverteilung beachtet werden, wonach Kenntnisnahmehindernisse aus dem Einflußbereich des Adressaten zu dessen Lasten gehen 69 • Danach wird etwa der Eintritt des Zugangs nicht durch Abwesenheit oder Krankheit des Adressaten gehindert. Solche Kenntnisnahmehindernisse müssen auch bei der Übermittlung von WEn durch Empfangsboten außer Betracht bleiben; sonst würden sich W'ertungswidersprüche ergeben. Daraus folgt, daß bei einer WE, die einem Empfangsboten in der Wohnung oder den Geschäftsr~umen des Adressaten übergeben wird, der Zugang unmittelbar nach der übergabe der Erklärung erfolgt. Die sofortige Weitergabe der Erklärung an den Adressaten kann in solchen Fällen allenfalls an dessen Abwesenheit scheitern, die jedoch in den Risikobereich des Adressaten fällt. Anders ist es nur dann, wenn die übergabe an den Empfangsboten zur Unzeit erfolgt, z. B. am späten Abend oder in der Nacht. Hier kann - genauso wie beim Einwerfen der Erklärung in den Briefkasten oder bei Einbringen der WE in sonstige Empfangseinrichtungen - eine Kenntnisnahme erst am nächsten Morgen erwartet werden. Praktische Bedeutung wird das Hinausschieben des Zugangseintritts meist nur in den Fällen erlangen, in denen dem Empfangsboten die Erklärung außerhalb der Wohnung oder der Geschäftsräume des Adressaten übergeben wird. Nach der Verkehrsanschauung kann hier die Kenntnisnahme seitens des Adressaten erst nach Rückkehr des Boten erwartet werden. Erst zu diesem Zeitpunkt tritt also der Zugang ein 7o •

3. Voraussetzungen für die Annahme einer Empfangsbotenschaft Für die Verteilung des übermittlungsrisikos, das sich aus der Einschaltung von übermittlungspersonen ergibt, ist von maßgebender Bedeutung, unter welchen Voraussetzungen eine Mittelsperson als Empfangsbote 'einzuordnen ist. Es gibt letztlich verschiedene Ansätze, um dem Adressaten eine übermittlungsperson als Empfangsboten zuzurechnen. Die Zurechnungskriterien könnten dabei aus einer Analogie zum Recht der Stellvertretung oder aus den allgemeinen Zugangsvoraussetzungen abgeleitet werden.

Vgl. dazu auch oben § 4 II 2 b. Vgl. § 4 II 1 b. 70 Zu im wesentlichen gleichen Ergebnissen kommen die in Fn. 27 Genannten. 6B

69

§ 12 Zugang von WEn und die Empfangsbotenlehre

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a) Zurechnung der Übermittlungstätigkeit von Mittelspersonen aufgrund des Kriteriums vom "Machtbereich" des Adressaten Für die h. M., die beim Zugang entscheidend darauf abstellt, ob die Erklärung in den (Macht-)Bereich des Adressaten gelangt isFt, liegt es nahe, dieses Kriterium auch dafür zu benutzen, dem Adressaten bestimmte Empfangspersonen zuzuordnen. Entscheidend ist dann, ob die Mittelsperson objektiv zum Macht- oder Organisationsbereich des Adressaten gehört7 2 • Von diesem Ansatz her erscheint es verständlich, wenn die h. M. nicht auf die individuellen Empfangsvorkehrungen des Adressaten, sondern darauf abstellt, ob die Mittelsperson nach der Verkehrsanschauung als ermächtigt erscheint, WEn für den Adressaten entgegenzunehmen73. Die Formel vom Machtbereich ist jedoch, wie schon oben nachgewiesen7 4, zu konturenlos und deshalb zur Bestimmung der Zugangsvoraussetzungen nicht brauchbar. Gerade bei der Frage, ob eine Mittelsperson als Empfangsbote dem Bereich des Adressaten zuzurechnen ist, erweist sie sich wiederum als eine Leerformel, durch welche die maßgebenden Gesichtspunkte der Zurechnung nur verdeckt werden. Konkrete Zurechnungskriterien, wie sie für die praktische Rechtsanwendung notwendig sind, lassen sich aus der Formel vom Machtbereich nicht ableiten, weil eine exakte Eingrenzung des Machtbereichs unmöglich ist. Hinzu kommt, daß auch nicht jede Mittelsperson im Machtbereich des Adressaten 75 als dessen Empfangsbote angesehen und dem Adressaten das aus ihrer Einschaltung resultierende Übermittlungsrisiko aufgebürdet werden kann. Es wäre unbillig, wenn dieser mit einem solchen unüberschaubaren und nicht beherrschbaren Risiko belastet würde. Das erkennt auch die h. M. an, die nur solche Mittelspersonen aus dem Einflußbereich des Adressaten zu den Empfangsboten zählt, die nach der Verkehrsanschauung als zur Entgegennahme von Erklärungen ermächVgl. § 3 I 2. Vgl. dazu etwa W. Cohn, 68; Moritz, BB 1977, 400, 402, sowie die in Fn. 7 Genannten. Die bei Einschaltung von Empfangspersonen sich ergebenden Zugangsprobleme würden sich danach schon allein mit Hilfe der allgemeinen Zugangsformel lösen lassen, ohne daß es noch der besonderen Rechtsfigur des Empfangsboten bedürfte. So arbeitete auch die ältere Rspr. allein mit -der Machtbereichsformel (vgl. die Nachw. in Fn. 34 f.). 73 Vgl. die Nachw. in Fn. 4. 74 Vgl. § 5 II 1. 75 Der Begriff des "Machtbereichs" ist hier auch unter sprachlichen Gesichtspunkten verfehlt. Es könnte dadurch der Eindruck entstehen, die Hilfspersonen unterlägen der Macht des Adressaten. Eine Herrschaftsmacht über Personen ist unserer Rechtsordnung jedoch fremd. Letztlich kann es nur um eine beschränkte, tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit des Adressaten gehen, die dieser gegenüber der Mittelsperson erlangt hat. Man kann hier deshalb allenfalls von einem Einfiuß- oder Einwirkungsbereich des Adressaten sprechen. 71

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

tigt erscheinen. Die Sachgerechtigkeit dieses einschränkenden Kriteriums, das seinerseits wiederum wertausfüllungsbedürftig ist, wird dabei von der h. M. nicht näher begründet. Es läßt sich jedenfalls aus der Formel vom Machtbereich nicht ableiten. b) Entwicklung eines Lösungsansatzes auf der Grundlage der Lehre von den Empfangseinrichtungen und einer Analogie zur Bevollmächtigung Da der Empfangsbote die Funktion einer Empfangseinrichtung übernimmt, liegt es nahe, für die Empfangsbotenzurechnung auf die bei Empfangseinrichtungen geltenden Grundsätze zurückzugreifen. Für eine Empfangseinrichtung ist kennzeichnend, daß der Adressat nach außen in einer für den Erklärenden erkennbaren Weise Vorkehrungen zur Entgegennahme von WEn getroffen hat. Empfangseinrichtungen gehen also immer auf einen Einrichtungsakt des Adressaten zurück76 . Das spricht dafür, als Empfangsboten grundsätzlich nur solche Personen anzusehen, die vom Adressaten zur Entgegennahme von Erklärungen eingesetzt worden sind; das heißt, der Adressat muß die Mittelsperson ausdrücklich oder konkludent zur Entgegennahme von Erklärungen ermächtigt haben. Für die Notwendigkeit einer solchen Ermächtigung läßt sich weiterhin anführen, daß der Empfangsbote sowohl mit dem Stellvertreter als auch mit dem Erklärungsboten jeweils wesentliche Gemeinsamkeiten aufweist. Die Stellvertretung setzt, soweit nicht eine gesetzliche Vertretungsmacht besteht, die Erteilung von Vollmacht durch den Vertretenen voraus. Auch für den Erklärungsboten ist inzwischen weitgehend anerkannt, daß dieser für sein Tätigwerden einer Ermächtigung seitens des Erklärenden bedarF7. Im Hinblick auf die vorhandene Wesensverwandtschaft muß dann aber Entsprechendes für den Empfangsboten gelten. Nur wenn der Erklärende die Mittelsperson zur Entgegennahme von WEn ermächtigt hat, besteht auch eine plausible Rechtfertigung dafür, ihm das aus der Tätigkeit dieser Mittelsperson resultierende übermittlungsrisiko aufzubürden. 76 Eine Ausnahme kann sich nur unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung ergeben. Wenn der Adressat in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer Empfangseinrichtung geschaffen hat, dann muß der Erklärende darauf vertrauen dürfen (ähnlich DHcher, AcP 154, 120, 129). 77 Vgl. E. Brinkmann, 62 ff. m. w. N.; Hadding in StudK BGB, § 120, Anm. 1 b; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 80 f.; MünchKomm / Thiele, Vor § 164, Rdnr. 50; Palandt / Heinrichs, Einf. v. § 164, Anm. 3 f.; Staudinger / Coing, 11. Aufl., Vorbem. § 164, Rdnr. 31; a. A. Stau dinger / Dilcher, Vorbem. § 164, Rdnr. 76, der entscheidend darauf abstellt, ob zwischen dem Boten und dem Geschäftsherrn ein entsprechendes Rechtsverhältnis besteht, aus dem sich eine Befugnis oder eine Pflicht zur Botentätigkeit ergibt.

§ 12 Zugang von WEn und die Empfangsbotenlehre

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Klärungsbedürftig bleibt, ob es sich dabei um eine rechtsgeschäftliche Ermächtigung handelt und welche Anforderungen an eine Empfangsboteneinsetzung zu stellen sind. Wegen der Verwandtschaft des Empfangsboten mit dem Empfangsvertreter mag es zunächst naheliegen, von einer rechtsgeschäftlichen Ermächtigung analog § 167 auszugehen 78 • Gegen die rechtsgeschäftliche Natur der Empfangsbotenermächtigung spricht jedoch, daß die Tätigkeit des Empfangsboten im Gegensatz zum Handeln des Vertreters rein tatsächlicher Art ist und es hier allein um die Zurechnung von Nachteilen geht, die sich aus einer unterlassenen, verspäteten oder falschen Übermittlung der Erklärung ergeben. Für die Zurechnung solcher Nachteile, die aus fehlerhaften Realakten von Hilfspersonen resultieren, wird jedoch typischerweise an rein tatsächliche Umstände angeknüpft. So kommt es etwa bei § 278 darauf an, daß der Geschäftsherr die Hilfsperson willentlich bei der Erfüllung seiner Verbindlichkeit eingesetzt haF9. Auch § 120, der den Erklärungsboten betrifft, stellt allein auf die "Verwendung" des Boten zur Erklärungsübermittlung ab. Diese Formulierung des Gesetzes läßt nicht erkennen, daß für die Einsetzung eines Boten ein Rechtsgeschäft erforderlich ist. Sie deutet vielmehr darauf hin, daß die rein tatsächliche Einschaltung des Boten durch den Geschäftsherrn genügt. Schließlich sprechen vor allem praktische Erwägungen dagegen, für die Empfangsbotentätigkeit eine rechtsgeschäftliche Ermächtigung zu verlangen. Es muß die Möglichkeit bestehen, auch Geschäftsunfähige als Boten einzusetzen. Das ist sachgerecht, weil die reine Übermittlungstätigkeit des Boten ohne weiteres auch von einem für zuverlässig gehaltenen Geschäftsunfähigen ausgeübt werden kann. Im Rechtsverkehr ist es, zumindest bei den Bagatellgeschäften des täglichen Lebens, auch durchaus üblich, Geschäftsunfähige als Boten einzusetzen. Die Verwendung eines Geschäftsunfähigen als Boten wäre jedoch vielfach nicht möglich, wenn man eine rechtsgeschäftliche Ermächtigung für notwendig hielte. Eine solche könnte nämlich gegenüber dem Geschäftsunfähigen selbst nicht erteilt werden; hierzu bedürfte es des Zugangs der Ermächtigungserklärung beim gesetzlichen Vertreter (vgl. § 131 1)80. So vor allem E. Cohn, 37 ff. Vgl. Erman I Battes, § 278, Rdnr. 15 f.; Staudinger I Löwisch, § 278, Rdnr. 8; auch die Haftung des Geschäftsherrn nach § 831 knüpft daran an, daß die Hilfsperson vom Geschäftsherrn mit einer Verrichtung tatsächlich betraut worden ist. 80 Dieses unpraktische Ergebnis soll sich nach E.. Cohn, 38 f., dadurch vermeiden lassen, daß bei der Einschaltung des Geschäftsunfähigen die Empfangsbotenermächtigung gegenüber dem Geschäftsgegner erklärt wird (entsprechend einer Außenvollmacht). Durch das Auftreten des geschäftsunfähigen Boten soll gleichzeitig auch die konkludent erklärte Ermächtigung dem Geschäftsgegner zur Kenntnis gebracht werden. Damit sei diesem die Ermächtigungserklärung zugegangen. Diese Konstruktion ist jedoch schon deshalb 78

79

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

Aus den genannten Gründen ist somit davon auszugehen, daß für die Einsetzung eines (Empfangs-)Boten keine rechtsgeschäftliche Ermächtigung notwendig ist. Wenn gleichwohl von einer Botenermächtigung gesprochen8! und hier diese Terminologie ebenfalls verwandt wird, so ist darunter eine rein tatsächliche Ermächtigung durch den Adressaten zu verstehen 82 • Damit ist gemeint, daß die Empfangsbotentätigkeit irgend wie auf den tatsächlichen Willen des Adressaten zurückzuführen sein muß. Dieser muß die Hilfsperson willentlich damit betraut haben, für ihn WEn entgegenzunehmen. Die Einsetzung als Empfangsbote kann sich dabei auf die Entgegennahme einer einzigen WE, einer bestimmten Art von Erklärungen, etwa eingehender schriftlicher WEn, oder auch auf die Entgegennahme aller an den Adressaten gerichteten Erklärungen beziehen. Der Umfang der erteilten Ermächtigung läßt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls feststellen. Dabei dürfte von entscheidender Bedeutung sein, welchen tatsächlichen Aufgabenbereich der Adressat der Hilfsperson zugewiesen hat. Bringt die Wahrnehmung dieser Aufgaben auch die Entgegennahme von Erklärungen für den Geschäftsherrn mit sich, so muß in der Zuweisung des Aufgabenbereiches gleichzeitig eine konkludente Ermächtigung zur Empfangnahme der betreffenden WEn gesehen werden. Die willentliche Einschaltung der Hilfsperson zur Entgegennahme von Erklärungen ist alleiniges und auch ausreichendes Kriterium, um dem Adressaten die Übermittlungstätigkeit und das daraus resultierende Risiko zuzurechnen. So ist nicht notwendig, daß die Hilfsperson auch nach außen als Empfangsbote auftritt 83 • Ein solches Auftreten der Hilfsperson könnte allenfalls im Interesse des Erklärenden notwendig sein, damit dieser die Empfangszuständigkeit der Mittelsperson und die bei Übergabe der Erklärung eintretende Risikoverlagerung auf den Adressaten erkennen kann. Hat der Erklärende die Erklärung jedoch tatsächlich der Hilfsperson übergeben, dann kann es jedenfalls auf die Erkennbarkeit der Empfangsbotenstellung nicht mehr ankommen. Sonst würde sich die fehlende Erkennbarkeit gerade zum Nachteil des Erklärenden auswirken. Dieser muß sich vielmehr darauf berufen können, daß durch die Übergabe der Erklärung an die Empfangsperson das Übermittlungsrisiko auf den Adressaten verlagert worden ist. nicht zu halten, weil der Geschäftsunfähige wiederum als Erklärungsbote hinsichtlich der konkludenten Ermächtigungserklärung fungieren würde. Dafür brauchte er jedoch wiederum eine Botenermächtigung (krit. auch E.

Brinkmann, 65).

Vgl. z. B. die in Fn. 77 Genannten. Ebenso MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 19; E. Wolf, Allg. Teil, § 7 C II d 2 dd, Fn. 93 (326). 83 A. A. z. B. Staudinger / Dilche1·, § 130, Rdnr. 33. 81

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§ 12 Zugang von WEn und die Empfangsbotenlehre

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Ehensowenig kann es darauf ankommen, daß die vom Adressaten eingesetzte Empfangsperson zur Übermittlung der betreffenden WE geeignet ist. Ein solches Erfordernis wird von der Literatur und Rechtsprechung84 teilweise für die Übermittlung von nichtverkörperten WEn aufgestellt. Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Adressat, der die Hilfsperson eingesetzt hat, eher deren geistige Fähigkeiten und deren Zuverlässigkeit beurteilen kann als der Erklärende. Wenn der Adressat willentlich jemanden als Empfangsboten einschaltet, dann muß er billigerweise das Risiko tragen, eine ungeeignete Person ausgewählt zu haben 85 • Beim Erklärungsboten ist jedenfalls un~ bestritten, daß der Erklärende das Auswahlrisiko voll zu tragen hat und die Ungeeignetheit des eingesetzten Boten zu seinen Lasten geht. Dementsprechend muß beim Empfangsboten der Adressat dieses Risiko tragen. c) Empfangsbotenermächtigung kraft Verkehrsanschauung (1) Problematisch ist, inwieweit Angestellte des Adressaten, Familienmitglieder oder sonstige mit dem Adressaten zusammenlebende Personen (z. B. Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Mitglieder einer Wohngemeinschaft) als Empfangsboten angesehen werden können, wenn die Erteilung einer Empfangsbotenermächtigung nicht eindeutig feststellbar ist.

Allein aus der Tatsache, daß die Mittelsperson mit dem Adressaten in einer Hausgemeinschaft lebt oder in dessen Betrieb (Geschäft) tätig ist, läßt sich jedenfalls nicht ohne weiteres eine Empfangsboteneinsetzung ableiten 86 • Das Zusammenleben in einer Ehe, Familien- oder Hausgemeinschaft bringt es nicht notwendigerweise mit sich, daß der eine rechtsgeschäftliche Belange des anderen wahrnimmt. Ob und in welchem Umfang der eine den anderen im Rahmen der bei solchen Wohn- oder Lebensgemeinschaften üblichen gegenseitigen Unterstützung und Hilfeleistung bei der Abgabe und der Entgegennahme rechtsgeschäftlicher Erklärungen einschaltet, läßt sich nicht einheitlich beantworten; es hängt maßgebend von dem im konkreten Fall bestehenden Vertrauensverhältnis ab. Ist dieses durch Streit oder aus anderen Gründen gestört, dürfte die Annahme einer Empfangsbotenschaft schwerlich dem Willen des Adressaten entsprechen. Im Regelfall mag es allerdings so sein, daß der Adressat damit einverstanden sein wird, 84 Vgl. etwa RGZ 60, 334, 337; Lehmann / Hübner, Allg. Teil, § 32 11 3 (230); MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 21; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 3 c bb; RGRK / Krüger-Nieland, § 130, Rdnr. 20 f.; Soergel/ Hefermehl, § 130, Rdnr.16. 85 Zutreffend Staudinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 47. 86 Ebenso J. Breit, SächsArch Bd. 15, 637, 664; E. Brinkmann, 69; Cochems, 37.

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

wenn Familienmitglieder oder Hausgenossen für ihn schriftliche Erklärungen sowie unbedeutende und einfache mündliche Erklärungen entgegennehmen. Er wird sich darüber meist jedoch gar keine Gedanken machen, wenn er nicht gerade wegen einer anstehenden Abwesenheit von zu Hause Empfangsvorkehrungen treffen muß. Ein nur vermuteter Wille kann jedoch für die Empfangsbotenbestellung ebensowenig ausreichen wie für die Bevollmächtigung oder die Ermächtigung eines Erklärungsboten. Vielmehr muß ein entsprechender realer Wille nach außen zum Ausdruck gebracht worden sein. Bei Angestellten und sonstigen Beschäftigten des Adressaten ist eine Empfangsbotenermächtigung nur feststellbar, wenn die Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben die Entgegennahme von WEn mit sich bringt. In der Übertragung eines solchen Aufgabenkreises ist dann eine konkludente Ermächtigung zur Entgegennahme der betreffenden WEn zu sehen. Wenn dagegen der zugewiesene Aufgabenbereich nicht auch erkennbar die Entgegennahme von WEn erfaßt, dann würde die Annahme einer Empfangsbotenermächtigung auf eine reine Fiktion hinauslaufen. Bei Personen, die in noch weniger engen Beziehungen zum Adressaten stehen, wie z. B. Vermieter, Hausverwalter oder Nachbarn, läßt sich erst recht ohne konkrete Anhaltspunkte keine Botenermächtigung annehmen. (2) Auch die h. M. geht davon aus, daß bei den oben genannten Personen nicht ohne weiteres eine Ermächtigung seitens des Adressaten zur Empfangsbotentätigkeit unterstellt werden kann. In dem offensichtlichen Bestreben, den Erklärenden, der vielfach nicht feststellen kann, ob eine Mittelsperson zur Entgegennahme von Erklärungen ermächtigt worden ist, zu schützen, hält die h. M. jedoch eine typisierende Betrachtungsweise für notwendig. Danach soll es, wie oben dargestellt87 , für die Annahme einer Empfangsbotenschaft ausreichen, wenn die Mittelsperson jedenfalls nach der Verkehrsanschauung zur Entgegennahme von WEn als ermächtigt anzusehen ist. Ob eine solche Empfangsermächtigung kraft Verkehrsanschauung anzuerkennen ist, bedarf kritischer Überprüfung. Zweifel bestehen schon, ob der Rückgriff auf die Verkehrsanschauung im praktischen Fall überhaupt eine hinreichend zuverlässige Beurteilung ermöglicht. Auf die Verkehrsanschauung kann nur zurückgegriffen werden, wenn sich im Rechtsverkehr hinreichend klare Vorstellungen darüber entwickelt hätten, welche Personen welche konkreten Erklärungen für den Adressaten entgegenzunehmen befugt sind. Daran fehlt es jedoch. Ein Adressat kann in ganz unterschiedlicher Weise Empfangsvorkehrungen treffen und Personen seiner Umgebung, die er für vertrauenswürdig hält, in die Empfangnahme von WEn einschalten. 87

Vgl. S. 109 ff.

