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German Pages 276 [278] Year 2016
Carsten Olk Kants Theorie der Synthesis
Kantstudien-Ergänzungshefte
Im Auftrag der Kant-Gesellschaft herausgegeben von Manfred Baum, Bernd Dörflinger und Heiner F. Klemme
Band 192
Carsten Olk
Kants Theorie der Synthesis Zu einem grundlegenden Gedanken der kritischen Philosophie
ISBN 978-3-11-048444-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-048557-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-048453-3 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert und Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com.
| Für Nina und meine Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Februar 2015 als Dissertationsschrift zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie im Fachbereich I/Philosophie der Universität Trier eingereicht und im Juni 2015 angenommen. Abgesehen von einigen stilistischen Verbesserungen und der Ergänzung einiger Fußnoten, habe ich keine Änderungen vorgenommen. Das Buch ist, wie sollte es anders sein, das Ergebnis einer langen und intensiven Auseinandersetzung mit der Philosophie Kants. Dass ich überhaupt in den Genuss des Studiums der Kantischen Schriften und einer Veröffentlichung gekommen bin, habe ich vielen Menschen zu verdanken, die mich stets unterstützt und gefördert haben: Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Bernd Dörflinger, der mich vor vielen Jahren mit seinen Seminaren insbesondere zu Kant für diesen Denker und für die Philosophie überhaupt begeistern konnte. Die Genauigkeit, mit der er philosophische Texte zu analysieren und die Freude, die er dabei den Studenten zu vermitteln vermochte, werden mir stets in vorbildhafter Erinnerung bleiben. Danken möchte ich ihm aber nicht nur für die langjährige fachliche Prägung, sondern auch dafür, dass er mir später das Angebot zur Promotion machte und die Gelegenheit gab, als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fach Philosophie der Universität Trier tätig zu sein. Vor allem aber werde ich ihm immer dankbar dafür sein, dass er mir auch in schwierigeren Zeiten mit großem Verständnis zur Seite stand. In ganz besonderem Maße möchte ich auch meinen Freund und Lehrer, Dr. Manfred Kugelstadt, danken, der die Mühe des Korreferats auf sich nahm. Bereits als junger Student überwältigt von seinen stupenden Kenntnissen der Kantischen Schriften, durfte ich über viele Jahre hinweg als sein Schüler von diesem Wissen profitieren. Dabei werde ich nie vergessen, dass er stets ein offenes Ohr für mich hatte, wenn mir wieder einmal eine spezifische Frage zur Kantischen Philosophie keine Ruhe ließ. Die vielen, oft detailversessenen Diskussionen mit ihm haben mir letztlich immer tiefere Einsichten in die Philosophie Kants ermöglicht und mich nicht unerheblich zur Auseinandersetzung mit einigen zentralen, in meinem Buch diskutierten Problemen inspiriert. Aufrichtig danken möchte ich an dieser Stelle auch Herrn Prof. Dr. Michael Albrecht, der in der ersten Phase meiner Promotion die Zweitbetreuung übernahm. Die Tatsache, dass er den später erfolgten Wechsel des Korreferats souverän und mit großem Verständnis unterstützte, hat meinen fachlichen und menschlichen Respekt vor ihm nur noch größer werden lassen.
VIII | Vorwort
Weiterhin und ganz besonders möchte ich meinen Eltern, Monika und Werner Olk, danken. Ohne ihre großzügige und fürsorgliche Unterstützung wäre weder mein langjähriges Studium noch die anschließende Promotion möglich gewesen. Ihr Vertrauen war für mich gerade in meiner Promotionszeit jederzeit der Stein, auf den ich bauen konnte. Ihnen möchte ich dieses Buch ebenso widmen wie meiner geliebten Nina, ohne die dieses Buch ebenso wenig zustande gekommen wäre. Ihr liebevoller Beistand und ihre Unterstützung gaben mir stets die Kraft, meine Arbeit zu schreiben und zum Abschluss zu bringen. Einen großen Dank nicht nur für steten moralischen Beistand möchte ich auch an ihre Familie – Doris, Erhard und Lisa Horn – richten. Von all den Freunden, die mich auf die eine oder andere Weise begleitet haben und mir eine Stütze gewesen sind, möchte ich insbesondere meinem lieben Freund Michael Haubrich einen großen Dank aussprechen. Mit ihm verbindet mich eine ganz besondere Freundschaft seit vielen Jahren. Auch möchte ich meinem Freund Eric Jacob Onyango herzlich danken für seinen freundschaftlichen Beistand während meiner Promotionszeit. Auch meinen Kollegen möchte ich danken für die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren, für viele anregende fachliche und außerfachliche Gespräche sowie ihre freundschaftliche Verbundenheit über die Sache hinaus. Zu ganz besonderem Dank verpflichtet bin ich dabei Herrn Prof. Dr. Benedikt Strobel, der mir bei der formalen Gestaltung der vorliegenden Arbeit sehr geholfen hat. Für fachlichen und überfachlichen Beistand möchte ich meinem Freund Dr. Gerhard Jäckels einen großen Dank aussprechen. Herrn Dominic Harion möchte ich danken für seine Ratschläge und stete Hilfe über viele Jahre hinweg. Frau Elfriede Martin gebührt Dank für ihre reichliche, emotionale Unterstützung. Herrn Robert Mersiowsky bin ich ebenfalls zu großem Dank verpflichtet speziell für seine „technische“ Unterstützung und den großen Beistand in der Endphase meiner Dissertation. Frau Aline Schmidt schulde ich besonderen Dank für die Mühe der Korrektur der Endfassung meiner Dissertation. Schlussendlich möchte ich mich ausdrücklich bei den Herausgebern der „Kantstudien-Ergänzungshefte“, Herrn Prof. Dr. Bernd Dörflinger, Herrn Prof. Dr. Manfred Baum sowie Herrn Prof. Dr. Heiner Klemme, für die Aufnahme in die Reihe bedanken. Dieser Dank gilt in eben solchem Maße dem De GruyterVerlag, insbesondere Frau Dr. Gertrud Grünkorn, Frau Nancy Christ sowie Frau Johanna Wange, die eine unkomplizierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit ermöglicht haben. Ich freue mich sehr, dass ich meine Arbeit in einem so renommierten Verlag publizieren darf! Carsten Olk
Trier, Juli 2016
Inhaltsverzeichnis Siglenverzeichnis | XIII 1 1.1 1.2 2 2.1 2.2
2.3
3 3.1
3.2 3.3 4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3
Einleitung | 1 Forschungsstand, Inhalt und Gang der Untersuchung zum Thema Synthesis bei Kant | 1 Einführende Bemerkungen zur Synthesis | 15 Transzendentale Ästhetik | 20 Die reinen Formen der Sinnlichkeit: Raum und Zeit | 20 Zum Verhältnis von metaphysischen und transzendentalen Raumargumenten: Strawsons Kritik an der Kantischen Lehre von Raum und Zeit | 27 Die Sinnlichkeit als eigenständiger Erkenntnisstamm? | 38 Anhang: Zwei Standpunkte der Rezeption | 45 Kants Konzeption des Selbstbewusstseins | 47 Die ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption (Das Ich denke) | 47 1. Anhang: Zum Problem der Meinigkeit von Vorstellungen und der Identität der reinen Apperzeption in der Rezeption | 66 2. Anhang: Einige vertiefende Betrachtungen zum Ich denke und zu dessen Verhältnis zum Ich als transzendentalem Subjekt | 71 Unzulässige Bestimmungen des Ich | 77 Selbsterkenntnis und ihre Bedingung | 83 Handlungen der Synthesis | 93 Reine und empirische Synthesis der Einbildungskraft | 93 Empirische Synthesis der Apprehension und Reproduktion | 96 Anhang: Zur Funktion des Größenbegriffs | 103 Zum Verhältnis von reiner zur empirischen Synthesis | 105 Transzendentale Synthesis der Einbildungskraft und Transzendentales Schema | 111 Synthesis intellectualis und Synthesis speciosa | 113 Bewegung als Handlung des Subjekts | 117 Selbstaffektion | 121 Die Genese der transzendentalen Schemata: Versuch einer Rekonstruktion | 127
X | Inhaltsverzeichnis
4.3.1
4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.1.3
4.3.1.4 4.3.2 4.3.3 4.4 4.5
5 5.1
5.2 5.3
Das transzendentale Schema als Produkt: Die Genese des Schemas als intellektueller Regel am Beispiel der Kategorie der Quantität | 131 Erstes Bestimmungsmoment des transzendentalen Schemas | 131 Zweites Bestimmungsmoment des transzendentalen Schemas | 143 Drittes Bestimmungsmoment des transzendentalen Schemas | 146 Anhang: Transzendentale Schemata als Ermöglichungsgrund transzendentaler Deduktionen und der Status transzendentaler Reflexionsbegriffe in der Rezeption | 149 Exkurs: Das Bewusstsein absoluter Einheit als Prinzip der Synthesis | 151 Erneute Exposition des transzendentalen Schemas und Verbindung der drei Bestimmungsmomente | 155 Das Transzendentale Schema der Größe als anschauliches Produkt. Das Schemabild | 158 Der Status des Raumes innerhalb der zeitlichen transzendentalen Synthesis | 163 Die formale Anschauung: Zum Zusammenhang zwischen mathematischer und philosophischer Synthesis | 169 Zusammenfassung der Synthesisfunktionen der Einbildungskraft und Übergang zur eigentlich synthetischen Reflexion nach den Grundsätzen der Erfahrung | 180 Anhang: Schopenhauers Polemik gegen Kants Lehre vom Monogramm der Einbildungskraft und das Problem des bildgebenden Schemas empirischer Begriffe in der Rezeption | 181 Kategoriale Synthesis und Urteil | 184 Synthetische Einheit im Erfahrungsurteil | 184 Exkurs: Der formale Grundsatz als synthetische Handlungsanweisung | 187 Transzendentaler Gegenstand | 190 Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteile | 193 Exkurs: Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteile bei Gerold Prauss | 200
Inhaltsverzeichnis | XI
5.4 5.4.1 5.4.2
5.4.3
5.4.4
5.5
6
Reflexion nach Funktionen synthetischer und analytischer Einheit des Selbstbewusstseins | 203 Zum Unterschied von analytischer und synthetischer Einheit des Selbstbewusstseins | 204 Zwei Momente der Reflexion: synthetische und analytische Subsumtion, Gemeinsamkeit synthetischer und analytischer Einheit der Apperzeption | 217 Anhang: Zur wiederkehrenden Verwechslung von synthetischer und analytischer Bewusstseinseinheit in der Rezeption | 219 Synthetische Urteile a priori als das Ergebnis aller Synthesisleistungen des Verstandes. Synthetische Subsumtion unter den Grundsatz | 221 Einige vertiefende Betrachtungen zum Prinzip synthetischer Subsumtion anhand des Kausalitätsprinzips. Der Status empirischer Begriffe im Grundsatz. | 227 Synthetische Urteile a priori im Verhältnis zu singulären Erfahrungsurteilen | 236 Schlussbetrachtung | 243
Literaturverzeichnis | 249 Personenregister | 257 Sachregister | 259
Siglenverzeichnis
AA
Akademie-Ausgabe
Anth
Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (AA 07)
Br
Briefe (AA 10-13)
EEKU
Erste Einleitung in die Kritik der Urteilskraft (AA 20)
FM
Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnitzens und Wolf's Zeiten in Deutschland gemacht hat? (AA 20)
FM/Beylagen
FM: Beylagen (AA 20)
FM/Lose Blätter
FM: Lose Blätter (AA 20)
GMS
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (AA 04)
KpV
Kritik der praktischen Vernunft (AA 05)
KrV
Kritik der reinen Vernunft (zitiert nach Originalpaginierung A/B)
KU
Kritik der Urteilskraft (AA 05)
Log
Logik (AA 09)
MAN
Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaften (AA 04)
MpTV
Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodicee (AA 08)
OP
Opus Postumum (AA 21 u. 22)
Prol
Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik (AA 04)
Refl
Reflexion (AA 14-19)
ÜE
Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll (AA 08)
Vorl
Vorlesungen (AA 24 ff.)
V-Met-L2/Pölitz
Kant Metaphysik L 2 (Pölitz, Original) (AA 28)
1 Einleitung 1.1 Forschungsstand, Inhalt und Gang der Untersuchung zum Thema Synthesis bei Kant Es ist die Frage nur noch die, was denn […] Synthesis bedeuten möge, was sich darunter verstehen lasse, und wie das in ihr Geforderte möglich seyn werde. (Johann Gottlieb Fichte, Grundlage des Naturrechts, Sämtliche Werke Bd. 3, 32.)
Das theoretische Bestreben Kants, Erfahrung zu begründen als Ergebnis des Verbunds zweier gleichberechtigter, in der theoretischen Abstraktion getrennter Erkenntnisstämme – Verstand und Sinnlichkeit –, ist im Wesentlichen als eine Theorie der Synthesis zu verstehen. So ist es, nach Kants eigenem Bemessen (etwa in der Einleitung zur B-Auflage der Kritik der reinen Vernunft), die Synthesis, „um deren willen eigentlich die ganze Kritik da ist“.1 Nun verwendet Kant den Begriff der Synthesis in unterschiedlicher Weise. Einmal versteht er unter Synthesis besondere Tätigkeiten der Einbildungskraft respektive des Verstandes zum Zwecke einheitlicher Anschauung und Erfahrung. In anderer Hinsicht spricht Kant von synthetischen Urteilen, die aufgrund solcher Handlungen der Synthesis möglich sein und als Naturgesetze a priori „den Erscheinungen ihre Gesetzmäßigkeit verschaffen und eben dadurch Erfahrung möglich machen“ (A 126) sollen. Ursprünglich synthetisch verfährt auch die reine Apperzeption, die allen spezifischen Synthesishandlungen sowie den Grundsätzen a priori zugrunde liegt und damit den Ausgangs- und Zentralpunkt der Kantischen Theorie des Subjekts und der Erkenntnistheorie überhaupt bildet – ist dieses Selbstbewusstsein, welches Kant auch als den „Verstand selbst“ bezeichnet, doch nicht weniger als der „höchste Punkt, an dem man allen Verstandesgebrauch, selbst die ganze Logik, und nach ihr, die Transzendental-Philosophie heften muß“ (B 134, Anm.). Bereits die einleitenden Worte verdeutlichen die Tragweite dieses so schillernden Begriffs der Kantischen Philosophie. Wenn die vorliegende Arbeit versucht, diesem Facettenreichtum gerecht zu werden, dann liegt der Untersu-
|| 1 Vgl. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, hrsg. von Jens Timmermann. Hamburg 1998, B 28. Kantzitate werden im Folgenden unmittelbar im Text nachgewiesen. Im Fall der 1. (A) und 2. (B) Auflage der Kritik der reinen Vernunft werden die Originalpaginierungen angegeben, in allen anderen Fällen wird, unter Hinzufügung von Siglen, Band und Seitenzahlen, nach der Akademieausgabe (AA) zitiert. Hervorhebungen Kants werden durchgängig g e s p e r r t , die des Verfassers kursiv gesetzt.
2 | Einleitung
chung jederzeit ein leitender Gedanke zugrunde, nämlich dass alle Akte des Verstandes letztlich in einer möglichen Synthesis gründen. Das mag zunächst verwundern, sind doch einige Handlungen des Verstandes ganz offenbar nicht synthetisch, sondern analytisch – wie denn in der Folge im Kapitel über den Unterschied und Zusammenhang analytischer und synthetischer Reflexion noch zu zeigen sein wird. Auch kann zunächst nicht in jeder Hinsicht behauptet werden, dass jeder Handlung der Analysis eine Synthesis vorausgehen müsse, was jedoch eine geläufige Meinung ist,2 die sich vor allem auf die Kantische Formulierung bezieht, wonach „nur vermöge einer vorausgedachten möglichen synthetischen Einheit“ (B 133, Anm.) eine analytische vorgestellt werden könne. Denn der Schematisierung der reinen Verstandesbegriffe etwa geht jederzeit eine „Zergliederung“, d. h. Analysis voraus, d. h., diese findet zwar nur „in der Absicht auf synthetische“ Begriffe statt, jedoch können diese immer nur „aus jenen zuerst zergliederten Begriffen […] erzeugt werden“ (Prol, AA 04: 273f.; vgl. auch Anm. 170). Wenn also entgegen dieser beiden Feststellungen scheinbar widerläufig behauptet wird, alle Handlungen des Verstandes gründeten in einer möglichen Synthesis, so stimmt dies nur unter der Voraussetzung, dass man einen – in der Folge stets zu beachtenden – Unterschied zwischen objektiv- und subjektiv-synthetischen Reflexionshandlungen des Verstandes macht. Denn Handlungen nach analytischer Einheit, die objektiv bloße Gleichheit (durch analytische Einheit gedacht) aussagen, sind nicht auch objektiv-synthetisch (vgl. Kapitel 5.4), wie umgekehrt in einer objektiven Synthesis nach synthetischer Einheit des Selbstbewusstseins keine bloße Gleichheit ausgesagt wird.3 Insofern alle Vorstellungen insgesamt zu einem Selbstbewusstsein, d. h. zum einen Ich denke gehören müssen können (vgl. Kapitel 3.1),4 sind alle Handlungen aber in der Tat zumindest subjektiv-synthetisch, so dass die Behauptung,
|| 2 Vgl. etwa Longuenesse 1998, S. 11. 3 Zwar müssen die Merkmale reiner Verstandesbegriffe durch analytische Urteile offengelegt werden, bevor sie zur objektiven Synthesis gebraucht werden können (Analysis des Subjektbegriffs); aber in der Nominaldefinition einer Kategorie wie etwa „Die Substanz ist der reale Träger von Akzidenzien“ ist zugleich ein Moment der synthetischen Reflexion enthalten, drückt dieses Urteil doch Verbindung und damit Einheit im Objekt aus. Die Kategorie, für sich betrachtet, besitzt immer schon eine Verbindungsfunktion (vgl. Anm. 133). 4 Dies gilt auch für alle – noch nicht inhaltsbezogenen – logischen Urteilsformen (vgl. etwa Anm. 144) und die in ihrer Form zustande gebrachten Urteile, die zwar vermittelst analytischer Einheit des Selbstbewusstseins gebildet werden, deren gedachte Begriffe subjektiv aber wiederum in einem (wenngleich nicht notwendigen, empirischen) Bewusstsein verbunden stehen müssen.
Forschungsstand, Inhalt und Gang der Untersuchung zum Thema Synthesis bei Kant | 3
alle Handlungen gründeten in einer möglichen Synthesis – mit der angesprochenen Einschränkung – aufrecht erhalten werden kann. Es sei die Frage erlaubt, welche neuen Einsichten eine Arbeit zum Synthesis-Begriff geben kann, speziell in Anbetracht der Vielzahl an Sekundärliteratur speziell zur theoretischen Philosophie Kants. Dazu soll zunächst gesagt werden, dass in jüngerer Vergangenheit immer wieder Versuche einer (sprach-)analytischen Kantinterpretation unternommen wurden, die Kants erkenntnistheoretisches Modell insgesamt gefährden.5 Geistiger Pate dieser Versuche einer kritischen und realistischen Umdeutung ist bekanntlich Peter F. Strawson, der mit seiner Monographie The Bounds of Sense zum ersten Mal einige grundlegende Modifikationen der kritischen Philosophie Kants anstrebt. Von Strawsons Versuch zu zeigen, „wie bestimmte große Teile der Struktur des Gedankensystems der Kritik voneinander getrennt gehalten werden können, und zugleich deutlich zu machen, wie sie innerhalb des Systems selbst als zusammenhängend vorgestellt werden“6, scheint insbesondere Strawsons „Hoffnung auf eine gänzliche Überholung der Lehre von der Synthesis“7, sein Bemühen also, den
|| 5 Vgl. etwa den Sammelband Hans-Johann Glocks (2003), der vor allem sprachanalytische Beiträge zum Verhältnis von Kant und Strawson präsentiert. Aus den vielen Aufsätzen bleibt positiv der Aufsatz Westphals hervorzuheben, der im Zusammenhang mit der Gültigkeit transzendentaler Argumente auf den Status der Amphibolie der Reflexionsbegriffe aufmerksam macht und ein generelles Problem des ausschließlich sprachanalytischen Kant-Zuganges anprangert (2003(2), S. 130): „Kant thus warns us that disregarding transcendental reflection would thwart anyoneʼs search for a sound argument in the first Critique. The lack of discussion of ‚transcendental reflection‘ in recent anglophone Kant commentary may indicate that we have missed something very basic and important about Kant’s arguments and analyses, and may suggest that the lack of satisfactory results stems from too selective a reading of Kant’s protean book.” Vgl. auch Westphals Überlegungen 2003(2), S. 150f. Dort diskutiert er Kants transzendentale Beweise in Abgrenzung zu Humes Datensensualismus. Bird (ebd., S. 84) stellt ebenfalls richtig den banalen, aber in der Auseinandersetzung mit Strawson und Kant kaum herausgestellten Unterschied fest, dass Kants und Strawsons Überlegungen verstanden werden müssen als zwei unterschiedliche philosophische Positionen, nämlich eine empiristische und eine nicht-empiristische, auch wenn Strawsons Position kein bloßer Datensensualismus ist. 6 Strawson 1966, S. 11: „I have tried to show how certain great parts of the structure can be held apart from each other, while showing also how, within the system itself, they are conceived of as related.” Wörtliche Zitate aus The Bounds of Sense werden im Folgenden in Fußnoten dem englischen Original entsprechend und unter Verwendung der Sigle [BS], im Fließtext in der Regel nach Abgleich mit dem Original in deutscher Übersetzung wiedergegeben. Ferner wird Strawsons Schrift Individuals folgend unter der Sigle [Ind] zitiert. 7 BS 96: „In the hope of by-passing the doctrine of synthesis altogether.“ Betrachtet man Strawsons Vorgehensweise genauer, so fällt auf, dass seine Überlegungen vor allem zwei wesentliche Modifikationen der Kantischen Theorie enthalten, auf deren Grundlage er zu
4 | Einleitung
Synthesisbegriff aus der theoretischen Philosophie zu eliminieren, gewagt und fragwürdig, hätte dies die Dekonstruktion des systematischen Aufbaus der kritischen Philosophie zur Folge und würde damit der Kantianismus im Ganzen herabgestuft (eingeschlossen die Kritik der praktischen Vernunft wie die der ästhetischen Urteilskraft). Vor dem Hintergrund, dass Strawson nach wie vor nicht an Aktualität verloren hat und gerade in der angelsächsischen Kantinterpretation immer noch relevant ist, muss die Diskussion um die Bedeutung und die unterschiedlichen Funktionen der Synthesis also weiterhin ein Desiderat der Kantforschung sein. Wenn Strawson beansprucht, trotz Elimination des Synthesisbegriffs gewisse Teile des Kantischen Systems trennen und doch als miteinander zusammenhängend betrachten zu können, so möchte die vorliegende Untersuchung den gleichen Weg gehen, jedoch mit dem fundamentalen Unterschied, vermittelst einer Analyse der internen Verwobenheit der Teile miteinander gerade die Unverzichtbarkeit des Synthesisbegriffs für die Kantische Erkenntnistheorie8 deut-
|| seinem Ziel, der Aufhebung des Synthesisbegriffs, gelangt. Gemeint sind einmal Kants Lehre von Raum und Zeit in der ‚Transzendentalen Ästhetik‘ und die damit einhergehende Etablierung eines transzendentalen Idealismus sowie Kants Theorie des Subjekts. Strawson, der beide Ansätze für unzureichend und ergänzungswürdig hält, greift die Kantischen Lehren ausgehend von einer Position an, die als ein transzendentaler Realismus zu deklarieren ist. Dieser Ansatz ist dadurch gekennzeichnet, dass Raum und Zeit nicht als subjektive Erkenntnisformen im Sinne eines transzendentalen Idealismus gedeutet, sondern als für sich bestehende und vom Standpunkt des Subjekts gelöste Dinge an sich betrachtet werden. Es ist also von vorneherein ein fundamental anderer Standpunkt, nämlich die ontologische Position einer schon in ihrer Bestimmtheit und Vollständigkeit gegebenen Welt an sich, die keinerlei Synthesis durch den Verstand mehr bedarf, von der Strawsons Kantexegese geprägt ist und mit deren Hilfe er entscheidende Einsichten der kritischen Philosophie zu konterkarieren versucht. Kapitel 2.2 wird noch einmal in aller Deutlichkeit versuchen, diesem Problem gerecht zu werden, wenn unter Bezugnahme auf die Kantische Position von Raum und Zeit zu zeigen sein wird, warum für eine schlüssige Theorie der Synthesis die ‚Transzendentale Ästhetik‘ in ihrer Eigenständigkeit gewahrt bleiben muss und nicht zu einer realistischen Position umgedeutet werden darf. Zum Unterschied von transzendentalem Idealismus und transzendentalem Realismus vgl. ferner die Ausführungen Röds 1991, S. 221f., zum Stellenwert des transzendentalen Idealismus Wyller 2001, insbesondere S. 294f. 8 Es würde in den Umfang einer weiterführenden Arbeit gehören, zu zeigen, dass der Synthesisbegriff sich als fundamental etwa auch für die praktische Philosophie Kants erweist. Insbesondere müsste geklärt werden, inwiefern der zunächst rein erkenntnistheoretische Aspekt, das wahrheitsanstrebende Urteilshandeln, tatsächlich auf (moralisch)-praktischen Voraussetzungen gründet. Im Deutschen Idealismus ist die notwendige Einheit von Praktischem und Theoretischem bekanntlich programmatisch. So sind für Johann Gottlieb Fichte erkenntnistheoretische Überlegungen von ihrer praktischen Fundierung im Sittengesetz gar nicht zu isolieren. Vgl. etwa Fichte 1971, Bd. I, S. 456, 466f., 472, 494.
Forschungsstand, Inhalt und Gang der Untersuchung zum Thema Synthesis bei Kant | 5
lich zu machen. Sie versucht hierbei, die zum Teil vorbegrifflichen Synthesishandlungen des Verstandes respektive der Einbildungskraft von der begrifflichkategorialen Reflexion abzugrenzen und die verschiedenen Momente der Synthesis in Form einer strukturellen Analyse, mit Beleuchtung ihrer internen Bezogenheit aufeinander und den damit einhergehenden wechselseitigen Bedingungsverhältnissen, nachzuzeichnen. Denn auch wenn die Kantischen Überlegungen von ein und demselben Gedanken geleitet werden, nämlich zu zeigen, wie ein unbestimmtes „Mannigfaltige[s] gegebener Vorstellungen […] unter eine Apperzeption überhaupt gebracht“ (B 143) und somit Erfahrung, d. i. empirische Erkenntnis, möglich wird, liegt dieser Erkenntnistätigkeit ein komplexes Gebilde zugrunde, das ohne Detailanalyse nicht gänzlich durchdrungen werden kann. Das komplexe Gebilde mit seinen wechselseitigen Bedingungsverhältnissen ist dabei immer im Sinne eines „inneren Gliederbau[s]“ (B XXIII) zu verstehen, in dem „Alles um Eines willen und ein jedes Einzelne um aller willen“ (B XXXVII) da ist. Dieser organologische und teleologische Charakter der Kritik, den Bernd Dörflinger mit seiner wegweisenden Monographie Das Leben theoretischer Vernunft (2000) in aller Deutlichkeit hervorgehoben hat, manifestiert sich in der Synthesislehre am nachhaltigsten. Denn wenn alle Glieder innerhalb des inneren Gliederbaus des Erkenntnisvermögens nur um aller willen und gleichzeitig die ganze Kritik nur um der Synthesis willen „da ist“ (B 28), dann ist der ganze Organismus nur durch Synthesis möglich und wird von ihr zusammengehalten. Ist mit Strawson ein Denker genannt, der Kants Theorie der Synthesis ablehnend gegenübersteht und dessen Untersuchung insgesamt als kantkritisch zu werten ist, sei nun auf einige Werke der Kantrezeption zu sprechen gekommen, die in den letzten 30 Jahren den Begriff der Synthesis – als zentrales Thema behandelnd – positiv bewertet und ihn für die Kantforschung fruchtbar zu machen versucht haben. Eine der ersten umfassenden Arbeiten zur Synthesis bei Kant stammt von Hans-Georg Hoppe (1983) unter dem gleichnamigen Titel. Hoppes einschlägige Arbeit führt – auch gegen Strawsons Angriffe auf die kritische Philosophie – insgesamt überzeugend die Kantische Erkenntnisabsicht vor, wonach Gegenstandserkenntnis im pointierten Sinne erst und ausschließlich durch kategoriale Synthesis gemäß der synthetischen Einheit der Apperzeption geleistet wird (vgl. vor allem ebd., S. 110) und nicht bereits im Vorgriff durch irgendeine „kategorial subjektive Wahrnehmung“ (S. 46, Anm.). Hier ist jedoch anzumerken und wird in der Folge zu berichtigen sein, dass der Ausdruck des kategorial Subjektiven äußerst unglücklich gewählt ist; suggeriert dies schon eine kategoriale Komponente innerhalb der Wahrnehmung, über die Kant gerade hinausgeht, was Hoppe ja auch überzeugend vorführt, wenn er
6 | Einleitung
zeigt, dass eine intentionale Gegenstandsbeziehung – im vollen Sinne – nicht schon durch die Beziehung des Subjekts auf die bloß subjektive Vorstellung der Erscheinung in der Wahrnehmung vorliegt (vgl. etwa S. 93 oder 110), sondern erst dann, wenn vermittelst kategorialer Synthesis die objektive Beziehung zum Gegenstand der Erfahrung hergestellt wird. Diese Unterteilung geht einher mit Hoppes Feststellung, dass „wir es bei Kant statt mit nur einem Erfahrungsbegriff in Wirklichkeit mit zwei Erfahrungsbegriffen zu tun“ (S. 46) haben,9 was zurückzuführen ist auf die „zwei verschiedenen Konzeptionen von Gegenstandsbeziehung unserer Vorstellungen und deshalb auch mit zwei verschiedenen Erfahrungsproblemen selber“ (S. 46). Dagegen spricht schon die Kantische Feststellung, wonach es „objectiv nur Eine Erfahrung“ (OP, AA 21: 247; vgl. auch Anm. 21) gibt, was es denn auch in der Folge der vorliegenden Arbeit deutlich zu machen gilt. Nun ist Hoppes Werk vor allem für seine Bemühungen zu loben, „gegen einen ausschließlich an der Frage der Geltung der Erkenntnis orientierten Ansatz in der Kant-Interpretation“ (S. 21) auch dem sogenannten psychologischen Rahmen der Kritik Beachtung zu schenken (vgl. ebd.). Hiermit ist freilich keine empirisch-psychologische Studie intendiert, sondern dasjenige, was als transzendentale Psychologie durch die Monographie Kants Transcendental Psychology Patricia Kitchers in den 90ern zur Popularität gelangt,10 jedoch besser || 9 Dies erinnert stark an Strawson, der den Wahrnehmungen eine Art von Objektivität zugesteht, da er sie des Öfteren mit Erfahrungen identifiziert. So gilt ihm schon ein bloßes „momentanes Kitzelgefühl“ („momentary tickling sensation“, BS 100) als subjektive Erfahrung. An anderer Stelle spricht er sogar ausdrücklich von einer Wahrnehmungserfahrung („perceptual experience“, BS 129; vgl. auch Ind 90); in Individuals gelten ihm auditive Eindrücke bereits als „purely auditory experience“ (Ind 86), visuelle als „visual experience“ (Ind 90). Ein wesentlicher Grund dafür scheint in dem Umstand begründet zu liegen, dass Strawson den Begriff der Erfahrung weiter fasst als Kant (vgl. BS 100f.) und die Möglichkeit einer „purely sense-datum experience“ (BS 100) diskutiert, wonach es Erlebnisse geben mag, die nicht zu Gegenständen objektiver Urteile im Kantischen Sinne erhoben werden können und denen der begriffliche Charakter gänzlich fehlt, die aber dennoch „Erfahrung“ zu nennen sind (vgl. BS 101f.). Strawson unterscheidet dabei die „subjektive Folge und Anordnung einer Sequenz solcher Erlebnisse auf der einen Seite“ von „der objektiven Folge und Gegebenheiten, von denen sie Erlebnisse sind, auf der anderen Seite“ (BS 126). 10 Kitcher (1993, S. 23ff.) erhebt gegen den Verdacht eines verborgenen Psychologismus in der Transzendentalphilosophie ausdrücklich Einspruch, da Kant nicht interessiert ist „in the actual physical or psychological embodiments of particular mental processes“, sondern daran, „to explore the requirements of various cognitive tasks“ (S. 25). Sie richtet sich damit speziell gegen Strawson, der die Kantische Erkenntnistheorie ebenfalls von jedem Psychologismus befreit sehen will, Kant jedoch diesen Psychologismus unterstellt, wenn er ihn für seine – nach Meinung Strawsons vor allem in der A-Auflage – psychologistischen Formulierungen massiv
Forschungsstand, Inhalt und Gang der Untersuchung zum Thema Synthesis bei Kant | 7
durch die von Friedrich Kaulbach bereits in den 60ern geprägte Theorie der Handlung verständlich wird. Dieser Handlungsbegriff, dem im Verlaufe der vorliegenden Untersuchung große Aufmerksamkeit geschenkt wird, dient dazu, den prozessualen Charakter der Synthesis zu unterstreichen, wie er speziell in der transzendentalen Synthesis der Einbildungskraft entwickelt wird, allen voran in den einschlägigen § 24–26 der ‚B-Deduktion‘. Der Handlungsbegriff erweist sich als fundamental für die Klärung der Frage, wie (und nicht dass) die Kategorien auf Anschauung bezogen werden können, mithin zeigt er, auf welche Weise die Zeit a priori, durch Entwicklung der jeweiligen Schemata, strukturiert werden kann. Doch um wieder auf Hoppe zurückzukommen: Sein Ansatz begreift das Problem der zu konstituierenden Gegenständlichkeit, d. h. das Problem synthetischer Urteile a priori und die „Frage nach der Möglichkeit einer objektiven und wahren Erfahrungserkenntnis“ als eines, das „nicht im Rückgang auf die Objektivität qua Wahrheit der Erfahrung, sondern [nur, C.O.] qua intentionaler Gegenstandsbeziehung unserer empirischen Vorstellungen“ (Hoppe 1983, S. 8) gelöst werden könne. Dabei müsse dieses Problem immer vor dem Hintergrund der Kantischen Frontstellung gegen Hume betrachtet werden. Wenn dies auch richtig ist, da Kant über die bloß subjektive Gegenstandsbeziehung bei Hume durch die Verstandesreflexion als einer zweiten Erkenntnisquelle hinausgelangt, so erscheint Hoppes Erklärung in einer anderen Hinsicht dennoch prob|| kritisiert. Aus diesem Grunde weist Strawson auch jegliche Form transzendentaler Argumente zurück, die – wie zu zeigen sein wird – jedoch im Rahmen einer erkenntnistheoretischen, apriorischen Strukturanalyse, die eben den Grund von Erfahrung einsichtig machen soll, vollkommen legitim sind (vgl. Anm. 158, 162). Das Gesagte ist auch ein Grund dafür, warum Strawson die Synthesis ablehnt, allen voran diejenigen Synthesen, die auf Handlungen der Einbildungskraft beruhen. Diese Kritik an der Kantischen Gegenstandskonstitution greift auch Wunsch (2007, S. 51ff.) auf. Die Einwände gegen eine Konstitutionstheorie der Erfahrung hält Wunsch jedoch für gerechtfertigt, was daran liegen mag, dass auch Wunsch hier eine Konstitutionstheorie im Sinne eines Naturentwurfs deutet. Dass Kant jedoch nicht ernsthaft behauptet, der Verstand schaffe gleichsam aus dem Nichts Gegenständlichkeit, ist schon deshalb klar, weil ein Mannigfaltiges der Anschauung immer gegeben sein muss. Der Gegenstand als Erscheinung ist also schon gegeben, jedoch muss dieses noch unbestimmte Material in der Tat konstituiert, oder wenn man so will, gedeutet bzw. bestimmt werden, um zum Erfahrungsgegenstand zu werden. Es verwundert doch, wie man Schwierigkeiten daran finden kann, sich diese Objektkonstitution als eine solche zu denken, die lediglich aus subjektiven Vorstellungen objektive Vorstellungen macht, wozu jederzeit apriorische Synthesisfunktionen vorausgesetzt werden müssen, die die Erkenntnis objektiver Strukturen bzw. objektiver Verhältnisse überhaupt erst ermöglichen. Vgl. zur Auseinandersetzung mit Strawson auch Hoppe 1983, S. 11ff., insbesondere S. 17, zum Stellenwert der transzendentalen Psychologie Longuenesse 1998, vor allem S. 398 und Hoppe 1983, S. 21.
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lematisch: Für ihn überlagern sich die „beiden bei Kant oft bis zur völligen Verschmelzung miteinander verbundenen Hauptmotive“, einerseits das „wissenschaftstheoretische“, andererseits das Problem „der intentionalen Gegenstandsbeziehung, das sich im Zusammenhang der Frage nach dem Haben überhaupt von Welt“ zeigt, weshalb er die beiden verschiedenen Problemhorizonte in seiner Arbeit strikt voneinander trennen möchte. Darin jedoch auch zwei miteinander zusammenhängende, sich ergänzende Problemaspekte der Synthesistheorie zu sehen, kommt ihm nicht in den Sinn. Ferner könnte man gegen Hoppe ins Feld führen, dass er durch die Fokussierung auf die – in der vorliegenden Untersuchung so formulierte – Frage, wie aus subjektiven Gemütsbestimmungen objektive Gegenstandserkenntnis wird, den Bereich der reinen Erkenntnis und das damit einhergehende Thema der Selbstaffektion, für das sich das Problem allererst zu verbindender empirischer Gemütszustände im inneren Sinn noch nicht eigentlich stellt, unterschlägt bzw. ihm nicht die nötige Aufmerksamkeit zukommen lässt.11 Überhaupt sind aus der Fülle an Forschungsliteratur zur Synthesis nur wenige Arbeiten ausfindig zu machen, die sich mit Synthesis als einem eigenständigen, spezifischen Thema auseinandersetzen.12 Dies trifft auch auf die umfassende Untersuchung Beatrice Longuenessʼ Kant and the Capacity to Judge (1998) zu. Die Arbeit schlägt eine ähnliche Richtung wie die Kitchers ein und ist wie diese dafür zu loben, dass sie – entgegen der sprachanalytischen Rezeption im angelsächsischen Raum – den dynamischen Charakter der Synthesis akzentuiert. Allerdings dienen ihre sehr ausführlichen Analysen der synthesis speciosa dem übergeordneten Ziel, den Zusammenhang zwischen logischen Urteilsformen und transzendentalen, synthetischen Reflexionsformen herzustellen. Diesbezüglich grenzt sich Longuenesse – wie sie selbst bekundet – von Hoppe und
|| 11 Dass es sich bei den durchaus trennbaren Problemaspekten um zwei sich wechselseitig ergänzende Positionen handelt, die nur im Verbund die Kantische Synthesistheorie einsichtig machen, stellt jüngst Anselmo Aportone (2009) auch mit kritischem Blick auf Hoppe fest. Zudem verdeutlicht er, warum Hoppes Arbeit, die sich stark an der phänomenologischempirischen Psychologie orientiert, ebenso wenig wie Kitchers Ansatz, der stark an der funktionalistischen oder kognitiven Psychologie ausgerichtet ist, nicht ganz der Kantischen Synthesistheorie gerecht wird (S. 13f.). 12 Auch hier stellt Aportone (2009, S. 6) treffend fest, dass nur wenige Forscher die Synthesis „gerade als Synthesis, als spezifisches Thema und besonderes Problem betrachten“. Kaulbachs Aufsatz Die Entwicklung des Synthesisgedankens bei Kant aus dem Jahre 1967 ist hier als eine der wenigen Arbeiten zu nennen, die sich explizit mit dem Thema Synthesis befassen. Der Autor diskutiert dezidiert, jedoch vor allem historisch und weniger systematisch, die Entstehung des zentralen Kantischen Gedankens.
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Kitcher ab, die den logischen Formen des Urteils keinen zentralen Stellenwert einräumen, und erstrebt eine „systematic investigation of the relation between logical functions of judgement and categories, and of the import of this correlation for Kant’s principles of pure understanding“ (ebd., S. 6f.). Denn ohne die Einsicht in dieses Verhältnis verstehe man weder „the role of the pure concepts of the understanding in any representation of an object” noch „the System of Principles of the pure Understanding” (S. 5). Abgesehen davon, dass bei Longuenesse also die Synthesis gleichsam nur Mittel zum Zweck ist, insofern sie gebraucht wird „in order to make analysis possible“ (S. 12), wird sich vorliegende Arbeit von folgender These abgrenzen: „Categories [d. i. hier die unschematisierten reinen Verstandesbegriffe, C.O.] before synthesis are nothing but mere forms of analysis, logical functions of judgement.“ (ebd.) Erstens bleibt hier unterbestimmt, was genau mit Analysis gemeint ist. Denn die reinen Verstandesbegriffe gehen zwar jeder schematisierten Kategorie als einer „full-fledged categorie“ (ebd.) voraus; auch muss die Analysis der Kategorien – wie bereits erwähnt – in Form einer Nominaldefinition der objektiv-zeitlichen Synthesis vorausliegen; jedoch wird vermittelst des unschematisierten, reinen Verstandesbegriffs eine analytische Erkenntnis ausgedrückt, wie im Urteil „Die Substanz ist der reale Träger von Akzidenzien“, in dem zugleich eine veritable Verbindung im Objekt, d. h. eine objektive Synthesis gedacht wird. Dabei geht die logische Urteilsform nun in das analytische Urteil ein, d. h. sie wird zur Bildung des analytischen Urteils verwendet. Man hat in der Folge also genau hinzusehen, was mit dem allgemeinen Begriff der Analysis gemeint ist. Zweitens sind die reinen Verstandesbegriffe nicht identisch mit der bloß logischen Urteilsform. Wenn Kant zum Teil recht lax von den logischen Formen des Urteils spricht, intendiert er damit nicht zwangsläufig die bloß logischen Formen eines Urteils, sondern oft nach dem Satz des Widerspruchs gedachte analytische Urteile (vgl. A 593ff./B 621ff.), wie die Nominaldefinitionen einer Kategorie oder andere analytische Urteile wie „Gott ist allmächtig“ (vgl. A 595/ B 623). Mit den logischen Formen des Urteils als bloß logisch-formalen Urteilsformen,13 die für sich genommen noch keinen kategorialen Verstandesgebrauch implizieren – was sich im Rahmen der Wahrnehmungsurteile bestätigen wird, die durch diese bloß logischen Urteilsformen ohne Vorgriff auf irgend eine Verstandesreflexion durch die Kategorie zu fällen sind – ist also noch keine Inhaltsbeziehung hergestellt; auch wird keine Analysis nach analytischer Einheit
|| 13 Vgl. Aportone 2009, S. 203f., der in diesem Zusammenhang auf die Zweideutigkeit des Urteilsbegriffs aufmerksam macht. Vgl. dazu auch Rosales 2000, S. 93f. sowie Anm. 133, 144, 168.
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ausgesagt, es sei denn, das Wahrnehmungsurteil gilt generell („Immer dann, wenn…“) und sagt allgemein Gleichheit aus. Die bloß formalen Urteilsstrukturen, davon wird vorliegende Untersuchung ausgehen und dies zu erweisen versuchen, erhalten erst im Rahmen einer Reflexion durch die Kategorie (sei sie schematisiert in Bezug auf die Sinnlichkeit als den sinnlichen Inhalt oder nur unschematisiert in Bezug auf einen Gegenstand des reinen Denkens bzw. der Anschauung überhaupt, sprich: nicht unserer sinnlichen Anschauung in Raum und Zeit, gedacht) eine – sinnliche oder bloß gedachte, in beiden Fällen aber Verbindung im Objekt vorstellende – Gegenstandsbeziehung. Das bedeutet, sie liefern erst vor diesem Hintergrund der kategorialen Reflexion nach notwendig synthetischer Einheit eine Erkenntnis (in analytischen oder synthetischen Urteilen) vom Gegenstand, mithin sind sie als Urteilsformen, die zu jeder Erkenntnis als einem Urteil über den Gegenstand gebraucht werden, zwar notwendige, aber keine hinreichenden Bedingungen der Möglichkeit reiner oder empirischer Erkenntnis, d. i. Erfahrung. Logische Urteilsformen gehen also in analytische oder synthetische Reflexionsurteile mit ein und verleihen ihnen gleichsam das formale Gerüst, aber sie erhalten erst durch die Verbindungsfunktion der Kategorie ihre eigentliche Geltung in einem Verbindung ausdrückenden Urteil, sind zuvor jedoch vollkommen inhaltsleer. Die hier noch vielleicht etwas allgemein gehaltenen Bemerkungen sollten in der Folge an Klarheit gewinnen. Sie sind aber insgesamt mit demjenigen Projekt zusammenzubringen, das Anselmo Aportone mit seiner Untersuchung Gestalten transzendentaler Einheit (2009) verfolgt. Dieser zeigt, dass „die logischen Urteilsformen in bezug auf die transzendentale Logik selbständig“ (S. 198) und die Kategorien nicht direkt von ihnen abzuleiten sind (vgl. S. 199), so dass die Kategorien als „transzendentallogische[] Einheitsfunktionen zur Einheit des Bewusstseins überhaupt“ mit den logischen Funktionen „parallel aus[fallen], nicht zusammen“ (S. 214). Obschon Aportones Behandlung der Synthesis eine „Annäherungsweise zum erkenntnistheoretischen Kern der Transzendentalphilosophie“ (S. 27) darstellt, kann auch seine Arbeit nicht als eine Forschungsarbeit gewertet werden, die explizit das Problem der Synthesis behandelt. Sie ist, wie er selbst bekundet, kein Versuch einer Darstellung der Kantischen Auffassung von Synthesis, obwohl sie „einen negativen Nutzen für dieses Unternehmen haben“ könne, wenn es ihr gelinge, „einen Beitrag zum deutlichen und richtigen Verständnis einiger ihrer architektonischen und strukturellen Bedingungen zu leisten“ (ebd.). Insofern Aportone durch die ausführliche Diskussion, u. a. einer beeindruckenden Fülle an Sekundärliteratur zu diesem Thema, überzeugend den Status der Kategorien in Bezug auf die formalen Urteilsarten vorführt, darf dieser Versuch als äußerst gelungen angesehen werden. Ja, er bietet
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mit seiner „auf den ersten [aber keineswegs auf den zweiten, C.O.] Blick haarspalterische[n] Unterscheidung zwischen reinen Verstandesbegriffen und Kategorien“ gleichsam auch eine Art systematische Grundlage, um die mit vorliegender Arbeit anvisierten Untersuchungen der „verschiedenen Stufen der Synthesis und ihrer transzendentalen Analysis sowohl auseinander zu halten als auch aufeinander zu beziehen“ (S. 336). Wie bereits skizziert, geht auch unsere Arbeit von der grundlegenden Trennung, aber impliziten Beziehung von formalen Urteilsstrukturen und reinen Verstandesbegriffen aus. Bevor wir abschließend auf diesen Aspekt zurückkommen werden, um von ihm ausgehend den Gang unserer Untersuchung aufzuzeigen, sei in Kürze auf zwei weitere Arbeiten eingegangen, für die Kants Theorie der Synthesis zentralen Stellenwert besitzt. Zunächst zur jüngst erschienenen Arbeit Kant’s Theory of Synthesis (2010) von Thomas Land, die trotz des gemeinsamen Titels ein gänzlich anderes Ziel verfolgt, nämlich allen voran gegen die Thesen der sogenannten Proportionalisten zu zeigen, dass Akte des sprachlichen Urteilens alleine nicht die Heterogenität von Anschauung und Begriffe zu überwinden vermögen: Seine überwiegend auf die Widerlegung rein sprachphilosophisch ausgerichteter Untersuchungen zur Synthesis zielende Arbeit verdient Lob für den erfolgreichen Versuch zu zeigen, dass „like judgement, sensible synthesis can be understood as an act of apperceptive synthesis“ (S. 296), was eine Lösung für das Einheitsproblem bieten soll. Allerdings ist diese Stoßrichtung schon durch die Veränderungen der B-Auflage der Kritik intendiert, so dass dieser Aspekt bereits durch Kants eigene Modifikationen geklärt scheint. Viel spannender scheint hingegen die Frage, ob sich die in der B-Auflage intendierte Wende weg von der Eigenständigkeit der Einbildungskraft – auch mit Blick auf andere Kantische Werke – weiter verfolgen lässt. Gerade das Opus Postumum bietet hierfür einiges Material, so etwa den dort entfalteten Gedanken des cogitabile ut dabile, der bereits in der B-Auflage angelegt ist (allen voran im § 24 und im Schematismus-Kapitel). Ferner zeigt Land zwar, mit Rekurs auf die formale Anschauung, die ihrem Kern nach intellektuell und zugleich sinnlich ist, dass und auf welche Weise die Kluft zwischen Sinnlichkeit und Verstand prinzipiell überbrückt werden kann; er führt dies jedoch nicht wirklich aus, so dass letztlich die zentrale transzendentale Synthesis der Einbildungskraft unterbeleuchtet bleibt und nur anhand der Konstruktionsleistungen der Mathematik deutlich, folglich auch hier das Wie der Synthesis nicht eigens geklärt wird. Hauptgegenstand der Monographie von Alberto Rosales Sein und Subjektivität bei Kant (2000) ist, wie auch bei Longuenesse und Aportone, die Untersuchung des subjektiven Ursprungs der Kategorien. Rosales erforscht den Ur-
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sprung der Kategorien allerdings von einer anderen Seite aus, da er zu zeigen versucht, dass die Begründung der Kategorien aus den Erkenntnisvermögen unzureichend ist, weil sie zwar aus der Beziehung der reinen Apperzeption auf die Einbildungskraft und dadurch auf die Anschauung entspringen, diese Erklärung jedoch die „Vermögen als Fakta voraussetzt und nicht zu ihren Wurzeln gelangt“ (S. 5). Dieser Interpretation setzt Rosales ein Modell entgegen, das die Kategorien auf einer noch ursprünglicheren Begründungsebene zu fußen versucht, nämlich im Zusammenspiel von reiner Apperzeption und reiner Mannigfaltigkeit als „Anfänge[n]“ (S. 10), aus deren Beziehung aufeinander die Kategorien ursprünglich abzuleiten sind. Hat diese Untersuchung ebenfalls nicht die Synthesis im Speziellen zum Gegenstand, so ist sie dennoch interessant für unser Forschungsvorhaben, da Rosales dem ‚Schematismus‘ und den reinen Synthesen der Einbildungskraft große Aufmerksamkeit schenkt und auf originelle Weise einsichtig macht, wie die Einbildungskraft Schemata hervorbringt. Auch die vorliegende Arbeit wird sich im Rahmen der Untersuchung aller Synthesen der Einbildungskraft besonders auf die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft respektive den ‚Schematismus‘ der reinen Verstandesbegriffe als einem Kernstück der Kantischen Synthesistheorie (Kapitel 4) konzentrieren, findet hier die eigentliche Intellektion der reinen Synthesis und damit einhergehend der Erscheinung statt. Die weitreichenden Analysen der reinen Synthesis versuchen dabei die eigentliche Möglichkeit offenzulegen, wie der Verstand sich auf die Anschauung beziehen kann, mithin wird hier das Wie der Synthesis geklärt. In diesem Zusammenhang versucht vorliegende Interpretation die kryptischen Ausführungen des Schematismus-Kapitels und einiger anderer zentraler Passagen zur transzendentalen Synthesis mit zum Teil sehr erhellenden Ausführungen aus dem Kantischen Spätwerk zu ergänzen und dergestalt ein neues Licht auf das Schematismus-Kapitel zu werfen, indem das transzendentale Schema als ein intellektuelles Produkt der Einbildungskraft verstanden wird, das durch ursprünglichen Einfluss des Verstandes auf die Sinnlichkeit zustande kommt. Dabei wird sich zeigen, inwiefern der reine Verstandesbegriff mit seiner intellektuellen Verbindungsfunktion (die nicht schematisierte Kategorie), in die Zeit übersetzt, die vollständige, schematisierte Kategorie hervorbringt und so die rein gedachte Verbindungsfunktion des reinen Verstandesbegriffes unter zeitlichen Bedingungen realisiert. Anhand der exemplarischen Untersuchung der Kategorie der Quantität wird hierbei eine Antwort auf die Fragen sowohl nach dem Ursprung der Kategorien als auch nach dem der transzendentalen Schemata angeboten. Ferner dient diese Analyse dazu, den dynamisch-prozessualen Charakter der reinen Synthesen zu unterstreichen. Die transzendentale Synthesis manifes-
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tiert sich als Dreh- und Angelpunkt für die Konstitution objektiv-zeitlicher Strukturen und stellt dergestalt das formal-objektive Gerüst für reine Erkenntnisse (wie etwa in der Mathematik) sowie Erfahrungserkenntnisse dar, insofern sie den ersten Schritt zur Objektivierung der Erscheinungen erklärt. Im Rahmen dieser Untersuchung wird ebenfalls der Unterschied und die Gemeinsamkeit philosophischer und mathematischer Synthesis zu beleuchten sein, die beide nach derselben Funktion des synthetisierenden und sich der Einbildungskraft bedienenden Verstandes verfahren. Vor diesem Hintergrund versteht sich die vorliegende Arbeit auch als ein Beitrag zu Kants Philosophie der Handlung, wobei – und dies dürfte aus dem Bisherigen deutlich geworden sein – dieser Ausdruck hier mit aller Vorsicht und nur im Rahmen einer transzendentalen und zeitlichen Handlungstheorie verwendet wird, die alle Synthesen der Einbildungskraft bedingt; hingegen nicht im Sinne eines psychologisch-prozessualen Geschehens, denn über einen solchen psychologischen Subjektivismus versucht die Transzendentalphilosophie – wie bereits angedeutet – mit einer Strukturanalyse des menschlichen Erkenntnisvermögens zum Zwecke objektiver Erkenntnis ja gerade hinauszukommen. Ein weiterer Aspekt, der bisher in keiner Arbeit zur Synthesis – soweit dies zu überschauen ist – behandelt wurde, betrifft den im letzten Teil (Kapitel 5.4) der vorliegenden Untersuchung ausführlich diskutierten Unterschied von kategorial-synthetischer Reflexion und analytischer Reflexion durch bloße (logische) Vergleichung. Beide Momente des reflektierenden Verstandes müssen zunächst voneinander gesondert beleuchtet und dann aufeinander bezogen werden. Es ist die eindrucksvolle Monographie Manfred Kugelstadts Synthetische Reflexion (1998), die unter der Leitlinie einer reflektierenden und dabei zugleich bestimmenden Urteilskraft zuerst und in allen Nuancen diese zweifache Reflexion vorführt.14 Sie wird im Rahmen unserer Untersuchung für den
|| 14 In diesem Zusammenhang entwirft Kugelstadt (1998, insbesondere S. 242ff.) ein Drei-StufenModell der Erkenntnis, das er für die strukturelle Begriffsbildung und die faktische Begriffsbildung jeweils durchexerziert. Erstere, so zeigt er mit profunden Analysen, legt strukturell offen, wie der Verstand durch synthetische Reflexion gemäß seiner Grundsätze Einheit in die Wahrnehmung bringt, wobei das Subjekt zuvor vermittelst analytischer Reflexion, die aber gänzlich unkategorial verläuft, bloße Gleichheiten in den Erscheinungen beobachtet haben muss, auf die die spezifischen Kategorien respektive die Grundätze dann passen. In einer letzten Stufe findet erneut eine analytische Reflexion statt, diesmal nach der bloß logischen Funktion des allgemeinen Urteils (über nun aber schon je kategorial bestimmt Erkanntes), wobei der jetzt bereits objektiv-synthetisch gebildete Erfahrungsbegriff auch noch darauf hinterfragt wird, ob er auf viele numerisch unterschiedliche Gegenstände je gleichermaßen anzuwenden ist (dies betrifft die Bildung des empirischen Gattungsbegriffs als eines solchen). Vgl. dazu auch S. 227.
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Theoriekomplex der synthetischen Reflexion richtungsweisend sein und auch den vorhin umrissenen Unterschied von objektiv-synthetischer und objektivanalytischer Einheit des Bewusstseins sowie objektiv-synthetischen und objektiv-analytischen Urteilen deutlicher machen. Die Vorarbeit zu einem Verständnis dieser beiden Arten der Reflexion leistet freilich eine vorausgehende Betrachtung der Kantischen Selbstbewusstseinstheorie im Speziellen (Kapitel 3), in deren Rahmen die verschiedenen Arten der Reflexion zurückzuführen sind auf ebenso viele verschiedene Reflexionshandlungen des selbsttätigen Ich. Gründen jene also in diesen, dann muss eigens geklärt sein, warum reines Selbstbewusstsein im Kantischen Sinne ursprünglich immer synthetischer (und nicht analytischer) Natur ist und weder mit einem abgeleiteten Selbstbewusstsein empirisch-psychologischer Natur noch mit der analytischen Einheit des Selbstbewusstseins verwechselt werden darf. (Wenn man so möchte, wird hier ganz allgemein das Dass der Synthesis bzw. die formale Grundlage für die Gültigkeit kategorialer Erkenntnis geklärt.) Im Zuge der späteren Analyse synthetischer und analytischer Reflexion freilich wird sich zeigen, dass es sich bei synthetischer und analytischer Einheit des Selbstbewusstseins nicht um zwei unterschiedliche Ich-Einheiten handelt, sondern um ein- und denselben Verstand, der entweder synthetisch oder analytisch reflektierend verfährt. Allem voran wird jedoch ein Abriss der Kantischen Lehre von Raum und Zeit stehen (Kapitel 2), den Formen der Anschauung, ohne welche der verbindende Verstand keinen Bezugspunkt seiner Tätigkeit hätte. So wird sich hier auch zeigen, dass durch Raum und Zeit als zu bestimmende quanta continua die später unter dem Gesichtspunkt der Größenbestimmung zu betrachtende transzendentale Synthesis ihre Grundlage hat bzw. beide Stücke der Erkenntnistätigkeit intern miteinander verwoben sind. Kapitel 2.2 ist dabei als eine Apologie der Kantischen Theorie von Raum und Zeit gegen die Einwände von Seiten einer realistischen Lesart zu verstehen, während das sich anschließende Kapitel 2.3 die ‚Transzendentale Ästhetik‘ als eigenen Erkenntnisstamm vor einer Lesart im Sinne eines absoluten Idealismus bewahren will. Die sich hier zuletzt erschließende Einsicht in die Eigenständigkeit der Sinnlichkeit versucht dabei ebenfalls eine positive Antwort auf die Frage zu geben, ob die Stämme der Erkenntnis überhaupt in einer gemeinsamen Wurzel gründen können. Genauer gesagt, es wird zu untersuchen sein, ob die Wurzel im reinen Selbstbewusstsein oder in einer Art vorreflexivem, transzendentalem Subjekt zu suchen ist. Insgesamt also wird die Synthesis, wenn sie auch in allen ihren Funktionen eigens zu beleuchten ist, immer eigenständiges Thema sein und keinem weiteren übergeordneten Ziel dienen als bloß zu zeigen, dass reine Erkenntnis bzw.
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Erfahrung nur möglich ist durch eine Vielzahl ineinandergreifender Synthesishandlungen, die von Handlungen der Analysis getrennt werden müssen.
1.2 Einführende Bemerkungen zur Synthesis Unter Synthesis oder Verbindung begreift Kant, zunächst ganz allgemein, eine „Verstandeshandlung“ (B 130), die darauf abzielt, ein dem Vorstellungssubjekt gegebenes, noch völlig unbestimmtes Mannigfaltiges15 der Anschauung zu einheitlicher Erkenntnis respektive Erfahrung zu verknüpfen, wodurch also die private Vorstellungssphäre des Einzelsubjekts verlassen und eine allen Erkenntnissubjekten zugängliche, objektive Welt eröffnet wird. Da nun der Verstand innerhalb der beiden Stämme der Erkenntnis – in Abgrenzung zur Sinnlichkeit, die das Charakteristikum der „Empfänglichkeit“ aufweist (B 129) – das Vermögen der Spontaneität ist (vgl. etwa A 16/B 29, A 19/B 33, A 50/B 74, A 68/ B 93), so gründet alle Verbindung auf der Selbsttätigkeit des Subjekts. Folglich kann „die V er b i n d u n g (conjunctio) eines Mannigfaltigen überhaupt […] niemals durch Sinne in uns kommen“, wodurch zugleich ersichtlich wird, warum
|| 15 Nach Robinson (1981, S. 144) bietet die Mannigfaltigkeit noch kein „individualisiertes Feld“, noch keine „Vielheit von Einheiten“ dar, sondern bloß den Stoff zur Einheit. Robinson darin zustimmend, dass das Mannigfaltige den Stoff zur Einheit bietet, vermögen wir seine Position, wonach eine „nichteinheitliche Anschauung“ dem Singularitätskriterium der Anschauung widerspreche, dagegen nicht nachzuvollziehen, insofern bei einer einzelnen Anschauung ja gerade „keine Einheit“, sondern ein unbestimmt Disparates angeschaut wird. Es besteht unserer Meinung nach kein Widerspruch darin, von einer einzelnen Anschauung zu sprechen, die ein undifferenziertes Vieles vorstellt. Robinson scheint bei seiner Argumentation zu vergessen, dass die Rede von einem unbestimmten Mannigfaltigen in keiner Weise eine Aussage über die Art der Bestimmung in diesem Mannigfaltigen trifft. Das Mannigfaltige wird hier als eine unbestimmte Vielheit schon gemäß der Kategorie der Vielheit definiert, obgleich man sich vor Augen halten muss, dass dieses Viele wesenhaft nur ein – durch Verstandessynthesis – Bestimmbares ist, d. h. rein für sich noch überhaupt keine Bestimmung durch Größenbegriffe aufweist, sondern nur die Bestimmungsmöglichkeiten (für spezifische Raum- oder Zeitgrößen) hergibt (vgl. ganz ähnlich die im nächsten Kapitel zu diskutierenden Bestimmungen von Raum und Zeit). Folglich ist das Mannigfaltige im Vorgriff als ein Vieles zu definieren, das aber im Rahmen der Konstitutionsleistungen des Verstandes gerade noch nicht als ein bestimmtes Vieles gedeutet ist, weshalb es in Hinblick auf das Mannigfaltige gerade von allem durch den schematisierten Verstandesbegriff der Vielheit bestimmten Vielem abzusehen gilt. Vor dem Hintergrund des Gesagten können wir auch Robinsons Versuch, eine sogenannte „Protoanschauung“ (S. 146) zu etablieren, in der das unbestimmte Mannigfaltige schon vorbestimmt gedacht wird, nicht beipflichten, denn er nimmt damit, wie Peter Baumanns zu Recht geltend macht, dem Verstand das Exklusivrecht als Bestimmungsfunktion. Vgl. Baumanns 1991, S. 447.
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„wir uns nichts, als im Objekt verbunden vorstellen können, ohne es vorher selbst verbunden zu haben“. Es ist die Vorstellung der Verbindung „unter allen Vorstellungen […] die einzige […], die nicht durch Objekte gegeben, sondern nur vom Subjekte selbst verrichtet werden kann“ (B 129f.). Genauer gesagt, es handelt sich bei der Vorstellung der Verbindung um einen allgemeinen reinen Verstandesbegriff, der durch Abstraktion von allen zwölf Kategorien und der in ihnen gedachten synthetischen Einheit die Verbindungsfunktion überhaupt der jeweiligen Kategorie ausdrückt. Der Verbindungsbegriff scheint damit schon aus dem Begriff der reinen Apperzeption als eines handelnden Vermögens gewonnen werden zu können, da jede Kategorie „schon Verbindung voraus[setzt]“ (B 131). Gleichzeitig ist jedoch zu bemerken, dass eine Verbindung überhaupt gar nicht vorstellbar ist, sondern nur eine solche, die einer spezifischen Kategorie gemäß verfährt.16 Folglich konkretisiert sich der Verbindungsbegriff, wenn er etwa eine objektive Verbindung unter Zeitbedingungen intendiert, auch erst in der spezifischen zeitlichen Synthesishandlung. Ohne dem weiteren, diese Darstellung vertiefenden Verlauf vorgreifen zu wollen, kann zunächst festgehalten werden, dass eine Leistung des Subjekts, ein „Actus seiner Selbsttätigkeit“ (B 130), den Ursprung der Synthesistheorie ausmacht und der Grund möglicher objektiver Verbindung, mithin einer objektiven Welt ist. Dies kann auch so ausgedrückt werden, dass Erfahrung etwas ist, das sich dem Erkenntnissubjekt und seiner rezeptiven Sinnlichkeit nicht einfach aufdrängt, sondern allererst gemacht17 werden muss. Dabei müssen die Kategorien, als reine Verstandesbegriffe zu verstehen schon als inhaltsbezogene „Begriffe von einem Gegenstande überhaupt“ (B 128), vom Verstand bei seiner ureigenen Tätigkeit der Bestimmung des vor aller Synthesis durch den Verstand gegebenen Mannigfaltigen (vgl. B 145) durch einen reflexiven Akt in Anwendung gebracht werden. Während „Anschauungen, als sinnlich“, aus „Affektionen“ (A 68/B 93) hervorgehen,18 beruhen Verstandesbe-
|| 16 In diesem Zusammenhang müsste ohnehin ganz prinzipiell geklärt werden, ob der Begriff der Vorstellung und damit auch der der Verbindung – denn der Gedanke der Verbindung ist die ursprünglichste Vorstellung – in der Kantischen Philosophie aus dem Begriff des Ich denke analytisch zu gewinnen ist, oder ob es hier einer Art Fichteschen Selbstsetzungsaktes bedarf, vermittelst dessen der Begriff der Vorstellung entspringen und dem Ich synthetisch beigelegt würde (vgl. dazu Anm. 65). 17 Die Differenz von Sinnlichkeit und Verstand ist bei Kant auch durch die Termini gegeben und gedacht respektive gemacht gekennzeichnet (vgl. etwa A 19/B 33, A 50/B 74, A 93/B 125, OP, AA 22: 353). 18 Zwei Arten von Affektionen müssen dabei unterschieden werden, die beide nicht unproblematisch sind: Die Affektion des Subjekts durch den äußeren Gegenstand und die Selbstaffektion
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griffe auf Funktionen: „Ich verstehe aber unter Funktion die Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen“ (ebd.). Von der vereinheitlichenden Funktion der Begriffe kann der Verstand freilich „keinen anderen Gebrauch machen, als daß er dadurch urteilt“ (A 68/ B 93). Ein Urteil aber ist die „mittelbare Erkenntnis eines Gegenstandes“, wodurch „statt einer unmittelbaren [anschaulichen, C.O.] Vorstellung eine höhere, die diese und mehrere unter sich begreift, zur Erkenntnis des Gegenstandes gebraucht [wird], und viele mögliche Erkenntnisse dadurch in einer zusammengezogen werden“ (A 68f./B 93f.; vgl. auch A 81/B 107). Allerdings blieben Begriffe ohne Beziehung auf sinnliche Anschauung, die den „Stoff“ (A 77/B 102) zur Verbindung liefert, inhaltslos und ohne objektive Realität. Wie Kants berühmtes Diktum besagt, blieben sie als „Gedanken ohne Inhalt […] leer“ (bloße Gedankenformen), ebenso wie „Anschauungen ohne Begriffe […] blind“19 (unverstandene Wahrnehmungen) wären (A 51/B 75; vgl. etwa auch
|| des transzendentalen Selbstbewusstseins, im Zusammenhang mit der Bestimmung des inneren Sinns (vgl. etwa A 19f./B 34, B 67ff., B 152ff., B 156). Bei der ersteren stellt sich die Frage, ob ursprünglich das Ding an sich oder ein empirischer Gegenstand das Gemüt in seiner sinnlichen Verfasstheit affiziert. Vgl. hierzu die einschlägige Untersuchung von Adickes 1929, S. 27: „Der Tatbestand […] läßt sich also dahin zusammenfassen, daß Kant in einer großen Reihe von Stellen die transzendentale Affektion unseres Ich an sich durch die Dinge an sich behauptet, an zahlreichen Stellen dagegen die empirische Affektion unseres empirischen Ich durch die ihm gleichgeordneten räumlichen Erscheinungsgegenstände.“ Gegen die metaphysische Deutung Adickes’ als einer Affektion durch Dinge an sich hat bekanntlich Prauss (1971, S. 203ff.) eingewandt, dass es nur die „empirische Affektion durch empirische Dinge“ (S. 204) geben könne. Dagegen scheitere die Annahme einer doppelten Affektion an dem Umstand, dass „das affizierende Objekt dem erst aus dem Ergebnis dieser Affektion erdeuteten Objekt […] vorausliegen“ (S. 206) muss, woraus sich ein Zirkel ergebe. Vgl. auch Prauss 1989, S. 192ff. sowie Paton 1976, Bd. I, S. 64ff. Dieser empirische Gegenstand ist, wie Prauss richtig feststellt, natürlich nur in uneigentlichem Sinne als Gegenstand zu verstehen, bedarf es für seine Deutung und zur Bestimmung seines Daseins als letzten Subjekts noch des schematisierten Substanzbegriffs; er ist aber immerhin substantiell (Erscheinung als substantielles empirisches Ding an sich) zu denken als Grund für die Affektion des Subjekts, wodurch diesem das zu verbindende empirisch Mannigfaltige gegeben wird (vgl. dazu auch B 234f./A 189f.). Zur Diskussion siehe ebenfalls Natterer 2003, S. 140ff. Der beliebte Einwand, wie er sich selbst in jüngerer Vergangenheit noch etwa bei McDowell (2001, S. 122) findet, wonach man in die Kantische Philosophie nicht gelangen könne, ohne zunächst Kants Konzeption der Erfahrung „aus der Kulisse“, d. h. „aus einer Geschichte über eine transzendentale Affektion der Rezeptivität aus einer übersinnlichen Welt“ befreit zu haben, muss vor dem Hintergrund des hier Gesagten also stark relativiert werden. – Der Aspekt der Selbstaffektion wird im Folgenden (Kapitel 4.2.3) noch gesonderte Betrachtung finden. 19 Der Ausdruck „blind“ ist von Kant an dieser Stelle allerdings nicht glücklich gewählt, denn – wenn man bei bildhaften Beschreibungen bleiben möchte – als bloß anschauendes Subjekt
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etwa B 290ff.). Die Angewiesenheit der Verstandesbegriffe auf „sinnliche Anschauungen“ sieht Kant umgekehrt auch als deren „Bedürfnis“ (B 431) nach Verbindung. Bevor diese einführenden Bemerkungen fortgeführt werden können, wird es notwendig sein, dasjenige, dessen die Verstandesbegriffe bedürftig sind und „worauf alles Denken als Mittel abzweckt“ (A 19/B 33), zu „ i s o li er e n “ (A 22/ B 36) und für sich zu betrachten: die Sinnlichkeit mit einer Erörterung der reinen Formen der Anschauung, Raum und Zeit, innerhalb der ‚Transzendentalen Ästhetik‘. Diese Isolation ist jedoch nur abstraktiv zu verstehen, um dasjenige einsichtig machen zu können, das in seiner Andersartigkeit zum Verstand doch wiederum notwendig auf diesen bezogen ist.20 Denn auch im umgekehrten Fall, wenn der Verstand und seine Formen von der Sinnlichkeit separiert und „nicht allein von allem Empirischen, sondern von aller Sinnlichkeit völlig aus[gesondert]“ werden (A 65/B 89), beansprucht der Verstand die Sinnlichkeit zu seinem legitimen Gebrauch (vgl. etwa A 239/B 298). Dieses wechselseitige Bedingungsverhältnis beider Erkenntnisstämme darf in der Folge nicht außer Acht gelassen werden, da beide Teile, ganz analog dem – eingangs angedeuteten – „Gliederbau […], worin alles Organ ist, nämlich Alles um Eines willen und ein jedes Einzelne um aller willen“ (B XXXVII; vgl. auch B XXIII), nur gemeinsam die eine Erfahrung21 ermöglichen. Obschon „[b]eide Vermögen, oder Fähig-
|| verhält man sich ja gerade sehend. Treffender wäre der Ausdruck gegenstandsblind, insofern ein bloß wahrgenommenes, aber begrifflich unbestimmtes Objekt noch nicht als durch objektiv-synthetische Einheit des Verstandes gedachter und damit zum Objekt der Erfahrung gemachter Gegenstand gelten kann. Prauss’ Verständnis des zitierten Passus, dass man „ohne Begriffe letztlich gar nichts sieht“ (1971, S. 24) können wir nicht beipflichten, da beim bloßen Weglassen allen kategorialen Denkens immer noch eine „Affektion der Sinnlichkeit in mir“ (B 309), mithin Anschauung übrigbleibt. Die in der Folge von ihm gewählte Formulierung, dass die blinde Anschauung „eigentlich noch gar nichts zum Gegenstand hat“ (S. 34), ist hingegen um einiges treffender, solange man sich vergegenwärtigt, dass die Anschauung zwar noch keinen bestimmten Gegenstand, jedoch eine unbestimmte, die Möglichkeit zur Gegenstandskonstitution bietende Erscheinung präsentiert. 20 Vgl. dazu Dörflinger 2000, S. 143f. sowie Prauss 1971, S. 90. Rosales (1991, S. 147) erklärt mit Blick auf die Einheit der subjektiven Erkenntniskräfte, dass das Subjekt „durch eine Mannigfaltigkeit von Kräften und ihren entsprechenden Akten konstituiert“ ist und diese Mannigfaltigkeit sich darin bekundet, „daß diese Akte unter sich in Begründungszusammenhängen stehen“, und zwar so, dass jeder Akttypus als ein bestimmtes Glied in der Reihe einen bestimmten anderen begründet, so dass sie insgesamt eine geordnete Reihe bilden, in der jedes Glied einen festen Platz hat“. 21 OP, AA 21: 247: „Es ist aber objectiv nur Eine Erfahrung und wenn subjectiv von Erfahrungen gesprochen wird so sind diese nichts weiter als Theile und gesetzlich verknüpfte Aggregate
Einführende Bemerkungen zur Synthesis | 19
keiten, […] ihre Funktionen nicht vertauschen“ können und man daher „große Ursache hat, jedes von dem anderen sorgfältig abzusondern, und zu unterscheiden“, kann eben „[n]ur daraus, daß sie sich vereinigen, […] Erkenntnis entspringen“ (A 51f./B 75f.). Nebenbei bemerkt, findet die angesprochene abstraktive Trennung innerhalb der Kritik faktisch immer wieder dort ihr Ende, wo zur Darstellung der Erkenntnistätigkeit offenbar eine synthetische Erklärungsart erforderlich ist (vgl. Anm. 213). Eben deshalb sollte man auch die Isolation des Verstandesvermögens innerhalb der ‚Transzendentalen Analytik‘ nicht als eine bloß nach analytischen Urteilen verfahrende Explikation missverstehen.22
|| einer synthetisch//allgemeinen Erfahrung.“ (vgl. auch 592, 601 und OP, AA 22: 552, 611 sowie A 110) 22 Diesem Missverständnis beugt Kant in den Prolegomena vor, wenn er „die Gefahr der Verwechslung“ verhütend bekräftigt, dass „der Name Analytik auch als ein Haupttheil der […] Logik der Wahrheit [transzendentale Logik, C.O.]“ vorkommt, „ohne eigentlich darauf zu sehen, ob die zu jener gehörige Erkenntnisse analytisch oder synthetisch sind“ (Prol, AA 04: 276, Anm.). Man denke hierbei etwa an die verschiedenen Beispiele für das Ziehen einer Linie in der äußeren Anschauung (etwa B 137f., B 154, A 102, A 162f./B 203f). Aus der bloßen Analyse des bloß gedachten und noch nicht angeschauten Begriffs der Linie wird sich die Tätigkeit des Linienziehens, das im Setzen und Verbinden der einzelnen Teile besteht, kaum einsehen lassen. Dazu braucht es Anschauung, anhand deren diese Tätigkeit vollzogen werden kann, weshalb diese Leistung sowohl eine intellektuelle wie eine sinnliche Komponente beinhaltet. Das Gesagte wird im Folgenden an Klarheit gewinnen.
2 Transzendentale Ästhetik 2.1 Die reinen Formen der Sinnlichkeit: Raum und Zeit Die Betrachtungen in der ‚Transzendentalen Ästhetik‘ nehmen ihren Ausgang von der Feststellung, dass dem Mannigfaltigen der Erscheinung in der empirischen Anschauung eine Form zugrunde liegen muss, wodurch dieses „in gewissen Verhältnissen geordnet, angeschauet“ (A 20; vgl. B 144) wird. Raum und Zeit werden nun von Kant in den ‚Metaphysischen Erörterungen‘ als solche apriorischen Ordnungsformen einer reinen unbestimmten Mannigfaltigkeit des Außereinanders bewiesen, in denen sich bei Anlass der Erfahrung das empirische Mannigfaltige fügt.23 Sie sind „Verhältnisvorstellungen“, die „nichts als bloße Verhältnisse enthalte[n], der Örter in einer Anschauung [Raum, C.O.]“ oder aber der „Veränderung der Örter […] und Gesetze [was eigentlich schon auf die Ursache der Bewegung zielt, C.O.], nach denen diese Veränderung bestimmt wird [auch schon unter Bedingungen der Zeit, C.O.]“ (B 67). Da Verhältnisse nicht empfunden werden können, können Raum und Zeit ebenso wenig eindruckhaft sein (vgl. A 20/B 35). Positiv ausgedrückt, sind sie dasjenige, was alles Empfindungshafte, das disparate Mannigfaltige, in eine gewisse Form bringt. Daher können sie auch nicht – so eines der Hauptergebnisse der ‚Erörterungen‘ – als „eine von [den Erscheinungen] abhängende Bestimmung angesehen“ werden, sondern sind umgekehrt „Bedingungen [ihrer] Möglichkeit“ und damit „notwendige Vorstellungen“ (vgl. A 24/B 39; vgl. auch A 31/B 46). Im Falle des Raumes bedeutet dies, dass die Vorstellung äußerer Gegenstände immer schon Raum voraussetzt.24 Versucht man, den Raum wegzudenken, so schwinden
|| 23 Obwohl der Raum das Verhältnis des Außer- und Nebeneinander (vgl. A 23/B 38), die Zeit hingegen das des Nacheinander (vgl. A 37/B 54, Anm., der Sache nach A 30/B 46) ist, liegt ihre Gemeinsamkeit im Charakteristikum des Außereinander. Die dem Raum eigentümliche Bestimmung ist hingegen die des Zugleich. Vgl. dazu Prauss 1993, S. 507. Allerdings muss hier ergänzt werden, dass auch die Bestimmung des Zugleichseins, auch wenn sie zur Darstellung den Raum bedarf, ein Zeitmodus ist, der wie alle Zeitmodi nur durch zeitbezogene Synthesis bestimmt werden kann. 24 Ein empirischer Gegenstand heißt „äußerer […], wenn er im Raume“, dagegen „innerer Gegenstand, wenn er lediglich im Zeitverhältnisse vorgestellt wird“ (A 373). Es bedürfte einer eingehenden Analyse, welch unterschiedliche Bedeutungen der Ausdruck Gegenstand haben kann. Denn Gegenstand verstanden als Objekt überhaupt enthält deutlich weniger Bestimmung als der reale Gegenstand im Sinne der Substanz (B 6) und bekanntlich kann man „sogar jede Vorstellung, so fern man sich ihrer bewußt ist, Objekt nennen“ (A 189/B 234), was aber nicht mit dem Objekt, insofern es im Sinne der Erscheinung verstanden wird, identisch ist. Zur Aus-
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auch die in ihm enthaltenen Gegenstände (wobei lediglich der Gedanke des Dinges an sich bleibt), umgekehrt aber bleibt die Vorstellung des Raumes beim Versuch, alle Gegenstände aus ihm wegzudenken. Wenn Kant Raum und Zeit als reine Formen der Anschauung begründet, dann werden sie in diesem Zusammenhang als intuitive und einzelne Vorstellungen (repraesentationes singulares) von den allgemeinen (repraesentationes per notas communes) oder reflektierenden Begriffen (repraesentationes discursiva) abgegrenzt (vgl. Log, AA 09: 91). Dies bedeutet, dass Raum und Zeit im Gegensatz zu Begriffen, die eine Menge von Vorstellungen unter sich (ihren Umfang betreffend) enthalten, die Eigenschaft der Diskursivität nicht besitzen. Vielmehr ist bei ihnen von einer Teil-Ganzes-Relation auszugehen, die – exemplarisch für den Raum – wie folgt gekennzeichnet ist: [M]an [kann] sich nur einen einigen Raum vorstellen, und wenn man von vielen Räumen redet, so versteht man darunter nur Teile eines und desselben alleinigen Raumes. Diese Teile können auch nicht vor dem einigen allbefassenden Raume gleichsam als dessen Bestandteile (daraus eine Zusammensetzung möglich sei) vorhergehen, sondern nur i n i h m gedacht werden. Er ist wesentlich einig, das Mannigfaltige in ihm, mithin auch der allgemeine Begriff von Räumen überhaupt, beruht lediglich auf Einschränkungen.25 (A 25/B 39)
Raum und Zeit sind demnach einig, d. h., sie werden so vorgestellt, dass jeder Raum- bzw. jeder Zeitteil zu denken ist als eingeschlossen von einem umfassenden Raum (einer umfassenden Zeit), mithin in einem Raum respektive in einer Zeit. Weder sind die reinen Anschauungsformen Erkenntnisgrund für andere, unter ihnen enthaltene Vorstellungen noch – was ihren Inhalt anbelangt – Teilbegriff, d. h. „eine Vorstellung dessen, was mehreren Objecten gemein ist, also eine Vorstellung, s o f er n s i e i n v er s c h i ed en en e n t h al t en s ei n k a n n “ (vgl. Log, AA 09: 91; vgl. 95). Raum und Zeit „und alle Teile derselben sind A n s c h au u n ge n , mithin einzelne Vorstellungen“ (B 136, Anm.), die „eine unendliche Menge von Vorstellungen i n s i c h “ (B 40) enthalten, und eben nicht unter sich. Dass sie eine unendliche Menge von Teilen in sich enthalten, disqualifiziert Raum und Zeit noch aus einem anderen Grund als Begriffe, da letztere niemals durchgängig bestimmt sind (vgl. dazu Anm. 231). So liegt im
|| einandersetzung mit dem Begriff der Erscheinung sei hier auf Prauss’ einschlägiges Werk Erscheinung bei Kant (1971) verwiesen. 25 Ebenso versteht man unter verschiedenen Zeiten „nur Teile eben derselben Zeit“ (A 31f./ B 47). Die angesprochene Totalität und Allbefassenheit des Raumes (der Zeit) wird jedoch nur in einer ganz bestimmten Hinsicht so aufgefasst werden dürfen, was in der Folge zu zeigen sein wird.
22 | Transzendentale Ästhetik
empirischen Begriff der Fichte, dass einige mögliche Merkmale faktisch immer unbestimmt bleiben. Ferner sei in Hinblick auf einen empirischen Begriff, für den es nur einen entsprechenden Gegenstand gibt, erwähnt, dass auch ein solcher zumindest der Form nach ein conceptus communis sein muss, da es im Bereich der Erfahrung potentiell noch andere darunter subsumierbare Gegenstände geben kann. Da alle Teile – als extensive Größen – nur Beschränkungen des einigen Raumes respektive der einigen Zeit sind und als Relata in den Verhältnissen des Außereinanders prinzipiell immer in neue äußere wie innere Verhältnisse aufgeteilt werden können,26 weshalb kein „Teil der kleinstmögliche (kein Teil einfach) ist“ (A 169/B 211), ist auch das in ihnen enthaltene Mannigfaltige nie etwas Einfaches. Aufgrund der „Kontinuität“ (A 169/B 211) oder Ununterbrochenheit ihrer Verhältnisse sind Raum und Zeit als reine Formen der Anschauung als quanta continua vorzustellen. Ihre singuläre Einheit unterscheidet sich von der in einem quantum discretum vorgestellten – verstandesmäßigen – Einheit dergestalt, dass in letzterem bereits eine „Menge der Einheiten darin bestimmt“ (A 527/B 555) gedacht wird. Anders als bei einem quantum continuum, das sich eben durch unendliche Teilbarkeit auszeichnet, liegt bei einem quantum discretum bereits eine bestimmte Größe bezogen auf ein bestimmtes Maß vor; es ist „jederzeit einer Zahl gleich“ (A 527/B 555). Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein quantum discretum in der Regel gedacht wird innerhalb eines „quanto continuo, welches als discretum vorgestellt wird“, denn ein „quantum, in welchem ich die Theile bestimme, ist discretum, nicht aber per se, an sich selbst“ (V-MetL2/Pölitz, AA 28: 561).27 So ist auf einer geraden Linie ein quantum discretum von 5 Metern bestimmbar, wobei die Linie selbst Kontinuum bleibt, die jederzeit durch eine fortlaufende Synthesis erweitert werden kann, soweit man will durch einen „unbestimmbar weiten Fortgang (progressus in indefinitum)“ (A 511/B 539). Bei einem „Aggregat“, z. B. „eine[r] Zahl Geldstücke“ (A 170f./ B 212), das keine innerliche Größe, sondern eine äußere Menge und ein für sich bestehendes Ganzes darstellt, kann freilich nicht von einem discretum innerhalb eines Kontinuums gesprochen werden. Nun ist solch eine Bestimmung des Raumes zu einer bestimmten Größe (einer bestimmten Anzahl von Teilen) – folglich jeder Begriff von Raum und Zeit –
|| 26 Vgl. A 414/B 441: Dort heißt es von begrenzten Räumen, sie seien als Bedingungen ihrer Möglichkeit gewissermaßen subordiniert, jedoch „niemals an sich, sondern immer durch einen anderen Raum bestimmt.“ 27 Die hier in Rede stehende Konstitution einer bestimmten Größe wird später, in Kapitel 4.3.1, noch näher zu betrachten sein.
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zunächst nur aufgrund der „Vorstellung einer Methode“ (A 140/B 179), und zwar hier des Zählens, möglich, mithin setzt dies Verbindung voraus. Der intellektuelle Größenbegriff nun leistet die Artikulation dieses Unbestimmten, obgleich Raum und Zeit schon durch eine vorgängige – unbegriffliche – Synthesis als quanta continua, nicht als bloße Formen der Anschauung nach der Funktion des Größenbegriffs (vgl. Anm. 29, 127) vorbestimmt sein können. Diese Artikulation besteht im Setzen und Zusammennehmen gleichartiger Teile: „Die [verstandesmäßige, C.O.] Größe eines Dinges ist die Einheit, welche durch die bloße Wiederholung von einem und demselben28 [der Einheit, C.O.] erzeugt werden kann. […] Die Größe ist die Vereinigte Menge oder Einheit [Allheit, C.O.].“ (Refl, AA 18: 338) Die Einheit der ursprünglichen quanta dagegen kann „nicht wiederholentlich gesetzt werden“ (Refl, AA 18: 338), sie wächst folglich auch nicht durch Synthesis. Wenn gefragt wird, „wie groß etwas sei“ (A 163/B 205), ist demnach die Synthesis immer auf das dem Raum und der Zeit Immanente gerichtet, nicht jedoch betrifft es Raum und Zeit selbst als ursprüngliche Größen: „Diese zwei Gegenstände sind q u a n t a und zwar o r i gi n ar i a, und die bloße Synthesis derselben ist die quantitaet. Alle Begriffe von quantis lassen sich in ihnen construieren, d. i. a p r i o r i in der Anschauung geben, imgleichen alle begriffe der quantitaet, d. i. der Zahl, welche so wohl Zeit als Raum bedarf.“ (Refl, AA 18: 243) Dementsprechend ist alles innerhalb der quanta originaria aufgrund einer möglichen Konstruierbarkeit messbar, sie selbst sind jedoch nicht zu ermessen. Es ist schon angeklungen, dass in Bezug auf Raum und Zeit als quanta originaria nur in einem ganz bestimmten Verständnis von Ganzheit, Allbefassendheit und Totalität gesprochen werden kann, und zwar insofern, als diese subjektgebundene Formen der Anschauung sind. Vom Raum etwa zu sagen, er werde „als eine unendliche gegebene Größe vorgestellt“ (A 25/B 39), ist nur dann sinnvoll, wenn man ihn vom „Standpunkte eines Menschen“ (A 26/B 42) als eine „subjektive Beschaffenheit unseres Gemüts“ (A 23/B 38) und nicht als eine Art für sich existierendes Behältnis begreift. Dem Raum, als standpunktloses Ding an sich verstanden, das Prädikat der Unendlichkeit zuzuschreiben, hieße seine faktische Unendlichkeit behaupten. Kant behauptet jedoch nicht die aktuelle, sondern nur potentielle unendliche Erweiterbarkeit des Raumes als Form der Vorstellung. Es ist die „Grenzenlosigkeit im Fortgange der Anschau-
|| 28 Das Setzen immer wieder ein und derselben diskreten Einheit als Handlung des Schematisierens wird, wie späterhin zu zeigen sein wird, die produktive Einbildungskraft bei ihrer Tätigkeit der Zusammensetzung gleichartiger Teile des anschaulich Mannigfaltigen (vgl. etwa A 142/B 182, A 164/B 205) leiten.
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ung“ (A 25),29 d. h. die unendliche beliebige Erweiterbarkeit der Partialräume zu einem immer größeren, umfassenderen Raum – im Sinne eines progressus in indefinitum als „das in indefinitum gedachte [vorgestellte, C.O.]“ (OP, AA 22: 11; vgl. auch S. 37) – nur dann gesichert, wenn dieser transzendentalidealistisch als subjektabhängige Vorstellung verstanden wird. Vor diesem Hintergrund löst sich dann auch die „Zweideutigkeit“ auf, die „der Ausdruck: au ße r u n s “ (A 373) bei sich führt. Denn damit sind weder ein unabhängig von Zeit und Raum für sich selbst bestehendes Ding an sich gemeint noch Raum und Zeit selbst als „zwei ewige und unendliche vor sich bestehende Undinge […], welche dasind (ohne daß doch etwas Wirkliches ist), nur um alles Wirkliche in sich zu befassen“ (A 39/B 56); sondern es ist der Gedanke mit der Bedeutung „außer uns“ lediglich „ein Gedanke in uns, wie wohl dieser Gedanke durch den [äußeren] Sinn [die Erscheinungen] als außer uns befindlich vorstellt“ (A 385; vgl. A 370). Als „innere Vorstellungsart“ (A 378) ermöglicht der Raum die Beziehung auf ein vom vorstellenden Subjekt Verschiedenes.30 Das Gesagte gilt in gleicher Weise für die Zeit, mit dem Unterschied jedoch, dass sie als „Form des innern Sinnes, d. i. des Anschauens unserer selbst und unseres inneren Zustandes […] keine Bestimmung äußerer Erscheinungen“ sein kann, mithin nicht nach außen gerichtet ist; hingegen bestimmt sie „das Verhältnis der Vorstellungen in unserem innern Zustande“ (A 33/B 49f.). Als „formale Bedingung a priori aller Erscheinungen überhaupt“ ist sie freilich Ordnungsform aller Vorstellungen, „sie mögen nun äußere Dinge zum Gegenstande haben, oder nicht“, denn auch die Vorstellungen von Erscheinungen außer mir gehören „als Bestimmungen des Gemüts, zum inneren Zustand“ (A 34/B 50). Dabei sind es allein diese „Vorstellungen äußerer Sinne“, die „den eigentlichen Stoff ausmachen, womit wir unser Gemüt besetzen“ (B 67).31
|| 29 Kugelstadt (1998, 254f.) spricht in diesem Zusammenhang von einer – noch näher zu erläuternden (vgl. Anm. 127, Anhang Kapitel 4.1.1) – vorfigürlichen Synthesis, die nach der bloßen Funktion des Größenbegriffs – ohne Größenbegriffe, d. h. ohne die Kategorie der Quantität verfährt, welche nur „diejenige der einigen Ausspannung des Raums selbst“ ist, was so viel bedeutet, dass „die Synthesis an keinen Punkt gelangen kann, an dem und über den hinaus nicht immer schon Raum […] gegeben ist“. Vgl. auch Anm. 179 30 Als subjektgebundene Ordnungsform besitzt er damit „objektive Gültigkeit […] in Ansehung all dessen, was äußerlich als Gegenstand uns vorkommen kann“ (A 28/B 44). Wie Dörflinger (2000, S. 87) betont, ist der Raum damit „eine Gestalt subjektiver Organisiertheit von Erkenntnis“. – Zum Begriff der objektiven Gültigkeit, speziell in Bezug auf Raum und Zeit, vgl. ferner Zöller 1984, S. 47ff. sowie 190ff. 31 In der B-Auflage wird Kant noch konsequenter, wenn er bekennt, dass es ein „Skandal der Philosophie und allgemeinen Menschenvernunft [sei], das Dasein der Dinge außer uns“ zu leugnen, da doch diese äußeren Gegenstände „den ganzen Stoff zu Erkenntnissen selbst für
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Um noch einmal auf den Aspekt der Totalität des Raumes zurückzukommen: Wenn Kant den Raum als totum von einem compositum abgrenzt respektive sagt, „[e]r würde allenfalls ein Compositum ideale, aber nicht reale heißen können“ (A 438/B 466), dann visiert Kant hier eine bloß ideelle Ganzheit an.32 Angesichts dieses Befundes wird ersichtlich, warum Raum und Zeit für Kant „bloß Gedankendinge sind (entia rationis)“ (OP, AA 22: 414). Sie sind „Wesen der Einbildungskraft“, jedoch „nicht welche durch die letztere gedichtet werden, sondern welche sie allen ihren Zusammensetzungen und Dichtungen zum Grunde legen muß, weil sie die wesentliche Form unserer Sinnlichkeit und der Receptivität der Anschauungen sind, dadurch uns überhaupt Gegenstände gegeben werden“ (ÜE, AA 08: 203). Als mentale Ordnungsgefüge sind Raum und Zeit selbst nicht anschaubar, sondern „als Formen anzuschauen“ (A 291/B 347) die Bedingungen der Möglichkeit empirischer Anschauung und der erscheinenden Gegenstände sowie von bestimmten reinen Anschauungen (z. B. dem Dreieck).33 So heißt es vom Raum: „Der Raum ist bloß die Form der äußeren Anschauung (formale Anschauung34), aber kein wirklicher Gegenstand, der äußerlich angeschaut werden kann.“ (A 431/B 459, Anm.) Freilich wird der Raum, seiner Form nach ein ens imaginarium, durch das „Materielle, oder Reale, dieses Etwas, was im Raume angeschaut werden soll“, also beim Anlass äußerer Wahrnehmung durch einen wirklichen Gegenstand, der „unseren Sinn durch Empfindung bestimmt“ (A 373), allererst realisiert, d. h., er konkretisiert
|| unseren inneren Sinn“ (B XXXIX, Anm.) ausmachen. Heidemann (1998, S. 53) unterscheidet zwar der Sache nach richtig die beiden möglichen Arten von Vorstellungen im inneren Sinn, verpasst es jedoch, darauf aufmerksam zu machen, dass die innere Wahrnehmung als bloße Gemütsbestimmung keinen Gegenstand im eigentlichen Sinne präsentiert (vgl. Anm. 24), weshalb die Vorstellung meines eigenen Zustands immer nur an die Vorstellung eines äußeren Gegenstandes gekoppelt sein kann, was Heidemann in der Folge mit Blick auf Kants Kritik der rationalen Psychologie (S. 56ff.) ja selbst deutlich macht. 32 Vgl. Refl, AA 18, 130: „Idee ist die Vorstellung des Gantzen, in so fern sie nothwendig vor der Bestimmung der Theile vorhergeht.“ Vgl. auch MAN, AA 04: 481f. 33 Von mentaler Topologie respektive Chronologie spricht in diesem Zusammenhang Natterer (2003, S. 121, 124). Denselben Sachverhalt thematisiert Heidegger (1998, S. 143), wenn er das „in der reinen Anschauung als solcher Angeschaute“ ein ens imaginarium nennt und zugleich betont, dass „das reine Anschauen im Grunde seines Wesens reine Imagination“ ist. – Dass Raum und Zeit Voraussetzungen für erscheinende Gegenstände, mithin nicht Akzidenzien der Gegenstände sind oder etwa mit dem Begriff der Relation angemessen erfasst werden können, zeigt Patt (1987, S. 200, 204). 34 Kant wirft an dieser Stelle die Form der Anschauung mit der – oben bereits umrissenen – formalen Anschauung fälschlich in einen Topf. Thematisch ist jedoch nur die Grundvorstellung des Raumes.
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sich durch – materielle – innerliche Erfülltheit (vgl. B 67).35 In eben der gleichen Weise geht die Zeit als formale Bedingung der Erscheinungen diesen objektiv vorher, „allein subjektiv, und in der Wirklichkeit des Bewußtseins, ist diese Vorstellung doch nur, so wie jede andere, durch Veranlassung der Wahrnehmungen gegeben“ (A 454/B 482, Anm.). Ob aber Raum und Zeit als Grundvorstellungen selbst erst entspringen, d. h. durch vorauszusetzende Verstandestätigkeit – im Sinne eines absoluten Idealismus – erst als Formen (anzuschauen) erzeugt werden müssen, oder ob nicht vielmehr diese Anschauungsformen als ein unbestimmtes Bestimmbares ihrer vollständigen Gegebenheit nach zugrunde liegen und demnach keine Verstandesinitiation erfordern, wird im Folgenden zu klären sein. Doch sollen zunächst mögliche Einwände von Seiten einer realistischen These, namentlich der dogmatischen Position Peter Strawsons, diskutiert werden. Wenn sie nicht entkräftet werden können, hat dies deutlich gravierendere Konsequenzen, und zwar nicht nur für die kritische Philosophie Kants und dessen Theorie der Synthesis, die dann als überflüssig deklariert werden könnte, sondern für den Idealismus in Gänze.
|| 35 Dass das Aposteriorische generell als die Art verstanden werden muss, „wie das Apriorische allein sich realisieren und wirklich sein kann“, betont Dörflinger (1991, S. 112). Koriako (2005, S. 28) erklärt diesen Sachverhalt missverständlich, wenn er darlegt, dass wir bloß vermittelst empirischer Relationsbegriffe wie „größer als“ oder „links von“ (welcher letzterer übrigens kein mathematischer Größenbegriff ist, sondern nur leibbezogen gebildet werden kann) „mit einem Raumbegriff [damit meint er die Form der Anschauung, C.O.] bekannt [werden], der sich schließlich ex post als objektive Grundlage jener Relationen herausstellt“. Dies könnte man so interpretieren, dass das Apriorische darauf angewiesen ist, durch empirische Begriffe eingeholt und verstanden zu werden, welches aber gerade nicht der Fall ist. Dass die Betrachtung von Raum und Zeit sich freilich schon der Verstandesbegriffe, d. i. schematisierter Kategorien, bedienen muss, um irgendetwas über Raum und Zeit als bestimmbare Formen der Sinnlichkeit auszusagen (wovon es dann zu abstrahieren gilt), liegt hingegen im eigentümlichen Wesen der Transzendentalphilosophie als einer Reflexionstheorie. Vgl. zum Problem der Erkennbarkeit des ursprünglichen Raumes ferner Blomme 2013.
Strawsons Kritik an der Kantischen Lehre von Raum und Zeit | 27
2.2 Zum Verhältnis von metaphysischen und transzendentalen Raumargumenten: Strawsons Kritik an der Kantischen Lehre von Raum und Zeit Kants ‚Transzendentale Ästhetik‘ ist im Laufe der Zeit immer wieder fundamentaler Kritik ausgesetzt gewesen. Einer der Philosophen, der exemplarisch für eine Fundamentalkritik der Kantischen Lehre von Raum und Zeit steht, ist Peter F. Strawson. Dabei erhebt er vor allem zwei, miteinander zusammenhängende Einwände: Zum einen wendet er sich gegen Kants Euklidische Geometrietheorie, zum anderen kritisiert Strawson den Status von Raum und Zeit als subjektgebundene Anschauungsformen sowie, damit einhergehend, deren implizite Abhängigkeit von der Euklidischen Geometrie. Zu letzterem ist anzumerken, dass Strawson mit dem Vorwurf der Abhängigkeit der Anschauungsformen von Einsichten in die Geometrie die Gültigkeit der metaphysischen Erörterung insgesamt stark relativiert und für unzureichend erklärt. Die angesprochene Umkehrung des Begründungszusammenhangs gilt es nun offenzulegen, was einen kurzen Seitenblick zur Kantischen Mathematiktheorie erfordert. Dies ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil nicht nur Strawson, sondern auch andere kritische Kant-Interpreten, vornehmlich aus dem angelsächsischen Raum, in die gleiche oder zumindest ähnliche Richtung argumentieren.36 Zunächst zum ersten Einwand, nämlich den Status der Geometrie in der ‚Transzendentalen Ästhetik‘. Einmal stört Strawson sich generell am synthetischen Charakter der Geometrie, insbesondere an dem Umstand, dass durch die ‚Transzendentale Erörterung‘ die Möglichkeit synthetischer Urteile (in der Geometrie und in der reinen Bewegungslehre) aufgezeigt werde. Dieser Einwand nimmt kaum Wunder, hält man sich die eingangs erörterte Ablehnung dieses Zentralbegriffs vor Augen. Strawson führt seine Kritik mit einem allgemein beliebten Einwand fort, dass Kant illegitimerweise den Exklusivanspruch der Euklidischen Geometrie behaupte (vgl. etwa BS 242).37 Damit einher geht die Feststellung, dass der Anschauungsraum notwendig dreidimensional ist. Dazu ist einerseits festzustellen, dass Kants ‚Ästhetik‘ durchaus Platz für andere, nicht-euklidische Geometrien lässt. Solche Geometrien wären zu verstehen als mathematische Denksysteme x-dimensionaler Räume, die etwa analytisch aus beliebig festsetzbaren Axiomen hergeleitet werden könnten.38 Eine
|| 36 Als ein Beispiel sei hier Bennett 1966, S. 61ff. angeführt. 37 Diskutiert wird das Problem ebenfalls von Höffe 2003, S. 103 sowie von Wiredu 1970. 38 Vgl. dazu Aschenberg 1982, S. 889 sowie Wiredu (1970, S. 26), der zum Ergebnis kommt, dass nicht-euklidische Geometrien, die nicht radikal von der anschaulichen Euklidischen
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solche analytische Geometrie wäre logisch möglich und würde die Kantische Position nicht konterkarieren, insofern jene mit bloßen Denkmodellen operiert.39 Ein vierdimensionaler Raum etwa ist berechenbar und theoretisch konstruierbar, schlechterdings aber nicht anschaubar, weshalb Kant vollkommen zu Recht auf der Nichtanalytizität der Geometrie besteht.40 Positiv formuliert, die „Geometrie ist eine Wissenschaft, welche die Eigenschaften des Raumes synthetisch und doch a priori bestimmt“ (B 40), mithin durch Bestimmung des unbestimmten, aber bestimmbaren Raums weiterführende synthetische Einsichten über diesen erlangt. Entscheidend ist dabei auch, dass Kants These vom synthetisch bestimmbaren, dreidimensionalen Raum nicht nur das Fundament einer allezeit gültigen mathematischen Lehre schafft (durch die Offenlegung der beiden vorauszusetzenden und synthetisch miteinander in Verbindung zu bringenden Vermögen von Sinnlichkeit und Verstand), sondern gleichzeitig synthetische Einsichten in die strukturelle Verfasstheit des apriorischen Anschauungsraumes ermöglicht. Obzwar dieser Anschauungsraum als bereits dreidimensional bestimmt vom Raum als Form der Anschauung – welcher als ein x-dimensionaler keine weitere
|| Geometrie abweichen, durchaus integrierbar in den Rahmen letzterer sind. Die von Kant eingestandene widerspruchsfreie Denkmöglichkeit anderer Geometrien sei dabei der entscheidende Punkt „in the analysis of the evolution of non-Euclidean geometry“ (S. 23). 39 Wie der Mathematiker und Physiker Henri Poincaré konstatiert, macht eine Aussage über den Wahrheitswert einer Geometrie keinerlei Sinn. Keine Geometrie ist wahrer als eine andere (was genauso für sämtliche physikalisch-empirische Theorien gilt, die andere mögliche Theorien zulassen und daher keinen absoluten Wahrheitswert beanspruchen können). Dennoch bekräftigt er, dass die Euklidische Geometrie die geeignetste sei, nicht nur aufgrund unserer geistigen Beschaffenheit, sondern allein deshalb, weil sie die aus sich heraus am einfachsten zu verstehende sei. Vgl. ders. 1952, S. 50: „What, then, are we to think of the question: Is Euclidean geometry true? It has no meaning. We might ask as well if the metric system is true, and if the old weights and measures are false; if Cartesian co-ordinates are true and polar coordinates false. One geometry cannot be more true than another; it can only be more convenient. Now, Euclidean geometry is, and will remain, the most convenient.“ Im Übrigen ist damit Hossenfelders (1978, S. 15) vernichtendem Ergebnis, wonach die Kantische ‚Ästhetik‘ ihrem Inhalte nach durch die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften widerlegt sei, abgeholfen. 40 Dies betont auch Patt 1987, S. 102ff. – Es gibt Versuche in der modernen Mathematik, mit denen die vierte Dimension des Raumes anschaubar gemacht werden soll. Jedoch sind sich die Mathematiker einig darin, dass sich eine vierte Dimension auf natürlichem Wege nicht (anschaulich) vorstellen lässt. Sollte in der Zukunft wider Erwarten doch eine vierte Dimension darstellbar sein, dann – so steht zu vermuten – ist dies nur auf Grundlage unserer – menschlichen – sinnlichen (vgl. B 148), d. h. der dreidimensionalen Anschauung in Raum und Zeit, möglich.
