Jugendgerichtsgesetz: Kommentar [11., neubearb. Aufl. Reprint 2016] 9783110924060, 9783110168167

Mit der 11. Auflage wird der Kommentar auf den neuesten Stand gebracht. Rechtsprechung und Literatur sind bis Oktober 20

223 75 73MB

German Pages 793 [796] Year 2002

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
Erläuterungen
Erster Teil. Anwendungsbereich
Zweiter Teil. Jugendliche
Erstes Hauptstück. Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen
1. Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
2. Abschnitt Erziehungsmaßregeln
3. Abschnitt. Zuchtmittel
4. Abschnitt. Die Jugendstrafe
5. Abschnitt. Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
6. Abschnitt. Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe
7. Abschnitt. Mehrere Straftaten
Zweites Hauptstück. Jugendgerichtsverfassung und Jugendstrafverfahren
1. Abschnitt. Jugendgerichtsverfassung
2. Abschnitt. Zuständigkeit
3. Abschnitt. Jugendstrafverfahren
Drittes Hauptstück. Vollstreckung und Vollzug
1. Abschnitt. Vollstreckung
2. Abschnitt. Vollzug
Viertes Hauptstück. Beseitigung des Strafmakels
Fünftes Hauptstück. Jugendliche vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind
Dritter Teil. Heranwachsende
1. Abschnitt. Anwendung des sachlichen Strafrechts
2. Abschnitt Gerichtsverfassung und Verfahren
3. Abschnitt Vollstreckung, Vollzug und Beseitigung des Strafmakels
4. Abschnitt. Heranwachsende vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind
Vierter Teil. Sondervorschriften für Soldaten der Bundeswehr
Fünfter Teil. Schluß- und Übergangsvorschriften
Fundstellenverzeichnis der in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes
Sachregister
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Jugendgerichtsgesetz: Kommentar [11., neubearb. Aufl. Reprint 2016]
 9783110924060, 9783110168167

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Brunner/Dölling Jugendgerichtsgesetz de Gruyter Kommentar

Brunner/Dölling

Jugendgerichtsgesetz Kommentar 11., neubearbeitete Auflage von Rudolf Brunner Dieter Dölling

w DE

G

Walter de Gruyter • Berlin • New York 2002

Dr. Rudolf Brunner,

Leitender Oberstaatsanwalt b e i m Landgericht

N ü r n b e r g - F ü r t h a. D. Professor Dr. Dieter Dölling, ordentlicher Professor u n d Direktor des Instituts für Kriminologie der Universität Heidelberg

Zitiervorschlag z. B. Brunner/Dötting

§ 17 R n 7

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Brunner, Rudolf: Jugendgerichtsgesetz: Kommentar / von Rudolf Brunner; Dieter Dölling. 11., neubearb. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 2002 (De-Gruyter-Kommentar) ISBN 3-11-016816-2

< Copyright 2002 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Datenkonvertierung: jürgen Ullrich typosatz, Nördlingen

Vorwort Mit der 11. Auflage wird der Kommentar auf den neuesten Stand gebracht. Rechtsprechung und Literatur sind bis Ende 2001 und teilweise auch darüber hinaus eingearbeitet. Der Kommentar verfolgt weiterhin das Ziel, die Praxis der in der Jugendstrafrechtspflege Tätigen bei der Anwendung des JGG zu unterstützen und die Zusammenarbeit zwischen den Verfahrensbeteiligten zu fördern. Entsprechend den neuen Entwicklungen in Gesetzgebung, Praxis und Wissenschaft wurden einige Teile des Kommentars überarbeitet, so zum Beispiel die Ausführungen zum Täter-Opfer-Ausgleich ($ 10 Rn 12 ff.), zu Dateiregelungen (Rn 28 ff. vor $ 97) und zum Jugendschutzverfahren (Anhang nach § 125). Leitlinie des Kommentars sind weiterhin die Grundgedanken des JGG, nach denen durch ein erzieherisch ausgestaltetes und rechtsstaatliches Jugendstrafrecht weitere Rechtsbriiche von Jugendlichen und Heranwachsenden verhindert werden sollen und die Integration junger Menschen in die Gesellschaft gefördert werden soll. Die Autoren, die den Kommentar gemeinsam verantworten, hoffen, einen Beitrag dazu zu leisten, daß die Jugendstrafrechtspflege den Anforderungen an einen verantwortlichen Umgang mit jungen Menschen und ihrer Delinquenz gerecht werden kann. Oberasbach bei Nürnberg und Heidelberg im April 2002 Rudolf Brunner

Dieter Dötting

V

Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungsverzeichnis

V XIII

Einführung I. Jugendkriminologische Aspekte n. Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

1 39

Übersicht über die bisherigen Änderungen des JGG

65

Erläuterungen Erster Teil. Anwendungsbereich 51 52

Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich Anwendung des allgemeinen Rechts

68 78

Zweiter Teil. Jugendliche Erstes Hauptstück. Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen 1. Abschnitt. Allgemeine Vorschriften $3 $4 $5 $6 §7 §8

Verantwortlichkeit Rechtliche Einordnung der Taten Jugendlicher Die Folgen der Jugendstraftat Nebenfolgen Maßregeln der Besserung und Sicherung Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe

83 93 94 98 99 105

2. Abschnitt Erziehungsmaßregeln §9 S 10 §11 § 12

Arten Weisungen Laufzeit und nachträgliche Änderung von Weisungen; Folgen der Zuwiderhandlung Hilfe zur Erziehung

107 110 135 140

VII

Inhaltsverzeichnis

3. Abschnitt. Zuchtmittel § § $ $

13 14 15 16

Arten und Anwendung Verwarnung Auflagen Jugendarrest

143 144 146 153

4. Abschnitt. Die Jugendstrafe $ 17 $ 18 § 19

Form und Voraussetzungen Dauer der Jugendstrafe (aufgehoben)

163 188 201

5. Abschnitt. Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung $ 20 $ 21 § 22 $ 23 $ 24 § 25 §26 5 26 a

(weggefallen) Strafaussetzung Bewährungszeit Weisungen und Auflagen Bewährungshilfe Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers Widerruf der Strafaussetzung Erlaß der Jugendstrafe

201 201 212 214 217 218 226 227

6. Abschnitt. Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe § 27 $ 28 $ 29 $ 30

Voraussetzungen Bewährungszeit Bewährungshilfe Verhängung der Jugendstrafe; Tilgung des Schuldspruchs

235 242 242 243

7. Abschnitt. Mehrere Straftaten §31 § 32

Mehrere Straftaten eines Jugendlichen Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen

247 260

Zweites Hauptstück. Jugendgerichtsverfassung u n d Jugendstrafverfahren 1. Abschnitt. Jugendgerichtsverfassung Vor § 3 3 § 33 Jugendgerichte § 33 a Besetzung des Jugendschöffengerichts § 33 b Besetzung der Jugendkammer § 34 Aufgaben des Jugendrichters § 3 5 Jugendschöffen § 3 6 Jugendstaatsanwalt § 37 Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte § 3 8 Jugendgerichtshilfe

VIII

269 269 270 270 279 281 283 288 295

Inhaltsverzeichnis

2. Abschnitt. Zuständigkeit § 39 § 40 § 41 $ 42

Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters Sachliche Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts Sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer Örtliche Zuständigkeit

319 319 320 334

3. Abschnitt. Jugendstrafverfahren 1. Unterabschnitt. Das Vorverfahren § 43 §44 § 45 § 46

Umfang der Ermittlungen Vernehmung des Beschuldigten Absehen von der Verfolgung Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen

341 351 353 377

2. Unterabschnitt. Das Hauptverfahren § 47 § 47a §48 § 49 § 50 §51 § 52 § 52 a § 53 § 54

Einstellung des Verfahrens durch den Richter Vorrang der Jugendgerichte NichtÖffentlichkeit Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen Anwesenheit in der Hauptverhandlung Zeitweilige Ausschließung von Beteiligten Berücksichtigung von Untersuchungshaft bei Jugendarrest Anrechnung von Untersuchungshaft bei Jugendstrafe Überweisung an den Familien- oder Vormundschaftsrichter Urteilsgründe

379 385 388 397 397 403 406 406 411 414

3. Unterabschnitt. Rechtsmittel verfahren § 55 § 56

Anfechtung von Entscheidungen Teilvollstreckung einer Einheitsstrafe

421 447

4. Unterabschnitt. Verfahren bei Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung § 57 $ 58 §59 § 60 § 61

Entscheidung über die Aussetzung Weitere Entscheidungen Anfechtung Bewährungsplan (weggefallen) Sicherungshaftbefehl nach § 453 c StPO

449 453 458 463 465

5. Unterabschnitt. Verfahren bei Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe §62 § 63 § 64

Entscheidungen Anfechtung Bewährungsplan

470 472 473

IX

Inhaltsverzeichnis

6. Unterabschnitt. Ergänzende Entscheidungen $ 65 § 66

Nachträgliche Entscheidungen über Weisungen und Auflagen . . . . 473 Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen bei mehrfacher Verurteilung 476

7. Unterabschnitt. Gemeinsame Verfahrensvorschriften 5 67 § 68 § 69 $ 70 § 71 § 72 5 72 a §73 § 74

Stellung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters 479 Notwendige Verteidigung 487 Beistand 500 Mitteilungen 502 Vorläufige Anordnungen über die Erziehung 505 Untersuchungshaft 510 Heranziehung der Jugendgerichtshilfe in Haftsachen 518 Unterbringung zur Beobachtung 520 Kosten und Auslagen 523

8. Unterabschnitt. Vereinfachtes Jugendverfahren § 75 §76 § 77 § 78

(1weggefallen) Voraussetzungen des vereinfachten Jugendverfahrens Ablehnung des Antrags Verfahren und Entscheidung

532 533 534 534

9. Unterabschnitt. Ausschluß von Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts § 79 § 80 $81

Strafbefehl und beschleunigtes Verfahren Privatklage und Nebenklage Entschädigung des Verletzten

543 544 547

Drittes Hauptstück. Vollstreckung und Vollzug 1. Abschnitt. Vollstreckung 1. Unterabschnitt. Verfassung der Vollstreckung und Zuständigkeit Vor §82 §82 Vollstreckungsleiter § 83 Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren § 84 Örtliche Zuständigkeit § 85 Abgabe und Übergang der Vollstreckung

548 552 559 562 563

2. Unterabschnitt. Jugendarrest § 86 § 87

Umwandlung des Freizeitarrestes Vollstreckung des Jugendarrestes

576 577

3. Unterabschnitt. Jugendstrafe Vor §88 § 88 Aussetzung des Restes der Jugendstrafe X

581 581

Inhaltsverzeichnis

$ 89 (aufgehoben) $ 89 a Unterbrechung und Vollstreckung der Jugendstrafe neben Freiheitsstrafe

591 591

2. Abschnitt. Vollzug $ 90 $ 91 $ 92 $93 $ 93 a

Jugendarrest Aufgabe des Jugendstrafvollzugs Jugendstrafanstalten Untersuchungshaft Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

598 603 620 623 628

Viertes Hauptstück. Beseitigung des Strafmakels $ 94 bis $ 96 (weggefallen) Vor $97 $ 97 Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch $ 98 Verfahren $99 Entscheidung $ 100 Beseitigung des Strafmakels nach Erlaß einer Strafe oder eines Strafrestes $ 101 Widerruf

632 633 640 643 645 646 647

Fünftes Hauptstück. Jugendliche vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind Vor $ 102 $ 102 Zuständigkeit $103 Verbindung mehrerer Strafsachen $ 104 Verfahren gegen Jugendliche

649 650 651 662

Dritter Teil. Heranwachsende 1. Abschnitt. Anwendung des sachlichen Strafrechts § 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende $ 106 Milderung des allgemeinen Strafrechts für Heranwachsende

665 684

2. Abschnitt Gerichtsverfassung und Verfahren $ 107 Gerichtsverfassung $ 108 Zuständigkeit $ 109 Verfahren

686 687 689

3. Abschnitt Vollstreckung, Vollzug und Beseitigung des Strafmakels $110 Vollstreckung und Vollzug $111 Beseitigung des Strafmakels

696 697

XI

Inhaltsverzeichnis

4. Abschnitt. Heranwachsende vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind $112 Entsprechende Anwendung

698

Vierter Teil. Sondervorschriften für Soldaten der Bundeswehr Vor § 112a $ 112 a Anwendung des Jugendstrafrechts $ 112 b Erziehungshilfe durch den Disziplinarvorgesetzten $ 112 c Vollstreckung $ 112d Anhörung des Disziplinarvorgesetzten $ 112e Verfahren vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind

700 701 703 708 710 711

Fünfter Teil. Schluß- und Übergangsvorschriften $ 113 Bewährungshelfer $114 Vollzug von Freiheitsstrafe in der Jugendstrafanstalt $115 Rechtsvorschriften der Bundesregierung über den Vollzug $116 Zeitlicher Geltungsbereich $117 Gerichtsverfassung $118 (zeitlich überholt) $119 Freiheitsstrafen $ 120 Verweisungen $ 121 Übergang der Vollstreckung $ 122 (gegenstandslos) $ 123 (gegenstandslos) $ 124 (gegenstandslos) $ 125 Inkrafttreten Anhang nach $ 125: Jugendschutzverfahren

712 713 715 717 717 717 718 718 718 718 719 719 719 719

Fundstellenverzeichnis der in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes

735

Sachregister

743

XII

Abkürzungsverzeichnis Teil I Die in den jeweils im Anschluß an den Gesetzestext abgedruckten Hinweisen verwendeten Abkürzungen bedeuten: 1. Hw. Die Vorschrift gilt auch für Heranwachsende. Die Vorschrift gilt für Hw., wenn die Voraussetzungen des § 1051 Hw-J (Anwendung des materiellen JRechts) gegeben sind. Hw-JRecht Die Vorschrift gilt für Hw., auf die im Urteil gem. § 105 I materielles JRecht angewendet worden ist. Die Vorschrift gilt für Hw. nie. [Hw.] Diese Vorschrift muß auch das ErwGericht beachten, wenn es 2. ErwG (auch) gegen einen J verhandelt. Diese Vorschrift darf das ErwG nicht anwenden. [ErwG] Die Kombination 1 und 2 zeigt, ob diese Vorschrift vor dem ErZu 1 und 2 wGericht gilt, wenn es (auch) gegen einen Hw. verhandelt, ohne daß ein J beteiligt ist. z. B. H w . . . ErwG . Die Vorschrift muß auch das ErwGericht beachten, wenn es gegen Hw. allein oder neben Erw. verhandelt. Die Vorschrift gilt nicht, wenn das Erz. B. [Hw.] . . . ErwG wGericht nur gegen Hw. oder gegen Hw. und Erw. verhandelt. Die angegebene Fundstelle sagt Näheres. 3. Sold. Die Vorschrift ist nicht oder nur mit Einschränkungen oder Abwandlungen anzuwenden, wenn der Täter Soldat ist. Die angegebene Fundstelle sagt Näheres.

Teil n Zitierweise und Abkürzungen 1. Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des JGG; Absätze oder Richtlinien ohne Paragraphenangabe beziehen sich auf den eben erläuterten Paragraphen. Absätze eines Paragraphen werden durch römische Zahlen, Sätze durch arabische Ziffern bezeichnet (z. B. $ 87 II 1); bei Paragraphen ohne Absätze oder isoliert zitiert, werden Sätze mit einem vorangestellten S. (z. B. S. 2) bezeichnet. Randnummern ohne vorangestellte Paragraphenbezeichnung im Text bezeichnen Randnummern des eben erläuterten Paragraphen; bei Hinweisen auf einen anderen Paragraphen werden diesem die Randnummern mit einem Komma beigeordnet; einer Randnummer folgende und zu beachtende Randnummern werXIII

Abkürzungsverzeichnis

den nicht besonders angegeben. Andere Kommentare werden gleicherweise mit Randnummern, bei deren Fehlen mit Anmerkungen zitiert Gesetzesblätter, Zeitschriften und Entscheidungssammlungen werden grundsätzlich nach Jahrgang und Seite zitiert; dies gilt nur dann nicht, wenn eine andere Zitierweise allgemein üblich ist (z. B. BGH und LM). 2. Im Schrifttum zitierte Autoren werden, soweit Verwechslungen ausgeschlossen sind, im Text nur mit Namen, Jahreszahl und Seite zitiert, bei Zeitschriften wird im Text auf Überschriften verzichtet. aA aaO abl. Abs. aE aF AG Albrecht allg. ÄndG Anm. AO Art. Aufl. BA BAG BAnz BayGVBl. BayObLG ber. bes. Bew. BewH BGB BGBl. BGH BGH B BGH H BGHR BKA BMJ Böhm

XIV

anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Absatz am Ende alte Fassung Amtsgericht Peter-Alexis Albrecht, Jugendstrafrecht. Ein Studienbuch, 3. Aufl. 2000 allgemein Änderungsgesetz Anmerkung Abgabenordnung Artikel Auflage Zeitschrift „Blutalkohol" Bundesarbeitsgemeinschaft Bundesanzeiger Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht; auch Entscheidungssammlung des BayObLG in Strafsachen berichtigt besonders Bewährung, auch in Zusammensetzungen, zB BewHelfer Bewährungshilfe. Fachzeitschrift für Bewährungs-, Gerichtsund Straffälligenhilfe Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof; auch Entscheidungen des BGH in Strafsachen BGH bei Böhm BGH bei Holtz BGH-Rechtsprechung in Strafsachen, hrsg. von den Richtern des BGH Bundeskriminalamt Bundesministerium der Justiz Alexander Böhm, Einführung in das Jugendstrafrecht, 3. Aufl. 1996

Abkürzungsverzeichnis

BRAGO

Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 26.7.1957 (BGBl. I 907), letztes ÄndG V. 26.11.2001 (BGBl. I 3138) Bundestagsdrucksache BT-Drs. Betäubungsmittelgesetz, i.d.F. d. Bekanntmachung v. 1.3. BtMG 1994 (BGBl. I 358), letztes ÄndG V. 28.3.2000 (BGBl. I 302) Ulrike Burscheidt, Das Verbot der Schlechterstellung JugendBurscheidt licher und Heranwachsender gegenüber Erwachsenen in vergleichbarer Verfahrenslage, 2000 Bundesverfassungsgericht BVerfG Entscheidungssammlung des BVerfG BVerfGE BZRG Bundeszentralregistergesetz, idF d. Bekanntmachung v. 21.9. 1984 (BGBl. I 1229, ber. 1985 I 195), letztes ÄndG v. 17.12. 1999 (BGBl. I 2662) Erste allg. Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des BunBZRVwV deszentralregistergesetzes (1. BZRVwV) v. 24.5.1985 (Bundesanzeiger Nr. 99) Dallinger/Lackner Jugendgerichtsgesetz. Kommentar, 2. Aufl. 1965 DAR Deutsches Autorecht Deutsches Institut für Vormundschaftswesen DIV Deutsche Justiz DJ DJGT Deutscher Jugendgerichtstag DJZ Deutsche Juristenzeitung DR Deutsches Recht DRiG Deutsches Richtergesetz, idF d. Bekanntmachung v. 19.4. 1972 (BGBl. I 713), letztes ÄndG v. 9.7.2001 (BGBl. 11510) DRiZ Deutsche Richterzeitung Diemer/Schoreit/Sonnen, Jugendgerichtsgesetz. Kommentar, DSS 3. Aufl. 1999 Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift DtZ Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und JugendgerichtsDVJJ hilfen e. V. DVJJ-Journal DVJJ-J DVJJ-BW DVJJ-Landesgruppe Baden-Württemberg Rechtsverordnung zur Durchführung der Erziehungshilfe DVO. Hilfe durch den Disziplinarvorgesetzten v. 25.8.1958 (BGBl. 11645) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz v. 27.1. EGGVG 1877 (RGBl. 77), letztes ÄndG v. 27.7.2001 (BGBl. I 1887) EGStGB Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch v. 2.3.1974 (BGBl. I 469), letztes ÄndG v. 3.5.2000 (BGBl. I 632) Einführung Einf. Eisenberg Jugendgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 8. Aufl. 2000 EJF Entscheidungen aus dem Jugend- und Familienrecht, Loseblattsammlung (bis 1961) Erw. Erwachsener, so auch in Zusammensetzungen, zB ErwRecht Erz., erz. Erziehung, erzieherisch, so auch in Zusammensetzungen, z. B. ErzBerechtigter EuAlÜbk Europäisches Auslieferungsübereinkommen v. 13.12.1957 (BGBl. 1964 II 1371; 1976 II 1778) XV

Abkürzungsverzeichnis

EzSt FamRZ ff FGG FN FS FuR G GA Ganske GG ggfGKG Göhler Göppinger grds. Grethlein GS GVBl. GVG H

HESt. hM HRR Hrsg. HS Hw. Hw-J Hw-JRecht idF idR Itzel

XVI

Entscheidungssammlung zum Straf- u. Ordnungswidrigkeitenrecht Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht folgende Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.5.1898 idF der Bekanntmachung v. 20.5.1898 (RGBl. 771), letztes ÄndG v. 27.7.2001 (BGBl. I 1887) Fußnote Festschrift für Familie und Recht Gesetz Goltdammer's Archiv für Strafrecht Joachim Ganske, Der Begriff des Nachteils bei den strafprozessualen Verschärfungsverboten, 1960 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 25.5. 1949 (BGBl. 1), letztes ÄndG v. 19.12.2000 (BGBl. I 1755) gegebenenfalls Gerichtskostengesetz idF der Bekanntmachung v. 15.12.1975 (BGBl. I 3047), letztes ÄndG V. 26.11.2001 (BGBl. I 3138) Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 12. Aufl. 1998 Hans Göppinger, Kriminologie. Bearbeitet von Michael Bock und Alexander Böhm. Unter Mitarbeit von Hans-Ludwig Kröber und Werner Maschke, 5. Aufl. 1997 grundsätzlich Gerhard Grethlein, Problematik des Verschlechterungsverbotes im Hinblick auf die besonderen Maßnahmen des Jugendrechts, 3. Aufl. 1963 Gedächtnisschrift für Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz v. 27.1.1877 idF v. 9.5.1975 (BGBl. I 1077), letztes ÄndG v. 26.11.2001 (BGBl. I 3138) Heft Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der obersten Gerichte in Strafsachen herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber Halbsatz Heranwachsender Heranwachsender, auf den gem. $ 105 materielles Jugendrecht anzuwenden ist Heranwachsender, auf den gem. $ 105 materielles Jugendrecht angewendet wurde in der Fassung in der Regel Peter Itzel, Die Abgrenzung der Weisungen von den Auflagen nach dem JGG, 1987

Abkürzungsverzeichnis

iVm J j. JA JAVollzO JGG JGGÄndG JGH JHG JMBl. JME Joachimski JR JStA JStrafrecht an der Wende JuMiG JuS Justiz JW JWG JWohl JZ Kaiser Kaiser/Kerner/ Sack/Schellhoss Kaiser/Schöch KG KindRG KJHG KK Kleinknecht/ Meyer-Goßner KMR

in Verbindung mit Jugend, Jugendliche(r), auch in Zusammensetzungen, z.B. JGericht jugendlich, auch in Zusammensetzungen, zB jgemäß Jugendarrest Jugendarrest-Vollzugsordnung Jugendgerichtsgesetz Jugendgerichts-Änderungsgesetz (Erstes -) v. 30.8.1990 (BGBl. I 1853) Jugendgerichtshilfe Jugendhilfegesetz Justizministerialblatt (z. B. NRW = für Nordrhein-Westfalen) Justizministerial-Erlaß Betaubungsmittelgesetz, 6. Aufl. 1996 Juristische Rundschau Jugendstaatsanwalt Das Jugendstrafrecht an der Wende zum 21. Jahrhundert, Symposium zum 80. Geburtstag von Dr. Rudolf Brunner, hrsg. von D. Dölling, 2001 Justizmitteilungsgesetz u. Gesetz zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften u. anderer Gesetze vom 18.6.1997 (BGBl. I 1430) Juristische Schulung Die Justiz. Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Würtemberg Juristische Wochenschrift Jugendwohlfahrtsgesetz (außer Kraft ab 1.1.1991 durch Art. 24 KJHG vom 26.6.1990) Jugendwohl. Katholische Zeitschrift für Kinder- und Jugendfürsorge Juristenzeitung Günther Kaiser, Kriminologie. Eine Einführung in die Grundlagen, 10. Aufl. 1997 G. Kaiser; H.-J. Kernet; F. Sack; H. Schellhoss (Hrsg.), Kleines Kriminologisches Wörterbuch, 3. Aufl. 1993 G. Kaiser; H. Schöch, Juristischer Studienkurs Kriminologie Jugendstrafrecht Strafvollzug, 5. Aufl. 2001 Kammergericht Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsreformgesetz) vom 16.12.1997 (BGBl. I 2942) Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz) vom 26.6.1990 (BGBl. 11163) Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, herausgegeben von G. Pfeiffer, 4. Aufl. 1999 Strafprozeßordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze, 45. Aufl. 2001 Kommentar zur StPO, hrsg. von Heintschel-Heinegg, Stockei, Stand Juli 2001 XVII

Abkürzungsverzeichnis

Körner KostO KrimJ krit. Lackner/Kühl LAG LG LK LM Löwe/Rosenberg Maurach/Zipf Maurach/Gössel/ Zipf MDR MiStra. MKrim. MRK mwN NdsRpfl. Nix NJ NJW Nothacker NRW NStE NStZ NStZ-RR oj OLG OLGSt

OrgStA Ostendorf OWiG

XVIII

Betäubungsmittelgesetz. Arzneimittelgesetz. Kommentar, 5. Aufl. 2001 Kostenordnung idF v. 26.7.1957 (BGBl. I 960), letztes ÄndG V. 24.2.2000 (BGBl. 1154) Kriminologisches Journal kritisch Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 24. Aufl. 2001 Landesarbeitsgericht Landgericht Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar. Großkommentar, 11. Aufl., hrsg. von Jähnke, Laufhütte und Odersky, 1992 ff Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, hrsg. von Lindenmaier-Möhring Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz. Großkommentar, 25. Aufl., hrsg. von Rieß, 1997 ff Strafrecht Allgemeiner Teil Teilband 1, 8. Aufl. 1992 Strafrecht Allgemeiner Teil Teilband 2, 7. Aufl. 1989 Monatsschrift für Deutsches Recht Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen v. 29.4.1998 (BAnz. Nr. 99 a, ber. BAnz. Nr. 128) Monatsschrift f. Kriminologie und Strafrechtsreform (= Menschenrechtskonvention) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4.11.1950 (BGBl. 1952 n 685) mit weiteren Nachweisen Niedersächsische Rechtspflege Kurzkommentar zum JGG, herausgegeben von Nix, 1994 Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Gerhard Nothacker, „Erziehungsvorrang" und Gesetzesauslegung im JGG, 1985 Nordrhein-Westfalen Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht, hrsg. von Rebmann, Dahs u. Miebach Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungs-Report Strafrecht ohne Jahr Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht, Neuauflage: Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Straf-, Ordnungswidrigkeiten- und Ehrengerichtssachen Anordnung über Organisation u. Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaften (bundeseinheitlich) JGG. Kommentar, 5. Aufl. 2000 Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten idF v. 19.2.1987 (BGBl. I 602), letztes ÄndG v. 19.4.2001 (BGBl. I 623)

Abkürzungsverzeichnis

PDV Pohlmann/Jabel/ Wolf Potrykus Rdj

Polizeidienstvorschrift Kommentar zur Strafvollstreckungsordnung, 7. Aufl. 1996

Kommentar zum Jugendgerichtsgesetz, 4. Aufl. 1955 Recht der Jugend und des Bildungswesens. Zeitschrift für Schule, Berufsbildung und Jugenderziehung RE Referentenentwurf RegE Regierangsentwurf RG Reichsgericht; auch Entscheidungen des RG in Strafsachen RGBl. Reichsgesetzblatt RiStBV Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren v. 1.1.1977 i. d. ab 1.2.1997 geltenden Fassung RJGG Reichsjugendgerichtsgesetz von 1943; mit Zusatz „23": Reichsjugendgerichtsgesetz von 1923 RL Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz i.d. ab 1.8.1994 geltenden Fassung Rn Randnummer Roxin Strafverfahrensrecht. Ein Studienbuch, 25. Aufl. 1998 Rpfl. Der Deutsche Rechtspfleger Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege v. 11.1.1993 (BGBl. I RpflEntlG 50) RpflG Rechtspflegergesetz idF v. 5.11.1969 (BGBl. I 2065), letztes ÄndG v. 19.2.2001 (BGBl. I 288, ber. 436) Schaffstein/Beulke Jugendstrafrecht. Eine systematische Darstellung, 13. Aufl. 1998 SchlHA Schleswig-Holsteinische Anzeigen SGBVIII Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (vm) Kinder- und Jugendhilfe idF v. 8.12.1998 (BGBl. I 3546), letztes ÄndG v. 19.6. 2001 (BGBl. 11046) Sammlung jugendrechtlicher Entscheidungen SjE Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) SoldG i. d. F. v. 19.8.1975 (BGBl. I 2273), letztes ÄndG v. 11.6.1992 (BGBl. I 1030) StA Staatsanwalt oder Staatsanwaltschaft Statistisches Bundesamt. Soweit kein zusätzlicher QuellenStat. BA nachweis erfolgt: Strafverfolgung 1999 Strafgesetzbuch idF v. 13.11.1998 (BGBl. 13322), letztes ÄndG StGB v. 19.6.2001 (BGBl. I 1142) Strafprozeßordnung idF v. 7.4.1987 (BGBl. 11074, ber. 1319), StPO letztes ÄndG v. 18.5.2001 (BGBl. I 904) Straffreiheitsgesetz StrFrG Strafverteidiger (Zeitschrift) StV StVÄG Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 v. 5.10.1978 (BGBl. I 1654) StVollstrO Strafvollstreckungsordnung v. 1.4.2001(BAnz.Nr.87S.9157) StVollzG Strafvollzugsgesetz v. 16.3.1976 (BGBl. I 581, ber. 2088 u. 1977 I 436), letztes ÄndG v. 2.8.2000 (BGBl. I 1253) Tröndle/Fischer Strafgesetzbuch u. Nebengesetze, 50. Aufl. 2001 XIX

Abkürzungsverzeichnis

u. ua UHaft UJ uU UVollzO VG VGH VO Vorb. VRS WDO Wolf WpflG WStG Zbl. ZfStrVo ZPO ZRP Zs. ZStW zust. zw.

XX

und unter anderem oder und andere Untersuchungshaft Unsere Jugend. Zeitschrift für Jugendhilfe in Wissenschaft und Praxis unter Umständen Untersuchungshaftvollzugsordnung v. 12.2.1953 i. d. ab 1.1.1977 geltenden Fassung, letzte Änd. ab 1.1.1997 Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verordnung Vorbemerkung Verkehrsrechtssammlung Wehrdienstdisziplinarordnung i.d.F. v. 4.9.1972 (BGBl. I 1965), letztes ÄndG v. 16.1.1991 (BGBl. 147) Gerhard Wolf, Strafe und Erziehung nach dem JGG, 1984 Wehrpflichtgesetz idF v. 15.12.1995 (BGBl. I 1756), letztes ÄndG V. 19.6.2001 (BGBl. I 1046) Wehrstrafgesetz idF v. 24.5.1974 (BGBl. 11213), letztes ÄndG V. 26.1.1998 (BGBl. 1164) Zentralblatt für Jugendrecht Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend zweifelhaft oder zweifelnd

Jugendgerichtsgesetz - JGG In der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1 9 7 4 (BGBl. I, S. 3427), zuletzt geändert durch das Gesetzes zur Verlängerung der Besetzungsreduktion bei Strafkammern vom 19. Dezember 2 0 0 0 (BGBl. I, S. 1 7 5 6 )

Einführung I. Jugendkriminologische Aspekte Übersicht 1. Jugendkriminalrechtspflege und Kriminologie 2. Entstehung der Kriminalität 3. Bereiche der Kriminologie Dunkelfeldforschung Etikettierungsansatz Rechtstatsachenforschung 4. Jugendkriminalität u. Statistik 5. Entwicklung der Jugendkriminalität 6. Mehrfachtäter 7. Deutsch-Deutscher JKriminalitätsvergleich 8. Junge Ausländer 9. Kriminalität u. Verwahrlosung 10. Frühkindliche Schäden 11. Kinderdelinquenz 12. Pubertät 13. Familie u. Erziehung 14. Rollenfixierung 15. Schule 16. Beruf 17. Freizeit 18. Massenmedien 19. Gruppenkriminalität Straftaten aus „politischem" Hintergrund „Fußballfans" 20. Gewalt Gewalt in der Schule Vandalismus 21. Wohlstand u. Arbeitslosigkeit 22. Alkohol und Drogen

Rn 1 3 4 5 6 8 9 11 13 16 17 24 25 26 28 29 32 33 34 35 36 37 40 41 42 44 45 46 48

1

Einfl 23. Prognose 24. Jugendgerichtsverhandlung Gespräch am runden Tisch 25. Kriminalprävention . . . . 1. 1

Einführung 52 53 54 55

Jugendkriminalrechtspflege u n d Kriminologie

Diese jkriminologischen Aspekte wollen weder eine „ E i n f ü h r u n g " in die Kriminologie ersetzen, noch die Richtungen der gegenwärtigen kriminologischen Fors c h u n g erschöpfen und werten. Diese Ausführungen sind nicht m e h r u n d nicht weniger als das berichtende Bemühen, den in der JKriminalrechtspflege Tätigen H i l f e n u n d Anregungen f ü r eigene Weiterarbeit und dem täterbezogenen Ausg a n g s p u n k t u n d den Zielvorstellungen des JGG den notwendigen H i n t e r g r u n d zu geben. Wie wichtig es gerade für diesen Personenkreis ist, den U m g a n g mit I n f o r m a t i o n e n aus der Kriminologie, aus d e n Sozial- u n d Erfahrungswissenschaften z u erlernen, ist nicht erst bei H.J. Schneider (Kriminologie 1987 S. 155) nachzulesen, schon Nietzsche h a t in seiner S a m m l u n g 1883 (Böse Weisheit, Sprüche u. Sprichwörtliches, Pfeile) gesagt: „Bevor m a n den Menschen sucht, m u ß m a n die Laterne g e f u n d e n haben" (Nr. 62) u n d „Über Gut u n d Böse glaubt sich Jedermann Kenner u n d irrt sich" (Nr. 143).

2 M i t t e l p u n k t des JStrafverfahrens ist der noch in der Entwicklung stehende, also prägbare j u n g e Mensch, der von uns die rechte Maßnahme zur rechten Zeit fordert. Die schwere Entscheidung des JRichters, ob die Tat nur Episode oder schon Symptom ist (Exner Kriminologie 1949 S. 27; dazu auch Einf. II 8 u. 9), m u ß d a z u f ü h r e n , bei vorwiegend entwicklungsbedingten, also z u m e i s t e p i s o d i s c h e n Tätern nicht durch überschießende M a ß n a h m e n sekundäre Sozialabweichung u n d Stigmatisierung (H.J. Schneider MKrim. 70, 16) zu riskieren, aber a u c h die s c h w e r Gefährdeten frühzeitig zu erkennen, u m z u versuchen, sie m i t gezielten M a ß n a h m e n rechtzeitig erz. nachhaltig zu beeinflussen und von weiteren Straftaten abzuhalten. Diese verantwortungsvolle Aufgabe erhellt die B e d e u t u n g des JStrafverfahrens, aber auch die Notwendigkeit fördernder und schützender Maßn a h m e n im präjustiziellen Raum. Der Großteil der JKriminalität ist vorübergeh e n d e Gelegenheitsdelinquenz und nicht die ErwKriminalität von m o r g e n (Heinz in Rabe, Hrsg., Jugend, 1984 S. 86). Andererseits kann erhebliche f r ü h e Kriminalität einen Indikator für einen möglichen Weg in die Intensivtäterschaft darstellen (Schaffstdn/Beulke S. 6 ff mwN). 2.

E n t s t e h u n g der Kriminalität

3 Zu den Ursachen der Kriminalität sind zahlreiche Theorien aufgestellt worden, o h n e d a ß es bisher gelungen ist, eine empirisch g u t bestätigte und überzeugende Theorie zu entwickeln, die den Gesamtbereich der Kriminalität abdeckt (vgl. die Übersichten über die Kriminalitätstheorien bei Bock in Göppinger S. 99 ff; H J . Schneider Kriminologie, 1987 S. 359 ff; Schöch in Kaiser/Schoch S. 16 ff). Zu den 2

I. Jugendkriminologische Aspekte

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Entstehungsbedingungen der JKriminalität vorzustoßen (zusammenfassend dazu Lösel in Neuhaus, Hrsg., Sicherheit in der Gesellschaft heute, 2000 S. 51 ff), hilft der auf einer vergleichenden Untersuchung der persönlichen und sozialen Merkmale von registrierten Delinquenten und von Probanden aus der „Normalbevölkerung" beruhende Mehrfaktorenansatz (Delling Zbl. 89,315 unter Hinweis auf Göppinger Der Täter in seinen sozialen Bezügen, 1983). Will der Richter nicht nur vordergründig die Tat sehen, sondern den jungen Täter erkennen und ihm mit der richterlichen Reaktion zugleich helfen, ist es daher notwendig, in einer Längsschnittbetrachtung sorgsam seine Entwicklung, seinen Lebenslauf und seine Persönlichkeit in ihren spezifischen Merkmalen sowie in ihrer Prägung durch die Umwelt kennenzulernen, aber auch die Tat selbst näher als bes. Ereignis im Verlauf des menschlichen Lebens zu berücksichtigen. So wird bei jungen Tätern ein höchst kompliziertes Zusammenspiel von Anlagen, Einflüssen der Herkunftsfamilie, des sonstigen persönlichen Umfeldes, von übergreifenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnissen sowie von speziellen Erlebnissen und Erfahrungen und der individuellen Auseinandersetzung mit diesen Einflüssen und Erfahrungen wirksam sein (Schüler-Springorum MKrim. 69, 10). Aus diesem Mosaik der Wirkungszusammenhänge läßt sich nur schwer eine einzelne „Ursache" als die entscheidende herauslösen. 3.

Bereiche der Kriminologie

Die Kriminologie befaßt sich als empirische Wissenschaft von der Kriminalität 4 und dem Umgang mit Kriminalität mit den in Wechselbeziehungen zueinander stehenden Bereichen Verbrechen, Verbrecher, Opfer und Verbrechenskontrolle (zu Begriff, Aufgaben u. Rolle der Kriminologie vgl. Kaiser S. 1 ff). Für das Verständnis der und den Umgang mit JKriminalität sind insbes. die Befunde der Kriminologie über die JDelinquenz sowie die Resultate der Sanktions- und der Rechtstatsachenforschung von Bedeutung. Für die Erfassung von Umfang und Struktur der JKriminalität kommt neben der 5 Auswertung der Kriminalstatistiken der Dunkelfeldforschung erhebliches Gewicht zu. Registriert werden nur die durch eigene Wahrnehmung der Polizei oder durch Anzeige bekanntgewordenen Straftaten, wobei im Bereich der „klassischen", gegen die Person sowie gegen Eigentum und Vermögen gerichteten Kriminalität die registrierten Taten zu etwa 90% durch Anzeige bekanntwerden. Der größte Teil der Straftaten bleibt jedoch im Dunkelfeld, also der Polizei und der Justiz verborgen. So betrug bei der Göttinger Opferbefragung 1973/74 das Verhältnis zwischen registrierter und nicht registrierter Kriminalität 1 : 1 0 (vgl. Schwind ua Dunkelfeldforschung in Göttingen 1973/74, 1976 S. 122). Das erhebliche, von Delikt zu Delikt unterschiedliche Dunkelfeld wird durch schwankendes Anzeigeverhalten beeinflußt und verbirgt vermutlich eher Erw. als J. Die Kriminologie versucht, mittels in anonymisierter Form durchgeführter Opfer-, Täter- und Informantenbefragungen das Dunkelfeld aufzuhellen. Jede 3

Einfl

Einführung

dieser Befragungen bietet eine Reihe methodischer Schwierigkeiten und stößt an Grenzen des Aussagewertes (zu den methodischen Problemen der Dunkelfeldforschung vgl. Kreuzer NStZ 94, 10, 164). Die Täterbefragungen haben jedoch übereinstimmend die „Normalität" und „Ubiquität" der JKriminalität in dem Sinne ergeben, daß es kaum einen männlichen J gibt, der nicht irgendwann einmal gegen die Normen des StGB verstoßen hat (Kerner in JStrafrecht an der Wende S. 99). Zumeist handelt es sich allerdings um gelegentliche relativ leichte Delikte, wie kleinere Diebstähle, Sachbeschädigung oder Erschleichen freien Eintritts 0Eisenberg Kriminologie, 5. Aufl. 2000 S.621f; Kaiser S. 171 f; Schaffstein/Beulke S. 11; Dölling in Rössner, Hrsg., Toleranz - Erziehung - Strafe, 1989 S. 7f). Mädchen sind weniger belastet als Jungen (Walter JKriminalität, 2. Aufl. 2001 S. 181 f, 200; zusammenf. zur Mädchendelinquenz BruhnsfWittmann RdJ 99, 355). Diese JDelinquenz bleibt überwiegend Episode und klingt im Rahmen des Reifungsprozesses ab (Heinz BewH 88, 271; Kaiser in JStrafrecht an der Wende S. 15). Daneben steht die relativ kleine Gruppe der Mehrfachtäter (dazu Rn 13-15), auf die ein großer Teil der JKriminalität entfällt (Dölling Zbl.89, 314 mwN). Des Dunkelfeldes halber unterscheidet Heinz (BewH 88, 270) nicht zwischen „Kriminellen" und „Nichtkriminellen", sondern zwischen „Nicht- und Niedrigbelasteten" einerseits und „Hochbelasteten" andererseits (ähnlich Kürzinger FS Jescheck, 1985 S. 1070). Nach diesen Befunden läßt sich JKriminalität überwiegend aus den Schwierigkeiten der konfliktreichen Reifungs- und Sozialisierungsvorgänge herleiten und bleibt dann zumeist episodenhaft, kann aber auch nach der Qualität der Taten und der Persönlichkeitsstruktur der Täter bereits Symptom für ernste Gefährdung sein (vgl. Hamacher Kriminalistik 1982,388). Gerade das macht jrichterliche Entscheidungen so schwer und gewichtig in ihren Wirkungen. 6 JKriminalität beschränkt sich nicht auf die Unterschicht, andererseits ist deren Anteil unter Tatverdächtigen und Verurteilten überproportional. Hieraus vor allem leitet der kriminalsoziologische Etikettierungsansatz (Definitionsansatz, labeling approach) her, daß die vom Mehrfaktorenansatz ermittelten kriminogenen Merkmale lediglich Selektionskriterien der Strafverfolgungsorgane seien, abweichendes Verhalten also Ergebnis gesellschaftlicher Zuschreibungsprozesse sei und die Selektion bestimmter Personen die hierarchische Struktur der Gesellschaft widerspiegele. Dies wird teilweise dahin zugespitzt, daß die Instanzen der Sozialkontrolle, insbes. Polizei und Justiz, durch selektive Sanktionierung die Unterschichten diskriminierten und kriminalisierten (vgl. die Nachweise bei H.J. Schneider JZ 73, 573, 578). Nach der sozialpsychologischen Variante des labeling approach führt die Etikettierung einer Person als „kriminell" dazu, daß diese das an sie herangetragene Fremdbild, ein „Krimineller" zu sein, in ihr Selbstbild übernimmt und entsprechend handelt, so daß die Strafverfolgung Delinquenz in Form „sekundärer Abweichung" und verfestigte „kriminelle Karrieren" produziert (siehe Rn32 u. die Darstellung bei Bock in Göppinger S. 134f). Der labelingAnsatz weist zutreffend auf die mit Stigmatisierungsprozessen verbundenen 4

I. Jugendkriminologische Aspekte

Einf I

Gefahren h i n u n d h a t als Tendenz zur „Entkriminalisierung" die jstrafrechtliche Theorie u n d Praxis sowie die Kriminalpolitik erheblich beeinflußt (Schaffstein Neue Entwicklungen des deutschen JStrafrechts, Coimbra 1987/88 S.6ff)- Eine ausreichende empirische Bestätigung der Thesen des Etikettierungsansatzes steht aber noch aus (kritisch daher Schöch in Kaiser/Schöch S. 28 f). Die Problematik der Kriminalität erschöpft sich z u d e m nicht in Definitionsprozessen (s. die Kritik von H. Schneider MKrim 99, 202 an der deutschen Rezeption des labeling approach). Kriminelle Handlungen k ö n n e n gravierende materielle u n d immaterielle Schäden verursachen. Delinquenz h ä n g t ua mit defizitären Lebenssituationen und psychischen Belastungen, aber auch mit der Art u n d Weise zusammen, mit der sich Menschen mit den auf sie einwirkenden Einflüssen u n d den zu bewältigenden Aufgaben und Konflikten auseinandersetzen. Kriminalität h a t daher auch eine menschlich-ethische Dimension. Gerade auch der j u n g e Täter sollte nicht n u r als „Opfer der Verhältnisse" angesehen werden, sondern auch als „Träger seiner Tat" {Hellmer JZ 81, 153, 154). Außerdem ist es nicht verantwortbar, die Augen vor Fehlentwicklungen junger Menschen u n d der Notwendigkeit des Gegensteuerns zu verschließen (Bock FS Hanack 1999 S. 634). Der labeling approach vermag daher die „traditionelle" Kriminologie nicht zu ersetzen, k a n n sie aber in wichtigen Punkten ergänzen. Die S a n k t i o n s f o r s c h u n g versucht mit empirischen Erfolgskontrollen der Wir- 7 k u n g e n strafrechtlicher Rechtsfolgen d e m Richter Entscheidungshilfen u n d der Rechtspolitik Material zu geben. Die Messung von Sanktionswirkungen wirft freilich erhebliche methodische Probleme auf (Dötting RdJ 93, 373 f). Nach den vorliegenden Befunden ist die durchschnittliche Rückfallhäufigkeit nach a m b u l a n t e n M a ß n a h m e n geringer als nach stationären S a n k t i o n e n (Berckhauer/Hasenpusch MKrim. 82, 319). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß dies zu einem erheblichen Teil auf Auswahlprozesse z u r ü c k z u f ü h r e n ist, die der Sanktionsentscheidung z u g r u n d e liegen u n d dazu führen, d a ß Täter m i t günstiger Prognose eher ambulante u n d solche mit ungünstiger Prognose stationäre Sanktionen erhalten. Werden Verurteilte m i t ähnlichen Merkmalen miteinander verglichen, n ä h e r n sich die Rückfallraten an, so d a ß von „Austauschbarkeit" der Sanktionen gesprochen wird (Streng Strafrechtliche Sanktionen, 1991 S. 115 ff). Sachgerecht wird die Wirkung von Sanktionen n u r abzuschätzen sein, wenn auch die spezifische Problematik der Personen berücksichtigt wird, auf welche die Sanktionen angewendet werden. Nach dem gegenwärtigen Forschungsstand kann der Beurteilung von Böhm (S. 28) gefolgt werden, es spreche „einiges dafür, d a ß Verurteilungen u n d M a ß n a h m e n des JStrafrechts m i t u n t e r nützlich sind, manchmal aber auch schaden u n d sicher oft gar keine nachweisbare Auswirkungen auf das k ü n f t i g e Verhalten des Verurteilten haben". Liegen aber keine Befunde d a f ü r vor, d a ß die intensiver eingreifende Sanktion spezialpräventiv wirksamer ist als die weniger belastende, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip die geringer belastende M a ß n a h m e zu wählen u n d insbes. einer ambulanten Reaktion der Vorrang vor einer stationären Sanktion zu geben (Heinz MKrim. 87, 148). Insge-

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Einf I

Einführung

samt sprechen die empirischen Befunde somit f ü r eine behutsame u n d zurückhaltende A n w e n d u n g der jstrafrechtlichen Handlungsmöglichkeiten (Böhm S. 29). 8

Die Rechtstatsachenforschung gibt JStAen u n d JRichtern Kenntnis von verschiedenen Handlungs- u n d Entscheidungsmustern der JStrafrechtspflege u n d regional unterschiedlichen Erledigungsstrukturen u n d l ä ß t die bundesweite W a n d l u n g der Sanktionspraxis (vgl. bes. $ 45, 5) nachvollziehen. Sie postuliert die notwendige Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft u n d Praxis bis hin zu interdisziplinär zusammengesetzten Forscherteams (vgl. Heinz, Hrsg., Rechtstatsachenforschung heute, 1986). Entsprechend angelegte Forschungsprojekte eröffnen die Chance, auf Praxis u n d Gesetzgebung einzuwirken, wobei freilich die Wissenschaft ihre Unabhängigkeit von Praxis u n d Rechtspolitik bewahren m u ß . 4.

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Jugendkriminalität i n der Statistik

Die registrierte JKriminalität unterliegt den gleichen Einwirkungen wie die allg. Kriminalstatistik, also ua statistikimmanenten Fehlerquellen und schwank e n d e m Anzeigeverhalten (eingehend Brunner Beiträge zur Konfliktforschung, Vierteljahresheft 3, 1985 S . 6 3 f f ; Kaiser S. 162 ff; Heinz in Kriminalstatistik, BKA-Bibliographienreihe Bd. 5, 1990 S. 1 ff), u n d k a n n sich insbes. „erhöhen" durch verbesserte Ermittlungstechniken der Polizei und verfeinerte Kontrollu n d Überwachungsmaßnahmen. D e n n diese versprechen gerade bei J verstärkten Erfolg, weil diese noch weniger raffiniert u n d eher unsicher sind, weil die „kriminell gleichsam noch Übenden" (Herold Kriminalistik 76, 340) aussage- u n d geständnisfreudiger und häufiger geneigt sind, reinen Tisch zu machen. Das Verhalten junger Tatverdächtiger ist oft einfacher strukturiert u n d leichter sichtbar. Da bei J u n d Hw. Gruppenkriminalität (Rn 37) eine erhebliche Rolle spielt, ergeben sich auch daraus bessere Ansatzpunkte z u Ermittlungserfolgen der Polizei. Zu bedenken bleibt stets, d a ß die Statistik nicht ein wirklichkeitsgetreues Bild der Gesamtkriminalität, sondern n u r eine, auch je nach Deliktsart verschiedene, m e h r oder weniger starke Annäherung an die Wirklichkeit der Kriminalität zu geben vermag (vgl. Heinz in Eser/Kaiser, Hrsg., Drittes deutsch-sowjetisches Kolloquium über Strafrecht u. Kriminologie, 1987 S. 195).

10 Der „künstliche Zählverlust" von der polizeilich registrierten Tatverdächtigenbelastungszahl z u r Verurteiltenziffer wird wesentlich verursacht durch die vorgegebene Kluft zwischen dem Tatverdacht, welcher der Polizei zur Registrierung ausreicht, dem genügenden Anlaß z u r Anklage f ü r den StA (S 1701 StPO) u n d dem hinreichenden Tatverdacht f ü r die Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Gericht ($ 203 StPO; BGH 23, 304, 306), welche die Zahlen der tatsächlich rechtskräftig Verurteilten ebenso absinken läßt wie das für eine Verurteilung notwendige M a ß an Sicherheit, demgegenüber unter Berücksichtigung der Unschuldsv e r m u t u n g vernünftige Zweifel nicht m e h r a u f k o m m e n dürfen, u n d die Erfahrung, d a ß sich in der Hauptverhandlung das Beweisergebnis aus mannigfachen G r ü n d e n ganz anders darstellen kann als im Ermittlungsverfahren. Der Schwund 6

[. Jugendkriminologische Aspekte

Einf I

zwischen polizeilicher Registrierung und Verurteilung gilt insbes. für die JKriminalität, wo mit stetig wachsenden Diversionsstrategien (vgl. § 45,4 ff) Urteil und stationärer Eingriff möglichst vermieden werden sollen. Gerade die vom StA entsprechend dem Opportunitätsprinzip nach $$ 153,153 a, 154 StPO und nach $ 45 JGG eingestellten und deshalb in der Strafverfolgungsstatistik nicht registrierten und die vom Richter eingestellten Verfahren, die in der Verurteiltenziffer nicht erscheinen, sind zahlreich und verursachen ua insbes. bei J und Hw. den „Kriminalitätsschwund" von der polizeilichen zur justiziellen Statistik (eingehend Brunner aaO). Im Sinne rechtspolitischer Liberalisierung Strafe und Strafmakel möglichst vermeidend, wird so das ErzZiel des JGG angestrebt und es sind keineswegs nur Bagatellen, die deshalb nicht in der Strafverfolgungsstatistik registriert werden, obwohl der von der Polizei angenommene Tatverdacht bestätigt ist. Nach Heinz (in Jugendstrafrecht an der Wende S. 64) wurde 1998 bei 69% der eines Vergehens oder Verbrechens verdächtigten J oder Hw. das Verfahren nach $S 45, 47 eingestellt. 5.

Entwicklung der Jugendkriminalität

Wie in den meisten großen Industriestaaten ist auch in Deutschland die regi- 11 strierte JKriminalität von den fünfziger Jahren bis in die achtziger Jahre stärker gestiegen als die ErwKriminalität (zur Entwicklung der JKriminalität in Deutschland Walter in JStrafrecht an der Wende S. 37 ff; zusammenfassend zur JKriminlität Schneider Artikel Kinder- u. JDelinquenz, in Sieverts/Schneider, Hrsg., Handwörterbuch der Kriminologie 2. Aufl. 5. Bd. 1998 S. 467 ff; Walter JKriminalität, 2. Aufl. 2001). Bei J und Hw. hat sich die Kriminalitätsbelastungszahl in diesem Zeitraum verdoppelt. Der Anstieg der registrierten Gesamtkriminalität wurde fast ausschließlich von den unter 25jährigen getragen (Heinz in Eser/Kaiser, Hrsg., Drittes deutsch-sowjetisches Kolloquium über Strafrecht u. Kriminologie, 1987 S. 202 ff). Während sich die Kriminalitätsbelastungszahlen Mitte der achtziger Jahre auf dem erreichten relativ hohen Niveau einpendelten, war seit Ende der achtziger Jahre wieder ein Anstieg der registrierten JKriminalität festzustellen (H.J. Albrecht MKrim. 98,387 f). Der Anstieg der JKriminalität wurde vor allem durch die Eigentumskriminalität und die Straßenverkehrsdelinquenz getragen (Dötting in Rössner, Hrsg., Toleranz - Erziehung - Strafe, 1989 S. 10; Heinz, aaO S.205). Allerdings waren bei Gewaltdelikten wie Körperverletzung und Raub überproportionale Steigerungsraten zu verzeichnen (Böhm in Göppinger S. 505; Neubacher ZRP98, 433). Diese beruhten freilich auf geringen Basiszahlen (Albrecht S.4ff); schwere Gewaltkriminalität im JAlter ist weiterhin eine Ausnahmeerscheinung (H.-J. Albrecht MKrim. 98, 393). Von 1998 bis 2000 ist die Zahl der von der Polizei registrierten tatverdächtigen J zurückgegangen (BKA, Hrsg., Polizeiliche Kriminalstatistik 1999 u. 2000 jeweils S. 72). Inwieweit aus den Zahlen der Kriminalstatistik auf einen tatsächlichen Anstieg der 12 JKriminalität geschlossen werden kann und wie dieser ggf. kriminalpolitisch zu 7

Einf I

Einführung

bewerten ist, ist umstritten (zur Aussagekraft der kriminalstatistischen Daten Walter in JStrafrecht an der Wende S. 52 ff). Quensel (MKrim. 88, 413-415, 418) bezeichnet es ua unter Berufung auf Albrechtßjxmnek JKriminalität im Zerrbild der Statistik, 1979, als „wesentliche Aufgabe einer kritischen Kriminologie", ansteigende JKriminalität als „verdummende Märchen und Mythen aufzudecken". Mit verstärktem Verfolgungsdruck allein dürften sich die kriminalstatistischen Daten freilich kaum erklären lassen (Kaiser 9. Aufl. S. 344 f; zur bisher wenig geklärten Kriminalitätsentwicklung im Dunkelfeld s. Lösel/Bltesener/Averbeck DVJJ-J 98,115; Mansel/Hurrelmann Kölner Zeitschrift für Soziologie u. Sozialpsychologie 98, 78). Richtig ist jedoch, daß es sich bei der JKriminalität ganz überwiegend um leichtere Delikte handelt (Albrecht S. 8; Dötting in BMJ, Hrsg., Grundfragen des JKriminalrechts u. seiner Neuregelung, 1992 S. 53 f; Kaiser in JStrafrecht an der Wende S. 14). Wann eine Straftat als Bagatelldelikt einzustufen ist, kann freilich zweifelhaft sein. Wenn zB Delikten wie Raub und Diebstahl im bes. schweren Fall unter Berufung auf eine häufig geringe Schadenshöhe Bagatellcharakter zugesprochen wird, ist darauf hinzuweisen, daß die Höhe des Schadens kaum ein allein ausreichendes Kriterium für die Schwere der Tat abgibt. Es lehrt die Praxis, daß bei Raub das eklatante Mißverhältnis zwischen der zu erwartenden Beute, dem Maß an Gewalt und dem Risiko der Tat häufig geradezu typisch ist. Diebstahl im bes. schweren Fall, bei dem übrigens zumeist gerade bei J der nicht zur Registrierung kommende Sachschaden den registrierten eigentlichen Stehlschaden weit überwiegt (zB Zerstörung eines Automaten bei geringer Beute), fordert idR einen erheblichen Aufwand krimineller Energie. Dürfte somit geringer Schaden solche Straftaten nicht als Bagatellen kennzeichnen, so kann doch gerade beim J eine schwere Straftat ein vorübergehendes Ereignis bleiben, während eine leichte Tat durchaus Gefährdung zu signalisieren vermag, so daß es immer auf den Einzelfall ankommt. Festzuhalten ist aber, daß JKriminalität ganz überwiegend episodenhaft bleibt. Dies zeigt die Alterskurve der Verurteilten, deren Gipfel bei Hw. und Jungerw. erreicht wird und dann stark abfällt; dies ergeben die Dunkelfeldforschung und die Analyse der Rückfälligkeit polizeilich registrierter Ersttäter, wonach Mehrfachtäter (dazu Rn 13-15) selten sind (Dölling aaO, S. 9 mwN) und dies geht auch aus der Untersuchung der justiziellen Registrierung einzelner Geburtsjahrgänge hervor (Heinz/Spieß/Storz in Kaiser/Kury/H.-J. Albrecht, Hrsg., Kriminologische Forschung in den 80er Jahren, 1988 S. 631 ff). Die altersspezifischen Verurteiltenziffern mit der enormen Kluft zwischen J- und ErwKriminalität weisen auch auf das Positivum hin (was neuere Kohortenstudien bestätigen), daß „JKriminalität von heute in der Regel nicht ErwKriminalität von morgen ist" (Heinz in Rabe, Hrsg., Jugend, 1984 S. 86). Zur Episodenhaftigkeit u. zur Häufung der Kriminalität in einem eng begrenzten Lebensintervall - u. zu Folgerungen daraus - auch Kerner BewH 89, 205 sowie Rn 5 u. 13.

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I. Jugendkriminologische Aspekte

6.

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Mehrfachtäter

Auf die relativ kleine Gruppe der Mehrfachtäter („Mehrfachauffällige, Intensiv- 13 tätet") entfällt ein großer Teil der JDelinquenz (Rn5; Bölling Zbl. 89,313, 314; Kaiser in JStrafrecht an der Wende S. 14 f; Kerner ebd. S. 111 ff). Im Dunkel- wie im Hellfeld begeht nur ein kleiner Teil der befragten bzw. erfaßten Täter sowohl schwere als auch häufige Straftaten. Delinquenz ist überwiegend episodenhaft (vgl. Rn5, 12 aE). Bei 73% der registrierten männlichen J des Geburtsjahrganges 1967 blieb es bei einer Eintragung während des JAlters; 90% wiesen nur eine oder zwei Registrierungen auf; 10% hatten 3 und mehr Eintragungen, nur knapp 2% fünf und mehr (Heinz/Spieß/Storz in Kaiser/Kury/H.-J. Albrecht, Hrsg., Kriminologische Forschung in den 80er Jahren, 1988 S. 650). In NRW begingen 1983 5% der j. „Intensivtäter" 30% aller Straftaten und 5% Hw. 32% (Kerner Kriminologische Gegenwartsfragen 17,1986, S. 118 ff). In München waren 10% der J, die 1991 im Alter von 14 oder 15 Jahren als Tatverdächtige erfaßt wurden, für 52% der Straftaten verantwortlich, die von dieser Kohorte bis 1996 begangen wurden (Eisner/ Steffen/Stem Kinder u. JKriminalität in München, 1998 S. 187). Die Struktur der Delikte der Mehrfachtäter entspricht etwa der ihrer Altersgruppe (Kerner aaO, S. 122; näher zur Deliktsstruktur Trauisen DVJJ-J 99, 311). Eine ständige Steigerung der Deliktsschwere oder eine Spezialisierung konnte nicht festgestellt werden, dagegen dürfte auch Mehrfachauffälligkeit vielfach vorübergehend sein (Dötting Zbl. 89, 315). Nach dem Mehrfaktorenansatz (vgl. Rn3) wurden bei Mehrfachtätern ermittelt 14 (zusammenfassend Dölling Zbl. 89, 315 mwN): Defizite und Belastungsmerkmale in der Herkunftsfamilie bei richtungsloser Erz. (dazu Rn30, 31), häufiger Wechsel der ErzPersonen und Heimaufenthalte; unzulängliche Schul- und Berufsausbildung (dazu Rn 33,34), häufiger Wechsel der Arbeitsstelle (dazu Rn 34) sowie ausgedehnte und außerhalb der Familie planlos verbrachte Freizeit (dazu Rn 35). Die aktuelle Lebenssituation ist häufig gekennzeichnet durch Arbeitslosigkeit (dazu Rn47), Verschuldung, ungesicherten Lebensunterhalt, Alkoholismus und Drogengefährdung (dazu Rn48ff). An Persönlichkeitsmerkmalen wurden festgestellt emotionale Labilität, Impulsivität, Risikoneigung, Aggressivität (dazu Rn42), Depressivität und ungünstiges Selbstbild (dazu Rn28). Göppinger (Der Täter in seinen sozialen Bezügen, 1983 S. 198 ff) schreibt Mehrfachtätern überwiegend eine „kontinuierliche Hinentwicklung zur Kriminalität mit Beginn in der frühen Jugend" zu. S. auch Posiege/Steinschulte-Lädiglntensivtäter, 1999, sowie Rn 27 zur „Kinderkriminalität". Bei den Sanktionen gegen Mehrfachtäter sind, wie stets, zu berücksichtigen die IS Persönlichkeit des Täters und das Primat der Erz. (Einf. II 4—10), aber auch das Gewicht der Taten (Einf. II 12) und das Maß der Schuld (Einf. II 14-17). Bei jungen Mehrfachtätern ohne kriminelle Gefährdung, deren Straftaten sich „eben nur... als Realisierung eines allgemeinen Entwicklungsrisikos darstellen", will Breymann (Zbl. 88, 450) höchstens positiv bestärken und auf „Spontanremis9

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sionen" vertrauen, äußerstenfalls Schadenswiedergutmachtung oder ähnliche M a ß n a h m e n unter weitgehender Vermeidung von Justizkontakten vereinbaren. Man wird aber doch auf den Einzelfall abstellen u n d berücksichtigen müssen, d a ß auch geringere Taten je nach Persönlichkeitsstruktur bereits ernste Gefährdung anzeigen können (dazu Rn 6 mwN) und Verzicht auf jegliche Reaktion d a n n auch Schaden bringen kann. Gefährdeten Mehrfachtätern mit erheblichen kriminellen Serientaten m u ß nicht nur im Interesse des Rechtsgüterschutzes deutlich entgegengetreten werden, sondern gerade auch im Interesse des J, u m zu versuchen, die kriminelle Karriere abzubrechen, weil sie die soziale Situation (vgl. R n 14) des Täters z u n e h m e n d verschlechtert und, auch bei der H o f f n u n g auf spätere Abflachung, seine Entfaltungschancen beeinträchtigt (vgl. Dötting Zbl. 89, 318). 15 a

Teilweise wird angeregt, auch bei Mehrfachtätern i m Wege der Diversion zu reagieren, weil mit der Zahl der Auffälligkeiten nicht notwendig auch die Gefährlichkeit wachse (Walter in ders., Hrsg., Diversion als Leitgedanke - Über den U m g a n g mit j u n g e n Mehrfach tätern, 1986 S. 23). Es gehe darum, die j u n g e n Täter aus den Anstalten herauszuhalten. Dies kann bei sorgfältiger Persönlichkeitserm i t t l u n g ein erfolgversprechender Weg sein. Die von Heinz/Hügel (Erz. Maßnahm e n im deutschen JStrafrecht, 1987 S. 63) ermittelte Rückfallquote von über 65% bei den vorbelasteten Tätern auch nach informeller Erledigung legt allerdings weitere Überlegungen nahe. Keineswegs ist immer ein extensiver Gebrauch von Diversionsmöglichkeiten angemessen (Lohr ZRP 97,286). Angezeigt ist insbes. ein verstärkter Ausbau ambulanter M a ß n a h m e n auch u n d gerade f ü r Mehrfachtäter (Dötting Zbl. 89, 319; Lohr aaO). Die auch von Ludwig (in Schüler-Springorum, Hrsg., Mehrfach auffällig, 1982 S. 121) gerügte ansteigende Härte jstrafrechtlicher Sanktionen läßt sich nach Heinz (in DVJJ-BW, Jugendliche Wiederholungstäter, 1989 S. 30) aus empirischer Sicht spezialpräventiv nicht begründen. Es darf daher nicht zu einer Automatik der Sanktionssteigerung k o m m e n (Lohr aaO, 285). Für solche Mehrfachtäter, bei denen Freiheitsentzug letztlich unvermeidbar ist, m u ß ein erz. gestalteter Vollzug (Dötting aaO) versuchen, die ultima ratio zur Hilfe zu wenden. 7.

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Deutsch-Deutscher Kriminalitätsvergleich

Die JKriminalität in der Bundesrepublik u n d in der ehemaligen DDR zu vergleichen ist ungemein schwierig. Abgesehen davon, d a ß die DDR kein Hw.-Recht kannte, JKriminalität dort also n u r die J bis 18 Jahre meinte, w u r d e n d o r t Kriminalstatistiken n u r auszugsweise veröffentlicht u n d wurde eine quellenkritische Analyse dadurch erschwert, d a ß über das Zustandekommen der Zahlen k a u m informiert wurde (Heinz in Eser/Kaiser, Hrsg., Drittes deutsch-sowjetisches Kolloquium über Strafrecht u. Kriminologie, 1987 S. 192 mwN). Hettwig (Hrsg., JKriminalität in beiden deutschen Staaten, 1985) spricht von bewußter Geheimniskrämerei bei Statistiken. Ein Vergleich wird weiter dadurch erschwert, d a ß über die Hälfte aller JStrafsachen nicht an die ordentlichen Gerichte - u n d in die

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Justizstatistik - kam, weil sie von „gesellschaftlichen Gerichten" (§ 77 DDR StPO) verhandelt wurden (näher dazu Luther MKrim. 87, 16; kritisch Brunner NStZ 90, 473). Dunkelfelduntersuchungen gab es in der ehemaligen DDR kaum. Wegen der ungesicherten Datenlage kann nur vermutet werden, daß die Kriminalität in der ehemaligen DDR niedriger war als in der Bundesrepublik, wenn auch nicht in dem von offizieller Seite der DDR verlautbarten Ausmaß (so Kreuzer ua JDelinquenz in Ost u. West, 1993 S. 45). Dies läßt sich auch für die JKriminalität annehmen (zur Entwicklung der registrierten JKriminalität in der DDR vgl. Ewald, DVJJ-J 91,229; zu deliktsspezifischen Selektionsprozessen bei der Verfolgung J im Ost-West-Vergleich Walter/Fischer MKrim. 91, 146). Eine Befragung der Studienanfänger an den Universitäten Gießen, Jena und Potsdam um die Jahreswende 1990/91 ergab bei der erfragten leichteren Delinquenz bei deliktsspezifischen Unterschieden eine im wesentlichen gleich hohe Gesamtdelinquenzbelastung in Ost und West, wobei die Autoren jedoch annehmen, daß schwere Kriminalität in der DDR weniger verbreitet war als in der Bundesrepublik (Kreuzer ua aaO, S. 273, 282). Mit der Wiedervereinigung und nach dem Auslaufen der Umbruchsituation dürfte sich die JKriminalität in den neuen Bundesländern der Situation in den alten Bundesländern annähern (zur JKriminalität in Sachsen vgl. Trauisen Kriminalistik 95, 47). 8.

Junge Ausländer

Die Aussagen zur Kriminalitätsbelastung junger Ausländer sind unterschiedlich 17 (Walter BewH 87, 60). Weder die Polizeiliche Kriminalstatistik noch die Verurteiltenstatistik der Justiz bringen unanfechtbare Ergebnisse. Vielmehr sind zahlreiche Verzerrungsfaktoren zu berücksichtigen (Villmow in Kaiser/Kerner/Sack/ Schellhoss S. 39), zB möglicherweise unterschiedliches Anzeigeverhalten; der Umstand, daß Mitglieder der Stationierungsstreitkräfte und deren Angehörige, Touristen und Ausländer, die sich illegal in der Bundesrepublik aufhalten, zwar bei den polizeilich registrierten Tatverdächtigen, nicht aber bei der Wohnbevölkerung erfaßt werden, so daß die Tatverdächtigenbelastungszahl (Zahl der Tatverdächtigen pro 100000 einer Bevölkerungsgruppe) bei den Ausländern überhöht ist; der Umstand, daß Ausländer überwiegend in den bes. kriminalitätsbelasteten Großstädten wohnen, oder das Absetzen ins Heimatland vor Verurteilung. Dies macht Aussagen über die Kriminalität von Ausländern schwierig, die zudem keine homogene Einheit bilden, sondern sich aus unterschiedlichen Gruppen zusammensetzen (Schwind Kriminologie, 11. Aufl. 2001 S.453). Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik weisen die j. und hw. Ausländer eine deutlich höhere Delinquenzbelastung auf als die entsprechenden deutschen Altersgruppen (Kaiser S.351, 360; Schwind aaO, S.456; Villmow aaO, S.43). Nach Trauisen (MKrim. 88, 28) würde die Höherbelastung der jungen Ausländer allerdings weitgehend reduziert, wenn man ihnen eine ihren sozialen und geographischen Verhältnissen entsprechende deutsche Vergleichsgruppe gegenüberstellen könnte. Außerdem 11

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ist nach der Polizeilichen Kriminalstatistik in den letzten Jahren die Entwicklung bei den j. Ausländern eher günstiger als bei ihren deutschen Altersgenossen verlaufen {Trauisen DVJJ-J 00, 400). 18 In der Verurteiltenstatistik fiel die Höherbelastung der Ausländer lange Zeit geringer aus (Schöch/Gebauer Ausländerkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, 1991 S. 54). Als Gründe hierfür wurden erörtert: häufigere Erledigung nach S$ 45, 47, wobei teilweise angenommen wurde, daß gegen junge Ausländer öfter Verfahren wegen Bagatelldelikten eingeleitet werden, die dann zu einer Einstellung durch die Staatsanwaltschaft führen (Mansel in Kaiser/Kury/ H.-J. Albrecht, Hrsg., Kriminologische Forschung in den 80er Jahren, 1988 S. 1077); Verfahrenseinstellung mangels Beweisbarkeit der Tat ua wegen geringerer Geständnisbereitschaft und Sprachbarrieren (Schwind aaO, S. 465), Absetzen ins Heimatland oder Ausweisung vor Verurteilung (Schöch/Gebauer aaO, S.40). In den letzten Jahren hat sich allerdings das Verurteilungsrisiko von nichtdeutschen und deutschen Tatverdächtigen angeglichen (Rebmann Ausländerkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, 1998 S. 214 ff). Werden einzelne Deliktskategorien betrachtet, sind ausländische J und Hw. nach der Polizeilichen Kriminalstatistik bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung/ sexueller Nötigung und Leistungserschieichung überrepräsentiert (Schöch/Gebauer aaO, S. 39; Steffen ua Ausländerkriminalität in Bayern, 1992 S. 152 ff; zur Beteiligung Minderjähriger an der Straßenkriminalität in Frankfurt/Main Bauer DVJJ-J 93, 360 f). Für den Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte wird davon ausgegangen, daß junge Ausländer eher Bagatelldelikte begehen (Trauisen MKrim. 88, 40; Villmow aaO, S.44). Nach Kaiser (in Kaiser/Schöch S. 176) sollte die Kriminalitätsbelastung ausländischer junger Menschen mit Aufmerksamkeit, aber ohne Dramatisierung betrachtet werden. Heinz (in Eser/Kaiser, Hrsg., Drittes deutschsowjetisches Kolloquium über Strafrecht u. Kriminologie, 1987 S. 211) führt gegen die These von der „sozialen Zeitbombe" der zweiten Ausländergeneration den Rückgang der Kriminalitätsbelastung ab der Altersgruppe der 25jährigen an. Zusammenfassend zu den Befunden über die Kriminalität j. Ausländer Heinz FS Miyazawa, 1995 S. 105 ff; Trauisen DVJJ-J 00, 398 ff. 19 Zur Erklärung der Kriminalitätsbelastung der jungen Ausländer werden angeführt: der Kulturkonflikt zwischen der hergebrachten elterlichen Lebensweise und den Verhaltenserwartungen und Wertvorstellungen des Gastlandes, den die J nicht zu verarbeiten vermögen und der ihre Selbstfindung erschwert (Schneider Kriminologie, 1987 S. 307 f); abnehmende Sozialisations- und Kontrollkapazität der Elternfamilie (Schwind aaO, S. 459); sozialstrukturelle Benachteiligung durch Schlechterstellung hinsichtlich Schul- und Berufsausbildung, Arbeitslosigkeit und ghettoähnliche Wohnsituation (Schwind aaO, S.461 f); Ablehnung durch die deutsche Majoritätsgruppe und verschärfte Kontrolle (Hamburger/Seus/Wolter Zur Delinquenz ausländischer J, 1981). Kritisch zu Kulturkonfliktstheorie, GhettoVorstellungen und Anomietheorie Schüler-Springorum NStZ 83, 529. Große Bedeutung kommt der Integration der jungen Ausländer zu (Villmow aaO, S.46f). 12

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Gelingt diese nicht, machen soziale Randständigkeit und die damit verbundenen negativen Erfahrungen durch Reaktionen der Umwelt es wahrscheinlich, daß sich ausländische J verstärkt zu Gruppen zusammenschließen, die auch kriminell agieren (Kube/Koch MKrim. 90, 14, 24). Zur Kriminalität junger Ausländer u. dem Umgang damit vgl. auch die Beiträge von Pilgram ua in DVJJ-J 93, 342 ff; Kiehl DVJJ-J 96, 19; zur Delinquenz j. Türken s. Pfeiffer/Wetzels DVJJ-J 00, 106; Toprak DVJJ-J 00, 174, 364). Zum Vorverfahren: Das JGG gilt für Straftaten ausländischer J und Hw. in der 20 Bundesrepublik Deutschland, auch für Touristen (vgl. § 3 StGB; BGH StV 82,337). Zur Auslieferung von ausländischen J und Hw. $ 1,5. Aufgrund von Befragungen ausländischer J wird teilweise diskriminierendes Verhalten der Polizei angenommen (Bielefeld/Kreissl/Mänster Junge Ausländer im Konflikt, 1982 S. 168; Hamburger/Seus/Wolter aaO, S. 147). Es m u ß jedoch vor vorschnellen Verallgemeinerungen gewarnt werden (vgl. zum Verhältnis der Polizei zu Ausländern Stock/Klein MKrim. 94,286). Zur U-Haft differenziert Staudinger U-Haft bei jungen Ausländern, 2001. Die Hilfe der JGH ist gerade für j. Ausländer, auch für Touristen, u n d zugleich 20 a natürlich für JStA und JRichter, bes. wichtig (BGH aaO; BGH JWohl 82, 496; Molketin JWohl 82,491; Schmitz DVJJ-J 93,375), auch zur Vorbereitung informeller Erledigung. Wird die JGH nicht herangezogen, liegt ein Verfahrensverstoß vor (BGH StV 82, 336); die Aufklärungspflicht des Gerichts ist verletzt, wenn der JGHelfer (bei einem 17jährigen Türken, der seinen Vater besucht), zwar am ersten Sitzungstag teilnimmt, dann aber krankheitshalber fernbleibt (vgl. § 38, 8). Sprach- und Verständnisschwierigkeiten lassen oftmals schwer Kontakt finden, Abwehrhaltung und Mißtrauen des J, der Familie und anderer Bezugspersonen sind häufig schwer zu durchbrechen, so daß die Familiensituation undurchsichtig bleibt (ua Hubert BewH 85,338). Wenn möglich, sollten Sozialarbeiter der betreffenden Länder zugezogen werden (Hubert BewH 98,378). Es kann schon schwierig sein, das Geburtsdatum festzustellen, und das nicht nur, wenn Papiere fehlen. Türkische JGHelfer berichten zB, daß in der Türkei wegen weiter Entfernungen zwar oftmals das erste Kind angemeldet, dessen Tod (bei hoher Kindersterblichkeit) aber nicht gemeldet wird und dann das nachgeborene Kind unter den Daten des verstorbenen lebt. Hier können röntgenologische Untersuchungen der Skelettreifung der Hand helfen. Die Situation in der Herkunftsfamilie u n d die Entwicklung j. Ausländer können sehr unterschiedlich sein (Hubert BewH 98, 379 ff) und müssen daher von der JGH möglichst differenziert erfaßt werden. Ausländische J dürften häufiger mangels Reife nicht verantwortlich ($ 3) sein 20 b als deutsche. Dies m u ß stets bes. sorgfältig geprüft werden (ebenso Eisenberg $ 3, 30; Ostendorf $ 3, 7; Böhm S. 41). So kann die Steuerungsfähigkeit durch kulturell bedingte Abhängigkeiten innerhalb eines Familienverbandes eingeschränkt sein (Specht in Venzlqff/Foerster Psychiatrische Begutachtung, 2. Aufl. 1994, S. 401). Die Reifeentscheidung nach $ 105 I ist f ü r JGH und JRichter häufig sehr schwer zu treffen, wobei oft auch Mentalität, Erscheinungsbild und Gestik zu Fehlschlüssen verleiten können (vgl. BGH H MDR 90, 888 zur sozialen Entwurzelung als 13

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entscheidungsrelevantem Gesichtspunkt). Z u r Begutachtung von Ausländern Horn MKrim. 95, 382; Schepker/Toker/Eggers MKrim. 95, 121; Toter DVJJ-J 9 9 , 4 1 . 2 1 In der H a u p t v e r h a n d l u n g ist o f t nur schwer zu erfassen, ob der J die deutsche Sprache, auch in den Feinheiten, so beherrscht, daß er alles verstehen u n d auch artikulieren kann. Andererseits lehrt die Erfahrung, d a ß manche Angeklagte recht gerne über einen Dolmetscher jede Frage zweimal vor ihrer Erwiderung hören. Im Zweifel wird m a n einen Dolmetscher beiziehen. Art. 6 III e MRK räumt dem der Gerichtssprache nicht k u n d i g e n Beschuldigten unabhängig von seiner finanziellen Lage f ü r das gesamte Strafverfahren einen Anspruch auf unentgeltliche Z u z i e h u n g eines Dolmetschers ein, auch wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt (BGH 46, 178). Zur Auferlegung der Auslagen f ü r einen Dolmetscher auf den Beschuldigten durch das Gericht $ 4 6 4 c StPO u. Nr. 9005 des Kostenverzeichnisses zum GKG. Der Anspruch aus Art. 6 III e MRK besteht auch f ü r vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger (BGH aaO; KG NStZ 90,402). Die Anklageschrift ist mit einer Übersetzung in einer dem Angeklagten verständlichen Sprache vor der Hauptverhandlung bekannt zu geben; die mündliche Übersetzung in der Verhandlung genügt nicht (OLG Düsseldorf Zbl. Ol, 237). Wegen des Anspruchs aus Art. 6 III e MRK ist einem Angeklagten nicht allein deswegen ein Pflichtverteidiger beizuordnen, weil er die deutsche Sprache nicht beherrscht und die Kosten f ü r einen Dolmetscher nicht aufbringen kann (BGH aaO; weitergehend LG Freiburg StV 89, 296, wonach schon die Notwendigkeit, einen Dolmetscher beizuziehen, für die Bestellung eines Pflichtverteidigers spricht). Bei Ausländern, die noch nicht in unser Gesellschafts- u n d Justizsystem integriert sind, wird freilich häufig ein Pflichtverteidiger ($ 140 II StPO) zu bestellen sein, auch wenn ein Dolmetscher eingeschaltet ist (BVerfG 64, 150; OLG Köln StV 86, 238; LG Heilbronn u. LG Osnabrück StV 84, 506). Nach OLG H a m m (NStZ 90,143) gegen OLG Zweibrücken (StV 88, 379) u n d LG Köln (StV 90, 59) ist aber Nichtbeherrschung d e r deutschen Sprache allein kein Grund, unabhängig von der Schwierigkeit der Sach- u n d Rechtslage u n d der Bedeutung des Strafvorwurfs einen Verteidiger beizuordnen. Es k o m m t vielmehr auf die Besonderheiten des Einzelfalls an (OLG Stuttgart VRS B d 9 9 [00], 75). Sind sämtliche f ü r den J auftretenden Schwierigkeiten mit Hilfe eines Dolmetschers zu beseitigen, bedarf es keines Pflichtverteidigers (OLG Stuttgart aaO). Dazu auch BayObLG StV 90,103 sowie BGH StV 90, 101 u. OLG H a m m StV 90, 101 (Übersetzung der schriftlichen Urteilsbegründung). Vgl. auch § 68, 21, 22. F ü r einen Rechtsmittelverzicht ist die Fürsorge des JRichters bes. gefordert (OLG H a m m NJW 83, 530; allg. BGH StV 83, 268). Nach OLG Karlsruhe (Justiz 89, 202) ist einem der deutschen Sprache nicht mächtigen (erw.) Ausländer z u z u m u t e n , sich nach Abklingen der Aufregung über das verkündete Urteil z u vergewissern, ob er die ihm m i t Hilfe des Dolmetschers erteilte Rechtsmittelbelehrung richtig verstanden hat. In Befragungen haben betroffene J über Fehlbewertungen durch den JRichter aufgrund Ausländerfeindlichkeit geklagt (Bielefeld/Kreissl/Münster aaO, S. 173; Hamburger/Seus/ Wolter aaO, S. 149). Beobachtungen von Hauptverhandlungen haben dagegen

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keine Ungleichbehandlung gegenüber deutschen J ergeben (Autorengruppe Ausländerforschung Untersuchung von S t r a f t a t e n . . . Teil 3 , 1 9 8 0 S. 66); hierbei ist nach Eisenberg ($ 50,13) allerdings zu berücksichtigen, inwieweit es sich u m verdeckte oder offene Beobachtungen handelte. Sanktionen: Kaum der Erwähnung bedarf, d a ß die „Ausländereigenschaft" nicht zu einer Strafverschärfung f ü h r e n darf (Art. 3 III GG), vgl. BGH StV 87, 20 zur Zumessungsbegründung „ . . . obwohl er erst k n a p p ein Jahr in Europa war" u n d BGH StV 93, 358 zur strafschärfenden Erwägung, der Angeklagte habe „das Gastrecht der Bundesrepublik Deutschland" mißbraucht.

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Gegen ausländische J und H w . sollen - bei regionalen Unterschieden - seltener 2 2 a ErzMaßregeln angewendet werden (Eisenberg $ 9, 11; Albrecht/Pfeiffer Die Kriminalisierung junger Ausländer, 1979 S. 83 f ü r 1978/79). Bei Betreuungs- oder Arbeitsweisungen m u ß der geeignete Helfer bes. sorgfältig ausgesucht werden, wenn ein erz. „Erfolg" erzielt werden soll. Die einem ausländischen Hw. erteilte Weisung, f ü r 2 Jahre nicht in die Bundesrepublik einzureisen, wurde auf Beschwerde der StA zu Recht aufgehoben, weil sie nicht die Erz. fördern, sondern n u r die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Hw. schützen sollte (LG Freib u r g JR 88,523 mit Anm. Eisenberg; vgl. $ 9 , 3 u. 5). Das OLG Koblenz (NStZ 8 7 , 2 4 z u m ErwRecht) h a t eine m i t einer Strafrestaussetzung zur Bew. verbundene Weisung (S 57 III StGB iVm §§ 56 a - 5 6 g entspr.), die Bundesrepublik zu verlassen, als unzulässig aufgehoben, weil eine solche Weisung nicht künftigen Straftaten des Verurteilten durch geeignete Beeinflussung seiner Lebensführung entgegentritt und das Gericht auch nicht z u einer Ausweisungsverfügung an Stelle der Ausländerbehörde b e f u g t ist. M.-K. Meyer f ü g t in ihrer Anm. (aaO S. 26) h i n z u , d a ß eine solche Weisung auch unzulässig wäre, wenn sie die Einhaltung eines verwaltungsrechtlich begründeten Verbots der Wiedereinreise erzwingen sollte. Zur Gruppenarbeit mit j u n g e n Ausländern s. Lorenz BewH 95, 200. Bei den Z u c h t m i t t e l n sind die Voraussetzungen f ü r Geldauflagen (dazu § 15, 10 f) bes. sorgfältig zu prüfen. Gegen ausländische J und H w . wird nach Savelsberg (in DVJJ, Hrsg., U n d w e n n es 2 2 b k ü n f t i g weniger werden, 1987 S. 371) vergleichsweise häufiger JA verhängt. Befragungen der JGH z u r Sanktionspraxis der JGerichte haben ergeben, d a ß entweder keine Unterschiede zwischen Ausländern u n d Deutschen festzustellen seien oder d a ß im „unteren" Bereich der Kriminalität eher härter, im „oberen" eher milder als gegen Deutsche reagiert werde (Albrecht/Pfeiffer aaO, S. 78). Das LG H a m b u r g (StV 84, 31) hat unter Berücksichtigung der in R n l 9 ausgeführten Umstände wegen des „Kulturkonflikts" bei einem ausländischen H w . bes. U m stände iSd $ 21 II aF a n g e n o m m e n u n d eine JStrafe zwischen 1 u n d 2 Jahren z u r Bew. ausgesetzt. Zur BewHilfe für Ausländer s. Shehadeh/Fischer BewH 95,205. Zu den bes. Schwierigkeiten der R e i f e e n t s c h e i d u n g nach $ 105 I: R n 2 0 b . M i t t e i l u n g e n bei Ausländern ordnet Nr. 42 MiStra an. Nach Maeck (MDR 81,187) 2 2 c u n d Ostendorf (DRiZ 86, 257) soll diese Vorschrift gegen $ 57 - jetzt $ 61 - BZRG verstoßen; Eisenberg (S 70, 21 iVmlO) n i m m t Rechtswidrigkeit auch a u f g r u n d 15

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abschließender Regelung in S 70 sowie aus Gründen des Gesetzesvorbehalts an. Dagegen spricht jedoch die Ablehnung der Erstreckung des BZRG auf Auskunftserteilungen aus Akten bei d e n Gesetzesberatungen (BT-Drs. 6/1550, S. 24); außerdem verpflichtet $ 76 rv AusländerG zur Mitteilung der Verfahrenseinleitung u n d -erledigung an die Ausländerbehörde (vgl. j e t z t auch $$ 474 II Nr. 2 u. 480 StPO). 23 Der JStrafvoIIzug belastet die ausländischen J u n d Hw. bes., diese wiederum stellen an den Vollzug wegen ihrer o f t andersartigen Mentalität, Sprachschwierigkeiten u n d der gebotenen speziellen Betreuung bes. Anforderungen. Der Ausländeranteil in der JStrafhaft und bes. in der JUntersuchungshaft ist erheblich gestiegen. 1993 waren ca. 37% der Insassen d e r b a d . - w ü r t t . JVollzugsanstalt Adelsheim Ausländer u n d betrug der Ausländeranteil in der JUntersuchungshaft in Adelsheim bis über 60% (J. Walter DVJJ-J 93,247). Seit Mitte der 90er Jahre beträgt der Anteil der Nichtdeutschen an den Zugängen der JVollzugsanstalt Adelsheim ca. 50% (Walter/Gräbel in DVJJ-BW, Hrsg., Integrieren statt Ausgrenzen, 1999 S. 49). In Nordrhein-Westfalen belief sich der Anteil der Ausländer im JStrafvoIIzug 1997 auf 37% (Wirth ZfStrVo 98, 278). Zur Situation der Ausländer in der UHaft Steinte BewH 95,170. Albrecht/Pfeiffer (aaO, S. 87) berichten von Diskriminierung durch die deutschen Mitgefangenen u n d andererseits von weitgehender Anpassung der j . Ausländer an die Erwartungen der Anstaltsleitung. Nach Eisenberg (§ 91,31) k a n n jedoch nicht (mehr) einheitlich von Benachteiligungen gegenüber Deutschen ausgegangen werden. Die Situation der j. Ausländer im Strafvollzug m u ß vielmehr differenziert betrachtet werden (näher Mey/Wirth FS Böhm, 1999 S. 611 ff). Z u r Situation türkischer Insassen vgl. BukowskiZfStrVo 96,225. Zu erwartende Ausweisungen führen jedoch a u f g r u n d der einschlägigen Verwaltungsvorschriften (vgl. insbes. Nr. 6 Abs. 8 c u. Abs. 11 d der Verwaltungsvorschriften z u m JStrafvoIIzug) zur restriktiven H a n d h a b u n g von Vollzugslockerungen (J. Walter aaO, 247, 248). Die B e t r e u u n g durch ehrenamtliche Helfer ist schwierig. Martens (JAmt der Stadt Nürnberg u. DVJJ-Regionalgruppe Nordbayern, Arbeitshilfen Nr. 2 für den Umgang mit Türken in Deutschland, 1987 S. 32) hat in der JVA Hamburg-Vierlande nicht feststellen können, d a ß Anstaltsbedienstete ausländische J u n d Hw. schlechter als deutsche behandeln. Es w ü r d e n eher junge, selbstsicher auftretende Türken f ü r sie negative Entscheidungen mit Ausländerdiskrim i n i e r u n g in Z u s a m m e n h a n g bringen. Dort stünde unauffälligen j u n g e n Türken mit stabilen sozialen Beziehungen u n d eher günstiger Sozialprognose eine kleine Gruppe wegen schwerer Gewalttaten verurteilter T ü r k e n gegenüber, die Funktionsposten (Hausarbeiter, Kalfaktor, vgl. § 91, 10) anstrebten, u m Macht auszuüben; sie hätten den „anstaltsinternen" Drogenmarkt (dazu $ 91, 20) in H ä n d e n und spielten auch in ihren Familien eine beherrschende Rolle, so daß auch von dort aus keine Verhaltensänderung bewirkt werden könne. Sollen die j u n g e n Ausländer nicht n u r „sitzen", so müssen sie in der JVA sprachlich und durch möglicherweise nachholende - Schul- u n d Berufsausbildung u n d sorgfältige Entlassungsvorbereitungen (vgl. dazu die Betreuungsweisung des AG Berlin Tiergarten $ 17,22 aE) bes. betreut werden, was erhöhten zeitlichen Aufwand, gezielte

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I. Jugendkriminologische Aspekte

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Schulung der Bediensteten u n d möglichst Einschaltung von Sozialarbeitern gleicher H e r k u n f t fordert. Bes. ist darauf zu achten, d a ß durch die Anstaltsverhältnisse nicht rechtsextreme Einstellungen bei den deutschen Insassen gefördert werden (J. Walter aaO, 248). Zu ausländerfeindlichen Straftaten J u. H w . Rn 40. Auch beim U m g a n g m i t der Delinquenz j. Spätaussiedler k o m m t angesichts der 23 a bestehenden Integrationsprobleme den B e m ü h u n g e n u m soziale Integration (ua Sprachförderung u. Förderung der schulischen u. beruflichen Ausbildung) große Bedeutung zu (zur „Aussiedlerkriminalität" sorgfältig differenzierend LuffKiiminalität von Aussiedlern, 2000 u. Kriminalistik Ol, 29; Grundies MKrim 00,290; zur H e r k u n f t u. Lebenssituation j. Spätaussiedler Heuer/Ortland DVJJ-J 96, 54; Bodenburg DVJJ-J 99, 73; Jeschawitz in DVJJ-BW, Hrsg., Deeskalation, 1998 S. 9; GiestWarsewa in DVJJ-BW, Hrsg., Integrieren statt Ausgrenzen, 1999 S.9; zur Prävention, zu j. Aussiedlern im Strafvollzug u. vor dem JGericht s. die Beiträge von Müller, Walter/Grübl u. Helmken in DVJJ-BW, Hrsg., Integrieren, aaO S. 25 ff; s. auch die Beiträge in DVJJ-Regionalgruppe Nordbayern, Gefährdete Jugend zwischen Konflikt u. Integration, 2000 S. 79 ff; zusammenfassend zu den Integrationsproblemen j. Aussiedler Reich/Weitekamp/Kerner BewH 99, 335; zur Subkultur inhaftierter Ausländer s. OttofPawlik-Mierzwa DVJJ-J Ol, 124).

9.

Kriminalität u n d Verwahrlosung

Der e n g e Z u s a m m e n h a n g zwischen Kriminalität u n d Verwahrlosung als zwei 2 4 Erscheinungsformen der Dissozialität j u n g e r Menschen ist empirisch bestätigt (zB Küttzel JKriminalität u. Verwahrlosung, 1971). Gerade die Delinquenz aber gibt zumeist der Entwicklung einen bes. Stellenwert, die schwerere Straftat kennzeichnet symptomatisch das M a ß der Entwicklungsstörung des Täters u n d dessen soziale Gefährdung (Schaffstein GA 71,129). Neben der in Sozialisationsstörungen wurzelnden JKriminalität gibt es in nicht geringem U m f a n g aber a u c h JKriminalität der Normalentwickelten. So ist JKriminalität überwiegend nicht Ausdruck einer Fehlentwicklung oder einer abnormen sozialen Gefährdung, sondern eine nicht pathologische u n d keineswegs außergewöhnliche Erscheinungsform eines bestimmten Entwicklungsstadiums, das jeder normale Mensch im Jugendalter zu durchlaufen h a t (Schaffstein aaO). Die Praxis trägt d e m durch Verfahrenseinstellung g e m ä ß SS 45, 4 7 Rechnung. 10.

Frühkindliche Schäden

Teilweise werden f r ü h k i n d l i c h e H i r n s c h ä d i g u n g e n , die sich ua in emotionaler 25 Labilität, mangelnder affektiver Steuerung, Impulsivität, mangelnder Konzentrationsfähigkeit und Lernschwierigkeiten ä u ß e r n können, als wichtiger kriminogener Faktor in der Reifezeit angesehen (Lempp Kriminalbiolog. Gegenwartsfragen 5 8 , 1 0 0 u. NJW 59,798). Die Befunde sind jedoch m i t Vorsicht zu beurteilen, da sie an nicht repräsentativen Stichproben, nämlich von jPsychiatern untersuchten

17

Einfl

Einführung

Kindern u n d J, gewonnen w u r d e n (Schneider Kriminologie, 1987 S.378). Die Prognose wird als günstig angesehen, da die J mit fortschreitendem Alter in der Lage seien, ihre Schwächen unter Kontrolle zu bringen (Lempp aaO, 103 ff). Zur neueren Kritik a m Konzept der frühkindlichen Hirnschädigungen s. Kröber in Göppinger S. 220 mwN. Frühkindliche Erlebnisse sind deshalb bes. bedeutsam, weil das Kind auf die angebotenen Lernerfahrungen angewiesen u n d von den Einflüssen seiner Umwelt abhängig ist. Mangelnde Liebe u n d Z u w e n d u n g sowie mißgeleitete Erz. durch die Eltern kann schwere Störungen in der Persönlichkeitsentwicklung zur Folge haben (Garäs/Wiesnet Frühkindheit u. JKriminalität, 1974). Aus psychoanalytischer Sicht wird a n g e n o m m e n , d a ß sich Ich u n d Über-Ich schwer zurückgesetzter Kinder nicht angemessen zu entwickeln vermögen, da der Aufbau dieser Fähigkeiten ua über Prozesse der Identifikation erfolgt u n d das Kind sich nur m i t einer Person identifizieren kann, zu der es freundliche Gefühle hegt (Schneider Kriminologie, 1987 S. 492). Die Zusammenhänge zwischen Kriminalität u n d Verwahrlosung werden hier deutlich (vgl. R n 2 4 u. § 43, 6). 11.

Kinderdelinquenz

2 6 Bei der Kinderdelinquenz ist die Dunkelziffer bes. groß. Nach den Verhandlungen des 13. DJGT 1965 (s. DVJJ, Hrsg., Erstkriminalität u. Frühkriminalität, 1966) sollte m e h r getan werden, u m dieses Dunkelfeld aufzuhellen, die Ursachen kriminellen Fehlverhaltens von Kindern zu erforschen u n d geeignete institutionelle E r z M a ß n a h m e n und konkrete ErzZiele z u r Verfügung zu stellen. Den Hauptanteil aller angezeigten Delikte von Kindern machen Diebstahl u n d Sachbeschäd i g u n g aus (Feest in Kaiser/Kerner/Sack/Schellhoss S. 211). Eine andere Verteilung der Delikte im Dunkelfeld läßt darauf schließen, d a ß Kinder bevorzugt bei Verl e t z u n g von Eigentum angezeigt werden (Walter/Remschmidt/Höhner FS Stutte, 1979 S. 127, 138). Rechtsbrüche von Kindern dürfen nicht einheitlich u n t e r dem Begriff kriminellen Handelns gesehen werden. Ein Großteil der Kinderdelinquenz entspricht vielmehr ganz n o r m a l e m k i n d l i c h e n Verhalten wie Sport, Spiel u n d Abenteuer (Kaiser S. 267). Brandstiftung durch Kinder kann auf Symboltaten hindeuten (vgl. Rn 28). Seelische N o t k a n n Kinder zu Straftaten - vor allem z u Diebstählen - führen, u m die Eltern auf sich aufmerksam z u machen. Kinder können sich in erhebliche Kriminalität verstricken, weil Erw. sie dazu mißbrauchen u n d regelrecht anlernen, u m , wie sie glauben, deren Schuldunfähigkeit z u nützen (dazu $ 1, 16). Die polizeilich registrierte Delinquenz von Kindern ist vom Ende der achtziger Jahre bis 1998 gestiegen (BKA, Hrsg., Polizeiliche Kriminalstatistik 1999 S. 74; z u r eingeschränkten Aussagekraft der Statistik Neubacher ZRP 98,122). Es handelt sich jedoch nach wie vor ganz überwiegend u m episodenhafte leichte Delikte aus den Bereichen Diebstahl u n d Sachbeschädigung (Elsner/Stejfen/Stern Kinder- u. JKriminalität in München, 1998 S. 180); Gewaltdelikte sind selten (Trauisen DVJJ-J 97, 48). Zu Delinquenz von Kindern an Grundschulen s. Pongratz Zum Umgang mit kindlichen Auffälligkeiten, 2000.

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I. Jugendkriminologische Aspekte

Einf I

Der größte Teil der mit einem Delikt auffallig werdenden Kinder wird n u r einmal 27 polizeilich registriert; nur wenige begehen eine große Zahl von Delikten (Kaiser S. 267; ThomasZKP 9 8 , 1 9 3 f; zu kindlichen Mehrfachtätern s. Deutsches Jugendinstitut, Hrsg., Der Mythos der Monsterkids, 1999). Ein genereller Zusammenh a n g zwischen Kinderdelinquenz und Straffälligkeit im JAlter besteht nicht (Walter/Remschmidt/Höhner aaO, S. 139; Pongratz/Jürgensen Kinderdelinquenz u. kriminelle Karrieren, 1990 S. 175; Trauisen Delinquente Kinder u. ihre Legalbew., 1976). Massive Delinquenz im Kindesalter kann jedoch kriminalprognostisch bedenklich sein (Trauisen NJW 74, 598 f), insbes. w e n n sie mit weiteren sozialen Belastungsmerkmalen zusammentrifft. Kerner (BewH 89, 203) weist darauf hin, d a ß gerade (spätere) Mehrfachtäter schon zwischen 8 u n d 11 Jahren mitunter hohe Delinquenzwerte zeigen, prognostisch bedeutsam scheine aber allenfalls die Kombination von Häufigkeit u n d Schwere sowie das Anhängigwerden bei mehreren Behörden zu sein. Vgl. auch Rn 13 ff. Zur Prävention von Kinderdelinquenz s. Thomas aaO, 194 ff; Schäfer DVJJ-J 00, 134. Allg. z u r Kinderkriminalität Müller/Peter (Hrsg.) Kinderkriminalität, 1998. 12.

Pubertät

Die Pubertätszeit ist f ü r den J eine Phase innerer Umwälzungen mit erheblichen 28 seelischen Konflikten. Dazu bringt die sich ständig wandelnde Gesellschaft f ü r den j u n g e n Menschen eine gefährliche Statusunsicherheit mit sich; er lebt in einer Übergangsphase zwischen Kindheit u n d Erwachsensein, in der er zahlreiche Entwicklungsaufgaben zu bewältigen hat. Bei der überwiegenden Mehrzahl der j u n g e n Delinquenten handelt es sich u m Entwicklungstäter, deren „Kriminalität im Rahmen der Persönlichkeitsreifung" (Göppinger S. 424 ff) mit d e m Auslaufen der schwierigen und konfliktreichen Lebensphase der Jugend abklingt. Einzelne Delikte können auf spezifischen psychischen Konflikten beruhen. So können schwelende Selbstwertkonflikte a u f g r u n d wirklicher oder eingebildeter körperlicher Mißbildungen oder Unterbegabung (Stufte MKrim. 57, 71) sich in dieser schwierigen Lebensphase in kriminellen Handlungen entladen. Der Konflikt zwischen dem Drang nach Selbstentfaltung u n d den Begrenzungen durch die Umwelt erzeugt mannigfache Symptome der Unsicherheit u n d Überkompensation; als Reaktion auf mangelnde Beachtung, soziale Kränkung, Unterdrückung oder fehlende Anerkennung (Zulliger Über symbolische Diebstähle von Kindern u. J, 1960) k a n n es zu Symboltaten, zB in Form von Diebstählen oder Brandstiftungen, k o m m e n . Die Auseinandersetzung des j u n g e n Menschen m i t seiner Sexualität k a n n sich in Delikten niederschlagen. Sexuelle Neigungen u n d überstark einsetzender Geschlechtstrieb können zu entsprechenden Straftaten f ü h r e n . Z u m Sozialisationsprozeß gehört auch die Bildung von Gewissen u n d W e r t h a l t u n g e n (Gilen Das Gewissen bei Fünfzehnjährigen, 1965; Hupperschwiller Gewissen u. Gewissensbildung in jkriminologischer Sicht, 1970; Rauchfleisch Praxis der Kinderpsychologie u. Kinderpsychiatrie 80, 271; Wiesnet/Gareis Schuld u. Gewissen bei j Rechtsbrechern, 1976). In einer Zeit, in der viele Menschen ein Höchstmaß an 19

Einfl

Einführung

Selbstbestimmung und Selbstentwicklung beanspruchen und überkommene handlungsbegrenzende Normen als weniger selbstverständlich empfunden werden, ist es für junge Menschen nicht einfach, Verhaltensstile zu entwickeln, in denen sich Autonomie und Konformität in sozial akzeptabler Weise miteinander verbinden. Sich abschwächende Bindungen an Familie und Nachbarschaft und Anonymität und Mobilität des modernen Lebensstils dürften als integrationsgefährdende Faktoren hinzukommen (Delling in Rössner, Hrsg., Toleranz - Erziehung - Strafe, 1989 S. 15 f mwN). 13.

Familie u n d Erziehung

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Die Familie, die sich im Zeitalter der Industrialisierung von der Groß- zur Kleinfamilie entwickelt hat, nimmt im Sozialisationsprozeß eine Schlüsselstellung ein. Sie prägt grundlegend die Einstellungen und Verhaltensweisen der Kinder. Mit Störungen belastete Familien können zu einer Hauptquelle sozialabweichenden Verhaltens J werden (eingehend zur Familie als primärer Sozialisationsinstanz Schwind Kriminologie, 11. Aufl. 2001 S. 175 ff). Überwiegend wachsen die Kinder und J in Deutschland jedoch in verhältnismäßig stabilen Familien auf (s. Bruhns in DVJJ-BW, Entwicklungen u. Perspektiven der JStrafrechtspflege, 2000 S. 7 ff; NaveHerz in Beinroth, Hrsg., Familie u. JHilfe, 1998 S. 15 ff; vgl. auch Bohrhardt Ist wirklich die Familie schuld? 1999).

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ErzFehler der Eltern beeinträchtigen den Sozialisationsprozeß und können mitverursachen, daß J später das Grundvertrauen abgeht und sie sich zu einem Leben in sozialer Verantwortung unfähig erweisen. Als erz. ungünstig und delinquenzfördernd werden insbes. angesehen mangelnde Zuwendung und Vernachlässigung, ein überstrenger autoritärer ErzStil, eine gleichgültige Laissez-faireHaltung, ein übermäßig behütender ErzStil und inkonsistentes ErzVerhalten (Schwind aaO, S. 190 ff). Es kommt darauf an, in liebevoller Zuwendung die richtige Mischung zwischen Verstehen und Entgegnen zu finden. Unterforderung ist dabei nicht besser als Überforderung, mehr Mut zu „unbequemer Erz." (Schwind ZRP 81, 279) ist gefordert.

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Ungünstig können sich auch Straffälligkeit sowie Alkohol- und Drogenmißbrauch der Eltern, verwahrloste häusliche Verhältnisse, ständige Konflikte zwischen Vater und Mutter und Vernachlässigung der Arbeit und sonstiger sozialer Pflichten durch die Eltern auswirken. Junge Mehrfachauffällige kommen häufig aus Multiproblemfamilien, in denen sich derartige Belastungsmerkmale häufen (Bock in Göppinger S. 266). 14.

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Rollenfixierung

Zu Recht hebt Schüler-Springorum (MKrim. 69, 7) die überragende Bedeutung der sozialen Rolle für die Entwicklung des Kindes und J sowie die Rollenverteilung innerhalb der Familie und anderer Bezugsgruppen hervor. Gerade der J neigt

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I. Jugendkriminologische Aspekte

Einf I

dazu, eine rasch bis z u r Stigmatisierung fortschreitende Rollenerwartung zu erfüllen. Im U m g a n g m i t j u n g e n Tätern m u ß deshalb sorgfältig darauf geachtet werden, d a ß nicht die Ü b e r n a h m e d e l i n q u e n t e r Rollen durch die J gefördert wird. Versteht sich der Täter als „Krimineller", kann dies zur Rückkehr ins kriminogene Milieu u n d z u r Verfestigung der Kriminalität trotz aller Hilfen beitragen (Schüler-Springorum aaO). Alle, die m i t J arbeiten, sollten sich der Gefahren einer Stigmatisierung, auf die der labeling approach (Rn 6) hingewiesen hat, b e w u ß t sein und diesen Gefahren entgegenwirken. - Nach Herz (KrimJ 94, 307) werden durch das JStrafrecht traditionelle geschlechtsspezifische Rollenklischees gefestigt. 15.