§ 12 Zugang von WEn und die Empfangsbotenlehre

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Allenfalls bei Familienangehörigen, die mit dem Adressaten zusammenleben, könnte vielleicht eine Empfangsermächtigung als allgemein üblich unterstellt werden. Aber auch bei einer solchen Annahme wäre der Umfang der Ermächtigung zweifelhaft. Zweifel ergeben sich vor allem im Hinblick auf mündliche Erklärungen, bei denen ein erhöhtes Verfälschungsrisiko besteht. Daß Familienangehörige auch für solche Erklärungen empfangsbefugt sind, selbst wenn diese kompliziert und für den Adressaten von erheblicher Bedeutung sind, läßt sich jedenfalls nicht ohne weiteres unterstellen. Es ist bezeichnend, daß die Vertreter der h. M. sich zwar alle auf die Verkehrsanschauung berufen, sie dann aber bei der Bestimmung der Empfangsboteneigenschaft einzelner Mittelspersonen und bei der Festlegung des Umfangs ihrer Ermächtigung zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kommen 88 • Das ist ein deutliches Zeichen dafür, daß hier eine hinreichend gesicherte und überwiegend anerkannte Verkehrsanschauung gar nicht vorhanden ist. Ein weiterer Mangel der h. M. besteht darin, daß sie für ihren Ansatz keine oder zumindest keine tragfähige Rechtsgrundlage anführt. Wie soeben unter a) nachgewiesen, läßt sich jedenfalls aus der Machtbereichslehre keine ausreichende Begründung für eine Empfangsermächtigung kraft Verkehrsanschauung entwickeln. Ebensowenig reicht der pauschale Hinweis darauf, daß das Vertrauen des Erklärenden auf die Empfangsbefugnis bestimmter, in Beziehung zum Adressaten stehender Personen schutzwürdig ist. Aus dem abstrakten Vertrauensschutzprinzip läßt sich für die Rechtsanwendung in einem konkreten Fall wenig herleiten. Denn der Vertrauensschutz ist in den einzelnen Rechtsbereichen sowohl hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen ganz unterschiedlich ausgestaltet89 • Es kann deshalb immer nur auf die einzelnen dem Vertrauensschutz dienenden gesetzlichen Regelungen zurückgegriffen und evtl. deren Ausdehnung im Wege der Rechtsfortbildung erwogen werden. Zudem geht die von der h. M. vorgenommene Typisierung der Empfangszuständigkeit über das für den Vertrauensschutz Notwendige hinaus. Der Erklärende würde nämlich auch geschützt, wenn er im konkreten Fall gar nicht auf die Ermächtigung der Mittelsperson zur Entgegennahme von WEn vertraut hat oder vertrauen durfte. Insoweit ließe sich die Typisierung allenfalls noch mit dem Verkehrsinteresse rechtfertigen, dem Erklärenden unabhängig von eventuellen Empfangsvorkehrungen des Adressaten die Herbeiführung des Zugangs zu erleichtern, wenn der Adressat selbst nicht angetroffen wird. Die h. M. geht jedoch auch unter diesem Gesichtspunkt über das hinaus, was im Vgl. oben S. 110 f. Zur Unergiebigkeit des abstrakten Vertrauensgedankens für die praktische Rechtsanwendung vgl. auch Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 3 f. 88

89

9 Brinkmann

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

Interesse des Verkehrs schutzes erforderlich sein könnte. Denn die Empfangsbefugnnis des Empfangsboten kraft Verkehrsanschauung soll selbst in den Fällen bestehen, in denen der Adressat erreichbar ist oder die Benutzung von Empfangseinrichtungen ohne weiteres möglich wäre. Unabhängig davon kann das Verkehrsinteresse ebensowenig wie das abstrakte Vertrauensschutzprinzip als hinreichende Rechtsgrundlage für eine Empfangsbotenzurechnung in Betracht kommen. Es handelt sich hierbei lediglich um einen Gesichtspunkt unter mehreren, die bei der Entwicklung einer interessengerechten Lösung zu berücksichtigen sind. Es wäre jedenfalls verfehlt, wenn man für die Zurechnung allein auf das Verkehrsinteresse und den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes abstellen würde. Auch das Interesse des Adressaten, seine Empfangsvorkehrungen selbst zu treffen und nicht irgendwelche Personen als Empfangsboten aufgedrängt zu bekommen, muß berücksichtigt werden. Die h. M. begründet in keiner Weise, warum der Verkehrsschutz Vorrang vor den Interessen des Adressaten haben soll. Gegenüber dem Adressaten muß ein plausibler Grund angeführt werden können, wenn ihm die Übermittlungstätigkeit einer von ihm nicht ermächtigten Person zugerechnet werden soll. Allein mit dem Hinweis auf eine angebliche Verkehrsanschauung, deren Inhalt zudem noch im einzelnen unklar und bestritten ist, läßt sich eine solche Zurechnung nicht begründen. Ebensowenig wie es einen Vertreter, Erklärungsboten, Erfüllungsoder Verrichtungsgehilfen kraft Verkehrsanschauung gibt, kann es einen Empfangsboten kraft Verkehrsanschauung geben. d) Entsprechende Anwendung der Regeln von der Duldungs- und Anscheinsvollmacht Trotz aller Kritik an der h. M. muß zugestanden werden, daß es unbillig wäre, den Erklärenden nur dann vom übermittlungsrisiko zu entlasten, wenn die Empfangsperson vom Adressaten tatsächlich als Empfangsbote eingesetzt worden ist. Dem Schutzbedürfnis des Erklärenden läßt sich jedoch auf anderen Wegen in sachgerechter Weise Rechnung tragen. Die Ähnlichkeit der Botenschaft mit der Stellvertretung spricht dafür, zunächst einmal das Vertrauen auf das Bestehen einer Botenermächtigung in gleicher Weise zu schützen wie das Vertrauen auf das Bestehen von Vertretungsmacht90 • Im Vertretungsrecht wird der Geschäftsgegner durch die §§ 170 ff. und vor allem durch die Grundsätze

90

Bei Erklärungsboten hält man das für selbstverständlich, vgl. etwa

Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 66 ff.

§ 12 Zugang von WEn und die Empfangsbotenlehre

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der Duldungs- und Anscheinsvollmacht geschützt. Die Regeln der Duldungs- und Anscheinsvollmacht sind zwar nicht ganz unbestritten91 • Es würde hier jedoch zu weit führen, im einzelnen auf die Kritik der in der Rechtspraxis verfestigten Grundsätze von der Rechtsscheinsvollmacht einzugehen. Es kann letztlich auch offenbleiben, inwieweit der Haupteinwand der Kritiker zutreffend ist, daß die Nichterfüllung pflichtgemäßer Sorgfalt, woran bei der Rechtsscheinsvollmacht angeknüpft wird, nicht einer WE gleichgesetzt werden dürfe und deshalb niemals die Geltung einer rechtsgeschäftlichen Regelung begründen könne 92 • Dieser Einwand kann m. E. nur die Aktivvertretung betreffen; er paßt dagegen nicht, wenn es lediglich darum geht, dem Geschäftsherrn die Entgegennahme einer an ihn adressierten, fremden WE durch einen (Emfangs-)Vertreter zuzurechnen. Soweit es um die Passivvertretung geht, ist jedenfalls mit der h. M. eine Rechtsscheinsvollmacht anzuerkennen. Die Übertragung der Grundsätze von der Duldungs- und Anscheinsvollmacht auf den Empfangsboten schafft eine ausreichende dogmatische Grundlage für den Vertrauensschutz des Erklärenden. Jedenfalls läßt sich mit ihnen gegenüber dem Adressaten eine Empfangsbotenzurechnung plausibel begründen. Die Regeln der Anscheins- und Duldungsvollmacht folgen nämlich dem Prinzip zurechenbar veranlaßten Rechtsscheins. Auf die Empfangsbotenschaft übertragen, bedeutet dies, daß dem Adressaten nur dann eine von ihm nicht zur Entgegennahme von Erklärungen ermächtigte Person als Empfangsbote zugeordnet wird, wenn er den Rechtsschein einer Empfangsbotenbestellung veranlaßt und damit einen hinreichenden Zurechnungsgrund gesetzt hat. Es wird somit nicht einseitig allein auf das Vertrauensinteresse des Erklärenden abgestellt, sondern es werden in angemessener Weise auch die Interessen des Adressaten berücksichtigt. Entsprechend den zur Anscheins- und Duldungsvollmacht entwikkelten Grundsätzen93 müssen im einzelnen folgende Voraussetzungen für eine Empfangsbotenzurechnung aufgrund Rechtsscheins vorliegen: Es muß zunächst nach den äußeren, dem Erklärenden erkennbaren Umständen der objektive Anschein einer Empfangsboteneinsetzung bestehen. 91 Sie werden von der h. M. anerkannt; vgl. RGZ 65, 292, 295; 170, 281, 284; BGH, LM § 167 Nr. 4, 8, 10, 13, 17; BAGE 15, 300, 305; Erman I Brox, § 167, Rdnr. 7 H.; MünchKomm I Thiele, § 167, Rdnr. 40 H.; Soergel I Schultzev. Lasaulx, § 167, Rdnr. 17 H.; kritisch dagegen vor allem Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 49, 4 (832 ff.); ihm folgend Canaris, Vertrauenshaftung, 48 H.; Larenz, Allg. Teil, § 33 I a (626 f.); Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 101. 92 Vgl. Flume, Fn. 91 (834). 93 Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Anscheins- und Duldungsvollmacht vgl. Erman I Brox, § 167, Rdnr. 13 H.; MünchKomm I Thiele, § 167, Rdnr. 44 H., 54 H.

9'

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

Auf seiten des Adressaten ist erforderlich, daß dieser den Rechtsschein in zurechenbarer Weise veranlaßt hat. Das ist der Fall, wenn er die Entgegennahme von Erklärungen durch die Mittelsperson bewußt geduldet 94, wenn er der Mittelsperson eine Stellung eingeräumt hat, die typischerweise die Entgegennahme von Erklärungen mit sich bringt95 , oder wenn er das ihm unbekannt gebliebene Auftreten der Mittelsperson als Empfangsbote bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können 96 • DerErklärende oder der von ihm eingesetzte Erklärungsbote muß von den rechtsscheinbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt und bei Übergabe der Erklärung an die Mittelsperson auf deren Empfangsbefugnis vertraut haben; das Vertrauen darf dabei nicht auf Fahrlässigkeit beruhen. Legt man diese Voraussetzungen zugrunde, dann hängt der Vertrauensschutz des Erklärenden von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Das Vertrauen des Erklärenden wird in viel engeren Grenzen geschützt als nach der Lösung der h. M. Daß die Hilfsperson Familienangehöriger oder Angestellter des Adressaten ist, reicht allein jedenfalls zur Begründung der Empfangsboteneigenschaft nicht aus. Für einen dem Adressaten zurechenbaren Rechtsschein ist vielmehr erforderlich, daß aufgrund konkreter Handlungen oder Unterlassungen des Adressaten nach außen der Eindruck einer Empfangsboteneinsetzung entstanden ist. Die Zurechnung knüpft also immer an ein Verhalten des Adressaten an, das für den Rechtsschein ursächlich geworden ist. Bei Familienmitgliedern und Angestellten läßt sich dagegen nur anführen, daß diese in einer gewissen "Nähe" zum Adressaten stehen. Allein aus dieser Nähe läßt sich noch nicht einmal der objektive Anschein einer Empfangsbotenermächtigung herleiten, da - wie schon erwähnt - Adressaten in ganz unterschiedlicher Weise die sie umgebenden Personen in die Empfangnahme von WEn einzuschalten pflegen. Um einen Rechtsschein annehmen und dem Adressaten zurechnen zu können, müssen also weitere, von diesem veranlaßte Umstände hinzutreten. In Betracht kommt etwa, daß der Adressat das Familienmitglied oder den Angestellten schon mehrfach als Boten oder Vertreter eingesetzt oder daß er das Auftreten der Person als Empfangsbote ge94 Dieser Zurechnungsgrund entspricht den Grundsätzen der Duldungsvollmacht. 95 Dieser Zurechnungs grund ist aus der Anscheinsvollmacht abgeleitet. Nach dem oben Ausgeführten (S. 128) wird hier allerdings regelmäßig schon eine konkludente Empfangsermächtigung vorliegen. Für eine Anscheinsermächtigung bleibt jedoch in den Fällen Raum, in denen der Mittelsperson, wie sich aus den für den Erklärenden nicht erkennbaren Umständen des Innenverhältnisses ergibt, eine Empfangsbefugnis trotz der nach außen eingeräumten Stellung nicht zustehen soll. 96 Die Zurechnung erfolgt hier ebenfalls nach den für die Anscheinsvollmacht entwickelten Grundsätzen.

§ 13 Zugang von WEn bei Einsatz sonstiger Mittelspersonen

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duldet hat. Bei Angestellten kann sich aus der ihnen eingeräumten Stellung der Anschein einer Empfangsbotenermächtigung ergeben97 • In solchen Fällen ist jedoch auch noch die oben genannte weitere Voraussetzung zu beachten: Dem Erklärenden (bzw. dem Erklärungsboten) müssen die für den Rechtsschein relevanten Umstände erkennbar sein, und er muß ohne Fahrlässigkeit auf den Rechtsschein der Empfangsboteneinsetzung vertrauen. Es dürfte ohne weiteres einleuchten, daß die dargestellten Grundsätze der Anscheinsermächtigung den Erklärenden nur in begrenzter Weise schützen. Ein weitergehenderer Schutz des Erklärenden läßt sich jedoch mit der Rechtsfigur des Empfangsboten dogmatisch nicht mehr begründen. Entsprechend der rechtlichen Stellung des Empfangsboten als vom Adressaten eingesetzte Hilfsperson kann auf einen im Verhältnis zum Adressaten bestehenden hinreichenden Zurechnungsgrund, der nur in einer Ermächtigung oder in einem entsprechenden vom Adressaten geschaffenen Rechtsschein einer Ermächtigung liegen kann, nicht verzichtet werden. § 13 Zugang von Willenserklärungen bei der Einschaltung von

Mittelspersonen, die weder Empfangsvertreter noch Empfangsboten sind

Es bleibt zu überprüfen, ob es noch andere Rechtsgrundlagen gibt, um den Schutz des Erklärenden zu verstärken und im Interesse des Rechtsverkehrs den Zugangseintritt bei der Einschaltung von Mittelspersonen zu erleichtern. Auch wenn die 'eingeschaltete Mittelsperson nicht als (Empfangs-)Vertreter oder Empfangsbote dem Adressaten zugeordnet werden kann, ist damit noch nicht gesagt, daß der Erklärende in jedem Fall das übermittlungsrisiko tragen muß. Es sind noch andere rechtliche Ansatzpunkte in Betracht zu ziehen, um den Erklärenden in billiger Weise von dem übermittlungs risiko zu entlasten, das sich aus der Einschaltung einer Mittelsperson ergibt. I. Begründungsansätze für die Verlagerung des Vbermittlungsrisikos auf den Adressaten

1. Analoge Anwendung der Zustellungsvorschrijten Es liegt nahe, für die Lösung der bei der Beteiligung von Mittelspersonen entstehenden Zugangsprobleme die Regelungen der Zustellung, insbesondere die §§ 181, 183 ZPO, § 11 VwZG, welche die Ersatzzustellung betreffen, heranzuziehen. 97

Vgl. aber auch Fn. 95.

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

Bei der Zustellung handelt es sich um einen in gesetzlicher Form zu bewirkenden und zu beurkundenden Vorgang, durch den dem Adressaten Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks verschafft werden solP. Der Zweck der Zustellung besteht also - ebenso wie der des Zugangs - darin, einem anderen die Kenntnisnahme eines ihn betreffenden rechtlich relevanten Inhalts zu ermöglichen. Auch die Interessenlage der Beteiligten ist weitgehend gleich. Wenn die Zustellung zur Vollendung eines Rechtsaktes erforderlich ist 2 , möchte der Zustellungsveranlasser - wie der Erklärende einer WE -, daß die Wirksamkeit des Rechtsaktes möglichst bald eintritt und nicht von irgendwelchen Umständen des übermittlungsvorgangs abhängt, auf die er keinen Einfluß hat. Dagegen hat der Zustellungsadressat - ähnlich dem Adressaten einer WE - ein Interesse daran, daß das Wirksamwerden des Rechtsaktes bis zur tatsächlichen Kenntnisnahme vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks, zumindest aber bis zur Verschaffung einer gesicherten Kenntnisnahmemöglichkeit hinausgeschoben wird. Für die Zustellung hat das Gesetz diesen Interessenkonflikt in der Weise gelöst, daß grundsätzlich das zu übermittelnde Schriftstück dem Zustellungsadressaten ausgehändigt werden muß. Wird dieser jedoch in seiner Wohnung nicht angetroffen, dann kann im Wege der ErsatzzusteIlung nach § 181 I ZPO an einen zur Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen oder Bediensteten zugestellt werden. Wenn auch solche Personen in der Wohnung des Adressaten nicht angetroffen werden, ist eine Zustellung an den im seI ben Haus wohnenden Hauswirt oder Vermieter möglich (§ 181 II ZPO). Bei Abwesenheit von Gewerbetreibenden, Rechtsanwälten und Notaren kann nach § 183 ZPO an die im Geschäftslokal anwesenden Hilfspersonen zugestellt werden. Eine ähnliche Regelung trifft § 184 ZPO für die Ersatzzustellung bei einer juristischen Person, wenn deren gesetzlicher Vertreter nicht angetroffen wird. Die Ersatzzustellung wirkt in allen Fällen für und gegen den Zustellungsadressaten, unabhängig davon, ob und wann dieser Kenntnis vom Inhalt des zugestellten Schriftstücks erlangt. Die aufgezeigten funktionalen Gemeinsamkeiten zwischen der Zustellung und dem Zugang legen es nahe, die dargestellten Grundsätze über die Ersatzzustellung auf den Zugang von verkörperten WEn zu übertragen. Dies würde dazu führen, daß den oben genannten Familienan1 Rosenberg I Schwab, Zivilprozeßrecht, § 73 I 1 (413); Stein I Jonas I Pohle, ZPO, vor § 166, Anm. 1. 2 Teilweise dient die Zustellung allerdings nicht der Vollendung von Rechtsakten, sondern lediglich dazu, dem Adressaten einen schon wirksam gewordenen Rechtsakt in bestimmter Form bekanntzugeben (z. B. Zustellung eines bereits verkündeten gerichtlichen Endurteils nach § 317 ZPO). Die Bekanntgabe zieht dann jedoch wiederum weitere Rechtswirkungen nach sich (mit der Zustellung des Urteils beginnen z. B. die Rechtsmittelfristen der §§ 516, 552 ZPO sowie die Berichtigungsfrist des § 320 II ZPO zu laufen).

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gehörigen und den vom Adressaten beschäftigten Hilfspersonen eine subsidiäre gesetzliche Empfangsbefugnis zur Entgegennahme von verkörperten WEn zukäme. Wenn die übergabe der Erklärung an den Adressaten wegen dessen Abwesenheit nicht möglich ist, könnte also der Zugang durch übergabe der Erklärung an die genannten Mittelspersonen herbeigeführt werden. Eine solche Lösung kommt sicherlich den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entgegen. Vor allem dann, wenn für die WE eine Frist besteht, ist es wichtig, daß der Erklärende auch bei einer Abwesenheit oder Nichterreichbarkeit des Adressaten eine zumutbare Möglichkeit hat, den Zugang und damit die Wirksamkeit der Erklärung herbeizuführen. Das Offenhalten von Zugangsmöglichkeiten dürfte für den Erklärenden vielleicht von noch größerer Bedeutung sein als der Vertrauensschutz in den seltenen Fällen des Rechtsscheins einer Empfangsbotenermächtigung. Denn es ist ein häufig auftretendes Problem, daß der Erklärende dem Adressaten wegen dessen Unerreichbarkeit die Erklärung nicht selbst zukommen lassen kann 3• Dem Erklärenden bleibt dann oftmals nichts anderes übrig, als die Erklärung bei einer dem Adressaten nahestehenden Person oder einem Angestellten zurückzulassen, auch wenn 'er von einer Empfangsbefugnis nicht ohne weiteres ausgehen kann oder sogar weiß, daß der Adressat der betreffenden Person keine Empfangsbefugnis eingeräumt hat. Die Unerreichbarkeit des Adressaten kann billigerweise nicht zu Lasten des Erklärenden gehen. Sie darf sich nicht als Zugangshindernis auswirken, das dem Erklärenden die Ausübung oder Verwirklichung von Rechten (z. B. Gestaltungsrechten) unzumutbar erschwert oder gar unmöglich macht. Die Annahme einer gesetzlichen Empfangsbefugnis von erwachsenen Familienangehörigen und Angestellten des Adressaten sowie hilfsweise des Vermieters analog §§ 181, 183 ZPO ist ein möglicher Weg, der zur Entschärfung des aufgezeigten Problems geeignet ist. Dieser Lösungsansatz ist auf jeden Fall der oben kritisierten h. M. vom Empfangsboten kraft Verkehrsanschauung, die wohl meist zu ähnlichen Ergebnissen führt, überlegen. Anders als nach der h. M., bei der eine im einzelnen zweifelhafte Verkehrsanschauung die Rechtsgrundlage bildet, kann hier auf eine gesetzliche Regelung zurückgegriffen werden, die eindeutig den Kreis der empfangsbefugten Hilfspersonen bestimmt. Vorteilhaft ist auch, daß bei einer Analogie zu den §§ 181, 183, 184 ZPO die Empfangs befugnis der genannten Hilfspersonen nur subsidiär eingreift. Der Erklärende muß sich also zunächst darum bemühen, die Erklärung 3 Bei der Zustellung scheitert jedenfalls in den meisten Fällen die übergabe an den Adressaten. Nach einer empirischen Untersuchung von Hohmann, Die übermittlung von Schriftstücken in der Zivil-, Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit, 90 f., werden über 50 ~/o aller Zustellungen im Wege der Ersatzzustellung bewirkt.

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dem Adressaten selbst zu übergeben. Erst wenn das scheitert, könnte durch Übergabe der Erklärung an die in den §§ 181, 183, 184 ZPO genannten Personen der Zugang bewirkt werden. Trotz der Vorzüge des aufgezeigten Lösungswegs ergeben sich allerdings Bedenken. So ist schon zweifelhaft, ob die Interessen des Adressaten genügend berücksichtigt werden. Entgegen dem Grundsatz, daß der Adressat seine Empfangseinrichtungen und den Einsatz von Empfangspersonen selbst bestimmen kann, würden diesem ohne sein Zutun, vielleicht sogar gegen seinen Willen bestimmte Empfangspersonen aufgedrängt. Auf einen im Verhalten des Adressaten liegenden hinreichenden Zurechnungsgrund, der für die Annahree einer Empfangsbotenschaft als unverzichtbare Voraussetzung angesehen worden ist 4 , käme es nicht an. Die Grundsätze über die Ersatzzustellung orientieren sich vornehmlich an den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs und der Notwendigkeit, ein behördliches oder gerichtliches Verfahren innerhalb angemessener Zeit durchführen zu können. Der Schutz des Zustellungsadressaten wird demgegenüber zurückgestelUS. Auch beim Zugang kann sicherlich das Interesse des Adressaten an einer freien Organisation seines Empfangsbereichs und an der Sicherung der Kenntnisnahme vom Erklärungsinhalt nicht uneingeschränkt geschützt werden. Die Erfordernisse des Rechtsverkehrs gebieten hier ebenfalls Einschränkungen. Der Gesetzgeber wollte durch die Einführung der Empfangstheorie gerade den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entgegenkommen und den Wirksamkeitseintritt der WE von Mitwirkungshandlungen des Adressaten möglichst unabhängig reachen 6 • Fraglich ist allein, in welchem Umfang den Verkehrsbedürfnissen Vorrang vor den Interessen des Adressaten einzuräumen ist. Für die analoge Anwendung der verkehrsfreundlichen Grundsätze über die Ersatzzustellung könnte folgende Erwägung sprechen: Wenn den in den §§ 181 ff. ZPO genannten Personen kraft Gesetzes eine subsidiäre Empfangsbefugnis bei Klageschriften, Urteilen, behördlichen Verfügungen und sonstigen wichtigen Schriftstücken zukommt, die zumindest die gleiche Bedeutung für die Rechtsposition des Adressaten haben können wie WEn, dann erscheint es folgerichtig, eine gleiche Empfangsbefugnis auch bei WEn anzunehmen. Ein sachlicher Grund für eine unterVgl. S. 130, 133. Die Ersatzzustellung könnte gegenüber dem Adressaten damit gerechtfertigt werden, daß dieser, wenn die Erklärung in seinen Räumen an Angehörige oder Angestellte ausgehändigt wird, jedenfalls im Regelfall das Schriftstück alsbald übergeben bekommt; vgl. Hohmann, Fn. 3, 197. Im Prozeß und im Verwaltungsverfahren kann dem Schutz des Adressaten auch durch bestimmte Verfahrensregeln Rechnung getragen werden; zu erwähnen sind hier insbesondere die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. 6 Vgl. S. 33 f. 4

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schiedliche Behandlung ist jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar. Das Gesetz selbst sieht in § 132 I vor, daß der Zugang durch eine Zustellung der WE bewirkt werden kann. Hierbei gelten dann - wie aus der Verweisung des § 132 I 2 zu entnehmen ist - auch die Vorschriften über die Ersatzzustellung. Bei näherer Betrachtung ergeben sich jedoch gerade aus § 132 I durchgreifende Bedenken gegen die analoge Anwendung der §§ 181 ff. ZPO. Wenn § 132 I dem Erklärenden die Möglichkeit der Zustellung durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers eröffnet, dann spricht dies dafür, daß der Erklärende auch dieses Verfahren betreiben muß, um in den Genuß der Vorteile und Erleichterungen einer Zustellung zu kommen. Wenn er selbst (bzw. sein Erklärungsbote) entsprechend den Vorschriften der Ersatzzustellung den Zugang bewirken könnte, würde § 132 I teilweise leerlaufen7 • Weiterhin ist zu beachten, daß nach dem Wortlaut des § 132 I durch die Zustellung der Zugang als bewirkt "gilt". Diese Formulierung zeigt, daß das Gesetz mit einer Fiktion arbeitet 8 • Nach der gesetzlichen Konzeption führt also die Zustellung nach § 132 I nicht in allen Fällen9 auch zu einer Erfüllung der allgemeinen Zugangsvoraussetzungen; nur so läßt sich jedenfalls die Notwendigkeit einer Fiktion begründen. Wenn demnach die Anforderungen des Zugangs höher sind als die der Zustellung, dann ist es verfehlt, über eine Analogie die Regelungen der Zustellung zur Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen heranzuziehen. Von entscheidender Bedeutung ist schließlich, daß es sich bei der Zustellung um einen im förmlichen Verfahren vorgenommenen Hoheitsakt handelt. Die dabei einem Staatsorgan eingeräumten Befugnisse zur Ersatzzustellung können nicht auf einen Privatmann übertragen werden. Das verbietet sich vor allem auch wegen der verfahrensmäßigen Ausgestaltung der Zustellung. Neben der Beurkundung der wesentlichen Verfahrenshandlungen nach §§ 190 f. ZPO ist bedeutsam, daß der mit der Zustellung beauftragte Gerichtsvollzieher eine neutrale Stellung zwischen dem Zustellungs veranlasser und dem Adressaten einnimmt. Der Gerichtsvollzieher hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob er bei einer Abwesenheit des Adressaten eine 7 Die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher nach § 132 I hätte dann nur noch Bedeutung wegen der dadurch zu erreichenden Beweissicherung und der Möglichkeit einer Ersatzzustellung durch Niederlegung nach § 182 ZPO. 8 Allg. Meinung; vgl. etwa Erman I Brox, § 132, Rdnr. 1; Staudinger I Dileher, § 132, Rdnr. 7. 9 Der Gesetzgeber kann hier praktisch nur die Fälle der Ersatzzustellung nach den §§ 181 ff. ZPO im Auge gehabt haben. - Die Fiktionsregelung kann sich jedenfalls nicht auf die öffentliche Zustellung beziehen, die erst in § 132 II normiert ist.