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Bestimmtheit aufweist – unterschieden werden muss, so ist der Raum als Anschauungsform strukturell bereits so verfasst, dass er durch den Verstand von vorneherein immer nur dreidimensional bestimmt werden kann41 (übrigens gilt gleiches für die Zeit, die von vorneherein so beschaffen ist, dass der Verstand sie in genau einem – und keinem weiteren – Modus bestimmen kann). Der zunächst völlig unbestimmt zu denkende Anschauungsraum enthält also wesensmäßig drei Dimensionen, in denen der Mensch faktisch anschaut, was aber erst durch Synthesis in der formalen Anschauung begrifflich einsichtig gemacht werden kann. Strawsons Behauptung nun, ein Kantianer könne angesichts der Tatsache, dass in der Negation der Axiome der Euklidischen Geometrie kein Selbstwiderspruch liege, ohne Schwierigkeiten die Existenz nicht-euklidischer Geometrien einräumen, jedoch könne er nicht die Möglichkeit zulassen, „daß eine nichteuklidische Geometrie auf die wirkliche Struktur des physikalischen Raums [passe]“, da „die Struktur des physikalischen Raumes notwendigerweise euklidisch“42 sei, ist zu entgegnen: Die Einsichten der Euklidischen Geometrie lassen sich gewiss auf den physikalischen Raum zu dessen Bestimmung anwenden, insofern dieser nichts anderes als der (mit empirischen Gegenständen) erfüllte dreidimensionale Anschauungsraum ist. Freilich lässt eine solche Deutung immer noch Spielraum für andere, immerhin denkbare physikalische Räume, die wiederum mit unterschiedlichen, gleichfalls bloß denkbaren Geometriemodellen vereinbar sind. So ist etwa die Rede von gekrümmten Räumen irreführend, da deren Krümmung nichts anderes meint, als eine unter empirischen Bedingungen gedachte gekrümmte Linie. Nicht der Raum, sondern die Linie im Raum wird als gekrümmt gedacht und stellt – wie auch die gerade Linie – eine gedachte Grenze im Raum dar. Nun stört sich Strawson ferner an dem Umstand – und damit wäre der Weg zum zweiten der beiden Kritikpunkte eingeschlagen –, dass Kant seiner Meinung nach alle vier Raum- und Zeitargumente implizit auf der skizzierten Theorie der Geometrie stützt, wie sie in der ‚Transzendentalen Erörterung‘ entfaltet
|| 41 Damit widersprechen wir Kitchers (1993, S. 56) Meinung, wonach die euklidische Natur des Anschauungsraums unklar ist und es keinen Beweis dafür gibt, dass er euklidisch bzw. zum größten Teil euklidisch ist. Zum Aspekt der ursprünglichen Unbestimmtheit der Dimensionen des Raumes vgl. Höffe 2003, S. 104ff. 42 BS 280: „Since Kant holds that no self-contradiction is involved in negating the axioms or theorems of Euclidean geometry, a Kantian can consistently admit the existence of consistent non-Euclidean geometries. What he cannot admit is that there is any possibility of a nonEuclidean geometry fitting the actual structure of physical space. For, being a Kantian, he holds that the structure of physical space is necessarily Euclidean.“
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wird. An dieser Geometrietheorie konstatiert er erhebliche Mängel, aus denen er auf die Nichthaltbarkeit der Lehre von Raum und Zeit als apriorischen Anschauungsformen, insbesondere vor dem Hintergrund eines transzendentalen Idealismus, schließt (vgl. BS 57f., 62, 66f., 70, 277ff.). Ist es aber wirklich so, dass die ‚Metaphysische Erörterung‘ des Raumes illegitimerweise auf einer vorausgesetzten Geometrietheorie fußt (Transzendentale Erörterung), oder verdankt diese sich nicht vielmehr jener? Wird der Begründungszusammenhang zwischen beiden Kapiteln von Strawson demnach fälschlich umgekehrt, oder manifestiert sich tatsächlich ein Mangel in Kants Lehre von Raum und Zeit sowie seiner Theorie der Mathematik? Denn wenn die Raumargumente nicht schon für sich den Raum als subjektive Anschauungsform ausweisen, dann würde die Form der sinnlichen Anschauung, die ja Bedingung der Möglichkeit der empirischen Anschauung sein soll, tatsächlich von einer erst noch zu beweisenden Theorie der Mathematik abhängen, mithin würde dies – wie schon angeklungen und in der Folge noch deutlicher werden sollte – Verstandesspontaneität erfordern. Stellt man sodann gemäß Strawson den synthetischen Charakter der Geometrie in Frage, muss der subjektivitätszentrierte Ansatz der gesamten ‚Ästhetik‘ tatsächlich und konsequenterweise bezweifelt werden. Anstatt dessen würden Raum und Zeit, wie es Strawson bereits mit seiner Schrift Individuals zu zeigen versucht, zu für sich existierenden Dingen an sich erhoben (vgl. Ind. 30ff., 35), in denen Erscheinungen nicht allererst durch Verstandessynthesis konstituiert, sondern bereits als vollständig bestimmte Gegenstände vorliegend lediglich mit sprachlichen Mitteln gedeutet werden müssen (vgl. Ind 30). Unabhängig davon, ob man die aufgeführten Argumente zugunsten einer Euklidischen Geometrie akzeptiert oder nicht, stellt sich der Begründungszusammenhang in der ‚Transzendentalen Ästhetik‘ gerade nicht so dar, dass der Raum als Form der Anschauung durch Kants Theorie der Geometrie begründet wird. Hinsichtlich des ersten Raumarguments stellt Strawson fest, dass es lediglich aus einer bloßen Tautologie bestehe, dergestalt, dass „wir Gegenstände nicht als räumlich aufeinander bezogen wahrnehmen könnten, wenn wir nicht die Fähigkeit dazu hätten“43. Tatsächlich ist das erste Raumargument wesentlich komplexer als von Strawson behauptet. Denn zunächst einmal besagt es – negativ –, dass der Raum keine bloße empirische Vorstellung sein kann, d. h. „kein empirischer Begriff, der von äußeren Erfahrungen abgezogen worden“
|| 43 BS 58: „The argument is really too short. It is difficult to extract from it anything remotely to the purpose except the tautology that we could not become aware of objects as spatially related unless we had the capacity to do so.“
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(A 23/B 38). Wäre der Raum eine empirische Vorstellung, so müssten räumliche Dinge vorausgesetzt werden, von denen der Raum dann paradoxerweise abzuleiten wäre, was den transzendentalen Bedingungsverhältnissen widerspricht. Als empirische Vorstellung wäre er ferner bloß zufällig. Der Raum ist aber keine zufällige Vorstellung, die sich aus äußeren Erfahrungen ergibt, sondern eine allen Dingen vorgängige Ordnungsform, die es ermöglicht, dass verschiedene (empirische) Gegenstände „in verschiedenen Orten“ (ebd.) vorgestellt werden können, mithin ist er der Grund ihrer numerischen Verschiedenheit und ihrer Ordnung untereinander. Wenn Strawson erklärt, die Subjektbezogenheit der ersten beiden Raumargumente beruhe auf der Lehre der Geometrie (vgl. BS 62), so entgeht ihm ein – im ersten Raumargument – entfalteter Aspekt, mit dem Kant ganz deutlich für die – von Strawson bestrittene – Subjektivität des Raumes argumentiert, ohne dabei jedoch im geringsten auf seine Theorie der Geometrie zu rekurrieren. Denn Kant spricht nicht nur davon, dass durch den Raum als Ordnungsgefüge Gegenstände untereinander in Beziehung gesetzt werden (hier könnte zunächst von der Beziehung der Ordnungsform zum vorstellenden Subjekt abgesehen werden); sondern er legt dar, dass der Raum immer schon zugrunde liegen muss, „damit gewisse Empfindungen auf etwas außer mir bezogen werden“ (A 23/B 38) können. 44 Das bedeutet aber nichts anderes, als dass der Raum eine Ordnungsform subjektiven Ursprungs ist, kraft deren durch affizierende Gegenstände ausgelöste Empfindungen respektive das empfindungshafte Mannigfaltige, als in Relation zu einem vorstellenden Subjekt stehend, geordnet werden können. Damit ist der Raum nicht nur als Ordnungsform der Gegenstände selbst nachgewiesen, sondern als eine Verhältnisvorstellung, die dem Subjekt den Zugang zur Außenwelt und den Erscheinungen selbst, mithin die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt ermöglicht. Das Argument hängt augenscheinlich nicht von irgendeiner geometrischen Prämisse ab. Darüber hinaus müsste der Raum, als mit den Dingen zugleich auftretend oder ihnen als Bestimmung anhängend, entweder ein bloßes Relat oder ein Akzidens der Dinge selbst sein. Der Raum aber ist, und hierfür argumentiert das zweite Argument positiv, indem es zur Abstraktion von den im Raum befindli|| 44 Dass die darauf in Klammern folgende Aussage, wonach die Empfindungen „auf etwas in einem anderen Orte des Raumes, als darinnen ich mich befinde“ (A 23/B 38), ein Subjekt voraussetzt, das es schon in seiner Leiblichkeit als materielle Bedingung der möglichen Erfahrung zu betonen gilt und dessen Körper bereits einen Ort in dem allererst sich eröffnenden Raum einnimmt, ist ein Problemfeld ganz eigener Art, dem hier nicht weiter nachgegangen werden kann. Vgl. dazu die Studie von Schmitt: Immanuel Kant und der Leib des Menschen [Unveröffentlichtes Manuskript].
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chen Dingen auffordert, nicht ein bloßes Relationsgefüge, sondern vielmehr das Voraus aller sinnlichen Relationsgefüge.45 Auch wenn Strawson Schwierigkeiten hat, diesen Abstraktionsprozess nachzuvollziehen,46 so wird durch ihn Folgendes völlig korrekt gezeigt: Erstens, dass es ganz offenbar möglich ist, alle Gegenstände aus dem Raum wegzudenken, mithin räumliche Extension ohne Gegenstände darin vorzustellen, während umgekehrt der Versuch scheitert, den Raum wegzudenken und die Dinge für sich anschaulich vorzustellen. Das Verhältnis zwischen Körpern und Raum stellt sich folglich so dar: Körper sind immer innerräumlich; der Raum kommt aber nicht wieder in einem Raum vor, da er ansonsten selbst wieder ein Körper wäre, nämlich ein Körper, der alle kleineren Körper umfassen müsste. Folglich liegt der Raum als der ermöglichende Grund aller Körper diesen voraus und ist deshalb auch nicht mit dem Begriff der Relation (wie Leibniz meinte) angemessen zu erfassen.47 Um den Zusammenhang zwischen Raum und Innerräumlichem und die Vorrangigkeit des Raumes gegenüber den in ihm befassten Gegenständen geht es ebenfalls dort, wo Kant betont, der Raum sei keine „von [den Erscheinungen] abhängende Bestimmung“. Der Raum ist kein Akzidens der Dinge an sich, sondern eine „Vorstellung a priori, die notwendigerweise äußeren Erscheinungen zum Grunde liegt“ (A 24/B 39). Mit dem entfalteten Abstraktionsprozess ist zweitens implizit für den Raum als eine subjektabhängige Vorstellung und nicht für einen materialiter, an sich existierenden Raum argumentiert. Wenn gesagt wird, der Raum schwinde im Abstraktionsprozess nicht, so betrifft dies bloß formal den Zusammenhang zwischen Raum und allen Körpern in ihm. Der Raum ist von den Körpern unabhängig, jedoch nicht in dem Sinne, dass er nach deren Wegfall für sich selbst, als Ding (Behältnis), übrig bliebe. Der Raum erweist sich somit als unhintergeh-
|| 45 Vgl. dazu auch Patt 1987, S. 190. Dass Strawson das raum-zeitliche Ordnungssystem nicht als das Voraus der materiellen Körper, sondern als durch diese bedingt erachtet, offenbart sich auch in Ind 39: „Material bodies constitute the [unitary spatio-temporal] framework.“ 46 Vgl. BS 58f.: „[I]t is far from clear what the experiment is or what its results imply. […] Is it held that we could not do such things unless the spatial relatedness of items which we are aware of as so related were entirely due to our cognitive constitution? This seems too large a step. […] Perhaps it means that we cannot really make intelligible to ourselves the conception of a wholly non-spatial experience.“ Im Übrigen setzt Strawson hier wie so oft die bloße räumliche Anschauung bereits mit räumlicher Erfahrung gleich. 47 Vgl. dazu Patt 1987, S. 200f. Wie der Autor treffend feststellt, würde es dem Begriff der Relation widersprechen, wenn Raum und Zeit Relationen wären; denn angenommen, sie wären es, „dann wären es solche, die nach Wegnahme der Relata übrigblieben, was dem Begriff der Relation widerspricht“ (S. 200).
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bar nur vom Standpunkt eines Subjekts, da jedes Sich-nach-außen-Richten den Raum als raumeröffnende Vorstellung notwendig fordert.48 Als subjektive Vorstellung ist der Raum dennoch objektiv, d. h. durch die Raumeröffnung erhält das Subjekt Zugang zu den (physikalischen) Gegenständen. Er ist aber nicht per se objektiv, dergestalt, dass in dieser Ordnung schon sämtliche Bestimmungen des – noch völlig unbestimmten – Gegenstandes, d. i. der Erscheinung, angetroffen würden (vgl. auch Anm. 134). Wären Raum (und Zeit) dagegen „wirkliche Wesen“ (A 23/B 37), so müsste man mit Kant gesprochen tatsächlich „zwei ewige und unendliche vor sich bestehende Undinge […] annehmen, welche
|| 48 Passend dazu stellt Bernd Dörflinger (2010, S. 70) fest: „Dem entgegen die Raumordnung für einen Moment als eine vorausgesetzte, von der Sinnlichkeit des Subjekts getrennte äußere Gegebenheit anzusehen, führte zu der absurden Konsequenz, daß, um von ihr Erkenntnis zu erlangen, auf Seiten des Subjekts ein eigentümliches Sensorium vorauszusetzen wäre, das als eine nach außen gerichtete Empfänglichkeit von der Raumform Eindrücke erlangen können müßte. Solches Richtungnehmen nach außen aber wäre bereits räumliches Vorstellen, so daß paradoxerweise ein Raumvorstellen vorausgesetzt wäre, um vom unterstellten subjektunabhängigen Raum eine Vorstellung erst zu bekommen.“ Die eigentliche Intention des Gedankengangs entgeht dagegen Aschenberg (1982, S. 83, Anm.), wenn er erklärt, dass man sich einen leeren Raum ebenso ohne logischen Widerspruch denken könne wie das Nichtsein eines Raumes; hingegen sowohl ein leerer Raum als auch das Nichtsein des Raumes nicht (anschaulich) vorgestellt werden könne. Gleiches gilt auch für Hossenfelder (1978, S. 38ff., 71). Ein leerer Raum ist aber als mentale Topologie der Einbildungskraft sehr wohl ohne Gegenstände darinnen vorstellbar. Anders gesagt: Ich kann keinen Gegenstand anschaulich vorstellen, ohne ihn räumlich vorzustellen, obschon ich den Raum vorstellen kann, ohne Gegenstände darin. Was gezeigt werden soll, ist die simple Tatsache, dass jedes Sich-nach-außen-Richten des Subjekts auf Gegenstände den Raum schon voraussetzt. Der Abstraktionsprozess macht bloß einsichtig, dass von Raum und Zeit „in Ansehung der Erscheinungen überhaupt“ (A 31/B 46) nicht abstrahiert werden kann, insofern sie als Formen anzuschauen jederzeit vorausgesetzt werden müssen. Es besagt aber nicht, wie Aschenberg meint, man könne Raum und Zeit nicht wegdenken, denn dies ist ohne Zweifel widerspruchsfrei möglich, führt dies zum bloßen Gedanken des Dinges an sich, ein Noumenon im negativen Sinne, über das als bloßes Gedankending keine Aussage zu treffen ist (vgl. B 309). Dass durch dieses Wegdenken eine intellektuelle Abstraktion vorgenommen wird, besagt freilich auch nicht, wie Koriako (2005, S. 30) annimmt, dass das Produkt dieses Abstraktionsprozesses intellektuell sein muss, stellt man im Falle der reinen Raumvorstellung doch ein wesentlich sinnliches Produkt vor. Wir können in Anbetracht des hier Vorgetragenen auch dem Ergebnis seiner Untersuchung nicht zustimmen, wonach der Raum nur deshalb rein zu nennen ist, weil er sich „keinem besonderen sensorischen Formenkreis“ (S. 38) zuordnen lässt und aufgrund des Mangels eines Organs, das der exklusiven Erfassung räumlicher Verhältnisse dient, „nicht einmal eine empirische Anschauung“ (S. 38f.) genannt werden kann. Diese Interpretation würde dem Raum nur aufgrund des Fehlens eines leiblichen Organs und damit einer materiellen Bedingung der möglichen Erfahrung (siehe Anm. 44) apriorische Geltung zukommen lassen, nicht aufgrund der besonderen Beschaffenheit des Raums selbst.
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dasind (ohne daß doch etwas Wirkliches ist), nur um alles Wirkliche in sich zu befassen“ (A 39/B 56). Der Raum und die Zeit als Formen der Anschauung besitzen aber kein Dasein, d. h., sie sind keine Substanzen, die im relationalen Verhältnis mit ihren Akzidenzien gedacht würden. Wenn Strawson Kant (mit Blick auf die Erläuterungen von Raum und Zeit in § 7) unterstellt, er gestehe ein, dass kein Widerspruch darin liege, „zugleich eine relationale Auffassung von Raum und Zeit zu vertreten und ihre transzendentale Idealität zu leugnen“49, dann unterschlägt er folglich einerseits die Ergebnisse des zweiten Raumarguments (ebenso wie des zweiten Zeitarguments), denn die Leugnung des transzendentalen Idealismus führt in die geschilderten Probleme hinsichtlich des Begriffs der Relation. Andererseits dienen die Erläuterungen lediglich dazu, die Ergebnisse aus den ‚Metaphysischen Erörterungen‘ noch einmal zu bekräftigen. Strawsons Behauptung, wonach auch hier auf das Argument aus der Geometrie nicht verzichtet werden kann, bleibt vor diesem Hintergrund rätselhaft, da in keiner Weise bereits eine Aussage über mathematische Sätze getroffen wird. Wie aber verhält es sich mit den letzten beiden Raumargumenten? Wird hier für die Standpunkthaftigkeit von Raum und Zeit argumentiert und, wenn ja, kann sie unabhängig von Kants Lehre der Geometrie verstanden werden? Auch hier ist Strawson der Überzeugung, dass ohne Bezug zur Geometrie die Raumargumente ihre Gültigkeit verlieren (vgl. BS 66ff.). Er begründet dies ausgehend von der Feststellung, dass nach Kant durch reine Konstruktion Erkenntnisse sowohl über mathematische Figuren im Raume als auch über den Raum selbst als (euklidischen) Anschauungsraum zu gewinnen sind, so dass geometrische Wahrheiten unabhängig von der empirischen Anschauung Gültigkeit besitzen, d. h. als apriorische Wahrheiten nicht von der Beobachtung physikalischer Gegenstände abhängen. Strawson kommt vor diesem Hintergrund zum Ergebnis, dass der Anschauungsraum auf diese Weise so beschrieben werden kann, „daß er selber eine reine Anschauung, ein Produkt der Ausübung des Vermögens reiner Anschauung ist“50. Als Produkt einer Anschauung würde er
|| 49 BS 60: „He admits that there is no inconsistency in both maintaining a relational view of space and time and denying their transcendental ideality.“ 50 Hervorh. C.O. Vgl. BS 66f.: „In Kant’s view our knowledge of geometrical truths, though dependent upon intuition, is independent of empirical intuition. It depends in no way upon observation of actual physical objects such as we become aware of through the senses. It depends entirely on the exercise of the faculty of pure spatial intuition. […] [W]e obtain knowledge also of the necessary characteristics of the space in which we construct them, e. g. that it is infinite and three dimensional. We can thus properly describe infinite (Euclidean) space itself as pure intuition, i. e. as a product of the exercise of the faculty of pure intuition.“
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also von einer Konstruktionsleistung abhängen, wie es beim mathematischen, bestimmten Raum (als einem quantum discretum) der Fall ist. Betrachtet man zunächst das dritte Raumargument, so fällt auf, dass Kant hier den Anschauungscharakter des Raumes hervorhebt, indem er ihm die Merkmale der Diskursivität, die einen Begriff charakterisieren, abspricht: „Der Raum ist kein diskursiver, oder wie man sagt, allgemeiner Begriff von Verhältnissen der Dinge überhaupt, sondern eine reine Anschauung.“ (A 24f./B 39) Das bedeutet, der Raum enthält nicht eine „unendliche Menge von verschiedenen möglichen Vorstellungen (als ihr gemeinschaftliches Merkmal) […] unter sich“ (A 25/B 40), sondern als Teile in sich. Diese Teil-Ganzes-Relation wurde oben (S. 21) geltend gemacht. Hier bleibt zu ergänzen, dass der allbefassende einige Raum aufgrund seiner Beschaffenheit, alle Räume als seine Teile in sich zu enthalten, auch nicht aus vielen Teilen zusammengesetzt sein kann, d. h., er ist kein Compositum. Da er jedem „allgemeine[n] Begriff von Räumen“ zugrunde liegt, die lediglich als „Einschränkungen“ (A 25/B 39) des einen Raums gedacht werden, ist er zudem eine Anschauung a priori, die sowohl der empirischen Anschauung als auch der formal-mathematischen Anschauung zugrunde liegt. Strawson missversteht folglich mehrere Dinge auf einmal, wenn er das Raumargument auf die dargelegte Weise interpretiert. Denn in einem ersten Schritt betont Kant zunächst nur den Anschauungscharakter (die Einzelnheit) des Raumes, seine Apriorität wird erst in einem zweiten Schritt hervorgehoben, ausgehend von der Feststellung nämlich, dass der Raum nicht zusammensetzbar ist und somit aller Zusammensetzung voraus sein muss. Wenn er aber aller Zusammensetzung voraus liegt, dann liegt er auch jeder geometrischen Konstruktion voraus, mithin jeder dazu erforderlichen Synthesis durch den Verstand. Es ist der einige Raum als Form der Anschauung somit Grund zum einen der empirischen Anschauung (physikalischer Dinge), zum anderen der formalen Anschauung, insofern er „allen Begriffen von demselben zum Grunde liegt“ (A 25/B 39). Es ist also nicht Kant, der den Begründungszusammenhang zwischen metaphysischen und transzendentalen Raumargumenten verdreht, sondern Strawson, indem er nicht zwischen reiner Form der Anschauung und formaler Anschauung zu differenzieren vermag. Zumindest aber ist er entlarvt, aufgrund seiner Ablehnung gegenüber der Synthesistheorie einem gravierenden Interpretationsfehler aufzusitzen. Zwar ist Strawson insofern zuzustimmen, als der Raum in gewisser Weise als „Produkt der Ausübung des Vermögens reiner An-
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schauung“51 verstanden werden kann, er ist es aber weder in irgendeiner Weise, die ihn als erzeugte Form im ursprünglichen Sinne vorstellt, noch, wie Strawson glaubt, als euklidischer Anschauungsraum. Denn der Raum als Form der Anschauung enthält noch keine begrifflichen Bestimmungen, etwa die der Dreidimensionalität, d. h., der Raum als Form der Anschauung ist als drei Dimensionen enthaltend noch nicht gewusst. Die Synthesis erstreckt sich bloß auf die Bestimmung aller spezifischen Räume im einen Raum, d. h., sie ermöglicht den „allgemeine[n] Begriff von Räumen überhaupt“ (A 25/B 39) bzw. ein ursprüngliches Wissen vom Raum überhaupt (vgl. das Ende von Kapitel 2.3). Freilich sind die sich aus der synthetischen Bestimmung des Raumes ergebenden Ergebnisse dann auch – wie gesehen – anwendbar auf den Raum als zunächst unbestimmte Anschauungsform. So gibt der Raum die Möglichkeit zur dreidimensionalen Bestimmung – wie weiter oben schon gezeigt wurde – bereits her. Das Begründungsverhältnis stellt sich dem Gesagten zufolge so dar: Der Raum als Form der Anschauung ermöglicht alle geometrischen Wahrheiten und ist dementsprechend anzusehen als der Grund der Kantischen Theorie der Geometrie, nicht als deren Folge. So ist denn auch der Zusatzaspekt des dritten Raumarguments zu verstehen, in dem es heißt, dass „alle geometrische[n] Grundsätze, z. E. daß in einem Triangel zwei Seiten zusammen größer sein, als die dritte“, durch den Raum möglich werden, und zwar können sie „aus der Anschauung […] a priori mit apodiktischer Gewißheit abgeleitet“ (A 25/B 39) werden. Strawson übersieht ferner, und damit ist ein Bogen explizit zum vierten Raumargument geschlagen, dass der Raum (gleiches gilt für die Zeit) bloß in besonderer Hinsicht als „unendlich“ (vgl. BS 63, 65, 66) bestimmt werden kann, nämlich nur der Vorstellung eines Subjekts nach. Kant behauptet nicht die aktuelle Unendlichkeit des Raumes, sondern es wird der Raum als eine „unendliche gegebene Größe vorgestellt“ (A 25/B 39). Als subjektabhängige Form ist der Raum – dies ist das hauptsächliche Beweisziel des vierten Raumarguments – „im Fortgange der Anschauung“ (A 25) durch eine anzunehmende vorfigürliche Synthesis (vgl. Anm. 29) beliebig erweiterbar. Ein unendlicher Raum ist eben kein Gegenstand einer Anschauung. Angeschaut wird immer nur in einem begrenzten Raum, wobei der Raum so vorgestellt wird, dass man in Gedanken immer wieder über die jeweils angegebene Grenze hinausgehen kann. Der
|| 51 BS 66f.: „(Euclidean) space itself as a pure intuition [...] is a product of the exercise of the faculty of pure intuition. [...] This is the reason why the pure mathematics of space is also the mathematics of physical space, why the propositions of pure geometry necessarily hold of the physical objects of empirical intuition.“
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Raum muss also als potentiell unendlich – unendlich in der Idee (vgl. A 521/ B 549, Anm.) – gedacht werden, insofern seine Grenzen immer wieder überschreitbar sein müssen und dies immer wieder Raum voraussetzt. Dass alle Teile des Raumes bis ins Unendliche als zugleich gegeben und als in ihm enthalten gedacht werden, mithin die Synthesis an keinen Punkt gelangen kann, an dem nicht immer schon Raum angetroffen wird, ist folglich der eigentümliche Grund dafür, dass der Raum ursprünglich Anschauung und nicht Begriff ist: „Das in indefinitum gedachte [vorgestellte, C.O.] wird hier als in infinitum gegeben Vorgestellt [als Idee eines gegebenen Ganzes im pointierten Sinne gedacht, C.O.].“ (OP, AA 22: 11) Zusammenfassend bleibt festzustellen: 1. Alle vier Raumargumente52 weisen den Raum als subjektzentrierte Vorstellung aus; der Raum als die Form der äußeren Anschauung ist somit niemals standpunktlos (gleiches gilt für die Zeit). Die ‚Transzendentale Ästhetik‘ ist nicht von ihrer transzendental-idealistischen Verfasstheit zu trennen. Dies manifestiert sich besonders deutlich im letzten Raumargument (letzten Zeitargument), insofern das Gegenteil in die erste Antinomie und die Frage nach der Endlichkeit oder Unendlichkeit des Raumes und der Zeit führt.53 Angesichts dieser Tatsache ist Strawson zu widersprechen, wenn er glaubt, der transzendentale Subjektivismus werde „regelmäßig zur Unterstützung von Thesen angeführt, die auf ihren eigenen Beinen stehen können“54. 2. Der Beweis und die Gültigkeit der Raumargumente (speziell der Nachweis ihrer Subjektgebundenheit) hängen ihrer inneren Verfasstheit nach in keiner Weise von Kants Theorie der Geometrie ab, sondern machen diese allererst möglich. Die Theorie der Geometrie respektive die ‚Transzendentale Erörterung‘ des Raumbegriffs, die zeigt, dass nur auf Grundlage der Raumargumente die Mathematik als wirkliche Wissenschaft möglich ist, grün-
|| 52 Patt (1987, S. 205) erklärt entsprechend, dass der vollständige Beweis für die Subjektivität der Anschauungsformen nicht bloß in einem, sondern in allen vier Raum- respektive Zeitargumenten zusammen liegt. 53 Wenn Strawson das Problem der Antinomien aufzulösen versucht mit vom transzendentalen Idealismus „unterschiedenen Version[en]“ (BS 175), dann kann er dies nur unter der gerade in den Antinomien sich als unhaltbar erweisenden Voraussetzung der transzendentalrealistischen Position einer Welt an sich, so dass sich die Frage stellt, was Strawson eigentlich zu zeigen beabsichtigt. 54 BS 91: „Here is a recurrent feature of Kant’s transcendental subjectivism. It is regularly invoked to support theses which can stand on their own feet.“ Vgl. dagegen Niquet 1991, S. 302, 331ff. Wie Niquet zutreffend erklärt, beruhen transzendentale Beweise als Voraussetzung der Form möglicher Erfahrung auf der Möglichkeit transzendentaler Synthesis. Es liegt auf der Hand, dass Strawsons Synthesiskritik „dieser zentralen Strukturbedingung des Kantischen Beweisparadigmas die transzendentale Berechtigung entzieht“ (S. 333, Anm.).
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den folglich auf den Ergebnissen aus den ‚Metaphysischen Erörterungen‘.55 3. Strawson modifiziert die ‚Transzendentale Ästhetik‘ im Sinne einer Ontologie, woraus eine Detranszendentalisierung von Raum und Zeit resultiert. Die Auffassung von einem vorstellungsunabhängigen Raum-Zeit-System führt aber zu sachlichen Problemen, die eine realistische Position im Kern als unhaltbar ausweisen. 4. In Anbetracht dieser Feststellung und vor dem Hintergrund der Kantischen Unterscheidung von Anschauung und Begriff erweist sich die Theorie einer Verstandessynthesis deshalb als notwendig. 5. Es zeigt sich indirekt, warum der Gedanke des Dinges an sich aus Sicht des transzendentalen Idealismus zwingend ist, insofern er ein aus der Abstraktion vom Raume resultierender Gedanke eines Etwas überhaupt ist, das kein Gegenstand möglicher Wahrnehmung sein kann. Abstrahiert man vom Raum und stellt sich die übrigbleibenden Gegenstände vor, so bleibt der Gedanke eines Noumenon, das als Grund der Erscheinungen zumindest denkbar sein muss, „[d]enn sonst würde der ungereimte Satz daraus folgen, daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint“ (B XXVII). Aus dem Begriff der Erscheinung kann analytisch abgeleitet werden, dass die Erscheinung einen Grund braucht. Es ist weder ein Widerspruch im Denken, d. h. formallogisch widersinnig, noch ein systematischer Fehler, ein Ding an sich als außerzeitliche Ursache vermittelst der unschematisierten Kategorie zu denken. Mit dem Gedanken des Dinges an sich wird ferner ein realistischer Dogmatismus vermieden, der neben dem menschlichen Erkenntnisvermögen keine weiteren Erkenntnisformen zulässt.56
2.3 Die Sinnlichkeit als eigenständiger Erkenntnisstamm? Der vorausgehende Teil stellte bereits klar, dass die Grundvorstellungen von Raum und Zeit im Gegensatz zu den formalen Anschauungen noch keinerlei Bestimmtheit aufweisen, mithin keine Verstandessynthesis enthalten dürfen. Ebenso sollte deutlich geworden sein, dass eine realistische Position von Raum und Zeit unhaltbar ist. Um bei den Grundvorstellungen von Raum und Zeit zu bleiben, so sind zwar Strawsons Pauschaleinwände abzuweisen, jedoch finden
|| 55 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Patt 1987, S. 208. 56 Interessanterweise gebraucht Strawson das Ding an sich für seine Argumentation in Individuals (Ind 63): „[W]e can ‚represent to ourselves the absence of space’. I do not see why we should not confine ourselves imaginatively to what is not spatial.“ Allerdings geht Strawson fehl in der Annahme, dass sich eine nicht-räumliche Anschauung imaginieren, d. h. anschaulich vorstellen lasse. Vom Raum kann, wie gesagt, lediglich begrifflich abstrahiert werden, d. h. er lässt sich wegdenken, nicht aber kann der Raum – sit venia verbo – wegangeschaut werden.
Die Sinnlichkeit als eigenständiger Erkenntnisstamm? | 39
sich in der Kritik Formulierungen, die diesbezüglich weitere Interpretationsschwierigkeiten aufwerfen. In der ‚A-Deduktion‘ etwa spricht Kant davon, dass ohne die reine Synthesis der Apprehension und Reproduktion „nicht einmal die reineste und erste Grundvorstellungen von Raum und Zeit entspringen können“ (A 102). Dies suggeriert, Raum und Zeit als quanta originaria müssten bereits Bestimmtheit und Gestalt aufweisen, was – wie gesehen – nicht der Fall sein kann, da sich die Synthesis (in der Weise der formalen Anschauung) nur auf die in ihnen enthaltene reine Mannigfaltigkeit bezieht. Aus dem Gesagten lässt sich ein ganzes Problemfeld erschließen, das aufgrund seiner Komplexität hier nur skizziert werden kann, jedoch eine Entscheidung erfordert hinsichtlich der Frage, ob die Sinnlichkeit als unteres Erkenntnisvermögen vom Verstand als einem Teil des oberen (vgl. etwa Anth, AA 07: 196) derart abhängig zu denken ist, dass ihre reinen Anschauungsformen immer schon als Formen des sich seiner selbst bewussten (transzendentalen) Ich und nicht bloß – wesentlich unspezifischer gefasst – des Gemüts respektive des (transzendentalen) Vorstellungssubjekts interpretiert werden müssen. In Anbetracht der letzteren Lesart hätte die Sinnlichkeit den Status eines weitgehend autonomen Vermögens, in Hinblick auf erstere, in die Nähe eines absoluten Idealismus rückende Interpretation, wäre sie dem Verstand unterworfen. Dergestalt wäre Anschauung ohne begleitendes transzendentales Selbstbewusstsein „unmöglich“ (B 132). Nun betont Kant aber im Gegenteil, dass durch die reinen Formen der Sinnlichkeit „doch wenigstens ein Objekt gegeben wird, anstatt daß eine unserem Verstande eigene Verbindungsart des Mannigfaltigen, wenn diejenige Anschauung, darin dieses allein gegeben werden kann, nicht hinzu kommt, gar nichts bedeutet“ (B 306). Unmöglich sind anschauliche Vorstellungen ohne reines Selbstbewusstsein demnach nicht per se, sondern nur insofern, als ohne das eine Ich denke aus ihnen keine einheitliche Erkenntnis werden würde. Anschauungen, die „ich die meinige nenne“ (B 144), können eben nur unter Voraussetzung eines reinen Selbstbewusstseins überhaupt mir angehören – was das nächste Kapitel zeigen wird. Gesteht man der Sinnlichkeit zu, dass sie ein Objekt ohne Verstandeseinfluss immerhin präsentiert, so können die einzelnen mannigfaltigen Teile im Gemüte dennoch nicht vollkommen isoliert auftreten. Sie müssen vielmehr vor aller Synthesis vermittelst der Einbildungskraft so beisammen stehen, dass sie sich zu einer Verbindung zur Einheit in der Anschauung – und dann zur Einheit des Begriffs – fügen, d. h. dann auch durch kategoriale Reflexion zusammen
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gedacht werden können.57 Dem entspricht, dass der Raum „die Vorstellung einer bloßen Möglichkeit des Beisammenseins“ (A 374) äußerer Dinge ist, ebenso wie die Zeit „die Art [ist], wie das Mannigfaltige im Gemüte beisammen ist“ (B 68). Es ist dieses Mannigfaltige zunächst in der Synopsis durch den Sinn (A 94, A 97), die keinen „Actus der Spontaneität der Vorstellungskraft“ (B 130) darstellt, zusammengeschaut,58 obzwar noch nicht verglichen und verbunden. Dieses Zusammensein des Mannigfaltigen, nach Funktion der Synopsis angeschaut, muss demnach unabhängig vom Verstande und seiner kategorialen Verbindungstätigkeit gegeben werden.59 Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, nicht von einer in Raum und Zeit enthaltenen völlig bestimmungslosen, sondern von einer unbestimmten reinen Mannigfaltigkeit auszugehen, welche die Möglichkeit zur Bestimmung durch den Verstand immerhin darbietet. Vor diesem Hintergrund wird auch einsichtig, warum Kant in Hinblick darauf, „daß die vorige Zeit die folgende notwendig bestimmt (indem ich zur folgenden nicht anders gelangen kann, als durch die vorhergehende)“, von einem „notwendige[n] Gesetz unserer Sinnlichkeit“ (A 199/B 244) spricht. Die einzelnen Zeitteile, obschon noch nicht durch Synthesis zusammengesetzt, verweisen bereits auf der Stufe der reinen Sinnlichkeit aufeinander, indem ein Augenblick
|| 57 Raum und Zeit als Formen der Vielheit gewährleisten bereits wesentlich die Vielheit und Verschiedenheit der Vorstellungen, auch wenn diese noch nicht durch einen Gebrauch der Quantitätskategorie begrifflich verstanden ist. So ist durch unterschiedliche Örter im Raum die Vielheit der Gegenstände sowie durch die unterschiedlichen Zeitstellen in der Zeit die Vielheit der Vorstellungen im Gemüt eröffnet. Vgl. mit Blick auf die Problematik der Amphibolie der Reflexionsbegriffe A 282/B 338: „Der Begriff von einem Kubikfuße Raum, ich mag mir diesen denken, wo und wie oft ich wolle, ist an sich völlig einerlei. Allein zwei Kubikfüße sind im Raume dennoch bloß durch ihre Örter unterschieden (numero diversa); diese sind Bedingungen der Anschauung, worin das Objekt dieses Begriffs gegeben wird, die nicht zum Begriffe, aber doch zur ganzen Sinnlichkeit gehören.“ 58 Wunsch (2007, S. 135) spricht ganz richtig von dem transzendental-ästhetischen Vorgeordnetsein des Mannigfaltigen. Den vielleicht nicht ganz treffenden Vergleich mit einem Rasterbild, in dem unverbundene Punkte enthalten sind, zieht Kugelstadt (1998, S. 52) heran. Hier könnte man glauben, die unverbundenen Punkte stünden völlig isoliert nebeneinander, obwohl die Synopsis ja schon Teilstrukturen beisammen hält, die dann noch entsprechend verbunden werden müssen, was nicht mehr durch den Sinn geschehen kann. 59 Kant spricht in seinem Spätwerk von „der unbestimmten doch bestimmbaren Anschauung“ (OP, AA 22: 414). Dazu bemerkt Kugelstadt (1998, S. 246; vgl. auch S. 117), dass „die Form der Anschauung dem Verstand [immerhin] ihre eigenen Bedingungen, nach denen sie sich nur bestimmen läßt, entgegenbringt.“ Er verweist dabei auf Kants Beispiel des „logisch möglichen, aber real unmöglichen Begriffs des Decaeders“. Vgl. dazu auch AA 20: 414f. Auch Wiredu (1970, S. 17) macht auf den Unterschied von logischem Widerspruch im Begriff und Unmöglichkeit der Konstruktion dieses Begriffs aufmerksam.
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den nächsten notwendig fordert: „Jede Anschauung enthält ein Mannigfaltiges in sich, welches doch nicht als ein solches vorgestellt werden würde, wenn das Gemüt nicht die Zeit, in der Folge der Eindrücke auf einander unterschiede.“ (A 99) Ebenso heißt es, dass „vor dem Actus des Bestimmens“ die Zeit „das Bestimmbare [d. i. die in ihr enthaltene Mannigfaltigkeit, C.O.]“ gibt (B 158, Anm.). Man versuche, das Gegenteil annehmend, sich die Sukzession in der Zeit (welche als ein sinnlicher Begriff freilich nur durch Verstandessynthesis gebildet werden kann, ihrem Wesen nach aber sinnlich ist) für einen Moment so vorzustellen, als ob die Zeit selbst erst durch den Verstand in ihrer Ausdehnungshaftigkeit hervorgebracht und dadurch alle Sukzession möglich würde. Es müsste das sukzessive Fortschreiten in der Zeit in jedem Moment einen neuen Zeitteil hervorbringen, was sich jedoch nur so vorstellen lässt, dass man annimmt, die Synthesis laufe schon in einem potentiell vorausliegenden, d. h. nicht erst zu erzeugenden – obzwar durch Synthesis zu bestimmenden – nächsten Zeitteil fort. Wie sonst wäre etwa erklärbar, dass die Zeit nur eine Dimension hat, wenn dies nicht am Wesen der Zeit selbst läge? Der Verstand kann offenbar nichts verbinden, was ihm beim Einflussnehmen auf die Sinnlichkeit nicht schon von dieser dargeboten wird. So kann er – selbst in der ‚B-Deduktion‘, die gerade von allem gegebenen Mannigfaltigen abzusehen scheint – „von einem Stücke“ jedenfalls „nicht abstrahieren, nämlich davon, daß das Mannigfaltige für die Anschauung noch vor der Synthesis des Verstandes, und unabhängig von ihr, geg eb en sein müsse“ (B 145). Was der innere Sinn dem Verstand darbietet, ist reine Zeitmannigfaltigkeit, die am besten dadurch fasslich wird, dass man sich ein Durchlaufen der Zeitteile vorstellt; dieser Übergang zum nächsten Zeitteil wird aber nur durch die bestimmte Beschaffenheit der Zeit selbst gewährleistet.60 Andernfalls müsste der Verstand die eindimensionale Zeit prinzipiell auch als dreidimensional oder den dreidi-
|| 60 Entsprechend gilt auch für die Dekomposition des Raumes – wie auch der Zeit – in Gedanken, dass die Synthesis an kein Ende gelangen kann, d. h. „sukzessivunendlich“ ist, da jeder „in seinen Grenzen“ angeschaute Raum ein „Ganzes [ist], dessen Teile bei aller Dekomposition immer wiederum Räume sind“ (A 524/B 552). Vgl. dazu MAN, AA 04: 507, dort im Hinblick auf die Teilung einer zusammengesetzten Substanz: „Theile, als zur Existenz einer Erscheinung gehörig, existieren nur in Gedanken, nämlich in der Theilung selbst. […] Denn es ist nicht das Ding, sondern nur diese Vorstellung desselben, deren Theilung, ob sie zwar ins Unendliche fortgesetzt werden kann, […] dennoch niemals vollendet […] werden kann.“ Dies gilt in gleicher Weise für die Erweiterbarkeit der Partialräume zu einem immer größeren Raum, was weiter oben bereits als „Grenzenlosigkeit im Fortgange der Anschauung“ (A 25) deklariert wurde. In keinem Fall aber werden hier innerräumliche bzw. innerzeitliche Strukturen – durch figürliche Synthesis (vgl. B 154ff.), welche schon kategoriale Verbindung enthält – konstituiert.
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mensionalen Raum auch als eindimensional bestimmen können. Dass er dies aber nicht kann, liegt daran, dass Raum und Zeit als Anschauungsformen von vornerein nur auf diese und keine andere Weise durch den Verstand hin zur Einheit der Anschauung bestimmt werden können. Dementsprechend symbolisiert die gerade Linie, „die [nämlich nicht die erst durch Handlung zustande zu bringende, sondern von Unendlichkeit zu Unendlichkeit bereits in ihrer Vollständigkeit gedachte Linie als Vernunftidee eines gegebenen Ganzen, C.O.] die äußerlich figürliche Vorstellung der Zeit sein soll“, die ihrem Wesen nach vorgegebene Zeit als etwas, das nicht durch die Handlung des „Z i eh e n [ s ] “ (B 154), d. h. Verstandeshandlung, hervorgebracht werden muss. Also kann, da die Zeit als Form der Anschauung schon vorausgesetzt werden muss, diese nicht erst durch Erzeugung entstehen.61 Es scheint daher eher passend, bedient man sich erneut der räumlichen Darstellung der Zeit, das Erzeugen der spezifischen Zeiten als ein Überstreichen der bereits bis ins Unbestimmte gedachten (beharrlichen) geraden Linie zu verstehen. Ein zusätzliches Argument, das erst im Folgenden – im Rahmen der sogenannten Intellektion der reinen Synthesis (vgl. Kapitel 4.2) – verständlich werden dürfte, geht davon aus, dass alle Zeitbestimmung in der reinen Synthesis immer eine Verbindung durch die Kategorie ist, d. h., jede Zeitstrukturierung kommt nur durch einen intellektuellen Bestimmungsakt zustande. Würde die Zeit erst durch eine solche intellektuelle Verstandeshandlung gänzlich und ursprünglich erzeugt, so müsste man die Form der kategorialen Reflexion (etwa die Größenbestimmung durch Zahlbegriffe) auch für Tiere geltend machen, oder aber behaupten, die Wahrnehmung der Tiere würde sich im bloßen Augenblickscharakter des „Hier und Jetzt“ erschöpfen. Ersteres ist allein schon deshalb schwer vorstellbar, da in einem solchen Fall auch Tieren ein einheitliches
|| 61 So heißt es in ÜE, AA 08: 203, Raum und Zeit seien „bloße Gedankendinge und Wesen der Einbildungskraft […], nicht welche durch die letztere gedichtet werden, sondern welche sie allen ihren Zusammensetzungen und Dichtungen zum Grunde legen muß, weil sie die wesentliche Form unserer Sinnlichkeit und Receptivität der Anschauungen sind, dadurch uns überhaupt Gegenstände gegeben werden. […] Das Einfache also in der Zeitfolge wie im Raum ist schlechterdings unmöglich“. Auch ein Brief von Tieftrunk an Kant gibt Aufschluss über die in Rede stehende Problematik. So heißt es in Br, AA 12: 221 ganz in Kants Sinne: „[U]nd N a c h e i n a n d e r liegt nicht in der Kategorie Größe an sich, sondern entspringt erst durch Einfluß der Apperception auf die Sinnlichkeit, indem Jene Diese, gemäß ihrer Form, (ihrer Art, bestimmt werden zu können) bestimmt. Die Folge aus dieser Bestimmung vermittelst der Einbildungskraft ist Erzeugung des Raums und der Zeit, als formaler Anschauungen; wodurch dann die Vorstellung des Außereinander und Nacheinander […] möglich wird.“ Leider geht Kant in seinem Antwortbrief nicht weiter auf diesen Aspekt ein.
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Selbstbewusstsein zugeschrieben werden müsste, was Kant jedoch eindeutig verneint: „Die Thiere haben auch apprehensiones, aber nicht apperceptiones; mithin können sie ihre Vorstellungen nicht allgemein machen.“ (Refl, AA 15: 166; vgl. auch Anth, AA 07: 127, 196) Insofern Bewusstsein im Sinne eines intellektuellen Bewusstseins, d. i. das Bewusstsein des Verstandes, vom inneren Sinn als der empirischen Apperzeption unterschieden werden muss (vgl. Anth, AA 07, 134), kann den Tieren freilich kein intellektuelles Vermögen zugesprochen werden: „Das Auffassende Ich (der apprehension), welches der Mensch mit den Thieren gemein hat. Und das denkende ich (der apperception), welches ihn von allen anderen Thieren unterscheidet und sich selbst zum Gegenstande seiner Vorstellungen macht und sich der Verknüpfung seiner Vorstellungen bewust ist.“ (Refl, AA 15: 958) Im Gegenteil ist „bei der leblosen [hier pflanzlichen, C.O.], oder bloß tierischbelebten Natur“ kein Grund zu finden, „irgend ein Vermögen uns anders als bloß sinnlich bedingt zu denken“ (A 546/B 575). Obwohl Tiere nichts erkennen (cognoscere), kennen sie freilich Gegenstände, was bedeutet, dass sie demnach ein Bewusstsein von Dingen haben, das über die bloße Wahrnehmung hinaus geht und eine gewisse Kenntnis der Gegenstände möglich macht, d. h. vor allem „etwas in der Vergleichung mit anderen Dingen vorstellen sowohl der Einerleiheit als der Verschiedenheit nach“ (vgl. Log, AA 09: 65).62 Diese empirische Einheit der Apperzeption, die ihnen zugestanden werden müsste, würde als ein passiv-hinnehmendes Vermögen jedoch nur bis zur Assoziation (sowie der eingeschränkten vergleichen Beurteilung) der Vorstellungen durch empirische Apprehension und Reproduktion reichen (vgl. A 121), in der nach Kantischer Erkenntniskonzeption zwar noch keine objektiven, aber immerhin „zufällige Einheit[en]“ (A 114) bestimmt sind, „weil Apprehension nur eine Zusammenstellung des Mannigfaltigen der empirischen Anschauung“ (B 219) gibt. Da Tieren also die Möglichkeit der Assoziation und damit das Hinausgehen über den bloßen Gegenwartscharakter der Wahrneh-
|| 62 Dass Tiere natürlich keinen Begriff von einerlei und verschiedenen Dingen haben, ergibt sich daraus, dass eine transzendentale Reflexion, woraus bekanntermaßen eine Amphibolie entspringen kann, Selbstbewusstsein voraussetzt. Auch die Stufe der Wahrnehmungsurteile kann für Tiere nicht geltend gemacht werden, weil dies nach der Kantischen Erkenntniskonzeption bereits logische Urteilsfunktionen voraussetzt. Freilich besagt der Begriff der Vergleichung, welche eine Reflexion ist, die „selbst bei Thieren“ anzutreffen ist, „obzwar nur instinctmäßig, nämlich nicht in Beziehung auf einen dadurch zu erlangenden Begrif, sondern eine etwa dadurch zu bestimmende Neigung“ (vgl. EEKU, AA 20: 211), dass Tieren zumindest eine gewisse Form der Beurteilung zugestanden werden muss, nämlich je gleiche von je verschiedenen Dingen vergleichend zu unterscheiden. Kant spricht hier gerne (wenn auch nicht unproblematisch) von iudicium sensitivum im Unterschied zu iudicium intellectuale (Refl, AA 17: 548).
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mung eingeräumt werden muss, so muss auch die Sinnlichkeit, soll sie nicht nichts sein, eigenständig funktionieren. Die Anschauung ohne Verstand ist zwar blind respektive begriffslos, aber sie ist nicht nichts.63 Wenn die Grundvorstellungen von Raum und Zeit entspringen sollen, dann scheint dies dem Gesagten zufolge nicht zu bedeuten, dass die Formen der Anschauung selbst ursprünglich entspringen. Letztere müssten bei Gelegenheit der Erfahrung vermittelst der Funktion des Größenbegriffes von Menschen und Tieren gleichermaßen – und insofern von einem transzendentalen Subjekt überhaupt, das nicht notwendigerweise Selbstbewusstsein besitzt – realisiert werden; und zwar so, dass vermittelst der bloßen Funktion des Größenbegriffs bereits die drei Abmessungen des Raumes gesetzt, obgleich noch nicht erkannt würden. Zu letzterem wäre es erforderlich, dass diese drei Abmessungen auch noch begrifflich bestimmt gedacht würden, wodurch dann eben jene Grundvorstellungen, d. h. die ersten „Begriffe von Raum und Zeit“ (B 161, Anm.) möglich werden, z. B. ‚Der Raum hat 3 Abmessungen‘, ‚Die Zeit hat eine Abmessung‘, ‚Sie sind kontinuierliche Größen‘ usw. Diese Leistung würde ein Grundwissen von der formalen Anschauung des Raumes (entsprechend auch von der Zeit) verschaffen, z. B. eben ein Wissen davon, dass der Raum drei Abmessungen hat. Somit wäre also die bis dato nur vorläufige Einheit der Anschauung auch noch begrifflich erkannt, was prinzipiell nur einem Subjekt möglich ist, dem Selbstbewusstsein zugeschrieben werden kann.64 Alle weiteren, spezifischen formalen Anschauungen wie das Dreieck, das im Gegensatz zu der formalen Anschauung unbestimmter als eine formale Anschauung zu bezeichnen wäre, müssten entsprechend auf besonderen Konstruktionsleistungen des selbstbewussten Subjekts nach Begriffen fußen. Allerdings kann es hier nur bei einem Lösungsvorschlag bleiben. Dieser scheint aber deshalb sinnvoll, weil er dem Kantischen Versuch, die Eigenständigkeit des Anschauungsvermögens als einer der beiden Erkenntnisquellen auszuweisen, gerecht wird. Mit dem reinen Verstand in Form der reinen Apperzeption, die es im folgenden Teil ebenfalls in ihrer Eigenständigkeit zu betrachten gilt, strukturimmanent verwoben, besitzt die Sinnlichkeit auch ohne dessen Funktionen welteröffnenden Charakter, was insbesondere für eine Erklärung der tierischen Natur einen Ansatz schafft.
|| 63 Vgl. hierzu den Anhang am Ende des Kapitels Zwei Standpunkte der Rezeption. 64 Ein veritables Problem dabei ist, dass Kant – wie auch Dörflinger (2000, S. 67) in völliger Übereinstimmung mit unserer Interpretation konstatiert – die Terme transzendentales Subjekt und transzendentales Ich weitestgehend synonym verwendet (vgl. auch Anm. 67 sowie den 2. Anhang Kapitel 3.1).
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Anhang: Zwei Standpunkte der Rezeption Zu dem vorgeführten Schluss, der die Eigenständigkeit der Sinnlichkeit betont, kommt auch Kugelstadt (1998, S. 52), der ebenfalls für die Autonomie der Sinnlichkeit plädiert (vgl. 40ff., 48ff.). Die Feststellung Dörflingers (2000, S. 67f., 74f.) hingegen, dass sich hinter den Ausdrücken ‚Subjekt‘ bzw. ‚subjektiv‘ nichts anderes verberge als das transzendentale Ich, im Rahmen dessen er die Sinnlichkeit nicht nur als ein des Verstandes bedürftiges Vermögen ausweist, sondern ihre Formen Raum und Zeit „mit dem Selbstverständnis transzendentaler Subjektivität untrennbar verbunden zu erweisen versucht“ (S. 68), unternimmt einen reizvollen Versuch dahingehend, die beiden „Stämme der menschlichen Erkenntnis“ auf einen gemeinsamen Ursprung zurückzuführen und damit eine Antwort auf die Frage nach der „gemeinschaftlichen, aber uns unbekannten Wurzel“ (A 15/B 29) zu geben. In der Tat finden sich einige Belege, die diese interne Abhängigkeit bestätigen, so etwa, wenn Kant vor dem Hintergrund der Daseinsbestimmung des transzendentalen Ich davon spricht, die „Vorstellung der Zeit [habe] ursprünglich ihren Grund“ im Subjekt (B 422). Konsequenterweise müsste daher, insofern Raum und Zeit dessen Formen sind, die Einheit des Selbstbewusstseins aufgrund ihrer Beschaffenheit (Einheit, Einfachheit, Beständigkeit und Identität) tatsächlich mit den Bestimmungen der Zeit selbst übereinkommen (vgl. ebd., S. 79, 117). Dörflinger macht hier zwar ganz zu Recht einen Unterschied zwischen der Zeit selbst und den Zeiten in der Zeit, mit der dann auch das zeitlich verfasste empirische Bewusstsein übereinkommen würde; der Zeit selbst alle diese Beschaffenheiten zuzuweisen, ist jedoch problematisch, insofern die Zeit dem Gesagten zufolge gerade die Form aller Vielheit und Mannigfaltigkeit sein soll und damit zumindest nicht als einheitlich und auch nicht – insofern sie unendlich teilbar ist – als einfach identifiziert werden kann. Einheitlich und einfach sind, wie das nächste Kapitel offenlegen wird, Charakteristika allein des Verstandes. Es will uns scheinen, als erblicke Dörflinger in der Zeit den bloß punktuellen, von jeglicher Extension freien Augenblick, die als kontinuierliche Größe somit allererst erzeugt werden muss. Vgl. auch Prauss 1993, Bd. I.2, S. 479ff. und S. 489ff. sowie 1990, Bd. I.1. S. 394, der in die gleiche Kerbe wie Dörflinger schlägt. Auch Longuenesse (1998, S. 221) sieht Raum und Zeit, wie sie in der ‚Transzendentalen Ästhetik‘ etabliert werden, bereits als „products of a figurative synthesis“. So sehr diese Ansätze auch den Vorteil bieten, die beiden Erkenntnisstämme in einem grundlegenden Vermögen wurzeln zu lassen, so weit scheinen sie sich unserer Meinung nach von einem transzendentalen Idealismus Kantischer Natur zu entfernen und eher in Richtung eines absoluten Idealismus Fichtescher Provenienz zu tendieren.
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Dörflingers Versuch einer Vereinigung beider Erkenntnisstämme könnte, mit Verweis auf Anm. 64, allerdings dahingehend modifiziert werden, die Gebundenheit der Sinnlichkeit an das transzendentale Subjekt zu betonen, ohne es jedoch sogleich mit dem reinen Selbstbewusstsein, dem Ich denke, zu identifizieren. Durch die Anbindung der Formen der Anschauung an ein transzendentales Subjekt wäre der Sinnlichkeit ein transzendentaler Ursprungsort zugewiesen, ohne dass hierzu schon reflexives Selbstbewusstsein vorausgesetzt werden müsste. So könnte auch den Tieren der Erkenntnisstamm der Sinnlichkeit zugestanden werden. Darüber hinaus müssten sie, insofern man keinen Grund hat, ihre sinnliche Vorstellungswelt anders als „bloß sinnlich bedingt“ (B 574) und damit der menschlichen entsprechend zu denken, auch transzendentale Subjektivität besitzen, jedoch könnte diese niemals an die reflexive Grundstruktur des Selbstbewusstseins gebunden sein. Auf die Gefahr, „daß die Theorie von der sinnlichen Anschauung als einer eigenen Erkenntnisquelle aufgegeben werden muss, da reine sinnliche Anschauungen als Erkenntnisbestandteile ohne synthetische Einheiten und deren Regeln nicht vorzustellen sind“, macht auch Düsing (1980, S. 8f.) aufmerksam. Durch die Unterscheidung von Form der Anschauung und formaler Anschauung umgehe Kant allerdings diese Schwierigkeit. Wie Düsing, der die reine Form der Anschauung als Grund dafür angibt, „daß die verschiedenen Teile der Zeit, nämlich die Phasen in der Ordnung des Nacheinander, immer im Ganzen der Zeit enthalten sind“ (ebd., S. 9), geht unsere These der Zusammenschau des Mannigfaltigen davon aus, dass ihre einzelnen Teile, obgleich unbestimmt, im Nacheinander der Zeit bereits in einer gewissen strukturellen Ordnung zusammen stehen müssen. Allerdings entfernen wir uns von Düsings Feststellung, die formale Anschauung sei nicht diskursiv begrifflicher Natur (vgl. S. 9), geht es in der formalen Anschauung doch gerade um die Konstruktion eines mathematischen Begriffs, der für viele gilt.
3 Kants Konzeption des Selbstbewusstseins 3.1 Die ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption (Das Ich denke) Trotz ihrer Eigenständigkeit sind die Sinnlichkeit und das in ihren Formen enthaltene unbestimmte Mannigfaltige auf die Bestimmung durch den Verstand angewiesen, insofern Erkenntnis daraus werden soll. Nun ist diese Bestimmung eine Tätigkeit des Verbindens, die – wie eingangs skizziert – „nicht in den Gegenständen“ liegen und auch „von ihnen nicht etwa durch Wahrnehmung entlehnt und in den Verstand dadurch allererst aufgenommen werden“ (B 134) kann. Der reine Verstand, „selbst nichts weiter […], als das Vermögen, a priori zu verbinden“, wird seiner ihm wesentlichen „Verrichtung“ (B 135) entsprechend also kein abgeleitetes Vermögen sein können. Vielmehr macht er, indem er „zur Vorstellung des Mannigfaltigen hinzukommt, den Begriff der Verbindung allererst möglich“ (B 131) und damit alle Vereinigung des disparaten Mannigfaltigen zu objektiven Gegenständen.65 Insofern der Verstand „Vorstellung
|| 65 Das Begründungsverhältnis in der ‚B-Deduktion‘ stellt sich so dar, dass zunächst nach der Möglichkeit einer Verbindung überhaupt gefragt wird und von dort auf die qualitative Einheit des Selbstbewusstseins geschlossen wird. Die Ausgangsprämisse würde wie folgt lauten: ‚Wenn Erkenntnis als synthetische Einheit des Mannigfaltigen möglich sein soll, dann muss notwendig eine Einheit zugrunde gelegt werden, die als qualitative Einheit des Selbstbewusstseins die Beziehung des Mannigfaltigen auf sie möglich macht.‘ Die Tatsache, dass im § 15 bereits der Begriff der Vorstellung thematisch wird, hat in der Forschung Anlass gegeben, Kants Selbstbewusstseinstheorie zu kritisieren und Fichtes Theorie eines absoluten Ich stark zu machen. So kritisiert Cramer (2003, S. 87) Kant mit Bezug auf Fichte dahingehend, er habe den Begriff der Vorstellung nicht weiter deduziert. Dieser Vorwurf wäre gerechtfertigt, wenn man die Möglichkeit der Verbindungsvorstellung völlig unabhängig vom Begriff reinen Selbstbewusstseins fassen und wie Fichte ein Ich etablieren würde, das in seiner bloßen Selbstbezüglichkeit zu thematisieren wäre. Kants Begriff der reinen Apperzeption zeichnet sich, wie in der Folge deutlich werden soll, aber vor allem dadurch aus, dass in ihm selbst schon das Bewusstsein und die Möglichkeit der Verbindung mannigfaltiger Vorstellungen liegen – was eine analytische Erkenntnis über den Begriff des Ich denke ausdrückt (vgl. Anm. 66, 74, 92): „Das Vorstellungsvermögen geht vom B e w u ß t s e y n meiner selbst aus (apperceptio), und dieser Act ist […] der des Denkens, wodurch von mir noch kein Gegenstand gegeben wird.“ (OP, AA 22: 79) Auch wenn der Weg, gleichsam die via cognoscendi, ausgeht von der Vorstellung der Verbindung, und auch wenn sich erst in der Folge der ‚Deduktion‘ die einzelnen Verbindungsweisen manifestieren, indem sie bei Gelegenheit der Erfahrung erworben werden (vgl. Anm. 164), so kann man die Untersuchung auch vom Begriff des reinen Selbstbewusstseins ausgehen lassen und durch Begriffsanalysis Beschaffenheiten feststellen wie etwa die, dass die Möglichkeit der Verbindung, mithin der Begriff der Verbindung (bzw. der Begriff der Vorstellung überhaupt)
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der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen“ (ebd.) bewirkt, d. h. auf Vereinheitlichung des Mannigfaltigen abzielt, muss er natürlich selbst diese notwendige Einheit aufweisen. Ausdruck dieser Einheit ist das reine Selbstbewusstsein, weshalb „dieses Vermögen“ für Kant auch „der Verstand selbst“ (B 134, Anm.) ist. Da die reine Apperzeption der „inner[e] Grund [der] Verknüpfung von Vorstellungen“ (A 116) zum Behuf einheitlicher Erfahrung (vgl. A 107) ist, nennt Kant sie auch die „tr a n s z e n d e n ta l e Einheit des Selbstbewußtseins“ (B 132). Im Gegensatz zu Raum und Zeit als den Formen der Vielheit darf die transzendentale Einheit der Apperzeption als Form der Einheit gerade nichts Mannigfaltiges in sich enthalten. Es enthält der Begriff der transzendentalen Apperzeption die „bloße logische qualitative Einheit des Selbstbewußtseins im Denken überhaupt“ (B 413), mithin ist er die logisch einfache, völlig eigenschafts-, bestimmungslose „und für sich selbst an Inhalt gänzlich leere Vorstellung: Ich“ (A 345f./B 404): I c h b i n e i n f a c h , bedeutet nicht mehr, als daß diese Vorstellung: I c h , nicht die mindeste Mannigfaltigkeit in sich fasse, und daß sie absolute […] Einheit sei. [...] Es bedeutet ein Etwas überhaupt (transzendentales Subjekt), dessen Vorstellung allerdings einfach sein muß, eben darum, weil man gar nichts an ihm bestimmt, wie denn gewiß nichts einfacher vorgestellt werden kann, als durch den Begriff von einem bloßen Etwas.66 (A 355)
|| sowie die darauf abzielende synthetische Einheit des Mannigfaltigen schon analytisch im Begriff meiner selbst, d. h. im Begriff des reinen Selbstbewusstseins, beschlossen liegt. Vgl. dazu Anm. 86, Rosales 2000, S. 159f., 167, 171 sowie Ebbinghaus 1910, S. 6. Ebbinghaus spricht davon, dass die drei Termini der Einheit, der Mannigfaltigkeit und der Synthesis als „Dreieinigkeit des Bewußtseins“ den „Ausgangs- und Zielpunkt aller Transzendentalphilosophie“ darstellen. 66 Vgl. auch B 68: „Das Bewußtsein [m]einer selbst (Apperzeption) ist die einfache Vorstellung des Ich.“ Siehe auch B 135: „[D]urch das Ich, als einfache Vorstellung, ist nichts Mannigfaltiges gegeben.“ Vgl. ferner etwa B 68, A 354f./B 404, A 354f., A 381f., A 397f., B 419, A 443/B 471, A 785/B 812f. Es sei darauf hingewiesen, dass der Begriff des Einfachen nicht so leicht zu bestimmen ist. So spricht Kant auch an anderer Stelle davon, dass „in Ansehung seiner selbst jeder Gegenstand absolute Einheit“ sei (A 442/B 471). Dies bedeutet, dass etwa ein Baum, insofern man noch nicht auf das Mannigfaltige am Gegenstand achtet oder ihn mit anderen Gegenständen vergleicht bzw. ihn auf sie bezieht, für sich genommen absolute Einheit ist, die jedoch nicht mit der absoluten Einfachheit eines mathematischen Punktes verwechselt werden darf, insofern der Baum in viele Bestimmungen zerlegt werden kann. In gleicher Weise gilt auch für das reine Selbstbewusstsein, welches es mit sich bringt, „daß, weil das Subjekt, welches denkt, zugleich sein eigenes Objekt ist, es sich selber nicht teilen kann“ (ebd.), dass es absolute Einheit und vor diesem Hintergrund einfach zu nennen ist. Auch dies kann sicher nicht absolute Einheit im Sinne eines einfachen mathematischen Punktes meinen, denn der Begriff der reinen Apperzeption enthält eine Menge Merkmale in sich. Diese ermöglichen zwar
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Diese qualitative Einheit des Bewusstseins muss ferner von der Kategorie der Einheit unterschieden werden, welche als quantitative „schon Verbindung voraus[setzt]“ (B 131). Während die Kategorie der Einheit dazu dient, „in der Erzeugung des Quantum[s]“ (B 115) gleichartige Erkenntnisstücke relativer Ganzheiten „nach einem gemeinschaftlichen Grunde der Einheit“ (A 78/B 104), d. h. vermittelst der Methode des Zählens als dem Schema des Größenbegriffs, additiv zusammenzufassen und damit separierte gleichartige Teile zu Aggregaten (vgl. B 201, Anm.) zu verbinden, fungiert die „höhere“ (B 131) und allen Teilen vorgängige qualitative Einheit „in Absicht auf die Verknüpfung auch u n gl ei c h ar ti ge r Erkenntnisstücke in einem Bewußtsein durch die Qualität eines Erkenntnisses als Prinzip“ (B 115). Ihre wesentliche Funktion besteht als „Vehikel aller Begriffe“ (A 341/B 399) im Verknüpfen verschiedener Begriffe, deren sie sich in ihrer jeweiligen Ungleichartigkeit bewusst ist, zu einem Ganzen im Urteil, der „Einheit des Themas in einem Schauspiel“ (B 114) gemäß, d. h., sie ist „Grund der Einheit verschiedener Begriffe in Urteilen“ (B 131, vgl. auch A 401). Wenn die qualitative Einheit in Absicht auch auf die Verknüpfung ungleichartiger Erkenntnisstücke tätig ist, dann bedeutet dies selbstredend, dass sie auch der Zusammensetzung gleichartiger Erkenntnisstücke zugrunde liegt. Sie ist in dieser zweiten Funktion (in Gestalt produktiver Einbildungskraft) Grund des Einigens der mannigfaltigen Teile der Anschauung, hier der Kategorie der Quantität entsprechend, d. h., sie synthetisiert vermittelst der Größenkategorie gleichartige Teile in Absicht auf deren einheitliche Bestimmung nach Begriffen der Größe. Diese ermöglichen dann wiederum Erkenntnisse von Ge-
|| keine synthetischen, aber doch analytische Erkenntnisse (vgl. Anm. 65, 74, 92, 106) von ihm, so dass die Bestimmung des Ich denke als einfach nur bedeuten kann, es enthalte keine sinnliche Mannigfaltigkeit, sondern sei der ungeteilte, d. h. nicht mehr weiter teilbare, Gedanke meiner selbst. Vgl. dazu auch Cramer (1986, S. 63 sowie S. 69). Wie Cramer es ausdrückt, ist der Begriff des Ich denke nichts, „was in die sinnliche Anschauung fallen kann“ (S. 69), was bedeutet, ihm entspricht keine korrespondierende Anschauung. Wenn Kant in obigem Zitat das bloße Ich, das transzendentale Subjekt der Gedanken, als einfach bezeichnet, dann führt dies zu den in der Folge noch näher zu betrachtenden Schwierigkeiten, dass – durch den synonymen Gebrauch beider Terme – das transzendentale Subjekt x (ohne sein Vermögen des Selbstbewusstseins) als einfach bestimmt gedacht wird, obschon man über dieses prinzipiell nichts feststellen kann, nicht einmal, dass es einfach oder eines ist. Was Ich unabhängig von meinem (beharrlichen) Vermögen zu denken bin, was also das Ich noch außer dem Träger von Gedanken und Handlungen der Synthesis bzw. Analysis sonst noch sein mag, entzieht sich unserer Erkenntnis; dass es hinsichtlich seiner auf die Anschauung gerichteten Synthesisfunktionen sehr wohl weiter bestimmt werden kann, insofern es hier etwa als ein beharrlicher Träger von Gedanken und Handlungen dem Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz gemäß gedacht werden muss, wird später noch zu zeigen sein.
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genständen der Erfahrung durch synthetische Reflexion in einem Urteil, indem sie mit verschiedenen anderen Begriffen zusammen gedacht werden können. Dem Gesagten zufolge ist die transzendentale Einheit der Apperzeption der Grund einer jeden „Verbindung (conjunctio)“; sowohl der „Z u s am m en s e tz u n g (compositio) […] des Mannigfaltigen, was n i c h t n o tw en d i g z u ei n a n d er gehört“, d. i. die „Synthesis des G l ei c h ar ti ge n in allem, was mathematisch erwogen werden kann“, als auch der „V er k n ü p f u n g (nexus) […] des Mannigfaltigen, so fern es n o tw en d i g z u ei n an d e r gehört, wie z. B. das Akzidens zu irgend einer Substanz […] – mithin auch al s u n g l ei c h ar ti g doch a priori verbunden vorgestellt wird, welche Verbindung [Kant] darum d y n am i s c h nenn[t], weil sie die Verbindung des Daseins des Mannigfaltigen betrifft“ (B 201, Anm.). Da diese qualitative Einheit des Selbstbewusstseins also sowohl der Zusammensetzung einzelner Teile in der Anschauung als auch der durch die Kategorien ermöglichten Verbindung im Urteil zugrunde liegt und sich somit als notwendige und dabei selbst unbedingte Voraussetzung (vgl. A 401) für Erkenntnis erweist, versteht Kant reine Apperzeption immer auch als ursprüngliches Selbstbewusstsein. Sie ist „dasjenige Selbstbewußtsein […], was, indem es die Vorstellung Ich denke hervorbringt, die alle andere muß begleiten können, und in allem Bewußtsein ein und dasselbe ist, von keiner weiter begleitet werden kann“ (B 132). Damit ist das Ich denke als der Satz67, „der das Selbstbewußt|| 67 Kants Ausführungen zum reinen Selbstbewusstsein werfen aufgrund der uneinheitlichen Terminologie eine Reihe von inhaltlichen Schwierigkeiten auf. So ist das Ich denke einerseits Vermögen oder Begriff (vgl. etwa B 131f., B 138, B 139, B 143, B 144), oder aber Urteil (vgl. A 341/B 399); andererseits wird das Ich denke als der „Actus der Apperzeption“ (etwa B 137, Br, AA 12: 214) bezeichnet. Ist im ersteren die Apperzeption „a l s e i n [ ] V e r m ö g e n “ (vgl. A 118, Anm.; vgl. u. a. B 132; Refl, AA 18: 190) angesprochen, insofern etwas in diesem Vermögen synthetisch verbunden gedacht werden soll (vgl. etwa B 138), bezeichnet Kant den Urteilscharakter des Ich denke oftmals auch als den „Actus der Apperzeption“, wodurch der Handlungscharakter dieses Vermögens betont wird, durch den etwas „in einem Selbstbewußtsein zusammengefaßt“ (B 137; vgl. u. a. B 132; Refl, AA 17:656; Br, AA 12: 214) werden kann. Durch die Handlung als den Akt des Denkens können die Vorstellungen auf das Vermögen der Apperzeption bezogen werden. Nun spricht Kant auch davon, dass die reine Apperzeption durch einen „Actus der S p o n t a n e i t ä t “ die „Vorstellung I c h d e n k e “, d. h. dessen Begriff, „hervorbringt“ (B 132). Diese sollte allerdings nicht so gedeutet werden, als ob eine tieferliegende Apperzeption – im Sinne eines Fichteschen Selbstsetzungsaktes – allererst den Begriff von sich fassen würde. Denn zum einen besagt die in Rede stehende Stelle gleichermaßen, dass die Vorstellung Ich denke die reine Apperzeption selbst ist – Kant nennt ausdrücklich „sie“, d. i. die Vorstellung des Ich denke, die reine Apperzeption. Zum anderen aber sei mit Verweis auf Anm. 70 betont, dass die Kantische Konzeption des Selbstbewusstseins nicht auf ein noch tieferliegendes, zugrundeliegendes Ich als Fundamentalstruktur verweist, das sich allererst
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sein ausdrückt“ (A 398f.), die Voraussetzung dafür, dass alle meine Vorstellungen mir insgesamt zugeschrieben werden können. Denn ohne Bedingung dieses einen Selbstbewusstseins „würde etwas in mir vorgestellt werden, was gar nicht gedacht werden könnte, welches eben so viel heißt, als die Vorstellung würde entweder unmöglich, oder wenigstens für mich nichts sein“ (B 131f.).68
|| durch Tathandlung seiner selbst bewusst wird. Allenfalls in Gedanken kann das transzendentale Subjekt der Gedanken als Träger der Vermögen abgetrennt werden (vgl. die Ausführungen im folgenden 2. Anhang), doch bleibt der Ausgangspunkt der Kantischen Selbstbewusstseinstheorie das: Ich denke als die Form jeder Reflexion – das als das notwendige Korrelat des Gedankens Ich von diesem gar nicht zu trennen ist – und somit der „höchste Punkt […] allen Verstandesgebrauchs“ (B 134, Anm.). Es wird hier das Ich denke (mit Beziehung auf den § 16 als höchstes Abstraktionsprodukt aufgefasst) in seiner strukturellen Verfasstheit unabhängig vom sinnlichen oder begrifflichen Mannigfaltigen beleuchtet. Diesen Sachverhalt bringt auch Baum (1975, S. 63) prägnant zum Ausdruck: „Stelle ich nun diesen Denkenden selbst vor, so stelle ich zusammen mit der Beziehung der Vorstellung auf das denkende Subjekt zugleich dieses vor.“ Zum Unterschied von Ich denke als Begriff und Satz vgl. auch Deppermann 2001, S. 130ff. Wie der Autor richtig darlegt, kann die Nominalphrase Ich denke einerseits als Satz verstanden werden, andererseits deutet der nominale Gebrauch gerade darauf hin, dass mit dem Ich denke nichts ausgesagt wird, „sondern vielmehr auf etwas referiert wird“ (S. 130). Heidemann (2013, S. 160) macht sich dafür stark, das Ich denke der Apperzeption mehr als einen Begriff denn als einen Nominalsatz zu verstehen. – Die sich hier manifestierenden Schwierigkeiten werden im Folgenden noch in anderen Zusammenhängen hervortreten und auch entsprechend zu thematisieren sein. Es würde jedoch in den Umfang einer weiteren Forschungsarbeit fallen, diese Problematik dezidiert (etwa hinsichtlich der Frage, ob und – wenn ja – wie das Vermögen der Apperzeption zu denken selbst einen Begriff von sich setzen kann) und mit einem Blick auf andere Konzeptionen des Selbstbewusstseins, wie etwa bei Fichte, zu diskutieren. Interessant und sich aus der Reihe von Büchern zur Selbstbewusstseinsthematik heraushebend wäre in diesem Zusammenhang die Frage, wie sich die Konzeption reiner Bewusstseinseinheiten, wie sie ausgehend von Kant bei Fichte ihren Höhepunkt findet, in der Philosophiegeschichte weiter entwickelt zu konkreteren Modellen des Selbstbewusstseins, bei denen vor allem Leiblichkeitsaspekte und damit die Konkretisierung reinen Selbstbewusstseins im Vordergrund stehen, wie etwa bei Schopenhauer oder in der Neuzeit bei Peter F. Strawson. Die Analyse in diesem Kapitel differenziert jedoch nicht weiter zwischen transzendentalem Ich und seinem Vermögen bzw. Begriff Ich denke, sondern sieht das Ich als Subjekt und Träger der Vorstellung von vorneherein an die reflexive Grundstruktur des Selbstbewusstseins gekoppelt (vgl. Anm. 103). 68 Unmöglich wäre die Vorstellung im Falle einer bloßen Gemütsbestimmung des Subjekts, die noch keine Vorstellung von etwas als einem Gegenstande der Erfahrung ist. Es ist also die Frage, „[o]b Vorstellung wohl Vorstellung sey (Etwas vorstelle). Denn Vorstellung bedeutet eine Bestimmung in uns, die wir auf etwas Anderes beziehen (dessen Stelle sie gleichsam in uns vertritt)“ (Br, AA XI: 395; vgl. auch A 116). Dies wären bspw. dunkle Vorstellungen im Gemüt, die nicht einmal vermittelst empirischen Bewusstseins thematisierbar wären und insofern natürlich auch nicht zu einem Selbstbewusstsein erhoben werden könnten. Für mich nichts ist die Vorstellung dann, wenn sie zwar gedacht, aber nicht als zu einem Bewusstsein
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Dass der Begriff des Ich denke eine Vorstellung ist, die „von keiner weiter begleitet werden kann“ (B 132) besagt ferner, dass vom ursprünglichen Selbstbewusstsein kein Abstandnehmen möglich ist, denn jeder Versuch, dieses unhintergehbare und „unwandelbare Bewußtsein“ (A 107), „um welches wir uns […] in einem beständigen Zirkel herumdrehen“ (A 346/B 404), weiter zu erklären, setzt es selbst schon wieder voraus.69 Um sich von ihm zu distanzieren, müsste ein noch ursprünglicheres Bewusstsein vorausgesetzt werden, das seinerseits wieder erklärungsbedürftig wäre, weshalb die Erklärung in einen infiniten Regress70 führte. Wie Kant bemerkt, müssen „wir uns seiner Vorstellung
|| meiner selbst gezählt werden kann (vgl. A 107, A 116). Würde kein notwendiges, einheitliches Selbstbewusstsein vorausgesetzt werden, so könnte die Vorstellung zwar noch – durch empirisches Bewusstsein – gedacht werden; sie gehörte jedoch nicht eigentlich mir an, da sie nicht zu einem selbstreflexiven Ich, sondern zum empirischen, wandelbaren Selbst (vgl. B 134, A 107) zu zählen wäre. So wäre es dann auch widersinnig zu sagen, dass ich eine Vorstellung habe, es jedoch ein anderer ist, der diese Vorstellungen hat. Dieser zweite Teil der Aussage ist jedoch nicht bloß auf das Denken zuvor in der Sinnlichkeit gegebener anschaulicher Vorstellungen eingeschränkt, wie Klemme (1996, S. 187) meint, sondern umfasst das Denken einer jeden Vorstellung, auch des begrifflich Mannigfaltigen im reinen Denken, bei dem folglich noch von jeder Sinnlichkeit abstrahiert wird (vgl. auch Anm. 75). 69 Vgl. zum Gedanken des unhintergehbaren Selbstbewusstseins auch Dörflinger 2000, S. 71 sowie S. 73: „Das transzendentale Ich ist zwar ausgeschlossen als ein isoliertes, für sich selbst in bloßer Innerlichkeit zu erkennendes reales Objekt, doch ist es […] zu statuieren als Voraussetzung, um, aus sich herausgehend, Objekte als diese oder jene mit ihren Beschaffenheiten zu erkennen.“ Vgl. auch Anm. 90. 70 Damit zeigt sich, weshalb Henrichs Interpretation der Kantischen Lehre vom transzendentalen Selbstbewusstsein als eine „Reflexionstheorie“, die das Ich denke in die Nähe einer absoluten Spontaneität im Sinne Fichtes rückt, nicht haltbar ist. Vgl. Henrich 1967, S. 12f. Das Ich „erkennt“ sich dadurch, dass es durch Reflexion „zu sich selbst in Beziehung tritt“ (S. 12), weder selbst an sich noch ist das Selbstbewusstsein „eben erst die Folge einer Reflexion“ (S. 13). Vielmehr stellt sich der Begründungszusammenhang so dar, dass das Ich denke die Reflexion respektive die Kategorien als Funktionen der Reflexion fundiert. Vgl. dazu Baumanns (1992, S. 200), der verdeutlicht, dass die ursprüngliche Apperzeption „mit keinem Zug [ihrer] Spontaneität […] auf ein In-sich-Zurücklaufen als Fundamentalstruktur“ verweist. Dass die Reflexion die transzendentale Apperzeption keineswegs strukturell fundiert, betont auch Rosales (2000, S. 157ff. sowie 164f.), indem er verdeutlicht, dass mit der Beziehung des Ich denke auf sich selbst weder ein Objekt erkannt wird, womit die Gefahr des infiniten Regresses verbannt ist, noch die Gefahr eines Zirkels dergestalt vorliegt, dass sich das denkende Ich, wenn man etwas über es aussagen will, schon wieder selbst voraussetzen müsste, „indem es z. B. sagt: ‚Ich denke, dass das Ich einfach ist‘“. Ein solcher Zirkel liegt eben deshalb nicht vor, da in einem solchen Urteil nicht geschlossen wird, d. h., es kann keinen circulus in probando geben ebenso wenig wie einen circulus in definiendo, da überhaupt nichts definiert wird. Hingegen kann das Ich sich denkend auf sich selbst beziehen und in Form analytischer Urteile wie etwa „Ich bin einfach, numerisch-identisch“, wie sie „auch naiv vor jeder philosophischen
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jederzeit schon bedienen, um irgend etwas von ihm zu urteilen“ (ebd.). Insofern das Ich denke die notwendig vorauszusetzende Form aller Vorstellungen ist, die Erkenntnis werden sollen, kann es als Exklusivvorstellung gelten, die allen kognitiven Vorgängen zugrunde liegt. Freilich muss das Ich denke dabei nicht immer aktuell vollzogen werden, sondern es muss, wie der Modus der notwendigen Möglichkeit besagt, prinzipiell jede Vorstellung (im Gemüt) auf das Ich denke bezogen werden können. Um die exakte Kantische Formulierung zu benutzen: „Das: I c h d en k e , muß alle meine Vorstellungen begleiten k ö n n e n .“71 (B 131) Am Beispiel transzendentaler Begriffe festgemacht heißt dies: „Ich denke die Substanz, die Ursache etc.“ (A 342/B 401) Das Ich denke als der erste Teil des Satzes ist dabei Ausdruck des Bewusstseins von Gedanken72, d. h., es stellt das Korrelat all unserer Gedanken dar (der Plural ist hier entscheidend, impliziert er schon den Gedanken einer zu verbindenden Vielheit). Daran wird bereits ersichtlich, warum im Begriff des Ich denke keine bloße Selbstbeziehung des denkenden Ich auf sich selbst ausgesagt wird, sondern schon die über die Selbstreferenz hinausweisende Beziehung auf anderes stattfindet, nämlich auf das Denken (und das Verbinden) von Gedanken, von denen keiner „Ich selbst“ bin.73 Das Ich denke kann sich zwar selbst thematisieren, bleibt jedoch ein solches, das neben dem Gedanken von sich selbst noch mindestens einen weiteren zu denken fähig ist, zu dem es in Bezie-
|| Reflexion [auf ein Objekt, C.O.] stattfinden“ (S. 161) können, etwas von sich aussagen. Vgl. gegen einen möglichen Einwand der unendlichen Iteration auch Düsing 1997, S. 98ff. sowie S. 194ff. Es sei besonders auf Düsings interessanten Befund aufmerksam gemacht, dass selbst dann, wenn man diese unendliche Iteration anerkennen will, die Bedeutung der Selbstbeziehung des denkenden Ich auf den verschiedenen Stufen der Iteration inhaltlich gleich bliebe, und ihr nur formal verschiedene gestufte Positionen zukommen würden. 71 In der Tat werden die wenigsten Vorstellungen in mir, insofern darunter bloße Gemütsbestimmungen verstanden werden, tatsächlich zur Einheit des Bewusstseins gebracht und können damit insgesamt als meine, reflexiv durchdrungenen Vorstellungen gelten, mithin werden die wenigsten Vorstellungen in mir – sit venia verbo – illuminiert. Vgl. dazu Röd 2006, S. 47 sowie Anm. 78 und den 1. Anhang dieses Kapitels. Klar ist aber auch, wie Klemme (1996, S. 196) konstatiert, dass es jederzeit „für ein Subjekt möglich sein muß, den bloß subjektiven Zustand als seinen Zustand zu begreifen“, da ansonsten der „Übergang zur objektiven Bestimmung […] ganz unverständlich wäre“. 72 An anderer Stelle spricht Kant vom Gedanken Ich, von dem „Correlat der Apperception“ Ich denke, als einem „bloße[n] Vorwort“ (MAN, AA 04: 542), also ‚Fürwort‘ oder Pronomen, was so viel bedeutet, dass es in einem Urteilsakt der ansonsten völlig unbekannte Träger des folgenden Gedankens ist, d. h. das Ich wird hier abgelöst von allen Handlungen betrachtet. 73 Vgl. Rosales 2000, S. 167: „Gewöhnlich richtet sich das Denken nicht thematisch auf sich selbst, sondern auf seine Gedanken.“ Vgl. auch ebd., S. 171f.
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hung steht und von dem es sich unterscheidet.74 Und dadurch, dass das Ich denke, wie gleich zu zeigen sein wird, sich ursprünglich immer auch seines „Verbindungsvermögens bewußt“ (B 158) werden kann, denkt es zugleich immer die mögliche Verbindung von Mannigfaltigem, entweder von anschaulichMannigfaltigem oder vieler, mannigfaltiger Gedanken.75
|| 74 In eine ähnliche Richtung weist die Erklärung Henrichs (1976, S. 59): „Ein Bewußtsein, das sich selbst nur als Subjekt eines einzigen Gedanken fassen könnte, wäre zwar Selbstbewußtsein, aber nicht Bewußtsein von einem Subjekt, das sich mit dem nominalisierten Personalpronomen als ein ‚Ich‘ ansprechen könnte. Wir denken uns aber nur als Subjekt, indem wir uns zugleich in Beziehung zu einer unbestimmten Menge möglicher Gedanken denken, die unsere Gedanken sind oder sein können, und in diesem Sinne als ‚Ich‘.“ Ebbinghaus (1910, S. 6) verdeutlicht, dass der „Akt des Bewußtseins, um Verbindung und Bewußtsein von etwas zu sein, den ‚Begriff der Mannigfaltigkeit bei sich führt‘“, da eine „mannigfaltigkeitslose Identität […] in keiner Weise Ich oder Bewußtsein“, mithin „nimmermehr Apperzeption“ wäre. Vgl. auch Prauss (1991, S. 82), der in Hinblick auf den Subjektivitätsbegriff erklärt, dass „Subjektivität bereits der Intention nach, a priori, Anderes seiner selbst intendiert“. Rosales (2000, S. 171f.) erklärt treffend, dass die Analyse des Gedankens „Ich denke“ bereits Urteile der Gestalt „Ich denke Gedanken“ einschließt, jeder spezifische Gedanke jedoch schon nicht mehr im Gedanken Ich impliziert sein kann und dementsprechend nicht mehr durch Begriffsanalysis zu gewinnen ist (vgl. Anm. 66, 92, 106). 75 Vgl. dazu erneut Henrich 1976, S. 56: „Damit unterscheidet es [das Ich denke] sich grundsätzlich von den Inhalten seiner Gedanken, zu denen es in einer Korrelation steht. Diese Inhalte sind stets mannigfaltige, oder, zusammengenommen, ein Mannigfaltiges.“ Es ist damit allerdings noch nicht gesagt, ob dieses Mannigfaltige, von dem selbst die ‚Deduktion‘ nicht abstrahieren kann (vgl. B 145), ein Mannigfaltiges der Anschauung sein muss oder kann, mithin, ob der Inhalt einer gedachten Synthesis stets sinnlichen Gehalt besitzt. Im § 16 schränkt Kant das Mannigfaltige auf das der Anschauung ein, wenn er „[d]iejenige Vorstellung, die vor allem Denken gegeben sein kann“, als Anschauung ausweist (B 132). Im § 15 ist dies zunächst allgemeiner ausgedrückt, da es heißt, jede Verstandeshandlung könne sich auf ein Mannigfaltiges der Anschauung, „oder mancherlei Begriffe“ (B 130) richten (etwa im Urteil „Gott ist allmächtig“, das zwar eine intellektuelle Synthesis – mannigfaltiger Vorstellungen – im Objekt denkt, allein nicht unter Bedingungen der sinnlichen Anschauung, also auch kein Mannigfaltiges der empirischen Anschauung vereinigt (vgl. auch Anm. 68)). Entscheidend ist also, dass ein zu verbindendes Mannigfaltiges, was nicht zwingend räumlich oder zeitlich, sondern ebenso eine Mannigfaltigkeit von Begriffen, bedeuten kann, prinzipiell verbunden können werden muss. Wenn aber das Mannigfaltige auch eines der Anschauung und dergestalt im eigentlichen Sinne Inhalt einer gegebenen Teilemannigfaltigkeit sein kann, dann ist das Ich denke seiner internen Verfasstheit nicht zwingend auf die mögliche Verbindung eines Mannigfaltigen der Anschauung gerichtet, d. h., die ‚Deduktion‘ kann zwar niemals völlig von Mannigfaltigem abstrahieren (ausgedrückt im § 15 und im Ich denke-Satz des § 16), aber doch zunächst vom Mannigfaltigen der Anschauung im Speziellen. Dies macht auch Walker (1985, S. 22) deutlich: „[T]he mind can classify data together in whatever manner it determines. This applies to their ordering in space and time, and it applies also to their classification in every other respect as
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Mit dieser Art von Selbstbeziehung wird das Ich oder Ich denke ferner nicht als erkennbares Objekt thematisch. Das Ich bezieht sich nicht denkend auf sich als ein mögliches Objekt der Erkenntnis, es zerfällt nicht in eine Subjekt-ObjektStruktur,76 sondern bleibt als Form jederzeit das bloße Subjekt der Zuschreibung von Gedanken. Als „Correlatum aller unserer Vorstellungen“ ist das ursprüngliche Selbstbewusstsein, das „stehende und bleibende Ich“ (A 123), ferner nicht der Fluktuation der Zeit, mithin nicht den Bedingungen der Sinnlichkeit unterworfen,
|| well.” Auch Bennett (1966, S. 104) spricht völlig richtig davon, dass sich das Denken des Ichdenke-Satzes auf das Bewusstwerden- und Vereinigenkönnen von Vorstellungen überhaupt bezieht. Doch ist es in der Folge dieses zur Verbindung gegebene Mannigfaltige der sinnlichen Anschauung überhaupt, auf das sich die Verbindungsfunktion des Verstandes richtet (nach dem Ich denke-Satz) und worauf sich die Untersuchung Kants konzentriert. Im weiteren Verlauf wird dieses Mannigfaltige der Anschauung überhaupt dann noch weiter eingeschränkt auf dasjenige Mannigfaltige, das „u n s e r e sinnliche [d. h. raum-zeitliche, C.O.] Anschauung“ (B 148) darbietet. 76 Entsprechend äußert sich Düsing (1997, S. 199), wenn er betont, dass selbst die Bestimmung der reinen Apperzeption als Bewusstsein der Synthesis das Ich denke (mich) „nicht auf die Struktur der Subjekt-Objekt-Beziehung“ oder die „Reflexionsstruktur“ festlegt, sondern „das rein gedachte Korrelat des ‚Ich denke‘ als Objekt überhaupt bestimmt“ (Hervorh. C.O.). Dieses Objekt überhaupt kann, als Vorgestelltes ein notwendiges Korrelat des reinen Selbstbewusstseins, nicht das Ich denke als Objekt im eigentlichen Sinne umfassen, da es als Grund des (kategorialen) Denkens jederzeit vorauszusetzen ist und somit allenfalls in der Weise eines „Quasiobjekts“ thematisiert werden kann, welche Bezeichnung auf Dieter Sturma (1985, S. 90) zurückgeht. Wie Sturma (1985) in diesem Zusammenhang völlig richtig bemerkt, darf die Unbequemlichkeit, dass das Ich denke einerseits als Vehikel aller Vorstellungen fungiert, andererseits eben durch die Möglichkeit der Selbstthematisierung in der Weise eines Objekts intendiert werden kann, nicht zu dem Schluss führen, dass das Ich ein „zusätzlicher mentaler Akt“ sei, „der jeweils zu einem Fall kategorialer Synthesis hinzugedacht werden müßte“, sondern es ist „ein Prinzip formaler Selbstreferenz des Denkens, durch das kognitives Bewußtsein immanent strukturiert ist“ (S. 63). Insofern sich das reine Selbstbewusstsein auf sich selbst bezieht, kann es dies also nur quasiobjektivierend. Dies bedeutet, dass das Ich denke, weil es als intentionales Bewußtsein immer auf etwas gerichtet sein muss, um nicht „ein leeres Bewußtsein oder eine reine Selbstbeziehung zu sein“ (S. 91), zwar selbst „intentionales Korrelat“ (S. 90) seiner Bezugnahme ist, ohne jedoch zu einem möglichen Gegenstand der Erfahrung zu werden. Vgl. Anm. 90, 92, 106, ebenso Sturma 1989, S. 376ff. sowie Horstmann 1993, S. 421. Auch Rosales (2000, S. 158) konstatiert völlig richtig, dass ein solches Subjekt-Objekt-Modell keinen Platz im Kantischen Modell des Selbstbewusstseins hat, da das reine Ich denke „nicht bloß objektivierbaren Gegebenheiten entgegen[tritt]“, sondern es sich zugleich auf den inneren Sinn bezieht, welche Beziehung allein als ein Subjekt-Objekt-Verhältnis zu denken ist, insofern der Grund des Denkens nicht auch als Folge des Denkens bestimmt werden kann.
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sondern es besitzt durchgängige Identität (vgl. B 133f., A 263f./B 319f.).77 Dies kann vom „an sich zerstreut[en]“ (B 133) empirischen Bewusstsein, d. h. einem jederzeit „vielfärbige[n] verschiedene[n] Selbst“ (B 134), nicht behauptet werden: „Das Bewußtsein seiner selbst, nach den Bestimmungen unseres Zustandes, bei der innern Wahrnehmung ist bloß empirisch, jederzeit wandelbar, es kann kein stehendes oder bleibendes Selbst in diesem Flusse innrer Erscheinungen geben.“ (A 107) Die Identität des denkenden Ich ist Voraussetzung dafür, dass alle Vorstellungen (als bloße Gemütsbestimmungen zwar in mir, aber noch unverbunden und ohne Beziehung zueinander) auch insgesamt, d. h. alle zusammen, meine sind,78 d. h. einheitlich auf mich bezogen werden können, weil nur dadurch eine einheitliche Erfahrung zustande kommen kann. Ohne diese Identität würde gar nicht einsichtig werden, ob Vorstellungen nicht vielmehr einem zerstreuten Bewusstsein angehören würden – das bedeutet, sie könnten im eigentlichen Sinne nicht zu einem Ich, sondern müssten zu einem Wir gezählt werden. Um bei der angesprochenen Differenz von empirischem und reinem Selbstbewusstsein zu bleiben: Das empirische „Selbst“-Bewusstsein ist im Subjekt ein gänzlich passives.79 Dagegen ist das reine Selbstbewusstsein, wie gesehen, ein
|| 77 Somit ist mit notwendiger Einheit des Selbstbewusstseins der Vereinheitlichungsaspekt der Synthesis wie gleichermaßen die numerische Identität des Ich denke als ein- und desselben Selbstbewusstseins beschrieben. Darauf, dass das Subjekt Ich denke als Identitätsprinzip zu verstehen ist, was bedeutet, dass ihm als vereinigendem, qualitativem Selbstbewusstsein zugleich numerische Identität zukommt, d. h. es als ‚ein- und dieselbe‘ Apperzeption angesprochen werden kann, macht bereits Henrich (1976, S. 57) aufmerksam. 78 Henrich (1973, S. 99f.) konstatiert eine gewisse Homonymie in der Rede von Meinigkeit von Vorstellungen. Vgl. hierzu den Anhang am Ende des Kapitels Zum Problem der Meinigkeit von Vorstellungen in der Rezeption. 79 Hoppe (1983, S. 223) kritisiert Kant für eine in der A-Auflage etablierte Formulierung, wonach jedes empirische Bewusstsein eine notwendige Beziehung auf das transzendentale Selbstbewusstsein haben müsse (vgl. A 122), was eine faktische Abhängigkeit des ersteren von letzterem bedeuten würde, während diese ja gerade erst auf dem Weg der kategorialen Bestimmung hergestellt würde: „Dieses empirische Bewußtsein für sich ist zweifellos, wie Kant es behauptet, zerstreut und getrennt, aber eben nur im kategorialen Sinne; das im empirischen Bewußtsein gegebene Mannigfaltige hängt nicht auf dem Weg über in ihm gemeinte Gegenstände und Sachverhalte miteinander zusammen“. Allerdings ist klar ersichtlich, dass Kant – auch in der B-Auflage – zu Recht eine faktische Abhängigkeit des empirischen von den Bedingungen des kategorialen Bewusstseins erklärt. Aber nicht so, dass ein Wahrnehmungsbewusstsein ohne ein notwendiges kategoriales Selbstbewusstsein nicht bzw. nichts wäre, sondern nur insofern, als hier in der subjektiven Apprehension ein notwendig möglicher, aber nicht als solcher bereits je realisierter Bezug auf die Kategorien anzusetzen ist. So ist es dann einsehbar, wie alle empirischen Vorstellungen zwar immer schon „unter der“ synthetischen Einheit der Apperzeption
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gänzliche aktives, das sich durch Spontaneität auszeichnet. Während in letzterem das Subjekt durch die Vorstellung seiner selbst im Gedanken Ich auf sich selbst reflektieren und dergestalt einen Begriff bzw. ein Wissen von sich selbst erhalten kann, ermöglicht ersteres die bloße Möglichkeit eines Sich-selbstEmpfindens bzw. (vielleicht richtiger) -Gewahrwerdens in einem spezifischen Zustand, so wie es im inneren Sinn stattfindet.80 Es ist dies also das Ich, wie es „sich selbst [genauer gesagt, seine zeitlichen Zustände, C.O.] anschauet“ (B 155). Gelegentlich wird das empirische Selbstbewusstsein, das in der Zeit ist, auch direkt mit dem inneren Sinn als einem Vermögen, besser gesagt als einer Fähigkeit innerhalb des Subjekts identifiziert.81 Insofern das empirische „Selbst“-Bewusstsein bloße Zustandsvorstellungen gibt – neben Gefühlen, die, da sie keine Vorstellungen von etwas sind,82 überhaupt nicht zum Gegenstand der Erfahrung erhoben werden können –, ohne dabei einen Begriff von sich selbst zu haben, d. h. ohne sich selbst denken und damit reflexiv thematisieren zu können, kann streng genommen von einem Selbstbewusstsein keine Rede sein, sondern lediglich von einem passiv-rezeptiven Bewusstsein von Zuständen meiner selbst.83 Es ist letztlich also auf die Zweiteilung von Sinnlichkeit und Verstand zurückzuführen, dass Kant beide Bewusstseinsarten (oder, wenn man so will, ein doppeltes Ich) unterscheiden kann und muss. Schon Hume erkannte, dass die in der Sinnlichkeit gründende Vorstellung vom Ich nicht mehr als ein „bundle
|| „stehen“, zur Einheit der Erkenntnis aber gerade „durch eine Synthesis [erst noch, C.O.] gebracht werden müssen“ (B 135f.). 80 Vgl. zur Unterscheidung von aktivem und passivem Selbstbewusstsein Rosales 2000, S. 157f. Rosales erklärt, dass nur in einem reinen Selbstbewusstsein das Denken zu sich Ich oder Ich denke sagen kann. Vgl. zu diesem Thema auch Baum 1975, S. 61ff., Kuhne 2007, S. 17ff., 48ff. sowie Zobrist 2011, allen voran S. 166f., in Hinblick auf empirisch-psychologische und andere Selbstbewusstseinsmodelle ferner Düsing 1997, S. 27ff. 81 Vgl. zu diesem Aspekt ferner Kuhne 2007, S. 53f., 58 sowie, generell zum Begriff des empirischen Ich, Röd 1991, S. 105ff. 82 Insofern Lust-/Unlust-Empfindungen überhaupt keinen Gegenstand vorstellen und ferner entsprechend der Kritik der Urteilskraft zum Lust-Unlust-Vermögen gezählt werden müssen, folglich als Gefühle gar nicht zu den Vorstellungen zu zählen sind, ist es nicht nachvollziehbar, wie Klemme (1996, S. 184) diese nur subjektiven Gemütsbestimmungen als subjektive Vorstellungen bezeichnen kann. 83 Zobrist (2011, S. 166ff.) diskutiert ausführlich das Verhältnis zwischen Ich und Zeit. Das Ich ist einerseits in der Zeit als contentum, andererseits aber gerade continens, insofern es alle Zeit in sich enthalten soll. Durch die Trennung des doppelten Bewusstseins in eine empirischzeitliche und eine reine Apperzeption entgeht Kant freilich diesem scheinbaren Paradox (vgl. die Ausführungen im 2. Anhang am Ende des Kapitels). Vgl. auch Rosales 2000, S. 160, Anm.
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of perceptions“ sein kann, dem jegliche Konstanz fehlt und das damit das IchBewusstsein zu einer bloßen – obzwar praktisch notwendigen und legitimen – Fiktion macht. Durch den Begriff des Ich denke als Ausdruck reiner Apperzeption (und die damit einhergehende Etablierung des Erkenntnisstammes des reinen Verstandes) ist es Kant nun möglich, über die – allenfalls zufällige Einheit stiftende, weil nach Gesetzen der Assoziation verfahrende – empirische Einheit des Bewusstseins hinauszugehen. Aufgrund seines Einheitscharakters, insofern es sich als eines und dasselbe bei allem sich in der Zeit vollziehenden Wechsel erhält, ist das reine Selbstbewusstsein folgerichtig die fundamentale Bedingung aller kategorialen, erkenntnisstiftenden Synthesis: „[Die] durchgängige Identität der Apperzeption eines in der Anschauung gegebenen Mannigfaltigen, enthält eine Synthesis der Vorstellungen.“ (B 133) Von den zufälligen Bestimmungen unseres inneren Zustandes gerade nicht abhängig84 – da ihr „unzeitlicher Zustand“ völlig unterschiedslos ist –, muss die transzendentale Apperzeption dementsprechend sowohl Bedingung möglicher empirischer Erkenntnis von Gegenständen außerhalb meiner selbst als auch Ermöglichungsgrund der empirischen Selbstzuschreibung von verschiedenen Bewusstseinszuständen, mithin Bedingung der Selbsterkenntnis des denkenden Ich, sein.85 Nun hängt diese „durchgängige Identität“ des Selbstbewusstseins andererseits wieder von einer „Synthesis der Vorstellungen“ ab und „ist nur durch das Bewußtsein dieser Verbindung möglich“.86 Nicht einfach dadurch, „daß ich jede
|| 84 Somit scheint die transzendentale Apperzeption, wie jüngst Zobrist (2011, S. 12) feststellt, „der Bestimmung in der Zeit wie überhaupt jeder Bestimmbarkeit durch den Verstand in ähnlicher Weise entzogen wie das Ding an sich“. Jedoch darf der Umstand, dass die reine Apperzeption damit „ganz aus der Sphäre des Zeitlichen“ herausfällt, nicht zum Schluss führen, es handle sich bei ihr um analytische Einheit des Selbstbewusstseins (vgl. S. 214 sowie den 1. Anhang dieses Kapitels). 85 Strawson (BS 94) erklärt dazu, dass die ermöglichte Selbstzuschreibung von verschiedenen Bewusstseinszuständen eben nur durch ein Bewusstsein meiner selbst möglich ist, „das des Wissens von seiner eigenen Identität über seine wandelbaren […] Bestimmungen hinweg fähig ist“. Dass Strawson hier jedoch kein ursprüngliches Selbstbewusstsein im Kantischen Sinne intendiert, sondern ein individuelles Subjekt der Erfahrung, zeigt Dörflinger (2001/2002). Vgl. auch Sturma (1985, S. 23, 35, 40, 72 sowie 101), der über Strawson hinausgeht, wenn er geltend macht, dass ein Subjekt, „das keinen durchgängigen Begriff von sich hat, […] nicht nur kein Selbstbewußtsein bezüglich einer Sequenz mentaler Ereignisse haben“, sondern „darüber hinaus auch keine Instanz kohärenter Erfahrung“ sein kann (S. 40). Vgl. ebenso Sturma 1989, S. 375f. 86 Vgl. Anm. 65. Genau genommen wird in dem Urteil, dass meine (anschaulichen bzw. alle unter Bedingungen des empirischen Bewusstseins stehenden) Vorstellungen nur dann meine
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Vorstellung mit Bewußtsein begleite“ – was bloß für das empirische Bewusstsein gilt, jedoch nicht für die in der Folge noch zu thematisierende analytische Einheit des Selbstbewusstseins, die als eine immerhin subjektiv-synthetische Einheit von der transzendentalen-objektiven gerade wieder abhängt (vgl. Kapitel 5.4.1 sowie Anm. 230) –, sondern durch das Bewusstsein der Synthesis, indem „ich eine [Vorstellung] zur andern h i n z u s e tz e und mir der Synthesis derselben bewußt bin“, findet also „Beziehung auf die Identität des Subjekts statt“ (B 133). Das heißt, nur durch Synthesis ist das „notwendige Bewußtsein der Identität [m]einer selbst“ (A 108) gesichert und nur aus diesem Grunde wird einheitliche Erfahrung überhaupt erst möglich.87 Ohne diese „Identität der Funktion“ (A 108) in der kategorialen Verbindung des sinnlich Mannigfaltigen und die damit gewährleistete Zugehörigkeit der Vorstellungen zu einem identischen Selbstbewusstsein88 bestünde bloße Fragmentierung auf Seiten der Sinnlichkeit. In einem solchen Falle würde zwar „eine ganze Sinnlichkeit möglich sein, in welcher viel empirisches Bewußtsein in meinem Gemüt anzutreffen wäre, aber getrennt“ (A 122).
|| sind, wenn sie zu einem Bewusstsein meiner selbst gehören, die Synthesis bereits analytisch ausgesagt, d. h. die Synthesis eines „[in einer Anschauung] gegebenen Mannigfaltigen als notwendig erklärt“ (B 135). 87 Hier ist Strawson (BS 94) beizupflichten, wenn er geltend macht, dass „unser Bewußtsein der Identität unserer selbst […] fundamental nichts anderes [ist] als unser Bewußtsein von dieser Fähigkeit zur Synthesis“. Jedoch muss angemerkt werden, dass das Bewusstsein der Identität und dadurch eine einheitliche Erfahrung meiner selbst immer abhängig ist vom Bewusstsein der Synthesis. Vgl. Anm. 77, 85 sowie wiederum Sturma 1985, S. 40f. 53ff., 68, 70f. und 84, der die Doppelstruktur des Ich denke „gleichermaßen als Exposition des Subjektbezugs und als Akzentuierung des diskursiven bzw. prozessualen Charakters dieses Subjektbezuges“ (S. 41) hervorhebt und einsichtig macht, dass die Beziehung von Selbstbewusstsein auf in der Anschauung gegebenes Mannigfaltiges sich nur durch eine „das Selbstbewußtsein und seine Vorstellungen konstituierende Synthesis“ (S. 54) vollzieht. Unbezüglich „der selbstreferentiellen kategorialen Synthesis“ (S. 70) ist die Identität des Selbstbewusstseins überhaupt nicht vorstellbar. Auch Cramer (1986, insbesondere S. 75) akzentuiert, dass die numerische Identität des Ich denke erst durch Synthesis gemacht wird. Ebbinghaus (1910, S. 12) konstatiert ebenfalls, dass ohne Synthesis „Einheit und Mannigfaltigkeit in Isolation, nicht aber Einheit des Mannigfaltigen“ gegeben ist. 88 Es könnte die zeitliche Identität des Ich (denke) freilich als eine Beharrlichkeit (der real wirksamen Apperzeption) in der Zeit, folglich das Ich als einen sich durchhaltenden beharrlichen Träger bzw. das Ich denke als dessen beharrliches Vermögen gedacht werden. In einem solchen Fall wäre die Identitätsbestimmung ein notwendiges Merkmal des sich zeitlich erstreckenden Ich und damit die Bedeutung eines „stehende[n] und bleibende[n] Ich (der reinen Apperzeption)“ (A 123) noch stärker akzentuiert. Vgl. aber auch auch Anm. 74, 92, 106.