Schule

Die Schule, das Zwischenmilieu des Übergangs von der Familie z u m Beruf, ist eine 3 3 neue Umweltsphäre, m i t der sich der j u n g e Mensch auseinandersetzen m u ß u n d der f ü r seine weitere Entwicklung erhebliche Bedeutung z u k o m m t . Bei Rückfalltätern sind wesentlich häufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt Störungen im schulischen Bereich wie Schwänzen, schlechte Leistungen, Sitzenbleiben u n d vorzeitiger Abgang von der Schule festgestellt worden (Schöch in Kaiser/Kerner/ Sack/Schellhoss S.458). Erhebliche Defizite im Schulablauf können daher als Indikator f ü r eine kriminelle Gefährdung angesehen werden, dürfen aber nicht einfach als Delinquenzursache interpretiert werden, sondern stellen meist Symptome eines umfassenden Fehlanpassungs-Syndroms dar, das zu einem erheblichen Teil in Defiziten in der Herkunftsfamilie wurzelt (Schöch aaO, S.459). Auf nicht diagnostizierte oder nicht richtig therapierte Legasthenie als mögliche Mitursache f ü r kriminelle Verhaltensweisen h a t Weinschenk (MKrim. 67,308; 7 0 , 1 3 u. 382) hingewiesen. Auf schulische Mißerfolge darf nicht in herabsetzender Weise reagiert werden, d e n n hierdurch würden die im Leistungsbereich bestehenden Probleme des J verschärft (zu Beeinträchtigungen durch Lehrer u. gruppenpsychologischen Prozessen, die zu Schulangst f ü h r e n können, Eisenberg § 6, 63 f). Vielmehr bedarf es stützender und fördernder M a ß n a h m e n , u m den Weg zu schulischen Erfolgen z u eröffnen und damit auch einen Beitrag zur Delinquenzprophylaxe zu leisten. Zu Vandalismus u. Gewalt in der Schule R n 4 4 , 45. Zu gegenseitigen Mitteilungspflichten zwischen Schule, JStA u. JRichter $ 7 0 , 1 , 5, 7 u. 8; § 109,1; zur Beurteilung von Kindern u. J durch Lehrer im JSchutzverfahren Anh. § 125, 9a. Zur Verletzung der Schulpflicht durch die ErzBerechtigten als Straftat oder Ordnungswidrigkeit Rinio Zbl. Ol, 221. 16.

Beruf

Zu den wichtigsten Aufgaben der Jugendphase gehört das Erlernen eines Berufs 3 4 u n d das Hineinwachsen in das Berufsleben. Der Beruf sichert nicht nur die materielle Existenz, sondern schafft auch Bindungen an konventionelle Aktivitäten, die sich delinquenzhemmend auswirken können (vgl. zu den Bindungs21

Einfl

Einführung

theorien Kaiser S. 252 ff). Die Konfrontation mit der Erwachsenenwelt des Berufslebens ist f ü r j u n g e Menschen freilich häufig nicht einfach z u bewältigen. Nichtantritt oder Abbruch einer Lehre, häufiger Arbeitsstellenwechsel, A u s ü b u n g von Berufen m i t niedrigem sozialen Status, berufliches Desinteresse u n d Arbeitslosigkeit werden bei Rückfalltätern häufiger festgestellt als bei Vergleichspersonen u n d stellen daher ebenso wie schulische Defizite (Rn 33) einen Indikator f ü r kriminelle G e f ä h r d u n g dar (Bock in Göppinger S. 277 ff). Aus kriminalpräventiver Sicht ist daher die Förderung von Ausbildung u n d beruflicher Tätigkeit angezeigt, wobei auch Belastbarkeit und Frustrationstoleranz gestärkt werden müssen, u m den j u n g e n Menschen in die Lage zu versetzen, die im Arbeitsleben unvermeidlich auftretenden Schwierigkeiten zu bewältigen. 17.

Freizeit

35 Wie der j u n g e Mensch seine Freizeit personell (Familie, Freunde, wechselnde Bekannte), institutionell (Vereine, Verbände), örtlich (Wohnung, Lokale) u n d sachlich (Sport, Lesen, Film, Hobby) gestaltet, kann wichtige kriminologische Aufschlüsse geben (WüstendörferfToman/Lösel MKrim. 76,133). Nach Bock (in Göppinger S. 283) ist die Freizeit ein Frühwarnbereich für eine beginnende Hinentwicklung z u r Kriminalität. Nach den Befunden Göppingers dehnten die Straffälligen die Freizeit zunächst auf Kosten des Schlafs u n d dann auf Kosten des Leistungsbereichs aus. Ihre Freizeittätigkeiten waren durch inhaltlich nicht vorhersehbare völlig offene Abläufe gekennzeichnet, oft verbunden mit einer Bereitschaft zu exzessiven Handlungen wie übermäßigem Alkoholkonsum, unkontrollierten Geldausgaben oder auch gewalttätigen Auseinandersetzungen (aaO, S. 284 ff). Bei J, die nur während einer Entwicklungsphase vorübergehend dclinquent waren, zeigten sich zwar auch Auffälligkeiten in der Freizeitgestaltung, die Freizeit w u r d e jedoch zumeist nicht zu Lasten des Leistungsbereichs ausgeweitet (aaO, S. 286). Angesichts der Verlockungen eines umfangreichen konsumorientierten Freizeitangebots, dessen W a h r n e h m u n g erhebliche Geldmittel erfordert, der Suche nach i m m e r mehr Aufregung u n d Spannung in der Freizeit, die zu äußerst riskanten u n d illegalen Aktivitäten f ü h r e n kann („S-Bahn-Surfing", „Joy-riding") u n d der Möglichkeit, daß Langeweile in deliktisches Handeln umschlägt, k o m m t es darauf an, bedürfnisgerechte Freizeitangebote f ü r J zu entwickeln u n d sie zur „sinnvollen" Freizeitgestaltung zu motivieren u n d zu befähigen (Schwind Kriminologie, 11. Aufl. 2001 S. 254 ff). Vgl. auch $ 91, 14. 18. 36

Massenmedien

Die Inanspruchnahme insbes. audiovisueller Massenmedien (Rundfunk, Fernsehen, Videofilme, Kino) spielt im Leben Jugendlicher eine große Rolle. Es wird bereits über das Fernsehen als „dritter Elternteil" diskutiert (Schwind Kriminologie, 11. Aufl. 2001 S.266). Ob die zahlreichen massenmedialen Gewaltdarstell u n g e n Aggressivität und Kriminalität fördern, ist umstritten. Nach der Kathar22

I. Jugendkriminologische Aspekte

Einf I

sis-Hypothese hat die Betrachtung von Gewaltdarstellungen eine Ersatz- und Ventilfunktion, die sich aggressionsmindernd auswirkt; nach der Inhibitionshypothese löst das Ansehen gewaltsamer Handlungen Aggressionsangst aus und hemmt auf diese Weise aggressives Verhalten. Demgegenüber regen nach der Stimulationshypothese Gewaltdarstellungen zur Nachahmung an und führen sie nach der Habitualisierungshypothese zu Abstumpfung und Gewöhnung (Kaiser S. 379). Die empirischen Befunde sind nicht einheitlich. Die Medienwirkung darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern hängt von Persönlichkeit und Umfeld des Konsumenten und den sonstigen auf ihn einwirkenden Faktoren ab. Bei J kommt dem ErzVerhalten der Eltern und den Möglichkeiten zur Verarbeitung des Gesehenen wesentliche Bedeutung zu. Der gegenwärtige Forschungsstand deutet darauf hin, daß massenmediale Gewaltdarstellungen wahrscheinlich langfristig Einstellungen prägen und unter bestimmten Randbedingungen prädisponierte Personen kurzfristig zu Nachahmungskriminalität reizen können (Kaiser in Kaiser/ Schock S. 65; Groebel DVJJ-J 98,46). Insgesamt dazu Brunner J R 9 7 , 1 2 0 ff. Wegen des Einflusses der Massenmedien auf den Sozialisationsprozeß hat neben der Medienkontrolle (dazu Schwind aaO, S. 277 ff) die Erz. der J zu einem kritischen Umgang mit den Medien zentrale Bedeutung. Zum Einfluß des suchtartigen Konsums von Horrorvideos auf Strafmündigkeit u. Schuldfähighkeit LG Passau NJW 9 7 , 1 1 6 5 = JR 9 7 , 1 1 8 mit Anm. Brunner sowie $ 3, l l a a E . 19.

Gruppenkriminalität

J und auch Hw begehen Straftaten häufig gemeinschaftlich. Überwiegend handelt 3 7 es sich allerdings um lockere Zusammenschlüsse, die Zweierverbindung steht im Vordergrund (Kaiser in Kaiser/Schock S. 154). Gruppenprozesse sind in mehrfacher Hinsicht kriminologisch relevant. In der Gemeinschaft mit anderen riskiert der einzelne mehr, werden Hemmungen geschwächt und fühlt er sich weniger verantwortlich (Kaiser S.283). Für die Entwicklung junger Menschen spielt die Gruppe der Gleichaltrigen eine wichtige Rolle. So werden sich J mit Problemen in der Familie, in der Schule oder im Arbeitsleben um den Anschluß an Gruppen von Altersgenossen bemühen, die häufig ähnliche Schwierigkeiten haben, und kann sich das Bemühen um Anerkennung und Selbstbestätigung dann in durch die Gruppendynamik gefördertem delinquenten Verhalten niederschlagen. Die F o r m e n des Zusammenschlusses bei j. Gemeinschaftsdelinquenz sind 3 8 mannigfach und in den Übergängen fließend. Spontangruppen können aus bestimmten Situationen (zB Musikfestival) entstehen und sich in Aggressionsdelikten entladen. Bei Gelegenheitsgruppen, die keinen anhaltenden Bestand haben, sollen Eigentumsdelikte im Vordergrund stehen (Göppinger Kriminologie, 4. Aufl. 1980 S. 557). Dies wird auch für halborganisierte Gruppen angenommen, die sich zusammengehörig fühlen, aber nicht über eine bestimmte Funktionsverteilung verfügen (Göppinger aaO). Bei den JBanden handelt es sich demgegenüber um auf gewisse Dauer angelegte Verbindungen, die stärker organisiert sind und zu deren

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Einfl

Einführung

Zielen die Begehung von Straftaten gehört (Kaiser S. 284). - Spiel- und Straßengruppen ohne deliktisches Verhalten können eine Übergangsphase zu differenzierteren Zusammenschlüssen darstellen, in denen es zu Straftaten kommt. 39 JBanden treten in Deutschland insbes. in Großstädten in Erscheinung. Die Aktivitäten einiger Banden sind auf die Verschaffung von Vermögensvorteilen gerichtet, vor allem durch Diebstähle, teilweise auch durch Raubtaten {Middendorf in BKA, Hrsg., Bekämpfung von Diebstahl, Einbruch, Raub, 1988 S. 153). Weiterhin wird von „Streetgangs" berichtet, die versuchen, mit deliktischen Mitteln das von ihnen beanspruchte „Revier" zu beherrschen (Schwind Kriminologie, 11. Aufl. 2001 S. 568 f). Rocker, Punks und Skins gehören zu den Gruppierungen, die durch ihr Erscheinungsbild ihre Zusammengehörigkeit und zugleich Distanz von „der Gesellschaft" demonstrieren und im deliktischen Bereich vor allem durch Gewalttaten auffallen. Den Gruppen gehören ganz überwiegend männliche J an. Während bei den Rockern Motorradfahren das Gefühl von Freiheit und Abenteuer vermitteln soll, wird das Verhalten der Punks als Protest gegen die traditionellen bürgerlichen Normen interpretiert und werden die Gewalttätigkeiten der Skins als Ausdruck von Perspektiv- und Orientierungslosigkeit gesehen, wobei die Lage der J in der ehemaligen DDR wegen der dort zu bewältigenden sozialen Wandlungsprozesse bes. problembelastet ist (Schwind aaO, S. 555 ff). Es wird angenommen, daß in einer durch Individualisierung und Durchsetzungswillen gekennzeichneten Gesellschaft soziale Desorganisation durch Auflösung der Beziehungen zu anderen Personen, insbes. zu den Eltern, Ausdünnung gemeinsamer Norm- und Wertvorstellungen und abnehmende Teilnahme an gesellschaftlichen Institutionen zur Bildung gewaltbereiter Gruppierungen junger Menschen führt, in denen Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Wir-Gefühl und Selbstbestätigung befriedigt werden können (Heitmeyer DVJJ-J 92,76). In der Gruppe können Selbstwertkonflikte durch Kraftakte und provozierendes Verhalten kompensiert werden, Alkohol und das Scheinwerferlicht der Medien können als Verstärker wirken. Nach Kersten (DVJJ-J 93, 23, 25) geht es in gewaltorientierten JBanden um die Darstellung von Männlichkeit. Zu Gruppenkulturen von J s. Eckert/Reis/Wetzstein „Ich will halt anders sein wie die anderen!" 2000. Das OLG Zweibrücken (NStZ 87,89 mit Anm. Molketin) hat zur Verurteilung eines Skinheads zutreffend ausgeführt, daß die Hinwendung zu einer Gruppe Gleichgesinnter, verbunden mit Unterordnung und Preisgabe individueller Freiräume, aber dem Gefühl solidarischer Geborgenheit, Ausdruck mangelnder Reife sein kann. Die Anwendung von Gewalt und rowdyhaftes Benehmen könne als JVerfehlung (§ 105 II Nr. 2) Vorstellungen von „Heldenhaftigkeit, Mutbeweis und Imponiergehabe" entsprechen und sich aus Mangel an Mitgefühl, Selbstsicherheit und Hemmungskraft erklären. Zur Strafbarkeit wegen Körperverletzung bei einem Aufnahmeritual in eine JBande s. BayObLG NJW 99, 372 = JR 99, 122 mit Anm. Otto = NStZ 99, 458 mit Anm. Amelung. 40 Auch und gerade bei Straftaten mit und aus „politischem" Hintergrund laufen Gruppenprozesse ab und sind häufig Entwicklungsdefizite festzustellen. Das gilt auch für die ausländerfeindlichen Straftaten, an denen überwiegend J und Hw. 24

I. Jugendkriminologische Aspekte

Einf I

beteiligt sind. Die Täter haben idR keine festgefügte politische Einstellung oder Weltanschauung. Dies zeigt sich zB daran, daß Wechsel in eine Gruppe mit entgegengesetzter politischer Orientierung vorkommen (Frehsee KrimJ 93,266). Hinter den ausländerfeindlichen Delikten können Zukunftsangst und das Gefühl stehen, zu kurz zu kommen und nicht hinreichend beachtet zu werden, wobei „die Ausländer" als Sündenböcke fungieren (Ostendorf Neue Kriminalpolitik 93, 26). Eine Rolle spielen können auch - wie bei anderen Gewaltdelikten j. Gruppierungen - die Suche nach einer Gemeinschaft Gleichgesinnter u n d Erlebnishunger (zum „fun"-Aspekt der Gewalt Koch in DVJJ-BW, Gegen-Gewalt, 1994 S. 16,21). Es kann auch um Provokation der etablierten Ordnung durch Tabuverletzungen gehen (Baumgarten/Breymann DVJJ-J 94,69; Kersten DVJJ-J 93,23). Die Gewalttaten werden häufig spontan unter Alkoholeinfluß begangen (Best DVJJ-J 94,56 f). Nach Kubink Fremdenfeindliche Straftaten, 1997 S. 249 sind die Tatumstände häufig für herkömmliche JKriminalität typisch. Zu Delikten J mit „politischem" Hintergrund s. auch Bela BewH 88, 328; Kube BewH 93, 287; die Beiträge von Erb ua in Lamnek, Hrsg., Jugend u. Gewalt, 1995 S. 39 ff; Mentzel Rechtsextremistische Gewalttaten von J und Hw. in den neuen Bundesländern, 1998; Dünkel/Geng, Hrsg., Rechtsextremismus u. Fremdenfeindlichkeit, 1999; Schneider Kriminalistik Ol, 21 u. die Beiträge in DVJJ-J Ol, 4 ff. Als Reaktionen auf diese Delikte sind einerseits eine konsequente und schnelle Strafverfolgung und andererseits Integrationshilfen für die jungen Täter geboten (Ostendorf aaO; Viehmann ZRP 93,81). Durch die Strafverfolgung sind Unantastbarkeit und Wert der angegriffenen Rechtsgüter und die Verbindlichkeit der sie schützenden Normen zu verdeutlichen. Hierbei dürfen von einem rechtsstaatlichen und fairen Strafverfahren keine Abstriche gemacht werden (Hamm NJW 94,3180). Die Strafzumessungspraxis der JGerichte ist nach Neubacher Fremdenfeindliche Brandanschläge, 1998 u. MKrim 9 9 , 1 maßvoll und dem ErzGedanken verpflichtet. Bei den Integrationshilfen geht es darum, Gewaltbereitschaft abzubauen und Handlungsmöglichkeiten für eine gewaltfreie sinnerfüllte Lebensgestaltung aufzuzeigen (zur sozialpädagogischen Arbeit mit jungen Tätern von Gewaltdelikten s. die Beiträge von Seitz, Walpuski, Hosmann u. Peterich in DVJJ-BW aaO, S. 23 ff; Geretshauserßxnfcrt/Weidner DVJJ-J 93, 33). Unter präventiven Gesichtspunkten eröffnen Straßensozialarbeit, die Bereitstellung von Räumen durch niedrigschwellige offene JArbeit und Gemeinwesenarbeit im Sinne eines abgestimmten Vorgehens der vor Ort mit gewaltbereiten J befaßten Personen und Einrichtungen Chancen für Deeskalation von Gewalt (Koch aaO, S. 17 ff; zu Möglichkeiten kommunaler Gewaltprävention Best aaO, 57; Trenz in DVJJ-BW aaO, S. 73 ff; zum „Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt J" in den neuen Bundesländern vgl. die Übersicht in Konzertierte Aktion Bundes Innovation Nr. 17, 1994; kritisch Kahane DVJJ-J 97, 122; s. auch die Projektbeispiele bei Klose/Rademacher/Hafenegerffansen Gewalt u. Fremdenfeindlichkeit - pädagogische Auswege, 2000, u. zur Gedenkstättenpädagogik Nickolai DVJJ-J 00,147). In der jGerichtsverhandlung wird es darauf ankommen, die Täter mit gelassener 4 0 a Entschiedenheit zu behandeln (vgl. Rn 53). Gemeinsame Verhandlung mit erw.

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Einfl

Einfuhrung

Mittätern (dazu auch $ 103, 8 u. 8 a) kann ebenso schädlich sein wie öffentliche Verhandlung und Sensationsberichterstattung durch die Medien (vgl. $ 48, 3); politische Parolen können bei jungen Menschen ein die Erw. provozierendes Gehabesein, für das durch die Berichterstattung der Medien ein Gewicht erreicht wird, das die J sonst für sich nicht realisieren könnten (vgl. Seidel Zbl. 87, 207). Zu Gruppenzwang und falsch verstandener Solidarität BGH StV 86, 305 u. BGH B NStZ 8 8 , 4 9 1 bei $ 1 7 , 1 2 . Z u m Wohlwollensgebot nach BVerfG gegenüber Gewissenstätern im Bereich der Strafzumessung u. Strafaussetzung zur Bew. OLG Stuttgart M D R 8 8 , 1 0 8 0 ; OLG Bremen StV 8 9 , 3 9 5 (Dienstflucht, hw. Totalverweigerer) u. OLG Zweibrücken StV 8 9 , 3 7 9 (Zeuge Jehovas), zur Strafaussetzung zur Bew. bei politischen Überzeugungstätern § 2 1 , 6 b. Vgl. auch § 1 0 5 , 6 d. Zum Umgang m i t gewalttätigen rechtsorientierten J im Strafvollzug s. Nickolai/Walter 41

ZfStrVo 9 4 , 6 9 .

Gruppierungen von J und Hw. werden auch bei Gewalttaten anläßlich von Sportveranstaltungen, insbes. bei Fußballspielen, auffallig (vgl. Brunner Zbl. 8 4 , 2 2 4 ) . Neben Gewalttätigkeiten gegenüber anderen Zuschauern, vor allem „Fans" der „gegnerischen" Mannschaft, und Sachbeschädigungen in Stadien kommt es ua zu Beschädigungen öffentlicher Verkehrsmittel auf der An- und Abreise. Für die Ausschreitungen werden unterschiedliche Gründe angenommen, ua das Abreagieren von Arbeitsfrust und das Bedürfnis sich auszutoben (Schwind Kriminologie 11. Aufl. 2 0 0 1 S . 248) und die Kompensation einer Lebensperspektive ohne große Erwartungen durch Gewalttätigkeiten (Schwind/Baumann, Hrsg., Ursachen, Prävention u. Kontrolle von Gewalt. Analysen u. Vorschläge der Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung u. Bekämpfung von Gewalt. Gewaltkommission, Band I, 1990 S. 257). Nach Pik (DVJJ-J 9 2 , 89) handelt es sich bei Ausschreitungen J oft um einen „Hilferuf an die Gesellschaft", ernstgenommen zu werden und Sinn- und Zukunftsperspektiven eröffnet zu bekommen. Als Faktoren, die sich im Sinne einer Erhöhung der Gewaltbereitschaft auswirken, sind ua in Betracht zu ziehen: das Anschauen von Gewalt unter Spielern, die Identifikation mit Spielern und Mannschaft, die Belastung des Spiels mit Symbolen und Feindbildern, die Fixierung auf den Sieg, die Kommerzialisierung des Sports, die Dramatik des Spiels, der Alkoholkonsum und die Entindividualisierung, die der Zuschauer in der Masse erlebt (SchwindfBaumann

aaO, S. 257). Detaillierte

Vorschläge zur Prävention und Kontrolle von Gewalt anläßlich Sportveranstaltungen hat die „Gewaltkommission" der Bundesregierung unterbreitet (Schwind/ Baumann 20. 42

aaO, S. 2 7 7 f; zur Umsetzung Schwind DVJJ-J 94, 117).

Gewalt

Über den B e g r i f f der Gewaltkriminalität besteht keine Einigkeit. Teilweise wird er auf aggressive Delikte beschränkt, die sich - wenigstens mittelbar - gegen eine Person richten (Kürzinger in Kaiser/Kerner/Sack/Schellhoss S. 171), teilweise wird zu Recht auch Gewalt gegen Sachen einbezogen (Schneider Kriminologie der Gewalt, 1 9 9 4 S. 13 f). Nach beiden Definitionen sind J und Hw. bei Gewaltdelikten

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I. Jugendkriminologische Aspekte

Einfl

überrepräsentiert (Schneider aaO, S.29). Andererseits werden junge Menschen überproportional häufig Opfer von Gewalttaten (BKA, Hrsg., Polizeiliche Kriminalstatistik 2000 S. 58). Zu jugendlichen Opfern u. Tätern von Gewaltdelikten s. Mansel Angst vor Gewalt, 2001. Gewaltdelikte werden im Vergleich zu Eigentumsund Vermögensdelikten seltener begangen, können aber im Einzelfall bes. gravierende Folgen haben und werden von der Bevölkerung als bes. bedrohlich empfunden (Kaiser S. 367). Die Erscheinungsformen der Gewaltkriminalität sind vielfältig. Bei J und Hw. 43 spielen vor allem Körperverletzung und Straßenraub eine Rolle. Zur Erklärung für Gewaltdelikte werden heute gegenüber psychoanalytisch oder verhaltensbiologisch begründeten Theorien von einem angeborenen Aggressionstrieb Lerntheorien bevorzugt, die aggressives Verhalten auf Lernprozesse ua in der Familie zurückführen (zu den Entstehungsbedingungen von Gewalt s. BiedermannfPlaum Aggressive Jugendliche, 1999 S. 9 ff; Schubarth Gewaltprävention in Schule u. JHilfe, 2000 S. 13 ff; zur Biographie von Gewalttätern u. dem Erleben von Gewalt in der Herkunftsfamilie s. Böttger Gewalt u. Biographie, 1998; ders. DVJJ-J 98,224; Bannenberg/Rössner DVJJ-J 00,121). Als Teilstück einer multikausalen Aggressionstheorie auf lerntheoretischer Basis wird auch die Frustations-Aggressions-Hypothese angesehen, die einen Zusammenhang zwischen Enttäuschungserlebnissen und gewalttätigem Verhalten annimmt (Kaiser S. 374). Zur Bedeutung von Gleichaltrigengruppen Wetzels/Enzmann DVJJ-J 99,116; zur Wirkung der Massenmedien vgl. Rn 36. Eine Theorie, die alle Gewaltphänomene befriedigend erklärt, ist nicht ersichtlich. Bei Erklärungsversuchen wird daher nach den verschiedenen Erscheinungsformen der Gewaltdelinquenz zu differenzieren sein (Kaiser S. 375). Die registrierte Gewaltkriminalität ist in der Bundesrepublik in den letzten Jahrzehnten gestiegen (Kürzinger in Kaiser/Kerner/Sack/Schellhoss S. 173; Schneider aaO, S. 28). Der Anstieg der polizeilich registrierten Gewaltkriminalität beruht ganz überwiegend auf der starken Zunahme bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung sowie bei Raub (Heinz FS Miyazawa, 1995 S. 115). Bei J, Hw. und Jungerwachsenen ist ein überproportionaler Anstieg der Gewaltdelikte zu verzeichnen (Heinz aaO, S. 116); schwere Gewalttaten j. Menschen sind aber weiterhin ein Ausnahmetatbestand (H.-J. Albrecht MKrim 98, 393; Skepenat J u. Hw. als Tatverdächtige u. Opfer von Gewalt, 2000 S. 282). Die Zunahme der registrierten Gewaltkriminalität wird zum Teil darauf zurückgeführt, daß die Anzeigebereitschaft infolge sinkender Toleranz gegenüber Gewalt gestiegen ist (Kaiser S. 383; Schneider aaO, S. 28). Außerdem wird darauf hingewiesen, daß einschneidende soziale Wandlungsprozesse ua in Familie und Arbeitswelt zu Belastungssituationen geführt haben, die teilweise nicht konflikfrei verarbeitet werden konnten, sondern sich in Frustration und Orientierungslosigkeit niedergeschlagen und damit die Wahrscheinlichkeit von Gewaltdelinquenz erhöht haben (Kaiser S. 376 f; Schneider aaO). Erhebliche Aufmerksamkeit haben Berichte in den deutschen Massenmedien über 44 Gewalt in der Schule gefunden. Nach neueren Untersuchungen, die einer sorg27

Einf I

Einführung

fältigen Interpretation bedürfen (vgl. die methodologische Kritik bei H.-J. Albrecht MKrim 9 8 , 3 9 4 ff) sind Gewalttätigkeiten zwischen Schülern nicht auf breiter Front, sondern in bestimmten Schulen zu verzeichnen, insbes. in großen Schulen mit „schlechtem" Schulklima und in bestimmten Hauptschulen, wobei wahrscheinlich problembelastete Einzugsgebiete eine Rolle spielen (zusammenfassend Biedermann/Plaum

(Rn43) S . 5 9 f f ; Schubarth

( R n 4 3 ) S . 6 6 f f ; ders. RdJ 99, 372;

Schwind Kriminologie, 11. Aufl. 2 0 0 1 S. 2 1 4 ff; ausführlich Funk, Hrsg., Nürnberger Schüler Studie 1994: Gewalt an Schulen, 1995;

Schwind/Roitsch/Ahlborn/Gielen

Gewalt in der Schule, 1995 sowie die Beiträge von Schwind m in Lamnek, Hrsg., Jugend u. Gewalt, 1995 S. 99 ff; vgl. auch Böttger DVJJ-J 9 6 , 1 2 6 ) . Der „harte K e r n " gewaltorientierter Schüler wird auf 6 - 1 0 % der Schüler veranschlagt; bei ihm werden in erhöhtem Maße Schulleistungsprobleme festgestellt (Schwind aaO, S. 2 1 8 , 219). Nach einer in Bochum durchgeführten Befragung sind verbale Aggressionen in fast allen Schulen weit verbreitet, fürchten sich über 30% der Schüler auf dem Schulweg oder Pausenhof und hat etwa ein Viertel der Schüler schon einmal Waffen in die Schule mitgebracht (Schwind aaO, S. 2 1 9 , 2 2 2 ) . Entstehungsbedingungen für Gewalt in der Schule werden ua in ErzProblemen in der Herkunftsfamilie und deren sozialen Belastungen (zB durch Arbeitslosigkeit und beengte Wohnsituation), in großen und unübersichtlichen Schuleinheiten und in fehlendem Gemeinschaftsgefühl in der Schule gesehen (Schneider Kriminologie der Gewalt, 1994 S. 117 f; Schwind aaO, S. 2 1 7 ff; Schwind/Baumann,

zitiert in Rn 4 1

S. 2 5 5 f). Die Vorschläge der Gewaltkommission zur Prävention von Gewalt in der Schule (Schwind/Baumann

aaO, S. 2 7 0 ff) sind anscheinend bisher nur in geringem

M a ß umgesetzt worden (Schwind DVJJ-J 9 4 , 116). Zur Gewaltprävention s. auch Gropper/Zimmermann (Hrsg.) Raus aus Gewaltkreisläufen, 2 0 0 0 ; Hücker DVJJ-J 0 0 , 73. V a n d a l i s m u s im Sinn einer als sinn- und zwecklos erscheinenden Zerstörung oder Beschädigung von Sachen ist sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule festzustellen. Die Taten werden meistens von jungen Tätern in Gruppen begangen (,Schneider Kriminologie der Gewalt, 1994 S. 144). Als Tatobjekte kommen ua neben Einrichtungsgegenständen u n d Lehrmaterialien von Schulen Telefonzellen, Verkehrszeichen, Straßenlaternen, Bänke und Parkanlagen, also vor allem Gemeinschaftseinrichtungen in Betracht. Die Gesamtheit der durch Vandalismus verursachten Schäden wird als sehr hoch veranschlagt (Kube/Schuster Vandalismus, 2. Aufl. 1983 S. 7, 15). Besonders gefährdet sind ungepflegte und verwahrloste Gebäude, Objekte mit nicht beseitigten Vorbeschädigungen und weniger überwachte und schlecht einsehbare Einrichtungen (Kube/Schuster aaO, S. 23; Schneider aaO, S. 145). Vandalismus von J und Hw. wird mit Erhöhung des Selbstwertgefühls und Kompensation von Defiziten in anderen Bereichen durch Gewaltanwendung, Suche nach Abwechslung, Spannung und Vermeidung von Langeweile, Statusgewinn in der Gleichaltrigengruppe und Festigung des Gruppenzusammenhalts in Zusammenhang gebracht (Kube/Schuster aaO, S. 26 ff; Schneider Schwind/Baumann

28

aaO, S. 144 f;

aaO, S . 2 5 9 f ) . Zu rechnen ist auch mit Nachahmungstätern.

I. Jugendkriminologische Aspekte

Einf I

Das gilt auch für Graffiti-Sprüher, die zum Teil stolz ihr Kennzeichen beifügen, wobei Presseberichte, die nur Kunst, aber nicht den Schaden sehen, als Verstärker wirken können. Zu den Vorschlägen der Gewaltkommission zur Eindämmung von Vandalismus u. deren Verwirklichung vgl. Schwindßaumann aaO, S. 275 ff; Schwind DVJJ-J 94,117). 21.

Wohlstand und Arbeitslosigkeit

Der Anstieg der Eigentumskriminalität nach dem Zweiten Weltkrieg trotz lang- 46 dauernden wirtschaftlichen Aufschwungs hat zum Begriff der Wohlstandskriminalität geführt (Schneider Kriminologie, 1987 S. 253). Junge Täter sind an der gestiegenen Eigentumskriminalität in einem hohen Maß beteiligt. Als Gründe für die Wohlstandskriminalität werden genannt: Zunahme der Tatgelegenheiten infolge massenweise vorhandener und verhältnismäßig leicht zugänglicher Güter, geringere Wertschätzung des Eigentums angesichts der Vielzahl und Ersetzbarkeit der Güter, Steigerung der Ansprüche, die mit legalen Mitteln nicht erfüllt werden können, eine materialistische Einstellung der Gesellschaft, die den zwischenmenschlichen Zusammenhalt schwächt und die Verstädterung, die zu einem Absinken der informellen Sozialkontrolle führt (Kaiser S. 226 ff; Schneider aaO, S. 254 f). Gerade auf junge Menschen dürften raffinierte Werbemethoden einen nicht unerheblichen Einfluß ausüben und dürfte es wegen der geringer als bei Erw. ausgeprägten Selbstkontrolle schneller zur Wegnahme von Gütern kommen, auf die insbes. in Warenhäusern unmittelbar zugegriffen werden kann. Hinzu kommt, daß Diebstahlshandlungen für junge Täter auch mit Abenteuerlust, Selbstbestätigung und Status in der Gleichaltrigengruppe verbunden sind. Außerdem kann die Beobachtung, daß vielfach Straftaten im Wirtschafts- und Geschäftsleben von Erw. als „Kavaliersdelikte" (Helfer MKrim. 67, 175) heruntergespielt werden, Jugendlichen die Relativierung ihrer Taten durch Neutralisierungstechniken (Egg/Sponsel MKrim. 78, 38) erleichtern. Weiterhin wird darauf hingewiesen, daß es in einer materialistisch orientierten Gesellschaft an Möglichkeiten für die J zur Selbsterfahrung, Bewährung und Übernahme von Verantwortung fehlt (Hellmer MKrim. 63, 109; Schaffstein MKrim. 65, 66; Schaffstein/ Beulke S. 18). Der bes. Aufmerksamkeit bedürfen die J, die sozial-ökonomisch randständige Positionen einnehmen und bei denen sich die Frage nach der Notkriminalität in der Wohlstandsgesellschaft stellt. Pfeiffer/Ohlemacher (in Lamnek, Hrsg., Jugend u. Gewalt 1995 S.259) nehmen einen Zusammenhang zwischen Zahl der Sozialhilfeempfänger und Kriminalität an (kritisch zu einem Zusammenhang zwischen Armut und Kriminalität jedoch Kaiser S. 225). Die Beziehung zwischen JArbeitslosigkeit und JKriminalität muß differenziert 47 beurteilt werden. Während Exner (Kriminologie, 3. Aufl. 1949 S. 88 f) bezogen auf die Zeit von 1926 bis 1938 von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Diebstahlskriminalität gesprochen hat, läßt sich ein genereller Zusammenhang zwischen Arbeitslosenquote und Kriminalitätsrate für die

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Einfl

Einführung

neuere Zeit nicht mehr sichern (Kaiser S. 225 f). Dies kann an den sozialen Sicherungssystemen liegen, die Notkriminalität auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit weniger wahrscheinlich machen. Außerdem könnten solche Situationen kriminalitätsreduzierend wirken, weil in wirtschaftlichen Rezessionen eine Straftat den Arbeitsplatz eher gefährdet und vorbestrafte Arbeitslose schwerer einen neuen Arbeitsplatz finden dürften (Steinhilper/Wilhelm-Reiss in Schwind/Berckhauer/ Steinhilper, Hrsg., Präventive Kriminalpolitik, 1980 S.349). Andererseits sind insbes. unter den j. und hw. polizeilich registrierten Tatverdächtigen und Verurteilten Arbeitslose überrepräsentiert (Spieß in Kaiser/Kerner/Sack/Schellhoss S. 35 f). Arbeitslosigkeit trifft häufig mit anderen Integrationsmängeln zusammen, so daß schwierig zu beurteilen ist, ob Arbeitslosigkeit zu Kriminalität führt oder Kriminalität zu Arbeitslosigkeit oder ob beide durch Sozialisationsmängel verursacht werden (Kaiser S.226). Auf einen Wechselwirkungszusammenhang weist H.-J. Albrecht (BewH 88, 133 u. KrimJ 84, 218) hin: Arbeitslosigkeit sei zwar nicht direkt ursächlich an der Kriminalitätsentstehung beteiligt, verstärke aber vorhandene Defizite im sozialen Bereich und erhöhe damit das schon vor der Arbeitslosigkeit vorhandene Risiko einer Straftat. Umgekehrt trage kriminelle Auffälligkeit zu einer Verstärkung der sonstigen sozialen Defizite und Probleme, darunter auch der Arbeitslosigkeit bei. Arbeitslosigkeit verhindere aber idR den Ausreifungsprozeß nicht. Die Bedeutung von Arbeitslosigkeit dürfte daher nicht in einer unmittelbaren Verursachung von Straffälligkeit, sondern in der Verstärkung von Integrationsdefiziten zu sehen sein, die mit einem erhöhten Delinquenzrisiko verbunden sind (Spieß aaO, S. 37). Als kriminalitätsgefährdend wird insbes. früh einsetzende und längerfristige Arbeitslosigkeit angesehen, vor allem bei arbeitslosen Schulabgängern (Spieß aaO, S. 36). Die Blockade der Integration in die durch das Berufsleben geprägte Erwachsenenwelt, ein Gefühl, von der Gesellschaft nicht gebraucht zu werden, mit zunehmender Perspektivlosigkeit sinkende Leistungsmotivation oder auch Langeweile können die Wahrscheinlichkeit von Delinquenz erhöhen. 47 a Berufsschulen und Arbeitsämter bieten arbeitslosen J Maßnahmen zur Verbesserung von schulischer und beruflicher Qualififkation, damit auch zur Erhöhung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt, an. Solche Maßnahmen müssen aber mit sozialpädagogischen Programmen kombiniert werden, um auch die J zu erreichen, die mit vermindertem Selbstbewußtsein, sozialer Isolation und Resignation belastet oder auch in die Drogenszene, in Verwahrlosung und Kriminalität abgeglitten sind (Steinhilper/Wilhelm-Reiss aaO, S. 357 ff). Diese Möglichkeiten müssen im Rahmen von ambulanten Sanktionen, BewHilfe und Vollzug genutzt werden. Soweit junge Täter in Ausbildung und Beruf integriert sind, sollte dies durch die jstrafrechtlichen Reaktionen möglichst nicht gefährdet werden.

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I. Jugendkriminologische Aspekte

22.

Einf I

Alkohol und Drogen

Alkohol spielt bei Straftaten, insbes. bei Rückfälligkeit, eine erhebliche Rolle 4 8 (zusammenfassend Dötting in Kiesel, Hrsg., Rausch, 1999 S. 152). Zahlreiche Straftaten J werden unter Alkoholeinfluß begangen (Dötting in Rössner, Hrsg., Toleranz - Erziehung - Strafe, 1989 S. 13 mwN), und es wird davon ausgegangen, daß zu den Erscheinungen der „Wohlstandskriminalität" auch der erhebliche Anteil der unter Alkoholeinfluß begangenen JDelikte gerechnet werden muß (Schaffstein/ Beulke S. 22). Eine Reihenuntersuchung in Hamburg hat für 1968 und 1969 ergeben, daß nahezu jeder zweite j. und hw. Täter unter Alkoholeinfluß stand (Strtuk JDelinquenz u. Alkohol, Diss. Hamburg 1970 S. 109). Alkoholkonsum ist insbes. bedeutsam für Straßenverkehrsdelikte und die Schwere der hierdurch verursachten Unfallfolgen sowie bei allg. Kriminalität für Körperverletzungsdelikte (Eisenberg § 5,43). Mit wachsender Vorstrafenbelastung steigt der Anteil der chronischen Alkoholkonsumenten unter den Tätern (Kerner in Kaiser/Kerner/Sack/ Schellhoss S. 7), der Anteil der Alkoholiker ist jedoch bei verurteilten J und Hw. geringer als bei Erw. Es wird allerdings angenommen, daß bei einem erheblichen Anteil der JTäter gerade bei Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr das Suchtproblem Alkohol verschleiert bleibt (Bußmann/Gerhardt Blutalkohol 84,199). Daldrup ua (Blutalkohol 87, 144) weisen darauf hin, daß von Unfallbeteiligten mit einer BÄK zwischen 0,7 und 1,3 Promille 11% und bei den unter 25jährigen jeder fünfte Cannabis konsumiert hatte. Alkohol kann zu illegalen Drogen führen (.Kreuzer BewH 86, 398) und wird von Abhängigen häufig neben illegalen Drogen konsumiert. Im Bereich der Drogen ist die Arbeit des Richters gekennzeichnet und erschwert 4 9 durch die Vielfalt und den ständigen Wechsel der Drogenszene und der ihr innewohnenden und folgenden Kriminalität, nicht weniger aber auch durch die bes. Situation und die psychischen Probleme der Drogentäter. Das Herausfallen aus sozialen Bezügen, Erlahmen jeder regelmäßigen Tätigkeit, steigende finanzielle Belastung, die mit fortschreitendem körperlichen Verfall und zunehmender Leistungsschwäche, aber auch enormen Ansprüchen, Fehlerwartungen und Ungeduld korrespondieren, hängen eng mit krimineller Verstrickung zusammen. Dies alles läßt sich nicht einheitlich für jede Droge und für jeden Täter beantworten. Zur Beschaffungskriminalität s. Kreuzer/Römer-Klees/Schneider Beschaffungskriminalität Drogenabhängiger, 1991. Aggressionsdelikte Drogenabhängiger spielen sich zumeist innerhalb der „Szene" ab, so daß hier ein erhebliches Dunkelfeld zu vermuten ist (Kreuzer in Kreuzer/Wille Drogen - Kriminologie u. Therapie, 1988 S. 57 ff). Der Richter muß sich um Erforschung der Persönlichkeit des Drogenabhän- 50 gigen, Ermittlung des Stellenwerts der Tat und Feststellung von Ansatzpunkten für therapeutische Maßnahmen bemühen. Erschwert werden können diese Bemühungen dadurch, daß Angeklagten in depravationsbedingter Gleichgültigkeit ihr Schicksal und erst recht der Ausgang der Hauptverhandlung völlig uninteressant ist; auch deshalb, weil manche ihre Situation positiv interpretieren, ja 31

Einf I

Einführung

ideologisieren, weil andere sich in vage formulierter Protesthaltung sperren und manche gar nicht wissen, welcher Droge, welcher Zusammensetzung und Dosierung sie ihre Gesundheit anvertrauen. Allg. Redewendungen und Augenblicksbeteuerungen wird kein Erfahrener echter Motivation gleichsetzen wollen. Entscheidend sind deshalb Verhandlungsstil, Fragetechnik und Fachkenntnisse der Entscheidenden (Brunner ZB1. 71, 243; 80, 415 jeweils mwN). Vgl. hierzu auch Rn53. 50 a Es werden deshalb interessieren (nach Kleiner MKrim. 71, 51 u. Zbl. 79, 51): die inneren und äußeren Faktoren, die zum Drogenmißbrauch geführt haben; Art und Umfang des Drogenmißbrauchs (dazu Schneider Suchtgefahren 84, 229) und die daraus folgende Entwicklung nebst Grad der Identifikation mit der Subkultur und Motivation zur Überwindung der Abhängigkeit; die psychosoziale Depravation (dazu Statte MKrim. 72, 137) und die kriminelle Verflechtung (siehe auch Brunner aaO). Erschwert werden können Feststellungen im Einzelfall zusätzlich dadurch, daß Drogenabhängige nur das einräumen, was nach dem Ergebnis der Ermittlungen einfach nicht mehr abgeleugnet werden kann, und ihre Aussagen taktisch so einzurichten versuchen, daß sie zwar in den schützenden Bereich der verminderten Schuldfähigkeit nach $ 21 StGB, nicht aber zur Unterbringung nach § 64 StGB führen ($ 3, 11). Deshalb sind eingehende Ermittlungen bereits beim ersten Zugriff geboten, um spätere Behauptungen überprüfen zu können (dazu Brunner aaO). SO b Unter therapeutischen Gesichtspunkten wünschenswert sind Einsicht in die Krankheit und in die Bedeutung von Eigeninitiative und Eigenverantwortung für die Heilung (Stosberg Monatskurse f. ärztliche Fortbildung 1978 H.4, 5). In der Praxis aber wird der Richter sich zumeist mit der risikobeladenen Erkenntnis begnügen müssen, daß die Therapie vielleicht tatsächlich freiwillig, aber jedenfalls nur unter dem Druck einer drohenden Strafe begonnen werden kann, und es notfalls dem Therapeuten überlassen müssen, während der Therapie, wenn auch mit Hilfe gerichtlicher Reaktionen, den inneren Leidensdruck zu wecken und zu erhalten, um zu einem wirklich freiwillig bejahten Drogenverzicht zu kommen (Brunner aaO). Staatsanwalt und Richter müssen die auszuwählenden Therapiestellen kennen (vgl. $ 17, 23 ff zum 7. Abschnitt des BtMG). Erforderlich sind Einrichtungen mit einem Personal, das über die erforderlichen ärztlichen, psychologischen und sozialarbeiterischen Kompetenzen verfügt. Auch Selbsthilfegruppen können wichtige Beiträge zur Überwindung von Drogenabhängigkeit leisten. Zu Therapieeinrichtungen nach § 3 5 1 2 BtMG haben die Länder Anerkennungsverfahren entwickelt und entsprechende Listen veröffentlicht (dazu Körner § 35 BtMG 84 f). 51 Die Drogenproblematik hat sich in den letzten Jahrzehnten verschärft. Kreuzer (BewH 86,395; NStZ 98,217) hat Grundpositionen einer Drogenpolitik entwikkelt, die zu Kurskorrekturen führen, zu Selbstbescheidung in den Zielsetzungen und zu Modifikationen in der Wahl der Mittel anregen sollen, aber nicht einer Resignation das Wort reden. Als Wegbereiter harter Drogen bezeichnet er Rau32

I. Jugendkriminologische Aspekte

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chen, Alkoholmißbrauch, frühzeitigen Medikamentenumgang und Schnüffeln, die in aller Regel der ersten Haschischerfahrung vorausgingen (BewH 86,398). Bei Besitz und Erwerb von Cannabis in kleineren Mengen, die auf Eigengebrauch schließen ließen, regt er Abstufung der Ahndung (Ordnungswidrigkeit) an, aber nicht Freigabe. Diese berge schwer abschätzbare Risiken in sich, beispielsweise für den Straßenverkehr und bei Kombination mit Medikamenten und Alkohol. Auch würden Marktmechanismen freigesetzt, vor allem Werbung, so daß eine Konsumausweitung nicht auszuschließen wäre. Eine Legalisierung stoße daher auf grds. Bedenken (NStZ 98, 221). Kreuzer spricht sich bei Kleinkonsumenten, Erst- und Bagatelltätern sowie bei selbst drogenabhängigen Tätern für eine extensive Ausnutzung von Diversionsmöglichkeiten und sozialpädagogisch-therapeutischen Chancen aus; straf]ustizieller und therapeutischer Ansatz dürften sich nicht gegenseitig behindern (BewH 8 6 , 4 0 1 , 4 0 2 ) . Erforderlich sei weiterhin eine „Politik der kleinen Schritte" zur Minderung der mit dem Drogenmißbrauch verbundenen Schäden (NStZ 98,219). Schließlich bedürfe es verstärkter Prävention im gesamten Suchtmittelbereich (Kreuzer DVJJ-Rundbrief März 1990 S. 6 f). Es erscheint sachgerecht, Bemühungen um Eindämmung des Drogenmißbrauchs 51 a entsprechend dem Nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan von 1990 auf die Säulen Prävention, Therapie und Strafrecht zu stützen (näher Dötting Eindämmung des Drogenmißbrauchs zwischen Repression u. Prävention, 1995). Grundlegende Bedeutung kommt der Vorbeugung als gesamtgesellschaftlicher Aufgabe zu. Eltern, Erzieher, Lehrer, Ausbilder, JArbeit, Vereine und möglichst alle gesellschaftlichen Gruppen sollten sich in Kooperation um die Förderung der Lebenskompetenz junger Menschen und die Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Drogenmißbrauch bemühen. Mit steigender Fähigkeit zur Problembewältigung sinkt die Wahrscheinlichkeit des Ausweichens in Drogenmißbrauch (zum Stand der Präventionsforschung siehe Künzel-Böhmer/Bühritiger/Janik-Konecny Expertise zur Primärprävention des Substanzmißbrauchs, 1993). Therapie von Drogenabhängigkeit ist schwierig, aber nicht aussichtslos. Die Chancen können durch Schaffung eines Verbundsystems von niedrigschwelligen Hilfs- und Beratungsangeboten, ambulanten, teilstationären und stationären Therapieeinrichtungen sowie Nachsorgeeinrichtungen verbessert werden (vgl. Heckmann in ders., Hrsg., Drogentherapie in der Praxis, 1991 S. 71 f). Schadensminderung ist notwendig, sollte aber das Ziel der Abstinenz nicht ersetzen. Abgestützt werden sollten diese Bemühungen durch ein Drogenstrafrecht, das auf die verschiedenen Erscheinungsformen der Drogenkriminalität in abgestufter Form reagiert (zur Verfassungsmäßigkeit des Drogenstrafrechts BVerfG NJW 94,1577). Zu strafrechtlichen Rechtsfolgen u. Therapie als Gesamtkonzeption für Drogenabhängige Brunner Zbl. 8 0 , 4 1 5 . Zur Kooperation von Drogenhilfe u. Justiz Saudis BewH 00, 436; zu Drogenkonsumräumen $ 10 a BtMG u. Katholnigg NJW 0 0 , 1 2 1 7 ; Ullmann Kriminalistik 00, 578. Spezielle Ausführungen im Zusammenhang mit Drogen finden sich zur Frage der Schuldfähigkeit (auch Alkohol) in § 3, 11; zu Weisungen $ 10, 19 a, 23, 24; zur

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51b

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Entziehungskur $ 10,18 ff; zu Therapieeinrichtungen Rn 50 aE; zur Drogenhilfe durch das JAmt § 38,4 c; zur Urinkontrolle $ 10,14 a, 19 a aE, 23; $ 21,16; zu Methadon $ 10,19b; zu Auflagen § 15,17; zu Ungehorsamsarrest $ 1 1 , 1 1 ; zu JA § 16,22 u. 23; zu schädlichen Neigungen $ 17,13; zu Schwere der Schuld § 17, 22 b, auch Rn25 u. 28; zu Strafaussetzung zur Bew. $ 21, 16; zum Verhältnis des § 21 zum BtMG $ 17, 26; zum Widerruf § 26 a, 16 mit 5 aE; zur Aussetzung des Strafrestes $ 88,14; zum Verhältnis $ 88 zu $ 3 6 1 3 BtMG $ 88, 2 b ; zum Strafvollzug $ 17, 24 u. 25; $ 91, 20; zur Einschränkung der Tätigkeit des Rechtspflegers beim BtMG $ 17, 23; $ 82, 9 aE; zur U-Haft $ 93, 13; zur Entziehungsanstalt $ 93 a, 1 ff; zu HlV-Infizierten u. Aids § 25, 4 a; $ 91, 21; zur Anwendung von JStrafrechtS 105,31; zum Absehen von Strafe nach $ 29 V BtMG u. $ 551 $ 55,10; zur Zurückstellung der Strafvollstreckung nach $$ 38, 35, 36 BtMG $ 17, 23 ff; zum Absehen von der Anklage nach $§ 31 a, 38 II, 37 BtMG § 45, 43 ff; zu Mitteilungen an die u. Verhalten der Schule $ 70, 5. 23.

Prognose

52 Der Kriminalprognose kommt in der JStrafrechtspflege erhebliche Bedeutung zu. Um die treffende, weiterführende Maßnahme zu finden, um zB über informelle Erledigung, ambulante Sanktionen, Strafaussetzung zur Bew. oder bedingte Entlassung aus dem JStrafvollzug zu entscheiden, muß der Diagnose die Prognose folgen, welche den Versuch enthält, das künftige Legalverhalten des jungen Täters vorauszusagen. Da sich menschliches Verhalten nicht mit Sicherheit vorausberechnen läßt, sind Kriminalprognosen mit einem erheblichen Fehlerrisiko behaftet. Um so wichtiger ist es, sich um möglichst tragfähige Grundlagen der Prognoseerstellung zu bemühen (zum Stand der kriminologischen Prognoseforschung siehe Dölling, Hrsg., Die Täter-Individualprognose, 1995). Hierzu wurden verschiedene Prognosemethoden entwickelt (Darstellung der Methoden bei Eisenberg Kriminologie, 5. Aufl. 2000 S. 168 ff; Bock in Göppinger S. 193 ff; Kaiser S. 410 ff; Schneider Kriminologie, 1987 S. 313 ff; Schöch in Kaiser/Schöch S. 92 ff). 5 2 a In der Praxis wird ganz überwiegend mit intuitiven Prognosen gearbeitet. Richter und Staatsanwälte versuchen dabei, idR ohne spezifische Fachausbildung, insbes. aufgrund der Ermittlungen der JGH und aus dem Gesamteindruck der Hauptverhandlung die Persönlichkeit des J zu erfassen und seine weitere Entwicklung sowie Notwendigkeit und Wirkung von Sanktionen einzuschätzen, wobei sie sich auf ihre Menschenkenntnis und berufliche Erfahrung stützen. Bei den intuitiven Prognosen handelt es sich um „geronnene" Erfahrung. Da die Erfahrungswerte des Praktikers jedoch begrenzt sind und nicht systematisch erhoben, ausgewertet und überprüft werden, können die Prognosen durch empirisch nicht fundierte individuelle Einstellungen und Werthaltungen beeinflußt sein und deshalb zu Fehleinschätzungen führen (Kaiser S.411). 52 b Die klinische Prognose erstellen Psychologen und Psychiater mit kriminologischer Erfahrung, indem sie umfassend explorieren, psychodiagnostische und 34

I. Jugendkriminologische Aspekte

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andere klinische Untersuchungen zugrunde legen und die erhobenen Befunde zum kriminologischen Wissensstand in Beziehung setzen. Die klinische Prognose ermöglicht es in bes. Maße, kriminologischen Sachverstand für die Praxis nutzbar zu machen; sie steht und fällt freilich mit der Qualität des Sachverständigen. Wegen des zeitlichen und finanziellen Aufwandes und der begrenzten Zahl der zur Verfügung stehenden kriminologisch erfahrenen Sachverständigen kommt sie nur in Einzelfällen in Betracht. Die statistische Prognose stellt Faktoren, die in einem statistischen Zusammen- 52 c hang mit Rückfälligkeit stehen, in Prognosetafeln zusammen. Für Personen mit gleicher Faktorenzahl wird der Anteil der Rückfälligen ermittelt. Dieser Prozentsatz gibt die Rückfallwahrscheinlichkeit für alle Täter an, bei denen die entsprechende Zahl von Faktoren festgestellt wird (vgl. Bock in Göppinger S. 197 ff). Eine Weiterentwicklung stellen die Strukturprognosetafeln dar, die für bestimmte Merkmalskombinationen unterschiedliche Rückfallwahrscheinlichkeiten angeben (Schöch in Kaiser/Schöch S. 93). Prognosetafeln sind verhältnismäßig leicht handhabbar. Ihre mechanische Anwendung birgt jedoch erhebliche Gefahren. Manche Faktoren, die in Prognosetafeln als Schlechtpunkte verwertet werden, haben sich als nicht bedeutsam erwiesen (Schaffstein ZStW 67,209). Die Tafeln sind anhand bestimmter Tätergruppen konstruiert worden, außerdem können sich die Lebensverhältnisse schnell ändern. Je abhängiger eine Prognose von Umweltfaktoren ist, desto unsicherer wird sie durch deren Variabilität. Für die Vielzahl der Täter mit mittleren Punktzahlen ist die Aussagekraft der Prognosetafeln unsicher (Kaiser S. 413). Besonderheiten des Einzelfalles bleiben bei statistischen Prognosen, die nur gruppenbezogene Wahrscheinlichkeiten angeben (Schöch aaO), unbeachtet. Die Bedeutung der statistischen Prognose liegt deshalb vor allem darin, daß sie bei Extremgruppen mit bes. hoher bzw. niedriger Punktzahl Hinweise für eine günstige bzw. ungünstige Prognose zu geben vermag. Sachgerecht ist es, den Weg einer strukturierten Einzelfallprognose auf der 52 d Grundlage kriminologischen Erfahrungswissens zu gehen. Wesentliche Grundlagen hierfür hat Göppinger erarbeitet (Kriminologie, 4. Aufl. 1980 S. 166 ff; Angewandte Kriminologie, 1985; vgl. auch Bock in Dölling, o. Rn52, S. 1 ff). Danach sind als für das Legalverhalten des Täters relevante Bereiche zu analysieren: die Herkunftsfamilie, die Persönlichkeit des Täters, der Aufenthalts-, Leistungs- und Freizeitbereich, die Kontakte und Bindungen sowie die eigene Familie, die Problembereiche Alkohol, Nikotin und Drogen, Schwierigkeiten im Vorfeld von Delinquenz, frühere Straftaten und die letzte Straftat, das Verhalten nach der Tat und die Zukunftsüberlegungen des Täters. Auf der Basis dieser Erhebungen kann im Wege der idealtypisch-vergleichenden Einzelfallanalyse eine Beurteilung des Täters im Hinblick auf die Stellung der Tat im Lebenslängsschnitt (zB kontinuierliche Hinentwicklung zur Kriminalität oder Kriminalität im Rahmen der Persönlichkeitsreifung), das Vorhandensein kriminalitätsbegünstigender oder -hemmender Konstellationen im aktuellen Lebensquerschnitt und die Relevanzbezüge und Wertvorstellungen des Täters erfolgen. Diese Beurteilung ermöglicht 35

Einf I

Einführung

eine Voraussage der künftigen Entwicklung des Täters und seiner Beeinflußbarkeit durch die verschiedenen j strafrechtlichen Reaktionsformen. Zur Anwendung dieser Methode in der Praxis der JStrafrechtspflege s. Schallen DVJJ-J 98,17 u. Koch DVJJ-J 98, 23; für eine Anwendung der Methode in gewichtigen Fällen Herre Die Prognoseklauseln der $J 56StGB u. 21JGG, 1997 S. 119. 52 e Hilfreich ist auch der Blick auf die von Rasch (Forensische Psychiatrie, 2. Aufl. 1999 S. 374 ff) herausgearbeiteten prognostisch relevanten Dimensionen: die bekannte Kriminalität in ihrer Beziehung zur Persönlichkeit des Täters und zu situativen Umständen, der Persönlichkeitsquerschnitt des Täters, der Verlauf seit Begehung der Tat und die Perspektiven des Täters. In ähnlicher Weise unterscheidet Nedopil (Forensische Psychiatrie, 2. Aufl. 2000 S. 245) die folgenden (noch in Unterpunkte aufgegliederten) Hauptbereiche, auf die bei einer Prognosestellung einzugehen ist: das Ausgangsdelikt, anamnestische Daten, die postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung und den sozialen Empfangsraum. Wird gefragt, woher der Täter kommt, wie er sich im Verlauf seines Lebens mit den auf ihn einwirkenden Einflüssen auseinandergesetzt hat, welche Faktoren bei der Tat wirksam waren, welche Stellung die Tat im Leben des Täters einnimmt und wie er sich mit ihr auseinandersetzt, welche Schwächen und welche Stärken der Täter hat und welche Stützungsmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven erkennbar sind und werden die Befunde entsprechend dem kriminologischen Erfahrungswissen sorgfältig gewichtet, kann eine Prognose in verantwortbarer Weise erstellt werden. Dies ist idR auch dem kriminologisch geschulten Juristen möglich. Kommen dagegen psychische Störungen des Täters in Betracht oder läßt sich aus sonstigen Gründen keine Klarheit gewinnen, muß ein Sachverständiger zur Erstellung einer klinischen Prognose herangezogen werden. Bei der Prognoseerstellung sind stigmatisierende Formulierungen zu vermeiden, damit nicht eine negative Prognose zu ihrer eigenen Erfüllung beiträgt (vgl. dazu auch Rn6). Die zu ermittelnden prognostisch relevanten Dimensionen sollten sich aus dem Sachverhalt des Urteils herauslesen lassen (vgl. $ 54, 11). 24.

Jugendgerichtsverhandlung

53 Die erste Verhandlung kann für den jungen Menschen in ihrer Gestaltung erhebliche Bedeutung gewinnen (s. Brunner FS Böhm, 1999 S. 800 ff). Mit oft geradezu abenteuerlichen Vorstellungen über Gericht und Verhandlung wird diese häufig nur schablonenhaft erlebt (Böhm S. 69). Die Kürze der Hauptverhandlung und die Dramatik der Situation (Schüler-Spritigorum MKrim. 69, 13) verhindern leicht die Chance, die Hauptverhandlung als Lernfeld zu nutzen. Der JRichter sollte beim Angeklagten in Panik und Trotz die Angstgefühle erkennen und dem jungen Menschen helfen, sie zu überwinden, aber auch eine Selbsterhöhung des sich oft erstmals im Mittelpunkt des Interesses Fühlenden (dazu auch Rn 40; § 48, 3) zurechtrücken, was nichts damit zu tun hat, daß der J für JStA und JRichter natürlich Mittelpunkt des Verfahrens ist. Zur Berücksichtigung des Verteidi36

I. Jugendkriminologische Aspekte

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gungsverhaltens im ErwRecht § 18, 8 a aE. Dem J wird man in Wertung seiner Unerfahrenheit, seiner Angst oder auch seines Trotzverhaltens noch mehr nachsehen müssen. Wann eine leichte Hand und wann „Strenge" angebracht sind, sollte erkannt und genützt werden. Was der J in der ersten Verhandlung zugibt, wie er reagiert und sich verhält, ist weithin vom Richter und den anderen Verfahrensbeteiligten (zur Verteidigung § 68, 8 ff) abhängig und kann entscheidend für das spätere Verhalten des J sein. Der junge Mensch soll in der Verhandlung das Bemühen des JRichters und der anderen Verfahrensbeteiligten um ein gerechtes Urteil erleben und sich dabei ernstgenommen und angenommen fühlen. Kritisch zur Rechtswirklichkeit Ludwig-Mayerhofer Das Strafrecht u. seine administrative Rationalisierung, 1998 S. 248, nach dem die Hauptverhandlungen überwiegend einem Routineprogramm folgen und Kommunikation zumeist nur in fiktiver Form zulassen. Schüler-Springorum (FS Dünnebier, 1982 S. 652) hält Beziehungen zwischen einem verbesserten Kontakt des verhandelnden JRichters zum Angeklagten und dessen späterer Bew. für möglich, wenn das stärker auf Verstehen und Verständigung abzielende Prozeßverhalten des JRichters nicht der Gefahr erliegt, dem J eine dem folgenden Urteil widersprechende Atmosphäre vorzuspiegeln. Wie Böhm (S. 68) und Ostendorf (Grdl. zu SS 48-51 Rn4) ausgeführt haben, sollte der JRichter den J weder duzen noch den hoheitlichen Verhandlungsführer „spielen". Er muß den ehrlichen Mittelweg finden und darf, auch in Anbetracht des am Ende stehenden Urteils, nicht mißbrauchbare Güte vorspiegeln. Es geht um die schwierige Balance zwischen Nähe und Distanz, um gelassene Entschiedenheit (Rn40). Ein eindringliches „Verhandlungsgespräch" kann bei jungen Menschen, die aus Neugier an Drogen geraten sind oder über die Droge Pseudokonfliktlösungen versuchen, ernstlich helfen (Brunner Zbl. 71, 243; JR 73, 89 u. Zbl. 80, 415). Zu jungen Ausländern, zu Dolmetschern und Rechtsmittelbelehrung Rn21; zu j Straftätern mit oder aus politischem Hintergrund Rn40. Dem Urteil folgende Belehrungen über die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung aus dem Strafvollzug werden leicht mißverstanden und können zu erz. Schwierigkeiten in der Vollzugsanstalt führen. Allg. zu Rechtsgespräch und Verständigung im Strafprozeß Schäfer DRiZ 89, 294. Mit dem Versuch, die Hauptverhandlung durch „Gespräche am Runden Tisch" möglichst unter Verzicht auf die Robe zu entformalisieren (vgl. Schreiber/Schöch/ Bönitz Die JGerichtsverhandlung am „Runden Tisch", 1981; Schüler-Springorum FS Dünnebier, 1982 S.649, 652) sollen die Verständigungsmöglichkeiten in der Hauptverhandlung verbessert werden; es soll dem J erleichtert werden, seine Sichtweise in die Verhandlung einzubringen; hierdurch sollen die Chancen für eine Akzeptanz der Entscheidung durch den J und damit für eine erz. Einwirkung verbessert werden (für eine Verhandlung am runden Tisch nach einem Schuldinterlokut Ostendorf Grdl. zu SS 48-51, 7; ablehnend Trändle DRiZ 70, 218). Diese Bemühungen müssen allerdings von der Gefahr einer Irreführung freigehalten werden, die besteht, wenn am Ende eines nahezu unverbindlich wirkenden freundlichen Gesprächs der eine „Partner" eine Strafe ausspricht (vgl. auch Schaff37

Einf I

Einführung

stein in Rechtswissenschaft u. Rechtsentwicklung, 1980 S.257f). Bei geringer Alltagskriminalität wird vielfach ein Vorgehen nach SS 45, 47 ausreichen. Im vereinfachten JVerfahren kann formfrei, soweit dies den Rechtsschutz des J nicht beeinträchtigt, im Richterzimmer und ohne Robe verhandelt werden. Schließlich kann der kundige JRichter auch eine „förmliche" Hauptverhandlung im Rahmen der StPO verständlich und kommunikationsfreundlich gestalten. 25.

Kriminalprävention

55 In den letzten Jahren hat die Kriminalprävention zu Recht starke Beachtung gefunden (vgl. näher Schwind Kriminologie, 11. Aufl. 2001 S. 335 ff). Die strafrechtliche Reaktion auf Kriminalität ist unverzichtbar, aber in ihren Wirkungen begrenzt. Es bedarf daher umfassender Anstrengungen zur Vorbeugung von Kriminalität. Dies gilt insbes. auch für die JKriminalität (näher Kerner in JStrafrecht an der Wende S. 99 ff). Förderung der Erz. in der Familie, Schaffung gedeihlicher Sozialisationsbedingungen, Eröffnung von Perspektiven in Schule und Beruf, Angebote sinnvoller Freizeitgestaltung, Förderung von sozialer Handlungskompetenz und Verantwortungsbereitschaft sowie Abbau von delinquenzfördernden Faktoren und Tatgelegenheiten gehören zu den Aufgaben der Kriminalprävention (Beispiele von Präventionsprojekten in Bendit/Erler/Nieberg/Schäfer, Hrsg., Kinder- u. JKriminalität, 2000; s. auch Füllgrabe Kriminalistik 00,181 zu Ergebnissen des in den USA über Präventionsmaßnahmen erstellten ShermanReport). Die Erfüllung dieser Aufgaben ist nicht nur Sache des Staates, erforderlich ist vielmehr die Mitarbeit möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger und gesellschaftlicher Gruppen. Bes. wichtig ist die Kriminalprävention „vor Ort" in den Gemeinden. Im Rahmen der Kommunalen Kriminalprävention sollte in gemeinsamen Gremien ermittelt werden, welche Kriminalitätsprobleme bestehen, und sollten Lösungen entwickelt und verwirklicht werden (s. dazu die bayer. Bekanntmachung über die Verbesserung der Zusamenarbeit bei der Verhütung der JKriminalität, BayJMBl. 99,54; DVJJ-BW, Hrsg., Kriminalprävention auf kommunaler Ebene, 1997; Feltes, Hrsg., Kommunale Kriminalprävention in BadenWürttemberg, 1995; Görgens BewH 00,169; Heinz DVJJ-J 97,61,155; Kury, Hrsg., Konzepte Kommunaler Kriminalprävention, 1997; Trenczek/H. Pfeiffer, Hrsg., Kommunale Kriminalprävention, 1996). Auch die JGH sollte an Maßnahmen zur Prävention von JKriminalität mitwirken (Weyel DVJJ-J 96,249; Beispiele bei JetterSchröder in DVJJ-BW, Entwicklungen u. Perspektiven der JStrafrechtspflege, 2000 S. 27 ff; zur Kriminalprävention in der Kinder- u. JHilfe s. auch Gabriel/Holthusen/ Schäfer RdJ 99, 346; Lüders Zbl. 00, 1) und auch die Mitarbeit der Staatsanwaltschaften in Präventionsgremien kann sinnvoll sein (Schaefer NJW96, 1324).

38

II. Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

Einfll

II. Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG Übersicht 1. Altersgrenzen des JGG 2. Eigenständigkeit des Jugendrechts 3. Erziehung im JGG Diskussion Definition des Erziehungsbegriffes? „Weniger" tun oder fördern? Schlagwort „Erziehung durch Strafe" Essentiale des Erziehungsgedankens 4. Erziehung der Heranwachsenden 5. Die Tat 6. Die Schuld 7. Subsidiaritätsprinzip 8. Reaktionsbeweglichkeit bei Maßnahmen 9. Täterpersönlichkeit 10. Reaktionsbeweglichkeit des Verfahrens 11. Weitere Besonderheiten 12. Jugendhilferecht 13. Diskussion um Strafmündigkeit 14. Die Heranwachsenden 15. Internationale Regelwerke 16. Erstes JGGÄndG und Weiterentwicklung KJHG Einigungsvertrag österreichisches JGG von 1988

1.

Rn 1 3 4 4a 6 7 9 10 11 12 14 18 22 23 24 27 32 34 37 42 43 45 46 47

Altersgrenzen des JGG

„Die Jugendlichen" und „die Heranwachsenden" sind keine einheitlichen 1 Gruppen, die für alle Zeiten gleich bleiben. Es gibt keine festen, klar erkennbaren Entwicklungsetappen, sondern nur eine alles andere als gleichmäßig fortlaufende Entwicklung jedes einzelnen Menschen. Heute vollzieht sich im allg. vor allem die körperliche, aber auch die intellektuelle Entwicklung schneller als früher (Akzeleration), während die sittlich-charakterliche Entwicklung häufig zurückbleibt (Dissoziation der Reife). Gleichzeitig ist aber auch die Streuungsbreite bei der Entwicklung wesentlich größer als früher, auch bei der körperlichen Entwicklung. Den Entwicklungsabschnitt JAlter bestimmen also nicht feste Altersgrenzen (s. auch § 105, 3; BGH 36, 37 = BGH JR 89, 519 m. zust. Anm. Brunner, Specht in Venzlaff Psychiatrische Begutachtung, 2.Aufl 1994 S.379). Deshalb hat das JGG zwar, wie die praktischen Bedürfnisse unabweisbar fordern, 2 feste Altersgrenzen zwischen strafunmündigen Kindern, J, Hw. und Erwachsenen gezogen (§ 1; zur Diskussion um die Strafmündigkeit Rn 34-36). Doch ist diesen Grenzen dadurch die Starrheit genommen, daß in ihrer Entwicklung zurückgebliebene J strafrechtlich nicht verantwortlich sein können ($ 3) und daß gegen noch nicht zu weitgehend selbständigen Persönlichkeiten ausgereifte - Hw. die gleichen auf die Entwicklung abgestimmten Maßnahmen verhängt werden kön39

Einfn

Einführung

n e n , w i e sie für J vorgesehen sind (§ 1 0 5 ) . D i e Vorschriften d e r $ $ 3 , 1 0 5 r u f e n d e n R i c h t e r allerdings z u r B e a n t w o r t u n g v o n F r a g e n auf, die e r a u c h m i t Hilfe v o n S a c h v e r s t ä n d i g e n oftmals n i c h t b e f r i e d i g e n d z u lösen v e r m a g , was in d e r P r a x i s z u R e c h t s u n s i c h e r h e i t u n d R e c h t s u n g l e i c h h e i t f ü h r e n k a n n . U m g e k e h r t bietet das J R e c h t e i n e so reiche Auswahl v e r s c h i e d e n s t e r R e a k t i o n s m i t t e l , d a ß a u s i h n e n s o w o h l f ü r den n o c h etwas z u r ü c k g e b l i e b e n e n J wie f ü r d e n sich d e m A b s c h l u ß s e i n e r R e i f e e n t w i c k l u n g n ä h e r n d e n H w . d a s jeweils P a s s e n d e g e f u n d e n w e r d e n kann.

2. 3

Eigenständigkeit des Jugendrechts

Die J K r i m i n a l i t ä t ist nach T ä t e r p e r s ö n l i c h k e i t u n d T a t a n d e r s als die allg. K r i m i n a l i t ä t , w a s - u n g e a c h t e t der gleichen S t r a f t a t b e s t ä n d e - z u r E i g e n s t ä n d i g k e i t des J R e c h t s f ü h r t ($ 2; Nothacker

S. 1 4 3 ) . Die B e s t r a f u n g v o n J m i t d e n Strafen des

E r w R e c h t s wäre n i c h t nur n i c h t g e r e c h t f e r t i g t , s o n d e r n m e i s t a u c h f ü r d e r e n w e i t e r e E n t w i c k l u n g gefährlich. J , die g e f e h l t h a b e n , m ü s s e n m i t d e n i h r e r P e r s ö n l i c h k e i t u n d i h r e r E n t w i c k l u n g a n g e m e s s e n e n M a ß n a h m e n w i e d e r in die G e m e i n s c h a f t eingegliedert w e r d e n . Die E i g e n s t ä n d i g k e i t des J S t r a f r e c h t s ist g e b o t e n , g e k e n n z e i c h n e t u n d in ihren W i r k u n g e n insbes. s i c h t b a r d u r c h das Primat der Erz.

3.

Erziehung im JGG

Schrifttum: Bietz Erz. statt Strafe, Z R P 8 1 , 2 1 2 ; Bohnert Strafe u. Erz. im JStrafrecht, JZ 8 3 , 5 1 7 ; Breymann Zur inneren Reform des JStrafverfahrens, Zbl. 88, 448; Busch/Müller-Dietz/Wetzstein (Hrsg.) Zwischen Erz. u. Strafe, FS Härringer, 1995; Bölling Erz. im JKriminalrecht u. Legalbewährung nach jstrafrechtlichen Sanktionen, RdJ 9 3 , 3 7 0 ; ders. Täterbehandlung: Ende oder Wende? Eine Bilanz, in Jehle (Hrsg.) Täterbehandlungen u. neue Sanktionsformen, 2000 S. 21; Eckert Zur Technik strafrechtl. Verhaltenssteuerung, Zbl. 8 2 , 1 3 5 ; Eisenberg, Zur Verantwortung vor dem ErzGedanken im JStrafrecht, J R 74, 485; Foerster Schuld u. Sühne. Grundfragen des Verbrecherproblems u. der JFürsorge, 4. Aufl. 1961; ders. Strafe u. Erz. - Sühne u. Besserung, in Schaffstein/Miehe (Hrsg.) Weg u. Aufgabe des JStrafrechts, 1968; Götte Die Bedeutung des Strafbedürfnisses u. der Strafprovokation für das erz. Handeln 1965; Häußling/Reindl (Hrsg.) Sozialpädagogik u. Strafrechtspflege, GS Busch, 1995; Hellmer Schuld u. Gefährlichkeit im JStrafrecht, 1964; ders. Erz. u. Strafe, 1957; Heinz Neue ambulante Maßnahmen nach dem JGG, MKrim. 87, 129; Heinz/Hügel Erz. Maßnahmen im deutschen JStrafrecht 1986; Justizministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) Verantwortung j . Menschen im Recht, 2000; Kaiser Strafen statt Erziehen? Z R P 9 7 , 451; ders. Internationale Tendenzen der JKriminalität u. des JKriminalrechts, in JStrafrecht an der Wende S. 1; Kupfer Erz. als Strafform, KrimJ 74, 249; Looft Erz. u. Strafe, JWohl 66, 146; M.-K. Meyer JStrafe wegen „Schwere der Schuld", Zbl. 84, 446; Mörke JStrafe - ein ErzMittel, SchlHA 6 5 , 1 5 3 ; Nothacker ErzVorrang u. Gesetzesauslegung im JGG, 1985; ders. Das sozialisationstheoretische Konzept des JKriminalrechts 1986; Ostendorf Maßloses ErzStrafrecht oder gebändigtes Präventionsrecht, in Walter (Hrsg.) Beiträge zur Erz. im JKriminalrecht, 1989 S. 91 ff; ders. Das deutsche JStrafrecht - zwischen Erz. u. Repression, StV98, 297; Pieplow Erz als Chiffre, in Walter 1989 S. 5 ff; Philipp Zur Weiterentwicklung des ErzGedankens Zbl. 8 3 , 5 9 6 ; v. Schlotheim Zur ErzAufgabe des JStrafrechts, RdJ 68, 321; Schliichter De nihilo nihil oder Der ErzGedanke im JStrafrecht, GA 88, 110; dies. Der ErzGedanke als Leitbild der Verteidigung im JStrafverfahren, in BMJ (Hrsg.) Verteidigung in JStrafsachen. Kölner Symposium, 1987 S. 29 ff; dies. Plädoyer für den ErzGedanken, 1994;

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II. Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

E i n f II

Schüler-Springorum Zur aktuellen Diskussion über Strafe u. Erz. in der deutschen JGerichtsbarkeit, FS Dünnebier, 1982 S. 649; Streng Der ErzGedanke im JStrafrecht, ZStW 94, 60; Thomae Bewußtsein, Persönlichkeit u. Schuld, MKrim. 61, 114; Viehmann Anmerkungen zum ErzGedanken im JStrafrecht aus rechtsschaffender Sicht, in Walter 1989 S. 111 ff; Water Einführung, Über die Bedeutung des ErzGedankens, in ders., Hrsg., Beiträge zur Erz. im JKriminalrecht, 1989 S. 1 u. S. 59 f f ; Wolf Strafe u. Erz. nach dem JGG, 1984.

Das Gesetz fordert vom JRichter Entscheidungen, die tief in die weitere Entwick- 4 lung des J eingreifen können, im positiven Sinne auch sollen (vgl. $5,11). Deshalb betont der BGH in ständiger Rechtsprechung das „Primat der Erz.", die er als die „Basis aller Regelungen des JStrafrechts" erkennt (zB BGH 36,42 = JR 89,519 mit zust. Anm. Brunner, dazu $ 31, 24 u. 24 a; BGH NJW 02, 76 = NStZ 02, 204 mit Anm. Walter). Der Grundsatz der Erz. ist so vorrangig (BGH StV 82, 173 = JR 82, 432 mit zust. Anm. Brunner), daß bereits der Versuch des Täters, sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken, und Ansätze positiver Entwicklung eingehende Darlegungen dahin verlangen, ob und inwieweit eine längere JStrafe oder ein Strafrest von 4 Monaten zur weiteren Förderung und Festigung durch Nacherz. geboten ist; das Tatunrecht ist gegen die Folgen der Straftat für die weitere Entwicklung des J (zB Behinderung einer begonnenen Ausbildung oder deren Beendigung) abzuwägen (BGH NStZ 87, 232; StV 88, 30; BGH B NStZ 89, 522 in § 18, 7 b; auch BGH StV 89,478 in § 18,8 a). Werden erz. Gründe überhaupt nicht geprüft, hat das Urteil keinen Bestand (BGH B NStZ 86,446 u. BGH NStZ 87,442). Diesem Leitziel der jrechtlichen Maßnahmen steht nicht entgegen, daß der Begriff jrechtlicher Erz. als unscharf (Nothacker S.59, 64, 378; Pieplovc 1989 S. 16), mit Unsicherheiten verbunden {Walter 1989 S. 1) und seine Verwendung als inflationär (Pfeiffer Kriminalprävention im JGerichtsverfahren, 1983 S. 91, 112) bezeichnet wird. Der ErzGedanke des JGG läßt sich vielmehr konkretisieren und aus der lebhaften Diskussion über dieses Prinzip das Fazit ziehen, daß am ErzGedanken festgehalten werden sollte (Kaiser ZRP 97, 457 f; ders. in JStrafrecht an der Wende S. 32,33; Dölling ebd. S. 183). Man wird in der Diskussion Beulke (in Rössner, Hrsg., Toleranz - Erz. - Strafe, 4 a 1989 S. 80) dahin folgen dürfen, daß die Ernüchterung auf die Behandlungseuphorie der 70er Jahre (vgl. Rn 32, 33) und die seinerzeit überspannten Erwartungen an die erz. Beeinflußbarkeit junger Straftäter eine Gruppe von Juristen und Sozialpädagogen den ErzGedanken im JStrafrecht hat schlechthin ablehnen und an Stelle der Erz. verfahrensrechtliche Garantien und möglichst geringe Sanktionierung für J und Hw. hat fordern lassen. Beulke (aaO 1989 FN 72) weist dabei insbes. auf Albrecht-1. Aufl. - S. 66 ff; OstendorfGrdl. z. $$ 1 u. 2 Rn4; Ludwig Zbl. 86, 333, 338; Fettes ZStW 88, 158, 173; Müller/Otto in Damit Erz. nicht zur Strafe wird, 1986 XV und Voß J ohne Rechte, 1986 S. 214 hin. Auch Nix (Einl. 12) spricht sich dafür aus, vom ErzGedanken im Strafrecht gänzlich Abschied zu nehmen.

41

E i n f II

Einführung

4 b Gerken/Schumann (Ein trojanisches Pferd im Rechtsstaat, zit. bei Pieplow S. 29) bezeichnen Erz. als die verschleiernde Schimäre, die in Wirklichkeit Strafe etikettiert. Das scheint weiter zu gehen als die Warnung Walters (aaO S. 66) mit „Erz." den repressiven Strafcharakter von Sanktionen zu verschleiern und die Meinung Ostendorfs (Neue Kriminalpolitik 89, H 2,46) „Reale oder eingeredete Strafbedürfnisse werden heute mit einer ErzIdeologie kaschiert". Gerken/Berlitz (zit. bei Pieplow aaO S. 52) schließlich meinen, „wer es mit der Erz. ernst meint, muß bereit sein das gesamte JStrafsystem aufzugeben". Nach Zach (DVJJ-J 96, 253) soll der ErzGedanke aus dem JGG gestrichen werden, weil er mit einem „autoritären Zwangsmaßregelungskonzept von Erz." verbunden ist und bleibt. Solcher Eliminierung der Erz. aus dem JStrafrecht (oder vielleicht auch der Aufgabe des letzteren) steht die Ansicht Schlüchters (in BMJ, Hrsg., Verteidigung in JStrafsachen 1987 S. 31) gegenüber, dann trete an Stelle des ErzGedankens ein Freiraum, der ErzGedanke werde gegen Wertleere eingetauscht. Zwar ist mit pieplow (aaO S. 16, 46) Erz. im JGG nicht mit Pädagogik gleichzusetzen und mit Walter (Über die Bedeutung des ErzGedankens, aaO S. 80,82) die unkritische Übertragung solchen Gedankengutes auf jkriminalrechtliche Zusammenhänge sogar als ausgesprochen gefährlich anzusehen, weil rechtliche Maßstäbe und Sicherungen vernachlässigt werden. Es ist aber, auch bei „Säkularisierung" des ErzBegriffes, geboten, die Legalbew. über die Förderung der sozialen Handlungskompetenz und die Verinnerlichung von Werten (dazu Schlächter GA88, 125; Plädoyer für den ErzGedanken, 1994 S. 41 f, 94) anzustreben. Eine „totale Pädagogisierung" des JStrafrechts würde jedoch zu unnötiger Dramatisierung von auch geringer JDelinquenz fern von ErzDefiziten (dazu Einf. II Rn 32), zu unverhältnismäßigem Eindringen in die Persönlichkeitssphäre des J und zu Überbetreuung bei gelegentlicher Delinquenz führen (vgl. Döllingzbl 89,318). Nach Albrecht (S. 65 ff), Ostendorf (Grdl. zu $§ 1-2 Rn4ff) und Walter (NJW 89, 1022) hat die kriminologische Forschung zwar manche erz. Überlegungen und Konstruktionen fragwürdig und zweifelhaft werden lassen. Mit der Abkehr von hergebrachten ErzVorstellungen (vgl. Bottke in BMJ, Hrsg., Verteidigung in JStrafsachen 1987 S. 46 ff; Walter aaO S. 11 ff) wird aber gleichwohl von der überwiegenden Meinung der ErzGedanke selbst zu Recht nicht aufgegeben (vgl. Viehmann u. Walter in BMJ aaO 1987 S. 198 ff; Walter NStZ 87, 481 u. NJW 89, 1023; Streng ZStW 94, 91). Dazu auch Heinz Rn 6 aE. 5 Eisenberg (§ 5, 4) läßt als Ziel jstrafrechtlicher Einflußnahme nur die Verminderung des Rückfalls zu, meint aber (Einl. 5), das am ErzGedanken orientierte JStrafrecht erweise sich „unbeschadet der Intention von Schutz, Förderung und Integration als geeignet, sozialer Ungleichheit und Repression nicht nur zu entsprechen, sondern diese auch noch zu „mehren"; nur ausnahmsweise könnten geeignete, prinzipiell auf Zustimmung oder Freiwilligkeit basierende Angebote eine positive Wirkung haben (Einl. 5 ff). Ostendorf beklagt ein „veraltetes, autoritäres ErzVerständnis" (NStZ 89, 195), formt den ErzBegriff „im Rahmen einer verfassungskonformen, teleologischen Auslegung als Präventionsanliegen" um, erlaubt den Umweg der Erz. zum Legal42

n. Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

Einf II

verhalten (in Walter 1989 S. 103) und s t u f t den gesetzlichen ErzAuftrag des $ 9 1 1 auf eine sozialstaatliche Verpflichtung zu Hilfsangeboten herab (§ 92, 11). Ziel strafrechtlicher E i n f l u ß n a h m e dürfe n u r Verhinderung des Rückfalls sein (aaO S. 103); es werde verdrängt, d a ß gerade mit der klassischen Strafzieldefinition Strafübel größten Ausmaßes begründet wurden u n d werden (S. 104 aaO). Auch Schaffstein/Beulke (S. 1 ff) bezeichnen als Ziel der Erz. die Verhütung des Rückfalls, f ü g e n aber hinzu, Erz. müsse den J positiv beeinflussen und festigen, weil Rückfallgefahr meist in der Persönlichkeit des J wurzele. Nach Beulke (GS Karlheinz Meyer, 1990 S. 677 ff) ist Erz. durch strafrechtliche M a ß n a h m e n nicht von vornherein unmöglich (S. 683), der weite Spielraum bei der Sanktionsauswahl mache die jrichterlichen M a ß n a h m e n als ErzMittel geeignet (S. 682). Eine Demontage der ErzIdeologie würde die F o r t f ü h r u n g der JStrafrechtsreform gefährden (S. 695). Vgl. auch Beulke in Rn 6 aE u. Rn 10 aE. Durch den Vollzug der Sanktionen soll (Beulke 1989 S. 71,76) „ein Leben in sozialer Verantwortung erreicht werden". Nach Miehe (in M u ß g n u g , Hrsg., Rechtsentwicklung u n t e r d e m Bonner GG, 1990 S. 249, 268) m u ß Erz. im JStrafrecht als Komponente der strafrechtlichen Sozialkontrolle - BVerfGE 7 4 , 1 0 2 , 1 2 2 ; BVerfG NStZ 88,34: „staatliches Wächteramt" gerechtfertigt werden, wofür auch die historische Entwicklung des modernen JStrafrechts spreche (vgl. auch Miehe Rn 5 a aE). Baibier (DRiZ 89, 404) sieht im ErzGedanken ein spezialpräventives Anliegen. Nach Böhm (S. 3) sind erz. Hilfen in den jstrafrechlichen M a ß n a h m e n integriert, u m den J organisch an seine Verantwortlichkeit als Erw. heranzuführen. Pieplow (1989 S. 56) bezeichnet „Erz. statt Strafe" als historischen Kern des JStrafrechts und hält am ErzBegriff jedenfalls wegen seiner Transportfunktion f ü r kriminalpolitische Fortschritte fest (S. 16, 57). Walter (1989 S. 75) hält einen spezifisch kriminalpolitisch ausgerichteten ErzBegriff f ü r notwendig, der sowohl gegenüber pädagogischer Wissenschaft als auch gegenüber allgemeinen Inhalten des Straf- und Strafprozeßrechts eigenständig u n d unabhängig ist. Der ErzGedanke verliere aber letztlich jegliche innovative Kraft, wenn Strafe als Form der Erz. angesehen werde (Walter in Kaiser/Kury/H.-J. Albrecht, Hrsg., Kriminologische Forschung in den 80er Jahren, 1988 S. 802). Nothacker (S. 83) deutet den ErzBegriff als Sozialisationsbegriff mit dem Ziel, Legalbew. in der notwendigen Differenzierung anzustreben, und fordert (Das sozialisationstheoretische Konzept des jKriminalrechts, 1986 S. 116) den aus soziologischer Sicht obsoleten ErzBegriff durch den Sozialisationsbegriff zu ersetzen (S. 110). Ludwig (MKrim. 87, 253) wendet dagegen ein, es bleibe dabei offen, inwieweit aus Sozialisationstheorien unmittelbar Argumente für Verzicht auf Repression abgeleitet werden könnten, u n d meint (Zbl. 86, 338), es lasse sich leichter einsperren, wenn man vorgebe zu erziehen. Streng (ZStW 94, 83 ff) beschränkt das strafrechtliche ErzAnliegen auf Rückfallprophylaxe, sieht die Bedeutung der Erz. im JStrafrecht hauptsächlich in der Vermeidung von schädlichen Eingriffen sowie der Rücksichtnahme auf Entwick-

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Einführung

lungsvorgänge und anderweitig zu leistende Erz. und betrachtet außerdem spezialpräventive Normbekräftigung als erz. Aufgabe des JStrafrechts. Bohnert (JZ 83, 517) fordert „Entmischung in ein reines Erz.- und ein reines Strafverfahren" (S. 523) und sieht darin einen Gewinn an Rechtsklarheit innerhalb des Verfahrens und an Überzeugungskraft gegenüber dem J. Nach Wolf (S. 4) ist das Verhältnis Strafe-Erz. das - ungelöste - Problem des JStrafrechts; er meint, als ErzMaßnahmen kämen nur Handlungen und Unterlassungen in Betracht, die objektiv geeignet seien, die angestrebte Persönlichkeitsentwicklung des „Zöglings" zu fördern oder zu sichern (S. 177), und unterscheidet zwischen „reinen Bestrafungen", „reinen ErzMaßnahmen" und „ErzStrafen" (S. 181 ff). Schließlich: Der Vorrang des ErzGedankens gegenüber dem Schuldprinzip sei nichts anderes als die Subsidiarität der JStrafe wegen Schwere der Schuld gegenüber den übrigen jgerichtlichen Strafen und Maßnahmen (S. 362). S a Diese „gebündelte" und keinesfalls vollständige Aufzählung will nur einen Hinweis auf die rege Diskussion geben. Zur „strafrechtlichen Vereinnahmung von Erz.", zu Versuchen „therapeutischer Vereinnahmung", zu vorauseilender Prävention und zur Suche und Entwicklung neuer Formen und Konzepte im JKriminalrecht Walter in Kaiser/Kury/H.-J. Albrecht aaO, S. 801 ff. Das Grundgesetz vermeidet nicht nur in Art. 6 jegliche Äußerung zu ErzZielen; Miehe (1990 S. 252) versteht das als „beredtes Schweigen" und meldet Bedenken an, wenn das BVerfG die Elternverantwortung auf die Entwicklung des Kindes „zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft" bezieht, „wie sie dem Menschenbild des GG entspricht" (S. 252 mwN). 6 Bei der Erz. iSd JGG geht es um das Bemühen, weitere Delikte des jungen Täters zu verhindern. Hierbei müssen die Reaktionen auf den Entwicklungsstand des Täters abgestimmt werden. Erz. iSd JGG ist also jugendgemäße Spezialprävention (Dötting RdJ 93, 370; zust. Burscheidt S. 32). Legalverhalten vollzieht sich jedoch nicht losgelöst von der Person des Handelnden. Es hat bestimmte innere Voraussetzungen. Die erz. Bemühungen müssen daher darauf gerichtet sein, die J und Hw. bei der Entwicklung der Fähigkeit und des Willens zu unterstützen, ihr Leben ohne Straftaten zu gestalten (Bock FS Hanack 1999 S.637f). Das setzt die Herausbildung sozialer Handlungskompetenz voraus, verlangt aber auch die Förderung einer verantwortungsbewußten, die Rechtsgüter anderer Personen und der Gemeinschaft achtenden Einstellung. Normverinnerlichung ist nach den Befunden der Kriminologie ein wesentlicher Faktor für konformes Verhalten (Dötting aaO, 377 mwN). Unterstützung der jungen Täter bei der Bewältigung ihrer mit der Delinquenz zusammenhängenden Probleme und Normverdeutlichung sind daher die Aufgaben eines erz. gestalteten JKriminalrechts (Weyel DVJJ-J 94, 30). Wie im einzelnen auf JDelinquenz zu reagieren ist, hängt von den jeweiligen Problemlagen und dem Erkenntnisstand von Kriminologie und Sozialpädagogik ab. Es ist daher Nothacker (S. 59, 60) und Walter (1989 S. 71) zuzustimmen, die dartun, daß „Bestrebungen, zu einem zeitlos gültigen ErzBegriff zu gelangen", an der Bedeutung der Erz. für das JKriminalrecht vorbeigehen, sowie der Auffassung von M.-K. 44

II. Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

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Meyer (Zbl. 84, 446), daß der ErzBegriff allg. eine spezialpräventive Orientierung umschreibt, ohne es allerdings dabei genügen zu lassen. Die neuere kriminologische Forschung zeigt, daß theoretisch fundierte, klar strukturierte Behandlungsprogramme, die auf die Vermittlung von sozialen Fertigkeiten und die Veränderung kriminalitätsfördernder Einstellungen abzielen, Rückfälligkeit in einem zwar begrenzten, aber doch ins Gewicht fallenden Ausmaß vermindern können (zusammenfassend Dötting, in Jehle, Hrsg., Täterbehandlung u. neue Sanktionsformen, 2000 S. 35 ff). Im Wandel der Reaktionen auf JKriminalität seit Ende der 70er Jahre erkennt Heinz (MKrim. 87, 129, 135) die Tendenz einer (Rückbesinnung auf den Grandgedanken des JStrafrechts, nämlich auf den Vorrang der Erz. Ohne feinsinnige Festlegungen steht der Begriff der Erz. (Walter 1989 S. 89) „für ein JRecht, das bei einer Minimierung staatlicher Eingriffe kompensatorische Formen der Tatbewältigung sucht", und erfüllt die jstrafrechtlich-kriminologische Devise „im Zweifel weniger" (Heinz MKrim. 87, 153). Daß die JRichter, welche nach Ostendotf (bei Walter 1989 S. 107) die „Mitschuld als Strafrechtsanwender (trifft), an einem inhumanen und häufig ineffektiven Kontrollsystem mitzuwirken", dies zu erkennen scheinen, zeigt der „Weg der inneren Reformen" durch eine „Kriminalpolitik von unten" (Heinz MKrim. 87, 135 mwN) und hat die in den §$ 45, 47 normierte Subsidiarität des Strafverfahrens (dazu Rn 18 ff) zum wohl bedeutsamsten Ausdruck des ErzGedankens werden lassen (Heinz in Eser/Kaiser/Weigend, Hrsg., Drittes deutsch-polnisches Kolloquium über Strafrecht u. Kriminologie, 1988 S. 391). Der Begriff Erz. erinnert ohne jede weitere Deutung JStAe und JRichter an wohlwollende Grundhaltung und Zuwendung (vgl. Einf 153) und hat zu vermehrten informellen Erledigungen im Wege der Diversion geführt; 1998 standen 69% informellen Sanktionen nur 31% Verurteilungen im Bundesgebiet gegenüber (Heinz in JStrafrecht an der Wende S. 64). Dies wird unterstützt durch Zurückdrängung stationärer Maßnahmen, großzügigere Strafaussetzung zur Bew., erweiterte ambulante Betreuung, Erprobung und Annahme neuer ambulanter Maßnahmen (vgl. BMJ, Hrsg., Neue ambulante Maßnahmen nach dem JGG, 1986; Dünkel/Geng/Kirstein Soziale Trainingskurse u. andere neue ambulante Maßnahmen nach dem JGG in Deutschland, 1998). Es geht, wie in der Hauptverhandlung, um die schwierige Balance zwischen Nähe und Distanz, zwischen Zuwendung und Konsequenz. Erz. so gesehen kann nach Viehmann (bei Walter 1989 S. 126) „Weg und Brücke aus dem Strafrecht hinaus, Rechtfertigung und Fundament für eine anders geartete Behandlung" sein. Viehmann fordert Vertrauen auf Selbstregulierung, auf die Episodenhaftigkeit straffälligen Verhaltens im überwiegenden Bereich der JKriminalität, Toleranz und Gelassenheit gegenüber Ärgernissen dieser Phase und rezeptiert Hilfen und Normverdeutlichung. Auch aus historischer Sicht bezeichnet Pieplow (1989 S. 15) Erz. im kriminalpolitischen Kontext als ein „Synonym für Entkriminalisierung, für ein Subsidiär-MachenWollen von Bestrafung", zumindest für den Versuch eines Erträglichmachens. Das Vertrauen auf „Selbstregulierung" hat natürlich seine Grenzen. Beultx (1989 S. 90) 45

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Einführung

weist zu Recht d a r a u f h i n , d a ß m e h r als völlige Untätigkeit fordern m u ß , wer ernst g e n o m m e n werden will. Heinz (in Wolff/Marek, Hrsg., Erz. u. Strafe 1990 S. 41,42) hält es f ü r geboten, den ErzGedanken von überzogenen Erwartungen an die spezialpräventive Wirksamkeit von justiziellen Sanktionen z u entschlacken, sieht ihn jedoch in seiner Begrenzungsfunktion f ü r N o r m s e t z u n g u n d Normanwend u n g als Eckpfeiler des JStrafrechts an. Eine Aufgabe des ErzGedankens zugunsten eines „JHilfe"- oder „Rechtsstaatlichkeitsmodells" lehnt Heinz mit überzeugenden Argumenten ab. Auch Beulke (GS Karlheinz Meyer, 1990 S. 696) bezeichnet als Gebot der Stunde nicht die Ersetzung des ErzGedankens, sondern dessen stetigen Ausbau (für den ErzGedanken als Leitprinzip des JStrafrechts auch Binizus/Musset G r u n d z ü g e des JRechts, 1999 S. 294). 7 H i l f e n f ü r gefährdete oder bereits geschädigte J u n d Hw. werden gewiß „nicht dadurch verwirklicht, daß m a n den ErzGedanken in Frage stellt" (Schlächter GA 88, 109). Erz. heißt aber auch - jenseits von „Moralität" - im JStrafrecht nicht allein „weniger" tun, sondern die „Lebensführung" regeln (ähnlich Breymann Zbl. 88, 450), Legalbew. fördern durch „Verinnerlichung der allgemeinen Werte der Gesellschaft" {Bindzus/Musset aaO S. 291) u n d „geistig-charakterliche F o r m u n g auf die Gesellschaft h i n " (Schlächter aaO S. 117, 125, 126), damit J u n d Hw. „als selbstverantwortliche Personen innerhalb der menschlichen Gemeinschaft ihr Leben f ü h r e n k ö n n e n " (BVerfG NStZ 87, 275; vgl. auch BVerfGE 7, 205; 52, 168). ErzZiel im JStrafrecht ist ganz gewiß nicht Pestalozzis „Reinheit der inneren Anschauung" (zit. bei HellmerErz. u. Strafe 1957 S. 110; TenckhoffJR 77,485,487), aber doch die „Weckung der Einsicht in die sozialethischen Grundwerte u n d der Fähigkeit, ihnen entsprechend zu h a n d e l n " (Miehe Die Bedeutung der Tat im JStrafrecht, 1964 S. 23; Tenckhoff aaO). Die J sollen sozial emanzipiert u n d befähigt werden, Konflikte auszutragen. Auch Beulke (1989 S. 72) ist mit Nothacker (S. 79 ff) u n d Tenckhoff (JR 77,485,487) der Ansicht, d a ß k ü n f t i g e Straffreiheit sich oftmals n u r über eine positive Veränderung der Persönlichkeit des Straftäters erreichen lassen wird. Warum sollte d e m Richter, der das unter dem Primat der Erz. stehende JStrafrecht (Rnl) anzuwenden h a t u n d durch Berücksichtigung erz. Bedürfnisse Mißgriffe vermeiden soll (BGH 36, 37 = JR 89, 519 m . zust. Anm. Brunner), der Blick hierauf verwehrt werden (vgl. R n 9 aE)? 8 Schlüchter betont zu Recht (G A 88,108; Plädoyer f ü r den ErzGedanken, S. 110), daß auf eine Tat d a n n deutlich reagiert werden m u ß , wenn sie sich als Symptom für eine kriminelle Entwicklung darstellt, daß aber eine Episode nicht z u m Symptom umgestaltet werden darf (dazu Einf. 12). Der J m u ß die Erfahrung machen, d a ß die Gesellschaft auf Verstöße gegen die gesetzliche O r d n u n g reagiert - wenn auch nur mit maßvoller Normverdeutlichung. Der J m u ß erkennen, d a ß er sein Tun zu verantworten hat, d a ß er sein Verhältnis z u r U m g e b u n g selbst gestaltet (vgl. $ 1 7 , 1 aE; Breymann Zbl. 88, 450; Hellmer Erz. u. Strafe S. 124). Letztlich m u ß der J Normbefolgung erlernen (Bottke Generalprävention u. JStrafrecht aus kriminologischer u. dogmatischer Sicht, 1984 S. 15); er m u ß die Fähigkeit zur Selbstkontrolle lernen, es geht auch u m Zwang gegen sich selbst (Schlüchter GA 88,127). Das 46

n. Grandgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

EinfH

JStrafrecht hat daher die Aufgabe, Normenlernen durch „konstruktive Grenzz i e h u n g " (Rössner in Justizministerium Baden-Württemberg, 2000 S. 71) zu fördern. Die Schwierigkeit u n d Gefahr bleibt, d a ß n u r „richtige" M a ß n a h m e n der Erz. dienen, falsche aber schaden, uU auch ein ungerechtfertigter Freispruch (.Schlachtet in BMJ, Hrsg., Verteidigung in JStrafsachen 1987 S.31). Der JRichter ist nicht Erzieher, auch nicht Richter und Erzieher zugleich (Wolf S. 361) u n d darf sich nicht z u letztlich schädlichen, psychologischen Husarenritten in die Pädagogik verleiten lassen (vgl. § 10, 3). „Erz. durch Strafe" erweist sich nach alledem als ebenso unzutreffendes wie 9 überflüssiges Etikett, als bloßes Schlagwort - bisweilen als Schlag-Wort im Wortsinne verwendet - wenn m a n berücksichtigt, d a ß Erz. nicht das alleinige Steuerungselement jrichterlicher Entscheidung ist (Pteplow 1989 S.42) u n d d a ß viele Straftaten keineswegs einem ErzDefizit entspringen. Es hilft aber auch nichts darüber hinweg, d a ß letztlich allen jstrafrechtlichen Sanktionen Eingriffscharakter z u k o m m t (vgl. Schliichter GA 88, 123); so wird nicht n u r der Betroffene meist empfinden; der Zwang ist schließlich ein Hauptwesenszug des Rechts, u n d selbst das Zivilrecht ist zwangsläufig „repressiv" (dazu auch § 9 , 5 rawN). Beulke (StV 87, 458) bezeichnet das JGG als Kompromiß zwischen Erz. u n d Strafe. I h m (1989 S. 73) erscheint zu Recht eine Erz. utopisch, die „gerade bei straffällig gewordenen J u n d Hw. . . . vollkommen ohne das Zwangsmittel der Strafe a u s k o m m t " . Im Spannungsverhältnis zwischen Schuld- bzw. Tatstrafrecht u n d Erz.- bzw. Täterstrafrecht ist nach Beulke (1989 S. 76) die JStrafe eben auch ein Mittel der Erz. Dem ist zuzustimmen, auch die JStrafe macht - allerdings als ultima ratio - wie jede andere Sanktion den J f ü r sein Tun verantwortlich. Wir haben mit unbestimmten Rechtsbegriffen leben gelernt, sie sind so unent- 10 behrlich, wie sie allerdings auch mißbrauchbar sind, indem sie zu einer Verzerr u n g des ErzGedankens f ü h r e n können. Eine - zugegeben recht „weiche" Festlegung, wie hier geschehen, scheint ausreichend u n d hilfreich f ü r den J, auch erträglich nach allen Seiten, wenn m a n Extreme fernhält. Vgl. $ 3 7 , 3 a. Es ist das Essentiale des jstrafrechtlichen ErzBegriffes, d a ß Reaktionsformen, welche d i e E n t w i c k l u n g des J fördern k ö n n e n , d e n vergeltenden v o r g e h e n (vgl. § 5 , 1 - 2 , 4 - 6 ; Walter 1989 S. 88). Erz. darf ebensowenig Strafe als wohlmeinende Zuwend u n g etikettieren (Walter aaO S. 85), wie sie auch nicht dazu f ü h r e n darf, J in unangemessener Weise schlechter zu stellen als Erw. Deshalb k ö n n e n „Gründe der Erz." niemals zu einer JStrafe führen, welche das Maß der Tatschuld, die gerade bei J oftmals geringer wiegt, überschreitet (näher $ 18, 10; BGH StV 90, 389 bei $ 1 8 , 1 2 aE; BGH B NStZ 95, 536), zumal das gerade dem ErzGedanken entgegenstünde, der die Überschreitung „rechtfertigen" sollte (näher $ 18, 13). Deshalb darf auch (entgegen BGH) die JStrafe nie die Höchststrafe des ErwStrafrechts überschreiten (näher § 18, 15), wohl aber - zumeist - niedriger bleiben. Die berechenbare R e a k t i o n s b e g r e n z u n g d u r c h die Tatschuld w a h r t - auch im JStrafrecht - Menschenwürde u n d H u m a n i t ä t besser als ein bloßes Behandlungskonzept (vgl. Bertram BewH 85, 10, 16, 17) oder die alleinige B e r u f u n g auf ein 47

Einf II

Einführung

unergründliches ErzBedürfnis (vgl. Weitl Die dogmatischen Grundlagen des geltenden JStrafrechts, Diss. München 1967 S. 192). Tat und Schuld sind also ein notwendiges und letztlich auch erz. wirkendes Regulativ, die Tat ist der Anlaß zum Verfahren und zu den Sanktionen und zugleich äußerste Begrenzung. Auch nach Beulke geht es beim ErzGedanken nicht um „wilhelminische Kadettenpädagogik" (so aber Müller/Otto Damit Erz. nicht zur Strafe wird, 1986), sondern „um eine sinnvolle, auf die Besonderheit des Entwicklungsstandes der J oder Hw. abgestimmte Reaktion" (Beulke GS Karlheinz Meyer, 1990 S. 697). Die „bescheidene Forderung, den J gegenüber Erw. jedenfalls nicht zu benachteiligen" (Walter in Wolff/Marek, Hrsg., Erz. u. Strafe, 1990 S. 51 ff) ist Ausgangs-, aber nicht Begrenzungslinie. 10 a Ausführungen zum ErzGedanken finden sich insbes. bei ErzMaßregeln $ 5,3 u. 5 u. 11; bei Zuchtmitteln § 13,2; bei JA § 16,6 aE, 7b u. 8; $ 87,1-3; $ 90,1-4,8 u. 9; bei JStrafe $ 17, 1-7 u. 9; $ 18, 7 a u. 8, 10-16; $ 91, 1-4, 7-18 u. 22; bei Nichteinbeziehung nach § 31 III $ 31,24 u. 24 a; bei UHaft $ 93,1 u. 5-6 b; bei Verteidigung § 68,1,8-13; bei Kosten 5 74,7 aE. Dazu wird auf Erz. und Schuld hingewiesen bei Rn 15-17; $ 18,10-14; auf die Bedeutung der Tat bei Rn 12 u. 13; auf den Subsidiaritätsgrundsatz bei Rn 18-21. 4.

Erziehung der Heranwachsenden

11 Auch auf die volljährigen Hw. darf und muß der Staat kriminalitätsvorbeugend einwirken (zur Kriminalität der Hw. s. ElsnerfMolnar Kriminalität Hw. u. Jungerwachsener in München, 2001). Zum strafrechtlichen „Schutz der Allgemeinheit" und zum „Schutze des Betroffenen", nicht jedoch zu seiner „Besserung", sind nach BVerfGE 22,180 = NJW 67, 1795 auch gegen Erw. Eingriffe in das bes. hohe Rechtsgut der Freiheit der Person (Art. 2 112 GG) verfassungsrechtlich zulässig, solange sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren. Darüber hinaus ist nach BVerfGE 74, 102 = NStZ 87, 275 (dazu Brunner Zbl. 87, 257; Ostendorf EzSt Nr. 1 zu $ 10) auch gegenüber Hw. der subsidiäre ErzAuftrag des Staates gerechtfertigt. Wenngleich der J die Volljährigkeit mit 18 Jahren erreicht und damit das elterliche ErzRecht erlischt, durfte nach BVerfG der Gesetzgeber davon ausgehen, daß das staatliche ErzRecht zeitlich begrenzt bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres fortdauert in der schon vor dem G vom 31.7.1974 (BGBl. I S. 1713) vom GG gebilligten Annahme, daß junge Menschen bis zu diesem Zeitpunkt erzfähig und -bedürftig sind. Schaffstein (NStZ 87, 502, 503) hat diese Entscheidung des BVerfG „unter pragmatischen Gesichtspunkten" begrüßt und Miehe (Rn 5) hat auf das Wächteramt des Staates hingewiesen. Das GG verwehrt es deshalb nicht, iSd SS 1 II, 105, also in auch gegenständlich begrenztem Umfang, die ErzHilfe des Staates fortwirken zu lassen. Während das Volljährigkeitsalter generell einheitlich festgelegt werden mußte, entspricht es der Lebenserfahrung, daß der Reifegrad der J unter strafrechtlichen Gesichtspunkten unterschiedlich sein kann (vgl. Rn 1,37 ff, bes. 39). Der BGH (StV 88,307) hat ausdriick48

II. Grandgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

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lieh bestätigt, d a ß bei Anwendung von JStrafrecht auch b e i m Hw. der ErzGedanke im Vordergrund steht. Davon abgesehen, ist jede Weisung daraufhin zu prüfen, ob sie f ü r einen - volljährigen - Hw. angemessen ist (näher § 10,4; $ 1 0 5 , 2 0 u. 21). Die SS 108-110 regeln, welche Verfahrens- u n d materiellen Vorschriften des JGG auf H w . anzuwenden sind. Auch w e n n der Angeklagte bei seiner Verurteilung das 21. Lebensjahr vollendet hat, kann bei der Rechtsfolgenentscheidung auf erz. Gründe abgehoben werden (BGH NJW 02, 76 = NStZ 02, 204 mit Anm. Walter). 5.