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Ersatzzustellung vornimmVo. Dabei muß er auch dessen Interessen berücksichtigen. Ein Minimalschutz des Adressaten ist also gewährleistetlI. Es dürfte ohne weiteres einleuchten, daß die dem Gerichtsvollzieher eingeräumten Befugnisse nicht in gleicher Weise vom Erklärenden wahrgenommen werden können, der durch die zu übermittelnde WE selbst betroffen ist und dessen Interesse sich allein darauf richtet, die WE anzubringen. Die Gefahr eines Mißbrauchs ist nicht auszuschließen. Der Erklärende könnte sich nicht ernsthaft um die übergabe der Erklärung an den Adressaten selbst bemühen, sondern geneigt sein, sofort den Weg der "privaten Ersatzzustellung" zu gehen. Wegen der aufgezeigten Bedenken ist es nicht möglich, dem Erklärenden durch eine Analogie zu den Vorschriften der Ersatzzustellung die Herbeiführung des Zugangs zu erleichtern. 2. Analoge Anwendung der §§ 50, 51 Pasta

Für den praktisch wichtigsten Fall, nämlich für den Zugang verkörperter WEn, die durch die Post übermittelt werden, könnten die §§ 50, 51 Pasta von Bedeutung sein. Diese Vorschriften enthalten eine ähnliche Regelung wie die über die Ersatzzustellung. Nach § 50 I posta können Sendungen an den Ehegatten des Adressaten ausgehändigt werden. § 51 II posta zählt sogenannte Ersatzempfänger auf, an die der Postbeamte Sendungen aushändigen kann, wenn er den Adressaten oder seinen Ehegatten nicht antrifft. Zu den Ersatzempfängern gehören die Angehörigen des Adressaten und seines Ehegatten, die in der Wohnung oder im Geschäft des Adressaten angestellten Personen, der Wohnungsinhaber, der Vermieter sowie Hausbewohner und Hausnachbarn. Zweifelhaft ist, inwieweit sich aus den genannten Vorschriften etwas für den Zugang von WEn ableiten läßt. Auf den ersten Blick mag die Heranziehung der §§ 50, 51 posta als ein möglicher Weg erscheinen, um in einem Teilbereich die sich bei Einschaltung von Mittelspersonen ergebenden Zugangsprobleme zu lösen. Gegen diesen Lösungsweg spricht jedoch, daß es bei den §§ 50, 51 posta und beim Zugang von WEn um zwei völlig verschiedene Regelungsbereiche geht. Der Zugang betrifft 10 Daß die Ersatzzustellung im Ermessen des Zustellungsbeamten liegt, läßt sich aus dem Wortlaut der §§ 181 ff. ZPO entnehmen; vgl. auch Stein / Jonas / Pohle, ZPO, § 181, Anm. I. 11 Der Gesetzgeber hat diesen Schutz jedenfalls für wesentlich gehalten. So wird in den Motiven (Mot. I, 160) zu den §§ 75, 76 des E I, aus denen der heutige § 132 hervorgegangen ist, ausgeführt: " ... die Art und Weise, wie die Ersatzzustellungen geordnet sind, bieten so wesentliche Garantien, daß die Aufnahme weiterer schützender Bestimmungen für den Fall, daß der Adressat ohne eine ihm zur Last fallenden Fahrlässigkeit Kenntnis von der Zustellung nicht erlangt, nicht von Nöthen sind."

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die privatrechtlichen Beziehungen zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten; die §§ 50, 51 PostO regeln dagegen das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis zwischen dem Erklärenden und der Post, die zum Zweck der Erklärungsübermittlung eingeschaltet ist. Daß der Regelungsgehalt der PostO sich auf das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis beschränkt, ergibt sich eindeutig aus § 1 I PostO; danach enthält diese "Benutzungsbedingungen für den Brief-, Paket-, Postanweisungs- und Auftragsdienst" . Im übrigen hätte die PostO als Rechtsverordnung auch in keiner Weise eine Konkretisierung der Zugangsvoraussetzungen vornehmen können 12 • Denn schon ihre Ermächtigungsgrundlage, nämlich § 14 Postverwaltungsgesetz, beschränkt die Regelungsbefugnis des Verordnungsgebers auf die nähere Ausgestaltung des Postbenutzungsverhältnisses. Nach der Auffassung Dilchers soll allerdings die in der Postordnung niedergelegte öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung auch auf die Rechtsbeziehung zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten einwirken und Folgen für den privatrechtlichen Wirksamkeitseintritt von WEn haben 13 . Diese These wird jedoch nicht näher begründet. Gegen sie spricht schon die überlegung, daß die im Innenverhältnis zwischen dem Erklärenden und der Beförderungsperson oder -anstalt getroffenen Regelungen nicht zu Lasten des Adressaten wirken können. Das leuchtet ohne weiteres ein, wenn etwa der Erklärende mit dem Erklärungsboten vereinbart, daß die Erklärung, falls der Adressat nicht angetroffen wird, einfach beim Nachbarn oder bei sonstigen Personen abgegeben werden soll. Die im Innenverhältnis zwischen dem Erklärenden und dem Erklärungsboten getroffene Abrede ist für den gegenüber dem Adressaten zu bewirkenden Zugang ohne Bedeutung. Nichts anderes kann aber gelten, wenn die übermittlungstätigkeit der eingeschalteten Beförderungsanstalt in einer öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung näher geregelt ist. Hinzu kommt, daß die PostO entsprechend ihrem Regelungszweck allein auf das Benutzungsverhältnis zur Post ausgerichtet ist. Dementsprechend stehen die praktischen Bedürfnisse bei der Postzustellung sowie das Interesse der Post an einer Standardisierung und inhaltlichen Begrenzung ihrer Leistungen im Vordergrund. Gesichtspunkte einer angemessenen Verteilung des übermittlungsrisikos zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten, worum es beim Zugang vor allem geht, werden dagegen nicht oder allenfalls kaum berücksichtigt. So ist es So zutreffend Papenheim, BB 1965, 1360. Stau dinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 28; die Heranziehung der PostO für den Zugang von WEn ist dagegen abgelehnt worden von BAG, AP Nr. 7 zu § 130 BGB (BI. 482); OLG München, OLGZ 1966, 1, 2; Behn, AcP 178, 505, 522; Moritz, BB 1977, 400, 403; Papenheim, Fn. 12; Vollkommer, VersR 1968, 1001, 1002. 12

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nicht verwunderlich, daß es sich auch vom Ergebnis her kaum empfiehlt, die §§ 50, 51 PostO für den Zugang heranzuziehen. Es ginge wohl zu weit, wenn schon die übergabe der Erklärung an irgendwelche Nachbarn oder an Angehörige der Ehefrau des Adressaten, was nach § 51 II Nr. 1, 4 PostO für die postalische Zustellung ausreicht, zum Zugang führen und in solchen Fällen immer dem Adressaten das übermittlungsrisiko aufgebürdet würde. Wegen der aufgezeigten Bedenken können deshalb die §§ 50, 51 PostO nicht für eine Konkretisierung der bei Einschaltung von Mittelspersonen geltenden Zugangsvoraussetzungen herangezogen werden.

3. Risikozurechnung aufgrund der vom Adressaten selbst getroffenen oder unterlassenen Empfangsvorkehrungen Eine Grundlage, dem Adressaten das übermittlungsrisiko bei übergabe der Erklärung an Personen seiner häuslichen oder betrieblichen Sphäre zuzurechnen, könnte sich aufgrund der von ihm selbst getroffenen oder unterlassenen Empfangsvorkehrungen ergeben. Dabei ist an die oben für den Zugang von verkörperten Erklärungen entwickelten Grundsätze der Risikoverteilung anzuknüpfen. a) Risikozurechnung aufgrund der getroffenen Empfangsvorkehrungen Hat der Adressat Empfangseinrichtungen zur Entgegennahme von WEn installiert, so wird dadurch, wie ausgeführt14, für ihn das Risiko eines Erklärungsverlustes oder einer verspäteten Kenntnisnahme der in seinen Bereich gelangten WEn eingeschränkt. Andererseits hat der Adressat aber auch ein bestimmtes, meist geringes Verlust- und Verspätungsrisiko 15 bewußt übernommen, woran er sich vom Erklärenden festhalten lassen muß. Nun kann der Adressat seinen Empfangsbereich so organisieren, daß er bestimmten Personen Zugang zu den bereitgehaltenen Empfangseinrichtungen verschafft oder mit einem anderen, z. B. mit seinem Ehegatten, eine gemeinsame Empfangseinrichtung unterhält. In solchen Fällen gibt er diesen Personen die Möglichkeit, die an ihn gerichteten und in die Empfangseinrichtung gelangten WEn an sich zu nehmen. Er übernimmt damit aber auch bewußt das Risiko, daß die Person, der er die Einwirkungsmöglichkeit auf seine Empfangseinrichtung eingeräumt hat, die für ihn bestimmten WEn nicht unverzüglich an ihn weiterleitet. Dieses übermittlungsrisiko muß billigerweise den Adressaten aber auch dann treffen, wenn die Erklärung nicht erst in die Empfangseinrichtung eingebracht, sondern sofort an die von 14

S. 59 ff.

Gedacht ist hier an das Risiko, daß die Erklärung in der Empfangseinrichtung vernichtet wird, von irgendwelchen Personen entwendet oder daß aufgrund irgendwelcher Umstände aus dem Bereich des Adressaten die Kenntnisnahme hinausgeschoben wird oder ganz unterbleibt. 15

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ihm selbst eingesetzte Vertrauensperson übergeben wird. Die übernahme des Übermittlungsrisikos könnte der Adressat in solchen Fällen nicht von sich weisen, ohne sich mit seinem eigenen Verhalten bei der Organisation seines Empfangsbereichs in Widerspruch zu setzen. Demnach muß die Übergabe der WE an jene Person die gleiche Wirkung haben wie das Einbringen der Erklärung in die Empfangseinrichtung. Die übergabe führt zur Verlagerung des Übermittlungsrisikos auf den Adressaten. Der Zugang tritt dann zu dem Zeitpunkt ein, in dem nach der Verkehrsanschauung die Kenntnisnahme erwartet werden muß16. Die vorstehenden Überlegungen sollen an dem in der Praxis wohl wichtigsten Anwendungsfall verdeutlicht werden. Wenn Ehegatten, die zusammenleben, einen gemeinsamen Briefkasten haben, was regelmäßig der Fall sein dürfte, dann hat jeder von beiden eine Zugriffsmöglichkeit auf die brieflichen Erklärungen des anderen. Die Ehefrau kann etwa für ihren abwesenden Ehemann die an ihn gerichteten Erklärungen aus dem Briefkasten nehmen. Da mit Eingang der Erklärung in die gemeinsame Empfangseinrichtung (Briefkasten) das Risiko des Erklärungsverlustes und einer verspäteten Kenntnisnahme auf den Adressaten übergegangen ist17 , geht es zu Lasten des Adressaten, falls seine Frau eine Erklärung unterschlägt oder ihm aus anderen Gründen eine Erklärung, die sie an sich genommen hat, nicht oder erst verspätet aushändigt. Wenn der Adressat aufgrund seiner eigenen Empfangsvorkehrungen das dargestellte Risiko übernommen hat, dann ist es folgerichtig, ihm auch das äquivalente Verlust- und Verspätungsrisiko aufzubürden, das dadurch entsteht, daß der Erklärende (bzw. der Erklärungsbote) die Erklärung an die in der Wohnung anwesende Ehefrau übergibt. Denn es kann offensichtlich keinen Unterschied machen, ob sich die Ehefrau die Erklärung aus dem Briefkasten holt oder sich diese schon an der Wohnungstür aushändigen läßt. Die Übergabe der Erklärung an die Ehefrau muß wie das Einbringen der Erklärung in die Empfangseinrichtung wirken. Solange der Adressat nach außen für den Rechtsverkehr erkennbar mit seinem Ehegatten eine gemeinsame Empfangseinrichtung unterhält, muß er sich jedenfalls jene Risiken zurechnen lassen, die aus dem Tätigwerden seines Ehegatten in seinem Empfangsbereich resultieren. Er kann dieser Risikozurechnung dadurch die Grundlage entziehen, daß er für getrennte Empfangseinrichtungen sorgt. Durch die Errichtung getrennter Empfangsanlagen wird dem Rechtsverkehr eindeutig erkennbar gemacht, daß jeder Ehegatte einen eigenen Empfangsbereich haben will, der nicht den Einwirkungen des anderen unterliegt. Der Erklärende, dem das erkennbar ist, kann dann nicht davon ausgehen, daß der Ehegatte des Adressaten empfangsbefugt ist. 16 Vgl. auch § 4 II 2 a und § 5 III 2. 17 Vgl. oben § 5 II 3 und § 5 III 2.

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Die dargestellten Grundsätze gelten nicht nur für Eheleute, sondern auch für andere Personen, die gemeinsame Empfangseinrichtungen unterhalten (z. B. für Studenten, die zusammenwohnen; für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft). Allgemein wird man sagen können, daß derjenige, dem der Adressat bewußt eine Einwirkungsmöglichkeit auf seine Empfangseinrichtung(en) und damit auf die eingegangenen Erklärungen einräumt, auch ermächtigt ist, verkörperte Erklärungen für ihn entgegenzunehmen. Hat z. B. ein Geschäftsmann seinem Büroboten die Aufgabe zugewiesen, den Geschäftsbriefkasten auf eingehende Post zu kontrollieren und ihm diese vorzulegen, dann wird man ebenfalls davon auszugehen haben, daß ein Geschäftsbrief direkt dem Boten übergeben werden kann und damit das übermittlungsrisiko auf den Adressaten übergeht18 • Fraglich ist, ob solche Vertrauenspersonen auch als ermächtigt anzusehen sind, für den Adressaten Einschreibbriefe entgegenzunehmen, die - wie aus den §§ 29 III, 50 IV PostO folgt - nicht durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt werden können. Da die Vorschriften der PostO für den Zugang nicht maßgebend sind, kann m. E. die besondere postalische Behandlung dieser Sendungen keine Abweichung von der soeben entwickelten Risikoverteilung rechtfertigen. Hätte der Erklärende die Erklärung durch einfachen Brief übermittelt, müßte der Adressat das aus dem Tätigwerden seiner Vertrauensperson sich ergebende Risiko tragen. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum sich zu Lasten des Erklärenden die Risikoverteilung verändern sollte, wenn dieser z. B. aus Gründen der Beweissicherung die besondere Versendungsform des Einschreibens wählt. Für die Belastung des Adressaten mit dem übermittlungsrisiko muß allerdings eine wichtige Einschränkung beachtet werden. Dem Adressaten kann das aus der Einschaltung einer anderen Person sich ergebende übermittlungs risiko nur insoweit zugerechnet werden, als es sich im Rahmen dessen hält, was er an Risiken durch die Organisation seiner Empfangseinrichtung(en) selbst übernommen hat. Eine Einwirkung seiner Vertrauensperson auf eine Empfangseinrichtung, worauf sich seine Risikoübernahme erstreckt, vollzieht sich in seinem häuslichen oder geschäftlichen Bereich. Dementsprechend ist ihm auch nur für eine Übermittlungstätigkeit in diesem Bereich das übermittlungsrisiko aufzubürden. Wenn der Vertrauensperson dagegen die Erklärung außerhalb des häuslichen oder geschäftlichen Bereichs übergeben wird, muß der Erklärende weiterhin das übermittlungsrisiko tragen. Dieses geht erst auf den Adressaten über, wenn die Mittelsperson die Empfangsorganisation, d. h. die Wohnung oder die Geschäftsräume des Adressaten, vor denen sich die Empfangseinrichtung befindet, erreicht hat. 18 Es kann dabei offenbleiben, ob in der Aufgabenzuweisung evtl. eine konkludent erteilte Empfangsbotenermächtigung (vgl. S. 126) zu sehen ist.

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b) Risikozurechnung bei Fehlen von Empfangseinrichtungen Auch bei Fehlen von Empfangseinrichtungen lassen sich aus einer Risikobetrachtung, wie sie soeben für den Fall vorhandener Empfangseinrichtungen vorgenommen worden ist, Ansätze gewinnen, um dem Adressaten die Tätigkeit bestimmter übermittlungspersonen zuzurechnen. Steht keine benutzbare Empfangseinrichtung bereit, so reicht es, wie oben ausgeführt 19 , für den Zugang aus, daß der Erklärende die Erklärung in verkehrsüblicher Weise in den räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich des Adressaten einbringt. So kann sich der Erklärende z. B. auf den Zugangseintritt verlassen, wenn er einen Brief einfach unter der Tür hindurch in die Wohnung schiebt. Der Adressat trägt dann für die in seinen räumlichen Bereich gelangte Erklärung das Risiko des Erklärungsverlustes und der verspäteten Kenntniserlangung 2o . Es geht also zu seinen Lasten, wenn irgend welche Personen in seinem räumlichen Bereich die Erklärung an sich nehmen oder sonstwie auf sie einwirken. Wenn dem Adressaten aber alle Einwirkungshandlungen solcher Personen auf die Erklärung zugerechnet werden, dann ist es folgerichtig, ihm auch das Risiko für übermittlungstätigkeiten aufzubürden, die von diesen Personen in seinem räumlich-gegenständlichen Bereich ausgeführt werden. Dem Adressaten ist es z. B. zuzurechnen, wenn seine Ehefrau eine unter der Wohnungstür durchgeschobene Erklärung an sich genommen hat. Gleiches muß dann aber auch gelten, wenn ihr die Erklärung an der Wohnungstür übergeben worden ist. Denn in beiden Fällen handelt es sich um gleichgelagerte Risiken, die nur einheitlich dem Adressaten zugewiesen werden können. Für eine Differenzierung ist jedenfalls kein sachlicher Grund ersichtlich. Was für den Ehegatten des Adressaten ausgeführt worden ist, gilt in gleicher Weise für andere Personen, die sich im räumlich-gegenständlichen Bereich des Adressaten aufhalten. Das von diesem zu tragende übermittlungsrisiko wird nur dadurch begrenzt, daß es sich um eine übermittlungstätigkeit in eben diesem Bereich handeln muß21. Es mag zunächst nicht überzeugend erscheinen, daß dem Adressaten danach selbst das Handeln von Fremden, die sich nur vorübergehend, vielleicht sogar unbefugt, in seinen Räumen aufhalten, zugerechnet wird. Diese Zurechnung ist jedoch folgerichtig. Denn der Adressat trägt für die in seinen räumlichen Bereich gelangte Erklärung umfas19 20

Siehe § 5 III 3 b. Vgl. § 5 III 3 b.

21 Wird die Erklärung außerhalb des räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereichs übergeben, dann kann der Zugang wiederum erst eintreten, wenn die Mittelsperson mit der Erklärung den räumlichen Bereich des Adressaten erreicht hat.