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Aus diesem Grunde muss letztlich auch „alles verschiedene [ebenfalls mögliche, C.O.] em p i r i s c h e B e w u ß t s ei n “ (A 118, Anm.) von Vorstellungen, d. i. Bewusstsein „ohne Beziehung auf die Identität des Subjekts“ (B 133), unter „einem einigen Selbstbewußtsein“ verbindbar stehen (A 118, Anm.; vgl. B 144 sowie Anm. 79). Der vielschichtige Gedankengang, in welchem Kant reines Selbstbewusstsein in seiner Funktion als ursprünglich-synthetische Einheit zu begründen versucht, stellt denn auch die Haupteinsicht des § 16 der B-Deduktion dar:89
|| 89 Hossenfelder (1978, S. 18f.) erhebt einen Zirkelvorwurf dergestalt, dass Kant mit seiner Argumentationsführung im § 16 die ursprünglich-synthetische Einheit als Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung zu deduzieren versuche, dabei aber schon fälschlich die Faktizität der Erfahrung voraussetze: „Wie aber, wenn das Faktum, das ja kein empirisch feststellbares, sondern ein logisches ist, selbst in Zweifel gezogen wird?“ Der Beweis, so Hossenfelder, besage nur, „daß, wenn Erfahrung möglich sein soll, Grundsätze notwendig sind“, dagegen „jedoch nicht, daß Erfahrung möglich ist“ (S. 19). Kants Beweis ist dennoch sowohl formal-logisch wie inhaltlich korrekt, insofern man eine – diskussionswürdige – Prämisse als gültig anerkennt, nämlich Erfahrung nicht als bloßes Faktum, sondern als „Idee des Ganzen aller möglichen Wahrnehmungen in einem System“ zu begreifen, da „die Zusammenstimmung noch so vieler Wahrnehmungen in Einem Begriffe als Princip […] immer nur ein Aggregat [ist] welches Ausnahmen verstattet“. Demgemäß wäre Erfahrung eine Idee „subjective[r] absolute[r] Einheit“, welche die „durchgängige Bestimmung des Objects nach einem Princip […] präsumiert“ (OP, AA 22: 92). Wir wollen Kants Argumentationsstruktur in fünf Schritten zu rekonstruieren versuchen: Die zugrundeliegende Prämisse lautet: Erfahrung (empirische Erkenntnis) ist nur möglich, wenn Vorstellungen als meine identifiziert werden können. Damit dies möglich ist, müssen sie aber in einem, numerisch identischen Selbstbewusstsein vereinigt werden können (meine Vorstellungen insgesamt sind nur dann insgesamt meine, wenn sie alle zusammen zu einem Bewusstsein meiner selbst gehören). Also ist Erfahrung nur durch ein transzendentales, durchgängige Identität besitzendes Selbstbewusstsein möglich. Nun verdankt sich diese durchgängige Identität selbst wiederum einer kategorialen Synthesis respektive dem Bewusstsein der Synthesis. Folglich ist Erfahrung nur durch ein Bewusstsein der Synthesis möglich, d. h., sie verdankt sich dem Vermögen einer ursprünglich synthetischen Einheit des Selbstbewusstseins. Die Präsumtion der Erfahrung als subjektive absolute Einheit (gleichsam ‚Eine Erfahrung soll sein‘) ist also der entscheidende Aspekt, auf den man zu achten hat, wenn man über die Gültigkeit von Kants Beweis urteilt. Wir können angesichts dieses Befundes Hossenfelders Feststellung, dass die ‚Deduktion‘ „sich auf die Tatsache der Erfahrung [stütze]“ (S. 19), nicht beipflichten. Auch Aschenberg (1982, S. 267ff.) missversteht den Kantischen Gedankengang. Vgl. zum Aspekt der Gültigkeit transzendentaler Argumente im Allgemeinen auch Niquet 1991, S.77ff., 88ff., 130ff. sowie 225ff. So heißt es etwa auf S. 80: „Konklusionen transzendentaler Argumente sind Repräsentationen (geglückter oder nicht geglückter) Realisierungen ihres Beweiszieles. Unabhängig davon, daß die ‚logischen Endpunkte‘ transzendentaler Argumente ähnlich wie ihre Prämissen auf logische Form und epistemischen Status untersucht werden können, entspricht das Problem der Repräsentation des Beweiszieles eines solchen Arguments dem der Vollständigkeit der Prämisse.“
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Der Gedanke: diese in der Anschauung gegebene Vorstellungen gehören m i r insgesamt zu, heißt demnach so viel, als ich vereinige sie in einem Bewußtsein, oder kann sie wenigstens darin vereinigen, und ob er gleich selbst noch nicht das Bewußtsein der S y n t h e s i s der Vorstellungen ist, so setzt er doch die Möglichkeit der letzteren voraus, d. i. nur dadurch, daß ich das Mannigfaltige in einem Bewußtsein begreifen kann, nenne ich dieselbe insgesamt m e i n e Vorstellungen; denn sonst würde ich ein so vielfärbiges verschiedenes Selbst haben, als ich Vorstellungen habe, deren ich mir bewußt bin. (B 134)
Es ist der Gedanke der möglichen Synthesis von Vorstellungen, der Zusammensetzung von Mannigfaltigem und der Verknüpfung von Begriffen, welcher die reine Apperzeption – darauf wurde oben bereits hingewiesen – als ein über sich selbst hinaus verweisendes, erkenntniseröffnendes Vermögen begründet, das auf das Mannigfaltige der Anschauung zum Zwecke seiner Bestimmung gerichtet ist. Reines Selbstbewusstsein im Kantischen Sinne verharrt demnach nie in bloßer Selbstbezüglichkeit (vgl. S. 53f. sowie Anm. 74, 90, 121), sondern nimmt handelnd Bezug auf ein von ihm Verschiedenes: „Das Vorstellungsvermögen geht vom B ew u ß t s ey n meiner selbst aus (apperceptio), und dieser Act ist bloß logisch, der des Denkens, wodurch von mir noch kein Gegenstand gegeben wird.“90 (OP, AA 22: 79) Dieses synthetische Sich-Richten auf ein Anderes ist, insofern die reine Apperzeption „a priori allem m ei n e m bestimmten Denken vorhergeht“ (B 134), noch frei von spezifischer kategorialer Bestimmung (etwa eines Ursache-Wirkung-Verhältnisses) zu denken; es zeigt dies zunächst ganz allgemein ein Bedürfnis der „bloß intellektuelle[n] Vorstellung“ (B 277) Ich denke nach Erweiterung an. Dies drückt auch der oberste Grundsatz der synthetischen Einheit der Apperzeption aus, wonach „alles Mannigfaltige der Anschau-
|| 90 Dass die bloße Selbstreferentialität des reinen Selbstbewusstseins sich nicht schon selbst genügt und keine „reine Selbstbeziehung“ ist, sondern immer schon als eine Beziehung zu etwas anderem als mir selbst verstanden werden muss, betont Dieter Sturma (1989, S. 377). An anderer Stelle macht wiederum Sturma (1985, S. 54ff., 88f. und 102ff. sowie 119f.) deutlich, dass sich erst durch die Bezugnahme auf Anderes die „selbstreferentielle Differenzierung im Selbstbewußtsein“ (S. 102) vollzieht. Die „implizite Exzentrizität des Selbstbewußtseins, d. i. die im Selbstbewußtsein aufgrund seines relationalen Charakters immer schon vollzogene Beziehung auf ‚Anderes’“, werde dann „in der Selbsterkenntnis explizit“ (S. 104). Die Möglichkeit der Selbstthematisierung des Ich verfolgt bei Kant also keinen Selbstzweck, sondern geschieht immer zum Zwecke möglicher Erfahrung: „Ich denke mich selbst zum Behuf einer möglichen Erfahrung, indem ich von aller wirklichen Erfahrung abstrahiere“. (B 426) Dörflinger (2000, S. 78) spricht in diesem Zusammenhang und in Hinblick auf den von ihm verfolgten Begriff des Lebens bei Kant von einem „Hinausgehen-Wollen“ des Ich, von einem „Sich-Richten bloßen Selbstbewußtseins auf ein anderes zu sich selbst.“ Er konstatiert treffend, dass das einfache und selbstbezügliche Ich „ohne die Beziehung auf von ihm Verschiedenes [überhaupt] nicht selbstbezüglich sein“ (S. 73) kann. Vgl. auch Anm. 69.
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ung unter Bedingungen der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption steh[en]“ (B 136) muss; er ist „zwar selbst identisch, mithin ein analytischer Satz“, erklärt aber „doch eine Synthesis des in einer Anschauung gegebenen Mannigfaltigen für notwendig, ohne welche die durchgängige Identität des Selbstbewusstseins nicht gedacht werden kann“ (B 135).91 Nun ist das Hinausgehen des reinen Selbstbewusstseins aus der Unterschiedslosigkeit des bloß selbstbezüglichen Denkens wesentlich durch die Form der Zeit eröffnet. Dieses synthetische Bezugnehmen auf ein Mannigfaltiges in mir und die damit intendierte Bestimmung des inneren Sinnes lässt sich, abgesehen von ihrer ersten Bedeutung als reine Zeitbestimmung, auch noch als Selbstsetzung des reinen, zeitlosen Ich in die Zeit verstehen, d. i. es erscheint das transzendentale Ich als zeitlich-empirisches Ich im inneren Sinn. Die hier in Rede stehende Selbstaffektion (vgl. B 68, B 152ff. sowie Kapitel 3.2.3), durch die Einwirkung der reinen Apperzeption auf den inneren Sinn, bedeutet ein SichErweitern des ursprünglichen Ich, das von sich nur ein „Wissen“ in Form bloßer Selbstwahrnehmung im Sinne einer intellektuellen Vorstellung hat (vgl. A 342/ B 400), hin zum Bewusstsein des eigenen Daseins, d. i. Selbsterfahrung durch „Bestimmung meines Daseins […] der Form des inneren Sinnes gemäß“ (B 157). Dadurch wird zwar nicht der rein intellektuelle Begriff des Ich denke unter Zeitbedingungen schematisiert, mithin wird dieser Begriff nicht um synthetische Bestimmungen erweitert gedacht; allerdings erscheinen die Handlungen des Denkvermögens in der Zeit, so dass auch eine Daseinsbestimmung des empirischen Ich (durch Bestimmung der eigenen Zustandsvorstellungen) möglich wird. Es liefert das bloße Daseinsbewusstsein, „d aß ich bin“ (B 157), also noch keine Selbsterkenntnis des reinen Ich, wie es sich selbst im inneren Sinn als Objekt (d. i. seine zeitlichen Zustände) erscheint (vgl. B 157f., B 277): „Das Be-
|| 91 Völlig zutreffend erläutert Rosales (2000, S. 297), dass „in der Beziehung der Mannigfaltigkeit auf die Einheit […] die Synthesis analytisch beschlossen liegt“. Ob dieser oberste Grundsatz, wie Rosales (S. 299) meint, sich inhaltlich wirklich vom – in der A-Auflage statuierten – „schlechthin erste[n] und synthetische[n] Grundsatz unseres Denkens überhaupt“ unterscheidet, der darin besteht, „daß alles verschiedene empirische Bewußtsein in einem einigen Selbstbewußtsein verbunden sein müsse“, bleibt fraglich. Denn auch die Vereinigung mehrerer unterschiedlicher Bewusstseinszustände in einem Selbstbewusstsein scheint nichts anderes zu sein als ein Ausdruck des obersten Grundsatzes der Apperzeption. – Vgl. ferner Fichtes Einleitungsvorlesungen in die Wissenschaftslehre (1971, Bd. IX (Nachgelassene Werke, Bd. I), S. 234), der – vielleicht entgegen früheren Darstellungen – erklärt: „Es giebt kein reines und abgesondertes Ich […]; die [intellektuelle] Anschauung des Ich [d. i. das reine Selbstbewusstsein, C.O.] ist immer mit jenem Nicht-Ich verbunden, das sich schlechthin anschließt, und umgekehrt. […] Es giebt kein reines Ich, sondern nur in einer Synthesis.“
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wußtsein seiner selbst ist also noch nicht ein Erkenntnis seiner selbst.“92 (B 158) Denn eben so, wie zur „Erkenntnis eines von mir verschiedenen Objekts“ eine Anschauung im Raume erforderlich ist, so bedarf ich auch zum Erkenntnisse meiner selbst außer dem Bewußtsein, oder außer dem, daß ich mich denke, noch einer Anschauung des Mannigfaltigen in mir, wodurch ich diesen Gedanken bestimme, und ich existiere als Intelligenz, die sich lediglich ihres Verbindungsvermögens bewußt ist, in Ansehung des Mannigfaltigen aber, das sie verbinden soll, einer einschränkenden Bedingung, die sie den inneren Sinn nennt, unterworfen, jene Verbindung nur nach Zeitverhältnissen […] anschaulich machen, und sich daher doch nur selbst erkennen kann, wie sie, in Absicht auf eine Anschauung (die nicht intellektuell und durch den Verstand selbst gegeben sein kann) ihr selbst bloß erscheint, nicht wie sie sich erkennen würde, wenn ihre A n s c h a u u n g intellektuell wäre. (B 158f.)
In diesem Sinne drückt das Ich denke zwar „den Actus aus, mein Dasein zu bestimmen“, mithin ist das Dasein bereits gegeben, jedoch ist „die Art, wie ich es bestimmen, d. i. das Mannigfaltige, zu demselben Gehörige, in mir setzen solle, dadurch noch nicht gegeben“ (B 157, Anm.). Mit anderen Worten: Die bloße Spontaneität, die macht, dass „ich mich Intelligenz nenne“ (B 158, Anm.), enthält ein Dasein, das als solches jedoch noch völlig unbestimmt ist. Innere Erfahrung kann sich demnach ebenso wenig wie Erfahrung äußerer Gegenstände einfach darbieten, sondern muss allererst gemacht werden.93
|| 92 Die Tatsache, dass überhaupt etwas ist, was durch das Ich bekannt ist, „beinhaltet“, so Dörflinger (2000, S. 72) treffend, „noch kein Erkennen im Sinn einer Prädikation von Beschaffenheiten“, ebenso wenig wie die Erkenntnis eines anderen Objekts, „speziell auch der Erkenntnis seiner selbst als eines Objekts“. Dass der Aspekt der Prädikation von Beschaffenheiten des Ich denke in der Forschung kontrovers diskutiert wird, beleuchtet Natterer (2003, S. 38f., 40), jedoch macht auch er deutlich, dass das „Charakteristikum der ursprünglichen Apperzeption“ verschiedene analytische Bestimmungen desselben erlaubt (S. 36; vgl. auch Anm. 66, 74, 106). Mit Verweis auf die bisher erörterten Schwierigkeiten bleibt festzustellen: Bei der Frage danach, „von welcher Beschaffenheit […] ein Ding [ist], welches denkt“, erklärt eine analytische Betrachtung des Ich denke „vielleicht wohl das Denken, aber [sie] gibt keine erweiterte Erkenntnis von demjenigen, worauf dieses Denken seiner Möglichkeit nach beruht“ (A 398). Die Einheit des Bewusstseins ist uns bloß dadurch bekannt, „daß wir sie zur Möglichkeit der Erfahrung unentbehrlich brauchen“ (B 420). Vgl. dazu auch Zobrist 2011, S. 141 sowie Rosales 2000, S. 157ff. und Baum 1975, S. 133f. 93 Erfahrung ist, insofern es hierfür den mittelbaren, reflexiven und daseinsbestimmenden Akt des Urteilens braucht, nie „unmittelbar“ gewiss, weder die innere noch die äußere, von der Kant in der ‚Widerlegung des Idealismus‘ fälschlicherweise versichert, sie sei die „eigentlich unmittelbar[e]“ (B 276). Nur in Relation zur inneren Erfahrung, nicht jedoch in geltungslogischer Hinsicht, kann die – ebenfalls mittelbar gemachte äußere Erfahrung – als unmittelbarer gelten (vgl. diesbezüglich B 278f., Anmerkung 3). Erfahrung im Kantischen Sinne ist freilich
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Angesichts dieses Befunds leuchtet ein, warum Kant das Ich denke im Paralogismus-Kapitel als empirischen Satz deklariert, der den identischen Existentialsatz Ich bin bereits in sich enthält, der analytisch aus ihm gezogen werden kann, mithin nicht aus dem scheinbar zu präsumierenden Obersatz: Alles, was denkt, existiert94 geschlussfolgert werden darf (vgl. B 422, Anm.; auch A 354f.). Der Existentialsatz drückt nur „eine unbestimmte empirische Anschauung, d. i. Wahrnehmung, aus (mithin beweiset er doch, daß [ihm] schon Empfindung, die folglich zur Sinnlichkeit gehört, […] zum Grunde liege)“ (B 422f., Anm.). Die Möglichkeit zur (empirischen) Daseinsbestimmung liegt zwar schon im Ich denke selbst, jedoch ist die in Rede stehende Existenz hier noch keine Kategorie, als welche nicht auf ein unbestimmt gegebenes Objekt, sondern nur ein solches, davon man einen Begriff hat, und wovon man wissen will, ob es auch gesetzt sei, oder nicht, Beziehung hat [d. h. speziell die Kategorie des Daseins, C.O.]. Eine unbestimmte Wahrnehmung bedeutet hier nur etwas Reales, das gegeben worden, und zwar nur zum Denken überhaupt, also nicht als Erscheinung, auch nicht als Sache an sich selbst, (noumenon) sondern als Etwas, was in der Tat existiert, und in dem Satze, ich denke, als ein solches [d. h. als ein Tätiges, C.O.] bezeichnet wird. (B 423, Anm.)
Dabei ist anzumerken, dass Kant, wenn er in Hinblick auf das Ich denke von einem empirischen Satz spricht, (trotz seiner Angebundenheit an das empirische Bewusstsein) keine Empirisierung des reinen Selbstbewusstseins beabsichtigt, das – wie gezeigt wurde – „nicht als ein solches durch empirische Data gedacht werden“ (A 107) kann, mithin keine „empirische Vorstellung“ ist; sondern es ist eben nur die notwendige Beziehung zum Ausdruck gebracht, die diese intellektuelle Vorstellung, welche „zum Denken überhaupt gehört“, auf ein mögliches Empirisches haben muss,95 denn „ohne irgend eine empirische Vorstellung, die
|| niemals im Ausgang eines realistischen Erkenntnismodells als etwas Passives, mithin als etwas sich einfach Auftuendes, zu verstehen, wie etwa McDowell (2001, S. 34ff.) glaubt. Dies ist nur dann der Fall, wenn man – im Sinne Strawsons (vgl. Anm. 9) – einen Erfahrungsbegriff etabliert, der bereits die bloße Wahrnehmung betrifft. Dass das Erkenntnissubjekt von diesem empirischen Material abhängig ist, bedeutet nicht, dass die Erfahrung selbst passiv ist. 94 Der Obersatz ist allein deshalb fraglich, da mit dem Begriff des Ich denke ein denkendes Bewusstsein etabliert ist, dessen real mögliche Existenz nicht bestimmt werden kann. 95 Deppermann (2001, S. 132) betont, dass das Ich denke nicht als empirisches Ereignis stattfindet, „sondern stets nur bezüglich Vorstellungen, welche einen empirischen Gehalt haben können“. – Genau genommen müsste mit Blick auf die Verbindung des reinen Mannigfaltigen ergänzt werden: Das Ich denke muss als Vereinigungsfunktion auch Beziehung zum reinen sinnlichen Mannigfaltigen – zum Zwecke reiner Erkenntnis – haben, doch geht es an dieser Stelle konkret um die Vereinigung empirischer Vorstellungen im Gemüt hin zur Einheit des Bewusstseins.
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den Stoff zum Denken abgibt, würde der Aktus, Ich denke, doch nicht stattfinden, und das Empirische ist nur die Bedingung der Anwendung, oder des Gebrauchs des reinen intellektuellen Vermögens“ (B 423, Anm.). Allerdings scheint auch hier wieder die mehrfach erwähnte terminologische Ungenauigkeit durch, die den Anschein erweckt, das reine Selbstbewusstsein enthielte empirische Prädikationen.96 Freilich zielt Kant hier in erster Linie auf die existentielle Implikation des Satzes ab, weshalb die von ihm an anderer Stelle gewählte Formulierung „ich e xi s ti er e denkend“ (B 420, B 428) korrekter und weniger irritierend ist, da sie – die notwendige Beziehung des Ich denke auf Zeitlichkeit anzeigend – „das Subjekt (welches denn zugleich Objekt ist) in Ansehung der Existenz“ bestimmt, was „ohne den inneren Sinn nicht stattfinden“ kann, mithin „das Denken meiner selbst auf die empirische Anschauung eben desselben Subjekts angewandt“ (B 429f.) akzentuiert. Aus der Tatsache, dass sowohl das bestimmte Bewusstsein des eigenen Daseins Zeitlichkeit voraussetzt als auch die Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung im Allgemeinen nur zeitlich zu denken ist, folgt daher mitnichten, dass sich das logisch-einfache Ich durch das Bezugnehmen über sich hinaus im „Strom“ der Zeit zu einem „vielfärbige[n] verschiedene[n] Selbst“ (B 134) verflüchtigt, sondern es bleibt „völlig einerlei (numero eadem)“ (B 337/A 281).97
|| 96 Vgl. zum Problem der Daseinsbestimmung des reinen Selbstbewusstseins Dietmar Heidemann 2013, auch schon 1998, S. 136. Seinem Befund, es würden hier „apriorische mit empirischen Bestimmungen vermengt“, können wir jedoch nicht vorbehaltlos zustimmen. Immerhin kann auch der Begriff des Daseins, der Nominaldefinition der Substanzkategorie entsprechend, unschematisiert gedacht werden und ermöglicht deshalb die Bestimmung des Ich denke im Sinne einer gedachten Existenz als ‚Substanz‘ (Subjekt), ohne dass hierunter eine Existenz einer beharrlichen Substanz unter Zeitbedingungen fallen würde. Vgl. dazu auch Zobrist 2011, S. 63ff., besonders aber S. 155ff. Zobrist konstatiert, dass sich das ‚Dasein‘ der transzendentalen Apperzeption „weder als phänomenales Ich, d. h. als das ‚Dasein einer Erscheinung‘, noch als ‚Ich‘ an sich, d. h. als Noumenon in positiver Bedeutung“ (S. 158), begreifen lässt. Angesichts der nicht mit der bloß logischen Funktion der Existenz-Kategorie zu erfassenden Daseinsgestalt des Ich denke könne dieses lediglich als ein reines, bestimmungsloses ‚dass ich bin‘ angesprochen werden, weshalb sein ‚Dasein‘ bloß als eines sui generis zu gelten habe. Hier stellt sich jedoch erneut die Frage, ob die Möglichkeit eines solchen Daseinsverständnisses nicht schon in der bloß gedachten logischen Funktion der (Substanz-)Kategorie begründet liegt. Dass Kant unter dem Ausdruck Ich bin nichts anderes versteht als das um den Existenzgedanken erweiterte Ich denke selbst, erhellt sich auch in der zweiten Vorrede (Anm. zur ‚Widerlegung des Idealismus‘), wo Kant von der „Vorstellung Ich bin“ spricht, „welche alle meine Urteile und Verstandeshandlungen begleitet“ (B XL). 97 Es wird vor dem reinen Verstande, so oft und je gleich man diesen Begriff denkt, stets einund dasselbe Gedankending gedacht, d. h. ein- und derselbe Begriff der reinen Apperzeption. Dies kann man unter Berufung auf die Reflexionsbegriffe weniger als synthetische, sondern
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Dem empirischen Ich kommt – zwar nicht als ein identisches Vermögen des Subjekts, aber doch als wandelbares Zustandsbewusstsein verstanden und damit als zu verschiedenen Zeiten und, in Hinblick auf seine jeweilige Leiblichkeit auch zu verschiedenen Örtern gehörig –, ebenso wie den Gegenständen der Sinne, numerische Verschiedenheit zu (vgl. B 319f./A 263f., B 337f./A 281 f.).
1. Anhang: Zum Problem der Meinigkeit von Vorstellungen und der Identität der reinen Apperzeption in der Rezeption Es wurde ausführlich besprochen, dass Vorstellungen erst dann meine Vorstellungen sind, wenn ich sie in ein Bewusstsein meiner selbst aufgenommen habe; solange sie aber noch nicht ins Bewusstsein aufgenommen worden sind und bloß zur Aufnahme in dieses – in der Sinnlichkeit – bereitstehen, befinden sich die Vorstellungen bloß ‚in Beziehung zu mir‘ (vgl. auch Anm. 78). Hoppe (1983, S. 195f.) erklärt diesbezüglich treffend, dass im subjektiven Vorstellen die intentionale Gegenstandsbeziehung „schon geleistet“ ist, die „in der konkreten Erkenntnissituation dann gleichsam nur noch spezifiziert werden“ (S. 195) muss, und zwar durch Beziehung dieser Vorstellungen auf den Gegenstand, was heißt, dass die eigentliche Gegenstandserkenntnis erst durch kategoriale Reflexion erfolgt. Erst dadurch wird aus dem unbestimmten Mannigfaltigen der Erscheinung, auf das sich das Subjekt bereits in der bloß subjektiven Wahrnehmung intentional richtet, ein strukturierter und nach den spezifischen Kategorien bestimmter Gegenstand der Erfahrung. Auch Deppermann (2001) konstatiert, dass gegebene Vorstellungen im Gemüt als unbewusste Vorstellungen noch vom Bewusstsein von Vorstellungen unterschieden werden müssen, insofern sie als bloße Vorstellungen noch nicht mir angehören. Allerdings differenziert Deppermann nicht recht zwischen empirischen und reinem Bewusstsein von Vorstellungen (vgl. S. 131ff.), so dass er zum Schluss kommt, das Bewusstsein von Vorstellungen impliziere notwendig das Wissen darum, dass sie meine sind. Dass diese Meinigkeit nur ein potentielles Bewusstsein aller meiner Vorstellungen bedeutet, was nicht ausschließt, dass sich das Subjekt durch sein empirisches Bewusstsein seiner Vorstellungen bewusst werden kann (ohne welches es nur dunkle Vorstellungen im Gemüt gäbe, die aber streng genommen nichts vorstellten), übersieht er gerade. Aus diesem Grunde trifft auch seine Feststellung, Vorstellung sei bei Kant nicht zwingend Vorstellung von etwas – die
|| vielmehr als von der Zeit abstrahierte, schlechthinnige Einerleiheit (numerische Identität) verstehen.
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er mit kritischem Blick auf Cramers Aussage, Vorstellung stelle immer etwas als solches vor, äußert – nicht zu (vgl. S. 134, Anm.). Vorstellung ist per se Vorstellung von etwas, d. h. eines Objekts der Vorstellung; worum es Kant jedoch geht, ist die fundamentalere Frage, wie diese Vorstellungen von etwas, die bloß im Gemüt befindlich durch empirisches Bewusstsein allein vorstellbar sind, insgesamt meine sein bzw. werden können. Wenn hier nicht prinzipiell ein reines, vereinigendes notwendiges Selbstbewusstsein gedacht werden könnte, wären sie – vor diesem Hintergrund – in der Tat unmöglich und keine Vorstellungen eines Gegenstandes der Erfahrung (vgl. Anm. 68), obgleich sie immer noch Vorstellung von etwas blieben. Aus diesem Grunde kann er letztlich auch die Notwendigkeit der Synthesis nicht einsehen (vgl. S. 148f., 150), ohne welche diese empirischen Vorstellungen nicht zur Erkenntnis des Gegenstandes werden könnten. Seine These, wonach der Prozess der Synthesis zirkulär sei, was er damit begründet, dass Bewusstsein notwendig Selbstbewusstsein impliziere (vgl. S. 148), ist daher nicht gerechtfertigt, denn Kant unterscheidet mit Recht und systematisch gerechtfertigt zwei Arten des Bewusstseins. Ferner übersieht Depperman in diesem Zusammenhang, dass die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft als reine Zeitstrukturierung und Bedingung der Möglichkeit aller empirischen Synthesen der Einbildungskraft nicht auf ein basaleres empirisches Bewusstsein von etwas (vgl. S. 149) zurückgeführt werden darf, da hier zunächst gänzlich von allem empirischen Bewusstsein abstrahiert werden kann, ja als Bedingung der Möglichkeit der Objektivierung bloß empirischer Vorstellungen sogar werden muss (vgl. Kapitel 4.2.3). Es ist vor dem Hintergrund des Gesagten auch nicht uneingeschränkt richtig zu behaupten, die zu begleitenden Vorstellungen würden vor dem Ich denke-Akt bereits statthaben (vgl. Deppermann 2001, S. 138 sowie Bennett 1966, S. 104, 117). Dies mag zwar für den Ausgang vom Empirischen zutreffen, wo sich die Frage nach der Verbindung empirischer Vorstellungen im Gemüt stellt; keinesfalls trifft dies jedoch strukturell-genetisch zu, wenn die Vereinigung des ebenfalls dargebotenen reinen Mannigfaltigen thematisch ist (vgl. Anm. 95). Übrigens müssen gegebene Vorstellungen nicht nur anschauliche Vorstellungen, sondern es können auch unsortierte Gedanken von Gegenständen sein, die also auch in einem gewissen – subjektiven – Sinne gedacht werden, jedoch nicht objektiv, wenn darunter die kategoriale Reflexion verstanden wird, so dass die von Deppermann mit Verweis auf Henrich beschriebene Schwierigkeit, das Ich denke „könne nur solche Vorstellungen begleiten, die bereits Gedanken sind“ (2001, S. 138), in Wahrheit keine ist. Klemme (1996, S. 183ff.) betont ebenfalls den intentionalen Charakter der subjektiven Vorstellungen. Dabei zählt er einige subjektive Vorstellungen auf, die niemals zu objektiven, d. h. kategorial gedeuteten
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Vorstellungen werden können. Dazu gehören etwa, wie Klemme richtig erklärt, Farbvorstellungen wie die des Roten, die zwar von einem Gegenstand synthetisch ausgesagt werden können, als „Modifikationen des Sinnes“ (A 28) und bloß sekundäre Qualitäten, aber keine Eigenschaften des Objekts im eigentlichen Sinne sind. Durch die Unterscheidung zweier Arten von Bewusstsein (vgl. Anm. 76, 79, 80 sowie Kapitel 4.2.3) wird alsdann die Frage danach, ob ein Sinneseindruck auch ohne Bewusstsein existieren könne, dahingehend auflösbar, dass nicht zwingend ein notwendiges reflexives Selbstbewusstsein die Vorstellung muss begleiten können; dass es aber – insofern es später um Konstitution von Erfahrung geht – ein die subjektiven Vorstellungen begleiten könnendes, d. h. ein „m ö g li c h es empirisches“ Zustandsbewusstsein geben muss, wenn die (bloß empirische) Bewusstmachung dieser Vorstellungen nicht „gänzlich unmöglich“ (A 118, Anm.) sein soll. Auf diesen Sachverhalt weist ebenfalls Bennett (1966, 103f.) hin, jedoch meint er, Kant halte Vorstellungen ohne Bewusstsein für gänzlich unmöglich, was freilich nicht der Fall ist, insofern Vorstellungen im Gemüt auch ohne ausdrückliches (empirisches oder kategorial reflektierendes) Bewusstsein ‚existieren‘ können; ja die allermeisten unserer Vorstellungen sind dunkel und werden nicht illuminiert (vgl. Anm. 71). Auch in Bezug auf das empirische Bewusstsein gilt hier, dass es sich bei Kant um ein mögliches, kein faktisches Bewusstsein handelt, ohne welches freilich jede Vorstellung eine bloß dunkle Gemütsvorstellung bliebe (vgl. Anm. 68) und nicht einmal die Möglichkeit bestünde, zur Einheit der Apperzeption erhoben und also kategorial reflektiert werden zu können. Vorstellungen können demnach niemals völlig bewusstlos im Gemüt stattfinden, wenn es sich um tatsächliche Vorstellungen handeln soll. Bezüglich der in Anm. 84 angesprochenen Identität der Apperzeption und der Gefahr der möglichen Verwechslung von synthetischer und analytischer Einheit der Apperzeption sei hier Folgendes bemerkt: Wenn Kant von durchgängiger Identität des Selbstbewusstseins spricht, dann intendiert dies selbst dort nicht die „jeder Zeitlichkeit überhobene Identität (der analytischen Einheit) der transzendentalen Apperzeption“ (Zobrist 2011, S. 104), wo er in seiner Argumentation zumindest partiell von jedem zeitlichen Bezug abstrahiert, wie im § 16. Hier wird die Möglichkeit der Vereinigung in einem Selbstbewusstsein von Vorstellungen überhaupt einsichtig gemacht, seien diese Vorstellungen nun selbst raum-zeitlich gegeben oder nicht. Denn auch die bloße „Verstandesverbindung (synthesis intellectualis)“ (B 151), also die Vereinigung, die von aller sinnlichen Anschauung abstrahiert und sich vor allem auf die Verbindung von Begriffen erstreckt (also eine bloß gedachte Verbindung intendiert), erfordert die durch-
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gängige Identität des Selbstbewusstseins, wenn die Vorstellungen auch „insgesamt meine Vorstellungen“ (B 132) sein sollen. Durchgängig bedeutet zwar vornehmlich (was beim konkreten Vollzug der Synthesis der Fall ist), allerdings nicht notwendigerweise zeitlich-durchgängige Identität des Selbstbewusstseins. Leider entgeht Zobrist, dessen ansonsten profunde Untersuchung speziell wegen ihrer sachhaltigen Analyse der unterschiedlichen Fassungen des Paralogismus-Kapitels in der ersten und zweiten Auflage der Kritik zu würdigen ist, gerade dieser Sachverhalt, obgleich er wenig später ganz korrekt gegen die Priorität analytischer gegenüber synthetischer Einheit argumentiert (vgl. S. 148ff.). Ähnlich missverständlich äußert sich Rosefeldt (2003, etwa S. 154) über die logische Identität des Ich, wie generell der Terminus „logisch“ in seinem Aufsatz unterbestimmt bleibt. Überhaupt sei an dieser Stelle auf das mögliche Missverständnis aufmerksam gemacht, das darin besteht, in der ursprünglichsynthetischen Einheit eine bloß logische Einheit des Selbstbewusstseins zu sehen. Der Begriff der (transzendental-)logischen Einheit meint freilich nicht analytische Einheit des Selbstbewusstseins, die als solche – in ihrer bloßen Innerlichkeit verharrend – kein Vermögen der Verbindung und somit nicht gegenstandskonstitutiv sein könnte. Synthetische Einheit im Sinne „logischer“ Einheit bedeutet die geltungslogische Einheit des Selbstbewusstseins. Dies zeigt sich etwa dort, wo Kant davon spricht, Denken für sich genommen sei als „logische Funktion […] lauter Spontaneität der Verbindung des Mannigfaltigen“ (B 428). Vgl. dazu auch Sturma 1985, S. 70, 87ff. und die vertiefende Betrachtung in Kapitel 5.4.1 sowie Anm. 230 und der Anhang des Kapitels 5.4.2. Zu behaupten, es müsse „keine Synthesis mehr vollzogen werden“, insofern „schon Bewußtsein vorhanden“ ist, da erst „in der Synthese selbst das Bewußtsein entsteht“ und es folglich unrichtig sei, „ein fertiges Bewußtsein“ (Ebbinghaus 1910, S. 11f. sowie Anm. 87) vorauszusetzen, trifft die Sache freilich nur teilweise. Denn natürlich muss in jeder Phase der Synthesis ein mögliches Bewusstsein angetroffen werden können, das alle meine Vorstellungen begleitet, da ansonsten überhaupt keine Identität der Synthesis vorhanden wäre, mithin ermöglicht die numerische Identität des reinen Selbstbewusstseins alle Synthesis (vgl. Anm. 87, 89, 90). Identität und Synthesis bedingen sich somit wechselseitig. Dies bedeutet, dass die Einheit des Selbstbewusstseins als Bedingung der Möglichkeit der Synthesis genauso vorauszusetzen ist, wie umgekehrt diese Einheit des Selbstbewusstseins nur durch die potentielle Verbindung von mannigfaltigen Vorstellungen möglich wird, andernfalls ich nicht ein, sondern viel Bewusstsein wäre. Es wird nicht mehr behauptet, als dass ich mich als ein Selbstbewusstsein denken können muss, um die Identität der Synthesis „vor Augen“ (A 108) zu behalten. Dies besagt ferner nicht, dass das Ich denke fak-
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tisch alle Vorstellungen begleitet (vgl. S. 141f.) oder sich seiner selbst bewusst ist; es besagt aber sehr wohl, dass ich, wie Deppermann (2001, S. 149) erklärt, „zuvor mit mir vertraut bin“ bzw. prinzipiell ein Wissen um mich haben können muss, um Vorstellungen miteinander zu verbinden. Gegen den aus Ebbinghausʼ Argumentation ableitbaren, möglichen Einwand eines Zirkels, der darauf hinauslaufen würde, die mögliche Synthesis auf der Einheit des Selbstbewusstseins zu gründen, wie umgekehrt diese Einheit von einer möglichen Synthesis abhängig zu machen, sei ferner – neben Sturmas Argumentation (vgl. Anm. 76) – auf den bereits angesprochenen Aspekt des organologischen wechselseitigen Bedingungsverhältnisses (vgl. B XXXVII f. sowie OP, AA 21: 190) sowie Dörflingers profunde Untersuchung (2000, vor allem S. 71ff.) verwiesen. Völlig anders versteht man allerdings das reine Selbstbewusstsein, das von jeder Zeitlichkeit enthoben zu denken ist, wenn man es als ein individuelles, autobiographisches Subjekt der Erfahrung versteht, das einen Weg durch die Zeit beschreitet und im Wandel seiner Vorstellungen numerisch-identisch bleibt (vgl. etwa Strawson BS 104, Bennett 1966, S. 117 sowie Deppermann 2001, S. 147). Mit Dörflinger (2001/2002, S. 172) gesprochen, steht das Subjekt der Erfahrung im Kantischen Sinne „geradezu unter der Voraussetzung, daß von dem abzusehen ist, was zum individuellen und mithin biographiefähigen Bewußtsein gehört. Es steht unter der Voraussetzung, sein Selbstverständnis mittels […] Reflexion nach Kategorien über seine Subjektivität im Sinne des Subjekts der Wahrnehmung zu steigern“. Ihm ist folglich nur dadurch ein verständlicher Sinn gegeben, dass es als transzendentales Subjekt gerade so gedacht wird, dass es sich nicht im Wandel der Zeit und Durchlaufen der einzelnen empirischen Bewusstseinssequenzen verflüchtigt (S. 53ff.). Im Gegensatz zum einzelnen personalen Wahrnehmungssubjekt, von dem Strawson zu Recht behauptet, es bedürfe empirischer Kriterien der Identifikation und Reidentifikation, darf Kants ursprüngliches Subjekt unter solche Bedingungen also gar nicht gestellt werden. Als „Bewußtsein überhaupt“ (Prol, AA 04: 300) ist das transzendentale Subjekt, wie Dörflinger weiter deutlich macht, die Bedingung der Zuschreibbarkeit von Vorstellungen überhaupt, demnach eine völlig abstrakte Zuschreibungsmöglichkeit. Generell darf Dörflingers Untersuchung zu Strawsons Subjekt der Erfahrung als eine der schlagkräftigsten Arbeiten gegen eine realistische Subjekttheorie gelten.
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2. Anhang: Einige vertiefende Betrachtungen zum Ich denke und zu dessen Verhältnis zum Ich als transzendentalem Subjekt Es wurde bereits auf einige Schwierigkeiten hinsichtlich der terminologischen und inhaltlichen Bestimmung des Ich denke aufmerksam gemacht (vgl. etwa Anm. 64, 67). In diesem Zusammenhang wurde auch auf den uneinheitlichen Gebrauch der Termini Ich bzw. Ich denke hingewiesen, der jetzt näher zu betrachten sein wird. An dieser Stelle kann es, dies sei vorweg gesagt, nur bei allgemeinen Ausführungen bleiben, so dass es Aufgabe einer weiterführenden Arbeit wäre, diesen reizvollen Gegenstandsbereich zu untersuchen. Dort, wo Kant das völlig ungegenständliche und nicht weiter einholbare Ich isoliert betrachtet, indem er vom Ich denke als dem Vermögen des Selbstbewusstseins (wie auch von allen anderen Gemütsvermögen) abstrahiert, wird nicht recht deutlich, welcher Status dem Ich letztlich zukommt. Denn von der so „einfache[n] und für sich selbst an Inhalt gänzlich leere[n] Vorstellung Ich“ kann man „nicht einmal sagen […], daß sie ein Begriff sei“; sondern es ist „dieses Ich, oder Er, oder Es (das Ding), welches denket“, ein „bloßes Bewußtsein, das alle Begriffe begleitet“ (A 345f./B 404).98 In den Prolegomena (Prol AA 04: 334, Anm.) wird das Ich bestimmt bloß „als Gefühl eines Daseins ohne den mindesten Begriff und nur Vorstellung desjenigen, worauf alles Denken in Beziehung steht“. Die Differenzierung zwischen einem „transzendentale[n] Subjekt der Gedanken“ (A 346/B 404) – als Träger – und dem Ich denke – als der Äußerung seiner Tätigkeit –, in der dann eine Relation auf ein Anderes und zwar synthetisch ausgesagt wird, ist zunächst insofern systematisch sinnvoll, als schon im Begriff eines Trägers von Gedanken (welcher das transzendentale Subjekt beschreibt) liegt, dass ihm Vorstellungen und Vermögen zugeordnet werden: „Der Satz: das Ding (die Substanz) i s t eine Kraft, statt des ganz natürlichen: die Substanz h a t eine Kraft, ist ein allen ontologischen Begriffen widerstreitender und in seinen Folgen der Metaphysik sehr nachtheiliger Satz.“ (ÜEE, AA 08: 224, Anm.; vgl. auch A 82/B 108). Kant macht hier zu Recht geltend, dass der Substanz-Begriff in einem solchen Satz „im Grunde ganz verloren“ gehe, und zwar insofern, als anstelle der eigentümlichen Bedeutung Träger von Akzidenzien, d. h. „der Inhärenz in einem Subjecte“, der „Begriff der Dependenz von einer Ursache gesetzt“, folglich „die allgemeine wirkende Kraft selbst zur Sub-
|| 98 Vgl. auch A 382: „Allein dieses Ich ist so wenig Anschauung, als Begriff von irgend einem Gegenstande, sondern die bloße Form des Bewußtseins, welches beiderlei Vorstellungen begleiten, und sie dadurch zu Erkenntnissen erheben kann.“ Auch MAN, AA 04: 543: „Der Gedanke Ich ist dagegen gar kein Begriff.“
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stanz“ (ebd.) gemacht werde. Kraft99 hingegen wird der Substanz (als notwendige Eigenschaft) beigelegt, sie ist nicht der Gegenstand selbst und somit auch nicht der „Grund der Existenz der Akzidenzien“, denn „den enthält die Substanz“ (ebd.). So ist denn auch der Satz, „eine jede substantz hat eine Kraft, […] ein identischer Satz. Denn die substantz ist eigentlich daß subiect, was den Grund der accidentien und der Wirkungen enthält“ (Refl, AA 17: 400). Insofern man Akzidenzien von einer Substanz aussagt, denkt man diese im Verhältnis zu einem Subjekt und (zweitens) vermittelst der Kraft gebunden an ein zugrundeliegendes Subjekt, von dem diese Akzidenzien100 prädiziert werden.
|| 99 In der Streitschrift gegen Eberhard weist Kant die Kraft als einen reinen Verstandesbegriff aus. Kraft sei nichts anderes „als eine Kategorie“ respektive „das Prädicabile derselben“, und zwar das „der Ursache“ (ÜE, AA 08: 223; vgl. auch A 82/B 108). Der Kraftbegriff wird weiter vom Begriff des Vermögens unterschieden: „In lebenden Wesen ist Vermögen und Kraft unterschieden.“ (Refl, AA 17: 76) So ist das Vermögen nach Kant die „Möglichkeit der Handlung“, die Kraft hingegen der „innerlich zureichende Grund der Handlung“ (Refl, AA 17: 74), potentia im Gegensatz zum actus (vgl. Refl, AA 17: 72). Vgl. auch Refl, AA 17: 73: „Das innere Princip der Moglichkeit des Handelns ist das Vermögen.“ Der Begriff der Handlung wird später noch explizit thematisch werden (vgl. Kapitel 4.2.2 sowie Anm. 153). Grundsätzlich bestimmt Kant das Verhältnis von Kraft und Handlung so, dass dort, „[w]o Kraft ist, […] auch Handlung [ist]“ (Refl, AA 17: 76). Kraft als Potentialität meint hier nicht die bloße Modalität der realen Möglichkeit, sondern das Dasein einer Kraft, die sich als Kausalität wirklich äußern kann; der Begriff der Potenz darf nicht bloß auf den Bereich der realen Möglichkeit eingeschränkt bleiben. 100 Auch wenn auf den ersten Blick zwischen Akzidenzien und Eigenschaften kein Unterschied zu bestehen scheint, so differenziert Kant häufig jene, als das der Substanz zufällig Zukommende, von diesen, als den wesentlichen Eigenschaften der Substanz selbst, ohne welche diese überhaupt nicht zu existieren vermag (vgl. dazu ÜE, AA 08: 229). Mit Blick auf die ebenfalls von Baumgarten (2004, S. 43) getroffene Unterscheidung von actio transiens und actio immanens sind die Eigenschaften bei Kant dasjenige, was durch „eine nicht einfliessende Handlung“ – eine Einwirkung einer anderen Substanz, welche den Wechsel der Akzidenzien bewirken könnte – der Substanz selbst als unveränderliche Bestimmung zukommt, dadurch dass die Substanz aus sich heraus diese Eigenschaften hervorbringt. So wäre etwa die mechanische Beweglichkeit eines Körpers seine notwendige, wesentliche Eigenschaft, hingegen die Bewegung als ein spezifischer, zufälliger Zustand der Substanz nicht (vgl. MAN, AA 04: 500). Auch Kant unterscheidet der Sache nach, wenn auch äußerst versteckt, zwischen actio transiens und actio immanens, und zwar in einer Fußnote in den Prolegomena (vgl. Prol, AA 04: 344, Anm. sowie Kapitel 4.2.3). Kant spricht hier davon, dass die Handlung eines reinen Verstandeswesens, wie etwa Gott, diesem immanent sei. Für solche Wesen könne man „keinen Begriff der Freiheit angemessen finden“, da „seine Handlung, obzwar unabhängig von äußeren bestimmenden Ursachen [was bedeutet, daß hier keine actio transiens stattfindet, C.O.] […] dennoch in seiner ewigen Vernunft, mithin der göttlichen Natur“ gründet; während für die durch Freiheit initiierte Handlung, wie sie Kant für den Menschen als Vernunftwesen geltend macht, doch gerade gefordert wird, daß durch sie „etwas anfangen“ und „die Wirkung in der Zeitreihe, folglich der Sinnenwelt, anzutreffen sein soll“ (ebd.).
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Das Ich, so heißt es an anderer Stelle, sei „blos ein Gedanke“ und bezeichne „als ein bloßes Vorwort ein Ding von unbestimmter Bedeutung (vgl. Anm. 72), nämlich das Subject aller Prädicate, ohne irgend eine Bedingung, die diese Vorstellung des Subjects von dem eines etwas überhaupt unterschiede, also Substanz, von der man, was sie sei, durch diesen Ausdruck keinen Begriff hat“ (MAN, AA 04: 542f.). Dementsprechend gilt für das Vermögen des reinen Selbstbewusstseins (wie für jedes andere Vermögen), dass es dem Subjekt der Gedanken als dem Träger x zugeordnet werden muss, das dieses Vermögen hat (und dieses Bewusstsein nicht selbst ist) – Vorstellungen bzw. Vermögen wie das Selbstbewusstsein habe ich, sie sind als meine von mir als einem Subjekt Ich schon durch den Gedanken des Ich als eines letzten Subjekts der Gedanken unterschieden. Allerdings gibt es auch jene Stellen, an denen Kant das Ich denke geradezu mit dem Ich identifiziert. Wenn Kant an derselben Stelle in den Metaphysischen Anfangsgründen das Ich als „das allgemeine Correlat der Apperception“ (ebd. 542) bezeichnet, dann scheinen transzendentales Subjekt Ich und reines Selbstbewusstsein in einem notwendigen Korrelationsverhältnis zueinander zu stehen. Abstrahiert man demnach von allem Selbstbewusstsein und behält den bloßen Gedanken eines transzendentalen Subjekts bei, so bleibt nichts übrig als der Gedanke eines zugrundeliegenden einfachen Etwas;101 jedoch bedeutet dieses zugrundeliegende einfache x nichts, wenn man es nicht im Zusammenhang mit seinem Korrelat, dem (Selbst-)bewusstsein102, betrachtet. Dergestalt darf das
|| 101 Kants kritische Position ist natürlich die, dass über eine mögliche Beharrlichkeit einer einfachen geistigen Ich-Substanz überhaupt keine Erkenntnis möglich ist und sie allenfalls als beharrliche Substanz in der Idee gedacht werden kann. In den Metaphysischen Anfangsgründen selbst einmal den Dogmatiker spielend, versucht Kant dort gerade gegen den Dogmatiker, der die Beharrlichkeit einer Ich-Substanz auch über das Leben hinaus behauptet, zu zeigen, dass im Falle, da der Grad der Apperzeption vermindert würde, so dass „endlich ein gänzliches Verschwinden derselben erfolgen müßte“, dadurch „doch selbst die Substanz der Seele einem allmählichen Vergehen unterworfen sein [würde], ob sie schon einfacher Natur wäre“ (MAN, AA 04: 542, Anm.). Schwindet alles Vermögen des Bewusstseins als Grundkraft dieser Substanz, so hätte auch der Gedanke eines bloßen Trägers x, der hier eben noch nicht Gedanke im eigentlichen Sinne sein kann, keinerlei Stellenwert mehr, nicht einmal als Subjekt bzw. Träger von Vorstellungen. 102 Kant spricht an dieser Stelle nur vom Bewusstsein und der Apperzeption, nicht aber vom Selbstbewusstsein und der transzendentalen Apperzeption. Grundsätzlich will er hier jedoch zeigen, dass das (sich seiner selbst bewusste) Ich auf den inneren Sinn gerichtet ist und sich in diesem in der Form empirischen Bewusstseins erscheint, dementsprechend einen Grad des Bewusstseins hat, der jederzeit „größer oder kleiner werden kann“ (Prol, AA 04: 542, Anm.). Entscheidend ist freilich, dass ein Ich ohne das Korrelat des reinen Selbstbewusstseins auch
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reine Selbstbewusstsein also durchaus als Konstituens des Ich gelten, ohne welches der Ausdruck Ich keine Bedeutung hätte. Insofern die reine Apperzeption keine Vorstellung des Ich ist, sondern ein zwischen Ich und Vorstellung liegendes Vermögen, das als wirkende Kausalität die Vorstellungen des Ich, des Trägers der Vorstellungen, hervorbringt, ist offenkundig, dass ohne die Möglichkeit zur Selbstreflexion auch keine Zuschreibungsmöglichkeit der Vorstellungen statthaben könnte.103 Als Träger der Zuschreibung von Vorstellungen von Vermögen kann das Ich zwar vom Ich denke als einem Vermögen abgetrennt werden, obgleich sich Ich und reines Selbstbewusstsein faktisch, als Form der kategorialen Reflexion, in einem notwendigen wechselseitigen Bedingungsverhältnis befinden. Um hier eine Reflexionstheorie zu vermeiden (vgl. Anm. 70), in der das Ich sich selbst allererst den Begriff von sich selbst setzt, muss der Ausgangspunkt jeder Reflexion über einen Gegenstand für Kant von vornerein in das denkende Selbst gelegt werden, welches das Vermögen der Apperzeption als ein Vermögen zu denken besitzt, vermittelst dessen es sich denkend immer schon auf zu verbindendes Mannigfaltiges richtet (vgl. Anm. 74, 90). Das Selbstbewusstsein gründet demnach nicht in einem noch tieferliegenden Ich.104 Allerdings gibt es Überlegungen, die in eine solche Richtung deuten. Zwar setzt hier nicht ein tieferliegendes Ich sich selbst im Begriff, aber in späteren Überlegungen spricht Kant von einer Art absoluten Reflexion (einer Art Ursynthesis), vermittelst deren sich das Ich denke (als ein Vermögen) auf sich selbst bezieht und sich seines Denk- bzw. Verbindungsvermögens bewusst wird. Diese unterscheidet er von der eigentlichen Reflexion, für die der vermittelst absoluter Reflexion gewonnene Begriff des Ich denke der formale Grund ist: „Das Denken
|| niemals als empirisches Bewusstsein erscheinen könnte, da die transzendentale Apperzeption den inneren Sinn nicht affizieren würde (vgl. B 153ff.). 103 Diese Feststellung begründet Sturma (1985, S. 65) mit dem stichhaltigen Argument, dass sich der Begriff des Ich als Subjekt des Denkens letztlich nur über den im § 16 der ‚B-Deduktion‘ etablierten Begriff des kognitiven Selbstbewusstseins erschließen lässt. Auch Zobrist (2011, S. 94, auch S. 208), sieht das Ich „an die reflexive Grundstruktur des Selbstbewusstseins gebunden“. Henrichs (1976, S. 59) Untersuchung sieht Selbstbewusstsein immer als Bewusstsein von einem Subjekt an, „das sich mit dem nominalisierten Personalpronomen als ein ‚Ich‘ ansprechen“ kann. Vgl. zu diesem auch Natterer 2003, S. 31, 39ff. Auch Röd (1991, S. 109) begründet das notwendige Korrelationsverhältnis von Ich und reiner Apperzeption sehr treffend: „Ohne mindestens implizite Bezugnahme auf das Moment des Bewußtseins kann von einem Ich – auch im Sinne des empirischen Ich – nicht gesprochen werden.“ 104 Rosales (2000, S. 159) spricht in diesem Zusammenhang treffend von einem ichlosen Denken, das sich prinzipiell seiner selbst bewusst werden kann. Dergestalt gründet jede Reflexion (über den Gegenstand) in einer „ihr vorausgehenden vor-reflexiven Apperzeption“ (ebd.).
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die Vorstellung meiner selbst mit Bewustseyn geht vor allem Urtheil vorher.“ (OP, AA 22: 89) Anders ausgedrückt: Ich habe die Fähigkeit, durch den Begriff des Ich denke den Gegenstand der reinen Apperzeption zu fassen, nämlich das Vermögen zu denken und mir meiner selbst bewusst zu werden: „Zwey d ete r m i n a ti o n en : 1.) Ich denke 2.) Ich weiß daß ich denke.“ (OP, AA 22: 305) Die erste beschreibt Kant als die „L o gi s c h e Reflexion“, worunter er ganz offenbar die kategoriengemäße Reflexion (über Objekte) versteht; die zweite hingegen ist „noch eine höhere oder absolute Reflexion“, nämlich die auf sich selbst, aus der das Wissen von sich und seinem Reflexions-, d. h. Denk- oder Verbindungsvermögen resultiert. Durch die Thematisierung des Denkvermögens gelange ich zum Wissen, dass die Apperzeption das Vermögen ist, welches den Begriff meiner selbst, d. i. das Ich denke als Ausdruck des Selbstbewusstseins, hervorbringt und es damit möglich macht, mich auf mich selbst und Anderes beziehen zu können, das sich als Vorstellung von mir unterscheidet und im Verhältnis zu mir steht, das ich aber durch die Beziehung auf mich selbst jederzeit als meine Vorstellung deklarieren kann (Ich denke a) mich und b) Anderes, was so viel bedeutet wie Ich habe ein Bewusstsein a) von mir und b) von anderen Gedanken). Es steht zu vermuten, dass Kant hier – vor das Problem gestellt, wie die Form allen Vorstellens selbst zugleich Vorstellung sein kann – tatsächlich das, zunächst nicht begrifflich fixierte, Vermögen der ursprünglichen Apperzeption noch einmal vom Begriff der Apperzeption, der erst aus dem Bewusstwerden und durch begriffliche Fixierung des ursprünglichen Vermögens entspringt, unterschieden sehen will. Dieses Bewusstwerden käme dann einem instantanen Akt des Gewahrwerdens gleich, d. h., im Moment, in dem das Ich denke sich selbst als Quasi-Gegenstand denkt, vollzieht es den Akt des Denkens:105 „Das
|| 105 Dies sieht auch Rosales (2000, S. 162) so, wenn er erklärt, dass Ich denke sei „der mögliche Akt eines angeborenen Vermögens zu denken“. Wenn Rosales allerdings davon spricht, das reine Ich sei „ein Gedanke, der durch das sich denkende Denken‚ erzeugt‘“ (S. 161) werde, so erweckt dies den Anschein, als gäbe es ein Denken, das auch unabhängig vom Bewusstsein stattfinden und sich auf sich selbst wenden könnte. Treffender ist in diesem Zusammenhang die Feststellung Henrichs (1976, S. 60), der nun korrekt erklärt, dass der „Gedanke ‚Ich denke‘ [zwar] spontan, aber nicht grundlos ein[tritt]“, d. h., es muss dieser Gedanke „herbeigeführt werden“. Vgl. erneut Rosales 2000, S. 162, der erklärt, dass in Kants Selbstbewusstseinstheorie eine wechselseitige Bedingtheit dergestalt ausgedrückt ist, dass die „Subjektstrukturen, deren Möglichkeit in der reinen Apperzeption gründet [d. i. in unserem Fall die Möglichkeit des Denkaktes], […] in anderer Hinsicht Bedingungen der Möglichkeit derselben Apperzeption“ sind (d. h. der Denkakt ermöglicht das Begreifen dieses Vermögens zu denken).
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Bewustseyn meiner selbst (apperceptio) ist der Act des Subjects sich selbst zum Object zu machen.“ (OP, AA 22: 89) Das Gesagte bestätigt freilich zugleich, weshalb dieses Vermögen, d. i. der Begriff Ich denke zum Ausdruck des reinen Selbstbewusstseins, etwas mehr enthält als das bloße Vorwort Ich, das als solches nicht einmal ein Begriff ist und sich allen, auch analytischen Bestimmungen entzieht, die freilich vom Ich denke möglich sind. Insofern hierbei die Urteilsakte „blos [real-]logisch (Sum) ohne Bestimmung des Gegenstandes (apprehensio simplex)“ (ebd.) sind, wird hier zwar einheitliche Verbindung im Objekt (Ich bin einfach, numerischidentisch, Subjekt des Urteils etc.) gedacht, jedoch nur vermittelst der logischen Funktion der Kategorie, d. h. dem unschematisierten reinen Verstandesbegriff und dessen Verknüpfungsfunktion [daher auch reallogisch und nicht bloß logisch, da bereits ein Objektbezug gedacht ist].106 Freilich ist das Selbstbewusstsein auch anhand seiner in die Zeit wirkenden synthetischen Handlungen bestimmbar und – cum grano salis – erkennbar,107 wenn es auch dadurch als reines Verbindungsvermögen nicht selbst erscheint und bestimmbar wird.
|| 106 Vgl. zu diesem Problemzusammenhang auch die einschlägige Darstellung Caimis (2002, S. 94ff. sowie 99f.), der zeigt, weshalb über das Ich, insofern es „nur als denkend (unter Ausschluß von allen sonstigen möglichen Bestimmungen) aufgefaßt wird“ (S. 95), keinerlei erkennende, d. h. synthetische Urteile möglich sind. Korrekterweise müsste es freilich lauten, dass von der reinen Apperzeption keine Erfahrungsurteile bzw. Erweiterungserkenntnisse über ein Objekt möglich sind, denn die analytischen Urteile über das Ich denke müssen, wie gesehen (Anm. 66, 92), immerhin als Erläuterungserkenntnisse gelten. Über das Ich als transzendentales Subjekt x kann selbst das nicht mehr behauptet werden, d. h., analytische Bestimmungen wie Einfachheit, numerische Identität etc. gelten streng genommen für das bloße Ich – wie es etwa für die praktische Philosophie Bedeutsamkeit besitzt – nicht, da man über dieses bloß isolierte Etwas schlechterdings gar nichts wissen kann. Wenn Deppermann erklärt, Kant beanspruche mit der behaupteten Identität seiner selbst die „Erkenntnis der Identität eines Selbst“, so trifft dies also insofern zu, als auch analytische Begriffsexplikationen veritable Erkenntnisse sind. Freilich, dies sei nochmal betont, keine erweiternde Erkenntnis über das Ich denke als eine numerisch-identische Substanz, sondern das Ich denke wird als ein- und dasselbe beharrliche Vermögen, gleichsam als Substanz in der Idee bloß gedacht, was keine Identitätsaussage über einen sinnlichen Gegenstand darstellt. 107 Wiederum ist es Caimi (2002, S. 99), der treffend feststellt, die durch die Selbstaffektion ausgelöste Selbstbeziehung des Ich dürfe „wohl als Erkenntnis des Ichs [besser des Ich denke, C.O.] bezeichnet werden, insofern die Selbstaffektion eine Erscheinung in der Sinnlichkeit hervorbringt; so daß wir behaupten dürfen: Jedesmal, wenn ich einen Gegenstand erkenne, erkenne ich zugleich das rein intellektuelle Ich als Erscheinung, […] als die räumlich-zeitliche Verwirklichung an einem Gegenstande, von jener Funktion der Synthesis, in der das reine intellektuelle Ich besteht“.
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3.2 Unzulässige Bestimmungen des Ich Trotz der im 2. Anhang verhandelten Schwierigkeiten ist klar, dass eine erweiternde, sprich: synthetische Gegenstandserkenntnis weder vom Ich denke als dem Vermögen des reinen Selbstbewusstseins noch vom transzendentalen Ich, als dem zugrundeliegenden Träger x, möglich ist. Ausgeschlossen ist mit jener verobjektivierenden Selbstsetzung damit also auch die Erkenntnis eines reinen Ich, wie es an sich selbst, ohne Beziehung auf Mannigfaltiges und unabhängig von seiner Zeitlichkeit existieren würde. Ein so verstandenes, hypostasiertes Ich käme einer an sich selbst existierenden, zeitlich beharrlichen (fortdauernden) Substanz gleich. Als ein solches betrachtet es die rationale Psychologie, wenn sie synthetische Aussagen über das Ich statuiert, das als ein bestimmbares Objekt, nicht jedoch als Subjekt der Vorstellung behandelt wird. Aus Sicht des transzendentalen Idealismus ist die Verobjektivierung des Ich als eine über alle Zeit dauernde (geistige) Substanz freilich illegitim. Anlass zu der von der rationalen Seelenlehre begangenen Verwechslung bietet laut Kant die Schwierigkeit, dass durch das reine Ich nun nichts als ein transzendentales Subjekt der Gedanken vorgestellt [wird] = x […], [dessen] Vorstellung [wir uns] jederzeit schon bedienen müssen, um irgend etwas von ihm zu urteilen; eine Unbequemlichkeit, die davon nicht zu trennen ist, weil das Bewußtsein an sich nicht sowohl eine Vorstellung ist, die ein besonderes Objekt unterscheidet, sondern eine Form derselben überhaupt, so fern sie Erkenntnis genannt werden soll; denn von der allein kann ich sagen, daß ich dadurch irgend etwas denke. (A 346/B 404)
„[D]as Denken […] in ganz verschiedener Bedeutung“ (B 411, Anm.) nehmend und das Ich als substantiellen Gegenstand bestimmend, übersieht die rationale Seelenlehre zum einen, dass das „Subjekt der Gedanken“ (B 429) nicht gleichzusetzen ist mit der beharrlichen Substanz, wie sie in der Anschauung, und zwar nur der äußeren Anschauung gegeben werden kann. Einzig das materialbeharrliche Reale im Raume kann nämlich unter den Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz subsumiert werden. Dabei ist anzumerken, dass entgegen anderen Subsumtionen, die unter das transzendentale Schema bzw. den verzeitlichten reinen Verstandesbegriff selbst subsumieren (vgl. S. 224ff.), im Falle der Substanzkategorie das Schema der Beharrlichkeit offenbar kein Subsumtionskriterium ist.108 Denn wäre die Beharrlichkeit ein Subsumtionskriterium,
|| 108 Vgl. MAN, AA 04: 503: Dort konkretisiert Kant mit der materiellen Substanz im Raume den allgemeinen Substanzbegriff der Kritik dergestalt, dass hier die Anwendung des Grundsatzes der Beharrlichkeit der Substanz erst ein zweites Moment der Reflexion ausmacht. Denn damit
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ergäbe sich ein Induktionsproblem dergestalt, dass man im Einzelfall eine beobachtete Beharrlichkeit auch schon für alles Zukünftige feststellen können müsste, was unmöglich ist und, wie Hume schon konstatiert, zum ungültigen Schluss vom Vergangenen auf Zukünftiges führt. Aus diesem Grunde muss
|| dieser auf eine Erscheinung und diese also auch als beharrlich bestimmt werden kann, muss zunächst ein Etwas gefunden werden, dass die Subsumtion unter den Grundsatz ermöglicht, wodurch also die Kategorie der Substanz respektive der Grundsatz der Beharrlichkeit allererst realisiert wird. Zunächst also erklärt Kant die Nominaldefinition der Substanz als dasjenige, das „das letzte Subject der Existenz“ ausmacht. Bei der Suche nach einem solchen letzten Subjekt findet sich lediglich die „Materie [als] das Subject alles dessen, was im Raume zur Existenz der Dinge gezählt werden mag; denn außer ihr würde sonst kein Subject gedacht werden können, als der Raum selbst“, der aber etwas ist, das noch „gar nichts Existierendes, sondern blos die nothwendigen Bedingungen der äußeren Relation möglicher Gegenstände äußerer Sinne enthält“. Erst im Anschluss wird die Materie vermittelst der ‚1. Analogie‘ der Kritik, welche ja nur das allgemeine Kriterium für die Bestimmung einer Substanz liefert, als das beharrliche Reale bestimmt. Die wirkliche Existenz von Etwas im Raum, d. i. etwas für sich Bestehendem, das im Falle der Subsumtion einer möglichen Bestimmung der Seele als „ein Ding von unbestimmter Bedeutung, nämlich das [nicht weiter bestimmte, C.O.] Subject aller Prädicate“ (MAN, AA 04: 542, Anm.), nicht gegeben werden kann, ermöglicht erst die Anwendung der allgemeinen Regel der Kritik. – Hahmann (2009, S. 88), der insgesamt überzeugend die beiden Versionen der Beweise der ‚1. Analogie‘ analysiert und deutlich macht, dass entgegen der oftmals in der Sekundärliteratur erhobenen Vorwürfe Kants Beweise vollkommen schlüssig sind (vgl. S. 119), konstatiert die Verwendung unterschiedlicher Substanzbegriffe in der Kantischen Philosophie (vgl. ebd. sowie S. 174ff.). Dies ist zwar richtig, jedoch mag schon ein Blick in die Metaphysischen Anfangsgründe genügen, um festzustellen, dass Kant in der Tat von unterschiedlichen Substanzbegriffen ausgeht, insofern hier – Im Gegensatz zur Kritik – die konkrete, materielle Substanz im Fokus steht. Es ist aber diese materiale Substanz im Raum immer auch ein Fall des allgemeinen Substanzbegriffes, so dass die unterschiedlichen Darstellungsweisen (etwa der Kritik und der Metaphysischen Anfangsgründe) durchaus miteinander vereinbar sind, allerdings auf einem Weg, der Hahmann verbogen bleibt. So muss er denn zum Schluss kommen, dass nicht nur die Vereinigung von Kategorie und Schema der Substanz allein problematisch, sondern auch das Schema der Substanz „in sich selbst widersprüchlich“ sei, da das Unwandelbare im Dasein „kein individueller Gegenstand“ sein könne und „notwendig jede konkrete Gegenständlichkeit“ transzendiere, weshalb sie auch „auf keine einzelne Anschauung bezogen werden“ (S. 185) könne. Freilich ist es vor dem Hintergrund des Gesagten unproblematisch, sowohl von der Substanz als auch von jeder einzelnen Substanz (als einem Körper im Raum) zu behaupten, sie sei beharrlich, wenn auch der Weg der Subsumtion, wie gesehen, durchaus der Erläuterung bedarf. Ist Hahmann freilich für sein Bemühen zu loben, die verschiedenen Dimensionen des Substanzbegriffs auszuloten, so bleibt die Betrachtung über den Substanzbegriff, wie sie bei Röd (1991, S. 73) zu finden ist, völlig im Dunkeln. Seine Feststellung jedenfalls, die Substanz müsse nicht „im subjektivistischen Sinne als Denkform verstanden werden“ und somit auch „nicht auf ein Erkenntnisvermögen bezogen [werden], so daß Vorstellungen von Gegenständen durch dessen Funktionieren geprägt scheinen“, wozu es mithin keinerlei Synthesis bedürfe, ist zu undifferenziert und unterbeleuchtet.
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zunächst eine selbständige (materielle) Substanz im Raume beobachtet werden, d. h. „ein D i n g außer mir“ (B 275). Dieses wird vermittelst der bloßen Nominaldefinition zunächst als etwas Selbstständiges bestimmt, so dass durch diese Anwendung die Nominaldefinition zur inhaltlich erfüllt zu denkenden, synthetisch-konkretisierten Realdefinition, mithin die Materie als letztes Subjekt der Gedanken bestimmt wird. Daraufhin wird durch eine zweite Subsumtion unter den vollständigen Grundsatz dieses letzte Subjekt also auch als beharrlich bestimmt.109 Anders gesagt, es braucht ein materiales, für sich selbst bestehendes – obzwar noch unbestimmtes – äußeres Ding, damit Etwas unter den Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz subsumiert werden kann. Im Falle einer beabsichtigten Subsumtion des reinen Ich unter den Grundsatz, womit dieses als beharrliche Substanz bestimmt werden könnte, kann zwar das Ich noch als letztes Subjekt der Gedanken, mithin als Substanz in der Idee gedacht werden; es bleibt jedoch bei dieser bloß gedachten Bestimmung eines Objekts, da sich weder im inneren noch im äußeren Sinn eine beharrliche Anschauung vom Ich findet, die unter den Grundsatz zu subsumieren wäre, d. h. es lässt sich kein „Objekt überhaupt […], wie es in der Anschauung gegeben werden mag“ (B 411, Anm.), finden. Kann ich mich selbst also noch als Substanz in der Idee („Ich bin Substanz“) bezeichnen, so finde ich bei der Suche nach einem Etwas, mit dem dieser Satz inhaltlich gefüllt werden könnte, schlechterdings nichts. Die Verwendung des Substanzbegriffes entspricht also nur der bloßen, nicht inhaltlich erfüllten Nominaldefinition ‚Ich bin Substanz (als ein Träger von Akzidenzien)‘110, drückt daher eine bloße „Beziehung auf Sich, als Subjekt, (als die Form des Denkens)“ (B 411, Anm.) aus, während im Grundsatz bereits der schematisierte Substanzbegriff gedacht wird, also die Substanz unter Bedingungen der Sinnlichkeit steht. Der Grundsatz sagt bekanntlich immer schon Beziehung „auf die Anschauung“ aus und kann nur in Anwendung kommen, wenn ein „Objekt zum Denken gegeben wird“ (B 411). Insofern Ich folglich nicht als eine solche materielle Substanz in der Anschauung zur Bestimmung gegeben werden kann, bleibt auch die Bestimmung dieser Substanz als etwas Beharrliches aus; der scheinbare Schluss „Also bin ich eine beharrliche Substanz“ ist damit ungültig. Übrigens wird durch die Subsumtion unter den Grundsatz die Substanz (der materiale Körper im Raum) nicht nur als
|| 109 In diesem Fall ist der Schluss auf die Beharrlichkeit des Realen gültig, da nach dem allgemeinen Kriterium der ‚1. Analogie‘ etwas, das Substanz in der (hier äußeren) Erscheinung ist, auch beharren muss, damit der Wechsel der Erscheinungen überhaupt bestimmt werden kann. 110 Vgl. A 400: „Nun ist die bloße Apperzeption (Ich) Substanz im Begriffe, einfach im Begriffe etc.“
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beharrlich bestimmt, sie wird durch diesen Subsumtionsakt gleichzeitig überhaupt erst zur Substanz in vollem Sinn, d. i. ein beharrliches Reales in Raum und Zeit. Im selbstbezüglichen Denken, „in welchem das Ich immer zum Subjekt des Bewußtseins dient“, wird „also an gar kein Objekt gedacht […], sondern nur die Beziehung auf Sich, als Subjekt, (als die Form des Denkens) vorgestellt“ (B 411f.). Während „wir beim Denken überhaupt von aller Beziehung des Gedanken auf ein Objekt abstrahieren“, hält die rationale Psychologie die sich selbst thematisierende Vorstellung „fälschlich vor eine synthetische Vorstellung eines Objekts“ (A 397) und gibt „das beständige logische Subjekt des Denkens, vor die Erkenntnis des realen Subjekts der Inhärenz aus“ (A 350), d. i. eine beharrliche Seelensubstanz.111 Ein weiterer Grund, warum das Subjekt des Denkens niemals als zu bestimmendes Objekt in der Anschauung gegeben werden kann, liegt – nun mit Blick auf die Relation der Kausalitätskategorie – im Umstand begründet, dass das Subjekt der Gedanken als „Grund des Denkens“ (B 429) und aller Vorstellung zugrundeliegende Form (vgl. A 128) niemals selbst Objekt der Erkenntnis sein, mithin nicht als Folge bestimmt werden kann.112 Anders gesagt: Die beharrliche Ursache allen Denkens kann nicht selbst als Wirkung in der Zeit bestimmt werden, da sich ansonsten das Subjekt des Denkens gegen sich selbst gleichzeitig leidend verhalten müsste, was widersprechend ist (vgl. auch Kapitel 4.2.3, S. 123f.). Da ich dasjenige, „was ich voraussetzen muß, um überhaupt ein Objekt zu erkennen, nicht selbst als Objekt erkennen“ kann, so muss „das bestimmen-
|| 111 Vgl. hierzu Zobrist 2011, S. 86f.: „Die rationale Psychologie zielt […] nicht primär auf ein gänzlich in seiner subjektiv-reflexiven Grundstruktur aufgehendes ‚Ich‘, sondern auf die ontologische Ausdeutung desjenigen Dinges (res), dessen vielleicht auffälligstes Merkmal (neben anderen Bestimmungen) darin besteht, dass es denkt (d. h. eine res cogitans ist).“ Vgl. ebenso Horstmann 1993, S. 421 sowie Röd 1991, S. 63ff., 104ff., insbesondere S. 109f. Letzerer nennt eine Reihe von Argumenten gegen eine substantielle Bestimmung des Ich (insofern das Ich denke als Ursache aller Handlungen tatsächlich beharrlich in die Zeit wirkt, wird das Vermögen der Apperzeption schon als an eine beharrlich wirkende Substanz angebunden gedacht, allerdings bloß in der Idee. Der Fehler der fälschlichen Hypostasierung des Bewusstseins entspringt dabei, wie Klemme (1996, S. 310) zu Recht geltend macht, durch eine falsch subsumierende Urteilskraft: „Es ist […] dieselbe Urteilskraft, die einen speziellen Fall unter die allgemeine Regel des Syllogismus subsumiert, der unter ihr nicht enthalten ist, und zudem die Bedingungen des Denkens für die Erkenntnis des denkenden Vermögens nimmt.“ 112 Vgl. dazu auch Zobrist 2011, S. 122f. sowie Horstmann 1993, S. 415 sowie 417. Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem Horstmanns Feststellung, wonach das Ich denke auf ein diesem zugrundeliegendes „unerkennbares Substrat“ zurückgeführt werden müsse, um es überhaupt zu einer „‚gegenstandsbezogenen‘ Vorstellung“ zu machen (S. 418).
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de Selbst (das Denken) [das Ich denke, C.O.] von dem bestimmbaren Selbst (dem denkenden [empirischen, C.O.] Subjekt), wie Erkenntnis vom Gegenstande unterschieden“ (A 402) werden: Man muß hier das transscendentale und empirische Bewußtseyn wohl unterscheiden; jenes ist das Bewußtseyn Ich denke und geht aller Erfahrung vorher, indem es sie erst möglich macht. Dies transscendentale Bewußtseyn liefert uns aber keine Erkenntniß unserer Selbst; denn Erkenntniß unserer Selbst ist die Bestimmung unseres Daseyns in der Zeit und soll dies geschehen, so muß ich meinen innern Sinn afficiren. Ich denke z. B. über die Gottheit nach und verbinde mit diesen Gedanken das transscendentale Bewußtseyn (denn sonst würde ich nicht denken können), ohne mich mir dabei doch in der Zeit vorzustellen, welches geschehen müßte, wenn ich mir dieser Vorstellung durch meinen innern Sinn bewußt wäre. (Refl, AA 18: 610f.)
Der psychologische Paralogismus entsteht folglich durch die Verwechslung einer Vernunftidee (einer reinen Intelligenz) mit dem in allen Stücken unbestimmten Begriff eines denkenden Wesens überhaupt. Ich denke mich selbst zum Behuf einer möglichen Erfahrung, indem ich noch von aller Erfahrung abstrahiere, und schließe daraus, daß ich mich meiner Existenz auch außer der Erfahrung und den empirischen Bedingungen derselben bewußt werden könne. Folglich verwechsle ich die mögliche A b s t r a k t i o n von meiner empirisch bestimmten Existenz mit dem vermeinten Bewußtsein einer a b g e s o n d e r t möglichen Existenz meines denkenden Selbst, und glaube das Substantiale in mir als das transzendentale Subjekt zu e r k e n n e n , indem ich bloß die Einheit des Bewußtseins, welche allem Bestimmen, als der bloßen Form der Erkenntnis zum Grunde liegt, in Gedanken habe (B 426f.; vgl. auch A 349f., A 397, A 402f., B 421f., A 784f./B 812f.).
Zwar ist, wie Kant betont, die Seele „wirklich in der Zeit“ (Prol, AA 04: 337), doch ist mit Seele hier das bloße Gemüt (animus) thematisch, d. h. das empirische Bewusstsein als Gegenstand des inneren Sinnes allein, mithin die (unbeharrliche) Erscheinung meiner selbst und keine bleibende (unsterbliche) Seelensubstanz. Das ganze Wesen dieser Erscheinung liegt – wie gesehen – im empirischen Bewusstsein der eigenen zeitlichen Zustände, wodurch das Ich (als innerer Sinn in Form der Zeit) sich selbst in der Zeit anschaut und damit selbst zum Gegenstand macht: „Der innere Sinn, vermittelst dessen das Gemüt sich selbst, oder seinen inneren Zustand anschaut, gibt noch keine Anschauung von der Seele selbst als einem Objekt; allein es ist doch eine bestimmte Form, unter der die Anschauung ihres inneren Zustandes allein möglich ist.“ (A 21f./B 37) Es sei nochmals betont, dass weder im inneren noch im äußeren Sinn eine „be-
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harrliche Anschauung113 angetroffen wird“ (B 292), mithin kann keine „unentbehrliche Bedingung der objektiven Realität [jenes, C.O.] Begriffes, [...] zum Grunde gelegt werden“ (B 412), so dass der Begriff eines Wesens an sich dieser Seele vollkommen unbestimmt bleiben muss. Auch als „E r s c h ei n u n g d e s i n n er n S i n n es (Seele nach der empirischen Psychologie)“ kann ich niemals „außer meiner Vorstellungskraft in der Zeit existiere[n]“ (Prol, AA 04: 337). Aus der dargelegten Verwechslung resultieren weitere unzulängliche synthetische Urteile über das Ich „als Bewußtsein des Bestimmenden“ (B 407). Auch alle anderen Paralogismen begehen den Fehler, die rein logische Prädikation des Ich für objektiv-reale Bestimmungen einer abgesonderten Seelensubstanz zu halten. So wird die analytische Explikation des Ich als „logisch einfaches Subjekt“ fälschlich für eine synthetische Bestimmung des Ich als „einfache S u b s t an z “ (B 407f.) genommen. Jedoch, „[w]enn ich ein Ding ei n f ac h in der E r s c h ei n u n g nenne, so verstehe ich darunter, daß die Anschauung desselben zwar ein Teil der Erscheinung sei, selbst aber nicht geteilt werden könne“ (A 400), hingegen ist „das transz[endentale, C.O.] Subjekt aller inneren Erscheinungen, welches selbst nicht Erscheinung ist und also nicht als Gegenstand gegeben ist“ (A 478f./B 506f., Anm.), nur „einfach im Begriffe und nicht in der Erscheinung erkannt“ (A 400). Ebenso wird der Begriff des identischen Selbst, welcher „sich immer um sich selbst herum dreht“ (A 366), und der daraus folgende – analytische – „Satz der Identität meiner selbst bei allem Mannigfaltigen, dessen ich mir bewußt bin“, verwechselt mit „der Identität der Person […], wodurch das Bewußtsein der Identität seiner eigenen Substanz, als denkend Wesen, in allem Wechsel der Zustände verstanden wird“ (B 408). Die Identität des Bewusstseins meiner selbst in verschiedenen Zeiten als formale Bedingung der Erkenntnis „beweiset aber gar nicht die numerische Identität, meines Subjekts [als substantielle Erscheinung, d. i. Person, C.O.] in welchem ohnerachtet der logischen Identität des Ich, doch ein solcher Wechsel vorgegangen sein kann, der es nicht erlaubt, die Identität desselben beizubehalten; obzwar ihm immer noch das gleichlautende Ich zuzuteilen“ (A 363). Und auch die notwendige Unterscheidung „meine[r] eigene[n] Existenz […] von anderen Dingen außer mir […], wozu auch mein Körper“ (B 409) als „Fundamentalerscheinung“ (A 778/B 806) gehört, darf nicht zur Annahme eines an sich existierenden Be-
|| 113 Natürlich handelt es sich bei der hier doch uneigentlichen Formulierung um etwas Beharrliches in der Anschauung (das noch nicht als Substanz bestimmt gedacht wird), denn ansonsten würde die ‚Widerlegung des Idealismus‘ keinen Sinn ergeben, da hier ja gerade die Unabhängigkeit des beharrlichen Gegenstandes auch außerhalb der Vorstellung bewiesen werden soll, eine (unmögliche) beharrliche Anschauung aber eine Vorstellung wäre.
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wusstseins „ohne Dinge außer mir“ (B 409) führen. Immerhin ist „innere Erfahrung überhaupt nur durch äußere Erfahrung“ (B 278f.) möglich.
3.3 Selbsterkenntnis und ihre Bedingung Dieser letzte Gedanke und die Frage danach, ob „äußere Wahrnehmungen nicht ein bloßes Spiel unseres inneren Sinnes“ (A 368) seien, erweisen sich für Kant als so zentral, dass er in der B-Auflage der Kritik eigens durch die ‚Widerlegung‘ des Idealismus den Raum im Vergleich zur Zeit eine Aufwertung dahingehend erfahren lässt, dass sowohl die Anwendung der Kategorien als auch die Selbsterkenntnis, d. i. innere Erfahrung, nur durch die Anschauungsform des Raumes möglich sind (vgl. B 291ff.). Der Ausgangspunkt der Kantischen Argumentation ist dabei das Problem, dass die Vorstellung von etwas Äußerem „bloß äußere Einbildung“ sein könnte, so dass „wir nur einen inneren Sinn, aber keinen äußeren“ (B 277, Anm.) hätten. Die Feststellung, dass das empirisch bestimmte Daseinsbewusstsein nur durch etwas Beharrliches im Raum gesichert ist, zeigt aber, dass es einen äußeren Sinn geben muss, der etwas Bleibendes, d. i. das beharrliche Reale präsentiert, das keine selbstgewirkte Einbildung sein kann. Ohne das Beharrliche im Raum gäbe es keinen fixen Bezugspunkt, an dem das Subjekt die Erkenntnis seiner selbst festmachen könnte – z. B. ermöglicht „die Sonnenbewegung in Ansehung der Erde“ (B 278) allererst die räumliche und zeitliche Bestimmung meiner selbst als empirischen Bewusstseins. Das Gesagte hat freilich unmittelbare Auswirkungen auf die Beziehung reiner Apperzeption zur Anschauung. Obwohl die Zugehörigkeit von synthetischem Bewusstsein zur Zeitlichkeit von Kant immer wieder betont wird, würde die reine Apperzeption ohne Beziehung zur Räumlichkeit – und zwar hier zum Materialen im Raum – zwar nicht in bloßer Selbstbezüglichkeit, jedoch in ihrer eigenen Vorstellungssphäre verharren. Denn da „in dem was wir Seele nennen, […] alles im kontinuierlichen Flusse und nichts Bleibendes [ist]“ (A 381), mithin im „inneren Sinn gar nichts Beharrliches“ (B 413; vgl. B 275, B 292) angetroffen wird, alle Vorstellungen aber, sie „mögen entspringen, woher sie wollen, […] als Modifikationen des Gemüts zum inneren Sinn“ (A 98f.) gehören, so würde ohne den Raum als beharrliche Größe folglich überhaupt kein „bestimmbare[r] Gegenstand zu erkennen“ (A 381) gegeben, mithin auch keine Selbsterkenntnis möglich sein: [E]s ist mit […] inneren Erfahrungen nicht so bewandt, wie mit den äußeren von Gegenständen im Raum, worin die Gegenstände nebeneinander und als bleibend festgehalten erscheinen. Der innere Sinn sieht die Verhältnisse seiner Bestimmungen nur in der Zeit,
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mithin im Fließen, wo keine Dauerhaftigkeit der Betrachtung, die doch zur Erfahrung nothwendig ist, statt findet. (Anth, AA 07: 134)
Selbst „die Vorstellung von etwas B e h ar r li c h em im Dasein“, welche „sehr wandelbar und wechselnd sein [kann], wie alle unsere […] Vorstellungen“ (B XLI) und die es von der „b eh ar r li c h e[ n ] V o r s te l lu n g“ zu differenzieren gilt, gehört als Vorstellung zum inneren Sinn und muss sich letztlich, soll sie nicht innerlich unterschiedslos sein, auf etwas Beharrliches im Raum beziehen. Denn nur die „Erscheinung vor dem äußeren Sinn [hat] etwas Stehendes, oder Bleibendes, welches ein, den wandelbaren Bestimmungen zum Grunde liegendes Substratum […] an die Hand gibt“ (A 381). Nun sieht man sich mit dem Problem konfrontiert, dass der „Raum, darin [Gegenstände] angeschaut werden, nichts als eine Vorstellung“ (A 385), und zwar „nur in uns“ (A 373) ist. Insofern könnte die vermeintliche Vorstellung von äußeren Dingen doch „bloß äußere Einbildung“ (B 276, Anm.), folglich ein Produkt der Einbildungskraft und keine Vorstellung des äußeren Sinnes sein (vgl. B XL, Anm., B 276f., Anm.). Dergestalt müsste man selbst der Materie als der der Raumanschauung korrespondierenden Vorstellung ihre Beharrlichkeit absprechen. Allerdings zeigt die ‚Widerlegung‘ ja gerade, dass die Bestimmung meines Daseins in der Zeit sowie die gemachte innere Erfahrung etwas Beharrliches voraussetzt,114 das eben keine „Anschauung in mir“ ist, sondern „ein von [den Vorstellungen] unterschiedenes Beharrliches, worauf in Beziehung der Wechsel derselben, mithin mein Dasein in der Zeit, darin sie wechseln, bestimmt werden könne“ (B 275). Dieses Beharrliche115 kann nur der wirklich existierende Gegen|| 114 Eine dezidierte Darstellung der ‚Widerlegung des Idealismus‘ bietet Almeida (2013). Insbesondere ist er dafür zu loben, dass er die einzelnen Schritte des Beweises, speziell den schwierigen Passus am Ende, entwirrt. Hier zeigt sich, so stellt Almeida (vgl. S. 149f.) richtig fest, dass das Bewusstsein der Vorstellungen äußerer Dinge (als das „Bewußtsein der Möglichkeit der Zeitbestimmung“ (B 276) zugleich die Bedingung des eigenen Daseinsbewusstseins) mit der Existenz des äußeren Gegenstandes verknüpft ist, woraufhin der Schluss folgen kann, dass auch das eigene (empirische) Daseinsbewusstsein unmittelbar mit diesem verknüpft ist. Heidemann (1998, S. 115) erklärt entsprechend: „Denn trifft es zu, daß die Bestimmung meines Daseins in der Zeit nur durch die Existenz der Außenwelt möglich ist, und ist das Bewußtsein meines Daseins mit dem Bewußtsein dieser Möglichkeit, die allein durch die Wirklichkeit äußerer Gegenstände gegeben ist, notwendig verbunden, dann ist mein zeitbestimmtes Daseins-Bewußtsein ebenso notwendig mit der Existenz äußerer Gegenstände verbunden. Die Möglichkeit der Bestimmung meines Daseins in der Zeit liegt eben ausschließlich in der Wirklichkeit der ‚Dinge außer mir‘, derer [sic] ich mir aufgrund dieser Möglichkeit unmittelbar bewußt bin.“ Vgl. auch Baumanns 1997, S. 676ff. 115 „[D]iese [vorausgesetzte, C.O.] Beharrlichkeit“, welche nicht „aus äußerer Erfahrung geschöpft, sondern a priori als notwendige Bedingung aller Zeitbestimmung“ (B 278) gedacht
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stand außer mir sein, der „die Bestimmung meines Daseins in der Zeit“ (B 275) ermöglicht, weshalb – so das Ergebnis der ‚Widerlegung‘ – „innere Erfahrung selbst nur mittelbar und nur durch äußere möglich ist“ (B 277). Die Feststellung bestätigt das vorhin Gesagte (vgl. S. 77ff.), wonach die Subsumtion unter den Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz das bereits im Raum gegebene, quasi-selbstständige Beharrliche voraussetzt, mithin kann nicht die Beharrlichkeit des Grundsatzes das Subsumtionskriterium für die einzelne Erscheinung unter den Grundsatz sein. Das beharrliche Reale der ‚Widerlegung‘ hat somit einen komplett anderen Status als das beharrliche Reale in der ‚1. Analogie‘.116 Denn die ‚Analogie‘ ist die Vorstellung des Grundsatzes der Beharrlichkeit der Substanz, die als allgemeine Bedingung der Zeitbestimmung noch gänzlich offen lässt, wo dieses Beharrliche existiert, ob im inneren oder äußeren Sinn. Sie zeigt lediglich, dass die Substanz das Beharrliche in der Erscheinung ist. Folglich wäre das allgemeine Kriterium der Substanz, dass sie ein – in Raum oder Zeit befindliches – beharrliches Reales sein muss, was sich – vor
|| wird, ist deshalb nicht hinreichend, weil sowohl die Selbsterkenntnis als auch die Möglichkeit der Gegenstandsbestimmung einen kategorialen Reflexionsakt des reflexiven, reinen Selbstbewusstseins (Ich denke) erfordert, der zur formalen Zeitbestimmung allerdings nicht auf ein beharrliches Äußeres angewiesen ist. Vgl. dazu die Untersuchung Heidemanns 1998, S. 116ff., der zeigt, warum neben der prinzipiellen Notwendigkeit des äußeren Gegenstandes für die Daseinsbestimmung auch das Ich denke „als das formale Bestimmungsprinzip der Inhalte des Denkens“ (S. 119) notwendig ist. Vgl. dazu auch Kaulbach 1967, S. 66. Entscheidend ist für die ‚Widerlegung‘ nur, das mit dem Beharrlichen außer mir etwas prinzipiell Bestimmbares vorausgesetzt wird, dass eine notwendige Bedingung für innere sowie äußere Erfahrung gleichermaßen ist. Die Art und Weise aber, wie dieses beharrliche Ding bzw. mein damit verbundener subjektiver Gemütszustand gemäß objektiver Zeitbedingungen bestimmt wird, kann allein die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft offenlegen, worauf Heidemann ebenfalls verweist (ebd., S. 128, 139). Somit „bestimme ich mein Dasein in der Zeit, indem ich die im inneren Sinn auftretenden Vorstellungen“ (S. 139) nach kategorialen Maßstäben objektiv strukturiere. Wie im nächsten Kapitel ausführlich zu diskutieren sein wird, ist auch der ‚Schematismus‘ als reine Zeitbestimmung zwar eine „allgemeine Bedingung“ (A 140/B 179) für objektive Erkenntnis, damit jedoch noch nicht hinreichend. Die Bestimmung der Zeit im Modus der Beharrlichkeit bedarf faktisch auch der Beziehung zu äußeren Gegenständen im Raum, um als gegenstandskonstitutiv gelten zu können. Vgl. dazu auch Hahmann 2009, S. 84ff., 125ff. 116 Heidemann (1998, S. 112) ist also zuzustimmen, wenn er erklärt, „[d]ieses Beharrliche [sei] nach Kant nichts anderes als die Materie“. Ferner sei an dieser Stelle einem möglichen Missverständnis vorgebeugt: Dass die Materie für sich als beharrlich bestimmt werden kann (vgl. B 278, 291), was synthetisch zugeht (Beharrlichkeit ist ein notwendiges synthetisches Attribut der Materie, d. h. der Substanz im Raume), steht nicht im Widerspruch zur Erklärung Kants, „in dem Begriffe der Materie [sei] nicht die Beharrlichkeit, sondern bloß ihre Gegenwart im Raume durch die Erfüllung desselben“ (B 18) enthalten, weil letzteres nur eine analytische Begriffsbestimmung des Begriffs der Materie ist.
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dem Hintergrund der ‚Widerlegung‘ – als materiale Substanz überhaupt im Raum konkretisiert. Es lohnt ferner, in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zu treffen zwischen Beharrlichkeit als einem „Dasein zu aller Zeit“ (A 185/B 228, A 242/B 300), welches zu denken ist als bloße Idee einer permanenten Synthesis durch alle Zeit hindurch, und Beharrlichkeit dessen, „was eine Zeit hindurch existirt, d. i. dauret“ (MAN, AA 04: 485), d. h. zwischen dem beharrlichen Dasein eines Gegenstandes (der auch als konkrete Substanz ein Fall der Substanz überhaupt ist und somit ebenfalls durchgängig beharrlich ist) und seinen spezifischen, wandelbaren Akzidenzien zu einer bestimmten Zeit,117 d. h. in einer endlichen Zeit von a – b in diesem Zustand existierend, nicht aber darüber hinaus. Wenn die ‚Widerlegung‘ auch das allgemeine Kriterium für Erfahrung offenlegt, nämlich „daß es wirklich äußere Erfahrung“ gibt, muss „in jedem besonderen Falle ausgemacht werden“, ob den mir „gegebenen Anschauungen […] wirklich Objekte außer mir korrespondieren, und die also zum äußeren Sinne gehören, welchem sie und nicht der Einbildungskraft zuzuschreiben sind“ (B XLI). Zwar liegt ein Kriterium der Unterscheidung von Wirklichkeit und Traum darin begründet, dass im Traum die Vorstellungen der Dinge als „die bloße Wirkung der [empirischen, C.O.] Einbildungskraft“ (B 278) subjektiv aufeinander folgen, obzwar sie nicht notwendig nach objektiven Gesetzen miteinander verbunden sein müssen. Dasjenige, was den Traum von Wirklichkeit jedoch sicher unterscheidet, ist erst die Zusammenstimmung der objektiven Gesetzmäßigkeiten mit „Empfindung [der] wirkliche[n] Gegenwart des Gegenstandes [d. h. des real existierenden, materialen Gegenstandes im äußeren Sinn,
|| 117 Durch diese Differenzierung umgeht man zugleich die von Strawson (1969) zum Problem erhobene, changierende Formulierung im Beweis der ‚1. Analogie‘, die zur Verschiebung der Substanz (im Singular, in der ursprünglichen Formulierung des Beweises) zu den ‚Substanzen‘ (im Plural) führt. Vgl. ebd., S. 130: „The shift from “substance” in the singular (in the original statement of the proof) to “substances” in the plural is puzzling enough.“ Da die Quantität der Substanz jedoch nicht vermehrt oder vermindert werden kann – so das zweite Resultat des Grundsatzes – ist es völlig beliebig, ob man von der Beharrlichkeit der Substanz spricht (was sich an der beharrlichen bzw. stehenden Linie in Bezug auf einen sich in ihr bewegenden Punkt darstellen lässt), oder der spezifischen Substanz vieler Einzelsubstanzen, die nur im Raum zu denken sind. – Strawsons Forderung, Gegenstände als zu einem identischen, dauernden räumlichen System gehörig anzusehen und Ereignisse als in ihm geschehend aufzufassen, wozu dann empirisch anwendbare Kriterien der Beharrlichkeit und Identität erforderlich sind, fußt übrigens direkt auf dem Boden der vorhin kritisierten – und aus Kantischer Sicht unzulässigen – ontologischen Deutung von Raum und Zeit. Vgl. BS 132: „[W]e must see objects as belonging to, and events as occurring in, an identical, enduring spatial framework. For this in turn to be possible, we must have empirically applicable criteria of persistence and identity.“
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C.O.]“ (A 50/B 74). Es ist also die Kohärenz der Erscheinungen nach den ‚Analogien der Erfahrung‘, die die reale Wirklichkeit der Dinge gewährleistet. Folglich braucht es sowohl den selbständigen Gegenstand im Raum als einen Gegenstand der Empfindung als auch den passenden Grundsatz der Erfahrung. Wenn das wirkliche Objekt als ein selbständiger Gegenstand der Empfindung im Raum nicht gegeben wird bzw. gegeben werden kann (d. h., wenn er hier als bloße Vorstellung im Raum, die genau genommen dem inneren Sinn zuzuordnen ist und bloße Einbildung sein kann, nicht „durch Zusammenhaltung mit den Kriterien aller wirklichen Erfahrung [als ein solcher, C.O.] ausgemittelt“ werden kann), haben wir es nur mit Einbildungen zu tun. In den Bereich real möglicher Erfahrung würde dabei all das fallen, was sich in die Anschauungsformen von Raum und Zeit sowie die mögliche kategoriale Bestimmung fügen würde – so eröffnet der Raum etwa „die Vorstellung der bloßen Möglichkeit des Beisammenseins“ (A 374). Als Form des Denkens könnte der Begriff des Ich denke also niemals Gegenstand einer möglichen Erfahrung werden, ein futuristisches Flugzeug oder ein noch nie dagewesenes Tier wie das Einhorn dagegen schon.118 Um über die Wirklichkeit des Gegenstandes zu befin-
|| 118 Allerdings wäre zu überlegen, ob man hier den Bereich der realen Möglichkeit nicht noch einmal abgrenzen müsste von demjenigen Bereich, in dem etwas zwar widerspruchsfrei denkbar sowie in Raum und Zeit konstruierbar wäre, jedoch – aus anderen Gründen als etwa der Begriff des Zweiecks, der prinzipiell nicht real möglich ist, da er nicht im Raum konstruiert werden kann – schwerlich als ein möglicher Gegenstand der Erfahrung auftreten könnte, weil ansonsten, wie Motta (2012, S. 228) völlig richtig darlegt, ein jedes „Hirngespinst“ bzw. eine jede „Chimäre“ schon in den Bereich der realen Möglichkeit fallen würde. So wären Dinosaurier, die schon einmal existierten, oder noch nie dagewesene Raumschiffe durchaus real möglich, bloße Phantasiewesen wie der Werwolf oder der Vampir dagegen nicht. Zur Differenz von realer und logischer Möglichkeit vgl. auch Grünewald 1986, S. 10ff sowie S. 168 und Anm. 129. Jedoch sind seine detaillierten Ausführungen zum Unterschied der Begriffe des Daseins und der Existenz (S. 97ff.), im Zuge dessen er die subjektiven Reflexionsbegriffe der Modalität zu echten, objektkonstituierenden Kategorien erhebt (vgl. S. 98f.), nicht immer zutreffend. Das Dasein der Dinge ist mit den Relationskategorien gesetzt und wird in den Modalitätskategorien bloß seiner realen Möglichkeit, Wirklichkeit oder Notwendigkeit nach erwogen (vgl. Anm. 96). Wenn Grünewald erklärt, der Begriff der Wirklichkeit für sich genommen setze „noch keine reale Gegenständlichkeit“ (S. 103) voraus, dann stimmt dies insofern nicht, als mit der Kategorie der Wirklichkeit das Dasein eines Gegenstandes als faktisch existierenden, realen Gegenstands der Empfindung gesetzt ist. Das Dasein des Gegenstandes wird hier also als ein faktisch wirkliches aufgefasst – im Unterschied zum bloß möglichen, formalen Dasein (‚Schematismus‘) oder der möglichen (immer noch formalen) Wirklichkeit des Daseins (‚1. Analogie‘ und ‚Widerlegung‘). Vor diesem Hintergrund kann dann auch schwerlich behauptet werden, das Dasein eines Sachverhalts sei „nicht auf ‚reale‘ Sachverhalte (oder Gegenstände) eingeschränkt“ (ebd.), bezieht sich dieses doch immer auf den Gegenstand der Empfindung. Dass letzterer
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den, dazu braucht es eben das Beharrliche im Raum außer mir, welches in der Transzendentalphilosophie freilich immer nur ein mögliches Wirkliches sein kann, da diese immer nur die Bedingungen einer möglichen Erfahrung überhaupt thematisiert (vgl. dazu Anm. 124 und 129, auch Kapitel 5.4.3). Objektive Realität im eigentlichen Sinne haben die Kategorien also nur dann, wenn sie sich auf „äu ß er e A n s c h a u u n g“, d. i. auf eine „Anschauung im Raume“ (B 291) beziehen. Die Unterscheidung von Traum und Wirklichkeit ist daher nicht ganz so leicht, wie Kant noch im 4. Paralogismus der 1. Auflage meint, wenn er erklärt: „Empfindung ist also dasjenige, was eine Wirklichkeit im Raume und der Zeit bezeichnet, nachdem sie auf die eine, oder die andere Art der sinnlichen Anschauung bezogen wird.“ (A 374f.) Auch ein Gegenstand der Einbildung, der vielleicht schon wirklich existiert hat, wie der verstorbene Onkel, ist ein Gegenstand der Empfindung. Dass es aber kein aktuell real existierender Gegenstand ist, kann nur dadurch eingesehen werden, dass ich im konkreten Fall die Substanzkategorie nicht auf ein wirklich Beharrliches außer mir anwenden kann. Es soll das sich hier manifestierende Übergangsproblem zwischen transzendentalem Idealismus im Sinne reiner Subjektimmanenz und (quasiontologischer) Theorie eines als unabhängig vom Subjekt gedachten Gegenstandes noch einmal von anderer Seite aus beleuchtet werden. Zunächst einmal ist mit Schema desjenigen, „was jederzeit ist, d. i. etwas Bleibendes und Beharrliches“ (A 182/B 225), das Beharrliche einer reinen Zeitbestimmung intendiert, die nicht vom Raum abhängt und als die Darstellungsmethode zwar vom Raum abstrahieren, wenngleich nicht ohne Rekurs auf ihn vorgestellt werden kann. Ange-
|| selbst nicht unproblematisch ist, insofern ihn Kant „noch überhaupt nicht innerhalb seiner neuen kritischen Konzeption, sondern noch gänzlich außerhalb von ihr in einer ebenso empiristischen wie cartesianischen Tradition“ sieht, macht Prauss (1991, S. 76) deutlich. Jedoch muss man sich hier vor Augen halten, dass Kant den Begriff (des Gegenstandes) der Empfindung nie im Sinne der wirklichen, sondern nur der möglichen Empfindung auffasst. Heidemann (1998, S. 62) stellt sehr schön den Unterschied zwischen dem Begriff des Wirklichen und dem Begriff des Realen heraus. Kant bezeichne „mit Wirklichkeit zumeist die Existenz oder das Dasein von etwas in der Anschauung bzw. in der Wahrnehmung Gegebenem, dessen sinnlicher Gehalt das (qualitative, sachhaltige) Reale heißt“. Dabei führe erst „die Beziehung eines Erfahrungsgehaltes auf unsere Erkenntnisvermögen […] zu dem Urteil: das in der Anschauung durch Empfindung Wahrgenommene ist wirklich“, was so viel bedeutet, wie dass die Sachhaltigkeit als eines durch Empfindung gegebenen Etwas durch die Kategorie der Modalität auch als wirklich bestimmt wird (und zwar das Dasein des Gegenstandes betreffend, was wiederum durch die Kategorien der Relation, allen voran der Substanzkategorie bestimmt wird, nämlich ob das Reale eine Daseinsweise als Substanz oder Akzidenz besitzt).
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sichts der Tatsache, dass die eine, sich als dieselbe durchhaltende Apperzeption, die also selbst etwas „Stehende[s] in der Zeit“ (B XLI) ist, alle nacheinander beharrlich bestimmten Teile in der Einheit ihres Bewusstseins zusammenhält, erhält der innere Sinn – in dem ursprünglich eben nichts Bleibendes vorgestellt wird –, „eine Größe, die man Dauer nennt“ (A 183/B 226). Nun erfordert aber die Vorstellung von etwas Beharrlichem im Dasein zu ihrer Anwendung, insofern jenes – der ‚Widerlegung‘ entsprechend – letztlich doch ein Vorgestelltes bleibt, als solches wiederum einen bleibenden Bezugspunkt außerhalb im Raum. Die Zeit, „in der aller Wechsel der Erscheinungen gedacht werden soll“ und die für sich genommen auch etwas Bleibendes und Beharrendes ist, verlangt, da sie „für sich [aber] nicht wahrgenommen werden kann“, nach dem Beharrlichen als dem Substratum, „welches [als in den Gegenständen der Wahrnehmungen, d. i. in den Erscheinungen und das bedeutet letztlich wieder im Raum anzutreffen, C.O.] die Zeit überhaupt vorstellt, und an dem aller Wechsel oder Zugleichsein durch das Verhältnis der Erscheinungen zu demselben in der Apprehension wahrgenommen werden kann“ (B 224f.). Dieses „Stehende in der Zeit“, das als der materielle Gegenstand im Raum ausgewiesen wird, ist dann auch dasjenige, „dessen Zugleichsein mit dem Wechselnden den Begriff der Veränderung hervorbringt“ (B XLI), wohingegen die Zeit – treffend charakterisiert – „beständig fließt“ (B 291). Als ein solches Stehendes und Bleibendes muss freilich auch die Apperzeption gedacht werden, jedoch fehlt hier die „stehende und bleibende Anschauung“ (A 350), die ein notwendiges Kriterium für Selbsterkenntnis ist.119 Spricht Kant von dem wirklich existierenden Gegenstand außer mir, so ist freilich keine für sich bestehende Existenz eines Dinges an sich gemeint, son-
|| 119 Genau genommen sind es drei Bedingungen der Möglichkeit der Zeitbestimmung zur Erkenntnis von Gegenständen: 1. Die Zeit als Form der Anschauung. 2. Das beharrliche Substratum als Repräsentant der Zeit, d. i. die Substanz. 3. Das reine Selbstbewusstsein Ich denke als der formale Grund aller Vorstellung. In formaler Hinsicht gilt für das Ich denke als ein stehendes und bleibendes, jede Vorstellung begleitendes Vermögen, dass es Vorstellungen jederzeit durchlaufen und in ihrer zeitlichen Abfolge unterscheiden kann, obschon es den Wechsel der Vorstellungen jederzeit begleitet und mit allen Vorstellungen zugleich ist. Deppermann (2001, S. 133) weist darauf hin, dass das begleiten könnende Bewusstsein als die Vorstellung Ich denke mit der von ihm vorgestellten Vorstellung „zu einer Vorstellung geeint“ wird, da nach Kant „zwei simultane Vorstellungen […] ‚in einem Augenblick‘ nicht möglich“ sind. Freilich ist es etwas unglücklich, von der Vereinigung zweier Vorstellungen zu sprechen, ist das Ich denke ja ausgewiesenermaßen als Form und Grund der Reflexion keine erst durch kategoriale Reflexion zu erzeugende und verbindbare, mithin auch keine unter Zeitbedingungen stehende Vorstellung. Wenn es heißt, sie sei von keiner weiteren Vorstellung begleitbar (vgl. B 132), bedeutet dies – wie die vorige Betrachtung einsichtig machen sollte – nur, dass es kein tieferliegendes „Bewusstsein von“ Vorstellungen geben könne.
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dern ein empirisch äußerlicher Gegenstand120 (vgl. A 373), der – in Vermeidung eines Solipsismus – auch unabhängig vom konkreten Vorstellungsvollzug eines einzelnen Subjekts für sich besteht, jedoch nicht völlig unabhängig existieren kann, mithin ein vorstellendes Subjekt überhaupt voraussetzt. Ferner bleibt der äußere Gegenstand als ein „Gedanke in uns“ (A 385; vgl. B 427) respektive als ein durch ihn Gedachtes insofern immer auch ein Vorgestelltes, d. h., er wird als beharrlich gedacht. Ähnliches gilt für den Status der Materie im Raum. Insofern die Beharrlichkeit der Materie einerseits „nicht aus äußerer Erfahrung geschöpft […] die notwendige Bedingung aller Zeitbestimmung [ist], mithin auch als Bestimmung des inneren Sinnes in Ansehung unseres eigenen Daseins durch die Existenz äußerer Dinge vorausgesetzt“ (B 278) werden muss, scheint auch sie – als dem Raum korrespondierend – eine ebensolche notwendige Bedingung für die Zeitbestimmung zu sein. Als eine Vorstellung ist die Materie – wie alle Vorstellungen – selbst aber wieder abhängig und bezieht sich doch auf etwas Beharrliches, welches also ein von allen meinen Vorstellungen unterschiedenes und äußeres Ding sein muß, dessen Existenz in der B e s t i m m u n g meines eigenen Daseins notwendig mit eingeschlossen wird, und mit derselben nur eine einzige Erfahrung ausmacht, die nicht einmal innerlich stattfinden würde, wenn sie nicht (zum Teil) zugleich äußerlich wäre (B XLI, Anm.).
Ob es sinnvoll ist, Materie und Beharrliches im Raum zu trennen, ist (mit Verweis auf Anm. 116) zumindest fraglich. Letztlich gilt es drei wesentliche Aspekte festzuhalten: Einmal bleibt in Hinblick auf die Anwendungsmöglichkeit der Kategorien festzustellen, dass es zur Gegenstanderkenntnis und Erkenntnis meiner selbst in der Tat etwas wirkliches Existierendes im Raum braucht – von der bloßen Möglichkeit der reinen Zeitbestimmung in Gedanken wird noch in anderem Zusammenhang die Rede sein; auch sie setzt den Raum voraus, allerdings nur den Raum als innere Anschauungsform (die genau genommen dem inneren Sinn zufällt), nicht aber den materiell-substantiell erfüllten Raum. Sprich: Wenn hier von Realisation der Kategorien die Rede ist, dann meint dies nicht die objektive Realität der bloßen Möglichkeit nach, sondern bezieht sich auf das wirkliche Dasein des Gegenstandes im Raum außer mir, auf den die Kategorien bezogen werden sollen. Zweitens bleibt positiv festzustellen, dass das Ich denke, welches zunächst als ein sich synthetisch bloß auf die Zeit erstreckendes reines Selbstbewusstsein
|| 120 Vgl. dazu Prauss 1971, S. 36, 91, 114, der diesen Gegenstand als empirisches Ding an sich bezeichnet. Vgl. auch Prauss 1989, S. 47ff.
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offenbar wird, durch eine ebenso notwendige Beziehung zur räumlichen Anschauung in gleicher Weise zu charakterisieren ist als eine auf äußere Gegenstände gerichtete Innerlichkeit. Angesichts der Tatsache, dass Denken letztlich immer Gegenstandsdenken und somit gegenstandskonstitutiv ist, mithin seine reale Grundlage nur als Bewusstsein von Dingen außer mir erhält, muss das Ich – bildlich gesprochen – immer aus seiner Innerlichkeit nach außen treten, um Erkenntnis zu ermöglichen.121 Drittens gilt es nun für die mögliche Selbsterkenntnis des Ich, insofern es sich bloß im inneren Sinn erscheint, was in diesem Zusammenhang der möglichen Verwechslung einer „absoluten Beharrlichkeit [der Seele] über das Leben hinaus“ vorbeugen sollte, zu präzisieren: Eine Erkenntnis des Ich ist nur möglich, insofern das reine Ich sich zugleich im äußeren Sinne, d. i. in seiner Körperlichkeit, erscheint. Denn obschon die Seele an sich nicht als beharrliche (geistige) Substanz erkannt werden kann, ist „ihre Beharrlichkeit im Leben, da das denkende Wesen (als Mensch) [als leibliches Wesen, C.O.] sich zugleich ein Gegenstand äußerer Sinne ist, für sich klar“ (B 415; vgl. A 342/B 400). Innere Erfahrung ist also auch nur dadurch möglich, dass das empirische Ich des inneren Sinns zugleich leibliches Subjekt, d. h. äußeres Objekt ist, das vermittelst kategorialer Reflexion bestimmt werden kann. Sprich: Erfahrungsurteile über das empirische Ich sind nur über das leibliche Dasein möglich. Davon zeugt auch Kants These, wonach Kategorien nur in Beziehung auf äußere Anschauung objektive Realität besitzen. Inwiefern aber der beharrliche Leib als materieller Körper tatsächlich ein Kriterium für die „Identität der Person“ (B 408) liefert, die laut Kant gerade nicht einsehbar sein soll, wird nicht recht deutlich. Zwar würde der Leib, selbst wenn er eine Veränderung erlitte (z. B. der Verlust eines Beines) seine Identität nicht verlieren, da die Substanz beharrt (und der Leib – cum grano salis – auch als eine Substanz betrachtet werden kann). Dem steht jedoch entgegen, dass hinsichtlich der „numerische[n] Identität meines Subjekts“ durchaus ein „Wechsel [durch den Wechsel der Personen der Substanzen, vgl. B 408] vorgegangen sein kann, der es nicht erlaubt, die Identität desselben beizubehalten“ (A 363), so dass die Identität einer Person nicht an seiner Körperlichkeit festge|| 121 Vgl. Sturma (1985, S. 56, 153), der die Gerichtetheit intentionalen Bewusstseins speziell auf den Ort betont. Dörflinger (2000, S. 83; vgl. auch S. 85, 91) macht in gleicher Weise geltend, dass Kant mit dem Sich-Beziehen des Selbstbewußtseins auf außer ihm liegende Dinge „vermieden sehen [will], einerseits ein Selbstbewußtsein in reiner Selbstbezüglichkeit zu statuieren und andererseits es als mit sekundären, ihm fremden räumlichen Vorstellungen besetzt aufzufassen, woraufhin Schlüsse auf ein ebenso fremdes An-sich des Gegenstandes dieser Vorstellungen (des Raumes als eines wirklichen Wesens) stattfinden müßten.“
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macht werden könnte und – entgegen Kants Annahme – die Seele (hier im Sinne von animus, nicht anima als Seele an sich) auch im Leben nicht beharrlich wäre. Folglich müssten leibliche und personale Identität getrennt aufgefasst werden, mithin wäre die Seele, d. i. der Mensch als denkendes Wesen, ein bloßer Gegenstand des inneren und nicht zugleich auch des äußeren Sinns. Ob diese Unterscheidung jedoch sinnvoll ist, kann hier nicht weiter verfolgt werden.