Die Tat

Die Tat behält aber auch im JRecht ihr Gewicht {BlauZb\. 5 9 , 1 1 7 u . M D R 5 8 , 7 3 1 ; 1 2 Miehe Die Bedeutung der Tat im JStrafrecht, 1964; Hermann/Wild MKrim. 89,13). Dazu $ 5 , 3 bes. aE; auch Rn 10). Ihretwegen wird der J verantwortlich gemacht. Sie allein macht das Eingreifen des Strafrichters erforderlich. Daher m u ß die gerichtliche Reaktion auch in Beziehung zur Tat stehen, jene darf n i c h t a u ß e r Verhältnis z u dieser sein (zust. Ostendorf S 5, 2; Böhm S. 147). Bei einem Mißverhältnis wäre auch erz. nichts gewonnen: der zu hart angefaßte J m ü ß t e sich ungerecht behandelt fühlen u n d mit Trotz reagieren; überdies sind die Möglichkeiten erz. Beeinflussung durchaus beschränkt; der z u mild Behandelte verkennt leicht das Gewicht seiner Tat, die offensichtlich nicht ernst genommen wurde. Auch der BGH fordert eine differenzierte Berücksichtigung der Tat, allerdings nur „in zweiter Linie" neben dem vorrangig zu berücksichtigenden ErzGedanken (BGH StV 81, 27; 130; StV 82, 78; 173; BGH B NStZ 83, 448; Hermann/Wild MKrim. 89, 14). Bei Einbeziehung einer früheren Verurteilung in eine EinheitsJStrafe ist deshalb neben der W ü r d i g u n g des Täters auch eine Gesamtwürdigung aller der Einbeziehung zugrundeliegenden Taten geboten ($ 3 1 , 1 1 , 1 2 ) . Damit ist aber nicht einem Strafen u m der Sühne - also u m des Strafens - willen 13 das Wort geredet. Das lassen schon die Ursachen der JKriminalität u n d der alle Bestimmungen des JGG berührende ErzGedanke nicht zu. Deshalb wird auf jede Unrechtsreaktion verzichtet, wenn das Eingreifen des Strafgerichts nicht - oder wegen inzwischen angeordneter erz. M a ß n a h m e n nicht m e h r - notwendig ist (SS 5 m» 45, 47). Grds. wird auch nicht härter eingegriffen (= gestraft), als es zur erz. Beeinflussung dieses Täters erforderlich ist (zu Kapitalverbrechen gem. S 17 112. Alternative vgl. $ 17, 14 ff). So k a n n u n d m u ß die vom Gericht verhängte M a ß n a h m e für eine gleiche Tat bei verschieden gearteten J unterschiedlich sein. Nicht jede JStraftat ist nur puberale Entgleisung oder Ergebnis behebbarer U m welteinflüsse, sie k a n n auch Frühsymptom einer tiefer in der Persönlichkeit verwurzelten Verbrechensbereitschaft sein (Schaffstein/Beulke S. 6 f), was der Tat einen ganz anderen Stellenwert gibt u n d andere richterliche Reaktion fordert. Zur gerichtlichen Sanktionspraxis s. § 37, 3 a.

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E i n f II 6.

Einführung

Die Schuld

14 Auch im JStrafrecht begrenzt die Tatschuld die Höhe der Strafe nach oben (für die JStrafe § 18,10; Hermann/Wild MKrim. 89,16; Burscheidt S. 92). Denn „Strafe setzt Schuld voraus, Schuld ist Vorwerfbarkeit" (BGH 2, 200). An dieser Begrenzung muß um so mehr festgehalten werden, als JStraf- und JArrestvollzug in der Praxis trotz aller Bemühung mit Mängeln behaftet sind und wohl auch bleiben werden, weil man es nicht mit berechenbaren Größen, sondern mit Menschen zu tun hat. Auch bei den ambulanten Maßnahmen wird wegen der weithin bestehenden Überlastung von JÄmtern und BewHelfern oft Erreichbares nicht erreicht. Bei den ErzMaßregeln, die ja nur aus Anlaß der Tat angeordnet werden ($ 5), wird man es niemals zu einem Mißverhältnis zwischen Tat und Maßnahme kommen lassen dürfen (Grandsatz der Verhältnismäßigkeit); zust. Böhm S. 147; abl. Weinschenk UJ 90,151. 15 Dagegen setzt die in der Tat hervorgetretene Schuld keine Grenze nach unten. Schließlich ermöglicht $ 451, II bei jeder Tat den Verzicht auf eine strafrechtliche Reaktion. Mit Lackner (JR 65, 30) kann man auch dann von Vergeltung absehen, wenn ErzMaßregeln ausreichen, die oft auch eine sühnende Wirkung haben, obgleich sie das weder sollen noch müssen (vgl. Rn9). Doch setzt das JGG hier selbst Grenzen, einmal, indem § 1 3 1 die Verhängung von Zuchtmitteln vorschreibt, wenn dem J eindringlich zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß er für Unrecht einzustehen hat (dazu Rn8), zum andern, indem § 17 II in der zweiten Alternative die Verhängung von JStrafe gebietet, wenn das wegen der Schwere der Schuld erforderlich ist. Gerade im Interesse der Erz. ist oft die nachdrückliche Konfrontierung mit Tat und Schuld notwendig (Rn 8 u. 9). Das will bedacht sein, bevor von der Verfolgung ganz abgesehen ($ 45) oder nur ErzMaßregeln ohne jede repressive Wirkung angeordnet werden. 16 Praktiker stellen immer wieder fest, daß gerade die jungen Menschen ein starkes Gefühl für die Tat und ihre Folgen, für die Angemessenheit der Reaktion haben. Die Verletzung dieses Gefühls durch eine nicht angemessene richterliche Maßnahme könnte leicht zu einem Mißerfolg des erz. Bemühens führen. Denn wirkliche Erz., d. h. eine positive Beeinflussung der Einstellung des Täters zum Leben und zu den Werten unserer Kultur (Rn 7 u. Einf. I 28), setzt die personale Beziehung zwischen Erzieher und dem jungen Menschen voraus; diese kommt aber gerade dann nicht - oder für längere Zeit nicht - zustande, wenn der J die Maßnahme des Gerichts als unangemessen hart empfindet und sich unverstanden fühlt (dazu Rn 8). 17 Im JRecht darf also nicht ohne Rücksicht auf erz. Notwendigkeiten nur um des Schuldausgleichs (Sühne) willen gestraft, aber auch nicht nur um der Erz. willen ohne Bezug zur Tat erzogen werden (vgl. Rn 8; Knögel NJW 58,609; Lackner JZ 54, 134); die Tat muß vielmehr auch um der Erziehung willen (vgl Rn 8) geahndet oder auch nicht geahndet werden. Die in den SS 45, 47 normierte Subsidiarität des Strafverfahrens ist wohl der bedeutsamste Ausdruck und die Folge des das gesamte 50

II. Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

Einf n

JStrafrecht durchziehenden ErzGedankens (dazu R n 4 - l l , insbes. 6 u. Rn 18 aE). Deshalb müssen die Maßnahmen sowohl dem Schuldgehalt der Tat wie den erz. Notwendigkeiten entsprechen. Erz. Maßnahmen über die durch das Gewicht der Tat gezogenen Grenzen hinaus sind im JStrafrecht nicht möglich; allein auf das Gewicht der Schuld kann nur bei schwerster Kriminalität abgestellt werden ($ 17, 9). Insgesamt geht es um die Frage, wie dieser Täter durch eine seiner Tat angemessene Reaktion gebessert, insbes. von künftigen Straftaten abgehalten werden kann. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht nicht die Tat, sondern der Täter. Dabei können rechtsstaatliche Erfordernisse in Widerstreit mit dem ErzZiel des JGG geraten ($ 2, 10). 7.

Subsidiaritätsprinzip

Das Gesetz stellt entsprechend den erheblichen Unterschieden in Entwicklung, 18 Umwelt und Tatgewicht eine reiche Auswahl verschiedenster Reaktionsmittel, nämlich ErzMaßregeln ($$ 9-12), Zuchtmittel (SS 13-16) und JStrafe ($S 17 ff) zur Verfügung, die meist auch nebeneinander verhängt werden können (S 8). Aus der Erkenntnis, daß der Täter noch in der Entwicklung steht, also noch beeinflußbar ist, ergibt sich bei der Abkehr vom bloßen Vergeltungsstrafrecht von selbst die Folgerung, daß bei dieser Auswahl erz. B e m ü h u n g e n den Vorrang haben müssen ($ 5; ErzGedanke), zumal die Schuld der j . Täter oft nicht allzu schwer wiegt. Das Gesetz bestimmt deshalb in $ 5 II, daß weder JStrafe (SS 17 ff) noch Zuchtmittel (SS 13 ff), nämlich Verwarnung, Auflagen und JA, verhängt werden dürfen, wenn ErzMaßregeln ($S 9 ff), nämlich Weisungen oder die Verpflichtung zur Inanspruchnahme von Hilfe zur Erz. iSd S 12 ausreichen (Subsidiarität, welche Nothacker, S. 156, als Variante des Verhältnismäßigkeitsprinzips bezeichnet; S 5,2). Den vielgestaltigen Weisungen ($ 10) kommt dabei bes. Bedeutung zu. - Die JStrafe ist das letzte Mittel, wenn weder ErzMaßregeln noch Zuchtmittel ausreichen. Der J soll nur im äußersten Notfall der Obhut seiner Eltern entzogen werden. Also: Keine stationäre Behandlung, wo ambulante genügt! Keine JStrafe, wo eine ErzMaßregel oder ein Zuchtmittel ausreicht. Keine Hilfe nach $ 12 Nr. 2, wo die ErzBeistandschaft oder eine Weisung zum Ziele führt. Kein JA, wo eine Ermahnung, Verwarnung oder eine Auflage genügt. Der JRichter weiß um vergebliche ErzVersuche und ErzFehler im präjustiziellen Raum und muß in Kauf nehmen, daß auch sein Eingriff nur ein Versuch mit Aussicht auf Erfolg sein kann (vgl. Schüler-Springorum FS Dünnebier, 1982 S.656). Die aus solcher Einsicht folgende allseits einverständliche Verminderung der stationären Sanktionen (aaO S. 654) enthebt den JRichter gleichwohl nicht von der Pflicht, im gegebenen Falle auf solche zurückzugreifen; j e mehr Eingriffsmöglichkeiten jeglicher Art das Gesetz aber bereitstellt, desto größer ist - neben der Gefahr des Fehlgriffs - auch die Chance für J und JRichter, daß die „richtige" Sanktion - jenseits von Strenge und Milde - gefunden wird. Informelles Eingreifen gewinnt immer mehr Raum (Diversion S 4 5 , 4 ff). Nach Heinz (in JStrafrecht an der Wende S. 64) wurde 1998 bei 69% der nach JStrafrecht verfolgten J und Hw. das Verfahren nach $$ 45, 4 7 51

Einf H

Einführung

eingestellt. Der Vergleich der Geburtskohorten 1967 und 1961 zeigt, daß die erste Sanktionserfahrung im JAlter in 2 von 3 Fällen informeller Art war und daß 85 SS der erstmalig informell Sanktionierten über das JAlter ohne formelle Verurteilung bleiben (Heinz/Spieß/Storz in Kaiser/Kury/H.-J. Albrecht, Hrsg., Kriminologische Forschung in den 80er Jahren, 1988 S.656). Zu Mehrfachtätern Einf. 115. 19 Das dargelegte Subsidiaritätsprinzip darf jedoch nicht dazu führen, mildere Maßnahmen zu verhängen, wenn sie zur Erz. und Besserung nicht ausreichen. Die Praxis zeigt immer wieder, daß „Milde" am falschen Platz, bes. die wiederholte Verhängung von JA gegen kriminelle oder verwahrloste J, zur Verschärfung „krimineller Karrieren" führen kann. Der erz. Eingriff des JRichters setzt nicht nur ein gutes Einfühlungsvermögen voraus, sondern fordert in gleicher Weise die Bereitschaft, möglichst nur helfend einzugreifen, wo dies noch ausreichend, wenn auch riskant erscheint, aber auch Entschlossenheit zu schwerwiegenden Entscheidungen, wo die Persönlichkeit des J dies gebietet. Die Chancen für den Erfolg der Maßnahmen des JRichters sind um so größer, je weniger die Fehlhaltung verfestigt ist, je kürzere Zeit sie besteht. Halbe Maßnahmen bewirken, daß später die kriminelle Entwicklung eingefahren ist und Diagnose und Therapie um ein Vielfaches schwieriger und aufwendiger, wenn nicht vergeblich sein werden (Weinschenk MKrim. 84, 18). 20 Bei der Auswahl der Maßnahmen ist der Richter weder an den Strafrahmen (aber § 18, 15) noch an die Zweiteilung in Verbrechen und Vergehen (§ 12 StGB) des ErwRechts gebunden. Allein aus Tat und Sühnegedanken bestimmte Straftaxen sind dem JStrafrecht fremd. Entscheidend ist die Frage, wie der Täter gebessert werden kann. Aus Anlaß eines Verbrechens können zB ErzMaßregeln angeordnet werden, wobei es nicht einmal zu einem Strafverfahren kommen muß ($ 45,18,21). Umgekehrt kann aber ein geringes Vergehen (zB nach § 248 a StGB) nicht mit einer JStrafe geahndet werden, weil hier die Folge außer Verhältnis zur Tat läge ($ 17, 5 und 6). Das Gewicht der Schuld begrenzt also die Maßnahmen des JRichters nur nach oben; dagegen kann, wo erz. keine oder nur geringe Maßnahmen geboten sind, die Reaktion des JRichters unter dem der Schuld entsprechenden Maß bleiben (vgl. jedoch $$ 13-16 u. § 17, 9). Mehrere Taten führen grds. nur zu einer einheitlichen Unrechtsreaktion ($31); denn der Täter steht im Vordergrund, nicht die Tat. 21 Auch sonst lassen sich keine festen Einteilungen finden (zust. Itzel S. 112 mwN in FN 634), man kann nicht ErzMaßregeln für die kleine, Zuchtmittel für die mittlere und JStrafe für die schwere Kriminalität reservieren (so Hellmer Erz. u. Strafe 1957) oder unterscheiden in „reine Bestrafungen", „reine ErzMaßnahmen" und „ErzStrafen" (so Wolf S. 362) oder das Verfahren in ein reines Erz- und ein reines Strafverfahren entmischen (so Bohnert JZ 83, 517). Dazu § 5, 5. Nur Elastizität ermöglicht im Einzelfall eine Verbindung von Straf- und ErzZweck; eine generell befriedigende Lösung ist noch nicht gefunden (Hellmer NJW 64,117,178 u. RdJ 67, 225) und wird sich auch kaum finden lassen. Wegen der groben Abgrenzung, die nur ungenau sein kann, ohne damit fehlerhaft zu werden (so aber Wolf S. 104), 52

II. Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

Einf II

siehe $ 5, 5. Für eine jrichterliche Fortbildung der Sanktionen fordern Walter/ Pieplow (NStZ 88,167) „eine wie auch immer zu konkretisierende Bedürfnislage" u n d warnen - zu Recht - vor unkontrollierten Wucherungen. 8.

Reaktionsbeweglichkeit bei d e n M a ß n a h m e n

Bei den getroffenen M a ß n a h m e n kann es nicht ein f ü r allemal sein Bewenden 2 2 haben. Denn die Erz. m u ß m i t der fortschreitenden E n t w i c k l u n g Schritt halten. Dazu müssen alle erz. M a ß n a h m e n abgeändert werden können, soweit sie nicht f ü r n u r kurze Zeitdauer getroffen werden wie die Zuchtmittel. Deshalb können Weisungen ausgetauscht u n d verändert werden ($ 11 II; $ 10,1). Auch die JStrafe ist, jedenfalls bei längerer Dauer, hinsichtlich der Vollstreckungsdauer unbestimmt; denn die Entlassung kann schon nach Verbüßung eines Strafdrittels erfolgen ($ 88). Nicht nur die Vollstreckung (SS 21 ff), auch die Verhängung (SS 2 7 ff) einer JStrafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden; wie die BewZeit genutzt wird, kann im Einzelfall recht unterschiedlich sein ($ 22-25, 28 ff, bes. $$ 2 2 II 2, 23 1 3 , 2 4 , 2 8 II 2). Für die Ausgestaltung des Vollzugs der JStrafe (S 91, bes. III) wie des JA (§ 90), der Unterbringung in der Entziehungsanstalt (S 93 a II) u n d der Hilfe z u r Erz nach S 12 Nr. 2 bleibt ein weiter Raum. Gleiches gilt f ü r die D u r c h f ü h r u n g der ErzBeistandschaft. In diesen Regelungen ist der erz. Gedanke der Reaktionsbeweglichkeit im JGG, einer erhöhten Variabilität der Rechtsfolgen, deren Kombination u n d der Verfahrensformen (Nothacker S. 203), verwirklicht. Das darf aber nie zu einer Loslösung der M a ß n a h m e von Tat u n d Schuld f ü h r e n . Maßregeln der Besserung u n d Sicherung sowie Nebenstrafen und Nebenfolgen sind nur in beschränktem U m f a n g zulässig (S$ 6, 7). 9.

Täterpersönlichkeit

Es m u ß die Persönlichkeit des j u n g e n Täters i m R a h m e n d e s Verhältnismä- 23 ß i g e n g r ü n d l i c h erforscht u n d versucht werden, ihn zu erkennen u n d richtig zu beurteilen, u m die rechte M a ß n a h m e zur rechten Zeit zu treffen. Sein bisheriges Legalverhalten, seine soziale Einbindung u n d seine Beziehungen z u r Tat sind dabei beachtenswerte, aber letztlich nur äußere Merkzeichen, die zur Beurteilung eines in der Entwicklung befindlichen Menschen keinesfalls ausreichen. Bes. JGerichte (S 33) mit bes. örtlicher und sachlicher Zuständigkeit (SS 39-42) u n d die sorgsame Auswahl der JRichter, -Schöffen u n d -Staatsanwälte (SS 36 ff; BGH 8, 354) sind d a m i t ebenso unumgänglich wie die gesetzlich normierte u n d maßgebliche Mithilfe der JGerichtshilfe zu den Ermittlungen zur Täterpersönlichkeit (S 38), wobei der JGH zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedeutsame Rechte im Verfahren eingeräumt sind (SS 50 III, 93 III). Dem dient auch eine Spezialisierung der Polizei, die in der Praxis allerdings n u r teilweise verwirklicht ist (zu Entwickl u n g polizeilicher JSachbearbeitung Folberth DVJJ-J 94, 327; zu den Aufgaben der Polizei im JStrafverfahren Ostendorf DVJJ-J 9 5 , 1 0 3 ; z u r polizeilichen Bearbeitung von JSachen Polizeidienstvorschrift 382, abgedruckt in DVJJ-J 97, 5; Hübrter ua 53

Einf n

Einführung

DVJJ-J 97,26; H. Pfeiffer DVJJ-J 99,188; zur Notwendigkeit spezieller polizeilicher JDienststellen Bartmann DVJJ-J 96, 386; Piencka DVJJ-J 98, 16). Instruktive Hinweise finden sich bei Lauton Jugend u. Polizei, 1983 und Clages/Nisse Bearbeitung von Jugendsachen. Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik Nr. 27,2001. Wegen der großen Bedeutung des polizeilichen Umgangs mit jungen Beschuldigten sind bei der Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten für die Bearbeitung von JSachen erhebliche Anstrengungen erforderlich (Wieben DVJJ-J 92, 65). Zur Zusammenarbeit von Polizei u. Sozialarbeit $ 38,20,21. Zur polizeilichen Vernehmung von J u. Anwesenheit der Eltern § 67,19, 20. 10.

Reaktionsbeweglichkeit des Verfahrens

24 Um die Persönlichkeit des j . Täters anzusprechen, muß auch das Verfahren bes. elastisch sein und viele Möglichkeiten bieten (Grundsatz der Reaktionsbeweglichkeit). Neben dem förmlichen stehen das vereinfachte JStrafverfahren (§§ 76 ff) und das formlose ErzVerfahren ($$ 45, 47), die beide durch die Befreiung von Förmlichkeiten einen weitgehenden Einfluß erz. Gedanken ermöglichen. Zu Hauptverhandlung und Gespräch am runden Tisch vgl. Einf. I 53 u. 54. Zur „Diversion" $ 45, 1 ff. Ggf. können dem Familien- oder Vormundschaftsrichter Anordnung und Auswahl von ErzMaßregeln überlassen werden ($ 53). - Auch der Verfolgungszwang (Legalitätsprinzip des S 152 n StPO) ist erheblich eingeschränkt. 25 Das JGerichtsverfahren ist auch wesentlich anders gestaltet als das allg. Strafverfahren. Im Interesse der Erz. bedarf es bes. Beschleunigung (§§ 72 IV, 78 III, 56; $ 55 RL 1 S. 1), die jedoch nicht auf Kosten der Persönlichkeitserforschung (SS 43 f, 73) gehen darf, weshalb das beschleunigte Verfahren der StPO für J (nicht für Hw.) ausgeschlossen ist ($ 791). Der Beschleunigung dient auch die Beschränkung der Rechtsmittel ($ 55). Zu Möglichkeiten der Beschleunigung vgl. Thesen des AK 7 des 34. DJGT in DVJJ (Hrsg.) Kinder u. J als Opfer u. Täter, 1999 S. 779 ff; Ostendorff DVJJ-J 98, 240; Stahlmann-Liebelt DVJJ-J 00, 176. Zu Möglichkeiten für ein schnelles Tätigwerden der JHilfe s. Arbeitsstelle Kinder- u. JKriminalitätsprävention (Hrsg.) Schnelle Reaktion, 2001. Im Interesse der Erz. soll grds. in Anwesenheit des J verhandelt werden (SS 50 ff); dabei soll er mit erw. Angeklagten möglichst nicht in Berührung kommen (vgl. $ 931; aber auch S 103,3 u. 8). Außer in den Fällen der §S 45, 47 ist jedes summarische schriftliche Verfahren ausgeschlossen, damit auch der Erlaß eines Strafbefehls untersagt (S 79 I; gegen Hw. zulässig, wenn ErwRecht angewendet wird; S 109,12). Aus erz. Gründen soll die UHaft soweit wie möglich durch vorläufige erz. Anordnungen ersetzt werden ($$ 71 ff; dazu $ 72, 2 u. 3); bei der Nichtanrechnung stehen erz. Gesichtspunkte im Vordergrund ($ 52 a). Auch Anklage und Urteil müssen auf die Belange der Erz. ausgerichtet sein ($$ 46,54). Bes. betont ist die Stellung des ErzBerechtigten und gesetzlichen Vertreters (§§ 50 II, 67). In bestimmten Fällen ist die Anhörung des Disziplinarvorgesetzten von Soldaten vorgesehen ($ 112 d). Verteidigung und Bei54

II. Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

Einf II

standschaft (SS 68 ff) sind ebenso wie Kosten u n d Auslagen ($ 74) u n d die Mitteilungspflichten ($ 70) bes. geregelt. Interessen der Verletzten u n d der Allgemeinheit müssen, soweit möglich, hinter den Forderungen der Erz. zurücktreten; das Verfahren gegen J ist nicht öffentlich (S 48), der Eideszwang ist vor d e m Einzelrichter aufgehoben ($ 49); es gibt bei J keine Privat- oder Nebenklage - wohl aber Widerklage - (§ 80), auch keine Zubilligung einer Entschädigung des Verletzten im Strafverfahren ($ 81). - Das Verfahren f ü r die Entscheidungen, die nach den SS 2 1 - 3 1 (Strafaussetzung zur Bew., Aussetzen der Verhängung der JStrafe u. nachträgliche Bildung einer Einheits-„Strafe") und S 11 II (Abänderung von Weisungen); S 15 III 1 (Änderung von Auflagen); $$ 11 i n , 15 III 2 (Verhängung von JA bei Verstoß gegen Weisungen oder Auflagen) zu treffen sind, wird in den SS 5 7 - 6 6 geregelt. Insgesamt k a n n das JStrafverfahren nicht als bloße Abart des allg. Strafverfahrens 2 6 angesehen werden; es ist vielmehr nach Zielrichtung, Aufbau u n d D u r c h f ü h r u n g ein eigenständiges Verfahren (BGH 8, 349, 354) - Schaffstein hat z u Recht das JStrafrecht „als Pionier der allg. Strafrechtsreform" bezeichnet (Rechtswissenschaft u. Rechtsentwicklung 1980 S. 247). Inzwischen allerdings h a t das ErwStrafrecht entschieden aufgeholt, inspiriert gewiß durch das JStrafrecht. Bedeut u n g u n d Einfluß auf die Rechtspolitik aber h a t die jstrafrechtliche „Reform aus der Praxis von u n t e n " gewonnen (vgl. dazu S 45, 5). Aus der Eigenständigkeit des JStrafverfahrens gegenüber dem allg. Strafverfahren 26 a folgt, d a ß es einen allg. Grundsatz, w o n a c h e i n J oder H w . i n vergleichbarer Verfahrenslage n i c h t schlechter gestellt w e r d e n d ü r f e als ein Erw., nicht gibt (Schaffstein/Beulke S. 180, 222; Böhm FS Spendel, 1992 S. 779; BindzusfMusset Grundzüge des JRechts, 1999 S. 293; Schtffler NStZ 9 2 , 4 9 2 ; Miehe in JStrafrecht an der Wende S. 157 f; aA Albrecht S.82; Eisenberg $ 4 5 , 9; Nothacker S.306). Wie gegenüber J u n d H w . zu verfahren ist, das ist den speziellen Vorschriften u n d den Grundgedanken des JGG zu entnehmen und nicht einem formal-quantitativen Vergleich mit dem ErwRecht. Dieses Vorgehen rechtfertigt sich aus dem Bemühen des JGG, den Besonderheiten der Jugenddelinquenz gerecht zu werden, u n d ist daher mit Art. 3 GG vereinbar (vgl. Schaffstein/Beulke S. 149). Zu Recht f ü h r t Böhm (aaO, S. 779, 780) aus, d a ß der J nach geltendem JStrafrecht „nicht besser, sondern anders gestellt" wird als der Erw. u n d „die Schablone,besser* - .schlechter' . . . auf zwei Rechtsordnungen nicht angewendet werden k a n n , die der Gesetzgeber gerade nicht nach diesem P r i n z i p . . . , sondern nach anderen, von ihm als erz. verstandenen Vorstellungen organisiert hat." Ebenso Bock in FS Hanack 1999 S. 630. Nach Burscheidt S. 169 folgt aus d e m allg. Gleichheitssatz nicht, d a ß j. gegenüber erw. Delinquenten nicht schlechter gestellt werden dürfen; eine Schlechterstellung ist vielmehr zulässig, wenn sie auf nachvollziehbaren jspezifischen G r ü n d e n b e r u h t u n d im Verhältnis z u m ErzZweck angemessen ist.

55

Einf II 11. 27

Einführung

W e i t e r e Besonderheiten

Auch die Vollstreckung ($$ 82 ff), der Vollzug (SS 90 ff) und die Vorschriften des BZRG hinsichtlich der jstrafrechtlichen Entscheidungen (Vorb. vor $ 97) wurden den Besonderheiten des JAlters angepaßt. Hervorzuheben ist, d a ß der JRichter auch die Vollstreckung leitet und einige bes. wesentliche Entscheidungen in richterlicher Unabhängigkeit trifft.

28

Auch im (SchuI-)Disziplinarrecht (dazu Niehues Schul- u. Prüfungsrecht Bd. 1, 3. Aufl. 2 0 0 0 S. 2 0 7 ff) sind die Grundsätze des JGG zu beachten. Eine Entlassung aus allen Schulen des Landes ist nicht gerechtfertigt wegen einer Tat, deretwegen das JGericht nur JA verhängt hat (VGH Baden-Württemberg JZ 6 4 , 6 2 7 mit im wesentlichen zustim. Anm. Baumann JZ 6 4 , 6 1 2 ) . Zur Problematik der Mitteilungen an die Schulen S 70, 5. Ergänzend hierzu zum Beamtenrecht S 17, 4 aE.

29

Die Regelungen des JGG gelten m i t einigen Abweichungen auch für j . oder hw. Soldaten (SS 1 1 2 ff). Sie gelten weitgehend auch, wenn ausnahmsweise eine Strafsache gegen einen J oder Hw. vor einem ErwGericht verhandelt wird (SS 1 0 2 - 1 0 4 , 112, 112e).

30

Das StVÄG 1 9 7 9 hat sich hinsichtlich der Zuständigkeit der J G e r i c h t e für das V o r r a n g p r i n z i p entschieden, welches u m die Sachkunde bes. erfahrener oder bes. ausgewählter (S 37) Richter besser nutzen zu können, die JGerichte gegenüber den gerichtsverfassungsgemäß gleichrangigen ErwGerichten nun als Gerichte höherer Ordnung (S 209 a Nr. 2 a, b StPO) gelten läßt. Die JGerichte bestimmen somit selbst über ihre Zuständigkeit hinsichtlich der in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Spezialaufgaben (näher S 3 3 , 4 f f ; § 41, 1 9 f f ; § 103, 3 ff)

31

Die JGerichte sind in JSchutzverfahren auch wahlweise neben den ErwGerichten zuständig (s. Anhang nach S 125). 12.

32

Jugendhilferecht

Die JRechtskommission der Arbeiterwohlfahrt hat 1970 vorgeschlagen, die Zweispurigkeit von JWohlfahrts- und JKriminalrecht durch ein einheitliches „JHilfe-" o d e r „JKonfliktsrecht" z u ersetzen (Arbeiterwohlfahrt, Vorschläge für ein erweitertes JHilferecht, 3. Aufl. 1970; vgl. schon Peters MKrim. 6 6 , 49; kritisch Schaffstein GA 7 1 , 1 2 9 ) . Die nachfolgenden gesetzgeberischen Vorarbeiten einer im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit eingesetzten Sachverständigenkommission haben im Diskussionsentwurf eines JHilferechts 1973 die Schwierigkeiten und Nachteile einer solchen Konzeption aufgezeigt (vgl. Schaffstein aaO; Böhm ZfStrVo 74, 29; Müller-Dietz Zbl. 7 3 , 4 5 3 ; Thiesmeyer RdJ 7 2 , 3 3 9 u. Zbl. 78, 7; Walter Zbl. 7 4 , 4 1 ) . Unter weitgehender Eliminierung des JStrafrechts waren die vorgeschlagenen personalintensiven ErzHilfen einseitig auf den entwicklungsgestörten, sozial gefährdeten J abgestellt. Es wurde übersehen, daß es auch eine weitgestreute JKriminalität der Normalentwickelten gibt, auf die im Interesse der Rechtsordnung und auch der Entwicklung des J nicht mit hier eher 56

II. Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

Einf II

gefährlichen sozialpädagogischen oder psychotherapeutischen Maßnahmen, sondern schlicht und angemessen mit den vorhandenen und ausbaufähigen Sanktionen des JGG reagiert werden muß (vgl. Schaffstein GA 71,129 u. MKrim. 73,326). Insbes. blieb auch unbeachtet, daß Taten einigen Gewichts und einschneidende ErzMaßnahmen ein rechtsstaatlich gesichertes, strafprozessuales Verfahren fordern (Heinz BewH 88, 267). Ein Referentenentwurf 1974 des BMJ hat versucht, zwischen JHilfen und JKriminalrecht zu vermitteln. Den weiteren Referentenentwürfen des BMJ (Stand Oktober und Dezember 1977) folgte ein von der Bundesregierung am 23.5.1980 eingebrachter Entwurf eines Sozialgesetzbuches, welches das JWG ablösen sollte und „Hilfen zur Erz." nicht mehr als Eingriff in die Individualsphäre des Betroffenen, sondern als „Leistungsangebote" aufgrund eines Rechtsanspruches des J normierte. Dieser Entwurf hätte das JGG einbezogen, soweit es schon bisher mit dem JWG verzahnt war (Gesetzestext u. nähere wertende Ausführungen in der 6. Aufl. dieses Kommentars). Der Bundesrat hat diesem Entwurf eines JHilfeG nicht zugestimmt. Gegen ein reines JHilferecht bestehen über das bereits zum Entwurf 1973 oben 33 Gesagte hinaus erhebliche Bedenken. Dazu auch § 5,11;$ 1 7 , 1 , 5 , 6 , 7 . Die mit den Reformvorschlägen angebotenen „Hilfen" sind letztlich nichts anderes als dubiose Ersatzbegriffe (vgl. Schüler-Springorum FS Dünnebier 1982, 658; Heinz BewH 88, 267 „Etikettenschwindel") und die Etikettierung eines möglicherweise mehrjährigen Freiheitsentzugs als „spezielles Leistungsangebot" ist eine leicht durchschaubare Worthülse, unredlich und deshalb schlechthin erzwidrig. Im übrigen hätte das geplante JHilfeG auch die von Nr. 7.1 der Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die JGerichtsbarkeit (Beijing-Grundsätze, ZStW 87, 253,263, näher Rn42) geforderten grundlegenden Verfassungsgarantien nicht gewahrt. Der Weg von den „schlechten" kriminalrechtlichen zu den „guten" jhilferechtlichen Maßnahmen hat sich als eine Sackgasse erwiesen; kriminalrechtliche Wandlungen im j rechtlichen Bereich fordern eine Zusammenarbeit mit der JHilfe (Walter Zbl. 86, 430). Die Lösung dürfte allerdings nicht in hypertropher Fortschrittsgläubigkeit, sondern in kleinen, wissenschaftlich durchdachten, aber praxisnahen Schritten im Rahmen der Grundstruktur unseres JStrafrechts zu suchen sein, wie dies vom 1. JGGÄndG begonnen worden ist, das an der Grundstruktur unseres JGG festhält und versucht, die „Reformen durch die Praxis" unter weiteren Einfügungen zu stabilisieren. Zum Kinder- und JHilfeG vom 26.6.1990 Rn45. 13.

Diskussion um die Strafmündigkeit

Die Diskussion um die „richtige" Altersgrenze spiegelt das Spannungsverhältnis 3 4 zwischen JStrafrecht und JHilferecht wider. Nach dem Diskussionsentwurf eines JHilferechts 1973 der vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit eingesetzten Sachverständigenkommission sollte der JRichter nur noch bei Straftaten J nach Vollendung des 16. Lebensjahres zuständig sein. Bereits der Referentenentwurf des BMJ 1974 ließ die Strafmündigkeitsgrenze unberührt. 57

Einf II

Einführung

35 Den Beschluß der Konferenz der Jugend-Minister u n d -Senatoren vom 2 8 . 1 1 . 1 9 8 0 , die Frage der Heraufsetzung der Strafmündigkeit u n d der „Bestraf u n g s m ü n d i g k e i t " auf die Vollendung des 16. Lebensjahres zu prüfen, hat die Konferenz der Justizminister u n d -Senatoren vom 29.9. bis 2 . 1 0 . 1 9 8 1 zur Kenntnis g e n o m m e n und mit einstimmigem Beschluß eine H e r a u f s e t z u n g des Strafmündigkeitsalters abgelehnt. Ostendorf (Grdl. z. SS 1 u. 2 Rn 9 mwN) fordert dagegen Anhebung der Strafmündigkeitsgrenze u n t e r Einsatz eines reformierten JHilferechts. Auch Frehsee (FS Schüler-Springorum, 1993 S. 395) spricht sich f ü r eine Heraufsetzung der Strafmündigkeit auf jedenfalls 16 Jahre aus. Dies ist jedoch bei schweren Delikten (s. dazu Brunner FS Böhm, 1999 S. 813 f) weder i m Hinblick auf das Opfer u n d die Gesellschaft noch hinsichtlich des j u n g e n Täters eine angemessene Lösung (Schaffstein FS Schüler-Springorum, 1993 S. 374; f ü r eine Heraufsetzung auf 16 Jahre bei leichten, nicht aber bei mittelschweren u. schweren Delikten Fischer Strafmündigkeit u. Strafwürdigkeit im JStrafrecht, 2000 S. 202). Auch bei anderen Delikten wird eine pauschale Heraufsetzung der Strafmündigkeit trotz komplizierter Umweltverhältnisse d e m Entwicklungsstand junger Menschen nicht gerecht (zur Diskussion u m das Strafmündigkeitsalter vgl. auch Berckhauer/Steinhilper ZRP 81, 265; Dietz ZRP 81, 212; Schaffstein MKrim. 73, 326; Schüler-Springorum FS Jescheck, 1985 S. 1131; Thiesmeyer Zb\. 78,7; Voß Neue Praxis 81,215). Auch eine Herabsetzung der Strafmündigkeit ist nicht angezeigt (Wolfslast FS Bemmann, 1997 S.283; Neubacher ZRP 98, 123; Thomas ZRP 99, 194; Hefendehl JZ 00, 606; für Herabsetzung auf 12 Jahre Klosinski DVJJ-J 97,406; Hinz ZRP 00,113). Werden die Möglichkeiten der Einwirkung auf delinquente Kinder nicht f ü r ausreichend gehalten, sollte vielmehr über Ergänzungen des Familienrechts u n d des SGBVIII nachgedacht werden (dazu näher Brunner JR97, 492; Thomas ZRP 99, 196; Hinz ZRP 00, 112 f). Nach Lösel/Bliesener (DVJJ-J 97, 393) besteht auch aus entwicklungspsychologischer Sicht keine Bedarf f ü r eine Änder u n g der Altersgrenze. Die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen f ü r die JGerichtsbarkeit (Beijinger Grundsätze, v. 29.11.1985, ZStW 87, 253) haben zu keinem Konsens über ein Mindestalter geführt. 36 Im internationalen Vergleich finden sich sehr unterschiedliche Grenzen f ü r das Strafmündigkeitsalter. Nach Dünkel (RdJ 99, 294) beginnt die Strafmündigkeit in der Schweiz u n d in Irland m i t 7 Jahren, in Schottland mit 8 Jahren, in England u n d Wales m i t 10 Jahren, in den Niederlanden mit 12 Jahren, in Polen, Griechenland u n d Frankreich mit 13 Jahren, in Ungarn, Österreich, Italien u n d Bulgarien wie in Deutschland mit 14 Jahren, in den skandinavischen Ländern mit 15 Jahren, in Spanien, Portugal u n d in Rumänien m i t 16 Jahren und in Belgien grds. mit 18 Jahren. In den meisten Bundesstaaten der USA liegt das Strafmündigkeitsalter etwa bei 7 Jahren, in Kanada bei 12 Jahren (Klosinski DVJJ-J 97,404). Zur Entwickl u n g in England vgl. näher Crofts ZStW 99, 728. Z u r Rechtshilfe f ü r einen Staat m i t niedrigerer Strafmündigkeitsgrenze als in Deutschland $ 1, 5 a. Zu JStrafe, Vollzug u. UHaft bei 14-15jährigen S 17,4; § 9 1 , 1 9 u. S 9 3 , 6 a. Zur zivilrechtli-

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II. Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

EinfH

chen H a f t u n g Minderjähriger BVerfG NJW98, 3557; Rolfs JZ 99, 233; RegE eines 2. G zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BR-Drs. 742/01. 14.

Die H e r a n w a c h s e n d e n

Die E i n b e z i e h u n g der Hw. in die /Gerichtsbarkeit h a t sich aus den unter Rn 1 3 7 dargelegten G r ü n d e n als richtig erwiesen, was von Wissenschaft u n d Praxis weitgehend einmütig anerkannt wird (vgl. BGH NJW 89,1491; Kaiser in JStrafrecht an der Wende S. 9). Glaubte der Gesetzgeber 1953 noch, es f ü h r e n u r ausnahmsweise Reifeverzögerung bei der Gruppe der Hw. zur Anwendung von JStrafrecht, so wird heute in der Praxis - gestützt durch die Ergebnisse der Forschung - überwiegend JStrafrecht auf Hw. angewendet (näher $ 105, 1). Welch problematische Fragen $ 105 dem JRichter - u n d k a u m weniger gegebenen- 3 8 falls dem Sachverständigen - zu lösen aufgibt, wie leicht durch schwankende Bewertungen eine gewisse Rechtsunsicherheit u n d Rechtsungleichheit (vgl. das Gefalle Stadt-Land bei solchen Entscheidungen) gefördert werden kann, ist unbestritten (zB Janssen Hw. im JStrafverfahren, 1980 S. 79, 219). Die Denkschrift 1977 der DVJJ (vgl. Rn40) sieht die „Fragwürdigkeit" vor allem darin, d a ß der „normale" J u n d der „normale" Erw. rein fiktive Größen sind, die in der Realität mit ihren zahllosen Abstufungen und Nuancen keine Entsprechungen finden (S.3; vgl. Thomae Das Problem der „sozialen Reife" von 14- bis 20jährigen, 1973). Die sog. Marburger Richtlinien (MKrim. 55, 60) geben dem Richter entscheidungserleichternde Anhaltspunkte, die allerdings wiederum einzeln u n d in ihrem Z u s a m m e n h a n g gewertet werden müssen. Die Rechtsprechung leistet Beis u n d , indem der BGH (Bd. 12,116 und BGH H MDR 82,104) aus d e m Grundsatz „in dubio pro reo" i m Zweifel die A n w e n d u n g v o n JStrafrecht ableitet (näher § 105,17) u n d (Bd. 8, 90) eine Verfehlung schon d a n n als jugendtümlich ansieht, w e n n sie „Antriebskräften der Entwicklung" entsprang. Die Problematik des § 105 entschärfen aber auch $ 106, der bei A n w e n d u n g von ErwStrafrecht auf Hw. dessen Milderung zuläßt (vgl. insbes. BGH 31, 189 mit zust. Anm. Brunner NStZ 83, 218; näher $ 106, 1) u n d $ 114, wonach - ggf. ausgleichend - an geeigneten Verurteilten bis zu 24 Jahren Freiheitsstrafen auch in der JStrafanstalt vollzogen werden dürfen. Nicht n u r hierdurch wird $ 105 praktikabel u n d erträglich. Schulung, Verständnis u n d eigenes Engagement der JStaatsanwälte u n d JRichter tragen wesentlich d a z u bei. Es wird jedoch seit langem von Teilen der Wissenschaft u n d Praxis gefordert, die Hw. voll in das JStrafrecht zu integrieren. Zur Fortwirkung des subsidiären ErzAuftrags des Staates bei den volljährigen 3 9 Hw., auch z u den zeitlichen u. gegenständlichen Grenzen: Rn 11. Die DVJJ hat deshalb nach langjähriger Kommissionsarbeit in ihrer Denkschrift 4 0 1977 über die kriminalrechtliche Behandlung junger Volljähriger vorgeschlagen, die Hw. u n t e r Verzicht auf den eine „vergangenheitsbezogene Persönlichkeitsanalyse" fordernden § 105 voll in das JStrafrecht einzubeziehen (zust. Schöch in JStrafrecht an der Wende S. 132 f). Zu diesem Vorschlag f ü h r t e - in aller Kürze und 59

Einf n

Einführung

notwendig unvollständig dargelegt - die gesicherte Erkenntnis, d a ß die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen zwar unterschiedlich verläuft, gerade die Ausbildung sozialer Verhaltensweisen aber bis weit in das dritte Lebensjahrzehnt hineinreicht (vgl. die Literaturanalyse bei Thomae Das Problem der sozialen Reife von 14- bis 20jährigen, 1973; Bericht vom 10. internationalen Richterkongreß 1966 in Paris, MKrim. 68, 80). Bei den H w . k a n n von einer den J vergleichbaren persönlichen Prägbarkeit u n d spezialpräventiven Ansprechbarkeit ausgegangen u n d diese k ö n n e n mit den kriminalpädagogischen Reaktionsmitteln des JGG genützt werden. Der Eintritt der Volljährigkeit mit Abschluß des 18. Lebensjahres verschafft den j u n g e n Erw. zwar - oft als Danaergeschenk - die volle Teilhabe a m Rechtsleben, fordert aber zugleich und insbes. im Kriminalrecht flankierende M a ß n a h m e n (Becker Zbl. 72, 380; Stutte/Remschmidt Die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters im Urteil der Betroffenen, 1973 S. 82; Thiesmeyer RdJ 70, 33; Thomae aaO, S. 68). Gerade j u n g e Straftäter weisen typischerweise Sozialisationsmängel auf (Bertram Zbl. 70,33). Die fließenden Übergänge vom J- z u m ErwStatus erschweren die von § 105 geforderte Abgrenzung erheblich (Jädke Zbl. 96, 126 f). 41 Dabei k a n n es nicht genügen, das jrechtliche Instrumentarium einfach auf die d a n n stets betroffene Gruppe der Hw. mit ihren altersmäßigen Besonderheiten u n d dem gerade hier schon vielgestaltigen und oftmals bedrohlicheren Erscheinungsbild ihrer Kriminalität auszudehnen. Die Kommission h a t vielmehr f ü r jede jrechtliche Sanktion geprüft, ob u n d wieweit sie f ü r die Hw. - u n d wie sich zeigte, nahezu stets zugleich für die J - unter Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse u n d der Erfahrungen der Praxis verbessert werden könnte. Dies f ü h r t e zu Vorschlägen f ü r ein neues Verfahren der „Bewährung in Freiheit", f ü r neue Regelungen insbes. bei JA (vgl. näher $ 16, 7), Bew., JStrafe und zu verfahrensrechtlichen Anregungen, die auch nur k u r z zu skizzieren, den Rahmen dieser Bemerk u n g e n sprengen würde. Gegenwärtig fehlen jedoch geeignete Sanktionen, mit denen auch die mit bedrohlicheren F o r m e n der Kriminalität belasteten Hw. (Denkschrift S. 7 u. 9) nachhaltig beeindruckt werden können, noch weitgehend im JStrafrecht, bedürfen zumindest weiterer eingehender Erprobung. Insbes. m ü ß t e ein d e m Strafbefehlsverfahren ähnliches Verfahren geschaffen werden, u m der Massenkriminalität der Hw. angemessen entgegentreten zu können. Die Denkschrift (S. 60) h a t hierzu einen „jrichterlichen Bescheid" vorgeschlagen u n d festgestellt, d a ß dieses vorgeschlagene Verfahren den JRichter für seine eigentlichen Aufgaben freistellen u n d den H w . von den zwangsläufigen Nebenfolgen einer H a u p t v e r h a n d l u n g befreien würde. Auch das 1. JGGÄndG h a t den Problembereich der strafrechtlichen Beh a n d l u n g der H w . u n d andere Fragen nicht aufgegriffen, weil d a z u noch Lösungsvorschläge erarbeitet und diskutiert werden sollen (BT-Drs. 11/5829 S. 14). Zu der durch extremistische Gewalttaten ausgelösten Diskussion über eine verstärkte A n w e n d u n g des ErwStrafrechts auf Hw. vgl. die Beiträge in DVJJ-J 93, 103 ff u. 00, 328 ff. 60

n. Grandgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

15.

E i n f II

Internationale Regelwerke

Mißt man die prozessualen und materiellen Vorschriften des JGG an den „Min- 42 destgrundsätzen", welche die Vereinten Nationen für die /Gerichtsbarkeit aufgestellt haben (Beijinger Grundsätze in der 96. Plenarsitzung vom 29.11.1985, ZStW 87,253 ff), so steht das JGG recht gut da. Einem kühnen Gedanken aber an ein erfülltes Übersoll gießt Schükr-Springorum nicht zu Unrecht eine gehörige Portion Essig zu (ZStW 87, 834 ff.). Dazu auch Rn33; 35 aE; $ 1, 5 a aE. Zu den Richtlinien der Vereinten Nationen für die Prävention von JKriminalität vgl. Schäler-Springorum ZStW 92, 169. Das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes v. 20.12.1989 ist in Deutschland am 5.4.1992 in Kraft getreten (BGBl. II 121, 990). Es gilt für Kinder und J, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit die Volljährigkeit nicht früher eintritt. Das Übereinkommen betont ua die erz. Aspekte bei der Reaktion auf Delinquenz, bezeichnet Freiheitsentzug als letztes Mittel und führt völkerrechtlich anerkannte Mindestgarantien in Strafverfahren an (s. Gerstein DVJJ-J 96, 13). Zu den internationalen Regelungen über die JGerichtsbarkeit s. BMJ (Hrsg.) Internationale Menschenrechtsstandards u. das JKriminalrecht, 2001; Kiessl Die Regelwerke der Vereinten Nationen zum JStrafrecht in Theorie u. Praxis, 2001. 16.

Erstes JGGÄndG und Weiterentwicklung

Schrifttum: Böhm Zur Änderung des JGG, NJW 91, 534; Böttcher/Weber Erstes Gesetz zur Änderung des JGG, NStZ 90, 561; 91, 7; Heinz Das Erste Gesetz zur Änderung des JGG (1.JGGÄndG), ZRP 91, 183; Trenczek Das neue JStrafrecht, NJ 91, 195, 245, 288; Viehmann Die Reform des JKriminalrechts in der Bundesrepublik Deutschland, FuR 91, 256.

Das 1. JGGÄndG vom 30.8.1990 (BGBl. I 1853) hält an der Grundstruktur des 43 JGG fest und versucht die „Reformen durch die Praxis" (dazu $ 45, 5 ff) unter weiteren Einfügungen zu stabilisieren und die Rechtsgleichheit zu fördern. Den ErzGedanken will das 1. JGGÄndG vor allem dadurch verstärken, daß es weitere erzieherisch wirkende Rechtsfolgen in den Katalog der ErzMaßregeln und Zuchtmittel einfügt, die JStrafe von unbestimmter Dauer abschafft, die Strafaussetzung zur Bew. vorsichtig erweitert, den erz. Aspekt beim JA stärker betont sowie die informellen Erledigungsmöglichkeiten, die Funktion der JGH und die Regelung der einstweiligen Unterbringung in einem ErzHeim zu verbessern sucht. Schließlich will es die Möglichkeit der Verhängung von UHaft wegen Fluchtgefahr gegen J, die noch nicht 16 Jahre alt sind, deutlich einschränken und den J, die sich in UHaft befinden, einen Verteidiger zur Seite stellen (BT-Drs. 11/5829 S. 11). Das 1. JGGÄndG bestätigt mit Augenmaß den durch Praxis und Wissenschaft eingeleiteten Trend zur weitgehenden Ablösung der stationären Maßnahmen durch ambulante und umschreibt damit zugleich auch für die weitere Entwicklung Möglichkeiten und Grenzen. Wenn zu starke Zurückhaltung des Gesetzgebers vielerseits beklagt wird, so muß aber auch die rechtspolitische Warnung des Präsidenten der österreichischen Richter Ernst Market bei der Eröffnung der 61

Einf H

Einführung

15. österreichischen JRichtertagung (Schruns Oktober 1984) bedacht werden, daß Rechtsreformen des Konsenses aller Staatsbürger bedürfen und der gesellschaftlichen Entwicklung nicht vorauseilen dürfen. Erst wenn Rechtsreformen vom überwiegenden Teil der Bevölkerung akzeptiert sind, können sie ohne Verlust in das Vertrauen auf den Rechtsstaat verwirklicht werden. Wie hinzuzufügen ist, sollten Rechtsreformen auch die überwiegende Zustimmung der Richter haben, weil diese mit den neuen Gesetzen arbeiten, sie auslegen und mit Leben erfüllen müssen. Deshalb sollten sie auch die gebotene Zeit zu Stellungnahmen zu den neuen Gesetzesnovellen bekommen, damit der Einleitungssatz „nach Anhörung der Praxis" nicht nur eine Floskel bleibt. Dies behindert die weitere Rechtsentwicklung nicht, sondern stabilisiert sie. Heinz (RdJ 90,153) hat den RegE 1989 für das 1. JGGÄndG als wichtigen, aber auch nur ersten Schritt in die richtige Richtung bezeichnet. Der ErzGedanke wirkt auf die Strafrechtsreform ein und fördert die Weiterentwicklung. Vgl. Rn6 aE u. 10 aE. 44 Der Deutsche Bundestag hat in seiner 216. Sitzung am 20. Juni 1990 zu dem von ihm verabschiedeten 1. JGGÄndG - BT-Drs. 11/5829 und 11/7421 - die folgende Entschließung in BT-Drs. 11/7421 - Buchstabe c der Beschlußempfehlung angenommen: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, bis zum 1. Oktober 1992 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes vorzulegen, der den weiteren Reformbedarf aufgreift und Lösungsvorschläge insbes. zu folgenden Problembereichen enthält: - Die strafrechtliche Behandlung Heranwachsender, - das Verhältnis zwischen Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln, - die Voraussetzungen für die Verhängung von Jugendstrafe, - die vermehrte Mitwirkung von Verteidigern im Jugendstrafverfahren, - die Gefahr der Überbetreuung Jugendlicher (Erziehungsgedanke/Grundsatz der Verhältnismäßigkeit), - Straftaxendenken und Aufschaukelungstendenzen in der Sanktionspraxis der Jugendgerichtsbarkeit, - die Stellung und die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe im Jugendstrafverfahren, - das Ermittlungs- und das Rechtsmittelverfahren, - die Aus- und Fortbildung von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten in bezug auf jugendstrafrechtliche Besonderheiten, - die verstärkt notwendige Berücksichtigung von Belangen junger Mädchen und Frauen in der Anordnung und Durchführung jugendlicher Sanktionen, - Aufwertung des Täter-Opfer-Ausgleichs." 44 a Der Entwurf eines 2. JGGÄndG steht bisher noch aus. Vorschläge zur Reform des JStrafrechts hat die DVJJ-Kommission zur Reform des JKriminalrechts vorgelegt (DVJJ-J 92,4). Reformvorschläge enthält auch das Diskussionspapier der Kommission JHilfe und JKriminalrecht der Arbeiterwohlfahrt „Jugend ohne Zukunft? Befähigen statt Strafen" vom November 1993. Ein Vergleich der Vorschläge der

62

n . Grundgedanken und Erziehungsauftrag des JGG

Einfll

DVJJ und der Arbeiterwohlfahrt findet sich bei Merkle/Newinger/Risse/Skcbanek DVJJ-J 94,11. Die 2.JStrafrechtsreform-Kommission der DVJJ arbeitet zZ weitere Vorschläge zur Reform des JStrafrechts aus (zu den Zwischenergebnissen s. DVJJ-J Ol, 345). Zur Reform des JGG vgl. auch Fritschka BewH 91,282; Heinz JuS 91,896; Jung Jus 92, 186; Viehmann in BMJ (Hrsg.) Grundfragen des jKriminalrechts u. seiner Neuregelung, 1992 S.436; Walter NStZ 92, 470; die Beiträge in DVJJ-J 00, 328 ff; Hinz JR Ol, 50 u. ZRP Ol, 106; Höynck/Sonnen ZRP Ol, 245. Die Reform des JGG ist auch Thema der Abteilung Strafrecht des 64. Deutschen Juristentages 2002. Angezeigt erscheint eher eine kontinuierliche Weiterentwicklung des JGG als seine fundamentale Veränderung (zust. Kaiser in JStrafrecht an der Wende S. 35). Das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (KJHG) vom 45 26.6.1990 (BGBl. I 1163) hat das JGG zum Teil abgeändert (zB $ 12), das JWohlfahrtsG durch das 8. Buch des SGB Kinder- und JHilfe (SGB VIII) ersetzt und wirkt in verschiedenen Bereichen auf das JGG ein. Durch das 1. G zur Änderung des 8. Buches SGB vom 16.12.1993 (BGBl. 1239) sind die das JGG betreffenden Regelungen des SGB VIII teilweise abgeändert worden (vgl. $ 12,3 u. 6; $ 38,19 b; u. Maas Zbl. 94, 68; kritisch zu den Änderungen Kiehl NJW 93, 1052 f u. Zbl. 93, 226). Änderungen der jGerichtsverfassung hat das G zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 (BGBl. I 50) gebracht (siehe $$ 33-33b, 9). Das VerbrechensbekämpfungsG vom 28.10.1994 (BGBl. I 3186) hat das JGG nur in § 109 geändert (dazu § 109, 11). Für das JStrafverfahren ist aber auch das durch dieses G eingeführte länderübergreifende staatsanwaltliche Verfahrensregister von Bedeutung (vor S 97, 31a). Einige Änderungen und Ergänzungen haben das juMiG vom 18.6.1997 (BGBl. I 1430), das KindRG vom 16.12.1997 (BGB1.I 2942) und das G zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998 (BGBl. I 160) gebracht. Zum Einigungsvertrag $ 1, 6a-6i u. bei den einzelnen Vorschriften. 46 Die Landesjustizverwaltungen haben 1955 Richtlinien zum JGG vereinbart und 46 a gleichlautend erlassen. Die RL binden als Verwaltungsvorschriften den StA, nicht aber den Richter. Die RL wurden 1994 überarbeitet und gelten in der vom Strafrechtsausschuß der Justizministerkonferenz vom 14./15.4.1994 gebilligten Fassung seit 1.8.1994 (zu früheren Änderungen der RL von 1955 vgl. die Zusammenstellung in der 9. Aufl. S. 70; zur rechtlichen Tragweite u. zur Neufassung $ 2,8 a, b). Im folgenden sind die RL dem jeweils betroffenen Gesetzestext nachgesetzt. Das österreichische JGG vom 20.10.1988, geändert durch das Strafprozeßände- 47 rungsG 1993, die Strafvollzugsnovelle 1993, die Strafprozeßnovelle 1999 und die JGG-Novelle 2001, hat insbes. die Voraussetzungen dafür neu gestaltet, daß der StA von der Verfolgung absieht oder das Gericht ein solches Strafverfahren einstellt und bes. die Bereitschaft des Verdächtigen zu außergerichtlichem Tatausgleich berücksichtigt (§ 6 f). Die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe wegen einer JStraftat wurde durch Verkürzung der mindestens zu verbüßenden Strafzeit auf einen Monat und durch „Entfall der Bedachtnahme" auf generalpräventive Erwägungen ($ 17) erweitert. Das Haftrecht für j. Besch, wurde neu 63

E i n f II

Einführung

geregelt, bes. durch Begrenzung der Dauer der UHaft, Haftentscheidungshilfe der JGH und mögliche Überstellung des j. Untersuchungshäftlings in die Sonderanstalt für J schon vor Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils (SS 35, 36). Die Vorschriften über den JStrafvollzug wurden weiter ausgebaut und verbessert (SS 51-60). Durch die JGG-Novelle 2001 wurde entsprechend dem herabgesetzten Volljährigkeitsalter die Altersgrenze für J, die 1988 auf 19 Jahre angehoben worden war, auf 18 Jahre herabgesetzt und wurden Sonderbestimmungen für junge Erwachsene (bis 21. Lebensjahr) geschaffen. Im einzelnen }esionek JGG 3. Aufl. 2001. Zu den Grundzügen des schweizerischen JStrafrechts u. der geplanten Reform Schellenberg DVJJ-J 00, 3; zum niederländischen JStrafrecht Sagel-Grande Zbl. 96, 48; DVJJ-J 00, 9; van der Laan DVJJ-J 96, 119; Emig DVJJ-J 98, 49; zu England und Wales Graham DVJJ-J 98, 317; zum dänischen „JVertrag" Weiler/ Matzke Zbl. 96,171; allg. zur Entwicklung des JStrafrechts in Europa Dünkel/van Kalmthout/Schüler-Springorum (Hrsg.) Entwicklungstendenzen u. Reformstrategien im JStrafrecht im europäischen Vergleich, 1997.

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Übersicht über die bisherigen Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes 1. EinfG z. WehrstrafG v. 3 0 . 3 . 1 9 5 7 (BGBl. I 306): eingefügt $S 112a-112e, 115 HI. 2. G z. Änderung u. Ergänzung d. RJWG v. 1 1 . 8 . 1 9 6 1 (BGBl. 11193): weggefallen $ 38 II 6, geändert $$ 8 n , 3, 9, 12, 34 III, 4 8 II, 76 I, 82 II, 93 III, 112a. 3. 2. G z. Sicherung d. Straßenverkehrs v. 2 6 . 1 1 . 1 9 6 4 (BGBl. I 921): geändert $$ 39 I, 75 I, 76 I. 4. StPÄG v. 1 9 . 1 2 . 1 9 6 4 (BGBl. I 1067): eingefügt SS 39 I 2, 4 0 1 2, aufgehoben $ 68 Nr. 1, geändert $$ 34 III, 61 II, 69 III, 71 II. 5. EGOWiG V. 2 4 . 5 . 1 9 6 8 (BGBl. I 503): aufgehoben S 75 I 2, geändert S 4 2 1 . 6. 1. StrRG v. 2 5 . 6 . 1 9 6 9 (BGBl. I 645): eingefügt SS 1 0 1 2 , 1 5 I 2, 23 II, 26 a, 57 m , aufgehoben $ 20, geändert $$ 6 , 1 8 1 , 2 1 , 2 2 , 2 4 , 2 5 , 2 6 , 2 8 , 3 0 1 , 5 8 1 , 6 0 1 , 8 7 III, 8 8 1 und V, 891, 92 II, 94 I, 96 II, 106, 108 i n , 112 a, 114. 7. G z. allg. Einf. eines 2. Rechtszuges in Staatsschutzstrafsachen v. 8 . 9 . 1 9 6 9 (BGBl. I 1582): eingefügt S 102 S. 2. 8. BZRG v. 1 8 . 3 . 1 9 7 1 (BGBl. I 243): aufgehoben SS 9 4 - 9 6 , 1 0 0 , geändert $$ 13 m , 97, 1 0 1 , 1 1 1 . 9. BtMG v. 2 2 . 1 2 . 1 9 7 1 (BGBl. I 2092): eingefugt S 93 a, geändert $S 5 in, 7 , 1 0 n , 110 I. 10. G z. Neuordnung d. WehrdisziplinarR v. 2 1 . 8 . 1 9 7 2 (BGBl. 11481): aufgehoben $ 112 c IV. 11. Bekanntmachung d. Neufassung d. JGG v. 1 . 3 . 1 9 7 4 (BGBl. I 149): aufgehoben SS 1 1 7 1 2, 3 , 1 1 8 , 121, Zweiter Abschnitt d. 4. Hauptstücks mit Überschrift. geändert (z. T. nur redaktionell) SS 3 4 1 und m , 59 i n und IV, 72 V, 88IV, 109, 119; die Überschriften S 77 und des Vierten Hauptstückes.

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Übersicht über die bisherigen Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes

12. EGStGB V. 2.3.1974 (BGBl. I 469): eingefügt SS 52 a, 55 HI, 83 H, 100, 105 II, 109 II 2, 123, aufgehoben SS 1 in, 8 n 2,13 III 2,22 in, 38 i n 3,52 II und in, 75,76 U, 80 m 2, 90 III und IV, 971,119 II, geändert $ 4 (mit Überschrift), 5 in, 61 und II, 7 (mit Überschr.), 8 II, 101,111, II und m (mit Überschr.), 13 II und m , 151 und i n (mit Überschr.), 19 m , 211, 231 und II (mit Überschr.), 24 II (mit Überseht.), 25 S. 4,261, II und HI, 29 S. 1 (mit Überschr.), 38 n, 39 II, 451,48 II, 50 II, 52 (mit Überschr.), 57 m und IV, 59 II, 60 I und in, 62 I, 64 S. 2, 65 I (mit Überschr.), Überschr. d. 8. Unterabschnitts, 761,781,81,83 S. 1,881-V (mit Überschr.), 891-IV (mit Überschr.), 93 III, 93 a I (mit Überschr.), Überschr. d. 4. Hauptstücks, 97 II und m (mit Überschr.), 105 in, 106 II, 109 II, Abschnittsüberschr. vor $ 110, 111, 112a, 112d, je die Bezifferung der SS 123, 124. 13. Gesetz zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters v. 31.7.1974 (BGBl. 11713): geändert $S 105 I, 107, 109 I, n , 1101. 14. 1. StVRG v. 9.12.1974 (BGBl. I 3393): eingefügt $$ 82 I 2, 112 S. 3, aufgehoben $61, geändert SS 33 II, IV, 341, 35 11,3911,40IU, 69 III 2, 83,1041 Nr. 5,108 II, 112 S.l. 15. Bekanntmachung der Neufassung des JGG v. 11.12.1974 (BGBl. I 3427): Redaktionell geändert SS 83 i n , 88 V, 109 I. 16. Art. 326 V Nr. 5 G v. 2.3.1974 (BGBl. I 469) ab 1.1.1978: $ 106 II 1 entfällt; Satz 2 redaktionell angeglichen. 17. Strafverfahrensänderungsgesetz vom 5.10.1978 (BGBl. I 1645): eingefügt $ 3912; S. 3 (vormals S. 2) redaktionell angeglichen; S 4 0 1 2 redaktionell angeglichen; $ 4 1 1 Nr. 1 und 2 geändert, Nr. 3 eingefügt; eingefügt $ 47 a; $ 58 II; bisheriger Abs. II wird Abs. III, $ 62IV redaktionell angeglichen; $ 102 S. 1 geändert; S. 3 entfällt; $ 103 II geändert; $ 109 I 1 redaktionell angeglichen. 18. Zwanzigstes Strafrechtsänderungsgesetz vom 8.12.1981 (BGBl. 1 1329): geändert S 26 II. 19. G zur Änderung des StrafvollzugsG vom 20.12.1985 (BGBl. I 1645): durch Änderung angeglichen hinsichtlich der Verweisungen $ 7; $ 106 II 2. 20. G zur Neuordnung des Kinder- u. JHilferechts (KJHG) vom 26.6.1990 (BGBl. I 1163, 1190): aufgehoben $ 34 III Nr. 3; $ 43 II; S 711 2; $ 90 II 3, geändert $ 8 I 2 (redaktionell); $ 9; S 12 (mit Überschr.); S 34 III Nr. 2 (redaktionell); s 55 I 2; S 71 S. 1; S 76 S. 1, $ 771 1; $ 78 I 2; S 82 II; $ 112a Nr. 1. 21. JGGÄndG vom 30.8.1990 (BGBl. I 1853): aufgehoben $ 16 i n 3; S 30 I 2; S 52 a II; S 89; $ 90 II 3; $ 116 III, eingefügt $ 101 Nr. 4, Nr. 5-7; $ 24 II; $ 2612; $ 38 II 7, i n 3 HS 2; $ 50IV, $ 68 Nr. 4; S 7212, 3, II, III 1; $ 72 a (mit Überschrift); § 85 II, III, IV, VI, VII; $ 89 a (mit Überschrift); S 96 I 2, 3, 66

Übersicht über die bisherigen Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes

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28.

Einf

geändert $ 101 Nr. 3, 9;$ 1112;$ 15 III 1;§ 16 II; $ 211, II; $ 2411,111 5; §25 S. 2 (redaktionell); $ 26 II; $ 29; § 34 II 2, IE Nr. 1,2 (redaktionell); $ 38 II; § 39 II (redaktionell); § 4312,3, II, i n 2; $ 45; $ 471, II 1; $ 48 II; $ 581; $ 59 II; § 601 2,3; § 62IV; $ 64 S. 2 (redaktionell); $ 6512,3,4; $ 68 Nr. 2,3; § 71 II; $ 72IV 1 (redaktionell); $ 73 11; § 76 S. 1; § 83 I (redaktionell); § 87 in; $ 88 I, II 1, VI; $ 89IU (redaktionell); § 91H 3 (redaktionell); $ 931, IU; § 10911, II 1, $ 110 II; $121 (auch $ 98 OWiG - m eingefügt; II IV geändert). G zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 (BGBl. I 50): aufgehoben $ 33 III (bisheriger IV wird in), eingefügt $$ 33 a, b; $ 109 in, geändert $ 107 (redaktionell); $ 108 i n 1. 1. G zur Änderung des 8. Buches Sozialgesetzbuch vom 16.2.1993 (BGBl. I 239): geändert $ 9 Nr. 2 (redaktionell); $ 12; $ 3511, II 1, n i 1IV (redaktionell); $ 551 2 (redaktionell). G zur Änderung des StGB, der StPO und anderer Gesetze (VerbrechensbekämpfungsG) vom 28.10.1994 (BGBl. I 3186): eingefügt $ 109 II S. 3. JustizmitteilungsG und G zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften und anderer G (JuMiG) vom 16.12.1997 (BGB1.I 1430): eingefügt § 70 S. 3. G zur Reform des Kindschaftsrechts (KindschaftsreformG - KindRG) vom 16.12.1997 (BGBl. I 2942): geändert $ 3 S. 2; $ 34 II S. 1 (neu) III; $ 421 Nr. 1, II; $ 53 (mit Überschrift); $ 541 S. 1; $ 551 S. 1; $ 70 S. 3; $ 84 II S. 1; $ 98 Abs. 1 S. 1; $ 104IV 1, eingefügt $ 84 Abs. 2 S. 2, aufgehoben $ 34 II S. 1 (bisherige S. 2 und 3 werden S. 1 und 2). G zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998 (BGB1.I 160): geändert $ 881, i n S. 2, eingefügt $ 971 S. 3; $ 180 S. 2. G zur Verlängerung der Besetzungsreduktion bei Strafkammern vom 19.12.2000 (BGBl. I 1756): eingefügt $ 33 b II S. 2.

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Erläuterungen

Erster Teil Anwendungsbereich $ 1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist. (2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist. 1. Hw.: Rn 7. - 2. ErwG: § 104, 1. Richtlinien zu $ 1: 1. Auf Handlungen, für die Ordnungs- oder Zwangsmittel vorgesehen sind, findet das Jugendgerichtsgesetz keine Anwendung. Für das Bußgeldverfahren gelten die Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes sinngemäß, soweit das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nichts anderes bestimmt (5 46 Abs. 1 OWiG). 2. Stellt die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Schuldunfähigkeit (vgl. $ 1 9 StGB) ein, so prüft sie, wer zu benachrichtigen ist (vgl. insbesondere $ 70 Satz 1, $ 109 Abs. 1 Satz 2) und ob gegen Aufsichtspflichtige einzuschreiten ist.

Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6.

1.

Sachlicher Anwendungsbereich Ordnungs- und Zwangsmittel Internationales Strafrecht, Auslieferung und Vollstreckung Geltung des JGG in den neuen Bundesländern Altersgrenzen, Bestimmung und Folgen Straftaten von Kindern

Rn 1 3 5 6 7 13

Sachlicher Anwendungsbereich

1 Das allg. Strafrecht (§ 2, 6) einschließlich des Nebenstrafrechts bestimmt, ob eine Verfehlung (rechtswidrige Tat iSd $ 12 StGB) gegen eine Strafvorschrift vorliegt. 68

Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Das JGG gilt sinngemäß für das Ordnungswidrigkeitsverfahren nach den Vor- 2 Schriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt ($ 461 OWiG; RL 1 S. 2), und zwar für Verwaltungsbehörde und Gericht ($ 2, 9). $ 121 OWiG bestimmt, daß ein Kind nicht, ein J nur unter den Voraussetzungen des $ 3 S. 1 vorwerfbar handelt. Im gerichtlichen Verfahren ist gemäß $ 68 II OWiG der JRichter zuständig. Außerhalb der Vollstrekkung (§ 98 OWiG; $ 82, 11) sind im OWiG-Verfahren gegen J und Hw. ErzMaßregeln und Zuchtmittel als Ahndung ausgeschlossen (BayObLG NJW 72,837; OLG Köln VRS Bd. 60 [81], 454). Solche Aufgaben wären für die Verwaltungsbehörde wesensfremd und die grds. Einschaltung des JRichters unangemessen (Göhler $ 12 OWiG 8). Das Einheitsprinzip des $ 3 1 gilt im Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht. Nach Bohnert (Ordnungswidrigkeiten u. JRecht, 1989) verlieren die Regeln des JGG „gleichsam im fremden Rechtskreis eingebürgert, ihre anderweitigen übergreifenden Sinnbedeutungen", was tiefgreifende erz. Eingriffe verbiete. Zur örtlichen Zuständigkeit für die Einspruchs-Verhandlung bestehen Verordnungen der Länder. Zur Vollstreckungszuständigkeit des JGerichts § 82, 8 ff. 2.

Ordnungs- und Zwangsmittel

Das JGG gilt nicht für Ordnungsmaßnahmen (RL 1 S. 1; $$ 178 GVG, 51, 70 3 StPO, 380, 390 ZPO, 33 FGG ua). Auch gegen J wird Ordnungsgeld oder Ordnungshaft verhängt; diese kann aber in einer JA-Anstalt verbüßt werden. Bei J muß die Altersreife nach S 3 S. 1 vorliegen (LAG Nürnberg MDR 99,1342; Eisenberg 22). Gegen schuldunfähige Kinder können entsprechend $ 19 StGB Ordnungsmaß- 4 nahmen nicht verhängt werden (BVerfGE 20,331 zu S 890 ZPO; LG Bremen NJW 70,1429; Löwe/Rosenberg/Dahs $ 5 1 StPO 2; Skupin MDR 65,865); Vorführung ist aber zulässig (OLG Düsseldorf FamRZ 73,547; Löwe/Rosenberg/Dahs aaO; aA Skupin aaO). Mangels gesetzlicher Regelung sind auch gegen Eltern, die ihre Kinder nicht als Zeugen vor Gericht stellen, keine Ordnungsmaßnahmen zulässig (OLG Hamm NJW 65,1613; Kleinknecht/Meyer-Goßner % 51StPO 1; Löwe/Rosenberg/Dahs 4; Skupin aaO). Dazu auch Anhang nach S 125 Rn 17. Hier kann nur der Familienrichter nach $ 1666 BGB helfen. Anders aber bei $ 50 II. 3.

Internationales Strafrecht, Auslieferung und Vollstreckung

Das JGG gilt nach Maßgabe der $$ 3 - 7 StGB auch für Ausländer und für Aus- S landstaten deutscher J und Hw. ($ 2). Eingehend zu Kriminalität u. zur .¡rechtlichen Behandlung ausländischer J u. Hw. Einf. 117-23. Nach dem Gesetz über internationale Rechtshilfe vom 23.12.1982 (BGBl. I 2071) in Strafsachen gilt folgendes: Die Auslieferung eines ausländischen J oder Hw. ist auch bei sonst gegebenen 5 a allg. Voraussetzungen ($$ 22IRG ff) nach $ 9 Nr. 1IRG dann nicht zulässig, wenn für die Tat konkurrierend die deutsche Gerichtsbarkeit begründet ist und ein 69

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1. Teil. Anwendungsbereich

deutsches Gericht oder eine Behörde wegen der gleichen Tat gegen den Verfolgten ein Urteil oder eine Entscheidung mit entsprechender Rechts Wirkung erlassen hat. Gleiches gilt, wenn eine Entscheidung nach SS 204, 174 StPO getroffen, ein Verfahren nach $ 153 a StPO eingestellt oder nach JStrafrecht von der Verfolgung abgesehen (also auch durch den JStA nach $ 451, II = Behörde) oder das Verfahren eingestellt wurde ($ 153 StPO; SS 45, 47). Die StA bei dem OLG bereitet die Entscheidung über die Auslieferung vor und führt die bewilligte Auslieferung durch ($ 13 II IRG), das OLG erläßt die gerichtlichen Entscheidungen (S 131IRG). Nach Vorlage gem. S 61 IRG hat das OLG Schleswig (NJW 89, 2207) entschieden, daß es nicht dem ordre public widerspricht, einen nach Art. 54 Türk. StGB strafmündigen Elfjährigen dem Strafrecht zu unterstellen und als Beschuldigten richterlich nach dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei geltenden Europäischen Übereinkommen über Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959 zu vernehmen. Nach Walter (Anm. zu OLG Schleswig NStZ 89, 537) steht kein Völkerrechtsgrundsatz dieser erbetenen Rechtshilfe entgegen; die Regelungen des IRG berühren diesen Fall nicht, denn das Europäische Rechtshilfeübereinkommen geht diesen vor ($ 1 III IRG; BVerfG Beschl. v. 30.9.1987 BvR 510/85; BGH 33, 26). Die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die JGerichtsbarkeit („Beijinger Regeln" ZStW 87, 253) Nr. 4 lassen die Frage des Mindestalters offen, denn darüber war ein Konsens nicht zu erzielen (SchülerSpringorum ZStW 87, 809, 821). Dazu Einf. II 42. Vgl. auch BVerfG NJW 82, 1214 u. Einf. I 20; Einf. II 36. 5 b Rechtshilfe durch Vollstreckung rechtskräftiger ausländischer Erkenntnisse ist unter den Voraussetzungen des $ 49 IRG zulässig. Sie ist (ua) gegen J und Hw. nicht zulässig, wenn nach deutschem Recht wegen dieser Tat eine Sanktion nicht hätte getroffen werden können (§ 491 Nr. 3 IRG) oder das JGG Sanktionen, die der im ausländischen Recht verhängten Sanktion ihrer Art nach entsprechen, überhaupt nicht enthält (§ 49 III IRG). Gleiches gilt, wenn bereits eine Entscheidung der in S 9 Nr. 1 IRG genannten Art (s. Rn 5 a) ergangen ist. 5 c Wird das ausländische Erkenntnis für vollstreckbar erklärt, so ist die von diesem verhängte Sanktion für J und Hw. zugleich in die ihr nach den hierbei entsprechend anzuwendenden Vorschriften des JGG am meisten entsprechende .¡rechtliche Rechtsfolge umzuwandeln (S 54 I, III IRG). Über die Vollstreckbarkeit entscheidet das LG ($ 50 IRG), zuständig ist die JKammer (Eisenberg 30 e; Ostendorf 17; Schomburg/Lagodny § 78 IRG 3; aA KG NStZ 99, 196 mit abl. Anm. Eisenberg/ Goeckenjan NStZ 99, 536; Vogler/Wilkitzki S 78 IRG 3: die Strafvollstreckungskammer), denn in JSachen werden die Aufgaben der Strafvollstreckungskammer von den JGerichten wahrgenommen ($§ 82 ff, 110), denen nach der gesetzlichen Wertung die hierfür erforderliche bes. jstrafrechtliche Bedeutung zukommt. Für die Vollstreckung der umgewandelten Sanktion gelten die Vorschriften des JGG entsprechend ($ 57IV IRG). Vgl. allg. Wilkitzki JR 83, 227. 5 d Auf Grund der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen über die Zuständigkeit im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in 70

Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich strafrechtlichen Angelegenheiten vom 1.7.1993 (BAnz. 1993, 6383) haben die Länder im wesentlichen deckungsgleiche Zuständigkeitsverordnungen (ZustVRh) getroffen. Auslieferungs- und Zulieferungshaft werden als UHaft angerechnet (näher $ 52 a, S e 1). Die Besonderheiten der Vollstreckung einer JStrafe werden es idR nicht erlauben, eine Vollstreckung im Ausland im Rahmen der Vollstreckungshilfe nach $ 71IVIRG für zulässig zu erklären (vgl. für das ErwRecht OLG Düsseldorf NStZ 90, 188). 4.

Geltung des JGG in den neuen Bundesländern

Mit der Wiedervereinigung stellte sich auch für die JKriminalrechtspflege die 6 Problematik der Rechtsvereinheitlichung. Die DDR hatte am 2 3 . 5 . 1 9 5 2 ein JGG erlassen und dieses mit dem StGB und der StPO vom 12.1.1968 wieder aufgehoben. Besonderheiten waren danach nur für J im Allg. Teil 4. Kapitel des StGB, in $ 41 des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes von 1979 und im 2. Kapitel 5. Abschnitt der StPO normiert. Als Reaktionen auf Straftaten J kamen danach neben dem Absehen von der Strafverfolgung bei Vergehen eine Entscheidung durch ein gesellschaftliches Gericht, die Auferlegung bes. Pflichten (zB Schadenswiedergutmachung), Strafen ohne Freiheitsentzug (Verurteilung auf Bewährung, Geldstrafe u. öffentlicher Tadel), JHaft und Freiheitsstrafe in Betracht. Den $$ 105 ff entsprechende Vorschriften für Hw. fehlten. Der Einigungsvertrag vom 31.8.1990 mit Einigungsvertragsgesetz vom 6 a 2 3 . 9 . 1 9 9 0 (BGBl. II 885, 889) erstreckt das JStrafrecht der Bundesrepublik mit Wirksamwerden des Beitritts der DDR am 3 . 1 0 . 1 9 9 0 mit gewissen Modifikationen auf das Beitrittsgebiet. Die das JKriminalrecht betreffenden Gesetze der DDR sind damit im wesentlichen außer Kraft getreten (zum deutsch-deutschen Rechtsvergleich auf dem Gebiet der JKriminalrechtspflege, insbes. zu den gesellschaftlichen Gerichten der DDR, vgl. 9. Aufl. R n 6 f f u. Brunner NStZ 90, 473 ff; zur Rechtsvereinheitlichung siehe Lilie NStZ 90, 153; Roggemann JZ 90, 363; Wassermann ZRP 90, 259. Nach Kapitel i n Art. 8 des Einigungsvertrags tritt in dem in Kapitel II Art. 3 6 b umschriebenen Gebiet der ehemaligen DDR Bundesrecht in Kraft, soweit es nicht in seinem Geltungsbereich auf bestimmte Länder oder Landesteile der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist und soweit durch den Einigungsvertrag und dessen Anlage I nichts anderes bestimmt ist. Diese Anlage I regelt die Rechtsangleichung systematisch und nach Sachgebieten. Es wird bestimmt, welche Teile des Bundesrechts in der DDR nicht gelten, welche geändert werden müssen und welche nur mit bestimmten Maßgaben gelten. Anlage II regelt, welche Rechtsnormen der DDR fortgelten und inwieweit sie zum Teil aufgehoben, ergänzt oder geändert werden.

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1. Teil. Anwendungsbereich

6 c Nach Anlage I Kapitel m (Geschäftsbereich des BMJ) Sachgebiet C (Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht) Abschnitt in Nr. 3 tritt das JGG mit folgenden Maßgaben in Kraft: a) Die $$ 116-125 sind nicht anzuwenden: § 116 (gegenstandslose Übergangsbestimmungen); $ 117 (nur noch bedeutsam für die gleichzeitige Wahl von Jund ErwSchöffen); $ 118 (gegenstandslos); $ 119 ^Gefängnisstrafen vor 1953); $ 120 (faktisch gegenstandslos); $ 121 (bes. Zuständigkeit des Vollstreckungsleiters, die für die DDR nicht aktuell ist); $ 122 (gegenstandslos); $ 123 (Sonderregelung für Berlin); $ 124 (Berlinklausel); $ 125 (gegenstandslos). b) In der Überschrift vor $ 3 sowie in $ 11, $ 15 II Nr. 1, $ 331, $ 391, $ 401, $ 67IV, $ 80 I, § 1041 Nr. 1, $ 105 I und $ 108 treten jeweils an die Stelle des Wortes „Verfehlung" bzw. „Verfehlungen" die Worte „rechtswidrige Tat" bzw. „rechtswidrige Taten". Damit werden die Straftaten nach dem StGB (JGG) terminologisch von den spezifischen „Verfehlungen" des DDR-StGB abgegrenzt, das darunter „Verletzungen rechtlich geschützter Interessen der Gesellschaft oder der Bürger" verstand, „bei denen die Auswirkungen der Tat und die Schuld des Täters unbedeutend sind und die im Strafgesetzbuch oder in anderen Gesetzen als solche bezeichnet werden" ( § 4 1 DDR-StGB). c) In der Überschrift vor § 13 und in $ 5 II, in, $ 81, III, § 131, III, $ 17 n, $ 31, $ 39 1, $ 541, $ 55I, $ 661 und § 76 treten jeweils an die Stelle des Wortes „Zuchtmittel" bzw. „Zuchtmitteln" die Worte „Verwarnung, Erteilung von Auflagen und JArrest". Dadurch wurde lediglich der in den Erläuterungen zum Einigungsvertrag als antiquiert bezeichnete Begriff „Zuchtmittel" ersetzt (BTDrs. 11/7817 S. 52) und damit ein Reformvorhaben vorgezogen (vgl. Einf. II 44). d) $ 13 II ist nicht anzuwenden. Dazu näher Rn6d. e) $ 34 III ist bis 1.1.1991 in folgender Fassung anzuwenden: 1. die Unterstützung der Eltern, des Vormundes und des Pflegers durch geeignete Maßnahmen, 2. die Maßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung des J. 6 d Zusätzlich gelten für die Anwendung des JGG für den Übergang, zum Teil auch weiterhin in Einzelfällen, folgende Bestimmungen: S 1 Zeitlicher Geltungsbereich Das JGG gilt auch für Taten, die vor Wirksamwerden des Beitritts begangen worden sind (Abs. I). Es darf aber dann nach Abs. II nur auf JStrafe erkannt werden, wenn nach dem allg. Strafrecht Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten zu erwarten gewesen wäre. Das erklärt sich aus der MindestJStrafe von 6 Monaten ($18 I). Die Bestimmung in Rn 6 c Buchstabe d) 13 II ist nicht anzuwenden" kann sich nur auf die Bezeichnung „Zuchtmittel" beziehen, weil die SS 14 bis 16 anzuwenden sind. In den Fällen des $ 1 II kann das Verschlechterungsverbot es rechtfertigen, die MindestJStrafe bis auf 3 Monate zu unterschreiten (vgl. $18,2). Wo nach geltendem DDR-Recht weder Freiheitsstrafe (wohl einschließlich der Haftstrafe nach $ 41 DDR-StGB) noch Bew. oder eine Geldstrafe verwirkt gewesen wäre, ist nach ErwRecht von Strafe abzusehen ($31511 EGStGB). Das wird auch ohne eine 72

Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

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derartige Bezugnahme f ü r das JRecht ebenfalls gelten müssen. Außerhalb der Hauptverhandlung wird S 153 b StGB anzuwenden sein (vgl. $ 45, 3). Zur Diversion $ 4 5 , 51 u. § 47, 18. Die Geltung des JGG f ü r Alttaten bedeutet nicht, d a ß ergänzend z u m JGG stets die Vorschriften des StGB gelten sollen. Vielmehr bleibt es insoweit bei der allg. Übergangsvorschrift des § 2 StGB. Dies kann dazu führen, d a ß das JGG iVm dem Angeklagten günstigeren alten Regelungen des StGB der DDR anzuwenden ist (BGH NStZ 91,331). Bei einem nach dem Strafrecht der DDR zu Freiheitsstrafe u n d Schadensersatz verurteilten Hw. wurde durch den BGH der Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, u m d e m Tatgericht eine d e m JGG entsprechende Entscheidung, insbes. P r ü f u n g des $ 105 JGG, zu ermöglichen (BGH NStZ 91, 235 = JR 1991, 347 m i t zust. Anm. Eisenberg). Bei Anwendung von JStrafrecht kam wegen § 109 iVm $ 81 eine Verurteilung zu Schadensersatz nicht in Betracht (BGH, aaO). Die vor dem 3 . 1 0 . 1 9 9 0 nach DDR-Recht erfolgte Verurteilung eines zur Tatzeit Jugendlichen wegen Mordes u n d Kindesmißbrauchs z u r Freiheitsstrafe von 13 Jahren war vom BGH im Strafausspruch aufzuheben, d a m i t die Sanktion nach dem JGG verhängt werden k o n n t e (BGH B NStZ 91, 525). Zu Strafverfahren gegen DDR-Grenzsoldaten aus der Sicht der JHilfe Reinecke NJ 95, 184. 5 2 Freiheitsstrafen u n d J u g e n d h a f t Abs. I stellt Freiheitsstrafen, auf die vor Wirksamwerden des Beitritts gegen einen J oder Hw. erkannt worden ist, für die A n w e n d u n g des JGG der JStrafe gleich. Es finden deshalb die $S 18,31, 5 7 , 6 6 , 8 2 - 8 5 , 8 8 , 8 9 a, 9 1 , 9 2 , 1 0 5 II, III u. 114 Anwendung. Da f ü r die Bildung einer EinheitsJStrafe die Freiheitsstrafen wie JStrafen zu behandeln sind, entfällt hier bei Hw. die P r ü f u n g , ob JStrafrecht anzuwenden gewesen wäre. Die Verurteilung auf Bew. wird f ü r die Anwendung des JGG der Aussetzung der Verhängung der JStrafe gleichgestellt. Es gelten also die SS 27-30. Auch hier k a n n $ 33 II 3 DDR-StGB zu JStrafen unter 6 Monaten f ü h r e n . JHaft, auf die gegen einen J erkannt worden ist, wird f ü r die Anwendung des JGG dem JA gleichgestellt. Es gelten also die SS 86-90. Da die Höchstdauer des JA aber n u r 4 Wochen beträgt (§16IV), die der J H a f t aber 6 Wochen betragen hat, wird ggf. über ein Absehen nach $ 87 ein Ausgleich zu suchen sein. § 3 Teilvollstreckung einer Einheitsstrafe S 56 kann n u r angewandt werden, wenn nach d e m JGG verurteilt worden ist. S 4 Amnestiefälle Für Freiheitsstrafen gegen J u n d Hw., auf die vor Wirksamwerden des Beitritts erkannt worden ist u n d die im Wege der Amnestie ausgesetzt worden sind, gelten die SS 2 2 - 2 6 a.

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1. Teil. Anwendungsbereich $ 5 Verweisungen Verweist das JGG auf Vorschriften, die durch den Einigungsvertrag geändert worden sind, so treten an deren Stelle die geänderten Vorschriften. Im Sachgebiet C Abschnitt II 3 b wird dem StVollzG ein $ 202 („Freiheitsstrafe und JHaft der DDR") eingefügt, wonach gem. Abs. I für den Vollzug einer nach dem StGB der DDR erkannten Freiheitsstrafe gegen J und Hw. die Vorschriften für den Vollzug von JStrafe - also die $$ 82-85, 88, 89 a, 91, 92, 105 II, III u. 114 sowie für den Vollzug von JHaft die Vorschriften über den Vollzug von JA, also die §§ 86, 87, 90, gelten. 6 e Zur Aufhebung rechtsstaatswidriger Entscheidungen von DDR-Strafgerichten kamen zunächst das Kassationsverfahren gemäß $$ 311 ff DDR-StPO und das Rehabilitationsgesetz vom 6.9.1990 in Betracht, die nach der Wiedervereinigung mit Änderungen weitergalten. Diese Vorschriften wurden 1992 durch das Strafrechtliche Rehabilitationsgesetz (Artikel 1 des Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes, BGBl. I 1814) als einheitliche Rechtsgrundlage für die Rehabilitierung von Opfern rechtsstaatswidriger strafrechtlicher Maßnahmen ersetzt. 6 f Nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 wurde die Strafgerichtsbarkeit in den neuen Bundesländern zunächst durch die Kreisgerichte mit JRichter und JSchöffengericht - und die Bezirksgerichte - mit JSenat, der die Aufgaben der JKammer wahrnahm - ausgeübt (zur Verfassungsmäßigkeit der Besetzung der JSenate mit zwei statt drei Berufsrichtern vgl. BVerfG DtZ 93, 373; BGH 39, 362). Staatsanwaltschaften waren bei den Bezirksgerichten zu bilden. Inzwischen haben alle neuen Bundesländer gemäß Nr. 1 a) Abs. II die im GVG vorgesehenen Gerichte und Staatsanwaltschaften eingerichtet (vgl. Limbach ua NJW 93, 2499 ff.). 6 g Über die Übernahme von DDR-Richtern und Staatsanwälten ist nach Anlage I Kapitel m Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 8 o) und z) iVm dem DDR-Richtergesetz vom 5.7.1990 und der DDR-Ordnung über die Bildung und Arbeitsweise der Richterwahlausschüsse vom 22.7.1990 sowie $ 38 a DDR-Staatsanwaltschaftsgesetz entschieden worden. Hinsichtlich der Berufung der ehrenamtlichen Richter und der Heranziehung der Schöffen zu den einzelnen Sitzungen hat Abschnitt III Nr. 1 p) zunächst das Recht der DDR aufrechterhalten. Nähere Übergangsregelungen enthält das Rechtspflegeanpassungsgesetz vom 26.6.1992 (BGBl. I 1147). Nach § 1 I dieses Gesetzes endete die Amtsperiode aller nach DDR-Recht gewählten oder berufenen ehrenamtlichen Richter spätestens mit Ablauf des 31.12.1994, gemäß $ 1 II konnte das Landesrecht ein früheres Ende der Amtsperiode bestimmen. Für die danach neu zu wählenden ehrenamtlichen Richter gelten die Vorschriften des GVG und JGG, die erste Amtsperiode endete nach § 1 III des Gesetzes einheitlich am 31.12.1996 (vgl. Rieß DtZ 92, 272 f.). Die nach DDRRecht bestimmten Schöffen konnten bis zur Beendigung ihrer Amtsperiode als JSchöffen herangezogen werden, obwohl ihre Wahl ohne Besonderheiten bezüg-

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Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

lieh der JStrafsachen erfolgte. $ 35 JGG gilt erst für die Neuwahlen (OLG Jena NStZ 94, 252). Soweit der Einigungsvertrag, dessen Anlagen und andere Gesetze der ehemaligen 6 h DDR auf die einzelnen Vorschriften des JGG einwirken oder diese für die neuen Länder modifizieren, werden jeweils aE solcher Vorschriften in der letzten Rn ergänzende nähere und gezielte Ausführungen gemacht. Wesentlich ist, daß $ 105 voll übernommen, die Gruppe der Hw. also sachlich 6 i und prozessual nach JGG behandelt wird. 5.

Altersgrenzen, Bestimmung u n d Folgen

Das JGG schafft im Interesse der Rechtssicherheit feste Altersgrenzen. Für Täter 7 über 21 Jahre gilt stets das allg. Strafrecht; die nicht 14jährigen werden als Strafunmündige (Rn 13) ausgeklammert. Für die übrigen - J (14-17 Jahre) und Hw. (18-20 Jahre) - gilt das JGG. Es gilt auch für j. und hw. Soldaten ($$ 112 a ff). Zur Diskussion über die „richtige" Altersgrenze Einf. II 34-36. Die Einteilung richtet sich nach dem Alter zZ der Tat, dh im Zeitpunkt des 8 eigenen strafrechtlich erheblichen Verhaltens ohne Rücksicht auf den Eintritt des Erfolges ($ 8 StGB). Dauern mehrere eine rechtliche Bewertungseinheit bildende Betätigungen (zur grds. aufgegebenen fortgesetzten Handlung vgl. BGH 40,138), der rechtswidrige Zustand eines Dauerdeliktes oder die Handlungspflicht beim Unterlassungsdelikt über das 14. Lebensjahr hinaus, ist der Täter strafbar; das Verhalten im strafunmündigen Alter bleibt aber außer Betracht, hinsichtlich des späteren Verhaltens sind die Voraussetzungen des § 3 bes. zu prüfen. Wegen anderer Altersgrenzen vgl. § 32, 1. Sind mehrere an einer Tat beteiligt, kommt es auf die f ü r den Tatbeitrag entscheidende Willensbetätigung des einzelnen an: Ein Tun im strafunmündigen Alter kann nicht dadurch strafbar werden, daß die Tatbeiträge der Mittäter später geleistet werden {Dallinger/Lackner 7; Eisenberg 10; Ostendorf 8; vgl. $ 29 StGB, offen bei BGH JR 54, 271 für Altersgrenze J-Hw.). Auch wenn der Vorsatz des nur im strafunmündigen Alter tätig gewordenen Gehilfen schon alle Handlungen der Täter umfaßt, die erst nach Vollendung seines 14. Lebensjahres ausgeführt werden sollen, kann er strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden (Eisenberg 10; Ostendorf 9). Die Grundsätze, welche die Rechtsprechung für die Verjährung entwickelt hat (BGH 20, 227), können nicht übertragen werden. Denn bei der Verjährung geht es um die Frage, wann die Handlung beendet ist, hier dagegen k o m m t es darauf an, ob der Täter f ü r sein Handeln strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann. Das Alter zZ der Aburteilung ist für die Einordnung der Tat ohne Belang, bei der 9 Auswahl der Maßnahmen aber oft von großer Bedeutung. Gegen einen inzwischen 22jährigen zB sind viele Weisungen nicht mehr geeignet ($ 10, 4), auch Verwarn u n g oder JA meist nicht mehr angebracht (§ 14, 4; $ 16, 14). Dagegen können Auflagen regelmäßig noch auferlegt werden (§ 15,2). Für die JStrafe gelten an sich keine Besonderheiten, doch wird sie bei J von 14 und 15 Jahren nur in Ausnah75

1. Teil. Anwendungsbereich mefällen gewählt werden (vgl. $ 17, 4; $ 91,19). Bei fortgeschrittenem Alter sind die erz. Voraussetzungen f ü r die Aussetzung der Verhängung der JStrafe idR nicht m e h r gegeben ($ 27,7). Zur ErzAufgabe des JGG bei den volljährigen H w . Einf. II 11. 1 0 Das Alter ist nach allg. Grundsätzen zu berechnen. Der a m 1.7.1940 Geborene ist a m 3 0 . 6 . 1 9 5 8 , 24.00 Uhr, J, am 1 . 7 . 1 9 5 8 , 0 . 0 0 Uhr, H w . (SS 186, 187 II BGB entspr.). Der am 29.2.1940 Geborene ist a m 1.3.1958, nicht am 2 8 . 2 . 1 9 5 8 H w . u n d volljährig (§ 188 i n BGB entspr.). Zu den medizinischen Grundlagen der Altersschätzung s. Schmeling ua NJW 00, 2720. 1 1 Zweifel über das Alter sind zugunsten des Täters zu lösen (BGH 5 , 3 6 6 ; Eisenberg 12). Bei der 14-Jahres-Grenze bleibt der Täter straffrei. Bei der 18-Jahres-Grenze k a n n die Altersreife (§ 3) fehlen. Sonst ist JRecht anzuwenden, w e n n die Voraussetzungen des § 105 gegeben sind. Auch in sonstigen nicht behebbaren Zweifelsfällen ist JRecht anzuwenden. Die Sanktion nach JRecht ist hierbei so zu wählen, d a ß sie nicht schwerer in die Rechtsstellung des Betroffenen eingreift als die Unrechtsfolge, die nach ErwRecht angemessen wäre (vgl. $ 105, 17). Ein Vermischen der verschiedenen Unrechtsfolgen - etwa die Verhängung einer JStrafe von 4 (I) Monaten, w e n n entweder 10 Monate JStrafe oder 4 Monate Freiheitsstrafe verwirkt wären (so Schnitzerling NJW 56, 1384) - ist unzulässig, weil eine solche Strafe weder nach J- noch nach ErwRecht verwirkt ist (DallingerfLackner 13; Lackner GA 55, 34; Potrykus NJW 54, 1349). Welche M a ß n a h m e im Vergleich zwischen JRecht u n d ErwRecht im Einzelfall die mildere ist, wird im Z u s a m m e n h a n g beim Verschlechterungsverbot ($ 55,38) dargestellt. Das dort Gesagte gilt auch hier. Bei der 21-Jahres-Grenze ist u n t e r Berücksichtigung des $ 106 ErwRecht anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des $ 105 nicht gegeben sind. Andernfalls ist auch hier im Zweifel JRecht anzuwenden (BGH NStZ-RR 96, 250). - Bei Zweifeln über die Altersgrenze ist das JGericht zuständig (§ 33, 1 aE, 12; Ostendorf 11). 12 Jedes Urteil ist anfechtbar, das auf der E i n r e i h u n g i n eine falsche Altersgruppe b e r u h t . Ein rechtskräftiges Urteil ist aber aus diesem Grunde n u r ausnahmsweise nichtig(LuifterZStW 58,87), nämlich allg. Grundsätzen (Löwe/Rosenberg/RießEinl.J Rn 116 ff) entsprechend nur, wo der Bestand des Urteils f ü r die Rechtsgemeinschaft unerträglich wäre u n d wo ein solches Urteil offensichtlich nicht hätte ergehen dürfen, also schon aus sich heraus unrichtig ist. Das ist nicht der Fall, w e n n die falsche Einstufung auf falschen Tatsachenfeststellungen beruht; hier ist meist die Wiederaufnahme des Verfahrens ($$ 3 5 9 , 3 6 2 StPO) möglich (OLG Hamb u r g NJW 52, 1150; DaüingerßMckner 20; Lackner GA 55, 38 f; aA Potrykus B 4 u. NJW 53,93; Ostendorf 13). Die Verurteilung eines Erw. nach JRecht u n d eines J nach ErwRecht bewirkt keine Nichtigkeit (BGH Dallinger MDR 5 4 , 4 0 0 u. Herlan GA 54, 309; im wesentlichen übereinstimmend Dallinger/Lackner 21; Lackner GA 55, 39; Eisenberg 34, 35; aA Potrykus aaO). Die Verurteilung eines Strafunmündigen aber f ü h r t zur Nichtigkeit. Ein nichtiges Urteil darf nicht beachtet werden; die Nichtigkeit wird nach § 458 StPO festgestellt; außerdem sind Rechtsmittel möglich (Ostendorf 14; Roxin S. 417). Ist ein Urteil nichtig, so kann das Verfahren vor d e m

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Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

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zuständigen Gericht erneuert bzw. von dem Verfahrensstand vor Ergehen des nichtigen Urteils fortgesetzt und neu entschieden werden (vgl. Eisenberg 36). Zum unzuständigen Richter $ 33, 17. Zum Strafbefehl gegen J: $ 79, 3. 6.

Straftaten von Kindern

Tatbestandsmäßige und rechtswidrige Gesetzesverstöße von Kindern (Einf. I 26, 13 27) sind nie schuldhaft; diesen fehlt die Schuldfähigkeit (§ 19 StGB). Vgl. dazu Weinschenk MKrim. 84, 15 u. bei $ 3, 3. Auch Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen gegen Kinder nicht verhängt werden; zulässig ist jedoch die Sicherungseinziehung nach §§ 74II Nr. 2, III, 74d iVm 7 6 a l l Nr. 2 StGB (LKJähnke $ 19 StGB 3; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron $ 19 StGB 4). Bei Taten von Kindern obliegt dem JStA die Prüfung, wer zu benachrichtigen ist (dazu bes. $ 70 S. 1, S 109 I 2), ggf. auch die Einleitung eines Verfahrens gegen den Aufsichtspflichtigen (RL 2). Eingreifen kann nur der Familien- oder Vormundschaftsrichter. Ggf. wird er, wenn die Kinder in eine polizeiliche Untersuchung einbezogen werden, um einen pädagogischen Abschluß des Verfahrens den Kindern gegenüber bemüht sein müssen. - Ob die Eingriffsbefugnisse der StPO gegen Kinder gegeben sind, ist durch Auslegung der jeweiligen Norm zu ermitteln. Kinder dürfen vorläufig festgenommen werden (§ 127 StPO; Tröndle/Fischcr vor $ 32 StGB 7; Verrel NStZ 01,287; aA OLG Bamberg NStZ 89,40 mit Anm. Wassmuth; Ostendorf 2,3), um ihre Identität und die Personalien ihrer gesetzlichen Vertreter und deren eventuelle Straftaten zu klären (KG JR 71, 30), zumal in der Situation des $ 127 StPO das Alter des Verdächtigen häufig zweifelhaft sein wird (Verrel aaO, 286 f). Für Anwendbarkeit des $ 81b 2. Alt. StPO gegen Kinder VG Freiburg NJW 80, 901; Hassels DVJJ-J 96, 74; Verrel aaO, 286; aA Kleinknecht/Meyer-Goßner § 81 b StPO 7; Walter-Freise DVJJ-J 95, 315. § 111 b StPO kann wegen der Zulässigkeit der Sicherungseinziehung auch bei Kindern eingreifen (näher zur Problematik Verrel aaO, 285 f; aA Ostendorf 4). Zwangsmaßnahmen nach $ 163 b I StPO sind zulässig, wenn zweifelhaft ist, ob der Verdächtige noch ein Kind ist (Hussels aaO; Verrel aaO, 285). Generell für Anwendbarkeit der gegen Beschuldigte gerichteten Normen der StPO gegen Kinder Schoene DRiZ 99, 321; dagegen Walter DRiZ 99, 325; gegen die Anwendbarkeit der an die Beschuldigteneigenschaft anknüpfenden Normen auch Frehsee ZStW 88,301; Mayer GA 90,509. Zulässig ist die Vernehmung von Kindern als Zeugen. Erkennungsdienstliche Maßnahmen nach Polizeirecht dürfen unter den dort geregelten Voraussetzungen und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch gegen Kinder vorgenommen werden (OVG Münster NJW 99,2689). Zu Ordnungs- u. Zwangsmitteln gegen Kinder Rn 4. Informationen der Polizei und des JAmtes über kindliche Delinquenz dürfen in einem späteren Strafverfahren gegen den dann J nach Maßgabe der $5 38 II, 43 JGG, 6 U l i SGB vni, 691 Nr. 1 SGBX, 64, 65 SGBVm verwertet werden (näher Verrel aaO, 288 f).

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1. Teil. Anwendungsbereich

14 Daß der Täter zZ der Tat 14 Jahre alt war, ist darüber hinaus eine Prozeßvoraussetzung, die zur Verfahrenseinstellung, nicht zum Freispruch zwingt (Dallinger/Lackner 39; Lackner/Kühl § 19 StGB 2; Eisenberg 31; Schaffstein/Beulke 50). Das gilt auch dann, wenn sich nicht ausschließen läßt, daß der Täter zZ der Tat noch nicht 14 Jahre alt war (BGH 18,274 u. OLG Stuttgart NJW 62,1272 entspr.). Auch hier ist RL 2 zu beachten. Stellt der Staatsanwalt das Verfahren ein, weil der Täter noch nicht 14 Jahre alt war, ist ein Klageerzwingungsverfahren gem. § 172 II StPO nur möglich, wenn Zweifel bestehen, ob der Täter zZ der Tat schon 14 Jahre alt war. Sonst ist sicher, daß eine Strafverfolgung nicht stattfinden kann; wie bei unbekannten Tätern (Kleinknecht/Meyer-Goßner $ 171 StPO 9) ist auch hier der verletzte Anzeigeerstatter nur formlos von der Einstellung zu benachrichtigen. Nur im ersten Fall ist Zustellung mit Rechtsmittelbelehrung geboten. 15 Gegen rechtswidrige Angriffe von Kindern darf mit Einschränkungen (dazu Schönke/Schröder/Lenckner $ 3 2 StGB 52) Notwehr geübt werden. Es ist umstritten, ob eine Aufrechnung (Kompensation nach $ 199 StGB) möglich ist, wenn der Gegner ein Kind war 0a: Schönke/Schröder/Lenckner $ 199 StGB 6; nein: KG GA 74, 214; Tröndle/Fischer $ 199 4; Eisenberg 2; Potrykus B 9). Vgl. BGH 10, 374; BayObLG 58,244 u. OLG Hamburg NJW 65,1611 (auch Schwarz NJW 58,10) zum vergleichbaren Fall der Ehrennotwehr, wonach der Beleidigte schon durch die Beleidigung hinreichend bestraft sei. Dies und der Wortlaut des $ 199 StGB zwingt nicht zu der engen, Kinder auschließenden Auslegung. 16 Die Strafbarkeit von Mittätern und Teilnehmern bleibt bestehen. Auch kann ein Kind Vortäter der Hehlerei sein (BGH 1, 47), im Zusammenwirken mit einem schuldfähigen Täter die Körperverletzung für diesen zu einer gefährlichen qualifizieren (BGH 23, 122, da der natürliche Tatwille genügt) oder sachlich begünstigt werden. Dagegen ist die persönliche Begünstigung (Strafvereitelung) eines Kindes ausgeschlossen, weil es schuldunfähig ist und deshalb der Bestrafung nicht entzogen werden kann. Es kann jedoch ein strafbarer untauglicher Versuch vorliegen.

$ 2 Anwendung des allgemeinen Rechts Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. 1. Hw.: $ 1 . - 2 . ErwG: § 104, 1. Übersicht 1. JGG als Sondervorschrift 2. Allgemeine Vorschriften 3. Verwaltungsvorschriften

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Rn 1 6 8

Anwendung des allgemeinen Rechts 4. OWiG 5. Rechtsstaatliche Erfordernisse und Erziehungsaufgabe 1.