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send das Verlust- und Verspätungsrisiko, so daß jedenfalls alle Einwirkungshandlungen Unbefugter auf die Erklärung zu seinen Lasten gehen würden. Die Übermittlungstätigkeit ist nichts anderes als eine besondere Art der Einwirkung auf die Erklärung, zumindest ist sie aber einer Einwirkung gleichzustellen. Wenn man dem folgt, wird dem Adressaten allerdings ein nicht unbeträchtliches Risiko aufgebürdet. Das ist jedoch nicht unbillig, weil er im Gegensatz zum Erklärenden die Möglichkeit einer Risikobeschränkung und -beherrschung hat. Allein schon durch die Schaffung von Empfangseinrichtungen, was ihm ohne großen Aufwand möglich und deshalb zumutbar ist, könnte er das ihn treffende Verlust- und Verspätungsrisiko erheblich beschränken. c) Übertragung der entwickelten Zurechnungsgrundsätze auf mündliche Erklärungen Zu überlegen ist, ob die soeben herausgearbeiteten Zurechnungsgrundsätze nicht nur auf verkörperte, sondern auch auf unverkörperte Erklärungen anwendbar sind. Diese Grundsätze lassen sich nur auf unverkörperte Erklärungen übertragen, wenn die Risikobetrachtung, wie sie soeben für verkörperte Erklärungen vorgenommen worden ist, in gleicher Weise auch auf unverkörperte Erklärungen paßt. Anknüpfungspunkt für eine Verlagerung des Übermittlungsrisikos auf den Adressaten ist in den oben behandelten Fällen die Erwägung, daß die Mittelsperson die Möglichkeit gehabt hätte, auf die in die Empfangseinrichtung oder in den räumlich-gegenständlichen Bereich des Adressaten gelangte Erklärung einzuwirken, und dieser sich eine solche Einwirkung hätte zurechnen lassen müssen. Aus der Zu rechenbarkeit solcher Einwirkungshandlungen ist der Schluß auf die Zu rechenbarkeit einer übermittlungstätigkeit gezogen worden. Diese Schlußfolgerung verbietet sich jedoch bei unverkörperten Erklärungen; bei ihnen gibt es kein Substrat, das bei Abwesenheit des Adressaten in dessen Empfangseinrichtungen oder in dessen räumlichen Bereich eingebracht werden könnte und den Einwirkungen anderer zugänglich wäre. Für eine vergleichbare Risikobetrachtung, wie sie oben für verkörperte Erklärungen vorgenommen worden ist, fehlt deshalb bei unverkörperten Erklärungen von vornherein jede Grundlage. Es wäre auch verfehlt, dem Adressaten das Übermittlungsrisiko bei unverkörperten Erklärungen schon immer dann aufzubürden, wenn er sich bei Übergabe der Erklärung in verkörperter Form die übermittlungstätigkeit der Mittelsperson hätte zurechnen lassen müssen. Beide Fälle lassen sich nämlich nicht ohne weiteres gleichbehandeln, weil das Übermittlungsrisiko bei unverkörperten Erklärungen erheblich größer ist als bei verkörperten. Die Übermittlung einer unverkörperten Erklä-

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rung kann von der Mittelsperson leichter vergessen werden als die Aushändigung einer ihr übergebenen verkörperten Erklärung, die schon durch ihre körperliche Existenz die Mittelsperson an deren übermittlungsaufgabe erinnert. Vor allem aber besteht die große Gefahr, daß die unverkörperte Erklärung gegenüber dem Adressaten inhaltlich verfälscht oder entstellt wiedergegeben wird, weil die Mittelsperson den Inhalt der Erklärung nicht verstanden, deren Sinn verkannt oder einen Teil der Erklärung einfach vergessen hat 22 • Es ist kein Zurechnungsgrund ersichtlich, um dem Adressaten auch dieses erhöhte übermittlungsrisiko aufzubürden. 11. Belastung des Erklärenden mit dem Vbermittlungsrisiko

Wenn die Mittelsperson weder (Empfangs-)Vertreter noch Empfangsbote ist und der Adressat sich ihre Tätigkeit auch nicht aufgrund der von ihm selbst getroffenen oder unterlassenen Empfangsvorkehrungen zurechnen lassen muß, so trägt der Erklärende die aus der Einschaltung der Mittelsperson sich ergebenden übermittlungsrisiken. Es gilt dann also wiederum der aus der Empfangstheorie und aus § 130 abzuleitende Grundsatz, wonach die übermittlung der Erklärung zu den Obliegenheiten des Erklärenden gehört und in dessen Risikobereich fällt. Die Mittelsperson hat in diesem Fall die Stellung eines Erklärungsboten23 • Dem steht nicht entgegen, daß der Erklärende eventuell gar nicht den Willen hatte, einen Erklärungsboten einzusetzen, und sich der übernahme des übermittlungsrisikos nicht bewußt war. Für die Erklärungsbotenschaft kommt es - wie aus § 120 folgt - allein darauf an, daß die betreffende Person zur übermittlung der Erklärung tatsächlich "verwendet" worden ist; dafür genügt aber, daß sie durch den Erklärenden oder auf dessen Veranlassung willentlich zur Weiterleitung der Erklärung an den Adressaten 'eingeschaltet worden ist24 • Auf die daraus sich ergebenden Rechtsfolgen, insbesondere auf die rechtliche Einordnung der Mittelsperson als Erklärungsbote, muß sich der Wille des Erklärenden nicht beziehen. So kann dem Erklärenden die übermittlungstätigkeit einer Person nach den Grundsätzen der Erklärungsbotenschaft zugerechnet werden, auch wenn er die Person bei 22 Die besonderen Gefahren bei der übermittlung von unverkörperten WEn durch Mittelspersonen sind schon in der älteren Literatur klar herausgearbeitet worden; vgl. etwa Heyne, 55; Planck / Flad, § 130, Anm. 1 c; Oertmann, Recht 1906, 722, 726 a. E.; Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 314 f.; v. Tuhr, Allg. Teil, Bd. II/1, § 61 III 2 (436); die Genannten wollten diese Gefahren dem Erklärenden zuweisen. 23 Ebenso im Ergebnis Brox, Allg. Teil, Rdnr. 156; Enneccerus / Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 178 III 4 (1094); MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 19; Soergel/ Hejermehl, § 130, Rdnr. 8; Staudinger / Dilcher, § 130, Rdnr. 49. 24 Zur abweichenden Auffassung, nach der für die Boteneinsetzung eine rechtsgeschäftliche Ermächtigung notwendig ist, vgl. § 12 II 3 b.

10 Brinkmann

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4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

übergabe der Erklärung (Mitteilung der mündlichen Erklärung) für einen Empfangsboten gehalten hat25 • Ist die Mittelsperson Erklärungsbote, so tritt der Zugang erst ein, wenn in der Person des Adressaten die oben für die einzelnen Arten von WEn entwickelten Zugangsvoraussetzungen vorliegen. Soweit es allerdings lediglich um eine übermittlung der Erklärung innerhalb des räumlich-gegenständlichen Bereichs des Adressaten geht, ist zu beachten, daß der Zeitpunkt des Risikoübergangs und der des Zugangseintritts auseinanderfallen können26 • Wenn die später tatsächlich erfolgte Aushändigung der Erklärung (bzw. die inhaltlich richtige Mitteilung der unverkörperten WE) allein durch die Abwesenheit oder ein sonstiges Kenntnisnahmehindernis des Adressaten verzögert worden ist, muß auch hier der Zugangs eintritt auf den Zeitpunkt zurückwirken, in dem der Adressat unter normalen Umständen vom Erklärungsinhalt Kenntnis erlangt hätte. Dafür spricht nicht nur die aus § 130 I abgeleitete Risikoverteilung, wonach persönliche Kenntnisnahmehindernisse zu Lasten des Adressaten gehen müssen 27 , sondern auch die überlegung, daß sich sonst Wertungswidersprüche zu den oben behandelten Fällen28 ergeben würden, in denen die WE ohne Benutzung der vorhandenen Empfangseinrichtung in den räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich des Adressaten eingebracht worden ist. Es kann z. B. weder für die Risikoverteilung noch für den Zeitpunkt des Zugangs eintritts einen Unterschied machen, ob die ohne Benutzung der Empfangseinrichtung in die Wohnung des Adressaten verbrachte Erklärung dort von der Putzfrau aufgefunden und auf den Schreibtisch des Adressaten gelegt worden ist, wo dieser die WE nach Rückkehr von einer längeren Reise auffindet, oder ob die Erklärung an der Wohnungstür sogleich der nicht empfangsbefugten Putzfrau übergeben worden ist und diese sie dann auf den Schreibtisch des Adressaten gelegt hat. Wenn der Adressat die Erklärung tatsächlich aufgefunden hat, kann in beiden Fällen der Zugangseintritt nur einheitlich auf den Zeitfunkt zurückbezogen werden, in dem der Adressat ohne seine durch die Reise bedingte Abwesenheit die WE normalerweise aufgefunden hätte. Für eine unterschiedliche Behandlung würde jeder sachliche Grund fehlen.

25 A. A. auf der Grundlage einer rechtsgeschäftIichen Einordnung der Boteneinsetzung Cohn, 25, 93 ff., 111.

26

27 28

V gl. S. 43, 66 f. Vgl. § 4 II 1 b. V gl. § 5 III 3 a.

§ 14 Ergebniskontrolle und Zusammenfassung

147

§ 14 Ergebniskontrolle und Zusammenfassung I. Ergebniskontrolle

Die Untersuchung konzentrierte sich bisher jeweils immer auf einzelne Zurechnungsgrundsätze (Vertretung, Botenschaft, Risikoübernahme aufgrund der Organisation des Empfangsbereichs). Es bleibt darzulegen, daß die dabei isoliert entwickelten Lösungsansätze in ihrem Zusammenwirken auch zu einer interessengerechten Gesamtlösung führen. Den Interessen des Adressaten wird genügend Rechnung getragen. Das ist aufgrund der bisherigen Erörterungen ohne weiteres erkennbar. Denn im Gegensatz zur h. M. ist hier konsequent daran festgehalten worden, daß der Adressat nur dann das aus der Einschaltung einer Mittelsperson resultierende übermittlungsrisiko trägt, wenn ihm gegenüber ein plausibler Zurechnungsgrund besteht. Die eigene Lösung wird jedoch, wie sich bei näherer Betrachtung zeigt, auch den Interessen des Erklärenden hinreichend gerecht. Dem Erklärenden werden bei Abwesenheit des Adressaten sichere und praktikable Möglichkeiten offengehalten, um den Zugang einer Erklärung herbeizuführen. Bei vorhandenen Empfangseinrichtungen kann er seine Erklärung in verkörperter Form jederzeit dort einbringen und dadurch den Zugang bewirken. Unterhält der Adressat mit einer anderen Person gemeinsame Empfangseinrichtungen, was etwa bei Eheleuten der Regelfall ist, dann führt die übergabe der Erklärung an diese Person ebenfalls zum Zugang. Bei Fehlen von Empfangseinrichtungen kann der Erklärende durch Einbringen der Erklärung in den räumlichen Bereich des Adressaten oder durch Ablieferung der Erklärung an Personen, die sich in diesem Bereich aufhalten, den Zugang herbeiführen. Es bestehen danach keine zwingenden Verkehrserfordernisse, dem Erklärenden durch die Unterstellung einer Empfangsbefugnis bestimmter Personen weitere Zugangsmöglichkeiten zu sichern. Das Vertrauen des Erklärenden auf die Empfangsbefugnis von mit dem Adressaten zusammenlebenden Familienangehörigen, Angestellten und sonstigen dem Adressaten nahestehenden Personen wird zwar nach der hier vertretenen Lösung in einigen Bereichen nur eingeschränkt geschützt. Das erweist sich jedoch letztlich als sachgerecht. Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild: Familienangehörige und sonstige Personen, die mit dem Adressaten zusammenleben, sind schon nach der Risikozurechnung aufgrund der vorgenommen'en oder unterlassenen Empfangsvorkehrungen regelmäßig im häuslichen Bereich zur Entgegennahme von verkörperten Erklärungen befugt. Diese Befugnis kann der Adressat praktisch nur da10·

148

4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

durch ausschließen, daß er die Installation getrennter Empfangseinrichtungen veranlaßt. Ist das jedoch geschehen, dann darf der Erklärende vernünftigerweise nicht mehr auf die Empfangsbefugnis dieser Personen vertrauen. Wird eine verkörperte Erklärung in den Büro- oder Geschäftsräumen des Adressaten an dort beschäftigte Angestellte übermittelt, so kann sich der Erklärende an der äußerlich erkennbaren Organisation des Geschäftsbereichs orientieren. Liefert er die Erklärung dabei an eine nichtempfangsbefugte Person ab, die aber nach außen aufgrund ihrer Stellung als empfangsbefugt erscheint, dann ist er durch die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsbotenmacht geschützt. Diese Grundsätze gewähren dem Erklärenden auch einen beschränkten Schutz, wenn verkörperte Erklärungen außerhalb des häuslichen oder geschäftlichen Bereichs an Personen übergeben werden, die dem Adressaten nahestehen, und wenn es um die übermittlung unverkörperter Erklärungen durch solche Personen geht. Dieser Schutz ist hier allerdings beschränkt; denn nur in Ausnahmefällen wird ein vom Adressaten gesetzter Rechtsschein einer Empfangsboteneinsetzung vorliegen (vgl. im einzelnen § 12 11 3 d). Hierin liegt jedoch schon deshalb kein unbilliges Ergebnis, weil der Erklärende nur eingeschränkt schutzbedürftig erscheint. So ist er nicht darauf angewiesen, verkörperte Erklärungen an die genannten Mittelspersonen außerhalb des räumlichen Bereichs des Adressaten zu übergeben. Er erleichtert sich dadurch seine Aufgabe, die Erklärung zum Adressaten, d. h. zu dessen Wohnung oder Geschäftsräumen, zu übersenden. Es ist deshalb durchaus angemessen, den Erklärenden hier weiterhin das übermittlungsrisiko tragen zu lassen. Bei unverkörperten Erklärungen ist zu berücksichtigen, daß ihre übermittlung von vornherein mit erheblich höheren Risiken verbunden ist als die übersendung verkörperter Erklärungen, was vor allem bei Einschaltung von Mittelspersonen gilt. Wenn der Erklärende bewußt eine solche mit besonderen Gefahren verbundene Form der Erklärungsübermittlung wählt, obwohl er die Erklärung in verkörperter Form hätte abgeben können, dann muß er grundsätzlich auch diese besonderen Risiken tragen. Insgesamt ist also festzustellen, daß die hier vertretene Lösung durchaus zu interessengerechten Ergebnissen führt. 11. Zusammenfassung der eigenen Lösung

Die eigene Lösung läßt sich, wie folgt, zusammenfassen: Die übermittlung von WEn fällt grundsätzlich in den Risikobereich des Erklärenden. Der Adressat muß sich jedoch die Entgegennahme von

§

14 Ergebniskontrolle und Zusammenfassung

149

WEn durch eine andere Person zurechnen lassen, wenn er diese als Empfangsvertreter oder Empfangsboten eingesetzt hat. Bei verkörperten Erklärungen kann sich ein weiterer Zurechnungsgrund aus der von ihm vorgenommenen Organisation seiner Empfangseinrichtungen oder aus dem Unterlassen von Empfangsvorkehrungen ergeben. Empfangsvertreter sind regelmäßig nur die Personen, die auch als Aktivvertreter fungieren. Die Annahme einer isolierten Empfangsvollmacht ist nicht interessengerecht und dürfte deshalb nicht dem Willen des Adressaten entsprechen. Wenn ein Vertreter die Erklärung für den Vertretenen entgegennimmt, so führt der Zugang bei ihm nach § 164 III dazu, daß die Erklärung auch gegenüber dem Vertretenen wirksam wird. Neben dem Empfangsvertreter ist als selbständige Rechtsfigur der Empfangsbote anzuerkennen. Dessen Tätigkeit erschöpft sich in der Entgegennahme und Weiterleitung von Erklärungen an den Adressaten; er soll - anders als der Vertreter - in keiner Weise geistigen Anteil an der Erklärung nehmen. Empfangsbote ist nur, wer vom Adressaten willentlich zur Entgegennahme von WEn eingeschaltet worden ist. Allerdings kann der Adressat sich auf das Fehlen einer Empfangsbefugnis nicht berufen, wenn er in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer Empfangsboteneinsetzung geschaffen hat und der Erklärende (oder sein Bote) bei übergabe der Erklärung an die Mittelsperson auf diesen Rechtsschein vertraut hat. Eine Empfangsermächtigung aufgrund der Verkehrsanschauung ist im Gegensatz zur h. M. nicht anzuerkennen. Die Aushändigung der Erklärungsverkörperung oder - bei unverkörperten Erklärungen - die Mitteilung der Erklärung an den Empfangsboten führt zur Verlagerung des übermittlungsrisikos auf den Adressaten. Der Zugang tritt in dem Zeitpunkt ein, in dem nach der Verkehrsanschauung die Kenntnisnahme seitens des Adressaten zu erwarten ist. Die Zurechnung der übermittlungstätigkeit bestimmter Personen kann sich schließlich als Folge der vom Adressaten selbst vorgenommenen oder unterlassenen Empfangsvorkehrungen und der damit verbundenen Risikoverteilung ergeben. Hat der Adressat etwa einer anderen Person eine Einwirkungsmöglichkeit auf seine Empfangseinrichtung(en) und die dort eingegangenen verkörperten Erklärungen eingeräumt, dann muß er es sich auch zurechn"en lassen, daß eine zu seiner Wohnung oder seinen Geschäftsräumen gebrachte verkörperte Erklärung dort nicht erst in die Empfangseinrichtung eingebracht, sondern sofort seiner Vertrauensperson übergeben wird. Die übergabe wirkt hier wie das Einbringen in die Empfangseinrichtung. Bei Fehlen von Empfangseinrichtungen trägt der Adressat das Verlust- und Verspätungsrisiko, wenn eine verkörperte Erklärung in seinen räumlich-gegenständlichen

150

4. Kap.: Zugang bei Beteiligung von Mittelspersonen

Einwirkungsbereich gelangt ist. Es ist dann folgerichtig, die gleichen Wirkungen eintreten zu lassen, wenn die verkÖrperte Erklärung an eine Person ausgehändigt wird, die sich im räumlichen Bereich des Adressaten aufhält. Auf nichtverkörperte Erklärungen sind diese Grundsätze nicht anwendbar.

Fünftes Kapitel

Zugangshindernisse Nach § 130 I trägt der Erklärende das Risiko des (rechtzeitigen) Zugangseintritts. Es geht zu seinen Lasten, wenn die Erklärung nicht in den Empfangsbereich gelangt oder die Erklärung dort verspätet eintrifft. Soweit dadurch dem Erklärenden die typischen Risiken des Erklärungstransports auferlegt werden, ist diese Regelung sachgerecht. Sie erweist sich jedoch als unbillig, wenn der Adressat den Eintritt des Zugangs absichtlich verhindert oder jedenfalls ein Zugangshindernis auf Umständen beruht, die in den Verantwortungsbereich des Adressaten fallen. Zu denken ist etwa daran, daß der Adressat einen Erklärungsboten vor seiner verschlossenen Wohnungs tür stehen läßt, damit dieser die zu übermittelnde mündliche Erklärung nicht ausrichten kann, oder daß er, nachdem er dem Erklärenden ein zeitlich genau befristetes Vertragsangebot gemacht und um eine telefonische Antwort gebeten hat, den Hörer seines Telefons nicht abnimmt und dadurch den rechtzeitigen Zugang der Annahme verhindert. Es muß allerdings nicht immer gleich eine Vereitelungsabsicht im Spiel sein. Der Zugang kann etwa auch daran scheitern, daß benutzbare Empfangseinrichtungen fehlen und die Erklärung auch nicht in den räumlich-gegenständlichen Einwirkungsbereich einzubringen ist. Ein Zugangshindernis liegt weiterhin vor, wenn der Adressat umgezogen ist und die Erklärung nicht übermittelt werden kann, weil dem Erklärenden die neue Adresse unbekannt ist. Zugangshindernisse führen zwar nicht zum endgültigen Scheitern des Zugangs; denn der Erklärende kann jedenfalls durch eine (öffentliche) Zustellung nach § 132 den Zugangseintritt erzwingen. Die Möglichkeit der Zustellung nützt dem Erklärenden jedoch nichts, wenn für die Erklärung eine Frist gilt und innerhalb dieser eine Zustellung nicht (mehr) zu bewirken ist. Das Zugangshindernis kann sich im übrigen von vornherein so auswirken, daß die Erklärung zwar noch zum Adressaten gelangt, dort aber verspätet ankommt. Zu einer solchen Zugangsverspätung kann es z. B. kommen, wenn der Adressat sich die Post zu seinem Urlaubsort ins Ausland nachsenden läßt. Es besteht wohl übereinstimmung darüber, daß der Erklärende bei Zugangshindernissen aus dem Bereich des Adressaten irgendwie ge-

152

5. Kap.: Zugangshindernisse

schützt werden muß. Das wurde schon während des Gesetzgebungsverfahrens von verschiedenen Seiten verlangt 1 . Der Gesetzgeber hat sich jedoch damit nicht auseinandergesetzt, sondern die Lösung des Problems offengelassen 2 • Die insoweit vorhandene primäre Gesetzeslücke ist im Wege der RechtsfortbiIdung zu schließen. über die dogmatischen Grundlagen und den Umfang des dem Adressaten zu gewährenden Schutzes ist bis heute keine Einigkeit erzielt worden. § 15 Darstellung der bisherigen Lösungsversuche

in Literatur und Rechtsprechung I. Literatur 1. Fiktionslösung

Ein Teil der Lösungsversuche läuft darauf hinaus, den Erklärenden durch eine Zugangsfiktion zu schützen. Unter bestimmten Voraussetzungen soll der Zugang schon zu dem Zeitpunkt als bewirkt gelten, in dem er ohne das vom Adressaten geschaffene Zugangshindernis eingetreten wäre. a) Herabsetzen der Zugangsvoraussetzungen Im älteren Schrifttum hat man teilweise versucht, dem Erklärenden bei Zugangshindernissen durch Herabsetzen der Zugangsvoraussetzungen zu helfen, was im Ergebnis auf eine Art Zugangsfiktion hinausläuft. So geht etwa Hölder 3 davon aus, daß der Zugang zwar grundsätzlich erst eintrete, wenn dem Adressaten eine gesicherte Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft worden sei. Falls dem Erklärenden das jedoch aufgrund von Umständen, die in der Person des Adressaten liegen, nicht möglich sei, müsse ein geringerer Grad an Sicherheit ausreichen. Es soll dann genügen, daß der Adressat ohne das von ihm geVgl. Kohler, ArchBürgR Bd. 1, 283, 296; Hölder, AcP 73, 1, 70 f.; ZitelDie Rechtsgeschäfte im Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Erster Theil, 104 ff. Zitelmann (S. 110, Fn. 153) schlug vor, den § 74 des E I um folgenden Satz zu ergänzen: "Dem Zukommen steht es gleich, wenn der Andere das Zukommen vorsätzlich oder fahrlässig gehindert hat." 2 Nur für den Versicherungsvertrag hat der Gesetzgeber später eine Sonderregelung in § 10 VVG geschaffen. Nach dieser Vorschrift genügt es, wenn der Versicherer, dem der Versicherungsnehmer eine Wohnungsänderung nicht angezeigt hat, die WE mittels eingeschriebenen Briefes nach der letzten ihm bekannten Wohnung des Versicherungsnehmers absendet. Die Erklärung wird dann zu dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ohne die Wohnungsänderung bei regelmäßiger Beförderung zugegangen sein würde. 3 Hölder, DJZ 1901, 340; ders., § 130, Anm. 3 (292). 1

mann,

§ 15 Rechtsprechung und Literatur

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schaffene Hindernis irgend wie die Möglichkeit zur Kenntnisnahme gehabt hätte 4 • Einen ähnlichen Weg geht Krückmann; er bejaht den Zugang schon dann, wenn der Erklärende "die verkehrsübliche Wahrnehmungsmöglichkeit ohne das dazwischentretende Verschulden des Adressaten geschaffen haben würde"5. Zum Schutz des Adressaten soll der Erklärende allerdings zur nachträglichen Anzeige des Erklärungsinhalts verpflichtet sein6 . b) Analogie zu den §§ 162, 815 Soweit in der Literatur heute noch eine Fiktionslösung vertreten wird, stützt man sich weitgehend auf eine Analogie zu § 162 7 • Nach § 162 I gilt eine Bedingung, die von der Partei, zu deren Nachteil der Bedingungseintritt reichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird, als eingetreten. Diese Regelung will man auf die Fälle der Zugangsverhinderung übertragen: Der Zugang soll danach als bewirkt gelten, wenn der Adressat den Zugang wider Treu und Glauben vereitelt hat. Im Wege der Rechtsanalogie wird neben § 162 auch teilweise noch der § 815 herangezogen, der den Bereicherungsanspruch wegen Nichteintritts des mit der Leistung bezweckten Erfolges unter anderem dann ausschließt, wenn der Leistende den Erfolg wider Treu und Glauben verhindert hat 8 • Sowohl § 162 als auch § 815 setzen allerdings eine treu widrige Verhinderung eines Erfolges voraus. Durch eine Analogie zu diesen Vorschriften lassen sich deshalb nur die Fälle der absichtlichen Zugangsverhinderung erfassen. Der Erklärende bleibt schutzlos, wenn der Adressat das Zugangshindernis nur fahrlässig oder ohne ein Verschulden geschaffen hat. Die Fiktionslösung wird heute überwiegend nicht mehr für sachgerecht, zumindest aber nicht für ausreichend gehalten, um den Erklärenden zu schützen9 . 2. Rückwirkungslösung

Eine andere, von der heute wohl h. M. bevorzugte Lösung besteht darin, daß der Zugang zwar erst als bewirkt angesehen wird, wenn die 4 So soll etwa eine Erklärung auch zugehen, wenn der Adressat den Erklärungsboten nicht vorläßt (Hölder, § 130, Anm. 3 [292]). Wenn der Erklärende die Erklärung nicht in eine Empfangseinrichtung und auch nicht in die Wohnung des Adressaten einbringen kann, dann reicht es nach Meinung Hölders (DJZ 1901, 340, 341) aus, wenn er sie in den Garten wirft oder von außen irgendwie am Haus befestigt. 5 Krückmann, Recht 1911, 56, 57. 6 Krückmann, Fn. 5, 58 f. 7 Grundlegend Habicht, DJZ 1901, 265; ebenso z. B. Medicus, Allg. Teil, Rdnr.282. 8 So z. B. Iven, 28 f.; Larenz, Allg. Teil, § 21 II b (413).