4 Handlungen der Synthesis 4.1 Reine und empirische Synthesis der Einbildungskraft Als das Vermögen der Begriffe gehört der reine Verstand – die abstraktive Trennung der Kritik aufgreifend – bekanntlich auf die Seite der ‚Transzendentalen Logik‘, die „ein Mannigfaltiges [nun beschränkt auf das der, C.O.] Sinnlichkeit a priori vor sich liegen [hat], welches die transzendentale Ästhetik ihr darbietet, um zu den reinen Verstandesbegriffen einen Stoff zu geben, ohne den sie ohne allen Inhalt, mithin völlig leer sein würde[n]“ (A 76f./B 102), d. i. bloße Gedankenformen blieben (vgl. B 148, 150, 288, 305, 309). Ohne notwendige Beziehung zum in der Anschauung gegebenen Mannigfaltigen fehlte dem Verstand als Verbindungsvermögen das sinnliche Material, worauf er seine „Funktion[en] des Denkens“ (A 70/B 95) anwenden könnte. Zwar kann der Verstand auch reines Mannigfaltiges des bloßen Denkens miteinander verbinden (vgl. Anm. 75), mithin hätten auch die daraus entspringenden Urteile Gehalt;122 doch wären solche Urteile letztlich nicht sinnvoll, da die Endabsicht allen Urteilens synthetische Urteile mit raum-zeitlicher Bedeutung sind. Die ganze Realität des Verstandes, die in seiner bloßen Möglichkeit begründet liegt (vgl. B 419), ist eben nur durch dieses Bezugnehmen auf unsere sinnliche Anschauung gerechtfertigt. Bei der gesonderten Betrachtung des Verstandes wurde das Ich denke (als Ausdruck des reinen Selbstbewusstseins) aufgrund seiner Fähigkeit zur Synthesis als die Fundamentalbedingung der Vereinigung von Vorstellungen zum Zwecke einheitlicher Erkenntnis erklärt. Gezeigt wurde also, dass für einheitliche Erfahrung die Verbindung von Vorstellungen überhaupt in einem Selbstbewusstsein möglich sein muss. Doch blieben die unterschiedlichen Weisen der Synthesis und die speziellen Funktionen des Denkens bisher ebenso unbe-
|| 122 Das reine Mannigfaltige des Denkens wären die Momente der bloßen Verbindungsvorstellung der reinen Kategorie, die eben synthetische Einheit des Mannigfaltigen denkt, so etwa in der bloßen Nominaldefinition der Substanz als eines realen Trägers von Akzidenzien, die also die Unterscheidung und Verbindung von Substanz und ihren Akzidenzien aussagt (vgl. auch Anm. 75). Das empirische Mannigfaltige des Denkens wären hingegen, ebenfalls analytisch zu explizierende, gegebene empirische Begriffe wie im Satz „Gold ist ein gelbes Metall“. Da die empirische Apprehension des Mannigfaltigen nach gänzlich subjektiven Prinzipien verfährt und niemals kategoriale Einheit enthält und des zweiten Erkenntnisstammes entbehrt, so fällt auch Denken, wird es bloß subjektiv verstanden als höchstens in Wahrnehmungsurteilen ausdrückbares Reflektieren, eins zu eins mit Anschauen bzw. Wahrnehmen zusammen, so dass das empirisch Mannigfaltige immer eines der Anschauung und des Denkens (im weiteren Sinne) zugleich ist. Vgl. hierzu auch Anm. 134.
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stimmt, wie offen blieb, ob der Bestimmung des Gegenstandes durch kategoriale Reflexion nicht noch grundlegendere Synthesen vorausgehen. Denn bevor das unbestimmte (reine oder empirisch gegebene) Mannigfaltige in einer gegebenen Anschauung unter Kategorien gebracht (vgl. B 143) und damit „als zur n o t w e n d i g en Einheit des Selbstbewusstseins gehörig vorgestellt“ (B 144) werden kann, muss es schon so beisammen sein, dass der Verstand – als transzendentale Urteilskraft verfahrend – die nacheinander gesetzten und vereinigten Teile der Anschauung unter die passende Kategorie bringen kann. Andernfalls würden die Kategorien ohne Unterschied auf das Mannigfaltige angewendet bzw. es gäbe überhaupt keine einheitlichen Vorstellungskomplexe, die mittels kategorialer Reflexion erkennbar würden. Es muss das Mannigfaltige also schon vorbegrifflich so geordnet und verbunden sein, dass es „der Einheit der Apperzeption gemäß a priori in einem Begriff“ (A 142/B 181) vereinigt werden kann. Nun bedeutet dies in erster Linie eine Bestimmung des inneren Sinns und der Zeit als seiner formalen Bedingung, als welcher „alle unsere Erkenntnisse zuletzt […] unterworfen sind“, dahingehend, dass aus der bloßen Augenblicklichkeit der anschaulichen Vorstellung, die „als i n ei n em A u g en b l i c k en th a l te n , […] niemals etwas anderes, als absolute Einheit sein kann“, eine ausgedehnte und zusammenhängende Vorstellungswelt wird. Denn die Zeit, „in der die Folge der Eindrücke aufeinander unterschiede[n]“ (A 99) wird und „deren Kontinuität man besonders durch den Ausdruck des Fließens (Verfließens) zu bezeichnen pflegt“ (A 170/B 211f.; vgl. B 291), wird in ihrer primitivsten Form und vor aller Vereinigung ihrer Teile ohne eine Beziehung zu einem vorigen „Damals“ und zukünftigen „Dann“ gedacht, d. h. fernab von bestimmten Zeitpunkten oder Zeitabschnitten. Dementsprechend kann hier noch „keine Dauerhaftigkeit der Betrachtung, die doch zur Erfahrung nothwendig ist, stattfinde[n]“ (Anth, AA 07: 134). Obschon die mannigfaltigen Teile der Anschauung durch Synopsis bereits beisammen sind, sind sie noch nicht zusammengestellt bzw. auch noch nicht zusammengedacht. Wird das Zusammendenken als der eigentliche Erkenntnisakt im Sinne kategorialer Reflexion später ausführlich zu diskutieren sein, um zu zeigen, wie genau Vorstellungen von Erscheinungen alle zusammen unter die transzendentale Einheit der Apperzeption zu bringen sind, so gilt es nun zu verfolgen, welches Vermögen und welche Funktion das Verlassen der Augenblicklichkeit der anschaulichen Vorstellung möglich macht. Ohne die – in der Folge thematisch werdende und im Anhang des nächsten Kapitels als Funktion des Größenbegriffs näher charakterisierte – Fundamentalverbindung würde das Erkenntnissubjekt im bloß punktuellen Hier und Jetzt verharren, d. h., es würde
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sich keine zusammenhängende Erfahrungswelt eröffnen: „Wenn eine jede einzelne Vorstellung der anderen ganz fremd, gleichsam isoliert, und von dieser getrennt wäre, so würde niemals so etwas, als Erkenntnis ist, entspringen, welche ein Ganzes verglichener und verknüpfter Vorstellungen ist.“ (A 97) Neben dieser Bankrotterklärung für Erkenntnis überhaupt könnte man sogar mit Recht anzweifeln, ob hier überhaupt etwas Sinnvolles vorgestellt würde, insofern es bei bloß isolierten und gänzlich dunklen Gemütsbestimmungen bliebe. Es ist die Einbildungskraft, die es dem Erkenntnissubjekt ermöglicht, diese reichlich unbefriedigende Vorstellungssituation der schlechthin unmittelbaren anschaulichen Gegenwart zu verlassen: „Einbildungskraft ist das Vermögen, einen Gegenstand auch ohne dessen Gegenwart in der Anschauung vorzustellen.“ (B 151) Indem die synthetisierende Einbildungskraft die fragmentierten Teile der Sinnlichkeit, „mithin verschiedene Wahrnehmungen, [die] im Gemüte an sich zerstreut und einzeln angetroffen werden“ (A 120), zur Einheit der Anschauung verbindet, bewirkt sie räumliche und zeitliche Extension und ermöglicht ein artikuliertes, komplexes Anschauen, das nicht mehr an die Präsenz des Augenblicks gebunden ist. Obgleich im Falle dieses Synthetisierens der Gegenstand noch nicht gewusst, d. h. kategorial bestimmt ist, so vollzieht das Ich diese Handlung der Synthesis dennoch in Absicht auf ein Begreifen respektive – speziell die apriorischen Synthesen betreffend – auf ein gesetzlich geregeltes Vorstellen. Ob man nun die Einbildungskraft – der A-Auflage gemäß – als eigenständiges, „beide äußersten Enden, nämlich Sinnlichkeit und Verstand“ (A 124) verbindendes Vermögen, oder – wie in der B-Auflage – als in den Dienst des Verstandes gestellte Funktionsweise und dessen „erste Anwendung“ (B 152) auf die Sinnlichkeit verstehen will: In beiden Fällen ist sie „das erste, worauf wir Acht zu geben haben, wenn wir über den ersten Ursprung unserer Erkenntnis urteilen wollen“ (A 78/B 103). Wenn Kant Synthesis „in der allgemeinsten Bedeutung“ als die Handlung ausweist, „verschiedene Vorstellungen zu einander hinzuzutun, und ihre Mannigfaltigkeit in einer Erkenntnis zu begreifen“ (A 77/B 103), dann ist zunächst die Einbildungskraft intendiert und noch nicht das Moment der kategorialen Reflexion durch den Verstand: „Die Synthesis der Vorstellungen beruht auf Einbildungskraft, die synthetische Einheit derselben aber (die zum Urteile erforderlich ist), auf der Einheit der Apperzeption.“ (A 155/B 194) Während demnach die „Synthesis überhaupt“ als „bloße Wirkung der Einbildungskraft“ die „Elemente“ eines empirisch oder a priori gegebenen Mannigfaltigen „zu Erkenntnissen sammelt, und zu einem gewissen Inhalt vereinigt“, besteht die wesentliche Funktion des reinen Verstandes darin, die auf Einheit in der Anschauung abzielende Synthesis der Einbildungskraft „auf Begriffe zu bringen“,
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was „allererst die Erkenntnis in eigentlicher Bedeutung verschafft“ (A 78/B 103) – und dies setzt, wie gleich näher zu beleuchten sein wird, bereits auf Ebene der transzendentalen Synthesis einen Akt kategorialer Reflexion des Verstandes, in Form der im Dienste des Verstandes stehenden produktiven Einbildungskraft, voraus. Die Synthesis der Einbildungskraft ist, als „das zweite“, was „zum Behuf der Erkenntnis der Gegenstände a priori“ (A 78/B 104) notwendig ist und, insofern ein synthetisierbares Mannigfaltiges der Anschauung als ein noch Früheres gegeben sein muss, zumindest das erste intellektuelle Moment jeder Erkenntnis, mithin ist sie eine „Ausübung der Spontaneität“ (B 152); hingegen ist die „synthetische Einheit“ durch den Verstand erst „das dritte“, d. i. das zweite intellektuelle (A 78/B 104) Moment der Erkenntnis.123
4.1.1 Empirische Synthesis der Apprehension und Reproduktion Wurde bisher nicht explizit zwischen reiner und empirischer Synthesis unterschieden, dann hat dies seinen Grund darin, dass beide Arten der Synthesis einander entsprechen. Denn es korrespondiert dem „empirischen Gebrauch“ der Einbildungskraft, ein „transz[endentaler, C.O.], der lediglich auf die Form geht“ (A 94). Freilich besteht ein Unterschied darin, dass das durch Synthesis zu verbindende Mannigfaltige einmal rein, als die der Form zugrundeliegende Vielheit, im anderen Fall als a posteriori gehaltlich besetzt, d. h. als empfindungshaft-erfüllte Zeit, gegeben ist. Die empirische „Synthesis der Apprehension“ muss jederzeit der reinen, vornehmlich als „transzendentale Zeitbestim-
|| 123 Bubner (1986, S. 35) betont drei Momente jeder Synthesis: „1. Das gegebene [empirische oder reine, C.O.] Mannigfaltige, das zu verbinden ist, 2. Das Verbinden desselben und 3. Die Einheit, zu der dabei verbunden wird.“ – Wenn Kant von der Einbildungskraft als „einer blinden, obgleich unentbehrlichen Funktion der Seele“ (A 78/B 103) spricht, dann bedeutet dies – analog zur „blinden“ Anschauung (vgl. Anm. 19) –, dass sie wesentlich begriffslos ist. Wie die sich anschließende Betrachtung über die transzendentale Synthesis zeigen wird, verfährt die ihrem Wesen nach begriffslose Synthesis der Einbildungskraft jedoch immer gemäß der Kategorie, so dass die Rede von einer blinden Funktion nur im uneigentlichen Sinne gelten kann. Die Einbildungskraft wird durch den Verstand regelhaft geleitet, mithin ist die reine Synthesis als eine intellektuelle Leistung eine Ausübung des Verstandes selbst (vgl. B 151f.; Anm. 169), weswegen – wie sich zeigen wird – die überarbeitete B-Auflage letztlich auch zu bevorzugen ist. Andernfalls würde die Einbildungskraft gänzlich regellos das Mannigfaltige der Anschauung synthetisieren, mithin vollkommen willkürlich verfahren. Obschon der Spontaneitätsaspekt also keineswegs nur auf begriffliches Vorstellen in Form des Urteils festgelegt ist, bleibt Spontaneität eine wesentliche Bestimmung des Verstandes.
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mung“ (A 138/B 177) zu verstehenden „Synthesis der Apperzeption […] notwendig gem ä ß sein“ (B 162, Anm.) und ist also durch diese bedingt. Bevor die Betrachtungen speziell zur reinen Synthesis fortgeführt werden können, wird es nötig sein, den Fokus auf jene empirische Apprehension zu richten und zu zeigen, worin ihre Unzulänglichkeit im Vergleich zur reinen Synthesis liegt und warum diese zum Zwecke objektiver Erkenntnis notwendig vorausgesetzt werden muss (vgl. B 141). Allgemein ist festzustellen, dass die empirische Synthesis nach „empirische[r] Einheit des Bewußtseins“ durch die bloße „Assoziation der Vorstellungen“ völlig zufällig und willkürlich verfährt und damit der für Erfahrung zwingend erforderlichen Merkmale der Notwendigkeit und gesetzmäßigen Geregeltheit entbehrt. Um kurz beim Begriff der Notwendigkeit zu bleiben: Kant unterscheidet mehrere Begriffe des Notwendigen.124 Neben der logischen Notwendigkeit der bloß widerspruchsfreien Denkmöglichkeit und einer gänzlich subjektiven Notwendigkeit, die höchstens in Bezug auf die empirischen Assoziationsprinzipien als vorläufige Regelmäßigkeit geltend gemacht werden kann, ist es vor allem der Begriff der apriorischen Notwendigkeit, der nicht eindeutig bestimmt ist. Hier müsste genau genommen eine objektive Notwendigkeit im Sinne der modalen realen Notwendigkeit, welche der schematisierten Kategorie der Kausalität oder Wechselwirkung zukommt und eine reale Relation aussagt, von einer subjektiven (und dennoch transzendentalen) Notwendigkeit unterschieden werden. Eine solche ist immer dann thematisch, wenn die der kritischen Philosophie zugrunde gelegten Merkmale reiner Erkenntnis thematisch werden und damit die Idee einer Erfahrung präsumiert wird (vgl. dazu Anm. 89). Diese Art von Notwendigkeit, deren Wechselbegriff die Allgemeingültigkeit ist, wird in allen Bedingungen der möglichen Erfahrung (Formen der Anschauung, reine Apperzeption, Kategorien und vor allem in den Grundsätzen) formuliert.
|| 124 Darauf weist jüngst Motta (2012, speziell S. 250ff.) mit seiner Untersuchung hin. Die von uns hier angesprochene Unterscheidung einer subjektiven und objektiven Notwendigkeit findet sich in ähnlicher Weise auch bei ihm, wenn er in Hinblick auf die Gesetze der Erfahrung eine subjektive Notwendigkeit geltend macht (S. 260). Allerdings bleibt seine Feststellung, die Gesetze der Erfahrung seien zugleich subjektiv und objektiv notwendig, etwas unterbestimmt. Freilich ist jede subjektive Notwendigkeit, insofern sie eine Bedingung der möglichen Erfahrung ausdrückt, zugleich auch notwendig objektiv. Innerhalb der Erfahrungsgesetze sind es aber nur die Prinzipen der Kausalität und der Wechselwirkung, welche eine objektive Notwendigkeit im Sinne einer realen notwendigen Relation ausdrücken; so wird – um bei der Kausalität der Zeitfolge zu bleiben, wenn a gesetzt ist, b mit Notwendigkeit daraus erfolgen (vgl. Kapitel 5.4.4).
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Übrigens ist mit dem logischen Verhältniswort ist, insofern dadurch die Zugehörigkeit zur objektiven Einheit der Apperzeption ausgesagt wird, stets diese subjektive Notwendigkeit ausgesagt und nicht zwangsläufig eine reale, d. h. unter Zeitbedingungen gedachte Notwendigkeit (ebenso wenig wie eine reale Wirklichkeit oder Möglichkeit). Denn auch in bloß analytischen Urteilen wie „Alle Körper sind ausgedehnt“ wird etwas mit Notwendigkeit behauptet, allein es steht dieses Urteil nicht unter Zeitbedingungen. Allenfalls die unschematisierte Kategorie der realen Notwendigkeit ist zusätzlich mitgedacht, insofern dieses Urteil widerspruchsfrei denkmöglich ist. Gleiches gilt für empirisch zufällige Urteile wie „Die Körper sind schwer“, in denen jetzt zwar reale Wirklichkeit ausgesagt wird, jedoch keine objektive Notwendigkeit. Denn bekanntlich will Kant mit der Beziehung der Vorstellungen „auf die ursprüngliche Apperzeption und die n o tw en d i g e E i n h ei t derselben […] nicht sagen, diese Vorstellungen gehören in der empirischen Anschauung [bzw. im bloßen Denken, C.O.] n o tw e n d i g z u ei n an d er , sondern sie gehören v er m ö ge d er n o tw en d i g en E i n h ei t der Apperzeption in der Synthesis der Anschauungen [bzw. der reinen Gedanken, C.O.] zu einander, d. i. nach Prinzipien der objektiven Bestimmung aller Vorstellungen, so fern daraus Erkenntnis werden kann“ (B 142), also ganz im Sinne der soeben erwähnten subjektiven – und nicht objektiv-realen – Notwendigkeit, welche die Einheit der Erfahrung präsumiert. Wenn auch bloß assoziativ verfahrend, so ist zunächst positiv zu vermerken, dass auch auf Ebene der subjektiven Synthesis empirischer Einbildungskraft ein einheitliches Vorstellungsgefüge verschiedener einzelner Wahrnehmungen zustande kommt, wodurch das Vorstellungssubjekt über die unmittelbare, gegenwartsbezogene Sinnlichkeit erhoben wird. Die empirische Einbildungskraft ist hier produktiv tätig einmal im Durchlaufen und Unterscheiden der Wahrnehmungen, wodurch sie die einzelnen Wahrnehmungszustände im Gemüt so zusammennimmt (vgl. A 99), dass – hier durchaus empirischpsychologisch zu verstehen – Vorstellungsabläufe im Bewusstsein möglich werden. Indem sie die eindruckhaften einzelnen Wahrnehmungen zu einem Wahrnehmungsganzen verbindet, mithin das Mannigfaltige „in ein Bild bring[t]“ (A 120), erzeugt sie zusammenhängende Wahrnehmungsbilder. Dazu ist neben der Synthesis der Apprehension, die „eine dieser mannigfaltigen Vorstellungen nach der anderen in Gedanken faß[t]“, die Handlung einer reproduzierenden Synthesis erforderlich, wodurch die einzelnen Teile erhalten bleiben und nicht „aus den Gedanken ver[loren]“ (A 102) gehen: Es ist aber klar, daß selbst [die] Apprehension des Mannigfaltigen allein noch kein Bild und keinen Zusammenhang der Eindrücke hervorbringen würde, wenn nicht ein subjektiver Grund da wäre, eine Wahrnehmung, von welcher das Gemüt zu einer anderen überge-
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gangen, zu den nachfolgenden herüber zu rufen, und so ganze Reihen derselben darzustellen, d. i. ein reproduktives Vermögen der Einbildungskraft, welches denn auch nur empirisch ist.125 (A 121; vgl. A 102)
Durch die Fähigkeit des übergangstiftenden Durchlaufens und Herüberrufens der Vorstellungen ist die Einbildungskraft zu betrachten als die grundlegende Bedingung für das Wahrnehmungsbild einer komplexen Gegenwart: Das Vorige ist nicht gemäß zeitlicher Sukzession, die sich durch Augenblicklichkeit auszeichnet, der – unwiderruflich verlorengegangenen – Vergangenheit zuzurechnen, sondern zählt zu einer ausgedehnten Gegenwart, bestehend aus vorigen und folgenden Teilen.126
|| 125 Dass die dreifache Synthesis der ‚A-Deduktion‘ keinesfalls zwangsläufig nur als eine einzige gelten kann, führt Kugelstadt (2000, S. 251f., Anm.) mit Verweis auf die Wahrnehmungsurteile, die sich auch ohne eigentliche „Rekognition“ (als kategoriale Erkenntnis) bilden lassen (vgl. Anm. 127), gegen die Darstellungen von Prauss (1971, S. 278) und Heidegger (1998, S. 177ff., 196ff.) ganz richtig vor. Vgl. auch Zöller 1984, S. 123. Wunsch (2007, S. 180, 258ff.) spricht durchgängig von den drei Synthesen der Apprehension, Reproduktion und Rekognition als einer untrennbaren Einheit. Im Falle Heideggers (1998, S. 186) manifestiert sich darüber hinaus die dreifache Synthesis betreffend ein weiteres Problem dergestalt, dass er der Synthesis der Rekognition als antizipierende „reine Vorbildung“, welche „das ursprüngliche Bilden [des] Vorhaften, d. h. der Zukunft“ beinhaltet, eine Aufgabe innerhalb der reinen Synthesis zuweist, die in der B-Auflage im Wesentlichen die produktive Einbildungskraft unter Leitung des Verstandes, und nicht – wie bei Heidegger – eigenständig erfüllt. Unbestritten ist dagegen die Tatsache, dass die Synthesis der Apprehension mit der Synthesis der Reproduktion „unzertrennlich verbunden“ (A 102) ist, sprich sie als zwei Momente einer und derselben Synthesis betrachtet werden müssen. Allenfalls für den Fall der transzendentale Synthesis kann behauptet werden, die Funktionen der Apprehension und Reproduktion seien notwendig mit der Funktion der Rekognition verbunden und daher eine einzige. Das rekognitive, d. h. reflexive Moment des Begriffs ist es auch, das im eigentlichen Sinne die objektive Verknüpfungsfunktion besitzt und damit das Zusammenhalten der einzelnen – objektiv bestimmten – Vorstellungsteile ermöglicht. 126 Dörflinger (2000, S. 189ff.) erklärt passend dazu, dass die sich ausdehnende Gegenwart, im Gegensatz zur Gegenwart im Sinne eines bloß „unmittelbar punktuellen, empfindungshaften Besetzt-Seins“, den „differenzierteren Charakter einer um ein Herübergerufenes bereicherten Gegenwart“ gewinnt. Während im Fall „des in Gedanken behaltenden Herüberrufens im Wahrnehmen“ kein Erinnern stattfindet, sondern ein „bruchlos in Gedanken behaltendes“ Wahrnehmen, muss im anderen Falle, da die Beständigkeit des Herüberrufens unterbrochen wird, das Vorige ausdrücklich der Vergangenheit zugeschrieben werden, „worauf der Zusammenhang mit einer Gegenwart nach Verlust erst [durch Erinnern] wieder herzustellen ist“ (S. 190). Vgl. auch O’Neill 1984, S. 160: „Syntheses of apprehension in intuition do not occur in isolation. […] [S]yntheses of apprehension are conjoined with syntheses of reproduction. […] [If] representations were so chaotic that we could not tell how they would be connected from
100 | Handlungen der Synthesis
Somit hängt letztlich auch alle Einheit des empirischen Wahrnehmungsbewusstseins von der Möglichkeit der empirischen Synthesis der Apprehension ab. Denn die Apprehension des Mannigfaltigen ist „jederzeit sukzessiv“ und „also immer wechselnd“ (B 226), weshalb erst durch „Zusammensetzung des Mannigfaltigen in einer empirischen Anschauung […], Wahrnehmung, d. i. empirisches Bewußtsein derselben, (als Erscheinung) möglich“ (B 160) wird. Wie genau aber hat man sich eine Synthesis vorzustellen, die keiner verstandesmäßigen Spontaneität unterliegt und dennoch Tätigkeit des Subjekts voraussetzt? Eine solche Synthesis kann, wie bereits angeklungen, nur eine vorbegriffliche sein, die das Mannigfaltige nach bloßer Funktion des Größenbegriffes127 zusammensetzt, ohne dabei Größenbegriffe zu verwenden. Diese elementare Synthesis muss demnach als dasjenige verstanden werden, was jeder kategoriengeleiteten vorausgeht und das Mannigfaltige der Anschauung präreflexiv und gänzlich subjektiv immer so zusammenfügt, dass daraus Einheit der Anschauung werden kann, die allerdings noch der kategorialen Struktur durch die reine, transzendentale Synthesis bedarf. Dabei verfährt die Einbildungskraft gemäß der Kategorie der Vielheit, indem sie durch die ihr eigene Verbindungsfunktion Teile zwar schon in einem (empirischen) Bewusstsein vereinigt (eine Menge von Teilen verbindet), jedoch ohne schon einen bestimmten Begriff von dem synthetisierten Mannigfaltigen zu erzeugen; auch wird dadurch ein bloß subjektiv beisammen stehendes Mannigfaltiges nicht einmal im Vorgriff objektiv zusammengesetzt und -gedacht (dies gilt sowohl für die reine Synthesis der Ausspannung des Raumes bzw. der Zeit selbst (vgl. Anm. 29 sowie 136) als auch für die in Rede stehende empirische Synthesis der Apprehension). Dennoch stehen die Wahrnehmungsteile nicht nur einfach beisammen, sondern sie werden auch schon auf dieser Stufe verbunden, denn auch die sukzessive Zusammensetzung von Wahrnehmungsbündeln ist, wenn sie zufällig geschieht, eine Leistung des Einigens hin zur „empirische[n] Einheit des Bewußtseins, durch Assoziation der Vorstellungen“ (B 139f.) – was eben als bloß subjektive und allenfalls vorläufige Notwendigkeit angesprochen wurde. Da also jede noch so elementare Verbindung Spontaneität des Verstandes erfordert, mithin eine solche, die nicht dem bloß passiv-rezeptiven Bewusstsein entspringen darf, sondern auf Selbsttätig-
|| moment to moment then we could never arrive at the stage of describing them even as inconstant material objects.“ 127 Vgl. zur wichtigen Bedeutung der Funktion des Größenbegriffes die Überlegungen Kugelstadts 1998, Anm. S. 12, 18, 52, 115, 118, 272, allen voran aber die Ausführungen auf S. 254ff. sowie den folgenden Anhang.
Reine und empirische Synthesis der Einbildungskraft | 101
keit des Subjekts gründen muss, gilt auch für die empirische Synthesis, dass sie eine Vereinigung ist, deren Ursprung nicht in einem bloß hinnehmenden, sondern auf gewisse Weise schon tätigen Selbst liegt. Die angesprochene Assoziation der Vorstellungen freilich würde über die bloße Zusammennehmung des Gleichartigen insofern hinausgehen, als hier bereits durch Gewohnheit gewisse Regelmäßigkeiten feststellbar werden, d. h., die Assoziation durch Gewohnheit ist eine höherstufige Weise der subjektiven Zusammensetzung einer Reihe von jetzt auch nach seinen Bestimmungen Gleichartigem; sie schließt sich an die Funktion des Größenbegriffs an, allerdings ist auch sie noch nicht kategorial objektivierend. Denn, obschon die Vorstellungen dem empirischen Gesetz der Assoziation unterliegen, welches eine Regel ist, die verhindert, dass die „Vorstellungen so, wie sie zusammen geraten, einander ohne Unterschied reproduzierten“ und daraus ein „regellose[r] Haufen derselben“ – ohne bestimmten Zusammenhang der Vorstellungen untereinander – „entspringen“ (A 121) würde, entbehrt die Einbildungskraft, insofern sie bloß zufällig – nach zufälligen Gesetzen der Assoziation – die gehaltlich besetzten Teile der Wahrnehmung miteinander in Verbindung bringt (vgl. B 219), einer objektiven Regel, die Erscheinungen „an sich assoziabel“ macht und „allgemeinen Regeln einer durchgängigen Verknüpfung in der Reproduktion“128 unterwirft, d. i. die „Affinität der Erscheinungen“ (A 122) a priori festsetzt. Dies bedeutet, dass sich aus dem Verbund der Vorstellungen sinnvolle Wahrnehmungsgebilde, jedoch ebensogut bloße Phantasieprodukte ohne Beziehung zur empirischen Wirklichkeit ergeben können. Es könnte die subjektive Einbildungskraft, obzwar nicht völlig willkürlich verfahrend, Vorstellungen so zusammen bringen, dass sie zwar subjektiv zusammenhängen, jedoch keine objektiven Verhältnisse wiedergeben, etwa ein Mensch, der – einer Fabel gleich –
|| 128 Zum Verhältnis von transzendentaler Synthesis und Assoziation vgl. Hoppe 1983, S. 92ff., allen voran S. 103. Die Forderung nach einer durchgängigen Verbundenheit der Vorstellungen setzt freilich wiederum die Einheit ursprünglich-synthetischen Selbstbewusstseins voraus, weil die Vorstellungen sonst nicht „insgesamt meine“ (B 132) wären. Vgl. dazu erneut Hoppe 1983, S. 110, der zeigt, warum Vorstellungen erst durch die Beziehung auf die reine Apperzeption „mit der ihr eigenen Art von (kategorialer) Notwendigkeit“ im eigentlichen Sinne zu Vorstellungen vom Objekt werden, und wie bereits erwähnt (siehe Anm. 71, 78 sowie 1. Anhang Kapitel 3.1) keine bloßen Gemütsbestimmungen bleiben. Vgl. dazu auch Deppermann 2001, S. 136ff., der hier der Dimension dieses Gedankens nicht gerecht wird, sowie Westphal 2003(2), S. 148ff., besonders S. 150, der den Unterschied von bloßer Wahrnehmung zur objektiven Ordnung der Dinge mit Blick auf den Unterschied von Hume zu Kant diskutiert.
102 | Handlungen der Synthesis
„bald in diese, bald in jene tierische Gestalt verändert“ (A 100) wird.129 Selbst wenn durch bloßen Zufall die Assoziationen so zusammen kämen, dass die Wahrnehmungsverläufe mit der tatsächlichen Wirklichkeit übereinstimmten, könnte dies allenfalls als vorläufige und nie gesicherte Tatsache gelten. Solange also unbestimmt ist, ob faktisch assoziierte Wahrnehmungen so auch tatsächlich „assoziabel“ (A 122) sind und damit prinzipiell in einem Selbstbewusstsein vereinigt werden können, ist für die Konstitution objektiver Realität nichts gewonnen. Die empirische Apprehension bietet „nur eine Zusammenstellung des Mannigfaltigen der empirischen Anschauung, aber keine Vorstellung von der Notwendigkeit der verbundenen Existenz der Erscheinungen“ (B 219). Zwar sind in der empirischen Synthesis die Vorstellungen in Bezug auf die subjektive Einheit des Bewusstseins verbunden, jedoch sind sie nicht gemäß einer objektiven Einheit mit Notwendigkeit130 bestimmt. Wie Kant verdeutlicht, würde ohne einen „objektiven Grund aller Assoziation der Erscheinungen“ (A 122), der dem empirischen Kriterium der Vergesellschaftung von Vorstellungen, „die sich oft gefolgt oder begleitet haben“, zugrunde liegt, selbst „unsere empirische Einbildungskraft niemals etwas ihrem Vermögen gemäßes zu tun bekommen“ (A 100). Angesichts dieses Befundes wird deutlich, warum die empirische Einheit der Apperzeption nur „ganz zufällig“ (B 140f.) vereinheitlichend verfährt und, da sie keineswegs notwendig einheitsfähig ist, unter der ursprünglichen, numerisch-identischen Apperzeption stehen muss (vgl. A 122f.; B 139f.).
|| 129 Zu denken wäre etwa auch an die von David Hume (1989, S. 20) aufgeführten Fabelwesen wie die „geflügelten Rosse, feurigen Drachen und ungeheuren Riesen“, die zwar keine Gegenstände der Erfahrung sind, jedoch veritable Phantasiegestalten, die sich aus – zuvor apprehendierten und dann in der empirischen Einbildungskraft reproduzierten – empirisch-gehaltlichen Vorstellungen beliebig zusammensetzen lassen. Diese sind ein Produkt der „Freiheit der Einbildungskraft[,] ihre Vorstellungen umzustellen und zu ändern“. Denn, da „es keine zwei vollständig [voneinander] untrennbare Eindrücke gibt“ (S. 20), ist die Einbildungskraft nicht „an die Reihenfolge und Form der ursprünglichen Eindrücke gebunden“ (S. 19). Allerdings fehlt auch hier, da zwar die reale Möglichkeit von Phantasieprodukten überhaupt niemals gänzlich ausgeschlossen werden kann, in allen Fällen das beharrliche Reale im äußeren Sinn, was – wie gesehen – die Anwendung des Grundsatzes der Beharrlichkeit der Substanz und damit die Bestimmung objektiver Gegenstände ermöglicht (ihrer möglichen Wirklichkeit nach, da es nicht um die konkrete Wirklichkeit eines Einzelobjekts, sondern um die Möglichkeit von Gegenständen überhaupt geht). Vgl. dazu Anm. 118 und S. 87f. 130 Mit der in Rede stehenden Notwendigkeit ist auch hier wieder eine subjektive im Sinne des Postulats einer Erfahrung intendiert (vgl. Anm. 124)
Reine und empirische Synthesis der Einbildungskraft | 103
Anhang: Zur Funktion des Größenbegriffs Die schon an verschiedenen Stellen aufscheinende Funktion des Größenbegriffes vermag ein Missverständnis in der Kantforschung zu lösen, dem viele Interpreten aufsitzen. Da nämlich das reine Mannigfaltige der Anschauung durch empirische Synthesis der Einbildungskraft gemäß assoziativen Gesetzmäßigkeiten schon auf gewisse Art verbunden wird, neigen diese dazu, bereits innerhalb der Wahrnehmung so etwas wie eine vorgreifende kategoriale Verbindung anzusetzen. Zöller (1984, S. 196) etwa geht davon aus, dass „[s]chon die vorwissenschaftliche Gegenstandserfahrung […] kategorial bestimmt“ sei, da „Erfahrung […] immer schon komplex, Produkt (Synthesis) und nie bloß sinnlichelementar gegeben ist“. Abgesehen davon, dass nicht ganz deutlich wird, worin sich eine vorwissenschaftliche von einer wissenschaftlichen Gegenstandserfahrung unterscheiden soll, mit der wir es zu tun haben, versucht Kant – und auch unsere Untersuchung – gerade zu zeigen, dass diese eine Erfahrung (Anm. 21) erst durch kategoriale Reflexion des Verstandes möglich wird. Diesbezüglich muss sich dieses Zusammennehmen einzelner Wahrnehmungselemente einer anderen Funktion als der Reflexion verdanken. Die Funktion des Größenbegriffs schafft diese empirisch-zufällige Einheit, indem sie gleichartige Teile zusammensetzt und zu komplexeren Wahrnehmungsgebilden formt, ohne jedoch Größenbegriffe dabei zu bilden und dadurch komplexere Einheiten zu bestimmen. Insofern sie ein gleichartiges Mannigfaltiges zur – nicht weiter bestimmten – Einheit der Anschauung verbindet (denn als bloß subjektiv gegebene sind alle Vorstellungen zunächst einmal gleichartig, nämlich alle nacheinander), liegt sie allem Kategoriengebrauch zugrunde. Dementsprechend braucht es für diese Tätigkeit, die vorhin schon als sich an die Synopsis der Anschauung anschließend thematisch war, zwar eine Art Spontaneität, insofern das Zusammennehmen nicht gänzlich passiv stattfinden kann – jedoch kann dies noch keine eigentliche Verstandesspontaneität sein. Durch die Funktion des Größenbegriffs kann auch den Tieren, denen kein reflexives Selbstbewusstsein zugestanden werden darf, die Fähigkeit zur komplexen Wahrnehmung beigelegt werden, wodurch sich für diese auch die Möglichkeit zur Vergleichung ergibt. Der springende Punkt ist also, dass die Forschung zwar richtig diesen Spontaneitätsaspekt feststellt, daraus aber schon eine kategoriale Ordnung in der Wahrnehmung herleitet, die durch nichts zu begründen ist. Auch Hoppe (1983, S. 77ff.) zeigt mit einem grundsätzlichen Einwand gegen die Atomismus-Theorie (wie er etwa im Humeschen Datensensualismus anzutreffen ist), dass das Einzelne, mithin das unbestimmte diffuse Mannigfaltige, „immer nur in Zusammenhängen gegeben [ist]“ (S. 78) und wir aufgrund dessen „die Welt insgesamt
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immer schon als gegliederte und in Zusammenhängen gegebene haben“ (S. 80). Allerdings macht Hoppe Hume zu Unrecht den Vorwurf, es bedürfe für dieses Ganze oder den Zusammenhang von Einzelnem keiner besonderen „Zusammenfassungsleistungen des Subjekts“, da uns Zusammenhänge „vielmehr immer schon zusammen mit dem Einzelnen gegeben sind“ (S. 78). Uns scheint Hoppe hier zu phänomenologisch zu argumentieren, da Hume gerade in einem Punkt zuzustimmen ist, dass nämlich die einzelnen Wahrnehmungselemente bzw. (subjektiv) Wahrnehmungsphasen durch – allerdings gänzlich – subjektive Assoziationsgesetze beisammen, obschon nicht objektiv bestimmt sind. Auch Hoppe sieht diese Leistung der Funktion des Größenbegriffs nicht und braucht aufgrund dessen ein anderes Erklärungsmodell, das sich einerseits gegen Hume richtet, andererseits aber gerade nicht den entscheidenden Punkt betrifft, in dem Kant über Hume hinausgeht. Dies überrascht, führt Hoppe doch wenig später überzeugend vor, dass das „Fehlen der Gegenstandsbeziehung [d. i. eines Gegenstandes der Erfahrung, C.O.] gerade darauf hinausläuft, daß [unsere Vorstellungen] nicht in kategorialen Verweisungszusammenhängen stehen“ (S. 83). Somit muss die von Hoppe an anderer Stelle (1981, S. 231) geäußerte Feststellung, man habe es in der Kantischen Synthesis-Theorie „mit zwei Arten von Verbindungen“ zu tun, wobei eine „faktische Verbindungen“ betrifft, die niemals gemacht, sondern „uns stets gegeben“ sind, stark relativiert werden. Es besteht bei Kant insofern keine Mehrdeutigkeit hinsichtlich der SynthesisTheorie, weil alle Synthesen in der Tat Verstandeshandlungen sind oder vorbegriffliche Funktionsweisen des Verstandes darstellen, ohne weitere Reflexion darin. Auch Wyller (2001) problematisiert den Status der Sinneswahrnehmung und kommt zum Schluss, dass Kant keinen Sinnesatomismus vertreten haben kann (vgl. S. 286). Im Zuge seiner Argumentation unterscheidet er zwei Begriffe der Wahrnehmung: einen solchen, „der von der zusammengesetzten Struktur wirklicher Wahrnehmungen abstrahiert“, und einen solchen, „der diese Struktur mit einschließt“ (S. 287). Diese Unterscheidung kann man prinzipiell machen, jedoch scheint sie in Anbetracht der hier diskutierten Funktion des Größenbegriffs nicht wirklich zielführend. Denn was als Gegenstand der Wahrnehmung intendiert wird, ob nur der einzelne Sinneseindruck oder schon durch die Funktion des Größenbegriffs zu einer komplexen Wahrnehmung verbundenen Sinneseindrücke, ist letztlich nicht entscheidend, bleibt es in beiden Fällen bei bloß subjektiven Gemütsbestimmungen; in beiden Fällen ist zu fragen, wie sie in einem Selbstbewusstsein verbunden werden können, um nicht für mich nichts zu sein (vgl. B 132 mit Blick auf Anm. 68). Wenzel (2005) diskutiert in seinem Aufsatz unterschiedliche Interpretationsansätze hinsichtlich eines möglichen Kategoriengebrauchs innerhalb der Wahrnehmung und kommt zu
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dem – reichlich inkonsequenten und nicht überzeugenden – Ergebnis, dass man einen vorläufigen und abstrakten Begriff von Wahrnehmung, einen „ohne die Kategorien und einen konkreten mit denselben“ (S. 421), ansetzen müsse. Auch er sitzt dem Missverständnis auf, dass, weil jede einzelne Wahrnehmung schon zusammengesetzt sein könne (vgl. S. 422) bzw. jede wirkliche Wahrnehmung schon eine Synthesis und damit etwas Vollständiges involviere (S. 421), diese Wahrnehmung auch schon kategorial bestimmt sein müsse. Vielleicht kann das hier Gesagte für die Rezeption künftig verständlich machen, wie in der Wahrnehmung bereits ein vollständiges Mannigfaltiges beisammen sein kann, ohne dass hier schon kategoriale Bestimmungen (wie etwa die bestimmte Größe, die Daseinsweise als Substanz unterschieden von ihren Akzidenzien etc.) vorzufinden wären.
4.1.2 Zum Verhältnis von reiner zur empirischen Synthesis Um aus dem unstrukturierten Nacheinander der empirischen Apprehension, d. h. aus der bloß zufälligen Wahrnehmung, in der noch keine Zeitverhältnisse objektiv bestimmt werden, zur Vorstellung von objektiven Gegenständen der Erfahrung zu gelangen, muss jene gewissen Regeln unterworfen werden, die bestimmen, „was dem Mannigfaltigen an den Erscheinungen selbst für eine Verbindung in der Zeit zukomme, indessen dass die Vorstellung desselben in der Apprehension jederzeit sukzessiv ist“ (A 190/B 235). Es stellt sich folglich die Frage nach dem „Verhältnis im Dasein des Mannigfaltigen […], wie es objektiv in der Zeit [mithin in der Erfahrung] ist“ und „nicht wie es [bloß subjektiv, C.O.] in der Zeit zusammengestellt wird“ (B 219). Da durch bloß sukzessive empirische Apprehension des Mannigfaltigen „allein niemals [bestimmbar ist], ob dieses Mannigfaltige als Gegenstand der Erfahrung zugleich sei, oder nach einander folge“ (A 182/B 225), mithin sich keine regelmäßige Folge der Wahrnehmung ausmachen lässt,131 wird – strukturell gesehen – eine objektive, reine Synthesis vorausgehen müssen, die „alle empirische Zeitbestimmung unter Regeln || 131 „Unsere A p p r e h e n s i o n des Mannigfaltigen der Erscheinungen ist jederzeit sukzessiv, und also immer wechselnd.“ (A 182/B 225) Die empirische Regel der Assoziation, nach der ein Zustand a auf den Zustand b und auf diesen wiederum ein dritter Zustand c folgt, gibt eben noch keine regelmäßige Folge, da wir in aller Regel nicht bloß einen, sondern eine Vielheit von Gegenständen wahrnehmen und im Apprehendieren beliebig durch die möglichen sukzessiven Wahrnehmungsreihen „springen“ können. Auf diese Weise würden wir immer nur ganz fragmentarisch etwas von der jeweiligen Wahrnehmungsreihe auffassen, d. h., es könnte auf den Zustand a einmal der Zustand b ebensogut wie der Zustand c das andere Mal folgen.
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der allgemeinen Zeitbestimmung bringt“ (A 177f./B 220) und damit alle Vorstellungen in bzw. unter einer „allbefassenden reinen Apperzeption“ (A 123) vereinigt – wodurch also, wie schon in allgemeinerem Zusammenhang beleuchtet (vgl. Anm. 68), die bloßen, für mich noch nichts bedeutenden Vorstellungen im Gemüt tatsächlich erst zu meinen werden. Die in Rede stehende transzendentale Synthesis der Einbildungskraft (vgl. B 151ff., A 101f., A 118, A 123, A 145/B 185) nun verleiht der in ihrem bloßen Nacheinander-Sein noch gänzlich unbestimmten Zeit a priori eine Struktur, der jede empirische Synthesis – als empirische um den Aspekt gehaltlichen Besetztseins der Vorstellungen erweitert zu denken – unterworfen werden muss, wenn Erkenntnis daraus werden soll. Indem der Verstand als Handlung der Einbildungskraft den inneren Sinn a priori „seiner Form nach der Einheit der Apperzeption gemäß“ (B 152) bestimmt und das dargebotene reine Mannigfaltige auf unterschiedliche Weise in Absicht auf die jeweilige Kategorie zusammenfügt, setzt er verschiedene Zeitverhältnisse in die eine „ f li e ße n d e“ Zeit (A 170/ B 210; vgl. B 291).132 Demgemäß gilt es, die eine Zeit von der Art, wie die Zeitverhältnisse in ihr zu denken sind, zu unterscheiden; diese gegebene Zeit wird „durch Zusammensetzung selbst gemacht“ (OP, AA 22: 353), d. h. sie erhält eine Größe, eine Ordnung der Verhältnisse in ihr sowie eine Bestimmung der Art, wie das in ihr Vorgestellte zum Erkenntnisvermögen gehört (vgl. A 145/B 184f.). Durch die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft wird das Mannigfaltige, welches immer bloß subjektiv beisammen ist und zunächst nur so „in der Zeit zusammengestellt wird“, wie es „zufälliger Weise zu einander“ kommt, objektiv so bestimmt, „wie es objektiv in der Zeit ist“ (B 219). Zur Veranschaulichung kann hier das Beispiel der Apprehension des Hauses dienen, die gänzlich
|| 132 Prauss (1993, Bd. I.2, S. 846) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Objektivierung subjektiver Zeit zu objektiver“. Auch Düsing (1980) verdeutlicht mit seiner Untersuchung den Unterschied von subjektiver und objektiver Zeit und stellt mit Blick auf Heidegger den Unterschied von Zeit und Innerzeitigkeit heraus (vgl. insbesondere S. 7f. sowie S. 27ff.). Die durch Bestimmung der subjektiven Zeit „entstehende Vorstellung der Zeitreihe kann [somit, C.O.] als spezifische Bestimmung eines reinen Zeitverhältnisses aufgefaßt werden“ (S. 10). Vgl. dazu ebenfalls seine Untersuchung in Subjektivität und Freiheit 2002, S. 35ff. Ebbinghaus (1910, S. 60) spricht davon, dass durch diesen „Akt des Objektwerdens“ die Zeit als Form der Anschauung nun als bestimmte Zeit bewusst werde und damit auch all das, was in der Zeit ist. Mit Blick auf Schelling bezeichnet er dies ferner als „Potenzierung des Anschauungsaktes“, was so viel bedeutet, dass die Zeit als Form der Anschauung, welche „gleichsam nur das Sehende“ beschreibt, das selbst „nicht gesehen“ wird, nun auch durch das Selbstbewusstsein und den darauf angewendeten Reflexionsakt bewusst wird. Engelhard (2001, S. 147, auch S. 153) bezeichnet die objektive, durch Kategorien konstituierte Zeit als Naturzeit, um damit die „kategorial bestimmte Ordnung der Naturerscheinungen in Naturgesetzen“ kenntlich zu machen.
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subjektiv ist und vermittelst deren das Subjekt die Teile des Hauses nacheinander auffasst, obgleich die Teile im Objekt selbst nicht einander folgen, sondern jederzeit zugleich sind (vgl. A 190f./B 236f.). Bekanntlich sind es die transzendentalen Schemata, welche selbst „nichts als Zeitbestimmungen a priori nach Regeln“ (A 145/B 184) sind, die das Verfahren der produktiven Einbildungskraft bei ihrer Tätigkeit der apriorischen Zeitstrukturierung leiten und die Anwendung der Kategorien auf Gegenstände der sinnlichen Anschauung ermöglichen, mithin sind sie „die wahren und einzigen Bedingungen, diesen eine Beziehung auf Objekte, also B ed eu tu n g zu verschaffen“ (A 146/B 185). Es wird die jeweilige reine Kategorie durch das transzendentale Schema – oder genauer gesagt durch die transzendentale Urteilskraft als das Vermögen zu unterscheiden, welche Kategorie dem jeweiligen Schema korrespondiert (vgl. KU, AA 20: 211ff.) – verzeitlicht, indem diese den reinen Verstandesbegriff mit der ihm entsprechenden Form der inneren Anschauung vergleicht und verbindet. Durch diesen Verzeitlichungsakt erhält die Kategorie allererst ihre (sinnliche) Bedeutung (vgl. A 147/B 186f.).133
|| 133 Wie Kugelstadt (1998, S. 111) zu Recht betont, sollte man daraus nicht vorschnell schließen, dass die Kategorie für sich betrachtet keine Bedeutung habe. Zwar erhält sie nur als schematisierte Kategorie dann auch in Beziehung auf bestimmbare Objekte ihren Sinn, doch umgekehrt verleiht sie dem fast bestimmungslosen und gleichförmigen Stoff der Anschauung allererst Bedeutung, insofern durch sie „in Gestalt synthetischer Einheit“ ein Objekt konstituiert und damit der Anschauung eine „intellektuelle Struktur“ erteilt wird. Ohne ihr Schema bleibt der Kategorie als reinem Verstandesbegriff, d. i. der logischen Funktion der Kategorie – die freilich nicht mit ihrer bloß logischen Urteilsfunktion verwechselt werden darf (vgl. Anm. 221, 238) – immer noch ihre Verknüpfungsfunktion, die es ermöglicht, auch nicht objektiv-zeitbezogene Erkenntnisse zu erzielen, wie etwa im analytischen Urteil („Alle Körper sind ausgedehnt“ oder „Gott ist allmächtig“). Ob diese sinnvoll (objektiv gültig) ist und also zu synthetischen Erkenntnissen führt, somit den Subjektbegriff durch die Beziehung zur Anschauung erweitert, ist ein ganz anderer Punkt der Reflexion. So ist denn die in der Kategorie gedachte synthetische Einheit vollkommen identisch mit derjenigen, die im transzendentalen Schema gedacht wird, hier als gedachte zeitliche Regel, so dass gesagt werden kann, das transzendentale Schema ist die Kategorie selbst, unter Zeitbedingungen gedacht; bloß in abstracto können beide Momente getrennt voneinander betrachtet werden. Die produktive Einbildungskraft ermöglicht dabei die Übersetzung (und gleichsam synthetisch-zeitlich sich erstreckende Verklammerung) der Verbindungs- bzw. Verknüpfungsfunktion der Kategorie, d. i. ihre synthetische Einheit, in die Zeit. Vgl. dazu auch Caimi (2005, S. 137ff.), der darauf aufmerksam macht, dass ein leerer (reiner) Begriff zwar keinen sinnlichen Inhalt, obgleich dennoch etwas Sinnvolles, d. h. hier Gehaltvolles besitzt und somit, insofern er ohne Widerspruch gedacht werden kann, „also in gewisser Weise doch einen Inhalt“ hat, „nämlich das in ihm Gedachte“ (S. 145). Vgl. dazu auch Aportone 2009, S. 247: „[D]ie Kategorien sind zwar Funktionen des Verstandes zu Begriffen, aber als reine Begriffe, die etwas ausdrücken: das Denken eines Objekts bzw. die Regel der Einheit nach
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Während die bloß subjektiv-empirische Synthesis der Einbildungskraft sich also noch nicht auf Gegenstände (der Erfahrung) bezieht,134 wird durch das Setzen objektiver Einheiten in der reinen Synthesis durch transzendentale Einbildungskraft die Beziehung zum (formal-materiellen) Gegenstand eröffnet.135 Auch hier verfährt die Einbildungskraft, obschon Kant in der ‚B-Deduktion‘ nur noch von der produktiven Einbildungskraft spricht – die er lediglich von der empirisch reproduktiven abgrenzt, ohne ihre reine reproduktive Tätigkeit gesondert hervorzuheben (vgl. B 152) –, tätig sowohl im Hervorbringen und Reprodu-
|| Begriffen.“ Düsing (1980, S. 30) spricht ein wenig unglücklich, wenn auch der Sache nach richtig davon, dass die Kategorien „ohne Schemata durchaus sinnvoll denkbar sind“, wenn sie auch keine synthetische Erkenntnis ermöglichen. Sinnvoll sind sie insofern nicht, als sie eben keine sinnliche Bedeutung haben. 134 In der Wahrnehmung wird zwar der Gegenstand vorgestellt, jedoch nur als unbestimmte Erscheinung, der noch nicht kategorial als Gegenstand bestimmt ist, weshalb Denken für Kant auch „die Handlung ist, gegebene Anschauung auf einen Gegenstand zu beziehen“ (B 304). Das bedeutet, Denken beschreibt im Kantischen Sinne streng genommen nur die kategoriale Reflexion, wodurch objektive Strukturen bzw. objektive Gegenstände (in Hinblick auf ihre Größe, ihre Qualität, ihre Relation und ihre Modalität) bestimmt werden, nicht ein bloßes Haben bzw. Stattfinden von völlig unbestimmten Gedanken im inneren Sinn, wie sie im sogenannten stream of consciousness ablaufen würden. Vgl. zu diesem Problemzusammenhang auch Anm. 122 sowie Hoppe (1983, S. 115, jedoch auch S. 125), wenn er entgegen seinen zunächst zutreffenden Überlegungen dann widersprüchlich und fälschlich bekundet, „in der Einheit eines ungeteilten Mir-Gehörens [stünden] auch alle jene seelischen Vorkommnisse und Erlebnisse, die niemals objektive Bedeutung erhalten können“. Zum Unterschied von empirischer, assoziativer und apriorischer, gesetzmäßiger Synthesis vgl. ferner Kitcher 1993, S. 71ff. 135 Vgl. dazu Prauss 1971, S. 92, 104f., 112f. – Durch die formale Strukturierung der Zeit – etwa die Grundrelation des Zugleichseins – soll, wie Prauss an anderer Stelle (S. 107) ganz richtig betont, nicht die Zeit in ihrer elementaren Form des Nacheinanderseins aufgehoben werden, sondern „[d]iese Zeitbestimmung kann vielmehr nur als eine weiterführende gedacht werden, die das schon Bestehende als solches so wenig antastet, daß sie sich vielmehr gerade auf Grund der prinzipiellen Sukzession der Erscheinungen in Form der noch verbleibenden Möglichkeit der Zeitbestimmung, in Form des Zugleichseins vollziehen muß“. Auch Düsing (1980, S. 19f.) betont, dass die genuinen, heißt gänzlich subjektiven zeitlichen Bestimmtheiten „offensichtlich nicht in physikalisch objektive Zeitordnung überführ[t]“ werden können, sondern „von dieser gerade verschieden“ bleiben. – Wenn Prauss jedoch den Modus des Zugleichseins in Opposition zum bloßen Nacheinander der Zeit stellt und eben erklärt, das Zugleichsein sei die einzig „noch verbleibende Möglichkeit der Zeitbestimmung“, ist dies insofern nicht völlig präzise, als das Nacheinandersein der Zeit als bloße Sukzession noch von der bestimmten Zeitfolge unterschieden werden muss. Diese ist als das Schema der Kategorie der Kausalität die „Sukzession des Mannigfaltigen, in so fern sie einer Regel unterworfen ist“ (A 144/B 183). Die subjektive Wahrnehmungsfolge kann also nicht nur durch die Bestimmung des Zugleichseins verobjektiviert werden, sondern auch durch die Bestimmung als eine regelgeleitete, objektive Folge, die sich von jener subjektiven absetzt.
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zieren als auch im gleichzeitigen geregelten Zusammenfassen der einzelnen mannigfaltigen Teile des anschaulich Gegebenen: Nun ist offenbar, daß wenn ich eine Linie in Gedanken [d. i. in der Einbildungskraft a priori, C.O.] ziehe[n], oder die Zeit von einem Mittag zum andern denken, oder auch nur eine gewisse Zahl mir vorstellen will, ich erstlich notwendig eine dieser mannigfaltigen Vorstellungen nach der anderen in Gedanken fassen müsse. Würde ich aber die vorhergehende (die erste Teile der Linie, die vorhergehende Teile der Zeit, oder die nach einander vorgestellten Einheiten) immer aus den Gedanken verlieren, und sie nicht reproduzieren, indem ich zu den folgenden fortgehe, so würde niemals eine ganze Vorstellung, und keiner aller vorgenannten Gedanken […] entspringen können.136 (A 102)
Gleichwohl besteht ein Unterschied darin, dass die produktive Einbildungskraft in der reinen Synthesis die Regel in gänzlicher Eigenregie vorschreibt, nach der sie Einheiten in die Zeit setzt (reine Synthesis der Apprehension der A-Auflage) und die bestimmten Zeitteile miteinander verbindet, indem sie das Vorige zum Jetzigen herüberruft (reine Synthesis der Reproduktion); im Gegensatz zur Synthesis durch empirische Einbildungskraft, die vom sinnlichen Material insofern abhängig ist, als sie nur dasjenige verbinden kann, was ihr empirisch so oder so
|| 136 Wenn Kant an dieser Stelle ebenfalls betont, es könnten ohne diesen Aktus „nicht einmal die reineste und erste Grundvorstellungen von Raum und Zeit entspringen“ (A 102), so führt dies zu der bereits diskutierten Schwierigkeit der Interpretation von Raum und Zeit als reinen Formen der Sinnlichkeit (vgl. Kapitel 2.3, insbesondere den Anhang). An dieser Stelle kann das Ergebnis am Ende des ersten Teils der Arbeit nun mit folgender Ergänzung verständlicher gemacht werden: Nimmt man eine vorfigürliche Synthesis an nach der bloßen Funktion des Größenbegriffs gedacht, kraft deren der Raum schon in gewisser Weise „vereinheitlicht“ wird, in der jedoch keine weitere Bestimmung reiner oder empirischer Teile darin stattfindet, dann muss, anders als in der der transzendentalen Synthesis, die allen Kategorien gemäß verlaufend bereits Bestimmung des Mannigfaltigen zur Einheit in der Anschauung leistet, kein reflexiver Verstand die Synthesis vollziehen. So scheint sich auch die zitierte Stelle, es könnten nicht die reinsten Grundvorstellungen von Raum und Zeit entspringen, dahingehend auflösen zu lassen, dass nur Raum und Zeit als formale Anschauungen, nicht aber als Formen entspringen, was sich denn auch mit Blick auf die schillernde Fußnote im § 26 der ‚B-Deduktion‘ eruieren lässt, wenn es heißt, dass durch Synthesis „alle Begriffe von Raum und Zeit“ entspringen; „indem der Verstand die Sinnlichkeit bestimmt“, werden also Raum und Zeit „als Anschauungen zuerst g e g e b e n “ (B 161, Anm.) Die Teile werden eben nur so zusammengefügt, dass die reinen Anschauungsformen – und eben noch keine bestimmten Teile in ihnen – für die Affektion durch einen empirischen Gegenstand brauchbar, oder wenn man so will, empfänglich gemacht werden. In Hinblick auf den Raum ist diese Synthesis „nur diejenige der einigen reinen Ausspannung des Raums selbst“ (Kugelstadt 1998, S. 255). Sie wäre also diejenige, welche „die Grenzenlosigkeit im Fortgange der Anschauung“ (A 25) garantiert und anzeigt, dass „die Synthesis an keinen Punkt gelangen kann, an dem und über den hinaus nicht immer schon Raum, in diesem Sinne gleichwohl dann gegeben, ist“ (ebd., S. 255).
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bestimmt begegnet. So kann „die bloße Funktion der produktiven Einbildungskraft […] die Linien [etwa eines Triangels] größer und kleiner ziehen, imgleichen nach allerlei beliebigen Winkeln […] zusammenstoßen lassen“ (A 164f./B 205). In der reinen Synthesis werde ich also, insofern „ich ein Object der Sinne mir blos willkührlich denke, […] nicht von demselben b el e h r t“, d. h. ich bin in dieser meiner verbindenden Tätigkeit nicht von den aposteriorischen Gehalten der Wahrnehmung abhängig; folglich verhalte ich mich nicht bloß hinnehmend gegenüber einem gegebenen anschaulichen Material, „sondern bin gänzlich Urheber [der Vorstellung]“ (Refl, AA 18: 319).137 Um abschließend zur empirischen Einbildungskraft zurückzukommen: Diese ist bei ihrer Tätigkeit dem Gesagten zufolge in zweifacher Hinsicht abhängig, sowohl vom sinnlichen Material als auch bedingt durch die Funktionsweise der produktiven Einbildungskraft, nach der sie sich jederzeit richten muss. Um Kants Beispiel aus dem § 26 der ‚B-Deduktion‘ aufzugreifen: Meine Apprehension des Hauses in der empirischen Anschauung ist dem Ziehen einer Linie im reinen Raum analog zu denken, „und ich zeichne gleichsam seine Gestalt“ (B 162) eben auf dieselbe Weise wie die Linie in Gedanken (vgl. etwa B 154, A 162ff./B 201ff.). Die „Synthesis der Apprehension, d. i. die Wahrnehmung“, muss also der reinen „Synthesis des Gleichartigen in einer Anschauung überhaupt“ der „Kategorie der G r ö ße“ (B 162) gemäß verlaufen. Jedoch ist das Zeichnen im empirischen Falle wesentlich ein Nachzeichnen, insofern eine Linie (etwa am Haus) in der empirischen Apprehension nicht beliebig verlängert werden kann, was den reproduktiven Aspekt dieser Art der Synthesis stärker akzentuiert.138 Sobald sie verlängert, d. h. der Gegenstand der Empfindung be-
|| 137 Allerdings ist auch hier die Urheberschaft des Subjekts limitiert, insofern es nicht jeden willkürlich gedachten Begriff auch in der Anschauung entwerfen kann, d. h., auch bei der Konstruktion mathematischer Begriffe ist der Verstand an die Bedingungen der reinen Sinnlichkeit gebunden. 138 Mit Kugelstadt (1998, S. 17f.) lässt sich feststellen, dass die Linie „wie jedes reale Objekt, dessen Grund für unser Bewusstsein nicht nur im Verstand in Beziehung auf die reine Form der Sinnlichkeit liegt, [sich] in der Apprehension nicht größer machen [lässt], als sie (empirisch) ist“ (S. 17). Vgl. zu diesem Aspekt auch Dörflinger 2000, S. 195f. sowie Walker 1985, S. 20, der verdeutlicht, dass die Prinzipien des reinen Denkens in der Anwendung auf Erscheinung abhängig sind vom gegebenen Material, dass folglich das Prinzip der reinen Synthesis bei der Verbindung des empirisch Mannigfaltigen die entsprechenden zu verbindenden gleichartigen Teile passend dargeboten bekommen muss. Walker geht aber in der Folge zu weit, aus dem Umstand, dass die empirische Welt gewisse Regularitäten besitzt, auf die Beschaffenheit der Dinge einer an sich seienden Welt zu schließen. Dass der Lauf der Natur mit unseren (subjektiven) Vorstellungen bereits in einer gewisser Übereinstimmung steht, bemerkt schon Hume (1993, S. 68): „Wir finden hier also eine Art prästabilierter Harmonie zwischen dem Laufe der
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liebig erweitert gedacht wird, ist die empirische Synthesis an die Funktion der reinen Synthesis der produktiven Einbildungskraft gekoppelt.
4.2 Transzendentale Synthesis der Einbildungskraft und Transzendentales Schema Wenn die bisherigen Erörterungen die transzendentale Synthesis der produktiven Einbildungskraft und die damit verbundene formale Bestimmung der Zeit als eine notwendige Bedingung ausgewiesen haben, wodurch die subjektive Wahrnehmungssphäre in ihrem bloßen Nacheinandersein verlassen werden kann und wodurch die Möglichkeit objektiver Erkenntnis – speziell durch die Verzeitlichung der Kategorien – eröffnet wird, so wurde vor allem gezeigt, dass die Zeit zum Zwecke der Erfahrung objektive Verhältnisse enthalten muss. Nun soll demonstriert werden, wie der reine Verstand respektive die reine Einbildungskraft dabei verfährt, d. h. wie sich die – bisher lediglich skizzierten – strukturellen Momente dieser reinen Synthesis im Einzelnen darstellen.139 Im Rahmen dessen wird die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft als eine Tätigkeit herauszustellen sein, die sich einer ursprünglichen Bewegungshandlung des Subjekts verdankt. Darüber hinaus muss auch die Betrachtung über die apriorische Strukturierung der Zeit weiter vorangetrieben werden, um zu klären, inwiefern das Schema reiner Verstandesbegriffe als ein „transzendentales Produkt der Einbildungskraft“ (A 142/B 181) gelten kann. Bevor diese Frage beantwortet werden kann, gilt es eine Anmerkung zu machen, die wesentlich für das Verständnis der folgenden Untersuchung sein wird und das bisher Gesagte noch deutlicher werden lässt. Die Endabsicht aller
|| Natur und der Abfolge unserer Vorstellungen; und obgleich die Macht und die Kräfte, welche den ersteren regieren, uns völlig unbekannt sind, so haben doch unsere Gedanken und Vorstellungsbilder […] dieselbe Bahn verfolgt wie die anderen Naturwerke.“ Allerdings ist auch klar, dass der Lauf der Natur auf der anderen Seite erst durch Prinzipien der Assoziation des Subjekts zustande kommt. Das Material hingegen ist vollkommen zufällig, so dass der Schluss von dieser zufälligen Übereinstimmung auf eine Beschaffenheit der Dinge an sich natürlich ungültig sein muss. 139 Wenn man so will, findet bei dem hier eingeschlagenen Weg vom Dass zum Wie des Verbindens ein Übergang statt, der dem Übergang von ‚Deduktion‘ zum ‚Schematismus‘ innerhalb der Kritik ähnelt. Denn zeigt die ‚Deduktion‘, dass die synthetische Vereinigung in der Kategorie, mithin die Vereinigung des Mannigfaltigen in der einen Apperzeption Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis ist, wobei noch von allen 12 Kategorien im Speziellen abstrahiert wird, legt der ‚Schematismus‘ die einzelnen Verbindungsweisen, d. h. die Verfahrensregeln für objektive und gegenstandskonstitutive Synthesis offen. Vgl. dazu auch Düsing 1995, S. 62.
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transzendentalen Synthesis der Einbildungskraft erstreckt sich, wie man aus einzelnen Ausführungen vielleicht schon bemerkt haben wird, jederzeit auf die „[I]ntellection der Erscheinungen“ (Refl, AA 18: 80), obschon diese erst durch die Etablierung des vollständigen Grundsatzes und die Subsumtion der Erscheinung unter seine Bedingung geleistet ist. Das erste Moment dieser Intellektion stellt jedoch die transzendentale Synthesis dar als die grundlegende formale Bedingung für alle Subsumtionsakte, angesichts der Ungleichartigkeit des zu subsumierenden ‚reinen Materials‘ mit den reinen Verstandesbegriffen.140 Durch ihre Gerichtetheit auf den Begriff, d. i. die unter den Kategorien stehende und sich ihnen gemäß vollziehende synthetische Vereinigung in einem Bewusstsein, besitzt die in Rede stehende reine Synthesis ebenso wie das reine Mannigfaltige der Anschauung jederzeit „Beziehung […] auf Einheit der Apperzeption“ (B 144, Anm.). Obgleich sie noch einmal von der kategorialen Reflexion, so wie sie durch den Grundsatz geleistet wird, unterschieden werden muss, insofern „alle mir gegebene[n] Vorstellungen“ zwar unter der Einheit der Apperzeption „stehen“, aber gleichwohl noch als Erscheinungen „unter“ sie „durch eine [weiterführende C.O.] Synthesis gebracht werden müssen“ (B 135f.), ist durch die Vereinigung der reinen Synthesis in der Kategorie (transzendentale Zeitbestimmung, vgl. B 154f., A 138ff./B 177ff.) im formalen Sinne bereits die vollständige kategoriale Bestimmung durch den Verstand vollzogen. Denn sobald die Kategorie ihren entsprechenden Zeitmodus erhalten hat, ist sie prinzipiell auf raum-zeitliche Erscheinungen anwendbar. Anders gesagt: Durch die Intellektion der reinen Synthesis ist die formale Strukturierung von Raum und Zeit bereits geleistet und der Bezug zum formalen Gegenstand, d. i. zum Gegenstand real möglicher Erfahrung überhaupt, eröffnet (vgl. Anm. 151, 158, 160). Die Frage, ob sich eine Erscheinung unter die verzeitlichte Kategorie bringen lässt, ist dann eine weiterreichende Anwendungsfrage. Mit anderen Worten: Die schon unter Zeitbedingungen stehende, schematisierte Kategorie, die Kant gelegentlich auch als „synthetischen Begriff a priori“141 bezeichnet, durch
|| 140 Wie Kaulbach (1967, S. 86) es formuliert, handelt es sich bei der transzendentalen Synthesis der Einbildungskraft um „das Herzstück der Synthesislehre“, insofern in Form transzendentaler Bewegung objektive Strukturen der Erkenntnis geschaffen werden, wie in der Folge im Detail gezeigt werden soll. 141 Dass dieser synthetische Begriff als ein Begriff zu verstehen ist, der „seiner Bildung nach […] ausschließlich auf die Anschauung Bezug“ nimmt, verdeutlicht Prauss (1993, Bd. I.2, S. 550ff. sowie 733ff.). Hier kann man sich vor Augen führen, dass die „verklammernde“ Kategorie, welche „nichts weiter, als die Einheit der Reflexion über die Erscheinungen“ (A 310/ B 367) enthält, als ein synthetischer Begriff die durch produktive Einbildungskraft auf bestimmte Weise strukturierte Zeit synthetisch-kollektiv unter sich befasst.
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den der „Gegenstand […] gedacht“ (A 220/B 267) wird, ergibt der Form nach schon das synthetische Urteil a priori; allerdings ohne schon den vollständigen Grundsatz abzugeben, für den es zusätzlich einen Begriff aus der empirischen Anschauung überhaupt braucht (vgl. Kapitel 5.1). Es ist damit Kants Diktum angesprochen, wonach „die Bedingungen der M ö gli c h k ei t d er E r f ah r u n g überhaupt“ zugleich auch „Bedingungen der Mö gli c h k ei t der G e g en s t ä n d e d er E r f ah r u n g“ sind (A 158/B 197).142 Die im folgenden Abschnitt thematische synthesis speciosa ist dem Gesagten zufolge also keine Synthesis der Einbildungskraft, die etwa nur subjektive Einbildungen erzeugt, sondern im Gegenteil objektiv-synthetisch und gegenstandskonstitutiv die fundamentalen Strukturmomente möglicher Erfahrung entwirft.
4.2.1 Synthesis intellectualis und Synthesis speciosa Insofern man von aller Anschauung abstrahiert und nur den reinen Verstand als Intelligenz betrachtet, „die sich lediglich ihres Verbindungsvermögens bewußt ist“ (B 158), bezieht er sich bloß auf das begrifflich Mannigfaltige oder das „Mannigfaltige einer Anschauung überhaupt“ (B 151). Seine Synthesis, „wenn er für sich allein betrachtet wird“, ist also „nichts anders, als die Einheit der Handlung, deren er sich, als einer solchen, auch ohne Sinnlichkeit bewußt ist“ (B 153). Nun ist diese bloße „Verstandesverbindung (synthesis intellectualis)“, in welcher synthetische Einheit „in der bloßen Kategorie gedacht“ (B 151) wird und die lediglich „auf Objekte [einer sinnlichen Anschauung, C.O.] überhaupt geht“ (B 154), für die empirische Erkenntnis insofern wertlos, als darin kein Gegenstand „unserer“, d. h. der „menschlichen“ (B 150; vgl. A 35/B 51) sinnlichen Anschauung bestimmt wird. Dies bedeutet zunächst einmal, dass die synthesis intellectualis143 zwar Verbindung im Objekt, folglich eine objektive und einheitsstiftende Synthesis denkt; jedoch ist der reine Verstandesbegriff in einer sol-
|| 142 Wie Zöller (1984, S. 195) sehr treffend feststellt, sind die Bedingungen möglicher Erfahrung als „Ermöglichung von Erfahrung“ streng zu trennen von der möglichen Erfahrung: „Die Beziehung der reinen Begriffe auf mögliche Erfahrung kann […] erläutert werden als ein empirisches In-Beziehung-Stehen der reinen Begriffe zu Gegenständen der Erfahrung auf der Grundlage des ermöglichenden Sich-Beziehens dieser Begriffe qua Bedingungen auf die von ihnen bedingte Erfahrung.“ 143 Zum Unterschied von synthesis intellectualis und synthesis speciosa vgl. vor allem Longuenesse 1998, S. 199ff.
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chen Synthesis noch nicht auf Anschauung applizierbar, d. h., es entspringen aus dieser Synthesis keine gültigen synthetischen, objektiv-zeitlichen Urteile a priori. Dazu bedarf es immer einer figürlichen Synthesis vermittelst der Einbildungskraft, die als solche transzendental ist. Wenn es auch von der synthesis intellectualis heißt, sie sei eine transzendentale (vgl. B 151), dann liegt dies daran, dass die auch in der bloßen Kategorie gedachte synthetische Einheit als elementare Vereinigungsfunktion aber jederzeit die Möglichkeit synthetischzeitlicher Urteile und im Übrigen auch analytischer Urteile begründet; in letzteren wird zwar keine objektiv-zeitliche, aber immerhin objektiv-unzeitliche Verbindung im Gegenstand gedacht. Die synthesis intellectualis ist demnach in zweifacher Hinsicht Bedingung veritabler „E r k e n n t n i s “, denn auch in Erläuterungsurteilen folgt aus der Explikation des Subjektbegriffs eine Einsicht in das Wesen des Begriffs und damit auch der Sache (sofern er denn eine Sache hat), die zwar für sich „nicht zum Bestimmungsgrunde der Wahrheit unserer Erkenntnis“ (A 152/B 191) taugt, aber immerhin deutlich macht, was im jeweiligen Begriff gedacht wird.144 Diese letztere Funktion der synthesis intellectualis als der Vereinigungsfunktion in einem Bewusstsein wird von Kant nirgends explizit hervorgehoben. Sie zeigt aber an, dass die in der logischen Funktion der Kategorie gedachte synthetische Einheit notwendig ist auch für analytische Erläuterungserkenntnis von Gegenständen, die „n i c h t Ob je k t u n s er er s i n n li c h e n A n s c h au u n g“ sind.145 Sie werden vorgestellt entweder durch die Abstraktion „von unsrer An-
|| 144 Insofern hier die logischen Funktionen allen Urteilens überhaupt bereits in ihrer Inhaltsbezogenheit thematisch sind, sind sie, wie Kugelstadt (1998, S. 160) erklärt, als „transzendental nach ihren durch sie gedachten Inhalten betrachteten Funktionen allen logischen Urteilens überhaupt“ betrachtet, und nicht bloß logisch, da ansonsten „ja auch etwa das Subjekt von sich selbst“ ausgesagt, oder „das Prädikat zum logischen Subjekt eines Urteils“ gemacht werden könnte, „was aber nichts im gedachten Gegenstand bedeutet“. In bloß logischer Hinsicht sind also die logische Subjekt- und Prädikatstelle indifferent. Ob der Gegenstand selbst nur denkmöglich ist oder aber als wirklich existierender gedacht wird, ist freilich ein eigener Punkt der Reflexion, der über die transzendental-logische sowie bloß logische Funktion des Urteilens hinausgeht und Bedingungen der Anschauungen erfordert. Vgl. dazu Anm. 118, 221 sowie A 598f./B 626f und Aportone 2009, S. 232, Anm. 145 Damit wäre ein jedes nach Kategorien reflektierendes Wesen, unabhängig davon, ob es „die unsrige“ menschliche Anschauung „oder irgend eine andere“ (B 150) besitzt (die nicht etwa unserer dreidimensionalen Anschauung im Raum gleichkommt), zur erweiternden Erkenntnis auf sinnliche Anschauung überhaupt angewiesen. Folglich wäre für ein jedes solches Wesen die Zweiteilung des Erkenntnisvermögens in Verstand und Sinnlichkeit anzusetzen. Eine davon abweichende Anschauung wäre etwa die intellektuelle Anschauung, die allein einem „göttlichen“ (B 145) Verstand zufällt, „in welchem durch das Selbstbewußtsein zugleich
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schauungsart“ (B 307) oder deren gänzliche Weglassung (von Anfang an, z. B. bei Gott); gleichzeitig werden die Kategorien über ihren eigentlichen Geltungsbereich ausgedehnt, d. h., es wird unter Anwendung der logischen, aber doch schon inhaltsbezogenen Funktion der Kategorie deren ‚Geltungsbereich‘ auf die Noumena146 erweitert. Die synthesis intellectualis ermöglicht als sine qua non jeglicher Begriffsverbindungen (vgl. etwa B 148, A 249, B 307f.) also auch die Verbindung bloßer Begriffe, deren Gegenstände niemals in (unserer sinnlichen) Anschauung gegeben werden können (vgl. Anm. 133). Kategorien als „allgemeine Verbindungsbegriffe a priori“ (B 308) sind also zunächst – unschematisiert gedacht – „leere Begriffe von Objekten“ und „bloße Gedankendinge ohne objektive Realität“ (B 148), mithin „in Vergleichung mit empirischen (ja überhaupt sinnlichen Anschauungen) ganz ungleichartig“ (A 137/B 176). Zwar könnte man „ein Objekt einer nicht-sinnlichen Anschauung als gegeben“ annehmen, welches durch Prädikate bestimmt wird, „die schon in der Voraussetzung liegen, d a ß i h m n i c h t s z u r s i n n li c h e n A n s c h a u u n g G eh ö r i ge s z u k o m m e“, d. h., „daß es nicht ausgedehnt, oder im Raume sei“ und „die Dauer desselben keine Zeit sei“ – jedoch wäre dies keine Erkenntnis im Sinne der Bestimmung der „Möglichkeit eines Objekts“ (B 149). Reine Verstan-
|| alles Mannigfaltige gegeben“ (B 135) und durch „dessen Vorstellung die Gegenstände selbst zugleich gegeben, oder hervorgebracht würden“ (B 145); ein solcher Verstand würde eben nicht denken, sondern anschauen (vgl. B 139). Dieser Verstand wäre, um eine Formulierung Heideggers zu gebrauchen, ontisch schöpferisch (vgl. Heidegger 1998, S. 132), d. h., er würde nicht bloß die formale Struktur bestimmen, in der sich alles Materielle späterhin zu fügen hat, sondern würde das Material selbst liefern, als bereits fix und fertig konstituiert und keiner Bestimmung mehr bedürftig. 146 Der Unterschied zwischen einem Noumenon im negativen Verstande als einem Ding, das „nicht Objekt unserer sinnlichen Anschauung ist“ und einem Noumenon in positiver Bedeutung als dem „Objekt einer nichtsinnlichen Anschauung“ (B 307) lässt sich deutlicher machen mit Blick auf die logische Urteilsfunktion des negativen und unendlichen Urteils. Wird im ersten Fall die Kopula verneint und damit ein kontradiktorischer Gegensatz vom Objekt einer möglichen Anschauung ausgesagt, nämlich, dass das Subjekt (Noumenon in negativer Bedeutung) nicht in die Sphäre des Prädikats (der menschlichen-sinnlichen Anschauung) fällt, wird im zweiten Fall durch Verneinung des Prädikats (nichtsinnliche Anschauung) lediglich bestimmt, dass das Objekt „in die Sphäre eines Begriffs [gesetzt wird], die außerhalb der Sphäre“ (Log, AA 09: 104) des Begriffs der sinnlichen Anschauung liegt, nämlich die einer möglichen anderen Anschauung als der unsrigen, d. i. einer nicht-raum-zeitlichen. Damit scheidet als mögliche Anschauung nur die raum-zeitliche aus, was aber andere mögliche Anschauungsarten übrig lässt. Übrigens ist das Noumenon nicht zu verwechseln mit dem – noch in der A-Auflage – thematischen transzendentalen Objekt, welches „als ein Correlatum der Einheit der Apperzeption zur Einheit des Mannigfaltigen in der sinnlichen Anschauung dienen kann“ und das „sich gar nicht von den sinnlichen Datis absondern“ (A 249) lässt (vgl. auch Kapitel 5.2).
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desbegriffe können sich daher niemals auf unsere sinnliche Anschauung beziehen, wenn nicht eine transzendentale, „figürliche Synthesis (synthesis speciosa)“ der Einbildungskraft vorausgeht, die das Mannigfaltige der sinnlichen Anschauung in Hinblick auf die „ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption, d. i. die transzendentale Einheit“ (B 151) verbindet. Um kategoriale, objektiv-synthetische Einheit im Begriff bzw. in einem synthetischen Grundsatz zu denken, muss besagte figürliche Synthesis die Elemente des räumlich-zeitlich gegebenen unbestimmten Mannigfaltigen zusammenführen und Einheit in der Anschauung stiften. Denn eben weil „[d]ie Apperzeption und deren synthetische Einheit […] mit dem inneren Sinn so gar nicht einerlei“ (B 154) ist und daher die Kategorien auf die unbestimmte, obzwar „bestimmbar[e]“ (B 152) Zeit ohne Unterschied angewendet würden, ist eine Verbindungshandlung erforderlich, die der Zeit a priori eine gewisse Struktur verleiht und sie damit so bestimmt, dass die jeweilige Kategorie zum ihr entsprechenden Zeitverhältnis passt. Diese bestimmende, transzendentale Synthesis dient also dazu, der einen Zeit gewisse Verhältnisse (etwa der Größe oder der Beharrlichkeit) zu verleihen und damit die bloß sukzessive Folge der einzelnen Wahrnehmungen respektive der unterschiedslosen Jetzt-Momente in der Zeit aufzuheben. So werden durch diese Synthesis, etwa nach Maßgabe der Quantitätskategorie, bestimmte Zeitstrecken in der einen Zeit konstituiert. Durch den geschilderten Bestimmungsakt (oder durch die einzelnen Bestimmungsakte, denn jede Synthesishandlung lässt sich sowohl von ihren Teilen aus als auch im Ganzen betrachten) wird die Einheit der Anschauung erzeugt und zugleich intellektuell durchdrungen, d. h., es wird der Anschauung zugleich ein intellektueller Überzug verliehen. Dabei lässt sich die synthetische Einheit etwa des Größenbegriffs (die gesetzte bzw. vervielfältigte Maßeinheit, die es zur Bestimmung einer Zeitstrecke oder einer mathematischen Figur braucht) mitnichten anschauen, sondern nur unter Zeitbedingungen in Form des transzendentalen Schemas (hier der Zahl überhaupt) denken. In diesem „cogitabile ut dabile“ (OP, AA 22: 98; vgl. auch 23, 115) ist die „synthetische Einheit der Warnehmungen a priori […] gedacht (cogitabile) und zugleich [uneigentlich, C.O.] gegeben (dabile)“ (OP, AA 22: 377). Anders formuliert: Durch diese reine Synthesis wird das Mannigfaltige zur Einheit der Anschauung gebracht, indem es den Kategorien gemäß gedacht und dadurch zugleich (als bestimmte Einheit der Anschauung) gegeben (nicht als bloßes Mannigfaltiges gegeben) wird. Diese Anschauungseinheit ist in diesem Fall kein Produkt einer autonom konstruierenden Einbildungskraft, sondern enthält – was in der Folge noch deutlicher werden sollte – immer schon kategoriale Einheit; folglich ist jede transzendentale Synthesis zugleich eine Vereinigung in der Kategorie.
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Um entscheiden zu können, ob der verzeitlichten Kategorie nachher auch ein „Ding“ in der „empirischen Anschauung“ (B 149) entspricht, ist ferner empirische Urteilskraft (vgl. A 248/B 304 sowie die Ausführungen in Kapitel 5.4, insbesondere 5.4.3 und 5.4.4) erforderlich. So ist es auch zu verstehen, wenn Kant von den daraus hervorgehenden empirischen Begriffen als Erfahrungsbegriffen erklärt, sie seien im Grunde genommen „nichts als Verstandesbegriff[e] in concreto“ (A 567/B 595), mithin verzeitlichte, schon empirisch bestimmte Kategorien. Indem „man sie auf Erscheinungen anwendet“, erhalten diese „den Stoff zum Erfahrungsbegriffe“. Folglich haben reine Verstandesbegriffe nur insofern Bedeutung, als sie „in Beziehung auf die Einheit der Anschauungen in Raum und Zeit“ (B 308) gedacht werden.
4.2.2 Bewegung als Handlung des Subjekts Kant begreift die in Rede stehende Tätigkeit der transzendentalen Synthesis produktiver Einbildungskraft als „eine Wirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit“ (B 152). Demnach wird die transzendentale Synthesis in ihrer Funktion der Bestimmung objektiver Zeitverhältnisse, wodurch sie die Beziehung zu Gegenständen ursprünglich eröffnet, einen Grund haben müssen. Dieser liegt in Form eines spontanen Initiationsaktes der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption vor, wodurch die produktive Einbildungskraft „ins Spiel [ge]setzt“ (A 66/B 91) wird. Das spontan handelnde und damit in seiner Ursächlichkeit zu betonende Ich übt in Form der transzendentalen Synthesis der Einbildungskraft „diejenige Handlung aufs passive Subjekt […] aus, wovon wir mit Recht sagen, daß der innere Sinn dadurch affiziert werde“ (B 153f.). Dabei ist dieses synthetische Einflussnehmen des Verstandes auf die Sinnlichkeit, die Selbstaffektion des Subjekts, nur durch „das Bewußtsein der Bestimmung“ (B 154) im tätigen Vollzug der Bestimmung denkbar: Wir können uns keine Linie denken, ohne sie in Gedanken zu z i e h e n , keinen Zirkel denken, ohne ihn zu b e s c h r e i b e n , die drei Abmessungen des Raums gar nicht vorstellen, ohne aus demselben Punkte drei Linien senkrecht aufeinander zu s e t z e n , und selbst die Zeit nicht, ohne, indem wir im Ziehen einer geraden Linie (die die äußerlich figürliche Vorstellung der Zeit sein soll) bloß auf die Handlung der Synthesis des Mannigfaltigen, dadurch wir den inneren Sinn sukzessiv bestimmen, und dadurch auf die Sukzession dieser Bestimmung in demselben, Acht haben. (B 154)
Dieser Passus besagt zweierlei: Einerseits geht es ganz elementar um den bloßen zeitlichen Aktus des Erzeugens (etwa den des Linienziehens) von Größen überhaupt, unabhängig von spezifischen Größen, nach der vorhin erläuterten
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Funktion des Größenbegriffs (vgl. Anm. 127 sowie Anhang Kapitel 4.1.1). Andererseits aber kann die „Einheit dieser Handlung“ der Synthesis, die exemplarisch an der Tätigkeit des Linienziehens, des Beschreibens eines Zirkels oder des Setzens eines Koordinatensystems dargestellt wird, „zugleich die Einheit des Bewußtseins (im Begriffe einer Linie)“ bedeuten, wodurch also schon „ein Objekt (ein bestimmter Raum) erkannt“ (B 138), d. h. als Quantum bestimmt und demnach bereits kategoriale Einheit in Form bestimmter Größenbegriffe (etwa Maßeinheiten) mitgedacht wird.147 Die Leistung des apriorischen Einigens verdankt sich in beiden Fällen aber einer ursprünglichen Bewegungshandlung des Subjekts anhand der Zeit, bei der von aller Räumlichkeit zu abstrahieren ist, die aber zur Darstellung dennoch den Raum benötigt (vgl. Kapitel 4.3.3). Der Fokus liegt hier augenscheinlich auf der „Bewegung, als Handlung des Subjekts (nicht als Bestimmung eines Objekts), folglich der Synthesis des Mannigfaltigen im Raume, wenn wir von diesem abstrahieren und bloß auf die Handlung Acht haben, dadurch wir den i n n er e n Sinn s ei n er Form gemäß bestimmen“ (B 154f.).148 Der Verstand findet also „in diesem nicht schon eine […] Verbindung des Mannigfaltigen, sondern b r i n g t s i e h e r v o r , indem er ihn affiziert“
|| 147 Kants Ausführungen zu diesem Sachverhalt sind nicht eindeutig, da die Handlung des Linienziehens noch keine bestimmten Zahlbegriffe voraussetzt, bei der Handlung des Linienziehens aber zugleich Einheiten bestimmt werden können, so dass die Tätigkeit Größenbegriffe erzeugt, sie mithin begrifflich-reflexiver Natur ist. Außerdem wird bei der Erzeugung spezifisch mathematischer Figuren immer auch ein Analogon des Substanzbegriffs mitgedacht, da die jeweilige Figur einer eigenständigen und für sich bestehenden Einheit gleichkommt, wenn dabei freilich auch kein Dasein im eigentlichen Sinne gedacht wird, handelt es sich bei mathematischen Figuren um keine realen Träger von Akzidenzien, so dass etwa die Linie für sich betrachtet auch „keine objektive Gültigkeit besitzt“ (B 298). 148 So ist es zu verstehen, wenn Kant die „Bewegung eines Objekts (im Raume)“, d. h. das Objekt in einer empirischen Anschauung nicht zur reinen Wissenschaft, mithin ebenso wenig zur Geometrie, hingegen die Handlung des Subjekts als „reine[n] Actus der sukzessiven Synthesis des Mannigfaltigen in der äußeren Anschauung überhaupt durch produktive Einbildungskraft“ ausdrücklich zur „Transzendentalphilosophie“ (B 155, Anm.) zählt. Letztere ermöglicht durch ihren antizipatorisch-beschreibenden Charakter vermittelst der reinen Anschauungsformen erst die empirischen Wissenschaften. Vgl. dazu Kaulbach 1978, S. 10f., 31. Kaulbach zeigt hier auf, dass etwa der Begriff der objektiven Veränderung allererst durch die subjektive Bewegungshandlung des Ich möglich ist. So bezieht sich die äußere, objektive Bewegung z. B. einer Billardkugel „auf eine ‚Bewegung‘ des Bewußtseins, in der das ‚Ich denke‘ den Weg der physischen Körper den Bewegungsgesetzen gemäß vorzeichnet, die es von diesen aussagt“ (S. 10). Vgl. auch Kaulbach 1963, S. 9.
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(B 155), und zwar „durch eigene Tätigkeit, nämlich dieses Setzen seiner149 Vorstellung“ (B 67f.). Will man diese Bewegung veranschaulichen, so muss man sich etwa das Ziehen einer Linie vorstellen, welches im Setzen, Reproduzieren sowie dem gleichzeitigen Zusammennehmen der Teile besteht, wobei es im Ziehen dieser Linie nur auf die Handlung selbst, bloß auf die Bewegung, d. i. das sukzessive Fortschreiten des Bewusstseins in der Zeit – einem in der Linie (das Bild der Zeit) fortlaufenden Punkte gleich – zu achten gilt. Entscheidend ist die „Handlung der Synthesis“ des Selbstbewusstseins, die immer einer bestimmten Kategorie gemäß verläuft. Hierbei ist es freilich nicht um das Zustandebringen einer bestimmten Figur (die konkrete Linie), oder einer bestimmten Zeitgröße (eine so oder so lange Zeitspanne) zu tun; sondern es wird eben von jeder bestimmten Größe sowie vom Raum abstrahiert und auf die bloße, „den inneren Sinn sukzessiv bestimmen[de]“ (B 154) und deshalb zeitlich zu verstehende Bewegung als Funktion der Bestimmung selbst – wie hier etwa beim Erzeugen und Bestimmen von Größen überhaupt – attendiert. Durch die in Rede stehende ursprüngliche Bewegung des Subjekts können sodann objektive Einheiten in Zeit (und Raum) gesetzt, der Gegenstand dadurch synthetisch bestimmt werden. Wenngleich durch diese Handlung des Subjekts noch kein eigentliches Erfahrungsobjekt kategorial bestimmt wird, so erhalten die zeitlich-räumlichen Anschauungsinhalte bereits durch die voranschreitende (unter Bedingungen der Reflexion stehende) reine Synthesis den Charakter gegenständlicher Strukturen, wodurch es möglich wird, späterhin konkrete empirische Gegenstände unter das Schema und somit unter die Kategorie zu subsumieren. Aus diesem Grunde ist die ursprüngliche Bewegungshandlung des Subjekts auch als transzendentale Bewegung zu verstehen.150
|| 149 Das Original hat hier zu Recht „ihrer“ stehen, nämlich der „Verhältnisse“ (als bestimmter vorgestellter Verbindungsarten), die ja in der ganzen Anmerkung II auch eigentlich thematisch sind. Der in Rede stehende Satz spricht von einer Vorstellung bloßer Verhältnisse. 150 Dieser prägnante Ausdruck stammt von Kaulbach (1982, S. 149f.). Wie der Autor richtig betont, ist diese „subjektive Bewegung des Bewußtseins zugleich objektives Hervorgehen der Sache“ (S. 150). Die Handlung wäre demnach zu verstehen als „Tätigkeit nach einer inneren, auf einen Willen bezüglichen Kausalität“ (Dörflinger 2000, S. 202). Vgl. dazu auch Sturma 1985, S. 105 sowie Prauss 1990, S. 183ff. Bubner (1986, S. 39) betont in Hinblick auf die zu untersuchende Spontaneität des Verstandes, dass sich deren „Erforschung […] bloß an den Handlungscharakter zu halten“ hat. In ähnlicher Hinsicht betont Forschner (1986, S. 84), dass der „menschliche Geist als Verstand […] in transzendental-logischem Sinn Schöpfer von Natur in formaler Bedeutung (d. h. von Natur als einem universalen Gesetzeszusammenhang der Dinge und Ereignisse, die in Raum und Zeit vorhanden sind und geschehen)“ ist.
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Diese Bewegungshandlung als für die Erkenntnis ursächlich kann auch als Kausalität des Verstandes gelten. Es ist klar, dass Kausalität hier jedoch keine Naturkausalität im eigentlichen Sinne meint, sondern vielmehr einer transzendentalen Kausalität gleichkommt, die in die Zeit hineinwirkt. Obschon sie als eine Art Geist-Geist-Kausalität innerhalb des Subjekts keine reale ObjektKausalität darstellt, muss sie dennoch kausal-zeitlich bestimmt gedacht werden, worüber das folgende Kapitel noch Aufschluss geben wird. Man könnte darüber debattieren, ob diese Art der Kausalität, insofern sie wesentlich keine objektiv-zeitliche, d. h. keine Naturkausalität ist, überhaupt Kausalität genannt und nicht vielmehr – unbestimmter – ein transzendentaler Grund genannt werden sollte. Es handelt sich bei dieser Art von Kausalität allerdings um ein tatsächliches Verursachen von Vorstellungen (formaler, objektiv-zeitlicher Strukturen), insofern das handelnde Subjekt auf seinen inneren Sinn wirkt, d. h. Veränderungen im Gemüt bewirkt. Der Verstand wirkt (als beharrliche Kausalität der Ursache gedacht) in die Zeit und verleiht der Zeit eine objektive Struktur, welche die Erkenntnis sämtlicher objektiv-zeitlicher Kausalrelationen in der Natur ermöglicht.151 Wenn auch durch diesen Vorgang das Kausalprinzip erst – strukturgenetisch – konstituiert wird, so muss die schematisierte Kausalitätskategorie für die Erklärung und gleichsam zur Objektivierung dieser subjektiven Bewegungshandlung faktisch (auf einer deutenden Metaebene) schon vorausgesetzt werden. Je nachdem, von welcher Seite aus die Bewegung des Bewusstseins betrachtet wird, kann die Bewegungshandlung als Ursache – mit dem Fokus auf das tätige Subjekt gerichtet –, aber auch als Wirkung gelten, und zwar insofern, als Bewegung – wenn man auf die objektive Seite, z. B. beim Ziehen einer Linie achtet – immer schon etwas vom Bewusstsein Hervorgebrachtes ist, mithin ein durch eine Kraft Geäußertes, deren Wirkung Bewegung (‚Gehandeltes‘) ist. Es ist die Handlung verstanden als Bewegung152 als hervorgebrachte Vorstellung damit vom bewirkenden, vorstellenden Subjekt unterschieden (dabei kann jede einzelne Phase der Synthesis als immer wieder neu erzeugte, jedoch ebenso die
|| 151 Vgl. dazu auch Kaulbach 1967, S. 68f.: „Es gibt also eine Kausalverbindung, eine Synthese, die als reale Synthese gegenüber nur logischen, im Bereich der Möglichkeit beheimateten Verbindungen allein die Prüfung besteht.“ (Hervorh. C.O.) Auch Heidemann (2004, S. 210) betont in einem ähnlichen Zusammenhang Kants Unterscheidung einer logischen und realen Funktion. Letztere sei dabei als der Grund der Möglichkeit der Vorstellung der Sachen die Handlung bzw. der Actus „des Setzens und Ordnens von Vorstellungen“. 152 Demgemäß spricht Kant dann auch von der „Bewegung, als Handlung des Subjekts“, was so viel bedeutet, dass die initiierte Bewegung ein Fall verschiedenster Handlungen des Subjekts ist.
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Synthesis im Ganzen als sich durchhaltende Wirkung in der Zeit betrachtet werden). Vor dem Hintergrund dieses relationalen Charakters des Handlungsbegriffs ist es auch zu verstehen, wenn Kant erklärt, „Handlung bedeute schon das Verhältnis des Subjekts der Kausalität zur Wirkung“ (A 205/B 250). Aufgrund seiner Tätigkeit, die einen solch doppelt zu betrachtenden relationalen Charakter aufweist, kann das Ich oder das Ich denke, als der Ausdruck des denkenden Ich – sit venia verbo – als die Relation selbst gelten. Insofern diese Bewegung erscheinende und damit beobachtbare Handlung im inneren Sinn ist, kann sie durch den schematisiert gedachten Handlungsbegriff bestimmt (als Einfluss diese Zeit hindurch) dem handelnden Subjekt zugeschrieben werden.153 Darüber sind dann auch die einzelnen Handlungsweisen des tätigen Ich, von dem ursprünglich nur gesagt werden kann, dass es sich über den Begriff seiner selbst seines Handlungsvermögens bewusst werden kann, erkennbar, ohne dass dadurch aber – darauf muss an dieser Stelle erneut hingewiesen werden – das denkende Ich selbst bestimmt würde.
4.2.3 Selbstaffektion Eine mögliche Schwierigkeit könnte die Frage bereiten, wie es überhaupt möglich ist, dass ein – von zeitlichen Bedingungen freies – reines Selbstbewusstsein || 153 Der Begriff der Handlung, der als bloß gedachtes Prädikabilium des reinen Verstandes (vgl. A 82/B 108) speziell die Ursachenseite einer Handlung ausdrückt, kann von der Seite der Wirkung aus betrachtet auch als erscheinende Handlung in Form von Bewegung interpretiert werden, d. h., er wäre von dieser Seite aus gesehen ein sinnlicher Begriff, dessen Wesen in der Anschauung liegt. Innerhalb der Bewegungshandlung könnte man weiter zwischen der eigentlich erscheinenden Bewegung bzw. dem hervorgebrachten Produkt der Bewegung und der bestimmenden intellektuellen Regel der reinen Synthesis unterscheiden, die im eigentlichen Sinne niemals erscheint, sondern bloß unter Zeitbedingungen (hinzu-) gedacht wird. Die Frage, ob ein Prädikabilium schematisierbar ist, wird in der Forschung – soweit dies zu überblicken ist – nirgends explizit gestellt. Dies ist jedoch durchaus zu bejahen, so dass etwa der Kraftbegriff, schematisiert gedacht, als das beharrlich den Wechsel in der Veränderung Bewirkende (an der Substanz) sich in der erscheinenden Bewegung niederschlagen würde. Auf den Zusammenhang von Prädikabilien und sinnlichen Begriffen, wie dem der Bewegung, macht Gloy (1976, S. 163ff.) aufmerksam. Ihre ausnahmslose Identifikation der sinnlich-bedingten Begriffe mit den Schemata (vgl. ebd., S. 158f. sowie S. 159, Anm.) greift allerdings zu kurz, da die Schemata reiner Verstandesbegriffe einen intellektuellen Bestandteil besitzen (eine intellektuelle Regel), der dem bloß sinnlichen Begriff – als dem durchaus so zu betrachtenden sinnlichen Bestandteil des Schemas – fehlt. So ist die Sukzession, um ein weiteres Beispiel zu geben, nur der sinnliche Bestandteil des Schemas, während der intellektuelle Bestandteil des Schemas die reale, notwendige Gesetzmäßigkeit dieser Sukzession ist (vgl. dazu Kapitel 5.4.4).
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sich, d. h. seinen inneren Sinn, affiziert und dabei gleichzeitig im inneren Sinn als zeitlich zu denkendes empirisches Bewusstsein erscheint, obschon in Hinblick auf den bei der Selbstaffektion im Vordergrund stehenden Aspekt der apriorischen Strukturierung der Zeit von sämtlichen empirischen Faktoren gerade zu abstrahieren ist. Es müsste also geklärt werden, ob es notwendig ist, bei der Rede von einer transzendentalen Affektion der Sinnlichkeit überhaupt ein erscheinendes sinnliches und zeitlich verfasstes Subjekt thematisch werden zu lassen. Bemerkenswert ist zuvörderst, dass Kant das anschauende Subjekt und sein Vermögen anzuschauen zur reinen Apperzeption Ich denke zählt. In der Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik unterscheidet Kant entsprechend ein „zweifaches Ich“, nämlich „Ich, der ich denke und anschaue“ – was des Menschen „gänzliche Absonderung von allem Vieh“ deutlich macht – von einem Ich „des Objects, was von mir angeschauet wird [und] gleich anderen Gegenständen außer mir, die Sache [ist]“ (vgl. FM, AA 20: 270), welches oben (S. 56f.) als empirisches Zustandsbewusstsein ausgewiesen wurde. Dies bedeutet, dass innerhalb der reinen Synthesis reines Denken und reines Anschauen auf dieselbe Seite fallen. Dabei bleibt zwar die Differenz von innerem Sinn und Verstand gewahrt, allerdings wird hierbei kein empirisches Bewusstsein als Objekt thematisch, mithin geht es nicht um die Frage nach der Verbindung im Gemüt liegender, empirischer Vorstellungen. Anders gesagt, die Theorie der Selbstaffektion thematisiert nicht das empirische Bewusstsein von Zuständen (durch Fremdaffektion durch äußere Gegenstände), die im Gemüt liegend zur Einheit des Selbstbewusstseins gebracht werden müssen, wodurch das empirische Ich zugleich als Objekt in der Zeit bestimmt werden kann; obwohl wenigstens die reine Form des rezeptiven Ich die Verstandesform gleichfalls passiv aufnimmt, die in ihr dann als verzeitlichte synthetische Einheit angeschaut wird. Es wird vielmehr die reine Strukturierung der Zeit bzw. die Affektion der reinen Sinnlichkeit als des anschauenden Vermögens respektive der Fähigkeit zur Anschauung, die ein reines Mannigfaltiges zur Bestimmung darbietet, zum Gegenstand der Betrachtung. Hier bringt das Ich denke durch Einwirkung auf den inneren Sinn gleichsam seine eigenen, bestimmten sinnlichen Vorstellungen hervor, hin zur Einheit der Anschauung, die zugleich begriffen wird (vgl. S. 116, 170). Es lässt sich dann auch ein Unterschied ausmachen zwischen den beiden Abschnitten innerhalb der Kritik, in denen die Selbstaffektion hauptsächlich thematisch ist, nämlich zwischen § 24 (eingeschlossen § 25) der ‚B-Deduktion‘ und der zweiten der ‚Allgemeinen Anmerkungen zur Transzendentalen Ästhetik‘ (B 67f.) einerseits und der ‚Widerlegung des Idealismus‘ andrerseits. Während in ersteren vornehmlich die transzendentale Synthesis und die formale
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Strukturierung der Zeit Gegenstand der Betrachtung sind, handelt die ‚Widerlegung‘ von der Daseinsbestimmung des Selbstbewusstseins, im Rahmen dessen der Raum eine Aufwertung erfährt und der äußere Gegenstand (empirisches Ding an sich, vgl. Anm. 18, 120) im Raum außerhalb des Subjekts thematisch wird, von dem in der ‚B-Deduktion‘ erst in § 26 die Rede ist. Das Kapitel zur Selbstaffektion fragt also vornehmlich nicht nach dem Erscheinen empirischen Bewusstseins, sondern danach, wie der Verstand in einem „Actus der A u f m er k s am k ei t“ den inneren Sinn affiziert und diesen „darin jederzeit […] der Verbindung, die er denkt, gemäß, zur inneren Anschauung, die dem Mannigfaltigen in der Synthesis des Verstandes korrespondiert“ (B 156f., Anm.), bestimmt; es fragt also danach, wie die in der Kategorie gedachte Verbindungsfunktion bzw. das gedachte Mannigfaltige (die mannigfaltigen Merkmale in ihrer jeweiligen synthetischen Zuordnung zueinander154) des reinen Verstandesbegriffs, das mit dem Mannigfaltigen der Anschauung ungleichartig ist, mit diesem letzteren zusammengebracht werden kann. Diese Feststellung wird ferner durch den Umstand bestätigt, dass das Thema der Selbstaffektion die Modalitätsbestimmungen außen vor lässt, insofern bei der apriorischen Strukturierung des inneren Sinns die Frage nach der Wirklichkeit des Daseins des empirischen Ichs unberührt bleibt, während dies in der ‚Widerlegung‘ der eigentliche Schwerpunkt ist. Nicht umsonst schließt sich die ‚Widerlegung‘ innerhalb der ‚Postulate des empirischen Denkens überhaupt‘ an das Postulat der Wirklichkeit der Dinge an. Die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft dagegen handelt von der bloßen Möglichkeit der Dinge und der Daseinsbestimmung meiner selbst. Mit der Zweiteilung von reinem und empirischem Selbstbewusstsein (innerer Sinn) in einem Subjekt entgeht Kant sodann dem sich aus der These der Selbstaffektion ergebenden, vermeintlichen Widerspruch, wonach wir von uns selbst „innerlich af f i z i er t werden“, wodurch wir uns nämlich scheinbar „gegen uns selbst als leidend verhalten müßten“ (B 153), was dem verwendeten Begriff einer actio transiens (eines Einflusses) in der Tat zuwider laufen würde. Nun handelt es sich bei der Affektion des inneren Sinnes jedoch um eine respektive äußerliche Einflussnahme, dergestalt, dass das reine Selbstbewusstsein äußerlich auf die Form des empirischen Selbstbewusstseins wirkt und also ein „synthetischer Einfluß des Verstandes auf den inneren Sinn“ (B 154) gedacht
|| 154 Auch wenn Kategorien (Diskreta) einfach zu nennen sind, da sie einfachen, in keine weiteren zerlegbaren Handlungen entsprechen, enthalten sie viele unterschiedliche Merkmale in sich und sind insofern nicht einfach im Sinne etwa eines einfachen Punktes. Vgl. hierzu auch Anm. 66.