$2 9 10

JGG als Sondervorschrift

Das JGG enthält f ü r J u n d H w . Sondervorschriften, die als leges speciales den 1 Normen des allg. Rechts vorgehen. $ 10 StGB stellt ausdrücklich klar, d a ß das StGB f ü r J u n d H w . n u r gilt, soweit im JGG nichts anderes b e s t i m m t ist. Das JGG schließt dabei das allg. Recht nicht n u r dort aus, wo es eine ausdrückliche 2 Regelung trifft, sondern schon dort, wo das allg. Recht den Grundsätzen d e s JGG widerspricht {DallingerfLackner 7; Grethlein NJW 57, 1370) oder wo es zu einem nicht jgemäßen Ergebnis f ü h r e n würde (Potrykus B 2). Vgl. dazu OLG Stuttgart (MDR 87, 340) zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (s. auch Rn 5; § 55, 47 a). Z u m Widerstreit mit rechtsstaatlichen Erfordernissen s. aber Rn 10. Sonst k o m m e n die ohne Rücksicht auf das Alter geltenden Vorschriften des allg. 3 Rechts ergänzend zur A n w e n d u n g (Vorb. zu $ 33). Die A b g r e n z u n g kann nicht formalistisch erfolgen. Gleiche Begriffe können 4 unterschiedlich gebraucht werden. So ist nach d e m JGG die JStrafe die einzige Strafe ($ 13 III); im allg. Recht dagegen wird der Strafbegriff häufig in einem weiteren Sinn gebraucht, zB in $ 60 StGB (BayObLG NJW 9 2 , 1 5 2 1 = JR 9 2 , 3 8 7 mit zust. Anm. Brunner, dazu $ 5,8), in $ 466 StPO (KG JR 62,271), beim Verschlechterungsverbot (S 55,21) u n d im BZRG. In diesen Fällen sind die ErzMaßregeln u n d Zuchtmittel - unbeschadet der gegenteiligen Abgrenzung des JGG - Strafen im weiten Sinn der entsprechenden Bestimmungen des allg. Rechts. Nach OVG Münster (NJW 72, 1965) ist A h n d u n g mit einem Zuchtmittel eine Verurteilung iSd § 10 Abs. 1 Nr. 2 Ausländergesetz damaliger Fassung, das nicht auf Bestrafung, sondern auf Verurteilung abstelle. Die öffentliche Z u s t e l l u n g ($ 40 StPO) widerspricht so sehr einem tragenden 5 Grundsatz des JGG - nämlich der Nicht-Öffentlichkeit - (vgl. § 48; § 6, 5), daß sie g e g e n J u n z u l ä s s i g ist (OLG Stuttgart MDR 87, 340 u. StV 87, 308; Eisenberg 6; Ostendorf % 48,7; Nothacker S. 279); sie kann auch das Verfahren gegen einen J nicht fördern, denn sie wird ihn nicht erreichen; in seiner Abwesenheit soll aber grds. nicht verhandelt werden (§501). Das gilt auch f ü r die Berufungsverhandlung (OLG Stuttgart Justiz 87,75, das einem inzwischen längst Volljährigen deshalb Wiedereinsetzung gewährte; Schäfer NStZ 98,330); aA f ü r die Berufungsverhandlung LG Zweibrücken MDR 91, 985; LG Berlin Beschl. v. 8 . 7 . 1 9 7 5 (513) Ju Ns 21/75 (44/ 75). Zur öffentlichen Zustellung des Sicherungshaftbefehls § 61, 8. 2.

A l l g e m e i n e Vorschriften

„Allg. Vorschriften" enthalten neben StGB, StPO u n d GVG das gesamte Nebenstrafrecht (AO, BtMG, Wehrstrafgesetz s. vor § 112a, 3), das Landesstrafrecht u n d die Straffreiheitsgesetze. 79

6

$ 2 7

1. Teil. Anwendungsbereich

Welches Verhalten strafbar ist, b e s t i m m t stets das allg. Recht. Auch dessen Auslegung erfolgt nach allg. Grundsätzen. N u r die Folgen des Unrechts sind nach JGG andere. - Für eine bes. „jgemäße Auslegung" bietet das Gesetz keine Grundlage. Sie ist auch nicht notwendig, weil - nach Bejahung des Straftatbestandes u n d nach Ü b e r p r ü f u n g aller Möglichkeiten, das Verfahren einzustellen (SS 153 ff StPO; SS 45, 47) - alle Schwierigkeiten bei richtiger Anwendung des $ 3 u n d richtiger Auswahl der Unrechtsreaktion (S 5) vermieden werden. Bei wertausfüllungsbedürftigen Begriffen kann allerdings gleiches Tun bei einem J anders zu beurteilen sein als bei einem Erw. (vgl. böswillig: kindlich-gefühllos; rücksichtslos: kindlichunbedacht) (Dallinger/Lackner 5). Wegen des Irrtums $ 3, 12. Wulf (Informationsdienst der DVJJ-BW1983,97) weist darauf hin, d a ß es einem J, der eine m i t einem Fan-Club-Emblem versehenen Jeansjacke als Siegestrophäe für den Clubraum u n t e r Drohungen herauspreßt, n u r u m den idealen Wert gehe; eine solche atypische Tat werde deshalb jgemäß(!) richtiger als Nötigung und nicht als räuberische Erpressung behandelt, was auch Folgen f ü r Verfahrensverlauf u n d Registrierung habe. Auch das vermag jedoch eine .¿spezifische Tatbestandsauslegung" n i c h t zu rechtfertigen, da so die Sicherheit u n d Berechenbarkeit des Rechts wie auch dessen gleichmäßige Anwendung gefährdet erscheinen. Im übrigen k a n n auch entsprechend der hM ein jgemäßes Ergebnis erzielt werden. S 2 4 4 a StGB gilt auch f ü r JBanden (BGH NStZ-RR 00,344). Märker (Vorsatz u. Fahrlässigkeit bei jugendlichen Straftätern, 1995 S. 280) will Zurechnung jugendlichen Verhaltens z u m Vorsatz ausschließen, wenn der J lediglich mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat u n d als Rechtsfolge ErzMaßregeln oder Zuchtmittel in Betracht kämen; Fahrlässigkeitshaftung soll bei u n b e w u ß t e r Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein. Aus d e m geltenden Recht läßt sich dies jedoch nicht ableiten. Z u m Verhältnis von JGG u. StPO s. Eisenberg NStZ 99, 281. 3.

Verwaltungs Vorschriften

8

S 2 gilt auch f ü r Verwaltungsvorschriften wie GnadenO (S 13, 7; vor S 82, 7), Mitteilungen in Strafsachen u n d RiStBV (die zB n u r ergänzend nach den RL z u m JGG [dazu Rn 8 a] anwendbar sind); Eisenberg 12; Nothacker Zbl. 85, 107; aA Ostendorf 7. Werden in diesen Vorschriften allg. Begriffe verwendet, die für das JRecht bes. b e s t i m m t sind, wirkt das JGG auf diese Vorschriften ein. Wenn zB in einer G n a d e n o r d n u n g der Vollstreckungsbehörde Rechte eingeräumt oder Pflichten auferlegt sind, wird der nach JS 82 ff zuständige Vollstreckungsleiter tätig. Zur Einwirkung von Grundsätzen des JGG in Verwaltungsentscheidungen vgl. § 1 7 , 4 aE u. Einf. II 21.

8a

Die Richtlinien z u m JGG w u r d e n 1994 von den Landesjustizverwaltungen bundeseinheitlich erneuert (Einf. II 46 a). Die E i n f ü h r u n g ist nur sprachlich neu gefaßt. Sie besagt vor allem, d a ß die RL das Gericht nicht binden, sondern n u r Hinweise u n d Empfehlungen geben, die z u berücksichtigen „ d e m Gericht überlassen" bleibt, soweit sie nicht „die Art der A u s f ü h r u n g eines Amtsgeschäfts" 80

Anwendung des allgemeinen Rechts

52

betreffen. Der (weisungsgebundenen) StA, an die sich die RL vornehmlich wenden, geben sie „für den Regelfall Anleitungen und Orientierungshilfen, von denen wegen der Besonderheit des Einzelfalles abgewichen werden kann". Soweit die RL nichts Besonderes bestimmen, gelten ergänzend die RiStBV. Die neuen RL sind gestrafft, zum Teil aber wiederholen sie nur Regelungen des 8 b JGG und des BZRG. Einige Weglassungen von Bestimmungen der RL von 1955 sind geeignet, zu Fehlinterpretation und Irritationen und damit zugleich zu vermeidbaren Schwierigkeiten unter den Verfahrensbeteiligten zu führen (vgl. dazu SS 24, 25, 2; S 43,16 u. § 38, 4; auch $ 38, 7, § 50,12). Zum Teil bringen die neuen RL nur marginale oder sprachliche Änderungen, teils auch unter Auswechslung der Numerierung. Ostendorf (DVJJ-J 94,191 f) übt herbe Kritik an den neuen RL. Die Einführung vernebele „ihren Geltungsbereich mehr als sie ihn verdeutliche"; die als „hilfreiche, überflüssige, anmaßende oder kontraproduktive" katalogisierten Hinweise der RL (aaO 192) nähmen nach Berichten aus der Praxis „ . . . zum Teil gesetzesersetzende Funktion" ein und gäben nur eine bestimmte Sichtweise, nicht unabhängig von exekutiv-administrativen Wünschen wieder (aaO 191). 4.

OWiG

Begeht ein J oder Hw. eine Ordnungswidrigkeit nach dem Gesetz über Ord- 9 nungswidrigkeiten - nach Bundes- oder Landesrecht ($ 2 OWiG) - , so gelten sinngemäß die Vorschriften des JGG, soweit das OWiG nichts anderes bestimmt (S 461 OWiG). Gegen J und Hw. kann somit von Verwaltungsbehörde und Gericht bei Ordnungswidrigkeiten nur auf Geldbuße oder Fahrverbot erkannt werden ($ 1, 13 OWiG; BayObLG NJW 72, 837; OLG Köln Verkehrsrechtl. Mitt. 76, 36 u. VRS Bd. 60 [81], 454; OLG Stuttgart HESt. zu § 9 JGG 3). Dazu auch § 50,6 u. § 67, 17. Der JRichter kann allerdings zugleich mit der Festsetzung der Geldbuße im Urteil oder Beschluß bestimmen, daß der J oder Hw. unter den Voraussetzungen des $ 98 I OWiG an Stelle der Geldbuße eine bestimmte oder mehrere Anordnungen dieser Vorschrift zu befolgen hat (§ 82,14; OLG Köln aaO). Auf die sonstigen Folgen einer JStraftat ($ 5) darf nicht erkannt werden. Wegen der Möglichkeiten in der Vollstreckung $ 11, 10; § 82, 6 u. 11. 5.

Rechtsstaatliche Erfordernisse und Erziehungsaufgabe

Allg. rechtsstaatl. Erfordernisse können mit dem ErzAufträg des JStrafrechts in 10 Widerstreit geraten (vgl. auch Einf. 153). So ist zB der J nicht verpflichtet, bei der Vernehmung vor Polizei, StA oder Richter zur Sache auszusagen, und muß darüber belehrt werden (§§ 163,136,163 aStPOJ.DerJ wird mit dieser Entscheidung, auszusagen oder zu schweigen, im Regelfall überfordert und schweigt uU aus Trotz oder Angst entgegen seinem inneren Drang, sich zu offenbaren und reinen 81

l.Teil. Anwendungsbereich

Tisch zu machen. Damit zugleich verbaut er sich die ihm günstigen Verfahrensmöglichkeiten gem. SS 45 I, 47 I Nr. 1, die nach einem Geständnis ohne überschießenden Aufwand sinnvollere erz. Einwirkung erlauben. Da das JGG hierzu keine Sondervorschriften enthält, der Hinweis auf die zwei Verteidigungsmöglichkeiten aber dem in Art. 1 GG normierten Grundsatz entspricht, daß niemand gegen sich selbst auszusagen braucht (Kleinknecht/Meyer-Goßner $ 136 StPO 7), kann diese Vorschrift nicht aus dem Sinngehalt des JGG (Rn 7) unbeachtet bleiben. Als Lösung wird es darauf ankommen, den J bei dieser möglicherweise auch für seine künftige Haltung und Entwicklung bedeutsamen Entscheidung nicht allein zu lassen und ihn mit aller Offenheit verständlich und vorsichtig zu belehren (Einf. 153; vgl. dazu auch NothackerS. 149 u. S. 272), um den Sinngehalt des JGG zu erfüllen. Vgl. Kaiser NJW 68, 777; Bertram MKrim. 68, 286. Solche Überlegungen dürfen aber nie dazu führen, daß die bes. Mentalität des J unfair ausgenützt, daß versucht wird, ihn zu überreden, und er sich „hereingelegt" fühlen könnte. Vgl. dazu Einf. II 10. Nach BGH MDR 90, 68 führt es zu keinem Verwertungsverbot, wenn ein Polizeibeamter ein spontan vor der Beschuldigtenbelehrung abgelegtes Geständnis entgegennimmt, solange dies ohne sein Zutun geschehen ist.

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Zweiter Teil Jugendliche Erstes Hauptstück Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften § 3 Verantwortlichkeit Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie der Familienoder Vormundschaftsrichter. 1. [Hw.]: S 105 I, RL 1 zu § 105. - 2. ErwG: $ 104 I Nr. 1. Richtlinien zu $ 3: 1. Verbleiben nach Ausschöpfung anderer Ermittlungsmöglichkeiten emsthafte Zweifel an der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, ist zu prüfen, ob ein Sachverständigengutachten einzuholen ist (vgl. auch die SS 38,43,73 und die Richtlinien dazu). Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. 2. Ergibt die Prüfung, daß der Jugendliche mangels Reife nicht verantwortlich ist oder kann die Verantwortlichkeit nicht sicher festgestellt werden, so stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein ($ 170 Abs. 2 StPO); ist die Anklage bereits eingereicht, so regt die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens an ($ 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4). Schrifttum: BauerfThcss Die Schuldunfähigkeit des Straftäters als interdisziplinäres Problem, NJW 83,305; Beckmann Die Bestimmung der strafrechtl. Verantwortlichkeit nach $ 3, Diss. Kiel 1969; Bohnert StrafmUndigkeit u. Normkenntnis, NStZ 88,249; Bretter JZurechnungsfähigkeit oder Strafmündigkeit? ZStW 62, 579; ders. Psychologie u. Psychopathologie der J, in Göppinger/Witter(Hrsg.) Hdb. der Forensischen Psychiatrie, 1972; Freisleder Rechtsfragen bei Kindern, J u. Hw., in Nedopil Forensische Psychiatrie, 2. Aufl. 2000 S. 60; Haddenbrock Medizinischpsychiatrisches oder (und) psychologisches Kriterium der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit, Psychologische Rundschau 66, 1; Kaufmann/Pirsch Das Verhältnis von $ 3 JGG zu § 51 StGB, JZ 69, 358; Keller Die Entsch. nach S 3, med. Diss. Tübingen 1974; KellerfKuhn/Lempp Untersuchungen über die Entscheidungen gem. SS 3 u. 105 an süddeutschen Amtsgerichten, MKrim. 75, 153; Lemm Die strafrechtliche Verantwortlichkeit jugendlicher Rechtsbrecher, 2000; Lempp JPsychiatrisch-psychologische Beurteilung der Strafmündigkeit gem. S 3 JGG,

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2. Teil. Jugendliche

1967; ders. Das Problem der Strafmündigkeit aus kinder- u. jugendpsychiatrischer Sicht, RdJ 72,326; ders. Gerichtliche Kinder- u. JPsychiatrie, 1983; Miehe Zur Anordnung von Hilfen zur Erz. nach SS 27 bis 35 SGBVm durch Vormundschafts- u. JRichter, FS Fenge, 1996 S.429 = DVJJ-J 97,260; Oehler Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit Jugendlicher, Münchener mediz. Wochenschrift 65,174; Ostendorf Die Prüfung der strafrechtl. Verantwortlichkeit nach S 3, j z 86, 664; Ottinger Die bedingte strafrechtliche Reife (SS 3,105 JGG), in Blau/Müller-Luckmann (Hrsg.) Gerichtliche Psychologie, 1962 S. 192; Peters Die Beurteilung der Verantwortungsreife, in Undeutsch (Hrsg.) Forensische Psychologie. Handbuch der Psychologie Bd. 11,1967 S. 260; Rasch Forensische Psychiatrie, 2. Aufl. 1999; Schaffstein Die JZurechnungsfähigkeit in ihrem Verhältnis z u r allg. Zurechnungsfähigkeit. ZStW 65, 191; Schilling Begutachtung von strafrechtlicher Verantwortlichkeit u. Schuldfähigkeit aus der Sicht des JPsychologen, NStZ 97,261; Schmidt Die Frage der psychologischen Kriterien für die Beurteilung der Schuldfähigkeit, Psychologische Rundschau 66, 80; Schmitz Die Problematik der Altersgrenzen gem. $ 3 u. S 105, RdJ 74,163; Schütze/Schmitz Strafrechtliche Verantwortlichkeit, Strafreife u. schädliche Neigungen, in Lempp/Schütze/Köhnken (Hrsg.) Forensische Psychiatrie u. Psychologie des Kindes- u. JAlters, 1999 S. 127; Specht Neurotische Störungen u. Entwicklungskrisen im JAlter, in Venzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung, 2. Aufl. 1994, S. 379; Streng Die Einsichts- u. Handlungsreife als Voraussetzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit DVJJ-J 97, 379; Strunk S 3 des JGG u. der medizinische Sachverständige, MKrim. 65,217; Uslar Vorl. Mitteilung über d. Anwendung von Sozialtests bei d. Reifebeurteilung, MKrim. 71,136; Walter/Kubink $ 3 JGG - $ 17 StGB: gleiche Tatbestandsstruktur? GA 95, 51. Vgl. auch die Beiträge von Schätze ua in DVJJ-J 97, 366 ff.

Übersicht Vorbemerkungen 1. StrafmUndigkeit und deren Prüfung 2. Teilbarkeit der Strafmündigkeit 3. Strafmündigkeit als Schuldvoraussetzung 4. Verhältnis zu SS 20, 21 StGB 5. Alkohol und Drogen 6. Verbotsirrtum 7. Tatbestandsirrtum 8. Eidesmündigkeit 9. Familien- oder vormundschaftsrichterliche Maßnahmen 10. Anfechtung

Rn 1 4 6 7 10 11 12 13 14 15 19

Vorbemerkungen 1 § 3 regelt die strafrechtliche Verantwortlichkeit. Bei der kriminalpolitischen Beurteilung ist zu berücksichtigen, daß die ErzMaßregeln des JGG geradezu für die angemessene Behandlung strafunmündiger, aber erzmündiger Täter geschaffen sind. Die Frage müßte also eher nach der ErzMündigkeit gestellt werden. Diese ist aber schon bei normalen Schulkindern gegeben; Ausnahmen gibt es eigentlich nur bei geistig oder seelisch kranken J, denen man gem. SS 20, 21 StGB gerecht werden kann. - Umgekehrt kann die Exkulpierung J erz. gefährlich sein; denn die Ausbildung ethischer Normen bei einem jungen Menschen kann empfindlich gestört werden, wenn er für Straftaten nicht zur Rechenschaft gezogen wird (Einf. II 8; Merguet MKrim. 58,102 schon für Kinder; Schöch in JStrafrecht an der Wende S. 138, der darauf hinweist, daß die Verneinung der Verantwortungs84

Verantwortlichkeit

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reife für den J stigmatisierende Konsequenzen haben und das Selbstwertgefühl beeinträchtigen kann). Vgl. dazu aber auch Eisenberg 14, der sich darauf beruft, daß es durchaus umstritten sei, ob und inwieweit das JStrafverfahren geeignet sei, den ErzAnspruch des J einzulösen. Aus all diesen Gründen hält Bresser (ZStW 62, 579; zust. Hellmer NJW 64,179) den § 3 für ein historisches Überbleibsel; denn die ihm entsprechende Vorschrift des alten Rechts (§ 56 StGB aF) sei geschaffen worden, als schon die 12jährigen bestraft wurden, und zwar mit den Strafen des ErwStrafrechts. Die Bedenken gegen $ 3 beruhten auch darauf, daß eine wirklich begründete Entscheidung nicht getroffen werden könne, weshalb die Ergebnisse zwischen den einzelnen Gerichten und Gutachtern weit auseinandergingen. Vgl. dazu auch Bohnert in R n 4 u. Miehe in JStrafrecht an der Wende S. 143, 160, der $ 3 als gescheitert bezeichnet u. für ersatzlosen Wegfall plädiert. Andererseits wird § 3 als eine Grundlage dafür angesehen, die Anwendung des Strafrechts auf J zurückzudrängen und durch eine extensive Interpretation der Vorschrift eine Entkriminalisierung zu erreichen (Ostendorf JZ 86,664 u. in BMJ, Hrsg., Grundfragen des JKriminalrechts u. seiner Neuregelung, 1992 S. 200; Walter NStZ 92, 473).

2

Die Strafmündigkeit gemäß § 3 ist in jedem Einzelfall sorgfältig z u prüfen und 3 im Urteil darzulegen. Nach empirischen Befunden wird § 3 jedoch in vielen Urteilen nicht erwähnt oder nur knapp und formelhaft behandelt (Ostendorf Grdl. z. S 3,4; Frehsee FS Schüler-Springorum, 1993 S. 383 f, jeweils mwN). Ostendorf (aaO) hält der Justiz daher vor, § 3 nicht ernst zu nehmen, Albrecht (S. 99), ihn tendenziell nicht zu beachten. Viele Delikte Jugendlicher sind allerdings so einfach strukturiert, daß eine Exkulpierung wegen Strafunmündigkeit die Ausnahme sein wird (Freisleder 2000 S. 62; Lempp 1983 S. 206; Miehe JStrafrecht. Kurseinheit 1, 1994 S. 13; Rasch 1999 S. 78 f, 368; Schäch in JStrafrecht an der Wende S. 138; vgl. auch Weinschenk MKrim. 84,15). Daß oft JStrafe nicht in Betracht kommt, ändert daran nichts, da $ 5 in solchen Fällen den Richter veranlaßt, nur auf ErzMaßregeln zu erkennen; das entspricht auch der Praxis, die JStrafe nur in Ausnahmefällen gegen unter 16 Jahre alte Angeklagte verhängt (näher $17,4). Zur JStrafe wegen Schwere der Schuld § 17, 14. Der einheitliche Strafmündigkeits-Begriff bleibt also unangetastet. - Der Sachverständige wird, falls er den J nur für strafmündig für ErzMaßregeln hält, das in seinem Gutachten bes. hervorheben müssen (vgl. dazu Schaffstein ZStW 63, 207; Miehe Zbl. 82, 89; aA Ostendorf Grdl. zu § 3 Rn6). Zur jspychologischen Begutachtung der Strafmündigkeit Schilling NStZ 97,261. Allg. zum Sachverständigen im JStrafverfahren § 4 3 , 15 ff. 1.

Strafmündigkeit u n d deren Prüfung

Kinder sind stets schuldunfähig (§ 19 StGB), Hw. wie Erw. immer strafmündig 4 (S 105 nennt $ 3 nicht). J sind nur bedingt strafmündig, nämlich nur, wenn bei ihnen Verstandesreife, ethische Reife und Widerstandsfähigkeit (auch: Willensbildungsfähigkeit) gegeben sind. Der J m u ß nicht nur Recht und Unrecht allg. 85

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auseinanderhalten, sondern auch im Einzelfall verstehen können, d a ß die Rechtso r d n u n g dieses Verhalten nicht erlaubt. Ob er das U n r e c h t tatsächlich eingesehen hat oder einsieht, ist nur als Anzeichen f ü r die Einsichtsfähigkeit von Bedeut u n g . Das Abstellen auf die Einsichtsfähigkeit bedeutet entgegen Walter/Kubtnk (GA 95, 58) nicht die E i n f ü h r u n g eines Verschuldens für Reifemängel. Vielmehr k o m m t es auf die Persönlichkeit des J z u m Zeitpunkt der Tat an u n d kann ein Entwicklungsrückstand gerade z u r Verneinung der Einsichtsfähigkeit f ü h r e n . Die Strafbarkeit braucht der J n i c h t erkennen z u k ö n n e n (RG DR 44, 659; Eisenberg 16; Ostendorf 7); andererseits genügt die Erkenntnis des Sittenwidrigen oder Unmoralischen nicht (Dallinger/Lackner 4; BGH 1 0 , 4 1 f ü r den Verbotsirrtum). - Der J m u ß nach seinem Entwicklungsstand zu der Erkenntnis befähigt sein, d a ß seine H a n d l u n g mit einem geordneten u n d friedlichen Zusammenleben der Menschen unvereinbar ist und deshalb von der Rechtsordnung nicht geduldet werden kann (LG Passau NJW 97, 1166; Schqffstein/Beulke S.57); er m u ß das Verbot als sittlichen Wert erleben und seine H a n d l u n g rechtlich als beanstandenswert empfinden k ö n n e n (BGH EJF C I Nr. 3; Dallinger/Lackner 5). Kritisch dazu Bohnert (NStZ 88,250): Es würde damit zu Beurteilungsleistungen erstaunlicher Art aufgerufen, was häufig zu Freisprüchen u n d Einstellungen f ü h r e n müßte; die geforderten Explorationen seien beim mitwirkungswilligen J wenig aussichtsreich, beim inaktiven fast erfolglos. Vgl. aber z u m Vorgehen des jpsychologischen Sachverständigen Schilling NStZ 97,261. - Geistig u n d sittlich reif, das Unrecht einzusehen im Sinne des § 3 ist jedenfalls, wem b e w u ß t ist, d a ß er etwas Verbotenes t u t (BGH Herlan GA 59, 47). Nur bei außergewöhnlichem ErzNotstand u n d bei ganz bes. schlechten Vorbildern in Elternhaus u n d Umwelt wird diese Voraussetzung bei den üblicherweise vorkommenden Delikten - abgesehen von erheblichen geistigen Entwicklungsrückständen - einmal nicht gegeben sein (Rasch 1999 S. 79,368); meist wird dann aber eine sittliche Verwahrlosung vorliegen, die ein Eingreifen des Familien- oder Vormundschaftsrichters erfordert. Anhaltspunkte Eisenbergs (16) d a f ü r , d a ß (Kinder und) J m i t u n t e r zB ein Verbot „Spielen auf d e m H o f ebenso werten wie ein Verbot für das Stehlen, sind instruktiv, und das Beispiel bei Böhm (S.41) k a n n aufmerken lassen, d a ß wohl jedes Kind weiß, daß man ein fremdes Fahrrad nicht stehlen darf, d a ß aber manche J sich nicht vorstellen können, daß dessen Verkauf an einen Gutgläubigen d e n Tatbestand des Betrugs erfüllt. Dazu auch Rn 5. - Der J m u ß schließlich nach der geistigen Einsicht u n d dem sittlichen Empfinden h a n d e l n , also den Verlockungen zur Tat widerstehen k ö n n e n , u n d zwar kraft schützender Gegenvorstellungen, bes. k r a f t der Einsicht in seine Rechtspflichten (Beispiele v. Schlotheim UJ 56, 152). Bes. Abhängigkeiten von älteren Personen oder Gleichaltrigengruppen sowie Geschlechts- und Besitztrieb k ö n n e n bei J oft trotz richtiger Einsicht u n d W e r t u n g alle H e m m u n g e n überwinden (Lempp 1983 S. 207 ff). Gerade d a n n ist erz. die Entwicklung von Hemmungsvorstellungen notwendig, weshalb familien- oder vormundschaftsrichterliche Maßnahmen (§ 3 S. 2), mindestens eine eindringliche E r m a h n u n g , nie unterbleiben sollten (vgl. Lempp 1983 S. 206, nach d e m in jedem Fall ein klärendes Gespräch zu führen ist). - Verstandesreife, ethische Reife und Willens86

Verantwortlichkeit

$ 3

bildungsfähigkeit müssen bei diesem Täter zZ der Tat für d i e spezielle Tat vorhanden sein. Die Strafmündigkeit m u ß also f ü r jede Tat gesondert geprüft u n d eigens beantwortet werden (BGH Herlan GA 61,358; Schaffstein ZStW 65,202; Bohnert NStZ 88, 249). Vgl. auch Rn 6. - Wegen der Bedeutung einer krankheitsbedingten Entwicklungsstörung f ü r die Strafmündigkeit Rn 10. Zu ausländis c h e n J Einf. I 20. Die notwendigen Feststellungen können n u r auf G r u n d einer eingehenden in- 5 dividucllen P r ü f u n g getroffen werden, da die Gruppe der J ganz verschiedenartige Persönlichkeiten u m f a ß t . Bes. die heutige J weist große Schwankungen im Reifeprozeß auf (Einf. n 1). Auch „normale" J bis 16 Jahre sind oft noch in der kindlichen ich-bezogenen Vorstellungswelt befangen, weshalb ihnen das Verständnis f ü r die Belange anderer abgeht. Die 16- u n d 17jährigen leben häufig im „Sturm u n d Drang"; sie können oft nicht genügend Widerstandskraft aufbringen, z u m a l auch ihrem Selbständigkeitsdrang häufig n u r unentwickelte ethische Vorstellungen entgegenstehen; doch fehlt die Altersreife nur dort, wo der Drang übermächtig ist (Potrykus B 2 c). Nach MaurachfZipf(S. 511) darf diese den J eigentümliche seelische Unausgeglichenheit als solche nicht m i t dem Fehlen von Einsichts- u n d Steuerungsvermögen gleichgesetzt werden, könne aber als übermächtiger Antrieb trotz Einsichtsfähigkeit zu einem Versagen des Direktionsvermögens führen. - Bes. sorgfältig ist z u prüfen, w e n n es u m Tatbestände geht, die ein bes. V e r a n t w o r t u n g s b e w u ß t s e i n (Amtsdelikte, Untreue, Berufsgeheimnis, Aufsichtspflicht) oder tiefere Einsichten i n die Sozialordnung (Hochverrat, Warenhausdiebstahl, Betrug z u m Nachteil einer öffentl.-rechtl. Körperschaft) voraussetzen oder die in der U m g e b u n g des J als „Kavaliersdelikte" (Helfer MKrim. 67, 175; Brunner Zbl. 74, 378; EggJSponsel MKrim. 78, 38) angesehen werden (Schmuggel, Wilderei, einfache Karten-Glücksspiele) oder die n u r die Fortsetz u n g e i n e s i m s t r a f u n m ü n d i g e n Alter b e g o n n e n e n Verhaltens sind. „Raufen wird ab 14 Jahren Körperverletzung" {Ostendorf 9). Z u ausländischen J u. Hw. Einf. 1 1 9 , 2 0 . Zur P r ü f u n g der Altersreife bei Ordnungswidrigkeiten durch die Polizei Vor § 76, 3. 2.

Teilbarkeit d e r Strafmündigkeit

Die Strafmündigkeit ist teilbar, weil strafrechtliche Rechtsfolgen stets nur an 6 bestimmte, in den Tatbeständen umrissene Verhaltensweisen g e k n ü p f t werden (BGH 10,38). Sie kann f ü r einige von mehreren tatmehrheitlich oder tateinheitlich zusammentreffenden (unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge, BGH Herlan GA 61, 358) oder im Verhältnis der Gesetzeseinheit stehenden Tatbeständen gegeben sein, f ü r andere nicht (RG 47, 387), u n d zwar auch im Verhältnis des Grundtatbestandes z u r Qualifikation (Dallinger/Lackner 19; Eisenberg 5 - 7 ; Ostendorf 8; Lange JZ 49, 399). Es k a n n immer n u r soweit verurteilt werden, als die Unrechtseinsicht und die Willensbildungsfähigkeit reicht.

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3.

Strafmündigkeit als Schuldvoraussetzung

7 Die Strafmündigkeit ist Schuldvoraussetzung (BGH 9, 382; Dallinger/Lackner 18). Fehlt sie oder kann sie nicht sicher festgestellt werden, stellt der StA das Verfahren nach $ 170 II StPO mangels ausreichenden Tatverdachts ein; der Richter lehnt die Eröffnung des Hauptverfahrens nach $ 204 StPO ab, nach Eröffnung des Hauptverfahrens spricht er bei Entscheidung durch Urteil frei oder stellt das Verfahren außerhalb oder in der Hauptverhandlung nach $ 471 Nr. 4 ein (RL 2; Eisenberg § 47, 12; DSS¡Diemer $ 3, 30-33; Bohnert NStZ 88, 255). Wo ein erz. meist ungünstiger Freispruch unvermeidlich ist, muß idR wenigstens der äußere Tatbestand festgestellt werden, denn das Fehlen der Altersreife kann nur im Hinblick auf einen bestimmten Geschehensablauf beurteilt werden. Auch wird der J durch die Eintragung der Entscheidung in das ErzRegister ($ 60 I Nr. 6 BZRG) beschwert, was nur bei Nachweis der Erfüllung eines Straftatbestandes gerechtfertigt ist (DSS/ Diemer 34). Ausnahmen kommen nur nach sorgfältiger Einzelfallabwägung in Betracht (vgl. AG Kiel NJW 52,1429, um die Vernehmung eines Kindes als Zeugen zu vermeiden; dazu kritisch Pottykus NJW 53, 276). Ist der Angeklagte strafunmündig, werden sich häufig Maßnahmen nach § 3 S. 2 empfehlen (vgl. aber auch Dallingerß-ackner 46, nach denen die Verhängung von ErzMaßnahmen dem Vormundschaftsrichter überlassen werden sollte). 8 Eine Verurteilung setzt voraus, daß die Altersreife positiv festgestellt ist (§ 54, 14). Die schwierigen Feststellungen sind grds. unter Einschaltung der JGH (vgl. Momberg Die Ermittlungstätigkeit der JGH u. ihr Einfluß auf die Entscheidung des JRichters, Diss. Göttingen 1982 S. 133), ggf. unter Zuziehung eines Sachverständigen sorgfältig zu treffen (S 43); dabei ist es zweckmäßig, wenn sich der Sachverständige auch über die aus dem Entwicklungsstand zu ziehenden Folgerungen äußert. Bei nicht behebbaren Zweifeln ist zugunsten des J Strafunmündigkeit anzunehmen (Rn 10 a; Ostendotf 15). Nach dem auch hier zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (RL 1 S. 2) darf ein Sachverständigengutachten bei Bagatelldelikten nicht eingeholt werden, wenn bei Berücksichtigung aller Umstände, insbes. auch der zu erwartenden Sanktion, der J dadurch unnötigen Belastungen ausgesetzt würde. 9 Für andere an der Straftat Beteiligte und für die Anwendung des $ 199 StGB gilt bei fehlender Altersreife iSv $ 3 dasselbe wie bei Kindern ($ 1,15 f). Bei nach § 3 Strafmündigen kann unter den Voraussetzungen der SS 81 g StPO, 2 DNA-IdentitätsfeststellungsG eine Identitätsfeststellung im Hinblick auf künftige Strafverfahren vorgenommen werden (Senge NJW 99, 254). 4.

Verhältnis zu SS 20, 21 StGB

10 Die S$ 20, 21 StGB betreffen von der Entwicklung unabhängige, überwiegend bleibende Störungen, §3 aber Reifemängel im normalen, regelwidrigen oder krankhaften biologischen Entwicklungsprozeß von vorübergehender Natur (BayObLG 58, 264; Dallinger/Lackner 27; aA Stutte MKrim. 55, 58: nur bei normal 88

Verantwortlichkeit

$3

verlaufender, wenn auch verzögerter Entwicklung). § 3 setzt voraus, daß eine Nachreifung noch möglich ist (Schätze/Schmitz S. 130). Überschneidungen sind möglich, bes. bei j. Psychopathen (zur Zuordnung von Psychopathien OLG Hamm NJW 77,1498). Beide Vorschriften stehen unabhängig nebeneinander; mangelnde Reife kann niemals der Schuldunfähigkeit gleichgestellt werden (BayObLG 58,263). Der nur mangels Altersreife nicht verantwortliche J kann nicht nach $ 7, $ 63 StGB untergebracht werden (Schaffstein/Beulke S. 60; Tröndle/Fischer $ 63 StGB 2 a; KMR¡Paulus $ 413 StPO 9). Andererseits ist zB bei j ungen Debilen, die oft nur den Entwicklungsstand eines Kindes erreichen, die Unterbringung angebracht, eine erz. Maßnahme aber nicht veranlaßt. Liegen aber bei einem nach § 3 strafunmündigen J zugleich die Voraussetzungen der SS 20,21 StGB vor, so ist die Unterbringung statthaft (BGH 2 6 , 6 7 = JR 76,116 mit zust. Anm. Brunner; DSS/Diemer 28; Maurach/Zipf S. 512f; Nothacker S. 177; Tröndle/Fischer aaO). Diese Entscheidung sollte den Gesetzgeber veranlassen, $ 3 zur Klarstellung in diesem Sinne zu ergänzen (so schon Sauer NJW 49,291). Es m u ß also grds. zuerst geprüft werden, ob bei dem J die $$ 20, 21 StGB vorliegen und eine Reaktion verlangen (MaurachfZipf S. 513; Potrykus 3; Dallinger/Lackner 28: sachliche Gleichberechtigung unter Vorrang der Prüfung des § 20 StGB). Ist bei einem nach $ 3 strafunmündigen J, bei dem daneben Schuldunfähigkeit nach $ 20 StGB vorliegt, die mögliche Unterbringung nicht notwendig, so können ErzMaßnahmen nach S 3 S. 2 angeordnet werden. Nach aA geht § 3 vor, wenn dessen Voraussetzungen und zugleich die der §5 2 0 , 2 1 , 6 3 StGB vorliegen (OLG Karlsruhe NStZ 00,485; Eisenberg 36, 39; für Wahlrecht zwischen den Rechtsfolgen Schaffsteinßeulke S.60f). $ 3 betrifft jedoch nur entwicklungsbedingte Störungen u n d sagt nichts darüber aus, wie zu verfahren ist, wenn zugleich pathologisch bedingte Störungen vorliegen (BGH 26, 68 f). Für solche Störungen hat das Gesetz vielmehr in § 7 entschieden, daß zum Schutz der Allgemeinheit und im Behandlungsinteresse des J die Unterbringung nach $ 63 StGB zulässig ist (BGH 26, 70). $ 3 ist daher keine den $ 7 verdrängende Spezialvorschrift (vgl. aus psychiatrischer Sicht Rasch 1999 S. 80). Kann nicht aufgeklärt werden, ob die Schuldunfahigkeit nur entwicklungsbe- 10 a dingt im Sinn von $ 3 ist oder (zugleich) auf einem vom Reifungsvorgang unabhängigen pathologischen Zustand beruht ($ 20 StGB), so ist nur § 3 anzuwenden (zust. Eisenberg40; Ostendorf3; Kaufmann/Pirsch JZ 69,358; Lenckner Hdb. d. Forens. Psychiatrie Bd. I, 1972 S. 78; Peters Forens. Psychologie 1967 S. 279; Schaffstein ZStW 77, 191; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron $ 20 StGB 44). Vgl. Rn8. Verminderte Schuldfähigkeit ($21 StGB) als fakultativer Schuldminderungsgrund erfordert stets noch die Prüfung nach § 3. Die Altersreife kann auch bei erheblich verminderter Schuldfähigkeit gegeben sein (BGH 5, 367; BGH GA 54, 303; NStZ 85,447; LG Passau NJW 97,1166; Ostendorf A). Wo strafrechtliche Verantwortlichkeit besteht, wird die Schuldminderung meist durch erhöhte ErzBedürftigkeit ausgeglichen (Dallinger/Lackner 34; Potrykus 5). Zur Einwirkung verminderter Schuldfähigkeit auf die Schwere der Schuld BayObLG Rüth DAR 85, 243 bei 89

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$ 17, 11. Die Strafmilderung des § 21 StGB wirkt sich auch auf JStrafe aus (BGH NJW 72, 963; MDR 77,107; StV 82, 437; StV 84, 254). 5.

Alkohol und Drogen

11 Eine Einschränkung der Schuldfähigkeit durch Alkoholgenuß kann grds. nicht allein aus bestimmten BAK-Werten gefolgert werden; es ist vielmehr durch sorgfältige Analyse des Einzelfalls zu ermitteln, ob zur Tatzeit eine relevante psychische Beeinträchtigung durch Alkoholkonsum vorgelegen hat (BGH 43, 66 gegen BGH 37, 231; BGH NStZ 98, 457; Dötting in Kiesel, Hrsg., Rausch, 1999 S. 170; Kröber NStZ 96, 569). Trotz verminderter Schuldfähigkeit im Tatzeitpunkt kann eine Strafmilderung versagt werden, wenn der Täter nach Alkoholgenuß zu Verhaltensweisen neigt, die der begangenen Tat entsprechen, und er sich dieser Neigung bewußt war oder hätte bewußt werden können (BGH 35, 145; BGH MDR 85, 947; NStZ 86, 115). IIa

Eine bloße Drogenabhängigkeit ohne weitere Auffälligkeiten oder sonstige bes. Umstände gibt noch keinen Anlaß, einen medizinischen Sachverständigen zur Frage einer etwaigen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit heranzuziehen (BGH Spiegel DAR 77, 175; vgl. auch OLG Köln Zbl. 78, 487). Will das Gericht jedoch verminderte Schuldfähigkeit bei Heroinabhängigkeit im Zusammenhang mit schweren Auffälligkeiten in der Persönlichkeit im Einzelfall positiv feststellen, so bedarf es idR eines weiterreichenden medizinisch-psychiatrischen Fachwissens, über das nur ein in Drogensachen erfahrener ärztlicher Sachverständiger verfügt; andernfalls muß das Gericht die eigene erforderliche Sachkunde in den Urteilsgründen ausweisen (OLG Köln Zbl. 81, 278 mwN). Eine langjährige Drogenkarriere mit erfolglosen Entziehungskuren und drogenbedingten Vorstrafen macht es unerläßlich, einen Sachverständigen zur Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit anzuhören (BGH 3, 169 u. BGH H MDR 78, 109 zu $ 21 StGB; OLG Köln NJW 76,1801 zu $$ 20, 21 StGB; OLG Köln MDR 81, 598 zu $ 21 StGB; vgl. Brunner Zbl. 71,243,250; JR 73,89 u. Zbl. 80,415; Kleiner MKrim. 71,151; Mechler bei Chilian MKrim. 74,42; Täschner/Wanke MKrim. 74,151; vgl. auch Einf. 149 ff). Treffen Aufputschmittel mit einem hirnorganischen Anfalleiden zusammen, muß nach BGH StV 86, 45 das Hemmungsvermögen ein Sachverständiger beurteilen. Bei Drogenbeschaffungsdelikten kommt ein Ausschluß der Schuldfähigkeit nur bei schwersten Persönlichkeitsveränderungen oder unwiderstehlichem Drang (Rauschhunger), der anderes Handeln ausschließt, in Betracht (BGH H MDR 77, 982). Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit liegt regelmäßig nur vor bei schweren Persönlichkeitsveränderungen aufgrund langjährigen Betäubungsmittelgebrauchs oder akuten körperlichen Entzugserscheinungen (Heroin) zur Tatzeit (BGH NJW 99,501), Angst vor schon als äußerst unangenehm erlebten Entzugserscheinungen (BGH NJW 89, 2336) oder Tatbegehung in einem akuten Rauschzustand (zusammenfassend BGH NStZ 99, 448; Ol, 82, 83, 85; BayObLG NJW 99, 1795; Theune NStZ 97, 57). Zu verminderter Schuldfähigkeit bei Ha90

Verantwortlichkeit schischkonsum BGH StV 89, 103, 386; allg. zur Schuldfähigkeit bei Drogenkonsumenten, zu den spezifischen Motivationen f ü r Beschaffungsdelikte u. z u $ 64 StGB Täschner NJW 84, 638, 639. Zu hw. Drogentätern $ 105, 31. Zu Drogenk o n s u m u. Fahrtüchtigkeit BGH 44, 219 mit Besprechung!. H. Schreiber NJW 99, 1770; VGH Baden-Württemberg DAR 88, 430; 90, 35; Harbort NJW 98, 348. Zu Alkohol u. Drogen auch Einf. 148-51. Vgl. auch KG StV 9 0 , 2 9 8 bei $ 6 8 , 2 0 aE. Zu den Auswirkungen suchtartigen K o n s u m s gewaltdarstellender Horror-Vid e o s bei gleichzeitigem schweren ErzVersagen der Familie auf Strafmündigkeit u n d Schuldfähigkeit s. LG Passau NJW 97,1165 =JR 9 7 , 1 1 8 mit Anm. Brunner, mit Besprechungen Eisenberg NJW 9 7 , 1 1 3 6 , Laue Jura 99 634 sowie Günter u. Lamnek DVJJ-J 97, 200 u. 201, das im konkreten Fall $ 21 StGB wegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bejaht hat. Zur Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit bei „Glücksspielsucht" s. AG München NStZ 9 6 , 3 3 4 mit Anm. Kellermann u. LG München NStZ 97, 282 mit Anm. Stoll. 6.

Verbotsirrtum

Verbotsirrtum ( $ 1 7 StGB) u n d mangelnde Altersreife sind voneinander unabhängig. Doch ist jener grds. dort zu entschuldigen, wo die Altersreife fehlt. Liegt sie vor, so ist er regelmäßig nicht entschuldbar, weil feststeht, d a ß der J das Unrecht seines Tuns hätte einsehen können. Deshalb ist $ 3 vor dem Verbotsirrtum zu p r ü f e n (Dallinger/Lackner 36; Eisenberg 32; Böhm S.42; aA Ostendorf 2). Die Möglichkeit, die Strafe bei verschuldetem Verbotsirrtum zu mildern, ist im JRecht wegen des eigenständigen Strafrahmens praktisch ohne Bedeutung, aber doch wohl zu berücksichtigen. Bohnert (NStZ 88,252) hingegen ist der Ansicht, d a ß § 3 S. 1 Alt. 1 neben $ 17 StGB keinen eigenen nachweisungspflichtigen Inhalt hat. 7.

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Tatbestandsirrtum

Ein Tatbestandsirrtum ($ 16 StGB) ist unabhängig von der Altersreife (Bruns JZ 64, 13 473). F ü h r t ein solcher I r r t u m zur A n n a h m e einer fahrlässigen Tat, ist bei den „vorschnellen" J die Altersreife bes. zu prüfen. Auch Unwissenheit u n d Unerfahrenheit können einen I r r t u m veranlassen. - Zur Abgrenzung von Tatbestandsi r r t u m u n d Strafunmündigkeit Bruns (JZ 6 4 , 4 7 3 ff): Der natürliche Vorsatz m u ß alle positiven Merkmale des Tatbestandes umfassen. N u r w e n n allein die Schuldfähigkeit fehlt, ist der Täter schuldunfähig. Fehlt es schon am natürlichen Vorsatz, liegt gar keine strafbare H a n d l u n g vor (aus BGH 18, 235 erweiternd). 8.

Die Eidesmündigkeit

ist keine selbständige Schuldvoraussetzung, sondern kann möglicherweise der Anlaß sein, die Voraussetzungen des § 3 sorgsam zu prüfen (QuedenfeldJZ 73,238).

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$ 3 9. 15

2. Teil. Jugendliche F a m i l i e n - o d e r vormundschaftsrichterliche M a ß n a h m e n

Familien- oder vormundschaftsrichterliche ErzMaßnahmen können auch dort vom JRichter angeordnet werden, wo die Altersreife fehlt ($ 3 S. 2) oder das Fehlen der Altersreife zugunsten des Täters unterstellt werden m u ß , weil diese Maßnahmen gegen Strafmündige ebenso wie gegen Strafunmündige ergriffen werden können. Vor Anordnung m u ß der JRichter aber freisprechen oder das Verfahren einstellen (Dallinger/Lackner 46).

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Dem JRichter stehen hier die M a ß n a h m e n des BGB zur Verfügung, nicht aber ErzMaßregeln nach $ 9 JGG, denn der Familien- oder Vormundschaftsrichter ist für deren Anordnung nicht zuständig (DSS/Diemer 37; Eisenberg 54; Ostendorf 19). Die Voraussetzungen der Vorschriften des BGB müssen gegeben sein, sie hat der JRichter ebenso zu prüfen, wie dies auch der Familien- oder Vormundschaftsrichter hätte tun müssen (Dallinger/Lackner 44; Eisenberg 4 2 ; Ostendorf 19; Wolf S. 3 0 2 m. FN 38), denn $ 3 S. 2 enthält nur eine „bedingte Kompetenzzuweisung von Befugnissen und keine eigenen materiellen Anlässe" (Bohnert NStZ 88, 255). H i l f e n z u r E r z i e h u n g nach SS 27 ff SGB v m darf der JRichter zwar nicht für das JAmt bindend anordnen (eingehend Miehe FS Fenge, 1996 S. 4 3 9 ff = DVJJ-J 9 7 , 2 6 2 ff), er kann aber den Eltern und dem J die Inanspruchnahme solcher Hilfen aufgeben (DSS/Diemer 36) und ggf. einen Pfleger bestellen, der einen Anspruch auf ErzHilfe gegenüber dem J A m t geltend machen kann (abw. Vorauflage; für eine Anordnungskompetenz des JRichters Eisenberg 4 2 ; Ostendorf 19). - Grds. sollte der Richter diese Maßnahmen dem Familien- oder Vormundschaftsrichter überlassen; eine Ausnahme aus erz. Gründen ist dort geboten, wo es bereits zur Hauptverhandlung gekommen ist, u m zu einem pädagogischen Abschluß zu kommen. Ordnet der JRichter Maßnahmen nach S. 2 an, so gelten für die A n f e c h t u n g die Vorschriften des JGG und daneben die der StPO (Eisenberg 59; Roestel UJ 64, 23). Bohnert (NStZ 88, 2 5 5 ) läßt ausnahmslos nur die Rechtsbehelfe zu, wie sie auch gegen die Entscheidungen des Familien- oder Vormundschaftsrichters gegeben sind; es sei nicht sinnvoll, die bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen von Strafgerichten nachprüfen zu lassen. - Die F a h r e r l a u b n i s kann bei fehlender Altersreife entzogen werden ($ 7, 13).

17

Spätere Ä n d e r u n g e n der getroffenen Maßnahmen kann nur der Familien- oder Vormundschaftsrichter vornehmen (Eisenberg 54; aA DSS/Diemer 37). Die Verhängung von JA nach S 11 II ist ausgeschlossen. Greift bereits im E r m i t t l u n g s v e r f a h r e n S 3 S. 1 ein, so stellt der StA das Verfahren nach $ 170 II StPO ein (Eisenberg 58; Nothacker S. 2 3 8 ; Bohnert NStZ 8 8 , 2 5 5 ) .

18

Freispruch und Einstellung des Verfahrens wegen mangelnder Reife ($ 3 S. 1) führen zur K o s t e n r e g e l u n g des § 4 6 7 StPO, sie werden nach $ 6 0 I Nr. 6 BZRG, Anordnung von Maßnahmen nach § 3 S. 2 gem. S 6 0 I Nr. 1 BZRG in das E r z Register e i n g e t r a g e n . $ 4 7 I Nr. 4 gibt dem Richter eine bes. Einstellungsmöglichkeit, wenn § 3 eingreift.

92

Rechtliche Einordnung der Taten Jugendlicher 10.

$ 4

Anfechtung

Eine Beschwer u n d damit eine Anfechtungsmöglichkeit nach Freispruch ist nicht 19 gegeben (BGH 16, 374; BayObLG NJW 61, 576; OLG Saarbrücken NJW 60, 2069). Anders ist es nur, w e n n der JRichter durch gesonderten Beschluß familien- oder vormundschaftsrichterliche M a ß n a h m e n ($ 3 S. 2) angeordnet oder die Fahrerlaubnis ($ 7,13) entzogen hat; d e n n diese M a ß n a h m e n beschweren. Dazu Rn 16. Auch die Einstellung nach § 4 7 1 Nr. 4 ist einer Anfechtung entzogen (§ 47 II 3). Geltung des $ 3 nach der Anlage I z u m Einigungsvertrag $ 1, 6 c Buchst, b. 20

5 4 Rechtliche Einordnung der Taten Jugendlicher Ob d i e rechtswidrige Tat eines J u g e n d l i c h e n als Verbrechen o d e r Vergehen a n z u s e h e n ist u n d w a n n sie verjährt, richtet sich n a c h d e n Vorschriften des a l l g e m e i n e n Strafrechts. 1. Hw.: Rn 2. - 2. ErwG: § 104 I Nr. 1. Die Einteilung erfolgt nach der abstrakten (BGH 8, 79) Strafdrohung des allg. 1 Rechts gem. $ 12 StGB. Das ist ua bedeutsam für Versuch ($$ 22, 23 StGB) u n d Strafverfolgungsveijährung (SS 78 ff StGB; insgesamt ebenso Eisenberg 3 f). Die Verjährung wird n u r durch die in $ 78 a StGB aufgeführten H a n d l u n g e n unterbrochen. Eine entsprechende A n w e n d u n g von S 78 c I Nr. 1, 7, 8 StGB auf Maßn a h m e n des JRichters nach $$ 45 i n , 47 u n d des JStA g e m ä ß S 45 I, II ist nicht möglich (DSS/Dtemer 3; Ostendorf 3; aA Eisenberg 4 für M a ß n a h m e n des Richters). Die Vorschriften über die Verjährungs U n t e r b r e c h u n g sind als Ausnahmeregelungen mit weitreichenden Folgen eng auszulegen u n d einer analogen Anwend u n g nicht zugänglich (BGH 22, 383; LG Kaiserslautern NStZ 81, 439 f mit Anm. Lilie; LK/Jähnke§ 78 c StGB 2). Die Beauftragung eines Sachverständigen zur Untersuchung nach $ 43 (§ 43, 15) unterbricht unter den Voraussetzungen des S 78 c I Nr. 3 StGB (vgl. hierzu BGH 27, 78, aber auch BGH 28, 381). Die Einteilung gilt auch f ü r Hw., u n d zwar entweder über § 105 oder nach allg. 2 Recht unmittelbar. Die Vollstreckungsverjährung ist im JGG nicht geregelt. Die Vollstreckung von 3 JStrafe verjährt wie die von Freiheitsstrafe (SS 79 ff StGB). Die Verjährung r u h t während der BewZeit ($ 79 a Nr. 2 b StGB; $ 22, 5). Eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung ist nicht m e h r vorgesehen; z u m seltenen Fall der gerichtlichen Verlängerung $ 79 b StGB. Zust. Eisenberg 8, jedoch mit Bedenken gegenüber einer sinngemäßen Anwendung der S S 79 ff StGB bei JStrafe wegen schädlicher Neigungen.

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$5 4

2. Teil. Jugendliche

Sonst gibt es im JRecht keine Vollstreckungsverjährung. Vgl. jedoch f ü r JA $ 87IV ($ 87, 2), f ü r Geldbußen nach dem OWiG $ 34 OWiG. Bei W e i s u n g e n u n d Aufl a g e n , die bei z u später Vollstreckung ihr Ziel verfehlen, sogar schädlich sein können, vermag u n d m u ß letztlich die Möglichkeit helfen, sie abzuändern oder teilweise oder g a n z von ihnen zu befreien (SS 11 II, 15 III). Dem sollte bes. Aufmerksamkeit gewidmet werden. F ü r Maßregeln d e r Besserung und Sicherung ($ 7) gilt $ 79IV StGB unmittelbar.

§ 5 Die Folgen der Jugendstraftat (1) Aus Anlaß d e r Straftat eines J u g e n d l i c h e n k ö n n e n E r z i e h u n g s m a ß r e g e l n a n g e o r d n e t werden. (2) D i e Straftat e i n e s Jugendlichen wird m i t Z u c h t m i t t e l n oder m i t Jugendstrafe g e a h n d e t , w e n n E r z i e h u n g s m a ß r e g e l n n i c h t ausreichen. (3) Von Z u c h t m i t t e l n u n d Jugendstrafe wird abgesehen, w e n n die Unterb r i n g u n g i n e i n e m psychiatrischen Krankenhaus oder einer E n t z i e h u n g s anstalt d i e A h n d u n g durch d e n Richter entbehrlich macht. 1. Hw.-J: $ 105 I. - 2. ErwG: S 104 I Nr. 1. Richtlinie zu $ 5: Ergibt sich in der Hauptverhandlung, daß bereits eine erzieherische Maßnahme durchgeführt oder eingeleitet worden ist, und hält die Staatsanwaltschaft deshalb eine Ahndung für entbehrlich, so regt sie die Einstellung des Verfahrens an ($ 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2). 1

Genügt es nicht, auf die Straftat (rechtswidriger, schuldhafter Verstoß gegen einen Straftatbestand des allg. Rechts) eines J n u r durch Einstellung des Verfahrens als folgenlose Normverdeutlichung oder durch eine informelle M a ß n a h m e ($ 45) zu reagieren, so ist zunächst zu prüfen, ob es genügt, auf ErzMaßregeln zu erkennen (Abs. 1). N u r w e n n ErzMaßregeln keinesfalls ausreichen u n d die gesetzlichen Voraussetzungen f ü r Zuchtmittel ($ 13 I) oder JStrafe ($§ 17 II, 21) erfüllt sind, ist auf solche zu erkennen (Abs. II; Subsidiaritätsprinzip). Hieraus folgt auch, d a ß der JStA in der Hauptverhandlung die Einstellung des Verfahrens nach S 4 7 1 Nr. 2 anregt, w e n n sich ergibt, daß eine erz. M a ß n a h m e bereits durchgeführt oder eingeleitet ist (RL). Der JStA h a t stets durch Anträge u n d Anregungen d a f ü r zu sorgen, d a ß Sinn u n d ErzZiel des JGG erfüllt werden (dazu $ 36, 2; s. auch Rn 4; Einf. II 6 , 8 u. 18). Dazu kommt, daß ErzMaßregeln n u r in d e m U m f a n g angeordnet werden d ü r f e n , in dem auch eine ErzBedürftigkeit besteht (S 9,3). So werden zwar „ausreichende", aber zu harte ErzMaßregeln aus der Betrachtung ausgeschlossen (zust. Itzel 1987 S. 27, 28 m w N FN 60; abl. Wolf S. 44). Weil aber $ 5 II dazu schweigt, wozu eigentlich ErzMaßregeln „ausreichen" müssen, herrscht 94

Die Folgen der Jugendstraftat

$5

über die Abgrenzung Meinungsstreit (dazu auch Itzel 1987 S.23 mwN FN 31, 33). Nach Abs. i n muß der jRichter bei verminderter Schuldfähigkeit ($ 21 StGB) von 2 JStrafe und Zuchtmitteln absehen, wenn die - unabweisbare - Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt eine darüber hinausgehende Ahndung entbehrlich macht. Damit sichert Abs. III eine „einheitliche Reaktion (auch) innerhalb mehrerer Rechtsfolgekategorien" (NothakkerS. 238) und wahrt die sog. Einspurigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen im JStrafrecht, schlicht das „So wenig wie möglich" und das „Soviel wie nötig", indem die jstrafrechtliche Maßnahme ausnahmsweise hinter die nach ErwRecht (§$ 21, 63,64 StGB) zurücktritt (näher Anm. Brunner zu BayObLG89,48=JR90,210).Daß diese Maßregeln der Besserung und Sicherung den jstrafrechtlichen Sanktionen vorgehen, soll den J „bessern", ihn so wenig wie möglich belasten, also falls auf Unterbringung schon nicht verzichtet werden kann, ihm durch rasch einsetzende stationäre fachärztliche Betreuung helfen und auch dem Schutz der Allgemeinheit gerecht werden. Bei Verurteilung zu JStrafe und Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB muß das Urteil erkennen lassen, daß die JKammer geprüft hat, ob gemäß $ 5 III von JStrafe abgesehen werden kann (BGH StV 93, 534; BGH B NStZ 94, 528; BGH NStZ-RR 97, 281; StV 98, 341). Die Entscheidung ist unter Berücksichtigung der erz. und therapeutischen Belange einerseits und der Gefährlichkeit des J andererseits zu treffen (BGH NStZ-RR 98,190). Fehlt die Prüfung des $ 5 III, ist regelmäßig die Verhängung der Jugendstrafe und wegen des engen Sachzusammenhangs auch der Maßregelausspruch aufzuheben (BGH B NStZ-RR 00, 321). Berücksichtigt der JRichter, daß die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sich auf die weitere Entwicklung des J bes. nachteilig auswirken kann (näher $ 7, 2), und prüft er die Notwendigkeit der Unterbringung mit der gebotenen Sorgfalt und Zurückhaltung (vgl. die Nachweise in § 7, 1 aE) bei sachverständiger Beratung, so wird daneben nahezu stets auf j rechtliche Maßnahmen verzichtet werden können (BGH StV 93, 534). Zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt s. S 7, 3 ff, insbes. 6 u. $ 93 a, 2 ff. Abs. III geht in seinen Voraussetzungen und Wirkungen weiter als die durch ihren Abs. II modifizierte Vorschrift des S 67 I StGB. Werden aber im Urteil die Voraussetzungen des $ 5 III verkannt, kann später immer noch $ 67 I StGB helfen. Abs. III macht die Entscheidungen über die Unterbringung und über die jstrafrechtlichen Sanktionen derart voneinander abhängig, daß eine JStrafe nicht vorweg in Rechtskraft erwachsen darf, wenn über die Unterbringung noch nicht abschließend entschieden ist. Wurde ein J zu einer JStrafe verurteilt, kann deshalb der StA seine Revision nicht wirksam auf die Nichtanordnung der Unterbringung beschränken (BayObLG 89, 48 = JR 90, 210 mit zust. Anm. Brunner; $ 55, 6d). Die möglicherweise zu Unrecht abgelehnte Unterbringung kann insbes. im Hinblick auf $ 5 III die Aufhebung des gesamten Rechtsfolgeausspruchs einschließlich der JStrafe zur Folge haben (BGH B NStZ 97,481). Damit soll dem Tatrichter die ihm nach § 5 III obliegende Entscheidung erhalten bleiben. Vgl. zum Verhältnis von JStrafe u. 95

2. Teil. Jugendliche Maßregel auch $ 1 8 , 7 a aE. Z u m Verhältnis des $ 5 III zu $ 35 BtMG §17,27

d; zur

JStrafe bei Drogenabhängigen § 17, 2 2 b , 2 4 , 25; $ 9 1 , 20; $ 10, 1 8 - 1 9 b ; zum Vorwegvollzug der JStrafe § 93 a, 6. 3

E r z M a ß r e g e l n werden aus A n l a ß der Straftat angeordnet (Abs. I; vgl. Einf. II 1 2 , 1 3 ) ; sie betonen den ErzGedanken, sind jedoch, da im Strafverfahren angeordnet, nicht ohne Sühnefunktionen, wenn sie auch nicht als Sühne für die Tat (Tatschuldvergeltung) angeordnet werden dürfen (Einf. II 13 u. § 9, 5; Heublein Zbl. 9 4 , 4 6 6 ; Schaffstein/Beulke S. 96); oft greifen sie hart ein und werden schon deshalb als Sühne empfunden (zB Hilfe zur Erz. nach § 12 Nr. 2, Arbeitsweisung). Eingriffscharakter jedweder jrechtlichen Sanktion - und wenn auch nur subjektiv - ist trotz präventiver Ausrichtung unvermeidlich (näher Einf. II 9; Schlächter GA 8 8 , 123). Art und Umfang der ErzMaßregeln werden deshalb nicht allein durch ErzBedürftigkeit bestimmt (so aber Dallinger/Lackner 12), sie dürfen auch nicht außer Verhältnis zur Tat stehen (Einf. II 12, § 9 , 5 ) . Das wird bei Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2 oft nicht gegeben sein (s. $ 12, 5). Die T a t m u ß S y m p t o m d e r E r z B e d ü r f t i g k e i t sein. Sie hat bei allen jrechtlichen Sanktionen - nach den erz. Gesichtspunkten - eine sehr bedeutsame Funktion (Einf. 10 II u. 12; Hermann/Wild MKrim. 8 9 , 1 6 ) , und zwar fern des vielzitierten „Taxendenkens". A A Wolfis. 269): Grund zur Verhängung von ErzMaßregeln sei nicht ein Verhalten des J , sondern Umstände, welche die Person des ErzBerechtigten oder die Bedingungen der Erz. durch ihn betreffen.

3 a

Zu den Hilfen zur Erz. nach dem SGB VIII insbes. § 10, 1 4 b ; § 12; $ 3 8 , 4 d ; $ 45, 19b-d.

4

Nur wenn ErzMaßregeln oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht angebracht sind oder wenn deren Anordnung allein nicht ausreicht, wird die Tat mit Zuchtmitteln oder JStrafe geahndet. Den Z u c h t m i t t e l n k o m m t auch eine Denkzettelfunktion zu, und bei der J S t r a f e werden neben den Belangen der Erz. auch das Sühnebedürfnis und das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit berücksichtigt. - JStrafe (auch mit Strafaussetzung) darf nur verhängt werden, wenn die vorliegenden schädlichen Neigungen anders (durch Zuchtmittel oder ErzMaßregeln) nicht mehr wirksam bekämpft werden können ($ 17 II). Bei unlösbaren Zweifeln ist die Schuld festzustellen und die Verhängung der JStrafe zur Bew. auszusetzen ($ 27). Auch bei bes. schwerer Schuld ist auf JStrafe zu erkennen ($ 17 II). Der ErzGedanke bestimmt auch bei der JStrafe das Strafmaß ($ 18 II) und den Vollzug ($ 91). Für JA vgl. § 9 0 I. Auf den Vollzug der JStrafe kann ganz (§§ 21 ff) oder wenigstens zum Teil (§ 88) verzichtet werden, wenn das erz. sinnvoll und zweckmäßig ist.

5

Eine feste Regel für die A b g r e n z u n g der 3 G r u p p e n der Unrechtsreaktionsmittel des JGG gibt es nicht (Einf. II 21). Doch läßt sich - ganz grob gerastert - folgendes sagen: Die Zuchtmittel, bes. Verwarnung, Bußzahlung und JA, sind der erhobene Zeigefinger (§ 13, 2); durch sie können nur j u n g e Menschen beeindruckt werden, die geistig und seelisch genügend ansprechbar sind. Sind ErzMängel - gleich welchen Grades - erkennbar und beruht die Tat auf ihnen (§ 9, 3), sind in aller

96

Die Folgen der Jugendstraftat

$ 5

Regel ErzMaßregeln angebracht. JStrafe ist nur verwirkt, wenn erhebliche Anlageoder ErzMängel zu einer kriminell geprägten Fehlhaltung geführt haben oder wenn ein Kapitalverbrechen geahndet werden muß (S 17, 9 u. 11). Bei der Abgrenzung von Weisungen, Auflagen, ErzBeistandschaft nach § 12 Nr. 1 6 und Verwarnung entstehen in der Praxis keine bes. Schwierigkeiten; handelt es sich doch um ähnliche, nicht allzu schwerwiegende Eingriffe (Grethlein S. 111), die zudem noch nebeneinander angeordnet werden können ($ 8 I). Es kann insoweit auf die Erläuterungen bei den einzelnen Vorschriften ($$ 10, 12, 14, 15) Bezug genommen werden. - Zu diesen Maßnahmen und untereinander stehen dagegen Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2, JA und JStrafe (SS 1 2 , 1 6 , 1 7 ) sowie die Aussetzung der Verhängung der JStrafe ($ 27) oft im Verhältnis des Entweder-oder; wegen ihrer Abgrenzung wird auf $ 16, 1, $ 17, 14 und $ 21, 7 verwiesen. Die Praxis greift bes. oft und vielfach schematisch zu JA und Geldbußen. In vielen 7 Fällen wäre eine genau auf den Täter abgestimmte Weisung besser. Immer wieder wird auch JA verhängt, wo bereits JStrafe angebracht wäre, und damit, wie nur zu oft die spätere Entwicklung deutlich macht, eine erz. Chance verschenkt. Jeder JRichter sollte vor der Verhängung von JA oder von Geldbußen gründlich überlegen, ob nicht andere, vielfach auch geringer eingreifende Maßnahmen besser geeignet sind. Unter den Begriff „Strafe" in Vorschriften des allg. Rechts können auch Erz- 8 Maßregeln und Zuchtmittel fallen (vgl. $ 2,4). Ein Absehen von Strafe gemäß § 6 0 StGB ist auch im JStrafrecht möglich (BayObLG NJW 92, 1520 = J R 92, 387 mit zust. Anm. Brunner = NStZ 91, 584 mit Anm. Scheffler NStZ 9 2 , 4 9 1 ; AG Osterode NdsRpfleger 71, 262; Eisenberg 11; Ostendorf 21). Ob eine Sanktion offensichtlich verfehlt ist, ist im JStrafrecht nach dessen Grundgedanken zu entscheiden; unter den Voraussetzungen des S 60 StGB ist auch von ErzMaßregeln und Zuchtmitteln abzusehen (BayObLG NJW 9 2 , 1 5 2 1 ; gegen die Anwendbarkeit des $ 60 StGB auf Erziehungsmaßregeln Bringewat NStZ 92, 318; gegen Anwendbarkeit im JStrafrecht überhaupt Terdenge JA 78, 95). Gleiches gilt für $ 46 a StGB (Eisenberg 11; Dötting ua Täter-Opfer-Ausgleich in Deutschland, 1998 S.489). Wegen der Geldbußen nach dem OWiG § 2, 9. 9 Über die Koppelung mehrerer Maßnahmen $ 8; zur Urteilsfassung vgl. $ 54, з , 1 5 . - Wegen der Nebenstrafen und Nebenfolgen und Maßregeln der Besserung и. Sicherung vgl. $S 6 ff.

10

In dem Spannungsfeld der „Erz. zur Freiheit in Unfreiheit" und der unabweisbaren Notwendigkeit, JStrafe als ultima ratio einzusetzen (dazu § 17,2), mit dem Nebeneinander also von auch schuldvergeltender JStrafe (vgl. 5 18, 13) und Sozialisationsfunktionen aller Sanktionen des JStrafrechts muß der Praktiker leben. In solchem Rahmen erwartet der praktizierende Jurist von der Wissenschaft differenzierende und klärende Hilfe, nicht aber nützen Extrempositionen. Näher Einf. I 7, 8; n 4 - 1 0 ; $ 17, 6, 8 a.

11

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S 6

2. Teil. Jugendliche

12 Geltung des S 5 II u. m nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: § 1, 6 c Buchst, c.

§6 Nebenfolgen (1) Auf Unfähigkeit, öffentliche Amter zu bekleiden, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen oder in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, darf nicht erkannt werden. Die Bekanntgabe der Verurteilung darf nicht angeordnet werden. (Z) Der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen ($ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), tritt nicht ein. 1. Hw.-J: $ 105; sonstige Hw. § 106 II. - 2. ErwG: § 1041 Nr. 1. Richtlinie zu $ 6: Soweit eine in J 6 nicht genannte Nebenstrafe oder Nebenfolge nicht zwingend vorgeschrieben ist, beantragt der Staatsanwalt sie nur, wenn sie erzieherisch notwendig erscheint.

1 Nebenstrafen und Nebenfolgen, die nach allg. Recht nur neben einer Hauptstrafe oder ggf. im objektiven Verfahren (SS 430 ff StPO) verhängt werden dürfen, können auch neben ErzMaßregeln und Zuchtmitteln verhängt werden (§ 8 III). Es ist jedoch Zurückhaltung geboten (RL); solche anzuordnen, kann über S 6 hinaus im Einzelfall unzulässig sein, wo dies den Grundsätzen des JGG zuwiderliefe (S 2,2). Eine Nebenstrafe oder -folge, deren Ausspruch nach allg. Recht zwingend und die nach JRecht zulässig ist, muß auch gegen J oder Hw. angeordnet werden (BayObLG zu S 123 Branntwein-Monopol-Ges. Dallinger/Lackner Rechtsprechung JGG S.3 zu $6).

2 Die im allg. Strafrecht gem. $ 45 I StGB bei einer Verurteilung wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingende Nebenfolge des Verlustes der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, tritt jedoch bei Anwendung von JRecht nicht ein (Abs. II). Auf diese Nebenfolgen darf auch nicht gem. $ 45 n StGB erkannt werden, ebensowenig darf gem. § 45 V StGB das Recht aberkannt werden, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen (Abs. 11). 3 Darüber hinaus ist die Einziehung des Wertersatzes (§ 74 c StGB) in Form eines Geldbetrages ausgeschlossen, weil das JGG Geldstrafen nicht kennt (BGH 6,259; Potrykus B 3; NJW 54,244). Hat der J aber den Wertersatz noch in Besitz, so hindern jrechtliche Überlegungen eine Einziehung nicht (ebenso Ostendorf 3; aA Eisenberg 7); vgl. § 15 I Nr. 4, n Nr. 2 u. die Geldbußen nach dem OWiG. 98

Maßregeln der Besserung und Sicherung

57

Eine Vermögensstrafe nach $ 43 a StGB darf bei Anwendung von JRecht nicht 4 verhängt werden (Mitsch JA 94,428; Nibbeling NStZ 97, 66). Das folgt daraus, daß im JRecht die Geldstrafe nicht anwendbar ist und es keine Ersatzfreiheitsstrafe gibt. Abs. I 2 verbietet, die Bekanntgabe der Verurteilung anzuordnen, und hat 5 damit eine alte Streitfrage endgültig zugunsten der J und Hw. entschieden. Zulässig sind: 6 Einziehung (SS 74 ff StGB, § 76 S. 1JGG; BGH 6, 259) und Unbrauchbarmachung ($ 74 d StGB), Verfallserklärung (SS 73 ff StGB, S 76 S. 1 JGG), Abführung des Mehrerlöses (SS 8 ff WiStG), Einziehung des Jagdscheines ($ 40 Bundesjagdgesetz), Fahrverbot (Kfz-) gem. S 44 StGB; vgl. $ 76 S. 1 JGG. Tatgewinn und Entgelt der Tat können nach S 15 II Nr. 2 erfaßt werden. Zum 7 Wertersatz Rn 3. Wegen Nebenstrafen und -folgen nach der AO s. Goetzeler NJW 60, 1656. Auch landesrechtliche Nebenstrafen und -folgen sind möglich.

S 7 Maßregeln der Besserung und Sicherung Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1 , 2 , 4 und 5 des Strafgesetzbuches). 1. Hw.-J: S 105 I; sonstige Hw.: S 106 II. - 2. ErwG: $ 1041 Nr. 1. Schrifttum: Bruns Zur Problematik rausch-, krankheits- u. jugendbedingter Willensmängel des schuldunfähigen Täters im Straf-, Sicherungs- u. Schadensersatzrecht, JZ 64, 473; KollBemards Die Unterbringung Minderj ähriger gemäß $ 42 b StGB, Soziale Arbeit 6 4 , 2 4 9 ; Schmitz Die Unterbringung minderjähriger Rechtsbrecher nach $ 4 2 b StGB, MKrim. 64, 152; Wille Ambulante psychiatrische Hilfen bei Störungen im Kindes- u. Jugendalter, Zbl. 89, 337.

Übersicht 1. 2. 3. 4. 5.

Maßregeln Psychiatrisches Krankenhaus. Entziehungsanstalt Führungsaufsicht Entziehung der Fahrerlaubnis

Rn

1

2 3 8 13

99

2. Teil. Jugendliche 1. 1

Maßregeln

Maßregeln der Besserung u n d Sicherung sind in § 61 StGB abschließend aufgezählt. Wo materielles JStrafrecht angewendet wird, k ö n n e n n u r Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, in einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden. Die Maßregeln sind zu verhängen, wenn die Voraussetzungen des allg. Strafrechts vorliegen, o h n e d a ß d e m JRichter ein zusätzliches Ermessen zusteht (BGH 3 7 , 3 7 4 mit Anm. Walter NStZ 9 2 , 1 0 0 ; 39,95 = J R 9 3 , 513 m i t z u s t . Anm. Brunner=JZ 93, 529 m i t Anm. Eisenberg/Sieveking DSS/Diemer 2; Ostendotf 3; aA LG Oldenburg bei Böhm NStZ 85, 4 4 7 u. 88, 491). Das JStrafrecht fordert jedoch eine bes. sorgfältige, jgerechte, einzelfallorientierte u n d d a h i n g e h e n d z u b e g r ü n d e n d e P r ü f u n g (BGH 37, 373; 39, 95; BGH StV 81, 543; OLG Zweibrücken StV 89,314; Bedenken wegen mangelnder Vereinbarkeit der Maßregeln mit dem ErzGedanken, auch hinsichtlich Führungsaufsicht u. Entziehung der Fahrerlaubnis, bei Eisenberg 3-5). Vgl. dazu auch Rn 13 aE. 2.

Psychiatrisches Krankenhaus

2 Bei der U n t e r b r i n g u n g in einem psychiatrischen Krankenhaus ist bes. sorgfältig z u prüfen, ob die Maßregel erforderlich ist oder eine weniger einschneidende M a ß n a h m e ($ 10 II, ErzBeistandschaft, anderweitige Unterbringung) ausreicht, da eine Unterbringung sich in der Entwicklung bes. nachteilig auswirken k a n n (BGH 37, 374; 39, 95; BGH NJW 51, 450; OLG Schleswig SchlHA 57, 61). Eine U n t e r b r i n g u n g nach $ 63 wird n u r in bes. A u s n a h m e f ä l l e n gerechtfertigt sein (BGH B NStZ 93, 527; BGH NStZ 98, 87; 00, 470). Bei Kleinkriminalität (zB Schwarzfahren, Kleindiebstähle) k o m m t Unterbringung nicht in Betracht (BGH NJW 89, 2959 ErwRecht). Auch bei J g e n ü g t die Feststellung, d a ß die Gesamtw ü r d i g u n g des J u n d seiner Tat, auch früherer Taten, ergibt, d a ß von ihm zufolge seines Zustandes (Kausalität) weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind u n d er deshalb f ü r die Allgemeinheit gefährlich ist (BGH 37,374; 39,95). Bei der Gefährlichkeitsprognose k o m m t es allein auf die Verhältnisse zZ der H a u p t v e r h a n d l u n g an (BGH NStZ 88,498), eine verbindliche Voraussage, daß er auch nach Strafverbüßung die Rechtsordnung unmittelbar bedrohen werde, ist nicht gefordert; doch bedarf auch die Wahrscheinlichkeitsfeststellung bei J sorgfältiger P r ü f u n g (BGH Herlan GA 59, 339; BGH StV 86, 163; vgl. auch BayObLG 58, 263). Nach BGH 37, 375; BGH B NStZ 93, 527 kann § 63 entgegenstehen, d a ß ein Erziehungsdefizit bereits durch normgerechten Vollzug der JStrafe ausgeglichen werden k a n n . Unter Umständen k a n n auch eine U n t e r b r i n g u n g nach § 64 StGB als weniger beschwerende Maßregel ausreichen (BGH B NStZ 93, 527). Von der Beweiserhebung über das Verhalten des J kann nicht mit der Begründung abgesehen werden, d a ß ein bestimmtes Verhalten als wahr unterstellt wird (OLG Schleswig SchlHA 57, 161). Die Maßregel darf nicht außer Verhältnis zu den z u erwartenden Taten u n d dem Grad der vom Täter ausgehenden Gefahr stehen ($ 62 100

Maßregeln der Besserung und Sicherung

StGB), was bei J bes. zu beachten ist. Der nur mangels Altersreife schuldunfähige J kann nicht nach $ 7, $ 63 StGB untergebracht werden (näher $ 3 , 1 0 ) . Der Vollzug der Unterbringung richtet sich weitgehend nach Landesrecht (SS 136, 138 StVollzG). Der Rechtsschutz gegen Vollzugsmaßnahmen obliegt gemäß §$ 138 II, 109 ff StVollzG der Vollstreckungskammer (näher OLG Hamm bei Böhm NStZ 90, 531; bei § 85, 11. Allg. zum Maßregelvollzug $ 85, 8-11). Gegen die Ablehnung des Antrags der StA auf Widerruf einer zur Bewährung ausgesetzten Unterbringung ist - anders als gegen die Ablehnung des Widerrufs der Aussetzung der JStrafe ($ 59, 5) - nach §§ 463 V, 4 6 2 III StPO sofortige Beschwerde statthaft (OLG Nürnberg NStZ-RR 98, 242). Bei verminderter Schuldfähigkeit ($ 21 StGB) muß der JRichter von Zucht- 2 a mitteln und JStrafe nach $ 5 III absehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (oder in einer Entziehungsanstalt) eine darüber hinausgehende Ahndung entbehrlich macht (näher $ 5, 2). Wird aber ausnahmsweise zugleich auf JStrafe erkannt, so kann abweichend von der gesetzlichen Reihenfolge nach $ 67 II StGB die JStrafe vor der Unterbringung vollzogen werden. Dies bedarf sorgfältiger Prüfung der Persönlichkeit des J, der Länge der Strafzeit und der Art der notwendigen Behandlung. „Leidensdruck" allein rechtfertigt dies nicht (BGH B NStZ 88,493). Eine Umkehr der Reihenfolge ist nur zulässig, wenn dadurch der Zweck der Maßregel leichter erreicht wird (BGH NStZ 86, 331; vgl. auch OLG Hamm B NStZ 85, 447). Fehlende Begründung führt zur Aufhebung (OLG Hamm aaO). Vgl. auch $ 93 a, 6. JStrafe und Unterbringung stehen selbständig nebeneinander (näher $ 5, 2; $ 18, 6 c aE). Mit dem Wesen der JStrafe ist es nicht vereinbar, ihre Höhe von der voraussichtlichen Heilungsdauer (einer krankhaften seelischen Störung) abhängig zu machen (BGH StV 88, 307). 3.

Entziehungsanstalt

Mit der Einbeziehung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (dazu 3 eingehend Dessecker/Egg, Hrsg., Die strafrechtliche Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, 1995), ist einem dringenden Anliegen unserer Zeit, insbes. der Eindämmung der Drogenszene, Rechnung getragen. Die umfangreiche, zum Teil widersprüchliche Literatur über die angemessene medizinische Behandlung der Drogenabhängigkeit läßt sich dahin zusammenfassen, daß physische Drogenabhängigkeit idR stationärer Behandlung bedarf, daß aber auch bei den sozialpsychiatrischen Auswirkungen sowohl von Halluzinogenen (LSD, Meskalin) als auch von Cannabis (Haschisch/Marihuana) eine initiale klinische Behandlung erforderlich sein kann. Die Voraussetzungen für die Unterbringung ergeben sich aus $ 6 4 StGB (vgl. Einf. I 4 8 - 5 1 ; $ 3, 11; § 93 a, 1-5). Liegen diese Voraussetzungen vor, muß die Unterbringung auch dann angeordnet werden, wenn es an geeigneten Anstalten fehlt (BGH 28, 327; OLG Hamm MDR 81, 70; vgl. auch $ 93 a, 5 und 6; Mösl NStZ 8 1 , 4 2 7 ; aA LG Dortmund - ErwRecht - StV 8 2 , 3 7 1 mit zust. Anm. Budde). BGH

101

4

2. Teil. Jugendliche 28,329 weist nachdrücklich daraufhin, daß ein Gericht gegen das Gesetz handelt, wenn es bei der Urteilsfindung einem eindeutigen Gesetzesbefehl deshalb die Gefolgschaft versagt, weil die Exekutive nicht die zu seiner Durchführung erforderlichen Mittel bereithält. Allein die Gefahr der Selbstgefährdung des Drogenabhängigen führt nicht zur Unterbringung nach $ 64 StGB (OLG Hamm NJW 74, 614 zum insoweit gleichlautenden $ 42 b StGB), es greifen nur die landesrechtl. Unterbringungsgesetze ein. Zu drogenabhängiger Verwahrlosung u. Fürsorgeerz. widersprüchlich OLG Celle Zbl. 80,143 u. LG Aachen Zbl. 73,446. Nach BVerfG NStZ 94, 578 (dazu kritisch Mtiller-Dietz JR 95, 353 u. zu den praktischen Auswirkungen Schalast/Leygraf NStZ 99,485) darf die Unterbringung nach $ 64 StGB nur angeordnet werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Süchtigen zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren. Die Unterbringung darf nicht weiter vollzogen werden, wenn entgegen einer anfänglichen positiven Prognose keine hinreichend konkrete Aussicht mehr auf einen solchen Behandlungserfolg besteht. Wenn eine Weisung, sich einer Entziehungskur zu unterziehen, ausreicht, um den Täter an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen (vgl. aber Rn 3 u. insbes. $ 10, 18), ist die Unterbringung nicht zulässig. Notwendig ist es, für J und Hw. ausreichend geeignete Institutionen zu schaffen (% 93 a). 5 Die stationäre Therapie Drogenabhängiger gliedert sich in die Phasen des Entzugs (Entgiftung), der Entwöhnung und der Nachsorge (vgl. Täschner Therapie der Drogenabhängigkeit, 1983; Heckmann, Hrsg., Drogentherapie in der Praxis, 1991). In der Nachsorgephase sollten sozialpädagogische, gruppentherapeutische und allg. helfende Bemühungen erfolgen, die das Erreichte sichern und auf Stärkung der Persönlichkeit hinarbeiten. Vgl. $ 10, 19, insbes. $ 93 a, 3. 6 Wird die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, kann von Zuchtmitteln und JStrafe abgesehen werden (eingehend § 5,2). Die Ahndung durch Zuchtmittel ist hier regelmäßig nicht nur entbehrlich, sondern schlechthin ungeeignet und wäre im Fall des JA für andere Arrestanten gefährlich. Bei JStrafe kommt es auf sorgfältige Abwägung im Einzelfall an; hier kann Ahndung und weitere erz. Einwirkung notwendig sein. 7 Die Anordnung nach $ 64 StGB geht der Vollstreckungslösung der SS 35 ff BtMG vor (BGH NStZ-RR 96, 228, 257; 97, 344). Auf Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kann im vereinfachten Jugendverfahren nicht erkannt werden (S 78 12). Zu Drogentätern in JStrafanstalten § 17, 25; $ 91, 20; zum Fehlen eines Therapieplatzes § 93 a, 7; zum Abbruch § 93 a, 8; zu Vollzugsentscheidungen § 93 a, 10 u. 11. Zur Zurückstellung der Strafvollstreckung bei betäubungsmittelabhängigen J u. Hw. nach $$ 38, 35, 36 BtMG S 17, 23 ff. Zum Absehen von der Anklageerhebung nach §§ 38 II, 37 BtMG § 45, 43.

102

Maßregeln der Besserung und Sicherung 4.

$ 7

Führungsaufsicht

Die Führungsaufsicht soll gefährliche oder gefährdete Täter in ihrer Lebensfüh- 8 rung in der Freiheit über gewisse Zeiträume hinweg unterstützen und überwachen, um sie vor weiteren Straftaten abzuhalten {Schönke/Schröder/Stree S 68 StGB 3). Von dieser Doppelfunktion der Sozialisierungshilfe und des Schutzes der Allgemeinheit ist im JRecht vor allem erstere von Bedeutung. Bei J und Hw. kommt die Führungsaufsicht in Betracht nach $ 68 I StGB und im Bereich des $ 68 II StGB nach SS 63, 64 iVm. SS 67 b, 67 c, 67 d II, V StGB sowie nach $ 68 f StGB. Die Führungsaufsicht selbst und die Weisungen nach $ 68 StGB, welche die Führungsaufsicht konkret ausgestalten und auf den Einzelfall abstellen, verstoßen nach BVerfG (NStZ 81, 21) weder gegen das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 i n GG) noch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. insbes. § 10, 10 u. S 25, 5 je aE). Führungsaufsicht nach § 6 8 1 StGB kann angeordnet werden, wenn JStrafe, die 9 nach hM der Freiheitsstrafe gleichsteht (Tröndle/Fischer Rn 5 vor $ 68 StGB), wegen einer Straftat verwirkt ist, bei der das Gesetz ausdrücklich Führungsaufsicht vorsieht (vgl. SS 129 a, 181 b, 218, 228, 239 c, 245, 256, 262, 263, 263 a, 321 StGB, S 34 BtMG). Das Gericht wird von dieser Kann-Vorschrift nicht Gebrauch machen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten beseitigen können oder die Rückfallwahrscheinlichkeit nicht sehr groß ist und die Taten voraussichtlich unter der mittleren Kriminalität bleiben. Berücksichtigt man hierzu jkriminologische Erkenntnisse (Einf. I), die bes. Prägbarkeit und spezialpräventive Ansprechbarkeit junger Menschen sowie die weitgespannten Einwirkungsmöglichkeiten nach dem JGG, so wird im JRecht die fakultative Führungsaufsicht nur in bes. Ausnahmefällen anzuordnen sein. Wurden mindestens 2 Jahre JStrafe wegen einer vorsätzlichen Straftat oder 1 Jahr 10 JStrafe wegen einer in S 181 b StGB genannten Straftat vollständig vollstreckt (Anrechnung von UHaft wirkt nicht verkürzend und steht der Annahme vollständiger Vollstreckung nicht entgegen; Lackner/Kühl $ 68 f StGB 1), so tritt mit der Entlassung Führungsaufsicht kraft Gesetzes ein ($ 68 f I StGB). Das AG Mönchengladbach (Beschl. vom 7 . 8 . 8 1 - 7 Ls/10 Js 631/76 jug.) lehnt dies ab, weil JStrafe gegenüber der Freiheitsstrafe eigenständig sei; dies ist zwar unbestritten, rechtfertigt aber die abweichende Meinung nicht (vgl. § 17,4; zust. Fällkrug BewH 89,145). Führungsaufsicht tritt kraft Gesetzes auch dann ein, wenn das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bew. aussetzt (S 67 d n StGB). Bei positiver Sozialprognose ordnet das Gericht an, daß die Maßregel entfällt (S 68 f II StGB). In den seltenen Fällen, in denen sich die Aussetzung des Strafrestes gerade aus erz. Gründen nicht empfiehlt, ist die Führungsaufsicht eine wertvolle erz. Weiterhilfe (vgl. auch $ 85, 3 aE). Eine EinheitsJStrafe wird man für den Eintritt der Führungsaufsicht nach $ 68 f 1 1 I 1 StGB nur ausreichen lassen dürfen, wenn sie erkennen läßt, daß bei einer zugrunde liegenden Straftat mindestens 2 Jahre JStrafe bzw. bei einer in S 181 b 103

2. Teil. Jugendliche StGB genannten Tat 1 Jahr JStrafe verwirkt wären (OLG H a m m NStZ-RR 98, 61; LG H a m b u r g StV 90,508; Eisenberg 33; ebenso z u m ErwR OLG Stuttgart NStZ 92, 101; OLG N a u m b u r g N] 95,102; OLG H a m m NStZ 96,408; NStZ-RR 96,31; OLG Köln NStZ-RR 9 7 , 4 ; Lackner/Kühl § 68 f StGB 1; LK/Hanack § 68 f StGB 14; Schönke/ Schröder/Stree $ 68 f StGB 4; aA DSS/Diemer 7; Ostendorf 14; f ü r das ErwR OLG H a m b u r g NStZ-RR 96, 262; Tröndle/Fischer $ 68 f StGB 2). Zwar spricht der Gesichtspunkt der Wiedereingliederungshilfe dafür, eine EinheitsJStrafe von insgesamt 2 Jahren genügen zu lassen, d e n n die Schwierigkeiten sind die gleichen, ob der J 2 Jahre als Einzelstrafe oder als EinheitsJStrafe verbüßt hat. Der Wortlaut des § 68 f StGB u n d sein Zweck, die Führungsaufsicht auf Fälle mit h o h e m Unrechtsu n d Schuldgehalt zu begrenzen, lassen jedoch eine restriktive Auslegung angezeigt erscheinen (zur ähnlichen Problematik bei der Sicherungsverwahrung s. $ 3 1 , 18). 12 Wie das Institut der Führungsaufsicht sich in der Praxis bewährt, h ä n g t von der Arbeit der überlasteten BewHelfer u n d der Aufsichtsstellen ab (Literaturnachweise bei Tröndle/Fischer Rn 1 a vor § 68 StGB). Zuständig f ü r die Vollstreckungsm a ß n a h m e n im Zusammenhang mit der Führungsaufsicht ist der Vollstreckungsleiter nach $ 8 2 1 (vgl. RL V I I 2 z u $ 8 5 ; $ 5 4 a StVollstrO; OLG Koblenz GA 75,285; $ 82, 1). 5.

E n t z i e h u n g der Fahrerlaubnis

13 Bei der E n t z i e h u n g der Fahrerlaubnis ($ 69 StGB) ist keinesfalls milder als gegen Erw. zu verfahren, da das Sicherheitsbedürfnis der A l l g e m e i n h e i t hier im Vordergrund steht. Das LG Oldenburg (bei Böhm NStZ 85, 447) meint zwar, die Regelvermutung des $ 69 II StGB widerspreche dem ErzGedanken des JGG. Aber gerade im Straßenverkehr gefährden J u n d H w . aus jspezifischen G r ü n d e n (vgl. § 105, 6) sich u n d andere, so d a ß die Entziehung aus erz. G r ü n d e n u n d spezialpräventiv geboten sein kann. Zur B e g r ü n d u n g reicht allerdings „mangelnde praktische E r f a h r u n g " allein nicht aus (OLG H a m m VRS Bd. 13 [57], 32). Vgl. auch AG Gera DVJJ-J 01,426: keine A n o r d n u n g trotz Indiztat nach § 69 II StGB bei einmaliger durch bes. Umstände bedingter Entgleisung, deren Wiederholung nicht wahrscheinlich ist. Z u r Dauer der Sperre BGH 15, 393; LG Oldenburg BA 85,186; Bußmann/Gerhardt BA 8 4 , 2 1 0 z u m JStrafrecht. Die Entziehung der Fahrerlaubnis k a n n auch neben ErzMaßregeln u n d Zuchtmitteln verhängt werden und k o m m t auch neben einer Strafaussetzung z u r Bew. in Betracht (OLG Düsseldorf NJW 97, 2765 z u m ErwRecht f ü r die Benutzung eines Kfz zur Einfuhr von Betäubungsmitteln). Über die Zulässigkeit von Weisungen, die in ihrer Auswirk u n g ähnlich sind, u. die Unterschiede zu solchen Weisungen $ 10,14. Die Fahrerlaubnis kann auch bei fehlender Altersreife ($ 3) entzogen werden (BGH 6 , 3 9 7 ; BayObLG 58,263; OLG H a m m DAR 64,137). Hebt das Revisionsgericht ein Urteil wegen A n w e n d u n g von ErwRecht auf, so m u ß es wegen der geforderten jspezifi-

104

Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe

sehen Prüfung (dazu Rn 1 aE) auch die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperrfrist aufheben (OLG Zweibrücken StV 89, 314). Über die bes. Zuständigkeit im JRecht 5 41, 12, 13 a, 16.

S 8 Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe (1) Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel, ebenso mehrere Erziehungsmaßregeln oder mehrere Zuchtmittel können nebeneinander angeordnet werden. Mit der Anordnung von Hilfe zur Erziehung nach $ 12 Nr. 2 darf Jugendarrest nicht verbunden werden. (2) Der Richter kann neben Jugendstrafe nur Weisungen und Auflagen erteilen und die Erziehungsbeistandschaft anordnen. Steht der Jugendliche unter Bewährungsaufsicht, so ruht eine gleichzeitig bestehende Erziehungsbeistandschaft bis zum Ablauf der Bewährungszeit. (3) Der Richter kann neben Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe auf die nach diesem Gesetz zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen erkennen. 1. Hw.-J: § 1051; Rn 7 aE. - 2. ErwG: § 1041 Nr. 1; $ 9, 7. - 3. Sold. ErzHilfe $ 112b, 2. Regel ist, daß die verschiedenen Reaktionsmittel des JGG nebeneinander 1 verhängt werden können (Abs. IS. 1, II, III). Erst dadurch kann oft der erz. beste Erfolg erzielt werden, bes. wenn sühnende und rein erz., zur Ordnung rufende mit länger erz. einwirkenden Maßnahmen gekoppelt werden. Auch kann eine Maßnahme erst die Voraussetzung schaffen und den Boden bereiten für eine andere, die allein keine Aussicht auf Erfolg bieten würde (Grethlein NJW 57, 1462). Zur „Vorbewährung" $ 57, 4. Einige Kombinationen sind wegen unvereinbarer Zielsetzungen verboten, und 2 zwar auch dann, wenn in einem Verfahren mehrere Taten abgeurteilt werden ($31 12): ErzBeistandschaft und Hilfe zur Erz. nach § 12 Nr. 2; - Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2 und JA (Abs. 12); Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2 und JStrafe (Abs. II); - JStrafe und JA (Abs. II); - JStrafe und Verwarnung (Abs. II) dürfen nicht gleichzeitig verhängt werden. Dieses Koppelungsverbot gilt nur für die gleichzeitige Verhängung. Der 2 a JRichter kann aber alle diese Maßnahmen nebeneinander bestehen lassen, wenn in verschiedenen Verfahren auf sie erkannt worden und das Nebeneinander erz. zweckmäßig ist (SS 31 II, in, 661; vgl. $ 31,21), weil nicht verbunden werden muß (BGH 10, 101). Der JRichter kann auch auf JA (nicht auf JStrafe; vgl. $ 53; der ErwRichter kann auch das: § 104IV, $ 53 RL 3) erkennen und dem Familien- oder 105

$8

2. Teil. Jugendliche

Vormundschaftsrichter daneben die Verhängung erz. Maßnahmen gem. $ 53 überlassen, der dann auch Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2 anordnen darf, wenn das Verfahren gem. $ 53 nicht nur der Umgehung des Koppelungsverbotes dient (Potrykus B 2). Denn die Übertragung nach § 53 entspricht der Anordnung von Weisungen (abl. Ostendorf 6: „Trick"; DSS¡Dianer 4; Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit bei Eisenberg 16). Die Gewährung von Hilfe zur Erz. nach $ 34 SGB Vin oder Maßnahmen des Familien- oder Vormundschaftsrichters hindern die Anwendung aller Reaktionsmittel des JStrafrechts nicht (Potrykus B 2 letzter Abs.; Roestel Zbl. 67, 10; aA Heinen BewH 55/56, 233, wenn Fürsorgeerziehung [aF] allein oder ua wegen der gleichen Tat angeordnet ist; ohne Grundlage im Gesetz). 3 Zum Koppelungsverbot bei der Aussetzung der Verhängung der JStrafe nach § 27 s. dort Rn 12-16. 4 Über das gesetzliche Verbot hinaus ist die Kombination in folgenden Fällen meist unzweckmäßig: Weisungen und Auflagen neben Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2, da diese die umfassendere Maßnahme ist; - Verwarnung neben JA, da dieser die in der Verwarnung liegende Mißbilligung in viel schärferer Form enthält; ErzMaßregeln und Zuchtmittel neben vollstreckbarer JStrafe, da grds. erst deren Erfolg abgewartet werden sollte. Doch kann zB die Verpflichtung, den Schaden gutzumachen, neben JStrafe von 6 Monaten angebracht sein (abl. Böhm JR 89,298). 5 Der JRichter soll sich im gesetzlichen Rahmen von jedem Schematismus freihalten und nur darauf achten, was im Einzelfall geboten ist; er wird dabei immer wieder von allg. Grundsätzen abweichen müssen. Dies gilt bes. bei JStrafe, deren Vollstreckung ausgesetzt ist; zwar ist diese echte JStrafe (§ 21, 2), doch unterscheidet sie sich von dieser nicht unbeträchtlich nach Anordnung, Bedeutung und Wirkung (Jagusch JZ 53, 688 u. Grethlein NJW 57, 1463). 6 Die gem. Abs. II 2 ruhende ErzBeistandschaft lebt nach dem Ende der BewZeit wieder voll auf, wenn sie nicht inzwischen aufgehoben worden oder erloschen ist. 7 Während die Verbindungsmöglichkeit bei Nebenstrafen und Nebenfolgen unbeschränkt ist (Abs.in), erwähnt das JGG die Koppelung der Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht. Sie ist in § 72 StGB geregelt. Bei den volljährigen Hw. können von den ErzMaßregeln nur Weisungen angeordnet werden. 8 Geltung des $ 81 u. III nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: $ 1,6 c Buchst, c.

106

Arten

Zweiter Abschnitt Erziehungsmaßregeln $ 9 Arten E r z i e h u n g s m a ß r e g e l n sind 1. d i e Erteilung v o n Weisungen, 2. d i e A n o r d n u n g , Hilfe zur E r z i e h u n g i m S i n n e d e s $ 12 in Anspruch z u nehmen. 1. Hw.-J: hinsichtlich Nr. 1: $ 1051. - 2. [Hw.]: hinsichtlich Nr. 2 , 3 : § 1051. - 3. ErwG: R n 8 ; $ 104 I Nr. 1, IV. - 4. Sold. § 112a Nr. 1, 2; R n 7 . Richtlinie zu $ 9: Wegen der Eintragung in das Zentralregister und das Erziehungsregister wird auf $ 5 Abs. 2 und 5 60 Abs. 1 Nr. 2 BZRG hingewiesen. StAe u n d JRichter haben bis 1990 - auch außerhalb der informellen M a ß n a h m e n der SS 45, 4 7 - deutlich vermehrt auf ErzMaßregeln erkannt. Sie verwirklichen den das JGG durchziehenden ErzGedanken auch damit, d a ß sie a m b u l a n t e M a ß n a h m e n , wo auch immer z u verantworten, vorziehen. So waren 1955 ErzMaßregeln bei 1126 = 2% J u n d Hw. die schwerste M a ß n a h m e (Heinz MKrim. 87, 140) u n d 1990 bei 14.978 = 19% (berechnet nach Stat. BA 1990 S.40f). Der Rückgang auf 6 . 1 8 8 = 7% im Jahr 1999 (berechnet nach Stat. BA S . 4 4 f ) b e r u h t darauf, d a ß a u f g r u n d des l.JGGÄndG seit 1991 Arbeitsleistungen auch als Auflage verhängt werden können. 1999 standen bei den Verurteilungen 24% stationären Sanktionierungen 76% ambulante Rechtsfolgen gegenüber (berechnet nach Stat. BA S. 60 ff).

1

D i e ErzMaßregeln führt $ 9 a b s c h l i e ß e n d auf. Bei Hw. sind hiervon n u r 1 a Weisungen (Nr. 1) zulässig ($ 105 I), da sie volljährig sind. Die Anordnung der ErzHilfe durch den Disziplinarvorgesetzten ist eine ErzMaßregel eigener Art (S 112 b, 11); sie ersetzt bei Soldaten die f ü r sie nach S 1 1 2 a Nr. 1 nicht zulässigen Hilfen zur Erz. nach S 12 Nr. 1 und 2. Auch der Familien- oder Vormundschaftsrichter ist, w e n n er nach $ 53 tätig wird, an diesen Katalog gebunden ($ 53, 7), sonst dagegen nicht ($ 53, 10). - Den ErzMaßregeln sehr ähnlich ist die Ermahn u n g (§ 45 III). Andere M a ß n a h m e n z u r Erz. k a n n der JRichter nur nach $ 3 S. 2 (Maßnahmen des Familien- oder Vormundschaftsrichters) oder im Rahmen der $$ 45,47(„erz. Maßnahmen") anordnen. - Zu Abgrenzungsfragen Rn 3 u. $ 5 , 3 , 6 . Wegen des Verhältnisses der ErzMaßregeln zu den familien- oder vormundschaftsrichterlichen M a ß n a h m e n des bürgerlichen Rechts s. $ 5 3 , 1 0 . Die A n o r d n u n g von ErzMaßregeln setzt Schuldfähigkeit iSd der §§ 3 u n d 20 2 StGB voraus (Eisenberg 8; Ostendorf 5). Dies ergibt sich aus $ 3 S. 1 im Vergleich mit

107

2. Teil. Jugendliche S. 2, der von Maßnahmen des Familien- oder Vormundschaftsrichters, nicht von ErzMaßregeln spricht, und aus $ 5 1 im Gegensatz zu „Verfehlung" in § 1 1 ($ 5,3; $ 1, 1; Dallinger/Lackner 12; Schaffstein/Beulke S. 96; aA Potrykns B 5). 3 ErzMaßregeln werden aus Anlaß der Straftat eines J angeordnet ($ 5 I). Daraus folgt: Sie dienen der Erziehung. Deshalb m ü s s e n ErzBedürftigkeit u n d ErzFähigkeit für die ErzMaßregeln des JGG bestehen. Wolf (S. 45) betrachtet zu Unrecht beide nur als je ein anderes Wort „für das Ausreichen bzw. Nichtausreichen" der ErzMaßregel. - Ein einmaliger Streich eines sonst ordentlichen J kann ErzMaßregeln idR nicht rechtfertigen, weil er der Erz. nicht bedürftig ist. Die ErzMaßregeln des JGG müssen gerade bei diesem Täter Erfolg versprechen, sie müssen „ausreichen" (§ 5 II); so kann ein verwahrloster straffälliger J im Hinblick auf ErzMaßregeln nicht erzfähig, wohl aber erzbedürftig sein (vgl. $17,21). Die in Betracht kommende ErzMaßregel m u ß sowohl der ErzBedürftigkeit als auch der ErzFähigkeit dieses Täters entsprechen. ErzMaßregeln sind also nicht anzuordnen, wenn ErzBedürftigkeit nur f ü r Weisungen oder ErzBeistandschaft gegeben ist, diese aber nicht ausreichen (also insoweit die ErzFähigkeit fehlt), oder wenn eine ErzFähigkeit hinsichtlich Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2 vorhanden wäre, diese jedoch nicht erforderlich ist (also insoweit die ErzBedürftigkeit fehlt). Ist eine erz. Einflußnahme wegen erkennbaren Widerstands des J nicht möglich, so darf eine ErzMaßregel nicht angeordnet werden (vgl. $ 10,16 aE; zust. Ostendoif 6; Eisenberg § 5 , 1 3 zählt ErzWilligkeit zu den Voraussetzungen). - Auch wenn JStrafe wegen der Schwere der Schuld verhängt werden m u ß (§ 17 II), scheiden ErzMaßregeln meist aus (vgl. $ 8 II S. 2). 4

Die Erziehungsmängel müssen in der Straftat ihren Ausdruck gefunden haben („aus Anlaß der Straftat"). Denn der JRichter erzieht nicht um der Erz. willen (Einf. II 10). Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2 kann deshalb in /Strafverfahren weder gegen ein sexuell verwahrlostes Mädchen nach einer mit der Verwahrlosung nicht in Zusammenhang stehenden Fahrlässigkeitstat noch gegen einen desintegrierten J aus Anlaß einer einfachen Verkehrsübertretung angeordnet werden (Eisenberg 9; Blau MDR 58, 731 u. Zbl. 59, 117). - Diese ErzMängel müssen mit i h n e n angemessenen Mitteln bekämpft werden.