154

5. Kap.: Zugangshindernisse

Erklärung tatsächlich in den Empfangsbereich des Adressaten gelangt ist und damit die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen erfüllt sind. Der Adressat soll sich dann aber nicht auf eine Verspätung des Zugangs berufen können, sofern diese durch ein in seinem Verantwortungsbereich liegendes Zugangshindernis verursacht worden ist10 • Danach wird also dem Erklärenden, wenn sein erster Zugangsversuch gescheitert ist, die Obliegenheit aufgebürdet, sich weiterhin um den Zugang zu bemühen und ggf. die Erklärung nach § 132 zustellen zu lassen. Andererseits bleibt ihm aber die volle Dispositionsfreiheit über seine Erklärung 'erhalten; er kann es sich noch anders überlegen und von der Erklärung Abstand nehmen. Für diesen Lösungsversuch werden ganz unterschiedliche dogmatische Begründungen angeführt. Es geht dabei allerdings nicht nur um Unterschiede in der Begründung; vielmehr wirken sich die verschiedenen dogmatischen Ausgangspunkte auch auf den dem Erklärenden zu gewährenden Schutz aus. a) Analogie zu den §§ 123, 530 II, 2339 I Nr. 2 Vor allem in der älteren Literatur hat man die Begründung meist im Wege 'einer Analogie zu finden versucht. So ist etwa von Wendt vorgeschlagen worden, § 530 II analog anzuwenden l l . Nach dieser Vorschrift können die Erben des Schenkers noch nach dessen Tod eine Schenkung widerrufen, wenn der Beschenkte vorsätzlich und widerrechtlich den Schenker getötet oder am Widerruf gehindert hat. Die Wertung, die das Gesetz für die vorsätzliche Verhinderung des Schenkungswiderrufs getroffen hat, will Wendt auf die vorsätzliche Verhinderung des Zugangs übertragen: Wie die Erben den Widerruf nachholen können, so soll der Erklärende auch nach Ablauf der für die Erklärung geltenden Frist die Möglichkeit haben, durch die Nachholung des Zugangs die Rechtswirkungen der vorsätzlich verhinderten Erklärung herbeizuführen. Eine ähnliche Begründung findet sich auch bei v. Blume 12 . Dieser zieht neben § 530 II die Regelung des § 123 über die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sowie den § 2339 I Nr. 2 heran, wonach derjenige 9 Soweit ersichtlich, findet sie sich nur noch in Kombination mit anderen Lösungsansätzen; vgl. etwa Larenz, Allg. Teil, § 21 II b (413 f.); Medicus, Allg. Teil, Rdnr. 278 ff. 10 So etwa Enneccerus I Nipperdey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II A 3 (979); Erman I Brox, § 130, Rdnr. 25; Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 e (238 ff.); Jauernig, § 130, Anm. 6; Köhler, Allg. Teil, § 13 II 4 e (122 f.); Lehmann I Hübner, Allg. Teil, § 32 II 9 (231); Medicus, Allg. Teil, Rdnr. 278 f.; ders., Bürgerliches Recht, Rdnr. 50 f.; Palandt I Heinrichs, § 130, Anm. 6; RGRK I KrügerNieland, § 130, Rdnr. 24 ff.; Soergell Hefermehl, § 130, Rdnr. 28. 11 Wendt, AcP 92, 1,212. 12 v. Blume, JhJ Bd. 51, 1.

§ 15 Rechtsprechung und Literatur

155

erbunwürdig ist, der den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich an der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen gehindert hat. Aus diesen Sondervorschriften glaubt v. Blume folgenden allgemein geltenden Rechtsgrundsatz ableiten zu könn'en: Wenn jemand von einem anderen vorsätzlich und widerrechtlich zur Abgabe einer WE bestimmt oder an der Abgabe einer solchen gehindert worden ist, so soll er dem anderen gegenüber die Wirkungen der Erklärung oder ihrer Unterlassung durch Anfechtung oder durch Nachholung der Erklärung beseitigen könneni.'!. In diesem Rechtsgrundsatz sieht v. Blume eine ausreichende Grundlage, auch das Problem der Zugangshindernisse befriedigend zu lösen. b) Analogie zu den §§ 121 12, 149 Zu einer für den Erklärenden viel günstigeren Lösung kommt Landau, der sich auf eine Analogie zu den §§ 121 I 2, 149 stützt1 4 • Er will die Regelung des § 121 I 2, wonach es für die Rechtzeitigkeit der Anfechtung allein darauf ankommt, daß die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist, verallgemeinern. Eine rechtzeitig abgegebene Erklärung soll grundsätzlich als eine rechtzeitige behandelt werden. Das soll uneingeschränkt gelten, wenn der Zugang der Erklärung infolge von Umständen, die mit der Person des Adressaten zusammenhängen, verspätet erfolgt. Beruht die Verspätung auf Umständen, die weder in der Person des Erklärenden noch in der des Adressaten ihren Grund haben, dann soll der Adressat, der ein schutzwürdiges Interesse an der Rechtzeitigkeit des Zugangs hat, analog § 149 das Recht haben, die Erklärung unverzüglich, nachdem er den Grund der Verspätung erkannt hat, abzulehnen. Ansonsten müsse die Erklärung ebenfalls als rechtzeitig behandelt werden. c) Analogie zu den Vorschriften des Gläubigerverzugs

Weiterhin ist vorgeschlagen worden, bei Zugangshindernissen die Vorschriften über den Gläubigerverzug analog heranzuziehen l5 • Zur Begründung verweist man auf die Gemeinsamkeiten zwischen dem Annahmeverzug und den Zugangshindernissen. Wie allein der Gläubiger an der Leistung, so sei auch allein der Adressat an der Erlangung der Kenntnis vom Erklärungsinhalt interessiert. Wenn der Schuldner alles seinerseits Erforderliche zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit getan habe und es lediglich am Gläubiger liege, daß der Leistungserfolg nicht v. Blume, Fn. 12, 13. Landau, 45 ff., 70. 15 Grundlegend Habicht, DJZ 1901, 265, 267; Titze, JhJ Bd. 47, 397, 452 ff.; ihnen folgend Haumann, 34 ff.; Relling, 40 ff.; mit Einschränkungen M. FabTicius, 79 ff.; W. Koch, 19 ff. 13 14

156

5. Kap.: Zugangshindernisse

eintrete, so gerate der Gläubiger in Annahmeverzug, wobei es auf ein Verschulden nicht ankomme. Diese Regelung sei wegen der Ähnlichkeit in der Interessenlage auf die Fälle der Zugangshindernisse zu übertragen. Ebensowenig wie beim Gläubigerverzug die unterbliebene Leistung als bewirkt fingiert werde, sondern nachträglich bewirkt werden müsse, könne die infolge des Zugangshindernisses nicht zugegangene Erklärung als zugegangen gelten. Der Erklärende müsse vielmehr nachträglich den Zugang bewirken; entsprechend den für den Gläubigerverzug geltenden Wertungen seien dann aber die Nachteile einer möglichen Verspätung des Zugangs dem Adressaten zuzuweisen. d) Verlängerung der Erklärungsfrist aufgrund ergänzender Auslegung Nach der Auffassung von Kuhn 16 ist dem Erklärenden, der wegen eines im Empfangsbereich liegenden Hindernisses den Zugang erst verspätet bewirken kann, durch eine sinnvolle Auslegung der Fristbestimmungen zu helfen. Bei einer durch Rechtsgeschäft gesetzten Frist soll nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung festgestellt werden, was nach Treu und Glauben vereinbart worden wäre, wenn die Beteiligten das Zugangshindernis vorausgesehen hätten. Der Adressat würde dann wohl dem Erklärenden billigerweise eine Fristverlängerung eingeräumt haben. Er dürfe sich deshalb auch nicht auf eine durch das Zugangshindernis bedingte Verspätung des Zugangs berufen, wenn der Zugang innerhalb dieser durch ergänzende Vertragsauslegung festgelegten Nachfrist bewirkt werde. Gleiches müsse auch bei gesetzlichen Fristen gelten. Ebensowenig wie die Vertragsparteien bei einer vereinbarten Frist habe der Gesetzgeber bei den gesetzlichen Fristen das Problem der durch Zugangshindernisse verursachten Zugangsverspätung gesehen. Die insoweit bestehende gesetzliche Regelungslücke könne nach Treu und Glauben nur in der gleichen Weise wie eine entsprechende vertragliche Regelungslücke geschlossen werden, nämlich durch Einräumung einer angemessenen Nachfrist für den Erklärenden. e) Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben Die meisten Vertreter der heute h. M. greifen auf die Generalklausel des § 242 und damit allein auf Billigkeitserwägungen zurück17 • Dem Adressaten soll es nach § 242 versagt sein, die Verspätung des Zugangs Kuhn, 66 ff. Vgl. z. B. Brox, Allg. Teil, Rdnr. 162; David, GruchB 46, 232, 236 ff.; Diederichsen, Allg. Teil, Rdnr. 257; Dieringer, 71 ff.; Heyne, 70 f.; Münch Komm / Förschler, § 130, Rdnr. 30; Palandt I Heinrichs, § 130, Anm. 6; Soergell Hefermehl, § 130, Rdnr. 25 ff.; RGRK I Krüger-Nieland, § 130, Rdnr. 24 ff.; G. Wolff, 49 f. 16

17

§ 15 Rechtsprechung und Literatur

157

geltend zu machen, falls deren Grund in seinem· Bereich liegt. Dabei hält man überwiegend die Berufung des Adressaten auf die Zugangsverspätung selbst dann für treuwidrig, wenn bei ihm ein schuldhaftes Verhalten nicht feststellbar ist 18 • f) Fortbildung der dem § 130 I zugrundeliegenden Risikoverteilung Teilweise hat man auch versucht, den dem § 130 I zugrundeliegenden Gedanken der Risikoverteilung nach Einwirkungsbereichen für das Problem der Zugangshindernisse fruchtbar zu machen 19 • § 130 I bürdet - wie ausgeführt20 - dem Erklärenden das Verlust- und Verspätungsrisiko für den Erklärungstransport auf; der Adressat muß demgegenüber dieses Risiko tragen, wenn die Erklärung in seinen Bereich gelangt ist. Entsprechend dieser Risikoverteilung nach Einwirkungsbereichen hält man es für konsequent, dem Adressaten auch das Risiko für solche Hindernisse aufzugeben, die sich zwar schon vor dem Zugangseintritt auswirken, die aber eindeutig seiner Sphäre zuzuordnen sind. Wenn der Erklärende alles in seinem Einwirkungsbereich Liegende getan hat, um dem Adressaten die Kenntnisnahme zu ermöglichen, wozu ggf. bei Zugangshindernissen auch weitere Zugangsversuche gehören, dann soll nach der Wertung des § 130 I eine eventuelle Verspätung des Zugangs zu Lasten des Adressaten gehen. 3. Schadensersatzlösung

Für eine weitere Gruppe von Lösungsversuchen ist kennzeichnend, daß man dem Erklärenden bei Zugangshindernissen aus dem Bereich des Adressaten durch Gewährung eines Schadensersatzanspruchs helfen will. a) Anspruchsgrundlagen (1) In der älteren Literatur hatte man zunächst nur an deliktische Schadensersatzansprüche, insbesondere an solche aus § 826, gedacht21 • Die §§ 823, 826 dürften allerdings nur in wenigen Ausnahmefällen vorliegen.

(2) Um den Erklärenden umfassend zu schützen, sind deshalb sehr bald die Grundsätze der cie und der pVV herangezogen worden. Zur 18 Vgl. Heyne, 70 f.; MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 30; RGRK / Krüger - Nieland, § 130, Rdnr. 24; Soergel! Hefermehl, § 130, Rdnr. 25. 19 So Canaris, Vertrauenshaftung, 326; Iven, 32 f.; Oertmann, § 130, Anm. 3 i (458 f.); v. Tuhr, Allg. Teil, Bd. II/l, § 61 !II 5 (447). 20 Vgl. oben § 4 !I 1 b. 21 Vgl. etwa Daue, 38 ff.; ferner J. Breit, SeuffBl. Bd. 71, 589, 595 f., der auch auf § 823 I zurückgreifen wollte.

158

5. Kap.: Zugangshindernisse

Begründung solcher Schadensersatzansprüche wird daran angeknüpft, daß der Adressat aufgrund eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses oder aufgrund einer bestehenden Sonderrechtsbeziehung zum Erklärenden verpflichtet sei, den Zugang von WEn zu ermöglichen. Die Verletzung dieser Pflicht soll dann einen Schadensersatzanspruch des Erklärenden nach cic bzw. pVV auslösen 22 • Nach dieser Lösung ist von entscheidender Bedeutung, in welch'en Fällen eine Pflicht des Adressaten zur Schaffung geeigneter Zugangsmöglichkeiten anzunehmen ist. Hierzu sind verschiedene Fallgruppen entwickelt worden. Im vorvertraglichen Bereich sollen grundsätzlich den Antragenden, der nach § 145 an seinen Antrag gebunden ist, und denjenigen, der zur Abgabe von Angeboten aufgefordert hat, eine solche Pflicht treffen23 • Bei Rechtsbeziehungen, in denen eventuell WEn auszutauschen sind, nimmt man für beide Beteiligten eine Pflicht zur Ermöglichung des Zugangs an24 • Darüber hinaus soll nach Auffassung DiZchers 25 eine solche Pflicht auch in den Fällen des § 663 und des § 362 HGB sowie bei denjenigen Personen bestehen, die einem Kontrahierungszwang unterliegen. Ebenso hält DiZcher26 Behörden allgemein für verpflichtet, Empfangsvorkehrungen für eingehende Erklärungen zu treffen. b) Art und Umfang des Schadensersatzes Bei den Rechtsfolgen kommen die Vertreter einer Schadensersatzlösung meist zu den gleichen Ergebnissen wie die unter I 2 dargestellten Meinungen. überwiegend wird davon ausgegangen, daß der Adressat im Wege der Naturalrestitution dem Erklärenden die Nachholung des Zugangs zu gestatten habe und sich dann so behandeln lassen müsse, als sei die Erklärung rechtzeitig zugegangen27 • Darüber hinaus soll der Adressat aber auch zum Ersatz weiterer Vermögensschäden (z. B. der durch einen weiteren Zugangsversuch verursachten Kosten) verpflichtet sein 28 • Teilweise vertritt man allerdings auch die Auffassung, der 22 Vgl. Baumert, 52 f.; Bieber, 60 ff.; Borgmann, 36 ff.; CaUomon, 28 ff.; Dilcher, AcP 154, 120, 130 ff.; Hildebrandt, Erklärungshaftung, 235 ff.; Karassis, 205 ff.; Lohmar, 45 ff.; Moses, 38 ff.; Mühlhojf, 51 ff.; Planck / Flad, § 130, Anm. 5 b; Samolewitz, 39 ff.; Schüler, 34 ff.; Seidler, 21 ff. 23 Moses, 41 ff.; Mühlhojf, 52 f.; Schüler, 35 f.; Staudinger / Dilcher, § 130,

Rdnr.57.

24 Dilcher, AcP 154, 120, 131 f.; Lohmar, 52 ff.; Moses, 40 f.; Mühlhoff, 53 f.; Schüler, 37 f. 25 Dilcher, AcP 154, 120, 133 ff.; kritisch dazu Baumert, 51. 26 Dilcher, Fn. 25, 137 ff. 27 So Bartsch, 13; J. Breit, SeuffBl. Bd. 71, 589, 596; Borgmann, 40 f.; CaUomon, 28 ff.; Dilcher, AcP 154, 120, 132; Lohmar, 50; Moses, 48 f.; Mühlhoff, 56 f.; Schüler, 40 ff.; Seidler, 26 f. 28 Vgl. Dilcher, Fn. 27.

§ 15 Rechtsprechung und Literatur

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Adressat müsse sich, selbst wenn der Zugang nicht bewirkt und auch später nicht nachgeholt worden sei, so behandeln lassen, als sei die Erklärung aufgrund des vom Erklärenden unternommenen Zugangsversuchs zugegangen (Fiktionslösung)29. 11. Rechtsprechung

In der Rechtsprechung finden sich ebenfalls verschiedene Ansätze, um das Problem der Zugangshindernisse zu lösen. Das RG hat in den Fällen, in denen der Adressat arglistig das Zugehen verhindert, die §§ 162, 815 analog angewandt und mit einer Zugangsfiktion gearbeitet30 • Ein arglistiges Verhalten soll allerdings nur dann vorliegen, wenn der Adressat den Inhalt der Erklärung kennt oder mit dem Zugehen einer Erklärung bestimmten Inhalts rechnet und daher die Annahme verweigert31 • Bei bloß schuldhaftem Verhalten des Adressaten hat das RG eine Fiktion des Zugangs abgelehnt 32 • In solchen Fällen müsse - so meinte das RG - der Erklärende den Zugang ggf. nachholen. Der Adressat könne sich dann allerdings nach Treu und Glauben nicht auf eine Verspätung des Zugangs berufen33 • In einer anderen Entscheidung34 ist das RG noch einen Schritt weitergegangen. Dort wird nicht mehr auf ein Verschulden des Adressaten abgestellt. Nach den Ausführungen des RG muß dieser die Erklärung auch dann als rechtzeitig gegen sich gelten lassen, wenn der Erklärende alles getan hat, um ihm die Erklärung rechtzeitig zugehen zu lassen, und die Verspätung des Zugangs allein auf Umständen beruht, die in der Person des Adressaten liegen. In einem besonders gelagerten Fall einer Zugangsverspätung hat das RG dem Erklärenden einen Schadensersatzanspruch aus eie gegen den Adressaten zugesprochen35 • Es ging dabei um das verspätete Eintreffen einer Annahmeerklärung. Sowohl der Adressat (der Antragende) als auch der Erklärende (Annehmende) hatten nach Auffassung des RG die Verspätung des Zugangs verschuldet. Das RG hielt es hier für angemessen, den aus dem Scheitern des Vertragsschlusses sich ergebenden Vermögensschaden nach § 254 zwischen beiden Beteiligten aufzuteilen. 29 Vgl. Bieber, 63 f.; W. Cohn, 58; HHdebrandt, Erklärungshaftung, 238; Karassis, 211 ff.; Samolewitz, 42 ff. 30 RGZ 58, 406, 408; 110, 34, 36; ebenso auch RAG, DR 1941, 1796, 1797. 31 RGZ 110, 34, 36. 32 RGZ 110,34,36. 33 RGZ 58, 406, 409; 110, 34, 36; RG, LZ 1925, 252, 471; RG, HRR 1928 Nr. 1397; RG, HRR 1933 Nr. 1484. 34 RGZ 95, 315, 317; ebenso in RG, HRR 1933 Nr. 1484. 35 RGZ 97, 336, 339.

5. Kap.: Zugangshindernisse

160

Der BGH36 und das BAG37 gehen davon aus, daß alle Zugangshindernisse, die ihre Ursache im Bereich des Adressaten haben, unabhängig von einem etwaigen Verschulden zu Lasten des Adressaten gehen. Der Erklärende dürfe sich allerdings nicht mit einem vergeblichen Zugangsversuch begnügen, sondern müsse alles ihm Zumutbare und nach der Sachlage Erforderliche unternehmen, um die WE sobald wie möglich zum Adressaten gelangen zu lassen. Dieser müsse dann nach Treu und Glauben einen verspäteten Zugang als rechtzeitig gegen sich gelten lassen. Aus den bisherigen Entscheidungen ist nicht klar zu erkennen, welche Bemühungen der Erklärende dabei im einzelnen zur überwindung des Zugangshindernisses unternehmen muß. Die Herbeiführung des Zugangs durch (ggf. öffentliche) Zustellung nach § 132 scheint jedenfalls nicht erforderlich zu sein. So hat der BGH ausgesprochen, daß auch dann, wenn weitere Zugangsversuche erfolglos bleiben, der Adressat sich so behandeln lassen müsse, als sei die Erklärung (rechtzeitig) zugegangen 38 . Der Zugang soll hier also fingiert werden. In den Fällen einer wegen Abwesenheit des Adressaten nicht zustellbaren Einschreibsendung gehen BGH39 und BAG40 zwar davon aus, daß der Zugang noch nicht mit der Niederlegung des Einschreibens und der Benachrichtigung des Adressaten bewirkt werde; der Zugang trete vielmehr erst bei Abholen des Einschreibens ein. Den Adressaten soll jedoch, soweit er mit dem Erklärenden schon in Rechtsbeziehungen steht, die Obliegenheit treffen, die bei der Post niedergelegte Erklärung abzuholen. Wenn er dieser Obliegenheit nicht nachkomme, müsse er sich so behandeln lassen, als sei die Erklärung (rechtzeitig) zugegangen. Auch hier will man also den Zugang fingieren. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte findet sich ebenfalls eine Reihe von Urteilen zum Problem der Zugangshindernisse. Die Entscheidungen der Instanzgerichte bewegen sich in den durch die Rechtsprechung des RG und des BGH vorgezeichneten Bahnen. In den Fällen arglistiger Zugangsvereitelung arbeitet man meist mit der auf eine Analogie zu den §§ 162, 815 gestützten Fiktion 41 . Ansonsten wird bei 36

BGH, LM Nr. 1 zu § 130 BGB

262,263.