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wird. Zwar ist dieser Einfluss kein äußerer Einfluss zwischen zwei Substanzen, bei der eine Substanz zurückwirkt, da dieser kausale Akt immer noch innerhalb einer actio immanens begriffen werden muss, wobei hier gleichsam eine Substanz in der Idee gedacht wird, die auf keine andere Substanz, sondern bloß auf sich und in sich selbst zurückwirkt; jedoch wird dieser Vorgang analog der äußerlichen Einflussnahme einer Substanz auf die andere gedacht, und zwar als äußerer Einfluss zwischen zwei beharrlichen Vermögen bzw. ihren subsistierenden Trägern, d. h. einem intellektuellen und sinnlichen Ich, die einer Art ‚doppeltem Ich‘ (einem handelnden und einem affizierten) gleichkommen:155 „Wie aber das Ich, der ich denke, von dem Ich, das sich selbst anschauet [d. h. das angeschaut wird, C.O.], unterschieden […] und doch mit diesem letzteren als dasselbe Subjekt einerlei sei, wie ich also sagen könne: I c h , als Intelligenz und d en k e n d Subjekt, erkenne mich selbst als ged ac h t es Objekt, so fern ich mir noch über das in der Anschauung gegeben bin, nur gleich anderen Phänomenen [d. h. im Raume, C.O.], nicht wie ich vor dem Verstande bin, sondern wie ich mir erscheine“, das hat bekanntlich, „nicht weniger Schwierigkeiten bei sich, als wie ich mir selbst überhaupt ein Objekt und zwar der Anschauung und innerer Wahrnehmungen sein könne“ (B 155f.).; gleichwohl handelt es sich nur, dies sei erneut betont, um eine Analogiebildung. Dass der innere Sinn „von uns selbst affiziert werde“, davon kann uns, wie gesagt, „[j]eder Actus der A u f m er k s am k ei t […] ein Beispiel geben“. Dadurch wird zugleich die Art, „wie ich [das Dasein als bloßes Bewusstsein, dass ich bin, C.O.] bestimmen, das Mannigfaltige, zu demselben Gehörige, in mir s etz en solle, […] gegeben“ (B 157, Anm.). Obschon die transzendental-ideale Zeitbestimmung die notwendige Bedingung für die Vorstellung gehaltlich besetzter Teile des anschaulich Mannigfaltigen ist, weil dadurch Verhältnisse bestimmt
|| 155 Es werden, wenn man so will, „im selben Gemüt oder im selben Subjekt […] zwei gleichsam ‚subsistierende‘ Instanzen […] unterschieden“ (Kugelstadt 1998, S. 323). Man hat sich diese Art der Affektion ganz im Sinne der in Anm. 76 beschriebenen Quasi-Objektivität zu denken, insofern beide Ich-Instanzen nur als Quasi-Objekte vorgestellt werden, wobei sie wesentlich immer formal-charakterisierte Subjekte des Vorstellens bleiben. Sie haben alles Wesentliche von Substanzen an sich, insofern sie handeln und Bestimmungen tragen; es fehlt ihnen aber jegliches Kennzeichen empirischer Materialität. Darauf, dass bei der Selbstaffektion keine äußeren Kräfte im eigentlichen Sinne aufeinander wirken, weist auch Düsing (1980, S. 23) hin. Vgl. auch Kaulbach (1978, S. 12), der die Rede von einer handelnden Substanz für legitim erklärt, insofern man unter Substanz kein Ding, sondern vielmehr ein handelndes Subjekt, geäußert in Form der transzendentalen Bewegung, verstehe.
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werden, wie sie objektiv in der Zeit sind,156 so bleibt der innere Sinn zumindest in inhaltlicher Sicht abhängig von den in der empirischen Anschauung gegebenen Erscheinungen, mithin vom Beharrlichen im Raum als materiale Bedingung der Möglichkeit der Zeitbestimmung.157 Das Verhältnis von reiner Zeit- bzw. Raumbestimmung und der damit verbundenen, gleichzeitigen Selbstaffektion des inneren Sinns wird auch in einem aufschlussreichen Briefwechsel zwischen Kant und Kiesewetter thematisch, in dem Kant eine Antwort darauf zu geben versucht, ob es eine Erfahrung ist, dass wir denken. Diese Frage kann laut Kant auf zweifache Weise beantwortet werden. Zunächst ist zu konstatieren, dass es sich beim Denken eines Begriffes, oder aber schon beim auf Anschauung bezogenen Denken eines sinnlichen Gegenstandes, nicht um eine Erfahrung handelt, denn „wenn ich ein Object der Sinne mir blos willkührlich denke, so werde ich von demselben nicht belehrt und hänge bei meiner Vorstellung in nichts vom Objecte ab, sondern bin gänzlich Urheber derselben“ (Refl, AA 18: 319) – es gilt dies freilich nur für diesen willkürlichen Fall. Gleichwohl, so Kant, „bringt dieser Gedanke einen Gegenstand der Erfahrung hervor oder eine Bestimmung des Gemüths, die beobachtet werden kann, sofern es nämlich durch das Denkungsvermögen afficirt wird“, so dass man in anderer Hinsicht sagen kann, man „habe erfahren, was dazu gehört“, einen bestimmten Gedanken, etwa „eine Figur von vier gleichen Seiten und rechten Winkel, so in Gedanken zu fassen, daß ich davon die Eigenschaften demonstriren kann. Dies ist das empirische Bewußtseyn der Bestimmung mei-
|| 156 Im Übrigen ist dies ein Aspekt, den Sturma (1985, S. 81, auch S. 96f.) nicht ausdrücklich hervorhebt, wenn er den Aspekt der Selbstaffektion vor dem Hintergrund einer möglichen kategorialen Synthesis der mentalen Zustände des inneren Sinns allen voran in Hinblick auf die Selbsterkenntnis des transzendentalen Selbstbewusstseins betrachtet und nicht herausstellt, dass der eigentliche Kern des Themas die formale Strukturierung von Raum und Zeit zum Zwecke der Erfahrung von Gegenständen überhaupt ist; dies ermöglicht dann auch die Selbsterkenntnis, insofern die Zustände meiner selbst unter die Einheit des Selbstbewusstseins gebracht werden können (gleichsam als Akzidenzien meiner selbst als ‚Substanz‘ gedacht). 157 Vgl. dazu auch Sturma 1985, S. 80. Sturma geht allerdings zu weit mit seiner Behauptung, der innere Sinn dürfe nicht mit der Vorstellung einer ins ‚Innere‘ gerichteten Wahrnehmung verwechselt werden, sondern beschreibe lediglich einen epistemologischen Begriff. Abgesehen davon, dass nicht recht deutlich wird, warum diese beiden Bestimmungsmomente des inneren Sinns sich gegenseitig ausschließen, drückt der innere Sinn gerade die von Sturma abgelehnte innere Wahrnehmung aus, insofern das Subjekt nur aufgrund seiner Selbstwahrnehmung die eigenen Bewusstseinszustände anschauen kann. Andernfalls müsste man die auch phänomenologisch bedeutsame Tatsache des Bewusstseinsstroms, d. h. des Erlebens unserer selbst, entweder ganz leugnen oder völlig unabhängig von irgend einem subjektiven Vermögen zu verorten versuchen, was absurd erscheint.
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nes Zustandes in der Zeit durch das Denken“ (ebd.), mithin werde ich hier als Objekt bestimmt (wie in Kapitel 3.1 und 3.3 dargetan). Bevor das Thema der Selbstaffektion vor dem Hintergrund der dadurch erzeugten transzendentalen Schemata noch differenzierter betrachtet werden kann, muss noch einem generellen Einwand gegen diese prozessuale Theorie entgegengetreten werden, und zwar dem einer möglichen Psychologisierung der formell-strukturellen Betrachtung der Kritik. Zugegebenermaßen verwendet Kant gerade in der A-Auflage eine stellenweise sehr psychologistisch gefärbte Terminologie, wobei er jedoch jederzeit die „transzendentale Abgezogenheit“ (A 344f./B 402, Anm.) der Begriffe geltend macht. Die Transzendentalphilosophie betrachtet das Empirische also nur insofern, als sie die allgemeinen Strukturen von Erfahrung überhaupt thematisiert, mithin wird von „irgend einer besonderen Wahrnehmung meines inneren Zustandes“ (A 342/B 400) gerade abstrahiert158: Denn innere Erfahrung überhaupt und deren Möglichkeit, oder Wahrnehmung überhaupt und deren Verhältnis zu anderer Wahrnehmung, ohne daß irgend ein besonderer Unterschied derselben und Bestimmung empirisch gegeben ist, kann nicht als empirische Erkenntnis, sondern muß als Erkenntnis des Empirischen überhaupt angesehen werden, und gehört zur Möglichkeit einer jeden Erfahrung, welche allerdings transzendental ist. (A 343/B 401)
Transzendentalphilosophie als Wissenschaft, die Erfahrung zu begründen versucht, hat es demnach nicht mit empirischen Zufälligkeiten zu tun, sondern will die allgemeinen und notwendigen Strukturen des Erkenntnisvermögens aufdecken (vgl. B 28), wozu aber auch der (seiner Möglichkeit nach zu denkende) aktuale Vollzug der Handlungen thematisch werden muss. Die Kantische Aufforderung zur Abstraktion lässt sich auch an einer Erklärung festmachen, wonach transzendentalen Betrachtungen durchaus etwas „Empirisches beigemischt“ sein kann, solange sie „von nichts Empirischem abhängig“
|| 158 Ganz in diesem Sinne ist es auch zu verstehen, wenn Sturma (1985, S. 30) „das Selbstbewußtsein und die Selbstreferenz mentaler Zustände [d. i. empirisches Selbstbewusstsein, C.O.] nicht als zusätzliche, in kognitiver Hinsicht verzichtbare psychologische Komponenten des Denkens, sondern als interne Strukturbestimmungen von Erfahrung“ verstanden wissen will. Auch Dörflinger (1991, S. 113ff.) spricht mit Blick auf diesen Sachverhalt, speziell aber in Hinblick auf den Status der Empfindung, die auch losgelöst von ihrer aposteriorisch-materialen Erfülltheit im Zusammenhang möglicher – und nicht wirklicher – Erfahrung überhaupt eine eigenständige, formale Betrachtung gestattet (vgl. S. 115), von „der transzendentalen Umrahmung der Empfindung“ (S. 113). Vgl. zu diesem Sachverhalt Sturma 1985, S. 44f. sowie Kitcher 1993, S. 25, 123, 253, Anm. Siehe auch Anm. 10 und 162.
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(ÜGTP, AA 08: 184) sind. Entsprechend wäre also Kants Feststellung in der Kritik, dass „von den Erkenntnissen a priori [nur] diejenigen r ei n “ heißen, „denen gar nichts Empirisches beigemischt ist“ (B 3; vgl. A 11), in Hinblick auf transzendentale Aussagen zu modifizieren. Allenfalls für mathematische Erkenntnisse kann geltend gemacht werden, dass ihnen in der Tat nichts Empirisches beigemischt ist, wenn sie für sich genommen auch wiederum auf mögliche Erfahrung anwendbar sein müssen (vgl. B 146f., B 201ff.). Wenn in Hinblick auf das Thema der Selbstaffektion von Erscheinung gesprochen wird, dann handelt es sich stets um die formale Erscheinung (vgl. OP, AA 22: 334) des transzendentalen Selbstbewusstseins, ebenso wie das Ziel der Selbstaffektion, die Bestimmung des inneren Sinns, als die formale Materialisierung der Sinnlichkeit verstanden werden muss. Der Verstand findet nämlich in der Anschauung „nicht schon eine […] Verbindung des Mannigfaltigen, sondern bringt sie hervor, indem er ihn [den inneren Sinn, C.O.] affiziert“ (B 155), und zwar „durch eigene Tätigkeit, nämlich dieses Setzen seiner [s.o, Anm. 149] Vorstellung“ (B 67f.). Sprich: Es muss einsichtig gemacht werden, wie der Verstand durch Einwirkung auf den inneren Sinn eine Vorstellung zeitlich-strukturierter, d. i. schematisierter Kategorien, bekommt.
4.3 Die Genese der transzendentalen Schemata: Versuch einer Rekonstruktion Die nun folgenden Erörterungen versuchen eine Schwierigkeit zu lösen, die allen voran aus einer gewissen Doppeldeutigkeit hinsichtlich der Bestimmung der transzendentalen Schemata resultiert. Wenn die vorliegende Arbeit sich diesem Problem nähert und einen Interpretationsansatz wagt, der so nicht eindeutig aus Kants Schriften zu eruieren ist, dann liegt dies nicht zuletzt auch an Kants eigenen rudimentären Ausführungen zu diesem Thema. Das Hinausgehen über den Text ist freilich nicht willkürlich erdichtet, sondern wird durch den Text selbst möglich und notwendig. Einerseits nämlich soll das transzendentale Schema die „Vorstellung einer Methode“ sein, nach der die Kategorien versinnlicht werden, was ihre Anwendung auf Erscheinungen ermöglicht. So ist etwa das Schema der Größe, die „Zahl überhaupt“ (A 140/B 179), „eine Vorstellung […], die die sukzessive Addition von Einem zu Einem (Gleichartigen) zusammenbefaßt“ (A 142/B 182), also die objektive Methode der Zusammensetzung von Einheiten, d. h. „die reine Synthesis gemäß einer Regel der Einheit nach Begriffen überhaupt“ beschreibt, wonach die Kategorien versinnlicht und ihre Anwendung auf Erscheinungen ermöglicht werden, wobei das Schema selbst allerdings „in gar kein Bild ge-
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bracht werden kann“ (A 142/B 181). Andererseits erklärt Kant auch, das transzendentale Schema sei ein „transzendentales Produkt der Einbildungskraft“ (A 142/B 181), weshalb man geneigt sein könnte, dem transzendentalen Schema entgegen der gerade etablierten Aussage einen anschaulichen, bildhaften Charakter zuzuschreiben und es als ein – durch ursprüngliche Bewegung des Subjekts – hervorgebrachtes Erzeugnis zu interpretieren.159 In diesem Falle wäre das transzendentale Schema eine Art sinnliches Bild der Kategorie – was es laut Text und wie zu zeigen sein wird allerdings nicht sein darf. In einem bestimmten Sinne lässt sich das Schema eines reinen Verstandesbegriffes dennoch als Produkt der transzendentalen Einbildungskraft verstehen, und zwar insofern, als diese produktiv verfährt im Hervorbringen des Schemas als einer Versinnlichungsregel wesentlichenteils intellektuellen Ursprungs. Ferner wird bei der Bestimmung der Zeit durch diese, selbst allererst hervorzubringende Verfahrensregel immer auch ein Bild erzeugt, welches in diesem eingeschränkten Sinn ebenfalls als Produkt verstanden werden kann. Es ist dieser sinnliche Bestandteil des Schemas dann pointiert als Schemabild zu bezeichnen. Wie dies zu verstehen ist, soll exemplarisch mit einer Untersuchung der Kategorie der Quantität gezeigt werden. Zuvor bleibt festzuhalten, dass der transzendentale Schematismus der reinen Verstandesbegriffe objektiv-notwendig ist, da er zwei, miteinander zusammenhängende Aufgaben erfüllt: A) Zum einen wird der an sich bestimmungslosen Zeit eine objektive Struktur verliehen, ohne welche das Vorstellungssubjekt in einer regellosen Vorstellungswelt verharren würde. B) Zum anderen erfüllt der transzendentale Schematismus den übergeordneten Zweck, die mit der sinnlichen Anschauung „ganz ungleichartig[en]“ (A 137/B 176) reinen Verstandesbegriffe so zu versinnlichen, dass diese als verzeitlichte Kategorien auf Er-
|| 159 Dass die Kategorien als Produkte einer Tätigkeit der reinen Einbildungskraft verstanden werden müssen, betont etwa Paton (1976, Bd. II, S. 37): „Kant speaks in places as if the transcendental schemata were rules, and even as if they were syntheses; but I think he can be most satisfactorily interpreted if we take the transcendental schema to be a way of combination, or a characteristic of combination, which is produced by the transcendental synthesis of imagination.“ Vgl. auch ebd., S. 39, 43. Rosales (2000, S. 225) sieht dagegen – ähnlich dem vorliegenden Interpretationsansatz – eine „Doppeltheit und ein Schwanken in der Bestimmung des Schemas“, insofern Kant das Schema einerseits „explizit […] als Methode, d. h. als Regel oder Modus der Synthesis [bestimmt], Bilder eines Begriffes zu erzeugen, andererseits aber auch so etwas wie Bilder als Schemata der Kategorien an[führt]“. Er macht einen Unterschied zwischen dem „Wie des Verbindens“ im Sinne der bestimmenden Tätigkeit (Schema als Methode) und dem „Wie des Verbundenseins des Bildes“ (S. 226) als Produkt der Synthesis. Die Interpretation des transzendentalen Schemas als eines Produkts der Einbildungskraft findet sich auch bei Aportone (2009, S. 320) und Düsing (1995, S. 50, 55).
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scheinungen angewendet werden können. Dies ermöglicht allererst synthetische Urteile a priori und die „[I]ntellection der Erscheinungen“ (Refl, AA 18: 80; vgl. auch Refl, AA 17: 707), d. h. ihre kategoriale Ordnung und Erkenntnis. Der ‚Schematismus‘ überwindet die Heterogenität zwischen einzelner, durchgängig bestimmter Anschauung und allgemeinem Begriff, der – im Falle eines synthetischen Begriffs – zwar nach durchgängiger Bestimmung strebt, diese jedoch niemals erreicht, denn „durchgängig bestimmte“ Vorstellungen kann es – wie zu Beginn erwähnt – immer nur als „A n s c h au u n ge n [aufgrund der potentiellen unendlichen Teilbarkeit von Raum und Zeit freilich nie faktisch, sondern nur in der Idee, C.O.; vgl. Anm. 231], nicht aber als B e gr i f f e , geben“, so dass „in Ansehung der letztern […] die logische Bestimmung nie [außer in der Idee des ens realissimum (vgl. B 604), C.O.] als vollendet angesehen werden [kann]“ (Log, AA 09: 99). Wenn Kant daher eingangs des Schematismus-Kapitels behauptet, „[i]n allen Subsumtionen eines Gegenstandes unter einen Begriff [müsse] die Vorstellung des ersteren mit der letzteren gleichartig sein“ (A 137/B 176), so stimmt dies deshalb nicht, weil es offenbar eine Subsumtion gibt, für die dies nicht zutrifft. Denn die synthetische Reflexion strebt eine Subsumtion unter den Begriff an, wodurch die mit dem allgemeinen Begriff gänzlich ungleichartige einzelne Anschauung allererst gleichartig gemacht wird. Die notwendige Bedingung für diese Reflexion ist freilich die transzendentale Synthesis, wodurch die noch gänzlich unbestimmte Zeit einmal a priori strukturiert und dadurch als objektiv bestimmte Zeit unter die jeweilige Kategorie subsumiert werden kann, was schließlich die Vorstellung vom Gegenstand überhaupt hervorbringt.160 Um zu unterscheiden, auf welche Weise die Kategorie auf die reine Zeit angewandt wird, braucht es freilich die transzendentale als eine reflektierende Urteilskraft, welche als ein Beurteilungsvermögen des Subjekts das Verfahren des Schematisierens festlegt. Denn die Kategorie kann eben nicht völlig willkürlich in die Zeit transformiert werden, da ansonsten dem Substanzbegriff ebensogut das Schema der „Zahl überhaupt“ (A 140/B 179) entsprechen könnte. Ob der Zeit eine bestimmte Größe verliehen wird (Konstitution einer Zeitreihe) oder
|| 160 In diesem Sinne kann man mit La Rocca (1989, S. 136) festhalten, dass die Erscheinung bzw. das Mannigfaltige der Anschauung vermittelst der „figürliche[n] Synthesis der Einbildungskraft“ zu einer „vorstrukturierten Erscheinung“ wird, die „dadurch Gegenstand einer möglichen Erkenntnis werden kann“. Kaulbach (1982, S. 149) erklärt dazu, dass „das Zusammenspiel zwischen den formalen Bedingungen der Anschauung a priori, der reinen Einbildungskraft mit ihrer synthetischen Bewegung und der obersten einheitsschaffenden transzendentalen Apperzeption […] den strukturellen Bereich möglicher Erfahrung [ergibt]“. Einen Überblick über die verschiedenen Arten der Zeitbestimmung sowie das Verhältnis von reiner Apperzeption und Zeit als Form der Anschauung bietet auch Caimi (2012).
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ob sie spezifisch geordnet wird (Zeitordnung) – um zwei Beispiele der vier Regeln apriorischer Zeitbestimmung heranzuziehen (vgl. A 145/B 184) –, obliegt nicht der bloßen Willkür der frei tätigen Einbildungskraft, sondern ist ein Bemühen des Verstandes, vermittelst einer transzendentalen Reflexion (welche nicht mit der im Amphiboliekapitel etablierten transzendentalen Reflexion gleichgesetzt werden kann) die passende Zeitstruktur für die jeweilige Kategorie zu finden. Dabei kann jedoch – und dies soll in der Folge deutlich werden –, die fertige Zeitbestimmung selbst nicht schon vor der Schematisierung feststehen, also gleichsam komplett entwickelt in der Kategorie liegen, denn dies würde (strukturell-genetisch) bereits die gänzlich strukturierte Zeit voraussetzen, was sich widersprechen würde. Auch gilt es daran zu erinnern, dass der Verstand, aufgrund seiner völligen Heterogenität zur Sinnlichkeit, immer nur unter Indienstnahme der blind, d. h. wesentlich begriffslos (Anm. 123, 169) verfahrenden Einbildungskraft den inneren Sinn „in Ansehung des Mannigfaltigen, was der Form ihrer Anschauung nach ihm gegeben werden mag, zu bestimmen vermögend“ (B 153) ist. Der Verstand kann dabei freilich nur auf die Sinnlichkeit wirken, d. h. den inneren Sinn „in Ansehung des Mannigfaltigen, was der Form ihrer Anschauung nach ihm gegeben werden mag“ (B 153), bestimmen, wenn die Einbildungskraft produktiv verfährt, mithin nicht blind, sondern begriffsgeleitet – weshalb die Anbindung der produktiven Einbildungskraft an den Verstand, folglich die Charakterisierung der Einbildungskraft als wesentlich spontanes Vermögen entsprechend der B-Auflage (vgl. B 152) im Folgenden auch bevorzugt wird (siehe Anm. 123). Produktiv heißt, dass sie die Sinnlichkeit einem bestimmten Muster gemäß a priori bestimmt, was aber eben nicht gänzlich willkürlich, d. h. durch bloß zufälliges, sondern nur durch regelgeleitetes Voranschreiten der Einbildungskraft geschehen kann. Da dies die „erste [intellektuelle] Anwendung“ des reinen Verstandes „auf Gegenstände der uns möglichen [d. i. unserer sinnlichen] Anschauung“ (B 152) darstellt, ist es daher der Verstand in Form produktiver Einbildungskraft selbst, wodurch die Zeit (und damit einhergehend auch der Raum) a priori strukturiert (gestaltet) und die Anwendung der Kategorien auf sinnliche Anschauung möglich wird. Durch die Erzeugung eines zeitlichen Strukturierungsmusters regelt er sich gleichsam selbst in die Zeit hinein, wodurch er seine Heterogenität zur Sinnlichkeit, obgleich nur unter Indienstnahme und in Form produktiver Einbildungskraft, somit eigenständig überwindet.
Die Genese der transzendentalen Schemata: Versuch einer Rekonstruktion | 131
4.3.1 Das transzendentale Schema als Produkt: Die Genese des Schemas als intellektueller Regel am Beispiel der Kategorie der Quantität 4.3.1.1 Erstes Bestimmungsmoment des transzendentalen Schemas Zunächst einmal ist festzustellen, dass es des transzendentalen Schemas als einer apriorischen Verfahrensregel (vgl. A 138/B 177f.) bedarf, damit die jeweilige Kategorie mit Bezug auf das ihr entsprechende Schema erzeugt und damit sinnlich interpretiert werden kann.161 Das Schema ist als eine intellektuelle Regel insofern „mit der Kat e go r i e […] gleichartig, als sie all g em ei n ist“ (A 138/B 177f.; vgl. auch A 140/B 179) sowie – wesentlicher – ihre synthetische Einheit schon enthält und in der Zeit bildet. Es geht hier also die synthesis intellectualis in die synthesis speciosa über. Doch auch das transzendentale Schema selbst als allgemeine Regel erfordert eine Verfahrensweise, nach der es hervorgebracht, d. h. veritabel produziert wird.162 Anders gesagt, es braucht einen Grund, der einsichtig macht, wie das Schema zustande kommt (vgl. A 142). Andernfalls müsste das Schema als Verfahrensregel in der Einbildungskraft bzw. in der Kategorie von jeher fertig existieren; jedoch kann der Verstand bei der ersten Anwendung auf die Sinnlichkeit schwerlich die verzeitlichende Regel kennen, ohne sie selbst anhand der Zeit entwickelt zu haben.163 Will man dies
|| 161 Den im anstehenden Kapitel thematisierten Problemaspekt habe ich bereits ausführlicher in meinem Aufsatz „Das Transzendentale Schema. Ein Produkt der Einbildungskraft?“ (vgl. Olk 2013, S. 62–94) behandelt und die Untersuchung, vornehmlich die Frage nach dem Ursprungsgrund des Schemas als zu erzeugender intellektueller Regel, auf die Kategorien der Relation, allen voran auf die Substanzkategorie, ausgedehnt. 162 Dass der ‚Schematismus‘ und das Schema sich von der Lehre der genetischen Definition her entfaltet, wie sie philosophisch u. a. von Leibniz und Wolff konzipiert werden, stellt Rosales (2000, S. 62ff., 211ff., 260) mit seiner Arbeit ausführlich dar. In diesem Zusammenhang entfaltet er ebenso die These von der ursprünglichen Erwerbung der Kategorien. Dabei macht er die (freilich nur im Rahmen einer transzendental-geltungslogischen Untersuchung) zeitliche Priorität der Schemata vor den Kategorien geltend (S. 262ff.). Wenn daher in der Folge von einer Genesis der transzendentalen Schemata die Rede sein wird, so ist dies keinesfalls als entwicklungspsychologische Erklärung misszuverstehen, da nur ein Aspekt innerhalb der geltungstheoretisch zu verstehenden Funktionsanalyse des Subjekts angesprochen wird. Zum Begriff der Funktionsanalyse als einer erkenntnistheoretischen Untersuchung der fundamentalen Strukturen kognitiven Bewusstseins vgl. Kitcher 1993, S. 21: „Functional analyses provide a functional specification of the kind of processing, or faculty, required for a given cognitive task; alternatively, they decompose a cognitive task into its basic subtasks and so reveal that it involves elements that cannot be supplied by the senses.“ Vgl. Anm. 10 und 158. 163 Wie Rosales (2000, S. 254) richtig feststellt, manifestiert sich in diesem Festsetzen der Handlungsweisen nichts anderes als ein „Modus der Autonomie des Subjekts“. Freilich ist diese dadurch begrenzt, dass der innere Sinn die genaue Anzahl der Modi vorgibt, nach denen
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bestreiten, so müsste zum einen gezeigt werden, dass die Einbildungskraft bei ihrer notwendig zeitlich zu denkenden Tätigkeit auch unabhängig von der Zeit, d. h. noch bevor sie am Mannigfaltigen der Anschauung synthetisierend tätig wird – um die Regel weiß, nach der sie der Kategorie ihre sinnliche Bestimmung verleiht. Zum anderen fragt es sich, wie es möglich sein soll, dass die unter zeitlichen Bedingungen gedachte Kategorie – wie Kant gelegentlich behauptet – allererst erworben164 wird, wenn das dazu notwendige Verfahren aber auch ohne Rückgriff auf die Zeit feststeht. Soll die Methode des Schematisierens der reinen Verstandesbegriffe nicht von vorneherein aus dem Nichts entspringen, dann darf das transzendentale Schema keinesfalls bloß im Gemüt vorfindlich sein bzw. als ein schon im Vorgriff auf die Zeit, bloß in der Kategorie angelegtes Verfahren vorausgesetzt werden. Insofern kann die sich zeitlich verfestigende Regel der Einheit also nicht schon vor der reinen zeitlichen Synthesis (die gleichsam gewusste Regel) feststehen, sondern erzeugt sich – dies sollte in der Folge noch deutlicher werden – durch die reine Synthesis selbst.165 Ausge-
|| er bestimmt werden kann. Nach Kant kann der Verstand „aus seiner Thätigkeit keine anderen Begriffe hervorbringen […], als die, so bloß dazu dienen, um die s i n n l i c h e n V o r s t e l l u n g e n u n t e r R e g e l n z u b r i n g e n und sie dadurch in einem Bewußtsein zu vereinigen, ohne welchen Gebrauch der Sinnlichkeit er gar nichts [d. h. kein Objekt der Erfahrung, C.O.] denken würde“ (GMS, AA 04: 452). Rosales versäumt es, die Spontaneität des Verstandes aus dem genannten Grunde als eine bedingte herauszustellen. 164 Bereits eingangs der ‚A-Deduktion‘ spricht Kant davon, dass Begriffe „völlig a priori erzeugt“ (A 95) würden. Kants Lehre der acquisitio originaria findet sich neben A 240/B 299 deutlicher entfaltet in ÜE, AA 08: 221ff.: „Die Kritik erlaubt schlechterdings keine anerschaffene oder angeborne V o r s t e l l u n g e n ; alle insgesamt, sie mögen zur Anschauung oder zu Verstandesbegriffen gehören, nimmt sie als e r w o r b e n an.“ Danach ist zwar der Grund einer Vorstellung jederzeit angeboren – in Hinblick auf die Kategorien die transzendentale Einheit der Apperzeption als das Reflexionsvermögen –, hingegen müssen die Vorstellungen selbst ursprünglich erworben werden. Vgl. zu diesem Thema auch Rosales 2000, S. 211ff. sowie Longuenesse 1998, S. 252ff. Dass diese Erwerbung als eine ursprüngliche jedoch nur den Fall des philosophischen Erwerbs im Sinne einer durch Aufmerksamkeit begleiteten intellektuellen Tätigkeit und somit ein einmaliger Akt ist, während die hier vorgeführte Selbstaffektion und daraus entspringende synthetische Reflexion einen sich ständig wiederholenden Vorgang darstellt, der eine jede kategoriale Reflexion kennzeichnet, ist ein Problem ganz eigener Art. 165 Die Schwierigkeit, sich ein transzendentales Schema als intellektuelles Produkt zu denken, schwindet also, wenn man es als eine Verbindungsregel versteht, die selbst – wie Rosales (2000, S. 254) treffend erklärt – „eine synthetische Einheit von vielfältigen Handlungen oder Phasen der Synthesis selber“ ist. Auch Düsing (1995, S. 70) erklärt prägnant, dass die transzendentale Einbildungskraft mit ihren Synthesen „nur Stadien [des] Prozesses der aktiven spontanen Einwirkung auf das sinnliche Anschauungsmannigfaltige dar[stellt]“. Vgl. dazu auch Land 2010, S. 229f. – Wir sehen bei unserer Betrachtung gänzlich davon ab, dass die Regel, insofern in ihr notwendig synthetische Einheit gedacht wird, schon vor dem synthetischen Einfluss-
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schlossen werden kann das transzendentale Schema von vorneherein als produziertes anschauliches Bild, da es selbst in „gar kein Bild gebracht werden kann“,166 sondern „nur die reine Synthesis gemäß einer Regel der Einheit nach Begriffen überhaupt, die die Kategorie ausdrückt“ (A 142/B 181), ausmacht.
|| nehmen des Verstandes auf die Sinnlichkeit wie jeder zu konstruierende Begriff dem „Projekt“ (A 729/B 757) nach, gewissermaßen als Postulat, a priori feststehen muss (denn es gibt nicht beliebig viele Möglichkeiten, die Zeit zu strukturieren, sondern nur so viele, wie es auch Kategorien gibt, vgl. die obigen Ausführungen sowie S. 107 sowie Anm. 245). Insofern aber etwa eine in Form der synthesis intellectualis bloß gedachte Vielheit (die bloß logische Funktion der Kategorie) noch kein bestimmter Mengenbegriff ist (die verzeitlichte Kategorie der Vielheit), sondern erst durch Schematisierung zu diesem wird und dadurch der bestimmungslosen Zeit eine Größe verleiht, braucht es die (durch die Zeit bedingte subjektiv-notwendige) sukzessive Bestimmung des inneren Sinns (vgl. auch Anm. 175), so dass die Regel der Verzeitlichung des reinen Verstandesbegriffes der Materie nach nur im Rückgriff auf die Zeit selbst geschehen kann. Erst dadurch entsteht auch die spezifische Verzeitlichungsregel, d. i. die synthetische Handlungsanweisung, welche die produktive Einbildungskraft bei ihrer Tätigkeit leitet. Dementsprechend ist es dann auch die Verbindung von Kategorie und Zeit bzw. dem Zeitmannigfaltigen, was das eigentlich Zeitlich-Synthetische in der Verbindung von Kategorie und Schema ergibt. Aus diesem Grunde schlagen wir vor, in Hinblick auf durch die Kategorie ermöglichte veritable synthetische Erkenntnisse – und nicht bloß gedachte Verbindungen – von synthetisch-zeitlichen Verbindungen zu sprechen, um die eigentliche erkenntniseröffnende Funktion der Kategorie – als zeitlich-umklammernde Bewusstseinseinheit (vgl. S. 206ff. sowie 214ff.) – stärker zum Ausdruck zu bringen. 166 Auf den Umstand, dass das transzendentale Schema selbst nicht anschaubar, mithin kein Bild ist, macht auch Kugelstadt (1998, S. 109, Anm.) aufmerksam: „Man denke etwa an das Zugleichsein, das sich als ein solches, zumal als ein solches Sein, in der Tat nicht anschauen läßt.“ Düsings (1995, S. 51, 55) Feststellung, das Schema sei „eine in sich anschauliche, der begrifflichen Einheit folgende Regel“, können wir daher nur bedingt zustimmen, bleibt vor allem das Schema reiner Verstandesbegriffe unterbestimmt. Auch wenn es richtig ist, dass die Regel der begrifflichen Einheit folgt, so ist sie dadurch noch nicht anschaulich, weil vom transzendentalen Schema gesagt wird, es sei auch mit dem Mannigfaltigen der Anschauung gleichartig (vgl. A 138f./B 178). Wie gesagt, die durch den transzendentalen Schematismus angestellte Subsumtion macht das mit der Kategorie ungleichartige Mannigfaltige erst gleichartig; sie verleiht dem unbestimmten Mannigfaltigen folglich erst eine kategoriale Struktur. Das Schema als Regel ist wesentlich intellektuell, wenn es auch unter zeitlichen (sinnlichen) Bedingungen gedacht wird. Dass das transzendentale Schema in kein Bild gebracht werden kann, weiß natürlich auch Düsing (S. 55f.). Ganz in unserem Sinne interpretiert auch Pippin (1976) das transzendentale Schema respektive den Schematismus reiner Verstandesbegriffe, wenn er die Intellektualität des Schemas hervorhebt. Seine Feststellung, „the imagination specifies schemata in order to explain their objectivity, not images“ (S. 162), unterstreicht dabei unsere These, das transzendentale Schema sei wesentlich kein anschauliches Produkt der Einbildungskraft.
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Damit steht die erste Bestimmung des transzendentalen Schemas fest: (A) Das transzendentale Schema ist eine intellektuelle Verfahrensregel zur Verzeitlichung der reinen Verstandesbegriffe, die allerdings selbst entwickelt (produziert) werden muss. Wie aber hat man sich diese ‚Produktion‘ vorzustellen? Da jeder reine Verstandesbegriff erst durch seine Schematisierung Sinn und Bedeutung erhält und daher die Kategorie ebenso wie das transzendentale Schema erst hervorgebracht wird, scheidet die schon verzeitlichte Kategorie als leitendes Prinzip der transzendentalen Synthesis aus; denn sonst wäre die objektive zeitliche Synthesis bereits vollzogen, d. h. die Kategorie durch ihren zeitlichen Bezug schon vollständig gedacht, so dass also der entsprechenden Kategorie gleichsam nur noch ihr passender, vor aller objektivierenden zeitlichsukzessiven Synthesis feststehender Zeitbestimmungsmodus zugeordnet werden müsste. In Anbetracht der Tatsache, dass dieser Modus als ein zu erzeugender jedoch selbst erklärungsbedürftig ist (denn die Zeit kann eben auf unterschiedliche Weise bestimmt werden) und der (subjektiv-genetischen) Herleitung bedarf, begäbe man sich in einen Zirkel, wenn man die immer schon unter Zeitbedingungen gedachte Kategorie als Erklärungsgrund für die Entstehung der Schemata heranziehen würde, da sie dasjenige begründen würde, wodurch sie selbst erst begründet werden sollte. Da die Kategorie allerdings noch nicht unter Zeitbedingungen steht und noch keine sinnliche Bestimmung aufweist, kann also nur die in der reinen Kategorie gedachte synthetische Einheit die reine Synthesis ursprünglich selbst leiten.167
|| 167 So enthält die Kategorie der Allheit den Gedanken schon – durch sukzessive Addition – vereinigter Einheiten (Vieles als eines zusammengenommen), doch kommt – strukturell gesehen – dieser komplexe Gedanke erst durch die zeitliche Methode des Zählens zustande. Ebenso enthält der unschematisierte Substanzbegriff als die Vorstellung von einem zugrundeliegenden Subjekt, dem Prädikate inhärieren, noch in überhaupt keiner Weise die Vorstellung der Beharrlichkeit von etwas Realem in der Zeit in sich, sondern erhält diese Bestimmung erst durch die Schematisierung (vgl. dazu Anm. 170 und auch Anm. 182). Pippin (1976, S. 162) unterscheidet – unserer Analyse nahekommend – 3 Momente innerhalb des Kantischen ‚Schematismus‘: „(a) Concept – a rule for synthetic unity; (b) Schema – a method projected by the imagination for specifying the conditions under which the rule can be used; and (c) Image – an individual content, resulting from the use of the rule, as specified by the schemata.“ Wir gehen allerdings davon aus, dass sich die Regel des Schematisierens der Verbindungsfunktion der Kategorie gemäß, mithin auch die schematisierte Kategorie selbst, erst entwickeln muss, so dass der reine Verstandesbegriff nur im weiteren Sinne schon als die Regel selbst aufgefasst werden kann (vgl. auch Anm. 247).
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Nun sind die reinen (unschematisierten) Kategorien als logische Funktionen168 des Denkens „nichts anders als Vorstellungen der Dinge überhaupt“ (A 245), mithin sind sie von jeder „Einschränkung“ auf Gegenstände der sinnlichen Anschauung in Raum und Zeit „frei“ und „erstrecken sich auf Gegenstände der Anschauung überhaupt“ (B 148). Ohne ihr entsprechendes Schema „völlig leer an Inhalt“, enthalten sie also „noch immer die logische Funktion […], aus etwanigen datis einen Begriff zu machen“ (A 239/B 298). Der reine Verstandesbegriff enthält also immer die Vereinigungsfunktion in Form gedachter objektiv-synthetischer Einheit, „um das Mannigfaltige unter einen Begriff zu bringen“ (A 245) und damit Verbindung im Objekt zu denken. Es können die unschematisierten Kategorien als reine Verstandesbegriffe, d. i. die Funktionen objektiv-synthetischer Einheit, daher, wie schon gezeigt, eine bestimmte oder unbestimmte Gegenstandsbeziehung haben. In allen Fällen sind sie aber prinzipiell inhaltsbezogene Funktionen synthetischer Einheit, die in die Vorstellungen und in die bloß logische, formale Urteilsform „einen transzendentalen Inhalt“ bringen und damit „a priori auf Objekte gehen“, was „die allgemeine Logik [sprich: die bloß formale Urteilsstruktur für sich, C.O.] nicht leisten kann“ (A 79/B 105).
|| 168 Vgl. dazu auch Anm. 170 sowie Kapitel 4.2.1. Der Begriff der Funktion wird von Kant freilich nicht eindeutig bestimmt. Generell versteht Kant unter Funktion „die Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen“ (A 68/B 93). Hierunter fällt ganz offensichtlich die logische Funktion der Kategorie, von der es heißt, sie enthalte „nichts, als die logische Funktion […], das Mannigfaltige unter einen Begriff zu bringen“ (A 245). Hierbei differenziert Kant jedoch nicht weiter zwischen dieser Funktion der Kategorie selbst (z. B. einer bloß gedachten realen Grund-Folge-Beziehung, vgl. Br, AA 11: 35) und der logischen Urteilsfunktion (worunter etwa ein hypothetischer Satz der Form: Wenn a, dann b fällt) – wobei er von der logischen Funktion doch so viel sagt, dass sie als Begriff eines Gegenstands überhaupt gedacht bzw. auf Gegenstände überhaupt angewandt werden kann, womit sie bereits einen inhaltlichen Gegenstandsbezug hätte (wenngleich keine objektiv-zeitliche Synthesis gedacht wäre); diese hätte die bloß logische Urteilsfunktion noch nicht, weshalb hier ein bloß formaler Gegenstandsbezug (dass jeder Begriff ein Begriff vom Gegenstand ist) anzusetzen wäre. Diese beiden Funktionen sind jedoch ineinander überführbar, insofern sich die logische Funktion der Kategorie problemlos in die logische Urteilsfunktion übersetzen lässt, da etwa in einem hypothetischen Urteil das consequens als die Folge jederzeit mit dem antecendens als dem Grunde verbunden ist, zumindest nach subjektiver Einheit des Bewusstseins. Dennoch steckt in der logischen Funktion der Kategorie (nicht in der bloßen Urteilsfunktion) mehr, denn hier wird – was schon deutlich geworden sein sollte – bereits eine unzeitliche Synthesis im Objekt gedacht. Auch muss eine logische Grund-Folge-Relation nicht zwingend die Urteilsstruktur betreffen, sondern kann auch das Grund-Folge-Verhältnis in einem logischen Schluss widerspiegeln.
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Obgleich die ursprüngliche Erzeugungshandlung nach Maßgabe der jeweiligen Kategorie geschieht – denn die in jeder Kategorie gedachte Einheit ist nichts anderes als die für jede Verbindung vorauszusetzende qualitative Einheit des Bewusstseins –, ist es zunächst immer „die logische Form zu einem Begriff, aber nicht der Begriff [d. i. die schematisierte Kategorie, C.O.] selbst“ (A 95), die bzw. der die soeben beschriebene subjektive Bewegung des Bewusstseins bei ihrer bestimmenden Tätigkeit ursprünglich leitet und der Einbildungskraft einen Richtungssinn verleiht.169 Denn die Kategorie erlangt ihre volle Bedeutung eben erst als verzeitlichte Kategorie, d. h., sobald ihr spezifischer zeitlicher Modus bestimmt worden ist. Soll die Genese der transzendentalen Schemata einen intellektuellen Ursprungsort haben, bleibt hierfür also nur die logische Funktion der Kategorie übrig. Dass der reine Verstandesbegriff, verstanden als verzeitlichte Kategorie, nicht schon ohne vorausgehende reine Synthesis im Bewusstsein sein und damit auch nicht die reine Synthesis ursprünglich anleiten kann, wird auch dort deutlich, wo Kant bekräftigt, es sei „[d]erselbe Verstand“, der „durch eben dieselben Handlungen, wodurch er in Begriffen, vermittelst der analytischen Einheit, die logische Form eines Urteils zu Stande brachte […], vermittelst der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen in der Anschauung überhaupt [d. i. hier der Zeit, C.O.], in seine Vorstellungen einen transzendentalen Inhalt“ (A 79/B 105) bringe und somit die reinen Verstandesbegriffe a priori auf Objekte
|| 169 Durch die Übersetzung der logischen Funktion der Kategorie in die Zeit kann der transzendentalen Synthesis ein rein intellektueller, nichtzeitlicher Ursprung zugestanden werden, die die Einbildungskraft zu keinem eigenständigen, blind verfahrenden Vermögen, sondern (der B-Auflage entsprechend) zu einem Untervermögen des Verstandes macht und zugleich nicht der Lehre von der acquisitio originaria zuwiderläuft (vgl. Anm. 164). Dies hat auch La Rocca (1989, S. 152) vor Augen, wenn er bezüglich des transzendentalen Schemas konstatiert, dass es keinen „Vermittlungsprozeß zwischen Begriff und Bild“ ausdrücke, „sondern vielmehr eine logisch interpretierte reine Anschauung“ respektive „ein die reine [Form der] Anschauung (die Zeit) interpretierender (und dadurch auch interpretierter) Verstandesbegriff“ ist. Vgl. auch Caimi 2000, S. 277, der verdeutlicht, warum die Einbildungskraft in ihrer bestimmenden Tätigkeit immer begriffsgeleitet sein muss, da sie ansonsten tatsächlich „blind“ verfährt, „indem sie den Plan nicht kennt, dem sie folgt.“ Vgl. auch Caimi 2012, S. 417: „Pure concepts grant time a conceptual or logical structure.“ In einem jüngst erschienen Aufsatz führt Caimi (2013, S. 95f.), unserem Anliegen entsprechend, überzeugend vor, wie die rein logische Funktion der Kategorie der Qualität als intensiver Quantität auf die Anschauung angewendet werden muss, um Einheit in der rein zeitlichen Synthesis zu stiften. Die Formulierung, wonach ein Begriffsmerkmal durch Einbildungskraft zeitlich aufgefasst werden soll (vgl. ebd., S. 96), ist jedoch etwas unglücklich, besitzt eine Kategorie – wie gesehen (vgl. Anm. 154) – nicht bloß ein spezifisches Merkmal.
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beziehbar mache. Einen transzendentalen Inhalt, d. i. eine sinnliche Gegenstandsbeziehung, sowie ihre synthetisch-zeitliche Verknüpfungsfunktion erhält eine Kategorie erst durch die reine Synthesis – durch ihr transzendentales Schema –, die den reinen Verstandesbegriff zur Kategorie macht, mithin das Mannigfaltige der reinen Anschauung unter die objektiv-synthetische Einheit des Selbstbewusstseins bringt. Nicht umsonst grenzt Kant gelegentlich die reinen Verstandesbegriffe, unter welchen er bloß die „Funktionen des Verstandes zu Begriffen“ (A 147/B 187) versteht, von der bereits sinnlich interpretierten Kategorie als dem eigentlich synthetischen Begriff ab. Dieser beginnt, sobald er bei Gelegenheit der Einwirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit entwickelt wird, seine verbindende Funktion in Beziehung auf die Sinnlichkeit zu entfalten. Mit der bloßen Nominaldefinition einer Kategorie, d. h. mit ihrer bloß logischen Funktion, lässt sich nämlich nichts anfangen, wenn es um die Konstitution von Objekten geht. Anders gesagt: Die bloß „logische Bedeutung der bloßen Einheit der Vorstellung“, also der reine Verstandesbegriff, muss zum Zwecke der Gegenstandserkenntnis zum reinen Verstandesbegriff unter Zeitbedingungen, d. i. zur versinnlichten Kategorie mit ihrer eigentlichen synthetischen Funktion, gemacht werden; dadurch wird die Kategorie in ihrer vollen Bedeutung als „Begriff vom Objekt“ (A 147/B 186) hervorgebracht. 170 Wenn der Verstand aus der logischen Funktion zu denken eine zeitliche Regel formen soll,171 dann muss die im Dienste des Verstandes stehende produktive Einbildungskraft das noch unbestimmte Mannigfaltige im inneren Sinn der „logische[n] Bedeutung der bloßen Einheit der Vorstellungen“ (A 147/B 186) entsprechend verbinden. Durch die Übersetzung der bloßen „Form des Denkens“ (B 309) in die Anschauung, also dadurch, dass „G e d a n k en f o r m en , die bloß das logische Vermögen enthalten, das mannigfaltige in der Anschauung Gegebene in ein Bewußtsein a priori zu vereinigen“ (B 305f.), auf den inneren Sinn respektive die Zeit angewandt werden, entwickelt der Verstand sein spezifisches Verfahren zur Verzeitlichung des jeweiligen reinen Verstandesbegriffes, d. i. die spezifische Weise der Verbindung des Mannigfaltigen.
|| 170 Durch die „logische[n] Funktionen“ der Kategorien „entspringen“ (A 79/B 105) diese selbst und können auf sinnliche (und nicht bloß gedachte) Gegenstände angewendet werden. Insofern das passende Schema für die Kategorie entwickelt worden ist, lässt sich – Rosales (2000, S. 271) Feststellung aufgreifend – mit Recht behaupten, die Kategorie erhalte hierdurch ihre Realdefinition. Vgl. dazu etwa A 239/B 298 sowie MAN, AA 04: 474, Anm. sowie Aportone 2009, S. 303ff., insbesondere S. 319. Vgl. weiterhin den Anhang am Ende des Kapitels. 171 Vgl. etwa A 239/B 298, A 245f. – Reine Verstandesbegriffe, für sich genommen, sind im eigentlichen Sinne noch nicht Regeln selbst, sondern „enthalten“ vielmehr „die Bedingung zu Regeln a priori“ (A 132/B 171). Vgl. auch Anm. 247.
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Nun gilt in Hinblick auf die Erzeugung und die damit einhergehende Bestimmungsmöglichkeit extensiver Größen überhaupt entsprechend der Größenkategorie, dass die Regel ihres Erzeugens, welche das Schema der Zahl überhaupt ist, durch das willkürliche und wiederholte Setzen von Einheiten gemäß der logischen Funktion der Kategorie der Einheit (und dann der Vielheit) entwickelt wird. Das handelnde Subjekt setzt dem logischen Verstandesbegriff der Einzelnheit entsprechend immer wieder und ohne bestimmte Anzahl „Eins“ in die Zeit und erzeugt damit ein diskret bestimmtes quantum continuum. So wird beim „Z i eh en einer geraden Linie (die die äußerlich figürliche Vorstellung der Zeit sein soll)“ (B 154) „durch Wiederholung einer immer aufhörenden Synthesis“ (A 170/B 212), d. i. das wiederholentliche Setzen von Einheiten, eine Vielheit von gleichartigen Teilen, mithin eine komplexe Einheit hervorgebracht und die Linie als ein gegliedertes Quantum bestimmt:172 „Die Größe eines Dinges ist die Einheit, welche durch die bloße Wiederholung von einem und demselben erzeugt werden kann. Die Wiederholte Setzung von eben demselben ist die Menge; was also eine Größe hat (quantum), enthält eine Menge.“ (Refl, AA 18: 338) Neben der Kategorie der Einheit bedarf es also der Kategorie der Vielheit, wenn eine komplexere Einheit von Teilen in einem Bewusstsein vereinigt werden soll. Wird die Kategorie der Vielheit bzw. Allheit in die Zeit gesetzt und werden die gesetzten Einheiten folglich entweder in der Kategorie der Vielheit unbestimmt (als unbestimmte Menge) oder in der Kategorie der Allheit (als spezifische Zahl) vereinigt, dann entfaltet sich der eigentliche Aktus der Synthesis, insofern hierdurch nicht das bloße Setzen von Einheiten (gleichsam die Thesis), sondern das Zusammenfassen der Einheiten zu immer komplexeren Größen ermöglicht wird. Dieser Akt des Schematisierens nach dem transzendentalen Schema der Zahl überhaupt beschreibt zunächst also ganz elementar die Handlung der „sukzessive[n] Addition von Einem zu Einem (Gleichartigen)“ (A 142/ B 182). Dadurch wird dem Mannigfaltigen der Anschauung die eigentlich intellektuelle Struktur erteilt, denn die objektiv-synthetische Einheit des Größenbegriffs lässt sich nicht wahrnehmen, sondern ist ein Akt des Verstandes, der über die Schematisierung der produktiven Einbildungskraft die eigentlich objektiv-
|| 172 Die Bestimmung durch die Kategorie der Größe ist also eine zusätzliche Funktion des Verstandes, die Größen erzeugt, indem sie zugleich dann auch Quanta bestimmt. Die Erzeugung einer Linie aber verdankt sich zunächst nur der Funktion des Größenbegriffs (wobei immerhin der Begriff der Linie dem Projekt nach aufgegeben sein muss). So ist denn die Rede von der Wiederholung einer immer aufhörenden Synthesis, wodurch ein Aggregat als eine äußerliche Menge erzeugt wird, hier zu verstehen als die Bestimmung einer innerlichen Größe, sprich die Absteckung und Messung einer Linie, die als kontinuierliche Größe ursprünglich ohne Begriff konstituiert wird.
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synthetische Vereinigungsfunktion der Kategorie realisiert. Die verzeitlichte bzw. sich verzeitlichende Kategorie wird im Akt des Schematisierens also über die Anschauung gelegt, was späterhin die Subsumtion der (empirischen) Erscheinung unter das Schema respektive die schematisierte Kategorie ermöglicht. Für das Verhältnis der einzelnen Größenkategorien untereinander gilt, dass für die Erzeugung einer Größe überhaupt immer die Kategorie der Einheit gebraucht wird, insofern diese das Prinzip der Synthesis ist, durch welches der Maßstab festgesetzt wird, sowie die Kategorie der Vielheit als Prinzip der Vereinigung vieler Teile zu einem Ganzen, „was also eine Größe hat“ und „eine Menge“ (Refl, AA 18: 338) enthält. Das bedeutet, dass die Kategorie der Allheit nur insofern erforderlich ist, als es um die Erzeugung komplexer mathematischer Figuren (etwa das Dreieck als eine Figur bestehend aus drei geraden Linien) bzw. um die Bestimmung konkreter, durch eine Zahl zu bestimmender Größen geht; nicht aber braucht es sie für die prinzipielle Erzeugung einer Größe überhaupt. So macht es einen Unterschied, ob ich etwas nur als eine Menge oder als die durch eine bestimmte Zahl ausgedrückte Größe auffasse.173 Beide Additionsweisen ermöglichen jedoch eine reflexive Bestimmung extensiver Größen, und zwar insofern, als die Größe nicht nur erzeugt, sondern zugleich objektiv vermessbar wird.174 Anders gesagt, es kann jedes, prinzipiell immer durch die
|| 173 Übrigens macht es keinen, höchstens einen empirisch-psychologisch zu verstehenden Unterschied, ob das handelnde Subjekt beim Erzeugen etwa einer Linie die mannigfaltigen vereinigten Teile mit ausdrücklichem Bewusstsein oder gleichsam selbstvergessen (bei der Kategorie der Allheit wäre dies freilich diskutabel) zusammenzählt. In jedem Fall muss synthetische Einheit durch die Kategorie der Vielheit oder Allheit vorliegen, da die reine Synthesis ansonsten tatsächlich blind, d. h. nicht regelgeleitet und kategorial vereinigend verfahren würde. Das Bewusstsein der synthetischen Einheit bzw. Vereinigung kann, wie Kant es selbst formuliert, „oft nur schwach sein, so daß wir es nur in der Wirkung, nicht aber in dem Actus selbst, d. i. unmittelbar mit der Erzeugung der Vorstellung verknüpfen: aber unerachtet dieser Unterschiede, muß doch immer ein Bewußtsein angetroffen werden, wenn ihm gleich die hervorstechende Klarheit mangelt“ (A 103f.). Klarheit hebt hier freilich nicht auf den klaren (einfachen) Begriff ab, sondern meint hier ein Bewusstsein, dass als Bewusstsein nicht vollkommen bewusstlos verfahren darf, dennoch aber dem Grade nach abnehmen kann; ein Bewusstsein also, das gleichsam mit weniger Aufmerksamkeit auf sich selbst und die Sache gerichtet ist. Eine umfassende Auseinandersetzung mit bewussten und unbewussten Vorstellungen findet sich bei La Rocca 2008, S. 47–68 sowie bei Klemme 1996, allen voran S. 180–213. 174 Dies besagt jedoch nicht, dass im Fall des Zählens eine durch den unbestimmten Gebrauch der Kategorie zusammengesetzte, vereinheitlichte Menge nachträglich durchgezählt und die gezählte Menge dann noch durch einen spezifischen Größenbegriff kategorial bestimmt würde; vielmehr handelt es sich beim Zählen um eine Methode, die es erlaubt, Einheiten nicht sowohl zu setzen und zusammenzufassen als auch genau zu zählen und zu einem bestimmten Zahlbe-
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Funktion des Größenbegriffs zu erzeugende Quantum (von gleichartig Mannigfaltigem) durch das „Darüberlegen“ der kategorial bestimmten reinen Synthesis eine intellektuelle, objektiv-synthetische Bestimmung durch die Kategorie erhalten. Das „Zählen“175, welches „nach einem gemeinschaftlichen Grunde der Einheit“ (A 78/B 104) geschieht, eröffnet demnach die Möglichkeit der Subsumtion der reinen Synthesis unter die Kategorie der Größe und damit zugleich sowohl die Bildung von Maßeinheiten (Kategorie der Einheit) als auch die Bildung spezifischer Größenbegriffe, z. B. besonderer Mengen- und Zahlbegriffe
|| griff, oder – etwas weniger genau – zum Begriff einer nicht weiter bestimmten Menge (viele Einheiten) zu bringen. Auf diesen Unterschied macht auch Düsing (1980, S. 10) aufmerksam, wenn er erklärt, die Kategorie der Allheit konstituiere „nur die Abzählbarkeit von reinem Mannigfaltigen“. Deshalb vereinigt das Schema der Zahl überhaupt auch alle drei Momente der Größenkategorie, wie auch Longuenesse (1998, S. 254) zu Recht befindet. Auch Caimi (2012, S. 421) spricht von der Synthesis der Quantität, setzt folglich nur ein Schema für die Kategorie der Größe an. Hingegen ist Schliemanns Versuch (2010, S. 69ff., S. 131 und S. 133), für jede einzelne Größenkategorie ein Schema ausfindig zu machen und davon ausgehend drei Axiome der Anschauung zu begründen, nicht fruchtbringend. So fragt es sich bspw., warum nur die Kategorie der Vielheit eine immer aufhörende Synthesis beschreiben und ein Kontinuum konstituieren soll, die Kategorie Allheit aber nicht. Richtig ist freilich, dass sie ein Totum erzeugt, aber sie bestimmt in gleicherweise ein Kontinuum. Die objektive zeitliche Synthesis, welche durch Zählen zunächst die Kategorie der Vielheit realisiert und aufgrund ihrer synthetischen Funktion einen synthetischen Begriff – die in Verbindung mit ihrem Schema gedachte synthetische Einheit – ausmacht, kann dabei jederzeit auch in einem Urteil ausgedrückt werden. Ein entsprechendes Urteil bei der Erzeugung einer Linie würde lauten: ‚Die Linie besteht aus einer Menge von Einheiten bzw. aus einigen Einheiten.‘ Oder aber, es wird die unbestimmte Menge dann vermittelst der Kategorie der Allheit als bestimmte Größe zu einem Zahlbegriff vereinigt, denn die Allheit (Totalität) [ist] „nichts anders als die Vielheit als Einheit betrachtet“ (B 111). Ein entsprechendes Urteil würde lauten: ‚Die Linie ist fünf Meter lang.‘ 175 Das Zählen kann wiederum auf zwei Arten stattfinden: Einmal als nicht weiter bestimmtes Zählen und Zusammenfassen hin zu einer unbestimmten Menge, welche in der Kategorie der Vielheit vereinigt die Erkenntnis einer bloßen Menge von Einheiten ergäbe (immer wieder eins zum anderen hinzutun: 1+1+1+1+1); oder, in Hinblick auf die Vereinigung in der Kategorie der Allheit, als bestimmtes Zusammenaddieren und Herausbilden konkreter Zahlbegriffe (1, (+1 =) 2, (+1 =) 3, (+1 =) 4, (+1 =) 5). – Obwohl in diesem Kapitel relativ unspezifisch entweder von Menge oder von Größe gesprochen wird, müsste man genau genommen noch einmal zwischen beiden differenzieren, insofern sich innerliche Größe eines Dinges (etwa die Größe eines unbestimmt oder genau bestimmten Baumes) und äußerliche Menge (eine unbestimmte oder bestimmte Anzahl an Bäumen) voneinander unterscheiden. Beide Größenverhältnisse werden aber auf dieselbe Weise, nämlich durch sukzessive Synthesis, der Quantitätskategorie gemäß, konstituiert. Diese Synthesis verfährt als eine schon objektive Strukturen erzeugende Handlung nicht bloß sukzessiv (wie die bloß subjektive Apprehension), sondern – mit Blick auf alle ihre einzelnen Teilhandlungen – geregelt; sie bestimmt also subjektiv-notwendig-sukzessiv objektive Strukturen.
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(Kategorie der Vielheit und Allheit), denn ohne „die Erzeugung einer Menge, durch die sukzessive Hinzutuung von Einem zum Einem“, würde man späterhin „nicht [einmal] die [bestimmte, C.O.] Zahl erkennen“ (A 103). Während der Begriff der Größe die „Bestimmung eines Dinges“ betrifft und durch ihn, „wie vielmal Eines in ihm gesetzt ist, gedacht werden kann“ (A 242/B 300), schafft die transzendentale Synthesis die Voraussetzungen: „Allein dieses Wievielmal gründet sich auf die sukzessive Wiederholung, mithin auf die Zeit und die Synthesis (des Gleichartigen) in derselben.“ (B 300) Die bestimmte Zahl (bzw. unbestimmte Größe, Kategorie der Vielheit) kann also erst durch den bzw. nach dem, aber nicht vor dem zeitlichen Aktus des Zählens festgesetzt werden. Wird die Größe eines Dinges dementsprechend „durch die bloße Wiederholung von einem und demselben [der Einheit, C.O.] erzeugt“, begreift die Kategorie der Allheit die „Größe [als] Vereinigte Menge oder Einheit“ (Refl, AA 18: 338).176 Im Besonderen erweist sich das Schema der Zahl überhaupt – wie freilich schon angeklungen – als notwendige Bedingung zur Bestimmung der an sich bestimmungslosen Zeit, insofern nur durch das Schema „die Zeit selbst in der [reinen, C.O.] Apprehension der Anschauung erzeug[t]“ (A 143/B 182) und ihr ein objektiver Maßstab verliehen werden kann. Dergestalt ist das transzendentale Schema der Zahl überhaupt zu denken nicht nur als der eigentliche Ermöglichungsgrund bestimmter mathematischer Figuren bzw. Größen, d. h. gewisser Bilder einer Größe – wie etwa das „von der Zahl fünf“ (A 140/B 179) –, sondern || 176 Natürlich wird auch in dem Fall, da nur eine unbestimmte Menge erfasst ist, durch die reine Synthesis eine objektive Bestimmung vorgenommen, d. h. ein Quantum als anschauliche Einheit erzeugt, welche zwar durch die Kategorie der Vielheit, jedoch noch durch keinen spezifischen Zahlbegriff bestimmt ist (vgl. Anm. 174, 175). Mit Blick auf das Amphiboliekapitel liegt in der Kategorie der Vielheit dasjenige, was man hinsichtlich einer transzendentalen Reflexion in Absicht auf das Vermögen der Sinnlichkeit als synthetische Verschiedenheit, in der Kategorie der Allheit dasjenige, was man als synthetische Einerleiheit, eben Vieles in Einem zusammen in einem Begriff vereinigt, bezeichnet. Vgl. zur Auseinandersetzung mit dem Begriff der transzendentalen Reflexion und den Reflexionsbegriffen Malter (1981), der diese von der logischen Reflexion abgrenzt als einem vorausgehenden Akt, „der eine ‚Überlegung‘ darüber anstellt, welchem der beiden für synthetische Urteile a priori konstitutiven Erkenntnisvermögen die zu vergleichenden Begriffe angehören“ (S. 290), sowie Reuter (1989). Dessen abschließende Feststellung, die Reflexionsbegriffe seien zwar „methodische[] Grundbegriffe der philosophischen Analyse“, jedoch keineswegs „Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis“ (S. 239), können wir uns nicht pauschal anschließen. Zwar ist Reuter insofern zuzustimmen, als der Reflexionsbegriff bzw. die Überlegung es „nicht mit den Gegenständen selbst zu tun“ (B 316/A 260) hat und dementsprechend keine Bedingung der Erkenntnis sein kann; jedoch ist, wenn die Begriffe auf Gegenstände angewendet werden sollen, „zuvörderst [eine] transzendentale Überlegung nötig, für welche Erkenntniskraft sie Gegenstände sein sollen, ob für den reinen Verstand, oder die Sinnlichkeit“ (B 325/A 270). Vgl. auch den folgenden Anhang.
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auch als Grund der Möglichkeit spezifischer (Zeit-)größen (einer bestimmten, komplexen Zeitstrecke) und damit als Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung überhaupt. Es ist das objektiv-zeitliche Verbindungsverfahren, wodurch Größen überhaupt zustande kommen und spezifische Quanta bestimmt werden können. Um Maßeinheiten (wie Meter, Stunden etc.) bilden zu können – die genau genommen nicht durch Zählen, sondern durch einen Akt des Setzens der Eins in die Zeit zustande kommen (die also hier in einem anderen respectus, nämlich als Bestimmung eines Zeitteils, schon eine potentielle Vielheit aufweist) –, bedarf es nicht nur der Bestimmung eines Quantums in der reinen Anschauung vermittelst der Kategorie der Einheit, dadurch ein bestimmtes Quantum abgesteckt wird, sondern auch eines empirischen Vergleichungsmaßstabs. Diese Vergleichungsgröße kann erneut nur das äußere Objekt im Raum sein, ohne das jede gesetzte Maßeinheit gänzlich willkürlich bliebe und nicht festzuhalten wäre. So muss die Bestimmung eines 24-Stunden dauernden Tages in der Regel am Auf- und Untergang der Sonne festgemacht werden, oder die Bestimmung eines Jahres an der benötigten Zeit, die die Erde braucht, um einmal um die Sonne zu kreisen. In gleicher Weise kann die reine Konstruktion einer mehrfach gegliederten langen Linie ihrem Prinzip der Konstruktion nach von allem Empirischen abstrahieren, für die wirkliche Messung einer Linie (als einer empirischen Wegstrecke) braucht es jedoch irgend einen Vergleichungsmaßstab, etwa einen fünf Meter langen Zollstock. So handelt es sich etwa bei 5 Metern um einen physikalischen, und nicht mehr um einen reinen (Zahl-) Begriff. Da bei jeder figürlichen Synthesis das Ich denke als potentiell alle Vorstellung begleitende und vereinigende Bewusstseinseinheit vorausgesetzt werden muss, ohne die das handelnde Subjekt „die nach einander vorgestellte[n] Einheiten immer aus den Gedanken verlieren“ (A102) und bekanntlich keine ganze Vorstellung möglich sein würde, wird nun noch verständlicher, warum die transzendentale Synthesis durch produktive Einbildungskraft immer kategorialsynthetische Einheit erfordert. Denn die entsprechende Kategorie selbst ist ja nichts anderes als das sich im Begriff von einem Objekt manifestierende „ei n e Bewußtsein, […] was das Mannigfaltige, nach und nach Angeschaute und dann auch Reproduzierte, in eine Vorstellung vereinigt“ (A 103). Dementsprechend akzentuiert Kant die Kategorie als diejenige Funktion, „die die Einheit [der transzendentalen Zeitbestimmung] ausmacht“ (A 138/B 178). Die numerische Identität des Selbstbewusstseins respektive die Vereinigungsfunktion der Kategorie ist also dasjenige, was die ganze Synthesis – gleichsam verklammernd – zusammenhält und aus je gleichartige Teilen eine identische, zusammenhängende Größe macht, somit die Vermessung bzw. Bestimmung objektiver Größen
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von Gegenständen ermöglicht. Eine solche „Verklammerungsfunktion“ der Kategorie kann auch als fixierende Einheit verstanden werden. Ferner geschieht alle reine Synthesis der Einbildungskraft immer nur um des Verstandesbegriffes willen und mit der Absicht des Begriffenwerdens (synthetische Einheit durch den Begriff). Somit wird die Kategorie also nicht erst nach dem Verfahren des Schematisierens realisiert, sondern ist gleichsam im Vollzug der transzendentalen Synthesis als die Synthesis zusammenhaltende Vereinigungsfunktion immer ‚im Spiel‘ und wird dadurch zugleich erworben. Im Falle der Kategorie der Einheit wäre diese also mit dem Setzen der ersten „Eins“ ursprünglich erworben, die Kategorie der Vielheit (ein unbestimmtes Quantum) durch den Setzungsakt der zweiten „Eins“, während die Kategorie der Allheit durch das Zusammenfassen der beiden gesetzten Einheiten zum Begriff der Zwei ursprünglich gesetzt und erzeugt würde (insofern ich auf alle drei Momente attendiere und mir ihrer als je solcher bewusst werde, vgl. Anm. 173).
4.3.1.2 Zweites Bestimmungsmoment des transzendentalen Schemas Für die Bestimmung der Teilemannigfaltigkeit und damit die Konstitution einer objektiven Struktur (einer mathematischen Größe oder der Zeit) wird erfordert, dass die Einheiten durch die produktive Einbildungskraft und den ihr die Regel der Bestimmung vorgebenden logischen Begriff des Einzelnen nicht nur gesetzt, sondern gleichzeitig – in der Tätigkeit der Bestimmung – auch durch die sukzessive Addition des Gleichartigen in der synthetischen Einheit des Selbstbewusstseins „zusammenbefaßt“ (A 142/B 182) werden. Wenngleich die logische Funktion der Kategorie für die produktive Einbildungskraft den Ursprung der Regel zur Bestimmung des inneren Sinnes darstellt, mithin gleichsam den Anstoß für diese synthetische Tätigkeit bietet, und damit das transzendentale Schema in diesem besonderen Verständnis produziert wird, so darf nicht außer Acht gelassen werden, dass ja gerade das Schema die Regel selbst sein soll, nach der die produktive Einbildungskraft verfährt. Denn das transzendentale Schema ist die „Vorstellung von einem allgemeinen Verfahren der Einbildungskraft“ (A 140/B 179), nach dem ein reiner Verstandesbegriff versinnlicht wird (vgl. A 145f./B 185). Ja, es ist das transzendentale Schema (hier der Größe) am Ende nichts anderes als die unter Zeitbedingungen gedachte, durch die logischen Funktionen der Größenkategorie erzeugte zeitliche Versinnlichungsregel der Kategorie. Hält man sich vor Augen, dass das transzendentale Schema aus dem permanenten „synthetische[n] Einfluß des Verstandes auf den inneren Sinn“
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(B 154) entsteht, dann umfasst das Schema jeden einzelnen Setzungsakt gemäß der logischen Funktion der Kategorie, woraus sich eine Regel für die produktive Einbildungskraft entwickelt. Als der Inbegriff verschiedener Phasen der Synthesis (vgl. Anm. 165) leitet es sowohl die aktuale als auch alle künftigen Handlungen der Einbildungskraft, d. h., die Handlung des Subjekts vollzieht sich nach einer vollständig bestimmten Regel.177 Das transzendentale Schema schreibt der Einbildungskraft dabei vor, auf welche Weise sie die mannigfaltigen Teile der reinen Anschauung zusammenzusetzen hat, d. h., im Falle des Schemas der Zahl überhaupt beschreibt es das Verfahren, wonach zu jedem erzeugten Quantum ein weiterer gleichartiger Teil hinzugesetzt und zu einer bestimmten Größe zusammengenommen werden kann. Somit ist das transzendentale Schema „die reine Synthesis“ selbst, und zwar „gemäß einer Regel der Einheit nach Begriffen überhaupt“ (A 142/B 181). Obschon diese Verfahrensregel die reine Synthesis selbst ist bzw. jederzeit die reine Synthesis leitet178 und damit unter Zeitbeding-
|| 177 Wenn das Schema einmal erzeugt ist, dann bestimmt es ferner auch „fortan wiederum die Synthesis selbst, als deren Einheit“, was Rosales (2000, S. 254) deutlich macht. Vor diesem Hintergrund ist auch Detels (1978, S. 40) Einwand, wonach in der Forschung der „Ausdruck ‚Produkt‘“ für das Schema oftmals „überstrapaziert“ wird, einzuschränken auf die Deutung des transzendentalen Schemas als anschaulichen Produkts. Wie Detel erklärt, vollzieht die produktive Einbildungskraft „gerade die Schematisierung der Kategorien, aber das heißt natürlich nicht, dass die schematisierte Kategorie vollständig aus ihr hervorgeht und in diesem Sinne ihr Produkt ist; die Synthesis, aber nicht ihre Regel oder Einheit, ist Produkt der Einbildungskraft“. Detel übersieht dabei jedoch die Komplexität des Sachverhalts, da das transzendentale Schema als eine Methode der Zusammenfassung vieler einzelner Akte des Verstandes selbst eine allererst zu erzeugende Regel ist, die – wie gesehen – nicht einfach die schon im Vorgriff schematisiert gedachte Kategorie voraussetzen darf. Das Missverständnis Detels besteht also darin, die bereits verzeitlichte Kategorie als nicht erklärungsbedürftig vorauszusetzen. Düsing (1995, S. 65) erklärt hingegen überzeugend, dass, „wenn man sinnlich-anschauliche Vorstellungsinhalte“ oder transzendentale Schemata als „logische Regeln und Gesetze“ einfach „als bloß bestehend hinnehmen will“, man dann „deren Konstitutionsgründe als die reinen konstituierenden Leistungen der ‚Vermögen‘ des Subjekts angeben“ müsse (S. 65). Vgl. zu diesem Aspekt auch Heidegger 1998, S. 150f. sowie La Rocca 1989, S. 134. Es ist auch La Rocca, der im Rahmen seiner Untersuchung den wichtigen Umstand hervorhebt, dass die Schemata – sogar die empirischen – notwendig von jeglichem psychologischen Aspekt befreit zu denken sind (S. 133f.). Darauf macht auch Düsing (1995, S. 64f.) aufmerksam. 178 Wenn Kant das transzendentale Schema mit der reinen Synthesis selbst identifiziert (vgl. A 142/B 181), dann hat dies also zweierlei Bedeutung: I) Zum einen ist das reine Schema die reine Synthesis selbst, insofern etwa das Schema der Zahl überhaupt das Verfahren des Zusammennehmens, mithin die Methode der reinen Synthesis beschreibt. Die reine Synthesis ist in diesem Fall das Zählen bzw. die Zahl überhaupt. II) Zum anderen leitet das spezifische Schema die reine Synthesis, d. i. die auf eine gewisse Regel angewiesene produktive Einbildungskraft, weshalb das Schema noch einmal von der reinen Synthesis als allgemeinem Bestimmungsver-
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ungen steht, kann sie dennoch „in gar kein Bild“ (A 142/B 181) gebracht werden, d. h., sie ist nicht anschaulich und erscheint somit im eigentlichen Sinne nicht (vgl. auch Anm. 166). Für die Konstitution einer objektiven Zeitgröße (eine bestimmte Zeitstrecke) im Speziellen gilt daher, dass produktive Einbildungskraft die Zeit durch das transzendentale Schema streng geregelt zu bestimmen vermögend ist, so dass nicht wie in der empirischen Apprehension Einheiten nach Belieben zusammen kommen können. Nur auf diese Weise wird – durch das Schema der Zahl überhaupt – eine ganze und zusammenhängende Zeitstrecke oder – etwa durch das Schema der regelgeleiteten Sukzession – eine regelmäßige Folge denk- und vorstellbar. Freilich wird – um die erste Bestimmung des transzendentalen Schemas heranzuziehen – in der voranschreitenden, sukzessiven Zeitbestimmung nicht bloß das transzendentale Schema hervorgebracht, sondern imgleichen die entsprechende, bloß intellektuelle Kategorie versinnlicht; denn, wie gesagt, das Schema ist in einer bestimmten Hinsicht nichts anderes als die im Aktus des Erzeugens verzeitlichte Kategorie selbst. Beim Denken der verzeitlichten Kategorie stellt das handelnde Subjekt immer auch die Methode der Verzeitlichung vor, d. h. diejenige Methode, die es erlaubt, „einem gewissen Begriff gemäß [in
|| fahren der Sinnlichkeit abgegrenzt werden kann. Dass die schematisierte Kategorie und das Schema wesentlich dasselbe sind, verdeutlicht Detel (1978, S. 40ff.). Vgl. auch Aportone 2009, S. 328, der erklärt, dass die schematisierte Kategorie „nur eine mit dem dazugehörigen transzendentalen Schema zusammengenommene Kategorie sein [kann]“. Man stelle sich dies, etwa im Falle der Substanzkategorie, so vor, dass unmittelbar durch die Bestimmung der Zeit als beharrliche Größe die Kategorie realisiert wird, gleichsam der Gedanke eines Trägers von Akzidenzien seine formal-materiale Realisierung erhält. Dass die Kategorie und das ihr entsprechende transzendentale Schema in anderer Hinsicht jedoch nicht völlig kongruent sind, geht schon aus dem Umstand hervor, dass die spezifische Verzeitlichungsmethode ein notwendiges synthetisches Merkmal (kein reales wandelbares Akzidenz) der Kategorie ist, welche vielmehr die Funktion der synthetischen-zeitlichen Einheit begreift. So spricht Kant (ÜE, AA 08: 229) von der Beharrlichkeit des Realen auch als einem synthetischen Attribut der Substanz. Dies bedeutet, dass es als notwendiges synthetisches Merkmal der Substanzkategorie nicht einfach analytisch aus dieser hergeleitet werden kann (vgl. auch Anm. 240). Vor diesem Hintergrund allein ist Kants Behauptung, der Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz sei tautologisch (vgl. A 184/B 227), falsch. Allerdings muss man sich vor Augen halten, dass diese Trennung der beiden Momente (Kategorie und Schema) in abstracto eben nur zwei Momente derselben Handlung betrifft. Inwiefern das Schema immer schon mit der Erscheinung selbst zu identifizieren ist, d. h. inwiefern „das Schema eigentlich nur das Phänomen oder der sinnliche Begriff eines Gegenstandes“ (A 146/B 186) ist, zeigt Rosales (2000, S. 63f.); genau genommen ist aber nur der sinnliche Bestandteil des Schemas (das später zu diskutierende Schemabild) die Erscheinung, das Schema als intellektuelle Regel hingegen nicht.
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diesem Falle gemäß der Kategorie der Quantität, C.O.] eine Menge […] in einem Bilde vorzustellen“ (A 140/B 179) und damit die Kategorie zu einem „Begriff vom Objekt“ (B 139) zu machen. Im Zuge dieser Handlung wird das entsprechende Schema vermittelst transzendentaler Urteilskraft zugleich unter die Kategorie subsumiert und damit die Kategorie verzeitlicht, weshalb auf Ebene der bereits schematisierten, jedoch noch nicht zum vollständigen Grundsatz erweiterten Kategorie die Rede von einem vorhin geltend gemachten „synthetischen Begriff a priori“ (A 220/B 267) passender scheint; das Schema gibt lediglich die konkrete Art und Weise vor, wie bzw. nach welcher Methode die jeweilige Kategorie das Mannigfaltige der Anschauung synthetisch-zeitlich vereinigt. Der reine Verstandesbegriff der Größe entfaltet seine verbindende Funktion in Beziehung auf die Sinnlichkeit, sobald er bei Gelegenheit der Einwirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit zur vollständigen Kategorie entwickelt wird, indem er – in Gestalt seines transzendentalen Schemas – die gesamte Methode seiner Verzeitlichung umklammert; dies gilt freilich für alle vorkommenden Fälle der kategorialen Verstandesreflexion je gleichermaßen. Aus dem Umstand, dass Kant die Zahl, verstanden als „Zahl überhaupt“ (A 140/B 179), welche eben die Methode des Zählens (als beliebig fortsetzbar) meint – nicht aber einen konkreten Zahlbegriff (entsprechend der Kategorie der Allheit) –, als die einigende Funktion „der Synthesis des Mannigfaltigen einer gleichartigen Anschauung überhaupt“ begreift, geht das zweite Bestimmungsmoment des transzendentalen Schemas hervor: (B) Das Schema ist die Verfahrensregel selbst, welche die produktive Einbildungskraft bei der Verzeitlichung der Kategorie leitet und die Kategorie in ihrer vollen Bedeutung hervorbringt. Sie ist eine notwendige, nicht veränderbare Methode des Verbindens des Mannigfaltigen, kraft deren objektive Maßstäbe gesetzt, folglich mathematische Größen sowie objektive Zeitstrecken bestimmt werden können.
4.3.1.3 Drittes Bestimmungsmoment des transzendentalen Schemas Eine grundlegende Schwierigkeit bei dieser Betrachtung liegt ferner in folgendem Umstand begründet: Jeder Begriff ist seiner Form nach wesentlich ein Diskretum. Die im Begriff gedachte Einheit dient dem Verstand dazu, Dinge festzustellen, d. h. zu fixieren. Nun ist der Verstand insofern limitiert, als er nur diese Einheit festzustellen vermag (objektiv-synthetische Einheit in der Kategorie denkend), das sukzessive Zustandekommen von Einheit aber nicht einsehen kann; deshalb entziehen sich ihm auch prinzipiell nur an der Sinnlichkeit festzumachende Phänomene wie die zeitlichen, wiederholte Akte des Setzens von Einheiten bzw. der Aktus des Zählens, für die Zeit, mithin Bewegung des Be-
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wusstseins erfordert wird. Da der Verstand sich völlig im Begrenzen erschöpft, entgleitet ihm die für die transzendentale Synthesis charakteristische Bewegung selbst als die notwendige Bedingung alles Begrenzens. Deshalb braucht es eine Funktion, die erklärt, wie der Verstand auf die Sinnlichkeit ursprünglich Einfluss nehmen kann und mit seiner eigenen Einheit die Vielheit der einzelnen Teile so durchdringt, dass eine Teilemannigfaltigkeit hin zu einer kontinuierlichen Größe (bzw. als quantum discretum innerhalb eines Kontinuums, vgl. Kapitel 2.1, S. 22) bestimmt werden kann.179 Das Verfahren, das es dem Verstand ermöglicht, über die einzelnen Teile und die von ihm gesetzten Grenzen hinauszugehen, ist die in Rede stehende transzendentale Synthesis, in der die Übersetzung eines logischen Verstandesbegriffes (logische Funktion der Kategorie) in die Zeit vermittelst der produktiven Einbildungskraft hin zum transzendentalen Schema stattfindet. Ist im konkreten Fall der Begriff der Einzelnheit ein Diskretum, d. i. eine ausdehnungslose Einheit, so können durch das sukzessive Hineinsetzen der diskreten Einheit in die Zeit die mannigfaltigen Teile der reinen Sinnlichkeit nach und nach auch als ausgedehnte Einheiten, d. i. Kontinua, bestimmt werden. Dergestalt wird – cum grano salis – das Diskretum versinnlicht: Durch den
|| 179 Kaulbach (1963, S. 4) greift auf das sehr anschauliche Beispiel des Flusses (als Metapher für die Bewegung) zurück, der durch einzelne Brückenpfeiler (metaphorisch für die Verstandeseinheiten) abgetrennt wird. Der Verstand kann seinem Wesen nach das Fließen des Flusses (die zeitliche Bewegung selbst) nicht fassen und ist deshalb nicht in der Lage, ohne Rückgriff auf die Zeit etwas anderes als bloße Einheiten in den Fluss zu setzen. Dadurch punktualisiert er lediglich den Weg, erfasst aber keine ganze Strecke, d. h. er umschließt kein ausgedehntes Mannigfaltiges und kann somit z. B. keine einheitliche Größe wie eine Zeitreihe bestimmen. Vgl. auch S. 11, 14f. Der Autor verweist in diesem Zusammenhang auf das Zenonische Paradoxon. Aus der Tatsache, dass der Verstand in Gedanken den Weg, den Achilles zum Einholen der Schildkröte zurücklegen muss, beliebig oft teilen kann und aus diesem Grunde die Schildkröte immer einen Vorsprung besitzen wird, folgt mitnichten, dass die zu durchlaufende Strecke unendlich bzw. unendlich viel Zeit erforderlich wäre, sie zurückzulegen, mithin Achilles die Schildkröte niemals überholen kann. Denn auch wenn der Verstand die Teilung ins Unendliche fortsetzen kann (vgl. die Ausführungen zum progressus in infinitum A 512/B 540 sowie A 524/B 552ff.), so bedeutet es zwar, der in der Bewegung des Körpers durchlaufene Raum könne ins Unendliche geteilt werden, aber nicht so, dass im Endeffekt gar keine Bewegung stattfände. Auch würde sich keine Linie, die die Zeit symbolisiert und ein Zusammen mehrerer Teile ist, in der Endlichkeit konstituieren lassen, wenn die Teilung der Zeit tatsächlich unendlich wäre. Es handelt sich bei der Teilung des in einer Bewegung zurückgelegten Raums bzw. des Raums einer Bewegung eines Körpers – wie auch bei der Erweiterung des Raumes – bloß um einen unendlichen Fortgang, d. i. einen progressus in infinitum, in dem „das Ganze“ zu Teilende, hier der bestimmte Raum innerhalb gewisser Grenzen, schon enthalten ist. Vgl. dazu auch Anm. 29.
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Bewegungscharakter, den der reine Verstandesbegriff erhält, werden die mannigfaltigen Teile freilich nicht einfach durch bloße Aneinanderreihung zusammengestellt, sondern ihre wiederholentliche Synthesis bewirkt ein Zusammenwachsen zu einem veritablen Kontinuum im philosophischen Sinne – was der Sache nach allerdings erst im Abschnitt über die Axiomen der Anschauung erwiesen wird.180 Es findet hier also die eben besprochene actio transiens ihre konkrete Durchführung, indem der Verstand vermittelst der Kategorie der Einheit die Sinnlichkeit bzw. das sinnliche Ich bestimmt, d. h., genauer gesprochen, durch die sich wiederholende Übersetzung der Kategorie der Einheit und das Hinzukommen der Kategorie der Vielheit oder Allheit eine zeitliche Regel entwickelt, die ihrerseits wiederum die spezifische Verbindung leitet. Diese Genese geschieht durch permanente kausale Setzungsakte (was metatheoretisch selbst schon die verzeitlichte Kausalitätskategorie als Erklärungsgrund voraussetzt). Trotz der Versinnlichung der diskreten synthetischen Einheit bleibt das tran-
|| 180 Dass die durch transzendentale Bewegung initiierte transzendentale Synthesis nach produktiver Einbildungskraft „kontinuierliche Größen“ (A 170/B 212) zustande bringt, wird tatsächlich erst in den mathematischen Grundätzen sowie in der zweiten Antinomie gezeigt. Denn die Transzendentalphilosophie lässt erst einmal offen, ob synthetische Tätigkeiten wie das Ziehen einer Linie veritable Kontinua produzieren oder Linien mehr oder weniger bruchstückhaft zusammensetzen. Erst der Rückgriff auf die Mathematik als Hilfswissenschaft, die zeigt, dass kein einfacher Teil einer Substanz existieren kann, „weil kein Teil des Raumes einfach ist“ (A 441/B 469), d. i. die unendliche Teilbarkeit des Raumes in immer wieder kleinere Teilräume, macht die Möglichkeit der Erzeugung kontinuierlicher Größen einsichtig. Beweisgrund ist also die Mathematik, nicht im eigentlichen Sinne die Philosophie, die als eine Wissenschaft „aus Begriffen“ (A 713/B 741; vgl. auch MAN, AA 04: 469) die Teilbarkeit des Raumes nicht einsichtig machen kann, d. h. die bloße Begriffsanalyse entdeckt nicht die unendliche Teilbarkeit von Raum und Zeit in immer wieder kleinere Raum- bzw. Zeitteile. Insofern ist die transzendentale Bewegung zwar die notwendige, aber für sich nicht hinreichende Bedingung für das Zustandekommen von Kontinuitäten. Übrigens ist auch das Ziehen einer noch so kleinen Linie eine „sukzessive Synthesis von Teil zu Teil“ (A 163/B 204), wobei die Linie regressiv bis ins Unendliche teilbar ist, keine Zusammenreihung mathematischer Punkte. Inwiefern mit dem Gedanken der transzendentalen Synthesis und dem sie leitenden transzendentalen Schema der Gedanke verbunden ist, aus dem ausdehnungslosen, bloß gedachten mathematischen Punkt, ausgedehnte Figuren genetisch hervorgehen zu lassen, indem der Geist „aus dem Punkt-Dasein herausgeht, um ein System von Gestalten vor-stellend und objektiv beschreibend aus sich hervorzubringen“, legt Kaulbach dar (1967, S. 87). In diesem Zusammenhang führt er auch sehr plastisch vor, wie sich der gedachte Punkt als Repräsentant für das an sich ausdehnungslose Ich denke „in figurenbildender Bewegung als Einbildungskraft in die Ausdehnung hineinbegibt“ (S. 86f.). – Zum Begriff des philosophischen Kontinuums vgl. ferner Kaulbach 1963, S. 9; auch S. 3f. und S. 11.
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szendentale Schema dabei als zeitliche, aber doch wesentlich gedachte Methode zu betonen, die das Mannigfaltige der Anschauung auf spezifische Weise bestimmt, mithin die Bewegung des Subjekts nach einem bestimmten Verbindungsmaßstab (hier des Zusammennehmens von gleichartig Mannigfaltigem gemäß der Kategorie der Quantität) ausrichtet. Die dritte Bestimmung des transzendentalen Schemas lautet demnach wie folgt: (C) Das transzendentale Schema ermöglicht es, die durch den Akt der Selbstaffektion in die Anschauung übersetzte Verstandeseinheit mit einer weiteren gesetzten zu einer zeitlichen Regel zu entwickeln. Diese stellt die Kategorie unter Zeitbedingungen vor und ermöglicht dadurch das Begreifen und die Bestimmung dynamischer Phänomene, die sich dem Verstand als solchem entziehen.
Anhang: Transzendentale Schemata als Ermöglichungsgrund transzendentaler Deduktionen und der Status transzendentaler Reflexionsbegriffe in der Rezeption Mit der oben erläuterten Möglichkeit zu Realdefinitionen (vgl. Anm. 170) ist zugleich dem von Körner (1967, besonders S. 321f.) erhobenen Einwand entgegnet, wonach transzendentale Deduktionen aufgrund des Fehlens eines einheitlichen transzendentalen Schemas für jede Kategorie scheitern. Denn zum einen gehen die Realdefinitionen über die bloß logische Analyse hinaus und bekommen eine inhaltliche Beziehung, die dieser von vorneherein verschlossen bleibt; zum anderen zeigen der ‚Schematismus‘ sowie die ‚Grundsätze‘ gerade, warum die spezifische Zeitbestimmung nur auf die Weise eines transzendentalen Schemas möglich ist. So ist etwa die Größenbestimmung nur auf die Weise des Schemas der Zahl überhaupt möglich, ebenso wie es mit der Beharrlichkeit des Realen nur einen Zeitmodus für die Kategorie der Substanz gibt. Dass die anschaulichen Produkte dieser Bestimmungsverfahren, wie noch zu zeigen sein wird, variieren können, z. B. unterschiedliche Dreiecke aus dem Konstruktionsverfahren hervorgehen können, ändert nichts daran, dass die Methode des Zustandebringens selbst einzigartig ist. Dies ist allein deshalb der Fall, weil das Schema als intellektuelle Regel denselben Status besitzt wie die Kategorie, nämlich den des Allgemeinen, wodurch die anschauliche Mannigfaltigkeit, mithin das je verschiedene Einzelne auf dieselbe Weise in den Griff zu bekommen ist (vgl. auch Anm. 188, 191, 204). Pauschaleinwände wie die Röds (2006, S. 52f.), Kants Auffassung des ‚Schematismus‘ sei „insofern geschichtlich bedingt, als er von einer bestimmten Zeitauffassung, nämlich dem Zeitbegriff der klassischen
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Physik“ ausgehe, „dem gemäß von absoluter Gleichzeitigkeit gesprochen werden kann“, braucht allein deshalb keine große Beachtung geschenkt zu werden, weil Röd hier schon von ganz bestimmten Zeitvorstellungen ausgeht. Kant behauptet nirgends, die Zeit sei selbst gleichzeitig, sondern nur, sie könne vermittelst der Kategorie der Wechselwirkung im Zeitmodus der Gleichzeitigkeit bestimmt gedacht werden, um spezifische Substanzen als gleichzeitig existierend zu bestimmen bzw. das Gleichbleiben der Bestimmungen der einen im Verhältnis zu den Bestimmungen der anderen als nicht wechselnd zu erkennen. Auch in Hinblick auf die Schemata reiner sinnlicher Begriffe äußert Röd eine unhaltbare Kritik, dergestalt, dass vom heutigen Standpunkt aus geometrische Begriffe auch in nicht-euklidischen Räumen konstruiert werden könnten (vgl. ebd.). Auch hier ist die Kritik zu pauschal, als dass ihr ernsthaft nachzugehen wäre. Es soll nur kurz mit dem Verweis auf das in Kapitel 2.2 Festgestellte die Gegenfrage erhoben werden, was man sich etwa unter einer vierdimensionalen Konstruktion eines geometrischen Begriffs anschaulich vorstellen soll? Jedenfalls ist auch in diesem Fall das reine sinnliche Schema als die Handlungsanweisung, ein Dreieck zu konstituieren, eindeutig, obschon die Produkte der Konstruktion verschieden sein können, nämlich recht-, stumpf- sowie spitzwinklige oder gleichseitige, gleichschenklige oder ungleichseitige Dreiecke. Das Gesagte ist auch nicht damit zu verwechseln, dass die Formen der Reflexion selbst zunächst der Analysis bedürfen, mithin ihre Nominaldefinitionen jederzeit ihren Realdefinition bzw. ihrem objektiv-zeitlichen Bezug vorausgehen, was in den Prolegomena deutlich wird. Dort heißt es, dass die „Zergliederungen nirgend anders einen beträchtlichen Nutzen [haben], als in der Metaphysik, d. i. in Absicht auf die synthetischen Sätze, die aus jenen zuerst zergliederten Begriffen sollen erzeugt werden“ (Prol, AA 04: 273f.). Auch wenn eine Analysis der objektiv-zeitlichen Synthesis vorausgeht, ändert sich freilich nichts an dem Umstand, dass jeder Begriff als conceptus communis (d. h. gemäß einer Reflexion nach der analytischen Einheit des Selbstbewusstseins) „nur vermöge einer vorausgedachten möglichen synthetischen Einheit“ (B 133) vorgestellt werden kann; zum einen handelt es sich um die Analysis der Formen jeder Synthesis, andernfalls man in einen Zirkel geriete; zum anderen steht aber auch diese Analysis unter Bedingungen der synthetischen Vereinigung, nämlich der Verbindung in einem Selbstbewusstsein (vgl. Anm. 144 sowie Anm. 239). Eine unschematisierte Kategorie ist demnach bloß ein conceptus communis der Form nach, mithin wird bloß eine potentielle analytische Einheit ausgesagt, da gar nicht klar ist, ob sie auf mehrere je gleiche Fälle in der Erscheinung passt. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die Bedeutung der Reflexionsbegriffe hingewiesen (Anm. 176). Insofern ein Reflexionsbegriff wie der der
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Einerleiheit der Kategorie der Allheit vorausgehen muss, um zu bestimmen, in welcher Weise sie gebraucht wird – etwa in ihrem synthetischen Gebrauch in Bezug auf die Sinnlichkeit –, ermöglicht der transzendentale Reflexionsbegriff Schemata als Realdefinitionen und damit die kategoriale Reflexion hin zur Erkenntnis eines sinnlichen Gegenstandes überhaupt. Generell kann jeder Reflexionsbegriff einmal vor dem reinen Verstande oder der Sinnlichkeit, zweitens dann auch jeweils entweder nach analytischer oder aber synthetischer Einheit des Selbstbewusstseins gedacht werden, so dass eine Verbindung zu den reinen Verstandesbegriffen auszumachen ist. So drückt die Nominaldefinition der Kategorie der Allheit ja gerade aus, dass hier „Vieles“ in „Einem“ zusammengedacht wird, was nichts anderes ist als synthetische „Einerleiheit“ (vgl. A 262, B 317). Eine ausführliche Darstellung zu diesem Thema bietet Kugelstadt (1998, S. 319f.), der – wenn auch nur skizzierend – versucht, einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Reflexionsbegriffen und den ihnen entsprechenden Kategorien nachzuweisen. Überhaupt ist das Thema der Reflexionsbegriffe in der Kantrezeption noch wenig beleuchtet, so dass man Reuter (1989) zumindest darin zustimmen kann, dass eine abschließende Begründung der Reflexionsbegriffe – zumindest nicht ohne Weiteres – nicht möglich ist (vgl. S. 232f.).
Exkurs: Das Bewusstsein absoluter Einheit als Prinzip der Synthesis Um einem möglichen Einwand zu begegnen, der freilich dem weiteren Verlauf der Untersuchung etwas vorgreift: Auffällig ist, dass der Akt des Schematisierens immer – dies wird sich auch für die Kategorien der Relation feststellen lassen – seinen Ausgang von der logischen Funktion jeweils der ersten Kategorie jeder Kategorienklasse nimmt. Innerhalb der jeweiligen Kategorienklasse ist nämlich diejenige Kategorie grundlegend, „welche die absolute Einheit unter jedem Titel derselben ausdrück[t]“ (A 401). Im Fall der Größenkategorie ist diese absolute Einheit der klare181 Begriff der „Eins“, die durch die produktive Einbildungskraft in die Zeit gesetzt wird.182 Als Kategorie der Einheit weist dieser Be|| 181 Solche klaren Begriffe, zu denen auch der Begriff des Roten gehört, enthalten, wie Kugelstadt (1998, S. 278) befindet, lediglich analytische und kein Moment synthetischer Einheit des Bewusstseins. Es handelt sich bei diesen Begriffen um einfache Vorstellungen, die in keine weiteren Merkmale mehr zerlegbar sind und somit ein klares Bewusstsein der Vorstellung ausdrücken. 182 Eine Ausnahme stellt hier die Schematisierung der Substanzkategorie dar, die nicht regulär nach dem hier entwickelten Verfahren zustande kommt, wonach also aus der logischen Funk-
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griff keine wirkliche Nominaldefinition auf – anders als die Kategorien der Vielheit und Allheit, unter welchen man eine Menge von Einheiten, d. h. „eine Größe“ (KU, AA 05: 248) respektive die „Vielheit, als Einheit“ (B 111) betrachtet, versteht. Es handelt sich deshalb bei der Einheit um keinen synthetischen Begriff, da er vielmehr das Prinzip aller vorausgedachten Synthesis und jeder komplexen Größe, d. i. der unbestimmten Menge (Vielheit) oder der spezifischen Zahl (Allheit) darstellt. Die Eins als Kategorie der Einheit ist immer Bedingung der Anzahl, nicht schon die Größe selbst. Nun könnte man einwenden, dass es sich bei der Eins als einfachem Bewusstsein in Wahrheit um einen – nach analytischer Einheit gedachten – conceptus communis handelt, der – wie zu zeigen sein wird – das Bewusstsein des Gleichen in Vielem ausdrückt und erst durch Abstraktion nach Komparation mit anderen je gleichen Vorstellungen gewonnen wird (vgl. Kapitel 5.4.2). Das wiederholentliche Setzen der Eins würde damit bloß auf ein Bemerken bloßer Gleichheit in den Vorstellungen hinauslaufen, nicht aber die Zusammensetzung von Teilen zu einem Ganzen erklären. Somit könnte auch die Entstehung des transzendentalen Schemas nicht mehr konsistent begründet werden. Dazu ist jedoch zu bemerken, dass im Begriff der Eins zwar eine logische Reflexion auf
|| tion der jeweiligen Kategorie das transzendentale Schema entspringt. Die Nominaldefinition der Substanz, als eines realen Trägers von Akzidenzien, besagt, dass etwas „immer nur als Subjekt, niemals als bloßes Prädikat betrachtet werden müsse“ (B 129; vgl. auch A 235/B 288 sowie Prol, AA 04: 273), bzw. es wird die Substanz von Kant weiter als „Eines und eben dasselbe [subsistierende, C.O.] Subjekt“ (A 404) bestimmt. Eine bloße Übersetzung der „logischen Vorstellung vom Subjekt“ (B 300) in die Zeit, woraus der zeitliche Modus einer absoluten Dauer entstehe, ist jedoch nicht möglich, da man den Gedanken von Selbigkeit, d. i. numerische Identität, unweigerlich verbunden sieht mit dem Gedanken der Einzelnheit und nicht mit dem eines zugrundeliegenden Subjekts. Dieser Begriff numerischer Identität ist aber nichts anderes als die ideale Vorstellung von „Eins“, die bereits als grundlegendes Prinzip des Schemas der Zahl überhaupt festgesetzt wurde. Also scheint auch das Schema der Substanz gemäß demjenigen Prinzip hervorgebracht zu werden, das eigentlich zur Genese des Größenbegriffs veranschlagt wurde. Nicht umsonst bringt Kant bei der Erklärung des Beharrlichen erneut den Größenbegriff mit ins Spiel: „Durch das Beharrliche allein bekömmt das Dasein in verschiedenen Teilen der Zeitreihe nach einander eine Größe, die man Dauer nennt.“ (A 183/B 226) Dauer wird hier freilich nicht im Sinne einer bestimmten zeitlich-messbaren Größe verstanden, sondern meint vielmehr die Dauer von Ewigkeit zu Ewigkeit, d. i. eine fortwährende Dauerhaftigkeit im Dasein, insofern sie das Substratum der Zeit überhaupt ist (vgl. B 225 sowie S. 85f.). Aus dem Gesagten wird ersichtlich, dass die Eins als Prinzip der Synthesis grundlegend ist für die Erzeugung spezifischer Größen, d. h. zeitlich-messbarer Dauer, ebenso wie zur Erzeugung der Beharrlichkeit des Realen, mithin zeigt es, inwiefern a) Selbigkeit und Einzelnheit notwendig miteinander verbunden sind sowie b) die Zusammengehörigkeit der Kategorie der Einheit und der Substanz, was auch dem Stufenbau der Kategorien angemessen ist.
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Gleichheit hin stattfindet, jedoch nicht eine solche, die zugleich mit Abstraktion verbunden wäre. Denn es ist dieses gänzlich einfache Bewusstsein immer nur ganz es selbst, wodurch die radikal einfache Vorstellung absoluter Identität ausgedrückt wird. Damit aber eine „Vorstellung [als] verschiedenen gemein gedacht werden“ kann, dazu muss sie zuvor „in synthetischer Einheit mit anderen gedacht werden“ (B 133f., Anm., vgl. auch S. 205f.). Dies bedeutet für das gegenwärtige Problem, dass der Verstand – nach analytischer Einheit verfahrend – erst dann einen conceptus communis bilden kann, wenn er mindestens zwei Vorstellungen – durch objektiv-synthetische Einheit – zusammengesetzt hat, oder prinzipiell eine Vorstellung in einer möglichen Verbindung mit anderen möglichen Vorstellungen zu denken vermögend ist. Dadurch also, dass überhaupt noch keine Möglichkeit zur Abstraktion von Gleichheit und damit zur Bildung eines Teilbegriffes eröffnet ist, kann das gänzlich einfache Bewusstsein Eins vielleicht noch der Form, keinesfalls aber der Materie nach ein gemeinschaftlicher Teilbegriff (conceptus communis) sein.183 Der nicht weiter zerlegbare Begriff, der entsprechend der Kategorie der Einheit numerische Identität vorstellt, begründet also sowohl die Möglichkeit synthetischer Begriffe wie spezifischer Mengen- oder Größenbegriffe als auch die von Teilbegriffen (conceptus communes). Wie gesagt, er ist wesentlich auch kein synthetischer Begriff, obschon man sich vor Augen halten muss, dass er durch seine Übersetzung in die Zeit, insofern hier zugleich eine potentielle Vielheit (viele Teile) abgesteckt wird, eine Art Verknüpfungsfunktion besitzt; und zwar dadurch, dass ein Mannigfaltiges als ein Quantum bestimmt und damit die Kategorie der Einheit realisiert werden kann.184 Der Begriff der „Eins“ als Gedanke numerischer Identität lässt sich aber
|| 183 Entscheidend für einen Begriff wie den der absoluten Einheit ist, dass er prinzipiell in die Form eines conceptus communis umgewandelt und auf mehrere gleiche Gegenstände angewendet werden kann. Man könnte hier auch von einem conceptus singularis sprechen, wohlwissend, dass dieser Begriff bei Kant alles andere als einheitlich gebraucht wird. Unter diesen Begriff subsumiert Kant nämlich einmal Raum und Zeit, die freilich Anschauungen und keine Begriffe sind, aber auch veritable Begriffe wie Gott oder Erfahrung als absolute Einheit. Der Begriff der einen Erfahrung etwa „ist e i n z i g in seiner Art (unicus), darum weil sein Object auch e i n z e l n (conceptus singularis) ist“ (OP, AA 21: 592; vgl. auch OP, AA 22: 61). 184 Natürlich muss, – wie bereits skizziert – die objektiv-synthetische Einheit der Kategorie beim Akt des Schematisierens immer als übergreifendes Vereinheitlichungsprinzip vorausgesetzt werden, denn die Kategorie ist ja nichts anderes als „Bewußtsein [der] Einheit der Synthesis“ (A 103), d. h. die ursprünglich-synthetische Einheit des Selbstbewusstseins selbst als Bedingung der Möglichkeit objektiver Erkenntnis (vgl. dazu Kugelstadt 1998, 279f. sowie 281ff.). Als Prinzip der Synthesis ist das Bewusstsein absoluter Einheit zugleich auf die synthetische Vereinigungsfunktion der Kategorie der Vielheit angewiesen, ohne welche ja auch keine Vielheit
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nicht nur anwenden auf raum-zeitliche Gegenstände – wobei die Eins, insofern durch sie materielle Körper als ein- und dieselben bestimmt werden, bereits einer Zahl gleich gedacht wird, die gleichsam synthetisch verklammernd schon ein spezifisches Quantum bestimmt (Eines und nicht Vieles) –, sondern auch auf bloß gedachte Gedankendinge. Genau besehen ist er als gesetzter Begriff
|| von immer wieder gesetzten absoluten Einheiten in einem Bewusstsein (in der Kategorie) gedacht werden könnte. Dementsprechend „ist unser Zählen […] eine S y n t h e s i s n a c h B e g r i f f e n , weil sie nach einem gemeinschaftlichen Grunde der Einheit geschieht“ (A 78/B 104). Worauf es hier allerdings ankommt, ist der Umstand, dass die produktive Einbildungskraft ein Prinzip braucht, nach dem sie ursprünglich verfährt. Da die Kategorien die Einbildungskraft selbst nicht leiten können, insofern sie selbst allererst – als verzeitlichte – erworben werden müssen und bis dahin, wie Rosales (2000, S. 261) treffend formuliert, bloß „schlummernde Potenzen“ sind, muss man sich nach einem anderen Prinzip umsehen, das erklärt, wie die Einbildungskraft überhaupt „ins Spiel [ge]setzt“ (A 66/B 92) werden kann. Wenn Rosales wenig später aber bekundet, die Produktion der transzendentalen Schemata könne „nicht von Begriffen geleitet sein, die dem Bewußtsein offenbar wären“, und er die Tätigkeit der Einbildungskraft in ihrer Funktion, die richtigen Modi der Zeitverbindung für die noch nicht versinnlichten Kategorien aufzufinden, für „gewiß etwas Unerklärliches“ (S. 262) erklärt, dann übersieht er gerade, dass mit dem Vorstellen der logischen Funktion der Kategorie, d. i. des reinen Verstandesbegriffs, respektive der schlechthin gesetzten Einheit, ein intellektueller Ursprung für das Verfahren der Einbildungskraft gegeben werden kann, der nicht mit der „voll bewußten Vorstellung“ (S. 262) der Kategorie selbst verwechselt werden darf. Freilich ist die Rede von vollbewussten Vorstellungen an dieser Stelle nicht unproblematisch (vgl. dazu Anm. 173). Mit der logischen Funktion der Kategorie ist im Gegensatz zur autonom und mehr oder weniger blind verfahrenden Einbildungskraft ein intellektueller Ursprungsort ausgemacht, der die Möglichkeit zur völlig bewussten Schematisierung bzw. reinen Synthesis ja gerade aufzeigt; diese kann aber genauso mit weniger klarem Bewusstsein stattfinden. Dem Gesagten zufolge können wir weiterhin Rosales’ Einwand, auch die logische Funktion der Kategorie müsse erworben werden und könne daher nicht, wie er mit Blick auf Heideggers Interpretation feststellt, durch zeitliche Übersetzung einen Inhalt in den reinen Verstandesbegriff bringen (vgl. S. 109, Anm.), entgegnen, dass bloß die verzeitlichte Kategorie erworben, die logische Funktion der Kategorie jedoch der Potentialität nach im Verbindungsvermögen des Subjekts liegt und von diesem bloß insofern als ursprünglich gesetzt erachtet werden kann, als dieser Akt in der Immanenz des reinen Denkens allein liegt. Davon zeugt etwa die Tatsache, dass Urteilsfunktionen zum rein intellektuellen Denken notwendig sind (zur Bestätigung vgl. etwa A 79/B 105, A 147/B 186f., A 242f./ B 300f., B 305f.), ebenso wie der Umstand, dass über das Ich (denke), wie gesehen, analytische Urteile möglich sind, was Rosales in der Folge gerade selbst demonstriert (vgl. S. 159f., 167, 171). Hier muss zumindest auf die logische Urteilsfunktion zurückgegriffen werden. Andernfalls müsste man im Sinne Fichtes auch diese Urteilsfunktionen bzw. reinen Verstandesbegriffe als logische Denkfunktionen aus dem Ich generieren, was für Kant aber nicht zur Debatte steht.