5 Die ErzMaßregeln dienen nicht der Schuldvergeltung oder Sühne („aus Anlaß der Straftat"), sondern der Erz. (BVerfG NStZ 87, 275). Es ist deshalb unzulässig, ErzMaßregeln anzuordnen, um so die Tat zu sühnen. Das bedeutete aber nicht, daß die ErzMaßregeln keine sühnende Wirkung haben dürften (ebenso Blau Zbl. 59, 121; Böhm S. 163, 165; Eckert Zur systematischen Zuordnung jrechtlicher Interventionen, Diss. Köln 1978 S. 137; Miehe Die Bedeutung der Tat, 1964 S. 45; auch Itzel S.68 mwN FN 308, 317); das verkennen Goebel NJW 54, 15; Ostendorf 6 u. Eisenberg JR 87, 487. Denn bei der Erz. kann die Tat, die f ü r alle Rechtsfolgen des JGG eine bedeutsame Funktion hat (Hermann/Wild MKrim. 89, 16), nicht außer acht gelassen werden, in der ja auch die ErzMängel zum Ausdruck gekommen sind. Es ist ein erz. Anliegen, dem Täter klarzumachen, was er angerichtet hat, und sein Verantwortungsgefühl zu schärfen (Einf. II 8; vgl. zur Arbeits108

Arten

$ 9

Weisung $ 10,9 b). Der Täter selbst wird die ErzMaßregel idR als Reaktion auf sein Fehlverhalten begreifen; denn n u r u m seiner Tat willen steht er vor Gericht und wird schuldig gesprochen. So tragen alle in $ 1 0 1 genannten Weisungen repressiven Charakter (dazu näher Einf. II 9), weil immer dem Täter unter Bezug auf die Tat Beschränkungen auferlegt werden. Schließlich r ä u m t auch Eisenberg (§ 10,12) ein, d a ß „jede im Anschluß an ein erfaßtes Verhalten verhängte jstrafrechtliche Rechtsfolge... als negative Sanktion e m p f u n d e n wird u n d damit möglicherweise insgesamt aversiv erlebt wird". Sein Rat allerdings (aaO) „zusätzl. negativ sanktionierende Inhalte z u vermeiden", k o m m t den von Pfeiffer (Kriminalprävention im JGerichtsverfahren, 1983 S. 79,82) gerügten „sprachlichen Beschönigungsversuchen" recht nahe. Auch Itzel (S. 87,88) hält nichts davon, auf einen „postulierten (straffreien) Charakter der Weisungen" abzustellen. Vgl. auch $ 2 3 , 1 . Solange der ErzGedanke der vorherrschende ist, die Auswahl u m der Erz. willen u n d nicht u m der Sühne willen erfolgt, steht der Berücksichtigung des Sühnegedankens insoweit nichts im Wege, als die angeordnete ErzMaßregel nicht außer Verhältnis zur geahndeten Tat stehen darf (vgl. Einf. II 10; Blau Zbl. 5 9 , 1 1 6 ff; Itzel S. 6 0 m w N FN 256, 257). Der zusätzliche Strafcharakter der Weisungen k a n n nicht geleugnet werden (Biete ZRP 81, 213; Dallinger/Lackner 2; Potrykus B 1; § 10 B 1; Schaffstein/ Beulke S. 96; Vins UJ 55, 97). Die Beachtung des Sühnegedankens wird aus erz. Gründen auch bei den ErzMaßregeln sogar gefordert werden müssen (Einf. II 10). - Wie es allerdings erz. vertretbar, ja geboten sein kann, von der Strafverfolgung überhaupt abzusehen (SS 45,47), können auch ErzMaßregeln ohne jeden repressiven Charakter angebracht sein, etwa die heilerz. Behandlung ($ 10 II; § 10, 15). Bei solchen Weisungen wird aber auch zu überlegen sein, ob nicht dem Gedanken der Schuldvergeltung im Interesse der Erz. durch die zusätzliche Verhängung von Zuchtmitteln Rechnung getragen werden sollte. Die Voraussetzungen, ErzMaßregeln anzuordnen, sind öfter gegeben als die Praxis a n n i m m t . Sie können wegen ihrer reichen Auswahl d e n Erfordernissen des Einzelfalles schon bei der A n o r d n u n g am besten a n g e p a ß t und später bei veränderten erz. Situationen abgeändert werden (§ 11 II; $ 10,1). Dazu auch § 10, 12c aE.

6

Bei Hw. sind von den ErzMaßregeln n u r noch die Weisungen (und bei hw. 7 Soldaten die ErzHilfe durch den Disziplinarvorgesetzten) anwendbar; $ 105 I, näher Einf. II 11 zu BVerfGE 22, 180; § 12, 8; § 53, 1; S 105, 20; § 109, 4. Das ErwGericht k a n n die erforderlichen (SS 5, 1 0 4 1 Nr. 1) ErzMaßregeln nicht 8 selbst anordnen, sondern m u ß Auswahl u n d A n o r d n u n g dem Vormundschaftsrichter überlassen ($ 104 IV; $ 53 RL 3 S. 1). Hält das ErwGericht jedoch gegen einen Hw. Weisungen f ü r erforderlich, so m u ß es deren A n o r d n u n g u n d Auswahl d e m JRichter überlassen, in dessen Bezirk sich der Hw. a u f h ä l t (§ 112 S. 1 u. 3; S 104, 9). Wegen der Urteilsformel $ 5 4 , 4 ; wegen des ErzRegisters § 6 0 1 Nr. 2 BZRG.

9

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2. Teil. Jugendliche

Zu den Hilfen zur Erz. nach dem SGB VIII insbes. $ 10,14 b; § 12;§ 38,4du. 19 b; §45, 19 a.

$ 10 Weisungen (1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen 1. Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen, 2. bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen, 3. eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen, 4. Arbeitsleistungen zu erbringen, 5. sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen, 6. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen, 7. sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), 8. den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen oder 9. an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen. (2) Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen. 1. Hw.-J: Rn4; $ 105 I. - 2. ErwG: $$ 1041 Nr. 1, IV; 112, S. 1,3; $ 9, 8. - 3. Sold. Rn5; § 112a Nr. 3 S. 1; § 112b, 11; §9, 7. Richtlinien zu $ 10: 1. Die Lebensführung gestaltende Gebote sind Verboten im allgemeinen vorzuziehen. Eine Weisung wird in der Regel besonders wirksam sein, wenn das auferlegte Verfahren in einem inneren Zusammenhang mit der Tat steht. 2. Die Weisung, sich einem Betreuungshelfer zu unterstellen (§10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5) wird auch im Hinblick auf die damit für den Jugendlichen verbundenen Belastungen und den personellen und zeitlichen Aufwand im Bereich der Jugendgerichtshilfe bei geringfügigen Verfehlungen* nicht in Betracht kommen. Gegenüber Jugendlichen wird die Maßnahme nur sinnvoll sein, wenn die Erziehungsberechtigten zustimmen. Kommt eine Anordnung der Maßnahme in Betracht, so empfiehlt es sich, frühzeitig mit der Jugendgerichtshilfe

* Vgl. Anhang [= Abdruck von Kapitel III Sachgebiet C Abschnitt III 3 b) und c) der Anlage 1 zum Einigungsvertrag; siehe dazu $ 1, 6 c].

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Weisungen

3.

4.

5. 6.

7. 8.

9.

Verbindung aufzunehmen. Auf $ 38 Abs. 2 Satz 7 und $38 Abs. 3 Satz 2 sowie die Richtlinien dazu wird hingewiesen. Die Person des Betreuungshelfers ist möglichst genau zu bezeichnen. Im Verfahren nach $ 45 ist die Weisung nicht zulässig (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 1). Auch bei der Weisung, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen ($10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6), handelt es sich um eine verhältnismäßig aufwendige Maßnahme, die für den Jugendlichen je nach struktureller und zeitlicher Gestaltung der Kurse mit nicht unerheblichen Belastungen verbunden sein kann. Nr. 2 Satz 1,3 und 6 gilt entsprechend. Die Weisung, an anderen Formen sozialer Gruppenarbeit teilzunehmen, wird durch § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 nicht ausgeschlossen. Der Täter-Opfer-Ausgleich ($10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7) verdient im gesamten Verfahren Beachtung (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2, § 45 Abs. 3 Satz 1, auch in Verbindung mit $ 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, $ 23 Abs. 1 Satz 1, $ 29 Satz 2 und 5 88 Abs. 6 Satz 1). Besondere Bedeutung kommt ihm in Verbindung mit dem Verfahren nach $ 45 Abs. 2 zu. Nr. 2 Satz 3 gilt entsprechend. Er zielt darauf ab, bei dem Verletzten den immateriellen und materiellen Schaden auszugleichen und bei dem Jugendlichen einen Lernprozeß einzuleiten. Hinsichtlich des Versicherungsschutzes bei Arbeitsleistungen wird auf $ 540 RVO hingewiesen. Ist die Befolgung einer Weisung mit Kosten verbunden, sollte die Staatsanwaltschaft darauf hinwirken, daß vor Erteilung der Weisung geklärt wird, wer die Kosten trägt. Wenn der Jugendliche oder die Unterhaltspflichtigen die Kosten nicht aufbringen können, kann der Träger der Sozialhilfe oder eine andere Stelle als Kostenträger in Betracht kommen. Eine Verpflichtung dritter Stellen, die Kosten für die Durchführung einer Weisung nach $ 10 Abs. 2 zu übernehmen, kann sich aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, dem Achten Buch Sozialgesetzbuch ($$ 91, 92 SGB VIII) und dem Bundessozialhilfegesetz (subsidiäre Krankenhilfe nach § 37 BSHG, Eingliederungshilfe nach 5 39 BSHG nebst Eingliederungshilfe-VO, Gefährdetenhilfe nach $ 72 BSHG) ergeben. Bei Zuständigkeitsüberschneidungen kann durch das Zusammenwirken der in Betracht kommenden Kostenträger sichergestellt werden, daß keine Lücken in der Kostenträgerschaft entstehen (zB bei kombinierten Behandlungsmethoden). Vor der Erteilung von Weisungen sind die Vertreter der Jugendgerichtshilfe zu hören ($38 Abs. 3 Satz 3). Die Staatsanwaltschaft wirkt darauf hin, daß das Gericht den Jugendlichen über die Bedeutung der Weisungen und Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung ( S i l Abs. 3 Satz 1) belehrt und diese Belehrung in der Niederschrift über die Hauptverhandlung vermerkt oder sonst aktenkundig gemacht wird. Bevor Jugendlichen die Weisung erteilt wird, sich einer heilerzieherischen Behandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen, wird es in der Regel notwendig sein, einen Sachverständigen gutachterlich zu hören.

Schrifttum: Bannenberg Wiedergutmachung in der Strafrechtspraxis, 1993; Bizer Kostentragungspflicht für die jrichterliche Weisung, einen Sozialen Trainingskurs zu besuchen, Zbl. 92, 616; dazu Mayer Zbl. 93,188; Böttcher Täter-Opfer-Ausgleich, BewH 94,45; BrakhagefDrewniak „Sonst wäre ich im Knast gelandet..." Die ambulanten Maßnahmen aus der Perspektive der betroffenen J, 1999; Breiholt Zulässigkeitsgrenzen strafrechtl. BewAuflagen, Diss. Hamburg 1966; Brunner Bemerkungen zur Entscheidung des BVerfG v. 13.1.1987, Zbl. 87, 257; Bruns Rechtsgrundlage u. Zulässigkeitsgrenzen strafrichterlicher Auflagen u. Weisungen, GA 59, 191; ders. Zur rechtsdogmatischen Problematik strafrichterlicher Auflagen, NJW 59, 1391; Bunar Täter-Opfer-Ausgleich im JStrafrecht der Bundesrepublik Deutschland - Ein Überblick, DVJJ-J 96,372; Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem JRecht in der DVJJ (Hrsg.) Neue Ambulante Maßnahmen. Grundlagen - Hintergründe - Praxis, 2000; BMJ (Hrsg.) JStrafrechtsreform durch die Praxis. Konstanzer Symposium, 1989; BMJ (Hrsg.) TäterOpfer-Ausgleich. Bonner Symposium, 1991; Busch/Hartmann/Mehlich Soziale Trainingskurse im Rahmen des JGG, 3. Aufl. 1986; Bußmann/Gerhardt Die Nachschulung alkoholauffalliger Kraftfahrer als Weisung nach dem JRecht, BA 84, 117; dies. Der Alkoholverkehrstäter in der

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2. Teil. Jugendliche ¡richterlichen Praxis, BA 84, 199 ; dies. Legalbew. junger Alkoholverkehrstäter, BA 84, 214; DVJJ-BW, Täter-Opfer-Ausgleich u. JStrafrechtspflege, 1993; DVJJ-BW, Auffällig Kinder u. J im Spannungsfeld zwischen Erlebnispädagogik, geschlossener Unterbringung u. Therapie, 2000; Delling Der Täter-Opfer-Ausgleich, JZ 92, 493; Delling ua Täter-Opfer-Ausgleich in Deutschland, 1998; Driebold Täter-Opfer-Ausgleich - eine Alternative? BewH 95,82; Drewniak Ambulante Maßnahmen für j Straffällige, 1996; Dünkel/Geng/Kirstein Soziale Trainingskurse u. andere ambulante Maßnahmen nach dem JGG in Deutschland, 1998; Engstier Die heilerz. Behandlung gem. $ 1 0 II JGG in der ¡strafrechtlichen Praxis, Diss. Göttingen 1985; Teuerhelm Stellung u. Ausgestaltung der gemeinnützigen Arbeit im Strafrecht, 1997; Frey ua Jugendarbeit mit Straffälligen. Theorie u. Praxis des sozialen Trainings, 1997; Gerhardt/Vögele Die Betreuungsweisung nach $ 10 JGG, Zbl. 79,371; Gleumes Die Praxis der „Erz. in Freiheit", 1961; Göiel Grenzen ¡gerichtlicher Weisungen, NJW 54,15; Grasnick Die verfassungsmäßigen Schranken der Auflagen nach $ 24 StGB, NJW 59, 1999; Hartmann A. Schlichten oder Richten, 1995; Hartmann K. Heilpädagogische Psychiatrie in Stichworten 1986; Hoflauer Die ¡strafrechtlichen Weisungen u. ihre verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsgrenzen, Diss. Würzburg 1966; Holzschuh Auflagen u. Weisungen im JStrRecht, JWohl 52,157; Hönicke Arbeitszwang als Kriminalrechtsreaktion, 1999; Kerner ua Täter-Opfer-Ausgleich im JStrafrecht, BewH 90, 169; Kerner ua (Hrsg.) Täter-Opfer-Ausgleich - auf dem Weg zur bundesweiten Anwendung? 1994; Kendel Die Effizienz des Täter-Opfer-Ausgleichs, 2000; Knögel Jugend, JRichter u. JKriminalität, NJW 58, 609; Kraus/Rolinski Rückfall nach Sozialem Training, MKrim. 92, 32; Kremer Der Einfluß des Elternrechts auf die Maßnahmen des JGG, Diss. Mainz 1985; Kremerskothen Arbeitsweisungen u. Arbeitsauflagen im JStrafrecht, 2001; Kuhn ua „Tat-Sachen" als Konflikt, 1989; Ladewig/Graw Entwicklungstendenzen Drogenabhängiger 1985; Maelicke Ambulante Alternativen z u m JA u. JStrafvollzug, 1988; Matenaer Betreuungsweisung nach § 10, Zbl. 84,281;Ma« Mediation statt Strafrecht? DVJJ-J 99, 44; Miehe Verfassungsrechtliche Grenzen ¡richterlicher Weisungen, in Schöch (Hrsg.) Wiedergutmachung u. Strafrecht, 1987 S. 112; Mrozynski Zur Problematik strafrechtlicher Weisungen, JR 83,397; ders. Kinder- u. ¡hilferechtliche Fragen ¡strafrechtlicher ErzMaßregeln, Zbl. 92, 445; Müller-Dietz Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) in der Bundesrepublik Deutschland, BewH 92, 153; Niedersächsischer Minister der Justiz (Hrsg.), Neue ambulante Maßnahmen nach $ 10 JGG in Niedersachsen, 2. Aufl. 1986; Netzig/Wandrey „Was ist drin, wenn TOA draufsteht?" DVJJ-J 96, 6; Pfeiffer Weisungen nach § 10 - erweiterte Möglichkeiten der Hilfe im Vorfeld der JStrafe, BewH 80, 58; Piel/Schmitt Anti-Aggressionstraining der JGH des JAmtes Düsseldorf, Zbl. 01,291; Pielmaier Verhaltenstherapie bei delinquenten J, 1979; Plank Übungs- u. Erfahrungskurse in der JGH, Kriminalpäd. Praxis 83, 23; Potrykus Theorie und Praxis der Erz. in Freiheit, UJ 54, 437 (vgl. auch NJW 58, 821); Preis Verfassungsmäßigkeit strafrechtlicher Arbeitsauflagen, BewH 90,159; Prelinger/Pentz Bewährungsauflagen u. Grundgesetz, JR 61, 496 u. 62, 99; Rebbe Die Möglichkeiten der Ausgestaltung ¡richterlicher Weisungen, Zbl. 83, 347; Reinecke/Fuchs „ErzKurse" RdJ 83, 359; Rempe Erfahrungsbericht über „Soziale Gruppenarbeit" der JGH Düsseldorf, Zbl. 95, 366; Ruf Gemeinnützige Arbeit als Sanktion im JStrafrecht DVJJ-J 01, 63; Schaar Die Bedeutung der Betreuungsanweisung gem. $ 10, Zbl. 87,18; Scheunemann Die Bedeutung freier Träger für ambulante Maßnahmen in der JStrafrechtspflege, 1998; Schimmel Täter-Opfer-Ausgleich als Alternative? 2000; Schnitzerling Die jrichterl. Weisungen gegenüber Verkehrsdelinquenten, DAR 56,124; ders. Jugendrichterliche Weisungen u. Zuchtmittel in der Rechtsprechung, Zbl. 66, 66; Schöch Täter-Opfer-Ausgleich im JRecht, RdJ 99, 278; Schreckling Täter-Opfer-Ausgleich nach JStraftaten in Köln, 2. Aufl. 1991; Schreckling ua Bestandsaufnahme zur Praxis des Täter-Opfer-Ausgleichs in der Bundesrepublik Deutschland, 1991; Stree Deliktsfolgen u. GG, 1960; Synowiec Wirkung u. Effizienz der ambulanten Maßnahmen des JStrafrechts, 1999; Trenczek Strafe, Erz. oder Hilfe? 1996; Vins Weisungen u. Pflichten; von den Grenzen der jrichterl. Freiheit u. Verantwortung, UJ 55, 97; Waldmann ua Therapeutische Prinzipien bei j. Drogenabhängigen, in Waldmann/ Zander Zur Therapie der Drogenabhängigkeit, 1975 S. 36; Weidner Anti-Aggressivitätstraining für Gewalttäter, 1993; Wellhöfer Soziale Trainingskurse u. JA. Versuch einer vergleichenden Erfolgskontrolle, MKrim. 95, 42; Winter Verfassungsrechtliche Grenzen jrichterl. ErzMaßregeln u. Zuchtmittel, Diss. Hamburg 1966.

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Weisungen

$

10

Übersicht Vorbemerkungen 1. Voraussetzungen, Gestaltung und Auswahl 2. Grenzen 3. Beispiele und Einzelheiten Arbeitsweisung Betreuungsweisung Trainingskurs Täter-Opfer-Ausgleich 4. Heilerzieherische Behandlung 5. Entziehungskur 6. Ungehorsamsfolgen 7. Überwachung 8. Versicherungsschutz und Kosten der Durchführung 9. Weisungen bei Drogentätern

Rn

1 2 6 8 9 10 11 12 15 18 20 21 22 23

Vorbemerkungen Das Gesetz spricht zwar immer von bestimmten Weisungen, die angeordnet 1 werden. Da aber jede Weisung aus Gründen der Erz. nachträglich geändert und durch eine andere ersetzt werden kann (5 11 II), bedeutet die Anordnung einer Weisung nichts Endgültiges. Vielmehr wird nur ausgesprochen, daß der J durch Weisungen allg. erz. gefördert werden soll, wobei dieses Ziel zunächst durch die im Urteil ausgesprochene Weisung angestrebt wird. Erweist sich später eine andere Weisung als erz. günstiger, wird sie an Stelle jener angeordnet. Der Richter behält also freie Hand, wenn er auf Weisungen erkennt. Es kann zweckmäßig sein, das bereits im Urteilsspruch zum Ausdruck zu bringen, etwa durch folgende Fassung „ . . . zu seiner Erz. werden Weisungen angeordnet. Zunächst wird er angewiesen..." (Grethlein S.98, 168). Über die Grenzen der Abänderbarkeit $ 11, 2. 1.

Voraussetzungen, Gestaltung und Auswahl

Im Gegensatz zu den anderen Unrechtsreaktionen des JGG, die gesetzlich genau 2 festgelegt und ausgestaltet sind, ist die Art und Ausgestaltung der Weisungen dem JRichter überlassen, der dabei im Rahmen des $ 10 frei ist. Gebote und Verbote im JGUrteil, die nicht in anderen Bestimmungen des JGG aufgeführt sind, sind immer zulässig, wenn sie die Voraussetzungen des $ 1 0 erfüllen. Ambulante Maßnahmen haben nach starkem Anwachsen in den letzten Jahren 2 a in Deutschland eine weite Verbreitung gefunden (vgl. Dünkel/Geng/Kirstein Soziale Trainingskurse u. andere neue ambulante Maßnahmen nach dem JGG in Deutschland, 1998; dies. DVJJ-J 99,170). In einem beträchtlichen Teil der JAmtsbezirke fehlt allerdings noch ein hinreichend differenziertes sorgfältig konzipiertes, institutionell und finanziell abgesichertes kontinuierliches Angebot (Dünkel/ Geng/Kirstein aaO). Um das erforderliche breite Angebot zu gewährleisten, kann sich der Zusammenschluß benachbarter JGerichtshilfen zu einer Arbeitsgemein113

2. Teil. Jugendliche Schaft empfehlen (Brings DVJJ-J 98,55). Notwendig ist weiterhin die Entwicklung u n d Verwirklichung von Qualitätsstandards f ü r ambulante M a ß n a h m e n (vgl. dazu die „Mindeststandards" in BAG f ü r ambulante M a ß n a h m e n nach dem JRicht, Hrsg., Neue Ambulante M a ß n a h m e n , 2000 S. 407 ff; Göppner DVJJ-J 00, 277; Kessel DVJJ-J 00,373). Wandel u n d Bedeutung der W e i s u n g e n zeigen sich ua darin, d a ß 1955 von den nach JGG Verurteilten mit ambulanten Sanktionen als schwerster M a ß n a h m e 475 (=1% aller Verurteilten) eine Weisung erhielten u n d die entsprechende Zahl 1985 22.042 (= 19% aller Verurteilten) betrug (Heinz MKrim 87,140). 1999 w u r d e n bei 18.234 Verurteilten Weisungen erteilt (Stat.BA S. 64 f). Das waren 98% aller ErzMaßregeln. 3 Weisungen k ö n n e n angeordnet werden, wenn der Täter schuldfähig, erzbedürft i g u n d erzfähig ist ($ 9, 3). Sie müssen dazu b e s t i m m t u n d geeignet sein, die Lebensführung allg. oder in einzelnen Bereichen zu regeln, dadurch die Erz. zu fördern u n d d ü r f e n nicht n u r der Wiedergutmachung oder Sühne dienen (näher $ 9, 5, auch Einf. II 10). Die Weisung m u ß g e e i g n e t sein (also nicht gegen den Widerstand des J, vgl. § 9, 3; Eisenberg 10), n o t w e n d i g sein, d h geringfügigere Eingriffe dürfen nicht ausreichen, u n d schließlich m u ß sie a n g e m e s s e n sein, d h ambulante (sozialpädagogische) M a ß n a h m e n dürfen d e m J nicht die Selbständigkeit nehmen u n d nicht i n Ü b e r b e t r e u u n g ausarten (vgl. dazu Ostendorf 7). Die E i n f l u ß n a h m e braucht jedoch nicht bes. gewichtig oder von längerer Dauer zu sein (vgl. Arbeitsleistungen, Verkehrsunterricht). - Die Weisungen müssen mit den Kräften des Täters ausgeführt werden können u n d in einem a n g e m e s s e n e n Verhältnis z u r Tat stehen ($ 9, 5), sinnvoll u n d e i n l e u c h t e n d sein u n d das Ehrgefühl des J schonen. Weisungen sind kein Bewährungsfeld f ü r filmnahe Husarenritte in die Pädagogik oder Psychologie (vgl. Einf. II 8 aE). Sie sollen die Persönlichkeit des J berücksichtigen und, soweit dies zwanglos möglich ist, eine ungekünstelte Beziehung zur Tat herstellen (vgl. R L 1 S . 2, d a z u aber auch die W a r n u n g Rn 3 a). N u r dann n i m m t sie der J mit der f ü r den erz. Erfolg notwendigen Bereitschaft auf sich. Die Weisungen müssen auf d i e Lösung der s p e z i f i s c h e n Probleme ausgerichtet sein, die m i t der Delinquenz des J im Z u s a m m e n h a n g stehen. - Sie müssen klar u n d b e s t i m m t (BGH B NStZ-RR Ol, 321), d u r c h f ü h r b a r und vor allem z u überwachen sein. Deshalb w u r d e zur Recht das problematische Verbot, geistige Getränke zu genießen oder z u rauchen, gestrichen (alte Nr. 6; z u m Alkoholgenuß vgl. auch Rn 7). Gerade die Möglichkeit der Überwachung ist wichtig. Es leuchtet daher nicht ein, d a ß bei der Neufassung der RL 1994 der in der früheren RL 2 enthaltene Hinweis hierauf nicht ü b e r n o m m e n wurde. Ebenso bedenklich sind generelle Weisungen, etwa, den Anforderungen der JGH oder anderer Personen nachzukommen, denn der JRichter darf das ihm vom Gesetzgeber überantwortete Recht, Weisungen zu erteilen, nicht übertragen. Zur wichtigen Betreuungsweisung Rn 10. Zur Dauer der Weisung $ 11,1. „Altväterliche" Weisungen, wie der Besinnungsaufsatz ua k o m m e n bei J nicht an (ebenso Ostendorf 22). Eisenberg 36 empfiehlt eher einen Erfahrungsbericht über die Erlebnisse der Strafverfolgung (vgl. auch Rn 7). 114

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Komplizierte oder psychologisch ungeschickte oder die Tat stupide oder nahezu 3 a hämisch abspiegelnde Weisungen sind bedenklich; gesuchte Originalität findet bei J kein Verständnis (Rn 11). Die Ausgestaltung der Weisungen und die - vom Richter ggf. initiierte oder überwachte - Durchführung der Weisung können und sollen den ErzEffekt wahren, vielleicht auch steigern. Bei vielen Weisungen hat es sich in der Praxis bewährt, dem J zusätzlich ins einzelne gehende Anweisungen schriftlich in die Hand z u geben, denen zugleich die Belehrung über den Ungehorsamsarrest beigefügt wird (zust. Nothacker S. 196; vgl. zB R n 8 a u. § 15, 12; $ 1 1 , 6). Über das Einverständnis des J: Rn 16; $ 57,7; der ErzBerechtigten: Rn 16,20; über 3 b die Anhörung der JGH: Rn21. Zu Weisungen gegen j u n g e Ausländer Einf. I 22 mit OLG Koblenz NStZ 87, 24 u. LG Freiburg JR 88, 523 mit Anm. Eisenberg. Für die Auswahl spielen eine große Rolle das Alter und der Entwicklungsstand 4 zZ der Aburteilung. Ist der Täter inzwischen erw. (s. $ 105,20), sind Weisungen, die vorwiegend die Erz. des noch in der Entwicklung stehenden J im Auge haben, bes. auf ihre Brauchbarkeit zu prüfen. Die volljährigen Hw. (Einf. II 11) dürfen nicht zum Objekt kindlicher Erziehung gemacht werden. Ein „Besinnungsaufsatz" etwa würde wirkungslos bleiben, da ihn der Hw. als „Kinderei" empfindet, darüber hinaus wegen der Volljährigkeit auch rechtlich unzulässig sein (Schaff'steinfBeulke S. 103). Eisenberg ($ 105, 37 a) nimmt bei offensichtlich ungeeigneten Weisungen Ermessensmißbrauch des Richters an. Es wird aber sehr auf den Einzelfall ankommen, zumal der Auslegung ein allzu weiter Raum gegeben ist. Bejaht man dies aber, so würde die Rechtsmittelbeschränkung ausgeschaltet sein (vgl. §55, 11; Itzel S. 12 mwN; Mrozynski JR 83, 379). Es kommen hier vor allem Maßnahmen in Betracht, wie sie gegen Erw. als BewWeisungen verhängt werden (S 56 c II StGB); zB Beschränkungen hinsichtlich des Aufenthalts, der Benutzung eines Kfz und der Verwendung des Einkommens; Erfüllung der Unterhaltspflicht, Übernahme einer ständigen Arbeit, Unterstellung unter einen Betreuungshelfer (Rn 10), Teilnahme an einem Verkehrsunterricht. Es m u ß vermieden werden, daß Hw. durch Weisungen, die sie als unangemessen, als nicht mehr altersentsprechenden Eingriff empfinden, in Opposition getrieben werden. Bei Soldaten sind die Besonderheiten des Wehrdienstes zu berücksichtigen 5 ($ 112 a Nr. 3 S. 1). Anordnungen, die mit den militärischen Notwendigkeiten schlechthin unvereinbar sind, verstoßen gegen das Gesetz und sind ohne Beschränkung durch § 55 I anfechtbar (Dallinger/Lackner § 112 a, 21). So sind Weisungen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen (Abs. I Nr. 1, 2), die Annahme einer Ausbildungs- oder Arbeitsstelle (Abs. I Nr. 3), Arbeitsleistungen (Abs. I Nr. 4) oder Verkehrsunterricht, der nicht mehr nur ein polizeilicher zu sein braucht (Abs. I Nr. 9) oder eine heilerz. Behandlung (Abs. II) anordnen, nicht oder nur selten angebracht (Potrykus NJW 57,815). Auch sonst ist die Auswahl bei Soldaten nach Art und Umfang durch die zwingend vorgeschriebene Berücksichtigung des Wehrdienstes sehr beschränkt (Potrykus aaO); Beispiele: DVO ErzHilfe $ 4 II. Betreuungshelfer nach Abs. I Nr. 5 sollten grds. Soldaten sein (§ 112 a Nr. 4 entspre115

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chend); w e n n schon nicht ErzHilfe durch den Disziplinarvorgesetzten gem. § 1 1 2 b angeordnet werden soll, d a n n eine auf die militärischen Verhältnisse zugeschnittene Weisung (vgl. § 112 b, 11). - Vor der A n o r d n u n g von Weisungen soll der nächste Disziplinarvorgesetzte gehört werden ( § 1 1 2 d , 1). Vgl. auch § 112a, 3. 2.

Grenzen

6 Weisungen sind unzulässig, w e n n sie die Grenzen überschreiten, die der staatlichen Strafgewalt durch die Verfassung gezogen sind: Insbes. k o m m e n hier in Betracht die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 GG), die freie Meinungsäuß e r u n g (Art. 5 GG), die Koalitionsfreiheit (Art. 9 GG; dazu Rn 10), die freie Berufswahl (Art. 12 GG, der auch die Ausbildungsstätte einbezieht; d a z u Rn 10; OLG H a m m NStZ 85,310; LG Hannover RdJ 62,13; BVerfG NStZ 8 1 , 2 1 zu $ 68 b StGB). Weisungen sind aber auch unzulässig, wenn sie gegen das Sittengesetz verstoßen. Danach ist zB unzulässig die Weisung, einem bestimmten Verein beizutreten (nicht aber: irgendeiner JGruppe beizutreten oder aus einem die Erz. gefährdenden Verein auszutreten, was durch unmittelbare G e f ä h r d u n g des J begründet sein kann). Auch eine Weisung, f ü r IV2 Jahre die Oberschule z u verlassen, ist abzulehnen (LG Hannover SjE F 2 S. 81; Dallinger/Lackner 24; Potrykus B 3). Stets m u ß sich der JRichter hüten, die seinem Richteramt g e z o g e n e n Grenzen zu überschreiten; er darf nicht vergessen, „ d a ß er kein Kindergärtner ist" (Maurach/ Gössel/ZipfS. 712; vgl. Einf. II 10; siehe auch BVerfG bei $ 7 , 8 aE). Weisungen sind schließlich auch unzulässig, wenn sie in ihrer W i r k u n g bes. Einschränkungen einer anderen gesetzlichen Vorschrift u m g i n g e n , zB den Ausschluß des Berufsverbots (§ 70 StGB) in § 7 durch die Weisung, einen bestimmten Beruf aufzugeben (vgl. Schaffstein/Beulke S. 100; Hartmann-Hilter Notwendige Verteidig u n g . . . 1989 S. 89). Um Fehlentwicklungen zu steuern, darf die Weisung jedoch in Persönlichkeitsrechte eingreifen (vgl. OLG Zweibrücken JR 90, 122 in Rn 14 a aE). 7 Abs. 1 2 normiert die in Literatur u n d Rechtsprechung gefestigte Auffassung, d a ß Weisungen an die Lebensführung des J k e i n e u n z u m u t b a r e n A n f o r d e r u n g e n stellen d ü r f e n (vgl. dazu R n 2 2 a ) . Weisungen dürfen insbes. nicht gegen uneinschränkbare Grundrechte verstoßen, nicht einen so einschneidenden Eingriff in die Lebensführung enthalten, d a ß sie nicht z u m u t b a r sind. Der Einzelne m u ß stets nur die Schranken seiner Handlungsfreiheit auf sich nehmen, welche der Gesetzgeber zur Förderung des sozialen Zusammenlebens zieht (BVerfGE 4, 16; Mrozynski JR 83,398). Unzumutbar sind aber schon Weisungen, welche die körperlichen (zB Arbeit) oder geistigen Kräfte (zB Besinnungsaufsatz; dazu auch Rn 4 aE) überbeanspruchen (Schaffstein/Beulke S. 101). Das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 2 0 . 3 . 8 4 - 3 Ws 68 u. 159/84) hat die Weisung an einen Erw., sich jeglichen Alkoh o l g e n u s s e s zu enthalten, als z u m u t b a r bezeichnet; der Hebel müsse an der Stelle angesetzt werden, wo die kriminogenen Faktoren sitzen. Wie aber soll dies kon-

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Weisungen

trolliert werden? Vgl. Rn 3. Der das JGG beherrschende ErzGedanke unterstreicht die Forderung der Zumutbarkeit, welche SS 56b I 2, 56c I 2 StGB auch für die Auflagen und Weisungen an den erw. Verurteilten normieren. Dieser Grundsatz ist damit zugleich für die BewAuflagen gem. $ 23 JGG festgelegt, da diese in den Formen der SS 10, 15 erteilt werden (S 23, 2). 3.

Beispiele und Einzelheiten

Abs.I S.3 bringt Beispiele, die dem JRichter bewährte Weisungen vor Augen 8 stellen, ihn aber nicht hindern, in den in Rn 3 - 7 aufgezeigten Grenzen und unter Beachtung von Rn 3 a andere erz. Weisungen zu „erfinden". Die Weisungen, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten oder ihn zu meiden oder bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen (Nr. 1 und 2) bedürfen idR der Zustimmung der Eltern (Eisenberg 17; Böhm S. 168; Burschddt S.44; Kremer Der Einfluß des Elternrechts, Diss. Mainz 1984 S. 84; aA Ostendorf 9). Dazu auch Rn 20. Das grenzt diese Weisung von der Hilfe zur Erz. nach S 12 Nr. 2 (vgl. S 12, 9) ab, deren Voraussetzungen über Nr. 1 und 2 nicht umgangen werden dürfen. Dazu Rn7 aE. Die Kostenübernahme sollte geklärt sein (vgl. RL 6; Rn22a). Die Koppelung mit Weisung nach Nr. 3 kann sich empfehlen. Die Anordnung eines elektronisch überwachten Hausarrestes kommt allenfalls iVm einer Strafaussetzung zur Bew. in Betracht ($ 23,2; für Unzulässigkeit einer solchen Weisung im Rahmen des S 10 Ostendorf ZRP 97, 475; Hudy DVJJ-J 98, 154). Die Weisung Nr. 3, eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen, wird 8 a von Art. 12 GG eingegrenzt und darf deshalb den J gegen seinen Willen nur anweisen, irgendeine, also nicht eine bestimmte Arbeitsstelle anzutreten oder beizubehalten (Rn6; LG Würzburg NJW 83, 463). Die Weisung, eine sozialversicherungspflichtige Arbeit anzunehmen, ist zulässig (BVerfG NStZ 81, 21); vgl. s 23, 2 aE. Das BVerfG (NJW 83, 442) hat keine Verletzung der Grundrechte oder ihnen gleichgestellter Rechte darin gesehen, daß das LG Würzburg (NJW 83,463) eine hw. Schwangere im Wege einer BewAuflage angewiesen hat, sich nach der Entbindung um eine versicherungspflichtige Tätigkeit zu bemühen. Bei Arbeitslosigkeit (Einf. 147) hat es sich bewährt, den J mit der Weisung, eine versicherungspflichtige Arbeit aufzunehmen, zusätzlich schriftlich anzuweisen, sich beim zuständigen Arbeitsamt (genau bezeichnet) zu melden, die dort gegebenen Meldetermine einzuhalten, seine Bemühungen dem Gericht nach 4 Wochen auf einem beigefügten Kontrollblatt (Abstempelung durch Arbeitsamt) nachzuweisen und die Aufnahme der Arbeit mitzuteilen. Dem sollte die Belehrung über den Ungehorsamsarrest hinzugefügt werden ( S U , 6). Die Weisung, den Arbeitsplatz und die Wohnung nicht ohne Zustimmung des Gerichts oder eines Helfers zu wechseln, verstößt nicht gegen die Grundrechte der Berufsfreiheit und der Freizügigkeit (BVerfG NStZ 81, 22 für ErwRecht), da das Interesse der Allgemeinheit an der Resozialisierung des Täters ein überragendes Gemeinschaftsgut ist, das

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gesetzliche Einschränkungen dieser Grundrechte rechtfertigt (ebenso OLG Hamm MDR 85, 692). 9 Die Weisung, (gemeinnützige; vgl. Rn 9 b aE) Arbeitsleistungen zu erbringen (Nr. 4), dient der Praxis insbes. in Verwirklichung des ErzGedankens als problemorientierte präventiv wirksame Hilfsmaßnahme der Verlagerung von stationären auf ambulante Sanktionen (vgl. Heinz MKrim. 87,137; Pfeiffer BewH 89,196). Sie hat sich bewährt und dem entspricht, daß für 1983 435 JÄmter mitgeteilt haben, daß von allen betreuten Weisungen 83,4% Arbeitsweisungen waren (Heinz in Kerner/Gallaway/Janssen, Hrsg., JGerichtsbarkeit in Europa, 1986 S.567). Die zahlreichen Diversionsmodelle (vgl. BMJ, Hrsg., „Diversion" im deutschen JStrafrecht, 1989) lassen durchaus über „erz. Wildwuchs" (Heinz in ders., Hrsg., Rechtstatsachenforschung heute, 1986 S. 76) nachdenken, aber sie bieten doch weithin die erforderlichen Hilfen zur Durchführung der Arbeitsweisung (siehe M. Steinhilper in Nds. Minister der Justiz, 1986 S. 13 ff). 9 a Mit der Arbeitsweisung können delinquenzfördernde Schwächen des J im Arbeitsbereich angegangen werden. Er kann seine Fähigkeiten und Grenzen kennenlernen, Durchhaltevermögen erwerben und es können etwa durch ein Bewerbungstraining die Chancen auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz erhöht werden {Meißner DVJJ-J 96,371). Insoweit ist die sozialpädagogische Begleitung der Arbeitsleistung angezeigt (Meißner aaO; Lehnhoff/Wunsch DVJJ-J 99, 70). Teilweise wird die Arbeitsweisung nur für zulässig gehalten, wenn durch sie die Einstellung zur Arbeit beeinflußt werden soll (BGH H MDR 76, 634; KG JR 65, 29; BayObLG StV 84, 354; OLG Karlsruhe Justiz 88, 488; Dallinger/Lackner 9; Lackner JR 65,30; Eisenberg 10,20; Ostendorf 12). Mit Böhm S. 17l;Arloth StV 84,255 und Winter Verfassungsrechtliche Grenzen jrechtlicher ErzMaßregeln, 1966 S. 153 ist jedoch an der Meinung festzuhalten, daß mit der Arbeitsweisung J und Hw. auch allg. erz. beeinflußt werden dürfen und können. Nach dem Beschluß des BVerfG vom 13.1.1987 ist diese Ansicht „aus verfassungsrechtlicher Sicht jedenfalls nicht unvertretbar" (BVerfGE 74, 102 = NStZ 87, 502 - LS - mit zust. Anm. Schaffstein u. Bosch FamRZ 87,566; zust. „Bemerkungen" Brunner Zb\. 87,257; krit. Anm. OstendorfEzSt Nr. 1 zu § 10 Arbeitsleistungen). Das BVerfG hat überzeugend begründet, daß die Arbeitsweisung nicht gegen das Verbot von Arbeitszwang und Zwangsarbeit (Art. 12 II, III GG) verstößt, daß sie hinreichend bestimmt ist (Art. 103 II GG) und im Einklang mit dem Grundrecht auf allg. Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) und dem Elternrecht (Art. 6 II, III GG) steht. Im Rahmen seiner Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde hat der Präsident des BGH mitgeteilt, daß der 4. Senat im Gegensatz zum 1. Senat die Zulässigkeit der Arbeitsweisung für unverzichtbar halte, ihr Anwendungsbereich solle im Hinblick auf den das JStrafrecht beherrschenden ErzGedanken soweit wie möglich ausgedehnt werden (BVerfG aaO). Miehe (Erz. unter dem GG, in Rechtsentwicklung unter dem Bonner GG, 1990 S. 249, 268) entnimmt dieser Entscheidung des BVerfG die Rechtfertigung der erz. aufgefaßten Arbeitsweisung aus dem Wächteramt des Staates. Für Verfassungswidrigkeit der Arbeitsweisung aber Hönicke 1999 S.344. 118

Weisungen

Die Meinung, daß über die zu enge Eingrenzung hinaus durch die Arbeitsweisung 9 b die Lebensführung des J und Hw. beeinflußt werden kann, indem ihm sein Fehlverhalten bewußtgemacht und sein Verantwortungsgefühl geschärft wird, und auch dadurch, daß er den Wert der Rechtsgüter Dritter schätzen lernt und ein gewisses Erfolgs-, ein Gemeinschafts- und oft weiterführendes Kontakterlebnis bekommt, hat das BVerfG ausdrücklich bestätigt und hinzugefügt, daß hierdurch sozialfestigende Wirkungen erzielt werden können, welche die Gefahr erneuter Straftaten vermindern. Eisenberg (JR 87, 489) hält eine Arbeitsweisung, wie sie das BVerfG gebilligt hat, für gesetzeswidrig und befürchtet, der J könne nur strafende Zwangsarbeit empfinden. Ostendorf meint, die Arbeitsweisung könne wohl eingesetzt werden, um Sozialisationsdefizite auszugleichen, es werde aber nicht nur die regelmäßige Praxis verkannt, sondern auch die Arbeit einseitig und heroisierend betrachtet (EzSt aaO S. 30). Hier wird übersehen, daß es sich um gemeinnützige Arbeiten (vgl. $ 56 b II Nr. 3 StGB) handelt. Gewiß aber müssen gerade bei der Arbeitsweisung die Grenzen der Verhältnis- 9 c mäßigkeit und der Zumutbarkeit sorgfältig gewahrt werden (vgl. Schaffstein FS Jescheck, 1985 S. 952). Nach § 7 III des österreichischen JGG idF von 1999 darf die Erbringung gemeinnütziger Leistungen höchstens für die Dauer von täglich 6 Stunden, wöchentlich 20 Stunden und insgesamt 120 Stunden angeordnet werden. Diese Regelung könnte auch den deutschen JRichtern als Richtschnur dienen (vgl. auch Schaffstein/Beulke S. 107 zu $ 2 0 n des österreichischen JGG 1988). Das der Arbeitsweisung innewohnende „repressive" Element (dazu $ 9, 5; Einf. II 9) verfälscht weder deren Sinn, noch die erz. Zielsetzung, solange sie nicht zur bloßen Ahndung eingesetzt wird (vgl. Dölling in BMJ, Hrsg., JStrafrechtsreform durch die Praxis, 1989 S.259). Das JArbeitsschutzG ist bei den Arbeitsweisungen sinngemäß zu beachten (Art. 293 II 2, i n EGStGB; ähnlich Eisenberg 21; Ostendorf 14). Zur Haftpflichtfrage Rn 22. Durch die Arbeitsleistung wird kein Beschäftigungsverhältnis iSd Arbeitslosenversicherung begründet (Art. 293 II 1, III EGStGB) und die Verfügbarkeit iSd SGB III nicht ausgeschlossen (§ 1201SGB III), so daß die Streichung von Arbeitslosenunterstützung nicht zu befürchten ist. Zur Hilfe der JGH $ 38, 4 b ff. Das 1. JGGÄndG 1989 läßt neben der Arbeits Weisung auch eine Arbeitsauflage nach $ 151 Nr. 3 zu, um die mit der Leistung gemeinnütziger Arbeit verbundene Chance sozialen Lernens und die Notwendigkeit, für begangenes Unrecht einzustehen, bewußtzumachen. Ebenso wie die Arbeitsweisung ist auch die Arbeitsauflage verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 83, 119, wonach die Auflage gemeinnütziger Leistungen nach § 5 6 b II Nr. 3 StGB nicht den Schutzbereich des Art. 12 II und III GG berührt). Bedenken wegen verschwimmender Grenzen zwischen ErzMaßregeln und Zuchtmitteln haben sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchgesetzt, wobei eine Rolle gespielt haben mag, daß die Trennung zwischen diesen „Sanktionsarten" für den Gesetzgeber ohnehin auf dem Prüfstand steht (Böttcher/Weber NStZ 90,565; vgl. auch Einf. II 44). Außerdem sind auch Auflagen erz. geprägt und begrenzt. Nach einer auf einen Landkreis bezogenen Unter119

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suchung von Kremerskothen (2001 S. 144 ff, 202 ff) bestehen in der Justizpraxis allerdings keine klaren Kriterien für die Unterscheidung von Arbeitsweisung und Arbeitsauflage im Einzelfall. Arbeitsleistungen können auch nach $ 98 I 1 Nr. 1 OWiG aufgegeben werden. 10 Die Weisung, sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person, einem Betreuungshelfer, zu unterstellen (Nr. 5) soll die Erz. fördern und sichern (Abs. I). Sie ermöglicht es, den einzelnen durch eine bestimmte, möglichst genau bezeichnete (RL 2 S. 5) Bezugsperson zeitlich begrenzt und gezielt zu betreuen und ihn bei der Lösung kriminalitätsfördernder persönlicher und sozialer Probleme zu unterstützen. Die Verhältnismäßigkeit zwischen der Schwere der Straftat und den mit dieser Weisung verbundenen Belastungen für den J sowie ggf. auch dem zeitlichen und personellen Aufwand für die JGH muß austariert werden (vgl. RL 2 S. 1), wobei im Vordergrund zu bleiben hat, ob solche Hilfe für den J geeignet und möglich ist. Die Betreuungsweisung ist nicht für Bagatellfälle bestimmt (Böttcher/Weber NStZ 90,564). Die Begründung des RegE eines 1 .JGGÄndG nennt als Anwendungsfälle der Praxis die wiederholte Begehung leichter bis mittelschwerer Delikte (BT-Drs. 11/5829 S. 15 f). Die Betreuungsweisung kann daher auch bei erheblicher krimineller Gefährdung die geeignete erz. Reaktion sein (Böhm NJW 91, 535). Aufgaben des Betreuungshelfers sind kontinuierliche Zuwendung für den J, Hilfe bei lebenspraktischen Problemen, Förderung der sozialen Handlungskompetenz, Vermittlung gesellschaftlicher Anforderungen und Aufzeigen von Grenzen (Fröhlich-Gildhojf DVJJ-J 97, 232). Wesentlich ist es, einen geeigneten und bereiten Helfer zu finden, der die Mitte zwischen der Betreuung und dem Freiraum findet, dessen der Betreute bedarf, um selbständig zu werden. Die JGH ist kraft Gesetzes berufen, den JRichter hierbei zu unterstützen (S 38 III 3 HS 2; $ 38,4 c). Denn sie kennt die Persönlichkeit des J und seine Bedürfnisse am besten und auch als Betreuungshelfer geeignete und bereite Personen. Die Betreuungsweisung gewinnt gerade für Hw. als Ausgleich für den Wegfall der ErzBeistandschaft (§ 12, 2) erhöhte Bedeutung (§ 105 RL 3). Bei J wird eine solche Weisung nur dann Erfolg versprechen, wenn die Einwilligung der ErzBerechtigten gesichert oder unterstellt werden kann (RL 2 S.2). Im Gegensatz zu § 24 I 1 ist beim Betreuungshelfer nicht von „Leitung" die Rede, aber doch von „Aufsicht", wie die BT-Drs. 11/5829 S.42 allerdings meint, nur „nachrangig". Verbindliche Anordnungen, die letztlich zu Ungehorsamsarrest führen könnten, darf der Helfer nicht treffen; denn dieses Recht hat der Gesetzgeber nur dem Richter zuerkannt und dieser kann es nicht wieder in Form einer Weisung delegieren. Befolgt der J die Ratschläge des Helfers nicht, so kann dieser notfalls beim Richter gezielte Weisungen anregen, die dann die Folgen des $ 11 III 1 haben können. Schon die Erfahrungen mit Weisungen nach RL 3 alter Fassung waren gut {Pfeffer UJ 64,174). Die Betreuungsweisung kann isoliert oder in Verbindung mit anderen Weisungen erteilt werden; sie eignet sich als vorläufige ErzMaßnahme nach $ 711, als Auflage zur Verschonung mit UHaft und iVm § 57. Sie bietet dem J Hilfe und Vermittlung bei Schwierigkeiten (vgl. bes. §15,8). Zum 120

Weisungen Projekt einer ambulanten intensiven Begleitung, in dem ein Team von Sozialpädagogen ein Netzwerk von Institutionen u n d Bezugspersonen aufbaut, in das der J zur Entwicklung eines stabilen sozialen Umfeldes integriert werden soll, vgl. Möbius DVJJ-J 00, 389. Zu beachten ist, daß die Laufzeit der Betreuungsweisung 1 Jahr n i c h t überschreiten soll ($ 1112); das entspricht d e m intensiven Eingriff und begrenzt ihn. Vgl. dazu Rn 9 c. Schaffstein/Beulke (S. 108) regen an, in der Weisung den Bereich zu bezeichnen, auf 1 0 a den sich die Betreuung (im besonderen) beziehen soll. Im übrigen ermöglicht es gerade diese Weisung, den Bedürfnissen u n d ev. Gefährdungen des Betreuten rasch u n d gezielt zu folgen. Es ist Aufgabe der JGH, dem Richter ggf. rechtzeitig einen geeigneten Helfer zu benennen, stets e i n e natürliche Person, nicht eine Behörde mit wechselnden Sachbearbeitern ($ 38 III 3 HS 2). K o m m t eine Betreuungsweisung in Betracht, wird der Richter frühzeitig Verbindung m i t der JGH a u f n e h m e n (vgl. S 38 III 2; RL 2 S. 3). Weil der Richter nicht immer in der Hauptverhandlung einen Helfer benennen kann, ü b e r n i m m t zwingend kraft Gesetzes ein - bestimmter - JGHelfer die Betreuung ($ 38 II 7). Überläßt der JRichter der JGH die Benennung eines Betreuungshelfers, so fordern Böttcher/Weber (NStZ 90, 564) zu Recht, d a ß er die „Entscheidung in den Umrissen selbst trifft". Der Betreuungshelfer k a n n u n d soll an einer H a u p t v e r h a n d l u n g gegen d e n Betreuten teilnehmen (§ 48 II 1) u n d zu dessen Entwicklung gehört werden ($ 50IV). Er wird auch bei nachträglichen Entscheidungen über Weisungen u n d Auflagen gehört ($ 6512). Vgl. außerdem § 93 III. Zu 3 Jahren Praxiserprobung der Betreuungsweisung Schaar Zbl. 87, 18. Zu einer Betreuungsweisung bei vollstreckbarer JStrafe § 1 7 , 2 2 a. Die Betreuungsweisung ist wegen ihrer Eingriffsintensität vom Katalog des $ 45 ausgenommen (§ 45, 32). Vgl. auch Vrehsee MKrim. 88, 281. Bei Strafaussetzung zur Bew. wird die Betreuungsweisung durch die BewHilfe selbst ausgeschaltet. Vgl. d a z u $ 38 II 7. Die Weisung, a n e i n e m sozialen Trainingskurs t e i l z u n e h m e n (Nr. 6) u m f a ß t 1 1 auch andere Formen erz. Gruppenarbeit (Erz.-, Übungs- u n d Erfahrungskurse) bis hin zur Einzelbetreuung durch die f ü r die Gruppe verantwortlichen Personen (RL 3 S. 3). Im übrigen k a n n der JRichter auch zur Teilnahme an G r u p p e n anweisen, die nicht in das Schema der sozialen Trainingskurse passen (vgl. Rn 2). Er m u ß aber diese Gruppe kennen. Diese Weisung will die soziale Handlungskompetenz sowie die persönliche u n d soziale Verantwortlichkeit fördern, mittels eines sozialpädagogischen Konzepts zur sozialadäquaten Lösung von Konflikten befähigen, aber auch sinnvolle Möglichkeiten der N u t z u n g der Freizeit (vgl. Einf. I 35) anbieten (zu den Zielen vgl. Kraus DVJJ-J 97, 309 f) Die eingesetzten Methoden sind vielfältig. Busch (Neue ambulante M a ß n a h m e n nach d e m JGG, 1986 S. 8 ff) beschreibt etwa 400 Projekte; danach k o m m e n ua in Betracht (S. 16 ff): Kurse an einem oder mehreren Wochenenden (dazu Rn 11 a), Blockkurse über mehrere Tage oder Wochen, erlebnisorientierte Gebirgswanderungen (vgl. Rn 11 a), Dauerkurse über mehrere Monate an Wochenenden, kombinierte Kurse zur Aufarbeitung von Arbeitsauflagen, Kurse in JA- oder JStrafanstalt, auch Drogenseminare (Schaar Zbl. 121

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85,118). Gerade handlungs- und erlebnisorientierte Kurse werden gut angenommen, gehen von den Bedürfnissen der J aus, vermitteln Erfolgserlebnisse und handwerkliche Fähigkeiten (vgl. auch Böhm NJW 91, 535, nach welchem der soziale Trainingskurs sich bewährt hat). Zur Erlebnispädagogik s. Heckner in DVJJ-BW (Hrsg.) Auffällige Kinder u. J, 2000 S. 11 ff. Bes. Programme vor Ort in kleineren Gruppen können viel erreichen und möglicherweise auch nicht straffälligen J offen sein (Breymann Zbl. 88,448; Dötting Zbl. 89,319), wobei allerdings die dabei gewiß auftretenden bes. Probleme gesehen werden müssen. Häufig bedarf es der ergänzenden Einzelfallhilfe (Roggemann/Schröter/Ebel DVJJ-J 96, 193). Bei Gewalttätern kann ein Anti-Gewalt-Training angezeigt sein, das den J mit der Tat konfrontiert, Rechtfertigungsstrategien abbaut und Unrechtseinsicht fördert, die Opferperspektive vermittelt sowie Handlungsalternativen aufzeigt und einübt (vgl. dazu Kohaus/Cladder-Micus DVJJ-J 95, 347; Hansen/Römhild DVJJ-J 98,383; Brand/Saasmann DVJJ-J 99,419; Küb/Vfeidner DVJJ-J 99,379; s. auch Piel/Schmitt Zbl. 01, 291). Es wird aber auch Kritik and den sozialen Trainingskursen geübt wegen Bevorzugung ohnehin weniger belasteter Probanden und wegen „Unerwünschtheit" des Gruppenwesens seitens der Betroffenen, auch wegen vorheriger Fremdbestimmung des Ablaufs (Eisenberg 33 mwN). Bezüglich der Literatur vgl. die Auswahlbibliographie in BMJ, Hrsg., „Diversion" im deutschen JStrafrecht, 1989 S.69ff, auch Bericht Viehmann BewH 89, 355. 11 a Die JGH kann und soll auf Grund umfassender Persönlichkeitsforschung dem JRichter auf frühzeitige Anfrage hin (RL 3 S. 2 iVm RL 2 S. 3) mitteilen, ob ihr Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs sinnvoll erscheint (vgl. $ 38 III) und auf geeignete Kurse hinweisen. Der JRichter entscheidet über Anordnung, Umfang und Beendigung des Trainingskurses. Voraussetzung ist eine Straftat, die auf einen ErzMangel hinweist, maßgeblich sind die psychische Verfassung des J, sein persönliches und soziales Umfeld (vgl. Dötting in BMJ, Hrsg., JStrafrechtsreform durch die Praxis 1989, S. 261; BMJ, Hrsg., „Diversion" im deutschen JStrafrecht, 1989, S. 23). Die Belastungen, welche die aufwendige Maßnahme allseits birgt, fordern stets Beachtung (vgl. RL 3 S. 1). Der soziale Trainingskurs eignet sich nicht für Bagatellfälle (Böttcher/Weber NStZ 90, 564). In geeigneten Fällen stellt er eine vorzugswürdige Alternative zu JA oder kürzerer JStrafe dar (Böhm NJW 91, 535; vgl. auch Wetthöfer MKrim. 95, 42, der nach sozialen Trainingskursen geringere Rückfallquoten ermittelte als nach Dauerarrest). Betreuungszeiten zwischen 3 und 6 Monaten haben sich bewährt, einmalige Wochenendveranstaltungen weniger („Diversion" S. 25), Kombination mit JA kann in Ausnahmefällen erwogen werden (vgl. Einf. II 41; „Diversion" S. 24). Der JRichter überwacht den Trainingskurs, damit die Rechte der J gewahrt werden. Diese Gesamteinschaltung des JRichters läßt geäußerte rechtliche Bedenken (Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, Umgehung rechtsstaatlicher Garantien) zurücktreten (Dötting aaO S.261). Es ist selbstverständlich, daß der JRichter den Veranstaltern den Gestaltungsspielraum beläßt, den eine eigenverantwortliche Arbeit nach pädagogischen Grundsätzen benötigt. Zwischen JRichtern und Veranstaltern ist nicht nur ein regelmäßiger 122

Weisungen

Gedankenaustausch notwendig, auch Zusammenarbeit ohne „ideologische Verklemmungen" und Vorurteile dient der gemeinsamen Sache. Sind solche Kurse als Alternative zum JA geeignet, so m u ß im übrigen auch die Gefahr der „Überbetreuung" gesehen werden. Die Laufzeit dieser Weisung ist grds. auf 6 Monate begrenzt (5 1112), was den gebotenen raschen Beginn fördert und die erforderliche Intensität verlangt und zugleich begrenzt. Wegen ihres Eingriffcharakters sollte die Weisung entsprechend $ 10 II nur mit 11 b Z u s t i m m u n g des ErzBerechtigten und des gesetzlichen Vertreters oder mit Einverständnis des J, wenn dieser das 16. Lebensjahr vollendet hat, verhängt werden („Diversion" S. 25). Zur Anhörung des Kursleiters in der Hauptverhandlung siehe § 50IV, zu seiner Anhörung vor nachträglichen Entscheidungen über Auflagen u. Weisungen $ 65 I 2. Vom Katalog des $ 45 ist diese Weisung wegen ihres Eingriffcharakters ausgeschlossen (§ 45, 32). Die Weisung, sich z u bemühen, einen Ausgleich m i t d e m Verletzten z u 12 erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich, Nr. 7) hat das Ziel, den j. Täter mit dem Verletzungscharakter seiner Tat, der Geltung strafrechtlicher Normen und der Bedeutung der Rechtsordnung für ein einvernehmliches Zusammenleben zu konfrontieren und ihn zu motivieren, sich durch aktive Beteiligung an der Wiedergutmachung seiner Verantwortung zu stellen (vgl. Begründung des RegE eines l.JGGÄndG, BT-Drs. 11/5829 S. 17). Fremdwertbegriffe werden angelernt und durch die Anbahnung der Versöhnung mit dem Opfer der Sozialisationsprozeß gefördert. Der Täter soll durch konstruktive Tatverarbeitung Verantwortlichkeit und Normtreue erlernen (Rössner/Klaus in Dötting ua 1998 S. 116). Diesen erz. u n d sozialpädagogischen Wirkungen auf den Täter steht gegenüber, daß beim Opfer Ängste und seelische Belastungen abgebaut, das Vertrauen in die Rechtsordnung wiederhergestellt oder gestärkt und Täter und Opfer die Chance gegeben werden soll, den Konflikt aufzuarbeiten. Das alles ist leichter postuliert als erreicht und fordert Sorgfalt und Sensibilität bei Auswahl und Durchführung (dazu Rn 12 c). In der „Wiederentdeckung des Opfers" treffen sich in „überraschender Konvergenz" (Schöch NStZ 84, 385) Anhänger der Generalprävention und Resozialisierungstheoretiker, Befürworter des Vergeltungsgedankens und prinzipielle Kritiker des Strafrechts (vgl. auch Seelmann NJW 89, 670). Der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) wird begrüßt als „hoffnungsvollste Alternative zum übelzufügenden Sanktionskatalog des Strafrechts" (Schreckling/Pieplow ZRP 89, 10), als „derzeit hoffnungsvollste Perspektive der Kriminalpolitik" (Schöch RdJ 99, 290) und als „ein Programm, fast eine Vision zur Ablösung strafrechtlichen Denkens" (Viehmann in BMJ, Hrsg., JStrafrechtsreform durch die Praxis, 1989 S. 350 unter Hinweis auf Walter). Schaffstein (in Schöch, Hrsg., Wiedergutmachung u. Strafe, 1987 S. 163) hat davor gewarnt, den TOA als Allheilmittel anzusehen, ihn jedoch als eine Bereicherung der Möglichkeiten der JStrafrechtspflege bewertet. Die Entwicklung des TOA ist dadurch gekennzeichnet, daß die Zahl der im Wege 1Z a des TOA erledigten Fälle in den neunziger Jahren erheblich zugenommen hat, das vorhandene Fallpotential aber weiterhin nicht ausgeschöpft wird (Wandrey/Wei123

2. Teil. Jugendliche

tekamp in Delling ua 1998 S. 130 ff, 142 f). Die feste Etablierung des TOA an einer Reihe von Orten spricht gegen die Befürchtung, die zunächst ins Leben gerufenen Modellprojekte könnten eine Modeerscheinung sein (Schilnemann NStZ 96, 194; Kerner in Jansen/Kerner, Hrsg., Verbrechensopfer, Sozialarbeit u. Justiz, 1985 S. 495,497). Gegenwärtig wird der TOA vor allem bei Körperverletzungsdelikten, Diebstahl und Betrug sowie Sachbeschädigung praktiziert; er findet aber auch in Fällen von Raub und Erpressung Anwendung (Hartmann/Stroezel in Dötting ua 1998 S. 165). Täter und Opfer sind ganz überwiegend zur Beteiligung am TOA bereit, der idR mit einer Augleichsvereinbarung endet, die insbes. Verpflichtungen des Täters zu Entschuldigung, Schmerzensgeld und Schadensersatz enthält (.Hartmann/Stroezel aaO S. 173 ff). Die bisherigen positiven Erfahrungen sprechen für einen weiteren Ausbau des TOA. Mit Recht gibt daher der 1999 in Kraft getretene S 155 a StPO der StA und dem Richter auf, in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten eines TOA zu prüfen und in geeigneten Fällen darauf hinzuwirken. 12 b Die rechtsstaatlichen Grundsätze eines fairen Verfahrens müssen gerade beim Täter-Opfer-Ausgleich exakt eingehalten werden. Der Beschuldigte muß geständig und die Tat nachgewiesen sein (vgl. auch Schöch RdJ 99, 287, nach dem ein Geständnis nicht unbedingt erforderlich ist, auf einen TOA-Versuch jedoch verzichtet werden sollte, wenn vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten bestehen). Er muß belehrt werden, daß er sich frei entscheiden kann, ob er sich auf den Ausgleich einlassen will (vgl. Dötting in BMJ, Hrsg., JStrafrechtsreform durch die Praxis 1989 S. 263). Hier will die Gefahr bedacht sein, daß der J uU unter dem Druck des Verfahrens und in der Hoffnung auf eine ihm günstige Entscheidung „gestehen" und seine Möglichkeiten überschätzen könnte (Brunner Zbl. 76, 276; auch S 23, 8). Zu weit geht aber die Ansicht von Kondziela (MKrim 89, 177), wonach der TOA erst durchgeführt werden soll, nachdem der Richter das Geständnis überprüft und sich von der Schuld überzeugt hat. Der Verletzte darf ebensowenig im Übereifer als „pädagogisches Instrument" mißbraucht werden, wie seine Weigerung mitzuwirken den J nicht benachteiligen darf. Nach § 155 S. 3 StPO darf gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten die Eignung eines Falles für den TOA nicht angenommen werden. Mit Schöch (RdJ 99,290) ist darauf zu achten, daß nicht unangemessener Versöhnungsdruck, sondern die Entscheidungsfreiheit der Betroffenen das Verhandlungsklima prägt. Es sollte auch der finanzielle Aspekt nicht derart beherrschend im Mittelpunkt stehen, daß der erzwidrige Eindruck entstehen könnte, mit Geld sei alles abzumachen (Brunner Zbl. 76, 276; auch Rnl2f). Probleme können auch aus der zivilrechtlichen Verflechtung einer strafrechtlichen Wiedergutmachung entstehen (dazu § 15, 4-6; Brunner Zbl. 76, 270; Frehsee NJW 81, 1253; Jakobs/Molketin JWohl 83, 159). 12 c Da zu den tragenden Prinzipien des TOA die Anerkennung eines autonomen Beitrags des Täters zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens gehört, empfiehlt es sich idR, den TOA nicht durch eine Weisung anzuordnen, sondern ihn im Rahmen der Diversion nach SS 45, 47 durchzuführen oder - wenn auf eine Verurteilung nicht verzichtet werden kann - der Hauptverhandlung vorzulagern 124

Weisungen (Dötting in JStrafrecht an der Wende S. 190; Rössner/Klaus in Dötting ua 1998 S. 117; Schock RdJ 99,280; ders. in JStrafrecht an der Wende S. 126; Bedenken gegen einen verordneten TOA auch bei Kerner/Marks/Rössner/Schreckling BewH 90, 169). Wird der Weg der Diversion beschritten, m u ß sich der StA darauf verlassen können, d a ß der J auch ernstlich geständig u n d schuldig ist - ggf. das nachprüfen aber auch, d a ß die Bemühungen u m einen Ausgleich die Beweislage nicht verschlechtern (BMJ, Hrsg., „Diversion im deutschen JStrafrecht, 1989 S. 21). Unter solchen Voraussetzungen k a n n der JStA einen erfolgten TOA als getroffene erz. Maßn a h m e u n d damit als Grundlage f ü r eine Einstellung nach $ 45 II werten. Der StA kann aber auch den Ausgleich selbst herbeiführen u n d so die bereits durchgeführte oder eingeleitete erz. M a ß n a h m e erst schaffen (§ 45 II). Siehe weiter § 45, 19 u. § 47, 8. Teilweise wird allerdings für eine stärkere Beteiligung des Richters am TOA plädiert (Schöch in ders. Hrsg., Wiedergutmachung u. Strafrecht 1987, S. 148 ff, 154: Termin vor einem bes. „Restitutionsrichter"; Miehe in Schöch aaO S. 159). Der TOA ist keineswegs n u r auf Bagatellfälle oder auf Erstauffällige beschränkt (Walter in Kaiser/Kury/Albrecht, Hrsg., Kriminologische Forschung in den 80er Jahren, 1988 S. 813), er k a n n auch bei Verbrechen eingesetzt werden. Die Begründ u n g des RegE eines 1. JGGÄndG (BT-Drs. 11/5829 S. 17) scheidet idR Straftaten jenseits der leichten, mittleren u n d mittelschweren Kriminalität aus. Die Grenzen hinsichtlich Tatschwere u n d Opferschäden sind aber noch nicht ausgelotet, es k o m m t entscheidend auf den Einzelfall u n d auf Täter u n d Opfer an. Das breite Spektrum der D e l i k t e , das in der Praxis des TOA erfolgreich bearbeitet worden ist (vgl. dazu Hartmann/Stroezel in Dötting ua 1998 S. 160 ff) zeigt, daß eine Beschränk u n g des TOA auf bestimmte Delikte nicht sinnvoll ist (Schöch RdJ 99,286). Ist eine S a n k t i o n i e r u n g d u r c h U r t e i l angezeigt, k a n n der TOA z u g u n s t e n d e s T ä t e r s b e r ü c k s i c h t i g t werden bei der Entscheidung, ob u n d ggf. welche ErzMaßregeln oder Zuchtmittel geboten sind bzw. ausreichen, ob JStrafe geboten u n d in welcher Höhe sie angemessen ist u n d ob Strafaussetzung zur Bew. verantwortet werden kann. Unter den Voraussetzungen des $ 4 6 a StGB ist auch ein Schuldspruch mit Absehen von Strafe möglich (Dötting ua 1998 S.489: Schöch RdJ 99, 281). Die Bemühungen u m den Ausgleich u n d die Überwachung der Abwicklung sind 12 d personal- u n d zeitaufwendig u n d fordern die Entwicklung neuer Arbeitsmethoden. JGH, StA und Richter müssen in der Lage sein, die „geeigneten" J u n d Fälle zu erspüren. Einschätzungen der Polizei können hierfür hilfreich sein. Die V e r m i t t l u n g s p e r s o n m u ß unparteilich sein, sollte nicht gleichzeitig Betreuer des Täters oder des Opfers sein u n d m u ß für die schwierige Aufgabe der Vermittlung ausreichend qualifiziert sein (zu den Standards f ü r die Umsetzung des TOA vgl. Wandrey/Weitekamp in Dötting ua 1998 S. 122 ff). Die Vermittlungsperson m u ß viel Einfühlungsvermögen zeigen, wenn Begegnungen zwischen Täter u n d Opfer echte Annäherung u n d Konfliktbereinigung bringen sollen. Die Abwicklung der Wiedergutmachungsvereinbarungen schließlich (Ratenzahlungen, Abarbeiten; zur Zumutbarkeit der Naturalrestitution f ü r den Verletzten Brunner Zbl.

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2. Teil. Jugendliche

76,272,275), verlangt ebenfalls ein sachkundiges Vorgehen. Es hat sich erwiesen, daß die Mitwirkungsbereitschaft bei Täter und Opfer sehr hoch ist (Rn 12 a). Die Rechtsgrundlage für die Datenweitergabe zwischen Justiz und Vermittlungsstelle im Rahmen des TOA enthält $ 155 b StPO. Zur Finanzierung des TOA Rn 22 a u. Tömig DVJJ-J 00, 281. 12 e Zur Schadenswiedergutmachung vgl. J 15, 3 ff. Zu Ungehorsamsarrest bei Zahlung durch Dritte $ 15,12 b. Vgl. auch § 45,8 u. 19; SchrecklingZbl. 90,626. Zu den Erfahrungen in Österreich nach der JGG-Reform zu Konfliktregelung und Tatausgleich Jesionek in Frank/Harrer (Hrsg.) Drogendelinquenz - JStrafrechtsreform, Forensia-Jahrbuch 2,1991 S. 213. Zur Akteneinsicht (JGH-Bericht) des Vertreters des Verletzten $ 38, 13. 12 f Das OpferschutzG vom 18.12.1986 (BGBl. 12469) und das ZeugenschutzG vom 13.4.1998 (BGBl. I 820) wollen die Stellung des Verletzten im Strafverfahren verbessern. Sie enthalten keine Einschränkung hinsichtlich des JGG. Die erz. Eignung und die sozialpädagogische Einwirkung würden aber bereits im Ansatz zunichte gemacht, wenn die Genugtuung des Verletzten allzu beherrschend in den Vordergrund geschoben wird und dadurch dessen Belange nahezu zum Hauptinhalt des JGerichtsverfahrens eskalieren (vgl. Brunner ZB1. 76, 269 zur Wiedergutmachungsauflage) und möglicherweise das Verfahren zu Lasten des J beeinflussen könnten. Diese Überlegungen und das ErzZiel des JGG sind dadurch rechtlich abgesichert, daß die allg. Vorschriften, also auch die in die StPO eingegangenen Bestimmungen des OpferschutzG und des ZeugenschutzG, nur gelten, soweit das JGG nichts anderes bestimmt, und auch schon dort nicht eingreifen, wo sie den Grundsätzen des JGG widersprechen (vgl. § 2, 2). In diesem Sinne m u ß jede einzelne Bestimmung auf ihre Anwendbarkeit im JGerichtsverfahren überprüft werden. Dazu Stock MKrim. 87, 352 ff; Rösstier in JStrafrecht an der Wende S. 165 ff. Soweit veranlaßt, wird bei den einzelnen §§ des JGG hierauf hingewiesen (Zusammenstellung der Fundstellen im Kommentar in % 80, 9). Zur Einstellungsverfügung des StA bei Körperverletzungsdelikten vor dem Hintergrund des OpferentschädigungsG vom 7.1.1985 (BGBl. IS. 1) Steyer DRiZ 89, 201.

13 Die Weisung, den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen (Nr. 8), kann dazu dienen, J und Hw. aus sie gefährdenden Gruppierungen herauszunehmen (vgl. OLG Hamburg NJW 64,1814; zust. Heinitz JR 65, 65; Becker Zbl. 85,161). Wird der Besuch von bestimmten Gast- oder Vergnügungsstätten untersagt, muß auch eine wirksame Kontrolle sichergestellt werden (vgl. Rn 3). Über Nr. 8 hinaus kann auch der Umgang mit bestimmten Gruppierungen verboten werden (vgl. BGH H MDR 78, 623). Ähnliche Ziele können auch zeitliche Ausgangsbeschränkungen verfolgen. Dazu ist Maß, bes. bei Hw., und Überwachung geboten. 14 Die Weisung, an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen (Nr. 9), ist nicht die einzige Weisung, die Verfehlungen im Straßenverkehr folgen kann, noch fordert sie als auslösende Tat eine Verkehrsverfehlung; sie kann auch sonst erz. sinnvoll 126

Weisungen

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sein. Dies erweitert ihre Möglichkeiten. Der Verkehrsunterricht sollte sich nicht in Belehrungen erschöpfen, sondern handlungsorientiert ausgestattet sein (Thomson DVJJ-J 99, 426). Die zulässige Weisung, bestimmte Gegenstände für eine gewisse Zeit nicht zu gebrauchen oder abzuliefern, gilt auch für Kraftfahrzeuge, wenn die Weisung - die auch in der Form ergehen kann, den Führerschein für eine bestimmte Zeit zu den Akten zu reichen - nicht ganz oder vorwiegend der Ahndung eines Verkehrsverstoßes oder der Sicherung des Straßenverkehrs dienen soll (dann wäre sie als Umgehung der $§ 4 4 , 6 9 StGB gesetzeswidrig, OLG Düsseldorf, NJW 68, 2156 mit Anm. van Eis, der die Weisung auch zu erz. Zweck als gefährlich leichten Weg bezeichnet). Es wird dem OLG Braunschweig Nds. Rpfl. 69, 235 zuzustimmen sein, daß für eine derartige Weisung dann kein Raum ist, wenn die Fahrerlaubnis gem. $ 69 StGB zu entziehen oder sonst ein Fahrverbot auszusprechen ist; zulässig ist eine derartige Weisung also nur, wenn sie vorwiegend erz. auf die Lebensführung des Täters einwirken soll, zB auf einen j. Motorradfahrer, der durch seine Motorradleidenschaft in Schulden geraten ist und gestohlen oder betrogen hat. - Auch die Weisung, gerichtet an einen rücksichtslosen Radfahrer oder undisziplinierten Fußgänger, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, fällt noch in diesen Rahmen, weil sie das Verantwortungsbewußtsein fördern kann (Schnitzerling DAR 56, 125). Bei wiederholtem Fahren ohne Fahrerlaubnis kommt auch die Weisung in Betracht, eine Fahrerlaubnis in einer bestimmten Zeit zu erwerben, wenn die Kosten dafür zumutbar sind (LG Oldenburg B NStZ 85, 447; Seiler DAR 74, 260 u., insbes. auch zur Frage der Nichterfüllung, Händel DAR 77, 309). Zur Ausbildung von Kursleitern für Verkehrserziehungskurse Thomson DVJJ-J 99, 425. Die erprobte Nachschulung alkoholauffälliger Kraftfahrer bietet sich als Weisung für J und Hw. an, um neben dem Entzug der Fahrerlaubnis oder zur isolierten Sperre Hilfe zur Bewältigung der Problematik „Trinken und Fahren" zu geben (dazu Bußmann/Gerhardt Blutalkohol 80, 117 u. 84,199, 214). Innerhalb der bei Rn6 und 7 aufgezeigten Grenzen kann der JRichter über den 14 a Beispielskatalog der Nr. 1 - 9 hinaus weitere geeignete Weisungen erteilen. Von Bedeutung, auch bei den volljährigen Hw., sind Weisungen über Verwendung und Nachweis des Einkommens und Verbote, Kredit- oder Ratenzahlungsverträge abzuschließen, was natürlich nicht in völlige Reglementierung ausarten darf. Es kann auch die Erfüllung bestehender Pflichten (Schule, Ausbildung, Arbeit, Unterhalt) durch Weisungen, welche die Pflichten einzeln bezeichnen müssen, gefördert werden. Schließlich ist es auch zulässig und notwendig, bei einer Entziehungskur (Rn 18 ff), den J anzuweisen, an einem Urinkontrollprogramm teilzunehmen (für Erw. OLG Stuttgart Justiz 87, 234); näher $ 21, 17. Diese in das Persönlichkeitsrecht eingreifende Weisung ist nicht gesetzeswidrig, denn sie soll gerade vor Fehlentwicklungen bewahren (zur Zulässigkeit von Urinkontrollen als BewWeisung BVerfG NStZ 93, 482; OLG Zweibrücken JR 90, 121 mit zust. Anm. Stree; Verrel Die Selbstbelastungsfreiheit im Strafverfahren, 2001 S. 59 ff, 284 f; aA Hoferer NStZ 97, 174). 127

2. Teil. Jugendliche 14 b

Der JRichter kann über § 10 auch geeignete Hilfen aus d e m SGB VIII (dazu im einzelnen $ 45, 19 a) als Weisungen erteilen. Vorherige Rücksprache und Vereinbarung mit dem J A m t erscheint sinnvoll und ist anzuraten, weil dort Erfahrung mit den einzelnen Hilfen gesammelt ist und diesem auch die Durchführung obliegt. Ein „Einvernehmen" sieht das Gesetz aber nicht vor (vgl.

Schwenkel-Omar

Zbl. 90, 495). Vgl. bes. $ 12, 3 . Die Hilfen nach SS 3 0 , 3 4 SGB VIII aber können nicht im Wege einer Weisung erteilt werden, weil sie in S 12 Nr. 1 und 2 für das JStrafrecht abschließend geregelt sind und so $ 12 umgangen würde (vgl. $ 1 2 , 9 ; auch $ 4 5 , 19 a). 14 c

Ob neben JA W e i s u n g e n über das Verhalten i m JA gegeben werden können, ist strittig (Dattinger/Lackner 23: nein, da keine Weisung iSd S 10; OLG München [NStZ 85, 411] lehnt Weisungen nach $ 5 6 c StGB, sich in Strafhaft gut zu führen, mangels Rechtsgrundlage ab). Es ist dies auch nicht notwendig, möglicherweise nicht einmal bes. förderlich. Hingegen ist bei V e r u r t e i l u n g z u J A die z u s ä t z liche W e i s u n g zu empfehlen „den Arrest zu dem in der Ladung genannten Termin pünktlich unter Vorlage eines Ausweispapiers anzutreten" (zust. Eisenberg 34; aA Ostendorf 18). Eine derartige Weisung vermeidet Vorführungen, die sich in der Praxis häufen und zu erheblichen Kosten und Schwierigkeiten fuhren; sie ist auch zulässig, da sie durchaus ErzKomponenten aufweist und mindestens ebenso auf die Lebensführung einwirkt, wie die Weisung, eine Arbeitsleistung zu erbringen oder an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen (§ 1 0 1 Nr. 4 u. 9). Mit einer derartigen Weisung wurden beste Erfahrungen gemacht. 4.

Heilerzieherische B e h a n d l u n g

Schrifttum: Aichhorn Verwahrloste Jugend, 1965; Bittner Psychotherapie für Kriminelle, BewH 60, 274; Demski Psychotherapeutische Behandlung als BewAuflage, NJW 59, 2100; DOhrsen Psychotherapie bei Rechtsbrechern aus der Sicht des Psychiaters, NJW 61, 245; Engstier Die heilerz. Behandlung gem. $ 10 n JGG in der jstrafrechtlichen Praxis, Diss. Göttingen 1985; u. MKrim. 88,1; Hartmann Heilpädagogische Psychiatrie in Stichworten, 1986; Krüger Die psychotherapeutische Behandlung als Auflage im Deutschen Strafrecht, Diss. Freiburg 1964; Künzel JKriminalität u. Verwahrlosung, 5. Aufl. 1976; Minzel Praxis-Kinderpsychologie 1973, 131 ff; Mückenberger Die heilerz. Behandlung nach $ 10 II JGG, Diss. Hamburg 1970; ders. Die Praxis der heilerz. Behandlung nach § 10 II JGG, MKrim. 71, 292; Pfeiffer Erfahrungsbericht über richterlich angeordnete heilerz. Behandlung iSd § 10 II JGG, MKrim. 60, 162; Fielmaier Verhaltenstherapie bei delinquenten J, in Schottka/Wetzel (Hrsg.) Psychologische Behandlung von Kindern u.J, 1980 S. 316; Seeger Therapeutischer u. pädagogischer Umgang mit dissozialen J, in Deutsche Akademie für medizinische Forschung Kassel (Hrsg.) JKriminalität u. Resozialisierung, 1975 S. 67; Strasser Strafe u. Psychotherapie, BewH 60, 91; Statte Indikation u. Möglichkeiten heilerz. Behandlung bei jungen Straffälligen, RdJ 59, 37; ders. Zur Frage der heilerz. Behandlung iSv § 10 II des JGG, MKrim. 56,103; Thomann Psychotherapeutische Behandlung von Straffälligen, BewH 61,330; Wenit Die Möglichkeiten u. Grenzen psychotherapeutischer Behandlung von erw. u.j. Rechtsbrechern, MKrim. 57, 193.

15

Die Weisung, sich einer heilerz. Behandlung (Abs. II, RL 9) zu unterziehen, führt in der j s t r a f r e c h t l i c h e n Praxis ein unverdientes Kümmerdasein. Der Grund hierfür mag in Unsicherheit u m die Möglichkeiten und Grenzen der heilerz. Behandlung, 128

Weisungen in d e m Mangel an geeigneten Sachverständigen u n d Behandlungseinrichtungen, schließlich auch in Bedenken hinsichtlich der Kostenregelung liegen. So auch Engstier (1985 S.93), nach dessen Umfrage n u r lh der JÄmter erklärt haben, d a ß ü b e r h a u p t eine solche Weisung vorgekommen ist (S. 75). Der Anteil der heilere. Weisungen an der Gesamtzahl der Weisungen im Jahre 1975 betrug nach Engstler MKrim. 88, 4 nur etwa 0,3%. Engstier rät in diesem Z u s a m m e n h a n g , das Prinzip der Freiwilligkeit zu versachlichen und die Beziehungen zwischen Freiwilligkeit u n d Motivation herauszuarbeiten (1988 S.5). Die heilerz. Behandlung ist in allen ihren Formen eine längerfristige, auf die Einzelperson zugeschnittene Lenkung u n d Betreuung, die sich in geeigneten Fällen als das optimale ErzMittel erweisen kann und bei jungen Menschen bis zu 20 Jahren vom Lebensalter her den günstigsten Ansatzpunkt findet. Die Beh a n d l u n g e m p f i e h l t sich bei a m b u l a n t therapierbaren psychischen Störungen, die z u r Delinquenz des J g e f ü h r t haben. Teilweise wird a n g e n o m m e n , sie sei insbes. bei erworbenen seelischen Störungen angezeigt, wenn ursprünglich leistungsfähige Anlagen der Persönlichkeit durch U n g u n s t der Lebensumstände, bes. der Entwicklung, an ihrer natürlichen Entfaltung gehindert w u r d e n (Wendt MKrim. 57, 211), sie werde aber bei anlagebedingten Persönlichkeitsmängeln häufig versagen (Mückenberger 1970). Die Behandlung verspricht gegen leugnende, n u r durch Indizien ü b e r f ü h r t e Täter k a u m Erfolg. Aufgabe der B e h a n d l u n g ist vor allem, den Grund der Gesetzesverletzungen 15 a aufzudecken, ihn dem J bewußtzumachen, ihm dabei einen Weg aufzuzeigen u n d Hilfen zur Lebensbewältigung zu geben. Anlaßtaten können vor allem Aggressionstaten „aus nichtigem G r u n d " , Sexualdelikte, Brandstiftungen, aber auch andere Delikte sein (Engstler 1985 S. 236; Kaiser NStZ 82, 105). Die heilerz. Beh a n d l u n g u m f a ß t Heilpädagogik (vgl. zur Legasthenie Weinschenk Einf. I 33), Gesprächs- u n d Verhaltenstherapie, aufdeckende Behandlungsformen (zB analytische Psychotherapie ua), j e in Gruppen- oder Einzeltherapie (vgl. Eisenberg 44). Die Bereitschaft des J kann bes. geweckt werden, wenn der Therapeut zunächst konkrete Hilfe (in Familie, Schule, Beruf) anbietet (Minsel Praxis-Kinderpsychologie 1973 S. 131 ff). Die Behandlung sollte nur n a c h vorheriger A n h ö r u n g d e s für ihre Durch- 16 f ü h r u n g i n Betracht k o m m e n d e n Sachverständigen i m E i n v e r n e h m e n m i t d e m J u n d s e i n e n Eltern angeordnet werden (RL 9; Pfeiffer MKrim. 60,162). Da § 10 II 2 im Gegensatz z u $ 57 III 2 das Einverständnis des J nicht zwingend fordert, k ö n n t e sie in Ausnahmefällen auch gegen dessen Willen angeordnet werden (Thiesmeyer RdJ 70, 33), dies brächte aber eine denkbar schlechte Startposition. Es wird auch notwendig sein, den Eltern klarzumachen, w a r u m eine derartige Behandlung notwendig ist u n d d a ß sie ohne deren Förderung k a u m Erfolg verspricht {Mückenberger 1970). Beim H w . entfällt die Z u s t i m m u n g des ErzBerechtigten u n d des gesetzlichen Vertreters; u m so wichtiger wird deshalb das Einverständnis - u n d damit die Mitwirkung - des Hw, denn Widerstand verhind e r t eine erz. Einwirkung (vgl. $ 9, 3 aE). Das Vorliegen der nach Abs. II erforder129

2. Teil. Jugendliche

liehen Erklärungen ist in den Urteilsgründen mitzuteilen (BGH B NStZ-RR Ol, 321). Gefährliche Methoden sind idR unzumutbar (§ 10 I 2; Tröndle/Fischer für ErwRecht $ 56 c StGB 6 a). Zur Zurücknahme der Einwilligung BGH 36,97 in § 26 a, 4. 17 Zu den Kosten RL 6. Engstier (MKrim. 88, 7) verweist auf $ 43 SGBI. Nach Mükkenberger 1970 wäre es förderlich, eine gesetzliche Vorleistungspflicht des sachlich am ehesten zuständigen Jugendamtes oder der Justizbehörden „im Rahmen der Vollstreckungskosten" zu normieren. Dazu aber u. allg. zu den Kosten der Durchführung einer Weisung Rn22a. 5.

Entziehungskur

18 Die Weisung, sich einer Entziehungskur zu unterziehen, ist nicht erzwingbar und darf nicht dazu dienen, die schärfer umrissenen Gesetzesbestimmungen zur zwangsweisen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ($ 7) zu umgehen. Auch hier sollte die Mithilfebereitschaft der Eltern erreicht werden. Die Literatur über angemessene medizinische Behandlung der Drogenabhängigkeit ist umfangreich; vgl. $ 7, 3 u. Einf. 148-51. Die ambulanten Beratungs- und Therapiemöglichkeiten bei Minderjährigen mit chronischem Drogenkonsum sind begrenzt und versprechen nur Erfolg bei „solchen Jugendlichen, die zwar bereits Drogenerfahrung haben, bei denen jedoch auf Grund der speziellen Gegebenheiten ihrer Drogenkarriere, ihrer sozialen und pädagogischen Situation und ihrer Charakterstruktur Aussicht auf Distanzierung von ihren Vorerfahrungen unter psychotherapeutischer Hilfe besteht" (Stutte MKrim. 71, 9). 19 Dies beleuchtet die Schwierigkeit der Entscheidung. Inwieweit eine Entziehungskur helfen kann, hängt von der Motivation, dem Persönlichkeitsbild (Depravation?), von Art und Umfang des Drogengebrauchs (dazu Schneider Suchtgefahren 1984 S. 229), der kriminellen Verflechtung und den vorhandenen speziellen personellen und sächlichen Hilfsmitteln ab. Sorgfältige Persönlichkeitsermittlung und gutachtliche Äußerung eines Sachverständigen müssen der Entscheidung vorangehen (näher Einf. I 49-51). Es gilt auch das bei Rn 16 Gesagte. Da Drogenabhängige sich häufig nicht krank fühlen, ihre Situation sogar positiv interpretieren und ideologisieren oder in depravationsbedingter Gleichgültigkeit dahinleben, bedarf diese Weisung bes. auch psychologisch unterbauter Hilfen, wenn möglich unter Einbeziehung des Umfeldes, und Überwachung. Die über $ 10 II angeordnete Entziehungskur könnte darüber hinaus ein wirksames Instrument zur Nachbehandlung nach stationärer Entgiftung und Entwöhnung werden ($ 7, 5; $ 93 a, 4), soweit der Stufenaufbau der Drogenkliniken dies einbezieht. Sie kommt auch als Bewährungsauflage in Frage, sowohl bei Strafaussetzung wie auch bei bedingtem Erlaß der Reststrafe. Wie belastet die Entscheidung ist, wird deutlich, wenn man berücksichtigt, wie schwer es für den Richter ist, den Therapiewillen festzustellen und zu fördern (Einf. I 49; Brunner Zbl. 80, 415). Mit Rückfällen muß man rechnen; idR führen nur langfristige Bemühungen 130

Weisungen

aus der Drogenabhängigkeit hinaus. Zur Zurücknahme der Einwilligung BGH 36, 97 in S 26 a, 4. Therapeutische Gemeinschaften auf freiwilliger Grundlage versuchen, die psy- 19 a chische Abhängigkeit zu beseitigen (vgl. Brömer/Weinrich Kriminalpädagog. Praxis 86,16). Kontrolle durch die Gruppe ist medizinisch geboten und therapeutisches Prinzip; bei Verstoß gegen die Grundregel „keine Drogen, kein Alkohol, keine Gewalt" droht sofortiger Ausschluß. Die Behandlungsdauer sollte mindestens 1 Jahr betragen (vgl. insgesamt Eisenberg 65, 66). Der JRichter sollte aber die Einrichtungen gut kennen, bevor er sie auswählt (dazu näher Brunner Zbl. 80, 417 unter Hinweis auf Täschner JWohl 78, 410); zu Drogenseminaren Rn 11; zur Urinkontrolle Rn 14 a; $ 21,17; zur Verweigerung einer Urinprobe LG Kleve NStZ 89, 48; zu Weisungen bei Drogentätern allg. Rn23; zu Therapieeinrichtungen auchEinf. 151. Zu den Kosten Rn 17,22 a; zum Einverständnis des ErzBerechtigten u. des J Rn 16,20; zu BtMG $ 45,43 ff u. $ 17,23 ff. Auch § 93 a; Drogen in der JVA § 91, 20; HIV (Aids) § 25, 4 a; § 91, 21. Die Substitution mit Methadon/Polamidon (zu den Rechtsgrundlagen vgl. ins- 19 b bes.§ 13 BtMG u. J 5 BtM-VerschrcibungsVO sowieKatholniggNJW00,1225)kann im Einzelfall hilfreich sein. Erforderlich sind jedoch ua eine sorgfältige Indikationsstellung und begleitende soziale und therapeutische Maßnahmen. Nach vorliegenden Erfahrungen führen Methadon-Programme zu einer gesundheitlichen und einer gewissen sozialen Stabilisierung, die Überwindung der Drogenabhängigkeit gelingt aber bisher anscheinend nur in wenigen Fällen (vgl Raschke Substitutionstherapie, 1994; Täschner Drogen, Rausch u. Sucht, 1994; Bähringer/ Künzel/Spies Methadon-Expertise, 1995; siehe auch Hellebrand Mehadon - Chance oder Illusion? 2. Aufl. 1989 u. ZRP 89, 161). Quensel (Mit Drogen leben, 1985 S. 127) und Grimm (Die Lösung des Drogenproblems, 1985) stehen positiv zu Methadon. Butzko (BewH 87, 306) meint, Methadon werde das Drogenproblem nicht lösen, leiste aber einen humanitären Beitrag. Demgegenüber hat das Berliner Methadon-Colloquium (1984) Methadon-Programme abgelehnt (BewH 87, 320; vgl. auch Kühne ZRP 89,1 u. Heckmann BewH 89,80). Ostendorf (Grdl. z. S 93 a Rn 6) schlägt ein Verbundsystem von Abstinenz- und Ersatzmitteltherapie vor, räumt aber ein, daß bloßes Verschreiben von Ersatzdrogen lebensgefährdend sein kann, wie die Todesrate solcher Patienten beweise. Methadon-Programme können eine abstinenzorientierte Therapie nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Sie dürfen diese daher nicht verdrängen, sondern kommen dann in Betracht, wenn abstinenzorientierte Programme nicht greifen und Substitution zur Verhinderung schwerer Schäden angezeigt ist (Delling Eindämmung des Drogenmißbrauchs zwischen Repression u. Prävention, 1995 S.24: s. auch Laufs NJW 99, 1769, nach dem die ärztlich verordnete Substitution höchste Vorsicht verlangt u. für den Arzt die abstinenzorientierte Therapie im Vordergrund stehen muß, u. Servais Kriminalistik 99, 124 zu den Risiken von Methadon). Zur strafrechtlichen Haftung des verschreibenden Arztes vgl. BGH 37, 383; BGH JR 79, 429 mit krit. Anm. Hirsch; BayObLG NJW 95, 797. Allg. zum Umgang mit Drogendelinquenz Einf. I, 49 ff. 131

2. Teil. Jugendliche 6. 20

Ungehorsamsfolgen

Die Befolgung der Weisungen kann nicht erzwungen, sondern nur die Nichtbefolgung mit JA geahndet werden ( § 1 1 n). Darüber soll der J belehrt werden (RL 8: aktenkundig!); darauf hat der JStA hinzuwirken (RL 8). Verbieten die ErzBerechtigten die Befolgung der Weisung (zB den Heimaufenthalt), so handelt der J nicht schuldhaft und kann nur durch Änderung der Weisung geholfen werden (§ 1 1 , 3 ) . Weisungen sollten deshalb nicht gegen den Willen der ErzBerechtigten erteilt werden (Schaffstdn/Beulke S. 100; Middendorf? RdJ 55, 141). Der Meinung, ohne elterliche Zustimmung verstoße jede Weisung gegen Art. 6 GG (H. Mayer Strafrecht Allg. Teil, 1953 S. 393), ist entgegenzuhalten, daß jede Strafsanktion ein solcher Eingriff ist. Vgl. insgesamt das Beispiel $ 2 6 a, 16 aE. Zur Zurücknahme der Einwilligung BGH 36, 97 in $ 2 6 a, 4. 7.

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Überwachung

Die Durchführung der Weisungen und deren Überwachung obliegt der J G H (§ 38 II 3); deshalb m u ß sie vor der Anordnung gem. § 3 8 III 3 gehört werden (RL 7; näher $ 4 5 , 4 0 ) . Vollstreckungsleiter ist der JRichter (§ 8 2 1 2 ) . Da die J G H nur als Helfer des JRichters überwacht, darf auch dieser selbst die Einhaltung der Weisungen kontrollieren. Neben der J G H kann auch ein bes. Helfer zur Überwachung herangezogen werden (zust. Eisenberg 73; Privatpersonen lehnt Ostendorf 28 ab). Die amtl. BewHelfer haben Weisungen nur zu überwachen, wenn diese im Rahmen einer Strafaussetzung zur Bewährung erteilt sind (Dallinger/Lackner 41). Die Überwachung der Weisungen ist wesentlich. Sie hilft dem J , macht erhebliche Verstöße dem Richter bekannt und ermöglicht bei Änderung der Umstände, nicht mehr wirksame oder gar schädlich gewordene Weisungen abzuändern oder zu ersetzen (Brunner Zbl. 73, 58; Kellner Zbl. 6 8 , 65). 8.

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Versicherungsschutz u n d Kosten d e r D u r c h f ü h r u n g

Fragen des Versicherungsschutzes treten zum einen auf, wenn der J bei der Erfüllung von Weisungen einen Unfall erleidet. Bei Weisungen nach Abs. 13 Nr. 3 besteht gesetzlicher Unfallversicherungsschutz nach $ 2 Abs. I Nr. 1 SGB VII, bei Arbeitsweisungen gem. Abs. 1 3 Nr. 4 und Arbeitsauflagen gem. § 15 I Nr. 3 nach § 2 Abs. 2 SGB VII. Dieser Schutz greift auch ein, wenn die Arbeitsleistung aufgrund staatsanwaltlicher oder jbehördlicher Anordnung erfolgt. Er k o m m t auch in Betracht, wenn im Rahmen eines TOA oder einer Schadenswiedergutmachung nach S 15 Abs. I Nr. 1 Arbeitsleistungen erbracht werden (Wimmer DVJJ-J 98, 37; Höynck DVJJ-J 0 0 , 2 8 6 ) . Im übrigen greift die jeweilige Krankenversicherung des J . Bei S c h ä d i g u n g anderer durch den J haftet dieser nach den allg. gesetzlichen Vorschriften, ggf. unterstützt durch eine private Haftpflichtversicherung. Trifft der Schaden nicht die Arbeits-Einsatzstelle, sondern Dritte, kann er durch eine kommunale Haftpflichtversicherung oder eine Betriebshaftpflichtversicherung

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Weisungen

abgedeckt sein (Wimmer aaO 36; Höynck aaO 286). Lücken im Versicherungsschutz, die insbes. bei der Verursachung von Schäden der Ableistungsstelle bestehen können, sollten gesehen und regional übergreifend gelöst werden. Die zur Durchführung der Weisung erforderlichen Kosten gehören nicht zu den 2 2 a Kosten und Auslagen des $ 74, weil die Weisung nicht erzwingbar ist (Rn 20), es sich also nicht um Kosten der Vollstreckung handelt ($ 74, 9; Eisenberg 81; Lowe/ Rosenberg/Hilger $ 465 StPO 11). Wo die Kosten für die Durchführung der Weisung dem J oder den Eltern zur Last fallen, kann die Weisung unzumutbar sein (Rn 7). Bei ausreichenden Eigenmitteln des J oder insbes. Hw. aber kann die Übernahme zumutbar und erz. sein. Dagegen will Ostendorf (29 u. ZRP 88, 432) die Kosten ambulanter Maßnahmen als notwendige Auslagen des J definieren und nach § 74 der Staatskasse aufbürden, um ein Hindernis für ambulante Maßnahmen zu beseitigen. Wenn es sich bei der vom JRichter angeordneten Weisung um eine Hilfe zur Erz. iSd SS 27 ff SGB VIII handelt und das JAmt die Weisung durchführt, hat das JAmt die Kosten der Maßnahmen zu tragen (Miehe FS Fenge, 1996 S. 459 = DVJJ-J 97, 266; H. Pfeiffer DV]]-] 96, 135; für Kostentragungspflicht der Justiz mit Ausnahme der Betreuungsweisung dagegen Mayer DVJJ-J 93, 64). Der soziale Trainingskurs fällt unter die soziale Gruppenarbeit iSv $ 29 SGB VIII, der Betreuungshelfer ist in $ 30 SGB VIII aufgeführt (vgl. auch $ 38 I 7 JGG). Auch andere jrichterliche Weisungen, wie zB der Täter-Opfer-Ausgleich, können Hilfen zur Erz. iSd SGB VIII zum Gegenstand haben, denn der Katalog der $$ 28 bis 35 SGB VIII ist nicht abschließend (vgl. § 27 II 1 SGB VIII „insbesondere"). Ob die Maßnahmen durchgeführt werden, richtet sich nach der Beurteilung des erz. Bedarfs durch das JAmt ($ 27 II 2 SGB VIII). Das Urteil des JRichters kann das JAmt abgesehen von der Betreuungsweisung ($ 38 II 7) - nicht im Einzelfall zur Durchführung der Weisung verpflichten (Miehe FS Fenge, 1996 S. 457 f=DVJJ-J 97,266; H. Pfeiffer DVJJ-J 96, 137; für Verpflichtung des JAmtes zur Durchführung eines vom JRichter angeordneten sozialen Trainingskurses aber Bizer Zbl. 92, 619; Hohendorf BewH 94,92). Der JRichter sollte daher Weisungen, die eine Hilfe zur Erz. iSd SGB VIII betreffen, nur verhängen, nachdem er zuvor mit der JGH die Durchführung der Maßnahmen abgeklärt hat (siehe auch $ 38 III 3 JGG). Aus dem Zusammenspiel von JGG und SGB VIII (SS 9 ff JGG, SS 27 ff, 52 II SGB VIII) ergibt sich allerdings eine allg. Verpflichtung des JAmts, unter Berücksichtigung seiner sonstigen Aufgaben in angemessenem Umfang Hilfen zur Erz. für junge Straffällige anzubieten. JRichter und JAmt müssen bei ihren Entscheidungen die wechselseitigen Auffassungen jeweils angemessen berücksichtigen. Auch bei dieser Frage kommt der vertrauensvollen Zusammenarbeit entscheidende Bedeutung zu. Nach Nr. 1.5 des gemeinsamen Runderlasses des Justizministeriums, des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit u. Soziales und des Innenministeriums NRW V. 14.3.1995 (JMB1. NRW 95, 97) wird der Täter-Opfer-Ausgleich als eine die Erz. fördernde Maßnahme vom zuständigen Träger der JHilfe durchgeführt. Zur Kostenerhebung bei dem J u. seinen Eltern nach dem SGB VIII siehe Spiehl

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2. Teil. Jugendliche DVJJ-J 91,263. Zu Vollstreckungsanordnungen im Bußgeldverfahren vgl. § 2 , 9 u. § 82,14. 9.

W e i s u n g e n bei Drogentätern

2 3 Der Erfolg von Weisungen bei Drogentätern bleibt stets problematisch (Rn 3); der JRichter darf u n d soll aber auch ein Risiko des Mißlingens auf sich nehmen, zumal ja Weisungen stets den Erfordernissen ihrer Wirkung angepaßt werden können ( S i l II). Bei D r o g e n a b h ä n g i g e n bieten sich Weisungen nur d a n n an, w e n n der Abhängige körperlich bereits entzogen ist u n d nach gründlicher Erforschung der Persönlichkeit ausreichende Aussicht auf Erfüllung besteht. D e n n f ü r den Weigerungsfall sind sie m i t höchstens 4 Wochen JA als Ungehorsamsstrafe bewehrt u n d es geraten dann auf solchem Umwege doch wieder arrestuntaugliche Abhängige in den JA ($ 16,23). Bei noch bestehender physischer Drogenabhängigkeit sind Weisungen aussichtslos u n d schlechthin ungeeignet (ähnlich Kreuzer, Grundlagen der Kriminalistik Bd. 9,1972 S. 282 f). Die Weisung nach $ 10 II, sich einer E n t z i e h u n g s k u r zu unterziehen (Rn 18), k a n n unterstützt werden durch Weisungen, die sich auf Aufenthalt und Wohnung beziehen (§ 101 Nr. 1,2; Rn 8), u n d durch die Weisung, Arbeitsleistungen zu erbringen ($ 10 I Nr. 4; Rn9), insbes. aber an einem Urink o n t r o l l p r o g r a m m teilzunehmen (näher Rn 14a, 1 9 a aE; S 21, 17). Die Unterstellung u n t e r einen Betreuungshelfer nach Abs. I Nr. 5 (näher R n 10) empfiehlt sich dabei regelmäßig. Die Weisung, eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzun e h m e n (Nr. 3) d ü r f t e für viele Drogenabhängige verfrüht und, als von vorneherein aussichtlos, auch erz. - u n d verhaltenspsychologisch - abträglich sein. Die Weisungen, den Verkehr m i t bestimmten Personen oder den Besuch von Drogenlokalen z u unterlassen (Abs. I Nr. 8), erscheinen nur vordergründig bes. geeignet, denn sie k ö n n e n nicht so klar u n d gezielt erteilt werden, wie es geboten, u n d ihre Einhaltung kann nicht so zuverlässig überwacht werden, wie es unerläßlich ist, u m nicht als n u r papierene Drohung eher das Gegenteil zu bewirken. Die erz. gebotene Ü b e r w a c h u n g ($ 38, 21) dient zugleich der Auslotung u n d Anregung eventuell notwendig werdender Änderungen der Weisungen (§ 11,2,3). Der JRichter könnte, soweit gesetzlich zulässig (Rn 2 , 3 , 1 4 a), geeignete weitere Weisungen „erfinden", es m u ß aber vor filmnahen, psychologisierenden Spielereien mit allem Ernst gewarnt werden (Rn3 aE, 11). Vgl. insgesamt Brunner Zbl. 8 0 , 4 1 5 , 4 1 9 . 2 4 Bei noch n i c h t d r o g e n a b h ä n g i g e n Tätern, auch bei Anfangs-Kleindealern, verspricht der Einsatz bloßer Weisungen eher Erfolg, auch die Möglichkeiten, geeignete auf die Person des Täters zugeschnittene Weisungen einzusetzen, sind erheblich erweitert u n d brauchen im einzelnen nicht aufgezählt zu werden. Die Weisung, eine Drogenberatungsstelle a u f z u s u c h e n , k a n n hier helfen, denn auch der erzwungene Beginn k a n n zu freiwilliger und fruchtbarer Mitarbeit führen; ein solcher Versuch ist d e m Täter z u z u m u t e n und aller M ü h e wert. Zur Weisung, an einem Drogenseminar teilzunehmen, Schaar Zbl. 85, 118. 134

Laufzeit und nachträgliche Änderung von Weisungen

$11

Weisungen können bei geeigneten Tätern uU durch vorgehenden JA eingeleitet und gestützt werden (§ 16, 19). Zum Widerruf $ 26 a, 16. Zu Auflagen § 15, 17; allg. zu Drogentätern: Einf. I 49-51.

$ 11 Laufzeit und nachträgliche Änderung von Weisungen; Folgen der Zuwiderhandlung (1) Der Richter bestimmt die Laufzeit der Weisungen. Die Laufzeit darf zwei Jahre nicht überschreiten; sie soll bei einer Weisung nach $ 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 nicht mehr als ein Jahr, bei einer Weisung nach $ 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 nicht mehr als sechs Monate betragen. (2) Der Richter kann Weisungen ändern, von ihnen befreien oder ihre Laufzeit vor Ablauf bis auf drei Jahre verlängern, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. (3) Kommt der Jugendliche Weisungen schuldhaft nicht nach, so kann Jugendarrest verhängt werden, wenn eine Belehrung über die Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung erfolgt war. Hiernach verhängter Jugendarrest darf bei einer Verurteilung insgesamt die Dauer von vier Wochen nicht überschreiten. Der Richter sieht von der Vollstreckung des Jugendarrestes ab, wenn der Jugendliche nach Verhängung des Arrestes der Weisung nachkommt. 1. Hw.-J: $ 1051. - 2. ErwG: $ 1041 Nr. 1, IV; $ 6 5 , 4 . - 3. Sold. Rn 3, § 112 a Nr. 3. Richtlinien zu $ 11:

1. Bei Weisungen, denen der Jugendliche längere Zeit hindurch nachzukommen hat, empfiehlt es sich, in angemessenen Zeitabständen zu prüfen, ob es aus Gründen der Erziehung geboten ist, die Weisung oder ihre Laufzeit zu ändern oder die Weisung aufzuheben. Zur Anhörung der Jugendgerichtshilfe, eines bestellten Betreuungshelfers und des Leiters eines sozialen Trainingskurses wird auf $ 65 Abs. 1 Satz 2 hingewiesen. 2. Unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit soll die Staatsanwaltschaft darauf hinwirken, daß bei Zuwiderhandlungen gegen Weisungen Jugendarrest nur verhängt wird, wenn mildere Maßnahmen, zB eine formlose Ermahnung, nicht ausreichen. Ist Jugendarrest nach § 11 Abs. 3 Satz 1 zu verhängen, so regt die Staatsanwaltschaft an, ein solches Maß festzusetzen, das im Wiederholungsfall gesteigert werden kann, falls sich dies aus erzieherischen Gründen als notwendig erweist.