=

NJW 1952, 1169 (LS); BGH, VersR 1971,

BAG, BB 1965, 585; BAG, DB 1977, 1194, 1195; BAG, DB 1981, 999, 1000. BGH, VersR 1971, 262, 263. 39 BGHZ 67, 272, 275 ff. 40 BAG, EzA Nr. 2 zu § 130 BGB = NJW 1963, 554. 41 AG Köln, MDR 1971, 924; OLG Karlsruhe, NJW 1973, 1611, 1612; LAG Düsseldorf, DB 1965, 186; ArbG Solingen, ARSt 1981 Nr. 34; noch weitergehender OLG Köln, JW 1927, 1708 (Zugang soll in allen Fällen schuldhafter Verhinderung fingiert werden, ohne daß weitere Zugangsversuche des Erklärenden notwendig sind); vgl. auch ArbG Köln, DB 1981, 1642, 1643 (§ 162 soll schon eingreifen, wenn der Adressat "durch das Nicht-zur-Verfügungstel37

38

§ 16 Kritische Stellungnahme

161

Zugangshindernissen aus dem Bereich des Adressaten dem Erklärenden zwar die Obliegenheit weiterer Zugangsversuche aufgebürdet, dem Adressaten es dann aber versagt, sich auf den nicht rechtzeitigen Zugang zu berufen42 • § 16 Kritische Stellungnahme zu den bisherigen Lösungsversuchen

Eine kritische Würdigung der bisherigen Lösungsversuche kann nicht darin bestehen, alle Begründungsansätze, die für die verschiedenen Lösungswege herangezogen werden, einzeln auf ihre dogmatische Tragfähigkeit zu überprüfen. Das wäre schon deshalb verfehlt, weil dogmatisch-konstruktive Erwägungen hier nur einen beschränkten Argumentationswert haben. Solche Erwägungen können nur dort überzeugen, wo ·eine ausreichende normative Grundlage für die Lösung des betreffenden Rechtsproblems vorhanden ist. Das Problem der Zugangshindernisse ist jedoch vom Gesetzgeber in keiner Weise geregelt worden. Die insoweit bestehende Regelungslücke läßt sich nur dadurch sachgerecht ausfüllen, daß maßgebend auf die Interessenlage der Beteiligten abgestellt wird. Dementsprechend muß sich unsere Untersuchung von vornherein auf die Frage konzentrieren, welcher der in Betracht gezogenen Lösungswege den Interessen der Beteiligten und den gesetzlichen Wertungen des § 130 I am besten entspricht.

I. Fiktionslösung Eine Fiktionslösung, nach der bei Zugangshindernissen aus dem Bereich des Adressaten der Zugangseintritt fingiert werden soll, greift regelmäßig über das Ziel des erforderlichen Verkehrsschutzes hinaus. Da der Zugang der Erklärung wegen § 132 nicht endgültig vereitelt werden kann, geht es letztlich immer nur um das Problem der Rechtzeitigkeit der Erklärung. Nur insoweit bedarf der Erklärende des Schutzes. Hierzu reicht es aber aus, wenn die Rechtswirkungen eines später herbeigeführten Zugangs auf den Zeitpunkt zurückbezogen werden, in dem die Erklärung ohne das Zugangshindernis normalerweise zugegangen wäre. Es ist also nicht erforderlich, zu Lasten des Adressaten auf die Verschaffung der Möglichkeit zur Kenntnisnahme vom Erklärungsinhalt zu verzichten!. Ein solcher Verzicht wäre jedenfalls in len eines Briefkastens... den Zugang des Kündigungsschreibens . .. vereitelt"). 42 OLG Kiel, OLG 35, 310; OLG Celle, NJW 1974, 1386; OLG Hamburg, MDR 1978, 489; LAG Berlin, DB 1964, 302; LAG Hamm, DB 1967, 1272; LAG Düsseldorf, DB 1974, 1584; ArbG Hagen, DB 1976, 1159; LAG Düsseldorf, DB 1978,752. 1 Vgl. v. Tuhr, Allg. Teil, Bd. II/1, § 61 III 5 (446). 11 Brinkmann

162

5. Kap.: Zugangshindernisse

den Fällen unbillig, in denen der Adressat nur fahrlässig das Zugangshindernis geschaffen hat oder ein Verschulden ganz fehlt. Der Adressat ist allerdings dann nicht schutzwürdig, wenn er absichtlich den Zugang der Erklärung vereitelt hat. In solchen Fällen könnte es berechtigt erscheinen, allein den Verkehrsinteressen zu folgen und unter Heranziehung des Rechtsgedankens der §§ 162, 815 den Zugangseintritt zu fingieren. Hierfür mag auch sprechen, daß die absichtliche Zugangsvereitelung - jedenfalls auf den ersten Blick wertungsmäßig auf der gleichen Ebene zu liegen scheint wie die unberechtigte Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks2 und die Vernichtung einer zugegangenen, aber nicht zur Kenntnis genommenen Erklärung durch den Adressaten. Wenn in den beiden letzten Fällen die Rechtswirkungen der Erklärung eintreten, obwohl der Adressat sich der Kenntniserlangung vom Erklärungsinhaltentzogen hat, so ist es zumindest naheliegend, eine Erklärung auch dann rechtswirksam werden zu lassen, wenn die Vereitelungshandlung des Adressaten schon früher einsetzt und es diesem gelingt, bereits den Zugangseintritt zu verhindern. Bei näherer Betrachtung ergeben sich jedoch durchgreifende Bedenken, in den Fällen der absichtlichen Zugangsvereitelung mit einer Zugangsfiktion zu arbeiten. Bei der Annahmeverweigerung und bei der Vernichtung der Erklärung vor der Kenntnisnahme durch den Adressaten ist diesem jedenfalls eine objektiv erkennbare, gesicherte Kenntnisnahmemöglichkeit hinsichtlich des Erklärungsinhalts verschafft worden. Aus Gründen der Rechtssicherheit, der beim Wirksamwerden von WEn erhebliche Bedeutung zukommt, muß für den Zugang an einem äußeren, objektiv erkennbaren Tatbestand festgehalten werden. Das gebietet nicht zuletzt der Schutz des Erklärenden, für den der Zugangseintritt feststellbar sein muß. Mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit ist eine Zugangsfiktion unvereinbar, die an eine innere, für den Erklärenden nicht erkennbare Vereitelungsabsicht des Adressaten anknüpft. Eine solche Zugangsfiktion als Rechtsfolge einer absichtlichen Zugangsvereitelung des Adressaten würde dem Erklärenden in der Praxis auch kaum helfen können. Dieser müßte nämlich, wenn es zum Prozeß kommt, bei einem entsprechenden Bestreiten des Adressaten die Vereitelungsabsicht beweisen. Diese Beweisführung dürfte nur in Ausnahmefällen gelingen; sie ist jedenfalls immer mit erheblichen Unsicherheiten belastet. Zu berücksichtigen ist schließlich noch ein weiterer Grund, auf den sich auch die Vertreter der h. M.3 für die Ablehnung der Fiktionslösung Vgl. dazu S. 56,64. Vgl. etwa Ftume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 e (238); Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 50; MünchKomm I Förschler, § 130, Rdnr. 30. 2

3

§ 16 Kritische Stellungnahme

163

stützen. Bei einer Fiktionslösung würde, wie aus § 130 I 2 folgt, nicht nur der Adressat, sondern auch der Erklärende an die real gar nicht zugegangene Erklärung gebunden sein. Interessengerecht wäre es demgegenüber, wenn der Erklärende nach der Zugangsverhinderung weiterhin die Dispositionsmöglichkeit hinsichtlich der WE behielte und er frei darin wäre, die Erklärung noch (rückwirkend) wirksam werden zu lassen oder davon Abstand zu nehmen. Die Notwendigkeit, die Dispositionsfreiheit des Erklärenden zu schützen, mag allerdings nicht ohne weiteres einzusehen sein. Man könnte einwenden, daß hier der Schutz des wankelmütigen Erklärenden, der nicht weiß, was er will, überbetont werde, während im Regelfall das Interesse des Erklärenden eindeutig für eine Fiktionslösung spreche, die diesen von weiteren Zugangsbemühungen entbinden würde. Bei einer solchen Argumentation wird jedoch die Lage verkannt, die für den Erklärenden bei einer absichtlichen Zugangsvereitelung besteht. Das arglistige Verhalten des Adressaten kann hier nämlich durchaus dem Erklärenden eine Korrektur seines Geschäftswillens nahelegen. Wenn etwa der Antragende den fristgemäßen Zugang einer Annahmeerklärung absichtlich verhindert, dann wird jeder vernünftige Erklärende, selbst wenn er vorher fest entschlossen war, den Vertrag abzuschließen, sich überlegen müssen, ob er noch mit jemandem in Vertragsbeziehungen treten soll, der schon im vorvertraglichen Bereich ein treuwidriges Verhalten an den Tag gelegt hat. Es wäre nicht zu rechtfertigen, wenn ein arglistig handelnder Adressat, der später feststellt, daß die nicht zugegangene Erklärung für ihn mehr Vor- als Nachteile bringen würde, den Erklärenden an der Erklärung festhalten könnte. Berücksichtigt man schließlich noch, daß der Erklärende möglicherweise die Vereitelungsabsicht gar nicht durchschaut hat, dann dürfte vollends klar werden, daß eine Fiktionslösung den Interessen des Erklärenden nicht immer gerecht wird, sondern im Einzelfall eventuell sogar den bezweckten Schutz des Erklärenden ins Gegenteil verkehrt. Man könnte die zuletzt aufgezeigten Bedenken gegen die Fiktionslösung vielleicht vermeiden, indem man es dem Erklärenden freistellt, ob er sich auf die Zugangsfiktion beruft oder nicht. Dies hätte allerdings zur Folge, daß der Erklärende auf Kosten des Adressaten spekulieren könnte. So bestünde für den Erklärenden die Möglichkeit, erst einmal abzuwarten, ob die Erklärung sich als für ihn günstig oder ungünstig erweist. Eine solche Spekulationsmöglichkeit des Erklärenden wäre aber selbst bei Berücksichtigung des treuwidrigen Verhaltens des Adressaten nicht zu rechtfertigen. Um Mißbräuche des Erklärenden zu verhindern, kann diesem die Dispositionsfreiheit hinsichtlich seiner WE nur in der Weise eingeräumt werden, daß er dem Adressaten nach der Zugangsvereitelung unverzüglich erkennbar machen muß, ob er weiterhin an der Erklärung festhalten will oder nicht. Das läßt sich 11·

164

5. Kap.: Zugangshindernisse

aber sachgerecht nicht durch eine Fiktion des Zugangs, die ja gerade darauf hinausläuft, jedes weitere Tätigwerden des Erklärenden entbehrlich zu machen, sondern nur auf dem von der heute h. M. beschrittenen Weg der Nachholung und der Rückwirkung des Zugangs erreichen. 11. Rückwirkungslösung

Aus dem Vorstehenden dürfte schon deutlich geworden sein, daß im Grundsatz der Rückwirkungslösung zu folgen ist, weil sie den Interessen der Beteiligten am besten gerecht wird. Sie gewährleistet einerseits in ausreichendem Maße den Schutz des Erklärenden. Dieser erleidet durch Zugangshindernisse, die dem Adressaten zuzurechnen sind, keine unbilligen Nachteile. Vor den Folgen eines verspäteten Zugangs wird er nämlich hinreichend durch die Rückwirkung des Zugangs auf den hypothetischen Zeitpunkt, in dem die Erklärung ohne das Zugangshindernis normalerweise zugegangen wäre, geschützt. Bei einem endgültigen Scheitern eines Zugangsversuchs trifft ihn zwar die Obliegenheit, den Zugang unverzüglich nachzuholen; dafür bleibt ihm aber die Dispositionsfreiheit hinsichtlich seiner Erklärung erhalten. Für den Adressaten ist andererseits gewährleistet, daß ihm trotz des Zugangshindernisses eine hinreichend gesicherte Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Erklärungsinhalts verschafft wird. Er muß nur die WE rückwirkend schon zu einem Zeitpunkt gegen sich gelten lassen, in dem er noch nicht die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Das ist jedoch sachlich gerechtfertigt, wenn die Ursache des verspäteten Zugangs in seinem Verantwortungsbereich liegt. Mit der Feststellung, daß die Interessenlage der Parteien für die Rückwirkungslösung spricht, ist allerdings nur die grobe Richtung des einzuschlagenden Lösungsweges vorgezeichnet. Klärungsbedürftig bleibt vor allem die Frage, welche Zugangshindernisse dem Adressaten zuzurechnen sind und welche zum Übermittlungsrisiko des Erklärenden gehören. Die Anhänger der Rückwirkungslösung kommen hier entsprechend den verschiedenen von ihnen herangezogenen dogmatischen Begründungsansätzen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wie oben in § 15 I 2 dargestellt, reicht das Meinungsspektrum von der Beschränkung der Verantwortlichkeit des Adressaten auf die vorsätzliche Zugangsverhinderung bis hin zu einer verschuldensunabhängigen Sphären-Verantwortlichkeit. Welcher Auffassung zu folgen ist, hängt maßgebend davon ab, an welchen gesetzlichen Wertungen man sich für die Zurechnung von Zugangshindernissen zu orientieren hat. Reine Billigkeitserwägungen in Verbindung mit der Regelung des § 242, auf die sich die heute h. M.

§ 16 Kritische Stellungnahme

165

meist stützt, erscheinen dabei als ein zu ungenauer Orientierungsmaßstab. Mit Treu und Glauben ließen sich nämlich durchaus verschiedene Lösungen vereinbaren. Ebensowenig überzeugen die vor allem in der älteren Literatur zu findenden Versuche, im Wege der Analogie Regelungen aus ganz anderen Rechtsbereichen heranzuziehen. Zwar mögen die von diesen Regelungen erfaßten Sachverhalte in der einen oder anderen Hinsicht gewisse Gemeinsamkeiten mit der Interessenlage bei Zugangshindernissen aufweisen. Bevor man sich jedoch an solchen sachfernen Normen orientiert, sind zunächst einmal die Wertungen ins Auge zu fassen, die sich unmittelbar aus der Zugangsregelung des § 130 I ergeben. Denn hier hat der Gesetzgeber selbst die beim Wirksamwerden von WEn bestehenden Interessen des Erklärenden und des Adressaten betrachtet und in einer bestimmten Weise zum Ausgleich gebracht. Die von ihm dabei vorgenommene Risikoverteilung nach Einwirkungsbereichen 4 muß - wie von einem Teil der Literatur5 zutreffend erkannt und herausgearbeitet worden ist - auch bei den Hindernissen gelten, die das Einbringen der Erklärung in den Empfangsbereich unmöglich machen oder verzögern. Dieses Risikoverteilungsprinzip ist nämlich konsequenterweise auf alle Hindernisse anzuwenden, die sich einer WE von der Abgabe bis zur Kenntnisnahme durch den Adressaten in den Weg stellen. Etwas anderes wäre nicht nur systemwidrig, sondern würde auch zu Wertungswidersprüchen führen. Für eine Sonder behandlung der hier untersuchten Zugangshindernisse ist jedenfalls kein sachlicher Grund ersichtlich. Nach § 130 I trägt der Adressat das Risiko der Kenntniserlangung der in den Empfangsbereich gelangten WEn'. Wenn das Gesetz dem Adressaten aber insoweit eine verschuldensunabhängige Verantwortlichkeit für dessen Einwirkungsund Organisations bereich aufbürdet, dann erscheint es zwingend, daß auch Zugangshindernisse, die ihre alleinige Ursache im Bereich bzw. in der Person des Adressaten haben, zu dessen Lasten gehen müssen. Kenntnisnahmehindernisse und Zugangshindernisse liegen bei wertender Betrachtung auf einer Ebene; denn in beiden Fällen geht es gleichermaßen um Störungsursachen, die im Einwirkungsbereich des Adressaten liegen und von diesem eher beherrschbar sind als vom Erklärenden. Daß es sich hierbei um gleichwertige Hindernisse handelt, die dem Adressaten nach denselben Grundsätzen zuzurechnen sind, läßt sich auch an Beispielen verdeutlichen. Nach § 130 I ist es für das Wirksamwerden einer in den Empfangsbereich gelangten verkörperten WE ohne Bedeutung, daß der Adressat abwesend ist und infolgedessen vom Er4

5 B

Vgl. dazu ausführlich § 4 II 1 b. Vgl. die Nachw. in § 15, Fn. 19. Vgl. § 4 II 1 b.

166

5. Kap.: Zugangshindernisse

klärungsinhalt keine Kenntnis nehmen kann7 • Von dieser Wertung her ist es dann aber folgerichtig, daß es ebenfalls zu Lasten des Adressaten geht, wenn während seiner Abwesenheit mangels Empfangsvorkehrungen überhaupt gar keine Möglichkeit besteht, eine verkörperte Erklärung in den Empfangsbereich gelangen zu lassen, oder die Erklärung dort erst verspätet eintrifft8 • Hat z. B. der Adressat an sein Telefon einen Anrufbeantworter angeschlossen, der als seine Empfangseinrichtung eine WE aufgenommen hat, dann fällt es in seinen Risikobereich, wenn infolge eines technischen Defektes die Aufnahme später überspielt und damit die Kenntnisnahme unmöglich wird. Wenn hier der Adressat, ohne daß es auf ein Verschulden ankommt, für das Funktionieren seiner Empfangseinrichtung einzustehen hat, dann muß wohl Gleiches in dem Fall gelten, in dem der Anrufbeantworter von vornherein nicht funktioniert und der Erklärende, dem der Adressat ein Vertragsangebot mit einer kurzen Frist zur telefonischen Annahme gemacht hat, infolgedessen den Zugang seiner Annahmeerklärung nicht fristgerecht bewirken kann. Es wäre unverständlich, wenn zugunsten des Adressaten das den § 130 I beherrschende Prinzip der verschuldensunabhängigen Bereichsverantwortlichkeit durchbrochen und eine Zurechnung der Zugangshindernisse von subjektiven Komponenten, etwa von einem Verschulden oder gar von einer Vereitelungsabsicht, abhängig gemacht würde; das wäre um so weniger verständlich, als für die andere Seite, nämlich für den Erklärenden, dieses Prinzip uneingeschränkt gilt9 • Subjektive Zurechnungskriterien ließen sich im übrigen auch kaum mit den Erfordernissen des Rechtsverkehrs vereinbaren, die beim Zugang eine Anknüpfung an äußere, für den Erklärenden erkennbare und leicht beweisbare Tatbestände gebieten. Diesen Verkehrserfordernissen wird nur eine Risikoverteilung nach objektiv feststellbaren Einwirkungsbereichen gerecht. Im Grundsatz ist also jener Auffassung zu folgen, die eine Rückwirkung des Zugangs bei allen Zugangshindernissen annimmt, die ihre Ursache im Einwirkungsbereich des Adressaten haben, ohne daß es auf ein Verschulden des Adressaten ankommt. Damit ist das Problem der Zugangshindernisse allerdings noch nicht zufriedenstellend gelöst. Es fragt sich nämlich, welche Zugangshindernisse dem Einwirkungsbereich des Adressaten zuzuordnen sind. Der Vgl. § 4 II 1 b. Ob das auch für unverkörperte Erklärungen gelten kann, erscheint zweifelhaft; vgl. dazu S. 175 f. 9 Der Erklärende hat bei der übermittlung der Erklärung, wenn sich die Erklärung also in seinem Einwirkungsbereich befindet, die Nachteile des Erklärungsverlustes und einer Verzögerung des Zugangs stets zu tragen, selbst wenn ihn daran kein Verschulden trifft. 7

8

§ 16 Kritische Stellungnahme

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Begriff des Einwirkungshereichs ist ebenso wie der des Machtbereichs10 viel zu abstrakt und konturenlos, um auch in Problemfällen den Weg zur sachgerechten Entscheidung zu weisen. Hierin besteht die große Schwäche der oben genannten, im Grundsatz zutreffenden Auffassung. Um für die praktische Rechtsanwendung brauchbare Zurechnungskriterien zu gewinnen, bedarf es der Konkretisierung des bei Zugangshindernissen maßgebenden Zurechnungsprinzips und gegebenenfalls der Fallgruppenbildung. Bei der Herausarbeitung der eigenen Lösung wird es im wesentlichen um diese Konkretisierung gehen.

nl. Scbadensersatzlösung Das Schadensersatzrecht bietet dem Erklärenden nur einen begrenzten, rein schuld rechtlichen Schutz, und zwar nur in den Fällen, in denen dem Adressaten ein für das Zugangshindernis ursächliches schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden kann. Wie sich schon aus den Ausführungen unter H. ergibt, ist eine solche Lösung, bei der es auf das Verschulden des Adressaten ankommt, weder mit den Wertungen des § 130 I in Einklang zu bringen, noch wird sie den Verkehrserfordernissen gerecht. Folgt man wie hier der Rückwirkungslösung, die auf einer objektiven Risikoverteilung aufbaut, dann kann dem Schadensersatzrecht nur noch eine ergänzende Funktion zukommen. Schadensersatzansprüche sind allein insoweit von Bedeutung, als es um Vermögensnachteile geht, die durch die Rückwirkung eines später nachgeholten Zugangs nicht ausgeglichen werden können. Zu denken ist vor allem an die Mehrkosten, die dem Erklärenden durch die nach dem Scheitern des ersten Zugangsversuchs unternommenen weiteren Zugangsbemühungenentstanden sind. Für den Ausgleich solcher reinen Vermögensschäden kommt aus dem Deliktsrecht allein § 826 in Betracht, dessen Voraussetzungen allerdings nur in den Fällen absichtlicher Zugangsvereitelung erfüllt sein werden; im übrigen ist an einen (quasi-)vertraglichen Schadensersatz anspruch zu denken, der an die schuldhafte Verletzung einer Rechtspflicht des Adressaten zur Vornahme von Empfangsvorkehrungen anknüpft. Eine solche Rechtspflicht kann sich, wie von den Vertretern der Schadensersatzlösung zutreffend herausgearbeitet worden ist l1 , im Einzelfall aufgrund einer bestehenden Rechtsbeziehung ergeben. Innerhalb bestehender Rechtsbeziehungen werden die Beteiligten nämlich regelmäßig mit dem Austausch von WEn zu rechnen haben 12 • Aufgrund des aus 10 11 12

Vgl. dazu die Kritik oben in § 5 II 1. Nachw. in Fn. 24 zu § 15. Vgl. dazu Dilcher, AcP 154, 120, 131, der zu Recht darauf hinweist, daß zur

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5. Kap.: Zugangshindernisse

§ 242 folgenden Gebots der Rücksichtnahme dürfte sich deshalb für die Beteiligten die Nebenpflicht ergeben, dem anderen Teil die Bewirkung des Zugangs von WEn zu ermöglichen. Eine solche Nebenpflicht läßt sich dagegen bei Vertragsverhandlungen nicht ohne weiteres annehmen. Solange der Adressat die Möglichkeit hat, Vertragsverhandlungen abzubrechen, muß es ihm auch erlaubt sein, sich dem Zugang von Vertragserklärungen zu entziehen1s . Eine Pflicht zur Ermöglichung des Zugangs kann sich hier nur aus der Bindungswirkung eines vom Adressaten gemachten Vertragsangebotes (§ 145) oder aufgrund eines bestehenden Kontrahierungszwangs ergeben. In allen sonstigen Fällen, in denen es an einer bestehenden Rechtsbeziehung zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten fehlt, läßt sich eine solche Rechtspflicht des Adressaten nicht begründen. Insgesamt zeigt sich also, daß nur in wenigen Fällen die Notwendigkeit und auch nur teilweise die Möglichkeit besteht, die Nachteile von Zugangshindernissen durch das Schadensersatzrecht auszugleichen. § 17 Konkretisierung der eigenen Auffassung

Die Kritik der bisherigen Lösungsversuche hat zu den maßgebenden Ansatzpunkten für eine zufrieden stellende Lösung des Problems der Zugangshindernisse geführt. Die Aufgabe besteht nunmehr darin, den für zutreffend erkannten, teilweise allerdings noch unscharfen Lösungsansatz so zu konkretisieren, daß sich für die praktische Rechtsanwendung brauchbare Grundsätze ergeben. I. Konkretisierung der Bereichsverantwortlichkeit des Adressaten 1. Grundlagen der Zurechnung

Es ist festgestellt worden, daß dem Adressaten unabhängig von einem Verschulden alle Zugangshindernisse aus seinem Bereich zuzurechnen sind. Diese Bereichsverantwortlichkeit des Adressaten gilt es nunmehr näher zu bestimmen. Der Bereich, für den der Adressat verantwortlich ist, läßt sich dabei nicht räumlich-gegenständlich festlegen. Daß eine solche räumliche BeAbwicklung eines Rechtsverhältnisses fast zwangsläufig WEn ausgetauscht werden, selbst wenn sich das Rechtsverhältnis nicht primär auf die Abgabe von WEn richtet. 13 So zutreffend Baumert, 51; Karassis, 206 f.; a. A. Dilcher, Fn. 12, 133 ff., der allgemein bei Vertragsverhandlungen und auch in den Fällen des § 663, § 362 HGB eine Pflicht zur Bereitstellung von Empfangseinrichtungen annimmt (vgl. auch Staudinger I Dilcher, § 130, Rdnr. 57).