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jedoch nur die Thesis, während die eigentliche Verknüpfungsfunktion in der Kategorie der Vielheit bzw. Allheit liegt (Eins und Eins zusammengenommen).185
4.3.1.4 Erneute Exposition des transzendentalen Schemas und Verbindung der drei Bestimmungsmomente Um einen erneuten Anlauf zur Verdeutlichung dessen zu unternehmen, was damit gemeint ist, wenn es heißt, das Schema werde im Setzen des logischen Verstandesbegriffes in die Zeit entwickelt: Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das transzendentale Schema die Einbildungskraft bei ihrer bestimmenden Tätigkeit nicht ursprünglich anleitet, sondern erst durch die verzeitlichte logische Funktion der Kategorie in Anwendung kommen kann, d. h., im Setzen der logischen Einheit in die Zeit entfaltet sich das Schema als sinnliche Bestimmung der Kategorie. Denn „die Vorstellung einer Methode, einem gewissen Begriffe gemäß eine Menge […] in einem Bilde vorzustellen“ (A 140/B 179), das Zusammensetzen von Einheiten zu einer Größe, ist eine wesentlich zeitliche Vorstellung. Dies bedeutet: Das Schema der Zahl überhaupt respektive das Zählen ist immer ein zeitlicher Akt, mithin ist ein reines Zusammensetzen unabhängig von jeder Zeitlichkeit vielleicht denkbar, aber für das Erkenntnissubjekt nicht praktizierbar.186 Folglich eröffnet sich erst dadurch, dass das handelnde
|| 185 So wird dann auch die Linie als ein spezifisches Quantum (etwa als die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten) erst dadurch bestimmt, dass man sie „unter den Begriff der Größe [der Vielheit, C.O.] subsumirt“. Dies dient dazu, „die Anschauung (der Linie) in Absicht auf die Urtheile, die von ihr gefällt werden mögen, in Ansehung der Quantität derselben, nämlich der Vielheit (als judicia plurativa) zu bestimmen, indem unter ihnen verstanden wird, daß in einer gegebenen Anschauung vieles Gleichartige enthalten sei“ (Prol, AA 04: 301f.). Wenn man also eine Linie bewusst zieht und zugleich als eine bestimmt, impliziert dies bereits das Bewusstsein und den Begriff einer potentiellen Vielheit der Teile innerhalb des einen Quantums, was sich jederzeit in ein Urteil übersetzen lässt: ‚Die Linie besteht aus vielen Teilen‘. 186 Man könnte zwar behaupten, dass ein reines Zusammenzählen von Einheiten in der Abstraktion auch unabhängig von der Zeit denkbar sei – man denke hierbei etwa an die Linie, deren Teile objektiv jederzeit zugleich sind, oder an fünf gedachte Götter. Ohne Rückgriff auf die Zeit wäre aber auch dies schwer einsehbar, so dass zumindest subjektiv-objektiv die Zeit, mithin das Schema der Zahl überhaupt als ein gänzlich objektives Verfahren der Zeitbestimmung zur Erzeugung einer Größe notwendig vorausgesetzt werden muss: „Wir können uns keine Zahl vorstellen als durch successive Aufzählung in der Zeit und dann das Zusammennehmen dieser Vielheit in die Einheit einer Zahl.“ (Refl, AA 18: 616) Mit Blick auf diesen Unterschied von Methode des Hervorbringens und davon unabhängig zu betrachtendem Zahlbegriff stellt Longuenesee (1998, S. 258) treffend fest: „[W]e would acquire no representation of number were it not for our capacity to generate and reflect the unity of a multiplicity under a concept.“ Der Zahlbegriff respektive die Kategorie der Allheit determiniert also gleichsam die
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Subjekt den Begriff der Einheit in die Zeit setzt, die Möglichkeit, das Setzen von Einheiten zu einer geregelten Methode des Addierens zusammenzubringen. Das Verzeitlichungsverfahren kann (der Materie nach) nämlich nicht schon vollständig im Verstand a priori existieren, d. h. bloß für den Verstand und unabhängig von der Sinnlichkeit, da es eben die Zeit braucht, um das Verfahren zu entwickeln. Daher kann man mit Recht behaupten, das Schema der Zahl überhaupt sei die Methode des sukzessiven Setzens und Zusammenfassens von Einheiten, die es ermöglicht, Gegenstände zu messen, unbestimmte oder bestimmte Größenbegriffe hervorzubringen und damit der Quantitätskategorie ihre sinnliche Bestimmung zu verschaffen. Diese Methode entspringt allererst – im synthetischen Einflussnehmen des Subjekts auf die Sinnlichkeit (actio transiens) – aus dem wiederholentlich und sukzessiv gesetzten Begriff der Einheit. Dennoch bleibt das transzendentale Schema als das Produkt verschiedener Phasen der Synthesis die eigentliche und die Sinnlichkeit bestimmende Verfahrensregel, insofern es sämtliche einzelne Akte des Zählens bzw. des Setzens von Einheiten nach einer Methode zusammenbefasst und so der produktiven Einbildungskraft die Weise vorschreibt, nach der sie das Mannigfaltige der Anschauung verbindet. So ist das Schema der Größe, die „Zahl überhaupt“ (A 140/B 179), „eine Vorstellung […], die die sukzessive Addition von Einem zu Einem (Gleichartigen) zusammenbefaßt“ (A 142/B 182), also die Methode der Zusammensetzung von Einheiten, die dann die Bestimmung des sinnlich Mannigfaltigen durch spezifische Größenbegriffe ermöglicht. Es ist die Verfahrensregel des Verstandes, die von ihm bei Gelegenheit der Selbstaffektion selbst erzeugt wird und die produktive Einbildungskraft bewegt, indem der Verstand sich unter Indienstnahme der Einbildungskraft synthetisch – Einheiten denkend und in die Zeit setzend – auf die Anschauung bezieht. Ohne diese Regel könnte man sich zwar eine durchgehende Affektion des inneren Sinnes durch den Verstand vorstellen, woraus die Bestimmung des reinen sinnlichen Mannigfaltigen resul-
|| Synthesis. Vgl. auch ebd., S. 263. Dort führt Longuenesse mit Blick auf die Debatte zwischen Kant und Rehberg überzeugend vor, warum der Rückgriff auf die Zeit notwendig ist, um einen Zahlbegriff wie √2 vorstellen zu können, da er ganz offenbar ohne „successive approximations of the relation between √2 and the unit“ gar nicht gedacht werden kann. Bennett (1966, S. 49) akzeptiert zwar die Notwendigkeit der Zeit auch für das Bilden irrationaler Zahlen, freilich nur vor dem Hintergrund einer realistischen Position, ohne den Status des Apriorischen der daraus resultierenden Urteile anzuerkennen, was bedeuten würde, mathematische Urteile dieser Gestalt wären bloß zufällig und könnten jederzeit anders ausfallen. Breidert (1981, S. 108f.) versucht mit Bezug auf die moderne Mathematik zu zeigen, dass sich imaginäre Größen sogar geometrisch konstruieren lassen; durch eine Art gleichnishafte symbolische Anschauung seien sie mittelbar „sehr wohl zur ‚Anschauung‘ [zu] bringen“ (S. 109).
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tieren würde; jedoch bliebe die Weise der Verbindung im Objekt respektive auf Seite des Vorgestellten ungewiss, d. h., es wäre nicht auszumachen, ob das reine Mannigfaltige etwa nach Größenbegriffen zusammengenommen oder den Relationskategorien gemäß bestimmt würde. Anders gesagt: Es wäre klar, dass eine jede Regel durch einen bzw. mehrere kausale Setzungsakte des Verstandes zustande kommt; allerdings geht daraus nicht hervor, welche Begriffe der Verstand in die Zeit setzt. Beim konkreten Akt des Zählens hingegen, der insgesamt eine Methode vieler einzelner sukzessiver kausaler Setzungsakte des Verstandes begreift, hat man von der Art und Weise des Zustandebringens der Regel zu abstrahieren, d. h., die subjektiven, dazu führenden Handlungen sind nicht explizit thematisch (man macht sich nicht klar, dass man immer wieder Eins zu Eins hinzutut, sondern bleibt ganz beim zu zählenden Objekt). Zu ergänzen bleibt, dass durch den Akt des Schematisierens die intellektuelle Kategorie (im Beispiel die der Quantität) verzeitlicht und ihre Anwendung auf die Sinnlichkeit ermöglicht wird. Während die Methode des Zählens Zeitbedingungen unterworfen ist, da „doch Größen (quanta) [nur durch sukzessive Konstruktion] zu bestimmen sind“ und uns folglich so „gegeben werden [müssen], dass wir ihre Anschauung sukzessiv auffassen können“, gilt dies für die bestimmte Zahl nicht: „Die Zeit hat [...] keinen Einflus auf die Eigenschaften der Zahlen (als reiner Größenbestimmungen)“, weshalb die Zahlwissenschaft „unerachtet der Succession, welche jede Konstruktion der Größe erfordert, eine reine intellektuelle Synthesis [ist], die wir uns in Gedanken vorstellen“ (Br, AA 10: 554). Fasst man nun alle in diesem Abschnitt aufgestellten Bestimmungsmomente des transzendentalen Schemas zusammen, so kann man der Bestimmung des Schemas als „Produkts“ einen modifizierten Sinn verleihen: Das transzendentale Schema ist ein intellektuelles Produkt des Verstandes, insofern es – hier das Schema der Zahl überhaupt – selbst sukzessiv durch das wiederholentliche Setzen der gedachten (logischen) Funktion einer jeden Kategorie generiert werden muss, um dann die Einbildungskraft bei ihrer Tätigkeit selbst zu leiten. Es beschreibt die objektive Methode der Zeitbestimmung (etwa zur Bestimmung von Größen überhaupt) und ermöglicht so die zeitliche Übersetzung der Kategorie, mithin deren Anwendung auf die Erscheinung. Als eine selbst zu produzierende Regel ist es in der Hauptsache kein Produkt verstanden als sinnlich erzeugtes Bild der Kategorie.
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4.3.2 Das transzendentale Schema der Größe als anschauliches Produkt. Das Schemabild Wenngleich das transzendentale Schema der Größenkategorie eine wesentlich intellektuelle Funktion ist, die in „gar kein Bild gebracht werden kann“ (A 142/ B 181), folglich als Regel der Verzeitlichung der Kategorien selbst nicht anschaubar ist – genauso wenig wie ein bloß intellektueller Verstandesbegriff –, so ist das durch diese Methode Hervorgebrachte bzw. das durch die Methode bestimmte Mannigfaltige der Anschauung sehr wohl ein sinnlich-anschauliches Produkt.187 Denn auch der Schematismus reiner Verstandesbegriffe dient ja ausdrücklich dazu, „einem Begriff sein Bild zu verschaffen“ (A 140/B 179f.). Der Kategorie der Quantität entsprechend, wäre das Hervorgebrachte etwa die konkrete Linie (auch als räumliches Analogon der Zeitstrecke) oder das Bild einer spezifischen Zahl, aber auch schon jeder konkrete, durch die Einbildungskraft bestimmte einzelne Teil des Mannigfaltigen einer gewissen Figur. Um dies deutlicher zu machen: Wenn das transzendentale Schema einer Kategorie ihr Bild verschaffen soll, dann muss es selbst entweder bildhaften (anschaulichen) Charakter besitzen oder etwas Bildhaftes hervorbringen. Nun wurde das transzendentale Schema eben als ursprünglich intellektuelle Vorstellung ausgewiesen, mithin ist es seinem Wesen nach keine Anschauung. Also muss aufgrund der Alternativlosigkeit, akzeptiert man die Rede von der Verbildlichung der Kategorie, das transzendentale Schema selbst etwas anschaulich Bildhaftes hervorbringen.188 Dieses kann – um mit Heidegger zu sprechen – Schemabild genannt werden, da es den Charakter des Anschaulichen trägt.
|| 187 Auch Pippin (1976, S. 162) scheint im Bild eine durch den Gebrauch des Schemas als einer bestimmenden Regel hervorgebrachte anschauliche Vorstellung zu sehen, ohne jedoch den allgemeinen Charakter dieses Bildes zu akzentuieren. 188 Zwar kann das transzendentale Schema in kein Bild gebracht werden, doch angesichts der Tatsache, dass es sich hierbei um eine gedachte Vereinigung für alle (real) möglichen Gegenstände handelt (vgl. Anm. 191), muss auch der transzendentale Schematismus als ein Verfahren der Einbildungskraft gelten, einer Kategorie ihr Bild zu verschaffen. Weil die Einbildungskraft dabei allgemein verfährt (vgl. A 140/B 179), gehört diese „Versinnlichung“ aber, wie La Rocca (1989, S. 135) völlig richtig feststellt, „zum Wesen des Begriffs“. Rosales (2000, S. 254) bemerkt dazu: „Die Produktion des Schemas muss zugleich die Erzeugung des ihm entsprechenden Bildes sein, obzwar dieses Bild nicht das Ziel einer solchen Synthesis ist. Und umgekehrt: Jedesmal, wenn wir ein Bild nach seinem Schema produzieren, erzeugt unsere Einbildungskraft das Schema mit.“ Hier kann jedoch allenfalls ein logisches wechselseitiges Begründungsverhältnis gemeint sein und keine reale Wechselwirkung, da diese einerseits ohnehin nur zwischen zwei Substanzen bzw. Vermögen und nicht zwischen zwei Vorstellungen gedacht werden kann
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Dabei ist das Ziel der reinen Synthesis allerdings nicht das einzelne erzeugte Bild, sondern es steht dieses einzelne Bild stellvertretend für eine Vielzahl anderer möglicher bildlicher Darstellungen, mithin ist es ein Bild, das für vieles Einzelne steht.189 Obgleich die Produktion des transzendentalen Schemas (der Größe) also ein spezifisches Bild erzeugt, gilt es von diesem gleichsam abgeworfenen, anschaulichen Produkt zu abstrahieren und das hervorgebrachte Bild als Darstellung einer extensiven Größe überhaupt zu betrachten. Es ist dies also der sinnliche Bestandteil des transzendentalen Schemas, der zu Vermeidung von Missverständnissen Schemabild genannt werden sollte. Vor diesem Hintergrund ist das transzendentale Schema zu verstehen als dasjenige, was die anschauliche Darstellung des rein intellektuellen Verstandesbegriffes, seine sinnliche Gestaltung, ermöglicht. Sich der geläufigen Redewendung ‚In-ein-Schema-Pressen‘ bedienend, kann behauptet werden, die Kategorie werde hier in ihr zeitliches Schema gepresst. Wenn der Verstand zur Bestimmung der Sinnlichkeit also die Regel liefert, so bietet die Sinnlichkeit immerhin das entsprechende Material zur Regel. Obschon der Verstand selbsttätig ist, kann er – wie gesehen (vgl. S. 40, 41f.) – nur dasjenige verbinden, was ihm die rezeptive Sinnlichkeit genau auf diese Weise und nicht anders darbietet: „[D]a unsere Anschauung jederzeit sinnlich ist, so kann uns in der Erfahrung niemals ein Gegenstand gegeben werden, der nicht unter die Bedingung der Zeit gehörete“ (A 35/B 52). Es sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich das transzendentale Schema vom Schemabild abgegrenzt, insofern jenes keinesfalls als Produkt im Sinne eines hervorgebrachten Bildes verstanden werden, sondern nur als das Produkt einer allererst hervorzubringenden Verfahrensregel gelten darf. Das Schema ist dann wiederum das „Verfahren“ des Verstandes selbst, seine zwar zeitliche, aber bloß gedachte Methode der reinen Synthesis, Kategorien ihre sinnliche Form zu verleihen, d. h. die Produktionsweise respektive das Erzeugungsmuster ursprünglicher Tätigkeit des handelnden Subjekts. Auch ist das transzendentale Schema kein Produkt in der Weise eines reinen sinnlichen Schemas, das als Handlungsanweisung der Konstruktion von mathematischen Begriffen schon
|| sowie andererseits nur das Schema als Bestimmungsverfahren das Bild bedingt, nicht aber umgekehrt das Bild die Bedingung für das Schema ist. 189 Vgl. Heidegger 1998, S. 97ff., 102f, der speziell in Hinblick auf den transzendentalen Schematismus den allgemeinen Charakter des Schemabildes hervorhebt. Nicht nur der intellektuelle, sondern auch der sinnliche Bestandteil des Schemas ist folglich allgemein.
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im Begriff liegt und deshalb auch nicht allererst anhand der Zeit entwickelt werden muss.190 Die Rede von einem Schemabild scheint jedoch nur dann in einem pointierten Sinne zulässig, wenn es um die Kategorie der Größe und damit um das Erzeugen extensiver Größen überhaupt geht, was seinen Grund darin hat, dass hier auf die „unmittelbare[] Evidenz“ (A 160/B 200) der Anschauung verwiesen werden kann, was sowohl beim Schema der Qualität als auch bei den Relationssowie Modalitätskategorien nicht ohne Weiteres möglich ist. So liegt es in der Natur der Sache, dass das Ziehen und Bestimmen einer Linie zugleich mit dem Erzeugen eines anschaulichen Produktes einhergeht, während die Vermehrung oder Verminderung von Empfindungen höchstens durch Analogiebildungen anschaulich dargestellt werden kann. Dies hat nicht zuletzt seinen Grund darin, dass die Apprehension, kraft deren das „Reale in der Erscheinung“ aufgefasst werden soll, „vermittelst der bloßen Empfindung in einem Augenblicke und nicht durch sukzessive Synthesis vieler Empfindungen geschieht, und also nicht von den Teilen zum Ganzen geht“ (A 168/B 210). Man könnte sich hier, um sich eines modernen Beispiels zu bedienen, einen Balken im Fernsehen denken, der die Regulierung der Lautstärke anzeigt und dessen Inhalt zu- oder abnehmen kann, wodurch also der Grad der Empfindung der Qualität (des Tons) vermehrt oder vermindert wird. Augenscheinlich muss diese Darstellung intensiver Größen jedoch auf die extensiver Größen zurückgreifen. Vergleicht man das transzendentale Schema der Zahl überhaupt mit den Schemata der Relationskategorien, so zeigt sich zwar eine prinzipielle Gemeinsamkeit hinsichtlich der Methode ihrer Hervorbringung, insofern beide ursprünglich gedachte Methoden, begrifflich-intellektuellen Ursprungs sind, die darin übereinstimmen, dass sie beide eine „reine Synthesis, gemäß einer Regel der Einheit“ (A 142/B 181), bezeichnen. Allerdings heißt es insbesondere vom transzendentalen Schema der Zahl überhaupt, es sei ein „Denken“, das viel
|| 190 Ob der reine sinnliche Begriff Bedeutung und damit auch sein Schema realisiert werden kann, hängt allerdings von der Möglichkeit der Konstruktion des Begriffs im Raume ab. Zum Unterschied zwischen transzendentalem und reinem sinnlichem Schema sowie ihrer Schemabilder bzw. zum Zusammenhang von transzendentaler und mathematischer Synthesis vergleiche man das Gesagte in Kapitel 4.4 sowie Düsing 1995, S. 55. Wie er bekundet, besteht „die produktive Tätigkeit der Einbildungskraft darin, das zeitlich Mannigfaltige unserer Vorstellungen so zusammenzufügen, wie es jeweils eine der Kategorien als regelnde Einheit vorschreibt“. Insofern durch das Schema reiner Verstandesbegriffe als „schwebende Skizze“ die grundlegende „Anordnung des Zeitmannigfaltigen“ hergestellt wird, d. i. die Zeitbestimmung a priori nach Regeln, erweist sich dieses Schema im Gegensatz zu den Schemata reiner sinnlicher Begriffe als transzendental.
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mehr „die Vorstellung einer Methode“ beschreibe, „einem gewissen Begriff gemäß eine Menge (z. E. Tausend) in einem Bild vorzustellen, als dieses Bild selbst“ (A 140/B 179).191 Auffällig ist also, dass Kant das Schema der reinen Verstandesbegriffe als die Vorstellung einer bildverschaffenden Methode speziell für das Schema der Zahl überhaupt entfaltet (vgl. etwa A 78/B 104, A 140/B 179). Dies liegt zunächst einmal daran, dass die Kategorie der Größe – wie gesehen – grundlegend für alle Zeitbestimmungen überhaupt ist, insofern ohne vorausgehende Erzeugung einer „Zeitreihe“ keine anderen Zeitbestimmungen, zu denen „Zeitinhalt, […] Zeitordnung [sowie] Zeitinbegriff“ (A 146/B 184) gehören, stattfinden könnte. Außerdem aber hat diese Methode der sukzessiven Addition von Gleichartigem das Besondere an sich, ein Schemabild zu produzieren, welches zugleich mathematische Evidenz besitzt. Das Charakteristische dieser figürlichen Synthesis besteht also im Voranschreiten der produktiven Einbildungskraft, wodurch zugleich ein anschauliches Bild zustande kommt, das freilich allgemeinen und repräsentativen Charakter besitzt. Für die zu dynamischen Grundsätzen führenden Kategorien kann dies deshalb nicht behauptet werden, weil Analogiebildungen, wie im Falle der intensiven Größe, hier noch schwieriger bzw. nahezu unmöglich sind. Zwar muss die produktive Synthesis, „die Sukzession dieser Bestimmung“ (B 154), auch für das
|| 191 Zum Status des transzendentalen Schemas als einer Methode im Gegensatz zu einem Bild vgl. auch Aportone 2009, S. 69, insbesondere Anm. 106. Auch wenn das Schema eher eine Methode als ein Denken beschreibt, so muss diese Methode dennoch allgemein gedacht werden und unterscheidet sich deshalb qualitativ nicht vom allgemeinen Charakter des Denkens (vgl. Anm. 188), ja, es ist mit dem transzendentalen Schema eigentlich nur das regelgeleitete Denken unter Zeitbedingungen thematisch, was jedoch Aportone ebenso wenig wie Rosales (2000, S. 200) deutlich machen. Dieses „mehr“ ist also entscheidend, insofern es gerade nicht besagt, dass das Schema keine intellektuell-begriffliche Handlung ist, sondern gerade auch ein Denken beschreibt, das aber einen unter Zeitlichkeitsbedingungen stehenden Intellektionsakt (Begriff unter Zeitbedingungen stehend) ausdrückt, der sich zugleich in einer reinen, anschaulichen Synthesis niederschlägt. Auch Longuenesse (1998, S. 251f.) beschreibt die Schwierigkeit, das Schema der Zahl überhaupt als das Schema der Kategorie der Quantität mehr mit der Konstruktion als mit der Reflexion in Verbindung zu bringen. Im Gegensatz zu Aportone und Rosales betont sie jedoch völlig konsequent und in unserem Sinne, dass auch im Falle der Quantität das entsprechende Schema von der Urteilskraft zum Zwecke der Reflexion gebildet wird: „[I]n the production of schemata for the categories, the power of judgement schematizes for its reflective use. This claim holds for the schema of quantity just as much as for other schemata – however strange this might seem.“ Angesichts der Tatsache, dass hier Größenbegriffe gebildet und objektive Maße bestimmt werden, ist auch die mathematische Zusammensetzung von gleichartig Mannigfaltigem immer ein Akt der Intellektion, mithin ein Denkakt, vermittelst dessen das Subjekt etwas reflexiv durchdringt und festhält, was prinzipiell immer auch in einem Reflexionsurteil feststellbar sein muss.
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Schema der Beharrlichkeit geltend gemacht werden; doch läuft – wie gesehen (Anm. 182) – die Vorstellung von etwas Beharrlichem im Dasein mehr auf das Denken eines immerwährenden Daseins hinaus, als dass hier eine – Einheit erzeugende, produzierende Methode thematisch wäre (wobei klar ist, dass die Vorstellung des beharrlich Selben, mithin die Erzeugung der zeitlichen „Dauer“ (A 183/B 226) des immer Selben auf andere Weise zu denken ist als die Erzeugung von Größen vermittelst der Kategorie der Quantität). Dem aus diesem Umstand resultierenden Befund, dass eine einheitliche Methode der Genese der Schemata nicht zu finden ist, kann hier nicht weiter Rechnung getragen werden, so dass hier lediglich erwähnt sei,192 dass der Nachweis, die Substanz sei als das Substrat alles Realen auch das Substrat der empirischen Zeitbestimmung und beharre also als empirisches Korrelat der selbst beharrlichen Zeit, von Kant erst in der 1. Analogie der Erfahrung erbracht wird. Dass die Beharrlichkeit des Realen als das Schema der Substanz dieser auch entspricht, wird somit erst nachträglich bewiesen, insofern die Genese des Schemas der Beharrlichkeit des Realen eben nicht den Gedanken eines realen Trägers von Akzidenzien impliziert und vollkommen unabhängig davon gebildet werden kann.193 Was also durch den Gedanken der Substanz hinzukommt, ist das Ver-
|| 192 Vgl. für eine weiterführende Darstellung meine Ausführungen in Olk 2013, S. 83ff. Abgesehen vom Ausnahmefall des Schemas der Beharrlichkeit kann man sich die Bildung der einzelnen Schemata, etwa das der regelgeleiteten Sukzession, in Analogie zur Bildung des Schemas der Größe so vorstellen, dass auch hier eine Übersetzung der logischen Funktion der Kategorie, etwa die der Grund-Folge-Beziehung, in die Zeit stattfindet (freilich keine sich wiederholende Setzung wie im Falle der Eins). So wird, wie Engelhard (2001, S. 152) völlig zutreffend konstatiert, „die logische Grund-Folge-Beziehung zu einer Ursache-Wirkungsrelation [sic], indem der logische Grund in der Zeitordnung vor die logische Folge gesetzt wird“, so dass also die Ursache zum „Realgrund einer Wirkung“ wird. 193 Hahmann (2009, S. 181f.) sieht ebenfalls die Schwierigkeit einer Vereinigung des transzendentalen Schemas der Beharrlichkeit des Realen mit der Kategorie selbst. Er erklärt dies damit, dass die Nominaldefinition der Substanz als für sich bestehenden, letzten Subjekts der Prädikation mit seinem Schema deshalb nicht kompatibel ist, weil es keine absolut inneren Bestimmungen zulässt. Seine Begründung, dies liege daran, dass die transzendentale Zeitbestimmung der Beharrlichkeit des Realen sich notwendig auf den Raum beziehe, da er keine inneren Bestimmungen zulassen würde, überzeugt jedoch nicht. Denn dass die Kategorie der Substanz in Bezug auf die Sinnlichkeit nur komparativ Innerliches denkt, liegt daran, dass Raum und Zeit selbst nie etwas absolut Einfaches geben, was Hahmann freilich selbst weiß (ebd., S. 180). Die in Bezug auf die Zeit gedachte Kategorie wird also „zum Inbegriff von Relationen“ (ebd., S. 181), deren Einheit, wie Hahmann dann völlig richtig erklärt, auf der Einheit der Funktion des reinen Verstandes in Form des reinen Verstandesbegriffs beruht. Die Vereinigung des Schemas mit der Kategorie ist also ohne weiteres möglich, jedoch nicht durch „direkte“ Übersetzung der logischen Funktion der Kategorie in die Zeit. Im konkreten Anwendungsfall ist der
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hältnis von Subjekt zu Prädikat, welches auf die Zeit angewandt das Verhältnis und die Differenz von Beharrlichem zum Wandelbaren begreifen lässt, mithin eröffnet sich dadurch erst eine Relation, von der beim Zustandekommen des Schemas der Beharrlichkeit noch gänzlich abstrahiert wird. So klärt sich auch die ansonsten etwas verlegen klingende Erläuterung Kants, die Kategorie der Substanz stehe „unter dem Titel der Verhältnisse […] mehr als die Bedingung derselben, als daß sie selbst ein Verhältnis enthielte“ (A 187/B 230). Mit der in diesem Kapitel etablierten Detailanalyse lassen sich schlussendlich die Aufgabe und der Stellenwert des transzendentalen Schemas vollständig angeben. Unter dem in der vorangegangenen Betrachtung aufleuchtenden Stichwort des cogitabile ut dabile ist das transzendentale Schema innerhalb der reinen Synthesis einerseits das intellektuelle (produzierte) Verfahren des Schematisierens, welches sich andererseits aber immer auch in einem Schemabild niederschlägt. Dieser sinnliche Bestandteil des transzendentalen Schemas ist dann wiederum anschauliches Produkt der Bestimmung des Mannigfaltigen, welches durch die bestimmende Bewegungshandlung des Subjekts hervorgebracht wird. Indem also das Subjekt bei seiner Bestimmung von Raum und Zeit innerhalb der transzendentalen Synthesis immer durch eine intellektuelle Regel geleitet wird, denkt es beim Akt des Schematisierens (die Regel) und schaut zugleich das Produkt (dieser Bestimmungshandlung) an, bringt also die intellektuell durchdrungene Einheit der Anschauung hervor.
4.3.3 Der Status des Raumes innerhalb der zeitlichen transzendentalen Synthesis Schon die Betrachtungen über das sich auf Sinnlichkeit erweiternde reine Ich machten deutlich, dass sich die Synthesis ebenso auf die Anschauungsform Raum erstreckt, da nur so eine Beziehung zu Gegenständen der empirischen Wirklichkeit möglich ist. Dabei wurde jedoch noch nicht geklärt, ob auch für die Darstellung der transzendentalen Synthesis der Einbildungskraft, als einer bloß vorgestellten, im inneren Sinn verharrenden Synthesis, der Raum als Form der
|| Ausgangspunkt der Erkenntnis, wie gesehen, ohnehin die Erkenntnis einer Einzelsubstanz als des letzten – komparativ-innerlichen – Subjekts, von dem aus erst auf die Beharrlichkeit geschlossen wird (vgl. Kapitel 3.2 sowie Anm. 108). Außerdem muss an die prinzipielle Schwierigkeit erinnert werden, dass zunächst jede Kategorie mit der Erscheinung ungleichartig ist und als ein gedachtes Diskretum nicht ohne Weiteres auf das Kontinuum von Raum und Zeit angewendet werden kann.
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Anschauung notwendig ist. Grund für diese Überlegung ist folgende: Zwar ist die Handlung des reinen Selbstbewusstseins – primär – auf die Strukturierung der Zeit als „formale[r] Bedingung des Mannigfaltigen des inneren Sinnes, mithin der Verknüpfung aller Vorstellungen“ (A 138/B 177; vgl. auch A 34/B 50), gerichtet, doch zeigt bereits das Beispiel des Linienziehens, warum die reine, transzendentale Synthesis ohne Beziehung zur Räumlichkeit schwerlich zu denken ist (vgl. Kapitel 4.2.2). Es wurde bereits auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass Kant, wenngleich er für die Erzeugung einer Größe mehrere Beispiele bringt – das Linienziehen, die Beschreibung eines Zirkels und das Setzen des Koordinatensystems exemplarisch für ein-, zwei- und dreidimensionale Gebilde (vgl. B 154) – zunächst nur den zeitlich zu verstehenden Erzeugungsakt und die damit verbundene Handlung des Subjekts im Auge hat, ohne die Gestaltung besonderer (geometrischer) Gebilde zu berücksichtigen; somit wird in der „Synthesis des Mannigfaltigen im Raume […] von diesem abstrahier[t]“ (B 155). Daher ist es völlig beliebig (was Kants verschiedene Beispiele denn auch zeigen sollen), welche Größen der synthetische Erzeugungsakt hervorbringt. Entscheidend ist, dass die Einbildungskraft nach demselben Erzeugungsmuster verfährt, hier gemäß der Kategorie der Quantität. Das heißt, selbst wenn die ursprüngliche Handlung an einer bestimmten Figur exemplarisch vorgeführt wird, so kann die Handlung des Zustandebringens nach Belieben an jeder anderen Größe stellvertretend festgemacht werden. Obzwar es bei der Tätigkeit der Einbildungskraft (etwa der des Linienziehens) von jeder konkreten Linie zu abstrahieren und eben „bloß auf die [sukzessive, C.O.] Handlung der Synthesis des Mannigfaltigen“ zu achten gilt, was dann auch „den Begriff der Sukzession zuerst hervor[bringt]“ (B 154f.), so bedarf es für die Darstellung der transzendentalen Synthesis immer einer spezifischen zu erzeugenden Figur (etwa des konkreten Bild der Linie), denn an irgendwelchen Gebilden muss die Tätigkeit nachvollzogen werden können. Damit ist es also möglich, für die funktionale Beschreibung der Größenerzeugung von spezifischen räumlichen Figuren, ja auch vom Raum selbst zu abstrahieren, doch kann die ursprüngliche Handlung des Ich ohne jeglichen Rekurs auf den Raum niemals vorgestellt werden, weil wir die Zeit, die doch gar kein Gegenstand äußerer Anschauung ist, uns nicht anders vorstellig machen können, als unter dem Bilde einer Linie, so fern wir sie ziehen, ohne welche Darstellungsart wir die Einheit ihrer Abmessung gar nicht erkennen könnten, [so, C.O.] daß wir die Bestimmung der Zeitlänge, oder auch der Zeitstellen für alle innere Wahrnehmungen, [schließlich auch, C.O.] immer von dem hernehmen müssen, was uns äußere Dinge Veränderliches darstellen, folglich die Bestimmungen des inneren Sinnes gerade auf dieselbe Art als Erscheinungen in der Zeit ordnen müssen, wie wir die der äußeren Sinne im Raume ordnen (B 156).
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Würde Kant hier anstatt von Zeitlänge vom synonym verwendbaren Zeitraum sprechen, wäre auch sinnbildlich die Abhängigkeit der Zeit vom Raum verdeutlicht.194 Bereits in der ‚Transzendentalen Ästhetik‘ macht Kant auf den Mangel aufmerksam, dass die „innere Anschauung keine Gestalt gibt“ und diese deswegen „durch Analogien zu ersetzen“ sei. So stellen wir uns „die Zeitfolge durch eine ins Unendliche fortgehende Linie vor, in welcher das Mannigfaltige eine Reihe ausmacht […], und schließen aus den Eigenschaften dieser Linie auf alle Eigenschaften der Zeit“, jedoch mit dem Unterschied, daß im Falle der Linie die Teile (als nach der Kategorie der Größe gebildet) „zugleich“ sind, in der Zeit freilich „jederzeit nach einander“ (A 33/B 50).195 Die durch ursprüngliche Bewegungs-
|| 194 Abhängigkeit bedeutet jedoch nicht, die Zeit sei dem Raum unterzuordnen. Denn für die Synthesis der Gestalten im Raume braucht es ja ebenso notwendig die Zeit. Überhaupt müssen Raum und Zeit als zwei gleichberechtigte und komplementäre Ordnungsgefüge gelten, die sich gegenseitig fordern, wobei je nach Betrachtungswinkel die eine oder die andere Anschauungsform von größerer Bedeutung sein kann. Vgl. dazu Höffe 2003, S. 89f. sowie Düsing 1995, S. 55, Anm., der die Notwendigkeit des Raumes auch für den transzendentalen, zeitlich-verfahrenden Schematismus geltend macht. 195 Vgl. zu dieser Thematik auch Prauss 1993, Bd. I.2, S. 455ff., der ausführlich diskutiert, wie man sich das Linienziehen allein in der Zeit vorzustellen habe. Dabei kommt er zum Ergebnis, dass man einen Raumpunkt als eine Art „Linienteilungspunkt“ im aktualen Raum von einem „Punkt als Aufbaustück der Linie“, d. i. einem „Zeitpunkt“ (S. 461), zu unterscheiden habe, als welcher die Darstellung der Tätigkeit des Linienziehens selbst sei und der nur in der Zeit als ein in eine bestimmte Richtung laufender Punkt (vgl. S. 457) vorgestellt werde: „Über Zeit als Punkt hinaus erstreckte nämlich Linie sich prinzipiell nur so, daß Zeit als Punkt sich eben damit umgekehrt in Linie hinein- und somit ganz mit ihr gleichauf sich voll mit Linie miterstreckte. Denn soweit auch immer Linie als Raum aus Zeit heraus entspränge, wäre sie als Ausdehnung oder Erstreckung solchen Punktes eben nichts als sozusagen Punkt am Stück, Punkt auf der ganzen Linie oder auch ‚punktdünn‘.“ (S. 465) Wir haben jedoch Schwierigkeiten, dies nachzuvollziehen, da die Rede von einem ausdehnungslosen Punkt schon im Begriff des Punktes selbst liegt. Insofern von ausgedehnten Punkten im Raum gesprochen wird, handelt es sich jedoch immer schon um ausgedehnte Teile (Flächen), d. h. um Kontinua. Der Punkt selbst hingegen ist nichts als eine gedachte und nicht anschaubare Grenze im Raum, so dass sich aus diskreten Punkten, so viele man auch hintereinander setzen mag, keine Linie, sei sie noch so klein, ziehen lässt. Der Zeitpunkt hingegen scheint doch gerade auf dasjenige zu verweisen, was man bei der Darstellung vermieden sehen will, nämlich den Punkt im Raum, welcher aber schon kein Punkt, sondern eine anschauliche Fläche wäre. Aus diesem ausdehnungslosen Zeitpunkt dann noch die Erzeugung der Zeit selbst zu eruieren, ohne immer schon auf eine in ihrer möglichen Bestimmbarkeit (die Möglichkeit, immer wieder ein neues Jetzt zu setzen) gegebene Zeit zu rekurrieren, d. h., ohne die prinzipiell vorausgehenden und folgenden Zeitabschnitte in ihrer möglichen Bestimmbarkeit schon vorauszusetzen, scheint uns eine phänomenologische Unmöglichkeit, da das Wesen der Zeit selbst, ihr Nacheinandersein, aller-
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handlung gemäß der Größenkategorie bestimmten mannigfaltigen Teile sind folglich objektiv entweder alle zugleich, mithin ohne den Unterschied ihrer jeweiligen Zeitstelle zu berücksichtigen, die sie im Rahmen des Erzeugungsaktes erhalten haben; oder, insofern man auf die Erzeugung „[v]erschiedene[r] Zeiten“ attendiert, welche ja „nur Theile eben derselben Zeit“ (A 32/B 47) sind, objektiv nacheinander (wobei hier an keine objektive Sukzession zu denken ist), obschon beide Größen durch sukzessive, zeitlich-objektivierende Synthesis nach der Kategorie der Quantität bestimmt werden (vgl. Anm. 174, 175).196 Somit erfordert „[d]as Construiren […] für die Zeit die Beschreibung einer Linie deren Theile doch zugleich sind und für die Linie eine Zeit deren Theile nacheinander sind“ (FM/Lose Blätter, AA 20: 337). Allerdings unterscheidet sich das Zugleichsein der Teile nach Maßgabe der Größenkategorie vom Zugleichsein im Schema der Wechselwirkung, in welchem neben dem bloßen Zugleichsein von Substanzen eine zwischen diesen herrschende Wechselwirkung (Attraktion und Repulsion), in Ansehung ihrer Akzidenzien, auch von Ungleichartigem gedacht wird. Auch „müssen wir die Zeit, als die Form des inneren Sinnes“, insofern „innere Veränderungen denkbar“ gemacht werden sollen, „figürlich durch eine Linie und die innere Veränderung durch das Ziehen dieser Linie (Bewegung), mithin die sukzessive Existenz unser selbst in verschiedenem Zustande durch äußere Anschauung uns faßlich machen“ (B 292). Dass der Raum allein dasjenige ermöglicht, was im eigentlichen Sinne anschaubar ist, geht auch aus der eingangs (vgl. Anm. 31) erwähnten Feststellung
|| erst die sukzessive Synthesis, mithin jegliche zeitliche Erstreckung, ermöglicht. – Die hier angeführten Bemerkungen dürfen als Ergänzung zum ausführlich behandelten Problem in Kapitel 2.3 verstanden werden. Wir können den subtilen Beobachtungen Praussʼ deshalb nicht zustimmen, weil ansonsten – wie schon bemerkt – die Gefahr bestünde, die ‚Transzendentale Ästhetik‘ in eine absolut idealistische Position, bei der die Zeit erst ihrer Form nach entspringen würde, verwandelt zu sehen. 196 Bereits hier zeigt sich, warum bei jeder reinen Synthesis immer ein, wenn auch noch nicht realisierter und nicht näher bestimmter sowie nach dem Satz des Widerspruchs gedachter, Begriff den Anfang der Synthesis machen muss – auch wenn es, wie gesehen – innerhalb der transzendentalen Synthesis von jedem spezifischen Begriff zu abstrahieren gilt. Denn das Produkt der Handlung muss – wie gesagt – gleichsam als Plan immer schon feststehen, d. h., die reine Einbildungskraft muss gleichsam immer schon wissen, was sie hervorbringen soll – in diesem Fall wird entweder die Zeit mit ihrem eigentümlichen Charakter des Nacheinander oder die Linie mit dem Charakter der zugleich bestehenden Teile erzeugt. Dass die Zeit nur durch den Raum dargestellt werden kann, weil ich ansonsten „die vorhergehende Teile der Zeit […] immer aus den Gedanken verlieren“ (A 102), d. h. nicht als Einheit der Anschauung vorstellig machen könnte, ändert natürlich nichts an dem Charakter des Nacheinander, wodurch sich die Zeit von der Linie unterscheidet. Vgl. auch Anm. 208.
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hervor, dass Kant in der B-Auflage von den Vorstellungen der Dinge außer uns erklärt, sie würden „den ganzen Stoff zu Erkenntnissen für unseren inneren Sinn“ (B XXXIX, Anm.) ausmachen. Damit erhebt er die räumlichen Vorstellungen nicht nur zu denjenigen Vorstellungen, die allein das Gemüt (den inneren Sinn) besetzen können, sondern erklärt sie zu demjenigen, was allein bildhaften, d. h. darstellbaren Charakter hat. Dementsprechend ist es nur konsequent, wenn – wie bereits erwähnt – Kant von den Schemata reiner Verstandesbegriffe behauptet, sie stellten nur „die reine Synthesis, gemäß einer Regel der Einheit nach Begriffen überhaupt“ dar und seien deshalb „in gar kein Bild“ zu bringen (A 142/B 181). Die Annahme, die reine Synthesis würde als eine zeitliche vielleicht im inneren Sinn darstellbar sein, scheitert eben daran, dass dort überhaupt kein Bild geschaut werden kann, was für Anschauung unverzichtbar zu sein scheint. Wenn sie also nicht im äußeren Sinn darstellbar ist, dann kann sie auch nicht im inneren Sinn angeschaut werden, folglich erscheint die reine Synthesis überhaupt nicht. Dies bestätigt erneut die obige Feststellung von der intellektuellen-zeitlichen Regel, die aber keinen bildhaften Charakter besitzt. Davon abgesehen muss aber ein anderer Vorwurf bezogen auf die Mangelhaftigkeit der Zeit ausgeräumt werden, der behauptet, Kant benötige zur Schematisierung der Kategorie der Wechselwirkung notwendig den Raum, weshalb der ‚Schematismus‘ nicht als bloße Funktion der Zeitbestimmung gelten könne. Dies trifft deshalb nicht zu, weil zum einen „äu ß er e A n s c h a u u n g en “ (B 291) für die „o b j ek ti v e R ea li t ä t“ jeder Kategorie zu Grunde gelegt werden müssen; zum anderen gilt aber auch für das Zugleichsein – obgleich es ohne Bezug auf den Raum unmöglich ist, mehrere Einzelsubstanzen als zugleich existierend vorzustellen –, dass es zumindest prinzipiell als zeitlicher Modus vorstellig gemacht werden muss, insofern man unter dem Zugleichsein das ZugleichBestehen der Dinge vor allem im selben Zeitabschnitt und nicht bloß zum selben Zeitpunkt versteht (speziell letzterer hängt von der Darstellung des Zugleichseins der Dinge im Raum ab). Die Zeitbestimmung des Zugleichseins bleibt damit formal gesehen die notwendige und hinreichende Bedingung für die Kategorie der Wechselwirkung. Somit ist Kants Aussage, es bräuchte die äußere Anschauung, „um die Möglichkeit der Dinge, zu Folge der Kategorien, zu verstehen“ (ebd.), dahingehend zu modifizieren, dass dies insoweit zutrifft, als prinzipiell jede Kategorie, ja auch die Zeit selbst, und zwar „figürlich durch eine Linie“ (B 292), nur unter Zuhilfenahme des Raumes dargestellt werden kann; dass aber die Zeitbestimmung zur Einsicht der realen Möglichkeit, und nicht der Wirklichkeit der Dinge hinreicht, mithin der transzendentale Schematismus als Verfahren der Zeitbestimmung a priori keinesfalls zu kurz greift, ist die Zeit doch gerade „die formale Bedingung a priori aller Erscheinungen überhaupt“ (A 34/B 50).
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Schlussendlich gilt es – in Abgrenzung zur Betrachtung in Kapitel 3.3 – festzuhalten, dass die Größenerzeugung überhaupt, etwa die Tätigkeit des Linienziehens, keinen materiell erfüllten, sondern bloß den Raum als Form der Anschauung, der als mentale Repräsentation der Einbildungskraft a priori genau genommen dem inneren Sinn zuzuordnen ist, voraussetzt. Soll jedoch eine Erscheinung als extensive Größe bestimmt werden, so setzt dies, wie im Fall der Veränderung, wieder „etwas Beharrliches in der Anschauung voraus“, da im inneren Sinn allein, wie gesehen, nichts Beharrliches anzutreffen ist (vgl. auch B 277f., A 381f., Refl, AA 18: 619).197 Da sich nur Substanzen verändern können, bedeutet dies also zugleich, es muss „der S u b s ta n z korrespondierend etwas B eh ar r li c h e s in der Anschauung“ gegeben werden, wozu es „eine[r] [empirischen, C.O.] Anschauung im Raume (der Materie)“ (B 291) bedarf.198 Der Raum ist, um genau zu sein und dies noch einmal aus einer anderen Perspektive zu akzentuieren, als material erfüllter Bezugspunkt nur dann erfordert, wenn es um die wirkliche Existenz der Gegenstände geht, von der im ‚Schematismus‘, ja, in der ganzen Transzendentalphilosophie, als der vorausgehenden allgemeinen Bedingung der Erfahrung, aber noch abzusehen ist. Denn die formal-ideal zu
|| 197 Damit zeigt sich erneut, warum die transzendentalen Schemata als Zeitbestimmungen a priori für die Realisation der Kategorien alleine nicht hinreichend sind, sondern diese ebenso notwendig den Raum fordert, was schon erwähnt wurde (vgl. dazu Kapitel 3.3). Der bereits angesprochene Umstand, dass der Raum in der B-Auflage eine Aufwertung, insbesondere durch die ‚Widerlegung des Idealismus‘ und die ‚Allgemeinen Anmerkungen zum Grundsatzkapitel‘, erfährt, wird in der Forschung leider immer wieder ausgeblendet. Vgl. etwa Patt 1987, S. 233, 269 oder Baumanns 1997, S. 169ff. sowie Heidegger 1998, S. 49. Trotz der Notwendigkeit des äußeren Dings im Raum, das zur Realisation der Kategorie erforderlich ist, braucht man jedoch nicht – wie etwa Guyer (2006, S. 98) – eine Schwierigkeit darin zu sehen, dass es keine transzendentalen Schemata explizit für die Raumbestimmung gibt. Denn wenn ein zeitliches Verfahren offengelegt wird, das es erlaubt, Größen überhaupt zu bestimmen, dann sind damit alle objektiv-räumlichen Größenbestimmungen mit eingeschlossen. 198 Vgl. dazu Anm. 108, 111, 114, 116 sowie Prauss 1971, S. 108f., 111ff., der verdeutlicht, warum die Kategorie der Substanz neben dem Schema der Beharrlichkeit als Produkt der transzendentalen Zeitbestimmung notwendig auch etwas Beharrliches außerhalb des inneren Sinns fordert, um realisiert werden zu können, denn „so gewiß die Beharrlichkeit einerseits eine Vorstellung ist, die allein durch reine Zeitbestimmung erzeugt wird, so gewiß ist sie doch anderseits die Vorstellung von etwas, das gerade nicht mehr in der Zeit allein, im inneren Sinn, existieren kann, weil es hier etwas Beharrliches schlechterdings nicht gibt. Ein solches Beharrliches vermag vielmehr nur außerhalb dieses inneren Sinnes, und das heißt ‚im Raume‘ zu existieren“ (S. 108). Mit dieser Feststellung verweist Prauss auf den objektiven Gegenstand außer mir, der als materielles empirisches Ding an sich auch unabhängig von der konkreten Vorstellung des Subjekts existiert (wenngleich nicht unabhängig von der Vorstellung eines Subjekts überhaupt). Vgl. Anm. 18, 113, 116 und 120.
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denkende Zeitstrukturierung legt die „Bedingungen, unter welchen Gegenstände in Übereinstimmung mit […] Begriffen gegeben werden können“, zwar „in allgemeinen“, aber für sich noch keineswegs „hinreichenden Kennzeichen“ (A 136/B 175) dar, mithin wird hier noch keine Aussage über die Wirklichkeit, sondern nur die reale Möglichkeit der Gegenstände getroffen (vgl. A 221/B 268 sowie Anm. 118). Diese reale Möglichkeit drückt „transzendentale Wahrheit“ aus, insofern sie „Beziehung auf die Form einer Erfahrung überhaupt“ besitzt (A 222/B 269).199 Als eine formale reale Wahrheit besitzt sie freilich nur eine allgemeine Gegenstandsbeziehung, wie im transzendentalen Schematismus die Kategorie ja auch erst formal realisiert ist. Im nächsten Kapitel wird dann die konkrete Gegenstandsbeziehung thematisch, und zwar im Sinne des möglichen, prinzipiell gleichwohl wirklichen Gegenstands.
4.4 Die formale Anschauung: Zum Zusammenhang zwischen mathematischer und philosophischer Synthesis Mit den obigen Ausführungen ist der Übergang zu dem geschaffen, was Kant unter dem Titel der bzw. einer formalen Anschauung zur Sprache bringt. Die kurzen, lediglich in einer Fußnote des § 26 der ‚B-Deduktion‘ festgehaltenen Anmerkungen sind als weiterführende Ausführungen zur ‚Transzendentalen Ästhetik‘ zu verstehen. Denn während die reinen Formen der Sinnlichkeit noch keine Synthesis aufweisen, enthält die formale Anschauung – wie im 2. Kapitel bereits skizziert – schon „Z u s am m e n f as s u n g des Mannigfaltigen, nach der Form der Sinnlichkeit gegebenen, in eine a n s c h au li c h e Vorstellung“. So enthält der Raum „als Gegenstand vorgestellt“ nicht wie „die Form der Anschauung bloß Mannigfaltiges“, sondern „Einheit der Vorstellung“ (B 160, Anm.). Wenn Kant hier – sich seiner unzureichenden Erörterungen in der ‚Ästhetik‘ im klaren – etwas verlegen bemerkt, er habe diese Einheit „in der Ästhetik bloß zur Sinnlichkeit gezählt, um nur zu bemerken, dass sie vor allem Begriffe vorhergehe“, nur um dann zu erklären, sie setze eine Synthesis voraus, „die nicht || 199 Eine dreifache Bedeutung des Begriffs der transzendentalen Wahrheit macht Kaulbach (1986, S. 151) geltend. So sei sie „einerseits Zugehörigkeit der Aussagen der Wissenschaft zur allgemeinen Gesetzgebung für das Gebiet möglicher Erfahrung“, während sie andererseits sogar „die Wahrheit dieser Gesetzgebung selbst“ ist, und zwar „in der Form der synthetischen Grundsätze“. Drittens „gebührt die transzendentale Wahrheit auch der Perspektive der Welt möglicher Erfahrung und ihrer Gegenstände“, d. i. der Fähigkeit, „den Anspruch des erkennenden Subjekts auf gesetzliche Bestimmungen der Natur zu erfüllen“.
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den Sinnen angehört“; wenn er also „die Einheit dieser Anschauung a priori zum Raume und der Zeit, und nicht zum Begriffe des Verstandes“ (B 160f., Anm.) zählt: dann verstrickt er sich augenscheinlich in Widersprüche. Denn die Einheit, die Kant der Sinnlichkeit zurechnet, gründet ja gerade auf der synthetischen Einheit des Selbstbewusstseins, d. h., sie ist ein Charakteristikum des Verstandes selbst. Zwar könnte man – unter Voraussetzung einer weitestgehend autonom verfahrenden Einbildungskraft (vgl. Anm. 163, 264) – geltend machen, dass diese Synthesis „allem Begriffe vorhergehe“, insofern man – wie schon im Zuge der Erörterung zur transzendentalen Synthesis der Einbildungskraft – die reine Synthesis bloß als eine „d en Ka t e go r i en gem ä ß[ e] “ (B 152) Zusammensetzung, d. h. im Sinne einer bloß vorbegrifflichen „Bes c h r ei b u n g eines Raumes“ (B 155, Anm.) nach der Funktion des Größenbegriffes versteht, bei der von jeder begrifflichen Bestimmung durch die Kategorie noch abzusehen ist. Doch angesichts des bereits erläuterten Sachverhalts, dass bei der Zusammensetzung gleichartiger Teile zur einheitlichen Anschauung schon für die elementare Zusammensetzung Spontaneität erfordert ist und des Weiteren die reine Einbildungskraft – der B-Auflage entsprechend – im Dienste des Verstandes und in Absicht auf kategoriale Einheit durch den Begriff tätig ist (vgl. Anm. 166, 169), kann zumindest die Einheit dieser formalen Anschauung nicht der Sinnlichkeit zugeordnet werden. Bei dem in Rede stehenden Gegebensein handelt es sich, wie skizziert, immer schon um ein durch seine Bestimmung „Gegebenes“, d. h., die „synthetische Einheit der Warnehmungen a p r i o r i “ ist in ihrem Gedacht-Sein (cogitabile) „zugleich gegeben (dabile)“ (OP, AA 22: 377). Ein solches gedachtes „Gegebenes“ ist eben nicht zu verwechseln mit einem Gegebensein des Mannigfaltigen „zu einer Anschauung“ (B 144, Anm.). Das bedeutet, eine reine Anschauung ist nie bloß angeschaut, sondern zugleich immer bereits durch die Kategorie bestimmt, mithin begrifflich gedeutet.200 Dementsprechend
|| 200 Dieser Punkt, der zugleich als eine Möglichkeit zum Lückenschluss der heterogenen Pole von intuitiver Anschauung und diskursivem Begriff betrachtet werden kann, wird auch von Land (2010, S. 222ff.) akzentuiert. Land erklärt in völliger Übereinstimmung mit unserem Befund, dass „the schematized categories function as sensible modes of combination, […] which guide the act of sensible synthesis“ (S. 294), und zeigt, inwiefern die reine Synthesis durch den Verstand schon begriffen sein muss, um Einheit der Erkenntnis zu liefern (vgl. allen voran S. 227ff.). Seinem letztlichen Urteil, „that, like judgement, sensible synthesis can be understood as an act of apperceptive synthesis“ (S. 296), womit er eine Lösung für das Einheitsproblem anbietet, können wir uns daher vorbehaltlos anschließen. Allerdings bleibt Lands Analyse bei dem bloßen Befund stehen, ohne zum eigentlichen Kern vorzudringen, nämlich zu zeigen, auf welche Weise der Verstand sein Bestimmungsverfahren entwickelt und welche Momente des Verstandes von denen der Sinnlichkeit zu sondern sind. Vgl. auch Longuenesse 1998, S. 157,
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– dies tritt erneut in aller Deutlichkeit hervor – beinhaltet Synthesis hier die Zusammensetzung (compositio) durch die Einbildungskraft sowie (speziell bei den Relations- und Modalitätskategorien) die Verknüpfung (conjunctio) durch den Verstand und die synthetische Vereinigungsfunktion der Kategorie (mit ihrem entsprechenden Schema) gleichermaßen. Nun wurde ausführlich besprochen, dass innerhalb der transzendentalen Synthesis der Größenerzeugung, von jeder konkreten Größe abstrahiert und auf die zeitliche Handlung des Zustandebringens attendiert werden muss, dass diese Tätigkeit dabei jedoch immer nur an einer spezifischen Größe dargestellt werden kann (vgl. Kapitel 4.2.2). Dies bedeutet auch, dass jede transzendentale Synthesis eine formale Anschauung hervorbringt. Sie wird ebenso wie jede andere Größe nach dem gleichen Muster erzeugt, wobei sie in ihrem anschaulichen Gegebensein zugleich Bestimmung durch den Verstand enthält (deswegen passt sowohl innerhalb transzendentaler Synthesis der Einbildungskraft, insofern sie immer eine formale Anschauung überhaupt hervorbringt, als auch bei der spezifischen formalen Anschauung der Mathematik der Ausdruck des cogitabile ut dabile). Unter dem Begriff einer formalen Anschauung (um die es in der Folge in gewisser Abgrenzung zu der formalen Anschauung am Ende von Kapitel 2.3 hauptsächlich gehen wird) ist nun aber dasjenige zu verstehen, was den eigentümlichen Charakter der mathematischen Synthesis ausmacht. Während die mathematische Methode in der Konstruktion der Begriffe besteht, ist die philosophische Betrachtungsweise eine „V er n u n f t er k en n t n i s aus B e gr i f f e n “ (A 713/B 741; vgl. auch MAN, AA 04: 469). Letztere bringt synthetische Grundsätze hervor, die Erkenntnis überhaupt ermöglichen, sowohl die mathematische als auch die empirische der Erscheinungen. Im Gegensatz zu den „diskursive[n] Grundsätzen“ der Philosophie, die „bloß aus Begriffen“ bestehend niemals „unmittelbar gewiß“ sind, sondern „nach einem Dritten“ verlangen, nämlich „der Bedingung einer Zeitbestimmung in einer Erfahrung“, d. i. des transzendentalen Schemas respektive der Beziehung auf „ m ö g li c h e E r f ah r u n g“ (A 737/B 765), liefert die mathematische Methode „intuitive“ Grundsätze, d. i. „Axiome“ (A 733/B 761). Diese unmittelbar gewissen, evidenten Erkenntnisse gewinnt die Mathematik, weil sie „vermittelst der Konstruktion der Begriffe in der Anschauung des Gegenstandes die Prädikate desselben a priori und unmittelbar verknüpfen kann, z. B. daß drei Punkte jederzeit in einer Ebene liegen“ (A 732/B 760f.).
|| die betont, „that the unity of intuition and the unity of judgements have one and the same source in the synthesis of imagination“.
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In Hinblick auf eine formale Anschauung ist also festzustellen, dass mit der Konstruktion eines spezifischen Begriffes ein bestimmter Raum, als Gegenstand vorgestellt, unmittelbar erzeugt und sodann mit allen seinen Eigenschaften erkannt wird. Dies hat seinen Grund darin, dass die geometrischen Begriffe mit der Anschauung gleichartig sind, „wir uns [folglich, C.O.] im Raume […] die Gegenstände selbst durch gleichförmige Synthesis schaffen [können], indem wir sie bloß als Quanta betrachten“ (A 723/B 751). Als Begriffe a priori enthalten sie „schon eine reine Anschauung in sich“ (A 719/B 747). Man würde „also umsonst über den Triangel philosophieren, d. i. diskursiv nachdenken, ohne dadurch im mindesten weiter zu kommen, als auf die bloße Definition“ (A 718f./B 746f.): Es gibt zwar eine transzendentale Synthesis aus lauter Begriffen, die wiederum allein dem Philosophen gelingt, die aber niemals mehr als ein Ding überhaupt betrifft, unter welchen Bedingungen dessen Wahrnehmung zur möglichen Erfahrung gehören könne. Aber in den mathematischen Aufgaben ist hievon und überhaupt von der Existenz gar nicht die Frage, sondern von den Eigenschaften der Gegenstände selbst, lediglich so fern diese mit dem Begriff derselben verbunden sind. (A 719/B 747)
Die eigentümliche Konstruktion eines Begriffs in der „ihm korrespondierenden Anschauung a priori“ als das eigentliche Charakteristikum der mathematischen Synthesis beschreibt Kant dabei wie folgt: So konstruiere ich einen Triangel, indem ich den diesem Begriffe entsprechenden Gegenstand, entweder durch bloße Einbildung, in der reinen, oder nach derselben auch auf dem Papier, in der empirischen Anschauung, beidemal aber völlig a priori, ohne das Muster dazu aus irgend einer Erfahrung erborgt zu haben, darstelle. (A 713/B 742).
Eine formale Anschauung ist also gekennzeichnet durch die Darstellung eines „ei n z el n e[ n ] Objekt[s]“ (ebd.) in der reinen oder empirischen Anschauung, die ihren Geltungsgrund aber dennoch a priori besitzt. Jedoch darf das hier Gesagte nicht zu dem naheliegenden Missverständnis führen, dass innerhalb der philosophischen Synthesis nichts konstruiert werde, denn auch hier wird ja ein Gebilde in der reinen Anschauung entworfen. Während die philosophische Synthesis aber die Aufmerksamkeit auf die zeitliche Handlung der Größenerzeugung überhaupt legt, richtet sich die Mathematik auf das zu konstruierende oder konstruierte Objekt und sieht von der (bzw. den einzelnen Akten der) zeitlichen Handlung ab.201 Beide Konstruktionsweisen
|| 201 Freilich geht es weder in der transzendentalen noch in der mathematischen Synthesis um die Figur als fertiges Endprodukt, sondern um ein dynamisches Produkt, das durch permanent
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verfahren dabei aber nach derselben Handlung, durch die in beiden Fällen Einheit der Anschauung zustande kommt. So ist die mathematische „Konstruktion eines Begriffes“ gleichzeitig die „einer allgemeinen Vorstellung“, hat sonach auch „Allgemeingültigkeit für alle möglichen Anschauungen, die unter denselben Begriff gehören“ (A 713/B 742). Denn „[d]em Begriffe von einem Triangel überhaupt würde gar kein Bild desselben jemals adäquat sein“, da es „die Allgemeinheit nicht erreichen [würde], die macht, daß dieser für alle, recht- oder schiefwinklichte etc. gilt“ (A 141/B 180). Folglich gilt es auch bei dieser Tätigkeit, von jedem spezifischen Dreieck, d. h. von allen Besonderheiten eines Dreiecks zu abstrahieren, mithin dient „die einzelne hingezeichnete Figur“, welche „empirisch“ ist, bloß dazu, „den Begriff, unbeschadet seiner Allgemeinheit auszudrücken“ (A 713f./B 741f.).202 Die mathematische Synthesis achtet demnach ebenfalls „immer nur auf die Handlung der Konstruktion des Begriffs, welchem viele Bestimmungen, z. E. der Größen, der Seiten, und der Winkel, ganz gleichgültig sind“ (A 714/B 742), allerdings auf eine andere Art als die philosophische Synthesis, ist sie doch mehr ‚beim Objekt‘, als dass sie auf die subjektive Bewegung und die subjektiven Erzeugungsgründe achtete. Dem Gesagten zufolge handelt es sich auch bei den reinen sinnlichen Schemata – vergleichbar mit der transzendentalen Synthesis und der Erzeu-
|| vollzogene und reproduzierte Synthesis hin zur Einheit der Anschauung zustande kommt. Setzt man dies voraus, kann man mit Kaulbach (1982, S. 140) etwas differenzierter feststellen, dass Einheit (der Synthesis) in zweifacher Hinsicht verstanden werden kann: Einerseits als das Ergebnis einer synthetischen Handlung, etwa im Begriff der Linie, welche eine durch Zusammensetzung gewordene Einheit ist; anderseits und „ursprünglicher gefaßt, [als] Charakter der Bewegung und der einigen Handlung“. Dann ist Einheit „einiger Vollzug des Synthetisierens (Funktion)“ hin zur Einheit der Anschauung gemäß der jeweiligen, die Synthesis umklammernden, Kategorie, um welche es hier eigentlich nur zu tun ist.– Wie man so große Schwierigkeiten finden kann, in der transzendentalen Synthesis einen Akt oder eine Handlung der Einbildungskraft zu sehen (vgl. Bennett 1966, S. 113), leuchtet nicht ein. Bennett demonstriert hier jedoch eindrucksvoll, warum eine ausschließlich realistische Position dem Kantischen Problemhorizont nicht einmal ansatzweise gerecht werden kann, wenn er die transzendentale Synthesis als eine Art sich vollziehendes Verfahren auch ohne ausdrückliche Beziehung zum handelnden Subjekt betrachtet. Freilich stört sich Bennett u. a. auch am Begriff der Einheit der Apperzeption (ebd., S. 111), da sie einerseits durch transzendentale Synthesis produziert werden müsse, andererseits diese Einheit für das zu Produzierende schon wieder vorausgesetzt werden müsse. Auf den wesentlich elaborierteren Zusammenhang sind wir jedoch schon zu sprechen gekommen (vgl. Kapitel 3.1). 202 Ganz richtig weist Düsing (1995, S. 59) darauf hin, dass der ‚Schematismus‘ der reinen Verstandesbegriffe sowie die daraus resultierenden geometrischen Beweise zunächst dem allgemeinen Dreieck gelten und nicht nur einem gleichschenkligen oder gleichseitigen Dreieck.
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gung reiner Schemata – um ein „allgemeine[s] Verfahren der Einbildungskraft“. Und weil es bei der mathematischen Synthesis im Besonderen darum geht, „einem Begriff sein Bild zu verschaffen“ (A 140/B 179f.), ist dieses Verfahren eines der Verbildlichung sensu stricto.203 Der allgemeine Begriff eines Dreiecks kann nur aufgrund einer allgemeinen Regel des Zustandebringens204 in der Anschauung konstruiert werden.
|| 203 Der reine Verstandesbegriff als intellektuelle Vorstellung kann niemals, ebenso wenig wie sein transzendentales Schema, ein adäquates Bild in der Anschauung erhalten, sprich niemals erscheinen, sondern bloß durch sein transzendentales, ebenfalls bloß (unter zeitlichen Bedingungen) gedachtes Schema in die Anschauung übersetzt werden. So kann man die Kategorie der Allheit (und auch die zeitliche Methode des Zählens als Synthesis) nicht anschauen, es gibt kein Bild für sie, jedoch kann bei der Erzeugung einer Größe das abfallende Bild als bestimmte Größe erfasst werden, oder, im Fall des Dreiecks, eine Figur aus drei geraden Linien erzeugt werden. Erscheinen können ferner auch nicht die einzelnen Vermögen, auch wenn etwa bei der Selbstaffektion die Einwirkung auf den inneren Sinn so gedacht wurde, als ob eine erscheinende reale Veränderung bewirkt würde (vgl. Kapitel 4.2.2 und 4.2.3 sowie Anm. 155). 204 Diese Erzeugungsregel geometrischer Begriffe würde im Falle des Dreiecks wie folgt lauten können: ‚Zeichne eine Figur aus drei geraden Linien‘. Die Regel ist also gleichsam schon im Begriff der Figur eines Triangels enthalten und ermöglicht dadurch zugleich synthetischaxiomatische Erkenntnisse, wie sie in der Mathematik vorkommen. Jedoch muss sie zuvor erzeugt worden sein, mithin auch der geometrische Begriff selbst, damit ihn der Geometer „umgekehrt in der reinen Anschauung wieder darstellen oder rekonstruieren, d. h. zu dieser zurückkehren kann, um seine zusätzlichen synthetischen Bestimmungen zu entdecken, z. B. hinsichtlich der Summe der inneren Winkel“ (Rosales 2000, S. 259; vgl. dazu auch A 733/B 761 sowie S. 164ff.). Solche zusätzlichen synthetischen Bestimmungen könnten etwa sein, dass „zwei [Linien] zusammengenommen größer [sein müssen] als die dritte“ (A 164/B 205), was ich bei Gelegenheit der Konstruktion einsehen kann. Pippin (1976 S. 166) sieht ein Problem darin, die Schemata, allen voran das reine sinnliche Schema (etwa eines Triangels), mit dem Begriff selbst gleichzusetzen: „If the concept is not different from its schema, then it is impossible to explain the relation between a rule, and the conditions under which the rule can be correctly employed.“ Diese Erklärung scheint uns allerdings nur für den transzendentalen Schematismus zuzutreffen, da die Regel ansonsten in der Kategorie selbst liegen und die Bedingung der Anwendung in der Tat nicht in Frage stehen würde. Im Falle reiner sinnlicher Schemata greift seine Argumentation freilich zu kurz, da reine sinnliche Schemata Konstruktionsanweisungen für mathematische Begriffe sind, die keiner vermittelnden Vorstellung im eigentlichen Sinne bedürfen und direktsynthetisch konstruiert werden können, so dass es keine Schwierigkeiten bereitet, das reine sinnliche Schema als aus dem Begriff selbst entspringend zu interpretieren. Insofern trifft es dann, wenn man das reine sinnliche Schema mit dem Begriff identifiziert, auch nicht zu, „[that] the relation between a rule and an image is very opaque“ (ebd., S. 170). Dass diese Erzeugungsregel immer ein Bild hervorbringt, besagt eben nicht, dass die Regel immer auf dieses spezielle Bild hinauslaufen muss. Das Bild des Dreieckes ist ja eines, das für viele steht, weshalb es sinnvoll erscheint, die Erzeugungsregel eines Schemas (allgemein intellektueller Charakter) vom Schemabild (allgemein anschaulicher Charakter) zu unterschei-
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Bereits hier wird ersichtlich, inwiefern philosophisch-transzendentale und mathematische Synthesis ineinandergreifen und sich wechselseitig bedingen. Ohne eine spezifische Figur, auf die jede transzendentale Synthesis hinauslaufen muss, könnte überhaupt keine allgemeine, zeitliche Handlung der Größenerzeugung einsichtig gemacht, d. h. anschaulich dargestellt werden, ebenso wie umgekehrt ohne die Möglichkeit einer Funktion der Größenerzeugung überhaupt sowie der Möglichkeit der Größenbestimmung durch die Kategorie keine bestimmte mathematische Figur zustande käme. Auf das Verhältnis von Raum und Zeit übertragen, bedeutet dies, dass eine formale Anschauung bloß die Bestimmung geometrischer Figuren umfasst, während die apriorische Strukturierung der Zeit und damit der Gegenstand des transzendentalen Schematismus überhaupt nicht thematisch werden. Der Raum ist von beiden Anschauungsformen diejenige, die allein durch reine Synthesis als Gegenstand im eigentlichen Sinne vorgestellt werden kann. Auch wenn die Anschauung von etwas im uneigentlichen Sinne auch in Hinblick auf zeitliche Zustände zutrifft und es deshalb eine durch Synthesis bewirkte formale Anschauung der Zeit geben muss, ist die formale Anschauung streng genommen bloß räumlicher Natur, da sie in der Regel etwas Erscheinungshaftes betrifft und Erscheinung im eigentlichen Sinne etwas Sichtbares bedeutet.205 Umgekehrt setzt allerdings jede206 räumliche Synthesis die zeitliche, elementare transzendentale Synthesis immer schon als Bedingung ihrer Möglichkeit voraus. So gilt etwa für den Begriff des || den. – Weshalb Schönrich (1981, S. 156) aber den mathematischen Gegenstand nicht a priori angeschaut wissen will, sondern ihn bloß als Repräsentant eines figürlich gewordenen reinen Anschauens interpretiert, bleibt rätselhaft. Die Methode des Konstruierens abstrahiert zwar von jedem spezifischen mathematischen Gegenstand (etwa vom Dreieck mit seinen besonderen Beschaffenheiten), jedoch geht es in der formalen Anschauung gerade um die Anschauung des konkreten Gegenstandes a priori, der repräsentativ für alle anderen möglichen geometrischen Gegenstände dieser Art steht. 205 Vgl. Kapitel 4.3.3, S. 167. Dass die transzendentale Synthesis zur ihrer Darstellung den Raum benötigt, weist in diesem Punkte genau genommen nicht ihre Abhängigkeit von der Mathematik aus, sondern bleibt ein genuines Problem der Transzendentalphilosophie, insofern jede zeitliche Synthesis anhand der Anschauungsform des Raumes dargestellt können werden muss. Abhängig ist die transzendentale Synthesis von der mathematischen nur aufgrund der Tatsache, dass jede Synthesis einen spezifischen Gegenstand hervorbringen muss, wozu es eben immer einen mehr oder weniger bestimmten mathematischen Begriff braucht. 206 Einzig für den Fall der Erzeugung einer Linie bedarf es – mit Verweis auf Anm. 172 gesprochen – nicht notwendigerweise spezifischer Größenbegriffe, obschon der nach einem Analogon des Substanzbegriffes und nach dem Satz des Widerspruchs gedachte Begriff der Linie – in anderem respectus – wiederum vorausgedacht werden muss (vgl. Anm. 147), weshalb auch hier eine kategoriale Verknüpfungsfunktion im Spiel ist, wenngleich auch nicht notwendig die der Größe.
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Triangels, der nach dem Satze des Widerspruchs als eine Figur aus drei geraden Linien gedacht wird, dass in ihm schon eine spezifische Zahl mitgedacht wird, ohne den diese Figur überhaupt nicht in der Anschauung konstruiert werden könnte (vgl. auch S. 139). Man könnte vielleicht meinen, dass im Gegensatz zum transzendentalen Schema der Ursprung eines reinen sinnlichen Schemas der Materie nach in der Einbildungskraft liegen muss;207 dann würde das reine sinnliche Schema seinem
|| 207 Diesen Umstand sowie die Tatsache, dass auch für mathematische Begriffe die vorhin thematisierte Lehre der acquisitio originaria gilt, nach der Begriffe allererst erworben werden müssen, wozu das Schema dem jeweiligen Begriff immer vorausgehen muss, macht Rosales (2000, S. 257ff., 266) geltend. Er verweist dabei auf die Rolle der Definition innerhalb der Mathematik. Kugelstadt (1998, S. 255f.) hingegen schwankt zwischen mehreren Möglichkeiten hinsichtlich der Konstruktion eines mathematischen Begriffs, kommt aber letztlich entgegen seiner ursprünglich verfolgten Absicht, zu zeigen, dass etwa der Begriff eines Dreiecks allein durch frei konstruierende Einbildungskraft nach bloßer Funktion des Größenbegriffs vollständig konstruiert werden kann, zum Schluss, dass bei der reinen Konstruktion „ein wie auch immer dunkler und allenfalls relativ unbestimmter Begriff den Anfang der Synthesis machen [muss]“, und zwar so, dass „ein schon gegebener, genauer selbst zunächst nur unter dem Satz des Widerspruchs willkürlich gemachter Begriff erweitert [wird], d. h. wenn er sich überhaupt konstruieren läßt“ (S. 256). – Nach Kant bedeutet Definieren „eigentlich nur so viel […], als, den ausführlichen Begriff eines Dinges innerhalb seiner Grenzen ursprünglich darstellen“. Dazu sind also die „Klarheit und Zulänglichkeit der Merkmale“, d. i. Ausführlichkeit, die „Präzision, daß deren nicht mehr sind, als zum ausführlichen Begriffe gehören, d. i Grenzen“, sowie die Voraussetzung, dass „diese Grenzbestimmung nicht irgend woher abgeleitet“ (A 727/B 755), d. i. ursprünglich, sei, erforderlich. Dabei ist eine synthetische Definition allerdings nur von mathematischen Begriffen möglich, da „keine andere Begriffe übrig[bleiben], die zum Definieren taugen, als solche, die eine willkürliche Synthesis enthalten, welche a priori konstruiert werden kann“ (A 729/B 757). Philosophische Definitionen von apriorischen oder empirischen Begriffen (willkürlich gemachte Begriffe einmal ausgeklammert) können dagegen „nur als Expositionen“ zustande gebracht werden, also „nur analytisch durch Zergliederung (deren Vollständigkeit nicht apodiktisch gewiß ist)“; sie können den Begriff „nur e r k l ä r e n “ (A 730/ B 758). So sind angesichts der Kontingenz empirischer Begriffe nur „einige Merkmale von einer gewissen Art von Gegenständen der Sinne“ angebbar und „es ist niemals sicher, ob man unter dem Worte, das denselben Gegenstand bezeichnet, nicht einmal mehr, das anderemal weniger Merkmale desselben denkt“ (A 727f./B 755f.; vgl. A 218f.). Auch die Exposition apriorischer Begriffe ist nicht abschließbar und kann „niemals […] apodiktisch gewiß gemacht werden“, da ich nicht sicher sein kann, „daß die deutliche Vorstellung eines (noch verworren) gegebenen Begriffs ausführlich entwickelt worden“ (A 728f./B 756f.) ist; ein „guter und sicherer Gebrauch“ von ihnen ist freilich dann möglich, wenn genug Merkmale expliziert sind, weshalb auch mangelhafte Definitionen „sehr nützlich gebraucht werden“ (A 731/B 759, Anm.) können. „Mathematische Definitionen können [hingegen, C.O.] niemals irren“ (A 731/B 759), da sie ihren „Begriff selbst machen“, d. h. in der Anschauung a priori „synthetisch zu Stande“ (A 730/
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spezifischen (mathematischen) Begriff vorausgehen, damit dieser anhand der Anschauung erzeugt werden könnte. Denn wenn umgekehrt der mathematische Begriff dem Schema voranginge, dann müsste er a priori im Verstand existieren, mithin rein intellektuellen Ursprungs sein. Nun sind aber mathematische Begriffe, wie Kant bemerkt, ausdrücklich nicht intellektuellen Ursprungs, sondern werden „vorher in der Anschauung“ (Prol, AA 04: 281; vgl. auch B 40f.) dargestellt. Also ist die Bildung eines mathematischen Begriffs im bloßen Verstand nicht möglich, sondern setzt das reine sinnliche Schema, mithin das Verfahren der Konstruktion eines Verstandesbegriffes, voraus. Allerdings übersieht eine solche Interpretation, dass die reine Einbildungskraft auch reine sinnliche Begriffe nicht völlig beliebig in der reinen Anschauung entwerfen kann,208 sondern zum einen durch die Beschaffenheiten des Raumes eingeschränkt wird, zum anderen ein mathematischer Begriff wie der des Dreiecks schon Bestimmungen aufweist, nach denen sich die reine Einbildungskraft bei der Konstruktion richten muss, wie etwa die Qualität des Geraden sowie der Begriff einer Figur, die aus drei solcher geraden Linien bestehen soll. Macht also innerhalb der transzendentalen Synthesis ein noch nicht schematisierter Verstandesbegriff den Anfang der reinen Synthesis, ist es hier der noch nicht weiter bestimmte mathematische Begriff. Auch hier offenbart sich das gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis von Philosophie und Mathematik, insofern eine jede reine Synthesis zu ihrer Darstellung auf eine spezifische Figur
|| B 758) bringen: „Denn weil der Begriff durch die Definition zuerst gegeben wird, so enthält er gerade nur das, was die Definition durch ihn gedacht haben will.“ (A 731/B 759) 208 Vgl. Rosales (2000, S. 259), der – freilich mit anderer Zielsetzung – verdeutlicht, warum die Einbildungskraft das Mannigfaltige der Anschauung, insofern es nicht notwendig zueinander gehört, „willkürlich zur einen oder anderen Figur verbinden“, dabei aber „nicht total beliebig walten“ kann, da „ihre Freiheit durch die Bedingungen der reinen Anschauung eingeschränkt“ und so etwa der Begriff eines Diangels oder eines Zweiecks im euklidischen Raume unmöglich vorzustellen, obgleich widerspruchsfrei zu denken ist. Auch hier könnte man gegen Rosalesʼ gelungenen Versuch einwenden, dass zuvor immerhin das Projekt des zu erzeugenden Begriffs feststehen muss. Andernfalls müsste die produktive Einbildungskraft völlig unbestimmt Einheiten zusammenfügen, ohne auf ein bestimmtes Ziel gerichtet, d. h. auf dieses Ziel hin finalisiert zu sein. Es ist jedoch unmöglich, dass die produktive Einbildungskraft eine Synthesis, und habe sie noch so großen abstraktiven Charakter, völlig ins Ungewisse laufen lässt. So konnte etwa die Bestimmung der Zeit nur durch die Darstellung der Zeit anhand einer geraden Linie erfolgen, was den spezifischen mathematischen Begriff einer Linie als prinzipiell konstruierbare Figur voraussetzt, d. h. insofern, als dieser Begriff dem Projekt nach a priori in der Anschauung konstruierbar ist (vgl. Anm. 172). Ebenso gilt – wie gesehen (Anm. 196) – für den Begriff der Zeit, dass das handelnde Subjekt schon ein Wissen von dem haben muss, was es konstituieren soll, nämlich ein Nacheinander der Teile.
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hinauslaufen muss. Dies setzt einen reinen sinnlichen Begriff voraus, wie umgekehrt im mathematischen Begriff etwa eines Dreiecks schon Bestimmungen enthalten sind, die nur vermittelst der Kategorie der Allheit zu denken sind. Im Falle der Konstruktion eines Dreiecks kann die Bestimmung also nicht nur nach bloßer Funktion des Größenbegriffs geschehen; sie setzt vielmehr immer schon eine Minimalbestimmung nach Größenbegriffen (hier drei) voraus bzw. bestimmt bei der Konstruktion des – zunächst nur nach dem Satz des Widerspruchs gedachten – mathematischen Begriffs die nach und nach gezogenen und aufeinander bezogenen Linien als insgesamt drei (auch könnte innerhalb dieser Konstruktion jede dieser drei Linien noch einmal separat als ein spezifisches Quantum bestimmt werden, indem man etwa 5 Teile einer jeden Linie abzählt und das Dreieck dann als ein aus 15 gleichartigen Teilen bestehendes diskretes Quantum bestimmt). Wenn Kant das „Schema sinnlicher Begriffe“ ausweist als „ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori, wodurch und wornach [empirische] Bilder allererst möglich werden“, dann kommt dem Schema reiner sinnlicher Begriffe eine doppelte Funktion zu: Einmal meint es die bloße Erzeugungsregel, die freilich selbst durch willkürliche, aber nicht völlig beliebige Synthesis zustande gebracht werden muss. Dabei kann diese Handlungsanweisung „niemals anderswo als in Gedanken existieren, und [sie] bedeutet eine Regel der Synthesis der Einbildungskraft, in Ansehung reiner Gestalten im Raume“ (A 141/B 180). Insofern hier ein mathematischer, direktsynthetisch konstruierbarer Begriff (und nicht die logische Funktion der Kategorie) den Anfang der Synthesis macht, liegt das rein sinnliche Schema als die Erzeugungsregel des rein sinnlichen Begriffs offenbar in diesem selbst und muss, anders als das transzendentale Schema, nicht im eigentlichen Sinne generiert werden. Das reine sinnliche Schema als Erzeugungsregel ermöglicht es, den allgemeinen Begriff eines Dreiecks, der für viele gilt, auf jedes besondere Dreieck anzuwenden, unabhängig davon, ob es sich um ein spitzwinkliges, stumpfwinkliges oder rechtwinkliges Dreieck handelt. Als allgemeine Regel entwirft das reine sinnliche Schema sodann aber auch ein Monogramm, worauf alle spezifischen Bilder von mathematischen Gegenständen passen und worunter auch empirische Bilder prinzipiell subsumierbar sein müssen. Das Bild wiederum ist „ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft [in ihrem empirischen Gebrauche, AA]“ (A 141f./B 181) und kann nur vermittelst des ihm entsprechenden reinen sinnlichen Schemas als zugrundeliegenden Monogramms unter den jeweiligen Begriff gebracht werden.
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Ein transzendentales Schema lässt sich „dagegen“ – wie demonstriert (vgl. Kapitel 4.3 sowie Anm. 203) – in gar kein Bild bringen, sondern „ist nur die reine Synthesis gemäß einer Regel der Einheit nach Begriffen überhaupt, welche die Kategorie ausdrückt“, und betrifft nur „die Bestimmung des inneren Sinnes überhaupt nach Bedingungen seiner Form, der Zeit, in Ansehung aller Vorstellungen […], so fern diese der Einheit der Apperzeption gemäß a priori in einem Begriff zusammenhängen sollten“ (A 142/B 181). Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, die „ r ei n e S y n t h e s i s “ , die „ al l gem ei n v o r g es t el l t […] den reinen Verstandesbegriff [gibt]“ (A 78/B 104), in Abgrenzung zur mathematischen Konstruktion, nicht einfach als Methode der Verbildlichung, sondern – entsprechend den obigen Ausführungen grundlegender – als transzendentales Strukturierungsverfahren der Zeit (und auch des Raumes) zu interpretieren.209 Jedoch würde die Konstruktion eines Triangels, d. h. der „Form von einem Gegenstande“, auch wenn sie seinem bloßen Begriff nach in der Anschauung a priori möglich ist, „immer nur ein Produkt der Einbildung bleiben, von dessen Gegenstand die Möglichkeit noch zweifelhaft bliebe“, wenn nicht gezeigt würde, „daß eine solche Figur unter lauter Bedingungen, auf denen alle Gegenstände der Erfahrung beruhen, gedacht sei“ (A 223f./B 271). Es bleibt folglich in der reinen Mathematik noch völlig unausgemacht, „ob es Dinge geben könne, die in dieser Form angeschaut werden müssen“ (B 147, vgl. ebenso A 239/B 298).
|| 209 Mit Kaulbach (1982, S. 143ff.) zu sprechen und um den Unterschied zwischen transzendentaler und mathematischer Synthesis, mithin zwischen Kategorie und mathematischen Begriffen bzw. zwischen transzendentalem und reinem sinnlichem Schema sowie Bild deutlicher zu machen: Die Zahl überhaupt ist die Vorstellung „für eine allgemeine Bewegung, durch die im Falle eines besonderen Zahlbegriffes eine sukzessive Addition möglich wird“. Dagegen ist die Zahl ‚fünf’ etwa „ein besonderer Begriff, dessen Schema das Bild der fünf Punkte . . . . . hervorbringt“ (S. 147). So schlägt sich „[d]as Schema der reinen Kategorie“ auch nicht, „wie dasjenige eines einzelnen Begriffs, etwa des Kreises, in einem Bilde nieder, sondern gibt der Kategorie Bewegungscharakter, auf Grund dessen wiederum erst besondere Bildbeschreibungen, wie diejenige des Kreises, des Dreiecks usf., möglich sind“ (S. 146f.). Allerdings umgeht auch Kaulbach in seinen Darstellungen die Schwierigkeit, dass das Schema als Vorstellung einer allgemeinen Bewegung nicht selbst schon eine Regel ist, die ihrer Materie nach nicht allein im reinen Verstand gründen kann, sondern sich erst durch dessen synthetisches Einflussnehmen auf die Sinnlichkeit in Form der Einbildungskraft entwickelt und erst dadurch zur Anleitung der produktiven Einbildungskraft und bestimmenden Urteilskraft wird.
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4.5 Zusammenfassung der Synthesisfunktionen der Einbildungskraft und Übergang zur eigentlich synthetischen Reflexion nach den Grundsätzen der Erfahrung Vor dem Hintergrund des hier Gesagten lässt sich schlussendlich die Thematik des Schematismus-Kapitels gezielter aufrollen. Der ‚Schematismus‘ widmet sich bekanntlich der Frage, wie es möglich ist, eine einzelne Anschauung unter einen allgemeinen Begriff zu subsumieren, da Begriffe (reine Verstandesbegriffe, reine sinnliche sowie empirische Begriffe) niemals völlig gleichartig mit der Anschauung sein können. Da nun „[i]n allen Subsumtionen eines Gegenstandes unter einen Begriff […] die Vorstellung des ersteren mit der letzteren gleichartig sein“, also der Begriff dasjenige enthalten muss, „was in dem darunter zu subsumierenden Gegenstande vorgestellt wird“, braucht es eben das Schema, das eine vermittelnde Vorstellung ist, welche „die Anwendung der [Begriffe] auf Erscheinungen möglich“ macht.210 Während jedoch Kategorien „in Vergleichung mit empirischen (ja überhaupt sinnlichen) Anschauungen, ganz ungleichartig“ sind und „niemals in irgend einer Anschauung angetroffen werden können“ (A 137/B 177), trifft dies für die reinen sinnlichen Begriffe der Mathematik nicht zu. Denn in der mathematischen Synthesis ist die Verfahrensregel (das Schema) im Begriff selbst enthalten und muss nicht über eine vorausgehende Zeitbestimmung allererst entwickelt, folglich muss der Begriff (wie bei der Kategorie) nicht erst hervorgebracht werden. Da also der reine sinnliche Begriff mit der Anschauung – von Kant nicht deutlich hervorgehoben – doch gleichartig ist (wenngleich nicht völlig mit jeder einzelnen, weshalb das reine sinnliche Schema im Grunde genommen ja auch ein „Drittes“ ist, das – wie vorgeführt – die Konstruktion des Einzelnen im Allgemeinen ermöglicht), manifestiert sich deutlich, warum nur in Hinblick auf den transzendentalen Schematismus und die Versinnlichung reiner Verstandesbegriffe „ein Drittes, was einerseits mit der
|| 210 Während sowohl der Schematismus reiner Verstandesbegriffe als auch der Schematismus reiner sinnlicher Begriffe – wenn auch auf unterschiedliche Weise – Aufschluss in Hinblick auf diese Problemstellung geben, muss dies für die Subsumtion eines Bildes unter einen empirischen Begriff zumindest kritisch betrachtet werden. Kants Beispiel vom empirischen Begriff eines Hundes, der eine Regel enthält, wonach „meine Einbildungskraft die Gestalt eines vierfüßigen Tieres allgemein verzeichnen kann, ohne auf eine einzige besondere Gestalt, die mir die Erfahrung darbietet, oder auch ein jedes mögliche Bild, was ich in concreto darstellen kann, eingeschränkt zu sein“ (A 141/B 180), ist zumindest diskussionswürdig. Vgl. den Anhang am Ende des Kapitels.
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Kategorie, andererseits mit der Erscheinung in Gleichartigkeit stehen muß“ (A 138/B 177), erfordert wird. Welche Bedeutung die Schemata haben, dass und wie sie als Methode der Verbildlichung verwendet werden und welche Unterschiede es dabei zu machen gilt, sollte durch die vorangegangene Untersuchung deutlich geworden sein. Die wesentliche Feststellung, dass auch alle reinen sinnlichen, mathematischen Größenbegriffe strukturell erst nach Erzeugung bzw. durch das entsprechende Schema zustande gebracht werden, bestätigt freilich die Ergebnisse hinsichtlich des transzendentalen Schematismus der Quantitäts-Kategorie, die Tragweite der Lehre der acquisitio originaria und die sich daraus ergebenden Konsequenzen, die (genetische) Priorität des transzendentalen Schemas der Zahl überhaupt vor der verzeitlichten Kategorie sowie den Umstand, dass ein allgemeines Verfahren zur Verzeitlichung der Kategorien gefunden werden kann, das nicht schon vor allem Bezug zur Zeitlichkeit feststehen und zudem seinen Ausgang nicht schon von der verzeitlicht gedachten Kategorie nehmen darf. Positiv formuliert: Es braucht ein allgemeines Verfahren, d. i. in dem hier vorgeführten Fall das Schema der Zahl überhaupt, welches die Erzeugung spezifischer Raum- und Zeitgrößen durch ihre Bestimmung nach Größenbegriffen einsichtig macht. Dieses intellektuelle Verfahren des Schematisierens schlägt sich zugleich in einem Schemabild nieder, als dem Produkt der bestimmenden Bewegungshandlung, das allein sich anschauen lässt. Damit bleibt noch der Status der kategorialen Reflexion im Besonderen zu klären, welche eine „Funktion“ ist, die „dem Verstande [allein, C.O.] zukommt, und wodurch er uns allererst die Erkenntnis in eigentlicher Bedeutung verschaffet“ (A 78/B 103).
Anhang: Schopenhauers Polemik gegen Kants Lehre vom Monogramm der Einbildungskraft und das Problem des bildgebenden Schemas empirischer Begriffe in der Rezeption Schopenhauers Kritik am Kantischen ‚Schematismus‘ manifestiert sich vor allem in seiner Kritik gegen die Kantische Auffassung eines Monogramms der Einbildungskraft: „Etwas ganz Anderes hingegen lehrt darüber Kant, im Kapitel vom Schematismus der reinen Verstandesbegriffe. Nur innere Beobachtung und deutliches Besinnen kann die Sache entscheiden. Jeder untersuche demnach, ob er sich bei seinen Begriffen eines »Monogramms der reinen Einbildungskraft a priori«, z. B. wenn er Hund denkt, so etwas entre chien et loup, bewußt ist, oder ob er, den hier aufgestellten Erklärungen gemäß, entweder einen Begriff
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durch die Vernunft denkt, oder irgend einen Repräsentanten des Begriffs, als vollendetes Bild, durch die Phantasie vorstellt.“ (Arthur Schopenhauer 1972, Bd. I, S. 102f.) Trotz der Schopenhauerischen Polemik kann man allerdings fragen, ob es eine wirkliche Alternative zum Verfahren der Verbildlichung gibt und die prinzipielle Schwierigkeit, im Einzelfall nicht korrekt unter das jeweilige Bild subsumieren zu können, die gesamte Methode beeinträchtigt. Düsing skizziert insgesamt überzeugend den Charakter der einzelnen Schemata (1995, S. 53ff.); allerdings wird nicht recht deutlich, inwiefern, wie Düsing (ebd., S. 53, Anm.) bekundet, die empirische Einbildungskraft neben ihrem produktiven Charakter auch reproduktiv tätig im Vergleichen der verschiedenen empirischen Anschauungen von Hunden sein soll, ist dies doch gerade eine Leistung der analytischen Einheit des Selbstbewusstseins, wie sich noch zeigen wird. Die Problematik des Schemas empirischer Begriffe diskutiert auch Pippin ausführlich (1976, S. 163ff.). Er macht auf das grundsätzliche Problem aufmerksam, dass die Regel des Zustandebringens allgemeiner anschaulicher Vorstellung kein bestimmtes Bild einer Regel sein, sondern nur ein Bild überhaupt des Begriffes hervorbringen darf (vgl. S. 170). Insofern auch beim empirischen Schema die Regel selber keine bestimmte Gestalt, sondern nur eine bestimmte Handlung des Zustandebringens beschreiben darf (vgl. ebd.), leuchtet ein, warum das Bild als ein bloßes Produkt der Einbildungskraft rückgebunden ist an das reine sinnliche Schema, d. i. das Monogramm als seine Bedingung (vgl. S. 166). Dies geht schon daraus hervor, dass Kant betont, Bilder könnten „mit dem Begriffe nur immer vermittelst des Schema, welches sie bezeichnen, verknüpft werden“ (A 142/B 181). Auch Allison (2004, S. 208f.) diskutiert das Problem empirischer Schemata. Die grundsätzliche Schwierigkeit, so Allison, rührt daher, dass die empirischen Schemata wie die des Hundes eine eindeutige Ähnlichkeit mit den reinen sinnlichen Schemata, etwa eines Triangels, aufweisen – zumindest, müsste ergänzt werden, was den Gestaltcharakter anbelangt. Dabei stellt er treffend fest: „What is striking here is the suggestion that the gap between concept and image or object is even wider in the case of empirical than in that of mathematical concepts. Presumably, this is because mathematical concepts have only a limited number of possible forms (determinable a priori), whereas in the case of empirical concepts the various forms of possible instantiation (for example, types of dog) are indeterminate.“ (ebd., S. 209). Dies aber, so Allison weiter, sei ein eindeutiges Indiz dafür, dass empirische Begriffe genauso wie apriorische der Schematisierung bedürfen. Den Zusammenhang von empirischen und reinen sinnlichen Schemata versucht ferner Caimi (2006) einsichtig zu machen mit Blick auf die von Kant diskutierte Frage nach der Gleichartigkeit des empirischen Begriffs des Tellers und
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des reinen sinnlichen eines Zirkels, welche beiden miteinander gleichartig sein sollen. Im Gegensatz zu den Interpretationen von Detel (1978, 38, Anm.), der in dem Beispiel eine Vergleichung von Begriffen sieht, oder La Rocca (1989, S. 142), der ein Subsumtionsverhältnis dergestalt annimmt, dass der empirische Begriff des Tellers unter den reinen geometrischen subsumiert wird, schlägt Caimi (2006, S. 217ff.) vor, den Begriff der Gleichartigkeit an dieser Stelle anders zu deuten. Er sieht in dem Beispiel keines für eine angestrebte Subsumtion des einen unter den anderen Begriff, sondern in beiden eine Gleichartigkeit im Sinne eines identischen Grundverhältnisses, das in einem Fall in Bezug auf einen entsprechend zu subsumierenden empirischen Gegenstand geltend gemacht werden kann, während im anderen Fall die Darstellung eines Zirkels überhaupt ermöglicht würde: „Dieses Grundverhältnis bleibt beim Teller und beim Kreis unverändert. Insofern dieses Verhältnis identisch bleibt, werden Teller und Kreis nur durch quantitative Veränderung der Materie unterschieden.“ (S. 217) Die Rede von quantitativer Veränderung ist jedoch etwas irreführend, so dass es geeigneter scheint, den Unterschied daran festzumachen, dass im Falle der empirischen Begriffe neben dem Gestalterzeugen ein Dasein des Gegenstandes gedacht wird, was bei rein geometrischen Figuren nur im uneigentlichen Sinne erwogen werden kann (vgl. Anm. 147, 206). Auf den Sachverhalt, dass das Schema empirischer Begriffe, etwa eines Hundes, keine apriorischen, gänzlich selbständig entwickelten Regeln sein können, da sie materialiter erst aus der Erfahrung gewonnen werden müssen, um dann die Einbildungskraft bei jeder weiteren Applikation des empirischen Begriffs auf Erscheinung dann freilich a priori zu leiten, weist Walker (1985, S. 18) hin. In diesem Zusammenhang stellt er den interessanten Aspekt heraus, dass keine Synthesis – als eine Verbindung des Verstandes – im eigentlichen Sinne empirisch, d. h. von der Erfahrung abgeleitet ist; jedoch verbietet dies nicht, einen Unterschied zu machen zwischen transzendentaler Synthesis, die im eigentlichen Sinne notwendig für mögliche Erfahrung ist, und solchen Synthesen, die es nicht bzw. nur im uneigentlichen Sinne sind, wie die empirischen Synthesen der Einbildungskraft, die nach der bloßen Funktion des Größenbegriffs verfahren. Entscheidend ist, dass das zu verbindende Mannigfaltige im Falle der empirischen Synthesen bloß empirisch-empfindungshaft besetzt ist und im Falle reiner Synthesis nicht.
5 Kategoriale Synthesis und Urteil 5.1 Synthetische Einheit im Erfahrungsurteil In der strukturanalytischen Betrachtung des Erkenntnisvermögens die Stufe der Synthesen durch Einbildungskraft verlassend, soll nun der Verstand in seiner ihm allein zukommenden Tätigkeit des Denkens und Urteilens in Begriffen beleuchtet werden. Begriffe beruhen – wie zu Beginn skizziert – auf Funktionen, nämlich der „Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen“ (A 68/B 93). Sie gründen auf „der Spontaneität des Denkens wie sinnliche Anschauungen auf der Rezeptivität der Eindrücke“ (A 68/B 93) und damit auf der Selbsttätigkeit des reinen Selbstbewusstseins, das die Reflexion durch Kategorien selbsttätig veranlasst. Freilich ist die Spontaneität des Verstandes insofern nicht eine gänzlich freie – wie etwa die Spontaneität der Vernunft, die sich völlig autonom das Gesetz gibt –, als der Verstand, wie gesehen, auf das Mannigfaltige der Sinnlichkeit angewiesen ist (vgl. auch Anm. 75, 163). Es wird ihm dieses Mannigfaltige, wie vorgeführt, von der Sinnlichkeit immerhin dargeboten, so dass er eben nur dasjenige spontan verbinden kann, was ihm schon präsentiert wird. In alle Handlungen der Einbildungskraft ist – das hat das vorige Kapitel gezeigt – der Verstand involviert, indem er sie durch seine Spontaneität leitet bzw. einen Begriff unter zeitlichen Bedingungen erzeugt und denkt; aber bei diesen Handlungen wird eben noch kein empirischer Gegenstand durch kategoriale Reflexion bestimmt. Zwar wurde durch die reine, zeitliche Synthesis und die synthetische Vereinigung dieser in der Kategorie bereits eine „[I]ntellection der Erscheinungen a p r i o r i “ erzielt, d. h., die Erscheinungen wurden durch die „[S]pontaneität des Verstandes […] bestimmt“ (Refl, AA 17: 707); doch betraf dies nur die formale Erscheinung, oder denjenigen Bereich, der von Kant auch als „Erscheinung von der Erscheinung“ (OP, AA 22: 321; vgl. auch 364, 367 sowie 371) bezeichnet wird. Anders gesagt, es wurden mit dem bisher Gesagten die formalen und zureichenden, aber nicht hinreichenden Bedingungen möglicher faktischer Erfahrungserkenntnis offengelegt, d. h., es wurden die Bedingungen der real-möglichen Erfahrung, jedoch noch nicht der realen Möglichkeit von existierenden Gegenständen eruiert (vgl. A158/B 197 sowie S. 169). Um das Dasein der Gegenstände überhaupt (in der Transzendentalphilosophie immer nur seiner realen (wirklichen) Möglichkeit nach zu betrachten), mithin eine nicht bloß formale, sondern reale (empirische) Erscheinung vermittelst der Subsumtion unter einen Grundsatz bestimmen zu können, ist eine weitere Handlung des Subjekts erforderlich, nämlich ein Denkakt, der die r ei -
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n e S y n th es i s der Vorstellungen au f B e gr i f f e“ (A 78/B 104) bringt und damit objektiv-synthetische Einheit in den Vorstellungen bewirken muss. Während die „Synthesis der Vorstellungen […] auf Einbildungskraft“ beruht, so fußt strenggenommen „die synthetische Einheit derselben (die zum Urteile erforderlich ist), auf der Einheit der Apperzeption“ (A 155/B 194). Auch wenn diese Momente bereits formal in der transzendentalen Synthesis realisiert worden sind, denn in der oben beschriebenen Subsumtion vermittelst transzendentaler Urteilskraft wird die reine Synthesis bereits auf Begriffe gebracht, fehlt hier noch die Anwendung auf die empirische Erscheinung, wozu es weiter einer zusätzlichen Funktion der empirischen Urteilskraft unter ihren besonderen Bedingungen bedarf. Objektive Gültigkeit haben die Kategorien, dies wurde schon festgestellt, immer nur dann, wenn sie auf daseiende Erscheinungen bezogen werden können und nicht bloß formaliter Anwendung finden. Wenn hier von Auf-Begriffe-Bringen gesprochen wird, bedeutet dies also keineswegs, dass die reine Synthesis durch produktive Einbildungskraft nicht auch schon Einheit im Begriff enthalte. Insofern die Kategorie das Handlungsziel der reinen Synthesis ist und ihre Einheit bewirkt, denn das jeweilige Schema ist – wie gesehen – nichts anderes als die unter Zeitbedingungen gedachte Kategorie selbst, ist der reine Verstandesbegriff immer schon realisiert, d. h., das handelnde Subjekt vollzieht die reine Synthesis immer um des Verstandesbegriffes willen und in Absicht auf synthetische Einheit. Das tätige Subjekt hat ein Bewusstsein und somit einen synthetischen Begriff von seiner Tätigkeit in der reinen Synthesis durch produktive Einbildungskraft, denn es zeichnet sich selbst die Regel der Zeitbestimmung vor und „umschließt“ dergestalt die ganze reine Synthesis. Jedoch trifft es keineswegs in Form eines Erfahrungsurteils eine Aussage über den Gegenstand. Damit die Kategorie durch ihre Verzeitlichung nicht nur „a priori auf Objekte gehen“, sondern auch den realen Gegenstand bestimmen kann, ist immer kategoriale Reflexion über (empirische) Erscheinung in Form eines Erfahrungsurteils erforderlich, das in der Verbindung von schematisierter, verzeitlichter Kategorie mit einem unter das entsprechende Schema zu subsumierenden, empirischen Begriff besteht.211 Erst dadurch wird eine objektive, für jedermann zugängliche Erfahrungswelt eröffnet. || 211 Spricht Kant im stellenweise schwierig zu interpretierenden § 10 davon, dass die Begriffe, welche der „reinen Synthesis [durch produktive Einbildungskraft, C.O.] Einheit geben“, „das dritte“ Moment „zum Erkenntnis eines vorkommenden Gegenstandes“ (A 79/B 104) hinzutun, dann ist hier noch keine Gegenstandserkenntnis im eigentlichen Sinne thematisch; sondern es wird bloß die Vereinheitlichungsfunktion des Begriffes hervorgehoben, insofern dieser auch in der reinen Synthesis Einheit, vornehmlich der Anschauung, stiftet. Vgl. zu diesem Problemaspekt Caimi 2000, S. 272ff., 277. – Im Grunde genommen handelt es sich bei der nun zu erläu-
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Wenn Kant von synthetischer Einheit spricht, dann ist sensu strictu also nicht die bloße, durch Einbildungskraft bewirkte anschauliche, obgleich schon intellektuell durchdrungene Einheit intendiert. Ein reales Objekt wird erst dadurch erkannt, dass der Gegenstand als Gegenstand vermittelst der Kategorie auch durch einen synthetischen Grundsatz vollständig bestimmt, mithin das eigentliche Objekt der Erfahrung konstituiert wird. Anders formuliert: Der Verstand erzielt Erkenntnis vom Gegenstand, indem er durch einen kategorialreflexiven Akt die unbestimmte empirische Anschauung, d. i. die Erscheinung, unter einen synthetischen Begriff respektive den daraus erwachsenden synthetischen Grundsatz subsumiert und dadurch als Gegenstand einer objektiven Welt begreift. Dergestalt macht er „Erfahrung ihrer Form nach allererst und ursprünglich möglich“ (A 128). Der reine Verstand ist damit „in den Kategorien das Gesetz der synthetischen Einheit aller Erscheinungen“ (ebd.). So wird etwa das bis dahin bloß gesehene, freilich durch Einbildungskraft in seinem ganzen Umfange bereits gegenständlich apprehendierte Haus, durch die Subsumtion unter die Kategorie der Substanz „in einem Begriff vom Objekt vereinigt“ (B 139) und als ein solches, beharrliches Objekt der empirischen Wirklichkeit verstanden. Denken ist somit bestimmt als diejenige Handlung, „gegebene Anschauung auf einen Gegenstand zu beziehen“ (A 247/B 304), als „die innere Handlung (Spontaneität) wodurch ein B e gr i f f (ein Gedanke)“, und zwar vom realen Objekt selbst, „möglich wird“ (Anth, AA 07: 134, Anm.). Handelt es sich beim ‚Schematismus‘ um die allgemeine und formale Zeitbedingung, die es ermöglicht, alle Gegenstände darunter zu subsumieren, so beweisen erst die ‚Grundsätze‘ (mit Beziehung zum § 26 der ‚B-Deduktion‘), dass sich Erscheinungen auch tatsächlich unter diese formalen Strukturen bringen lassen, d. h. auch reale Gegenstände unter den formalen Grundsatz fallen. Durch die reale „Möglichkeit der Erfahrung“ wird noch nicht die Erscheinung bestimmt, denn „Erscheinungen [machen] nur die Materie, nicht aber die Form aus“ (Prol, AA 04: 309). So wird im ‚Schematismus‘ etwa nur die Möglichkeit des Daseins einer Substanz erwogen, jedoch noch nicht bewiesen, dass eine bestimmte Erscheinung (als bloß subjektive Vorstellung in mir, durch die noch kein Dasein bestimmt ist) auch wirklich beharrt. Die Bestimmung des Zeitmodus des Beharrlichen durch das darübergelegte Schema der Beharrlichkeit des Realen sagt noch nichts darüber aus, ob sich darunter eine wirkliche Erscheinung
|| ternden Reflexion gemäß des vollständigen Grundsatzes um ein zweites Moment der Reflexion, das über den bloßen ‚Schematismus‘ hinausführt, auch wenn dieser natürlich in Sonderheit analysiert werden kann und in einer vollständigen Untersuchung über die Theorie der Synthesis auch werden musste.
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als ein möglicher existierender Gegenstand subsumieren lässt (vgl. Anm. 245). Oder, man erinnere sich an das eben ausführlich diskutierte Beispiel der Konstruktion eines Dreiecks: Zwar besitzt das handelnde Subjekt immer schon ein – mehr oder weniger ausgeprägtes – Bewusstsein, mithin einen Begriff von seiner Tätigkeit und dem hervorgebrachten Objekt, so dass es diesen Begriff entwerfen oder Größenverhältnisse an ihm bestimmen kann. Jedoch werden bei dieser Tätigkeit keine weiteren Erkenntnisse, z. B. über die Winkelsumme des erzeugten Dreiecks gewonnen, wie überhaupt noch offenbleibt, ob sich diese reine Konstruktion auch auf die empirische Wirklichkeit, d. h. die Erscheinung, übertragen lässt.
Exkurs: Der formale Grundsatz als synthetische Handlungsanweisung Der Unterschied zwischen formalem Grundsatz gemäß dem ‚Schematismus‘ und vollständigem Grundsatz der Erfahrung wäre zunächst etwa daran festzumachen, in diesem das entsprechende Urteil über Gegenstände der Natur auf einer Objektebene, in jenem hingegen mehr eine synthetische Handlungsanweisung zu sehen, die dem handelnden Subjekt vorschreibt, wie es seine reinen Verstandesbegriffe auf formaler Ebene realisieren kann, wobei sich – wie gesehen – die Genese dieser Methode dem synthetischen Einflussnehmen des Verstandes auf die Sinnlichkeit verdankt. Eine solche könnte, auch hier exemplarisch bezogen auf die Kategorie der Größe, wie folgt ausgedrückt werden: ‚Ich setze immer wieder Eins in die Zeit und zähle die Einheiten zusammen‘.212 Fragt man nach dem Status eines Satzes, der eine solche synthetische Handlungsanweisung enthält, so sieht man sich mit der Frage konfrontiert, ob hier schon von einem veritablen synthetischen Urteil gesprochen werden kann. Ein synthetisches Urteil kann es nur dann nicht sein, wenn unter Urteil ein Erkenntnisurteil über einen Gegenstand, d. i. ein Erfahrungsurteil, verstanden wird, denn es handelt sich hier augenscheinlich nicht um ein Urteil über einen Gegenstand der Natur. Ferner sollen die Tätigkeiten produktiver Einbildungskraft die Kategorie auch nur so versinnlichen, dass aus ihr – in Verbindung mit einem zweiten, aus der Anschauung stammenden Begriff – ein synthetischer Grundsatz entspringen kann, wofür eben jene Handlungsanweisung bloß die Bedingung darstellt.
|| 212 Kaulbach (1982, S. 169) bekräftigt, dass sich das ursprüngliche Ich dabei immer seines Bewegungscharakters bewusst ist. Vgl. auch ders. 1978, S. 12, 22, 62.