3. Vor der Verhängung von Jugendarrest ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben ($ 65 Abs. 1 Satz 3).

Der Richter bestimmt im Urteil für jede Weisung deren Lauizeit, die 2 Jahre ab 1 Rechtskraft nicht überschreiten darf. Diese in Abs. I getroffene Regelung folgt der Erfahrung, daß eine längere Dauer durch die zunehmende Entfernung von der die Weisung auslösenden Tat, durch Abstumpfung und Gewöhnung gerade bei 135

2. Teil. Jugendliche jungen Menschen der gewünschten erz. Wirkung entgegenstünde. Nach Abs. 1 2 HS 2 aber beträgt grds. die Laufzeit bei der B e t r e u u n g s w e i s u n g höchstens 1 J a h r (näher § 10, 10 aE) und bei der Weisung, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen, höchstens 6 M o n a t e (näher $ 10, 11 a aE). Der Vergleich der Abs. 1 2 HS 2 und II ergibt, daß eine nachträgliche V e r l ä n g e r u n g nach Abs. II bei diesen beiden Weisungen kaum in Betracht k o m m t . Bei den übrigen Weisungen aber kann der JRichter in bes. Fällen die Laufzeit u m höchstens 1 Jahr, also auf insgesamt 3 Jahre, aus Gründen der Erz. v e r l ä n g e r n (Abs. II). 2

Der „Einbruch in die Rechtskraft" durch Ä n d e r u n g einer W e i s u n g nach dem Grundsatz der Reaktionsbeweglichkeit ist nicht nur möglich, wenn sich die Tatsachen geändert haben (Änderung der persönl. Verhältnisse, der Entwicklung, Erreichen des erstrebten erz. Erfolges, Wehrdienst: $ 1 1 2 a Nr. 3 S. 2), sondern auch dann, wenn die Situation anders beurteilt wird 0 ist schwerer oder leichter erziehbar, die neue Umgebung oder Aufsichtsperson erweist sich als ungeeignet, die Weisung kann nicht überwacht werden); Verschulden ist nicht erforderlich. Denn das Gesetz verlangt nur allg., daß G r ü n d e d e r E r z . eine Änderung gebieten. Die Achtung vor der Rechtskraft kann einer Abänderung nicht entgegenstehen, weil im Hinblick auf § 11 II nicht die angeordnete Weisung in Rechtskraft erwächst, sondern nur die Anordnung, daß dieser J durch Weisungen in der jeweils angemessenen Form erzogen werden soll (Grethlein S. 98 f, 168; $ 1 0 , 1 ) . Wegen der Grenzen R n 3 . - Wenn eine Änderung notwendig ist, m u ß sie vorgenommen werden; das ist für den Wehrdienst in § 112 a Nr. 3 S. 2 ausdrücklich ausgesprochen, gilt aber allg. Länger währende Weisungen sind deshalb von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob sie noch den Verhältnissen entsprechen (RL 1). Das alles gilt a u c h für Auflagen (§ 15 III 1; $ 15, 13).

2a

Bei nachträglichen Entscheidungen über Weisungen nach Abs. II und i n (oder über Auflagen § 15 IUI) soll der JRichter den Vertreter der JGH, den Betreuungshelfer (vgl. § 10, 10) oder den Leiter des sozialen Trainingskurses (vgl. $ 10, 11) a n h ö r e n (§ 65 I S. 2; RL 1 S. 2). Dies ist insbes. dann geboten, wenn diese die Weisung (oder Auflage) zu überwachen hatten. Der Richter entscheidet nach seinem pflichtgemäßem Ermessen („falls erforderlich"); idR wird sich mündliche Anhörung empfehlen.

3

Die n e u e n W e i s u n g e n dürfen a u c h h ä r t e r u n d a n d e r s g e a r t e t sein (Dallinger1 Lackner 1; DSS/Diemer 8; aA Ostendorf 4 „Vertrauensprinzip"; vgl. auch $ 23, 5 für BewAuflagen). Es sind die allg. Grenzen zu beachten, die den Weisungen gesetzt sind. Bes. wichtig ist, daß auch die neuen Weisungen nicht von der Tat losgelöst werden dürfen; sie müssen also auch zu ihr in Beziehung stehen und angemessen sein ($ 9, 3 u. Einf. II 12, 13). - Auch eine bloße E r g ä n z u n g durch eine weitere Weisung ist möglich, wenn schon eine Weisung erteilt war. Ebenso können alle Weisungen aufgehoben werden, zB wenn der Erfolg erreicht ist oder mit Weisungen nicht zu erreichen ist. Aufhebung kann bes. bei Einberufung angebracht sein ($ 1 1 2 a Nr. 3 S. 2; Potrykus NJW 57, 815). Eine U m w a n d l u n g v o n Weisung e n in Auflagen ist nicht zulässig. Auflagen haben eine andere Funktion als 136

Laufzeit und nachträgliche Änderung von Weisungen

S i l

Weisungen. Sie können nicht im nachhinein angeordnet werden, ohne daß ihre Voraussetzungen in der Hauptverhandlung festgestellt worden sind (DSSIDiemer 6; Eisenberg 8; Ostendorf 4; aA Böttcher/Weber NStZ 90, 560 u. 91,8 mit FN 69). Das gilt auch bei Soldaten, denn § 112a Nr.3 S.2 hebt die Funktionsunterschiede zwischen den beiden Rechtsfolgenarten nicht auf (DSSIDiemer aaO u. $ 112 a, 11; aA Ostendorf, aaO). Zur Abänderbarkeit der ErzHilfe durch den Disziplinarvorgesetzten vgl. $ 112 b, 12. Der vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß gegen eine Weisung (oder gegen eine 4 Auflage oder BewAuflage - S§ 15 III 2, 23 I 4) ist ein spezifisch jstrafrechtl. Tatbestand des Ungehorsams (Daliinger [Lackner 7; Böhm S. 177; Schaffstein/Beulke S. 104; Itzel S. 37; Miehe Die Bedeutung der Tat, 1964 S. 43; Bedenken Eisenberg 12 wegen des Tatbestands des Ungehorsams; aA auch Potrykus B 4 u. Schnitzerling JZ 56, 274) und kann mit JA geahndet werden. Das ist unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur bei erhebl. Verstößen angebracht (RL 2; s. § 38 II 3, 4); oft genügt eine Ermahnung oder eine Änderung der Weisung. Doch ist auch eine zu große Geduld des JRichters erz. gefährlich (gegen den Ungehorsamsarrest aber Hinrichs DVJJ-J 96, 59). Bevor der JRichter Ungehorsamsarrest verhängt, muß er dem J Gelegenheit zur 4 a mündlichen Äußerung geben (RL 3; näher $ 58, 4 u. § 65, 6). Denn es wäre zu befürchten, daß Trotz und Gleichgültigkeit leicht schriftliche Mitteilungen vergeblich sein lassen. Eine mündliche Anhörung aber gibt dem J Gelegenheit, sich zu eröffnen und Mißverständnisse zu klären, der Richter kann das Verhalten des J besser einschätzen. Aber nicht „mündliche Anhörung" ist gefordert, es muß dem J nur - zwingend - Gelegenheit dazu gegeben werden. Vereitelt der J die Anhörung, aus welchem Grund auch immer, kann sein Erscheinen nicht erzwungen werden (vgl. $ 60,7 u. § 65,7). Der J kann aber dann aus der Nichtanhörung keine Rechte herleiten. Auch die Androhung des Arrestes kann schon Wirkung zeigen, in Einzelfällen, die erkannt werden wollen, auch ein ruhiges Anhörungsgespräch. Die Verhängung von JA wegen Ungehorsams gegen Weisungen und Auflagen 5 kann auch gem. 5$ 154 StPO, 47 JGG unterbleiben, zB wenn der J inzwischen zu einer vollstreckbaren JStrafe verurteilt worden ist; eine solche Einstellung ist auch noch möglich, wenn schon JA verhängt, der Beschluß aber noch nicht rechtskräftig ist (zust. Eisenberg 23). Zu einer Zweifelsfrage $ 15, 12b. JA kann nur verhängt werden, wenn der Täter belehrt war (wohl Bedingung der 6 Strafbarkeit; vgl. Hinweise zur Belehrung § 10, 3 a; § 15, 13), auch sonst schuldhaft gehandelt hat, und wenn die Zuwiderhandlung nachgewiesen ist. Ist die Befolgung der Weisung zB wegen eines entgegenstehenden Gebotes des ErzBerechtigten nicht zumutbar, fehlt die Schuld. Bei einem Konflikt mit militärischen Pflichten gehen diese vor (§ 10, 5). Die Zuwiderhandlungen gegen die Weisungen und Auflagen sind für den Soldaten dann nicht rechtswidrig (Dallinger/Lackner S 112 a, 22). - Die Ermittlung des objektiven Tatbestandes ist schwierig, wenn die Weisung nicht bestimmt ist. Vgl. dazu KG JR 87,124 zu $ 145 a StGB mit Anm. Grothe JR 88, 258, wo die Weisung, sich bei der Führungsaufsichtsstelle und dem 137

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2. Teil. Jugendliche

BewH zu den von diesen zu bestimmenden Zeitpunkten zu melden, als zu unbestimmt bezeichnet worden ist u n d auf $ 6 8 b 12 StGB hingewiesen wird, und LG Bielefeld StV Ol, 175: Unzulässigkeit von JA, wenn bei der Weisung, Kontakt zur Drogenberatung zu halten, keine Laufzeit bestimmt u n d keine nähere Ausgestaltung der Kontaktaufnahme zur Drogenberatung erfolgt ist. Der Nachweis des subjektiven Tatbestandes fällt schwer, wenn die Weisung nicht klar und verständlich ist. Weiter m u ß eine Weisung verletzt sein, die im Urteil, nach $ 11 I, als BewAuflage ($ 23 I) oder nach § 53 vom Familien- oder Vormundschaftsrichter erteilt wurde. Da Ungehorsamsarrest einen Schuldspruch durch Urteil voraussetzt, genügt es nicht, wenn die Weisung nach $$ 45, 47 ergangen ist (OLG Düsseldorf MDR 94, 505) oder vom Familien- oder Vormundschaftsrichter in eigener Zuständigkeit ausgesprochen worden ist. - Daß der inzwischen ältere Täter bei einer strafbaren Handlung zum gleichen Zeitpunkt nicht mehr nach materiellem JRecht abzuurteilen wäre, steht der Verhängung von JA hier nicht entgegen (Böhm S. 178; Potrykus 7; aA Ostendotf 14). 7 Es kann wegen des einzelnen Verstoßes JA bis z u m Höchstmaß, insgesamt aber bei einer Verurteilung nicht über die Dauer von 4 Wochen hinaus verhängt werden (Abs. III 2). Dies gilt auch, wenn die Weisung, deren Nichterfüllung geahndet wird, neben JA ausgesprochen worden ist; das Höchstmaß gilt aber unabhängig für beide Arten des JA. Das ergibt sich auch aus BVerfG NJW 89,2529; dazu auch Rn 8 aE; aA Ostendorf Zbl. 83, 563, 576 u. Rn 15. Für das Höchstmaß ist die Verhängung, nicht die Vollstreckung maßgeblich. Ein Absehen von der Vollstrekkung nach Abs. III 3 ist danach für die Berechnung unerheblich (OLG Zweibrücken StV 91, 425 = NStZ 92, 84 mit Anm. Ostendotf, DSS/Diemer 14; Eisenberg 21). Bei wiederholter Verhängung von JA ($ 16,11) ist Vorsicht geboten (vgl. dazu RL 2); in diesen Fällen wird oft die Weisung den Verhältnissen nicht gerecht (vgl. LG Hannover Nds. Rpfl. 69,191 zur Frage der Verhältnismäßigkeit bei wiederholter Anordnung von Ungehorsamsarrest). Der Ungehorsamsarrest kann nicht mit Sanktionen des JGerichts zu einer einheitlichen Entscheidung nach $ 31 zusamm e n g e f a ß t werden (näher $ 31, 27; ebenso Eisenberg Zbl. 89, 17,18). 8 Von der Vollstreckung des Ungehorsamsarrestes m u ß der Richter absehen, wenn der J nach Verhängung des JA der Weisung nachkommt (Abs. III 3; nun „sieht ab" anstelle „kann"). Diese Neuregelung engt allerdings den JRichter sehr ein und nimmt ihm eine Reaktionsmöglichkeit, denn gerade erz. Gründe können gleichwohl die Vollstreckung fordern (vgl. aE), auch in dem gewiß seltenen Fall, daß der J es mehrfach darauf ankommen lassen will. Das gilt auch für das OWiGVerfahren, § 82, 15, 16. Das Absehen von der Vollstreckung des Ungehorsamsarrestes nach §§ 11 III 3,15 III 2 oder § 98 II, III OWiG obliegt dem Richter des ersten Rechtszuges ($ 65 I, S 104 I OWiG). Ist die Vollstreckung aber bereits an den Vollstreckungsleiter der JAAnstalt abgegeben, so ist dieser zuständig und kann gem. $ 87 reagieren (näher § 87,2 a). Die Weisung oder Auflage bleibt unabhängig von Verhängung und Vollzug des JA bestehen (übereinstimmend DSS/D iemer 18), es sei denn, der Richter befreit ausdrücklich von ihr, was nur in ganz bes. Fällen 138

Laufzeit und nachträgliche Änderung von Weisungen

sinnvoll sein wird. Es könnte sich sonst in der Praxis ein nicht vorgesehenes Wahlrecht des J zwischen Erfüllung der Weisung oder Ungehorsamsarrest einspielen. Der Ungehorsamsartest ist nicht eine „Ersatzfreiheitsstrafe", sondern er soll die künftige Befolgung der Weisung oder Auflage sichern (Böttcher/Weber NStZ 91,8), es stünde ohne ihn die Sanktion erz widrig nur auf dem Papier (aA OStendorf 12, nach dem mit der Verbüßung eines „Zwangsarrestes" von den zuvor angeordneten Weisungen zu befreien ist; nach Eisenberg 24 ist eine Befreiung angezeigt, wenn die Erforderlichkeit des JA auf fehlende Geeignetheit der Weisung hindeutet). Nach Landmann (Rpfl. 99,251)mußder JRichter nach Verhängung des JA dem J eine Frist zur nachträglichen Erfüllung der Weisung setzen und darf der Richter die Vollstreckung erst einleiten, wenn der J die Nachfrist ungenutzt verstreichen läßt. Nach dem Gesetz hat der J jedoch vor Verhängung des JA Gelegenheit, die Weisung zu erfüllen oder eine Entscheidung nach Abs. II zu erreichen (vgl. $ 651 3), so daß es einer Nachfristsetzung nicht bedarf. Die Auffassung von Landmann (aaO, 256), nach Einleitung der Vollstreckung dürfe von dieser wegen nachträglicher Erfüllung der Weisung nicht mehr abgesehen werden, ist mit Abs. III 3 nicht vereinbar. Der Ungehorsamsarrest ist eine spezifische Maßnahme der gebotenen Über- 8 a wachung der Weisung (oder BewAufsicht) und daher von ihr selbst völlig unabhängig (vgl. BVerfG NJW 89, 2529), was auch Dörig (DRiZ 87, 277) übersieht, der von der Vollstreckung des Ungehorsamsarrestes absehen will, wenn die Weisung gegenstandslos geworden ist. Bestenfalls könnte aus Abs. III S. 3 ein dahingehendes Ermessen hergeleitet werden. Nach Eisenhardt (Gutachten über den JA, 1989 S. 145) ist der Ungehorsamsarrest bei einer wachsenden Gruppe von Probanden geeignet, die Erfüllung von Weisungen und Auflagen zu erzwingen, wobei diese allerdings denen gleichen, die als größere Gruppen für den JA grds. nicht geeignet erscheinen. Dies alles gilt entsprechend beim Verstoß gegen eine Auflage ($ 15 III), gegen eine 9 BewAuflage ($ 23 13) und in den Fällen des $ 98 II, III OWiG ($ 82, 11). Zuständigkeit (Rn 8), Verfahren u. Anfechtung § 65; § 53, 7; Einheitsprinzip $ 31, 10 27; der Ungehorsamsarrest wird nach § 601 Nr. 2 BZRG eingetragen, was im Falle des § 98 II OWiG nicht gilt (vgl. Götz GA 73, 195). Bei Drogenabhängigen ist JA schlechthin ungeeignet (näher J 16,23). Dies wird 11 aus den dort ausgeführten Gründen auch für den Ungehorsamsarrest gelten müssen, was zu Schwierigkeiten führen kann. Vgl. Brunner Zbl. 80, 415, 419; Kreuzer Zbl. 74, 214.

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2. Teil. Jugendliche

§ 12 Hilfe zur Erziehung Der Richter kann dem Jugendlichen nach Anhörung des Jugendamts auch auferlegen, unter den im Achten Buch Sozialgesetzbuch genannten Voraussetzungen Hilfe zur Erziehung 1. in F o r m der Erziehungsbeistandschaft im Sinne des § 30 des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder 2. in einer Einrichtung über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform im Sinne des § 34 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in Anspruch zu nehmen. 1. [Hw.]: - Rn 2; § 105 I. - 2. ErwG: $ 1041 Nr. 1, IV; S 9, 8. 3. Sold. R n 8 ; $ 112a Nr. 1. Richtlinie zu $ 12:

Auf die Richtlinie Nr. 2 zu $ 105 wird hingewiesen.

1 Den Hilfen zur Erz. kommt in der JStrafrechtspraxis nur noch geringe Bedeutung zu. 1999 wurde lediglich bei 274 J ErzBeistandschaft und bei 69 Heimerz. Angeordnet (Stat. BA S.64f). Das sind 1,5 bzw. 0,4% aller ErzMaßregeln. 2 Ab 1 . 1 . 1 9 9 1 ist in § 12 an Stelle der ErzBeistandschaft aF in Nr. 1 Hilfe zur Erz. in Form der ErzBeistandschaft iSd § 3 0 SGB VIII und in Nr. 2 an Stelle der Fürsorgeerziehung die Hilfe zur Erz. in einer Einrichtung über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform iSd $ 34 SGB VIII getreten. Beides sind Hilfen, welche auf Antrag durch das JAmt angeordnet werden können und Zustimmung des Personensorgeberechtigten, des Kindes, des J oder des „jungen Volljährigen" (Rn 8) voraussetzen. Denn das SGB VIII versteht sich als reines „Leistungsgesetz", was darin Ausdruck findet, daß Hilfen des SGB VIII nur auf Antrag der oa Zustimmungsberechtigten und nicht zwangsweise erfolgen dürfen. Ist sonach eine Hilfe nach dem SGB VIII geboten und wird von der zustimmungsberechtigten Person nicht zugestimmt, müssen die Hilfen also zwangsweise angeordnet werden, so ist der Weg über das Familien- oder Vormundschaftsgericht (SS 1666, 1837 BGB) oder den JRichter vorgesehen, soweit Hilfen nach dem SGB VIII im JGG als ErzMaßregeln (S 9 Nr. 2 iVm § 12) angeordnet werden können (vgl. auch $ 10, 14 b). 3 Der JRichter kann also, wenn Weisungen nach S 9 Nr. 1, $ 10 oder Auflagen nach $ 15 nicht mehr ausreichen oder erz. unangebracht sind, nach Anhörung des JAmts (Rn 6) dem J auferlegen, unter im SGB Vin genannten Voraussetzungen, die in Nr. 1 u. 2 des S 12 umschriebenen Hilfen in Anspruch zu nehmen. Die durch das SGB VIII in das JGG aufgenommene Formulierung „verpflichten,... H i l f e . . . in Anspruch zu nehmen" (dazu kritisch 9. Aufl.) hat das 1. G zur Änderung des 8. Buches SGB in Anlehnung an die Terminologie des § 10 JGG (BT-Drs. 12/3711, 140

Hilfe zur Erziehung

S. 47) durch die Formulierung ersetzt, daß der Richter dem Jugendlichen „auferlegen" kann, die Hilfe in Anspruch zu nehmen. Schwenkel/Omar (Zbl. 90,493,494) befürchten, daß durch Gleichsetzung der Sanktionen nach dem JGG und der Hilfen zur Erz. nach dem SGB VIII Unterschiede verwischt würden; denn nach dem SGB VIII finde Erz., mit Ausnahme der schulischen, im „staatsfernen Raum" statt. Dagegen spricht sich Lempp (Zbl. 94, 369) dafür aus, § 12 JGG auf alle Maßnahmen der JHilfe zu erweitern. Die ErzBeistandschaft ist bei straffälligen J selten ein geeignetes Mittel und 4 durch die vorverlegte Volljährigkeit noch weiter eingeschränkt. Der JRichter erteilt in den entsprechenden Fällen besser eine unmittelbar an den J sich wendende Betreuungsweisung (§ 10, 10), da der J durch $ 1 1 III wenigstens mittelbar gezwungen ist, den Weisungen des Helfers nachzukommen. Die Hilfe zur Erz. nach Nr. 2 ist ein sehr schwerwiegender Eingriff (dazu Rn 9), 5 der sorgsam zu prüfen fordert, ob nicht ambulante Maßnahmen genügen (Subsidiarität, Einf. II 18) und ob nicht diese Maßnahmen außer Verhältnis zur Tat stehen (§ 5, 6), was bei der unbestimmten langen Dauer des Freiheitsentzuges nicht selten der Fall sein wird. Zur Diskussion über eine geschlossene Unterbringung vgl. die Beiträge von Remschmidt ua in DVJJ-J 94, 269 ff; von Wolffersdorff RdJ 99, 319; Gerlich in DVJJ-BW (Hrsg.) Auffällige Kinder u. J im Spannungsfeld zwischen Erlebnispädagogik, geschlossener Unterbringung u. Therapie, 2000 S. 27 ff. Wie für die Fürsorgeerziehung (vgl. Potrykus UJ 56, 253), läßt sich auch hier die Meinung vertreten, daß der JRichter die Anordnung der Maßnahme nach Nr. 2 besser dem Familien- oder Vormundschaftsrichter nach § 53 ($ 1666 BGB) überlassen sollte. Dieser ist freier, nicht an die Tat gebunden und es geht allein um die Erz. Hierfür spricht neben der Befürchtung, daß allzu häufige Anordnung durch das J(Straf)gericht diesem Institut schaden könnte, vor allem, daß das JGerichtsverfahren durch die notwendigen diffizilen Ermittlungen in seinem Ablauf behindert wird. Anders stellt sich die Lage aber dar, wenn sich die Notwendigkeit, zu einer solchen Hilfe zu greifen, erst in der Hauptverhandlung ergibt und die erforderlichen Feststellungen vorliegen oder unschwer getroffen werden können. In der durch das KJHG geschaffenen Fassung hatte § 12 für die Anordnung von 6 Hilfen zur Erz. das Einvernehmen mit dem JAmt verlangt. Dieses unter dem Aspekt der richterlichen Unabhängigkeit gemäß Art. 92,97 GG verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Erfordernis (vgl. 9. Aufl. sowie BSS/Diemer 7) ist durch das 1. G zur Änderung des 8. Buches SGB zu Recht durch die sinnvolle Voraussetzung der Anhörung des JAmts ersetzt worden (zustimmend auch Eisenberg 5; Maas Zbl. 94,70; aA Mrozynski Zbl. 92,446; für Bindung der Entscheidung des JRichters an ein „Votum einer ErzKonferenz" Schwenkel/Omar Zbl. 90, 493, 494). Der JRichter ordnet die - unbefristeten (OLG Düsseldorf Zbl. 84,437 zur Fürsorge- 7 erz.) - Hilfen zur Erz. nach S 12 Nr. 1 und 2 an. Ihre Durchführung und Aufhebung aber obliegt dem JAmt und richtet sich nach den Vorschriften des SGB VIII (§82 II). Mit Rechtskraft des Urteils gilt der nach SGB VIII erforderliche Antrag auf Gewährung der ErzHilfe als gestellt und wird der J zur Mitwirkung am weiteren 141

2. Teil. Jugendliche Verfahren verpflichtet (Possin Heimerz. g e m ä ß §$ 27, 34 SGB VIII als jstrafrechtliche Intervention, 1995 S. 74). Einer Z u s t i m m u n g der Eltern bedarf es nicht (Possin aaO, S. 91). Das JAmt ist z u r Gewährung der Hilfe verpflichtet, denn das Urteil stellt die Voraussetzungen der SS 27, 34 SGB VIII m i t bindender Wirkung gegenüber d e m JAmt fest (Possin aaO, S. 117; Ostendorf 11; dagegen wird nach Miehe FS Fenge, 1996, S. 449 ff = DVJJ-J 97, 263 ff nur der J, nicht aber das JAmt verpflichtet). Rechtliche Möglichkeiten, diese Mitwirkungspflichten gegenüber d e m J u n d dem JAmt durchzusetzen, h a t der jRichter jedoch nicht (Possin aaO, S. 82,121). Die Kosten der D u r c h f ü h r u n g der Hilfe zur Erz. fallen bei der JHilfe an. Der J u n d seine Eltern werden z u den Kosten der Unterbringung in einem H e i m oder einer sonstigen betreuten W o h n f o r m nach Maßgabe der $S 91 ff SGB v m herangezogen (vgl. auch $ 10, 22, 22 a). 8 Gegen H w . kann der JRichter weder ErzBeistandschaft nach Nr. 1 noch Hilfe z u r Erz. nach Nr. 2 in einer Einrichtung über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform anordnen. Statt dessen k o m m t insbes. eine Betreuungsweis u n g nach S 1 0 1 3 Nr. 5 in Betracht (RL z u $ 12 iVm RL 2 zu S 105). Zwar erklärt S 4 1 SGB v m diese beiden Hilfen zur Erz. ua nicht n u r f ü r Hw., sondern sogar f ü r „ j u n g e Volljährige bis zu 27 Jahren" (S 7 Nr. 3 SGB VIII) als zulässig. Da aber S 105 I nicht auf die SS 9 Nr. 2 u n d 12 verweist, darf der JRichter auch bei Anwendung von JStrafrecht diese beiden M a ß n a h m e n nicht gegen Hw. anordnen, wenn auch sonst erz. M a ß n a h m e n noch gegen Hw. zulässig sind (Einf. II 11). 9

S 12 darf nicht dadurch u m g a n g e n werden, d a ß die d o r t genannten ErzHilfen als bloße Weisungen erteilt werden, weil sie in Nr. 1 u n d 2 f ü r das JStrafrecht abschließend geregelt sind (dazu auch $ 10, 14b; S 4 5 , 19a). D i e Hilfe n a c h $ 12 Nr. 2 ist - wie vordem die Fürsorgeerz. - die härteste ErzMaßregel, die f ü r die Frage des Verschlechterungsverbots nur unterhalb vollstreckbarer JStrafe bleibt; zwar k a n n diese Hilfe nach S 34 SGB VIII in verhältnismäßig freien Formen d u r c h g e f ü h r t werden, sie ist aber gleichwohl eine auf Dauer angelegte Freiheitse n t z i e h u n g (J 55, 23).

10 Hilfen z u r Erz. nach Nr. 1 u n d 2 k ö n n e n auch bei fehlender Altersreife als familien- oder vormundschaftliche M a ß n a h m e n nach S 3 S. 2 durch den JRichter angeordnet werden (S 3, 15). 1 1 Die vom JRichter angeordnete Hilfe z u r Erz. darf erst nach Rechtskraft durchg e f ü h r t werden. Vor Rechtskraft k o m m e n Anordnungen nach S 71 in Betracht. 1 2 Gegen S o l d a t e n darf weder Hilfe zur Erz. nach Nr. 2 noch Erzbeistandschaft nach Nr. 1 angeordnet werden ($ 112 a Nr. 1). 13 Neben der Entscheidung nach S 27 darf Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2 nicht angeordnet werden (näher BGH NStZ 88, 364 - zur Fürsorgeerz. - in S 27, 16). Eine analoge Anwendung des S 12 in d e m Sinne, d a ß der JRichter der JGH die D u r c h f ü h r u n g einer erz. M a ß n a h m e überläßt u n d sich aus der Vollstreckung ganz zurückzieht, ist nicht zulässig (aA Scholz DVJJ-J 94,168). Für andere als die in $ 12 genannten erz. Hilfen k o m m t n u r eine Weisung gemäß §$ 10, 11 in Betracht. 142

Arcen und Anwendung

Dritter Abschnitt Zuchtmittel $ 13 Arten und Anwendung (1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. (2) Zuchtmittel sind 1. die Verwarnung, 2. die Erteilung von Auflagen, 3. der Jugendarrest. (3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe. 1. Hw.-J: § 105 I. - 2. ErwG: $ 104 I Nr. 1. Richtlinie zu $ 13: Wegen der Eintragung in das Zentralregister oder in das Erziehungsregister wird auf $ 5 Abs. 2 und $ 60 Abs. 1 Nr. 2 BZRG hingewiesen.

Zur Abgrenzung gegen ErzMaßregeln u. JStrafe $ 5 , 4 ff. Die Definition des BGH 1 18, 209 über den JA ($ 1 6 , 1 f) trifft auf die Zuchtmittel schlechthin zu. Auch der Anwendungsbereich hinsichtlich der Täterpersönlichkeit stimmt weithin mit dem für den JA erarbeiteten überein ($ 16, 2). Das Zuchtmittel ist ein eindringlicher tatbezogener Mahn- und Ordnungsruf 2 (Abs. I) ohne die Fernwirkungen der Strafe (Abs. III). Es hat Übelscharakter und dient der Ahndung und Sühne (Eisenberg 8; Heublein Zbl. 94, 466; abl. Ostendorf Grdl. z. SJ 13-16 Rn4), soll aber damit die Entwicklung des Täters erz. günstig beeinflussen und dadurch weitere strafbare Verfehlungen verhindern. Dem Täter soll es die Autorität der Rechtsordnung zum Bewußtsein bringen und ihn erkennen lassen, daß er für sein Tun einzustehen hat und daß sich Unrecht nicht lohnt (vgl. Einf. II 8; BGH 18,209). Im Gegensatz zu ErzMaßregeln und zur JStrafe ist das Zuchtmittel nicht auf Dauerwirkung angelegt; deshalb sind Verbindungen ($ 8) oft angezeigt ($ 23 u. GrethUin NJW 57, 1462 für BewZeit). Wichtig ist, daß irgendwelche Nachwirkungen auch in Schule und Beruf vermieden werden (vgl. S 70, 7). Zuchtmittel dürfen nach BGH 18, 207 nur gegen strafrechtlich verantwortliche 3 (S 3 S. 1; Rn 7), im Grunde „gutgeartete", erz. ansprechbare J verhängt werden. Ostendorf aaO bezeichnet diese Formulierung nicht zu Unrecht als „überholte Charakterisierung"; davon abgesehen aber bleibt, daß die J erz. ansprechbar sein sollen (woran der Wegfall der alten RL 1 S . 3 nichts ändert), weshalb bei 143

2. Teil. Jugendliche

kriminellen, verwahrlosten, schwer gefährdeten oder geistig erhebl. zurückgebliebenen J Zuchtmittel ausscheiden. Bei üblichen JFlegeleien sind Zuchtmittel wegen ihres ernsten Charakters nicht angebracht ($ 45), bei bes. schwerer Schuld nicht ausreichend (§ 17 II). Vgl. auch $ 5, 3; $ 16, 7. Nach Ostendorf wird der Anwendungsbereich durch Rückfallprognose und das Verhältnismäßigkeitsprinzip bestimmt. Dazu auch $ 1 0 , 1 2 c a£. 4 Zuchtmittel kann der JRichter durch Urteil, Auflagen auch als BewAuflagen ($ 23) und im Rahmen der SS 45, 47, JA gem. § 11 III durch Beschluß verhängen. Der JStA kann im Rahmen des $ 45 II unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen dem J die Erfüllung von Auflagen zur Vermeidung weiterer Strafverfolgung anbieten (näher $ 4 5 , 1 7 ff). Die praktische Bedeutung der Zuchtmittel ist erheblich. 1998 waren 3 von 4 durch die JGerichte verhängten formellen Sanktionen Zuchtmittel (Heinz in JStrafrecht an der Wende S. 89). 5 Zuchtmittel sind keine Strafe, doch kann neben ihnen die Fahrerlaubnis entzogen werden ($ 7,13). Auch rechtfertigt die Gefahr der Verhängung von Zuchtmitteln die Verweigerung der Aussage (BGH 9, 34 für $ 55 StPO u. JA). 6

Wegen der Urteilsformel $ 5 4 , 4 ; wegen der Eintragung in das ErzReg. S 6 0 1 Nr. 2 BZRG.

7 Auch Zuchtmittel sind der Begnadigung nicht entzogen, es kommt hier aber selten ein Gnadenakt in Betracht (vgl. Bay. GnadenO v. 2 . 7 . 1 9 7 4 S 4 in u. Bekanntm. v. 2 . 7 . 1 9 7 4 Art. Hl S. 3). Bei JA darf die Vollstreckung nur in bes. Ausnahmefällen und nur kurzfristig unterbrochen werden (Bay. GnadenO S 29). 8 Geltung des S 13 I, II u. III nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: % 1, 6 c Buchst, c u. d, sowie 6d aE des dortigen S 1.

s 14 Verwarnung Durch die Verwarnung soll dem Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden. 1. Hw.-J: Rn4; S 105 I. - 2. ErwG: § 104 I Nr. 1. - 3. Sold. Rn4. Richtlinie zu § 14:

Wegen des Ausspruchs der rechtskräftig angeordneten Verwarnung (Vollstreckung) wird auf Abschnitt IV Nr. 1 der Richtlinien zu §§ 82 bis 85 hingewiesen.

1 Die Verwarnung weist den Täter zurecht und hält ihm das Unrecht seiner Tat vor. Durch sie wird er auf die Schwere des Schuldvorwurfs und auf die Folgen für den Verletzten und die Allgemeinheit hingewiesen; zugleich wird er vor weiteren Verfehlungen im eigenen Interesse gewarnt, seine Ehre und sein Gewissen ange-

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Verwarnung rufen u n d er zur Rücksicht gegen die Mitmenschen e r m a h n t . Unterschied zur E r m a h n u n g des $ 45: Rn 5 aE. Eine solche Zurechtweisung ist an sich jeder Verurteilung eigen. Die Verwarnung 2 zeichnet sich darüber hinaus durch die bes. F o r m aus, in der auf sie erkannt wird (Urteilssatz) und bes. in der sie vollzogen wird (Heinen UJ 5 2 , 2 9 u. 120). Dadurch erhält sie Sühnefunktion u n d wird z u m Zuchtmittel. Sie ist deshalb neben JStrafe oder JA nicht m e h r (§ 8,4), in leichtesten Fällen aber überhaupt nicht notwendig, weil hier eine formlose E r m a h n u n g genügt. Wenn auch davon ausgegangen wird (Ostendorf 3 mwN), d a ß weniger Art u n d 3 Höhe der Strafe, als die strafrechtliche Verfolgung, die Sanktionswahrscheinlichkeit u n d die außergerichtlichen Konsequenzen beeindrucken, so wird doch eine isoliert ausgesprochene Verwarnung nur selten Erfolg versprechen. Als einzige Reaktion des Richters wird sie zumeist nicht ernstgenommen u n d als Bestätigung d a f ü r angesehen, d a ß doch nichts passiert (vgl. auch Böhm S. 181). Glaubt der Richter, d a ß eine Verwarnung allein genügen kann, so ist es häufig sinnvoller, gleich nach $ 45 zu verfahren u n d eine E r m a h n u n g genügen zu lassen, zumal dann auch die Schwierigkeiten der Vollstreckung (Rn5, 6) vermieden werden. Dabei ist es aber immer möglich, d a ß es sich in der Hauptverhandlung herausstellt, d a ß im Einzelfall eine Verwarnung ausreichend u n d wirksam sein kann. Im übrigen sollte die Verwarnung mit Weisungen oder Auflagen verbunden werden, w e n n das in der Tat enthaltene Unrecht bes. betont werden soll (Böhm S. 181; aA Bisenberg 7). Die Verwarnung m u ß d a n n aber, u m eine pädagogische Eigen Wirkung zu entfalten, individuell u n d nachdrücklich ausgesprochen werden (Schaffstein/Beulke s. 127). Eine Verwarnung verspricht gegen H w . oder J, die zZ des Urteils schon über 18 Jahre alt sind, n u r unter bes. günstigen Umständen Erfolg, weil sie auf die Mentalität der J abgestimmt ist (Dallinger/Lackner 63; Potrykus B 6 je zu § 105). Ähnliches gilt bei Soldaten.

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1999 wurden aber immerhin 28% aller Zuchtmittel in Form einer Verwarnung 4 a erteilt (berechnet nach Stat. BA S. 64 f). Die häufige Verwendung beim Diebstahl (Terdenge Strafsanktionen in Gesetzgebung u. Gerichtspraxis, 1983 S. 113) mag sich daraus erklären mag, daß bei einem ersten „zaghaften" Diebstahl, insbes. in einem Warenhaus, ein „ m e h r " als zuviel u n d eine reaktionslose Einstellung als „zu wenig" angesehen worden ist. Der Ausspruch ist n u r die Verhängung u n d bedarf des Vollzugs, der erst n a c h S Rechtskraft m ö g l i c h ist. Bei allseitigem Rechtsmittel verzieht ist die Verwarnung grds. im Anschluß an die Verhandlung zu erteilen. Dabei k a n n die Anwesenheit der ErzBerechtigten hilfreich sein, der JRichter k a n n darauf aber auch verzichten (vgl. RLIV 1 neuer Teil zu $$ 82-85). Wenn die ErzBerechtigten schon die Hauptverhandlung nicht wahrnehmen, wird h ä u f i g auch beim Ausspruch der Verwarn u n g auf sie verzichtet werden k ö n n e n . Oft wird aber das Urteil erst später rechtskräftig, da auf Verwarnung meist im vereinfachten JVerfahren in Abwesen145

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heit des JStA erkannt wird (§ 78, 21). Dann ist eine nachdrückliche Zurechtweisung am Ende der Sitzung und eine entsprechend gefaßte schriftliche Verwarnung unter Bezug auf die Zurechtweisung in entsprechender äußerer Form noch das beste. Denn das ist erz. wirksamer als der bes. Verwarnungstermin, zu dem der J wegen derselben Tat zum 2. Mal ggf. von weit außerhalb unter Verlust an Arbeitszeit vor Gericht erscheinen muß (Angemessenheit!). Der Grundsatz, daß die Verwarnung nur mündlich erteilt werden soll (Dallinger/Lackner 9; Potrykus B 5), muß hier zurücktreten, zumal das Gesetz die schriftliche Verwarnung nicht ausschließt. Es ist aber zu befürchten, daß sie, weil zu unpersönlich, wenig beeindruckt (vgl. Rn3 aE). Es kann auch ein anderer JRichter im Wege der Amtshilfe um Erteilung der mündlichen Verwarnung ersucht werden (OLG Hamm Zbl. 70, 56 gegen frühere Entscheidungen - Rechtshilfe - GA 69,251), da Maßnahmen des Vollstreckungsleiters, soweit nicht gem. $ 83 jrichterliche Entscheidungen, Akte der Justizverwaltung (§ 83, 1) sind (zust. Ostendotf7, der vorschlägt, die Verwarnung unter Vorbehalt der Rechtskraft nach dem Urteil auszusprechen). Aber auch hier dürften Nachdruck und Entschiedenheit fehlen. Die Ermahnung nach 5 45 III hingegen wird ohne Trennung zwischen Anordnung und Vollziehung erteilt. 6 Die Frage, ob der säumige J zum Verwarnungstermin vorgeführt werden darf, ist entsprechend den in § 58,4; $ 60,10 dargelegten Gründen zu verneinen (Dallinger/ Lackner 7; DSS/Diemer 7; Eisenberg 10; Ostendoif7; Böhm S. 182). Zur Urteilsfassung $ 54, 4; zur Eintragung RL zu $ 13.

S 15 Auflagen (1) Der Richter kann dem Jugendlichen auferlegen, 1. nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, 2. sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen, 3. Arbeitsleistungen zu erbringen oder 4. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen. Dabei dürfen an den Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. (2) Der Richter soll die Zahlung eines Geldbetrages nur anordnen, wenn 1. der Jugendliche eine leichte Verfehlung begangen hat und anzunehmen ist, daß er den Geldbetrag aus Mitteln zahlt, über die er selbständig verfügen darf, oder 2. dem Jugendlichen der Gewinn, den er aus der Tat erlangt, oder das Entgelt, das er für sie erhalten hat, entzogen werden soll.

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Auflagen

$ 15

(3) Der Richter kann nachträglich Auflagen ändern oder von ihrer Erfüllung ganz oder z u m Teil befreien, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Bei schuldhafter Nichterfüllung von Auflagen gilt $ 11 Abs. 3 entsprechend. Ist Jugendarrest vollstreckt worden, so kann der Richter die Auflagen ganz oder zum Teil für erledigt erklären. 1. Hw.-J.: Rn 2; $ 105 I. - 2. ErwG: § 104 I Nr. 1. - 3. Sold. R n l 5 u. 16; $ 113 a Nr. 3. Richtlinien zu § 15:

1. Die Wiedergutmachung des Schadens kann auch in Arbeitsleistungen für den Geschädigten bestehen (vgl. hierzu die Richtlinie Nr. 5 zu $ 10). 2. Im Hinblick auf eine Wiedergutmachung des Schadens oder eine Entschuldigung bei dem Verletzten wird auf die Richtlinie Nr. 4 zu § 10 hingewiesen. 3. Zur Auflage, Arbeitsleistungen zu erbringen, wird auf § 540 RVO hingewiesen. 4. Wegen der Kosten der Durchführung von Auflagen wird auf die Richtlinie Nr. 6 zu $ 10 hingewiesen. 5. Die Staatsanwaltschaft wirkt darauf hin, daß das Gericht den Jugendlichen über die Bedeutung der Weisungen und Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung ($ 11 Abs. 3 Satz 1) belehrt und diese Belehrung in der Niederschrift über die Hauptverhandlung vermerkt oder sonst aktenkundig gemacht wird. 6. Wegen der Folgen schuldhafter Nichterfüllung von Auflagen wird auf die Richtlinien Nrn. 2 und 3 zu $ 11 hingewiesen. Geldleistungen, die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 auferlegt worden sind, können nicht zwangsweise beigetrieben werden.

Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

1.

Allgemeines Schadenswiedergutmachung Arbeitsleistungen Entschuldigung Geldauflage Abänderung und Befreiung von Auflagen Überwachung Soldaten Auflagen bei Drogentätern

Rn 1 3 8c 9 10 13 14 15 17

Allgemeines

Es gibt nur die vier in Abs. I genannten Auflagen. Sie fördern die Erz. durch echte, 1 tatbezogene Sühneleistungen. Die auferlegten Leistungen sollen dem J sein Unrecht und die auf ihn selbst zurückfallenden Folgen deutlich machen (Schaffstein/ Beulke S. 127), sie sollen deshalb auch stets den Bezug zur Tat wahren. Ähnliche Auflagen sind oft als Weisungen möglich, wenn sie die bes. Voraussetzungen des $ 1 0 erfüllen. Die begrifflich scharfe Grenze zwischen Auflagen und Weisungen ist in der Praxis durchaus flüssig {Schaffstein/Beulke S. 128); vgl. dazu $ 10, 9. Schadenswiedergutmachung und Geldauflage sind ohne Rücksicht auf das Alter 2 zZ des Urteils, also auch und gerade bei Hw. ($ 105) angebracht, zumal diese meist schon erheblichere Mittel zu ihrer Verfügung haben. Die Entschuldigung dagegen 147

$ 15

2. Teil. Jugendliche

ist bei dieser Gruppe meist verfehlt. Bei der Arbeitsauflage k o m m t es auf den Einzelfall an. 2.

Schadenswiedergutmachung

Schrifttum: Baur Die BewAuflage der Schadenswiedergutmachung u. das Zivilrecht, GA 57, 338; Branner Die Auflage der Schadenswiedergutmachung im JStrafrecht, Zbl. 76,269; Dilcher Die BewAuflage der Schadenswiedergutmachung im Verhältnis zur zivilrechtlichen Haftung, NJW 56, 1346; Dölling ua Täter-Opfer-Ausgleich in Deutschland, 1998; Frehsee Wiedergutmachungsauflage u. Zivilrecht, NJW 81,1253; ders. Wiedergutmachung statt Strafe, KrimJ 82, 126; Hellmer Identitätsbewußtsein u. Wiedergutmachung, JZ 79, 41; Jakob/Molketin, Aufl. d. Schadenswiedergutmachung u. Zivilrecht, JWohl 83, 159; Maiwald Die Beteiligung des Verletzten am Strafverfahren, GA 70,33; Pentz Nochmals: Die BewAuflage der Schadenswiedergutmachung, NJW 56,1867; Schnitzerling Die Schadenswiedergutmachung im Strafrecht, DAR 59, 201; Schöch (Hrsg.) Wiedergutmachung u. Strafrecht 1987; Theißen Die kriminalrechtliche Auflage der Schadenswiedergutmachung, Zbl. 84,543; Wai/Opferausgleich u. Strafverfahren, DRiZ 80, 205 (siehe auch das Schrifttum zu § 10).

3 Die S c h a d e n s w i e d e r g u t m a c h u n g ist in ihrer V e r k n ü p f u n g m i t der Tatverursachung u n d ihrem sozialpädagogischen Bezug auf J u n d H w . erz. bes. geeignet. Die Person des Täters m u ß aber stets Mittelpunkt des Verfahrens bleiben, d a n n k ö n n e n gerade mit der Schadenswiedergutmachung Fremdwertbegriffe fühlbar angelernt u n d der allg. Überbewertung des Materiellen entgegengewirkt werden. Das abstractum der allg. Rechtsgüter-Schutzfunktion der Strafrechtsordnung gew i n n t beziehungsvolles Leben, die erzwungene personale Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigten f ü h r t zu ausgleichendem eigenen Handeln u n d k a n n echtes Bemühen auslösen. Die Schadenswiedergutmachung vermag als wichtiger Aspekt d e n Sozialisationsprozeß zu fördern u n d sollte häufig eingesetzt werden. Die Schadenswiedergutmachung sollte primär i m Verfahren nach § 45 angestrebt werden, vgl. z u m Täter-Opfer-Ausgleich $ 1 0 , 1 2 ff. Eine Auflage ist jedoch angezeigt, w e n n der J zur freiwilligen Schadenswiedergutmachung nicht bereit ist u n d ihm deshalb verdeutlicht werden m u ß , d a ß er f ü r die Folgen von ihm verschuldeten Unrechts einstehen m u ß (Rössner/Klaus in Dölling m 1998 S. 116; Rössner in JStrafrecht an der Wende S. 177). 4

Die Auflage setzt voraus, d a ß der Täter zivilrechtlich überhaupt g e h a l t e n ist, aus welchem Rechtsgrund auch immer, Wiedergutmachung zu leisten (Dallinger/ Lackner 2; DSS/Diemer 6; Eisenberg 6; Itzel S. 130 FN 69 mwN); sie ist deshalb gesetzeswidrig (Rechtsmittel trotz $ 551), wenn die m i t ihr verbundene Belastung keine Grundlage im bürgerlichen Recht h a t (OLG Stuttgart MDR 7 1 , 1 0 2 5 u. NJW 80, 1114). Überschreitet die auferlegte Wiedergutmachung den angerichteten Schaden, so entspricht sie nicht mehr d e m Gesetz u n d k a n n vom Rechtsmittelgericht abgeändert werden (OLG H a m b u r g MDR 80,246). Z u r Ratenauferlegung § 22, 4 aE. Eine völlige oder teilweise Abweisung einer gegen d e n Verurteilten gerichteten zivilrechtlichen Schadensersatzklage k a n n deshalb die Abänderung der Weisung erzwingen (OLG H a m b u r g MDR 82, 340). 148

Auflagen

Die Höhe des zivilrechtlichen Anspruchs des Verletzten umschreibt zugleich die S uU mögliche, aber nicht notwendig auszufüllende Höchstgrenze der Auflage. „Nach Kräften" besagt, daß der J durch den Richterspruch, hinter dem der Zwang des Ungehorsamsarrestes steht, nicht überbeansprucht und mutlos gemacht, aber doch zur Anspannung seiner Kräfte angehalten wird. Der mögliche Einwand der Verjährung hindert die Auflage nicht (OLG Stuttgart aaO; OLG Hamm NJW 76, 527; Schall NJW 77, 1046). Die Mehrspurigkeit strafrichterlicher Auflage und zivilrechtlichen An- 6 spruchs muß bedacht werden. Die Auflage läßt den Zivilrechtsweg für Verurteilten und Verletzten offen; darüber hinaus kann es zu Schwierigkeiten wegen der zivilrechtlichen Wirkung der Erfüllung (vgl. SS 362 ff, 366 BGB), wegen Verzichts des Verletzten, wegen Erfüllung durch Dritte, bei gesamtschuldnerischer Haftung oder einer Mehrheit von Gläubigern und wegen der Zumutbarkeit der Naturalrestitution für den Geschädigten kommen (vgl. $ 10,12; näher Brunner Zbl. 76,269). Nach Ostendorf (10) wird die Schadenswiedergutmachung nicht gegenstandslos, wenn ein Dritter bezahlt oder das Opfer verzichtet; aA Brunner Zbl. 76,272 mwN. Schöch (1987 S. 145) weist auf die Schwierigkeit hin, strafprozessuale Beweisanforderungen und Würdigungen mit den zivilrechtlichen Beweisregeln (primafacie-Beweis, freie Schadensschätzung, differenzierte Mitverschuldensabwägungen) zusammenzubringen. Die Lösung dürfte in der Formulierung „nach Kräften" zu finden sein (vgl. Rn 5). In zivilrechtlich streitige Fragen sollte die Auflage nicht hineinstoßen (zust. 6 a Eisenberg 7), um rechtliche Komplikationen zu vermeiden, welche den pädagogischen Sinn der Auflage in sein Gegenteil verkehren können (näher Brunner Zbl. 76, 269 ff). Da aber der Schaden weder voll ausgeschöpft werden muß, noch idR unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Täters und der pädagogischen Wirksamkeit der Auflage überhaupt ausgeschöpft werden kann, bleibt für die Auflage ein weiter Raum. Es ist aber geboten, mit der Auflage genau Art (zB Schmerzensgeld, LG Bremen NJW 71, 153) und Höhe der Wiedergutmachung festzusetzen (zust. Ostendorf 9). Dies dient der notwendigen Klarstellung für alle Betroffenen, vermeidet nachfolgende Schwierigkeiten, erleichtert die Überwachung und ist Fixpunkt für evtl. Verhängung des Ungehorsamsarrestes oder Widerruf der Strafaussetzung. Zur Schadenswiedergutmachung durch Arbeitsleistung für den Geschädigten RL 6 b 1 u. RL 5 zu $ 10; zur Zumutbarkeit für den Geschädigten Brunner Zbl. 76, 269. Die Auflage, die Verfahrenskosten zu bezahlen, ist nicht zulässig (Daliinger/ 7 Lackner 3; Böhm S. 185 f; DSS/Diemer 7; Eisenberg 9; Ostendorf 8; SchaffsteinfBeulke S. 128; aA Meyer NJW 57,371; Potrykus UJ 57, 355). Zwar kann in einem weiteren Sinn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tat und den der Allgemeinheit zur Last fallenden Verfahrenskosten angenommen werden, insbes. wenn mutwillig eine umfangreiche Beweisaufnahme oder eine kostenträchtige Verzögerung des Verfahrens herbeigeführt worden ist. Dieser Zusammenhang ist jedoch

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2. Teil. Jugendliche

für den J weniger einsichtig als bei den Schäden, die das Opfer durch die Tat erlitten hat. Die Bezahlung der Verfahrenskosten wird daher dem Sinngehalt der Auflage der Schadenswiedergutmachung, dem J die Unrechtsfolgen plastisch vor Augen zu führen, nicht gerecht. Außerdem enthält § 74 für die Verfahrenskosten eine bes. Regelung (Schaffstein/Beulke aaO; zur Unzulässigkeit der Auflage, die Verfahrenskosten zu bezahlen, im ErwRecht BGH 9, 365; OLG Hamm NJW 56, 1887). 8 Wiedergutmachung sollte in geeigneten Fällen in Verbindung mit anderen Maßnahmen (§ 8) angeordnet werden (Brunner Zbl. 76, 269; abl. Eisenberg 12; Hellmer JZ 76, 47; Kaiser NStZ 82, 105; Theißen Zbl. 84, 540; Ostendorf 3, der aber einräumt, daß eine Betreuungsweisung, etwa bei Ratenzahlungsverpflichtungen, dienlich sein kann). Gerade die Betreuungsweisung (vgl. % 10, 10) ergänzt sinnvoll und läßt den J bei seinen Verpflichtungen nicht allein, kann auch der Vermittlung bei auftretenden Schwierigkeiten dienen. 8 a Zum Täter-Opfer-Ausgleich $ 10,12 ff; zum OpferschutzG § 10,12 f; $ 80,8 m. w. Hinweisen in $ 80, 9. 8 b In den USA versucht man seit Mitte der siebziger Jahre im Wege der sog. „Restitution", j. Rechtsbrecher für ihr Handeln verantwortlich zu machen, indem sie durch eine Leistung dem Tatopfer Genugtuung leisten sollen (insgesamt Herz BewH 84,240; Janssen BewH 82,141). Solche Leistungen können finanzielle Schadenswiedergutmachung, Naturalrestitution oder als indirektes Opfer auch Sozialdienste an der Allgemeinheit sein. Unter den Sanktionen des JGG ermöglichen die Auflage der Schadens Wiedergutmachung ($ 15 I Nr. 1) und der Täter-Opfer-Ausgleich ($ 10, 12 ff) ein derartiges sozialpädagogisches Vorgehen. 3.

Arbeitsleistungen

8 c Die durch das 1. JGGÄndG eingeführte Auflage „Arbeitsleistungen zu erbringen" ist identisch mit dem Wortlaut der Weisung des $ 101 Nr. 4; es wird insgesamt auf die Ausführungen § 10,9-9 e verwiesen. Der Gesetzgeber hat die Erbringung von Arbeitsleistungen auch als Auflage zugelassen, „um eine flexible Handhabung dieser Maßnahme in jedem Einzelfall zu gewährleisten" (Begründung des RegE eines 1. JGGÄndG, BT-Drs. 11/5829 S. 18). Er will damit dem Bedürfnis der .¡richterlichen Praxis Rechnung tragen, „Verpflichtungen zur Leistung gemeinnütziger Arbeit nicht nur als reine ErzMaßregel, sondern auch dann auferlegen zu können, wenn damit dem J zudem eindringlich zum Bewußtsein gebracht werden soll, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat ($131 JGG)" (aaO). Zur Verfassungsmäßigkeit der Arbeitsauflage vgl. $ 10, 9 a. Zum Versicherungsschutz nach dem SGB VII s. § 10, 22. $ 540 RVO, auf die RL 3 verweist, ist aufgehoben worden.

150

Auflagen

4.

Entschuldigung

Die Entschuldigung kommt nur in Betracht, wenn der J dazu bereit ist, sie kann 9 ihrer Natur entsprechend nicht erzwungen werden (vgl. Eisenberg 13; Ostendoif 12). Eine Weigerung läßt oft wichtige Schlüsse zu. Es sollte aber auch gesichert sein, daß der Verletzte die Abbitte entgegenzunehmen bereit ist (Schaffstein/Beulke 5. 128). Bei Hw. ist diese Auflage seltener angebracht ($ 105,21; ähnlich Eisenberg 13). Nach Wolf (S. 310) kann die Entschuldigung als Auflage gerade dann angebracht sein, wenn der J nicht dazu bereit ist. Die Auflage sei auch erfüllt, wenn der Verletzte die Entschuldigung nicht annehme, was gewiß richtig ist. Deshalb aber sollte der JRichter gleichwohl bedenken, daß beides idR pädagogisch schädlich sein wird. Zu den Folgen auch $ 11, 3. 5.

Geldauflage

Geldauflagen (Abs. I S . 1 Nr. 4) als Buße {Maurach/Gössel/Zipf S. 718 „eine Rechts- 10 schmälerung mit Übelscharakter") haben nur Sinn, wenn der J sie aus eigenen Mitteln (Lohn, Taschengeld; Abs. II Nr. 1; anders im OWiG-Verfahren: § 45, 38) unter Opfern aufbringt und wenn er sie als echte Sühne anerkennt. Der Eindruck, mit Geld sei alles gutzumachen, muß vermieden werden (ebenso Maurach/Gössel/ Zfp/aaO; Eisenberg 15; aA Böhm S. 187: „idealistische, pädagogische Vorstellungen, die den heutigen tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr entsprechen"). Nach Einführung der Arbeitsleistung als Auflage ist der Anteil der Geldbußen an den Auflagen von 93% 1990 auf 34% 1999 zurückgegangen (berechnet nach Stat. BA 1990 S. 6 0 f u. 1999 S.64f). Diese Auflage ist grds. nur zur Ahndung kleinerer Delikte geeignet (Abs. n Nr. 1), weil sie keine erz. Hilfen anbietet, sie gewinnt aber bei den Verkehrsdelikten Hw. und deren oft relativ hohem Einkommen erheblich an Bedeutung (§ 105,21). Der zu zahlende Geldbetrag soll den wirtschaftlichen Verhältnissen des J angepaßt sein und die Wiedergutmachung nicht gefährden. Zur Bemessung bei Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr Bußmann/ Gerhardt BA 84, 207. Mit der Geldauflage dürfen an den J keine unzumutbaren Anforderungen 11 gestellt werden (Abs. I S. 2). Die Geldbuße ist dann unzumutbar, wenn sie in einem offenbaren Mißverhältnis zu Tatschuld oder Einkommen (evtl. auch Vermögen) des J steht (OLG Hamm Zbl. 72, 357). Eisenberg (16) macht auf die Gefahr der „Abwälzung der Leistungserbringung" (zB Familie) und auch auf Straftaten zur Aufbringung der Geldauflage aufmerksam. Vgl. Rn 17. Die Geldauflage kann auch Verfallswirkung haben (Abs. II Nr. 2). Wo der Täter noch Vorteile aus der Tat hat und diese nicht an einen Geschädigten abgeführt werden können, sollte die Geldauflage stets ohne Rücksicht auf die sonstigen Vermögensverhältnisse des Täters neben anderen Maßnahmen angeordnet werden. Zur Einziehung des Wertersatzes § 6, 3. Im Urteil muß nicht nur der Betrag, sondern auch die Einrichtung genau be- 12 zeichnet werden (OLG Düsseldorf JMB1. NRW 60, 220 = SjE F 2 S.94). Gemein151

2. Teil. Jugendliche

nützig sind nur solche Einrichtungen, durch deren Tätigkeit ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert wird (OLG Düsseldorf JMBl. NRW 62, 191 = SjE F 2 S. 93). Die Einrichtung m u ß weder formell durch das Finanzamt anerkannt, noch in die beim OLG geführte Liste aufgenommen sein. Zahlungen an die Staatskasse dürfen nicht auferlegt werden (BGH B NStZ-RR 00, 321; OLG Zweibrücken StV 91, 425 = NStZ 92, 84 mit Anm. Ostendoij), denn J ist eine finanzielle Einbuße eher verständlich zu machen, wenn sie einer gemeinnützigen Einrichtung zu Gute kommt (BGH aaO). Analog $ 42 StGB kann Ratenzahlung gewährt werden. 12 a Es empfiehlt sich, zur Auflage d e m Verpflichteten zusätzlich ein Schriftstück auszuhändigen, wonach er selbst die Zahlungsbelege dem Gericht vorzulegen und bei Zahlungsschwierigkeiten das Gericht rechtzeitig unter Angabe von Gründen zu unterrichten hat. Dem sollte die Belehrung über den Ungehorsamsarrest beigefügt werden (s. dazu $ 10, 3 u. 10; 1 1 1 , 6). Vgl. auch § 112 a, 8 aE; f ü r Drogentäter Rn 17. 12 b

Es kommt auf den Einzelfall an, ob Zahlung der Geldauflage durch einen Dritten als Nichterfüllung gewertet werden und zu Ungehorsamsarrest führen kann. Grds. wird man das nicht sagen können. 6.

Abänderung und Befreiung von Auflagen

13 Auflagen können nachträglich abgeändert werden (Abs. III 1), der Richter kann aber auch nachträglich aus erz. Gründen von Auflagen ganz oder zum Teil befreien (Abs. III 1). Diese Neuregelung durch das 1. JGGÄndG erspart dem Richter den erz. abträglichen Ausweg, überholte Auflagen durch Nichtstun gegenstandslos zu machen. Ein Austausch von Auflagen gegen Weisungen ist ebensowenig zulässig wie die Umwandlung von Weisungen in Auflagen ($ 11, 3). Bei schuldhafter Nichterfüllung der Auflage kann JA gem. § 1 1 III verhängt werden (Abs. III 2), was f ü r die Entschuldigung aber wohl nur gelten könnte, wenn sie freiwillig zuvor zugesichert war, aber auch dann höchst bedenklich bleibt. $ 11 III ist in vollem Umfange entsprechend anwendbar. Nach Vollstreckung des JA kann der Richter die Auflagen ganz oder zum Teil für erledigt erklären. Dies sollte nicht unbesehen und grds. geschehen (vgl. hierzu § 11, 8). Auch die als BewAuflagen erteilten Auflagen sind nach $ 23 I 3 abänderbar. 7.

Überwachung

14 Die Überwachung erfolgt wie bei einer Weisung grds. durch die JGH ($ 10,21). Die JGH sollte deshalb auch hier gehört werden (Potrykus B 7), was ja auch schon zu Art und ggf. Gestaltung der Auflage geboten ist.

152

Jugendarrest 8.

Soldaten

Bei Soldaten soll vor der Anordnung von Auflagen der nächste Disziplinar-Vorge- I S setzte gehört werden (§112 d), weil die Besonderheiten des Wehrdienstes berücksichtigt werden sollen ($ 112 a Nr. 3 S. 1). Grds. werden gegen Soldaten nur Geldauflagen zur Wiedergutmachung, Buße und - ausnahmsweise (Rn2, 9) - die Entschuldigung in Betracht kommen. Doch müssen auch die Zahlungsauflagen dem Wehrsold angepaßt sein (Potrykus NJW 57, 815). Wiedergutmachung durch Arbeit ist für Soldaten kaum möglich. $ 112 a Nr. 3 S. 2 sieht die Anpassung bereits auferlegter Auflagen an den Wehr- 16 dienst vor (vgl. Rn 13). 9.

Auflagen bei Drogentätern

Bei Drogentätern käme nur die Auflage, einen Geldbetrag zugunsten einer ge- 17 meinnützigen Einrichtung zu bezahlen ($151 Nr. 4), in Betracht und auch diese ist höchstens in bes., leichten Fällen sinnvoll, kann dann aber den mit Dealen gezogenen Gewinn entziehen (S 15 II Nr. 2). Jedoch gegen einen aus den sozialen Bezügen mehr oder weniger ausgetretenen Drogenabhängigen, den seine Sucht finanziell überfordert und in Beschaffungskriminalität treibt, wäre eine Geldbuße eher gefährdend als nützlich und nicht durchsetzbar, damit auch erzieherisch verfehlt. Vgl. Rn 11. Allg.: Einf. I 49-51. Vgl. auch Brunner Zbl. 80, 415, 417. Wegen der Folgen schuldhafter Nichterfüllung von Auflagen RL 6; RL 2 u. 3 zu 18 $ l l u . $ 11,4 ff. Geldleistungen, die nach $ 151 Nr. 1 und 4 auferlegt worden sind, können nicht zwangsweise beigetrieben werden (RL 6). Geltung des § 15 II Nr. 1 nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: $ 1, 6 c 19 Buchst, b.

$ 16 Jugendarrest (1) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest. (2) Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf eine oder zwei Freizeiten bemessen. (3) Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Dabei stehen zwei Tage Kurzarrest einer Freizeit gleich. (4) Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen. 1. Hw.-J: Rn 11; $ 105 I. - 2. ErwG: § 104 I Nr. 1. - 3. Sold. $ 112 a, 5. 153

S 16

2. Teil. Jugendliche

Richtlinien zu $ 16: 1. Wöchentliche Freizeit ist die Zeit von der Beendigung der Arbeit am Ende der Woche bis zum Beginn der Arbeit in der nächsten Woche. Bei Jugendlichen, die an Sonntagen beschäftigt werden, tritt an die Stelle dieser Freizeit die entsprechende Freizeit während der Woche. Der Freizeitarrest kann auch an einem Feiertag vollstreckt werden, jedoch nicht über die regelmäßige Dauer der wöchentlichen Freizeit hinaus. Hinsichtlich der Arrestdauer wird auf $ 25 JAVollzO und $ 5 BwVollzO verwiesen. 2. Wegen der Berücksichtigung von Untersuchungshaft bei Jugendarrest wird auf $ 52 und die Richtlinien dazu verwiesen. Schrifttum: Arndt Krimonologische Untersuchungen zum JA, Diss. Göttingen 1970; Becker JA u. Erzkurs, MDR 7 4 , 1 0 6 ; Berckhauer Soll der Freizeitarrest abgeschafft werden? ZRP 82, 145; Boldt Um den JA, ZStW 5 3 , 3 3 6 ; Brunner Kurzmaßnahmen im JRecht? JR 70, 91; Burkert JA sofort vollziehbar, Zbl.78, 310; DVJJ-Landesgruppe B-W Hat der JA noch eine Zukunft? 1991; Dünkel Freiheitsentzug für j . Rechtsbrecher, 1990; ders. Was bringt uns der JA? Zbl. 9 0 , 4 2 3 ; Eisenhardt Der ErzAuftrag des JGG u. seine Durchführung in UHaft u. JA, Zbl. 71, 240; ders. Gutachten über die kriminalpolitische u. kriminalpädagogische Zweckmäßigkeit u. Wirksamkeit des JA, 1974; ders. Die Wirkungen der kurzen Haft auf J , 1980; ders. Gutachten über den JA, 1989; EisenhardtfNaumann Neue Aspekte in der Durchführung des JA unter Berücksichtigung obj. Kriterien zur „subj. Wirksamkeit" des JA, RdJ 71, 198; Fehes Der JA, NStZ 93, 105; Fluck Der JA als Mittel z. Bekämpfung d. JKriminalität, Diss. Saarbrücken 1969; Grämlich Handhabung u. Bew. des JA, Diss. Freiburg 1961; Hartenstein Die Vollstreckungszeiten im JA, MKrim. 64, 271; ders. Zur Wirksamkeit des JA Vollzugs, MKrim. 66, 314; Hartwig/Krieg/Rathke Vom „Zuchtmittel" zum Hilfsangebot, Neue Kriminalpolitik 1989 H.3, 40; Hilpert Der JAVollzug an 615 J und Hw der JA-Anstalt Radolfszell, Diss. Freiburg 1961; Hinrichs Auswertung einer Befragung der JAAnstalten in der Bundesrepublik Deutschland 1999, DVJJ-J 99,267; Jung Der JA im j(straf)rechtlichen Sanktionensystem, JZ 78,621; Kaiser Zum Stand der Behandlungsu. Sanktionsforschung in der JKriminologie, dargestellt am Beispiel des JA, Zbl. 69, 16; Klosterkemper Erfolg u. Mißerfolg ambulanter Maßnahmen u. des Dauerarrestes, Diss. Gießen 1971; Koepsel JA - Eine zeitgemäße Sanktionsform des JStrafrechts? FS Böhm, 1999 S. 619; Laue JA in Deutschland, DVJJ-J 95, 91; Miehe Rückfall u. Bewährung nach JStraf- u. Arrestvollzug, RdJ 6 9 , 8 1 ; Note Die Rückfälligkeit J u. Hw. nach der Verbüßung von JA, Diss. Göttingen 1987; Ostendorf (Hrsg.) Abschlußbericht der Arbeitsgruppe „Reform des JA in Schleswig-Holstein", 1994; Patzschke Pädagog. JA-Vollzug, in Schaffstein/Miehe (Hrsg.) Weg u. Aufgabe des JStrafrechts, 1968 S. 277; Peters Die JA-VO, ZStW 60,551; Pfeiffer JA - für wen eigentlich? MKrim. 81, 28; P lewig Zur Reform des JA, MKrim. 80,20; Rangol Der JA. Anordnung u. Vollzug, ZfStrVo 66, 288; Rinio Zur Frage der Zulässigkeit einer polizeilichen Zuführung zum Antritt des JA, Zbl. 0 0 , 3 0 0 ; Roestel Hat Freizeitarrest einen erz. Wert? Zbl. 6 9 , 2 2 3 ; Schaffstein Zur Problematik des JA, ZStW 70, 853; ders. Zum Funktionswechsel des JA, FS Hilde Kaufmann, 1986 S. 393; Schneemann Beobachtungen zum JAVollz. u. die Bewährung entlassener Dauerarrestanten, Diss. Göttingen 1970; Schumann JA und/oder Betreuungsweisung, 1985; ders. Der Arrest (Zucht) Mittel zu jedem Zweck, Zbl. 86, 353; Schwarz JKriminalität u. JA, Diss. Bonn 1963; Schwegler Dauerarrest als ErzMittel für j . Straftäter, 1999; Sieverts Die ErzAufgabe des JA, in Schaffstein/Miehe (Hrsg.) Weg u. Aufgabe des JStrafrechts, 1968 S. 255-,SiissenguthiA in Bayern, Diss. Saarbrücken 1973; Trips Die Rückfälligkeit der Bruchsaler JA-Arrestanten des Vollzugsjahres 1958, MKrim. 63, 228; Ullrich JA der „moderne Hexenhammer", UJ 6 7 , 3 0 ; ders. Zuviel JA, RdJ 6 7 , 2 4 4 ; Vom Der JA, SchIHA 59,135; Wehner Die pädagogische Aufgabe des JA, Zbl. 66, 180.

Übersicht 1. Sinn und Ziel 2. Zielgruppe . .

154

Ril 1 2

Jugendarrest 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

1.

JA auch heute noch (Zu Geschichte, Kritik, Weiterentwicklung) Tat- und Tätervoraussetzungen Ungehorsamsarrest Arrestformen Koppelung Arrestladung Jugendarrest bei Drogentätern

$16 4 10

15 16

19 21

22

Sinn und Ziel

Der JA ist ein kurzfristiger, rasch eingesetzter Freiheitsentzug mit sühnendem 1 (BGH 18, 209) und erz. ($ 901) Charakter, aber keine Strafe. Er soll ohne Nebenund Fernwirkungen einer Strafe (BZRG: vgl. auch Rn4) als tatbezogener Ordnungsruf den J zur Selbstbesinnung führen, ihm eindringlich zum Bewußtsein bringen, daß er für begangenes Unrecht einzustehen hat, und künftigen Verfehlungen durch sozialpädagogische Hilfen vorbeugen. Der JA muß als schärfstes Zuchtmittel rasch und erzwirksam eingesetzt werden und darf deshalb ausnahmslos nicht zur Bewährung ausgesetzt werden ($ 87, 3), weil das seinem Wesen zuwiderliefe. 2.

Zielgruppe

Nach seiner Entstehungsgeschichte und den ihr zugrundeliegenden kriminal- 2 pädagogischen Vorstellungen war der JA vor allem gedacht „für Verfehlungen aus Unachtsamkeit, j. Kraftgefühl oder Übermut, aus typisch j. Neigungen und j. Vorwärtsstreben, j. Trotzhaltung, j. Abenteuerlust, mangelnder Selbständigkeit, sowie bei Gelegenheits- und Augenblicksverfehlungen, die sich aus einer plötzlich auftretenden Situation ergeben, ohne daß der Täter sonst zu kriminellem Verhalten neigt" (BGH 18, 209). So sollte der JA also im Grunde „gutgeartete", also kriminell nicht gefährdete J mit Ehrgefühl treffen, die keiner länger dauernden erz. Einwirkung, wohl aber eines energischen Hinweises auf die Verbindlichkeit der Rechtsordnung und eines fühlbaren Anrufs zur Selbstbesinnung bedürfen (Begr. z. RE einer VO z. Änderung d. JAVollzO v. 1.10.1975 S. 11). Deshalb hatte die JAVollzO v. 1.9.1966 neben erz. Hilfen ($ 10 I) vor allem eine strenge Behandlung betont, welche bei dieser Zielgruppe des JA ausreichend erschien, den ErzAuftrag des JGG zu erfüllen (vgl. Begr. RE S. 12). Zum maßgeblichen Wandel aber: Rn8. Gleichwohl wurden in der Praxis und werden voraussichtlich weiterhin dem JA J 3 und Hw. zugeführt, welche zwar nicht arrestuntauglich sind, aber nicht in die oben beschriebene Zielgruppe passen und geeigneter, wenn auch zwangsläufig kurzfristiger, aber auch nachgehender Hilfen bedürfen. Durch Kindheit und Umwelt belastete, kriminell bereits gefährdete und durch frühere Verfehlungen rückfallabile J treffen mit den unter Rn 2 geschilderten Arrestanten und mit den wieder völlig andersgearteten J zusammen, die mit Ungehorsamsarrest belegt wurden. Dazu auch Rn7b. Die JAVollzO idF v. 18.8.1976 (BGBl. I S. 2349) hat 155

2. Teil. Jugendliche sich deshalb die Aufgabe gestellt, „rechtliche Grundlagen d a f ü r einzuführen, d a ß der JA den erz. Auftrag d. JStrafrechtspflege auch denjenigen J gegenüber besser erfüllen kann, f ü r die der JA nach seiner ursprünglichen Konzeption nicht vorgesehen w a r " (Begr. RE S. 16). Dies enthebt den Richter nicht von der Verpflichtung, die Arresttauglichkeit (Rn 12) des J sorgfältig z u prüfen. Dazu aber auch RnS. 3.

JA a u c h h e u t e noch (zu Geschichte, Kritik, Weiterentwicklung)

4

Die beginnende JGerichtsbewegung hatte eine kurze, aber harte ErzStrafe, verb u n d e n m i t ernsthafter Arbeitstherapie, gefordert, die nicht rückfallbegründend sein u n d nicht ins Strafregister eingetragen werden sollte. In solchem Sinne h a t Schaffstein 1936 erneut einen „JA" ohne Strafmakelstigmatisierung und z u r Verm e i d u n g krimineller Ansteckung gefordert. Mit einer VO wurde d a n n 1940 ein JA zur Z u r ü c k d r ä n g u n g kurzfristiger Gefängnisstrafen (zusammen m i t Erw.), aber auch - zeitentsprechend - zu harter Disziplinierung („Arbeitsbummelei") m i t einem H ö c h s t m a ß von 4 Wochen eingeführt u n d 1943 im damaligen JGG normiert. Die DDR hatte 1952 den JA als „nazistische Erfindung" abgeschafft, im Jahre 1968 aber unter der Bezeichnung „JHaft" eine kurze Freiheitsentziehung (1-6 Wochen; später 1 Woche bis 3 Monate nach DDR-StGB § 74) wieder eingef ü h r t . Auch in anderen europäischen Staaten (zB Großbritannien, Niederlande, Schweiz) w u r d e n nach 1945 ähnliche Einrichtungen geschaffen (vgl. Schaffstein MKrim. 69, 2).

4a

Der JA ist h e u t e ein Ahndungsmittel eigener Art mit erz. Charakter f ü r noch prägbare j u n g e Menschen, aber auch als kurzfristiger Freiheitsentzug das schärfste der Zuchtmittel. Ohne die Neben- u n d Fernwirkungen einer Strafe (Rn 1) wird der JA durch die bewußt angelegte „Lücke" von höchstens 4 Wochen ($ 16IV) bis 6 Monate ( § 1 8 1 1 ) deutlich von der JStrafe geschieden, was d e m JRichter w a r n e n d den Übergang zu einer Kriminalstrafe signalisiert. Die Gründe, welche z u r Zur ü c k d r ä n g u n g der kurzen Freiheitsstrafen im ErwStrafrecht geführt haben, stellen den JA als eigenständige, kurzfristig disziplinierende Sanktion für J u n d H w . nicht in Frage.

5

Die Kritik an der Institution des JA (für viele Bietz ZRP 81, 216; Eisenhardt UJ 74, 413; Möller ZfStrVo 72,45; Pfeiffer MKrim. 8 1 , 3 3 u. Schumann 1985, der wegen der h o h e n Rückfallquote - dazu aber R n 9 - u n d erz. Unwirksamkeit ganz auf ihn verzichten will), ist notwendig, in weiten Teilen berechtigt und h a t wesentliches bewirkt. Eisenberg ($ 13, 9) hält nach derzeitiger erzpsychologischer Auffassung den JA f ü r erz. ungeeignet und meint, es fehle dabei vielfach selbst an einer partiellen Effizienz, wie sie autoritären E r z M a ß n a h m e n im allg. z u k o m m e , r ä u m t ($ 13, 13) allerdings ein, d a ß nach allg. Erkenntnissen der Effektivitätsmessung innerhalb der Sanktions- u n d Behandlungsforschung ggf. auch ein kurzfristiges Bemühen eine langfristige erz. Auswirkung haben kann.

156

Jugendarrest

$16

In Bremen lief 1983/84 als Alternative zum JA ein praxisverbundenes Modellpro- 5 a jekt („Probe") mit Betreuungsweisungen. In der über die Begleitforschung entstandenen Studie (Schumann 1985) wird als Ergebnis festgestellt, daß diese Sanktionsalternative bei gleichem Personenkreis wirksamer als JA gewesen sei (S. 174) und eine beachtliche Senkung der Rückfallquote erlaubt habe (S. 139). 1989 hat man im Land Bremen die JAAnstalt Bremen-Lesum geschlossen, weil „der sozialen Problemlage der Betroffenen . . . durch jegliche Arrestreform nicht wirksam begegnet werden" kann (Hartwig/Krieg/Rathke Neue Kriminalpolitik 1989 H 3,40). Es wurden von freien Trägern der Straffälligenhilfe „Beratungsstellen zur Arrestvermeidung" eingerichtet, die Hilfsangebote erschließen sollen. Beim AG Bremen wurde ein Koordinator eingesetzt, der im Rahmen der JGH in Fällen drohenden Ungehorsamsarrestes frühzeitig sozialarbeiterisch intervenieren soll, „damit der JRichter von der Verhängung des Arrestes absehen kann". Die Zahl der vollstreckten Arreste lag im ersten Jahr nach der Schließung der JA-Anstalt Bremen-Lesum deutlich niedriger als im Jahr davor (Hartwig DVJJ-J 91,50; vgl. auch Emig in DVJJBW 91 S. 57 f). Ob allerdings auf JA völlig verzichtet werden kann, erscheint zweifelhaft. Bei aller berechtigten Kritik sollte man heute nicht mehr pauschal das Schemen 6 einer längst in die Rechtsgeschichte eingegangenen Arrestideologie „short - sharp - shock" beschwören. Denn es darf bei unbestrittener Problematik und in Anbetracht unvermeidlicher Fehlschläge nicht verkannt werden, daß heute Arrestanten nicht mehr ihrer „Selbstbesinnung" und einer „säkularisierten Fastenzeit" (Patzschke in Schaffstein/Miehe (Hrsg.) Weg u. Aufgabe des JStrafrechts, 1986 S. 286 - näher zu Patzschke 8. Aufl. dortige Rn 5 b) überlassen werden, sondern daß eine Reihe engagierter Vollzugsleiter und helfender Kräfte im Arrestvollzug, auch über das Wochenende, ErzArbeit leisten, die nicht selten von den J auch angenommen wird. Das Projekt JAAnstalt Remscheid ist in der 8. Aufl. FN 1 zu Rn 6 eingehend beschrieben; dazu auch: 50 Jahre JA in der Anstalt Remscheid, o.J.; zum Sport als ErzMaßnahme in der JAAnstalt Kaufungen Schäfer/Möller ZfStrVo 82, 274; zur JAAnstalt Rendsburg siehe Ostendorf 1994 S. 16 ff. Auch andere JAAnstalten bemühen sich, den „Arrestalltag" so zu gestalten, daß es nicht bei einem bloßen „Ordnungsruf bleibt. Auch bei Beachtung des Grundsatzes „keine stationäre Behandlung, wo ambulante genügt" (Einf. II 18-21) kann es J und Taten geben, für die JA geeignet und in der Lage sein könnte, härtere Maßnahmen zu vermeiden (zu Möglichkeiten des JA vgl. Müller in DVJJ-BW 1991 S. 83 ff). In der gegenwärtigen Praxis werden allerdings die Möglichkeiten des JA durch zu geringe personelle Ausstattung der Anstalten und bauliche Mängel stark beeinträchtigt (Hinrichs DVJJ-J 99, 267). Nach Koepsel (FS Böhm, 1999 S. 622 f) ist auch gegenwärtig die Situation in etlichen JAAnstalten „so unbefriedigend, daß der Negativeffekt des bloßen Einsperrens die mögliche erz. Wirkung des JA verdrängt". Schaffsteins Ausführungen (GA 71, 129, 130) verdienen nach wie vor Beachtung, daß ^Kriminalität keineswegs immer oder auch nur meistens Ausdruck einer Fehlentwicklung oder einer abnormen sozialen Gefährdung" ist, 157

2. Teil. Jugendliche

sondern daß es auch heute in großem Umfang eine JKriminalität der „Normalentwickelten" gibt, für welche die Zuchtmittel einschließlich des JA „ein einstweilen unentbehrliches Mittel der Sozialisation" sind. Zur Diskussion um den JA vgl. auch die Beiträge von D ütikel ua in DVJJ-J 91,23 ff sowie von Herrlinger in DVJJJ 91, 156. 7 Während Vorschläge der Arbeiterwohlfahrt 1970 für ein erweitertes JHilferecht und ein Diskussionsentwurf eines JHilferechts des BM für Jugend, Familie und Gesundheit 1973 (vgl. näher Einf. II Rn32, 33) noch meinten, auf den JA verzichten zu können, haben die folgenden RE des BMJ (1977, 1983, 1987 u. RegE 1989) zu einem 1. JGGÄndG die Sanktion des JA aufrechterhalten, aber bes. auf die erz. Gestaltung des Vollzugs in einer der kurzen Vollzugszeit angemessenen Weise hingewiesen. - Auch die Vorschläge der DVJJ hielten nach langjähriger Kommissionsarbeit in ihrer Denkschrift 1977 über die kriminalrechtliche Behandlung junger Volljähriger an einem behandlungsorientierten JA fest. Dazu aber auch Einf. I 15 aE. 7 a Eisenhardt hat im Auftrag des BMJ ein Gutachten über die kriminalpolitische und kriminalpädagogische Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des JA erstellt (1974). Auf Grund umfangreicher, kritischer Untersuchungen hat er letztlich gleichwohl derzeit keinen ausreichenden Ersatz für den JA gefunden, aber als Behandlungsmodell vorgeschlagen, zunächst einen Freizeitarrest anzuordnen, um das Schockerlebnis zu nutzen, und bei erneuter Straffälligkeit einen Dauerarrest von 4 Wochen zu verhängen, der mit einer Diagnosephase von einer Woche beginnen und dem ein dreiwöchiger Sozialisationskurs folgen soll, um durch Gruppentraining Einstellungsänderungen zu bewirken; in geeigneten Fällen soll sich eine Nachbetreuung von einem Jahr anschließen. Böhm (S. 198) hält ein derartiges Konzept für geeignet, mit dem JA einen sonst hierdurch nicht zu erreichenden Personenkreis zu erfassen. 7 b In seinem - ergänzenden - Gutachten über den JA (1989) hat Eisenhardt zusammenfassend festgestellt (S. 145 ff): Der JA sei prinzipiell für J und jüngere Hw. als Reaktion auf Fehlverhalten geeignet; unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen und bei den Problemen der im JA Befindlichen aber könne lediglich der Freizeitarrest für eine kleine Gruppe „gutgearteter Täter" als geeignete erz. Reaktion gelten. Mit der derzeitigen Vollzugsstruktur aber würden die Probleme der Probanden nicht gelöst. Nur ein konsequent sozial therapeutisch ausgestalteter Vollzug erscheine sinnvoll. Eisenhardt empfiehlt als Vollzugsformen: 1. Freizeitarrest mit maximal 2 Freizeiten (dem entspricht nun § 16 II nach dem JGGÄndG) einschließlich einer Betreuungsweisung im Regelfall. 2. Unter Umständen ein kurzer Dauerarrest von einer Woche, mit einer Betreuungsweisung verbunden. 3. Dauerarrest in einer neuen Form von 3-4 Wochen oder bis zu 3 Monaten, möglichst mit einer Nachbetreuung verbunden. Vgl. auch Eisenhardt in $ 90, 1. Schwegler (1999 S. 273 ff) ermittelte bei Befragungen von 86 Dauerarrestanten einer JAAnstalt, daß sich die Mehrheit vom Vollzug beeindruckt zeigte, sich jedoch die

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Jugendarrest „moralische Urteilsfähigkeit" u n d die „Einstellung z u m Recht" nicht signifikant veränderten. Z u m Ungehorsamsarrest vgl. § 11, 8 a. Die Praxis h a t in den letzten Jahrzehnten in steigendem Maß an Stelle von JA 8 ambulante Sanktionen verhängt. Der Anteil des JA an den Verurteilungen ist von 42% 1955 über 21% 1980 auf 16% 1991 zurückgegangen (Ostendorf94,8). 1999 lag der Anteil bei 18% (berechnet nach Stat. BA S. 64 f). Die Zahl der J u n d Hw., die zu JA verurteilt werden, ist aber weiterhin erheblich. Sie betrug 1999 16.809 (Stat. BA, aaO). Zu dem begrüßenswerten Rückgang des JA haben g e f ü h r t „in einer Wechselbeziehung von Ursache u n d W i r k u n g " (Schaffstein in GS Hilde Kaufmann, 1986 S. 397) der Ausbau geeigneter ambulanter Alternativen (dazu § 10, 10-12) u n d die steigende Zahl informeller Erledigungen im Wege der Diversion nach $$ 4 5 , 4 7 . Das allerdings hat zugleich bei den Arrestanten u n d der kriminalpolitischen Zielsetzung des JA zu einer unverkennbaren W a n d l u n g geführt. Die „Gutgearteten" (vgl. Rn 2) werden n u n überwiegend ambulanten M a ß n a h m e n zugef ü h r t , während in den JA eher bes. gefährdete J gelangen (vgl. Rn 3; Eisenhardt 1989 S. 125; Pfeiffer MKrim. 81, 28). Diese mischen sich mit den wegen Ungehorsams Arrestierten (vgl. Rn 3). Es ist im Ergebnis Schaffstein (aaO S. 393, 394) zuzustimm e n : „Eine weitere Zurückdrängung des JA durch ambulante M a ß n a h m e n ist wünschenswert, eine völlige Beseitigung ist weder erwünscht noch o h n e Schaff u n g einer k a u m zu schließenden Lücke in unserem jkriminalrechtlichen Rechtsfolgensystem möglich." Dies setzt allerdings eine stärkere sozialpädagogische Ausgestaltung des JA voraus (Laue DVJJ-J 95, 95; Koepsel FS Böhm, 1999 S.631: Ausgestaltung als „pädagogischer Intensivkurs"). Untersuchungen zur Rückfälligkeit nach JA k o m m e n zu unterschiedlichen Er- 9 gebnissen. Wird jede registrierte neue Straftat als Rückfall gezählt, ergeben sich Rückfallquoten von 60-90% (vgl. zB Schumann/Döpke in Schumann 1985 S. 98, 134 ff u. zusammenfassend Ostendorf 1994, S.4). Untersuchungen der fünfziger bis siebziger Jahre z u m Dauerarrest f ü h r t e n zu d e m Ergebnis, d a ß etwa zwei Drittel der Arrestanten rückfällig wurden, aber nur bei einem Drittel schwerere M a ß n a h m e n als JA verhängt wurden; nach Abzug von 30-35% „Arrestungeeigneter" wurden Rückfallquoten von 53% f ü r alle Rückfälle u n d von 19% f ü r erhebliche Rückfälle ermittelt (Schaffstein/Beulke S. 138). Eisenhardt (1980 S. 531,533, 551) kam ohne Berücksichtigung der Einträge in der ErzKartei auf 32% Rückfälle. Zusammenfassend zu den bisherigen Befunden Dötting RdJ 93, 372. Insgesamt bedarf die Rückfälligkeit nach JA noch genauerer empirischer Analyse. 4.

Tat- u n d Tätervoraussetzungen

Als T a t a h n d u n g ist der JA f ü r leichte Verfehlungen nicht erforderlich, f ü r schwere 1 0 zumeist nicht ausreichend. Eine gewisse Orientierungshilfe m a g die sog.Jungsche Formel geben, wonach es sich u m Taten handeln soll, die es notwendig machen, d e m Entstehen von Entwicklungsschäden entgegenzuwirken, andererseits der JA

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$16

2. Teil. Jugendliche

geeignet (ausreichend) sein soll, auf den J iS einer Änderung seines Verhaltens einzuwirken. 11 JA darf nicht schematisch verhängt werden, wenn der Täter erstmals vor Gericht steht. Es ist auch selten gerechtfertigt, JA - insbes. Dauerarrest - mehrmals in kurzer Zeit zu wiederholen, hier ist meist ein anderes Ahndungsmittel angebracht, was schon daraus folgt, daß die Rückfallquote selbst der einfachen Arrestwiederholer den allg. Rückfallsatz um 10-11% übersteigt (Schaffstein ZStW 70, 853, 869). 12 Entscheidend ist die Persönlichkeit des Täters. Der JA ist kein Allheilmittel. JA bei sog. Arrestuntauglichen (für Drogentäter vgl. Rn 22, 23), insbes. bei schon kriminell verhärteten Tätern (vgl. dazu Rn8), bei bereits verwahrlosten und geistig erheblich zurückgebliebenen J, ist sinnlos und belastet die mögliche ErzArbeit im Vollzug. Gleiches gilt idR, wenn der Täter bereits in einer Einrichtung oder Wohnform nach $ 12 Nr. 2, im J- oder gar ErwVollzug war. Zur Bedeutung der Tätervoraussetzungen $ 90,1 u. 2; zu bes. schwierigen Fällen LG Hamburg bei Böhm NStZ 89, 524 u. $ 87, 7 a. 13 Bleibt es zweifelhaft, ob der Täter durch JA ansprechbar ist und reichen ambulante Maßnahmen keinesfalls aus, so lassen die JAVollzO mit erweiterten ErzMöglichkeiten seine Anordnung und die weithin im JA angebotenen Hilfsangebote sowie die tatsächliche Ausgestaltung (Soziale Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit, Unterricht, Freizeitgestaltung), soweit eben die Kürze der Zeit solche Ansätze zuläßt, den Einsatz von JA verantworten. 14 Gerade bei geeigneten Hw. kann JA wirksam sein, es wird aber Persönlichkeit und Ansprechbarkeit sorgfältig geprüft werden müssen. Bedenklich ist es, wenn ein Hw. gegen Ende der Altersgrenze nach seiner Entwicklung JA als unangemessen empfinden muß; dann bieten sich andere Zuchtmittel an. Wegen JA gegen Soldaten § 112 a, 6. Zum JA gegen ausländische J u. Hw. Einf. I 22 b. 5.

Ungehorsamsarrest

15 Bei Ungehorsam gegen erz. Anordnungen, nämlich Weisungen (§ 10), Auflagen (5 15), auch bei Strafaussetzung ($ 2314) und Maßnahmen gem. $ 98 OWiG (§ 82, 16) sieht der Gesetzgeber JA vor (S 11 III 1). Näheres $ 11,4-8. Auch neben JA, der in der gleichen Entscheidung verhängt worden ist, kann für den Ungehorsamsarrest das Höchstmaß von 4 Wochen ausgeschöpft werden (s. dazu $ 11,7; § 31,27). Vgl. auch § 11, 8 a. 6.

Arrestformen

16 Im Jahre 1999 wurden 7420 J und Hw. zu Freizeitarrest, 1049 zu Kurzarrest und 8340 zu Dauerarrest verurteilt (Stat. BA S. 64 f). Freizeitarrest (Abs. II) dauert im Regelfall (§ 25 III JAVollzO) von Samstag 8 Uhr oder 15 Uhr bis Montag 7 Uhr. Das G erlaubt zu Recht nur noch, 1 oder Z Freizeiten bei einer Verurteilung zu 160

Jugendarrest verhängen (OLG Celle StV Ol, 181). Bei mehr als 2 Freizeiten müßte erz. abträgliche Gewöhnung befürchtet werden. Gegen die Effizienz des Freizeitarrestes werden Bedenken erhoben (Schaffstein ZStW 7 0 , 8 3 8 ; Roestel Zbl. 6 9 , 2 3 3 u. Sieverts in Schaffstein/Miehe, Hrsg., Weg u. Aufgabe d. JStrafrechts, 1968 S.272, der meint, die Großstadtjugend schüttle den Freizeitarrest heute eher wie Wasser ab und sähe ihn als günstige Gelegenheit zum Ausschlafen an). Nach Koepsel (FS Böhm, 1999 S. 623) werden junge Menschen vielfach ohne jede Betreuung für zwei Tage in Einzelzellen untergebracht. Freizeitarrest nimmt weder Arbeits- noch Schulzeit in Anspruch und wird damit auch nicht bekannt. Berckhauer (ZRP 82, 145) stimmt neueren Initiativen zur Beseitigung des Freizeitarrestes zwar zu, hält aber gleichwohl ersatzlosen Wegfall wegen weitgehenden Fehlens sozialpädagogischer ambulanter Alternativen für unzweckmäßig. Auch Maurach/Gössel/Zipf (S. 719 f) befürworten eine kriminalpädagogische Verbesserung des Freizeitarrests und nicht einen Verzicht auf diese Sanktion. Dienstleiter und Bedienstete der JAAnstalten und Freizeitarresträume nicht nur eines Landes halten Freizeitarrest, der etwa bei arbeitslosen J auch während der Woche vollzogen werden kann (Abs. II, § 25 IV JAVollzO), bei sonst eingegliederten J für unverzichtbar und effizient. Wenn auch die Kürze der Zeit im Freizeitarrest idR nicht viel mehr erlaubt, als über eine „Denkzettelwirkung" (BT-Drs. 11/5829 S. 19) zu versuchen, das Verhalten nicht oder kaum belasteter J und Hw. zu ändern, so suchen doch gleichwohl engagierte JStAe, JRichter und Sozialarbeiter erz. Einwirkungen (vgl. Rn 13) damit zu verbinden und nicht nur „Schlafmöglichkeit" (Ostendorf 10) zu bieten. $ 87 III ermöglicht selbst hier dem Vollzugsleiter, den JA auf das erz. Notwendige und Gebotene einzuschränken. Hinsichtlich der Arrestdauer siehe RL 1 S. 3; S 25 JAVollZO; $ 5 BwVollzO. Der Kurzarrest (Abs. III) tritt nur an die Stelle des Freizeitarrestes und beträgt deshalb mindestens 2 Tage, und wegen der Beschränkung des Freizeitarrestes auf höchstens 2 Freizeiten nicht mehr als 4 Tage. Die Umwandlung ist zu begründen und ermöglicht es, Urlaub, Ferien und Zeiten der Arbeitslosigkeit zu nützen. Eine Änderung der Verhältnisse erlaubt nachträgliche Umwandlung ($ 86), aber nicht deren Rückgängigmachung. Kritik am Vollzug des Kurzarrestes bei Koepsel (Rn 16 S. 625).

17

Das Höchstmaß des Dauerarrestes (Abs. IV) beträgt 4 Wochen (nicht 1 Monat!). Auch hier sollte, um Abstumpfung und Gewöhnung zu vermeiden, nur in bes. Fällen das Höchstmaß verhängt werden (Schaffstein/Beulke S. 133; für Anhebung auf 3 Monate mit der Chance vorzeitiger BewEntlassung Koepsel aaO S. 626, 631). Bei der Bemessung des Dauerarrestes wird der JRichter auch mit berücksichtigen, was das erz. Programm in der zuständigen JAAnstalt bietet. Der Vollstreckungsleiter kann gem. § 87 III von der Vollstreckung des Restes, unter bestimmten Voraussetzungen von der Vollstreckung auch ganz absehen ($ 87, 6).

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161

2. Teil. Jugendliche

7.

Koppelung

19 Über Koppelung § 8. Durch Koppelung mit Weisungen und Auflagen kann dem JA weiterführende ErzArbeit beigesellt und eine gewisse Langzeitwirkung erzielt werden (Bedenken hiergegen bei Eisenberg $ 13, 14). Eine mit der Verhängung des JA erteilte entsprechende Weisung kann die gebotene Nachbetreuung sichern und erleichtern. Das in München vom Diplompsychologen Schuster („Schusterkurse") durchgeführte Projekt „Verhaltenstrainingsprogramm für J im Arrestvollzug" hat dies überzeugend nachgewiesen. Eisenhardt und die Denkschrift der DVJJ 1977 regen eine derartige Nachbetreuung an (Rn7-7b). Die verschiedenen Formen des JA (Abs. II-IV) sind grds. nicht zu koppeln; niemals dürfen in einem Urteil insgesamt mehr als 28 Tage JA verhängt werden. Zum Ungehorsamsarrest aber Rn 15 aE. 20 Über Vollstreckung u. Vollzug SS 86 ff, 90; wegen der Urteilsfassung $ 54, 4 , 1 5 ; wegen UHaft S 52 a, 8; wegen Begnadigung $ 13, 7. 8.

Arrestladung

2 1 Es empfiehlt sich, daß der Vollzugsleiter (S 90 II 2) den JRichtern des Einzugsbereichs seiner JAAnstalt gem. RL V Nr. 1 S. 2 zu $$ 82-85 die allg. Zustimmung erteilt, den rechtskräftig Verurteilten unmittelbar (möglichst nach Besprechung mit dem J im Anschluß an die Verurteilung) zum Arrestantritt zu laden (vgl. auch Eisenberg 37). Vgl. dazu auch RL V Nr. 4 S. 2 zu §$ 82-85. Dies ist in der Praxis technisch unschwer zu lösen und führt zur gebotenen raschen Vollstreckung. Nach der Ladung durch den Rechtspfleger gibt der JRichter die Akte an den Vollzugsleiter ab, wobei zunächst eine beglaubigte Abschrift des erkennenden Teils mit Rechtskraftbescheinigung genügt (Vor $ 82, 4). Dies vermag Vorführungen, welche J und Polizei gleichermaßen unnötig belasten, zu vermindern. Wird das Urteil nicht sofort rechtskräftig, weil in der Hauptverhandlung der gesetzliche Vertreter des J nicht anwesend war, so kann diesem ein (Formblatt-)Schreiben mitgegeben werden, welches das Urteil, den vorgesehenen Ladungstermin und die Bitte enthält, der gesetzliche Vertreter möge mitteilen, ob er mit der Entscheidung einverstanden ist. Auch das hat sich in der Praxis bewährt. Es ist dies eine Möglichkeit, erz. zweifelhafte polizeiliche Vorführungen zu vermeiden. Solche Vorführungen sind allerdings zulässig (RL V 7 zu $S 82-85; DSS/ Diemer $ 90, 8; Ostendorf % 85, 3; Rinio Zbl. 00, 302; aA Hinrichs StV 90, 380; DSS/ Sonnen T7 u. $ 85, 2). Zwar kann gegen eine analoge Anwendung des S 457 StPO das zwischen JStrafe und JA bestehende Gefälle in der Eingrifffsintensität angeführt werden (Ostendorf, DSS/Diemer u. Rinio aaO). Durch den Justizverwaltungsakt der Ladung wird der Verurteilte jedoch zum Antritt des JA verpflichtet. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann sich der Vollstreckungsleiter der Amtshilfe der Polizei zur Durchsetzung des Verwaltungsaktes bedienen. Die Polizei ist zur Anwendung unmittelbaren Zwangs nach Maßgabe des Landesverwaltungsvollstreckungsrechts befugt (Rinio aaO). Vgl. auch DSS/D iemer aaO (Befugnis der 162

Form und Voraussetzungen

$17

Polizei zur Anwendung unmittelbaren Zwangs im Rahmen ihrer allg. Aufgabe zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit u. Ordnung) und Ostendorf aaO (zwangsweise Vollstreckung nach den Landesverwaltungsgesetzen bzw. den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder). Auch bei erz. Ausgestaltung des JA ist die zwangsweise Zuführung zum Arrest nicht völlig zu entbehren (Rinio aaO, 303; aA Hinrichs StV 90, 381; USS/Sonnen § 85, 2). Zur arrestbewehrten Weisung, den JA pünktlich anzutreten, $ 10,14 c. 9.

Jugendarrest bei Drogentätern

Bei noch nicht drogenabhängigen Tätern, wohl auch noch bei Klein-Dealern für 22 Eigenbedarf, kann nach bes. gründlicher Persönlichkeitserforschung, die insbes. klären muß, ob der J (Hw.) durch JA überhaupt noch ansprechbar erscheint, JA geeignet sein, zumal heute auch im Arrestvollzug unter Beteiligung engagierter Vollzugsleiter und Sozialarbeiter wertvolle ErzArbeit geleistet wird. Ein Dauerarrest etwa von 4 Wochen führt daneben auch zu einer zwangsläufigen Entziehung des gefährdenden Milieus. Zugleich mit dem JA wird es sich häufig empfehlen, zusätzlich Weisungen ($ 10, 23, 24) als Langzeithilfe ($ 8, 1) einzusetzen. Bei wirklich Drogenabhängigen aber scheidet JA schlechthin aus, weil diese 23 infolge ihrer Passivität, Lethargie und allg. Ablehnungshaltung schlechterdings arrestuntauglich sind, der JA nach Anlage und ErzZiel für sie ungeeignet ist und die Arrestanstalten ohne Nutzen mit schwierigen, andere sogar gefährdenden Arrestanten belastet werden. JAAnstalten lehnen es meist ab, Drogenabhängige aufzunehmen (Eisenberg § 10, 40). Sie tun es wegen der Kürze der Zeit und fehlender personeller und sächlicher Einrichtung zu Recht. Vgl. auch Brunner Zbl. 80,415, 419; Kreuzer Zbl. 74, 214. Zum Ungehorsamsarrest § 11,11. Allg.: Einf. I 49-51; $ 10, 18 ff; $93 a. Geltung des $ 1 6 nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: $ 1,6 c, Buchst, c; 6 d dortige $$ 2 u. 5.

Vierter Abschnitt Die Jugendstrafe $ 17 Form und Voraussetzungen (1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer Jugendstrafanstalt. (2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen der Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungs163

$ 1 7

2. Teil. Jugendliche

maßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. 1. Hw.-J: Rn 5; $ 105 I. - 2. ErwG: § 104 I Nr. 1; § 112 S. 1, 2 3. Sold: $ 112 a, 6. Richtlinien zu $ 17: 1. Jugendstrafe darf nur verhängt werden, wenn andere Rechtsfolgen des Jugendgerichtsgesetzes nicht ausreichen. Sie soll in erster Linie der Erziehung dienen und darf deshalb mit der Freiheitsstrafe nicht gleichgesetzt werden. 2. Wenn Jugendliche und Erwachsene gemeinsam abgeurteilt werden ($ 103), wird es sich in der Regel empfehlen, in der mündlichen Urteilsbegründung das Wesen der Jugendstrafe und ihre Verschiedenheit von der Freiheitsstrafe darzulegen. Schrifttum: Balzer Der strafrechtl. Begriff der schädlichen Neigungen, Diss. Kiel 1965; Baumann Der Begriff der schädl. Neigungen, BewH 6 7 , 1 7 7 ; Belloni Anwendungsbereich u. Wirksamkeit der bestimmten JStrafe, 1965; Bergmann Zur Legitimationskrise der JStrafe, ZRP 91, 44; Böhm Rückfall u. Bew. nach verbüßter JStrafe, Fliedner-Verein Rockenberg 1973; Bottke Generalprävention u. JStrafrecht aus kriminologischer u. dogmatischer Sicht, 1984; Bringewat Verurteilung zu JStrafe - rückfallbegründende Verurteilung zu Strafe iSd $ 48 StGB? JZ 82,11; Bruns Zur Antinomie der Strafzwecke im JStrafrecht, StV 8 2 , 5 ; Dünkel Situation u. Reform von JStrafe, in JStrafe u. JStrafvollzug, 1985 S. 45; Frey Möglichkeiten u. Grenzen der Therapie bei Frühkriminellen, in Bittner (Hrsg.) Heilen statt Strafen, 1957 S. 309; Heinen Abgrenzung von JStrafe u. Fürsorgeerziehung, UJ 58, 460; Hellmer Erz. u. Strafe, 1957 S. 252ff; Herrmann Erz. im JStrafvollzug, in Schaffstein/Miehe (Hrsg.) Weg u. Aufgabe des JStrafrechts, 1968; JM Baden-Württemberg (Hrsg.) JVollzug - Hilfe oder Strafe? 1986; Kaiser Der erz. Sinn der JStrafe u. seine Verwirklichung, Diss. Heidelberg 1971; H. Kaufmann/Marquardt ua. JStraftäter u. ihr Verfahren, 1975; Lange Rückfälligkeit nach JStrafe, Diss. Göttingen 1973; Matzke Der Leistungsbereich bei JStrafgefangenen, Diss. Berlin 1982; M.-K. Meyer JStrafe wegen Schwere der Schuld - ErzStrafe und/oder Schuldausgleich? Zbl. 84,445; Meyer-Odewald Die Verhängung u. Zumessung der JStrafe, 1993; Miehe Zur Anordnung der Fürsorgeerziehung bei Unerziehbaren, RdJ 66, 5, 34, 64; Mörke JStrafe ein ErzMittel? SchlHA 65, 153; Mösl Verhängung u. Bemessung von JStrafe, NStZ 81, 428; Hölting Freigänger im JStrafvollzug, Diss. Göttingen 1985; Schaffstein Die Dauer der Freiheitsstrafe bei jungen Straffälligen, FS Würtenberger, 1977 S. 449; v. Schlotheim Zum Problem d. schädlichen Neigungen, RdJ 59, 150, 168, 181; ders. Die Höchstdauer der JStrafe, MKrim. 61,107; Streng Die JStrafe wegen schädlicher Neigungen ($ 17 II 1. Alt.) - Ein Beitrag zu den Grundlagen u. zum System der JStrafe GA 8 4 , 1 4 7 ; Tenckhoff JStrafe wegen Schwere der Schuld, JR 77, 485; Trenczek (Hrsg.) Freiheitsentzug bei jungen Straffälligen, 1993; Wächter Untersuchungen über Erfolg u. Mißerfolg der Erz. durch die JStrafe, Diss. Heidelberg 1966; Weber Die Anwendung der JStrafe, 1990; Werner JStrafe u. Fürsorgeerziehung, RdJ 6 4 , 1 1 4 u. 134; Wiesbrock Probleme des offenen Strafvollzugs u. seine Bew, Diss. Göttingen 1971.

Übersicht 1. Rechtsnatur 2. Anwendung und Diskussion JStrafe gegen 14- u. 15jährige . . 3. Vollzug in der Diskussion . . . . 4. Voraussetzungen und Wirkungen 5. Schädliche Neigungen Im Drogenbereich

164

Rn 1 2 4 8 9 11 13

Form und Voraussetzungen 6. Schwere der Schuld 7. Fahrlässigkeitstaten und weitere Besonderheiten 8. Abgrenzung von anderen Maßnahmen 9. Schädliche Neigungen und Strafaussetzung Schwere der Schuld im Drogenbereich 10. Zurückstellung der Strafvollstreckung bei betäubungsmittelabhängigen J und Hw. nach SS 38 I, 35 I, 36 BtMG 1.