§ 17 Konkretisierung der eigenen Auffassung

169

trachtungsweise zur Abgrenzung der Risikosphären nicht weiterhilft, ergibt sich schon aus der oben am herrschenden Zugangsbegriff geäußerten Kritik 1 . Ausgangspunkt für die Zurechnung muß vielmehr sein, daß das Hindernis vom Erklärenden praktisch nicht beeinflußbar ist, sondern in dem für den Erklärenden nicht zugänglichen Bereich der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten des Adressaten liegt. Allerdings ist die rein faktische Einwirkungsmöglichkeit des Adressaten nur notwendige, nicht auch hinreichende Voraussetzung für die Zurechnung. Es kommt auch darauf an, was dem Adressaten an Einwirkungshandlungen zur Ermöglichung des Zugangs und zur Beseitigung sowie Vermeidung von Zugangshindernissen zumutbar und von ihm nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist. Bestimmte Zugangshindernisse, die sozialadäquat sind und mit denen der Erklärende rechnen muß, sind von ihm hinzunehmen. Das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Wenn dem Adressaten in der Nacht eine mündliche WE überbracht werden soll, der Erklärungsbote aber nichts ausrichten kann, weil der Adressat sich schlafen gelegt hat, dann ist zwar auf seiten des Erklärenden alles zur Übermittlung der WE Notwendige und Mögliche getan worden. Obwohl das Zugangshindernis hier im tatsächlichen Einwirkungsbereich des Adressaten liegt, ist diesem dennoch das Hindernis nicht zurechenbar. Vom Adressaten kann nämlich nach der Verkehrsanschauung nicht erwartet werden, daß er auch nachts WEn entgegennimmt; der Erklärende, für den dies erkennbar ist, muß ein solches Zugangshindernis hinnehmen. Letztlich kann also immer nur im Wege einer wertenden, sich an der Verkehrs anschauung orientierenden Betrachtung festgestellt werden, ob ein Zugangshindernis dem Adressaten zuzurechnen ist.

2. Entwicklung konkreter Zurechnungsgrundsätze Es kommen zwei Ansatzpunkte in Betracht, um Zugangshindernisse dem Einwirkungsbereich des Adressaten zuzuordnen: Es kann einmal an zugangshindernde Einwirkungen, die sich aus einem positiven Tun des Adressaten ergeben, und zum anderen an das Unterlassen zugangsfördernder Einwirkungen durch den Adressaten oder an das Fehlschlagen von Empfangsvorkehrungen anzuknüpfen sein. a) Zurechnung von Zugangshindernissen aufgrund von Einwirkungen des Adressaten durch positives Tun Eindeutig zum Bereich des Adressaten gehören jene Zugangshindernisse, die dieser durch Einwirkungen mittels positiven Tuns auf den Übermittlungsvorgang geschaffen hat. Solche aktiven Einwirkungen 1

Vgl. § 5 II 1.

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5. Kap.: Zugangshindernisse

dürften regelmäßig auch von einem nachweisbaren Vereitelungswillen getragen werden, so daß selbst diejenigen, die auf ein Verschulden des Adressaten abstellen2 , hier praktisch immer eine Verantwortlichkeit des Adressaten bejahen müssen. Weniger eindeutig ist die Rechtslage allerdings in den Fällen, in denen der Adressat zwar die übermittlung der WE selbst nicht stört, wohl aber den von der WE zurückzulegenden Weg verlängert und dadurch eine Verzögerung des Zugangs bewirkt. Zu denken ist dabei vor allem an den vom Adressaten erteilten Postnachsendungsauftrag. Wenn sich etwa der Adressat während seiner Urlaubsabwesenheit die Post nachsenden läßt, so verhält er sich völlig verkehrsgerecht; ihm kann deshalb von vornherein kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden. Auf ein Verschulden kommt es jedoch auch nicht an. Nach dem oben3 als maßgebend herausgearbeiteten Risikoverteilungsprinzip ist hier vielmehr von Bedeutung, daß das Zugangshindernis auf ein Handeln des Adressaten zurückzuführen ist, mit dem dieser Vorkehrungen für seine Abwesenheit treffen wollte. Sowohl von der Ursache als auch von der Möglichkeit zur Störungsbeseitigung muß das Hindernis demnach dem Adressaten zugerechnet werden. Im Gegensatz zu ihm hat der Erklärende auf die Störungsquelle keine Einwirkungsmöglichkeit; er kann sich im Regelfall auch nicht darauf einstellen und das Hindernis umgehen, da dieses für ihn meist nicht erkennbar ist. Auch unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes ist es deshalb gerechtfertigt, daß - jedenfalls grundsätzlich - der Adressat die Nachteile der durch die Postnachsendung verursachten Zugangsverzögerung zu tragen hat. Zu überlegen bleibt, ob das auch in den Fällen gelten kann, in denen der Erklärende von der Abwesenheit des Adressaten wußte und mit einem Postnachsendeauftrag rechnen mußte. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung 4 schließt allein die Erkennbarkeit des Zugangshindernisses für den Erklärenden es nicht aus, daß dieser auf Kosten des Adressaten von den Nachteilen der Zugangsverzögerung entlastet wird. Denn beim Problem der Zugangshindernisse geht es nicht allein um den Vertrauensschutz des Erklärenden hinsichtlich des Erfolges irgendwelcher Zugangsbemühungen5 , sondern generell darum, den Erklärenden vor den Nachteilen einer unangemessenen Beschränkung der Möglichkeiten zur Bewirkung des (rechtzeitigen) Zugangs zu schützen. Der Erklärende bedarf auch dann des Schutzes, wenn er zwar das Zugangshindernis vorher klar erVgl. oben die Nachw. in § 15 I 1, 2 a, 3. Vgl. § 16 H. 4 Vgl. Soergel / Hefermehl, § 130, Rdnr. 24, 26. 5 Dazu, daß es bei den Zugangshindernissen nicht primär um ein Problem des Vertrauensschutzes geht, vgl. auch Canaris, Vertrauenshaftung, 325 f. 2

3

§ 17 Konkretisierung der eigenen Auffassung

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kennt, der Adressat ihm aber keine andere zumutbare Möglichkeit offengelassen hat, den Zugang rechtzeitig zu bewirken. Ist für den Erklärenden das Zugangshindernis so frühzeitig erkennbar, daß er sich ohne weiteres darauf einstellen und insbesondere durch ein früheres Absenden der Erklärung eine eventuelle Zugangsverzögerung ausgleichen könnte, dann stellt sich allerdings die Frage, ob er das Zugangshindernis als sozialadäquat hinzunehmen hat. Die Antwort hierauf hängt maßgebend von einer Abwägung der Interessen ab; dabei kommt es darauf an, was einerseits dem Erklärenden an Rücksichtnahme zuzumuten und was andererseits nach der Verkehrsanschauung auf seiten des Adressaten an Zugangsmöglichkeiten zu erwarten ist. Bei einem Postnachsendungsauftrag, der t,ypischerweise nur eine kurze Verzögerung des Zugangs mit sich bringt, dürfte es dem Erklärenden, der mit einer Postnachsendung rechnen muß, grundsätzlich zuzumuten sein, sich auf eine solche eventuelle Verzögerung einzustellen6 • Zu 'einer anderen Wertung wird man allerdings kommen müssen, wenn der Adressat Kaufmann ist oder jedenfalls wie ein Kaufmann am Rechtsverkehr teilnimmt7. Bei solchen Personen muß nämlich im Hinblick auf ihre ständigen und vielfältigen rechtsgeschäftlichen Kontakte erwartet werden, daß sie am Ort ihrer Büro- oder Geschäftsräume zumindest die Möglichkeit schaffen, Erklärungen in verkörperter Form zugehen zu lassen, auch wenn sie selbst abwesend sind. Der Geschäftsbetrieb muß dort typischerweise auch bei einer Abwesenheit des Kaufmanns weitergeführt werden. Der Erklärende braucht sich hier deshalb nicht auf eine Zugangsverzögerung infolge eines Postnachsendeauftrags einzurichten. Weiterhin kommt als positives Tun des Adressaten, das zu einer Verlängerung der Erklärungsübermittlung und damit zu einer Verzögerung des Zugangs führen kann, die Verlegung des Wohnsitzes oder der Geschäftsräume in Betracht. Solche Veränderungen muß der Erklärende jedoch hinnehmen. Ihm obliegt es nach § 130 I, dem Adressaten die Erklärung zu übermitteln; daraus folgt, daß dieser durch die Wahl seines Wohnsitzes auch den Ort für die Empfangnahme der WE bestimmt. Der Erklärende muß sich darauf einstellen. Möglich ist allerdings, daß sich der Adressat bei einer Veränderung des Wohnsitzes oder seiner Geschäftsräume eine Zugangsverzögerung unter dem im folgenden noch näher zu behandelnden Gesichtspunkt des Unterlassens von Empfangsvorkehrungen zurechnen lassen muß8. 6 So auch die wohl h. M.; vgl. etwa Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 e (239); Larenz, Allg. Teil, § 21 II b (413 f.); Thiele, BGB Allgemeiner Teil - Allgemeines Schuldrecht, 30; M. Wolf, in: Emmerich u. a., Grundlagen des Vertrags- und Schuldrechts, 78. 1 So auch Larenz, Fn. 6; Thiele, Fn. 6. 8

So obliegt es dem Adressaten im Rahmen eines bestehenden Rechtsver-

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5. Kap.: Zugangshindernisse

b) Zurechnung von Zugangshindernissen aufgrund des Unterlassens oder des Fehlschlagens von Empfangsvorkehrungen In den meisten Fällen von Zugangshindernissen kann eine Zurechnung nur daran anknüpfen, daß auf seiten des Adressaten Vorkehrungen zur Ermöglichung oder Erleichterung des Zugangs unterlassen worden oder diese jedenfalls fehlgeschlagen sind. Welche Empfangsvorkehrungen dem Adressaten jeweils zumutbar sind und von ihm erwartet werden müssen, läßt sich nicht einheitlich beantworten. (1) Der Adressat ist zunächst einmal dann für Empfangsvorkehrungen verantwortlich, wenn er deren Vornahme dem Erklärenden ausdrücklich oder konkludent versprochen hat9 • Er hat sich damit gegenüber dem Erklärenden gebunden und muß sich auch daran festhalten lassen. Vor allem im Rahmen von Vertragsverhandlungen, insbesondere bei der Abgabe eines befristeten Angebots, sind solche, meist konkludenten Versprechen des Adressaten durchaus keine Seltenheit. Macht z. B. jemand einem anderen telefonisch ein Vertragsangebot und räumt ihm eine Frist bis nachmittags um 15 Uhr für eine telefonische Annahme ein, so muß man bei Auslegung dieses Angebots dazu kommen, daß der Antragende eben bis 15 Uhr auch die notwendigen Empfangsvorkehrungen für eine eventuelle telefonische Annahmeerklärung treffen wird. Diese Auslegung erscheint hier schon im Hinblick auf die Bindungswirkung des befristeten Angebots (§ 145) geboten zu sein, die sonst vom Antragenden bequem durch das Unterlassen der erforderlichen Empfangsvorkehrungen ausgehöhlt werden könnte lO • Wer sich eine telefonische Annahmeerklärung ausbedingt, muß dem anderen Teil auch die Möglichkeit geben, eine solche zugehen zu lassen; alles andere wäre ein widersprüchliches Verhalten. Wenn - wie im vorstehenden Fall - der Adressat dem Erklärenden eine bestimmte Zugangsmöglichkeit (konkludent) zugesagt hat, dann muß er nach dem aus § 130 I abgeleiteten Prinzip der Bereichsverantwortlichkeit unabhängig von einem eventuellen Verschulden für die Vornahme und den Erfolg der dafür auf seiner Seite notwendigen Empfangsvorkehrungen einstehen. Das bedeutet für den Beispielsfall, daß der Adressat es sich zurechnen lassen muß, wenn innerhalb der Annahmefrist die telefonische Annahmeerklärung nicht entgegengenommen V'lird; dabei wäre unerheblich, ob er absichtlich den Telefonhörer hältnisses mit dem Erklärenden, diesem bei einem Wechsel der Wohnung oder der Geschäftsräume die neue Adresse rechtzeitig anzuzeigen (vgl. auch S. 175). Soweit das unterlassen wird und es dadurch zu einer Verzögerung des Zugangs kommt, ist diese dem Adressaten zuzurechnen. 9 Vgl. dazu schon, wenn auch von einem anderen Ausgangspunkt, Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 266 f., 360 ff. 10 Vgl. dazu auch Karassis, 209, der aus der Bindungswirkung des Antrags eine Pflicht des Antragenden zur Vornahme von Empfangsvorkehrungen herleiten will; ähnlich auch Baumert, 53.

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nicht abnimmt, er - ohne an das Angebot zu denken - einen Spaziergang unternimmt, er wegen eines Unfalls plötzlich ins Krankenhaus eingeliefert werden muß oder ob der von ihm während einer kurzen Abwesenheit eingesetzte Anrufbeantworter wegen eines technischen Defekts nicht funktioniert. Was hier am Beispiel erläutert worden ist, gilt entsprechend in anderen Fällen, in denen bestimmte Zugangsmöglichkeiten bzw. Empfangsvorkehrungen vereinbart oder einseitig vom Adressaten zugesagt worden sind 11. Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes wird man sogar noch einen Schritt weitergehen müssen. M. E. ist die Verantwortlichkeit des Adressaten für bestimmte Empfangsvorkehrungen auch zu bejahen, wenn zwar eine entsprechende Zusage des Adressaten nicht vorliegt oder zweifelhaft erscheint, dieser aber jedenfalls durch sein Verhalten und durch die von ihm geschaffenen Umstände objektiv den Eindruck vom Vorhandensein bestimmter Zugangsmöglichkeiten erweckt hat. Der Erklärende wird sich hier - wie bei einer entsprechenden Zusage des Adressaten12 - auf die Zugangsmöglichkeiten einstellen. Sein Vertrauen erscheint auch bei Berücksichtigung der Interessen des Adressaten als schutzwürdig. Denn er kann keinen Einblick in den Bereich des Adressaten nehmen und ist infolgedessen nicht in der Lage, sich über die objektiv vorhandenen Zugangsmöglichkeiten zu vergewissern. Er muß sich deshalb auf die nach außen erkennbar werdende Empfangsorganisation des Adressaten verlassen können. Dem Adressaten geschieht andererseits kein Unrecht, wenn man ihn an den von ihm selbst geschaffenen Eindruck vom Vorhandensein bestimmter Empfangsvorkehrungen festhält. Hat etwa der Antragende in seinem Angebotsschreiben auf seine Bürozeiten hingewiesen, dann wird der andere Teil mangels anderer Anhaltspunkte darauf vertrauen, daß während der angegebenen Zeiten im Büro der Zugang von (auch mündlichen) WEn bewirkt werden kann. Ebenso wird beim Erklärenden ein Vertrauenstatbestand geschaffen, wenn der Adressat auf das Vorhandensein eines Fernschreibers hingewiesen hat. Der Erklärende darf sich dann darauf verlassen, daß er über Fernschreiben seine WE übermitteln kann. Wenn eine solche Übermittlung scheitert, weil etwa der Fernschreiber des Adressaten defekt ist oder mangels Papier das Fernschreiben nicht ausgedruckt, sondern auf die Walze des Empfangsapparates geschrieben wird 13 , so muß der Adressat für diese Vertrau11 Ob im Einzelfall eine solche Vereinbarung vorliegt, ist dabei im Wege der Auslegung festzustellen. 12 Eine eindeutige Abgrenzung der Zusage von sonstigen durch den Adressaten geschaffenen, rein faktischen Vertrauens tatbeständen dürfte kaum möglich sein. 13 Vgl. dazu OLG Karlsruhe, NJW 1973, 1611, 1612, das zutreffend dieses Zugangshindernis dem Adressaten zugerechnet hat.

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5. Kap.: Zugangshindernisse

ensenttäuschung einstehen; das Zugangshindernis ist seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen. (2) In vielen Fällen wird der Adressat sich allerdings nicht schon durch das Versprechen von Empfangsvorkehrungen oder durch ein sonstiges Vertrauen schaffendes Vorverhalten selbst gebunden haben. Es fragt sich, ob hier nicht gleichwohl mit Rücksicht auf die Erfordernisse des Rechtsverkehrs vom Adressaten ein Mindeststandard an Empfangsvorkehrungen erwartet werden muß14. Wie bei allen Problemen, die sich bei den Zugangshindernissen ergeben, so läßt sich auch diese Frage mangels normativer Vorgaben nicht mit Hilfe von rechtsdogmatischen Erwägungen, sondern wiederum nur aufgrund einer Interessenabwägung beantworten. Von maßgebender Bedeutung ist dabei, daß der Rechtsverkehr heute kaum ohne Empfangsvorkehrungen auskommen kann. Dem Erklärenden ist es praktisch nicht möglich, zumindest aber nicht zumutbar, die WE zum jeweiligen, ihm meist unbekannten Aufenthaltsort des Adressaten zu übermitteln und sie diesem, dort zu übergeben. Er ist vielmehr darauf angewiesen, daß ihm am Wohn- oder Geschäftssitz des Adressaten unabhängig von dessen Anwesenheit eine (sichere) Möglichkeit zur Bewirkung des Zugangs offensteht. Darauf muß er sich vor allem bei fristgebundenen Erklärungen verlassen können; denn hier ist bei einem Scheitern des Zugangs ein weiterer Zugangsversuch innerhalb der Frist oftmals nicht möglich. Man kann den Erklärenden nicht darauf verweisen, in solchen Fällen von vornherein den Weg der Zustellung nach § 132 zu wählen, wodurch der Zugangseintritt immer sichergestellt werden könnte. Die Zustellung ist nämlich viel zu umständlich und mit Mehrkosten verbunden; sie ist dem Erklärenden nur in Ausnahmefällen, wenn andere Zugangsversuche gescheitert sind, zu mutbar. Manchmal wird eine Zustellung innerhalb der für die WE bestehenden Frist auch gar nicht mehr möglich sein. In einer modernen Industriegesellschaft mit einem rechtsgeschäftlichen Massenverkehr, bei dem eine Vielzahl von WEn ausgetauscht wird, müssen die übermittlung und der Zugang von Erklärungen schnell, sicher und mit geringem zeitlichen sowie finanziellen Aufwand bewirkt werden können. Der reibungslose Austausch von WEn läßt sich nur dadurch gewährleisten, daß die am rechtsgeschäftlichen Verkehr Beteiligten durch entsprechende Vorkehrungen 'eine Zugangsmöglichkeit für eingehende WEn schaffen. Allein dies erweist sich letztlich als praktikabler Weg, um für den Erklärenden den Zugangseintritt und damit das Wirksamwerden der Erklärung steuerbar und kalkulierbar zu machen. U Bisher ist eine solche Obliegenheit zur Vornahme von Empfangsvorkehrungen immer abgelehnt worden (vgl. z. B. BGH, VersR 1971, 262, 263; BGHZ 67, 272, 278; RGRK I Krüger-Nieland, § 130, Rdnr. 24; Staudinger I Dilcher, § 130, Rdnr. 58).

§ 17 Konkretisierung der eigenen Auffassung

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Dem Adressaten ist es auch grundsätzlich zumutbar, Empfangsvorkehrungen zur Ermöglichung des Zugangs zu treffen. Er wird - wie praktisch jeder in unserer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung - in vielfältiger Weise am Rechtsverkehr teilnehmen und WEn austauschen. Wer aber willentlich am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilnimmt, der muß auch auf seiner Seite die notwendigen Voraussetzungen für eine störungsfreie rechtsgeschäftliche Kommunikation schaffen. Sonst würde sich der Betreffende widersprüchlich verhalten. Jedenfalls dann, wenn der Adressat schon in ein Rechts- oder Verhandlungsverhältnis mit dem Erklärenden eingetreten ist1 5 , müssen von ihm unter dem Gesichtspunkt der Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Teils gewisse Vorkehrungen erwartet werden. Der Adressat wird dadurch auch nicht unbillig belastet. Bei dem von ihm einzuhaltenden Mindeststandard an Empfangsvorkehrungen soll es selbstverständlich nur um solche Maßnahmen gehen, die für ihn mit vertretbarem Aufwand verbunden sind. Zweifelhaft kann allein sein, was dem Adressaten dabei konkret an Empfangsvorkehrungen zuzumuten ist. Ihm ist es zunächst einmal ohne weiteres möglich, sicherzustellen, daß an s'einem Wohn- und Geschäftssitz WEn in verkörperter Form jederzeit zugehen können. Er braucht dazu nur einen Briefkasten anzubringen; es reicht sogar aus, wenn er Sorge dafür trägt, daß die Erklärungen unter der (Wohnungs-)Tür her in seinen räumlich-gegenständlichen Bereich eingebracht werden können. Bei einer Verlegung des Wohn- oder Geschäftssitzes kann der Adressat wiederum mit geringem Aufwand sicherstellen, daß denjenigen, mit denen er in einem Rechts- oder Verhandlungsverhältnis steht, die neue Adresse rechtzeitig angezeigt und die gleichwohl an die alte Adresse gerichtete Post nachgesendet wird. Mit diesen kaum aufwendigen Empfangsvorkehrungen läßt sich insgesamt gewährleisten, daß entsprechend den Verkehrserfordernissen ständig eine Zugangsmöglichkeit offengehalten wird. Nicht mehr zum Mindeststandard an Empfangsvorkehrungen, dessen Einhaltung von jedem Teilnehmer am rechtsgeschäftlichen Verkehr erwartet werden muß, zählen Vorkehrungen für den Eingang von unverkörperten WEn. Vom Adressaten kann man nicht generell verlangen, sich ständig oder dann, wenn es dem Erklärenden beliebt, zur Wahrnehmung mündlicher Erklärungen bereitzuhalten oder dafür zu sorgen, daß während seiner Abwesenheit in seiner Wohnung eine zur Entgegennahme von WEn ermächtigte Person bereitsteht. Bei Privatleuten, 15 Soweit ersichtlich, kommt es nur im Rahmen solcher bestehenden Rechts- und Verhandlungsverhältnisse auf die Rechtzeitigkeit von WEn an; nur in diesen Fällen hat demnach das Problem der Zugangshindernisse praktische Bedeutung.