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Jedoch macht es keine Schwierigkeiten, diesen Satz – gleichsam metatheoretisch – als synthetisches Urteil zu verstehen, insofern hier das Sich-Beziehen reinen Selbstbewusstseins auf die Zeit erkennbar und damit in einem Urteil feststellbar wird. In der reinen Konstruktionsleistung, so wie der ‚Schematismus‘ es ausführt, konstruiert sich das reine denkende Ich – cum grano salis – selbst in die Zeit hinein, d. i. Selbstaffektion (vgl. Kapitel 4.2.3), und entwirft denkend Einheit der Anschauung. Diese durch Selbstaffektionen zustande kommenden Handlungen wären gleichzeitig zu verstehen als erweiternde Einsichten über das Ich denke, insofern hier die Tätigkeiten einer handelnden Kraft anhand der Anschauung beobachtbar würden und diesem zugeschrieben werden könnten. Dafür spricht, dass Kant bei der Etablierung des reinen Selbstbewusstseins (allen voran § 16 der ‚B-Deduktion‘) überwiegend analytisch exponierend verfährt, seine Darstellung dann aber im Zuge der Selbstaffektion (worunter die transzendentale Synthesis ebenso wie das Thema der formalen Anschauung fällt), synthetischen Charakter erlangt, dadurch dass der konkrete Handlungsvollzug des Ich denke an der Anschauung beschreibbar wird. Indem folglich das „transcendentale Subjekt sinnlich“ (vgl. Refl, AA 17: 655) wird und im inneren Sinn, d. h. in der Zeit, erscheint, können seine einzelnen Handlungsweisen beobachtet und seine „Wirkung[en] […] auf die Sinnlichkeit“ (B 152) erkannt werden.213
|| 213 Wenn im ersten Teil der ‚B-Deduktion‘ die Beweisführung also dahin geht, das Ich denke analytisch zu explizieren, dann wird mit der transzendentalen Synthesis im § 24 die Betrachtung des bis dahin bloß in seiner ‚Abgesondertheit‘ betrachteten Ich synthetisch-deskriptiv. Und zwar deshalb, weil die wesensmäßig zum Begriff des Ich denke gehörende Synthesisfunktion, die bis dahin bloß ihrer Möglichkeit nach erwogen, obzwar als untrennbar vom selbstreferentiellen Charakter des Ich denke nachgewiesen wurde, nun durch vollzogene Tätigkeit in der reinen Anschauung beschreibbar wird. Vgl. dazu Zocher (1959, S. 34f.), der eben dies im Sinn hat, wenn er erklärt, dass mit dem „Moment der apriorischen sinnlichen Anschauung“ nicht nur ein notwendiges, sondern auch „hinreichendes Constituens des Gegenstandes aktualisierbarer Erkenntnis“ (S. 35) hinzukommt und sich über die bloß ‚logizistische‘, hier zu verstehen als gesonderte Betrachtung der transzendentalen Apperzeption als synthetischen Bewusstseins seiner Potentialität nach, erweitert. Übrigens gilt es, die in Rede stehenden Paragraphen immer schon vor dem Hintergrund des darauf folgenden Schematismus-Kapitels zu verstehen. Denn auch, wenn erst der ‚Schematismus‘ zeigen soll, wie eine Erscheinung unter einen Begriff subsumiert werden kann, so wird dies faktisch schon in der ‚Deduktion‘ vorgeführt, insofern die Methode des Schematisierens durch reine Einbildungskraft bereits hier dargestellt wird. Dazu vgl. man auch Patons 1976, Bd. I, S. 499ff., Erläuterung der Beweisführung in der ‚B-Deduktion‘ ebenso wie die – nicht zutreffende – Kritik Henrichs 1973, S. 98, daran. Vgl. dazu dann auch Baumanns 1992, S. 201. Diese Ausführungen dürfen als Ergänzung zu Kapitel 3.1 verstanden werden.
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Insofern die als synthetisch deklarierte Handlungsanweisung also die Tätigkeit eines handelnden Ich ausdrückt, kann von einer Art synthetischem Metaurteil auf einer philosophisch-beschreibenden Ebene gesprochen werden. Betrachtet man sich nun die Form der Handlungsanweisung genauer, so wird man gewahr, dass sich der Satz auch in einem hypothetischen Urteil formulieren lässt. Für das oben angeführte Beispiel gilt dann: ‚Wenn ich eine objektive Zeitstrecke messen will, dann muss ich immer wieder Eins in die Zeit setzen.‘ Der Satz in dieser Form enthält augenscheinlich eine bedingte Handlungsaufforderung, die Kant in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten214 als hypothetischen Imperativ deklariert. In einem solchen wird überhaupt nicht geurteilt (obzwar Erkenntnisurteile darin vorausgesetzt sind bzw. sie eine Erkenntnis anwenden), weder über einen Gegenstand noch über eine bestimmte, zu beobachtende Tätigkeit, sondern lediglich ausgesagt, was prinzipiell zu tun ist, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. So kann eine objektive Zeitstrecke nur genau auf diese Art und Weise bestimmt werden, egal ob das handelnde Subjekt dies will oder nicht, was in der Mathematik durch einen synthetischen Satz gelehrt wird (vgl. GMS, AA 04: 417). Ob das Subjekt dieser Anweisung Folge leistet oder nicht, ändert nichts an der Gültigkeit der Handlungsanweisung selbst, mithin bleibt der Satz (das synthetische Metaurteil) auch unabhängig von der Willensäußerung gültig. Um eine gewisse Größe zu bestimmen, dazu muss das handelnde Subjekt freilich dieser Aufforderung nachkommen, es muss ein Verlangen nach der Tätigkeit besitzen. So ist es auch zu verstehen, dass Kant in den Prolegomena davon spricht, man müsse „verlangen [können], eine Linie solle ins Unendliche gezogen […] werden“ (Prol, AA 04: 285). Vor diesem Hintergrund hat die in einem hypothetischen Imperativ ausgedrückte Handlungsanweisung den Stellenwert eines praktischen Postulats: „Die reine Geometrie hat Postulate als praktische Sätze, die aber nichts weiter enthalten als die Voraussetzung, dass man etwas thun k ö n n e , wenn etwa gefordert würde, man solle es thun. […] Es sind also praktische Regeln unter einer problematischen Bedingung des Willens.“ (KpV, AA 05: 31) Vor diesem Hintergrund erhellt sich sodann – mit Rückbezug auf den Status des transzendentalen Schemas – der einige Male angedeutete ‚Projektcharakter‘ des Schematisierens: Die synthetische Handlungsanweisung musste zwar der Materie nach entwickelt werden, jedoch als eine bestimmte Anweisung a priori als „Projekt“ (A 729/B 757) aufgegeben
|| 214 Vgl. dazu Kants gewähltes Beispiel von der zu konstruierenden Mittelsenkrechten, die „eine Linie nach einem sichern Princip in zwei gleiche Theile“ teilen soll, wozu „ich aus den Enden derselben zwei Kreuzbogen machen [muß]“ (GMS, AA 04: 417).
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sein, weshalb das transzendentale Schema der Form nach (aber auch nur der Form nach) schon im Verstande liegen muss (vgl. Anm. 133, 165, 172, 196).
5.2 Transzendentaler Gegenstand Bevor die ersten Überlegungen zur Subsumtion unter den Grundsatz fortgeführt und vertieft werden können, gilt es zu klären, was Kant „unter dem Ausdruck eines Gegenstandes der Vorstellungen“ (A 104) versteht, auf den eine Anschauung bezogen werden soll. Denn der Gegenstand soll durch kategoriale Bestimmung ja gerade erst als Gegenstand (im Gegensatz zur unbestimmten Erscheinung) begriffen, mithin gemacht werden. Was Kant hier im Blick hat, ist freilich nichts anderes als der Begriff „von einem G e ge n s t an d e überhaupt“ (A 108), d. i. ein „der Erkenntnis [genauer dem Erkenntnisbegriffe, C.O.] korrespondierender Gegenstand“, welcher „als etwas überhaupt = x“ (A 104) gedacht wird. Da jede Erscheinung, um zu einem Gegenstand der Erkenntnis zu werden, begriffliche Einheit durch den Verstand benötigt, so muss sie, unabhängig von ihrer besonderen Beschaffenheit, unter einen Begriff vom Objekt überhaupt subsumiert werden können: Alle unsere Vorstellungen werden in der Tat durch den Verstand auf irgend ein Objekt bezogen, und, da Erscheinungen nichts als Vorstellungen sind, so bezieht sie der Verstand auf ein Etwas, als den Gegenstand der sinnlichen Anschauung: aber dieses Etwas ist in so fern nur das transzendentale Objekt. (A 249)
Der transzendentale Gegenstand, „d. i. der gänzlich unbestimmte Gedanke von Etwas überhaupt“, dient gleichsam als konstante Variable, unter die jede Erscheinung in ihrer Besonderheit gebracht werden kann, folglich ist er „[d]as Objekt, worauf ich die Erscheinung überhaupt beziehe“ (A 253) und wodurch er „allen unsern empirischen Begriffen überhaupt Beziehung auf einen Gegenstand“, d. i. „objektive Realität“ (A 109) verschafft. Nicht zu verwechseln ist der transzendentale Gegenstand mit dem – ebenfalls im dritten Abschnitt der ‚A-Deduktion‘ eingeführten – formalen Gegenstand (der Mathematik). Zwar hat es auf den ersten Blick den Anschein, als meine Kant mit „jene[m] X, was [den Vorstellungen] korrespondiert“, genau diesen transzendentalen Gegenstand; jedoch lässt sich bei eingehenderer Betrachtung ein Unterschied dergestalt festmachen, dass mit der „formale[n] Einheit des Bewußtseins in der Synthesis des Mannigfaltigen der Vorstellungen“ (A 105) nur die Vorstellung eines allgemeinen Platzhalters für mathematische Begriffe intendiert ist. Dagegen wird der für die kategoriale Reflexion reservierte formale Gegenstand, der sich auch auf empirische Anschauung erstreckt und
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eben für „[a]lle unsere Vorstellungen“ (A 249) gilt, erst in der Folge als „G ege n s t an d überhaupt richtiger bestimm[t]“ (A 108). Nicht ohne Grund spricht Kant in Hinblick auf den formalen Gegenstand nur vom mathematischen Begriff des Triangels; der Begriff dieser Einheit beim Erzeugen dieser Figur „ist die Vorstellung vom Gegenstande = X, den ich durch die gedachte Prädikate eines Triangels denke“ (A 105). Angesichts der Tatsache nun, dass keine Vorstellung als solche, die Erkenntnis werden soll, ohne Gegenstand gedacht werden kann, dass somit „unser Gedanke von der Beziehung aller Erkenntnis auf ihren Gegenstand etwas von Notwendigkeit bei sich führe“ und „diejenige Einheit“ aufweist, „welche den Begriff von einem Gegenstande ausmacht“ (A 104f.), ist der transzendentale Gegenstand zu denken als „ein Correlatum der Einheit der Apperzeption zur Einheit des Mannigfaltigen in der sinnlichen Anschauung [...], vermittelst deren der Verstand dasselbe in den Begriff eines Gegenstandes vereinigt“ (A 250). Diese Beziehung ist also „nichts anders, als die notwendige Einheit des Bewußtseins, mithin auch der Synthesis des Mannigfaltigen durch gemeinschaftliche Funktion des Gemüts, es in einer Vorstellung zu verbinden“ (A 109). Ebenso wie für die transzendentale Apperzeption ihre numerische Identität geltend gemacht wurde, ist auch in Hinblick auf den „reine[n] Begriff von diesem transzendentalen Gegenstand“ festzustellen, dass er „bei allen unsern Erkenntnissen immer einerlei = x“ (A 109) ist, d. i. immer derselbe. Als „Gegenstand des reinen Verstandes“ ist er bloß „Ein Ding (numerica identitas)“ (A 263/B 320), d. h., „vor alle Erscheinungen einerlei“ (A 253) – wobei Ding freilich keine beharrliche reale Substanz der Inhärenz meint, sondern einen bloß widerspruchsfrei-denkmöglichen Gegenstand.215 Der transzendentale Gegenstand in seiner Selbigkeit und Ununterschiedenheit ist derjenige Gedanke, wodurch die „durchgängige Affinität der Erscheinungen“ (A 113) gedacht wird.216 Dem Gesag-
|| 215 Dass ein Gegenstand widerspruchsfrei denkmöglich ist, ist – wie gesagt – mehr, als dass er sich überhaupt, wie ein jeder bloß logisch gebrauchter Begriff, auf ein Objekt bezieht. Vgl. dazu B 128f. Vgl. auch Anm. 133, 144. 216 Vgl. dazu Dörflinger 1991, S. 107f. Der Begriff des transzendentalen Gegenstandes, der „gar keine bestimmte Anschauung enthalten“ (A 109) kann und numerische Identität impliziert, ist trotzdem „nicht schlechthin getrennt vom Gedanken einer Pluralität“, wie Dörflinger (2000, S. 233) zu Recht betont, da ein und dasselbe Ding – subjektiv – auch zweimal gedacht sein kann und dennoch objektiv numerisch Eines ist (wie denn auch im reinen Verstande die begriffliche Vorstellung einer Sache ein- und dieselbe Vorstellung – ein und derselbe Gedanke – bleibt (schlechthinnige Einerleiheit), auch wenn, mit Blick auf die Wandelbarkeit der Zustände des inneren Sinns (in der Zeit, synthetisch und analytisch verschiedener), Vorstellungen jederzeit wechseln (synthetische, numerische und analytische Verschiedenheit). Vgl. dazu auch
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ten zufolge kann die subjektive Einheit der Apperzeption dementsprechend immer auch von der Objektseite her verstanden werden als die Einheit des Gegenstandes und umgekehrt.217 Wenn Kant betont, Erscheinungen seien „die einzigen Gegenstände, die uns unmittelbar [in der Anschauung] gegeben werden können“, mithin „Vorstellungen, die wiederum ihren Gegenstand haben, der also von uns nicht mehr angeschaut werden kann, und daher der nichtempirische, d. i. transzendentale Gegenstand = x genannt werden mag“ (A 109), ist freilich kein Ding an sich angesprochen. Das transzendentale Objekt als Bezugspunkt des begrifflichen Vorstellens „läßt sich gar nicht von den sinnlichen Datis absondern, weil alsdenn nichts übrig bleibt, wodurch es gedacht würde“ (A 249f.). Es ist sonach kein Gegenstand der Erkenntnis an sich selbst, „sondern nur die Vorstellung der Erscheinungen, unter dem Begriffe eines Gegenstandes überhaupt, der durch das Mannigfaltige derselben bestimmbar ist“ (A 251). Zwar soll durch den kategorialen Reflexionsakt aus dem Objekt bloß als Vorstellung ein Objekt zu den Vorstellungen bestimmt werden, wobei in letzterem der Aspekt des Selbstseins des Objekts ausgedrückt wird, was einer quasi-ontologischen Bestimmung gleichkommt; doch handelt es sich hierbei eben nicht um ein Objekt, das gänzlich außerhalb der Beziehung zur Vorstellung liegt.218 Aus diesem Grunde stellen denn auch die Kategorien „kein besonderes, dem Verstande allein gegebenes Objekt vor, sondern dienen nur dazu, das transzendentale Objekt (den Begriff von etwas überhaupt) durch das, was in der Sinnlichkeit gegeben wird, zu
|| A 263/B 319 sowie allgemein zum Begriff des transzendentalen Gegenstandes Zöller 1984, S. 120ff. 217 Mit seiner Unterscheidung von Identitätsprinzip und Objektivitätsprinzip versucht Henrich (1976) dieses wechselseitige Bedingungsverhältnis deutlich zu machen. Hoppe (1983, S. 120) erklärt diesbezüglich treffend, dass wir es statt mit der ursprünglichen Einheit der Apperzeption dort, „wo Kant vom Begriff des Gegenstandes handelt“, dann „immer auch mit bestimmten Einheiten“ zu tun haben. Baum (1975, S. 74ff.) weist die synthetische Einheit der Apperzeption als sowohl subjektive und objektive Bedingung der Erkenntnis aus, wobei letztere die Vorstellungsseite (Begriffe vom Objekt) beleuchtet. Kaulbach (1978, S. 77) spricht davon, dass im Rahmen transzendentaler Bewegungstätigkeit subjektive und objektive Identität gleichermaßen erzielt wird. 218 Vgl. dazu auch Kapitel 3.3, S. 79f. Dörflinger 2000, S. 200 sowie Kugelstadt 1998, S. 267, der zeigt, dass das transzendentale Objekt, d. i. das empirisch bestimmbare „irgend etwas“ (B XVII), dadurch, dass die Anschauung „durch die Kategorie auf dasselbe bezogen wird, nicht selbst wieder in der empirischen Anschauung gegeben sein“ kann und daher wohl „nicht empirisch“ ist; im Gegensatz zum Noumenon aber ein positiver Gegenstand sein soll, der sich aus diesem Grunde „von der sinnlichen Anschauung“ gerade „nicht trennen“ lässt und also „ein notwendiges Moment des immanenten Gebrauchs der Kategorie“ ausmacht.
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bestimmen,219 um dadurch Erscheinungen unter Begriffen von Gegenständen empirisch zu erkennen“ (A 251). Der transzendentale Gegenstand, den Kant an anderer Stelle auch als den „Begriff des D i n ge s überhaupt“ verstanden wissen will, ist dementsprechend der einzige Begriff, „der a priori [den] empirischen Gehalt der Erscheinungen vorstellt“ (A 720/B 748). Angesichts der Tatsache, dass im Gedanken vom transzendentalen Objekt die Einheit der Apperzeption vermittelst der Kategorien auf einen Gegenstand bezogen gedacht ist, verdeutlicht sich nun noch einmal aus anderer Perspektive, warum die objektive Einheit der Apperzeption immer nur das reine synthetische Selbstbewusstsein sein kann und weder eine subjektive, „nach Gesetzen der reproduktiven Einbildungskraft“ (B 141) verfahrende empirische Einheit noch eine analytische Einheit des Selbstbewusstseins. In Hinblick auf erstere ist zu konstatieren, dass sie – wie weiter oben bereits skizziert (vgl. S. 56ff.) – Vorstellungen zwar zusammenführt, jedoch völlig beliebig und ohne ihren notwendigen Zusammenhang untereinander durch objektive Verbindung zu sichern, „zwar in der Warnehmung, aber nicht im Begriffe“ (Refl, AA 17: 668). Warum letztere keine objektive Einheit ist, wird im Folgenden zu klären sein.
5.3 Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteile In diesem Zusammenhang lohnt es die Kantische Unterscheidung zwischen Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteilen aufzugreifen. Ganz allgemein kann zunächst festgestellt werden, dass Kant mit den Wahrnehmungsurteilen eine Art von Urteil einführt, die über die bloße, noch unartikulierte Wahrnehmung hinausgeht. In der bloßen Apprehension sind Vorstellungen – wie gesehen – schon durch Funktion des Größenbegriffs zusammengebracht (obzwar nur als bloße Gemütsvorstellungen, die ohne kategoriale Deutung keine Vorstellungen im eigentlichen Sinne genannt werden können, vgl. etwa Anm. 68, 78 sowie 1. Anhang Kapitel 3.1); jedoch bleibt es beim bloßen Auffassen der Erscheinungen, ohne dass das Subjekt weiter auf seine Gemütszustände attendieren würde. Nun etabliert Kant mit den Wahrnehmungsurteilen eine Stufe der Reflexion, auf der das Subjekt Urteile privat-subjektiver Natur fällt. Allerdings wird auch hier noch kein Objekt der Erfahrung bestimmt; es werden Vorstellungen zwar in || 219 Man könnte es auch so formulieren, dass die Erscheinungen durch Beziehung auf ein transzendentales Objekt bestimmt werden, das als Korrelat des einheitlichen Bewusstseins als immer bleibender Bezugspunkt dazu dient, alle Erscheinungen ungeachtet ihrer Verschiedenheit auf einen Begriff bringen zu können. Dadurch wird der Gedanke vom transzendentalen Gegenstand also konkretisiert.
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einem (empirischen) Bewusstsein, aber noch ohne Verbindung durch die Kategorien (vgl. Prol, AA 04: 298, 299, 304), zufällig zusammengebracht. Aufgrund dieses Fehlens sämtlicher kategorialer Bestimmtheit können sie daher eigentlich nicht als Reflexionen im pointierten Sinne gelten. Positiv ist aber festzustellen, dass das Subjekt sich durch eine gewisse Form der Artikulation der Wahrnehmung, wenn man so will, Rechenschaft über seine Gemütsbestimmungen ablegt. Im „n u r s u b j ec ti v gü lti g[ en ] “ (Prol, AA 04: 298) Wahrnehmungsurteil vergleiche „ich bloß die Wahrnehmungen“ und verbinde sie „in einem Bewußtsein meines Zustandes“ (Prol, AA 04: 300), weshalb zumindest eine logische Reflexion (gemäß der logischen Urteilsform) geltend zu machen ist. Wahrnehmungsurteile enthalten folglich nur „eine Beziehung der Wahrnehmung auf ein Subjekt“ und drücken durch die fehlende Beziehung auf ein Objekt keine „Beschaffenheit des Gegenstandes aus“, mithin haben sie weder „objective Gültigkeit“ noch „nothwendige Allgemeingültigkeit (für jedermann)“ (Prol, AA 04: 298). Dagegen wird im Erfahrungsurteil durch Verbindung der Vorstellungen „in einem Bewußtsein überhaupt“ (Prol, AA 04: 300), d. h. im reinen Selbstbewusstsein Ich denke, gerade diese „Beschaffenheit des Gegenstandes ausgedrückt“ (Prol, AA 04: 298). Es setzt sich nicht aus der bloßen „Verknüpfung der Wahrnehmungen in meinem Gemüthszustande“ (Prol, AA 04: 300) zusammen, sondern bewirkt, indem es die gegebene Anschauung unter einen Begriff subsumiert, dass „diese Verknüpfung unter einer Bedingung stehe, welche sie allgemein gültig macht“ (Prol, AA 04: 299). Das objektive Verhältnis der Vorstellungen untereinander wird im Erfahrungsurteil, das eine Substanz-Akzidenz-Relation denkt, dabei durch „das Verhältniswörtchen i s t“ (B 141) ausgedrückt, welches die Zugehörigkeit der Vorstellungen zu einer gemeinsamen, objektiven Welt anzeigt. Im Falle der Kausalitätskategorie wird durch die Subsumtion der scheinenden Sonne unter den Begriff der Ursache das Wahrnehmungsurteil „Wenn die Sonne den Stein bescheint, so wird er warm“ in das Erfahrungsurteil „Die Sonne erwärmt den Stein“ (Prol, AA 04: 301, Anm.) verwandelt, welches objektive Gültigkeit besitzt. Insofern „objektive Gültigkeit“ und „notwendige Allgemeingültigkeit“ sich gegenseitig bedingende „Wechselbegriffe“220 (Prol, AA 04: 298) sind, fordert der
|| 220 Betrachtet man sich das Verhältnis der beiden Begriffe genauer, so liegt eigentlich kein wechselseitiges Bedingungsverhältnis vor, da nur deshalb, weil die Erkenntnis mit dem Objekt übereinstimmt, auch die notwendige Allgemeingültigkeit behauptet werden kann. Diese letztere kann allenfalls durch einen Rückschluss vom Bedingten auf seine Bedingung als Wechselbegriff der objektiven Gültigkeit ausgemacht werden, andernfalls die allgemeine Mitteilbarkeit die Bedingung dafür sein müsste, dass etwas objektiv gültig ist. Dies ist aber schon deshalb
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in einem Erfahrungsurteil erhobene Wahrheitsanspruch eine Verbindlichkeit für jedermann. Wie Kant darlegt, soll „dieselbe Wahrnehmung unter denselben Umständen“ von „jedermann“ zu „jederzeit“ (Prol, AA 04: 299) notwendig verbunden werden können müssen (auch hier steht wieder der Modus der notwendigen Möglichkeit): „Das Urtheil was allgemeingültig ist, betrifft die Wahrheit. Denn ein Urtheil, welches nothwendiger weise für alle gilt; stimmt mit dem Object überein.“ (Vorl, AA 24: 387) Der Unterschied zwischen beiden Arten von Urteil lässt sich auch an der Stelle, die in einem Urteil der Kategorie zukommt, festmachen. So bleibt etwa in einem bloß logischen Urteil wie „Einiges Teilbare ist ein Körper“ im „bloß logischen Gebrauch des Verstandes“ (B 128), entsprechend auch in Wahrnehmungsurteilen durch „logische Verknüpfung“ (Prol, AA 04: 304), noch „unbestimmt, welchem von beiden Begriffen die Funktion des Subjekts, und welchem die des Prädikats man geben wolle“ (B 128f.; vgl. auch Anm. 144). Dagegen wird durch die kategoriale Bestimmung des Körpers als Substanz der Gegenstand selbst von seinen Akzidenzien, hier dem Teilbaren, unterschieden und „es wird bestimmt: daß seine empirische Anschauung in der Erfahrung immer nur als Subjekt, niemals als bloßes Prädikat betrachtet werden müsse; und so in allen Kategorien“ (B 129).221 Wird im Erfahrungsurteil222 also eine Verbindung und Einheit im Objekt den Kategorien gemäß gedacht, so sieht das Wahrnehmungsurteil von dieser gedachten Verbindung gerade ab. Zwar kann das Erfahrungsurteil genauso gut falsch sein, mithin kann man „zwar in dem Urtheile irren, in welchem ich glaube Recht zu haben“ (MpVT, AA 08: 268), denn „Wahrheit sowohl als Irrtum [sind] nur im Urteile, d. i. nur in dem Verhältnisse des Gegenstandes zu unserem Verstande anzutreffen“ (A 293/B 350; vgl. A 191/B 236). Jedoch ist mit ihm immer Wahrheit angestrebt, || ausgeschlossen, weil ästhetische Urteile ebenfalls allgemein mitteilbar sein sollen, jedoch keine objektive Gültigkeit besitzen. 221 Die Verbindungsfunktion der Kategorie im Gegensatz zur bloß logischen Verknüpfung wird von Körsgen (1984, S. 102) wie folgt beschrieben: „Die kategoriale Synthesisfunktion also schafft durch ihre in die Anschauungselemente gesetzten relationalen logischen Bezüge die Möglichkeit eines Einbezugs des durch diese Relationen komplizierten Komplexes in die relationale Beziehung prädikativer Begriffe untereinander, und zwar dergestalt, daß die eindeutig konstitutionsverdankte und logifizierte Einheitlichkeit des Komplexes ineins mitbestimmt ist“, so dass bestimmt werde, welcher Begriff „an Subjektstelle und nicht an Prädikatstelle in den Strukturen des Urteils auftreten wird“, wodurch also im Objekt die Substanz als unterschieden von ihren Akzidenzien gedacht werden kann (vgl. Anm. 144). 222 Genauer gesagt nicht nur im Erfahrungsurteil als einem synthetischen Urteil a posteriori, sondern ebenso gut in einem analytischen Urteil, das ja bereits eine Verbindung im Objekt aussagt.
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d. i. „Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstande“ (A 58, B 82; vgl. A 191/B 236, B 296).223 Der falsifizierbare Wahrheitsanspruch wird freilich nur in einem Erfahrungsurteil erhoben, denn weder Wahrnehmungsurteile noch synthetische Grundsätze a priori können wahr oder auch falsch sein: Das Wahrnehmungsurteil nicht, weil es über Wahrheit und Falschheit eines Gegenstandes respektive Sachverhaltes der objektiven Welt überhaupt nicht befindet; das Wahrnehmungsurteil kann nie irren, da es eben nur etwas über die eigene, subjektive Wahrnehmung aussagt. Ebenso wenig können synthetische Grundsätze a priori falsch sein, die – insofern man ihre Gültigkeit als Bedingungen für jede mögliche Erfahrung einräumt – notwendig wahr sein müssen, weswegen sie auch apodiktische Sätze sind (Apodiktizität ist hier im Sinne einer subjektiven Notwendigkeit entsprechend der Präsumtion einer Erfahrung verstanden (vgl. Anm. 89), was also eine inhaltliche und nicht bloß logische Notwendigkeit aussagt). Die Bedingungen transzendentaler Wahrheit werden durch die Falschheit eines empirischen Urteils nicht verletzt: Nur daran also, daß diese Begriffe [in Grundsätzen a priori, C.O.] die Verhältnisse aller Wahrnehmungen in jeder Erfahrung a priori ausdrücken, erkennt man ihre objektive Realität, d. i. ihre transzendentale Wahrheit, und zwar freilich unabhängig von der Erfahrung, aber doch nicht unabhängig von aller Beziehung auf die Form einer Erfahrung überhaupt, und die synthetische Einheit, in der allein Gegenstände empirisch können erkannt werden. (A 221f./B 269)
Würde hier eine mögliche Differenz zwischen Wahrheit und Falschheit eingeräumt, so wäre schlechterdings keine einheitliche Erfahrung möglich.224 Denn es
|| 223 Vgl. dazu auch Becker 1989, S. 160 und 162f. sowie Hoppe 1983, S. 38ff. Letzerer problematisiert den Umstand, dass Erfahrungsurteile, die falsch sind, keine Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit ausdrücken und deshalb streng genommen zu den Wahrnehmungsurteilen gezählt werden müssten. Dazu sei angemerkt, dass Erfahrungsurteile niemals apriorische Notwendigkeit und Allgemeinheit erhalten können, sondern nur ihr formales Gerüst. Insofern aber andererseits, wie Hoppe treffend feststellt, allein die „Absicht des Sprechers, etwas über Gegenstände und objektive Sachverhalte auszusagen“ (S. 43), entscheidend ist, kann nicht die mögliche Falschheit eines vermeintlichen Erfahrungsurteils dieses zum bloßen Wahrnehmungsurteil degradieren; es eröffnen sich Wahrheit und Falschheit in materialer Hinsicht prinzipiell nur auf Ebene des Erfahrungsurteils. Die bloß intendierte ist daher „nicht notwendig gelingen müssende Gegenstandserkenntnis“ (S. 42). 224 Man kann daher mitnichten die damit ausgedrückte absolute Notwendigkeit im Sinne der schon thematisierten subjektiven Notwendigkeit einer Erfahrung abschwächen in dem Sinne, wie Röd (2007, S. 22) dies tut. Kant übersieht sicher nicht „die geschichtliche Bedingtheit seiner Konzeption“, so dass es auch nicht möglich ist, den Substanzbegriff durch einen Funktionsbegriff zu ersetzen (was auch immer Röd hier genau im Sinn hat). Würden die apriorischen Ge-
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wäre, etwa im Falle der Anwendung des Grundsatzes der Beharrlichkeit der Substanz (vgl. B 224) – bei Voraussetzung möglicher Falschheit dieses transzendentalen Urteils – auf Erscheinungen völlig zufällig, ob der Gegenstand tatsächlich beharrt oder vielmehr nicht beharrt. Es ist das ganze Anliegen der Transzendentalphilosophie, die Erkenntnis eines Gegenstandes bloß seiner Möglichkeit nach „a priori durch Vernunft“, und nicht „nach dem Zeugnis der Erfahrung aus seiner Wirklichkeit“ (B XXVII, Anm.), zu beweisen, mithin die „formale Einheit der Erfahrung“ aufzuzeigen, durch welche aber „alle objektive Gültigkeit (Wahrheit) der empirischen Erkenntnis möglich“ (A 125) wird. Die „transzendentale Wahrheit“, die sich auf das „Ganze aller möglichen Erfahrung“ (A 146/B 185) bezieht, manifestiert sich also dort, wo die „reale Möglichkeit“ empirischer Gegenstände, mithin die objektive Gültigkeit der sich auf diese beziehenden Begriffe respektive Urteile bewiesen werden kann (vgl. A 158/B 197, A 191/B 236, A 293/B 350). Ist nun ein Urteil objektiv gültig, so muss das Urteil von jedem Subjekt jederzeit über denselben Gegenstand ausgesagt werden können. Dergestalt wird „die Bedingung, unter der ich überhaupt denke, und die mithin bloß eine Beschaffenheit meines Subjekts ist [gleichsam ein Ich bis dahin bloß als privates Subjekt verstanden, C.O.], zugleich, für alles, was denkt, gültig“ (A 346/B 404). Vor diesem Hintergrund ist die eine transzendentale Apperzeption anzusehen als intersubjektives Vermögen, das im Denken auf die Vergemeinschaftung von Vorstellungen abzielt: Daher ist es nicht, wie man gemeiniglich sich einbildet, zur Erfahrung genug, Wahrnehmungen zu vergleichen und in einem Bewußtsein vermittelst des Urtheilens zu verknüpfen; dadurch entspringt keine Allgemeingültigkeit und Nothwendigkeit des Urteils, um deren willen es allein objectiv gültig und Erfahrung sein kann. (Prol, AA 04: 300)
|| setzmäßigkeiten nur einen eingeschränkten Notwendigkeitsstatus besitzen wie empirische Naturgesetze, dann würde Kants Erkenntnistheorie nicht mehr den Anspruch des Transzendentalen geltend machen können. Auch Gloy (2007) plädiert mit ihrer Untersuchung dafür, vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Quantenphysik einen schwächeren Apriorismus zu vertreten (vgl. S. 47f.). Jedoch stellt sich die, hier nicht weiter verfolgbare Frage, ob die Quantentheorie tatsächlich die Beharrlichkeit der Substanz in Frage stellen kann, wie Gloy dies vorführt, oder ob es nicht vielmehr so ist, dass die Teilchen in Wahrheit wechselnde Akzidenzien sind, die einer verborgenen Substanz anhaften, mithin die Substanz in der Erscheinung beharrlich bleibt.
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Wurde eben gezeigt, wie ein Wahrnehmungs- in ein Erfahrungsurteil transformiert werden kann,225 so sollten zwei Dinge damit ausdrücklich nicht behauptet werden. Zum einen, dass jedes Wahrnehmungsurteil in ein Erfahrungsurteil umgewandelt werden kann: Denn Wahrnehmungsurteile von der Gestalt ‚Der Zucker ist süß‘ oder ‚Der Wermut ist widrig‘ sind, insofern sie „nur eine Beziehung zweier Empfindungen auf dasselbe Subject, nämlich mich selbst, und auch nur in meinem diesmaligen Zustand der Wahrnehmung“ (Prol, AA 04: 299) aussagen, nur eingeschränkt bzw. überhaupt nicht objektivitätsfähig, „weil sie sich bloß aufs Gefühl, welches jedermann als bloß subjectiv erkennt und welches also niemals dem Object beigelegt werden darf, beziehen“ (Prol, AA 04: 299, Anm.).226 Zum anderen, dass vermeintlich bloß das hypothetische Urteil für Wahrnehmungsurteile reserviert bleibt, denn auch kategorische Urteile können, wie die Beispiele demonstrieren, zum Ausdruck bloß subjektiver Verknüpfung der Wahrnehmungen im Gemütszustande des Subjekts verwendet werden. Ferner kann ein hypothetisches Urteil, wenn es apodiktisch (und nicht seinem logischen Wesen nach problematisch) formuliert wird, als Erfahrungsurteil zur Erkenntnis objektiver Vorgänge verwendet werden. So wird ein hypothetisches Urteil wie etwa ‚Wenn die Sonne über dem Regenwald scheint, steigt Feuchtigkeit in den Himmel auf‘227, welches ein bloß häufig beobachteter Vorgang ist, innerhalb dessen die beiden Ereignisse bloß zufällig aufeinander folgen und keinen notwendigen Nexus aufweisen, zu einem objektiv-gültigen Urteil, mithin zum Ausdruck einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit, wenn ein objektiver Nexus gedacht wird, ausgedrückt hier durch das Verhältniswort weil: ‚Feuchtigkeit steigt in den Himmel auf, weil die Sonne über dem Regenwald scheint‘. Dergestalt würde es denselben Sachverhalt ausdrücken wie im kategorischen Urteil: ‚Die Sonne über dem Regenwald bewirkt das Aufsteigen der Feuchtigkeit‘. Um darüber befinden zu können, ob im Urteil ein Erfolgen einer Zustandsverän-
|| 225 Dabei kann man es, mit Blick auf die alltägliche, d. h. faktische und nicht geltungslogische Urteilssituation, durchaus pointiert verstehen, wenn Kant bekräftigt, dass alle unsere Urteile „zuerst bloße Wahrnehmungsurtheile“ (Prol, AA 04: 298) sind. 226 Wenn Klemme (1996, S. 206) betont, Kant behaupte an keiner Stelle, dass es möglicherweise Wahrnehmungsurteile geben könne, die nicht in ein Erfahrungsurteil überführt werden könnten, nimmt er ausdrücklich diejenigen Wahrnehmungsurteile aus, die hier in Rede stehen, nämlich solche, die auf bloßen Empfindungen basieren und überhaupt nicht objektivitätsfähig sind. 227 Dagegen ist die bloß subjektive Gültigkeit in einem Urteil wie etwa „Wenn ich einen Körper trage, so fühle ich einen Druck der Schwere“ (B 142) leichter einzusehen, dadurch, dass es sich bloß auf das empfindende Subjekt, unter Berücksichtigung seiner Leiblichkeit als Sensorium, bezieht.
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derung aus der vorhergehenden Ursache ausgesagt, mithin ein Realgrund angegeben wird, oder ein bloßes Folgen eines Zustandes auf einen vorhergehenden Zustand, welches letztere ein bloß subjektives Wahrnehmungsurteil ohne allgemeine Verbindlichkeit wäre (‚B erscheint auf A‘), ist dementsprechend nicht die sprachliche Realisation,228 gleichsam das Epiphänomen des sprachlichen Ausdrucks, sondern der im Urteil gedachte Nexus entscheidend. Insofern die Kategorie der Kausalität in obigem Urteil gedacht ist, wird nicht bloß gelehrt, „daß auf eine Erscheinung gewöhnlicher Maßen etwas Andres folge“, sondern, „daß es notwendig darauf folgen [muß]“ (A 112), d. h. ein Erfolgen des Einen aus dem Anderen. Alle Vorstellungen sind hier „im Objekt, d. i. ohne
|| 228 Vgl. dazu Dörflinger 2000, S. 239, der den Stellenwert der Intersubjektivität der transzendentalen Apperzeption auch mit Blick auf aktuelle sprachwissenschaftliche Forschungsdebatten diskutiert. Vgl. ebenso die einschlägigen Ausführungen von Gerold Prauss (1990, Bd. I.1, S. 50ff.) sowie Prauss (1993, Bd. I.2, S. 899ff.). Strawson (BS 150ff.) sieht Kants Begriff der Objektivität einem grundlegenden Mangel ausgesetzt, dergestalt, dass er nicht die Faktoren des sozialen Charakters der Begriffe und allen voran den Aspekt gemeinschaftlicher Kommunikation berücksichtige, mithin den Öffentlichkeitsaspekt unterschlage. Diese Unterstellung liegt der Sache nach allein schon darin begründet, dass Strawson der grundlegenden Bedeutung der Synthesis, die gerade das Ziel einer objektiven und für alle Subjekte gleichermaßen zugänglichen Welt verfolgt, überhaupt keine Beachtung schenkt. Denn durch die objektive Bestimmung der Erscheinungen wird allererst Welt respektive wird allererst eine Erfahrungswelt geschaffen, über die man sich im Gegensatz zur privaten Vorstellungswelt dann mit Mitteln der Sprache objektiv verständigen kann. Eine konzise Darstellung über das Verhältnis von Sprache und Denken liefert Aportone (2009, S. 21ff. sowie S. 162ff.). Seiner These, es gäbe „für Kant kein propositionelles Wissen ohne sprachlich vermitteltes Denken“ (S. 163), können wir uns ohne weiteres anschließen, jedoch mit dem Hinweis darauf, dass kategoriales Denken auch unabhängig vom sprachlichen Ausdruck gültig sein muss, was letztlich auch Aportone bestätigt. Man kann dem in Rede stehenden Problem vielleicht auch mit folgendem Beispiel Abhilfe schaffen: Bei der Verständigung darüber, ob es sich beim grünen Buch vor meinen Augen tatsächlich um ein grünes Buch, ja überhaupt um ein Buch handelt, mag dies angesichts der Arbitrarität sprachlicher Zeichen von einer Person noch angezweifelt werden. Dass es sich bei dem vorliegenden Objekt aber um einen substantiellen Gegenstand handelt, auf den mit Mitteln der Sprache zumindest rekurriert werden kann, verdankt sich einer viel elementareren Funktion des menschlichen Geistes, nämlich der der kategorialen Reflexion, die auch unabhängig von der Sprache stattfinden können muss. Auch darf hier ein empirisch psychologisches Phänomen Erwähnung finden: Dass der vollständige Gedanke schon lange gedacht ist, bevor er sprachlich realisiert wird, davon zeugt jedes Bemühen, seine Gedanken exakt zu formulieren, indem man in einer oftmals schrittweisen Annäherung den Gedanken an die Sprache anzupassen versucht. In diesem Sinne ist auch Schillers Distichon aus dem Kreis der Xenien Tabulae Votivae zu verstehen: „Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen? Spricht die Seele, so spricht ach! Die Seele schon nicht mehr.“
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Unterschied des Zustandes des Subjekts, verbunden, und nicht bloß in der Wahrnehmung [...] beisammen“.229
Exkurs: Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteile bei Gerold Prauss Eine der einschlägigsten und notwendig zu rezipierenden Auseinandersetzungen mit Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteilen bietet Gerold Prauss (1971, S. 198ff.). Prauss plädiert bekanntlich für die „Verscheinung“ (200) von Erfahrungsurteilen zu ‚Es scheint‘-Urteilen. Ebenso wie jedes Urteil formal-logisch negierbar ist, müsse jedes Erfahrungsurteil in ein solches ‚Es scheint‘-Urteil transformierbar sein. Dabei könne dieses „von vorneherein als ein ganz eigenständiges Urteil“ (S. 201) gefällt und müsse nicht von einem vorausgehenden Erfahrungsurteil abgeleitet werden. Prauss möchte zeigen, dass in veritablen Erfahrungsurteilen wie im Sonderfall der „Verscheinungsurteile“ gleichermaßen ein Wahrheitsanspruch formuliert ist, der freilich nicht immer erfüllt wird. In diesen Arten des Urteils werde zwar nicht über objektive Gegenstände (wie in einem Erfahrungsurteil) geurteilt, doch keineswegs auch nur „über [bloß] subjektiv-private Gegenstände“ (S. 212); sondern man mache – etwa mit einem Urteil wie ‚Anscheinend regnet es‘ oder ‚Offenbar regnet es‘ – schon „jeweils eine, wenn auch eigentümlich abgeschwächte, objektive Behauptung“ (S. 214; Hervorh. C.O.). An anderer Stelle erklärt Prauss diese Arten von Urteil für „objektiv mit subjektivem Vorbehalt“ (S. 219). Wenn sie aber bereits „elementare empirische Urteile darstellen“ und damit ausgeschlossen ist, „daß sie über Subjektiv-Privates urteilen“ (S. 215), dann folgt daraus zwingend, dass schon Kategorien in Anwendung sein müssen, was gemäß den Kantischen Ausführungen in den Prolegomena und dem Beweisziel der vorliegenden Arbeit entsprechend aber nicht der Fall sein darf. Denn die bloß subjektiv gültigen Wahrnehmungsurteile „bedürfen keines reinen Verstandesbegriffs, sondern nur der logischen Verknüpfung der Wahrnehmungen in einem denkenden Subject“ (Prol, AA 04: 298). Daran ändert auch Prauss’ Feststellung nichts, dass in einem Urteil wie ‚Anscheinend regnet es‘ „ganz intuitiv, nämlich noch ohne jede philosophische Reflexion“ (S. 229) geurteilt
|| 229 Ganz in diesem Sinne stellt Hoppe (1983, S. 32) fest, dass „die betreffenden Vorstellungen objektiv, d. h. im Gegenstand selber, zusammengehören“, so dass der „in einem Erfahrungsurteil ausgesagte Zusammenhang von Vorstellungen […] nicht von ihrem jeweiligen faktischen Zusammenvorkommen oder Nichtzusammenvorkommen in bestimmten Zuständen des Subjekts ab[hängt]“. Vgl. dazu auch ebd., S. 36.
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wird und man trotzdem mit Hilfe von Ausdrücken wie ‚Es scheint‘ „ganz sinnvoll [von solchen objektiven Gegenständen] reden kann“ (S. 238). Es lässt sich über einen Gegenstand also nur sinnvoll sprechen, wenn er auch kategorial, und zwar allen voran durch die Kategorien der Relation, bestimmt wird. Dass den Wahrnehmungsurteilen „eine solche Anwendung der Relationskategorien auf keinen Fall zugrunde liegen kann“ (S. 247), weiß freilich auch Prauss. Und trotzdem, so meint er, könnten sie „als Urteile gar nicht umhin […], von diesen Kategorien auf ganz eigenartige Weise Gebrauch zu machen“, weshalb sie „zwangsläufig auf Relationskategorien angewiesen“ (S. 253) seien. In ihnen werde „in gewissem Sinne problematisch und assertorisch zugleich“ geurteilt (S. 247), während das veritable Erfahrungsurteil nur assertorisch ist. Für die Annahme einer intuitiven Reflexion, in der zwar noch kein Objekt der Erfahrung bestimmt wird, vermittelst deren man sich freilich dennoch auf einen objektiven Gegenstand bezieht, liefert die theoretische Philosophie Kants aber keinen Hinweis. Einzig die nach subjektiv-assoziativen Gesetzmäßigkeiten verfahrende empirische Apperzeption verbindet – wenn man so will – Vorstellungen intuitiv, sie bringt jedoch bloß subjektive Vorstellungsgebilde ohne objektive Gültigkeit hervor, bestimmt folglich noch kein Objekt der Erfahrung (vgl. auch Anm. 68, 128, 134). Gegen Prauss’ Deutung des Wahrnehmungsurteils hat auch Kugelstadt (1998, 95f., Anm.; auch 268, Anm.) erhebliche Einwände erhoben. Insbesondere bemängelt er, dass durch die im Prausschen Wahrnehmungsurteil „auf die Spitze des Nichtssagens getriebene Modalität [dieses ein] schlechterdings gar nichts behauptendes, in der Tat aber bloßes Erfahrungsurteil ist“. Dies bedeutet, wenn ein Wahrnehmungsurteil bereits eine – wie auch immer geartete – kategoriale Struktur aufweist, ist in der Tat schon von einem Erfahrungsurteil auszugehen, an dessen Richtigkeit man zweifeln kann, kraft dessen man sich aber trotzdem auf einen objektiven Gegenstand bezieht. Das von Kant in den Prolegomena angeführte Beispiel „Wenn die Sonne den Stein bescheint, so wird er warm“ enthält eine, „in einem Aussagen […] eines bloßen subjektiven Beisammenseins […] noch nicht einmal im Vorgriff gedachte und zugleich, einen Schritt zurücktuend, ganz wieder zurückgenommene, sei es ‚ursprünglich angewandte‘ oder sei es ‚abgeleitet gebrauchte‘ kategoriale Verbindung“ (ebd., S. 96). Einen Kompromiss strebt Dörflingers (2000, S. 217ff.) Ansatz an, wonach im Wahrnehmungsurteil, in dem „die Bedingung [eines] Als-WahrnehmungAussagens erfüllt ist“ (S. 219), neben den logischen Denkfunktionen schon ein kategorialer Verstandesgebrauch enthalten ist. Im Gegensatz zu Prauss, der die Relationskategorien aus dem Wahrnehmungsurteil heraushalten will, integriert Dörflinger sie bewusst in seinen Ansatz und sieht das Kriterium der Unterschei-
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dung zu einem Erfahrungsurteil lediglich im „Verzicht auf die Verwendung des […] einschlägigen modalen Verstandesbegriffs“ (S. 220), d. h. vornehmlich im Verzicht auf den Begriff der Existenz. Demnach können Wahrnehmungsurteile nie assertorisch gefällt werden. Trotz der vorhandenen Gemeinsamkeiten fehlt dem Wahrnehmungsurteil im Gegensatz zum Erfahrungsurteil das Entscheidende, „die Beziehung der Vorstellungen auf einen Gegenstand selbst einer gemeinsamen Erfahrungswelt“ (S. 217). Freilich steht auch Dörflingers Interpretation in einem Konflikt mit der demonstrierten Kantischen Position. Dörflingers Versuch der Integration der Substanzkategorie scheint zunächst sinnvoll, wenn es etwa um hypothetisch formulierte Wahrnehmungsurteile geht, in denen – wie im Bsp. der Sonne und des Steins – bereits zwei Substanzen bestimmt gedacht werden. Allerdings ist das Eigentümliche in diesem Fall gerade das Fehlen eines notwendigen kausalen Nexus, der das Wahrnehmungsurteil ein solches bleiben lässt und es nicht etwa zu einer Art vorkategorialem Erfahrungsurteil macht. Auch in anderen Wahrnehmungsurteilen werden scheinbar objektive Verbindungen der Vorstellungen behauptet, wie etwa im Wahrnehmungsurteil ‚Wenn ich einen Körper trage, so empfinde ich einen Druck der Schwere‘ die objektive Bestimmung des Körpers als Substanz. Allerdings muss man sich auch hier wie bei allen anderen Wahrnehmungsurteilen vor Augen führen, dass es bei ihnen, obzwar sie bei Kants unglücklichen Versuchen konkreter sprachlicher Formulierungen schon mehrere vorausgedachte, objektive Bestimmungen enthalten mögen (aber eine einzig gemeinte gerade noch nicht), eben von diesen zu abstrahieren und auf dieses noch bloß subjektive Moment der Verbindung Acht zu haben gilt. Im vorliegenden Falle geht es um das bloß subjektive Empfinden des Drucks der Schwere, wogegen die Schwere nicht als objektive Bestimmung vom Gegenstande ausgesagt wird, d. h., es wird auch in diesem Urteil keine synthetische Verbindung (hier von Substanz und Akzidenz) im Objekt gedacht, wenn auch ansonsten natürlich schon zwei Objekte in Raum und Zeit gedacht werden. Warum ein Wahrnehmungsurteil auf der Ebene der Wahrnehmung, sprich auf Ebene des bloß Subjektiven bleiben muss und nicht ansatzweise kategoriale Verbindung aussagen darf, wird allein schon daran ersichtlich, dass die Kantische Theorie der Erfahrung – wie schon einige Male deutlich geworden sein sollte – gerade die Vereinigung vieler subjektiver Gemütsbestimmungen in einem Bewusstsein einsichtig machen will. Da diese objektive Vereinigung das eigentümliche Charakteristikum der Kategorien respektive des reinen Verstandes ist, würde jede andere Deutung, die schon auf Ebene des noch wesentlich sinnlichen Vorstellens bereits eine Art kategorialer Verstandeseinheit veranschlagt, Kants Interesse gerade gegenläufig sein. Völlig unstrittig lässt sich zwar
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feststellen, dass im Wahrnehmungsurteil, wenngleich der Gegenstand noch nicht unter Kategorien subsumiert wird, vom Subjekt schon etwas mehr geleistet wird als im unartikulierten, bildhaften Vorstellen durch Einbildungskraft, insofern die bloße subjektive Apprehension – mit Hilfe der bloß logischen Urteilsfunktion – schon gedeutet und als solche diskursiv bewusst wird; dennoch ist nicht einmal die bereits inhaltsbezogene logische Funktion der (unschematisierten) (Substanz-)Kategorie in Anwendung.
5.4 Reflexion nach Funktionen synthetischer und analytischer Einheit des Selbstbewusstseins Inwiefern die objektive Einheit des Selbstbewusstseins jede subjektivempirische Bewusstseinseinheit ausschließt, sollte deutlich geworden sein. Dass mit objektiver Apperzeption auch keine analytische Einheit der Apperzeption gemeint sein kann (die ebenso subjektiven, wenngleich nicht empirischen Charakter besitzt), lässt sich zunächst einmal an dem simplen – und bereits nachgewiesenen – Umstand festmachen, dass Kant ausdrücklich die synthetische Einheit der Apperzeption zum „höchste[n] Punkt“ innerhalb der Transzendentalphilosophie erklärt, „an dem man allen Verstandesgebrauch […] heften muß“ (B 134, Anm. sowie Anm. 67). Die Erkenntnis eines Gegenstands erfordert den bisherigen Ausführungen zufolge die „bestimmte Beziehung gegebener Vorstellungen auf ein Objekt […], in dessen Begriff das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung v er ei n i g t“ (B 137) gedacht wird. Da aber nunmehr alle Vereinigung – dies hat das Kapitel über das reine Selbstbewusstsein sowie der vorangehende Passus über die transzendentale Objektivität gezeigt – „Einheit des Bewußtseins in der Synthesis“ (ebd.) fordert, kann folglich nur die notwendig synthetische Einheit „die Beziehung der Vorstellungen auf einen Gegenstand, mithin ihre objektive Gültigkeit“ bewirken. Dies impliziert notwendig ihre durchgängige Identität, d. h., es ist die Selbigkeit des reinen Selbstbewusstseins in der beständig fließenden Zeit notwendig vorauszusetzen, damit „alles in einer Anschauung gegebene Mannigfaltige in einen Begriff vom Objekt vereinigt“ (B 139) werden kann. In diesem Zusammenhang stellt sich sodann die Frage, welches Unterscheidungskriterium beider Arten des reflektierenden Bewusstseins sich angeben lässt. Denn in Bezug auf die analytische Einheit des Bewusstseins, die bloß im Zusammenhang der Analyse rein-synthetischen Selbstbewusstseins – lediglich en passant, in einem bloßen Nebensatz (vgl. B 133) – thematisch wird, macht Kant zunächst auch eine Art von Identitätsbeziehung geltend, nämlich die „I d en ti t ä t d es B ew u ßt s ei n s i n d i es en V o r s te l lu n g en “ (B 133).
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Auch die analytische Einheit wird hier also scheinbar als selbiges Bewusstsein ausgewiesen, ist sie doch als „dasselbe Bewußtsein […] in vielen Vorstellungen […] enthalten“ (B 136, Anm.).
5.4.1 Zum Unterschied von analytischer und synthetischer Einheit des Selbstbewusstseins Um genauer zu verstehen, inwiefern der analytischen Einheit der Apperzeption tatsächlich Identität zugeschrieben, in welcher Hinsicht sie ihr aber ausdrücklich abgesprochen werden muss; um weiter zu zeigen, worin die Differenz zwischen einer bloß logisch-analytischen und einer transzendentallogischsynthetischen Subsumtion der Vorstellungen unter einen Begriff besteht, gilt es zunächst zu klären, welchen Zweck die analytische – im Gegensatz zur synthetischen – Einheit der Apperzeption erfüllt. Die analytische Einheit des Selbstbewusstseins ist charakterisiert als ein vergleichendes Bewusstsein, das „allen gemeinsamen Begriffen, als solchen, an[hängt]“. Vergleichend ist diese Bewusstseinseinheit insofern, als sie einen Begriff wie etwa „r o t überhaupt“ als eine „Beschaffenheit“ denkt, die „als Merkmal irgend woran angetroffen“ (B 133, Anm.) werden kann, und zwar zusätzlich als „gemeinschaftliches Merkmal“, das „in einer unendlichen Menge von verschiedenen möglichen Vorstellungen“ (B 40) enthalten sein kann. Die Funktion der analytischen Einheit besteht dem Gesagten zufolge darin, gemeinsame Merkmale unterschiedlicher Vorstellungen durch Vergleichung herauszufiltern und ferner in einem Begriff, d. h. in einem „conceptus communis“ (B 134, Anm.) zu vereinigen. Hierbei wird noch keine objektiv-zeitliche Synthesis gedacht, sondern bloß eine subjektiv-synthetische Verbindung (in einem notwendigen Bewusstsein, vgl. auch Anm. 128, 239). Dass sie den Begriffen als solchen anhängt, bedeutet also keineswegs, dass sie die einzelnen Begriffe auch objektiv verbindet (respektive die einzelne Anschauung objektiv unter den synthetischen Begriff subsumiert) und diesen damit so anhängt, wie die vorauszudenkende synthetische Einheit. Im Gegenteil hängt die analytische Einheit den Begriffen als gemeinsamen an, d. h., sie subsumiert verschiedene Vorstellungen unter einen abstrakten Begriff, jedoch bloß analytisch, insofern der Begriff vielen anderen Vorstellungen gemein ist und das Moment der möglichen jeweiligen Verbindung mit verschiedenen anderen Begriffen ausgeblendet wird. Als bloße Merkmalvorstellung ist der gemeinschaftliche conceptus communis, als gleicher und identischer Teilbegriff, damit in vielen Vorstellungskomplexen enthalten. Wie Kant in seinem Spätwerk erklärt, ist ein Begriff analytisch-
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allgemein, wenn dadurch „eines in vielem“ gedacht wird; dagegen synthetischallgemein, wodurch „Vieles in einem als zusammen unter einen Begriff gebracht wird“ (OP, AA 21: 247). Wenn Eines-in-vielem-Denken also analytisch vonstatten geht, dann ist die analytische Einheit zu verstehen als dasjenige Bewusstsein, in dem nur partielle Gleichheit in vielem230 gedacht wird, und zwar in einer abstrakten Vorstellung, die nicht durchgängig bestimmt231 ist. Nun muss eine Vorstellung, „die als v er s c h i ed en en gemein gedacht werden soll“, bevor sie die analytische Einheit des Bewusstseins zum conceptus communis macht, „als zu solchen [Vorstellungen] gehörig angesehen“ werden, die außer ihr noch etwas V er s c h i ed e n e s an sich haben“ (B 133f., Anm.). So muss etwa der Begriff von rot überhaupt als Merkmalvorstellung prinzipiell auf unterschiedliche, je gleiche Vorstellungen, die alle das Merkmal rot enthalten, anwendbar sein. Da diesen Vorstellungen aber noch verschiedene andere Teilvorstellungen zukommen – etwa der Begriff Buch oder Stift –, wodurch erst der spezifische Gegenstand – das rote Buch, der rote Stift – durch Verbindung mit dem Prädikat bestimmbar wird,
|| 230 Vgl. zum Problem des Bewusstseins der Gleichheit in den Vorstellungen Paton 1976, Bd. I, S. 285ff., 201, Anm. 3, sowie S. 513. Paton lässt der analytischen Einheit des Bewusstseins eine Funktion der objektiven Verbindung allein durch Vergleichung mehrerer ähnlicher Dinge zukommen: „Kant’s contention is that thought does more than unite different objects – by methods of analysis and abstraction under concepts of their common characteristics.“ (S. 285) Er intendiert dabei mit der zur analytischen Einheit nötigen synthetischen Einheit fälschlich eine bloß subjektiv-synthetische Einheit, die aber nichts anders als genau diese logische vergleichende Einheit des Selbstbewusstseins ist. Aus diesem Grunde spricht Paton der synthetischen Einheit lediglich die Funktion der Einheit „of different ideas in an intuition“ zu, hingegen ist die analytische Einheit anzusetzen als „the unity which thought gives to different ideas in a judgement“ (S. 288). Eine tiefergehende Auseinandersetzung, allen voran mit der in der Forschung immer wiederkehrenden Verwechslung von synthetischer und analytischer Einheit des Selbstbewusstseins, findet sich im Anhang des Kapitels 5.4.2. 231 Zwar ist, abgesehen vom Begriff des allerrealsten Wesens, in dem eine unendliche Mannigfaltigkeit gedacht wird, kein synthetischer Begriff tatsächlich durchgängig bestimmt, denn lediglich die Anschauung kann eine Mannigfaltigkeit mit einer gegebenen Unendlichkeit von Teilen enthalten (vgl. Refl, AA 18: 130 sowie MAN 04: 481f.) – wenn auch nicht faktisch, da sie als Kontinua potentiell unendlich teilbar sind und es deshalb potentiell unendlich viele Merkmale geben könnte. Jedoch zielt der synthetische Begriff auf durchgängige Bestimmung ab, da er diese Mannigfaltigkeit – sit venia verbo – in den Griff zu bekommen versucht, im Gegensatz zum nach analytischer Einheit gedachten Teilbegriff, der gerade von der Vielzahl der Merkmale abstrahiert und auf die bloße Gleichheit in den Vorstellungen achtet. Der synthetische Begriff unterscheidet sich somit qualitativ von einem conceptus communis. Wie man aber diesen im Begriff angelegten Akt des Begreifens, verstanden im Sinne eines „Determinationsurteils als Reflexionsurteils“, als „Rezeptivität“ (vgl. Kopper 1976, S. 178) bezeichnen kann, leuchtet nicht ein.
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muss eine Teilvorstellung wie rot immer als prinzipiell in möglicher „synthetischer Einheit mit anderen (wenn gleich nur möglichen Vorstellungen) [zusammenstehend] vorher gedacht werden, ehe ich die analytische Einheit des Bewußtseins, welche sie zum conceptus communis macht, an ihr denken kann“ (B 134). Demgemäß sagt ein je und für sich genommenes, bloß nach subjektiver analytischer Einheit gedachtes Merkmal – hier die Farbe rot – nichts über den Gegenstand aus; seine bestimmende Funktion erhält es erst durch die gedachte Verbindung mit anderen Begriffen. Angesichts dieser Tatsache kann es sich bei der durchgängigen Identität des Selbstbewusstseins nicht um ein Identitätsbewusstsein handeln, das in den Vorstellungen liegt, sondern vielmehr um ein solches, in dem alle Vorstellungen liegen. Denn jedes Bewusstsein bloß gleichartiger Vorstellungen setzt wiederum die mögliche Verbundenheit aller dieser je gleichen Vorstellungen mit anderen, verschiedenen Vorstellungen in einem Selbstbewusstsein voraus, widrigenfalls keine ganze Vorstellung bzw. kein ganzes Urteil vom Gegenstande entspringen würde. Dass zum Zwecke der Erkenntnis in jedem Fall ein synthetischer Begriff in Anwendung sein muss, der als ein Bewusstsein der Einheit der Synthesis zu verstehen ist, zeigt bereits „[d]as Wort Begriff […]selbst“, denn es ist „dieses eine Bewußtsein […], was das Mannigfaltige, nach und nach Angeschaute, und dann auch Reproduzierte, in eine Vorstellung vereinigt“ (A 103). Damit ist also jene qualitative Einheit des Bewusstseins „in jedem Erkenntnisse eines Objektes“, d. h. auf Objektseite, ausgedrückt durch die „Einheit des Begriffes, welche man [ebenso wie die Einheit der Apperzeption, C.O.] qualitative Einheit nennen kann, so fern darunter nur die Einheit der Zusammenfassung des Mannigfaltigen der Erkenntnisse gedacht wird, wie etwa die Einheit des Themas in einem Schauspiel, einer Rede, einer Fabel“ (B 114). So gilt für die in Rede stehende Einheit des Themas in einem Schauspiel, dass nicht jeder Akt je für sich genommen (der erste, zweite, dritte, vierte oder fünfte Akt), sondern nur alle Akte im Verbund, d. h. alle zusammen das einheitliche Thema des Schauspiels ausmachen. Während dann in einem nächsten Schritt analytisch der Begriff des Schauspiels aus einer Vielzahl von Theateraufführungen als gemeinschaftliches Merkmal extrahiert und zum conceptus communis, d. i. zum Gattungsbegriff erhoben werden kann, indem etwa von allen Unterschieden verschiedener Aufführungen abstrahiert wird, stiftet der Begriff des Schauspiels als Erfahrungsbegriff, d. h. seiner synthetischen Funktion nach jeweils Einheit in der Mannigfaltigkeit einer bestimmten Theateraufführung, die aus einer spezifischen Zahl von Akten (Darstellern, Kulissen etc.) besteht.
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Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass ein Begriff im eigentlichen Sinne erst zum Erfahrungsbegriff wird, wenn man ihn als eine Funktion der Einheit begreift, durch die „viel Vorstellungen als in einer, und deren Bewußtsein, enthalten, mithin als zusammengesetzt […] angetroffen“ (B 136, Anm.) werden. Denn formal-logisch und „[a]nalytisch werden [nicht verschiedene heterogene, sondern bloß gleiche, C.O.] Vorstellungen u n t er einen Begriff gebracht“, während die ‚Transzendentale Logik‘ lehrt, „nicht die Vorstellungen, sondern die r ei n e S y n th es i s der Vorstellungen auf Begriffe zu bringen“ (A 78/B 104) – was denn bereits Kapitel 4 einsichtig machen sollte – und sie auf Gegenstände der Erfahrung anzuwenden. Während die analytische Reflexion distributiv ein Identisches in den mannigfaltigen Vorstellungen bestimmt, fasst die objektivsynthetische Einheit gerade umgekehrt kollektiv ein sinnlich Mannigfaltiges, das auch verschieden sein kann, in einem Bewusstsein zusammen: Die A l l g e m e i n h e i t des Erfahrungsbegriffs ist aber hier nicht d i s t r i b u t i v wo viel Merkmale einem und demselben Object beygelegt werden sondern c o l l e c t i v d. i. als G e s a m t e i n h e i t zu nehmen welche zur Einheit möglicher Erfahrung verlangt wird, die nun nicht fragmentarisch (der Stoppelung der Warnehmungen) sondern nothwendig als systematisch aus dem Verstande hervorgehend gedacht werden muß. (OP, AA 22: 611)
Damit meine Vorstellungen im Bewusstsein also durchgängig meine sind, reicht es offenbar nicht aus, „jede Vorstellung mit Bewußtsein“ (B 133) zu begleiten. Sie müssen vielmehr in einer objektiven, kollektiv-synthetischen „r e a le[ n ] Einheit“ (OP, AA 21: 24) des Bewusstseins verbunden werden können. Denn nur durch kategoriale Verbindung können meine mannigfaltigen Vorstellungen auch „insgesamt meine Vorstellungen“ (B 135) sein, d. h. alle zusammen und nicht jede für sich mir zugeschrieben werden, wie bereits das Kapitel über die transzendentale Einheit des Selbstbewusstseins gezeigt hat. Um für das Gesagte ein weiteres, in der vorliegenden Untersuchung schon öfter aufgetauchtes Beispiel aufzugreifen: Beim Erzeugen und Bestimmen einer Größe (etwa der Linie) kann ich durch objektiv-synthetische Einheit die je verschiedenen (hier gleichartigen) Teile zur gedachten Einheit der Anschauung zusammenbringen, wodurch ich einen zusammenhängenden, numerischidentischen Gegenstand konstituiere. Die in der Zusammensetzung auch für sich zu betrachtenden je gleichen Teile können freilich auch durch analytische Einheit als identisch begriffen werden, wodurch aber keine zusammenhängende
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Linie bestimmt wird, sondern nur die Teile, insofern sie objektiv voneinander getrennt bleiben.232 Mit den vorangestellten Ausführungen kann nun auch das zum Ende des vorigen Kapitels aufgeworfene Problem aufgelöst werden: Nennt Kant die analytische Einheit fahrlässig „dasselbe Bewußtsein“ (B 136, Anm.), so hebt er damit lediglich auf das Bewusstsein bloßer Gleichheit des immer gleichen Subjekts der Vorstellungen ab, mithin auf die „Identität des Bewußtseins in diesen Vorstellungen selbst“ (B 133), nicht aber auf die Identität desselben Subjekts selbst zu aller Zeit.233 Es handelt sich hierbei also um zwei völlig differierende Arten von Identitätsbewusstsein. Die zur einheitlichen Erfahrung notwendige Identität desselben Bewusstseins wird nämlich nur durch die Identität der Funktion der Synthesis gewährleistet, d. h. durch das Bewusstsein, „daß ich eine [Vorstellung] zu der anderen hinzusetze und mir der Synthesis derselben bewußt bin“ (B 133; vgl. die Ausführungen in Kapitel 3.1). Wie Kant betont, könnte „das Gemüt […] sich unmöglich die Identität seiner selbst in der Mannigfaltigkeit seiner
|| 232 Gemäß der Kategorie der Allheit, nach der „ein Ding mit vielen zusammen einerlei, d. i. eine Größe“ (B 288) ist, werden gleiche Teile vereinheitlicht, weshalb sie nicht distributiv je gleich sind, sondern kategorial zusammengenommen gleich. Erst nach der Verbindung der je für sich Einheit besitzenden Teile zu einem kollektiven Ganzen kann die Gleichheit der einzelnen Teile je für sich untereinander festgestellt werden. „Mein“ bedeutet also letztlich immer insgesamt mein, d. h. nur die Zugehörigkeit der Vorstellungen zu einem Bewusstsein, nicht jedoch eine jede meine Vorstellung. Erst nachträglich kann dann von einer jeden der verbundenen Vorstellungen gleichermaßen „mein“ gesagt werden, so dass folglich alle Rede von analytischer „Meinigkeit“ der Vorstellungen wesentlich keinen begrifflichen, sondern lediglich einen sprachlichen Unterschied darstellt. Denn für andere gedachte analytische Einheiten, die auch nur unter Voraussetzung einer synthetischen als solche möglich werden (wie etwa eine jede der zehn zum Begriff der 10 verbundenen Einheiten nur durch diese Verbindung und nach ihr als je gleichermaßen zur 10 gehörig gedacht werden kann), gibt es schlichtweg kein eigenes Wort, wie dies beim Prädikat „mein“ aber gerade der Fall ist. Mit dieser Feststellung schließen wir uns dem Ergebnis Kugelstadts (2008, S. 417) an. Vgl. ferner Deppermann 2001, S. 133, der zeigt, warum das Begleiten des Selbstbewusstseins, insofern es durch die Zeit mit allen Vorstellungen zugleich ist, zunächst immer auf ein synthetisches Bewusstsein verweist. Dieses Zugleich ist übrigens nicht im Sinne einer Wechselwirkungsbestimmung zu verstehen, sondern besagt, dass die Vorstellungen „in Gemeinschaft (communio) der [reinen] Apperzeption stehen“ (A 214/B 261). 233 Vgl. dazu Sturma 1985, S. 73f. sowie vor allem Dörflinger 2002, S. 20f., der demonstriert, warum unter der Identität des analytischen Selbstbewusstseins nur „die Identität des Selbstbewußtseins in seiner Selbstbezüglichkeit zu verstehen“ ist, „insofern es auch ohne seine Beziehung auf Mannigfaltigkeit gedacht werden kann“ (S. 20). Dies lässt sich dann ebenfalls zu der eben geäußerten Kritik an Paton (vgl. Anm. 230) vorbringen, insofern in einem synthetischen, mithin die zeitliche Synthesis umfassenden Urteil dieser Bezug zum Mannigfaltigen der Anschauung notwendig eröffnet ist.
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Vorstellungen und zwar a priori denken, wenn es nicht die Identität seiner Handlung vor Augen hätte“ (A 108). Ohne diese durchgängige, numerische Identität des Ich denke wiederum würden Vorstellungen in mir, obzwar sie ‚mir‘ immer noch je einzeln subjektiv angehören würden, objektiv getrennt bleiben.234 Nur aufgrund dieser kollektiven Zuschreibbarkeit der Vorstellungen zu einem Selbstbewusstsein machen sie eine Erfahrung möglich. Wenn dagegen „von E r f a h r u n ge n gesprochen wird, so bedeutet das nur die d i s tr i b u ti v e Einheit manigfaltiger Warnehmungen, nicht die c o ll ec ti v e ihres Objects selbst in seiner durchgängigen Bestimmung“ (OP, AA 22: 549; vgl. auch 438). Vor dem Hintergrund des Gesagten lässt sich nun besser einsehen, warum die synthetische Einheit als ursprüngliches Selbstbewusstsein der analytischen Einheit als bloß hinzukommender Funktion eben desselben Verstandes notwendig vorausgehen muss. Abgesehen von dem Umstand, dass der Begriff der numerischen Identität ohnehin nur sinnvoll in Beziehung auf ein Bewusstsein zu denken ist, das von seiner zeitlichen Bezogenheit nicht zu trennen ist (vgl. Anm. 233 sowie Kapitel 3.1), wird die Identität des Bewusstseins der Gleichheit in den Vorstellungen nur dadurch möglich, „daß ich ein Mannigfaltiges i n ei n em B ew u ß ts ei n verbinden kann, […] d. i. die analytische Einheit der Apperzeption ist nur unter Voraussetzung irgend einer s y n th eti s c h en möglich“ (B 133). Meinigkeit der Vorstellungen bedeutet eben nicht – hier sei die Feststellung aus Anm. 232 noch einmal aufgegriffen –, dass ich in ihnen bin,
|| 234 Vgl. Sturma 1985, S. 45 sowie Kugelstadt 2008, S. 414f., der mit Blick auf die „gemeinschaftliche Funktion des Gemüts, [das Mannigfaltige] in einer Vorstellung zu verbinden“ (A 109), völlig richtig erklärt, dass die reine Funktion sowie der konkrete Begriff dem Mannigfaltigen wesentlich synthetisch gemeinschaftlich angehören müssen, da „man keineswegs allgemein sagen [kann], ‚analytisch‘ würden ‚verschiedene Vorstellungen unter einen Begriff gebracht‘.“ Es ist also eine doppelte Subsumtion angesprochen, die einmal synthetisch „Vieles in einem als zusamen“ und auch analytisch „eines in Vielem […] unter einen Begriff“ (OP, AA 21: 247) bringt (vgl. dazu Anm. 241). Es kann die „jeweilige objektive Verbindung aber in einer Apperzeption und deren Einheit […] nur durch kategoriale Verbindung selbst und also nach synthetischer Bewusstseinseinheit zustande[kommen]. Und hier ist die vereinigende Funktion dieses Bewusstseins, wie auch das stehend identische Bewusstsein des Subjekts selbst, den verbundenen Vorstellungen synthetisch gemein“ (S. 414). Vgl. dazu auch Becker 1989, S. 165. Becker scheint den Stellenwert gerade des Bewusstseins in seiner vereinigenden und damit zur Einheit bringenden Synthesisfunktion zu unterschätzen, wenn er dafür plädiert, in der Synthesis keine Handlung zu sehen, die Einheit produziere, da die Synthesis nur vermöge einer solchen Einheit, „die sie ihrer Berechtigung nach möglich macht, vollzogen werden [kann]“. Denn ohne die Handlung der Synthesis wäre, wie gesehen (vgl. Anm. 87), diese Einheit (der Apperzeption) als durchgängig identisches Bewusstsein selbst nicht gewährleistet. Vgl. dazu auch die etwas problematische Darstellung von Hoppe 1983, S. 169f.
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sondern völlig gegenteilig, dass sie in mir sind. Das Ich denke, d. i. die synthetische Einheit der Apperzeption, ist eben das Bewusstsein, „i n w elc h em das Denken allein enthalten ist“ (A 784/B 812). Wie Kant bereits eingangs der ‚B-Deduktion‘ wegweisend erläutert, kommt es nicht in Betracht, „[o]b die Vorstellungen selbst identisch [gleich, C.O.] sind, und also eine durch die andere analytisch könne gedacht werden“, weil das „Bewußtsein der einen […], so fern vom Mannigfaltigen die Rede ist, vom Bewußtsein der anderen doch immer zu unterscheiden“ ist, sondern allein „auf die Synthesis dieses (möglichen) Bewußtseins“ (B 131, Anm.). Dies zeigt weiterhin, warum ein conceptus communis durch logische Reflexion und Komparation nur unter Voraussetzung eines vereinheitlichenden Selbstbewusstseins erzeugt werden kann. Oder noch elementarer, wenn man zunächst von der Verbindung zweier Begriffe in einem Erkenntnisurteil über die Natur absieht, wenn eine Synthesis vorausgedacht wird, die ein heterogenes, aus verschiedenen Teilen bestehendes Mannigfaltiges durch Vereinigung in einem Bewusstsein auf den Begriff bringt: Damit überhaupt von Unterschieden abstrahiert, mithin Gleichheit in den Vorstellungen festgestellt werden kann, muss eine Funktion vorausgehen, kraft deren alle Vorstellungen zusammen einem Bewusstsein zugeschrieben werden können, andernfalls überhaupt nicht klar wäre, welche Vorstellungen tatsächlich mir zugehörten statt vielmehr auch subjektiv getrennt zu bleiben. Es können alle je gleichen Vorstellungen also auch auf dieser subjektiven Ebene der Distribution nur mein genannt werden, insofern sie in einem Selbstbewusstsein schon subjektiv-synthetisch zusammen gedacht werden können. Ferner kann jede Abstraktion und Komparation hin zum empirischen Gattungsbegriff – strukturell gesehen – erst nach der Gegenstandskonstitution stattfinden, wozu die Verbindung mehrerer Begriffe zu einem Urteil erforderlich ist. Denn bei der Bildung von gemeinschaftlichen Begriffen handelt es sich vornehmlich um die Abstraktion von den Unterschieden der Vorstellungen von Gegenständen, die allererst gemacht werden müssen. Ohne vorausgedachte Verbindung kann also wesentlich keine Analysis hin zum empirischen Gattungsbegriff stattfinden. Es gibt allerdings noch eine weitere Stelle, die potentiellen Anlass zur Verwechslung der analytisch-distributiven mit der synthetisch-kollektiven Einheit des Selbstbewusstseins bietet und jene analytische Einheit fälschlich für ein Vermögen der Verbindung von verschiedenen Vorstellungen in einem Urteil zu halten. Es handelt sich um einen Passus im richtungsweisenden „LeitfadenKapitel“, in dem Kant bekundet:
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Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen i n e i n e m U r t e i l e Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen i n e i n e r A n s c h a u u n g Einheit, welche allgemein ausgedrückt, der reine Verstandesbegriff heißt. Derselbe Verstand also, und zwar durch eben dieselben Handlungen, wodurch er in Begriffen, vermittelst der analytischen Einheit, die logische Form eines Urteils zu Stande brachte, bringt auch, vermittelst der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen in der Anschauung überhaupt, in seine Vorstellungen einen transzendentalen Inhalt, weswegen sie reine Verstandesbegriffe heißen, die a priori auf Objekte gehen, welches die allgemeine Logik nicht leisten kann. (A 79/B 104f.)
Das schließende also besagt hier nicht einfach, dass „dieselbe Funktion“ des Verstandes einmal als analytische Einheit für die Einheit in einem Urteil zuständig ist, während die synthetische Einheit lediglich für die – unmittelbar zuvor behandelte – Einheit der reinen Synthesis, d. i. die reine Synthesis der Einbildungskraft auf einen Begriff gebracht, reserviert bleibt. Sondern es verdankt sich alle Verbindung und alle Gegenstandsbeziehung, sowohl in einem Urteil als auch in der reinen Synthesis der Einbildungskraft, eben derselben Funktion des objektiv-synthetischen Verstandes – auch wenn das Urteil allenfalls vermittelst analytischer Einheit zunächst im bloßen Begriffsvergleich zustande kommen mag. Wenn bereits zu Beginn und in der Folge die logische Urteilsfunktion von der logischen Funktion als der synthetischen Verbindungsfunktion des reinen Verstandesbegriffes abgegrenzt wurde, dann hat dies seinen Grund explizit im Folgenden: Jede logische Urteilsform gründet ursprünglich in der Möglichkeit einer transzendental-synthetischen Reflexion in einem Urteil über ein Objekt. Dabei verwandelt sich die bloß logische Form in einem Urteil, welche allerdings durch analytische Einheit bedingt ist, durch „dieselbe Funktion“, d. i. die synthetische Funktion des Verstandes in Form der vorauszudenkenden reinen Synthesis, zu einem transzendental-synthetischen Urteil – welches dann ebenfalls als durch synthetische Einheit bewirkt zu denken ist – über ein Objekt.235
|| 235 Ganz in diesem Sinne betont Körsgen (1984, S. 86) die zwei unterschiedlichen Funktionsweisen ein- und derselben Synthesisfunktion, erstens als „Synthesis des Mannigfaltigen in der Anschauung“, zweitens als „Synthesis verschiedener Begriffe im Urteil“. Körsgens Darstellung ist jedoch zu allgemein, so dass auch die Unterscheidung von formaler und transzendentaler Synthesis bei ihm relativ unterbestimmt bleibt. Als formale Synthesis kann nämlich genauso gut die reine Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung gelten, da sie unabhängig von der Erfahrung – und der konkreten Materie als Gegenstand der Empfindung – die Zeit strukturiert. Diese reine Synthesis aber nicht als bloß formale anzusehen hat seinen Grund darin, dass Raum und Zeit ein reines, zu bestimmendes Mannigfaltiges darbieten, was auch – so schlagen wir vor – durch den Ausdruck der formalen Materie verständlich gemacht werden kann. Innerhalb der reinen Synthesis kann also unterschieden werden zwischen Materie einerseits, inso-
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Man kann es auch so formulieren, dass der Verstand im Akte des Synthetisierens, sowohl in der reinen Synthesis als auch dem damit verbundenen Urteil auf die bloß logischen Urteilsformen zurückgreift respektive diese in seine synthetischen Tätigkeiten mit einbezieht, um der objektiven (zeitlichen oder unzeitlichen) Synthesis gleichsam ihr formales Gerüst, ihre logische Basis in einem Urteil zu geben. Da alles Denken immer auch Urteilen ist, fallen in der reinen Synthesis die bloß formale Synthesis (im logischen Urteil) und reine, zeitbezogene Synthesis zusammen, sprich: die logischen Urteilsformen fließen immer in die reine Synthesis bzw. in jede Art der inhaltsbezogenen Reflexionen mit ein.236 Damit wird sodann die gegebene Materie, bzw. der Inbegriff der Erscheinungen, die „den Stoff zur äußeren Erfahrung ausmachen“237 (A 157/B 196), zur Materie des Erfahrungsbegriffs bzw. des Erfahrungsurteils, insofern durch das Hinzudenken des transzendentalen Gegenstandes das Objekt der Erfahrung bestimmt wird: Sind bloße Anschauungen reine oder empirische ohne Begriffe a p r i o r i zur synthetischen Erkenntnis hinreichend? Nein ohne s y n t h e s i s a p r i o r i und den Begrif des Zusammengesetzten aus dem Mannigfaltigen dieser Anschauung wäre kein Urtheil a p r i o r i möglich. Denn die Einheit des Bewustseyns welche zu jedem Urtheil erforderlich ist und zwar des Bewustseyn in einer s y n t h e s i s a p r i o r i wird zu einem solchen Urtheil erfordert und diese Begriffe sind die c a t e g o r i e n welche allererst mit den Anschauungen und nicht ohne sie folglich nicht als bloße Categorien Erkentnis geben. (FM/Lose Blätter, AA 20: 340)
Ohne die Möglichkeit zu synthetischen Urteilen, in denen ein sinnlicher Gegenstandsbezug hergestellt wird, würden daher auch die logischen Urteilsformen, aber auch die Kategorien als reine Verstandesbegriffe, keine Geltung, d. i. ob-
|| fern jene zeitbezogen ist und die Bestimmung der formalen Materie beabsichtigt, und Form andererseits, weil die reine Synthesis zum einen die Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung ist und damit jeder empirischen Synthesis zugrunde liegt, zum anderen sich aber auch der bloß formalen Urteilsstruktur bedient. Auch für die bloße Kategorie gilt, dass sie per se die bloße Form des Denkens beschreibt, obgleich sie unter Zeitbedingungen gedacht einen materialen, d. h. sinnlichen Inhaltsbezug bekommt. Somit fließt die Zeitlichkeit in die Kategorie mit ein, ohne dass die Kategorie dadurch selbst erscheinen würde. 236 In diesem Sinne spricht Aportone (2009, S. 335f.) davon, dass „die Kategorien Begriffe der Einheit der Synthesis der Erscheinungen [sind] in bezug auf die Funktionen zu urteilen“ (Hervorh. C.O.). 237 Vom Stoff zur Erfahrung spricht Kant an einigen weiteren Stellen, etwa in Refl, AA 16: 584; OP, AA 22: 321 oder in OP, AA 21: 595, wo Kant sehr passend erklärt, das „Gantze der Sinnenvorstellungen [mache] den Stoff zu Einer möglichen Erfahrung aus“.
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jektive Gültigkeit besitzen.238 Dies gilt, wie gesehen, ebenso für analytische Urteile, in denen eine bloß formale Gegenstandsbeziehung gedacht wird (wie in
|| 238 Vgl. dazu Caimi 2000, S. 279f., der den „transzendentalen Ursprung der logischen Formen der Urteile“ (S. 280) hervorhebt, da wir ohne die „synthetischen Handlungen (weiter: ohne die Trennung von Sinnlichkeit und Spontaneität, ohne die daraus folgende Notwendigkeit einer Wiedervereinigung) […] selbst auf die Verknüpfungsbegriffe der formalen Logik nicht gekommen [wären]“ (S. 279, Anm.). Vgl. dazu auch Heidegger (1998, S. 56f.) sowie die völlig gegenteilige Position Strawsons (BS, 80ff.), der vor dem Hintergrund der von ihm negierten Synthesistheorie zwangsläufig zu dem reichlich übereilten und der eigentlichen Problemstellung nicht gerecht werdenden Ergebnis kommen muss, dass die Gewinnung der Kategorien sich einer Ableitung „aus den Formen des Urteils“ verdankt, in die jedoch „keinerlei Vertrauen“ (S. 115) zu setzen ist. Dagegen vgl. man jedoch die elaborierte Untersuchung Michael Wolffs (1995), der mit einer Reihe von Vorurteilen über die Kantische Logik aufräumt. Wolff rekonstruiert zum einen überzeugend den Kantischen Beweis für die Vollständigkeit der Urteilstafel, wobei er zugleich deutlich macht, dass die logische Urteilstafel notwendig ist „schon für die vollständige Entdeckung der Verstandesfunktionen, auf denen die Kategorien beruhen“ (S. 189); zum zweiten zeigt er, dass Kant die Logik des allgemeinen Verstandesgebrauchs nur als ein begrenztes Teilgebiet der Logik erachtet und damit keineswegs beansprucht, die gesamte Logik abzudecken (vgl. insbesondere S. 202). Dabei macht Wolff insbesondere auf den Umstand aufmerksam, dass Kant mit der Schaffung einer transzendentalen Logik eine neuere Logik entwirft, nämlich eine solche, die gegenstandsbezogen ist und über die bloß formale Logik hinausgeht. Dadurch systematisiere, so Wolff, Kant zugleich auch diese allgemeine Logik (S. 241), ohne jedoch beide Logiken zu konfundieren. Dies wiederum ist ein Vorwurf, den sich moderne Logiken wie die Freges gefallen lassen müssen, weil sie die bloß formale Logik schon danach beurteilen, ob die in ihnen verwendeten Begriffe inhaltserfüllt sind bzw. ob die Urteile schon bestimmten Wahrheitsbedingungen unterliegen (vgl. vor allem S. 307). Letzteres ist eine sehr entscheidende Aussage, trifft z. B. die Prädikatenlogik bereits Existenzaussagen (die für Kant erst Gegenstand der transzendentalen Logik wären) wie etwa den Satz: „Es gibt mindestens ein Ding, für das gilt: es ist ein Lebewesen“ (formalisiert: ∃χ Lχ). Völlig richtig erklärt auch Körsgen (1984, S. 95), dass es eine „Entdeckung der Transzendentalphilosophie sei“, dass aufgrund einer synthetischen Funktionsweise „Begriffe als Elemente des Erkennens überhaupt in logische Verhältnisse treten können“. Sehr präzise ist auch bei Heidemann (2004, S. 213) nachzulesen, dass „die Kategorie über die Urteilsfunktion hinaus[geht], indem durch ihre Anwendung auf der logischen Grundlage von jener der konkrete Inhalt einer gegebenen Anschauung in der Erkenntnis mitberücksichtigt wird“. Bubner (1986, S. 33) betont ebenfalls, dass erst die „Einheit der verknüpften Vorstellungen als solche […] den eigentümlichen Inhalt des Urteils“ ausmacht. Vgl. dazu auch Aportone 2009, S. 127ff., der das sogenannte Leitfadenkapitel für die Entdeckung der Kategorien und dabei ebenfalls den Zusammenhang und die wechselseitige Bedingtheit von formaler und transzendentaler Logik untersucht. Seinem Befund von der Selbständigkeit der Urteilsformen (vgl. S. 197ff., insbesondere auch S. 214ff.) gegenüber der transzendentalen Logik stimmen wir voll und ganz zu: „Die formale Logik entdeckt die Form der möglichen Beziehungen zwischen den Gedanken (bzw. Sätzen), d. h. die allgemeinen Gesetze des Denkens, und formuliert infolgedessen Regeln, welche einen Aspekt der systematischen Einheit der Vernunft, die dem Kategorialen gleichursprünglich ist, darstel-
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den Urteilen ‚Gott ist allmächtig‘, ‚Die Substanz ist der Träger von Akzidenzien‘, ‚Alle Körper sind ausgedehnt‘ etc.).239 Angesichts dieser Befunde muss daher die analytische Einheit, insofern sie keine Vorstellungen im Objekt verbindet, strenggenommen auch zur subjektiven Einheit des Bewusstseins gerechnet werden, die bereits unter Benennung einer empirischen Einheit des Selbstbewusstseins thematisch gewesen ist – jedoch mit dem Unterschied, dass die analytische Einheit überhaupt keinen Bezug zur Zeitlichkeit aufweist und als bloß logisch komparative Tätigkeit in der Immanenz des Denkens verweilt. Sie liegt allen Wahrnehmungsurteilen zugrunde, insofern sie bloße Gleichheiten bemerkt durch einen Vergleich mehrerer beobachteter Fälle (etwa: ‚Wenn ich auf einer Wiese stehe, habe ich eine GrünWahrnehmung‘). Als notwendige – hier nicht thematische – analytische Einheit freilich gehört sie zu den Funktionen des reinen Verstandes, insofern sie Gleichheit für alle Fälle aussagt, in Form des allgemeinen Urteils (‚Alle S sind P‘ = ‚Ein jedes S ist P‘). Bevor im folgenden Abschnitt die Gemeinsamkeiten synthetischer und analytischer Reflexion beleuchtet werden, gilt es schlussendlich noch auf einen
|| len. Dieses Unternehmen ist aber analytisch, setzt also die synthetische Einheit unserer Erkenntnisse [die gedachte Verbindung bzw. Einheit im Objekt durch die Verbindungsfunktion des reinen Verstandesbegriffs [C.O.], oder – wie es Aportone (S. 216) formuliert – „die Kategorie als die Funktion in der objektiven Synthesis der Erkenntnisse“] voraus, worüber die transzendentale Logik aufklären muß. Einerseits bekräftigt Aportone die wechselseitige Abhängigkeit von Logik und Transzendentalphilosophie. Diese hat, wie jedes stimmige Denken, den Regeln der formalen Logik, die keine transzendentalen Prinzipien sind, zu folgen. Andererseits aber wäre keine Logik ohne die vorhergehende erkennende Verstandeshandlung, die reine Verstandesbegriffe in der Synthesis der Erkenntnisse gebraucht, möglich. Die formale ist für die Darstellung der transzendentalen Logik notwendig, diese erklärt aber die Bedingungen der Möglichkeit jeder Erkenntnis, und so auch der formalen Logik.“ Einzig in einem Punkt ist Aportone ein wenig zu korrigieren, da die formalen Urteilsstrukturen, insofern sie innerhalb der transzendentalen Reflexion respektive der transzendentalen Synthesis allerdings zu Bedingungen möglicher Erfahrung werden. Auf den Objektivitätsaspekt des Urteils weist auch Henrich (1976, S. 25ff.) hin, freilich ohne die Beziehung zur logischen Funktion des reinen Verstandesbegriffes respektive den voll schematisierten Kategorien ausführlich zu thematisieren. 239 Auf den Umstand, dass alle Urteile als Begriffsverbindungen, mithin auch analytische Urteile, synthetischen Charakter haben (wenn auch nur subjektiven), weist mit Recht auch Heidegger (1998, S. 15, auch S. 28) hin: „Nun ist jedes Urteil als solches schon ein ‚ich verbinde‘: nämlich Subjekt und Prädikat. Als Urteile sind auch die ‚analytischen‘ Urteile schon synthetisch, wenngleich der Grund der Einstimmigkeit der Subjekt-Prädikat-Verbindung lediglich in der Subjektvorstellung liegt.“ Dass objektiv-analytische Urteile subjektiv-synthetisch sind, diskutiert in ähnlicher Weise auch Tuschling (1981) mit Blick auch auf den eigentümlichen Charakter bloß logischer Urteile.
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wichtigen Punkt aufmerksam zu machen, der vielleicht bei den vorigen Analysen nicht explizit deutlich geworden sein könnte: Wenn davon gesprochen wurde, dass Kategorien sowohl ihrer logischen Funktion nach als reine Verstandesbegriffe als auch ihrer schematisierten Funktion nach als verzeitlichte Kategorien objektiv-synthetische Einheit vorstellen, mithin durch sie eine veritable Verbindung im Objekt gedacht wird – sei dies in Bezug auf die Erscheinung oder in Bezug auf ein bloß gedachtes Objekt –, dann soll diese objektiv synthetische Einheit nicht sofort mit synthetischen Urteilen a priori/a posteriori gleichgesetzt werden.240 Denn im Falle des reinen Denkens „erfordert man“
|| 240 Dies zu betonen ist deshalb so entscheidend, da man ansonsten wie Ros (1991) tatsächlich Gefahr läuft, die gänzliche „Relativität der Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Urteilen“ (S. 161) in Aussicht zu stellen. Ros geht von der „Perspektivengebundenheit aller Urteile“ aus, so dass „Urteile mit demselben propositionalen Gehalt für einen Sprecher analytisch und für einen anderen synthetisch sein können“ (ebd.). In diesem Zusammenhang diskutiert Ros auch Kants Unterscheidung von essentialia und attributa (vgl. ÜE, AA 08: 229ff.). Beides sind notwendige Prädikate (ad essentiam pertinentia), weil sie zum Wesen, d. i. zur „inneren Möglichkeit des Begriffs“ gehören, die somit „alle Sätze, die a priori gelten, enthalten müssen. Darin will Ros nun einen Widerspruch dergestalt erkennen, dass in synthetischen Sätzen das Prädikat gerade nicht notwendig im Urteilssubjekt liegt (vgl. S. 164). Ros übersieht bei seiner Erklärung freilich mehrere Dinge: Zwar ist es richtig, dass empirische Begriffe nie in festen Grenzen eingebunden sind und von daher der Begriffsinhalt variieren kann, so dass es tatsächlich darauf ankommt, was derjenige, der den Begriff denkt, analytisch damit verbindet oder nicht; jedoch gilt dies für apriorische, mithin notwendige Urteile gerade nicht (vgl. die Ausführungen zur Wahrheit und Falschheit transzendentaler Grundsätze auf S. 195f.). So liegt der Begriff der Beharrlichkeit des Realen zwar nicht im Begriff der Substanz und ist dergestalt kein (notwendiges) essentiale des Substanzbegriffs (wie alle essentialia, die als solche den vom Subjektbegriff untrennbaren und durch analytische Urteile explizierbaren Begriffsinhalt darstellen), allerdings ein (notwendiges) Attribut, das mit dem Subjektbegriff zu einem synthetischen Urteil verbunden werden soll. Insofern es erst verbunden werden muss, ist es ein notwendiges synthetisches Attribut, weil es „durch keine Analysis aus [dem Begriff des Ich] (nach dem Satze des Widerspruchs) gezogen werden“ (ÜE, AA 08: 229, vgl. auch Anm. 178) kann. Die Notwendigkeit des Urteils besagt demnach noch lange nicht, ob das Prädikat selbst auf analytischem Weg nach dem Satz des Widerspruchs oder auf synthetischem Wege – mit Bezug zur Anschauung – dem Subjekt hinzugefügt wird. Ros geht also fehl in der Annahme, dass Notwendigkeit immer schon ein analytisches Enthaltensein im Subjektbegriff aussagt, denn die Notwendigkeit ist nur Ausdruck des apriorischen Charakters des Urteils. Er sitzt damit einem ähnlichen Fehler auf wie der von Kant kritisierte Eberhard, nämlich die Distinktion von analytischen und synthetischen Sätzen in Gänze zu relativieren: „Wenn es also von einem Satz heißt: er habe zu seinem Prädicat ein Attribut des Subjects, so weiß niemand, ob jener analytisch oder synthetisch sei; man muß also hinzusetzen: er enthalte ein synthetisches Attribut, d. i. ein nothwendiges (obzwar abgeleitetes), mithin a priori kennbares Prädicat in einem synthetischen Urteil.“ (ÜE, AA 08: 229f.) Auch Bennetts Analsye (1966, S. 4ff.) greift zu kurz, wenn er die Nicht-Eindeutigkeit synthetischer und analytischer Urteile deklariert. Dass die
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bekanntlich, „einen abgesonderten [reinen Verstandes-]Begriff s i n n li c h z u m ac h e n , d. i. das ihm korrespondierende Objekt in der Anschauung darzulegen, weil ohne dieses, der Begriff (wie man sagt) ohne S i n n , d. i. ohne Bedeutung bleiben würde“ (B 299). Bleibt es beim reinen Denken der Kategorie ohne entsprechenden Zeitbezug, wie im Falle analytischer Urteile der oben geschilderten Art, so denkt man also objektiv-synthetische Verbindung, allein daraus resultiert kein synthetisches Urteil, in dem die Kategorie um ihr Schema erweitert gedacht wird. Es muss also bei jeder gedachten Synthesis gesondert betrachtet werden, ob die objektive Synthesis auch zu objektiv-zeitlichen (und objektivgültigen) synthetischen Urteilen führt, die gedachte synthetische Einheit folglich eine unter Zeitbedingungen stehende ist, oder eben nicht.
|| Unterscheidung der beiden Urteilsarten nicht variabel oder willkürlich ist, zeigt schon White Beck (1955/56) mit seinem Aufsatz, auch in Hinblick auf den synthetischen Charakter der zu konstruierenden mathematischen Begriffe. Seiner Feststellung, dass Kategorien im Gegensatz zu empirischen Begriffen überhaupt nicht wie diese durch die Definition festgelegt werden müssen, da sie als reine Verbindungsfunktionen schon festgelegt und somit „not susceptible to experiental modification“ (S. 175) sind, schließen wir uns ausnahmslos an. Dass der Gehalt analytischer Urteile auch derjenige empirischer Begriffe sein kann und damit „die Frage nach dem Ursprunge der Begriffe, die in ihnen verbunden werden, gleichgültig“ ist, verdeutlicht Seebohm (1971, S. 210), wohl mit Blick auf Kants Aussage in den Prolegomena, es bedürfe „keiner weitern Erfahrung“ (Prol, AA 04: 267) neben dem zu zergliedernden empirischen Begriff: „Entscheidend ist allein die Form des Verhältnisses der Begriffe zueinander.“ (ebd.) Dagegen kommt es für die Frage nach dem Gehalt synthetischer Sätze sehr wohl darauf an, woher die Begriffe entstammen, ob aus Erfahrung oder ob sie a priori gegeben sind. Dies zeigt etwa Tuschling (1981, S. 325), indem er Kants Disjunktion, wonach der Gegenstand die Vorstellung oder dieser den Gegenstand möglich mache, völlig richtig – im Sinne eines ausschließenden ‚Oders‘ – als ein tertium non datur wertet, das alternativlos ist. Reine Begriffe wie die Kategorien können als Ermöglichungsgrund von Erfahrung eben nicht dieser entstammen, ihr Begriffsinhalt daher auch nicht variieren, so dass hier immer nur die Frage nach der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori thematisch werden kann. Ist einmal gezeigt, wie sie möglich sind, wird nicht dadurch, dass ich das passende Schema für die Kategorie gefunden und fortan ein Wissen von dieser notwendigen Verbindung habe, die Beziehung zwischen beiden (Kategorie und Schema) selbst analytisch, sondern es kann diese Verbundenheit von reiner Kategorie und Schema (in der Mathematik von zu konstruierendem Begriff und konstruierender Darstellung in der Anschauung) immer nur eine sein, die sich in einem synthetischen Urteil a priori darstellen lässt. Andernfalls wäre der Unterschied zwischen analytischen und synthetischen Sätzen, wie Tuschling zu Recht bemerkt, „wenn nicht überhaupt hinfällig, so doch entscheidend relativiert“ (ebd., S. 306).
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5.4.2 Zwei Momente der Reflexion: synthetische und analytische Subsumtion, Gemeinsamkeit synthetischer und analytischer Einheit der Apperzeption Trotz aller Unterschiede zwischen analytischer und synthetischer Einheit der Apperzeption, lässt sich positiv feststellen, dass ein Begriff ganz offenbar immer zwei unterschiedliche Momente beinhaltet, ein analytisches und ein synthetisches, die sich beide einer Reflexion des Verstandes verdanken: „Das Analytisch Allgemeine“, welches logisch „durch Abstraktion“ vermittelst subjektivanalytischer Einheit, sowie das „synthetisch//allgemeine“, das kategorial „durch Aggregation“ vermittelst objektiv-synthetischer Einheit der Apperzeption „hervorgebracht“ (OP, AA 21: 237) wird.241 Man kann die beiden unterschiedlichen Subsumtionen, wodurch analytisch „eines in Vielem“, synthetisch „Vieles in einem als zusamen“ nämlich „unter einen Begriff gebracht wird“ (OP, AA 21: 247, vgl. Anm. 234), anhand eines aufgeklappten Fächers im analytischen Fall und einer geschweiften Klammer im synthetischen veranschaulichen:242 Ausgehend von einem Begriff, unter dem auf einer horizontalen Ebene liegend einzelne – noch unverbundene – Vorstellungen oder Gegenstände anzusiedeln sind, werden im Falle analytischer Subsumtion partial gleiche Vorstellungen, z. B. von Einsen, unter den gemeinschaftlichen Begriff der „Eins“ gebracht. Dies ist ein Wiedererkennen bloßer || 241 Vgl. dazu Kugelstadt 2008, S. 410f., der zeigt, dass die analytische, logische Reflexion „in Absicht auf die analytische Einheit des conceptus communis als empirischen Gattungsbegriffs nach dem Prinzip der Urteilskraft“ verfährt, wobei „gegebene Vorstellungen von Objekten untereinander auf analytische Einerleiheit als bloße Gleichheit in vielem hin verglichen werden, indem sie mit der Funktion des allgemeinen Urteils, einer Funktion der analytischen Einheit, zusammengehalten werden (logische Komparation und Reflexion [im engeren Sinne, C.O.])“ (S. 410). Dagegen findet in der synthetischen, kategorial-bestimmenden Reflexion durch bestimmende Urteilskraft eine solche Überlegung der Art der Verbindung in einem Bewusstsein statt, dass die Erscheinungen „aufs Neue untereinander, und zwar gerade durch Zusammenhalten mit der passenden dabei vereinigenden Kategorie des Verstandes, zusammengehalten und im Erfahrungsbegriff eines Objekts nach objektiv-synthetischer Einheit des Bewusstseins verbunden“ (S. 411) werden. Sowohl im analytischen als auch im synthetischen Fall der Verstandesreflexion finden sich also beide Momente von „R ef l e c t i r e n (Überlegen)“ überhaupt realisiert, nämlich ein Vergleichen und Zusammenhalten gegebener Vorstellungen untereinander und zugleich „mit seinem Erkenntnißvermögen“ (EEKU, AA 20: 211). 242 Die zugrunde liegende Idee zu diesen Ausführungen stammt von Kugelstadt 2008, S. 412ff., sowie ders. 1998, S. 99, Anm., 124, 130, 171, Anm., 230, Anm., 246ff., 259ff. Am Beispiel objektiver Sukzession vorgeführt: Beim Aufeinanderfolgen zweier Zustände ist das „Synthetische daran […] das Zusammenhalten der beiden Zustände selbst in ihrer Zeitfolge untereinander (a+b) vermittelst der dabei gleichsam ‚verklammernden‘ Kategorie. Das Analytische aber ist dasjenige, das ausmacht, daß jenes immer auf gleiche Weise möglich sei“ (S. 130).
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Gleichheit, denn alle auf der Ebene liegenden Einsen sind je gleichermaßen Eins; sie weisen jedoch noch keine objektive Verbindung untereinander auf. Dagegen fasst die synthetische Subsumtion diese je einzelnen, getrennten Vorstellungen auch objektiv zusammen und erzeugt daraus eine gewisse Menge. Man stelle sich hierbei eine nach unten geöffnete, geschweifte Klammer vor, welche die einzelnen Vorstellungen in bzw. unter einem synthetischgemeinschaftlichen Begriff, etwa der Zahl „Zehn“, vereinigt. Nicht eine jede einzelne der zehn Einsen, sondern nur „alle zusammen“ machen den Begriff „Zehn“, mithin die kollektive Einheit des Begriffs aus. Im Falle kategorialer Subsumtion sind also die mannigfaltigen Vorstellungen und der Begriff „mit einander s y n t h e ti s c h verbunden, d. h. nicht nach der Regel der Identität logisch sondern transscendental“ (OP, AA 22: 92) – man erinnere sich hier an das zuvor gebrachte Bsp. des Linienziehens bzw. ihrer Bestimmung. Um noch ein anderes Beispiel – stellvertretend für die Kategorie der Substanz respektive der Gemeinschaft von Substanzen – für die in Rede stehende synthetische Subsumtion zu geben: Bei einem Segelschiff machen nicht die je einzelnen Teile, d. h. der Rumpf, das Heck, der Bug, das Deck, die Kajüte, die Masten, die Segel und das Beiboot je für sich das Schiff aus, sondern nur alle zusammen und synthetisch-gemeinschaftlich machen sie die eine Vorstellung, den Begriff des „Segelschiffes“ aus. Dieser Erfahrungsbegriff ist dann wiederum (analytisch subsumierend) – in der Funktion eines empirischen Gattungsbegriffs – auf viele andere, in der Anschauung gegebene einzelne Segelschiffe je gleichermaßen anwendbar.243 Die beiden unterschiedlichen Reflexionen können auch passend anhand allgemeiner Sätze einsichtig gemacht werden. Allgemeine Sätze sind prinzipiell ein Indikator für notwendig analytische Reflexion, insofern der Satz für alle Fälle je gleichermaßen Geltung beansprucht. So besagen auch die Grundsätze wie etwa das später noch thematisch werdende Kausalgesetz, dass eine jede Veränderung nach diesem Prinzip der Verknüpfung bestimmt werden muss; wobei das Gesetz selbst wiederum ein Prinzip der synthetischen Verbindung
|| 243 Die hier am Beispiel der Kategorie der Größe und Substanzen vorgeführte Subsumtion ist dann auch im Wesentlichen das, was vorhin im Zusammenhang transzendentaler Synthesis der Einbildungskraft thematisch wurde: Der Sache nach sind nämlich mit dem transzendentalen Schematismus beide Komponenten für ein gültiges synthetisches Urteil a priori bereits gegeben, nämlich die Kategorie und ihr jeweils synthetisch hinzukommender Verzeitlichungsmodus. Der transzendentale Grundsatz selbst nämlich ist, wie auch Kugelstadt (1998, S. 108) bemerkt, „durch Synthesis a priori, d. h. durch Selbstaffektion gemacht“. Vgl. zum hier dargestellten Subsumtionsverhältnis ferner Paton 1976, Bd. II, S. 68f.
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ausdrückt, nämlich dergestalt, dass für jeden Fall, in dem Veränderung stattfindet, diese nach dem synthetischen Verknüpfungsprinzip von Ursache und Wirkung zu deuten ist. Eine jede Veränderung hat also ihre Ursache, „nicht: alle zusammen“ (Refl, AA 17: 434), wobei der Grundsatz in Form des synthetischen Begriffs der Kausalität eine jede spezifische Veränderung wiederum synthetisch umgreift, mithin bewirkt er in Gestalt einer real kollektiven Einheit eine gegenstandskonstituierende, kategoriale Verbindung, indem er jetzt „alle [Teile der Veränderung] zusammen“ (Refl, AA 17: 434), d. h. den ganzen, durch ein anderes Ereignis zustande kommenden Prozess der Veränderung umfasst und eigentlich versteht.