14 16 19 22 22 b 23

Rechtsnatur

JStrafe ist die einzige Rechtsfolge des JGG mit d e m Charakter einer Kriminal- 1 strafe, gleichwohl eher notwendiges als strafendes Übel (Schaffstein FS Heinitz, 1971 S. 461). Sie ist sowohl nach den Voraussetzungen ($ 17) wie nach den Vollzugsvorschriften (§§ 91 ff) auf die bes. Lage junger Menschen zugeschnitten u n d gegenüber den Strafen des allg. Rechts e i g e n s t ä n d i g (aliud; RL 1; BGH 10,103). Sie enthält alle Elemente des allg. Strafbegriffes (Schuldvergeltung [Sühne], Abschreckung, Besserung, Schutz der Allgemeinheit, BGH 18,209; BGH StV 8 2 , 1 7 3 =JR 8 2 , 4 3 2 mit zust. Anm. Brunner; OLG F r a n k f u r t NStZ 84,383; M.-K. Meyer Zbl. 84, 446; Nothacker S. 113, 144; Wolf S. 97, vgl. § 1 8 , 8). Der BGH h a t nicht beanstandet, d a ß eine JKammer 10 Jahre JStrafe wegen Mordes f ü r erforderlich gehalten hat, „ u m über die erz. notwendige Einwirkung hinaus dem auch im JStrafrecht geltenden Grundsatz der tatvergeltenden Sühne u n d Abschreckung zu gen ü g e n " (BGH B NStZ 87, 442; z u r Abschreckung $ 18, 9). Der vorrangige Grundsatz der Erz. u n d die Elemente des allg. Strafbegriffs treffen sich darin, daß die JStrafe, wie jede Sanktion, den J f ü r sein Handeln verantwortlich machen soll. Dies ist eine der stärksten pädagogischen Kräfte, d e n n der j u n g e Mensch soll frühzeitig lernen, d a ß nichts ihn von der Verantwortung f ü r sein T u n u n d Lassen freistellt u n d d a ß er selbst entscheidend sein Verhältnis zu seiner U m g e b u n g gestaltet (vgl. Hellmer in JM Baden-Württemberg, 1986 S. 40,41). Dazu auch Einf. II 8 u. insbes. $ 18, 8 u. 9 a. Stets aber bleibt der ErzGedanke so vorrangig, daß bereits der Versuch des Täters, sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken, und Ansätze zu positiver Entwicklung eingehende Darlegungen dazu verlangen, ob diesem „ n u r durch Verbüßung einer langdauernden Haftstrafe, die noch dazu die begonnene Lehre unterbrechen u n d womöglich beenden würde, hinreichend Rechnung getragen werden k a n n " (BGH StV 88, 307; Brunner Anm. zu OLG Zweibrücken JR 90 304, insbes. auch BGH StV 89, 478 bei $ 18, 8 a). Es treten die allg. Strafzwecke (dazu RL 2 zu $ 18) zurück hinter das ErzZiel aller jrechtlichen M a ß n a h m e n u n d gerade auch der JStrafe wegen schädlicher Neigungen (wegen Schwere der Schuld aber Rn 14) und ihres Vollzugs (dazu ergänzend $ 91, 4): den Täter zu bessern, d h vor allem ihn zu befähigen, sein Leben eigenverantwortlich z u gestalten u n d k ü n f t i g keine Straftaten m e h r zu begehen. Denn es sollen - u n d es können auch - junge, in der Entwicklung befindliche, noch prägbare Täter beeinflußt werden, was Sühne weithin zurückdrängt u n d Generalprävention (§ 18, 9) ausschließt. Nach Nothacker (S. 60) könne und d ü r f e Aufgabe des JStrafrechts n u r sein, „weiterer strafrechtlicher Erfassung des Verhaltens ein165

2. Teil. Jugendliche zelner Personen dadurch entgegenzuwirken, d a ß die Voraussetzungen f ü r ihre Legalbew. geschaffen werden", u n d er f ü g t hinzu, d a ß dies im besonderen heiße, „Bedingungen zu schaffen, unter denen eventuelle Mängellagen bei J u n d Hw. durch Selbsthilfe u n d Angebote von ErzPersonen reduziert werden k ö n n t e n " . Dies entspreche auch dem Sozialisationsbegriff im JStrafrecht (S. 83). Anstelle des unsystematischen „Vorranges des ErzGedankens" sollten die angezeigten jstrafrechtlichen Anwendungsprinzipien der Entscheidung z u g r u n d e gelegt werden (S. 383). Ludwig (Zbl. 86, 338) meint kritisch, es lasse sich „eben leichter einsperren, w e n n dies geschieht, u m j e m a n d zu erziehen". Z u m ErzBegriff bes. Rn 5 ff, auch Einf. II 4-10, § 18, 7, insbes. 7 a; auch $ 18, 10 u. $ 91, 4. 2.

A n w e n d u n g und D i s k u s s i o n

2 Die JStrafe ist als „ultima ratio" des JStrafrechts konzipiert (RL1 S. 1), spielt aber in der Praxis weiterhin eine beträchtliche Rolle. 1980 erhielten 1 7 9 8 2 Verurteilte eine JStrafe (14% aller nach JStrafrecht Verurteilten), 1991 waren es 12.938 (18% der Verurteilten bei zurückgegangenem Anteil der Verurteilungen an den Verfahrenserledigungen) u n d 1999 17 645 (19%), vgl. Heinz in Trenczek 1993 S. 78 u. Stat. BA S. 60. Eine JStrafe ohne Bew. wurde 1980 gegen 6790 Verurteilte verhängt (5% aller nach JStrafrecht Verurteilten), 1991 gegen 4812 Personen (7%) u n d 1999 gegen 6452 (ebenfalls 7%, berechnet jeweils nach Stat. BA). Der Anteil der zu JStrafe Verurteilten an allen formell oder informell (gemäß $$ 45,47) nach JStrafrecht Sanktionierten betrug 1981 8% (für JStrafe o h n e Bew. 3%), 1991 7% (für JStrafe ohne Bew. 2,5%) und 1998 6% (für JStrafe ohne Bew. 2%), s. Heinz aaO S. 80 u. in BAG f ü r ambulante M a ß n a h m e n nach d e m JRecht (Hrsg.) Neue Ambulante M a ß n a h m e n , 2000 S. 201. Nach empirischen Befunden werden in bestimmten Konstellationen (zB Verurteilung wegen einfachen Diebstahls oder Unterschlag u n g bei Vorliegen von Vorbelastungen) J und H w . häufiger zu einer Jugendstrafe ohne Bew. verurteilt als Erw. zu einer Freiheitsstrafe ohne Bew. (Pfeiffer DVJJ-J 91, 114 ff) u n d erhalten Hw. bei Verurteilung nach JStrafrecht häufiger eine JStrafe ohne Bew. als bei Verurteilung nach allg. Strafrecht eine Freiheitsstrafe o h n e Bew. (Dünkel Freiheitsentzug für j u n g e Rechtsbrecher, 1990 S. 124 ff). Insgesamt läßt sich jedoch nicht belegen, d a ß die nach JStrafrecht Verurteilten allg. oder auch n u r mehrheitlich schlechter gestellt werden als die Erw. (s. die eingehende Analyse bei Böhm S. 13 ff). 3

Nach OLG Schleswig (NStZ 8 5 , 4 7 5 mit Anm. Schüler-Springorum = StV 8 5 , 4 2 0 mit Anm. Streng) ist die JStrafe als ErzStrafe iSd $ 17 II im Ansatz und von der Idee her m i t der im GG normierten Würde des Menschen offensichtlich vereinbar (dem zust. Schaffstein/Beulke S. 272; Weber S. 58). Bedenken, die JStrafe sei „per se erzfeindlich" u n d der vom Gesetzgeber m i t ihr vorgegebene ErzGedanke werde in der Praxis generell nicht realisiert (so ua Streng GA 8 4 , 1 6 3 ; Frehsee 1984 zit. NStZ 85, 475; Kaiser NStZ 82, 102; Schüler-Springorum FS Dünnebier 82, 656; Hellmer jKriminalität 4. Aufl. 78, 107; Kerner in Kaiser/Kerner/Schöch Strafvollz. 3. Aufl. 1982,335) seien ernst zu nehmen. In der z u m Teil vorgetragenen Ausschließlich166

Form und Voraussetzungen keit oder zT auch aus rechtlichen Gründen seien diese Bedenken aber nicht geeignet, die JStrafe als mit der Würde des Menschen unvereinbar erscheinen zu lassen. Solches sei mit den heutigen Maßstäben durch wissenschaftliche Erkenntnisse, Untersuchungen u n d Erhebungen nicht erhärtet. Die Würde des Menschen werde nicht verletzt, wenn das angestrebte ErzZiel n u r m e h r oder weniger gut erreicht werde; einzelne Verstöße gegen die Menschenwürde aber f ü h r t e n nicht z u r Verfassungswidrigkeit des strafrechtlichen Gesetzesbefehls u n d der hieraus abgeleiteten strafgerichtlichen Erkenntnisse, sondern z u m Rechtsweg nach S$ 23 ff. EGGVG. Dazu kritisch Eisenberg (JR 87, 488) u n d Schüler-Spritigorum (NStZ 85, 478), der diesem Urteil f ü r JStrafe die Leitlinie e n t n i m m t , d a ß wegen „Schwere der Schuld" äußerste Zurückhaltung geboten sei, u n d wegen „schädlicher N e i g u n g e n " die Einsicht den Vorzug verdiene, „ d a ß außerhalb der JVA besser erzogen werden kann". Dies entspricht Bestrebungen der Praxis, soweit irgend angängig ErzMaßregeln u n d Auflagen den Vorzug zu geben u n d in steigendem Maße m i t Hilfe von Diversionsprogrammen zu Einstellungen mit Auflagen nach SS 45, 4 7 zu k o m m e n . Die Praxis folgt der Erkenntnis, d a ß J S t r a f e g e g e n 14- u n d 15jährige, auch noch 4 gegen 16jährige, nur in ganz bes. Fällen zu verantworten u n d d a m i t wirklich unentbehrlich ist (LG Gera StV 99,661). So befanden sich am 3 1 . 3 . 2 0 0 0 insgesamt 7396 Gefangene, darunter 911 J u n d davon 80 14-15jährige im JStrafvollzug (s. S 91, 19). Dies zeigt, wie vorsichtig die JGerichte m i t der Verhängung u n d Vollstreckung von JStrafen gegen J, insbes. gegen 14- bis 15jährige J, sind. Bereits die Denkschrift d e r DVJJ von 1977 über die kriminalrechtliche Behandlung junger Volljähriger (S. 7) hat festgestellt, d a ß das JStrafrecht seinen Schwerpunkt deutlich auf die Gruppe der H w . hin verlagert h a t und d a ß im JStrafvollzug die unter 18jährigen die Ausnahme, die j u n g e n Volljährigen aber die Regel sind (Zahlen bei Mey/Wirthke FS Böhm, 1999 S.607). Hieraus schließen Schaffstein/Beulke (S. 279) zu Recht, daß die neuerdings oft erörterte Frage, ob die JStrafe gegen 14- bis 15jährige ausgeschlossen oder in Heimen der JHilfe vollzogen werden sollte, n u r geringe praktische Bedeutung hat u n d d a ß d e r JStrafvollzug insbes. auf die älteren über 18 Jahre alten Jahrgänge ausgerichtet sein m u ß . Auch Matzke (1982 S. 33) stellt entsprechend der Altersstruktur seiner Untersuchungspopulation fest, d a ß es sich beim Vollzug der JStrafe im wesentlichen u m einen „Hw.-Vollzug" handelt (ebenso Eisenberg $ 9 1 , 7; Ostendorf Grdl. z. S S 9 1 , 9 2 R n 4 ) . Zu den Gründen dieser Entwicklung S 9 1 , 1 9 . N u r bei schwersten Straftaten ist vollziehbare JStrafe auch bei 14- bis 15jährigen unverzichtbar (ebenso Schaffstein Neue Entwicklungen im Dtsch. JStrafrecht, Coimbra 1987/88 S. 16). J werden zur besseren Betreuung meist in einer bes. Anstalt zusammengefaßt, so in Bayern in der weitgehend offenen JStrafanstalt Laufen-Lebenau. Ein Teil der Akten dieser J läßt erkennen, daß kein ErzHeim m e h r bereit war, diese 14- bis 15jährigen a u f z u n e h m e n u n d so zu verwahren, d a ß die oftmals schon wiederholten Fluchtversuche vereitelt werden könnten. Allg. z u m Vollzug u. dessen Erfolg $ 9 1 , 2 5 - 2 7 ; $ 92,7; z u Behandlung u. Vollzug an 14167

2. Teil. Jugendliche

bis 15jährigen § 91,19. Zu UHaft bei 14- u. 15jährigen J 93, 6a; zur Diskussion über Strafmündigkeit Einf. II 34-36; zu Schuld u. „ErzBedürfnis" $ 18, 13. 5 Die jStrafe ist als stationäre Maßnahme für eine verbleibende kleine Gruppe (Rn 2) von nur wenigen J und überwiegend Hw. (Rn 4 u. j 92, 7), auch bei „konfliktorientiertem Verständnis" (Eisenberg $ 91, 15), unverzichtbar. Gerade die in diese Gruppe fallenden jungen Menschen erweisen sich als in Freiheit kaum erreichbar, so daß auf den Versuch einer stationären Behandlung nicht verzichtet werden kann (dazu Rn 6 aE). Die ambulanten Maßnahmen leben auch davon, daß nach ihnen ein stationärer Vollzug möglich ist, und werden von manchen auch nur deshalb angenommen (Böhm in JM Baden-Württemberg, 1986 S. 50). Ein Nebeneinander von JStrafe und ambulanten, sozialisationsfördernden Sanktionen ist unabweisbar. Hierbei ist jedoch ein quantitativer und qualitativer Ausbau der ambulanten Maßnahmen gerade für kriminell gefährdete Täter notwendig, um die JStrafe soweit wie möglich zurückdrängen zu können. Dazu kommt, daß die Hw. zum Teil mit durchaus bedrohlicher Kriminalität belastet sind. Auch um des Rechtsfriedens willen ist eine JStrafe unverzichtbar (M.-K. Meyer Zbl. 84,453), wie etwa bei der Tat eines zum Verhandlungszeitpunkt erwachsenen und inzwischen sozial angepaßten Täters, der als 19jähriger ($ 105) als Bewacher eines KZ-Lagers einen Mord begangen hat (vgl. Böhm S. 209; Strunk MKrim. 68, 135). Teilweise wird versucht, die JStrafe zu „entschärfen". Streng (GA 84,149) geht zB davon aus, JStrafe wegen schädlicher Neigungen solle vor allem die Gesellschaft vor weiteren Straftaten des J schützen (S. 151; dagegen Weber S. 60). Um „der hochproblematischen Vermengung von Wohlfahrtsdenken und repressivem Strafen" zu entgehen, schlägt er vor (S. 165), de lege lata die sog. „ErzStrafe" zu meiden und auf ErzMaßregeln auszuweichen, die keinen Strafersatz darstellen. De lege ferenda solle die JStrafe wegen schädlicher Neigungen nur noch bei einem gegenwärtigen, schwerwiegenden Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft zulässig sein. Vgl. aber auch Einf. 115 aE. 6 Die Meinungen, welche im pädagogischen, aber zT auch im jstrafrechtlichen Sinn von einer unauflöslichen Antinomie von Erz. und Strafe (vgl. näher Rn 1 ff, 15 a; Einf. II 8 u. bes. 9; $ 18,8 u. 9 a, 10; $ 91,1-4,9-10) ausgehen, kommen über die These, Repression und Zwang seien einer pädagogischen „ErzStrafe" schlechthin wesensfremd, Strafe setze zumindest einen im wesentlichen abgeschlossenen ErzProzeß voraus, ehe sie überhaupt zu rechtfertigen sei, bis zur letzten Konsequenz: Strafe als pädagogischer Akt sei deshalb völlig ausgeschlossen, weil damit lediglich das äußere künftige (Wohl-)Verhalten des Betroffenen manipuliert werde (Nachweise bei Nothacker S. 361, 362, 363). Den Vorschlag, aus ähnlichen Gründen auf stationäre Maßnahmen, auf JStrafe völlig zu verzichten, machen nur einzelne Autoren, die überwiegend praxisfern, im Grunde wohl eher ideologisch argumentieren. Dazu eingehend § 91,1 ff.

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Form und Voraussetzungen

Im Hinblick auf die komplexe Erz.- und Schutzaufgabe des JKriminalrechts kann 7 auf stationären Vollzug nicht verzichtet werden. Die JStrafe durch eine stationäre Maßnahme anderer Art zu ersetzen, bliebe bei der durch die fortschreitende Zurückdrängung der JStrafe zumeist verbleibenden bes. problematischen Gruppe zwangsläufig nur ein Wechsel des Etiketts. Auch ErzHeime, die sich durch pädagogisches Grundwissen und spezielle Erfahrung des Personals gerade für J anzubieten scheinen, eröffnen leider keine Möglichkeit, weil in der Praxis häufig der „pädagogische Impetus" der Heimleiter eine - hier eben notwendige - Festhaltung ablehnen läßt. Viele Erzieher wollen nicht „Mäusehüter von Justitias Gnaden" sein (zit. bei Böhm S. 132). Vgl. dazu die Erfahrung der JStrafanstalt LaufenLebenau Rn 4. Geht es aber nicht mehr sosehr um die Festhaltung, ist also offener Vollzug möglich, dann bedarf es nicht der ErzHeime, zumal die Abwesenheit zur Arbeit Behandlung und Erz. zurücktreten läßt. 3.

Vollzug in der Diskussion

Der JStrafvollzug erfüllt trotz ehrlicher Bemühungen und nicht zu übersehender 8 Fortschritte heute noch nicht die Anforderungen, die an ihn als ErzStrafvollzug gestellt werden. Die Denkschrift der DVJJ „Über die Behandlung von kriminell stark gefährdeten Tätern in Vollzugsanstalten" 1970 hat zu Recht festgestellt, daß die praktischen Behandlungsmethoden in den Vollzugsanstalten noch wenig befriedigend sind, und wesentliche Vorschläge zur Weiterentwicklung gemacht. Die Forderung nach einer - realitätsbezogenen - Erz. im JStrafvollzug, zugleich aber auch deren Grenzen, werden deutlich, wenn man in der Praxis die schwierigen Persönlichkeitsstrukturen vieler Gefangener erlebt hat (vgl. Schüler-Springorum FS Würtenberger, 1977 S.438; Thiesmeyer Zbl. 78, 14; vgl. § 9 1 , 4). Die Wissenschaft ist aufgerufen, dem JStrafvollzug zu helfen, weniger durch die „reine Lehre", als durch in der Praxis umsetzbare Erkenntnisse, die in enger Zusammenarbeit zwischen interdisziplinären Wissenschaften und Praxis erarbeitet werden. Kemer(in Feltes, Hrsg., Kriminologie u. Praxisforschung, 1988 S. 21) weist treffend darauf hin, daß „zahlreiche Innovationen im Bereich des Strafvollzugs in langem hartnäckigem Kampf von engagierten Praktikern entwickelt worden (sind), lange bevor sie die Weihe der theoretischen Beachtung durch die Wissenschaft gefunden haben". Dazu auch R n 4 , 5, 6 u. insbes. $ 91, 1 - 4 ; zum ErzVollzug § 91, 7 - 1 0 . Ein JRichter aber, der wegen der unbestreitbar noch vorhandenen Mängel des 8 a Vollzugs „ein Zeichen setzen will" und von der Verhängung der JStrafe absieht, wo das Gesetz sie fordert, handelt gesetzeswidrig. Denn es ist „nicht Sache des Gerichts, einem eindeutigen Gesetzesbefehl deshalb die Gefolgschaft zu versagen, weil die Exekutive nicht die zu seiner Durchführung erforderlichen Mittel bereithält" (BGH 2 8 , 3 2 9 ; zust. Eisenberg $ 3 7 , 5 ; abl. Ostendorf $ 3 7 , 4 unter Hinweis auf die Sanktionsrealität). Zu Drogentätern Rn 24, 25.

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$17 4. 9

2. Teil. Jugendliche Voraussetzungen u n d W i r k u n g e n

Weil die JStrafe nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie E r z S t r a f e (RL 1 5. 2) ist, darf sie grds. nicht verhängt werden, wenn sie zu schweren Schäden in der Entwicklung des jungen Menschen führen müßte, was bes. bei langen Freiheitsstrafen der Fall sein kann (§ 1 8 , 3 ) . Da sie aber n u r bei e n t s p r e c h e n d e r T a t s c h u l d z u r e c h t f e r t i g e n ist, muß sich Notwendigkeit und Berechtigung der JStrafe auch aus der Schuld ableiten lassen (Dallinger/Lackner 5). Auch im JRecht wird die Prüfung der Schuld nicht durch den Nachweis einer Verwahrlosung überflüssig, da die JStrafe keine bloße ErzMaßregel ist (LG Frankfurt Zbl. 6 0 , 2 1 8 ) . Die JStrafe darf auch - und gerade - aus erz. Gründen das M a ß der Schuld nicht überschreiten; näher % 18, 10.

10

Verurteilung und Verbüßung von JStrafe entspricht deshalb der Verurteilung und Verbüßung von Freiheitsstrafe, wie sie $ 6 6 StGB für die Anordnung der Sicher u n g s v e r w a h r u n g fordert (BGH 2 6 , 155; BGH H M D R 8 0 , 628; $ 66 StGB 4 ; Ostendorf § 3 1 , 2 5 ; abl. Eisenberg 37; NothackerS.

Tröndle/Fischer

1 4 1 , 1 4 2 , 3 1 7 ) . Näher

$ 31, 18. Ebenso die hM zum weggefallenen Rückfalldiebstahl; dazu 8. Auflage Rn 10. Gegen Hw. (Alter zZt der Tat) darf auch bei Anwendung des ErwStrafrechts Sicherungsverwahrung nicht angeordnet werden ($ 106, 2; BGH 2 6 , 155). Vollzogene JStrafe gilt auch als „Freiheitsstrafe" bei den Voraussetzungen für F ü h rungsaufsicht (5 7, 8 - 1 2 ) und bei den Voraussetzungen zur A u s s e t z u n g des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe nach $ 57 II Nt. 1 StGB und verhindert hier die Erstverbüßerregelung (OLG Hamm JMB1. NRW 8 7 , 7 ; OLG Karlsruhe Justiz 87, 319 u. NStZ 89, 323; OLG Oldenburg NStZ 8 7 , 1 7 4 ; OLG Stuttgart J Z 87, 1085 u. MDR 8 8 , 2 5 0 ; Tröndle/Fischer $ 5 7 StGB 24; Dälling NJW 8 7 , 1 0 4 3 ; aA Eisenberg 3 6 a u. NStZ 8 7 , 169). 10 a

Es erscheint zweifelhaft, ob JStrafe dort der Freiheitsstrafe gleichgesetzt werden darf, wo i m B e a m t e n r e c h t die Entlassung aus dem Dienst an ein Jahr Freiheitsstrafe geknüpft wird. Der VGH Baden-Württemberg hat entschieden (JZ 6 4 , 6 2 7 ) , daß auch i m (Schul-)Disziplinarrecht die Grundsätze des J G G zu beachten sind (Einf. II 28). Es wird nicht verkannt, daß nach gefestigter Rechtsprechung die Resozialisierung eines beamteten erw. Straftäters nicht Aufgabe des Disziplinarrechts sein kann und er nur dann im Dienst belassen werden darf, wenn er für den Dienstherrn und die Öffentlichkeit noch tragbar ist (zB Bay. VGH Urteil v. 2 8 . 9 . 8 3 , Nr. 16 B 83 A 1 4 . 8 3 ; Urteile des BVerwG v. 7 . 7 . 8 1 , 1 D 2 7 . 8 0 u.v. 2 5 . 1 0 . 8 3 , 1 D 3 7 . 8 3 , j e mwN). Solche Härte wird als nicht unbillig bezeichnet, weil sie im Risikobereich eines für sein Handeln verantwortlichen Beamten liege, der mit der Tat bewußt seine berufliche Existenz aufs Spiel setze (Bay. VGH aaO, S. 7 mwN). Dies könnte bei den relativ seltenen Fällen eines zu JStrafe verurteilten Beamten eine - zulässige - Prüfung nahelegen, ob die Entfernung aus dem Dienst sich entsprechend dem Sinne des J G G wegen erzfeindlicher Spätfolgen und sekundärer Sozialabweichung verbietet, zumal der jüngere noch prägbar ist.

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Form und Voraussetzungen JStrafe k a n n n u r (BGH JR 54, 149) unter den bes. Voraussetzungen des Abs. II, 1 0 b nämlich beim Vorliegen schädlicher Neigungen oder bei (bes.) schwerer Schuld verhängt werden. Außerdem dürfen andere M a ß n a h m e n des JGG nicht ausreichen (SS 5 II, 13 I, 27). D a n n aber m u ß JStrafe verhängt werden, auch w e n n der Täter inzwischen erwachsen ist (wegen des Vollzugs $ 92 II, III); f ü r H w . (S 105) gelten hinsichtlich der Voraussetzungen keine Besonderheiten (BGH Herlan GA 59,339). Dazu auch S 10, 12 c aE. 5.

Schädliche N e i g u n g e n

Bei d e m Begriff der schädlichen Neigungen handelt es sich nach Schaffstein/Beulke (S. 142) u m eine Verdeutschung des Ausdrucks „kriminelle Neigungen". Der Begriff ist der Kritik ausgesetzt. Nach Eisenberg (18) ist er inhaltlich disponibel u n d geeignet, d e n j als „Defekt-Persönlichkeit" zu beurteilen; nach Ostendorf (3) ist er provozierend, kränkend u n d stigmatisierend (zur Auseinandersetzung mit dieser Kritik vgl. Weber S.32ff). Der Sache nach geht es dem Gesetz u m die Erfassung von Tätern, bei denen die Gefahr erheblicher Rückfälligkeit besteht. Schädliche Neigungen sind danach Anlage- oder ErzMängel, die o h n e längere Gesamterz. des Täters die Gefahr von Störungen der Gemeinschaftsordnung durch weitere Straftaten begründen (BGH 11,169; BGH NStZ 81,250; StV 82,335; NStZ 02,89; vgl. auch BGH B NStZ 86,446 bei Rn 14); die Gefahr nur sittlich anstößigen Verhaltens genügt nicht (BGH EJF C122). Die Anlage- oder Entwicklungsschäden müssen so schwer sein, d a ß deren Beseitigung sinnvoll nur in einem länger d a u e r n d e n Strafvollzug versucht werden kann (BGH 18,210). Der Täter m u ß sich bereits „ d a r a n gewöhnt haben, aus einer in seiner Persönlichkeit wurzelnden falschen Trieb- oder Willensrichtung zu h a n d e l n " (Dallinger/Lackner 10); ein H a n g im Sinne der H a l t u n g des Gewohnheitsverbrechers wird aber nicht gefordert (Seibert MDR 62, 171; Mrozytiski MKrim. 85, 14: „im Vorfeld des Hanges angesiedelt"). Gelegenheits-, Konflikts- u n d Notkriminalität scheiden aus (BGH 11, 169; 16, 261; Seibert aaO), ebenso Neigungen als Ausfluß normaler Entwicklungserscheinungen, auch wenn sie im Augenblick als schädlich erscheinen (Brückner Die JKriminalität, 2. Aufl. 1961S. 254). Wie ein erheblicher Tatvorwurf - stärkere Verletzungen durch Messerstiche (BGH StV 82,335), schwerer Raub (BGH StV 84, 253), Totschlagsversuch (BGH StV 85, 155), Erwerb harter Drogen (BGH StV 89, 313; vgl. dazu auch OLG Zweibrücken JR 9 0 , 3 0 4 mit zust. Anm. Brunner u. Rn 13) - nicht zwingend „schädliche Neigungen" oder Mängel in der Charakterbildung anzeigt, so können sich auch in einer leichteren Straftat oder bei Eingreifen des S 21 StGB schädliche Neigungen zeigen, wenn frühere gleichartige Straftaten bereits auf schädlichen Neigungen beruhten; denn diese sind d a n n noch nicht ü b e r w u n d e n . Doch d ü r f t e in solchen Fällen meist das geringere Gewicht der Tat, also der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer Verhängung der JStrafe entgegenstehen (J 1 8 , 1 0 insbes. 13; ebenso Schaffistein/Beulke S. 143 m w N ; Mrozynski MKrim. 85, 14). Es m u ß eine Rückfallgefahr f ü r erhebliche Straftaten und nicht n u r f ü r Bagatelldelikte bestehen (BGH NStZ 02, 89; OLG H a m m StV Ol, 177; 171

Ii

2. Teil. Jugendliche LG Gera StV 99, 660). Häufig wiederholtes „Schwarzfahren" genügt ganz sicher nicht, ebensowenig standig wiederholtes Fahren ohne Fahrerlaubnis eines 15jährigen (LG Gera, aaO), auch nicht fortgesetzte kleinere Ladendiebstähle, die gemeinlästig sein mögen, aber doch keine schädlichen Neigungen anzeigen (aA LG Hamburg MDR 59, 511). IIa

Die schädlichen Neigungen müssen in der Tat hervorgetreten und anders nicht zu bekämpfen sein. Dies fordert idR den Nachweis, d a ß erhebliche Persöiilichkeitsmängel schon vor der Tat, wenn auch verborgen, angelegt waren (BGH B NStZ 83,448 u. 84,445; BGH NStZ 84,413; StV 84,253; GA 86,370; BGH B NStZ 88,491; BGH StV 92,431). Solches kann gefolgert und m u ß eingehend begründet werden ua aus dem Lebensweg und der Lebensperspektive (BGH B NStZ 88,491, vgl. auch Rn 13), zumal zumeist Störungen im Familienbereich Kriminalität mitverursachen (Einf. 129-30; BGH StV 88,367; BGH B NStZ 89,522: Drogenbereich; Anm. Brunner zu OLG Zweibrücken JR 90, 304). Das Vorliegen schädlicher Neigungen versteht sich auch angesichts festgestellter Verhaltensauffälligkeiten seit der 6. Klasse und dem Umstand, daß es seit mehreren Jahren z u Straftaten gekommen ist, nicht von selbst (BGH B NStZ 93, 528). Für schädliche Neigungen können sprechen: wiederholtes, vom Täter zu verantwortendes Scheitern beruflicher Integrationsmaßnahmen, Verweigerung gemeinnütziger Arbeit bei Gewährung von Sozialhilfe, umgehende Fortsetzung von Straftaten nach vorübergehender Inhaftierung und Verurteilung zu einer Bewährungstrafe, auch nicht einschlägige Vorverurteilungen, zeitnah nach der zu verhandelnden Tat begangene weitere Delikte (BGH B NStZ-RR 01,322). Auch die Tatsituation kann bedeutsam sein, es genügt aber nicht festzustellen, der Täter habe „aus falsch verstandener Kameradschaft" oder aus „krimineller Abenteuerlust" trotz stabiler Familienverhältnisse gehandelt (BGH H MDR 84, 796). Gerade auch ein gewisser Gruppenzwang und falsch verstandene Solidarität können gegen schädliche Neigungen sprechen (BGH StV 86, 305; BGH B NStZ 88, 491). Zu Straftaten mit politischem Hintergrund Einf. 140. Die Grundlagen f ü r die Wertung, bei dem J habe sich eine erhöhte Neigung zu aggressivem Verhalten bereits so manifestiert, daß die Tat nicht als einmaliges situationsbedingtes Versagen angesehen werden könne, müssen im Urteil mitgeteilt werden (BGH B NStZ 91, 522). Weitere Straftaten eines J lassen sich nicht schon deshalb befürchten, weil er sich zur Selbstverteidigung ein Messer gekauft, es fast ständig bei sich geführt und bei seiner ersten Tat bedenkenlos gebraucht hat (BGH StV 85,155). Bei Berücksichtigung von Verurteilungen durch ein Gericht der DDR bedarf es einer näheren Klärung des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhaltes (BGH B NStZ 93, 528).

12 Die schädlichen Neigungen brauchen erst im Verlauf der zur Aburteilung stehenden mehreren Taten durch Verführung und/oder Gewöhnung geweckt worden sein (BGH 11,169). Schon in der ersten Straftat können sich schädliche Neigungen ausgewirkt haben (BGH Mösl NStZ 81, 428; BGH B NStZ 81, 250; BGH NStZ 84, 413; BGH NStZ-RR 97, 21; BGH NStZ 02, 89; LG Passau NJW 97, 1165). Die Annahme eines solchen Falles bedarf jedoch eingehender Begründung und sorg172

Form und Voraussetzungen

fältiger Darlegung, warum es sich nicht um eine Gelegenheitstat gehandelt hat (BGH Stv 98,331; OLG Köln StV Ol, 178). Es genügt nach BGH (NStZ 88,498; StV 91,423) nicht, wenn ein bisher nicht in Erscheinung getretener Täter dem Einfluß anderer erlegen ist (falls nicht gerade wegen allzu leichter Beeinflußbarkeit weitere Straftaten befürchtet werden müssen), denn um schädliche Neigungen feststellen zu können, müssen schon vor der Tat entwickelte Persönlichkeitsmängel (= anlagen-, erz- oder umweltbedingte Mängel der Charakterbildung) nachgewiesen werden, die auf die Tat Einfluß hatten, im Zeitpunkt der Entscheidung noch bestehen und weitere Straftaten befürchten lassen (vgl. BGH 16, 261; BGH Martin DAR 72,113; BGH StV 84,30; BGH B NStZ 85,47; BGH StV 84,253; BGH B NStZ 86, 446; BGH GA 86,370; StV 92,431; B NStZ 97,481; Ostendorf 3; Nothacker Zbl. 85, 335); ein Urteil, welches diese Feststellungen nicht enthält, verfällt der Revision (BGHHMDR 80,986 u. MDR 82,448; BGH StV 92,431). Nach BGH NStZ 02, 89 wird der Täter eines vorsätzlichen Tötungsdelikts idR erhebliche Persönlichkeitsmängel aufweisen, die weitere gravierende Straftaten befürchten lassen. Für die Annahme schädlicher Neigungen bei einem nicht vorbestraften J genügt es jedoch nicht, daß dieser sich vor der Tat tagsüber meistens in einer „Clique" aufhielt und nachts in einem Asylantenheim schlief (BGH B NStZ-RR 98,289). Die Feststellung von schon vor der Tat angelegten Persönlichkeitsmängeln ist auch dann erforderlich, wenn zwar Vortaten vorliegen, diese aber so geringfügig waren (zB Anwendung der $$ 45, 47), daß sie für die Annahme schädlicher Neigungen nicht herangezogen werden können (OLG Köln StV 93, 531). Bei einer Augenblickstat, zu welcher der J sich durch erheblichen Alkoholgenuß und die eingetretene Ermüdung hat hinreißen lassen, wiegen Bedenken gegen die Bejahung schädlicher Neigungen stärker (BGH H MDR 82, 448). Gegen schädliche Neigungen spricht, daß die Tat als einmaliges situationsbedingtes Versagen anzusehen sein kann, bei dem der Angeklagte zudem dem Einfluß seiner Mittäter erlegen ist, alkoholbedingt leicht enthemmt war, das Tatgeschehen für ihn überraschend kam und sein Tatbeitrag vergleichsweise gering war (BGH StV 93, 531). Der Erwerb „harter Drogen" begründet noch keine schädlichen Neigungen (OLG Zweibrücken StV 89, 313). Bei ordentlichem Leben vor und nach der Tat bedürfen schädliche Neigungen bes. Begründung (BGH GA 86, 370). Da es auf den Urteilszeitpunkt ankommt, ist auch die Entwicklung und das Verhalten des J nach der Tat, zB die Lösung aus einer Bande oder die Stabilisierung der persönlichen Verhältnisse, zu berücksichtigen (BGH StV 98, 331; OLG Hamm StV 99, 660). Spielt die Begehung neuer Taten für das Vorliegen schädlicher Neigungen eine Rolle, müssen die neuen Taten feststehen (OLG Hamm StV Ol, 177). Liegt die Tat (Vergewaltigung) vier Jahre zurück, ist der Täter, abgesehen von einem Fahren ohne Fahrerlaubnis, nicht mehr straffällig geworden, hat er eine Familie gegründet und regelmäßig gearbeitet, ist die Besorgnis fernliegend, daß zum Urteilszeitpunkt weitere Straftaten zu befürchten sind (BGH B NStZ 92,528). Die Fehlentwicklung braucht nicht verschuldet zu sein; sie kann auf ererbter Anlage, neurotischer Fehlentwicklung, ErzFehlern, Verführung oder sonstigen Umwelteinflüssen beruhen (BGH 11,169; BGH StV 98, 334; Ostendorf 3; Schaffsteinßeulke S. 143; TenckhoffJR 77,485; Bedenken Eisenberg 173

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18). Bei unverschuldeter Fehlentwicklung kann Prüfung gem. $ 3, auch Eingreifen des Familien- oder Vormundschaftsrichters statt des JRichters geboten sein. Zur Unterscheidung von Verwahrlosung Rn 21. Der Charakter interessiert nur bei der Feststellung der schädlichen Neigungen, im übrigen ist die Schuld des § 1 7 „Einzeltatschuld" (Schqffstdn/Beulke S. 145). Liegen schädliche Neigungen vor und reichen weniger einschneidende Maßnahmen zu ihrer Verringerung nicht aus, ist nach OLG Zweibrücken NStZ-RR 98,118 (mit abl. Anm. OstendotftiStZ 99, 515) JStrafe, ggf. mit Aussetzung zur Bew., auch dann zu verhängen, wenn anzunehmen ist, daß der einem J gleichstehende Hw. mit Mitteln des JStrafrechts überhaupt nicht mehr zu beeinflussen ist. 12 a Die Tat muß Ausfluß der schädlichen Neigungen sein, so ein Bettelbetrug des Landstreichers, nicht der gelegentliche Warenhausdiebstahl des Strichjungen (S 9, 4). 12 b Daß andere Maßnahmen des JGG nicht ausreichen, um die auf kriminelle Taten gerichteten Neigungen erfolgreich zu bekämpfen, kann nur nach eingehender Persönlichkeitsforschung ($ 43) - idR aus eigener Sachkunde (vgl. $ 43,15 u. 15 a; AG Winsen/Luhe NStZ 87, 448) - entschieden und bei entsprechendem Gewicht der Tat begründet werden (Dallinger/Lackner 13; Einf. II 23). Rechtfertigt das Gewicht der Tat JStrafe nur von einer Dauer, die die erforderliche erz. Einwirkung nicht ermöglicht, ist die Verhängung von JStrafe sinnlos (vgl. § 18 II; § 18, 7); hier kommt ggf. Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2 in Betracht. Über die anderen Maßnahmen Rn 19. Wegen unbehebbarer Zweifel über das Vorliegen dieser Voraussetzungen $§ 27-30. 13 Bei J und Hw., die im Drogenbereich straffällig werden, insbes. aber bei Betäubungsmittelabhängigen, sind bei der Prüfung, ob „schädliche Neigungen" vorliegen, die von BGH 11, 169; 16, 261; BGH H MDR 82, 448 herausgearbeiteten Grundsätze (Rn 12) zu beachten und reichen zu Abgrenzung und Eingriff aus. Eine im ErzRegister vermerkte richterliche Ermahnung wegen verbotener Einfuhr von Drogen allein weist nicht auf vorhandene Persönlichkeitsmängel hin (BGH B NStZ 88,491). Auch bei Vorverurteilung wegen eines Drogendelikts zu JA können wegen Besonderheiten der Entstehungszusammenhänge der Delinquenz schädliche Neigungen zu verneinen sein (AG Bremen-Blumenthal StV 94, 600: 16jähriger kurdischer Asylbewerber, der unter dem Einfluß Drogenhandel betreibender Landsleute stand). Neben schädlichen Neigungen können auch Krankheit oder Hang (Drogen) gegeben sein (vgl. Mrozynski MKrim. 85,16). Mit dem schlagwortartigen Begriff „toxische Verwahrlosung" wird das Vorliegen schädlicher Neigungen nicht ausgeschlossen; andererseits zeigt Erwerb harter Drogen nicht zwingend schädliche Neigungen an (OLG Zweibrücken StV 89, 313; R n l l u. 22 b). Bei drogenabhängigen Straftätem bedarf es einer sorgfältigen Abstimmung von therapeutischen und strafrechtlichen Maßnahmen (vgl. Einf. I 49-51, auch Rn24ff zum BtM-Recht). Zu „Schwere der Schuld" im Drogenbereich Rn22b. Vgl. Brunner Zbl. 80, 415, 420 ff. Zum Vollzug bei betäubungsmittelabhängigen J u. 174

Form und Voraussetzungen

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Hw. R n 25; zur Zurückstellung der Strafvollstreckung Rn 26 ff. Insgesamt näher Brunner Anm. zu OLG Zweibrücken JR 90, 30. 6.

Schwere der Schuld

Die Schwere der Schuld allein k a n n die JStrafe fordern (BayObLG StV 85, 156 14 „Schuldausgleich" m i t zust. Anm. Böhm). Sie e r m i ß t der Richter aus d e m G e w i c h t der Tat u n d der persönlichkeitsbegründeten Beziehung des J z u seiner Tat (BGH 15, 224; BGH B NStZ 89, 522; OLG Zweibrücken JR 90, 304 mit zust. Anm. Brunner). Der äußere Hergang der Tat, wie auch deren E i n s t u f u n g im StGB, h a t nur Bedeutung f ü r Rückschlüsse von dieser Beziehung des Täters zu ihr auf das Maß seiner Schuld u n d Haltung (BGH NStZ-RR 01,216; BayObLG StV 8 5 , 1 5 5 mit zust. Anm. Böhm u. ders. in NStZ 85,477; OLG Köln StV 91,426; 99,667; OLG Zweibrükken StV 94, 599, 600, OLG H a m m StV 01, 175). Schwere der Schuld zeigen auch die stärkeren H e m m u n g e n an, die der Täter bei Begehung schwerer Taten überwinden m u ß (Böhm S. 206; Schaffstein FS Heinitz, 1972 S. 467). Bei geringfügigen Aktivitäten des M i t t ä t e r s fordert dessen Schwere der Schuld bes. Begründung (BGH B NStZ 86, 446). Schwere der Schuld kann jedoch vorliegen, w e n n der Mittäter einer schweren Brandstiftung sich bes. aktiv beteiligt u n d die Tat schon tagelang vorher in sein Vorhaben a u f g e n o m m e n hat (BGH B NStZ 94, 528). Erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit ist zugunsten des Angeklagten in die Betrachtung einzubeziehen (OLG Zweibrücken StV 94, 599). Das Ausmaß der Schuld - bei sexueller Nötigung eines Kindes - kann durch nicht vorwerfbare Wesenszüge des Täters so verringert sein, d a ß statt Schwere der Schuld schädliche Neigungen zu prüfen sind (BGH StV 86,305). Neben den in der Praxis allerdings häufig überbewerteten verschuldeten schweren Folgen der Tat (hierzu z u Recht ablehnend BGH 15,224; vgl. Rn 11 u. 16) sind alle f ü r das M a ß der Schuld bedeutsamen Gesichtspunkte, insbes. auch die T a t m o t i v e zu berücksichtigen; Schuld iSd § 17 ist „Einzeltatschuld", nicht „Charakterschuld" (M.-K. Meyer Zbl. 84,447). Das objektive Gewicht der Tat ergibt n u r die Schwere des Unrechts, nicht der Schuld (Schaffstein FS Heinitz, 1972 S.467; Meyer aaO). Schwere der Schuld k a n n daher nicht m i t d e m bloßen Hinweis auf die Tatanzahl u n d die große M e n g e Rauschgift begründet werden (OLG H a m m StV 01,175). Allerdings stellt d e r BGH auch zu Recht fest, d a ß die Schwere der Schuld nicht abstrakt meßbar, sondern n u r in Beziehung zu dem Gewicht einer Tat zu erfassen ist (BGH StV 8 2 , 3 3 5 ; Meyer aaO). Hierbei sind auch die Strafdrohungen des ErwStrafrechts zu berücksichtigen (BGH NStZ-RR 01, 216). Stets will aber bedacht sein, d a ß die Tat eines J nicht die eines Erwachsenen ist. Gerade bei J ist u n t e r Berücksichtigung des E n t w i c k l u n g s s t a n d e s u n d des gesamten Persönlichkeitsbildes bes. zu prüfen, inwieweit sie sich bereits frei und selbstverantwortlich gegen das Recht u n d f ü r das Unrecht entschieden haben (BGH NStZ 82,332; StV 94,598; OLG Köln StV 9 9 , 6 6 7 ; auch BGH 2 , 2 0 0 z u m inneren Grund der Vorwerfbarkeit i m ErwRecht); eine solcherart bestimmte schuldangemessene Strafe wird nach BGH NStZ 82,332 regelmäßig auch d e m ErzGedanken nicht widersprechen. Kritisch Wolf (S. 237), 175

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2. Teil. Jugendliche

der rügt, daß jedes Merkmal dafür fehle, welche Schwere der Schuld JStrafe erfordere. Zur Schwere der Schuld bei psychischer Beihilfe zu § 125 StGB: OLG Naumburg NJW Ol, 2034. JStrafe wegen Schwere der Schuld darf nicht damit begründet werden, der leugnende Angeklagte habe in der Hauptverhandlung kein Wort der Entschuldigung geäußert, denn mit einer Entschuldigung würde sich der Angeklagte in Widerspruch zu seinem zulässigen Verteidigungsverhalten setzen (BGH StV 99, 657). 14 a Mit dieser Bestimmung stellt das Gesetz allein auf das Schuldprinzip ab; die amtliche Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des RJGG (BTDrs. - 1 . Wahlperiode - N r . 3264 S. 40 ff) weist ausdrücklich daraufhin, daß auf die „Schuldstrafe" nicht verzichtet werden könne, „da sonst die Möglichkeit einer Bestrafung Jugendlicher, die zwar schuldhaft gehandelt haben, aber nicht erzbedürftig oder erzfähig sind, ganz ausgeschlossen werde". Mit $§ 1812,105 II hat das JGG auch sonst den Sühnegedanken bei schwerster Kriminalität über das erznotwendige Maß hinaus berücksichtigt, denn eine Strafe über 4 oder 5 Jahre ist rein erzmäßig nicht zu rechtfertigen, mehr noch: sie gefährdet die Persönlichkeitsentwicklung (S 18, 3; Schaffstein Zbl. 67, 135). Zu Unrecht will der BGH (15, 224; 16,261; StV 93,531; 94,602; NStZ-RR Ol, 216; ebenso OLG Brandenburg StV 99, 658) die JStrafe wegen der Schwere der Schuld nur zulassen, „wenn diese aus erz. Gründen z u m Wohle des J erforderlich ist". Diese Entscheidungen vermengen in unzulässiger Weise die beiden Alternativen des $ 17, widersprechen dem Wortlaut, dem Sinn u n d der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift (Schaffstän/Beulke S. 145) und verkürzen in dieser Verkennung die Doppelaufgabe der JStrafe auf eine „Wohltat" für den Angeklagten (näher TenckhoffJR 77, 488; ebenso Bringewat JZ 82, 14). Da andererseits nach BGH (15.6.68; 4 StR 89/68) auch die JStrafe wegen schädlicher Neigungen unter Vorrang des ErzZieles Schuld vergelten und Sühne ermöglichen soll, wird mit diesen Entscheidungen der Voraussetzung „Schwere der Schuld" gegenüber der Voraussetzung der „schädlichen Neigungen" jede selbständige Bedeutung genommen (insoweit stimmt auch Ostendorf 4 zu). Was soll nach der Rechtsprechung des BGH zur Schuldalternative der JRichter mit Tätern machen, die durch die Schwere der Schuld ihre Gefährlichkeit erwiesen haben, denen aber die körperlich-seelischen oder seelisch-geistigen Voraussetzungen f ü r eine Verarbeitung der erziehenden Strafe fehlen, oder die zwischenzeitlich sozial eingegliedert sind und zZ der Verurteilung offensichtlich keiner Erziehung mehr bedürfen (vgl. Tenckhoff aaO), bei denen aber in solchen bes. Fällen Schuldvergeltung unabweisbar JStrafe fordert? Aus all diesen Gründen stößt die Auffassung des BGH auf weitgehende Ablehnung in der Literatur (Böhm NJW 77, 2200; S. 208 f; Grethlein NJW 61, 697; Hellmer Schuld u. Gefährlichkeit im JStrafrecht, 1962 S. 43,57; ders. NJW 64,179; Maurach/Gössel/ZipfS. 722 f; Miehe Die Bedeutung der Tat im JStrafrecht, 1964 S. 60; Schaffstein FS Heinitz, 1972 S. 461; Schaffstein/ Beulke S. 145; M.-K. Meyer RdJ 85, 452; Schmidhäuser Strafrecht Allg. Teil, 2. Aufl. 1975 S. 851 FN11; Weber S. 110; Westphal Die Aussetzung der JStrafe zur Bew., 1995 S. 90 f; StrengGA 84,149,150; Strunk MKrim. 68,136; TenckhoffJR 77,487; im 176

Form und Voraussetzungen

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Grunde auch ablehnend Dallinger/Lackner 19; dem BGH zustimmend Bender JGG, 1965 $ 17,14; Riedel JGG, 1965 § 17, 3 c). Hellmer (NJW 64, 179) bezeichnet diese Entscheidungen als nicht recht verständlich und TenckhoffQR 77,488) kommt zum Schluß, daß „eine Harmonisierung der in § 17 II angelegten Friktionen durch Aufhebung der Eigenständigkeit der Schuldalternative" nicht möglich ist. Wolf sieht „infolge ungenauer Formulierung des BGH" zwischen dessen und der abl. Meinung des Schrifttums nur Unterschiede gradueller, nicht prinzipieller Natur (S. 29, 30). Eisenberg (34, 35) zitiert die widerstreitenden Meinungen und hält der Auffassung des BGH die allg. Grundsätze des JStrafrechts zugute. Der BGH hält im Grunde an dieser Rechtsprechung fest, will aber doch die gesetz- I S liehe Bewertung der Schwere des in einer Straftat hervorgetretenen Unrechts beachtet wissen (Beyer zu BGH DRiZ 73, 161; BGH H MDR 81, 101). Der BGH (MDR 82,332 = JR 82,4321 mit Anm. Brunner) tritt aber ausdrücklich einer Fehlinterpretation seiner Meinung entgegen, der ErzZweck könne bei Schwere der Schuld das ausschlaggebende Kriterium sein und allein die Obergrenze der JStrafe bestimmen, und läßt Sühne und Abschreckung über die erz. Einwirkung hinaus zu (BGH B NStZ 84,442, näher dazu Rn 1). Nach BGH (B NStZ 83,448) kann auch bei vorrangiger Berücksichtigung des ErzGedankens (BGH NStZ 84,508) der Schwere der Schuld eigenständige Bedeutung beigemessen werden; welches Gewicht solchen Erwägungen zukomme, sei Sache des Einzelfalles und hänge von den Umständen der Tat und der Persönlichkeit des Täters ab. Ob JStrafe wegen Schwere der Schuld auch erz. notwendig ist, sei nach dem Persönlichkeitsbild, der charakterlichen Haltung und der zu erstellenden Sozialprognose zu entscheiden (BGH StV 88,307). Wenn der BGH (StV 89,545) bei 4 Jahren JStrafe und bestimmter Situation des Angeklagten eine eingehende Erörterung fordert, inwieweit eine längere Strafe - oder nach evtl. Widerruf der Bew. ein Rest von nur 4 Monaten (BGHR § 18 II Tatumstände 2) - zur weiteren Förderung und Festigung durch Nacherz. geboten ist, so entspricht die weitere Forderung, „das Tatunrecht gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten" abzuwägen, dem allg. und stets zu beachtenden Täterstrafrecht (vgl. auch BGH StV 88,307 bei § 18, 7). Eine gewisse Annäherung der Rechtsprechung des BGH an die hM der Lehre wird man feststellen dürfen (zust. M.-K. Meyer Zbl. 84, 453). Vgl. auch Böhm (NStZ 84, 445) zu den Beschlüssen des BGH vom 23.11.83 u. 9.5.84, insbes. aber Meyer aaO, welche die Zeit gekommen sieht, daß der BGH hier allein auf die schuldangemessene Strafe abstellt und damit JStrafe wegen Schwere der Schuld auch ermöglicht, wenn der J weder erzfähig noch -bedürftig ist. Mordet ein noch so gut beleumundeter J, so sind 4 Wochen JA mit dem Gedanken 15 a gerechter Schuldvergeltung unvereinbar (BGH 10, 223; H MDR 78, 280). Die Gerechtigkeit fordert bei schwerster Kriminalität eine Kriminalstrafe; der sühnebereite J erwartet sie, der uneinsichtige legt den Verzicht auf Strafe als Schwäche und Aufmunterung zu neuen Straftaten aus {Dallinger/Lackner 19). Dem J muß das Gewicht seiner Tat nachdrücklich vor Augen geführt werden, damit er in dieser Projektion die Schwere der Schuld erkennt, sich mit der Tat auseinandersetzen 177

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2. Teil. Jugendliche

und sie schließlich überwinden kann (Pottykus B 3). Dagegen ist die Schuld eines charakterschwachen J, der ein ungewichtiges Vergehen gewissenlos begeht, nie eine schwere; das Gewicht der Tat ist zu gering (BGH NStZ-RR 98, 318; Grethlein NJW 61, 687). Dazu auch $ 21, 11 a aE. 15 b Neben Kapitalverbrechen können auch andere bes. schwere Taten allein wegen der Schwere der Schuld JStrafe fordern (BGH VRS Bd. 13 [57], 125; Dallinger/Lackner 19; aA Ostendotf7: nur wenn das Leben bedroht ist; Pottykus B 4 b). Gründe, welche nach $ 21 StGB die Schuldfähigkeit vermindern, können bei vorsätzlich verursachten schweren Tatfolgen die Schwere der Schuld ausschließen, zumindest mindern; gleiches gilt für J an der unteren Grenze der Altersreife ($ 3). Bestimmte Wesenszüge des Täters, die ihm nicht vorgeworfen werden dürfen, können seine Schuld verringern (BGH StV 86,305; dazu Rn 18 aE), wie auch die in der konkreten Situation zur Tat drängenden und von ihr abhaltenden Motive (ohne Rückschluß auf den Charakter; vgl. Rn 11,12 aE) zu berücksichtigen sind (Schaffstein/Beulke S. 144). 7.

Fahrlässigkeitstaten und weitere Besonderheiten

16 Fahrlässigkeitstaten scheiden idR aus (entgegen der hM fordert Ostendoif 6 bei Schwere der Schuld stets Vorsatz). Bei der Schwere der Schuld kommt es auf das äußere Tatgeschehen nur soweit an, als es auf das Maß der persönlichen Schuld, insbes. die charakterliche Haltung des Täters, Schlüsse zuläßt. Gerade bei Verkehrsdelikten überwiegt der schwere Erfolg häufig weit die Schwere der Schuld (innere Tatseite) und darf nicht zu Fehlschlüssen verleiten (BayObLG StV 85,155 mit zust. Anm. Böhm; OLG Karlsruhe NStZ 97, 241 mit zust. Anm. Böhm). Bei wiederholten persönlichkeitstypischen Fahrlässigkeitstaten (wohl nur im Straßenverkehr denkbar) und bei bes. grober Leichtfertigkeit kann jedoch nach eingehender Persönlichkeitsermittlung im Einzelfall Schwere der Schuld bejaht werden (ebenso BayObLG u. OLG Karlsruhe aaO; OLG Hamm NJW 68, 462; OLG Celle NdsRpfl. 69,95 = VRS Bd. 36 [69], 415; AG Dillenburg NStZ 87,409 mit zust. Anm. Böhm; Schaffstein/Beulke S. 145; Schaffstein FS Heinitz, 1972 S. 467, 468: bes. grobe Leichtfertigkeit bei fahrlässiger Tötung, JA befriedige Sühnebedürfnis nicht; Maurach/Gössel/Zipf S. 723; Nix/Teschner 7; Eisenberg 32 einengend; aA Tenckhoff JR 77,492, der „Schwere der Schuld" in „Schwere des Unrechts" umdeutet; völlig abl. Ostendoif 6). Schaffstein/Beulke S. 144 weisen zu Recht darauf hin, daß schuldhafter handelt, wer grob leichtfertig das Leben eines Menschen vernichtet, als der, welcher vorsätzlich fremdes Eigentum beschädigt. Fahrlässigkeitstaten begründen danach Schwere der Schuld, wenn in ihnen eine bes. gesteigerte Fehlhaltung des Täters iS einer gesteigerten Gleichgültigkeit gegenüber dem Anspruch Dritter auf körperliche Unversehrtheit zum Ausdruck kommt (OLG Karlsruhe NStZ 97, 242). Es muß sich um einen „bes. verwerflichen Grad von leichtsinniger oder rücksichtsloser Gefährdung fremden Lebens und fremder Gesundheit" handeln (Böhm NStZ 97, 242). Das kann insbes. bei Wiederholungstaten oder einer Mehrzahl von gravierenden Pflichverstößen der Fall sein (Böhm NStZ 97, 242 f). Vgl. dazu aber auch OLG Hamm § 18,8 aE. - War der J vermindert schuldfähig, als er 178

Form und Voraussetzungen

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seine Fahruntüchtigkeit erkannte u n d gleichwohl f u h r , so ist dies f ü r die Beurteilung der Schwere der Schuld beachtlich {BayObLG Rüth DAR 85, 243). Zur Generalprävention $ 18, 9. Es scheiden ggf. auch Taten eines nicht erziehbaren, der sofortigen Behandlung bedürftigen Geisteskranken (BGH Herlan GA 55,364) oder Taten an der Grenze der Altersreife aus. Überhaupt spielt das Alter auch hier eine Rolle, weil mit zunehm e n d e m Alter die Schuld anders zu würdigen ist, das Sühnebedürfnis gewichtiger wird (s. $ 105 II; $ 18, 4, 18).

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In der Praxis treten n e b e n die Schwere d e r Schuld h ä u f i g schädliche Neigung e n des Täters (zust. Böhm S. 209; Ostendorf 9: n u r ausnahmsweise). Werden in der Revisionsinstanz die neben der Schwere der Schuld festgestellten schädlichen Neigungen verneint, so kann dies wegen des Einflusses auf die H ö h e der erkannten JStrafe zur A u f h e b u n g des Urteils f ü h r e n (BGH 16, 261; BGH B NStZ 81, 251; 82, 414; 83,448; 84,446; 88, 491; BGH StV 92,431; 93, 531; 96, 268; 98, 331,391; BGH B NStZ-RR 99,290). Verringern bestimmte Wesenszüge die Schuld des Täters (dazu R n l 5 b aE), so m u ß neben der Schwere der Schuld auch das Bestehen schädlicher Neigungen geprüft werden (BGH StV 86, 305). Wegen der Folgen im Zentralregister Vor $ 97, 15.

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8.

A b g r e n z u n g v o n anderen M a ß n a h m e n

Die Abgrenzung zwischen JStrafe u n d anderen M a ß n a h m e n des JGG ist relativ 1 9 einfach, w e n n JStrafe w e g e n der Schwere der Schuld in Betracht k o m m t . Hier m u ß das Bedürfnis nach A h n d u n g so stark sein, d a ß die n u r aus Anlaß der Tat anzuordnenden ErzMaßregeln unangemessen erscheinen u n d die Zuchtmittel wegen des Mißverhältnisses zwischen ihrem u n d dem Gewicht der Tat dem J nicht m e h r z u m Bewußtsein brächten, daß er f ü r das von ihm begangene Unrecht einzustehen h a t ( $ 1 3 1 JGG; Einf. II 8,9). - Aussetzung der Verhängung der JStrafe k o m m t hier nach dem klaren Wortlaut des $ 27 nicht in Betracht. Dagegen kann und m u ß die n u r wegen der Schwere der Schuld ausgesprochene JStrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen (5 21) gegeben sind, was o f t der Fall sein wird, bes. w e n n der Vollzug der JStrafe für den integrierten J eine Gefahr f ü r seine Entwicklung werden könnte (Rn 2). Überschneidungen der JStrafe w e g e n schädlicher N e i g u n g e n m i t Zuchtmit- 2 0 teln, Weisungen u n d ErzBeistandschaft sind selten. Alle genannten M a ß n a h m e n setzen einen Täter voraus, der keine erheblichen Erz.- und Anlagemängel aufweist, seine Tat einsieht, zu Sühne u n d Mitarbeit bereit ist u n d auch keine allzu schwerwiegende Tat begangen h a t ($ 10; $ 12,4; § 13, 3; $ 16, 2). H i l f e z u r Erz. n a c h § 12 Nr. 2 hat im JStrafrecht ganz wesentlich an Bedeutung 2 1 verloren (näher $ 12, 1). Sie von JStrafe abzugrenzen, k a n n Schwierigkeiten bereiten. Hilfe zur Erz. nach $ 1 2 Nr. 2 wird überwiegend außerhalb des JStrafrechts angeordnet, w e n n ein Minderjähriger verwahrlost ist oder z u verwahrlosen droht (vgl. auch § 3, 15 ff). Sie ist eine Art öffentlicher Ersatzerz. gefährdeter Minder179

2. Teil. Jugendliche

jähriger anstelle der primär ErzBerechtigten (Schaffstein/Beulke S. 115 f). Aus solchem Grund anläßlich einer Straftat vom JRichter angeordnet (oder über $53), ist sie eine reine ErzMaßregel, während JStrafe, wenn auch vorwiegend der Erz. dienend, sich aus der Schuld ableitet (näher Rn 1 u. 5; § 18,10 ff sowie Weber S. 30, 39) und auf Täter zielt, von denen die Gefahr weiterer Störungen der Gemeinschaftsordnung ausgeht (BGH 11, 169). „Schädliche Neigungen" sind gegenüber der „Verwahrlosung" der engere Begriff. Schädliche Neigungen, die in der JVerfehlung (§1,1) ihren Ausdruck finden, zeigen idR zugleich Verwahrlosung an. Verwahrlosung hingegen kann ohne schädliche, also kriminelle Neigungen vorliegen, zB Prostitution. Bei kriminellen Taten am Ende des JAlters ist Hilfe zur Erz. nach § 12 Nr. 2 kaum jemals angebracht; Hilfe zur Erz. nach $ 34 SGB VIII als Maßnahme der JHilfe neben Vollzug der JStrafe kommt kaum in Betracht (OLG Hamm Zbl. 74,115 zur Fürsorgeerz.). 9.

Schädliche Neigungen und Strafaussetzung

22 Die rechtlichen Voraussetzungen der JStrafe wegen schädlicher Neigungen stehen nicht notwendig einer Strafaussetzung zur Bew. entgegen. Die Prognose kann bei sorgfältiger Berücksichtigung von Persönlichkeit und Lebensverhältnissen ergeben, daß die erforderliche längere Gesamterziehung (BGH 11,169) durch die Wirkung der Verhängung von JStrafe und die mit der Aussetzung verbundene BewHilfe, die Weisungen und Auflagen, schließlich auch durch die ständige Drohung des Widerrufs erreicht werden kann. Ein ähnliches Spannungsverhältnis ergibt sich bei S 47 StGB; nach BGH (24, 165) wird die für die Aussetzung erforderliche günstige Prognose nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter 6 Monaten zur Einwirkung auf den Täter erforderlich erscheint (ebenso Dünnebier JR 70, 241, 246). Ist ungewiß, ob schädliche Neigungen in einem Ausmaß vorliegen, daß JStrafe erforderlich ist, so sind nur die Voraussetzungen für den Schuldspruch nach S 27 gegeben, der für solche Fälle eine erz. bessere Lösung gibt (Grethlein JR 64, 88; Seibert MDR 62,171; Sieverts UJ 52,292; Potrykus Zbl. 51,280 u. 52,104). JStrafe wegen der Schwere der Schuld ist als scharfe Mißbilligung der Tat auch dann erforderlich, wenn eine günstige Prognose Strafaussetzung zur Bew. erlaubt (Dallinger/Lackner § 20, 10; Bruns GA 56,196 für viele). 22 a Das AG Berlin-Tiergarten (NStZ 88, 428 mit zust. Anm. Matzke) hat neben einer EinheitsJStrafe von 2 Jahren 10 Monaten eine Betreuungsweisung (dazu $ 10,10 u. 10 a) erteilt und damit praktisch den Hw. sogleich und für die Entlassungsvorbereitung einem BewHelfer unterstellt, weil Entlassung zur Bew. nicht mehr in Frage komme. Das ist zulässig und bringt eine intensivierte Hilfestellung für den Verurteilten im Vollzug und danach. 22b JStrafe wegen Schwere der Schuld ist bei Drogendealern angebracht, auch wenn sie - was bei größeren Dealern meist nicht der Fall ist - selbst drogenabhängig sind (kritisch Eisenberg Z7, 28); sorgfältige Prüfung des Einzelfalles ist 180

Form und Voraussetzungen

selbstverständlich (dazu OLG Zweibrücken JR 90,304 mit zust. Anm. Brunner). Der Vollzug dient zwangsweiser Entgiftung (vgl. dazu aber auch §91,20), entzieht das gewohnte Milieu als Verstärker des Fehlverhaltens und eröffnet Möglichkeiten psychischer Einwirkung und Hilfe (dazu näher Rn 25 u. 28). Wenn aber die notwendige Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 7, 3 ff) die JStrafe (und Zuchtmittel) entbehrlich macht, m u ß der Richter nach § 5 III von ihrer Verhängung absehen (näher $ 5 , 2 ; BayObLG 89,48 = JR 90, 209 mit zust. Anm. Brunner). Zu schädlichen Neigungen im Drogenbereich Rn 13. Allg. Einf. I 49-51. 10.

Zurückstellung der Strafvollstreckung bei betäubungsmittelabhängigen J u n d Hw. nach SS 38, 35, 36 BtMG

Das BtMG eröffnet in J$ 35 f Möglichkeiten der Zurückstellung der Strafvollstrek- 23 kung gegen betäubungsmittelabhängige Straftäter zugunsten einer Therapie (Rspr.-Übersichten Katholnigg NStZ 84,496; Weichen NJW 99,827; vgl. auch Körner NStZ 98, 227). Diese Vorschriften gelten nach $ 38 I BtMG bei Verurteilung zu JStrafe sinngemäß. Nach der 2. VO zur Änderung der VO über die Begrenzung der Geschäfte des Rechtspflegers bei der Vollstreckung von Straf- und Bußgeldsachen vom 16.2.1982 (BGBl. I 188) sind von den dem Rechtspfleger nach $ 31 II 1 RpflG übertragenen Geschäften die Entscheidungen nach § 35 I-V BtMG sowie die Anträge und Stellungnahmen in den in S§ 35 I, II und VI 2 und S 36 V BtMG genannten Fällen ausgeschlossen. Das BtMG will in seinem 7. Abschnitt dem Betäubungsmittelabhängigen eine 24 Therapie „außerhalb des Straf- und Maßregelvollzugs auch in den Fällen ermöglichen, in denen für die ersten Monate der Behandlung eine gute Prognose noch nicht gestellt werden kann" (BT-Drs. 8/483 S. 7). § 35 BtMG bringt damit eine Sonderregelung f ü r betäubungsmittelabhängige Täter (Slotty BewH 82, 223). Zugleich hoffte der Gesetzgeber mit solchen Regelungen die Therapiebereitschaft drogenabhängiger Täter erheblich steigern zu können (Körner NJW 82,676). Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die Therapieresistenz vieler Drogenabhängiger „nicht primär Ausdruck bösen Willens, sondern ein Charakteristikum der Drogenabhängigkeit überhaupt, ein Symptom der Krankheit" ist (Tröndle MDR 82, 5 unter Hinweis auf Coignerai-Weber/Hege MKrim. 81,144). Es kommt deshalb darauf an, niedrigschwellige Hilfs- und Beratungsangebote, Plätze f ü r den körperlichen Entzug, ambulante, teilstationäre und stationäre Therapieeinrichtungen und Nachsorgeeinrichtungen zu einem Verbundsystem zu verknüpfen, das wirksame Hilfe zu leisten und den Weg aus der Abhängigkeit zu fördern vermag (vgl. Dölling Eindämmung des Drogenmißbrauchs zwischen Repression u. Prävention, 1995 S. 21, 23; Heckmann in ders., Hrsg., Drogentherapie in der Praxis, 1991 S.71f). Trotz vielfältiger Bemühungen bestehen im Angebot noch erhebliche Defizite. Auch unter Berücksichtigung des § 93 a gelangen daher zahlreiche j. Straftäter mit Drogenproblemen in den JStrafvollzug. Es sind deshalb Bemühungen gerade dort gefordert, zumal J und Hw. im Drogenbereich stärker gefährdet und relativ stärker 181

2. Teil. Jugendliche

beteiligt sind als Erw. und Besonderheiten der altersmäßigen Entwicklung auch in der Therapie beachtet werden müssen (ähnlich Eisenberg § 45,29 a; Körner NJW 82, 673). Vgl. Brunner Zbl. 80, 415 ff. 25 Der allg. Behandlungsauftrag an den Vollzug bezieht auch und gerade die drogenabhängigen Verurteilten in der JStrafanstalt ein (vgl. OLG Hamm MDR 81,70 bei $ 93 a, 6). Ansatzpunkte für die Behandlung könnten darin liegen, daß die Absperrung eine Entgiftung bringen und das gewohnte Milieu als Verstärker des Fehlverhaltens entziehen kann. Gründliche Prüfung bei Lockerung des Vollzugs und bei Urlaub wirken der Einschleusung von Drogen entgegen (Änderung der WJug vom 16.5.1980 zu Nr. 6 Abs. 13 S. 1 und Nr. 8 Abs. 12 S. 1, BayJMBl. 80,182). Vgl. aber auch S 91, 20. Kindermann (MKrim. 79, 218) schlägt vor, die Drogenabhängigen von den anderen Gefangenen zu trennen, was aus vielerlei Gründen wohl besser sein mag. Es könnte sich sogar empfehlen, annähernd motivierte von nicht motivierten Drogenverurteilten zu trennen; eine derartige Handhabung nützt die oft übersehenen Unterscheidungen zwischen zwangsweiser Unterbringung und zwangsweiser Therapie. JStrafanstalten (zB Ebrach u. Aichach [Frauen], Bayern) haben mit ihrem ärztlichen und ErzPersonal Möglichkeiten zu Entziehung und Entwöhnung aufgebaut und versuchen mit Hilfe neuer Bezugsgruppen, mit Gruppen-, Verhaltens- und Beschäftigungstherapie das gestörte Verhältnis zur Realität und zu sozialen Bezügen neu zu ordnen. Vgl. zur Drogenarbeit im Vollzug auch Borkenstein BewH 94,80. Zur Entlassungsvorbereitung u. Nachsorge $ 88, 14. Entscheidend für die Bew. der Vorschriften über die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach 381, 35 BtMG sind sorgfältige Erforschung der Persönlichkeit in der JStrafanstalt, Motivationshilfen und enge Zusammenarbeit zwischen Vollzug und Vollstreckungsleiter (vgl. Rn 27, 28). Durch Teilvollstreckung, die kein bloßes „Absitzen" ist, können möglicherweise die Therapieaussichten iSd §35 BtMG gebessert werden (Rn26, insbes. Rn 33). Die bisherigen Erfahrungen deuten darauf hin, daß der Gesetzgeber mit den §S 35 f, 38 BtMG einen richtigen Weg gegangen ist. Die strafjustiziell in die Therapie übergeleiteten Drogenabhängigen scheinen nach einer Untersuchung der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden im Vergleich mit Klienten, die freiwillig eine Therapie beginnen, zumindest nicht schlechter abzuschneiden. 90% der Verurteilten traten die Therapie an und knapp die Hälfte beendeten die Behandlung regulär (Kurze Strafrechtspraxis und Drogentherapie, 1993 S. 267). Die Wiedereinweisungsquote in den Vollzug innerhalb eines dreijährigen Zeitraums nach Entlassung scheint nicht höher zu sein als in den vorliegenden Untersuchungen zum Rückfall nach Strafvollzug allgemein (aaO S. 239; zu dieser Untersuchung vgl. auch Egg BewH 93,26; Kurze NStZ 96,178). Zur Umsetzung der $$ 35 ff BtMG siehe auch Schulte BewH 93, 38. 26 Die Möglichkeit der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG enthebt den erkennenden JRichter nicht der Verpflichtung, auch bei betäubungsmittelabhängigen J und Hw. die Voraussetzungen der Strafaussetzung zur Bew. nach S 21 sorgfältig zu prüfen und vorrangig darüber zu entscheiden (BT-Drs. 8/ 182

Form und Voraussetzungen

4283 S. 7; Joachimski §35 BtMG 43; Körner NJW 82,677; Slotty NStZ 81,327; Tröndle MDR 82,2; zu den entsprechenden BewAuflagen § 21,16 f; vgl. auch $ 26 a, 16 aE). Denn $ 35 BtMG tritt erst nach Versagung der Strafaussetzung zur Bew. wegen schlechter Sozialprognose nach Rechtskraft des Urteils ein (die nachträgliche Entscheidung nach $ 57 verliert hier an Bedeutung), wenn erst nach Rechtskraft des Urteils die Voraussetzungen des $ 351 BtMG hervortreten, sich nach Teilvollstreckung die Therapieaussichten entscheidend bessern (Rn 25) oder erst dann die Betäubungsmittelabhängigkeit bekannt wird ($ 35 I 1 BtMG „oder steht sonst fest"). Letztere Möglichkeit könnte manchen in Versuchung führen, sich mit nachträglichen Schutzbehauptungen über $ 35 I 1 BtMG die versagte Strafaussetzung zur Bew. zu erschleichen (vgl. dazu BT-Drs. 4407 S. 8; Joachimski $ 35 BtMG 8 aE). Solches wird gerade der erkennende JRichter bei Prüfung der erforderlichen Zustimmung zu erwägen haben. Zum Verhältnis zu $ 64 StGB siehe $7,7. Grundsatz ist, daß mit der Zurückstellung der Vollstreckung dem Verurteilten die 26 a Therapie außerhalb des Strafvollzugs ermöglicht werden soll. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Therapie nicht durch die Vollstreckung einer anderen Strafe gestört wird (OLG Karlsruhe JR 83, 433; vgl. dazu Rn27b, 31). Bei betäubungsmittelabhängigen J oder nach JStrafrecht verurteilten Hw. kann 27 der je nach Stand des Vollstreckungsverfahrens ursprüngliche (§§ 82 I, 84) oder nachfolgende Vollstreckungsleiter (§ 85 II) zuständig sein. Er holt die Zustimmung (oder Stellungnahme, wenn Ablehnung beabsichtigt ist) des Gerichts des ersten Rechtszuges ein (OLG Karlsruhe StV 81, 257). Das gilt auch dann, wenn Vollstreckungsleiter und Gericht des ersten Rechtszuges in einer Person zusammentreffen (SS 38, 35 I BtMG; OLG Stuttgart NStZ 86, 141; OLG Hamm StV 88, 112; Reisinger NStZ 90, 57); denn die Zustimmung und deren Versagung sind richterliche Entscheidungen, der Vollstreckungsleiter aber entscheidet als weisungsgebundene Verwaltungsbehörde (S 83, 1) nach seinem pflichtgebundenen Ermessen (Katholnigg NJW 81, 418; Körner/Sagebiel NStZ 92, 216). Beschwerde Rn28a. Der Vollstreckungsleiter stellt die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (vgl. S 5, 2) für längstens 2 Jahre zurück, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Rechtskräftige Verurteilung wegen einer auf Grund Betäubungsmittelabhän- 27 a gigkeit begangenen Tat, was sich aus den Urteilsgründen ergeben oder „sonst feststehen" muß. Hinsichtlich des Vorliegens einer für die Tat kausalen Betäubungsmittelabhängigkeit (dazu KG bei Koiz/RafcZ/NStZ-RR 00, 78) ist die Vollstreckungsbehörde nicht an die Feststellungen des Urteils gebunden, sondern kann sie eigenständige Feststellungen treffen (OLG Hamm MDR 8476; KG StV 88, 213; OLG Saarbrücken NStZ-RR 96, 246; OLG Stuttgart NStZ 99, 626). Eine über die Urteilsfeststellungen hinausgehende Aufklärung ist aber nur geboten, wenn ausreichender Anlaß für die Annahme besteht, die Tat könne doch auf einer Betäubungsmittelabhängigkeit beruhen (OLG Hamm NStZ 83,25; OLG Frankfurt 183

2. Teil. Jugendliche NStZ-RR 98, 314). Alkoholabhängigkeit genügt nicht (OLG Karlsruhe Justiz 98, 639; kritisch zur gesetzlichen Regelung Tröndle MDR 82, 5). 27 b

Entweder Verurteilung zu Strafe von nicht m e h r als 2 Jahren oder eine höhere Strafe, bei welcher der nach Teilverbüßung (vgl. Körner JR 8 3 , 4 3 4 ) noch zu vollstreckende Rest zwei Jahre nicht übersteigen darf (vgl. OLG Koblenz StV 8 5 , 3 7 9 ; § 35 II Nr. 2 BtMG). Hier ist also die Anrechnung von UHaft zu beachten (Körner §35 BtMG 66). Die Zurückstellung wird von bestehender und noch vollstreckbarer J- und Freiheitsstrafe, die zusammen 2 Jahre überschreiten, nicht ausgeschlossen, weil eine Zusammenrechnung nicht vorgenommen werden braucht (BGH 3 3 , 1 4 = NStZ 85, 126 mit zust. Anm. Katholnigg). Die Zurückstellung kann jedoch - wie sich aus $ 35 VI Nr. 2 BtMG ergibt - nicht erfolgen, wenn eine weitere, nicht zurückstellungsfähige Strafe zu vollstrecken ist (OLG Karlsruhe MDR 85, 698; OLG Celle NdsRpfl. 98, 155; OLG Hamm NStZ 00, 557).

27 c

Der Verurteilte muß sich wegen seiner Abhängigkeit bereits in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befinden oder e r m u ß zusagen, sich einer solchen zu unterziehen (schriftlich oder zu Protokoll und bedingungslos) und der Beginn muß gewährleistet sein (Zusage seitens der Institution, Klärung der Kostenfrage). Die der Rehabilitation dienende Behandlung kann stationär, aber auch ambulant erfolgen (OLG Zweibrücken StV 8 3 , 2 4 9 ; 8 4 , 1 2 4 ; OLG Karlsruhe StV 00, 631; Kömer § 35 BtMG 83). Es kann sich auch um eine ambulante Substitutionstherapie handeln, sofern diese psychosozial betreut wird (OLG Frankfurt NJW 95, 1626). Stets muß die Behandlung aber auf die Befreiung von der Drogenabhängigkeit gerichtet sein (OLG Oldenburg NStZ 94, 347 f; NStZ-RR 96, 49; OLG Köln StV 95, 649). Nach KG bei Kotz/Rahlf NStZ-RR 00, 78 kommt sie nur als letztes Mittel nach mehreren gescheiterten Langzeittherapien in Betracht. Zu den Therapieeinrichtungen Einf. 150. Einer Zusage des J muß der ErzBerechtigte und der gesetzliche Vertreter zustimmen ( $ 3 8 1 2 BtMG). Wird die Einwilligung grundlos und gegen das Interesse des J versagt, kann sie durch das Familiengericht ersetzt werden (§ 1666 BGB; zust. Eisenberg § 82, 5 c; Ostendorf § 82,11). Nach OLG Hamm MDR 82, 1044; OLG Karlsruhe StV 8 3 , 1 1 2 ; Justiz 99, 329 ff (ebenso Eisenberg u. Ostendorf azO) dürfen die Anforderungen an Therapiewilligkeit und -fähigkeit nicht übersteigert werden. Vgl. auch Rn 28 aE. Droht einem ausländischen Verurteilten die Abschiebung, kann eine Zurückstellung ua wegen der Gefahr des „Untertauchens" versagt werden (OLG Hamm NStZ 99, 591; OLG Frankfurt NStZ-RR 00, 152). Anders ist es, wenn trotz Ausweisung keine Abschiebung droht (OLG Stuttgart StV 98,672). Vgl. aber auch OLG Düsseldorf StV 99, 444, nach dem sich im Hinblick auf $ 6 4 Abs. 3 AuslG eine Abschiebung regelmäßig verbietet, wenn nicht von der weiteren Strafvollstrekkung gem. § 456 a StPO abgesehen wurde.

27d

§ 35 BtMG setzt eine rechtskräftig verhängte JStrafe voraus, während $ 5 III den JRichter anhält, von JStrafe gerade dann abzusehen, wenn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt die Ahndung entbehrlich macht (vgl. § 5, 2 u. 4). Das muß nicht zwingend zu einer Spannung zwischen beiden Vorschriften führen. Auf

184

Form und Voraussetzungen

$17

JStrafe zu erkennen, um die Anwendung der $$ 35,36 BtMG zu ermöglichen (vgl. Meyer MDR 82,178), dürfte aber kaum einen Ausweg bieten. Adams/Eberth (NStZ 83, 194) raten dem Richter, in den Urteilsgründen sich zum Scheitern der Bew. und zu eventueller Therapie nach Rechtskraft zu äußern. Dies kann allerdings Schwierigkeiten heraufbeschwören (vgl. Einf. I 53). Der JGH und dem ErzPersonal der JStrafanstalt (vgl. Rn 22 b, 23, 25) fallen im 28 gesamten Bereich wichtige Aufgaben zu, denn gerade Drogenabhängige weisen eine schwierige, häufig schwer durchschaubare Persönlichkeitsstruktur auf (Einf. I 50) und bedürfen bes. Betreuung. Diese Helfer müssen die unter 27 c dargestellten Voraussetzungen vorbereiten, überprüfen, aus ihrer Sphäre - möglichst objektiv werten und dem Verurteilten und ggf. auch dessen gesetzlichem Vertreter Motivationshilfen geben. Mit seiner nach § 3 5 1 1 BtMG notwendigen Zustimmung zur Zurückstellung bestimmt der JRichter des ersten Rechtszugs zugleich, ob und inwieweit nach § 3611 BtMG die Zeit des Aufenthalts in der Therapieeinrichtung auf die Strafe angerechnet wird ($ 36 I 2 BtMG). Auch dies soll die Motivierung verstärken. Nach OLG Karlsruhe 0ustiz 83, 128) müssen die Tatsachen und Erwägungen, aus denen der Vollstreckungsleiter auf ungünstige Therapieaussichten schließt, im Ablehnungsbeschluß mitgeteilt werden, um die nach § 28 III EGGVG gebotene Prüfung zu ermöglichen. Dabei sollen bei $ 35 das Ausmaß der Tatschuld nicht berücksichtigt und Zweifel an der Therapiebereitschaft nicht daraus hergeleitet werden dürfen, daß der Verurteilte bisher keine freiwillige Therapie versucht hat (OLG Karlsruhe aaO). Nach OLG Hamburg (StV 98,390) ist grds. von einer Prüfung der Rehabilitationsprognose abzusehen, da gerade Risikopatienten eine Therapie ermöglicht werden soll und idR zahlreiche Therapieversuche für einen Therapieerfolg notwendig sind. Nach OLG Celle (NdsRpfl. 98,155) darf eine Ablehnung der Zurückstellung nicht darauf gestützt werden, daß keine günstige Erfolgsprognose besteht (vgl. auch OLG Saarbrücken NStZ-RR 96, 50: keine Ablehnung der Zurückstellung, weil der Verurteilte trotz früherer Therapien erneut straffällig geworden ist oder Therapiechancen nicht genutzt hat, u. OLG Zweibrücken StV 00, 158 zur nur eingeschränkt möglichen Überprüfung der Therapiemotivation). Ob die Vollstreckungsbehörde die Stellungnahme des Gerichts auch dann einholen muß, wenn sie beabsichtigt, die Zurückstellung abzulehnen, ist umstritten (dafür OLG Karlsruhe NStZ 86, 288; KG StV 88, 24; dagegen OLG Frankfurt StV 89,439; OLG Hamm NStZ-RR 98,315). Weitere Rechtsprechung bei Katholnigg NStZ 84, 497. Siehe auch Rn27c. Gegen die Weigerung des Gerichts erster Instanz, der Zurückstellung nach $ 35 28 a I BtMG zuzustimmen, steht gemäß § 35 II 1 BtMG der Vollstreckungsbehörde Beschwerde nach $ 304 StPO zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung der Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach $$ 23 ff EGGVG anfechten (§ 35 n 2 BtMG). Diese Regelung findet gemäß § 3 8 1 1 BtMG auch in JStrafverfahren Anwendung. Das Beschwerderecht nach § 35 II 1 steht im JStrafverfahren der Staatsanwaltschaft bei dem OLG zu. Da der als Vollstreckungsbehörde tätige JRichter nicht selbst Be185

2. Teil. Jugendliche

schwerdeführer sein kann, muß das Beschwerderecht von der vorgesetzten Behörde wahrgenommen werden (OLG München NStZ 93,456=JR 94,296 mit Anm. Katholnigg). Beabsichtigt die StA die Zurückstellung, muß sie nach OLG Celle NStZ 96,304 mit abl. Anm. Katholnigg NStZ 96, 615, Beschwerde gegen die Weigerung des Gerichts einlegen, vor deren Erledigung ein Antrag des Verurteilten nach S$ 23 ff EGGVG nicht zur Entscheidung reif ist. Auch nach dem Inkrafttreten des neuen S 35 II BtMG ist ein gegen die Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde gerichteter Antrag des Verurteilten gemäß SS 23 ff EGGVG erst zulässig, wenn das Vorschaltverfahren nach SS 24 II EGGVG, 21 StVollstrO durchgeführt worden ist (OLG München NStZ 93, 455; OLG Stuttgart MDR 94, 297; OLG Oldenburg StV 00, 325 unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung; Körner $ 35 BtMG 139). Das Vorschaltverfahren ist nach OLG Zweibrücken NStZ-RR 99, 59 auch durchzuführen, wenn der Zurückstellung die Versagung der gerichtlichen Zustimmung entgegensteht (aA KG bei Kotz/Rahlf NStZ-RR 00,78); die Beschwerdeinstanz legt dann ggf. die Sache dem Gericht erneut zur Entscheidung über die Zustimmung vor. 28 b Nach Zurückstellung der Vollstreckung kann der Vollstreckungsleiter aus wichtigem Grund (§ 85 V) die Vollstreckung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückgeben, denn die SS 35 ff BtMG gehen als Sonderbestimmungen den Vorschriften über die Strafvollstreckung vor und übertragen alle wesentlichen Entscheidungen dem Gericht des ersten Rechtszuges; dem entspricht die Zurückgabe der Vollstreckung (BGH 32, 58). 29 $ 35 IV BtMG erlegt den behandelnden Personen oder Therapiestellen die Rechtspflicht (vgl. BT-Drs. 8/4283 S. 8; Katholnigg NStZ 81, 419) auf, dem Vollstreckungsleiter einen Abbruch der Behandlung mitzuteilen (zu Definition des Abbruchs, Zeitpunkt und Form der Mitteilung Adams/Eberth NStZ 83, 197; Körner $ 35 BtMG 226 ff). Dies haben manche Einrichtungen strikt verweigert. Das BtMG sieht für den Fall der Verweigerung keine Sanktion vor; ob solche der StPO entsprechend anwendbar wären, ist zweifelhaft. Bei beharrlichem Entgegenstellen aber wird die Behandlung durch solche Personen oder Therapiestellen nicht mehr als genügende Voraussetzung nach $ 3511 BtMG anzusehen (vgl. Rn 27) und die staatliche Anerkennung (dazu Einf. I 50 aE; $ 10,19 a) zurückzunehmen sein (Katholnigg aaO). Die Verletzung der sich aus S 35 IV BtMG ergebenden Rechtspflicht, den Abbruch mitzuteilen, kann bei behandelnden Personen und Verantwortlichen der Therapieeinrichtung den Tatbestand der Vollstreckungsvereitelung erfüllen. Der Nichtantritt muß nicht gemeldet werden. Bei freiwillig übernommener Meldepflicht kann aber Vollstreckungsvereitelung in Betracht kommen (BayObLG NStZ 90, 85). Dies macht zugleich deutlich, wie wesentlich es ist, daß Therapie und Strafjustiz sich gegenseitig anerkennen und im Interesse der Betäubungsmittelabhängigen vertrauensvoll zusammenarbeiten. 29 a Der Vollstreckungsleiter kann den Verurteilten - unterstützend und zugleich prüfend - auch anweisen, Aufnahme und Fortfuhrung der Therapie selbst nachzuweisen und Ärzte und Therapeuten für Stellungnahmen über Verlauf 186

Form und Voraussetzungen

und Ergebnis der Therapie von der Schweigepflicht zu entbinden (OLG Hamm MDR 86, 342 = NStZ 86, 333 mit abl. Anm. Kreuzer, Körner $ 35 BtMG 221). Weisungen und Auflagen, mit denen der Vollstreckungsleiter die Zurückstellung nach $ 35 BtMG verbindet, können im Verfahren nach $$ 23 ff EGGVG auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüft werden (OLG Hamm aaO). Der Vollstreckungsleiter widerruft nach $ 35 V BtMG die Zurückstellung, 3 0 wenn der Verurteilte die Behandlung gar nicht erst beginnt oder sie nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wiederaufnimmt (dazu OLG Koblenz NStZ 95, 294; LG Köln StV 87, 210; AG Karlsruhe StV 85, 247 u. eingehend Kömer § 35 BtMG 250 ff). Zu widerrufen ist auch, wenn der Verurteilte die ihm vom Vollstreckungsleiter nach $ 35IV BtMG auferlegten Nachweise nicht erbringt. $ 35 V 3 BtMG gibt die Chance des „zweiten Anlaufs". Teilvollstreckung kann oft erst Therapiebereitschaft wecken; vgl. Rn 26 a. Begeht der Täter auf Grund Drogenabhängigkeit eine neue Straftat und wird diese 3 1 in eine Einheitsstrafe einbezogen und deren Vollstreckung nach $ 35 I u. III BtMG zurückgestellt, so muß nicht nach $ 35 VI Nr. 1 BtMG widerrufen werden. Das gilt auch, wenn die EinheitsJStrafe die Voraussetzungen einer Gesamtstrafe des ErwRechts nicht erfüllt, denn mangels einer zu vollstreckenden Strafe ist weder für einen Widerruf nach Nr. 1 noch nach Nr. 2 von $ 35 VI BtMG Raum (vgl. auch Eisenberg $ 82, 5 k; Ostendorf $ 82, 11). Stehen mehrere JStrafen nebeneinander, ist zu berücksichtigten, daß der Gesetzgeber die Zurückstellung der Vollstreckung mehrerer zu vollstreckender Strafen nicht ausschließt, denn es weist nicht auf gesteigerte Schuld oder geringere Therapiechancen hin, wenn gegen einen Mehrfachtäter aus Rechtsgründen statt auf eine EinheitsJStrafe auf mehrere JStrafen oder auf J- und Freiheitsstrafe erkannt werden muß (OLG Karlsruhe JR 83, 432 mit Anm. Körner); vgl. Rn 26 a. Wird aber bei einer neuerlichen Verurteilung zu JStrafe oder zu einer freiheitsentziehenden Maßregel die Vollstreckung nicht zurückgestellt, so ist nach $ 35 VI Nr. 2 BtMG zu widerrufen (KG StV 83, 291; OLG Saarbrücken StV 83, 468). Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges 3 1 a herbeigeführt werden, was den Fortgang der Vollstreckung aber nicht hemmt ($ 35 VII 2, 3 BtMG). War der Vollstreckungsleiter erkennender Richter (vgl. Rn27), so entscheidet an seiner Stelle die JKammer (§ 83, 2; zust. Eisenberg $ 82, 5 c; Ostenäorfl 82,11). Zur Abgabe bei Zurückstellung § 85,19. $ 3 6 BtMG regelt die Anrechnung der Therapiezeit (dazu Körner $ 36 BtMG 1 ff; 3 2 Maatz MDR 85, 11) und die Strafaussetzung zur Bew. nach durchgeführter Therapie. Die nach Zurückstellung in einer staatlich anerkannten Therapieeinrichtung verbrachte Zeit ist auch bei destruktivem Verhalten des Verurteilten und eigenmächtigem Abbruch der Behandlung anzurechnen (OLG Düsseldorf NStZRR 97,248; Körner § 36 BtMG 16). Zum Verhältnis des $ 3 6 1 3 BtMG zu § 88: § 88, 2 a. Die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes nach $ 36 I 3 BtMG setzt nicht voraus, daß der Verurteilte ein Mindestmaß der Strafe durch die Anrechnung 187

2. Teil. Jugendliche

des Therapieaufenthaltes verbüßt hat (OLG Düsseldorf JR 90, 349 mit krit. Anm. Katholnigg; zum fehlenden Erfordernis eines Mindestverbüßungszeitraums auch OLG Stuttgart StV 98,672). $ 3 6 1 3 BtMG ist daher auch dann anzuwenden, wenn eine Anrechnung der Therapiezeit auf die Strafe deshalb nicht in Betracht kommt, weil schon vor der Zurückstellung zwei Drittel der Strafe verbüßt sind (LG Offenburg StV 96, 218). Zur Anrechnung nach § 36 III BtMG u. zur Aussetzung nach $ 36 II BtMG s. OLG Köln StV 00, 324 u. LG Bochum StV 97, 316. Für J und nach JStrafrecht verurteilte Hw. sind abweichend von $ 36IV BtMG (§§ 56 a-56 g StGB) die S$ 22-26 a entsprechend anzuwenden ( $ 3 8 1 4 BtMG), insbes. beträgt also die BewZeit höchstens 3 Jahre und kann auf 4 Jahre verlängert werden (S 221, n 2); die Beiordnung eines BewHelfers ist obligatorisch (§ 2 4 1 1 ) und muß nicht mit dem Zeitraum der Bew. übereinstimmen ($ 24 I 1). Bei Entscheidungen nach § 36 I 3 und II BtMG gelten neben S 454 StPO die bes. .¡rechtlichen Zuständigkeitsvorschriften des S 58, die Anfechtungsvorschriften des $ 59 II-IV und die Bestimmungen über den BewPlan nach S 60 ($ 38 I 5 BtMG). Erfolgt kein Widerruf, so wird die Verurteilung nicht in das Führungszeugnis aufgenommen (§ 32 n Nr. 6 BZRG). Zur Einschränkung der Tätigkeit des Rechtspflegers bei SS 35, 36 BtMG Rn 23 u. Vorb. $ 82,9 aE. Zum Absehen von der Anklageerhebung nach $S 38 II, 37 BtMG § 45,21. Allg. zur Drogenkriminalität Einf. 149-51; Hinweise auf spezielle Ausführungen im Zusammenhang mit Drogen: Einf. I 51a. 33 Zu den Erfahrungen mit §$ 35 ff BtMG siehe Rn 25. 34 Geltung des $ 17 nach Anlage I zum Einigungsvertrag: $ 1, 6 c, Buchst, c; 6d, dortiger $ 1, 2, 3 u. 5.

$ 18 Dauer der Jugendstrafe (1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht. (2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. 1. Hw.-J: Rn4; $ 105 I, II, $ 105, 19. - 2. ErwG: S 104 I Nr. 1. Richtlinien zu $ 18: 1. Der Umstand, daß Jugendstrafe von weniger als sechs Monaten nicht ausgesprochen werden kann, darf nicht dazu führen, daß Jugendarrest in Fällen verhängt wird, in denen dieser nicht angebracht ist. Ist weder Jugendstrafe noch Jugendarrest gerechtfertigt, so kann das Gericht mehrere Maßnahmen miteinander verbinden ($ 8) und vor allem Weisungen erteilen, die eine länger dauernde erzieherische Einwirkung ermöglichen (vgl. $ 10 und die Richtlinien dazu).

188

Dauer der Jugendstrafe 2. Die vom Gesetz angeordnete vorrangige Berücksichtigung des Erziehungsgedankens bedeutet nicht, daß Belange des Schuldausgleichs ausgeschlossen wären. Sie darf nicht dazu führen, daß die obere Grenze schuldangemessenen Strafens überschritten wird. 3. Wegen der Anrechnung von Untersuchungshaft auf Jugendstrafe wird auf $ 52 a und die Richtlinien dazu hingewiesen. Schrifttum: Benske Die Bedeutung des Erzgedankens für die Bemessung der JStrafe, Diss. Kiel 1966; Hellmer Sozialisation, Fersonalisation u. Kriminalität, 1968; Mörke JStrafe - ein ErzMittel, SchlHA 65,153; Müller Zum ErzErfolg der JStrafe, 1969; Schaffstein Die Bemessung der JStrafe, Zbl. 67, 135; ders. Die Dauer der Freiheitsstrafe bei jungen Straffälligen, FS Würtenberger, 1977 S. 449; Schulz Die Höchststrafe im JStrafrecht (10 Jahre) - eine Analyse der Urteile von 1987 - 1996, 2000; Schumamßerlitz/Kaulitzki JKriminalitat u. die Grenze der Generalprävention, 1987; Weitl Die dogmatischen Grundlagen des geltenden JStrafrechts, Diss. München 1965; Zip/ Die Strafmaßrevision, 1969 S. 449. Vgl. auch das Schrifttum zu $ 17. Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

1.

Mindestmaß Höchstmaß Strafrahmen Strafbemessung und Erziehungsgedanke Schuldvergeltung Generalprävention Erziehungsgedanke und Schuld Die Höchststrafe des allgemeinen Rechts

Rn 1 3 6 7 8 9 10 15

Mindestmaß

Das Mindestmaß der JStrafe von 6 Monaten soll erz. Einwirkung ermöglichen 1 (Rn 6), andererseits aber auch den JRichter dazu zwingen, JStrafe nur als letztes Mittel (SS 5 II, 17 II) zu verhängen, sonst aber möglichst durch länger wirksame Weisungen und andere Maßnahmen den erz. Erfolg zu erstreben (RL1S. 2; Rn 10; $ 17,14). Nach Heinz (BewH 87,16) wird durch die Hintertür der UHaft eine kurze JStrafe wieder eingeführt. Eine sehr kurze Strafe aber hat alle Nachteile einer Strafe ohne deren erz. Chance. Das Mindestmaß darf nur zur Befolgung des Verschlechterungsverbotes (vgl. $55, 2 39) unterschritten werden (aA Ostendotf 3, der hier auf eine mildere Sanktion ausweichen will). Minder schwere Fälle, Versuch, Beihilfe uä berechtigen dagegen nicht zur Unterschreitung des Mindestmaßes (Potrykus NJW 56, 656). 2.

Höchstmaß

Das Höchstmaß ist ebenso absolut, beträgt 5 Jahre und beruht auf der Erkenntnis, 3 daß Anstaltserz. nur bis 5 Jahre Erfolg verspricht (Böhm StV 86,71; Stenger in DVJJ, Hrsg., JGerichtsverfahren u. Kriminalprävention, 1984 S. 463; Bruns StV 82, 593; Mollenhauer MKrim. 61,162; Frh. v. Schlotheim MKrim. 61,107). Graßberger (Österreichische Juristenzeitung 61, 173) und ihm folgend Noll (Die ethische Begründung der Strafe, 1962 S. 23 FN 48) halten einen erfolgreichen ErzVollzug nur für 189

2. Teil. Jugendliche

die Dauer eines Jahres, höchstens von IV2 Jahren, für möglich. Dem widersprechen allerdings teilweise Rückfalluntersuchungen und Beobachtungen von Einzelfällen in der Praxis, wonach bei längeren JStrafen günstigere Erfolge festgestellt wurden (Böhm Anm. zu BGH StV 86,71 mwN). Mit Ostendorf (Rn 10) kann bei dem jetzigen Stand der Sanktionsforschung nicht festgestellt werden, ob ein längerer oder kürzerer Strafvollzug mehr Aussicht auf (Re)Sozialisierung verspricht. Spätestens nach 4 oder 5 Jahren überwiegen aber die entsozialisierenden Wirkungen. Eine JStrafe zwischen 5 und 10 Jahren läßt sich daher erz. nicht begründen (BGH NStZ 96, 232; 97, 29; StV 98, 344). Allerdings ergibt sich nach BGH NStZ 96, 496 (mit Anm. Dötting NStZ 98, 39 u. Streng StV 98,336) aus $ 181 2 und II, daß eine JStrafe von mehr als 5 Jahren dem ErzGedanken nicht zuwiderlaufen muß (ebenso BGH NStZ-RR 97, 281; 98, 285). Für die pädagogisch-therapeutische Einwirkung auf junge Täter bedarf es jedoch in aller Regel keines Freiheitsentzuges über 5 Jahre hinaus; allenfalls aus Gesichtspunkten der Tatverarbeitung (Vermittlung der Unrechtsschwere und der persönlichen Verantwortlichkeit) kommen bei schwerster Kriminalität unter erz. Aspekten Jugendstrafen von mehr als 5 Jahren in Betracht (Pölling aaO; vgl. auch BGH B NStZ 97,482, wonach die Straferwartung auch im Rahmen der Erz. eine große Rolle spielt; siehe auch Rn4). 4 Das Höchstmaß ist erhöht auf 10 Jahre bei Hw. wegen des größeren Gewichts des Sühnegedankens ($ 105 II) und bei den durch Abs.I 2 umschriebenen Fällen schwerster Kriminalität J wegen der dann zumeist vorliegenden Schwere der Schuld (S 17, 9). Es kommt hier auf die Strafrahmen des allg. Rechts an; die Höchststrafe von mehr als 10 Jahren Freiheitsstrafe ist dem allg. Strafrahmen ohne Rücksicht auf minderschwere Fälle zu entnehmen (BGH 8, 79). Verkennung des Strafrahmens führt idR zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs (BGH B NStZ-RR 98,290; anders jedoch im Fall BGH B NStZ-RR 99,289 f). 10 Jahre JStrafe wegen Mordes können neben dem pauschalen Hinweis auf die Schwere der Schuld nicht allein damit begründet werden, daß diesem Angeklagten nur die Höchststrafe erz. gerecht werde (BGH B NStZ 97,481). Die Höchststrafe wird selten und im wesentlichen nur bei Tötungsdelikten verhängt (Schulz 2000 S. 95, 97, 104). 5 Der JRichter als Einzelrichter darf JStrafe nur bis zu 1 Jahr verhängen ($ 39 II). 3.

Strafrahmen

6 Mindest- und Höchstmaß bestimmen den Strafrahmen der JVerfehlung. Die Strafrahmen des allg. Rechts dürfen die im JStrafrecht maßgeblichen Strafrahmen des $ 18 I nicht relativieren. Auch die im allg. Recht für bes. schwere Fälle mit Regelbeispielen vorgesehenen Strafrahmen, zB § 243 StGB, finden im JStrafrecht keine Anwendung (OLG Düsseldorf NStZ-RR 99,310 für $ 29 m Nr. 1 BtMG). Die Konkurrenzregeln des allg. Rechts gelten aber auch im JStrafrecht. Bei einem Einbruchsdiebstahl ist der J daher nach $ 242 StGB schuldig zu sprechen und tritt eine gleichzeitig begangene Sachbeschädigung hinter $ 242 StGB zurück, so daß $ 303 StGB nicht im Tenor erscheint (BGH NStZ 99, 205). Es ist unzulässig, in 190

Dauer der Jugendstrafe

$ 18

Orientierung an der Strafdrohung des verletzten Gesetzes nicht nur die Schwere der Tat auszuloten, sondern auf solche Weise „eine grobe Unverhältnismäßigkeit zwischen Tat und jstrafrechtlicher Reaktion vermeiden" zu wollen (BGH StV 87, 306-LS = B NStZ 87,442). Aus der Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes darf bei J nicht ohne weiteres auf eine dem Tatunrecht entsprechende Schuldschwere geschlossen werden (BGH B NStZ 88, 491). Die Strafrahmen des StGB wirken nur im Rahmen des Abs. I 2 ein; nur deshalb muß das Revisionsgericht wegen der höheren Strafandrohung des StGB den Rechtsfolgenausspruch aufheben, wenn es eine Tat nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen mit einer Höchststrafe von mehr als 10 Jahren bewertet (BGB B NStZ 84, 446). Bei der legitimen Berücksichtigung von Art und Erfolg der Tat aber darf auch eine Beziehung zur Strafandrohung des ErwRechts, zu dessen gesetzlicher Bewertung des Tatunrechts, hergestellt werden, wenn nur $ 18 für die Festsetzung der JStrafe maßgebend bleibt (BGH NJW 72, 693; BGH H MDR 80, 814; 82, 104; 82, 625 u. 972; BGH NStZ 81, 251; 82,466; 89, 119; 00,195; B NStZ 97, 481; B NStZ-RR 00, 322). Weil aber darüber hinaus die Strafrahmen des StGB ohne Bedeutung sind (vgl. 6 a aber Rn 10), gehört in den Urteilstenor nicht der Ausspruch, daß es sich um einen minder schweren Fall ($$ 250 II, 213 StGB) oder um einen bes. schweren Fall handelt, weil dies nur Strafzumessungsvorschriften sind (BGH Herlan GA 59,340; BGH MDR 76, 769; BGH B NStZ 88,491; 91,523; BGH NStZ 00,194). Der minder schwere Fall nach ErwRecht umfaßt alle Umstände, die für die Bewertung von Tat und Täter von Bedeutung sind (BGH 26,97), es ist also von Gewicht, ob der Täter J, Hw. oder Erw. ist; denn dies ist in vergleichender Parallelwertung für die Bemessung der JStrafe wesentlich (BGH StV 86, 304). Alle Umstände, die für Erw. die Anwendung eines erschwerten oder gemilderten Strafrahmens begründet hätten, bleiben bei den nach § 18 gebotenen Strafzumessungserwägungen bedeutsam (BGH StV 92, 432). So bei minder schweren Fällen § 177 V StGB (BGH B NStZ 87,442; BGH StV 87, 306; GA 86, 177; BGHR § 18,13, minder schwerer Fall), bei Körperverletzung mit Todesfolge $ 227 II StGB (BGH B NStZ 87,442), bei schwerem Raub § 250 i n StGB (BGH B NStZ 85, 447; BGH StV 87, 306); zur Strafmilderung bei Beihilfe BGH StV 84, 254 u. BGH B NStZ 86, 44. Das JGericht muß daher prüfen, ob im Falle der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht ein minder schwerer Fall vorliegt (BGH B NStZ-RR 99,290; OLG Zweibrücken StV 94, 599, 600; OLG Köln u. OLG Hamm StV Ol, 178). Mangelnde Feststellungen insoweit lassen befürchten, daß sich Fehler bei dieser Prüfung bei der Bemessung der Höhe der JStrafe zum Nachteil des Angekl. ausgewirkt haben (BGH StV 93, 532). Die Erörterung eines minder schweren Falles ist jedoch entbehrlich, wenn seine Annahme nach den Feststellungen zu Tat und Täter fernliegt (BGH B NStZ 94, 529). Die Bejahung eines minder schweren Falles im JStrafrecht ist kein Umstand iSd s 267 IE 2 StPO (BGH aaO). Der unterschiedliche Unrechtsgehalt von Beihilfe und Täterschaft bleibt für die Bemessung der JStrafe so bedeutsam, daß der fehlende förmliche Hinweis nach $ 2651 StPO (ev. Beihilfe) in der Revision zur 191

2. Teil. Jugendliche

Aufhebung in den Rechtsfolgen führt (BGH MDR 77, 63; vgl. BGH StV 84, 254). Die mögliche Strafmilderung wegen Versuchs ($$ 23 II, 491 StGB) wirkt auch auf die erz. Bemessung der JStrafe ein (BGHB NStZ 83,448; 84,446; BGH StV 93,532; vgl. allg. BGH JZ 89, 1018). 6 b Da im JRecht die Anwendung des § 49 I StGB und damit eine Verschiebung des Strafrahmens ausscheidet, muß die Verminderung der Schuldfähigkeit iSd § 21 StGB mit ihrem vollen Gewicht bei der eigentlichen Strafzumessung berücksichtigt werden (BGH StV 89, 545); vgl. BGH StV 82, 27; BGH H MDR 82, 972; BGH NStZ 84, 75; OLG Zweibrücken StV 94, 599 f; die zweimalige Milderungsmöglichkeit aus $ 213 StGB und S 21 StGB fordert zur Höhe der JStrafe eine abwägende nähere Begründung (BGH B NStZ 84, 446; aber auch BGH NStZ 86, 71). Das gilt auch bei Beihilfe und $ 21 StGB (BGH B NStZ 84, 446) und bei einem unechten Unterlassungsdelikt und $ 21 StGB (BGH StV 92, 432). Tatunrecht, das seine Ursache gerade in den Tätermerkmalen hat, die § 21 StGB begründen, kann dem Täter nicht uneingeschränkt zum Vorwurf gemacht werden (BGH StV 98, 333). Doch muß die verminderte Schuldfähigkeit auch im JStrafrecht nicht zu einer Strafmilderung führen, zB bei übermäßigem Alkoholgenuß (BGH MDR 60, 938; NStZ 88,449; OLG Zweibrücken StV 94,600; vgl. § 3,11). Andererseits hat der BGH bestätigt, daß die Schuldfähigkeit j. und hw. Täter schon bei einem BAKWert unter 2%o erheblich vermindert sein kann, wobei mangelnde Alkoholgewöhnung und Reifedefizite die enthemmende Wirkung des Alkohols noch vergrößern können (BGH NStZ 84, 75; BGH B NStZ 88, 491; BGH StV 92, 432; 97, 348) und allein aus dem Leistungsverhalten des Täters nicht auf uneingeschränkte Schuldfähigkeit geschlossen werden darf (BGH StV 97, 348; NStZ-RR 97, 65). Eine fehlerhafte Blutalkoholberechnung kann sich bei der Bemessung der JStrafe zum Nachteil des Angekl. auswirken, auch wenn die alkoholische Enthemmung bei der Strafzumessung berücksichtigt ist (anders im Fall BGH B NStZ-RR Ol, 323). Da bei J und Hw. Reifegrad und Alkoholgewöhnung für die Wirkung des Alkohols von Bedeutung sein können, empfiehlt sich die Heranziehung eines Sachverständigen (BGH B NStZ 93, 528). 6 c Es ist zulässig, die Verleitung zu einem Rauschgiftgeschäft durch einen verdeckten Ermittler nur allg. strafmildernd zu berücksichtigen und gleichwohl wegen der Menge des Rauschgifts einen bes. schwerwiegenden Fall anzunehmen (BGH B NStZ 92, 528). Hat die Gesamtmenge der Betäubungsmittel nicht das 75fache, sondern lediglich das 60fache der nicht geringen Menge betragen, ist das Tatgericht bei der Bemessung der JStrafe von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen (BGH B NStZ 93, 528). Wegen der Abweichungen in der Zumessung sollten Sinn und Zweck der JStrafe bei der mündlichen Urteilsbegründung stets bes. erläutert werden ($ 17 RL 2; vgl. $ 54,15). Niemals reichen für die Bemessung der JStrafe allg. Strafzumessungserwägungen aus (BGH B NStZ 81, 250 f). Der Strafmilderungsgrund des § 31 BtMG ist auch bei der Bemessung einer JStrafe zu beachten (BGH NStZ 98, 90); auch wenn seine Voraussetzungen nicht vorliegen, sind bei Strafzumessung die Aufklärungsbemühungen des J zu berücksichtigen 192

Dauer der Jugendstrafe (BGH aaO). Mit d e m Wesen der JStrafe ist es unvereinbar, deren Höhe von der voraussichtlichen Heilungsdauer einer krankhaften seelischen Störung (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus $ 63 StGB) abhängig zu machen, denn JStrafe u n d die Maßregel der Unterbringung ($ 7) stehen selbständig nebeneinander (BGH B NStZ 87, 442). Eine Vermischung von JStrafe u n d Maßregel dadurch, d a ß Gründe, die zur Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus herangezogen werden, z u r E r h ö h u n g der JStrafe verwendet werden, ist unzulässig (BGH NStZ 98, 86). F ü h r t eine behandlungsbedürftige Störung zur Unterbringung, ist zur Beseitigung der Störung allein die Maßregel die zulässige Reaktion (BGHR JGG $ 18 II Erziehung 1). Z u m Absehen von JStrafe bei Unterbringung S 5, 2. Eine Verfahrensverzögerung, f ü r die der J nicht verantwortlich ist - eine nicht 6 d angemessene Frist nach Art. 6 I 1 MRK - m u ß , auch entsprechend dem allg. Beschleunigungsgrundsatz des JGG, bei der Strafzumessung zugunsten des J berücksichtigt werden (BGH NStZ 87, 232; 97, 29 mit zust. Anm. Scheffler). Ob die Verfahrensdauer noch angemessen ist, m u ß nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden (BVerfG NJW Ol, 2707). Bei überlanger Verfahrensdauer kann Einstellung nach $ 4 7 1 geboten sein (Kreisgericht Saalfeld StV 93, 535). Vgl. auch BGH NJW 90,1000: Einstellung nach $ 153 II StPO; seit der Tat (Beihilfe zur Untreue in 4 Fällen, Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten) waren mehr als 16 Jahre, seit Anklageerhebung m e h r als 12 Jahre vergangen (UHaft 1 Jahr 4 Monate); BGH NJW 95, 737: Einstellung nach $ 153 II StPO nach m e h r als zehnjähriger Verfahrensdauer. Das Gericht m u ß Art u n d Ausmaß der Verzögerung feststellen und das M a ß der Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich u n d konkret bestimmen (BVerfG NStZ 97, 591; BGH NStZ 99,181; StV 99, 661; NStZ-RR 00, 343). Hierbei ist zu berücksichtigen, d a ß d e m Beschleunigungsgebot im JStrafverfahren aus erz. Gründen eine erhöhte Bedeutung z u k o m m t (BGH StV 99, 661). Darüber hinaus sind - als gegenüber einer Verletzung des Beschleunigungsgebots eigenständige Strafmilderungsgründe - eine lange Verfahrensdauer (Tröndle/Fischer § 46 StGB 61) und ein langes Zurückliegen der Tat zu berücksichtigen (BGH B NStZ 92, 528; B NStZ-RR 98, 290; vgl. näher LK/Gribbohm $ 46 StGB 227-241). In außergewöhnlichen Einzelfällen kann eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, die im Rahmen einer Sachentscheidung nicht mehr angemessen berücksichtigt werden kann, zu einem Verfahrenshindernis führen (BGH NJW Ol, 1146). Absprachen über die Rechtsfolgen sind grds. u n t e r bestimmten Voraussetzungen zulässig (BGH 37, 298; 38, 102; 42, 46; 4 3 , 1 9 5 ; allg. zur „Verständigung im Strafprozeß" KleinknechtfMeyer-Goßner, Einl. R n l l 9 f f ) . Die Anwendung von JStrafrecht auf einen Hw. k a n n jedoch nicht Gegenstand einer Absprache sein, denn diese Frage ist zwingend in § 105 geregelt (BGH NJW Ol, 2642 = NStZ Ol, 555 mit Anm. Eisenberg). Z u m „Wohlwollensgebot" gegenüber Gewissenstätern bei der Strafzumessung Einf. 1 4 0 aE.