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5. Kap.: Zugangshindernisse

insbesondere bei der zunehmenden Zahl der Alleinstehenden und der berufstätigen Eheleute, ist das praktisch gar nicht möglich. Den Verkehrserfordernissen wird im übrigen schon Genüge getan, wenn nur die Möglichkeit besteht, die WE jedenfalls in verkörperter Form zugehen zu lassen. Empfangsvorkehrungen auch für mündliche Erklärungen könnten allenfalls bei Kaufleuten und bei sonstigen Personen, die in ähnlicher Weise am Rechtsverkehr teilnehmen, verlangt werden. Jedoch läßt sich auch bei diesem Personenkreis insoweit kaum ein Mindestmaß an Empfangsvorkehrungen festlegen. Im Hinblick auf die teilweise erheblichen Unterschiede in Art und Umfang der rechtsgeschäftlichen Betätigung sowie in der Größe des Geschäftsbetriebes dürfte eine Standardisierung nicht möglich sein. Maßgebend muß vielmehr sein, ob der Erklärende nach dem Auftreten des Adressaten und den äußeren Umständen darauf vertrauen durfte, daß für die Entgegennahme der mündlichen Erklärung eine empfangsberechtigte Person angetroffen würde 16 • Problematisch ist schließlich, inwieweit dem Adressaten im Hinblick auf Einschreibsendungen bestimmte Empfangsvorkehrungen zumutbar sind. Einschreibsendungen werden von der Post nur an den Adressaten persönlich oder an die in §§ 50 I, 51 II Nr. 1 - 3, III PostO genannten Personen ausgehändigt. Nach den herausgearbeiteten Zugangsvoraussetzungen tritt bei solchen Sendungen der Zugang erst ein, wenn das Einschreiben dem Adressaten (oder einer zur Empfangnahme ermächtigten Person) zur Übergabe angeboten oder wenn es - im Falle der Niederlegung bei der Post - dort durch eine empfangsbefugte Person abgeholt wird 17 • Entsprechend der für die unverkörperten Erklärungen vorgenommenen Wertung wird man auch hier nicht verlangen können, daß generell jeder Adressat sich zur Entgegennahme von Einschreibsendungen bereit hält oder jedenfalls für die Anwesenheit empfangsbefugter Personen sorgt. Das ist dem Adressaten, der meist berufstätig ist und sich deshalb zur üblichen Zeit der Postzustellung nicht in seiner Wohnung aufhält, vielfach nicht möglich oder nicht zumutbar. Andererseits ist zu bedenken, daß den Einschreibsendungen im Rechtsverkehr erhebliche Bedeutung zukommt, vor allem, wenn es um die Sicherung des Beweises für den Zugang geht1 8 • Sie haben heute Vgl. auch oben S. 173. Vgl. oben § 5 III 4 b (2). 18 Der Beweis des Zugangs läßt sich allerdings nicht schon mit dem Einlieferungsschein führen, sondern nur mit Hilfe des Ablieferungsscheins, der zwei Jahre lang bei der Post aufbewahrt wird (vgl. dazu BGHZ 24, 308, 313 f.; MünchKomm I Förschler, § 130, Rdnr. 37; vgl. aber auch E. Schneider, MDR 1984, 281). Beim Einschreiben mit Rückschein kann der Beweis durch Vorlage des Rückscheins erbracht werden. 16 17

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weitgehend jene Funktion übernommen, die der Gesetzgeber einst der Zustellung nach § 132 I zugedacht hatte. Es wäre mit den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs unvereinbar, wenn die Vorteile der Beweissicherung vom Erklärenden mit der Übernahme eines erhöhten Risikos für ein Scheitern oder eine Verspätung des Zugangs erkauft werden müßten. Es ist deshalb geboten, den Erklärenden von den Gefahren, die sich aufgrund der für Einschreiben geltenden qualifizierten Zustellvorschriften der PostO ergeben, zu entlasten. Den Verkehrserfordernissen wird Rechnung getragen, wenn man dem Adressaten die Obliegenheit aufbürdet, eine nicht zugestellte und deshalb auf dem Postamt niedergelegte Einschreibsendung abzuholen. Die (alsbaldige) Vornahme dieser Mitwirkungshandlung wäre dabei dem Risikobereich des Adressaten zuzuordnen. Diese Lösung führt zu einem angemessenen Ausgleich zwischen den Verkehrserfordernissen und den Interessen des Adressaten. Ist diesem die Niederlegung einer Einschreibsendung aufgrund des hinterlassenen Benachrichtigungszettels erkennbar, so dürfte ihm das Abholen der Sendung durchaus zuzumuten sein19 • Das ist selbst dem berufstätigen Adressaten mit vertretbarem Aufwand möglich. Das Abholen von Einschreibsendungen gehört demnach ebenfalls zu jenem Mindestmaß an Empfangsvorkehrungen, das von jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs erwartet werden muß. 11. Inhalt und Grenzen der Obliegenheit

des Erklärenden zur Nachholung des Zugangs Wenn der Adressat nach den herausgearbeiteten Zurechnungsgrundsätzen für ein Zugangshindernis verantwortlich ist, so führt das nicht ohne weiteres zu einer Fiktion des Zugangs. Nach der Rückwirkungslösung, der im Grundsatz zu folgen ist 20 , obliegt es ,vielmehr dem Erklärenden, sich weiterhin um den Zugang zu bemühen, soweit sein 19 Daß das Abholen eines niedergelegten Einschreibens dem Adressaten zumutbar ist und in dessen Verantwortungsbereich fällt, entspricht, selbst wenn es nicht immer klar ausgesprochen wird, letztlich der ganz überwiegenden Meinung. Davon gehen zunächst einmal diejenigen aus, die es für den Zugang schon ausreichen lassen, daß die Einschreibsendung unter Zurücklassung eines Benachrichtigungsscheins bei der Post niedergelegt wird (vgl. die Nachw. oben in Fn. 63 zu § 5); dies wird letztlich aber auch von der h. M. bejaht, wenn sie den Adressaten, der die Abholung des Einschreibens unterläßt, nach § 242 so behandelt, als sei die WE zugegangen (vgl. BGHZ 67, 272, 278; MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 16; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 6 b). Nach Auffassung des BGH (BGHZ 67, 278) soll das allerdings nur bei Bestehen von Rechtsbeziehungen zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten gelten. Diese Einschränkung hilft dem Adressaten jedoch wenig; er kann aufgrund des Benachrichtigungszettels gar nicht erkennen, wer der Absender des Schreibens ist und worum es geht. 20 Vgl. § 16 1I.

12 Brinkmann

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5. Kap.: Zugangshindernisse

erster Zugangsversuch erfolglos geblieben ist. Er wird nur durch die Rückwirkung des später nachgeholten Zugangs geschützt. Im folgenden soll näher betrachtet werden, welche Bemühungen dem Erklärenden zur Nachholung des Zugangs abzuverlangen sind und ob die weiteren Bemühungen immer bis zum Zugangs eintritt fortgesetzt werden müssen. Bei einem Scheitern des ersten Zugangsversuchs muß der Erklärende in jedem Fall unverzüglich einen weiteren Zugangsversuch unternehmen. Das ist ihm im Hinblick auf das Interesse des Adressaten an der Erlangung einer Möglichkeit zur Kenntnisnahme der WE zuzumuten. Dabei kann es aus Gründen der Rechtssicherheit nicht darauf ankommen, ob der Adressat im Einzelfall das Zugangshindernis arglistig geschaffen hat oder nicht21 • Ein weiterer Zugangsversuch ist außerdem notwendig, damit nach außen manifestiert wird, daß der Erklärende weiterhin an der WE festhalten Will22 . Entgegen der Auffassung der Rechtsprechung 23 und der ihr teilweise folgenden Literatur24 muß auch bei einer niedergelegten, vom Adressaten aber nicht abgeholten Einschreibsendung ein weiterer Zugangsversuch gefordert werden. Zwar ist, wenn seitens des Adressaten eine bei der Post niedergelegte Einschreibsendung innerhalb der Abholfrist von sieben Werktagen (vgl. § 52 II PostO) nicht abgeholt wird, vielfach ein arglistiges Verhalten im Spiel. Dies muß jedoch nicht so sein; daß die Sendung nicht abgeholt worden ist, kann z. B. auch auf Krankheit oder urlaubsbedingter Abwesenheit des Adressaten beruhen. Hier erscheinen weitere Zugangs bemühungen des Erklärenden durchaus sachgerecht. Jedenfalls bedarf es aber auch bei Einschreibsendungen eines weiteren Zugangsversuchs, damit nach außen manifestiert wird, daß der Erklärende weiterhin an seiner WE festhalten will. Zweifelhaft ist, ob der Erklärende bei Scheitern auch des zweiten Zugangsversuchs in jedem Fall seine Zugangsbemühungen weiter fortsetzen und notfalls nach § 132 vorgehen muß. Vom Ansatz der Rückwirkungslösung her erscheint es konsequent, das zu bejahen. Dem Erklärenden wären demnach bis zum Zugangseintritt unbegrenzt weitere Zugangsversuche aufzubürden. Das wäre ihm allerdings kaum zu mutbar. Vor allem ist auch zu bedenken, daß der Schwebezustand, der während der Bemühungen des Erklärenden um eine Nachholung des Zugangs besteht, nicht in die Länge gezogen werden darf. Es muß mögVgl. dazu § 16 I. Zu der nach Scheitern des Zugangs bestehenden Dispositionsfreiheit des Erklärenden und zur Notwendigkeit einer äußeren Manifestation des fortbestehenden Geschäftswillens vgl. oben S. 162 ff. 23 Vgl. dazu § 15 H, Fn. 39 f. 24 Vgl. z. B. MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 16; Palandt / Heinrichs, § 130, Anm. 6 b. 21

22

§

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lichst verhindert werden, daß der Erklärende auf Kosten des Adressaten spekulieren kann, indem er die Fortsetzung seiner Zugangsbemühungen davon abhängig macht, ob die Rechtswirkungen der WE für ihn weiterhin günstig sein würden oder nicht. Dem Bedürfnis nach alsbaldiger Klarheit über das Wirksamwerden der WE wäre Rechnung getragen, wenn man dem Erklärenden aufgibt, unverzüglich, d. h. spätestens bei Erfolglosigkeit eines zweiten Zugangsversuchs, nach § 132 den Zugangseintritt zu erzwingen. Eine solche Lösung würde jedoch den tatsächlichen Verhältnissen des Rechtsverkehrs nicht gerecht. Wie schon erwähnt, ist die Zustellung nach § 132 im Rechtsverkehr kaum bekannt, jedenfalls aber nicht gebräuchlich. Es ist bezeichnend, daß sich in der Rechtsprechung - soweit sie oben 25 ausgewertet worden ist - keine Entscheidung findet, in der vom Erklärenden der Zugang durch Zustellung nachgeholt wurde. Wenn der Schutz vor Zugangshindernissen aus dem Bereich des Adressaten in der Praxis nicht leerlaufen soll, dann dürfen gegenüber dem Erklärenden, der meist juristischer Laie ist, die Anforderungen an die Bemühungen zur Nachholung des Zugangs nicht überspannt werden. Statt der ungebräuchlichen und umständlichen Zustellung bedient sich der Rechtsverkehr heute - wie schon ausgeführt - meist des Einschreibens. Mit Rücksicht auf diese tatsächlichen Gewohnheiten des Rechtsverkehrs wird man deshalb nicht immer eine alsbaldige Zustellung verlangen können. Es ist vielmehr als ausreichend anzusehen, wenn der Erklärende nach Scheitern des Zugangs einen weiteren Zugangsversuch mit Hilfe eines Einschreibens unternommen und dabei erreicht hat, daß dieses unter Zurücklassung eines Benachrichtungszettels bei der Post niedergelegt worden ist26 • Zwar bleibt die Erklärung damit im Einwirkungsbereich der Post, so daß es nach den oben entwickelten Zugangsvoraussetzungen folgerichtig wäre, den Zugang weiterhin zu verneinen. Andererseits sind dem Erklärenden aber auch bei Berücksichtigung der Interessen des Adressaten weitere Zugangsbemühungen kaum zumutbar. Der Adressat hat bei einer Niederlegung des Einschreibens jedenfalls die Möglichkeit, sich durch eine zumutbare Mitwirkungshandlung die Kenntnis vom Erklärungsinhalt zu verschaffen. Wenn auch bei wiederholten Zugangsbemühungen nicht mehr erreichbar ist, dann muß das genügen. Eine Zustellung würde hier jedenfalls keine Gewähr dafür bieten, daß die Erklärung näher an den Adressaten herangebracht wird als durch das Einschreiben. Wenn nämlich wiederum keine empfangs befugten Personen angetroffen wür25

§ 15 II.

Im Ergebnis besteht insoweit teilweise übereinstimmung mit der oben zitierten Rechtsprechung (§ 15 II, Fn. 39 f.). Der Unterschied besteht darin, daß der Erklärende nach der hier vertretenen Auffassung jedenfalls einen zweiten Zugangsversuch unternehmen muß. 26

12·

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5. Kap.: Zugangshindernisse

den 27 , käme auch bei der Zustellung nur eine Niederlegung nach § 182 ZPO in Betracht. Einen weiteren (dritten) Zugangsversuch wird man vom Erklärenden nur dann verlangen können, wenn für ihn erkennbar wird, daß der Adressat an der Abholung des Einschreibens gehindert war und ein alsbaldiger weiterer Zugangsversuch mehr Erfolg verspricht als die vorhergehenden28 . Nach der hier vertretenen Auffassung kann der Erklärende sich in den meisten Fällen durch einen weiteren, im Wege des Einschreibens vorgenommenen Zugangsversuch eine Zustellung nach § 132 ersparen. Das entspricht letztlich der Praxis und den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs. Der Erklärende bleibt nur dann auf eine Zustellung angewiesen, wenn die Erklärung dem Adressaten auch nicht mittels Einschreibens nahegebracht werden kann. Das ist etwa der Fall, wenn die (neue) Anschrift des Adressaten unbekannt ist. Kann die Anschrift durch den Erklärenden nicht alsbald ermittelt werden, so bleibt nur die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung nach § 132 II. 111. Rückwirkung des später eingetretenen Zugangs und Zugangsfiktion

Näher zu präzisieren sind schließlich die Rechtsfolgen, die sich bei einem dem Adressaten zuzurechnenden Zugangshindernis ergeben, wenn der Zugang später - und sei es erst nach einem weiteren Zugangsversuch - eintritt oder der Erklärende jedenfalls alles Zumutbare zur Nachholung des Zugangs unternommen hat.

1. Rückwirkung des später eingetretenen Zugangs Von den Vertretern der h. M.29 wird meist gesagt, der Adressat dürfe sich dann gegenüber dem Erklärenden nicht auf eine durch das Zugangshindernis verursachte Verspätung des Zugangs berufen; er müsse 27 Der Kreis der Personen, denen im Wege der Ersatzzustellung nach § 132 I i. V. m. §§ 181, 183 ZPO die Erklärung übergeben werden kann, deckt sich im

wesentlichen mit dem Personenkreis, an den nach der PostO Einschreibsendungen für den Adressaten ausgehändigt werden können; es bestehen nur minimale Unterschiede (z. B. ist nach § 181 I ZPO die Ersatzzustellung an die zur Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen möglich, wozu auch nicht mit dem Zustellungsadressaten verwandte oder verschwägerte Personen gehören können; § 51 II Nr. 2 PostO sieht dagegen eine Aushändigung von Einschreibsendungen an Angehörige des Adressaten, seines Ehegatten oder des Postbevollmächtigten vor). 28 Das ist z. B. der Fall, wenn der Erklärende erfährt, daß der Adressat im Krankenhaus liegt, und er die Erklärung nach dorthin übersenden könnte. 29 Vgl. etwa RGZ 110, 34, 37; BGH, LM Nr. 1 zu § 130 BGB; BGH, VersR 1971, 262, 263; Enneccerus / Nippe1·dey, Allg. Teil, 2. Halbbd., § 158 II A 3 (980); Flume, Allg. Teil, 2. Bd., § 14, 3 e (238); Medicus, Allg. Teil, Rdnr. 278 f.; MünchKomm / Förschler, § 130, Rdnr. 30; Soergel / Hefermehl, § 130, Rdnr. 28.

§ 17 Konkretisierung der eigenen Auffassung

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sich vielmehr vom Erklärenden nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei die Erklärung schon mit dem ersten Zugangsversuch zugegangen. Diese Formulierungen deuten darauf hin, daß ein später eingetretener Zugang nur im Verhältnis zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten eine gewisse Rückwirkung entfalten soll. Dem Schutzbedürfnis des Erklärenden wird dadurch jedoch nicht in vollem Umfang Rechnung getragen. Der Zeitpunkt des Zugangs einer WE kann nicht nur für die Rechtsbeziehungen zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten, sondern auch für Dritte von Bedeutung sein30 • Man denke etwa an WEn bei Verfügungsgeschäften zugunsten des Erklärenden, wenn der Adressat mit einem Dritten über denselben Gegenstand eine widersprechende Verfügung trifft, in den Gegenstand vollstreckt wird oder der Adressat in Konkurs fällt. Für die Rechtsstellung des Erklärenden als auch für die Dritter kommt es hier darauf an, ob die WE und damit das Verfügungsgeschäft zugunsten des Erklärenden schon vor der widersprechenden Verfügung (oder vor der Konkurseröffnung) wirksam geworden sind. Bestehen in solchen Fällen Zugangshindernisse, die dem Adressaten zuzurechnen sind, so muß, wenn der Schutz des Erklärenden umfassend sein soll, die Rückwirkung des alsbald nachgeholten Zugangs auf den Zeitpunkt des ersten Zugangsversuchs auch im Verhältnis zu Dritten eintreten. Dem stehen keine schützenswerten Interessen der betroffenen Dritten entgegen. Für diese ist es ein Zufall gewesen, daß die WE des Erklärenden durch ein Zugangshindernis aufgehalten worden ist. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum Dritte Vorteile daraus ziehen sollen, daß der Adressat durch das Unterlassen von Empfangsvorkehrungen ein Zugangshindernis geschaffen oder den Zugang gar absichtlich vereitelt hat. Die Rückwirkung des später nachgeholten Zugangs kann zwar dazu führen, daß die Verfügung zugunsten des Erklärenden nach dem Prioritätsprinzip einem zwischen dem Adressaten und einem Dritten über denselben Gegenstand geschlossenen Verfügungsvertrag vorgeht, obwohl bei Abschluß dieses Vertrages der Zugang vom Erklärenden real noch gar nicht bewirkt war und deshalb der Dritte die widersprechende Verfügung zugunsten des Erklärenden noch gar nicht kennen konnte. Der Dritte ist hier jedoch, sofern er hinsichtlich der Zugangsverhinderung gutgläubig war, nach den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (z. B. §§ 929, 932, § 142 II analog) zu schützen. Für die hier vertretene Lösung ist weiterhin anzuführen, daß sich die in § 130 I vorgenommene Risikoverteilung in Fällen, in denen der Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer WE mittelbar auch für Dritte 30

Vgl. dazu schon § 5 1.

5. Kap.: Zugangshindernisse

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von rechtlicher Bedeutung ist, von vornherein immer für und gegen die betroffenen Dritten auswirkt. Dann ist es aber folgerichtig, den auf der Grundlage dieser gesetzlichen Risikoverteilung entwickelten Schutz des Erklärenden vor Zugangshindernissen auch im Verhältnis zu Dritten eingreifen zu lassen. Im Hinblick auf die Rechtssicherheit ergeben sich ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken dagegen, eine Rückwirkung des nachgeholten Zugangs gegenüber Dritten anzunehmen. Der Gefahr von Manipulationen seitens des Erklärenden ist dadurch zu begegnen, daß strenge Anforderungen an den Beweis der tatsächlichen Voraussetzungen für ein Zugangshindernis gestellt werden. Insgesamt ist somit festzuhalten, daß der später nachgeholte Zugang auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem die Erklärung ohne das Zugangshindernis normalerweise zugegangen wäre; es handelt sich dabei um eine Rückwirkung "inter omnes". Eine solche Rückwirkung tritt auch ein, wenn das Zugangshindernis nicht zum Scheitern des ersten Zugangsversuchs, sondern nur zu einer Verzögerung des Zugangseintritts geführt hat.

2. Zugangsfiktion in Ausnahmefällen bei erfolglos gebliebenen Zugangsbemühungen Ist nach einem gescheiterten Zugangsversuch der Zugang nicht nachgeholt worden, so wird die WE grundsätzlich nicht wirksam. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn der Erklärende - entsprechend den obigen Ausführungen81 - die ihm zumutbaren weiteren Zugangsbemühungen unternommen und dabei die Erklärung dem Adressaten jedenfalls in Form einer bei der Post niedergelegten Einschreibsendung nahegebracht hat. Um den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entgegenzukommen, ist hier - auch ohne eine Zustellung nach § 132 - der Zugangseintritt zu fingieren. In solchen Fällen wird die WE ebenfalls zu dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ohne das Zugangshindernis normalerweise zugegangen wäre 82 • § 18 Zusammenfassung des fünften Kapitels Grundsätzlich trägt der Erklärende das Risiko des (rechtzeitigen) Zugangseintritts. Zu Lasten des Adressaten gehen jedoch Zugangshindernisse, die aus seinem Einwirkungsbereich stammen. Es ist dabei unerheblich, ob der Adressat das Hindernis vorsätzlich, fahrlässig oder ohne ein Verschulden geschaffen hat. 31

S. 179 f.

In diesem Ausnahmefall ist also nicht der RÜckwirkungslösung zu folgen, sondern mit einer Zugangsfiktion zu arbeiten. 32

§ 18 Zusammenfassung des 5. Kap.

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Ein Zugangshindernis ist dem Adressaten zuzurechnen, wenn er durch positives Tun Einfluß auf die übermittlung der WE genommen hat. Eine Zugangsverzögerung infolge eines von ihm erteilten Postnachsendeauftrags ist ihm ebenfalls zuzurechnen, wenn es dem Erklärenden nicht ausnahmsweise zumutbar war, sich darauf einzustellen. Ferner ist der Adressat für Hindernisse verantwortlich, die auf einem Unterlassen oder einem Fehlschlagen der erforderlichen Empfangsvorkehrungen beruhen. Der Adressat hat dabei zunächst einmal für jene Empfangsvorkehrungen einzustehen, die er dem Erklärenden zugesagt hat. Einer Zusage steht es gleich, wenn er aufgrund der äußeren Umstände beim Erklärenden das Vertrauen auf das Vorhandensein bestimmer Zugangsmöglichkeiten und die Vornahme der dafür erforderlichen Empfangsvorkehrungen geschaffen hat. Unabhängig davon muß jeder Adressat, der am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilnimmt, für einen Mindeststandard an Empfangsvorkehrungen einstehen. Zu diesem Mindeststandard gehört es, daß der Adressat an seinem Wohn- und Geschäftssitz eine Möglichkeit für den jederzeitigen Zugang verkörperter Erklärungen schafft und das Abholen von für ihn bei der Post niedergelegten Einschreibsendungen sicherstellt. Bei einem vom Adressaten zu verantwortenden Zugangshindernis wird der Zugang nicht ohne weiteres fingiert. Der Erklärende behält vielmehr seine Dispositionsfreiheit, wenn der von ihm unternommene Zugangsversuch gescheitert ist. Er kann dann frei darüber entscheiden, ob er an der WE festhalten will oder nicht. Will er an der WE festhalten, muß er unverzüglich alles Mögliche und Zumutbare unternehmen, um den Zugang nachzuholen. Hierbei reicht es grundsätzlich aus, daß er die Erklärung dem Adressaten jedenfalls in Form einer bei der Post niedergelegten Einschreibsendung nahebringt. Von weiteren Zugangsbemühungen ist er nur entbunden, wenn das Hindernis nicht zum Scheitern des ersten Zugangsversuchs, sondern lediglich zu einer Verzögerung des Zugangseintritts geführt hat. Ein verzögerter oder später nachgeholter Zugang wirkt dann auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Erklärung normalerweise ohne das Zugangshindernis zugegangen wäre; diese Rückwirkung gilt nicht nur gegenüber dem Adressaten, sondern auch gegenüber Dritten, wenn die WE für diese irgend wie von Bedeutung ist. Neben den soeben dargestellten Grundsätzen kommt dem Schadensersatzrecht bei Zugangshindernissen nur eine ergänzende Funktion zu. Schadensersatzansprüche sind nur in Betracht zu ziehen, wenn es um Vermögensnachteile geht, die durch die Rückwirkung des verspäteten Zugangs nicht ausgeglichen werden können.

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