Anhang: Zur wiederkehrenden Verwechslung von synthetischer und analytischer Bewusstseinseinheit in der Rezeption Es wurde vorhin, im Rahmen einer Differenzierung von notwendig synthetischer und (notwendig) analytischer Einheit des Selbstbewusstseins auf das Problem des Bewusstseins der Gleichheit der Vorstellungen hingewiesen, welches in der Rezeption zu Verwechslungen führt (vgl. Anm. 230), wie im Falle Patons, der fälschlicherweise die analytische Einheit des Selbstbewusstseins zum höchsten Einheitspunkt der Synthesis im Urteil macht. Eine solche These übersieht jedoch, dass ja gerade das vollständige Urteil als eine Verbindung aus Begriffen diese durchgängig synthetische Bewusstseinseinheit voraussetzt, da sie ansonsten nicht in einem Bewusstsein objektiv verbunden zusammenstehen könnten. Zu glauben, die synthetische Einheit sei nur für den Bereich transzendentaler Synthesis der Einbildungskraft geltend zu machen, wohingegen sich jeder Urteilsakt auf bloß analytische Einheit gründe, übersieht den von uns ausführlich dargelegten Umstand, dass bereits auf Ebene der reinen, transzendentalen Synthesis kategoriale Vereinigung stattfindet, sie also unter Bedingungen zeitlich-objektiver Reflexion steht (vgl. S. 111ff.). Auch Baum verwechselt die ursprünglich-synthetische Einheit mit der analytischen (1975, S. 66). Kugelstadt (1998, S. 98, Anm.) macht dagegen zu Recht geltend, dass die analytische Einheit Dinge zwar vergleicht und unter einem conceptus communis zusammenfasst, gleichsam auch in einem Bewusstsein vereinigend, jedoch „nicht objektiv“, da Gleichheit „keine objektive Bestimmung“ ist. Überhaupt bietet Kugelstadt, der mit hohem Problembewusstsein den Unterschied zwischen analytischer und synthetischer Einheit der Apperzeption sowie zwischen analytischen und synthetischen Reflexionsakten herausarbeitet, die wohl innovativste Betrachtung zu diesem Thema. Vgl. Kugelstadt 1998, S. 98ff., Anm., 124,
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160ff., 259ff., 298f. und vor allem Kugelstadt 2008, S. 409–414. Die Untersuchung in diesem Kapitel ist nicht zuletzt deshalb durch die Überlegungen Kugelstadts zu diesem Thema inspiriert worden. Vgl. zu diesem Problemaspekt ebenfalls die prägnante Analyse Dörflingers 2000, S. 159ff., der mit Blick auf die Kategorien und deren Einheitsfunktion feststellt, dass bei ihnen im Gegensatz zu allen anderen Begriffen „nicht von einem Erkenntnisgrund, sondern von einem Erzeugungsgrund die Rede“ (S. 159) ist, d. h. ihnen über ihre formallogische Bedeutung, als Teilvorstellungen in anderen Vorstellungen enthalten zu sein (analytisch), konstitutive (synthetische) Bedeutung zukommt. Aufgrund dessen stellt sich das Verhältnis von transzendentaler (synthetischer) Einheit der Apperzeption zu den Kategorien – mithin der Unterschied von analytischer und synthetischer Einheit, welche letztere Vorstellungen verbindend-begleiten können muss und nicht in ihnen, respektive im Urteil enthalten ist – nicht wie das zwischen Allgemeinem und Besonderem dar (vgl. S. 160); sondern es ist das reine Selbstbewusstsein als das Ganze den Begriffen sowie dem Urteil vorgängig, weshalb es, die Begriffe ermöglichend, „nicht analytisch im Ausgang von den Teilen als solchen her verstanden werden kann“ (S. 161). Den beiden scharfsinnigen Beobachtungen Dörflingers und Kugelstadts steht jedoch nicht nur die fehlerhafte Darstellung Patons entgegen. Schönrich (1981, S. 307) etwa sitzt einem noch viel gravierenderen Missverständnis auf, wenn er behauptet, dass „[j]ede synthetische Verbindung in ihrer Möglichkeit auf der analytischen Einheit“ beruhe. Damit nicht ein „unendlicher Regreß in der Frage nach der Verbindung dieser Verbindung“ entstehe, müsse jede synthetische Verbindung ausgehend von einer analytischen Einheit verstanden werden. Die synthetische Einheit wäre demnach selbst durch eine vorauszusetzende, analytische Einheit hervorgebracht zu denken, mithin eine zusammengebrachte Einheit. Hingegen stellt sich der Begründungszusammenhang im § 16 der ‚B-Deduktion‘ – umgekehrt – gerade so dar, dass jene analytische Einheit des Selbstbewusstseins nur „vermöge einer vorausgedachten möglichen synthetischen Einheit“ (B 133, Anm.) denkbar ist, deren ganzes Wesen im Verbinden mehrerer auch unterschiedlicher Vorstellungen – und seien sie nur subjektiv in einem analytischen Urteil verbunden – besteht und dessen Identität und Einheitlichkeit als ein Bewusstsein eben nur durch Synthesis gesichert wird. Schönrich gerät also selbst in einen Zirkel, da er die Frage nach der durchgängigen Identität des Bewusstseins und die Möglichkeit der Vereinigung aller Vorstellungen in einem Bewusstsein gar nicht zu beantworten vermag, weil er immer wieder die jede Vorstellung für sich bloß begleitende analytische Einheit annehmen muss, welche die Möglichkeit der Vereinigung nicht erklärt, sondern aufschiebt. Die vereinigende Funktion der synthetischen Apperzeption ist dabei
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eben auch nicht mit ihrer Einzelnheit und Einfachheit zu verwechseln, d. h., die transzendentale Apperzeption besitzt vereinigende Funktion von vielem, ohne dabei selbst Vieles zu werden und eine vorhergehende analytische Einheit zu fordern, „[d]enn obgleich das Ganze der Gedanken geteilt und unter viele Subjekte verteilt werden könnte, so kann doch das subjektive Ich nicht geteilt und verteilt werden, und dieses setzen wir doch bei allem Denken voraus“ (A 354) (vgl. die Ergebnisse des Kapitels 3.1). Das Ganze der Apperzeption ist folglich auch nicht in den Teilen enthalten, sondern begleitet diese und ist ihnen vorgängig. Als begleitendes Vehikel muss das Ich denke, wie erneut Dörflinger (2000, S. 179) betont, als „[d]ie vorauszusetzende Vorstellung der Einheit als eine Vorstellung, die dem bloß für sich in seiner Verschiedenheit Verbindungslosen die Verbindung ermöglicht, […] als hinzukommende eigenständig angebbar sein, d. i. anders als in analytischen Verhältnissen des Einen zum unter ihm subsumierbaren Vielen, worin in der Einheitsvorstellung nichts hinzukommen muß und die Verbindung durch die Identität von im Vielen enthaltenen Merkmalen ermöglicht ist“. Auch Klemme (1996, S. 196f.) betont der Sache nach richtig, dass die Fähigkeit des ‚Begleitenkönnens‘ in der ursprünglichsynthetischen Einheit des Selbstbewusstseins begründet liegt.
5.4.3 Synthetische Urteile a priori als das Ergebnis aller Synthesisleistungen des Verstandes. Synthetische Subsumtion unter den Grundsatz Bekanntlich besteht die „eigentliche Aufgabe der reinen Vernunft“ darin zu klären, wie „synthetische Urteile a priori möglich“ (B 19) sind. Insofern diese synthetischen Urteile Grundsätze des reinen Verstandes, d. i. „Naturgesetze […] als Grundsätze des empirischen Verstandesgebrauchs“ (A 159/B 198) und nicht bloß axiomatische Sätze der Mathematik sein sollen, reichen „reine Anschauungen a priori, Raum und Zeit“ (B 73), zu ihrer Bildung nicht aus, sondern es ist dazu eben „ein Drittes“ als „das Medium aller synthetischen Urteile“ (A 155/ B 194) erforderlich. Denn nach dem, was weiter oben im Zuge der Erörterung von philosophischer und mathematischer Synthesis sowie im vorangegangenen Kapitel herausgearbeitet wurde, lässt ein Grundsatz a priori, der weder ein „direktsynthetischer Satz aus Begriffen“, d. i. ein „D o gm a“, noch „ein dergleichen Satz durch Konstruktion der Begriffe“, d. i. ein „ M a th em a“ (A 736/B 764), ist, sich nicht unmittelbar an der Anschauung darstellen. Dieses Medium, als welches das mit der jeweiligen Kategorie zusammenstimmende Schema, die „Bedingung der Zeitbestimmung in einer Erfahrung“ (A 733/B 761), ausgewiesen wurde, ermöglicht nun einen solchen Grundsatz, d. i. „ein synthetisches [und
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diskursives] Vernunfterkenntnis nach bloßen Begriffen“ (A 722/B 750). So heißt es weiter: „Erscheinungen werden nicht unter die Kategorien schlechthin, sondern nur unter ihre Schemate subsumiert werden müssen.“ (A 181/B 223) Dies gilt sowohl zunächst für die Ebene der formalen (vgl. S. 127) als auch für die der empirischen Erscheinungen. Es wurde mehrfach angesprochen (vgl. S. 169, Anm. 115 und 197), warum der ‚Schematismus‘ zwar die „allgemeine Bedingung“ für synthetisch-zeitliche Erkenntnis liefert, indem er durch die apriorische Strukturierung der Zeit die jeweilige „formale und reine Bedingung der Sinnlichkeit“ (A 140/B 179) für die Kategorie bestimmt, jedoch noch nicht die hinreichende Bedingung sein kann, da er nicht zeigt, ob dem Schema auch ein Gegenstand in der möglichen Erfahrung entspricht, der sich unter dieses respektive die verzeitlichte Kategorie subsumieren lässt (vgl. A 148/B 187). Zwar wird im ‚Schematismus‘ gezeigt, wie „Erscheinungen allgemeinen Regeln der Synthesis zu unterwerfen sind“ (A 146/B 185), mithin wie eine Kategorie versinnlicht wird. Aber zur Bildung synthetischer Urteile a priori ist es notwendig, die „formalen Bedingungen der Anschauung a priori, die Synthesis der Einbildungskraft, und die notwendige Einheit derselben in einer transzendentalen Apperzeption“ eben noch „auf ein mögliches Erfahrungserkenntnis überhaupt [zu] beziehen“, damit die Bedingungen möglicher Erfahrung eben auch zu den „Bedingungen der Mö g li c h k ei t d er G eg en s t än d e d e r E r f ah r u n g“ werden, die Kategorien also ihre eigentliche „objektive Gültigkeit“ in „einem synthetischen Urteile a priori“ (A 158/B 197) erhalten.244 Das Beweisziel des Grundsatzkapitels beinhaltet dabei zweierlei Aspekte: Einmal den soeben angesprochenen, einsichtig zu machen, wie eine Kategorie, mit ihrem Schema verbunden (zunächst ein formales synthetisches Urteil a priori), durch ihren Bezug auf einen realen Gegenstand einer möglichen Erfahrung überhaupt ein erfahrungsbedingendes Naturgesetz ergibt. Denn zunächst ist jede Kategorie nur „etwas Allgemeines […], was zur Regel dient“ (A 106), diese aber noch nicht selbst. Aus einer verzeitlichten Kategorie entspringt nun genau dann ein synthetischer Grundsatz a priori im vollen Sinne, wenn „noch eine [weitere, C.O.] Funktion der Urteilskraft“ als das hier gemeinte transzendentale
|| 244 Pippin (1981, S. 162) erklärt in diesem Zusammenhang scharfsinnig, dass der transzendentale Schematismus zunächst nur die Beziehung zwischen reinen Begriffen und Objekten überhaupt bzw. einer Erfahrung festlegen will und noch nicht auf die konkreten einzelnen, darunter zu subsumierenden Erscheinungen achtet, was dann eine Anwendungsfrage darstellt, die empirischer Natur ist. Vgl. zu diesem allen voran Anm. 108 und 198 sowie die Ausführungen La Roccas 1989, S. 153f.
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Schema hinzukommt, „worauf ein [unbestimmter, C.O.] Gegenstand unter [die Kategorie] subsumiert wird“ (A 248/B 304). Und zwar muss dies grundsätzlich eine Funktion der transzendentalen Urteilskraft in ihrem formal-empirischen Gebrauch sein. Dies bedeutet, dass die Urteilskraft darüber befindet, ob sich unter die verzeitlichte Kategorie ein passender, anhand der sinnlichen Anschauung gewonnener Begriff von einem Gegenstand subsumieren lässt. Ist dies der Fall, dann kann die verzeitlichte Kategorie mit dem zweiten apriorischen, doch zugleich empirisch fundierten Begriff zu einem objektiv-zeitlichen, synthetischen Urteil a priori verbunden werden.245 Nun wird auch verständlicher, warum ein Grundsatz a priori niemals „direkt aus Begriffen, sondern immer nur indirekt durch Beziehung dieser Begriffe auf etwas ganz Zufälliges, nämlich m ö g li c h e E r f a h r u n g“ (A 737/B 765), entspringen kann: Der Begriff etwa der Ursache (die Kategorie) kann niemals direkt mit „dem empirischen Begriffe von einer Begebenheit (da etwas geschieht)“, d. i. Veränderung, zu einem synthetischen Urteil a priori, d. i. dem Kausalitätsprinzip246, verbunden werden. Denn da die Kategorie in der Anschauung a priori nicht wie ein reiner sinnlicher Begriff „in concreto“ dargestellt werden kann, muss man zunächst „zu den Zeitbedingungen [d. i. den Schemata] überhaupt gehen“, welche dann vermittelst Urteilskraft „in der Erfahrung dem Begriffe der Ursache gemäß gefunden werden möchten“ (A 723/ B 751, Anm.). Daraus entspringen Grundsätze a priori, deren Gültigkeit bewiesen wird und die damit notwendig vorauszusetzen sind für die künftige Bestimmung eines jeden Einzelfalls (was notwendig analytische Einheit des Bewusstseins aussagt) und damit zur Konstitution einer objektiven Welt. Dieses letztere enthält schon wieder ein neues Moment der Reflexion und begründet das zweite Beweisziel des Grundsatzkapitels: Wird rein formal der
|| 245 Auch in diesem Falle scheint Hossenfelder (1978, S. 163f.) die Komplexität der Thematik zu entgehen, wenn er betont, die Schemate „wären nur als mögliche Realisierungen der Kategorien“ erwiesen, da es noch andere Anschauungen geben könnte, welche die Anwendung der Kategorien gestatten. Dagegen sprechen freilich schon allein die ganze Beweisabsicht der transzendentalen Ästhetik sowie der Umstand, dass im ‚Schematismus‘ gezeigt wird, dass der jeweiligen Kategorie nur eine einzige und genau diese zeitliche Bestimmung entspricht. 246 In Anlehnung an Stegmüller (1960, S. 173ff.) scheint es uns treffender, von einem Kausalitätsprinzip zu sprechen als von dem Gesetz der Kausalität (vgl. A 181/B 232), da spezifische Kausalgesetze Gegenstand der empirischen Wissenschaften sind. Unter Kausalgesetzen versteht man für gewöhnlich Naturgesetze mit „besondere[n] Bestimmungen“ (A 127), wohingegen die philosophische Betrachtung das zugrundeliegende, allgemeine Prinzip dieser besonderen Gesetze zu beweisen versucht. Vgl. auch Höffe 2003, S. 189. Zu einer Kritik an kausalen Theorien der Erfahrung wie dem naiven Realismus vgl. Röd 1991, S. 133ff.
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empirische Begriff überhaupt mit der verzeitlichten Kategorie verbunden gedacht, so muss durch ein „materiales (empirisches) Princip“, nämlich das der „Observation“ (OP, AA 22: 319), welches mithin auf „empirischen Erkentnisgründen“ (OP, AA 21: 82) basiert, der beobachtete Einzelfall nun vermittelst empirischer Urteilskraft unter den Grundsatz subsumiert werden, wobei die Urteilskraft auch hier synthetisch subsumtiv verfährt (entsprechend der transzendentalen Synthesis durch transzendentale Urteilskraft), und nicht bloß analytisch-subsumtiv (gemäß einem bloß logischen syllogistischen Schluss). Wie aber hat man sich diese Applikation der allgemeinen Grundsätze als „Principien a p r i o r i der Annäherung zur Erfahrung“ (OP, AA 21: 76) auf konkrete Einzelfälle genau vorzustellen? Findet sich in der Anschauung ein bestimmter Fall, der sich unter den Grundsatz als dem Prinzip der Exposition subsumieren lässt (bzw. entspricht der verzeitlichten Kategorie eine Erscheinung in der empirischen Anschauung respektive kann diese unter ihr Schema subsumiert werden), dann subsumiert die Urteilskraft in ihrem empirischen Gebrauch eine Erscheinung unter das Schema respektive unter den dem Schema entsprechenden empirischen Begriff. Sie verfährt hier freilich nicht so, dass sie den beobachteten Einzelfall einfach auf schon bestehende Gleichartigkeit hin mit dem Grundsatz überprüft und dann logisch unter die verzeitlichte Kategorie bringt (vgl. dazu A 295f./B 351ff.). Denn jener Einzelfall bzw. die Erscheinung wird erst dadurch, dass der synthetische Grundsatz – sit venia verbo – über ihn bzw. sie gelegt wird, gleichartig mit der Kategorie bzw. dem Grundsatz gemacht, folglich die Erscheinung erst durch diesen Akt synthetisch bestimmt. Im Gegensatz zur transzendentalen Urteilskraft, deren Wesen darin besteht, dass sie die reinen Verstandesbegriffe a priori „schematisiert“ (EEKU, AA 20: 212) und darüber befindet, welches Schema zu der jeweiligen Kategorie passt und diese zu einem formalen Grundsatz a priori sowie die verzeitlichte Kategorie mit einem Begriff der empirischen Anschauung verbindet, sucht die empirische Urteilskraft stets den Fall zur Regel (aptitudo zur Regel). Sie findet den Fall zur Regel, indem sie durch das Beobachten einer gewissen Regelmäßigkeit ein vorläufiges Urteil über einen Sachverhalt in der äußeren Anschauung aufstellt. So bemerkt das Subjekt beim Beobachten einer Begebenheit, dass es sich offenbar um eine Veränderung handelt, die als eine bewirkte Veränderung durch die Subsumtion unter den Grundsatz dann auch als eine objektive erkannt wird. Augenscheinlich wird die im Grundsatz gedachte synthetische Einheit nun ins Empirische transportiert. Im konkreten Einzelfall wird also Verbindung nach synthetischer Einheit bewirkt, indem die einheitsstiftende Regel hinzugedacht und damit das Empirische kategorial strukturiert und zum Fall der Regel wird.
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In ihrer Funktion zu reflektieren verfährt die Urteilskraft, sowohl in ihrem transzendentalen als auch empirischen Gebrauch aber „zugleich bestimmend“ (KU, AA 20: 212) und nicht wie die ästhetische Urteilskraft bloß reflektierend und technisch. Sie versucht nicht, „gegebene Erscheinungen […] unter empirische Begriffe von bestimmten Naturdingen zu bringen“ (KU, AA 20: 213) und zu einem Besonderen ein Allgemeines zu finden, denn damit dies möglich ist, müssen jene Naturdinge allererst durch vorausgehende bestimmende Urteilskraft gemacht werden. Eine transzendentale Regel bzw. die entsprechende Subsumtion unter sie beinhaltet somit folgende Komponenten: Zu Entstehung einer Regel werden d r e y Stücke Erfordert: 1. X. als das d a t u m zu einer Regel (obiect der Sinnlichkeit oder vielmehr sinnliche reale Vorstellung). 2. A. die a p t i t u d o zur Regel oder die Bedingung, dadurch sie überhaupt auf eine Regel bezogen wird. 3. B. der e x p o n e n t der Regel.247 ( R e f l , A A 1 7 : 6 5 6 )
Das hier Gesagte kann anhand eines klassischen Syllogismus verdeutlicht werden: Die Major stellt das Prinzip der Exposition da, während die Minor den Fall zur Regel angibt. Durch synthetische Subsumtion wird der Fall zum Fall einer Regel, d. h. die Erscheinung unter den Grundsatz subsumiert. Dabei muss man sich zwei Dinge vor Augen zu halten: Zum einen, dass der Grundsatz selbst seinem Prinzip nach synthetisch ist und kategoriale Einheit für eine jede entsprechende Erscheinung aussagt. Zum anderen, dass der beobachtete Fall der Regel durch Observation nach empirischer zufälliger Einheit des Bewusstseins zwar gewissermaßen synthetisch umfasst wird, jedoch für sich genommen noch keine kategoriale Einheit enthält, weil letztere nur „in der exposition […], welche ganz was anders als observation ist“, enthalten ist, die Observation hingegen „nichts a priori [mit einem Objekt, C.O.] verbundenes hat“ (Refl, AA 17: 646). Es wäre hier an das bloße Zusammenbringen von Wahrnehmungsteilen durch bloße Funktion des Größenbegriffs zu denken, bei der eine nicht weiter bestimmte, vorbegriffliche Einheit nach Kriterien empirischer Assoziation zustande gebracht würde. Eine Begebenheit, um beim oben genannten Beispiel zu bleiben, würde auf diese Weise einen gewissen Zusammenhang besitzen und könnte weiterhin nach analytischer Einheit des Bewusstseins auf eine gewisse Gleichheit mit anderen ähnlichen Fällen hin verglichen werden. Erst durch syn-
|| 247 Der Exponent der Regel wäre in einem engen Sinne immer die noch unschematisierte Kategorie, soll aber hier, insofern darunter das Prinzip der Exposition verstanden wird, als verzeitlichte Kategorie im weiteren Sinne verstanden werden. Vgl. dazu Aportone 2009, S. 272 sowie zum so vielschichtigen Begriff der Exposition Kugelstadt 1998, S. 85ff., S. 107, ausführlich S. 117ff.
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thetische Subsumtion unter den Grundsatz jedoch könnte die einzelne – und allenfalls durch ein Wahrnehmungsurteil auszudrückende – Beobachtung nach intellektuellen Kriterien des Verstandes dann auch kategorial-reflexiv bestimmt werden. Dies geschieht im Moment der scheinbar analytischen Subsumtion der Minor unter die Major also in Wahrheit wiederum nach Prinzipien synthetischer Einheit, weil erst dadurch die ganze beobachtete Erscheinung respektive das gesamte beobachtete Ereignis seine eigentliche kategoriale Struktur erhält, mithin die observatio nach dem Prinzip des Grundsatzes vollständig bestimmt gedacht wird (was letztlich in der conclusio deutlich wird, da der einzelne Fall unter Prinzipien kategorialer Vereinigung steht, was zum synthetischen Erfahrungsbegriff führt): Die logische Subsumtion eines Begrifs unter einem höheren geschieht nach der Regel der Identität: und der niedrigere Begriff muß hier als h o m o g e n mit dem höhern gedacht werden. Die t r a n s s c e n d e n t a l e dagegen, nämlich die Subsumtion eines empirischen Begriffs unter einem reinen Verstandesbegriffe durch einen Mittelbegriff, nämlich den des Zusammengesetzten aus Vorstellungen des innern Sinnes ist unter eine Categorie subsumirt, darunter etwas dem Inhalte nach H e t e r o g e n e s wäre, welches der Logik zuwider ist, wenn es unmittelbar geschähe, dagegen aber doch möglich ist, wenn ein empirischer Begriff unter einen reinen Verstandesbegriffe durch einen Mittelbegriff, nämlich den des Z u s a m m e n g e s e t z t e n aus Vorstellungen des inneren Sinnes des Subjects, sofern sie den Zeitbedingungen gemäs, a priori nach einer allgemeinen Regel ein zusammengesetztes darstellen enthält welches mit dem Begriffe eines Zusammengesetzten überhaupt (dergleichen jede Categorie ist) homogen ist u. so unter den Namen eines S c h e m a s die Subsumtion der Erscheinungen unter dem reinen Verstandesbegriffe ihrer Synthetischen Einheit (des Zusammensetzens) nach, möglich macht. (Br, AA 12: 224f.)
Es handelt sich also augenscheinlich nicht um einen syllogistischen Schluss, bei dem ein Unterbegriff bloß logisch unter den Mittelbegriff gebracht, mithin eine bloß analytische Subsumtion von höheren und niederen Begriffen gedacht wird (dies wäre gleichsam nur ein bloß Eines-in-Einem- und nicht ein Eines-inVielem-Denken nach analytischer Einheit, woraus erst der gemeinschaftliche Begriff entspringt), sondern um eine transzendentale, synthetische nach dem erklärten Muster. Um dies am Beispiel der Veränderung noch näher zu verdeutlichen: Beobachtet das Subjekt etwa die Ortveränderung eines Schiffes, subsumiert es diesen Fall unter die allgemeine Regel des Kausalitätsprinzips respektive den Exponenten der Regel, wodurch in der Konklusion diese Veränderung als nach Ursache-Wirkung-Prinzipien vollständig bestimmt gedacht wird. Durch die Beobachtung kann nie mehr als die bloße Veränderung festgestellt werden (obschon zumindest der sich verändernde Gegenstand als Substanz bestimmt sein muss, also zumindest eine Art kategorialer Reflexion innerhalb der Obser-
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vation schon stattgefunden haben muss); durch synthetische Subsumtion unter den Grundsatz wird ihr Objektivität erteilt, insofern sie als eine objektivzeitliche und durch eine Ursache bedingte Veränderung, mithin als die aus einer Ursache erfolgende Wirkung begriffen wird. In einem dritten, hier aber nicht näher thematisierbaren Schritt, könnte nach der synthetischen Bestimmung der empirische Gattungsbegriff durch logische Komparation, Reflexion und Abstraktion (vgl. Log, AA 09: 94ff.) gebildet werden, was dann eine Aufgabe speziell für die bloß reflektierende Urteilskraft darstellt (vgl. Anm. 14). Aus dem Gesagten wird zudem ersichtlich, warum die entspringenden Grundsätze immer nur von „empirischem und nicht von transzendentalem [das meint hier: transzendentem, C.O.], d. i. über die Erfahrungsgrenze hinausreichendem Gebrauche“, mithin „i m m an e n t e“ und nicht „transzendente Grundsätze“ (A 296/ B 352f.) sind, weil sie sich immer nur auf den gegebenen Fall in der Wahrnehmung beziehen.248
5.4.4 Einige vertiefende Betrachtungen zum Prinzip synthetischer Subsumtion anhand des Kausalitätsprinzips. Der Status empirischer Begriffe im Grundsatz. Mit dem bisher Gesagten lässt sich dann auch eine weitere Schwierigkeit lösen: Bisher wurde in Hinblick auf den Begriff der Veränderung von einem empirischfundierten Begriff gesprochen. Diese Formulierung verdankt sich dem Umstand, dass Kant selbst nie eindeutig erklärt, welchen Ursprungs der Begriff der Veränderung tatsächlich ist. So ist nicht klar, ob er „völlig a priori“ oder doch zum Teil empirisch ist, mithin, ob das daraus sich ergebende synthetische Urteil „schlechthin rein“ ist und „sich überhaupt keine Erfahrung oder Empfindung einmischt“ (A 11) oder eben doch.249 Zwar erklärt Kant einerseits, dass es „notwendige und im strengsten Sinne allgemeine, mithin reine Urteile a priori“ (B 4) gebe, zu denen er neben den Sätzen der Mathematik eben auch jene Grundsätze der Transzendentalphilosophie zählt. Dergestalt müsste also auch der Begriff der Veränderung, insofern er nicht „irgend etwas Empirisches in sich enthalten“ darf, für sich „völlig rein“ (A 14/B 28) erzeugt werden können. Hingegen erklärt Kant andererseits, die Veränderung enthalte ein empirisches Moment,
|| 248 Vgl. auch A 139/B 178, A 181/B 224, A 262 ff./B 318 ff., A 237/B 296, A 238f./B 298f., A 246/ B 303, A 262 ff./B 318ff., A 286ff./B 342ff. 249 Zum Problem nicht völlig reiner synthetischer Urteile a priori vgl. die einschlägige Untersuchung Cramers Nicht-reine synthetische Urteile a priori von 1985.
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da sie „die Wahrnehmung von irgend einem Dasein, und der Sukzession seiner Bestimmungen, mithin Erfahrung“ (A 41/B 58; vgl. auch B 292) fordere. Ebenso führt er an, dass „die Kausalität einer Veränderung überhaupt ganz außerhalb den Grenzen einer Transzendental-Philosophie“ liege und somit „empirische Prinzipien“ (A 171/B 213) voraussetze.250 Bei aller Uneindeutigkeit scheint es dennoch ausgemacht, dass es sich bei Veränderung um einen Begriff empirischen Ursprungs handelt; es ist dies letztlich doch ein Begriff, „der nur aus der Erfahrung gezogen werden kann“ (B 3), mithin trifft „Veränderlichkeit nur gewisse Bestimmungen der Erscheinungen […], welche die Erfahrung allein lehren kann“ (A 171/B 213). Zumindest ist er nicht „völlig rein“ und muss daher immer mit Beziehung schon zur empirischen Anschauung gedacht werden. So liegt die „Kausalität einer Veränderung überhaupt [d. h. nicht die Kategorie, sondern die Ursache der Veränderung selbst, C.O.] ganz außerhalb der Grenzen einer Transzendental-Philosophie“ (A 171/ B 213). Doch da der Grundsatz für alle Veränderungen überhaupt ohne Unterschied gilt, kann bei der Betrachtung von der einzelnen Veränderung abstrahiert werden, mithin ermöglicht er die Subsumtion besonderer Veränderungen unter ihn: Wie nun überhaupt etwas verändert werden könne; wie es möglich sei, daß auf einen Zustand in einem Zeitpunkte ein entgegengesetzter im andern folgen könne: davon haben wir a priori nicht den mindesten Begriff. Hierzu wird die Kenntnis wirklicher Kräfte erfordert, welche nur empirisch gegeben werden kann, z. B. der bewegenden Kräfte, oder, welches einerlei ist, gewisser sukzessiver Erscheinungen, (als Bewegungen), welche solche Kräfte anzeigen. Aber die Form einer jeden Veränderung, die Bedingung, unter welcher sie, als ein Entstehen eines andern Zustandes, allein vorgehen kann (der [empirische, C.O.] Inhalt derselben, d. i. der Zustand [der konkreten Substanz, C.O.], der verändert wird, mag sein, welcher er wolle), mithin die Sukzession der Zustände selbst (das Geschehene) kann doch nach dem Gesetze der Kausalität und den Bedingungen der Zeit a priori erwogen werden. (A 206f./B 252)
Die Schwierigkeit, den Status eines Begriffs wie den der Veränderung zu bestimmen, lässt sich folglich zumindest prinzipiell beheben, wenn man sich auch hier wieder der Transzendentalphilosophie als einer Abstraktionswissenschaft bewusst wird. Der Begriff der Veränderung ist hier in seiner transzendentalen
|| 250 Wie in Kapitel 4.2.2 im Zusammenhang mit der ursprünglichen Bewegungshandlung festgestellt wurde, gehört die „Bewegung eines Objekts im Raume“, mithin die Bestimmung eines Objekts, „nicht in eine reine Wissenschaft“ (B 155, Anm.). Dies lässt sich nun gleichermaßen für die Veränderung eines Objekts konstatieren.
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Abgezogenheit zu betrachten, worunter jede konkrete Veränderung subsumiert werden kann: x ist das obiect [einer empirischen Anschauung überhaupt, C.O.]. Dieses kann bey der construction a priori gegeben werden, in der exposition aber (welche ganz was anders als observation ist, die nichts a priori mit [einem Realbegriff, vgl. AA 17: 644] a verbundenes hat) können die Bedingungen a priori in dem Subjekt erkannt werden, unter denen a überhaupt sich auf ein Obiect, nemlich ein reales, bezieht. Dieses obiect kann nur nach seinen Verhältnissen vorgestellt werden und ist nichts anders als die subiective Vorstellung (des subiects) selbst, aber allgemein gemacht, denn Ich bin das original aller obiecte. Es ist also die coniugation als function, welche den exponent einer Regel macht. (Refl, AA 17: 646)
Somit zählen auch die ‚Grundsätze‘, und hier sind insbesondere die ‚Analogien der Erfahrung‘ angesprochen, obschon ihnen etwas „Empirisches beigemischt ist“ (B 3), zu den Erkenntnissen a priori, da sie letztlich von „nichts Empirischem abhängen“ (ÜGTP, AA 08: 184; vgl. Anm. 158). Da sie sich nicht auf „die Erscheinungen und die Synthesis ihrer empirischen Anschauung“ beziehen, „sondern bloß das Dasein, und ihr Verhältnis unter einander in Ansehung dieses ihres Daseins, erwägen“ (A 178/B 220f.), können sie zwar nicht „mit mathematischer Evidenz“ bewiesen werden. Allerdings müssen sie es auch nicht, da sie als zur „allgemeinen Naturwissenschaft“ zählend „auf gewisse Grunderfahrungen gebauet“ sind (A 172/B 213) und zeigen, wie „r ei n e V er s t a n d e s b egr i f f e auf Erscheinungen überhaupt angewandt werden können“ (A 138/B 177). Obschon sie immer nur die „bloße Regel der Synthesis desjenigen, was die Wahrnehmung a posteriori geben mag“, liefern und niemals „die Anschauung des realen Gegenstandes a priori […], weil diese notwendig empirisch sein muß“ (A 720/B 748) und empirische Urteilskraft zur Bestimmung erfordert, sind sie trotzdem „einer völligen Gewißheit fähig“ (A 162/B 201). Denn, wie Kant erklärt, ist es möglich, vor der Wahrnehmung des Dinges, und also comparative a priori das Dasein desselben [zu] erkennen, wenn es nur mit einigen Wahrnehmungen, nach den Grundsätzen der empirischen Verknüpfung derselben (den Analogien), zusammenhängt. Denn alsdenn hängt doch das Dasein des Dinges mit unseren Wahrnehmungen in einer möglichen Erfahrung zusammen (A 225f./B 273).
Die ‚Analogien der Erfahrung‘ sind demnach zu verstehen als Regeln der Synthesis, die anzeigen, dass „in jedem vorliegenden empirischen Beispiele“ (A 178/B 221) etwas anzutreffen ist, das a priori bestimmt werden kann, ohne auf die einzelne Erscheinung zu referieren, mithin antizipieren sie Erfahrung (vgl. A 767/B 796).
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So zeigt das Kausalitätsprinzip, um exemplarisch bei der 2. Analogie der Erfahrung zu bleiben, dass die objektive Folge eines Gegenstandes, mithin das Erfolgen eines Ereignisses aus dem anderen, nur dann erfasst und von einer subjektiven Folge bloß in der Wahrnehmung unterschieden werden kann, wenn das Ereignis (die Zustandsveränderung einer Substanz) als etwas verstanden wird, das „n ac h ei n er R e g el“ (A 193/B 238) notwendig auf etwas, das in der Apprehension vorhergeht, folgt. Denn insofern die „Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung jederzeit sukzessiv ist“, da die „Vorstellungen der Teile“ lediglich auf einander folgen, kann noch nicht entschieden werden, „[o]b sie auch im Gegenstand folgen“ (A 189/B 234). Es ist – wie festgestellt – völlig beliebig, welcher Wahrnehmungszustand dem anderen vorangehen muss, die Folge ist in allen Fällen subjektiver Apprehension umkehrbar: Ich bin mir also nur bewußt, daß meine Imagination eines vorher, das andere nachher setze, nicht daß im Objekte der eine Zustand vor dem anderen vorhergehe, oder, mit anderen Worten, es bleibt durch die bloße Wahrnehmung das o b j e k t i v e V e r h ä l t n i s der einanderfolgenden Erscheinungen unbestimmt. (B 233f.)
Zur Erkenntnis nun ist es erforderlich, dass „das Verhältnis [zweier] Zustände so gedacht [wird], dass dadurch als notwendig bestimmt wird, welcher derselben vorher, welcher nachher und nicht umgekehrt müsse gesetzt werden“. Dies ist aber nur insofern möglich, als die Kategorie der Kausalität auf die unbestimmte subjektive Folge angewandt wird, d. i. „der Begriff des V er h ä lt n i s s e s d er U r s ac h e z u r W i r k u n g, wovon die erstere die letztere in der Zeit als die Folge, und nicht als etwas, was bloß in der Einbildung vorhergehen […] könnte, bestimmt“ (B 234). Und zwar ist zur Bestimmung immer die bereits schematisierte Kategorie notwendig, was bedeutet: Lässt sich eine Begebenheit in der empirischen Wirklichkeit unter das Schema der Kausalität, d. i. die „Sukzession des Mannigfaltigen, in so fern sie einer Regel unterworfen“ (A 144/B 183) ist, respektive unter den Begriff der Veränderung als den dem transzendentalen Schema in der Erfahrung entsprechenden Begriff subsumieren,251 so wird diese Erscheinung dadurch, indem sie „als das Bedingte“, das „auf irgend eine Bedingung sichere Anweisung gibt“, welche wiederum „die Begebenheit [als Wir-
|| 251 Dadurch, dass das Subjekt in der transzendentalen Synthesis eine Zeitordnung in der Weise einer regelgeleiteten Sukzession, die Sukzession eines Mannigfaltigen folglich als Wirkung einer vorausgehenden Ursache bestimmt, ist es also schon formal gesehen in der Lage, die empirische Veränderung darunter zu subsumieren. Es sei hier auch an dasjenige erinnert, was La Rocca als vorstrukturierte Erscheinung bezeichnet (Anm. 160) oder Kaulbach als antizipatorisch-beschreibenden Charakter der reinen Synthesis erklärt (vgl. Anm. 148).
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kung, C.O.] bestimmt“ (A 194/B 239), zur objektiven Folge: „Die Ordnung in der Folge der Wahrnehmungen in der Apprehension ist hier also bestimmt.“ (A 192/B 237) Die bis dahin unbestimmte Zeitfolge verläuft folglich in eine bestimmte Richtung, mithin wird die „subjektive Synthesis (der Apprehension) objektiv gemacht“ (A 195/B 240) und dadurch gleichsam intellektuell fixiert. Hingegen berechtigt „die bloße Folge in meiner Apprehension“, d. i. im bloß empirischen Bewusstsein, „wenn sie nicht durch eine Regel in Beziehung auf ein Vorhergehendes bestimmt ist“, noch zu keinem Urteil einer „Folge im Objekte“ (A 195/B 240). Ob die Vorstellungen „sich auch im Gegenstand folgen“, ist – so Kant – immer ein „Punkt der [kategorialen, C.O.] Reflexion“, der in der bloßen Apprehension durch empirische Einbildungskraft nicht enthalten sein kann (A 189/B 234). Durch einen reflexiven Akt in einem Urteil wird also die Einheit des Geschehens hergestellt, mithin ein Ursache-Wirkung-Verhältnis zwischen Ereignissen (Gegenständen) bestimmt.252 Der jedem Grundsatz anhängende Beweis, in diesem Fall der der ‚2. Analogie der Erfahrung‘, zeigt dabei auf einer geltungslogischen Ebene grundsätzlich, dass mit der Veränderung eines Gegenstandes ein Ereignis in der Welt existiert, das unter die im ‚Schematismus‘ entwickelte formale Bedingung der regelgeleiteten Sukzession passt, wodurch jener seine objektive Gültigkeit erhält. In der faktischen Wahrnehmungssituation, d. h. bei Gelegenheit der Erfahrung, wird er daher immer so vorausgesetzt, dass eine beliebige beobachtete und als solche noch nicht reflexiv durchdrungene (und somit, wie weiter oben vorgeführt, noch nicht synthetisch unter den Grundsatz gebrachte) Veränderung unter ihn subsumiert werden kann. Die objektive Folge freilich kann, wenn man dies nicht ohnehin schon den bisherigen Ausführungen entnommen hat, nicht an allen Erscheinungen ohne Unterschied festgemacht werden, sondern nur an denjenigen, die aufgrund
|| 252 Einem etwaigen Einwurf der petitio principii kann entgegnet werden, dass Kant kein objektiv gültiges Nacheinander voraussetzt, sondern von der Prämisse der prinzipiellen Verknüpfbarkeit von Wahrnehmungssequenzen ausgehend über die Apriorität und Nicht-Wahrnehmbarkeit der Zeit (was so viel bedeutet, dass sie nicht schon aus sich heraus ein objektives regelgeleitetes Verhältnis hergibt) auf die Notwendigkeit des Kausalitätsprinzips als Bedingung des Feststellens objektiver Ereignisfolgen schließt. Vgl. zu diesem Thema Baumanns 1997, S. 636. Wie man so viel Schwierigkeiten darin finden kann, die These von der Nicht-Wahrnehmbarkeit von Raum und Zeit zu akzeptieren, die als apriorische Anschauungsformen gerade nicht durch empirisches Bewusstsein – welches eben die Wahrnehmung von Gegenständen bezeichnet – vorgestellt werden können, vermögen wir mit Blick auf Hoppes (1983, S. 233) Einwand, wonach man „sowohl die Stille als leere Zeit als auch räumliche Leere […] höchst aufdringlich wahrnehmen“ könne, nicht nachzuvollziehen.
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ihrer Beschaffenheit, d. i. ihrem spezifischen Zustand, überhaupt dafür in Frage kommen, als ein Geschehen (vgl. A 192/B 237) verstanden werden zu können. So bietet ein Haus – um eines der beiden berühmten Beispiele der ‚Analogien‘ aufzugreifen –, insofern es als beharrende Substanz oder Gemeinschaft von Substanzen seinen bzw. ihren Zustand schlechterdings nicht verändert, überhaupt keine Möglichkeit, als eine objektive Folge erfasst werden zu können. Zwar ist „die Apprehension des Mannigfaltigen in der Erscheinung eines Hauses, das vor mir steht, sukzessiv“, doch ist keineswegs die Erscheinung, „das Mannigfaltige dieses Hauses selbst auch in sich sukzessiv“ (A 190/B 235). Dies bedeutet, dass die Wahrnehmung des Hauses an einer beliebigen Stelle beginnen und aufhören kann, ohne dass damit eine Folge im Objekt behauptet würde. Völlig gleich, ob man das Gebäude vom Dach aus bis zum Boden oder umgekehrt apprehendiert: das Haus verändert sich nicht. Anders stellt sich der Sachverhalt dar, wenn man ein Schiff, das von einem Punkt A den Strom zu einem Punkt B hinabtreibt, wahrnimmt. Hier handelt es sich um die „Apprehension einer Begebenheit“, bei der die Ordnung in der Folge der Wahrnehmungen nicht umkehrbar ist. Das Schiff fährt in der objektiven Wirklichkeit von A nach B, so „daß B auf A in der Apprehension nur folgen, die Wahrnehmung A aber auf B nicht folgen, sondern nur vorhergehen kann“ (A 192/B 237). Die Zustände des Schiffs sind in sich sukzessiv und es befindet sich damit im Zustand der Veränderung. Um die „Verknüpfung des Mannigfaltigen am Objekt“ nachzuweisen, muss ich die „s u b jek ti v e F o l g e“ zunächst freilich von „der o b j ek ti v e n F o l ge der Erscheinungen ableiten“ können, d. i. die in ihrer Selbständigkeit zu betonende Kausalreihe, „weil jene sonst gänzlich unbestimmt ist“ (A 193/B 238). In diesem Zusammenhang gilt es noch einmal dasjenige in Erinnerung zu rufen, was vorhin zur Bedeutung des transzendentalen Gegenstandes vorgeführt wurde. Durch die Beziehung auf ihr Objekt durch die in den Kategorien gedachte Einheit des Bewusstseins werden die Erscheinungen zu Objekten, deren Selbstsein es zu betonen gilt. Es handelt sich hierbei um vom unmittelbaren Vorstellungsvollzug unabhängige, d. i. eigenständig existierende Objekte und Vorgänge (empirische Dinge an sich), „nicht, in so fern sie ([bloß] als Vorstellungen) Objekte sind“ (A 189f./B 235), sondern insofern sie ein ‚quasiselbständiges‘ Objekt zu den Vorstellungen bezeichnen. Die objektive Folge (das von A nach B treibende Schiff) reißt nicht ab, wenn ich meine Wahrnehmung auf andere Gegenstände richte.253 Nur nebenbei bemerkt sei, dass es bei der
|| 253 Auf den Umstand, dass die transzendentalphilosophische Erörterung des Kausalitätsprinzips somit auch eine ontologische Implikation enthält, macht Höffe (vgl. 2003, S. 190f.) auf-
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objektiven Folge „auf die Or d n u n g der Zeit, und nicht auf den A b l au f derselben“ ankommt, da „[d]er größte [genau genommen sogar ein jeder, C.O.] Teil der wirkenden Ursachen in der Natur […] mit ihren Wirkungen zugleich“ ist und „die Ursache ihre ganze Wirkung [nur, C.O.] nicht in einem Augenblick verrichten kann“ (A 202f./B 248). Dieses „Folgen auf“ ist, insofern eine Veränderung im Objekt vorliegt, jederzeit zu verstehen als ein Erfolgen des einen Ereignisses aus dem anderen (vgl. auch S. 230). Anders ausgedrückt: Die Veränderung eines Gegenstandes, das Ereignis b, wird bewirkt durch eine vorausgehende Ursache a. Dazu sei angemerkt, dass es hierbei bloß eine Frage des sprachlichen Ausdrucks ist, ob man als Ursache einer Veränderung einen Gegenstand oder ein Ereignis annimmt; letzteres wird selbst immer als durch eine wirkende Substanz, d. i. „eine bewegende Kraft […], die in Substanz da seyn muß“ (OP, AA 22: 430; vgl. auch ÜE, AA 08: 224), veranlasst. Es ist schlechterdings dasselbe gemeint, ob man nun sagt: Der Gegenstand a oder ein Ereignis a – bzw. die Kausalität des Gegenstandes als Ursache – bewirkt die Veränderung b (das Ereignis b), da dieser Gegenstand a selbst in seinem spezifischen Zustand eine Ursache voraussetzt, wodurch er in seinen aktuellen Zustand gelangt ist. Er kann also deshalb wieder als Ereignis verstanden werden, da er in seinen jetzigen Zustand nur gelangen konnte, insofern er verändert wurde (er gleichsam in einen Zustand des SichVeränderns gelangt ist) und damit durch eine vorausgehende Ursache zum Ereignis geworden ist.254 Denn verändern kann sich nur das, „was als [sich verändernd], b l ei b e n d “ ist, d. i. Substanz, wohingegen der Zustand der Substanz „w ec h s e l t“ (A 187/B 230). Das Wandelbare, als welches die Bestimmungen einer Substanz (Akzidenzien) sind, verändert sich dementsprechend nicht, sondern erleidet „einen Wechsel, da einige Bestimmungen aufhören, und andre anheben“ (A 187/B 231).
|| merksam, freilich ohne zu betonen, dass diese Eigenständigkeit letztlich nie gänzlich unabhängig von der Vorstellung bestehen kann (vgl. auch Anm. 18, 120, 218). 254 Welsen (vgl. 1995, S. 136) ist der Auffassung, Kant wolle mit seinem Beweis des Kausalitätsprinzips lediglich die Folge zweier aufeinander folgender Zustände einer und derselben Entität, nicht die zwischen zwei Ereignissen einsichtig machen. Ob man aber von der Zustandsveränderung einer Substanz spricht, oder von einer, durch ein vorausgehendes Ereignis bewirkten Begebenheit (Ereignis), wodurch die Veränderung einer anderen Substanz eintritt, d. i. die „Bestimmung einer Begebenheit in der Zeit“ (A 788/B 816), scheint uns lediglich eine Verlagerung des Fokus zu sein. Der Grundsatz lässt beides zu.
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Wenn Kant postuliert, dass alle Veränderungen255 nach dem Prinzip der Verknüpfung von Ursache und Wirkung geschehen müssen, dann meint dies weder, dass ein jedes objektive Ereignis mit allen anderen zusammenhängt, noch, dass in allen Fällen die spezifischen Ursache-Wirkung-Relationen bei Ereignissen erkannt werden können. Dass im ersten Fall nur solche Ursachen für spezifische Veränderungen in Frage kommen können, die mit diesen auch in zeitlichem und räumlichem Zusammenhang stehen, versteht sich insofern schon von selbst, als jede andere Annahme ins Absurde führt. So besteht zweifelsfrei ein Ursache-Wirkung-Nexus zwischen der Nahrungsaufnahme und dem darauf einsetzenden Sättigungsgefühl (insofern es sich um einen gesunden Menschen handelt); aber sicherlich besteht dieser Nexus nicht zwischen einem Telefonanruf einer Person nach Moskau und einem in der Folge stattfindenden Vulkanausbruch in der Südsee.256 Zu letzterem ist festzustellen, dass „[v]iele Kräfte in der Natur, die ihr Dasein durch gewisse Wirkungen äußern“, und damit auch ihre spezifischen Ursachen, ohnehin „unerforschlich“ (A 613/B 641) bleiben. Dies ist aber nicht entscheidend, insofern der Grundsatz des Kausalitätsprinzips nur „die Form einer jeden Veränderung“ betrifft als „die Bedingung, unter welcher sie, als ein Entstehen eines anderen Zustands, allein vorgehen kann (der [empirische, C.O.] Inhalt derselben, d. i. der Zustand, der verändert wird, mag sein, welcher er
|| 255 Es beinhaltet das allgemeine Urteil „Alle Veränderungen geschehen nach dem Prinzip der Verknüpfung von Ursache und Wirkung“ trotz seines synthetischen Charakters allerdings, wie schon angeklungen, ebenso das Moment analytischer Reflexion, insofern für eine jede Veränderung je gleichermaßen gilt, dass sie nach dem Prinzip der Ursache-Wirkung-Verknüpfung gedacht wird (Grundsatz als Regel). 256 Schopenhauers Einwand, dass zwischen meinem Heraustreten aus einer Türe und dem darauffolgenden Herunterfallen eines Ziegels eine objektive Sukzession sei, die keine Kausalverbindung enthalte, kann vor diesem Hintergrund nicht als ernstzunehmende Kritik am Kantischen Kausalitätsprinzip gelten, da es Kant nicht einfach um objektive Sukzessionen geht, sondern um die Unumkehrbarkeit von Ereignisfolgen (vgl. auch Anm. 257), die aus einer vorangehenden Ursache resultieren. Die scheinbar objektive Sukzession wird ohne kategoriale Reflexion doch immer noch bloß subjektiv im Gemüt stattfinden. Vgl. dazu Arthur Schopenhauer 1972, Bd. I, S. 88. Dass Schopenhauers weitere Erklärung, „die älteste und ausnahmsloseste Folge von Tag und Nacht“ habe noch niemanden verleitet, „sie für Ursache und Wirkung voneinander zu halten“, ebenfalls keine zielführende Kritik an der Kantischen Position darstellt, wird auch mit Blick auf den § 26 der ‚B-Deduktion‘ deutlich: Kant behauptet hier nicht, dass beim „Gefrieren des Wassers (B 162)“ die Flüssigkeit die Ursache der Festigkeit des Wassers sei, sondern das allein die Apprehension zweier sich folgender Zustände einer „Begebenheit“ (A192/B 237) bzw. eines „Eräugnis“ (A 199/B 244), folglich das In-Bewegung-Sein einer Substanz als Wirkung einer der Zeitordnung nach vorausgehenden und (während der ganzen (Veränderung) permanent wirkenden Ursache bestimmt werden könne.
Reflexion nach Funktionen synthetischer und analytischer Einheit | 235
wolle)“ (A 207/B 252). Wenn also auch in vielen Fällen ein bestimmtes „Correlatum [der] Eräugnis, die gegeben ist“, subjektiv faktisch fehlt, so wird doch „im vorhergehenden Zustande etwas vorausgesetzt […], worauf es jederzeit, d. i. nach einer Regel folgt“ (A 198f./B 243f.).257
|| 257 Strawson (BS 137ff., 134, Anm.) freilich stößt sich daran, dass alle Veränderungen notwendig nach dem Kausalitätsprinzip geschehen. Den Vorwurf des non sequitur gegen Kant erhebend, moniert er, dass aus der Tatsache, dass einige Veränderungen nach dem UrsacheWirkung-Prinzip erklärbar seien, nicht darauf geschlossen werden dürfe, dies treffe auch auf alle Veränderungen zu (S. 146). Strawsons Vorwurf, Kant verwechsle begriffliche mit kausaler Notwendigkeit (vgl. BS 138), mithin eine Notwendigkeit gemäß den Modalitätskategorien mit einer Notwendigkeit, die im Wesen der zweiten Analogie begründet liegt, geht dahin, die kausale Notwendigkeit allenfalls als eine relative Notwendigkeit zu verstehen, sprich: ein Ereignis a kann ein Ereignis b bewirken, wobei die eintretende Veränderung dann kausal notwendig wären; jedoch ist damit noch nicht bewiesen, daß auch jedes Ereignis kausal bedingt ist. Auch Welsen (vgl. 1995, S. 136f.) will, unter Berufung auf Strawson (BS 134., Anm.), die Sukzession von Ereignissen von der Sukzession von Zuständen getrennt wissen, da eine Sukzession von Ereignissen kausal bedingt sein könne, die von Zuständen hingegen müsse. Beide gehen natürlich von einem empiristischen Standpunkt aus, nach dem von einigen beobachten Veränderungen schlechterdings nicht auf alle zu schließen ist. Nun zeigt Kant aber, dass von objektiven Folgen, mithin notwendigen Kausalverhältnissen erst dann gesprochen werden kann, wenn die subjektiven Wahrnehmungsfolgen dem verzeitlichten Kausalbegriff unterworfen wurden, womit die objektive Gültigkeit des Kausalitätsprinzips allererst nachgewiesen wird. Würden hier Ausnahmen gestattet, so gäbe es, wie Kant demonstriert, kein Kriterium mehr, darüber zu befinden, ob im gegebenen Fall mehr als bloße Vorgänge im inneren Sinn stattfänden. Übrigens vertritt Kant einen Determinismus sowohl in Hinblick auf Zustandsveränderungen äußerer Gegenstände als auch innerer Bewusstseinszustände. Da der Wechsel von Zuständen freilich immer nur an einer veränderbaren Substanz gedacht werden kann, so dass jene mit ebenso großer Notwendigkeit wechseln wie die Substanz eine Veränderung erleidet, greift Welsens Einwand schon aufgrund terminologischer Ungenauigkeit nicht. Angesichts der Tatsache, dass eine objektive Folge immer nur dann erkannt werden kann, wenn sie vermittelst der Kategorie der Kausalität als objektiv bestimmt wird, und der Feststellung, dass dies für alle möglichen Fälle gilt, kommt dem hergeleiteten Kausalitätsprinzip, das der Grund eines jeden spezifischen kausal-empirischen Urteils ist, dann implizit auch begriffliche, d. i. modale Notwendigkeit zu. Diese modale Notwendigkeit besagt, dass ein Ereignis mit Notwendigkeit ein anderes bewirkt, wenn ein anderes gesetzt ist. Bei der Modalität der realen Notwendigkeit spricht Kant nicht umsonst von einer einzigen empirisch erkennbaren, nämlich der der Kausalität. Der angebliche Fehlschluss liegt also nicht vor, da die Unterscheidung von kausaler und begrifflicher Notwendigkeit überhaupt nicht gemacht werden muss. Spricht Kant in diesem Zusammenhang von Notwendigkeit des Gesetzes, so betrifft dies, wie Höffe (2003, S. 192) völlig richtig konstatiert, als „relationale Notwendigkeit […] die Gerichtetheit bzw. Nichtumkehrbarkeit von Ereignisfolgen“. Der transzendental-philosophische Beweis zeigt eben nicht, dass der „gegebene Begriff (z. B. von dem, was geschieht), geradezu auf einen anderen Begriff (den der Ursache) führe; denn dergleichen Übergang wäre ein Sprung [...]; sondern er zeigt, daß die Erfahrung selbst, mithin das Objekt der Erfahrung, ohne eine solche Verknüpfung unmöglich
236 | Kategoriale Synthesis und Urteil
5.5 Synthetische Urteile a priori im Verhältnis zu singulären Erfahrungsurteilen Bevor die Betrachtungen zur Synthesis im Werke Kants abgeschlossen werden können, gilt es auf ein Problemfeld aufmerksam zu machen, das aufgrund absehbarer Schwierigkeiten lediglich skizziert werden kann. Es umfasst im weitesten Sinne die Thematik synthetischer Urteile a priori und, damit einhergehend, die Beziehung dieser transzendentalen zu möglichen empirischen Urteilen. In einem objektiv gültigen Urteil wird, dies haben die Betrachtungen über Erfahrungsurteile gezeigt, „die Beziehung gegebener Erkenntnis[begriffe] (B 141)“ zueinander vorgestellt: „E r f ah r u n gs u r tei le , a ls s o l c h e , s i n d i n s ges am t s y n t h e ti s c h .“ (B 11) Sowohl für synthetische Urteile a posteriori als auch synthetische Urteile a priori bedeutet dies, dass mindestens zwei Begriffe miteinander ins Verhältnis gesetzt und als zur notwendigen Einheit der Apperzeption gehörig vorgestellt werden, welche Zugehörigkeit dabei eben durch das Verhältniswort i s t (vgl. B 141) ausgedrückt sein kann – im Falle transzendentaler Grundsätze wird dieses ist um den Aspekt einer (subjektiven, nicht relational objektiven) Notwendigkeit erweitert gedacht als die Bedingung möglicher Erfahrung. Mit diesem Erkenntnisurteil wird die Beziehung zu einer objektiven Welt eröffnet. Die Ausführungen zur synthetischen und analytischen Subsumtion haben offengelegt, dass der Erfahrung bewirkende Reflexionsakt zunächst eine ein-
|| wäre“ (A 783/B 811). Allison (2004) erklärt, dass die ‚Analogien‘ insgesamt das Ziel verfolgen, die objektive Zeitfolge von der subjektiven Zeitfolge der Apprehension zu unterscheiden (vgl. S. 235). Auch er stellt richtig fest, dass die umkehrbare Reihenfolge nicht auf eine gegebene wahrnehmbare Reihenfolge verweist, sondern dass die Unumkehrbarkeit der Reihenfolge „refers rather to the conceptual ordering of the understanding through which it determines the thought of an object (in this case objective succesion)“. Das Ziel ist somit, „to determine the condition under which we can think an order of perceptions as irreversible and thus as perceptions of an event“ (S. 251). Vgl. auch Guyer 2006, S. 111, der mit Bezug auf Humes Subjektivismus deutlich macht, dass „the experience of objective change is only possible through knowledge of causal laws“. Dass Kant mit der formalen Notwendigkeit des Kausalitätsprinzips nicht auf die materiale Notwendigkeit empirischer Kausalgesetze abzielt, sollte keiner weiteren Erklärung bedürfen, würden sich nicht, wie bei Hoppe (1995, S. 27) Missverständnisse dergestalt einschleichen, Kant wolle auch sämtlichen empirischen Naturgesetzen strenge Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit zuschreiben. Kein Naturgesetz steht für Kant mit unumstößlicher Gewissheit fest, weshalb er sich nur in dem Punkt von Hume unterscheidet, dass sich durch die prinzipielle Subsumierbarkeit unter die transzendentalen Naturgesetze mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit etwas für die Zukunft voraussagen lässt, mithin ist jedes empirische Naturgesetz eine bloße „Annäherung zur Gewißheit“ (Prol, AA 04: 82, 84).
Synthetische Urteile a priori im Verhältnis zu singulären Erfahrungsurteilen | 237
heitliche Anschauung auf den Begriff bringt, d. i. in einem synthetischen Begriff vom Objekt vereinigt (vgl. Refl, AA 16: 548; Refl, AA 17: 523). Wird ein Erfahrungsbegriff, wie etwa der des Segelschiffs, auf die entsprechende empirische Anschauung angewandt, so werden durch synthetische Reflexion die einzelnen, bereits zur Einheit in der Anschauung gebrachten Wahrnehmungsteile auf den vereinheitlichenden Begriff gebracht. Ein entsprechendes Urteil würde etwa lauten: „Dies ist ein Segelschiff“. Nun handelt es sich hierbei ganz ohne Zweifel um ein Erfahrungsurteil elementarer Art, wenngleich fraglich ist, ob es auch synthetisch genannt werden kann. Denn ganz offenbar werden in diesem singulären Urteil nicht zwei unterschiedliche Begriffe miteinander verbunden, was für ein synthetisches Urteil erforderlich ist, sondern eben eine Anschauung mit einem Begriff (wohl ausblendend, dass es sich beim Begriff des Segelschiffs schon um einen komplexen synthetischen Begriff handelt, der eine Reihe synthetischer Bestimmungen bereits in sich enthält). Besagte Schwierigkeit scheint den vorangegangenen Ausführungen zufolge vor allem darin zu liegen, dass die Rede von zu verbindenden Wahrnehmungen immer in zweierlei Hinsicht verstanden werden kann, mithin zwei Fälle der synthetischen Einheitsstiftung vorliegen können: Einmal nämlich die elementare Synthesis durch Einbildungskraft, kraft deren die einzelnen Wahrnehmungsteile zu einem Wahrnehmungsganzen zusammengesetzt werden, mit dem Begriff als letztlichem Handlungsziel – ausgedrückt in einem elementaren „Diesist“-Urteil; sodann die Verknüpfung zweier Wahrnehmungen, d. i. zweier Begriffe von schon fertigen Wahrnehmungsprodukten.258 Ersteres führt zum syntheti-
|| 258 Auf diesen Problemzusammenhang macht auch Becker (1990, S. 81f.), der sich in seiner Abhandlung allen voran mit der Bedeutung singulärer prädikativer Urteile befasst, aufmerksam. Er konzipiert zwei unterschiedliche Prädikationsmodelle, wobei er nach einem von beiden Modellen die Subjekt-Prädikat-Struktur als Verbindung zwischen einer gegebenen empirischen Anschauung und einem Begriff auffasst, „so daß in der Urteilssynthesis ein gegebenes sinnliches Material mit einer begrifflichen Form verbunden und dadurch ein zunächst unbestimmter Gegenstand begrifflich bestimmt wird“. Im anderen Modell dagegen stellt sich die Urteilssynthesis als Verbindung von zwei Begriffen dar, „und zwar derart, daß im Subjektbegriff anhand einer gegebenen Anschauung schon auf ein identifiziertes Einzelding referiert wird und im Prädikatbegriff diesem Gegenstand eine Bestimmung zugesprochen wird“ (S. 82). Vgl. auch Prauss 1993, Bd. I.2, S. 879. Kant selbst diskutiert in einem Brief an J. S. Beck zwar den Unterschied zwischen „der Verbindung der Vorstellungen in einem Begriff und der in einem Urtheil, z. B. der schwarze Mensch und der Mensch ist schwarz“ (Br, AA 11: 347); jedoch scheint uns das Problem hiermit eher verschoben denn gelöst zu sein. Denn es liegt hier zwar ein Beispiel für ein singuläres, empirisches Urteil vor, jedoch scheinen beide Beispiele objektivsynthetische Urteile zu sein, wobei lediglich die sprachliche Formulierung variiert. Oder aber, wie Kant es verstehen will, ersteres ist ein Beispiel für ein bloßes Wahrnehmungsurteil.
238 | Kategoriale Synthesis und Urteil
schen Erfahrungsbegriff, letzteres zum synthetischen Urteil (a posteriori) selbst, wie das allgemeine Erfahrungsurteil „Alle Körper sind schwer“ deutlich macht: Es ist also die Erfahrung, worauf sich die Möglichkeit der Synthesis des Prädikats der Schwere mit dem Begriffe eines Körpers gründet, weil beide Begriffe, ob zwar einer nicht in dem anderen enthalten ist, dennoch als Teile eines Ganzen, nämlich der Erfahrung, die selbst eine synthetische Verbindung der Anschauungen ist, zu einander, wiewohl nur zufälliger Weise, gehören. (B 12)
Zwar wurde in der vorliegenden Arbeit an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass bereits auf der Stufe der reinen Synthesis der Einbildungskraft zwei Begriffe miteinander zu einem Urteil verbunden werden, insofern hier reiner Verstandesbegriff und korrespondierendes, intellektuelles Schema als (Denk-)Methode der Verzeitlichung miteinander verbunden werden. Doch klärt dies nicht die Frage, ob eine gewisse Art singulärer empirischer Urteile im eigentlichen Sinne als synthetisch gelten darf. Angesichts des Befundes, dass die singulären, deiktischen „Urteile“ (Urteil kann nur im uneigentlichen Sinne gelten) als die elementaren Erfahrungsurteile jedem synthetischen Erfahrungsurteil, in welchem der Begriff vom Gegenstande dann erweitert gedacht wird, vorauszugehen scheinen, handelt es sich auf Stufe der ersteren offenbar um keine synthetischen Urteile a posteriori, sondern um synthetische Verbindungen, die in einem einfachen, singulären Urteil über einen Gegenstand bzw. Sachverhalt der empirischen Wirklichkeit getätigt werden. Um dies deutlicher zu machen: Synthetische Urteile setzen per definitionem die Verbindung von zwei unterschiedlichen Begriffen voraus. Bei einem empirischen Urteil, das einen deiktischen Ausdruck an der Subjektstelle führt, werden keine zwei verschiedenen Begriffe miteinander verbunden, sondern es werden in einem synthetischen Begriff die einzelnen Teile der Anschauung zusammengefasst gedacht. Also können singuläre empirische Urteile, die einen deiktischen Ausdruck enthalten, keine synthetischen Urteile im eigentlichen Sinne sein, mithin muss es neben synthetischen Urteilen a posteriori eine zweite legitime Urteilsform geben, die auf das sprachliche Phänomen des hinzeigenden Ausdrucks angewiesen wäre. Man könnte allerdings auch behaupten – analog dem Fall reiner Synthesis –, dass auch auf Stufe singulärer Urteile der synthetische Erfahrungsbegriff mit seinem empirischen Schema, d. i. das Bild, zur Einheit verbunden gedacht wird, also auch hier die Verfahrensregel des Erzeugens eines spezifisch empirischen, allgemeinen Begriffs mit diesem verbunden gedacht wird. Für den Fall elementar-empirischer Urteile wäre dann, zur Anwendung des synthetischen Erfahrungsbegriffs, immer sein entsprechendes Schema als „vermittelnde Vor-
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stellung“ (A 138/B 177) erforderlich. Ferner ist der empirische Begriff meist ohnehin – wie bereits angedeutet – Ausdruck eines komplexen synthetischen Erfahrungsurteils, so dass sich das hier anvisierte Problem tendenziell als ein sprachliches manifestiert. Unabhängig davon steht fest, dass jedes elementar-empirische Urteil selbstredend ein synthetisches Urteil a priori voraussetzt, vermöge dessen ein Gegenstand überhaupt erst als ein solcher gedeutet werden kann. Exemplarisch für die Substanzkategorie bedeutet dies, dass vermittelst des deiktischen Ausdrucks ‚dies‘ auf einen Gegenstand der objektiven Welt referiert wird, der einen synthetischen Grundsatz (eine der Analogien der Erfahrung zur Exposition) voraussetzt,259 wodurch er überhaupt erst als realer Gegenstand – d. h. als ein solcher, dem objektive Realität zukommt –, etwa als beharrliche Substanz bestimmt wird. Bevor er also spezifiziert (z. B. die Erscheinung als Segelschiff gedeutet) und damit der Erfahrungsbegriff gebildet werden kann, muss er prinzipiell vermittelst des schematisierten Substanzbegriffes erkannt worden sein. Insofern aber mit der Bestimmung dieses Dinges als Substanz (im Urteil ausgedrückt durch ‚dies‘) durch die hinzukommende Bestimmung als Segelschiff keine inhaltliche Erweiterung über den Gegenstand getroffen wird – da der Begriff des Segelschiffes inhaltlich gesehen die Stelle des Substanzbegriffs einnimmt und durch das Prädikat „Schiff“ der Gegenstand nicht erst bestimmt wird–, ist damit aber auch klar, dass es sich hierbei zumindest der Form nach um kein synthetisches Urteil a posteriori handelt. Ein anderer Einwand, durch den Ausdruck Schiffsein könne die Substanz auch als Prädikat in einem Urteil verwendet werden, greift insofern nicht, als dieses erneut sprachphilosophische Phänomen der Problemdimension kategorialer Reflexion nicht gerecht wird. Denn vor dem Hintergrund einer solchen ist mit dem Ausdruck Schiffsein niemals die Eigenschaft eines Dinges intendiert; es ist mit diesem sprachlichen Kompositum auch hier ein ganzer Komplex kategorialer Bestimmungen gedacht – viele Einzelsubstanzen zusammengenommen, mit spezifischen Quantitäten, Qualitäten, aufeinander wirkenden Kräften und Kausalrelationen sowie eine spezifische Modalität enthaltend. Es steht dieser Erfahrungsbegriff damit stellvertretend für ein ganzes Bündel synthetischer Urteile a posteriori.
|| 259 Dies hat seinen Grund also darin, dass die Synthesis a priori respektive die synthetischen Urteile a priori letztlich keine von empirischen Urteilen abtrennbaren Handlungen darstellten. Denn die Geltung transzendentaler Grundsätze ist doch, wie Becker (1989, S. 166) betont, „an die Berechtigung zu empirischer Synthesis rückgebunden“.
240 | Kategoriale Synthesis und Urteil
Das Problem der deiktischen Bezugnahme scheint sich auf inhaltlicher Ebene nun wie folgt auflösen zu lassen: Vorhin (vgl. Kapitel 3.2, 3.3) wurde gesagt, dass im Falle der Subsumtion unter die Substanzkategorie zunächst eine konkret gegebene, materielle Substanz im Raume als letztes Subjekt erkannt sein muss, bevor auf dessen Beharrlichkeit geschlossen werden kann. Insofern das materielle Ding als letztes Subjekt ausgemacht ist, wird also die Materie synthetisch mit der Nominaldefinition der Substanz verbunden gedacht. Die Bezugnahme mittelst des deiktischen Ausdrucks ‚Dies‘ besagt dann nur: Diese Materie dort, sprich dieses materielle Ding dort ist ein letztes Subjekt der Existenz, womit ein veritables synthetisches Urteil a posteriori etabliert wäre (das im Sinne der Metaphysischen Anfangsgründe freilich zum Teil rein, zum Teil aber auch empirisch erfüllt gedacht ist).260 Schlussendlich soll gezeigt werden, dass mit diesem synthetischen Vereinigungsakt zwar auch analytische Einheit des Bewusstseins gedacht ist, insofern durch die Akte der logischen Komparation und Abstraktion der zugrundeliegende Erfahrungsbegriff auf seine Gleichheit mit anderen Vorstellungen hin geprüft wird, woraus der empirische Gattungsbegriff entspringen würde. Wenn
|| 260 In diesem Sinne argumentiert auch Becker (1991, S. 89), wenn er darlegt, der Ausdruck ‚dies‘ könne in einem singulären prädikativen Satz nur dann eine Referenzfunktion besitzen, wenn er „vermittels einer begrifflich bestimmten Anschauung auf einen Gegenstand“ bezogen werden kann. Das bedeutet, der Gegenstand muss vor seiner Deutung als ‚dieser‘ Gegenstand bereits der ‚1. Analogie der Erfahrung‘ entsprechend als ein Komplex verschiedener Substanzen bestimmt worden sein, mithin kann „[e]ine begriffliche Bestimmung der Anschauung […] dann nicht erst durch das Prädikat des singulären Urteils erfolgen“. Zwar weichen wir insofern von Becker ab, als wir im elementar-empirischen Urteil eine synthetische Verbindung durch einen synthetischen Begriff erblicken; doch geben wir ihm bei der viel grundlegenderen Einsicht recht, dass die Bestimmung durch Begriffe die Grundlage dafür ist, „daß Kant die Synthesis der Anschauung und die Synthesis des Urteils systematisch aufeinander beziehen kann“, ohne dabei „die logische Subsumtion eines Begriffs unter einen anderen mit der kategorialen Subsumtion einer Anschauung unter einen Begriff lediglich zu konfundieren“ (S. 90). Vgl. auch Schönrich 1981, S. 34, der ebenso betont, dass eine ‚Zeigehandlung‘, kraft deren auf einen Gegenstand gedeutet wird, nur dann eine sinnvolle Handlung ist, wenn das gedeutete Etwas „je schon als Etwas verstanden“ ist. Vgl. dazu auch La Rocca 1989, S. 154, Prauss 1971, S. 17ff. sowie Prauss 1993, Bd. I.2, S. 675ff., aber auch Aschenberg 1982, S. 74f., Anm., der gerade aus dem Grunde, dass mit dem referierenden Subjektausdruck normalerweise immer schon ein begrifflich bestimmter Sachverhalt bezeichnet werde, geltend macht, dass Erfahrungsurteile in der Regel nie die Form singulärer prädikativer Urteile hätten. Sein Beispiel dafür lautet: ‚Der röhrende Hirsch ist…‘. Aschenbergs Argumentation wird der Problemdimension des Gesagten jedoch nicht gerecht, denn dieses Urteil enthält schon eine Verbindung von mindestens zwei miteinander verbundenen kategorischen Urteilen. Vgl. auch Henrich 1976, S. 34ff., besonders 37.
Synthetische Urteile a priori im Verhältnis zu singulären Erfahrungsurteilen | 241
Kant in diesem Zusammenhang allerdings von einer Erkenntnis der Dinge durch Merkmale spricht, dann darf dies nicht mit einer Erkenntnis nach synthetischer Einheit verwechselt werden: Wir erkennen also Dinge [auch, C.O.] durch Merkmale und das heißt eben erkennen, welches von Kennen herkommt. Ein M e r k m a l i s t d a s j e n i g e a n e i n e m D i n g e , w a s e i n e n T h e i l d e r E r k e n n t n i s d e s s e l b e n a u s m a c h t , o d e r – welches dasselbe ist – e i n e P a r t i a l v o r s t e l l u n g , s o f e r n s i e a l s E r k e n n t n i s g r u n d d e r g a n z e n V o r s t e l l u n g b e t r a c h t e t w i r d . (Log, AA 09: 58)
Wird hier also von Erkennen gesprochen, dann handelt es sich um ein bloßes Wiedererkennen, welches Vorstellungen keinesfalls objektiv-synthetisch zusammenfügt – das Merkmal müsste denn selbst schon komplex-synthetisch sein. Vermittelst analytischer Reflexion und durch bloßes Merkmalsvergleichen kann ein Gegenstand zwar reidentifiziert werden, folglich ist sich das Subjekt der Gemeinschaft dieser Vorstellung mit anderen bewusst; das Vergleichen nach analytischer Einheit setzt aber, was mittlerweile deutlich geworden sein sollte, immer schon andere Gegenstände voraus, die ebenfalls als Gegenstand erkannt sein müssen, mithin geht jeder Reflexion auf einen Gegenstand der Erfahrung nach analytischer Einheit eine synthetische voraus.261 Dies bedeutet nichts anderes, als dass sich selbst die elementare Erkenntnis eines einzelnen anschaulichen Gegenstandes und der dazu benötigte Erfahrungsbegriff immer einer synthetischen Reflexion verdankt, die eine Verbindung und Einheit im Objekt bewirkt, welche durch bloß analytische Merkmalsvergleichung niemals stattfände und im Übrigen auch ohne diese prinzipiell schon möglich ist.262 Dabei stellten die Kategorien als „(transcendentale) notionen“ genaugenommen „nicht Dinge, sondern die Actus des Verstandes vor, sich synthetische Begriffe von Dingen zu machen“ (Refl, AA 16: 548). In Kombination mit
|| 261 Abgesehen von den bereits erwähnten klaren Begriffen (vgl. Anm. 181), die für sich genommen weder analytische noch synthetische Einheit denken und daher auch nicht versuchen, ein Mannigfaltiges der Anschauung synthetisch in den Griff zu bekommen. Zum Aspekt der Identifikation bzw. Reidentifikation von Vorstellungen, allen voran innerhalb der synthetischen Reflexion, vgl. Cramer 1986, S. 72ff. Wie er feststellt, muss das Ich „ein Bewußtsein seiner Identität gerade mit Bezug auf eine gegebene und eine nicht (mehr) gegebene Vorstellung haben“. 262 Vgl. zu diesem Problemaspekt Kugelstadt 1998, S. 262ff. sowie 285ff. Der Autor geht davon aus, dass ein Gestaltbemerken „mitsamt dem entsprechenden Begriff“ bereits „bei der ersten Apprehension immer schon an sich möglich“ (S. 291, Anm.) ist, wozu dann bloß synthetische Reflexion nötig wäre. Dies gelte auch für die Bildung sämtlicher empirisch erkennbarer, kategorialer Bestimmungen eines Gegenstandes der Erfahrung.
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einem im Aktus der kategorialen Reflexion zustande gebrachten Erfahrungsbegriff gedacht, wären Kategorien eben die bereits angesprochenen (S. 104) „Verstandesbegriff[e] in concreto“, verstanden als verzeitlichte, schon empirisch bestimmte Kategorien, die dadurch, dass „man sie auf Erscheinungen anwendet“, dann auch „den Stoff zum Erfahrungsbegriffe“ (A 567/B 595) erhalten. Demnach wäre also immer eine elementare kategoriale Reflexion anzusetzen, vermöge deren und in deren Vollzug spezifische Erfahrungsbegriffe erzeugt und unmittelbar zur Anwendung gebracht würden, ohne dass sie in analytischer Vergleichung mit anderen Erscheinungen erst analytisch-komparativ zustande gebracht würden, mithin hätte vor diesem Hintergrund jedes aposteriorische Erfahrungsurteil synthetischen Charakter.
6 Schlussbetrachtung Auch wenn für den Ausnahmefall der singulären, deiktischen Urteile die Einordnung in das hier entwickelte Gesamtsystem der synthetischen Handlungen des Verstandes tendenziell schwierig bleibt, so kann zumindest für die Ebene transzendentaler Gesetzmäßigkeiten wie des eben erläuterten Kausalitätsprinzips positiv konstatiert werden, dass hier der synthetische Begriff, d. i. die verzeitlichte Kausalitätskategorie, problemlos in ein synthetisches Urteil übersetzbar ist. Die oben geschilderte Schwierigkeit der doppelten Prädikationsmodelle (vgl. Anm. 258) stellt sich somit zumindest auf apriorischer Ebene nicht, da die reine Synthesis augenscheinlich immer auch als Denkmethode und damit als ein Denken beschrieben werden kann, das zugleich zusammensetzt (compositio) und verknüpft (nexus) (vgl. dazu A 162/B 201, Anm.). In der Reihe der Synthesisleistungen stellt die Einsicht in die damit angesprochene Intellektion der Erscheinung dann auch den Höhepunkt und das Endziel aller Synthesisleistungen dar. Dabei ist es unverzichtbar, die reinen Synthesen der Einbildungskraft als die formale Strukturierungsleistung des Subjekts (im inneren Sinn) von der Konkretisierung des rein Formalen in den ‚Grundsätzen der Erfahrung‘ zu unterscheiden, so dass einmal die rein formale Zeitstrukturierung, zweitens der Bezug zur Erscheinung als dem realen Objekt überhaupt im Fokus der Betrachtung liegt. Es sind im Wesentlichen drei Elemente, die für eine vollständige Theorie der Synthesis erforderlich sind und eine veritable Gegenstandserkenntnis, mithin die Konstitution von Natur im Sinne einer einheitlichen Erfahrung, möglich machen: A) Das im Raum befindliche, für sich bestehende ‚quasi-ontologische‘ Ding als die noch unbestimmte substantielle Erscheinung (vgl. Kapitel 2.1 sowie 3.3) B) Die formale Strukturierung der Sinnlichkeit zum Zwecke der Bestimmung der Erscheinung C) Die ‚Grundsätze der Erfahrung‘, die auf der formalen Ebene des Schematisierens eine Anwendungsbeziehung auf die Erscheinungen erlauben, also zeigen, dass dem formalen Grundsatz jederzeit ein Objekt in der äußeren Welt korrespondiert, welches also den Kategorien gemäß (als eine beharrliche Substanz im Unterschied zum Akzidenz, als eine spezifische Größe etc.) bestimmt werden kann. Da das Kantische System als ein organologisches System zu verstehen ist, mussten auch die jeweiligen Begründungszusammenhänge als sich wechselseitig ergänzend aufgefasst werden, weshalb es ein Hauptziel der vorliegenden Arbeit war, die Bezogenheit der Synthesisleistungen aufeinander in Einzelschritten zu analysieren. In diesem Zusammenhang versuchte die Untersuchung, ein neues Licht auf den transzendentalen Schematismus und den Status
244 | Schlussbetrachtung
der transzendentalen Schemata zu werfen, der als das Kernstück der Synthesislehre die Frage nach der Überwindung der völligen Heterogeneität von Anschauung und Begriff zu lösen vermag, mithin durch seine Lehre der Selbstaffektion zeigt, wie das handelnde Subjekt in Form des reinen Verstandes den inneren Sinn affizieren und dadurch zeitliche, objektiv-synthetische Einheit bewirken kann. Es sei dem bereits zitierten Briefwechsel zwischen Kant und Tieftrunck vorbehalten, nun noch einmal im Gesamtzusammenhang die ganze Komplexität der unterschiedlichen Subsumtionsverhältnisse zu verdeutlichen: Die logische Subsumtion eines Begrifs unter einem höheren geschieht nach der Regel der Identität: und der niedrigere Begriff muß hier als h o m o g e n mit dem höhern gedacht werden. Die t r a n s s c e n d e n t a l e dagegen, nämlich die Subsumtion eines empirischen Begriffs unter einem reinen Verstandesbegriffe durch einen Mittelbegriff, nämlich den des Zusammengesetzten aus Vorstellungen des innern Sinnes ist unter eine Categorie subsumirt, darunter etwas dem Inhalte nach H e t e r o g e n e s wäre, welches der Logik zuwider ist, wenn es unmittelbar geschähe, dagegen aber doch möglich ist, wenn ein empirischer Begriff unter einen reinen Verstandesbegriffe durch einen Mittelbegriff, nämlich den des Z u s a m m e n g e s e t z t e n aus Vorstellungen des inneren Sinnes des Subjects, sofern sie den Zeitbedingungen gemäs, a priori nach einer allgemeinen Regel ein zusammengesetztes darstellen enthält welches mit dem Begriffe eines Zusammengesetzten überhaupt (dergleichen jede Categorie ist) homogen ist u. so unter den Namen eines S c h e m a s die Subsumtion der Erscheinungen unter dem reinen Verstandesbegriffe ihrer Synthetischen Einheit (des Zusammensetzens) nach, möglich macht.263 (Br, AA 12: 224f.)
Die Hauptergebnisse der Arbeit kristallisieren sich hier noch einmal heraus: Das eigentliche Grundproblem liegt in der völligen Heterogenität von allgemeinem Begriff und einzelner, für sich noch völlig unbestimmter Anschauung. Damit der Begriff letztlich Einheit der Erkenntnis in die Einheit der Anschauung bringen kann, sind verschiedene Synthesen der Einbildungskraft vorauszusetzen. Insbesondere erfordert die kategoriale Subsumtion eine transzendentale Synthe|| 263 Damit findet dasjenige seine Bestätigung, was Kant zu Beginn der ‚B-Deduktion‘ allen Betrachtungen voranstellt, nämlich dass die auflösende Handlung der Analysis die Synthesis „jederzeit voraussetze; denn wo der Verstand vorher nichts verbunden hat, da kann er auch nichts auflösen“ (B 130). Fichte (1971 Bd. I, S. 33) spricht mit Blick auf die analytische Subsumtion auch von einem „antithetische[n] Verfahren“, insofern es hierbei um eine Handlung geht, mit der „man im Verglichenen das Merkmal aufsucht, worin [die verglichenen Vorstellungen] entgegengesetzt sind“. Von einem analytischen Verfahren zu sprechen sei „weniger bequem […], theils weil [der Ausdruck] die Meinung übrig lässt, dass man etwa aus einem Begriffe etwas entwickeln könne, was man nicht erst durch eine Synthesis hineingelegt, theils weil durch die erste Benennung deutlicher bezeichnet wird, dass dieses Verfahren das Gegentheil vom synthetischen sey“.
Schlussbetrachtung | 245
sis der Einbildungskraft, kraft deren die völlig disparate Anschauung strukturiert und damit allererst die Anwendung der Kategorie ermöglicht, ja diese allererst erzeugt wird – und damit letztlich auch spezielle Erfahrungsbegriffe entstehen können. Dabei wird der reinen Synthesis durch ihre Bezogenheit auf die Kategorie und ihre gleichzeitige Vereinigung in ihr eine intellektuelle Struktur erteilt. Die Handlungsanweisung nun erhält die Einbildungskraft durch die synthetische Einflussnahme des Verstandes auf die Sinnlichkeit, zunächst durch den reinen Verstandesbegriff seiner logischen Funktion nach; wobei dadurch auch die Kategorie in ihrer vereinigenden (die Synthesis „verklammernden“) Funktion in Anwendung gesetzt wird. Der Verstand setzt in einem ursprünglichen Bewegungsakt – in der Absicht, die Kategorie in ihrer vereinigenden Funktion hervorzubringen –, gemäß seiner (logischen) einfachen Funktion zu denken, deren er sich auch unabhängig von Zeitlichkeit bewusst ist, (immer wieder) eine bestimmte elementare Grundstruktur in die raum-zeitlichen Ordnungsgefüge. Das auf diese Weise erzeugte Schema wird dadurch selbst richtungsweisend für die produktive Einbildungskraft, die dann im selben Moment als transzendentale Urteilskraft das Schema und darin die Zeit unter die passende Kategorie subsumiert und dadurch der Kategorie erst ihre sinnliche Bedeutung verschafft; mithin wird durch die Verzeitlichung der Kategorie ihre Anwendung auf Gegenstände der Erfahrung ermöglicht, woraus synthetische Urteile a priori resultieren, die jedem Erfahrungsurteil zugrunde liegen. In ihrer synthetischen Funktion sind die reinen Verstandesbegriffe, von denen unabhängig von ihrem sinnlichen – nach vorausgedachter Synthesis – auch ein rein logischer allgemeiner Gebrauch nach analytischer Einheit möglich ist, also immer das Ergebnis einer vorausgehenden, elementaren und synthetischen Handlungsweise der produktiven Einbildungskraft.264 Bei allen Weisen und Funktionen der Synthesis scheint das Hauptziel der Synthesistheorie Kants beständig hervor, das darin besteht, einsichtig zu machen, auf welche Art das Erkenntnissubjekt die ihm nur subjektiv gegebenen Erscheinungen kategorial bestimmen, mithin wie es seine subjektive Wahrnehmungswelt und sein bloßes Zustandsbewusstsein verlassen kann. Dass hierzu die Intellektion der Erscheinung im Sinne der Vereinigung in einem || 264 Es soll jedoch eine alternative Interpretation nicht verschwiegen werden, wonach man die Eigenständigkeit der produktiven Einbildungskraft unabhängig vom Verstande stärker akzentuieren könnte (wie in der A-Auflage oder in der Kritik der Urteilskraft). Dann wäre die reine Synthesis nicht auf die Leitung des Verstandes angewiesen, was unserer Darstellung allein schon deshalb entgegenläuft, da nicht recht einleuchtet, wie z. B. die Erzeugung einer mathematischen Figur schon ohne das Wissen des zumindest dem Projekt nach aufgegebenen Begriffs geschehen soll (vgl. dazu Anm. 165, 172, 196).
246 | Schlussbetrachtung
Selbstbewusstsein notwendig ist, sollte nicht nur im Kapitel über die Kantische Konzeption des Selbstbewusstseins, sondern auch im weiteren Verlauf deutlich geworden sein, insbesondere im letzten Teil der Arbeit, der die Reflexion nach synthetischer Einheit deutlich von einer Reflexion auf bloße Gleichheit hin nach analytischer Einheit abgrenzt. Dass es für die Kantische Synthesistheorie notwendig ist, die Anschauungsformen von Raum und Zeit nicht ohne weitere Unterscheidung an ein transzendentales Selbstbewusstsein gekoppelt zu sehen und aus diesem entspringend zu betrachten, sondern als Formen transzendentaler Subjektivität zu interpretieren, die auch das tierische Bewusstsein an der Wahrnehmungswelt teilhaben lassen, ohne dass dafür ein reflexiv-selbstbewusstes Subjekt zu veranschlagen wäre, musste freilich der Ausgangsposition der Untersuchung sein, auf dem alle Theorie der Verstandessynthesis fußt. Diese Interpretation bietet neben dem Gesagten den Vorteil, Raum und Zeit bzw. die Sinnlichkeit in ihrer Selbständigkeit als eigene Erkenntnisvermögen zu bewahren, wobei sie gleichzeitig gegen dogmatische Einwände von Seiten eines transzendentalen Realismus gesichert werden. Eine Verstandessynthesis bezieht sich daher nur auf das in Raum und Zeit gegebene Mannigfaltige, mithin ist jene nur dann erfordert, wenn das gegebene Mannigfaltige auch unabhängig von der Leistung des Verstandes vorgestellt werden kann. Jede andere Interpretation vernachlässigt entweder den Aspekt der Selbständigkeit von Raum und Zeit oder setzt eine Zwischenstufe reflexiven Bewusstseins an, die – wie im Prausschen Wahrnehmungsurteil – eine Art von kategorialer Deutung bereits auf Ebene der bloßen Wahrnehmung vornimmt, was dem Endziel der Kantischen Synthesistheorie, aus bloßen Gemütsbestimmungen einheitliche Vorstellungen vom Gegenstand zu machen, entgegen läuft oder dieses Verständnis zumindest erheblich erschwert. Die Objektivität der Erkenntnis sowie die objektive Gültigkeit von Erfahrungsurteilen sind immer nur dann gewährleistet, wenn der nach Kategorien reflektierende Verstand die bloß subjektiven Gemütsvorstellungen zu Vorstellungen vom Gegenstand – als Objekt einer gemeinsamen Welt – erhebt, indem er jene unter die Kategorien bringt und sie dadurch in einem Selbstbewusstsein (Ich denke) vereinigt. Es ist dies das Erkenntnisinteresse Kants, das ihn von Humes Subjektivismus abgrenzt und die Notwendigkeit eines transzendentalen Idealismus unterstreicht, in dessen Rahmen transzendentale Naturgesetze begründet werden, die das Erkenntnissubjekt an die Erscheinung heranträgt. Nebenbei beantwortet es die grundsätzliche Frage, wie synthetische Urteile a priori möglich sind. Dass die Haupttätigkeit des Verstandes – neben weiteren, ausführlich diskutierten Handlungen wie der der Analysis – im Verbinden gegebener Mannig-
Schlussbetrachtung | 247
faltigkeit liegt, was diverse Verbindungshandlungen des Subjekts voraussetzt, durch die der innere Gliederbau des Erkenntnisvermögens zusammengehalten wird, unterstreicht die Unverzichtbarkeit und immense Bedeutung des Synthesisbegriffs für die kritische Philosophie. Der Anspruch der vorliegenden Untersuchung war es, einen Beitrag zur Debatte über die Synthesis zu leisten, die sich in den letzten Jahrzehnten, aber auch heute noch erheblichen Angriffen gerade von Seiten sprachanalytischer Interpretationen ausgesetzt sieht. Ihre Hoffnung ist es, dass die Kantische Synthesistheorie aus dem Kampf um ihren Stellenwert nun gestärkt hervorgehen möge.
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Personenregister Kant wird im Personenregister nicht eigens aufgeführt. Adickes, E. 17 Allison, H. 182, 236 Almeida, G. 84 Aportone, A. 8, 9, 10f., 107, 114, 128, 137, 145, 161, 199, 212, 213f., 225 Aschenberg, R. 27, 33, 60, 240
Forschner, M.
Baum, M. 51, 57, 63, 192, 219, 231 Baumanns, P. 15, 52, 84, 168, 188 Baumgarten, A. 72 Beck, L. 216 Becker, W. 196, 209, 237, 239, 240 Bennett, J. 27, 55, 67, 68, 70, 156, 173, 215 Bird, G. 3 Blomme, H. 26 Breidert, W. 156 Bubner, R. 96, 119, 213
Hahmann, A. 78, 85, 162 Heidegger, M. 25, 99, 106, 115, 144, 154, 158, 159, 168, 213, 214 Heidemann, D. 25, 51, 65, 84, 85, 88, 120, 213 Henrich, D. 52, 54, 56, 67, 74, 75, 188, 192, 214, 240 Höffe, O. 27, 165, 223, 232, 235 Hoppe, H. 5f., 7f., 56, 66f., 101, 103f., 108, 192, 196, 200, 209, 231, 236 Horstmann, R. 55, 80 Hossenfelder, M. 28, 33, 60, 223 Hume, D. 3, 7, 57, 78, 101, 102, 103f., 110f.
Caimi, M. 76, 107, 129, 136, 140, 182f., 185, 213 Cramer, K. 47, 49, 59, 67, 227, 241 Deppermann, A. 51, 64, 66f., 70, 76, 89, 101, 208 Detel, W. 144, 145, 183 Dörflinger, B. 5, 18, 24, 26, 33, 44, 45f., 52, 58, 61, 63, 70, 91, 99, 110, 119, 191, 192, 199, 201f., 208, 220f. Düsing, K. 46, 53, 55, 57, 106, 108, 111, 124, 128, 132, 133, 140, 144, 160, 165, 173, 182, Ebbinghaus, J. 48, 54, 59, 69f., 106 Engelhard, K. 106, 162 Euklid 27–30, 34, 36, 155, 177 Fichte, J. 1, 4, 16, 45, 47, 50f., 52, 62, 154, 244
119
Glock, H. 3 Gloy, K. 121, 197 Grünewald, B. 87 Guyer, P. 168, 236
Kaulbach, F. 7, 8, 85, 112, 118, 119, 120, 124, 129, 147, 148, 187, 192, 230 Kitcher, P. 6, 8f., 29, 108, 126, 131 Klemme, H. 52, 53, 57, 67f., 80, 139, 198, 221 Kopper, J. 205 Koriako, D. 26, 33 Körner, S. 149 Körsgen, N. 195, 211, 213 Kugelstadt, M. 13, 24, 40, 45, 99, 100, 107, 109, 110, 114, 124, 133, 151, 153, 176, 192, 201, 208, 209, 217, 218, 219f., 225, 241 Kuhne, F. 57 Land, T. 11, 132, 170 La Rocca, C. 129, 136, 139, 144, 158, 183, 222, 230, 240
258 | Personenregister
Rosefeldt, T.
69
Schiller, F.
199
Schliemann, O. 140 Leibniz, G. 131 Longuenesse, B. 2, 7, 8f., 11f., 45, 113, 132, 140, 156, 161, 170f.
Schmitt, A.
Schönrich, G.
175, 220f., 240
Malter, R. 141 McDowell, J. 64 Motta, G. 87, 97
Seebohm, T.
216
Natterer, P. 25, 63, 74 Niquet, M. 37, 60 Olk, C. 131, 162 OʼNeill, O. 99f. Paton, H. 17, 128, 188, 205, 208, 218, 219f. Patt, W. 25, 28, 32, 37, 38, 168 Pippin, R. 133, 134, 158, 174, 182, 222 Poincaré, H. 28 Prauss, G. 17, 18, 20, 21, 45, 54, 88, 90, 99, 106, 108, 112, 119, 165f., 168, 199, 200–202, 237, 240 Reuter, P. 141, 151 Robinson, H. 15 Röd, W.
4, 53, 57, 74, 78, 80, 150, 196,
223 Ros, A. 215 Rosales, A. 9, 11f., 18, 48, 52, 53, 54, 55, 57, 62, 63, 74, 75, 128, 131f., 137, 144, 145, 154, 158, 161, 174, 176, 177
31
Schopenhauer, A.
51, 181f., 234
Stegmüller, W. 223 Strawson, P. 3–5, 6f., 26, 27–38, 51, 58, 59, 64, 70, 86, 199, 213, 235 Sturma, D. 55, 58, 59, 61, 68f., 74, 91, 119, 125, 126, 208, 209 Tuschling, B. 214, 216 Walker, R. 54f., 110, 183 Welsen, P. 233, 235 Wenzel, C. 104f. Westphal, K. 3, 101 Wiredu, J. 27, 40 Wolff, C. 131 Wolff, M. 213 Wunsch, M. 99 Wyller, T. 4, 104 Zenon 147 Zobrist, M. 57, 58, 63, 65, 68f., 74, 80 Zocher, R. 188 Zöller, G. 99, 103, 113, 192
Sachregister Der Begriff Synthesis wird im Sachregister nur eingeschränkt aufgeführt. Bei anderen Begriffen, die einerseits nicht von Synthesis zu trennen sind, andererseits auf komplexe Themenfelder verweisen (Anschauung, Apperzeption, Begriff, Erscheinung, Handlung, Kategorie, Mannigfaltigkeit, Schema, Vorstellung, Wahrnehmung), wurde eine eingrenzende Auswahl getroffen. Weiterhin versucht das Sachregister, durch eine recht umfangreiche Verweisstruktur komplexe Themenfelder auf einige umfassende Gegenstandsbereiche einzuschränken; so werden unter den Begriff der kategorialen Reflexion sämtliche Funktionen synthetischer Bestimmung subsumiert.
Actio – immanens 72, 124 – transiens 72, 76, 117–121, 121–127, 148, 156, 188, 218 Affektion – Fremdaffektion 16f., 18, 109 – Selbstaffektion 8, 16f., 62, 76, 117f., 121–127, 132, 149, 156, 174, 188, 218 Aggregat/Aggregation 18f., 22, 49, 60, 65f., 130, 138, 141, 143, 149ff., 217 Amphibolie 3, 40, 43, 65f., 141, 150f., 191, 223, 227f. Analogien, der Erfahrung 72, 78, 79, 85– 87, 162, 229–232, 235, 236, 239, 240 Analogiebildung 124, 160, 161, 165 Anschauung, – empirische 33, 34, 64f., 186, 190, 195, 237 – eine/die formale 11, 25, 35, 42, 44, 46, 109, 169–179 – intellektuelle 62 – intellektuelle (göttliche) 114f. – reine 34, 35, 136, 170, 172, 221 – sinnlich (menschliche) 10, 17f., 28, 46, 49, 55, 93, 114ff., 121-127, 127– 149, 184, 192 Apperzeption, – analytische Einheit der 2, 14, 58, 68f.,150, 151, 182, 193, 203f., 204– 216, 217–219, 219ff. – empirische 14, 43, 55-58, 93 102, 125f., 193, 201
– reine/ursprünglich-synthetische Einheit der 1f., 5, 12, 14, 16, 18, 39, 45, 46, 47–66, 66–70, 71–76, 83, 90f. 93ff., 97, 101, 107, 113f., 116 121f., 125, 132, 137, 142, 143, 151, 153, 170, 192, 203f., 204–216, 217–219, 219ff., 246f. Apprehension – empirische 43, 96–102, 105, 110, 203, 230ff. – reine (s. Schema, reiner Verstandesbegriffe) Assoziation 43, 58, 97f., 100 –105, 111, 201, 225 Begriff – empirischer 30f., 176, 181ff., 185, 215f., 223, 226, 227f., 244 – gemeinschaftlicher 22, 150, 152f., 204ff., 210, 217f., 219 – klarer 23, 139, 151–155, 204ff. – reiner (s. Verstandesbegriff, reiner) – synthetischer (s. Reflexion, synthetische) Beharrlichkeit (des Realen)/das Beharrliche 49, 59, 73, 77–81, 83–92, 102, 145, 152, 162f., 168, 233, 239 Bewegung, – eines Objekts 118, 147, 228 – transzendentale (s. auch Handlung) 111, 117–121, 163f., 187
260 | Sachregister
Bestimmung – analytische 2, 9, 47, 49, 54, 63, 76, 80, 82f., 90, 93, 97f., 107, 114f., 150, 152, 154, 175, 191, 195f., 213ff. – durchgängige 21, 60 129, 205 – synthetische (s. Reflexion, synthetische) Cogitabile ut dabile (s. Intellektion) Conceptus communis (s. Begriff, gemeinsamer) Dasein/Daseinsbestimmung 17, 24, 34, 45, 50, 62–66, 71f., 83–91, 105, 118, 121, 123f., 152, 162, 183, 184ff., 228f., 234 Deduktion, transzendentale 7, 39, 41, 47, 54, 60, 74, 99, 108ff., 111, 121f., 132, 149ff., 169, 186, 188, 190, 210, 220, 234, 244 Definition – Nominal- 2, 9, 65, 78f., 93, 137, 150ff., 162, 172, 176f., 216, 240 – Real- 79, 137, 149ff. – genetische 131 – mathematische 176 – philosophische 176 Ding an sich 21, 23f., 33f., 38, 58, 115, 192 – empirisches 17, 20f., 90, 102, 123, 168, 192f., 243 – überhaupt 4, 17 Eigenschaften 21, 28, 68, 72, 125, 165, 172, 215, 239 Einbildungskraft, – empirische (s. Synthesis, empirische) – reine/produktive (s. Schema, reiner Verstandesbegriffe) Einerleiheit (s. Amphibolie) – synthetische (s. Kategorie, der Quantität) Einfachheit, absolute 48, 123, 152f. Einheit, absolute 48, 60, 94,151 –155, 160 Eins (s. Begriff, klarer)
Empfindung 20, 25, 31, 57, 64, 68, 71, 86ff., 96, 99, 126, 160, 182f., 198, 227 Erfahrung (s. Reflexion, kategoriale; Erfahrungsurteil) Erscheinung (s. Ding an sich, empirisches) Erwerbung, ursprüngliche 131f., 136, 176, 181 Existenz (s. Kategorie, der Wirklichkeit) Exposition 59, 176, 224f., 229, 239 Formen, – der Sinnlichkeit/der Anschauung 14, 18, 20–26, 27–38, 39, 44, 45f., 87, 97, 109, 118, 169, 175, 231, 246 – des Verstandes/des Denkens (s. Kategorie; Verstandesbegriff, reiner) Funktion, – des Größenbegriffs 5, 23f., 36, 94f., 100, 103ff., 109 – der Kategorie 9, 10f., 17, 65, 76, 93, 106f., 113–116, 133–139, 142f., 143f., 146–149, 154, 155, 162f., 171, 174f., 178, 195, 211, 230 – des Verstandes/der Sinnlichkeit 13, 16f., 19 Gedankending 25, 33, 38, 42, 65, 77, 91, 115, 154 Gegeben (s. Mannigfaltigkeit) Gemacht (s. Reflexion, synthetische) Geometrie – euklidische 27–38, 118, 189 – überhaupt 27–30 Gewohnheit 101 Gleichheit (s. Reflexion, analytische) Grundsätze, der Erfahrung 1, 77ff., 85, 102, 112, 149, 161f., 169, 171, 180f., 186, 196f., 215, 218, 221 –227, 227– 235, 243 Handlung 7, 42, 72, 108, 111, 117–121, 163, 173, 188, 208 Handlungsanweisung 150, 187–190
Sachregister | 261
Ich denke (s. Apperzeption, reine) Idee 25, 37, 42, 60, 73, 76, 79–80, 86, 91, 97, 124, 129, Identität, – analytische (s. Reflexion, analytische) – synthetische (s. Reflexion, synthetische) – numerische, qualitative (s. Begriff, klarer; Apperzeption, reine) Imperativ (s. Handlungsanweisung) Induktion 78f. Inhärenz (s. Kategorie, der Substanz) Intellektion, der Erscheinung 11f., 42, 112, 116, 129, 161, 163, 170f., 184, 243, 245f. Kategorie – der Quantität (Einheit, Vielheit, Allheit) 15, 22f., 69, 116, 127–149, 151, 151– 155, 155ff., 158–163, 164–169, 170– 179, 180f. – der Qualität (Realität, Gegenstand der Empfindung) 87ff., 110f., 211 – der Relation: – Substanz-Akzidenz 2, 9, 32, 49, 65, 71f., 73, 77–81, 86, 89, 91, 162f., 102, 118, 124, 131, 145, 151, 201f., 208, 214, 217ff., 233, 243 – Ursache-Wirkung 80, 97, 119ff., 131, 135, 145, 198ff., 223–227, 227–235 – Wechselwirkung 97, 131, 150, 166f. – der Modalität: – reale Möglichkeit 8f., 72, 87ff., 113, 126, 169, 184ff., 192 – reale Wirklichkeit 64f., 84, 86–90, 98, 101f., 163, 167, 169, 184ff., 201f. – reale Notwendigkeit 8f., 87, 97f., 145, 198ff., 227–236 Kausalität, Kausalitätsprinzip (s. Kategorie, der Ursache-Wirkung) Kraft (s.a. Handlung) 71f., 120, 188, 233 Konstitution (s. Reflexion, synthetische) Konstruktion – mathematische 34f., 40, 46, 110 148, 150, 159f. 171–179, 180, 187, 221 – philosophische 142, 148, 157, 161, 169–172, 177
Logik, – formale 1, 135, 203f., 211 – transzendentale 10, 19, 93, 203f., 207 Mannigfaltigkeit/das Mannigfaltige 5, 12, 15, 17f., 20–26, 27–38, 39–44, 45f., 47ff., 54ff., 59, 61ff., 66ff., 93f., 95f., 98, 100, 103, 105f., 112, 113– 116, 117–121, 121–127, 127–149, 153, 155, 155ff., 158–169, 169–179, 180f., 183, 184, 192, 203, 205f., 208f., 232, 246 Materie 25f., 31ff., 77ff., 84f., 90f., 108, 115, 124f., 154, 168, 179, 183, 186, 211f., 240 – der Materie nach 133, 153, 156, 176, 189 Möglichkeit – logische (s. Bestimmung, analytische) – reale (s. Kategorie, der Modalität) Monogramm 178, 181ff. Notwendigkeit, – reale, objektive (s. Kategorie, der realen Notwendigkeit) – subjektive 53, 60, 88, 97f., 101f., 113, 133, 140, 165, 168, 191, 196f., 213, 236, 246 Objekt – der Erfahrung (s. Reflexion, synthetische) – mathematisch formales 190f. – transzendentales 55, 190–193 Observation 34, 224ff., 229 Organologisch 5, 18f., 70, 243 Person 82, 91f. Prädikabilie 72, 121 Präsumtion 60, 64, 97f.,196 Postulat/Postulate 102, 123, 133, 189 Produkt/Produzieren 34f., 42, 45, 103, 111, 127–149, 149, 154, 155ff., 158– 163, 169–179 Projekt 133, 138, 177, 189, 245 Psychologie/Psychologismus 6ff., 13, 25, 77, 80, 82, 126f.
262 | Sachregister
Quantum 49, 118, 138, 140–143, 144, 153ff., 172, 178 – discretum 22, 35, 142, 147, 157 – continuum 14, 22f., 39, 138, 140f., 147 Raum (s. Form, der Anschauung) Realität, objektive 17, 82, 88, 90f., 93, 102, 115, 167, 190, 194, 239 Regel, Regelhaftigkeit (s. Reflexion, analytische) Reflexion, – absolute 74f. – analytische/vergleichende 2, 9f., 13f., 43, 150f., 203f., 204–216, 217ff., 219ff., 236f., 241f., 244 – synthetische/zeitlich-kategoriale 2, 5, 9, 12f., 13f., 18, 42, 54, 75, 111ff., 113–117, 119, 127–149, 150f., 153ff., 155ff., 175, 184–187, 193f., 200f., 203f., 204–216, 217ff., 219ff., 221– 227, 227–235, 236f., 244f. Reflexionsbegriffe, transzendentale (s. Amphibolie) Rekognition (s.a. Reflexion, synthetische; Schema, reiner Verstandesbegriffe) 99 Reproduktion, – empirische 43, 96–102, 110 – reine (Schema, reiner Verstandesbegriffe) Satz, – analytischer (s. Bestimmung, analytische) – synthetischer (s. Reflexion, synthetische; Erfahrungsurteil) Schema/Schematismus/Schematisierung, – empirischer Begriffe 180, 181ff. – mathematischer Begriffe 164, 169–179 – reiner Verstandesbegriffe 2, 11f., 23, 26, 77, 93–96, 105–111, 111ff., 126, 127–149, 149ff., 155ff., 158–163, 163–169, 180f., 185f., 188, 208, 211, 224, 230f., 243ff. Schemabild 128, 133, 145,158–163, 164–169, 171–179, 181
Seele/Seelenlehre, rationale 73, 77–82, 83, 91f. Selbstbewusstsein, – empirisches (s. Apperzeption, empirische) – reines (s. Apperzeption, reine) Sprache 169, 199 Subjekt, – transzendentales (s.a. Apperzeption, reine) 31, 37f., 39, 44, 45f., 48f., 53, 65, 70, 71–76, 77–82 – empirisches (s. Apperzeption, empirische) Subsistenz (s. Kategorie, der Substanz) Subsumtion, – analytische (s. Reflexion, analytische) – synthetische (s.a. Reflexion, synthetische) 221–227, 227–235, 243 Sukzession – regelgeleitete/gesetzmäßige 108, 162, 230–236 – subjektive/sukzessive Synthesis 41, 100, 105, 108, 127–149, 155–158, 161, 165f., 169–179, 228 Syllogismus – logischer 80, 135, 224ff. – synthetischer 224ff. Synthesis – empirische 93–96, 96–102, 105–111 – figürliche 45, 113–117, 127–149, 158– 163, 163–169, 169–179 – intellektuelle 54, 68, 113–117, 131 – mathematische 13, 169–179 – philosophische 13, 169, 179 – reine (s. Schematismus) – transzendentale (s. Schematismus) – vorfigürliche (s. Funktion, des Größenbegriffs) Synopsis 40, 94, 103 Teil-Ganzes-Relation 21, 35, 46 Teleologisch (s. Organologisch) Thesis 138, 155 Tiere 42f., 87 Totum 25 Traum 86ff.
Sachregister | 263
Unendlichkeit 23, 36f., 42, 205 Ursache (s. Kategorie, der UrsacheWirkung) Urteil, – Erfahrungs-/Erkenntnisurteil 93, 97, 184–187, 187, 193–200, 200–203, 221–227, 236–242, 246 – Wahrnehmungsurteil 93, 193–200, 200–203, 246 – allgemeine (s. Reflexion, analytische) – singuläre 236–246 Urteilsform 2, 8ff., 135, 154, 194f., 200, 211–214, 238 Urteilskraft 4, 57, 80, 217, 245 – empirische 117, 185, 222–227, 229 – transzendentale/bestimmende 13, 80, 94, 107, 116, 129, 146, 161, 179, 185, 217, 222–227, 245 Verstand (s. Apperzeption, reine) Verstandesbegriff, – in concreto 117, 223 – reiner (s. Funktion, der Kategorie) Verknüpfung, – notwendige 97, 145, 202, 230–235 – überhaupt (nexus/conjunctio) 43, 48ff., 61, 101, 164, 171, 194, 198f., 202, 229, 234, 237, 243 Vermögen (s. Handlung) Veränderung 20, 89, 91, 118, 120f., 166, 168, 174, 183, 218f., 223f., 226f., 230–235
Verschiedenheit (s. Amphibolie) Vorstellung – beharrliche 84 – dunkle 51, 66ff. – klare 66ff., 139, 151, 154 – von etwas 1, 66f., 84, 89, 162, 168 Wahrheit 28, 169, 195ff., 215 Wahrnehmung 26, 47, 66, 93, 95, 98, 101, 103ff., 184, 193, 214, 225, 229f., 237f. Wechselwirkung (s. Kategorie, der Wechselwirkung) Wirkung (s. Kategorie, der UrsacheWirkung) Zahl (s. Kategorie der Quantität) Zahl überhaupt (s.a. Schema, reiner Verstandesbegriffe) 127–149, 155– 158, 208 Zeit (s. Form, der Anschauung) Zusammensetzung (compositio) 35, 49f., 100f., 106, 127–149, 152, 155ff., 169–179, 207, 225, 243 Zweck 1, 9, 13, 18, 21–25, 35, 42, 61, 64, 93, 97, 111, 125, 128, 135, 161, 204, 206, 243 Zugleich/Zugleichsein 20, 89, 108, 150, 166f., 208