193

2. Teil. Jugendliche

6 e Die Strafzumessungspraxis ist dadurch gekennzeichnet, daß überwiegend JStrafen bis zu einem Jahr verhängt werden, der Anteil längerer JStrafen aber gestiegen ist. 1999 erhielten 56% der zu JStrafe Verurteilten eine JStrafe bis zu 1 Jahr, 33% JStrafen von mehr als 1 bis 2 Jahren und 11% eine JStrafe von mehr als 2 Jahren (berechnet nach Stat. BA S. 60 f). Der Anteil der JStrafen bis 1 Jahr ist von 82% 1960 über 72% 1980 auf 56% 1999 gesunken, die Qjiote der JStrafen von mehr als 1 bis 2 Jahren von 14% über 20% auf 33% gestiegen; bei den JStrafen von mehr als 2 J erhöhte sich der Anteil von 4% 1960 auf 7% 1980, 1999 lag er bei 11% 0Ostendorf Grdl. zu $ 17-18, 5; Stat. BA S.60f). Es ist somit eine Tendenz zu längeren JStrafen erkennbar, die der kritischen Analyse bedarf. 4.

Strafbemessung und Erziehungsgedanke

7 Bei der Strafbemessung hat der ErzZweck Vorrang (Abs. II; RL 2 S. 1; BGH B NStZ 91, 522; BGH StV 93, 532; NStZ-RR 97, 281). Das gilt auch, wenn eine JStrafe ausschließlich wegen Schwere der Schuld verhängt wird (BGH StV 94,599; BGHB NStZ 94, 529; BGH StV 96, 269; NStZ-RR 98, 285; OLG Köln StV 99, 667). Gleichwohl besteht darüber Einigkeit, daß nicht nur bei JStrafe wegen schwerer Schuld, sondern auch bei JStrafe wegen schädlicher Neigungen die Strafdauer neben erz. Bedürfnissen auch von der Schwere der schuldhaften Tat bestimmt wird (BGHB NStZ 92,528; OLG Frankfurt NStZ 84,383; Blau MDR 58,731 u. Zbl. 59,117; Miehe Die Bedeutung der Tat im JStrafrecht, 1964 S. 118 ff; Schaffstein FS Würtenberger, 1977 S.450). Gehört zum Wesen der JStrafe also der gerechte Schuldausgleich (Rn 10,13,15; RL 2 S. 1), so muß sie bei schädlichen Neigungen unabdingbar die zur Erz. und Resozialisierung erforderliche Zeit umfassen. Auf Grund von Erfahrungen der Vollzugspraxis wird angenommen, daß bei echten schädlichen Neigungen Erfolge erst bei einer Strafdauer von mindestens einem Jahr erzielt werden können, wobei noch die wegen der nachfolgenden BewHilfen gebotene vorzeitige Entlassung zu berücksichtigen ist (Schaffstein aaO S. 456). Dies schließt JStrafen wegen Bagatellvergehen schlechthin aus ($ 17, 9). Die zur Erz. erforderliche Zeit genau zu bestimmen, ist nicht möglich. Die weitgespannten Möglichkeiten, den Rest einer JStrafe zur Bew. auszusetzen, lassen die nachträgliche sichere Anpassung an die Stelle der oft unsicheren Prognose treten. Dies ist keine Abkehr von dem Sühnegedanken, der die JStrafe durchdringt ($ 17,1). Denn auch das Verhalten in der Strafanstalt kann mehr oder weniger intensive Sühne sein, kürzere oder längere Zeit erfordern. Zur Diskussion über die erz. nutzbare Länge der Strafzeit Rn 3. Die Anstalt muß den Täter so weit bringen, daß er von der Tat sich abkehrt, sie überwindet; die weitere Erz. erfolgt dann besser in Freiheit. 7 a Der in der Bemessung der JStrafe einzubringende ErzGedanke (eingehend Einf. II 4-10, bes. 9, für Hw. 11) fordert - wie $ 21 (näher $ 21, 6) - eine Gesamtwürdigung des J , die nicht damit dargetan ist, daß im Urteil nur „die Lebensverhältnisse und ein Wesenszug" erwähnt werden (BGH StV 86,69). Die Strafe soll möglichst so bemessen werden, daß gewichtige Nachteile für die persönliche Entwicklung des Täters vermieden werden; die Möglichkeit eines Neubeginns soll ihm nicht ver194

Dauer der Jugendstrafe

$18

sperrt werden (BGH 43, 81; BGH StV 93, 27). Ggf. muß dargetan werden, warum trotz erkennbarer Ansätze zu positiver Entwicklung dem vorrangigen ErzGedanken nur die Verbüßung einer langdauernden JStrafe dient, noch dazu, wenn sie eine Berufsausbildung oder ein Studium unterbricht, womöglich beendet (BGH StV 8 8 , 3 0 7 ; 98,335). Es kann auch eingehende Erörterung geboten sein, inwieweit eine längere JStrafe (BGH B NStZ 89, 522; OLG Köln StV 9 1 , 4 2 7 ) oder ein bei ev. Widerruf der Bew. zu verbüßender Rest von nur 4 Monaten (BGHR § 18 II Tatumstände 2 = B NStZ 89, 522) zur „weiteren Förderung und Festigung durch Nacherz." geboten ist. Werden die erz. Gründe überhaupt nicht geprüft (vgl. aber § 1 7 , 1 4 a u. 15), hat das Urteil keinen Bestand (BGH B NStZ 8 6 , 4 4 6 u. NStZ 87, 442; BGH NStZ-RR 98, 86). Auch eine nur formelhafte Erwähnung des ErzGedankens ist rechtsfehlerhaft (BGH StV 98, 335; BGH B NStZ-RR Ol, 323). Zumessungserwägungen, die auch bei einem erw. Täter zu beachten wären, reichen nicht aus (OLG Köln StV 99, 667 f). Zu Hw. siehe $ 105, 21. Die Entwicklung seit der ersten Hauptverhandlung ist zu berücksichtigen (BGH NStZ 86, 71). Bei JStrafe wegen Schwere der Schuld ist das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für den J abzuwägen (BGH StV 93, 532; 96, 269; 98, 334; 335). Bei der Bemessung der JStrafe zu prüfende Umstände, die für eine weniger lange Strafe sprechen, können sein: bisher problemlose Persönlichkeitsentwicklung des Angekl., Ausnahmecharakter der Tat, Alkoholisierung, Einfluß älterer Mittäter, Auflösung der Gruppe, mit der der J die Straftaten begangen hat, Loslösung von den Mittätern nach der Tat, Einwirkung der Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung, Wiederaufnahme in das intakte Elternhaus nach Haftentlassung, Rückkehr zu einer geordneten Lebensführung, insbes. bei langem Zurückliegen der Tat eines inzwischen in vollem Umfang sozial integrierten, strafrechtlich nicht nennenswert in Erscheinung getretenen Angeklagten (BGH StV 82, 173; NStZ 84, 508; StV 86, 68; 9 0 , 5 0 5 ; 9 1 , 4 2 3 ; 93, 532; 9 6 , 2 6 9 ; 9 8 , 3 3 5 ) . Hält der Tatrichter eine nachhaltige erz. Einwirkung in Form von JStrafe über einen längeren Zeitraum für erforderlich, muß er sich mit gewichtigen Veränderungen in der Einstellung und in den Lebensumständen des Angekl. auseinandersetzen (BGH StV 91, 423). Dazu auch $ 10, 12 c aE. Der BGH (StV 8 7 , 3 0 6 ) läßt es zu, bei der Dauer der JStrafe zu berücksichtigen, daß 7 b dem J ein Schulabschluß ermöglicht werden soll, fordert aber, daß die Urteilsgründe erkennen lassen, ob dafür während des Vollzugs eine reale Chance besteht. Dem ist zuzustimmen. Die Zusammenhänge zwischen Schul- und Berufsausbildung im Vollzug und Legalbewährung sind noch nicht hinreichend geklärt (Gewsler Ausbildung u. Arbeit im JStrafvollzug, 1991 mwN). Eine Berücksichtigung der voraussichtlichen Ausbildungszeit bei der Bemessung der JStrafe kommt daher nur nach sehr sorgfältiger Prüfung im Einzelfall in Betracht (generell ablehnend Osttndotf 11). Zur Berücksichtigung einer laufenden Ausbildungszeit Rn 7 a. Vgl. dazu auch 5 9 1 , 1 3 . Wegen der jrechtlichen Abweichungen in der Bemessung der Strafe ist deren Sinn und Zweck bei der mündlichen Urteilsbegründung bes. zu erläutern ($ 17 RL 2; vgl. § 54, 15).

195

2. Teil. Jugendliche 5.

Schuldvergeltung

8 Der Gedanke des gerechten Schuldausgleichs (RL 2 S. 1), der dem J hilft, das Strafiibel auf sich zu nehmen und zu verarbeiten, ist im JStrafrecht oft ganz anders zu berücksichtigen als im ErwStrafrecht, da sich die Schuld sich entwickelnder J anders darstellt als die Erw. bei gleichen Taten. Bei einem J ist daher bes. sorgfältig zu prüfen, in welchem Ausmaß er sich bereits frei und selbstverantwortlich gegen das Recht und f ü r das Unrecht entschieden hat (BGH StV 94, 598), wobei neben jugendlicher Unreife auch eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit zu berücksichtigen ist (BGH aaO, 599). Für die Bewertung der Schuld als Strafzumessungsgesichtspunkt sind in erste Linie die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, von Bedeutung. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat k o m m t nur insofern Bedeutung zu, als aus ihm Schlüsse auf die Täterpersönlichkeit und die Schuldhöhe gezogen werden können (BGH 15,226; 16, 263; BGH NStZ 96,496; StV 96,269; OLG Köln StV 99,667). Zu Schuldausgleich, Sühne u. Vergeltung im ErwStrafrecht BVerfGE 28, 278; 32, 109; 45, 254, 259; 64, 271; BVerfG NJW 95, 713; Tröndle/Fischer § 46 StGB 2 f; im JStrafrecht BGH StV 81, 26; JR 82,432 mit zust. Anm. Brunner; BGH StV 94, 598, 599; sowie R n 9 u. $ 17, 1. BGH B NStZ 87, 442 läßt bei JStrafe tatvergeltende Sühne und Individualabschreckung ausdrücklich zu. Eine JStrafe darf nicht so gering bemessen werden, daß das Maß der Schuld unangemessen verniedlicht wird und damit zugleich erz. Zwecke verfehlt werden (BGH NStZ 94, 125; NStZ-RR 96,120) Namentlich bei Kapitalverbrechen ist das Erfordernis des gerechten Schuldausgleichs zu beachten (BGH NJW 92,380; NStZ-RR 96,120). Im JRecht dürfen im Gegensatz zum ErwRecht unter Beachtung der oben stehenden Erwägungen auch Tatbestandsmerkmale strafschärfend berücksichtigt werden, zB daß ein Mensch getötet wurde, weil diese Tatbestandsmerkmale im eigenständigen Strafrahmen des JGG noch nicht straferhöhend wirken (BGH Herlan GA 56, 346; BGH H MDR 80, 814; BGH Mösl NStZ 81, 428; BGH NStZ-RR 97, 22; Eisenberg 15; Ostendoif 4). Das OLG Hamm (B NStZ 85,447) berücksichtigt bei der Bemessung der JStrafe auch außertatbestandsmäßige Folgen (anhaltende Angstzustände einer Überfallenen), die der Täter in den Einzelheiten nicht voraussehen konnte. Das ist nicht unbedenklich; vgl. die Grundsätze bei $ 17,16. BGHB NStZ 91, 523 hat bei einer von einem Hw. und einem Erw. in Mittäterschaft begangenen Strafttat zur Höhe der Strafe gegen den Erw. ausgeführt, daß gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten. Diese Erwägung des BGH darf jedoch nicht zu einer Verwischung der Unterschiede in der Bemessung von Jugendstrafe und Freiheitsstrafe führen (kritisch zu der Entscheidung Böhm NStZ 91, 523). Im Einzelfall kann der Verzicht auf JStrafe wegen der ganz bes. Schwere der Schuld „für das Rechtsempfinden schlechthin unverständlich sein" (vgl. § 17, 15 a). Zum „Wohlwollensgebot" bei „Gewissenstätern" nach BVerfG im Bereich der Strafzumessung Einf. 140 aE. 8 a Die Erwägung, daß eine länger dauernde JStrafe einen bisher ausreichend sozial eingeordneten J oder Hw. aus der sozialen Ordnung herausreißen könnte, darf 196

Dauer der Jugendstrafe u n d soll im Rahmen der Schuld zu einer Strafmilderang f ü h r e n . Denn eine Strafe, die mit Gewißheit zunächst entsozialisiert u n d f ü r den Zeitpunkt der Entlassung eine schlechtere Situation wahrscheinlicher sein läßt, als sie vorher bestand, verhindert von vornherein den erz. Ansatz u n d wird neben diesem offensichtlichen Schaden auch noch die weitere Persönlichkeitsentwicklung gefährden. Das vertritt der BGH ähnlich im ErwRecht (BGH StV 89, 478) in einem Fall, bei d e m der Verlust einer in Aussicht gestellten Arbeit drohte. Solche Erwägungen werden insbes. auch in die Entscheidung über die Strafaussetzung z u r Bew. einfließen müssen ($ 21, 10). Man wird allerdings gerade bei solcher Entscheidung auch im JStrafrecht das Regulativ der Schuld (Einf. II 14 ff; $ 17, 1) beachten müssen. Allg. zu solchen nicht gewollten Nebenwirkungen der Strafe schon BGH StV 8 8 , 3 0 7 u. Anm. Brunner z u OLG ZweibriickenJR 90,305 in $ 17,1. Auch bei Erw. läßt der BGH (StV 90, 403) eine strafschärfende Berücksichtigung zulässigen Verteidigungsverhaltens nicht zu. Zur Berücksichtigung sonstigen Prozeßverhaltens BGH StV 9 0 , 4 0 4 . Bei J u n d Hw. gilt dies in verstärktem Maße (dazu Einf. I 53; $ 17, 14 aE). Bei Verhängung einer verhältnismäßig h o h e n JStrafe m u ß das Urteil erkennen 8 b lassen, daß alle iSd § 267 III StPO b e s t i m m e n d e n s t r a f m i l d e r n d e n U m s t ä n d e g e p r ü f t wurden, auch wenn deren Vorliegen oder Auswirkungen auf die Strafhöhe im Ergebnis zu verneinen sind (BGH StV 93,531). Diese Umstände sind schon bei der Bemessung der JStrafe u n d nicht erst im Z u s a m m e n h a n g mit der Frage einer Strafaussetzung zur Bewährung zu erörtern (BGH StV 93,532). Eine JStrafe, die zu Recht wegen Schwere der Schuld und fehlerhaft auch wegen schädlicher Neigungen verhängt worden ist, m u ß idR neu bemessen werden, weil sich die fehlerhafte Annahme schädlicher Neigungen z u u n g u n s t e n des Angekl. ausgewirkt haben k a n n (vgl. die Nachweise in § 17,18). 6.

Generalprävention

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH u n d hM darf bei der Verhängung u n d 9 Bemessung der JStrafe der Gesichtspunkt der Generalprävention k e i n e Rolle spielen, soweit solches nicht schon aus jeder gerichtlichen A h n d u n g folgt (BGH 15, 224; 16,261; JR 54,149; BGH Herlan GA 56,346; BGH H MDR 79,281; BGH B NStZ 81, 251; BGH H MDR 81, 454; BGH NStZ 82, 332; JR 82, 432; BGH Theune NStZ 86,160; BGH StV 90,505; NStZ 94,125; BGHB NStZ 94,529; BayObLG NJW 80, 2424; BayObLG StV 85, 155 mit zust. Anm. Böhm). Ebenso schlechthin ablehn e n d f ü r die Abschreckung Böhm S. 214; Bruns FS von Weber, 1963 S. 74; DSS/ Sonnen 16; Hellmer Schuld u. Gefährlichkeit im JStrafrecht, 1962 S. 189; Schöch in DVJJ (Hrsg.) JGerichtsverfahren u. Kriminalprävention, 1984 S. 273; Ostendorf (Grdl. z. $$ 17-18 Rn3), der aber JStrafe - ausnahmsweise - unter Beachtung des Schädigungsverbotes zulassen will, u m d e m Strafbedürfnis der Allgemeinheit Rechnung zu tragen ($ 17, 11). Unentschieden Eisenberg $ 17, 5. Demgegenüber hält ein Teil der Literatur die Berücksichtigung der positiven Generalprävention,

197

2. Teil. Jugendliche

also der Stärkung der allg. Rechtstreue, für zulässig (Dallinger/Lackner 10; Maurach/ GösselfZipf S. 725; M.-K. Meyer Zbl. 84, 445 ff). Nach Schaffsteinßeulke, S. 152, darf auch die negative Generalprävention, also die Abschreckung anderer, berücksichtigt werden. Krumme (Anm. zu BGH 15, 224 in LM § 17 n Nr. 4) läßt für die Bemessung der JStrafe generalpräventive Überlegungen dann zu, wenn sich der J der ansteckenden Wirkung seiner Tat oder der durch sie hervorgerufenen Unsicherheit bei ihrer Begehung bewußt gewesen ist. 9 a Trotz gewichtiger Gründe für die Gegenauffassung (eingehend Brunner JR 82,432) erscheint es sachgerecht, mit dem BGH auf die Berücksichtigung der Generalprävention zu verzichten. § 18 nennt als Strafzumessungsgesichtspunkt lediglich den ErzGedanken. Anders als der gerechte Schuldausgleich gehört die generalpräventive Strafbemessung nicht zum „Wesen" der Strafe. Den Begriff der Verteidigung der Rechtsordnung, der Elemente der Generalprävention enthält, hat das JGG im Gegensatz zum StGB nicht aufgenommen (Ostendorf, Grdl. zu §§ 17-18, 3). Bedürfnissen der Stärkung der Rechtstreue der Bevölkerung auch bei Taten J wird durch den Strafzumessungsgrundsatz des gerechten Schuldausgleichs (Rn 8) hinreichend Rechnung getragen. Darüber hinausgehender Strafschärfungen bedarf es nicht (andere Konzeption bei Meyer-Odewald Die Verhängung u. Zumessung der JStrafe,1993 S.86f, 180, der eine Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe für zulässig hält und aus der positiven Generalprävention eine Untergrenze für die Strafe ableiten will). 7.

Erziehungsgedanke und Schuld

10 Erziehungsgedanke und Schuld in ein angemessenes Verhältnis zu bringen, ist schwer und bleibt problematisch; viele sehen darin einen unlösbaren Widerspruch; versuchte Lösungen allerdings führen zu neuen, anderen Widersprüchen und Schwierigkeiten. Eingehend dazu u. zum ErzBegriff allg. Einf. II 4-11, insbes. 8 u. 9; Einf. § 17,1-8 a; 15a;$ 91,1-4,9-10. Die ungleichen Paarungen Strafe und Hilfe zur Resozialisierung, Sühne und Erziehung erlegen dem Richter bei der Strafzumessung und bei der Ermessensentscheidung über die Aussetzung des Restes einer bestimmten JStrafe (§ 88, 1; Böhm NJW 77, 2198) schwerwiegende, in die weitere Entwicklung des J eingreifende Entscheidungen auf. Zwar gibt $ 18 II dem ErzGedanken den Vorrang; nach $ 17 II letzter Halbsatz ist aber JStrafe echte Strafe. Deshalb ist auch im JRecht eine Strafe unzulässig, die aus erz. Gründen das Maß der Tatschuld überschreitet (Einf. II 10; RL 2 S. 2; BGH B NStZ 95, 536; NStZ 97, 481; Heublein Zbl. 94, 467; Momberg Die Ermittlungstätigkeit der JGH, Diss. Göttingen 1982 S. 29; Hermann/Wild MKrim. 89, 16; Burscheidt S. 92). Das folgt aus GG Art. 1 (eine das Maß der Schuld übersteigende Strafe „entpersönlicht" den Täter zum Erziehungsobjekt und verletzt die Menschenwürde; Miehe Die Bedeutung der Tat im JStrafrecht, 1964 S. 96 ff), und Art. 3 MRK (dazu BGH NJW 64,176; Schaffstein/Beulke S. 151; Schaffstein Zbl. 67,129; FS Würtenberger, 1977 S.449; FS Heinitz, 1972 S.470; Streng StV 85, 424; vgl. auch BGH MDR 82, 155 u. 339). 198

Dauer der Jugendstrafe Der Grundsatz: Nulla poena sine culpa hat den Rang eines Verfassungsgrund- 11 satzes (BVerfG NJW 67,195). Wie Strafe ohne Schuld rechtsstaatswidrig, so ist auch eine über das Maß der Schuld hinausgehende Strafe im Erw.- wie im JRecht eine mit d e m Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Vergeltung über das hinaus, was der Betroffene z u verantworten h a t (ebenso Eisenberg 18; Nix/Teschner 6; Ostendorfs, der aber auch auf die Wiederholungsgefahr abstellt; Schaffstein/Beuike S. 151; Miehe aaO S. 33 u. ZStW 81, 593; Streng GA 84, 163; Hermann/Wild MKrim. 89, 10; aA Bruns StV 82,595). Verfassungsrang haben auch die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit u n d des Übermaßverbotes (zB BVerfG NJW 68, 979). Es wird bei der Abwägung von Täterschuld (Einf. II 14) u n d ErzNotwendigkeit BGH MDR 76, 941 beachtet werden müssen, wonach im ErwRecht eine Strafzumessung, die sich vom gerechten Schuldausgleich löst, das Gesetz verletzt, d e n n das wirkt sich zugunsten des J aus. Ein solches Merkzeichen hindert den JRichter nicht, die Dauer des Freiheitsentzuges nach der W i r k u n g auf den Täter zu bestimmen u n d f ü h r t auch nicht zu einem schädlichen Mittelweg (.Schaffstein JStrafrecht 6. Aufl. S. 98); d e n n wo die Täterschuld die erzieherisch zu nützende Zeit allzusehr verkürzen könnte, erhebt sich die Frage, ob JStrafe überhaupt angebracht war. Wie der Gesichtspunkt der Generalprävention im ErwRecht nicht dazu f u h r e n darf, daß die obere Grenze der schuldangemessenen Strafe überschritten wird (BGH Urteil vom 2 2 . 8 . 1 9 7 8 1 StR 139/78 -), so darf dies i m JStrafrecht auch der ErzGedanke nicht, der dadurch pervertiert würde (vgl. Einf. II 10; RL 2 S. 2). Verfassungsgrundsätze gelten f ü r jede Verhängung von Strafe, im JRecht f ü h r t das 12 zu einer B e g r e n z u n g des ErzGedankens (vgl. Einf. II 10). Das JStrafrecht m u ß die i h m durch die Verfassung gesetzten Schranken einhalten, mag dies auch einen Verzicht auf ungehinderte Einwirkung nach pädagogischen Gesichtspunkten bedeuten (Hellmer aaO S. 217; Tenckheff JR 77, 491; Miehe aaO S. 70, 118). Der BGH (StV 90, 389) hat ein Urteil aufgehoben, bei dem eine JStrafe von 6 Jahren 6 Monaten damit begründet war, es übersteige „das M a ß der erz. notwendigen Strafe dasjenige seiner Schuld", weil der Gesamtzusammenhang der Strafzumessungserwägung nahelege, der Tatrichter habe geglaubt, aus Gründen der Erz. u n d der Spezialprävention die obere Grenze schuldangemessenen Strafens überschreiten zu dürfen (vgl. auch BGH NStZ 86, 71; BGH B NStZ 95, 536; BVerfGE 50,205; 214, 215). Z u d e m steht eine das Maß der Schuld überschreitende Strafe gerade d e m Erz- 13 Gedanken entgegen, der die Überschreitung rechtfertigen soll. Denn nur d i e gerechte u n d als gerecht e m p f u n d e n e Strafe hat p ä d a g o g i s c h e n Wert; der j u n g e Mensch h a t ein bes. ausgeprägtes und empfindliches Gefühl f ü r die Gerechtigkeit (vgl. bereits Spranger Psychologie des Jugendalters, 6. Aufl. 1926 S. 192 ff), wenn auch zumeist nicht bereits in der bes. Situation der Verurteilung. Gerecht erscheint dem sühnebereiten, aber auch dem „abwartenden" J die Strafe nur, wenn sie nach der Schwere der Schuld (und Tat - vgl. OLG F r a n k f u r t NStZ 84, 383), nicht über diese hinaus nach einem unergründlichen ErzBedürfnis bemessen wird (Weitl 1965 S. 192). Verletztes Gerechtigkeitsgefühl u n d Trotzhaltung verei199

2. Teil. Jugendliche teln dann die ErzBemühungen und belasten die JStrafanstalten (Noll Die ethische Begründung der Strafe, 1 9 6 2 S. 22; Grafiberger,

Österreichische Juristenzeitung

1 9 6 1 , 1 7 3 ) . Schon aus diesem Grunde allein wäre beispielsweise eine JStrafe wegen wiederholter Schulversäumnisse (im Jahre 1978 nach dem damals noch geltenden Hessischen Schulpflichtgesetz erkannt und danach möglich) nicht zu rechtfertigen (vgl. insgesamt dazu Rehbein Zbl. 7 9 , 9 9 ) . 14

K o m m t man somit zum Ergebnis, daß auch bei evidenter ErzBedürftigkeit und ErzFähigkeit des Täters die Erz. nur im Rahmen gerechter Schuldvergeltung angestrebt werden darf (Miehe aaO), so bleibt im Rahmen der Schuld für Anwendung und Auswirkung des ErzGedankens genügend Raum. Wo man ErzMaßnahmen über das M a ß der Schuld hinaus für notwendig hält, m u ß der Familien- oder Vormundschaftsrichter eingreifen. Will man schlechterdings den Vorrang der Erz., m u ß man das Jugend-Straf-Gericht abschaffen. Es sind Hilfen und Maßnahmen im präjustiziellen Raum gefordert. 8.

15

Die Höchststrafe d e s allgemeinen R e c h t s

Der B G H will es zulassen, daß die JStrafe in Ausnahmefällen die im ErwStrafrecht normierten Höchststrafen überschreitet (BGH 8 , 7 8 ; BGH M D R 5 5 , 3 7 2 ; StV 8 2 , 2 7 ; NJW 9 6 , 2 6 6 5 ) . Dem ist nicht zu folgen. Weil JStrafe nie höher sein darf, als es die Tatschuld rechtfertigt (dazu Rn 10 ff), und weil die Berufung auf den ErzGedanken zur Begründung einer höheren Strafe, als sie für Erw. für die entsprechende Straftat vorgesehen ist, nicht zulässig sein kann (dazu Rn 11 aE; Einf. II 10 u. 14), darf eine JStrafe niemals h ö h e r sein als die e n t s p r e c h e n d e Höchststrafe des E r w R e c h t s (so entgegen B G H OLG Köln GA 84, 519; Eisenberg 11; Nix/Teschner 7; Ostendorf § 5 , 4 ; Schaffstein/Beulke

S. 151; Schaffstein FS Würtenberger, 1977 S. 4 5 7 ;

Beulke in Rössner, Hrsg., Toleranz - Erz. - Strafe, 1989 S. 78; Streng GA 84, 149, 163; Miehe ZStW 8 5 , 9 9 8 ; Nothacker Zbl. 8 5 , 1 1 ; Weber Die Anwendung der JStrafe, 1990 S. 121; Burscheidt S. 9 5 , 9 8 ) . Beachte aber auch $ 3 1 , 2 3 - 2 4 a mit BGH 36,37

=

J R 89, 5 1 9 mit zust. Anm. Brunner. Denn die Höchststrafe des allg. Rechts bezeichnet das Maß der Strafe, das der Gesetzgeber in extrem schweren Fällen als dem Gewicht dieser Art von Straftaten entsprechend ansieht, wenn also ein kriminell verfestigter Erw. die Tat in der schwersten Ausführungsart begeht. Ein solches Gewicht wird die T a t eines Jugendlichen nie haben können; damit aber kann eine höhere JStrafe mit dem Sühnegedanken nicht mehr in Einklang gebracht werden, denn der J darf gegenüber einem Erw. nicht entgegen dem Schuldprinzip benachteiligt werden. 16

Dagegen kann die gerechte Schuldvergeltung eine h ö h e r e Strafe erfordern als für die E r z . notwendig (BGH NStZ 9 6 , 2 3 2 f; StV 9 8 , 3 3 5 ) ; das folgt aus SS 1 8 1 2 , 1 0 5 II (dazu näher Rn 8 , 9 a, 10; vgl. auch $ 1 7 , 1 5 a; Heublein Zbl. 9 4 , 4 6 8 ) , kann allerdings nur für Fälle bes. schweren Verschuldens oder allerschwerster Folgen gelten, da in allen anderen Fällen dem Sühnebedürfnis schon durch die Verhän-

200

Strafaussetzung

gung der JStrafe Genüge getan ist (Grethlän NJW 61, 687). Bestätigt durch Urteil des BGH v. 14.9.1971, 1 StR 305/71. Allein nach den Grundsätzen des allg. Strafrechts als reine Schuldstrafe ist auch die 17 JStrafe zu bemessen, wenn ausnahmsweise feststeht, daß der Täter unerziehbar ist. Ähnliches gilt für eine JStrafe von mehr als 5 Jahren, weil auch hier das erz. Moment zurücktritt, der Sühnegedanke (vgl. Rn8, 9 a, 10) überwiegt ($ 105,19). Mit zunehmendem Alter und entsprechender Reife ist die Schuld schwerer zu 18 bewerten, das Sühnebedürfnis wird größer. Entsprechend tritt der ErzGedanke mehr zurück (BGH B NStZ-RR 98, 290; Heublein Zbl. 94, 468; Rn4; $ 17, 18; kritisch Eisenberg 21). Allg. zu beachten ist, daß Freiheitsentzug J wegen ihres größeren Freiheitsdranges meist härter trifft als Erw. (Pottykus B 8).

19

Geltung des $ 1 8 nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: $ 1,6 d, dortige §§ 1 20 u. 2.

$ 19 (aufgehoben)

Fünfter Abschnitt Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung $20 (weggefallen)

$21 Strafaussetzung (1) Bei der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt der Richter die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendliche sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Jugendlichen, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein 201

2. Teil. Jugendliche

Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. (2) Der Richter setzt unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn nicht die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen geboten ist. (3) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Jugendstrafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen. 1. Hw.-J: S 105 I. - 2. ErwG: § 104 Nr. 1 u. Rn 13 aE. Richtlinien zu $ 21: 1. Die Entscheidung darüber, ob eine Jugendstrafe zur Bewährung auszusetzen ist, setzt auch bei Erstbestraften - eine sorgfältige Erforschung der Persönlichkeit und der Lebensverhältnisse des Jugendlichen voraus. Bei günstiger Prognose ist eine Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr auszusetzen. Bei Jugendstrafe von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren bedarf es jedoch zusätzlich der Prüfung, ob besondere Umstände in der bisherigen und absehbaren Entwicklung des Jugendlichen die Vollstreckung gebieten. 2. Für den Erfolg der Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung ist es von Bedeutung, ob der Jugendliche fähig und willens ist, sich zu bessern. Sein Einverständnis mit der Maßnahme ist zwar nicht vorgeschrieben; eine Aussetzung ohne dieses Einverständnis ist aber nur sinnvoll, wenn erwartet werden kann, daß der Jugendliche in der Bewährungszeit zu einer bejahenden Einstellung kommt. 3. Aus erzieherischen Gründen empfiehlt es sich, dem Jugendlichen bewußt zu machen, daß die Jugendstrafe im Vertrauen auf seine Fähigkeit und seinen Willen, sich zu bewähren, ausgesetzt wird und daß ihm daraus eine besondere Verpflichtung erwächst. 4. Die Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren wird nicht in das Führungszeugnis aufgenommen, wenn Strafaussetzung zur Bewährung bewilligt und diese Entscheidung nicht widerrufen worden ist (vgl. $ 32 Abs. 2 Nr. 3 BZRG).

Schrifttum: Bindzus

Die Strafaussetzung zur Bew. bei J u. Hw., Diss. Göttingen 1966; Bockwoldt BewHilfe u. Wissenschaft, GA 83, 546; Dölling Die Verlängerung der BewZeit nach S 56 StGB, NStZ 8 9 , 3 4 5 ; Feltes Strafaussetzung zur Bew. bei Strafen von mehr als einem Jahr, 1982; Hausen Die Strafaussetzung zur Bew. bei Strafen von über 1 Jahr bis zu 2 Jahren gem. $ 23 II StGB u. S 21 II JGG, 1980; Heinz Straf(rest)aussetzung, BewHilfe u. Rückfall, BewH 77, 296; Hellmer Die Strafaussetzung im JStrafrecht, 1959; ders. Wesen u. Widersprüche der Strafaussetzung zur Bew. nach SS 20 ff JGG, RdJ 59, 209; ders. Die subjektiven Voraussetzungen der Aussetzung nach $$ 20 ff JGG, RdJ 5 9 , 2 4 4 ; Hermanns Sozialisationsbiographie u. gerichtliche Entscheidung, 1983; Herre Die Prognoseklauseln der §§ 56 StGB u. 21 JGG, 1997; Lenartz Strafaussetzung zur B e w . . . . trotz Risikos, BewH 64, 137; Meyer K. Strafaussetzung, Bew. u. BewHilfe, Diss. Münster 1963; Meyer K.-P. Rückfall b e i . . . Strafaussetzung zur Bew., MKrim. 8 2 , 2 8 1 ; Serlich Die kriminalpolitischen Auswirkungen der Strafaussetzung zur Bew. nach S 20 JGG, Diss. Heidelberg 1966; Peters Grundprobleme der Kriminalpädagogik, 1960 S. 314 ff; Pieth Bedingte Freiheit, 2001; Prelinger u. Pente BewAuflagen u. Grundgesetz, J R 6 1 , 4 9 6 u. JR 62, 99; Schajfstein Erfolg, Mißerfolg u. Rückfallprognose bei jungen Straffälligen, ZStW 67, 209; Schünemann BewHilfe bei J u. Hw., 1971; Spieß Wie bewähn sich die Strafaussetzung? MKrim. 81, 308; ders. Strafaussetzung u. BewHilfe, in Dünkel/Spieß (Hrsg.) Alternativen zur Freiheitsstrafe, 1983 S. 23; ders. BewHilfe als Alternative zum Vollzug der JStrafe: Erfahrungen u. Kriterien, KrimPäd 89 H 29 S. 9 ff; Sydow Erfolg u. Mißerfolg der Strafaussetzung zur Bew., 1963; Tenckhoff Die Kriminalprognose bei Strafaussetzung zur Bew., DRiZ 82, 95; Terhorst

202

Strafaussetzung

S

21

BewPrognosen u. der Grundsatz „in dubio pro reo", MDR 78,973; Ulmschneider Durchführung, Erfolg u. rechtliche Grenzen der BewAuflage bei J, Diss. Kiel 1966; Vogt Strafaussetzung zur Bew. u. BewHilfebei J u. Hw., Diss. Göttingen 1972; Walter Strafaussetzung z. Bew., in Sieverts/ Schneider (Hrsg.) Handwörterbuch d. Kriminologie 2. Aufl. Band 5, 1983 S. 151; Westphal Die Aussetzung der JStrafe zur Bew. gemäß $ 21JGG, 1995.

Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6.

1.

Einordnung und Rechtsnatur . Voraussetzungen Aussetzungszwang JStrafe zwischen 1 und 2 Jahren Weitere Einzelheiten Strafaussetzung für Drogentäter

Rn

1

4 9 10 12 16

Einordnung und Rechtsnatur

Das geltende Recht bietet drei Möglichkeiten, die Verhängung oder den Vollzug 1 einer Strafe durch erz. Behandlung in Freiheit abzuwenden, nämlich gem. SS 45, 47 durch eine Art formlos angeordneter „BewZeit", nach deren Erfolg das Verfahren eingestellt wird (S45, 20, 35; $47, 11, 13), gem. SS 27 ff durch einen Schuldspruch iVm der Aussetzung der Verhängung einer JStrafe zur Bewährung und nach SS 21 ff durch Ausspruch einer Strafe unter gleichzeitiger Aussetzung der Vollstreckung zur Bew. Alle Maßnahmen wollen den Täter vor den oft unguten Wirkungen bes. kürzerer Strafe bewahren, wenn seine Resozialisierung in der Freiheit erwartet werden kann. Durch die Bew. zeigt der Täter, daß seine schädlichen Neigungen kleiner als befürchtet waren, mindestens daß sie ohne Strafvollzug beseitigt werden konnten. Zugleich verdient er sich durch gute Führung den Straferlaß, sühnt also auch seine Tat durch seine Bemühungen und gute Führung. Die Probanden dürfen aber nicht sich selbst überlassen bleiben (vgl. Rn 6 a). Der Richter muß vielmehr mit Hilfe von Weisungen, Auflagen und BewHelfer den Täter bei der Resozialisierung unterstützen, da das „Damoklesschwert" der drohenden Strafe allein gerade bei den neuen Eindrücken leicht zugänglichen J nicht genügt. Trotz Strafaussetzung bleibt die verhängte JStrafe echte JStrafe; ein Unterschied 2 besteht nur in der Vollstreckung, die von einem späteren Widerruf abhängig ist. Deshalb ist das Strafmaß festzusetzen und erst dann die Frage der Strafaussetzung zur Bew. zu prüfen (BGH NJW 54, 39; BGH NJW 55, 1485; BGH 32, 65 zum ErwRecht; Eisenberg 4; Schaffsteinßeulke S. 159; aA Ostendorf Grdl. z. SS 21-26 a, Rn3, der bei Festsetzung der JStrafe die BewMöglichkeit zu bedenken fordert, u. Westphal S. 163, nach dem bei JStrafe wegen schädlicher Neigungen zuerst zu fragen ist, ob eine zur Bew. ausgesetzte Strafe ausreicht, u. erst danach die konkrete Strafhöhe festzulegen ist). Gleichwohl führt diese im ErwRecht und JRecht übereinstimmende Konstruktion des Gesetzes zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten, weil eine zur Bew. ausgesetzte Strafe nach ihrem Wesen und ihrem Ziel etwas anderes ist als die zu vollstreckende Strafe. Auch die ausgesetzte 203

2. Teil. Jugendliche Strafe ist eine Maßnahme im Strafensystem, keine Gnade (BGH NJW 54,40). Nach Ablehnung der Strafaussetzung zur Bew. durch das Gericht kann die Gnadenbehörde einen entsprechenden Gnadenerweis gewähren, sollte dies aber nur in ganz bes. Fällen. 3 Zum Spannungsverhältnis zwischen den Voraussetzungen der JStrafe und der für die Aussetzung notwendigen günstigen Prognose $ 17,22. Die Strafaussetzung ist ein geeignetes Mittel, erz. unerwünschte Folgen des JStrafvollzugs an jungen Menschen zu vermeiden, wenn die Prognose (Einf. I 52) einem ErzVersuch in Freiheit hinreichende Aussicht auf Erfolg gibt. Hierbei sollte der Richter aus erz. Gründen von vornherein zum Scheitern verurteilte Experimente vermeiden, aber auch Mut zum Risiko haben, wenn eine echte Erfolgschance besteht (Rn 6; Bindzus/Musset Grundzüge des JRechts, 1999 S. 344). 3 a Die JStrafrechtspraxis hat seit Inkrafttreten des JGG von 1953 zunehmend von der Möglichkeit der Strafaussetzung Gebrauch gemacht. Der Anteil der zur Bewährung ausgesetzten JStrafen ist seit den 50er Jahren von einem Drittel auf zwei Drittel gestiegen (Heinz in BAG für ambulante Maßnahmen nach dem JRecht, Hrsg., Neue ambulante Maßnahmen, 2000 S. 186). 1999 wurden 63% der JStrafen zur Bewährung ausgesetzt (berechnet nach Stat. BA S. 60). Die Widerrufsquote ist in den letzten Jahrzehnten gesunken. Von den 1990 beendeten Unterstellungen unter hauptamtliche Bewährungsaufsicht nach JStrafrecht wurden 75% mit Straferlaß abgeschlossen (Dötting RdJ 93, 372). Das spricht für die Richtigkeit des von den Gerichten eingeschlagenen Weges. 2.

Voraussetzungen

4 Voraussetzungen für Strafaussetzung sind eine JStrafe bis zu 1 Jahr (Abs. I) oder eine höhere Strafe, die 2 Jahre nicht übersteigt, wenn nicht die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des J geboten ist (Abs. II; Rn 10-11 c), und in beiden Fällen eine günstige Prognose für den Täter. 5 Ob JStrafe von höchstens 1 Jahr oder 2 Jahren verhängt ist, wird nach der Höhe der erkannten Strafe beurteilt; die Höhe des - zB nach Anrechnung von UHaft - zu verbüßenden Teiles ist ohne Bedeutung (BGH 5,377; anders bei $ 35 BtMG: §17, 27 b); nur muß noch ein Strafrest übrig sein, die Strafe darf also durch Anrechnung von UHaft noch nicht voll verbüßt sein, weil dann kein Raum mehr für die Aussetzung der Vollstreckung bleibt (BGH NJW 61, 1220 u. 82, 1768). Ohne Einfluß ist es auch, wenn eine früher verhängte JStrafe noch nicht erledigt ist (§ 31, 21). Wird eine JStrafe zur Bew. ausgesetzt, obwohl sie im Zeitpunkt des Urteils durch erlittene UHaft bereits verbüßt war, ist der Angeklagte beschwert (BGH 31, 25; BGH NJW 61, 1220; BGH NStE Nr. 6 zu $ 21). Bei JA gibt es keine Strafaussetzung zur Bew. 6 Ob eine günstige Prognose (Schnitzerling RdJ 57,353) gerechtfertigt ist, kann nur eine umfassende Persönlichkeitserforschung (§ 43; BGH GA 83, 472) ergeben (RL 1). Näher zur Erstellung der Prognose Einf. I, 52 ff. Für die Prognose kommt 204

Strafaussetzung

$21

es auf den Zeitpunkt der Verurteilung und nicht auf den Tatzeitpunkt an (BGH StV 91, 424). Die bei beiden Alternativen (Abs.I u. n) maßgebliche „erschöpfende Gesamtwürdigung" der Persönlichkeit des Täters und seiner Beziehung zur Tat (BGH StV 86, 69; 93, 533; vgl. $ 18, 7 a), welche Aufgabe des Tatrichters ist, muß daher auch Umstände einbeziehen, die erst nach der Tat eingetreten sind, und berücksichtigen, daß seit der Tat eine nicht unerhebliche Zeit vergangen ist (BGH StV 87, 306; 91, 424; BGH B NStZ 92, 528). Es sind das Vorleben (nicht nur die Vorstrafen) und - als Indiz für die Stellung des Täters zur Tat - die Umstände der und das Verhalten nach der Tat (Form der Tatbeteiligung, Geständnis, Reue, Wiedergutmachung, Änderung bisheriger Gewohnheiten, weitere Entwicklung der Persönlichkeit des J, zB Verbesserung des Lern- und Sozialverhaltens in der Schule, Wirkung von UHaft, Behandlungen, denen sich der J freiwillig unterzogen hat, BGH StV 91, 424) zu würdigen. Bei der Bewertung des Verhaltens nach der Tat, insbes. des Prozeßverhaltens, ist gerade beim J Vorsicht geboten, um nicht Angst und Hilflosigkeit mit Gleichgültigkeit oder Trotz zu verwechseln. Fehlende Wiedergutmachung allein rechtfertigt die Ablehnung der Strafaussetzung bei einem 15jährigen Moped-Dieb nicht; es kann von ihm nicht verlangt werden, sich bei der Polizei nach dem Geschädigten zu erkundigen und sich diesem gegenüber zur Wiedergutmachung zu verpflichten (BGH Herlan GA 61, 358). Bestreitet der Angekl. die Tat, dürfen fehlende Reue und Schuldeinsicht nicht als Argumente gegen eine günstige Prognose herangezogen werden (BGH StV 93, 533). Auch die Umweltverhältnisse, unter denen der Täter sich bewähren soll (Elternhaus, Freunde, JVerbände, Arbeit, BewHelfer), oder Krankheiten sind zu beachten (BGH 10, 287). Wichtig ist, ob der J aus der ungünstigen Umgebung herausgekommen ist, welche die Tat ausgelöst hat (vgl. BGH StV 86,68, näher bei § 18, 7 a), was auch bes. für positive Veränderungen in der Lebensführung (Ausbildung, Arbeit) und Bindung an positiv bewertete Bezugspersonen gilt (BGH B NStZ 86, 447; BGH StV 96, 270 f; Hermanns S. 170 ff). Günstige Veränderungen können auch durch BewAuflagen erst vom Gericht oder anderweitig herbeigeführt werden (BGH 8, 185). Es dürfen nicht bestimmte Tätergruppen von vornherein ausgegrenzt werden (BGH 6,298 ErwRecht). Böhm (S. 217 f) warnt davor, schuldlos sozial Gefährdete und Geschädigte durch globales Absprechen von BewChancen zusätzlich zu entmutigen und zu stigmatisieren. Dazu § 10,12 c aE, auch $ 10,10 a aE. Beachtung verdienen die Untersuchungen von Spieß (KrimPäd. 89 H 29 S. 9 ff). Er 6 a stellt zur Vorstrafenbelastung fest, daß der Anteil der Probanden ohne Vorstrafe bei der Strafaussetzung zur Bew. im Jahre 1987 gegenüber 1963 auf weniger als die Hälfte des ursprünglichen Anteils gesunken ist, daß die bereits zum wiederholten Male verurteilten Probanden mit 80% bereits den Regelfall darstellen und daß sich der Anteil der schon zum wiederholten Male der Bew. unterstellten Probanden verdreifacht hat. Dem stehen allerdings bei einer Untersuchungsgruppe von 170 Probanden gegenüber: nur 22% Widerrufe der Bew. bei Probanden ohne Vorstrafe, 41% Widerrufe bei Probanden mit „Vorstrafen" unterhalb der JStrafe und 59% 205

2. Teil. Jugendliche Widerrufe bei Probanden, die bereits mehrfach zu JStrafe verurteilt waren. Dies m u ß freilich im Zusammenhang mit den in der BewZeit festgestellten Belastungen gesehen werden, welche das Widerrufsrisiko erhöhen. Solche Belastungsmerkmale waren bei der oa Gruppe: Arbeitslosigkeit; hohe Schuldenbelastung; noch keine Vereinbarung zur Schuldenregulierung oder Stundung; kein regelmäßiges Einkommen; akuter Drogen- oder Alkoholmißbrauch; keine feste Partnerbindung; Unselbständigkeit, namentlich im Umgang mit Behörden (S. 13-15). Insgesamt folgert Spieß hieraus, daß nicht aus der Vorstrafenbelastung allein ein überdurchschnittliches Bew.-Rückfallrisiko angenommen werden darf, denn dies entscheide sich erst in der BewZeit nach den günstigen oder ungünstigen Bedingungen für eine soziale Reintegration. Dies umreißt die ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe des BewHelfers und fordert schon in einem möglichst frühen Stadium der BewZeit existenzsichernde Maßnahmen. Der BGH sucht dem Stereotyp entgegenzuwirken, daß frühere Verurteilungen und ein Versagen in der BewZeit einer (erneuten) Strafaussetzung gänzlich entgegenstünden oder daß eine erneute Strafaussetzung von speziellen, eng definierten Voraussetzungen abhängig sei (BGH v. 27.9.1985 u. 3.12.1985 bei Horstkotte BewH 89, 382; BGH StV 96, 270). Der BGH hat bei einem Alkoholiker bei mehrfach wiederholter einschlägiger Straffälligkeit und wiederholtem Widerruf die erneute Strafaussetzung gebilligt (BGH NStZ 88, 451). 6 b Die Erwartung (nicht bloß die Hoffnung) künftig rechtschaffenen Lebenswandels m u ß gegeben sein. Das bedeutet aber nicht sichere Gewähr künftig straffreien Lebens. Es reicht aus, daß die Begehung weiterer Straftaten nicht wahrscheinlich ist (BGH NStZ 86, 27; BGH Theune NStZ 89, 217; Westphal S. 205: es ist grds. auszusetzen, es sei denn, es läßt sich ausnahmsweise eine begründbare Schlechtprognose stellen; auch Rn 6 a aE f ü r Vorbelastungen). Allerdings genügt die bloße Möglichkeit, der Täter werde keine neuen Straftaten begehen, nicht. Die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens m u ß vielmehr größer sein als diejenige neuer Straftaten (BGH Detter NStZ 98, 185). Nach Herre S. 138 ist diejenige Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit erforderlich, die es unter Abwägung der Interessen von Täter u n d Allgemeinheit vertretbar erscheinen läßt, die Vollstreckung auszusetzen. Eine ausreichende Erwartung kann zB auch bei ungefestigten J begründet sein, wenn die Tat überwiegend auf ungünstigen Umwelteinflüssen (Not, schlechtes Beispiel, Verführung) beruht, bei Pubertätstaten (aus Trotz, Protest gegen die Gesellschaft, Streben nach Geltung, plötzlich hervorbrechendem Geschlechtstrieb, sexueller Neugier; Einf. I 12, 37-41) oder bei persönlichkeitsfremden Kurzschlußhandlungen aus starken, außergewöhnlichen Reizeinflüssen selbst bei krimineller Gefährdung und fortgeschrittener Verwahrlosung, wenn die Fehlentwicklung überwiegend auf ungünstigen Umwelteinflüssen beruht, nun aber günstige Verhältnisse bestehen (vgl. BGH StV 90, 304; Eisenberg 23). Auch bei Vorstrafen ist eine positive Sozialprognose möglich (vgl. OLG Koblenz OLGSt zu $ 56 StGB S.45; OLG Frankfurt NJW 77, 2175; Rn6a). Andererseits kann aber auch bei Ersttätern die Prognose ungünstig sein (zust. 206

Strafaussetzung

$21

Eisenberg 23; f ü r regelmäßige Aussetzung bei Ersttätern Ostendorf 10). Nach BVerfGE 2 3 , 1 2 7 , 1 3 4 gilt gegenüber Gewissenstätern im Bereich der Strafzumessung u n d der Strafaussetzung zur Bew. ein „Wohlwollensgebot" (OLG Stuttgart MDR 88, 1080; OLG Bremen StV 89, 395 - je hw. Totalverweigerer, Dienstflucht; OLG Zweibrücken StV 89, 397, Zeuge Jehovas). Bei politischen Überzeugungstätern f ü h r t das Festhalten an einer politischen Überzeugung allein noch nicht z u einer ungünstigen Prognose; äußert sich die politische Gesinnung jedoch in einer strafbaren H a n d l u n g u n d besteht die Gefahr eines weiteren Abgleitens in Straftaten, müssen f ü r eine günstige Prognose gewichtige Tatsachen vorliegen (BGH NJW 95, 341; OLG Karlsruhe Justiz 9 6 , 9 4 , beide zu $ 56 StGB). Zu Ausländern Einf. 122 mit LG Freiburg JR 88, 523 u. OLG Koblenz NStZ 87, 24 ErwRecht. Das Gesetz fordert, d a ß ein rechtschaffener Lebenswandel zu erwarten sei. 6 c Dieser Begriff ist umstritten. Nach Daliinger[Lackner (2) reicht anders als im ErwRecht die äußere Anpassung aus Opportunität an die innerlich abgelehnte Rechtso r d n u n g nicht aus; vorausgesetzt wird vielmehr die Anerkennung wenigstens der Grundwerte, die f ü r das Zusammenleben in der Rechtsgemeinschaft konstituierend sind (vgl. auch OLG Koblenz GA 78, 83; aA Streng GA 84, 152). Ostendorf (6) will demgegenüber n u r die Gefahr neuer Straftaten prüfen, weil die Gesinnung frei sei u n d mit Rücksicht auf die Menschenwürde nur eine Verhaltensänderung angestrebt werden d ü r f e (für ein Abstellen auf ein Leben o h n e Straftaten auch DSS/ Sonnen 9). Eisenberg (§ 5 , 4 ) rügt unzureichende Bestimmtheit des Begriffs „rechtschaffener Lebenswandel", setzt seine Relevanz f ü r künftige Legelbewährung in Zweifel u n d bemängelt, daß dieser Begriff „einen vergleichsweise breiten Spielraum zur Durchsetzung solcher von der Majorität der ErwGesellschaft erwünschter Ziele (biete), die mit Bedürfnissen u n d Interessen der Verurteilten nichts gemein haben müssen". In der Tat darf der Begriff nicht dazu dienen, m i t den Mitteln des Strafrechts Moralvorstellungen einzelner gesellschaftlicher Gruppen durchzusetzen. Dies ist aber auch nicht die Intention des $ 21. Vielmehr ist Gegenstand der Prognose entsprechend der allg. spezialpräventiven Zielsetzung des JGG letztlich die Legalbewährung. Mit dem Begriff des rechtschaffenen Lebenswandels weist das Gesetz aber z u m einen darauf hin, d a ß dieses Ziel bei j u n g e n Menschen praktisch n u r über eine i n n e r e B e j a h u n g der R e c h t s o r d n u n g u n d nicht über einen äußeren „Dressurakt" erreicht werden kann (vgl. bereits DallingerßMkner 2). Erz. junger Menschen zur Rechtstreue verstößt nicht gegen die Menschenwürde, sondern ist unabdingbare Voraussetzung f ü r die Existenz einer freiheitlichen Rechtsordnung (vgl. weiter Einf. II 6). Außerdem zeigt der Begriff des rechtschaffenen Lebenswandels, d a ß die Möglichkeit von Gelegenh e i t s t a t e n m i t Bagatellcharakter, die sich auch bei rechtstreuen Bürgern k a u m völlig ausschließen lassen, einer Strafaussetzung nicht entgegensteht. Es wird daher die Kraft zur Selbsterziehung in Freiheit mit Hilfe der obligatorischen BewHilfe u n d von Weisungen u n d Auflagen ($ 23 I) zu verlangen sein (OLG Koblenz GA 78, 83). Neben der geistig-charakterlichen F o r m u n g auf die Gesellschaft hin (Schlächter GA 88, 125) ist entscheidend, ob die Erz. besser durch Aus-

207

S 21

2. Teil, lugendliche

Setzung zur Bew. oder durch Vollstreckung der Strafe erreicht wird (BGH 10,233, 234). Der Richter wird dem J auf geeignete Weise eindringlich bewußtmachen, daß die Aussetzung der Vollstreckung darauf vertraut, daß er fähig und willens ist, sich zu bewähren, und dies ihm eine bes. Verpflichtung auferlegt (RL 3). - Insgesamt wird der Richter hierbei auch ein Risiko - und Enttäuschungen - auf sich nehmen müssen. Im Einzelfall kann es genügen, daß der J zZ der Urteilsfindung fähig und ernstlich gewillt erscheint, ein rechtschaffenes Leben aufzunehmen (RL 2; OLG Celle GA 70,27; OLG Koblenz aaO; Nix/Schendler 8). Dabei dürfen und müssen auch Umstände berücksichtigt werden, die eine positive Wirkung erst erwarten lassen (BGH NJW 78, 559). 7 JStrafe sollte nach Möglichkeit zur Bew. ausgesetzt werden, wenn der Vollzug der JStrafe eine bereits angeordnete erfolgversprechende ErzMaßregel gefährden würde, falls nicht überhaupt von der Verhängung einer JStrafe abgesehen werden kann oder eine einheitliche Sanktionierung möglich ist (§31 II). 8 Vollstreckung trotz günstiger Prognose aus Gründen der Verteidigung der Rechtsordnung, einem Teilaspekt der Generalprävention, ist im Gegensatz zum ErwRecht nicht zulässig, weil § 21 anders als § 56 StGB die Verteidigung der Rechtsordnung nicht erwähnt und der ErzZweck entgegensteht (BGH B NStZ 94, 530). 3.

Aussetzungszwang

9 Liegen die Voraussetzungen der Strafaussetzung vor, so muß der Richter bei Abs. I u. II die Strafe zur Bew. aussetzen. Diese neue Regelung ist die Konsequenz aus dem Rn 11 Gesagten und sichert die Gleichbehandlung. 4.

JStrafe zwischen einem und zwei Jahren

10 Die Voraussetzungen nach der alten Fassung des Abs. II, nämlich „bes. Umstände in der Tat und in der Person des J " wurden in einer Art „Strafrechtsreform . . . durch die Rechtsprechung" (Lintz JR 78, 33) in steigendem Maße täterfreundlich ausgelegt. Dies geschah in der Erkenntnis, daß bei J und Hw. entwicklungstypische Motivationen als „bes. Umstände in der Tat" zu bewerten seien und diese mit weiteren Besonderheiten einen ausreichenden Ausnahmefall kennzeichnen können (BGH 24,363; BGH GA 74,343; BGH B NStZ 81,251; BGH NStZ 84,361; BGH 87, 306). So wurde einem J, der dem Imponiergehabe des führenden Mittäters erlegen war, später aber zur Tataufklärung beigetragen und sich günstig entwikkelt hatte, nach Abs. II aF Bew. eingeräumt (BGH B NStZ 85,448), wie auch einem türkischen J wegen des Spannungsfeldes zu den Anforderungen seiner nach türkischen Lebensumständen ausgerichteten familiären Umgebung (AG Hamburg StV 84, 31; vgl. näher Einf. I 17 ff, bes. 19 u. 22). Zu günstiger Bewertung wurden reifebedingte Gegebenheiten und der ErzGedanke herangezogen (BGH H MDR 79,107; BGH B NStZ 81, 250; BGH NStZ 86,379; BGH B NStZ 88,492) und 208

Strafaussetzung

$21

gewichtige Milderungsumstände in der Täterpersönlichkeit auch berücksichtigt, wenn sie erst nach der Tat lagen (BGHB NStZ 81,251; BGH GA 83,218; StV 86,307 u. StV 87, 306). Durch die Neufassung des Abs. II durch das 1. JGGÄndG ist nicht mehr die Bew., 11 sondern deren Versagung der Ausnahmefall. Bei JStrafe zwischen 1 und bis zu 2 Jahren muß also bei Vorliegen der auch hier geforderten Voraussetzungen des Abs.I (Rn4—8) Bew. bewilligt werden, falls nicht ausnahmsweise die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des J geboten ist (BGH StV 91, 423; vgl. weiter R n l l a ) . Dies entspricht dem Vorschlag der JStrafvollzugskommission (Schlußbericht 1980 S. 8) und folgt der Erkenntnis und Erfahrung (RegE zum EGStGB, BT-Drs. VI/3250 S. 314f; RegE eines 1. JGGÄndG, BTDrs. 11/5829 S. 20), daß „mit der obligatorischen BewHilfe im JStrafrecht eine Behandlungsart zur Verfügung steht, die bei günstigen Voraussetzungen ebenso gut oder sogar besser geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, als dies bei einer stationären Behandlung in einer JStrafanstalt der Fall ist". Damit hilft die Neufassung der Praxis und ermöglicht es auch bei schwereren Taten oder erheblicherer Belastung des J, dem Subsidiaritätsgrundsatz (Einf. II 18-21) folgend ambulante Maßnahmen den stationären vorzuziehen. Was der BGH (StV 89, 478) zu Zumessungserwägungen über die entsozialisierenden Wirkungen einer längeren Freiheitsstrafe für Erw. ausgeführt hat (dazu näher $ 18,8 a), gilt für J in erhöhtem Maße. Nach der Neufassung von Abs. II ist es fehlerhaft, die Strafaussetzung abzulehnen, weil die Taten keinerlei bes. Umstände aufweisen, die es rechtfertigen könnten, die JStrafe nicht zu vollstrecken (BGH StV 91, 424). Die obligatorische Aussetzung zur Bew. wird bei Abs. II nur durchbrochen, wenn I I a die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des J geboten ist. Diese Einschränkung ist bewußt (BT-Drs. 11/5829 S. 20) und deutlich von Abs.I abgesetzt, wo Gründe der Erz., die auch bei der Strafbemessung entscheidendes Gewichthaben ($S 17 II, 18 II), in die Sozialprognose hineinwirken. Bei Abs. II dürfen also erz. Gründe nicht nochmals eine - und hier dem J nachteilige (vgl. dazu Einf. II 10) - Wirkung entfalten. Der Begriff „Entwicklung" schließt auch klar eine Einschränkung aus Gründen der Verteidigung der Rechtsordnung, einem Teilaspekt der Generalprävention, aus, was der schon bisher hM für das JStrafrecht entspricht (vgl. Rn8). Trotz günstiger Prognose kann im Einzelfall die - insbes. auch absehbare - Entwicklung des J oder Hw. aus weiteren Gründen gegen die Aussetzung der JStrafe sprechen. Das trifft insbes. JStrafen wegen Schwere der Schuld (dazu näher $ 17,15 a), auch bei gut eingeordneten J, bei Konflikttaten und bei Verführung. Denn es kann sowohl eine JStrafe von mehr als 2 Jahren als auch Strafaussetzung bei der geringeren Strafe unangemessen sein und auch vom J so empfunden werden (vgl. Böttcher/Weber NStZ 91,8). Böhm (NJW 91,537) kann sich bei guter Prognose einen Grund zur Vollstreckung in der Entwicklung des J nicht vorstellen. Auch nach Westphal (S. 249) hat Abs. II keinerlei eigenständige Bedeutung. Bestimmte Delikte dürfen nicht grds. eine Strafaussetzung zur Bew. verhindern (schon BGH 6, 300). 209

2. Teil. Jugendliche IIb

Für die Anwendung des A b s . n ist eine G e s a m t w ü r d i g u n g von Tat und Täterpersönlichkeit erforderlich (BGH StV 96, 270). Auch bei der Frage, ob die Strafvollstreckung i m Hinblick auf die Entwicklung des J geboten ist, wird wiederum der Subsidiaritätsgrundsatz (vgl. R n l l aE) entscheidend. Denn auch drohenden Entwicklungsschäden kann mit geeigneten therapeutischen oder sonstigen ambulanten Maßnahmen entgegengetreten werden (SS 2 3 , 1 0 , 1 5 ) . Erz. Erwägungen, die allerdings nur bei der Prüfung der Voraussetzungen des Abs. I eine wesentliche Rolle spielen, fordern und rechtfertigen es, auch ein Risiko zu übernehmen; dieser das gesamte JStrafrecht beherrschende Grundgedanke darf und soll bei der Prüfung der Frage, ob die Entwicklung des J die Vollstreckung fordert, zu dessen Gunsten ins Gewicht fallen. Ist die negative Entwicklung noch nicht zu eingefahren, können sorgsam gewählte Auflagen im Zusammenwirken mit der drohenden Vollstreckung möglicherweise die weitere Entwicklung günstig beeinflussen. Die Aussetzung nach Abs. II kann auch bei Tatbegehung während einer laufenden BewZeit gerechtfertigt sein, wenn der durch UHaft beeindruckte Täter sich bemüht, sein bisheriges Leben zu verändern, in einem festen Arbeitsverhältnis steht, wieder bei seinen Eltern wohnt und versucht, seine Alkoholprobleme in den Griff zu bekommen (BGH StV 96, 271). Die schwierige und entscheidend eingreifende Ausnahmeentscheidung nach Abs. II setzt eine eingehende Persönlichkeitserforschung und die prognostische Beurteilung (vgl. Einf. I 52) des Entwicklungsganges voraus, was zu bes. Vorsicht mahnt. In der BT-Drs. 11/5829 S. 20 wird sogar darauf hingewiesen, daß auf Beratung durch einen Sachverständigen (S 4 3 II) meist nicht verzichtet werden könne, wenn ein solcher Ausnahmefall naheliege.

11 c

Die Neufassung des Abs. II entspricht mit der Erleichterung der Strafaussetzung dem Bedürfnis und Wunsche der Praxis, was sich auch in den Zahlen der BewHilfestatistik zeigt. Es ist nun der Weg frei, für die J und Hw. „die Möglichkeiten des modernen Strafrechts möglichst individualisierend und iSd k o n t r o l l i e r t e n Risikos d e r Resozialisierung anzuwenden" (Kerner in 4 0 Jahre Bundesrepublik 4 0 Jahre Rechtsentwicklung, 1990 S. 371). Zugleich führt auch hier das stets zu beachtende Grundprinzip der Erz. zu dem J günstigen Lösungen. 5.

12

W e i t e r e Einzelheiten

Es kann immer nur die g a n z e Strafe ausgesetzt werden (Abs. III 1). Doch hindert die Anrechnung von UHaft (BGH 6 , 3 9 1 ) oder vorher verbüßter JA oder JStrafe im Falle des S 31 II die Strafaussetzung nicht (Abs. III 2; R n 5 ) . Nach Vollstreckung eines Teils ist Aussetzung des Strafrestes gemäß $ 88 möglich.

13

Strafaussetzung zur Bew. wird im Anschluß an die Verhandlung durch Urteil oder nachträglich durch Beschluß angeordnet ($ 57). Zur Ablehnung der Bew. im Tenor u. Ankündigung einer Überprüfung im Beschluß S 57, 1; zur Abstimmung S 57, 11. Das Erw.-Gericht m u ß die F o l g e - E n t s c h e i d u n g e n (SS 2 2 - 2 6 a) d e m JRichter ü b e r t r a g e n , in dessen Bezirk sich der J oder Hw. aufhält (S 104 V 1). Zum

210

Strafaussetzung

$21

Verhältnis der „schädlichen Neigungen" zu $ 21 vgl. $ 1 7 , 2 2 ; zum Vorbehalt nach § 57 u. Ankündigung der Überprüfung $ 57, 9; bes. vor $ 82, 4 aE. Mit der Anordnung der Strafaussetzung sollen helfende und spürbare Weisungen 14 und Auflagen angeordnet werden ($ 23); gleichzeitig m u ß ein Bew-Helfer bestellt werden (§ 24; vgl. § 23,3). Zur Bew. ausgesetzte JStrafe bis zu 2 Jahren wird nicht in das Führungszeugnis aufgenommen (S 32 II Nr. 3 BZRG; Vorb. vor $ 97, 21). Urteilsfassung S 54; Urteilsbegründung RL 3, $ 54, 15; Rechtsmittel § 59, 1 f. Schweigen die Urteilsgründe zu einer Strafaussetzung, obwohl nach den Fest- 15 Stellungen eine solche Erörterung nicht fernliegt, so liegt darin ein sachlichrechtlicher Mangel (BGH Beschlüsse v. 31.7.1978 - 4 StR 378/78 - u.V. 7.9.1978 - 4 StR 456/78 -). Vgl. aber § 57, 2. 6.

Strafaussetzung für Drogentäter

Die dem Vollstreckungsleiter eingeräumte Möglichkeit, bei Betäubungsmittel- 16 abhängigen nach § 35 BtMG die Strafvollstreckung zurückzustellen, enthebt den erkennenden JRichter nicht der Verpflichtung, auch hier die Voraussetzungen nach S 21 zu prüfen und vorrangig hierüber zu entscheiden (näher § 17, 26; insgesamt S 17, 23 ff). Bei JStrafe (zu den Voraussetzungen „Schwere der Schuld" u. „schädliche Nei- 17 gungen" bei Drogenabhängigen s. § 17,13,22b, 25; Brunner ¡R 73,89 ff u. Zbl. 80, 415 ff) kann der Therapiewille des Drogenabhängigen unter Annahme günstiger, hier notwendig bes. risikobelasteter Sozialprognose (Rn 6) durch Strafaussetzung berücksichtigt werden, wobei der das JStrafrecht beherrschende ErzGedanke zu weitergehenden Entscheidungen als bei Erw. führen kann (BGH Spiegel DAR 79, 184; OLG Düsseldorf StV 83, 373; Rn 10). Entscheidend ist es, durch bes. auf die Täterpersönlichkeit abgestimmte BewWeisungen nach SS 231,10 (Entziehungskur, S 10,18 ff; Aufenthalt, Arbeit, Herausnahme aus gefährdenden Gruppierungen $ 10,8,8 a, 9,13; allg. zu Weisungen u. Auflagen an Drogentäter $ 10,19 a, 23, 24; S 15, 17) die Entscheidung zu stützen, den Probanden zu leiten und zu motivieren (Einf. I 49-51) und eine therapeutische Kette zur Beseitigung der psychischen Abhängigkeit aufzubauen. Bei noch bestehender physischer Abhängigkeit verspricht eine ambulante Behandlung kaum Erfolg. Unmittelbar vor der Hauptverhandlung erlittene UHaft kann im Einzelfall das Risiko der Prognose vermindern und für den Abhängigen eine wertvolle Motivationshilfe sein. Der BGH (B NStZ 89,522) hat bei einer Konsumentin von Heroin und Kokain eine für Bew. günstige Sozialprognose gebilligt, weil sie nach der Inhaftierung drogenfrei geblieben war, freiwillig und konstruktiv an einer ambulanten Drogentherapie teilgenommen und ihr Verhältnis zu den Eltern verbessert hatte. Zu Vorstrafen Rn6a. Die an sich möglichen freiwilligen Zusagen (S 23 II; näher S 23, 8) sollte man bei Drogenabhängigen schon deshalb nicht genügen lassen, weil sie ohne Hilfe außerstande sind, solche einzuhalten, weil der unmittelbare Motivations211

2. Teil. Jugendliche druck der drohenden Strafe fehlt u n d weil bei ernstlichem Versagen nicht p r o m p t Widerruf der Bewährung folgen kann, sondern erst m i t therapiefeindlicher Verz ö g e r u n g erstmals eine entsprechende BewAuflage erteilt werden m u ß . Eine verständnisvolle, aber auch sorgfältige F ü h r u n g u n d Überwachung durch BewH e l f e r ist f ü r den Erfolg entscheidend (zu praktischen Erfahrungen des Sozialarbeiters im U m g a n g mit Drogenabhängigen s. Butzko BewH 82, 245), denn es fehlt zumeist das gesicherte Umfeld und auf Vorsätze und Ausdauer des Abhängigen k a n n m a n k a u m bauen. Der BewHelfer m u ß die Weisungen überwachen u n d soll Verbindung zu geeigneten Einrichtungen haben, u m d e m Probanden wirklich helfen u n d ihm auch das verführerische Scheinargument nehmen zu k ö n n e n , er sei besten Willens, aber außerstande, bei einer solchen Einrichtung a n z u k o m m e n . So wird auch die notwendige Effizienzkontrolle (Barth Die medizinische Welt 1973 Nr. 3) gewährleistet, der auch Urinkontrollen (zur Zulässigkeit § 1 0 , 1 4 a) dienen; zur Verweigerung einer Urinprobe LG Kleve NStZ 8 9 , 4 8 . Über eine Abnahme positiver Befunde bei Urinkontrollen als BewWeisung berichten Leber/Friedrich/Weigend BewH 93, 186; dazu kritisch Faller BewH 93, 357. Urinkontrollen k ö n n e n nur als Weisung u n d nicht als Auflage aufgegeben werden (LG Detmold StV 99, 662). Es zeigt die Praxis, d a ß bei allen Enttäuschungen, die Helfer im Drogensektor auf sich nehmen müssen, eine gezielte Betreuung durch einen BewHelfer unter Strafdruck - zugleich u n t e r intensiver ambulanter Bemüh u n g u n d F ü h r u n g - die Strafaussetzung f ü r Drogenabhängige davor bewahren k a n n , eine „Entlassung in den Rückfall" (so aber Körner ZRP 80,57) zu werden. Es m u ß hier aber vermerkt werden, daß, was Therapeuten leicht übersehen, Fälle bleiben, bei denen der bindende Gesetzesauftrag, insbes. bei krimineller Verflechtung, d e m Richter auch und gerade bei Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit n u r auf JStrafe ohne Bewährung zu erkennen erlaubt (vgl. dazu aber auch § 17,23). Z u m Widerruf der Strafaussetzung bei Drogentätern § 26 a, 16; z u r Aussetzung des Restes einer JStrafe $ 8 8 , 1 4 . Z u r Entziehungskur § 1 0 , 1 8 ff. Z u Therapieeinrichtungen Einf. 151 u. $ 10,19 a. Zur Entziehung der Fahrerlaubnis § 7,13. Allg. Einf. I 49 - 51. Weitere Hinweise Einf. I 51 aE. 18 Geltung des § 21 nach der Anlage I z u m Einigungsvertrag: $ 1, 6 d dortiger § 2 u n d 4.

$ 22 Bewährungszeit (1) D e r Richter b e s t i m m t d i e Dauer der Bewährungszeit. Sie darf drei Jahre n i c h t überschreiten und z w e i Jahre n i c h t unterschreiten. (2) D i e B e w ä h r u n g s z e i t b e g i n n t m i t der Rechtskraft der E n t s c h e i d u n g über d i e A u s s e t z u n g der Jugendstrafe. Sie k a n n nachträglich bis auf e i n Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf vier Jahre verlängert werden. In d e n

212

Bewährungszeit

$22

Fällen des $ 21 Abs. 2 darf die Bewährungszeit jedoch nur bis auf zwei Jahre verkürzt werden. 1. Hw.-J: $ 105 I. - 2. ErwG: $ 104 I Nr. 1, V 1; § 21, 13 aE, $ 58, 8. Das Gesetz kennt nur eine bestimmte BewZeit zwischen 2 und 3 Jahren. Wegen der 1 Unsicherheit aller Voraussagen ist streitig, ob sich der Richter am Mindestmaß (so tendenziell Eisenberg 3; Ostendorf 2 u. StV 87,320) oder am Höchstmaß orientieren soll. Es kommt auf den Einzelfall an, im übrigen ist Verkürzung oder Verlängerung (Rn3 u. 4) möglich. Die BewZeit beginnt mit der Rechtskraft des Urteils oder Beschlusses, welche die 2 Strafaussetzung anordnen ($ 57). Der Endtermin wird am besten durch ein Datum festgelegt (zust. Eisenberg 4; aA O Stendorf u. StV 87,321). Andernfalls ist das Ende nach $ 188 BGB zu berechnen. In der BewZeit erlittener Freiheitsentzug verlängert jene nicht (Dreher Anm. zu OLG Braunschweig NJW 64, 1581, das nach der Länge der Zeit differenziert; zust. Ostendorf 6; Eisenberg 10 eher verneinend). Für die Dauer der BewZeit ist dem BewH als Person ein Amt übertragen (Neupert BewH 82, 313). Verkürzung auf ein Jahr ist nach pflichtgemäßem Ermessen möglich, etwa bei 3 unerwartet günstiger Entwicklung und rascher Resozialisierung. Wurde jedoch eine JStrafe von mehr als 1 Jahr zur Bew. ausgesetzt ($21 II), darf die BewZeit nur bis auf 2 Jahre verkürzt werden (§ 22 II 3). Eine Verlängerung der BewZeit ist auf längstens 4 Jahre möglich. Anstelle eines 4 sonst gebotenen Widerrufs kann die Verlängerung der BewZeit auch nach deren Ablauf erfolgen (OLG Stuttgart MDR 81, 69; OLG Koblenz NJW 81, 1971; OLG Karlsruhe Justiz 82, 437; OLG Düsseldorf MDR 85, 516; OLG Köln StV 96, 218 jeweils zu $ 56 f StGB; Eisenberg 9; Ostendorf 4; DSS/Sonnen $ 26,16; aA OLG Hamm MDR 80,1036 u. NJW 81,697; OLG München MDR 82,689 jeweils zu § 56 f StGB aF; Hein NStZ 83, 252). Kann die Bew. auch nach Ablauf der BewZeit widerrufen werden, darf die Möglichkeit der Widerrufsvermeidung durch Verlängerung der BewZeit nicht genommen werden (Eisenberg $ 26 a, 11). Die nachträgliche Verlängerung schließt sich unmittelbar, also rückwirkend, an die ursprüngliche BewZeit an; eine Straftat zwischen dem Ende der ursprünglichen BewZeit und dem Verlängerungsbeschluß darf aber nicht zum Widerruf führen, weil der Verurteilte zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, ob die BewZeit weiterläuft (OLG Schleswig NStZ 86,363; SchlHA98,116; OLG Stuttgart Justiz 98,131,jeweils zu§ 56fStGB; Dölling NStZ 89, 348; Ostendorf % 26, 12). Die BewZeit darf bis zum Höchstmaß verlängert werden, wenn die bisher festgesetzte BewZeit bei den dem Verurteilten möglichen Ratenzahlungen die auferlegte Schadenswiedergutmachung sonst nicht erreicht (OLG Hamburg MDR 80, 246; aA Ostendorfs, weil damit der Tatbezug nicht beachtet werde). Wegen der prozessualen Fragen $$ 58, 59 II.

213

$23

2. Teil. Jugendliche

5 Die Vollstreckungsverjährungsfrist verlängert sich um die tatsächliche BewZeit ($$ 79 a Nr. 2 b StGB, 2 JGG). 6

Geltung der SS 2 2 - 2 6 a nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: S 1,6 d dortiger S4.

$ 23 Weisungen und Auflagen (1) Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen erzieherisch beeinflussen. Er kann dem Jugendlichen auch Auflagen erteilen. Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. Die SS 10, 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 gelten entsprechend. (2) Macht der Jugendliche Zusagen für seine künftige Lebensführung oder erbietet er sich zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht der Richter in der Regel von entsprechenden Weisungen oder Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung der Zusage oder des Anerbietens zu erwarten ist. 1. Hw.-J: S 105 I; S 10, 4 und S 15, 2. - 2. ErwG: $ 1041 Nr. 1, V1; § 2 1 , 1 3 aE, $ 58, 8. - 3. Sold. Rn 3. Richtlinien zu $ 23:

1. Wegen des Inhalts von Weisungen und Auflagen im Rahmen der Bewährung wird auf die Richtlinie Nr. 1 zu $ 10 und die Richtlinien Nrn. 1 bis 3 zu $ 15, wegen der Kosten ihrer Durchführung auf die Richtlinie Nr. 6 zu $ 10 hingewiesen. 2. Für die nachträgliche Änderung von Weisungen oder Auflagen gilt die Richtlinie Nr. 1 zu S 11 entsprechend. 3. Die Weisungen oder Auflagen werden in einem Bewährungsplan zusammengestellt, der dem Jugendlichen auszuhändigen ist ($ 60). 4. Für die Befragung, ob der Jugendliche Zusagen machen oder sich zu Leistungen erbieten will, gilt $ 57 Abs. 3 Satz 1.

1 Der J soll in der BewZeit intensiv erzogen und muß deshalb - bis auf ganz wenige Ausnahmen - einschneidenden („die Lebensführung beeinflussenden") Weisungen oder (und) Auflagen unterworfen werden, die seiner Persönlichkeit und seinen Lebensverhältnissen entsprechen. Sie haben neben der Erz.- auch Ahndungsfunktion (Itzel 1987 S. 39; Miete Die Bedeutung der Tat, 1964 S. 56 ff; Ulmschneider Durchführung, Erfolg u. rechtl. Grenzen der BewAuflage bei J, Diss. Kiel 1966 5. 195; aA Eisenberg 5). Die Strafaussetzung zur Bew. sollte in ihrer Wirkung regelmäßig nicht wesentlich hinter dem Strafvollzug zurückbleiben (Potrykus B 1), denn während der BewZeit steht der J nach Hellmer (Die Strafaussetzung im JStrafrecht, 1959 S. 56) „in einer vom Staat abgeleiteten und zweckgebundenen Freiheit". 214

Weisungen und Auflagen

$23

Als BewAuflage sind nur Weisungen (5 10) und Auflagen (S 15) vorgesehen. Grds. 2 gilt das dort Gesagte, bes. die Warnung vor jedem Schema und das in SS 1012, 151 Nr. 3 S. 2 normierte Verbot, unzumutbare Anforderungen zu stellen ($ 10, 7; S 15, 11). Zur unzulässigen Weisung „allen Weisungen des BewHelfers Folge zu leisten": Rn3; zur Unzulässigkeit der in $ 15 nicht vorgesehenen Auflage, Geldzahlungen an die Landeskasse zu leisten, OLG Zweibrücken NStZ 92,84 mit Anm. Ostendoif. Die Maßnahmen haben jedoch als BewAuflagen durch die Drohung des Widerrufs ein größeres Gewicht und noch dort Erfolgsaussichten, wo Weisungen und Auflagen ohne den Druck der Strafaussetzung nicht mehr am Platze wären. Oft sind Weisungen angezeigt, die die Durchführung der BewAufsicht erleichtern, ja eine sinnvolle Betreuung häufig erst ermöglichen, etwa die Verpflichtung, den Vorladungen des BewHelfers zur Sprechstunde Folge zu leisten. Der JRichter darf den J anweisen, sich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bemühen (vgl. BVerfG NJW 83, 463; näher 10, 8 a u. 6) und Wohnung sowie Arbeitsplatz nur mit Genehmigung des BewHelfers zu wechseln (BVerfG NStZ 81, 21; vgl. $ 7, 8 u. insbes. $ 10, 6 je aE; zum Teil zweifelnd Eisenberg 16). Die Anordnung einer „elektronischen Fessel" kommt - mit Einwilligung des J allenfalls dann in Betracht, wenn andernfalls eine Strafaussetzung nicht verantwortet werden könnte (vgl. LG Frankfurt NJW 01, 697 zu $ 56 c StGB; für Notwendigkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung Ostendoif ZRP 97, 475; Walter ZfStrVo. 99, 291). Zur Arbeitssuche s. $ 10, 8 a. Die Auflagen sind auf die obligatorische Mitwirkung des BewHelfers (§ 24) 3 abzustellen, wobei beachtet werden muß, daß BewZeit und Zeitraum der Unterstellung unter den BewHelfer auseinanderfallen können und zumeist auch werden (näher S 25, 1 u. 1 a). Sie flexibel zu gestalten, empfiehlt Müller-Engelmann BewH 82,335. Zu spezielle Auflagen würden die Tätigkeit des Bewährungshelfers ungünstig einengen (Dallinger/Lackner S 24, 33). Oft genügt die Weisung, sich der Aufsicht und Leitung des BewHelfers generell oder im Hinblick auf ein bestimmtes Gebiet (Arbeit, Freizeit, Geld) zu unterstellen. Fügt sich der J nicht und verweigert er den Gehorsam bes. gegenüber Ratschlägen, deren Nichtbefolgung den Erfolg der Bew. in Frage stellt, kann der JRichter gem. S 2313 entsprechende Weisungen erteilen (Berndt BewH 63,229). Dem BewHelfer kann dieses staatliche Hoheitsrecht nicht übertragen werden (Pente NJW 58,1768; Berndt BewH 63,229; näher $ 10,10). Bei Soldaten soll der Richter die Besonderheiten des Wehrdienstes berücksichtigen und erteilte Weisungen und Auflagen diesen Besonderheiten anpassen (S 112 a, 4; $ 11, 3; S 15, 15). Nach $ 112d soll vorher der nächste Disziplinarvorgesetzte gehört werden. Die Auflagen im einzelnen können nur für die BewZeit getroffen werden, sich 4 innerhalb dieser aber auch auf einen kürzeren Zeitraum erstrecken oder sich in einem einmaligen Tun erschöpfen. Die Auflagen im Bereich des BewVerfahrens können auch erst nachträglich 5 getroffen, aufgehoben oder - sogar zuungunsten (näher S 55,32) - geändert, auch durch andere ersetzt werden, wenn neue tatsächliche Umstände eingetreten 215

2. Teil. Jugendliche

oder schon früher vorhandene Tatsachen nachträglich bekannt geworden sind (BGH NJW 82,1544 = JR 82, 338 mit zust. Anm. Meyer, dazu näher § 55, 32; OLG Nürnberg GA 62, 91; OLG H a m m NJW 76, 527 u. 78, 1596; Tröndle/Fischer $ 56 e StGB R n l ; LK/Gribbohm $ 56 e StGB 3). Es genügt auch, daß der Richter nach pflichtgemäßem Ermessen bekannte Umstände durch neue Einsichten anders beurteilt (Tröndk/Fischer aaO); eine bloße Änderung der Bewertungsmaßstäbe reicht allerdings nicht aus (Tröndk/Fischer aaO). Die Entscheidungen über BewAuflagen enthalten keine endgültigen Anordnungen ($ 2313), was es ermöglicht, den Behandlungsplan der weiteren Entwicklung des J, seinen Fortschritten und Rückschlägen oder einer einschneidenden Veränderung seiner Lebensverhältnisse anzupassen (RL 2 iVm RL 1 z u $ 11). Zust. Ostendotf 11; einschränkend gegen hM Eisenberg 8, 9. 6 Die BewAuflagen können sogar erst nachträglich getroffen werden, was dann zweckmäßig ist, wenn noch Ermittlungen über die günstigste Möglichkeit der Beeinflussung geführt werden müssen. Sinnvolle Auflagen sind häufig erst nach dem Erstbericht des BewHelfers über Persönlichkeit und Umwelt des Verurteilten möglich; im Hinblick auf die Abänderbarkeit können zur Überbrückung der Zwischenzeit vorläufige Auflagen angeordnet werden. Ostendorf 10 hingegen sieht hierin eine etappenweise Sanktionierung mit unangemessener Härte. 7 Kommt der Proband den als BewAuflagen erteilten Weisungen oder Auflagen schuldhaft nicht nach, so kann JA verhängt werden, wenn eine Belehrung über die Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung - zweckmäßigerweise bei der Belehrung über die Strafaussetzung und (oder) mit dem Bewährungsplan ($ 60, 9) erfolgt war ($$ 23 I 4, 11 III, 15 III 2). Es gelten die in § 11, 4 dargelegten Grundsätze. Diese Regelung entspricht einer ständig erhobenen Forderung der Praxis; rasch verhängter JA kann den Widerruf vermeiden helfen. Wegen Nichtbefolgung der unzulässigen Auflage, einen Geldbetrag an die Landeskasse zu zahlen, darf JA nicht verhängt werden (OLG Zweibrücken StV 91, 425 = NStZ 92, 84 mit Anm. Ostendotf). 8 Abs. II ermöglicht es, bei Zusagen und Anerbieten angemessener Leistungen vorläufig von Auflagen abzusehen und dem J selbst die Initiative für eine Genugtuungsleistung zu überlassen. Dies kann ein wirksamer Appell an den guten Willen und das Ehrgefühl des J sein. In der Ausnahmesituation der Hauptverhandlung (Einf. I 53) jedoch wird der J idR mit einer solchen Entscheidung überfordert, selbst wenn er vorher von Eltern und JGH oder Verteidiger beraten wurde und der Richter zu ruhigem Gespräch die nötige Zeit findet. Das Ob und Wie der Fragestellung fordern pädagogisches Einfühlungsvermögen. Nur der Gutwillige wird hierdurch angesprochen werden und nicht nur eine augenblickliche Ausflucht suchen; häufig dagegen wird der J nur die Alternative Freiheit oder Strafe sehen und die Last seiner Anerbieten unter-, seine Möglichkeiten aber überschätzen. Auf in dieser Situation naheliegende Versprechungen, die zum Inhalt eines BewVerfahrens zu machen nichts helfen würde, darf der Richter nicht eingehen ($ 23 II „idR"). Es bietet sich das nachträgliche - hier notwendig 216

Bewährungshilfe

mündliche - Beschlußverfahren gem. $ 571 an (RL 4; $ 57,5); dies auch deshalb, weil eine positive Beantwortung des J mit dem Verteidigungsvorbringen uU unvereinbar sein könnte (Thiesmeyer RdJ 70, 33). Ostendorf (7) empfiehlt, in der Hauptverhandlung auf Zusagen und Anerbieten erst einzugehen, wenn die Frage nach den Straftatvoraussetzungen informell beantwortet ist (informelles Schuldinterlokut). - Hält der J seine Zusagen nicht ein, so ist dies kein Widerrufsgrund (s. $ 26 a, 6), sondern Anlaß, einen entsprechenden Auflagenbeschluß zu erlassen, der dann allerdings mit Ungehorsamsarrest bewehrt ist. Die Überwachung obliegt nicht der JGH, sondern dem BewHelfer ($ 241). Durch- 9 suchungen und Beschlagnahmungen zur Überwachung der Lebensführung während der BewZeit sind nicht zulässig (KG NJW 99, 2979). Zu prozessualen Fragen u. BewPlan RL 3 u. §$58-60, insbes. § 2 6 a , 15; zur 10 Anfechtung % 59, 6; zum Verschlechterungsverbot § 55, 31, 47. Zur Bestellung eines Betreuungshelfers (§ 10) bei vollziehbarer JStrafe § 17, 22 a. Geltung des $ 23 nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: $ 1,6 d, dortiger § 4. 11

$ 24 Bewährungshilfe (1) Der Richter unterstellt den Jugendlichen in der Bewährungszeit für höchstens zwei Jahre der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers. Er kann ihn auch einem ehrenamtlichen Bewährungshelfer unterstellen, wenn dies aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint. $ 22 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend. (2) Der Richter kann eine nach Absatz 1 getroffene Entscheidung vor Ablauf der Unterstellungszeit ändern oder aufheben; er kann auch die Unterstellung des Jugendlichen in der Bewährungszeit erneut anordnen. Dabei kann das in Absatz 1 Satz 1 bestimmte Höchstmaß überschritten werden. (3) Der Bewährungshelfer steht dem Jugendlichen helfend und betreuend zur Seite. Er überwacht im Einvernehmen mit dem Richter die Erfüllung der Weisungen, Auflagen, Zusagen und Anerbieten. Der Bewährungshelfer soll die Erziehung des Jugendlichen fördern und möglichst mit dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter vertrauensvoll zusammenwirken. Er hat bei der Ausübung seines Amtes das Recht auf Zutritt zu dem Jugendlichen. Er kann von dem Erziehungsberechtigten, dem gesetzlichen Vertreter, der Schule, dem Ausbildenden Auskunft über die Lebensführung des Jugendlichen verlangen. 1. Hw.-J: § 1051. - 2. ErwG: § 1041 Nr. 1, V 1; § 21,13 aE, $ 58,8. - 3. Sold. Rn 13. Anmerkungen und Richtlinien hierzu nach $ 25. 217

2. Teil. Jugendliche

$ 25 Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers Der Bewährungshelfer wird vom Richter bestellt. Der Richter kann ihm für seine Tätigkeit nach 5 24 Abs. 3 Anweisungen erteilen. Der Bewährungshelfer berichtet über die Lebensführung des Jugendlichen in Zeitabständen, die der Richter bestimmt. Gröbliche oder beharrliche Verstöße gegen Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten teilt er dem Richter mit. 1. Hw.-J: $ 105 I. - 2. ErwG: 5 1041 Nr. 1. - 3. Sold. Rn 13. Richtlinien zu SS 24 und 25: 1. Da der Bewährungshelfer seine Überwachungsaufgaben im Einvernehmen mit dem Gericht erfüllt und das Gericht ihm auch für seine betreuende Tätigkeit Anweisungen erteilen kann, ist eine enge persönliche Zusammenarbeit zwischen Gericht und Bewährungshelfer unerläßlich. Es empfiehlt sich jedoch, die Selbständigkeit des Bewährungshelfers bei der Betreuung des Jugendlichen möglichst nicht einzuschränken. 2. Das Gericht unterstützt den Bewährungshelfer in dem Bemühen, ein persönliches, auf Vertrauen beruhendes Verhältnis zu dem Jugendlichen zu gewinnen. 3. Um die Entwicklung des Jugendlichen während der Bewährungszeit beobachten zu können, empfiehlt es sich, dem Bewährungshelfer zur Pflicht zu machen, in anfangs kürzeren, später längeren Zeitabständen über seine Tätigkeit und über die Führung des Jugendlichen zu berichten (5 25 Satz 3). Ferner empfiehlt es sich, darauf hinzuwirken, daß der Bewährungshelfer nicht nur gröbliche und beharrliche Verstöße des Jugendlichen gegen Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten ($ 25 Satz 4), sondern auch alles Wesentliche mitteilt, was ihm über die Entwicklung des Jugendlichen, seine Lebensverhältnisse und sein Verhalten bekannt wird. Besondere Vorfälle teilt der Bewährungshelfer dem Gericht sofort mit. Für den Schlußbericht des Bewährungshelfers wird auf die Richtlinie Nr. 1 zu $$ 26, 26 a hingewiesen. 4. Gegenüber anderen Personen und Stellen wird der Bewährungshelfer Verschwiegenheit wahren, um insbesondere auch das für die Erziehungsarbeit notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Jugendlichen nicht zu beeinträchtigen. Dies gilt nicht im Verhältnis zu den dienstaufsichtsführenden Stellen. 5. Vor Bestellung eines ehrenamtlichen Bewährungshelfers soll seine Eignung für die Betreuung des Jugendlichen sorgfältig geprüft und seine Einwilligung eingeholt werden. 6. Soweit in den Ländern für die Tätigkeit der Bewährungshilfe, auch im Rahmen der Führungsaufsicht (§5 6 8 ä f f . StGB), spezielle Verwaltungsvorschriften ergangen sind, wird auf diese hingewiesen. Schrifttum: Ayass RegE zur Änderung des JGG, BewH 9 0 , 1 1 7 ; Becher Beiträge zur rechtlichen Stellung des BewHelfers, Diss. Hamburg 1966; Becker Bew. u. BewHilfe, Diss. Münster 1961; Block Rechtliche Strukturen der Sozialen Dienste in der Justiz, 2. Aufl. 1997; Brause Datenschutz in der Bew- u. Gerichtshilfe unter Berücksichtigung Thüringens, BewH 96, 221; Bruns Die Schweigepflicht der Sozialen Dienste der Justiz, 1996; Butzko Praktische Erfahrungen des Sozialarbeiters im Umgang mit Drogenabhängigen, BewH 8 2 , 2 4 5 ; Comel Rechtl. Aspekte der Wahrnehmung der Dienst- u. Fachaufsicht im Bereich der BewHilfe, GA 9 0 , 5 5; ders. Probanden der BewHilfe für J u. Hw. in Berlin, BewH 00, 302; Cyrus Ehrenamtliche Laienhelfer... in der BewH, BewH 82, 357; Damian Geheimnisschutz u. Offenbarungspflichten in der BewHilfe, BewH 92, 325; Foth Grenzen der Berichtspflicht des BewHelfers, BewH 87, 194; Friedrichs Stellung, Aufgabe u. Arbeitsweise des BewHelfers, Sozialpädagogik u. ihre Theorie, 1968 S. 310; Fünftinn BewHilfe u. Datenschutz im Strafverfahren, BewH 9 3 , 1 1 7 ; Gräber Die Stellung des BewHelfers in Strafrechtspflege u. Justizverwaltung, BewH 8 2 , 3 0 2 ; Helgerth Das Verhältnis BewH u. Proband - Rechtliche Aspekte, BewH 81, 248; Helimer Die rechtl. Stellung des

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Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers

$25

BewHelfers, RdJ 57, 383; Hesener Die Arbeitsbeziehung BewHelfer - Proband, 1986; Kerner Strukturen von „Erfolg" u. „Mißerfolg" der BewHilfe, BewH 77,285; Middendorff/Schnitzerling/ Jung Praktische BewHilfe, 1957; Naß BewHilfe, 1968; H. Peters/Cremer-Schäfer Die sanften Kontrolleure, 1975; Posch Die Beziehungsarbeit der BewHelfer, DVJJ-J 99, 366; Posser 20 Jahre BewHilfe in Nordrhein-Westfalen, 1973; Pottykus JRecht in den Strafrechtsreformgesetzen, Zbl. 70, 5; Schmitt Verschwiegenheitspflicht - Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Neue Wege der BewHilfe, BewH 92, 359; Schünemann BewHilfe bei J u. Hw., Diss. Göttingen 1971; Schwarz Profis u. Ehrenamtliche, BewH 90, 50; Sinälinger Zur Berichtspflicht des BewHelfers, insbes. bei neuen Straftaten, BewH 92,365; Stiels-Glenn Haben Opferperspektiven in der Arbeit der BewHilfe Platz? BewH 97,164; Thiesmeyer JGG u. Strafrechtsreform, RdJ 70,33; Vogt Strafaussetzung zur Bew. u. BewHilfe bei J u. Hw., Diss. Göttingen 1972; Wahl BewHilfe nach dem Ersten u. Zweiten Strafrechtsreformgesetz, BewH 69, 271; Walter Einige grds. Bemerkungen zum Standort der BewHilfe, BewH 77, 1; Wecker Rechtl. Aspekte der unterlassenen Bestellung eines BewHelfers, BewH 97, 321; Witha u. Gerd Winter BewHelfer im Rollenkonflikt, 1974.

Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

1.

Bewährungs- und Unterstellungszeit . . . Verhältnis des BewHelfers zum Richter. . Berichtstätigkeit Verhältnis des BewHelfers zum Probanden mv-infizierte Probanden Verhältnis des BewHelfers zu Dritten Zutritt zum Jugendlichen Allgemeines BewHilfe bei Soldaten

Rn

1

lb

2

3 4a 7

10

11

13

Bewährungs- und Unterstellungszeit

BewZeit und Zeitraum der Unterstellung unter einen BewHelfer fallen ausein- 1 ander (5$ 2 2 1 , 2 4 1 1 ) , beginnen aber beide stets mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung (§ 2 4 1 2 iVm $ 22 II 1). Es ist Aufgabe des Richters, eine sinnvolle Relation zwischen der Bew.- und der Unterstellungszeit für den jeweiligen Probanden herzustellen (dazu Rn 1 a), was dadurch erleichtert wird, daß bei gebotenem Anlaß diese Zeiten nachträglich abgeändert werden können. Als Regel sieht $ 24 I 1 innerhalb der BewZeit eine Unterstellungszeit bis zu höchstens 2 Jahren vor. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß der Proband im Regelfall der Hilfe in der Anfangsphase am dringlichsten bedarf (Böhm NJW 91, 537) und er sich nach einer Zeit des Übergangs entweder gefangen hat oder hierzu offensichtlich auch mit Hilfe des BewHelfers nicht imstande ist. Dafür spricht nach BT-Drs. 11/5829 S.20 die Tatsache, daß der weitaus überwiegende Teil der jrechtlichen Widerrufsentscheidungen innerhalb von 2 Jahren nach Strafaussetzung ergeht. Eine Betreuung über die erfolgversprechende Zeit hinaus könnte höchstens die Statistik über die Belastung des BewHelfers „verbessern", wobei selbst „Karteileichen" zwar nicht viel, aber doch unnötige Arbeit bringen. - Die Bestellung eines BewHelfers ist obligatorisch; unterbleibt sie, ist sie durch Beschluß nach $ 58 1 1 nachzuholen (Wecker BewH 97, 324). 219

2. Teil. Jugendliche 1 a Die gerade im JStrafrecht z u fordernde Reaktionsbeweglichkeit (vgl. Einf. II 22 u. 24-26) wird dadurch gewahrt, daß der Richter nach § 24 II 1 HS 1 seine Entscheidung über die Zeit der Unterstellung vor deren Ablauf ändern oder aufheben u n d sogar - innerhalb der BewZeit, die er auch verkürzen oder verlängern k a n n ($ 2 2 II 2) - nach $ 24 n 1 HS 2 erneut die Unterstellung bis auf insgesamt 4 Jahre anordnen kann (§ 24 II 2 iVm § 22 II 2), was als Extrem aber eine ganz bes. Fallgestaltung voraussetzen dürfte. Das bedeutet f ü r den Richter, d a ß es idR sinnvoll sein wird, die BewZeit über die Unterstellungszeit hinausreichen z u lassen, u m Reaktionsmöglichkeiten z u behalten, zumal er sie stets vorzeitig beenden kann. Der BewHelfer aber wird beim Richter die A b k ü r z u n g oder A u f h e b u n g der Unterstellung anregen, w e n n sich herausstellt, d a ß seine Hilfe nicht m e h r erforderlich ist oder - m i t sehr viel Vorsicht - vergeblich bleibt; ggf. aber k a n n er auch umgekehrt - während der Unterstellungszeit - deren Verlängerung auf höchstens 4 Jahre vorschlagen. In beiden Fällen wird seine B e g r ü n d u n g d e m Richter die N a c h p r ü f u n g ermöglichen müssen. Diese Bestimm u n g e n erlauben es dem Richter und d e m BewHelfer, der Entwicklung des Probanden zu folgen und rasch entsprechend zu reagieren. Es werden dadurch Proband u n d BewHelfer nur belastet, solange u n d soweit dies sinnvoll ist, u n d es k a n n bei entsprechender Beurteilung auch ein neuer Anlauf versucht werden ($ 24 II 1 HS 2). Ayass (BewH 90,117,120) hält es nach den bisherigen Erfahrungen f ü r konsequent, die BewZeiten kürzer zu halten, den Verurteilten aber idR f ü r die gesamte BewZeit einem BewHelfer zu unterstellen, u n d hat grds. Bedenken, die Dauer der Bestellung von der BewZeit z u lösen (S. 119). 2. 1b

Verhältnis des BewHelfers z u m Richter ($ 25)

Mit der A n o r d n u n g der Strafaussetzung z u r Bew. gibt der Richter durch sinnvolle u n d gezielte Weisungen u n d Auflagen (§ 23, 3) der im JStrafrecht zwingend vorgeschriebenen Tätigkeit des BewHelfers die Richtung. Er entscheidet damit, wie sein Versuch durchgeführt u n d ob er ggf. abgebrochen wird. Den BewHelfer namentlich im Unterstellungsbeschluß zu benennen, kann die personale Bezieh u n g zwischen BewHelfer u n d Proband fördern (vgl. Helgerth BewH 81, 249). §§ 24 II 1, 25 lockern zu Recht das Unterstellungsverhältnis des BewHelfers z u m Richter. Er steht nicht mehr „unter Aufsicht des Richters" (§ 2 4 1 aF; die Dienstaufsicht liegt bei der Anstellungsbehörde, $ 113), sondern überwacht i m Einv e r n e h m e n m i t d e m Richter die Erfüllung der Weisungen, Auflagen, Zusagen u n d Anerbieten ($ 24 II 2; RL 2). Dies gibt d e m BewHelfer den für eine hilfreiche Arbeit erforderlichen größeren Spielraum u n d wahrt im gegebenen Rahmen den G r u n d s a t z der Entscheidungsnähe. Der Richter k a n n d e m BewHelfer für seine Tätigkeit Anweisungen erteilen ($ 25 S. 2). Er sollte jedoch grds. den BewHelfer möglichst frei arbeiten lassen (RL 1 S. 2; $ 23, 3). - N u r ein enges, u n b ü r o kratisches Vertrauensverhältnis kann z u m Erfolg führen; ständiger persönlicher Kontakt d u r c h offene Gespräche ist unentbehrlich (RL 1S. 1,2; R. Böhm BewH 95,308). Der Richter soll bzw. m u ß ( $ 5 8 1 2 ) den BewHelfer vor der Erteilung u n d 220

Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers

$25

Abänderung von Auflagen, vor Verlängerung und Verkürzung der Bew.- oder Unterstellungszeit und vor der Abschlußentscheidung hören, er soll ihn bei seiner ganzen Tätigkeit unterstützen (RL 2). Ein Vertrauensverhältnis zum J hält Ostendorf 6 entgegen RL 2 für tendenziell falsch, weil damit die Kontrollfunktion verdeckt werde. Der BewHelfer soll den Richter möglichst eingehend unterrichten (Rn 2). Auch Rn8. 3.

Berichtstätigkeit

Durch Berichte (§ 25 S. 3,4; RL 3) des BewHelfers wird der Richter stets auf dem 2 Laufenden gehalten und von gröblichen und beharrlichen Verstößen gegen Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten (§ 25 S. 4) sofort unterrichtet. In der neuen RL 3 S. 1 ist zwar im Gegensatz zu RL 5 (alt) nicht mehr davon die Rede, daß der JRichter den BewHelfer verpflichten kann, schriftlich zu berichten. Häufig wird aber ein schriftlicher Bericht auch bei der Belastung der BewHelfer aus vielerlei Gründen sinnvoll und sicherer sein. Das Hauptgewicht liegt bei der Mitteilung der Tatsachen (Familienverhältnisse, Arbeit, Schule, Freundschaften, Freizeitgestaltung, Verhältnis zur Tat, wirtschaftliche Verhältnisse, Pläne, Verhältnis des J zum BewHelfer ua); daneben ist eine daraus abgeleitete Beurteilung des Täters und seiner Situation zu geben; weiter müssen die Folgerungen, die der BewHelfer daraus zieht, und seine Absichten angegeben werden. - Soweit der Richter das Ermittlungsergebnis für seine Entscheidung benutzen will, darf dies nur nach den Vorschriften der StPO geschehen; der BewHelfer wird deshalb im Bericht zweckmäßig Beweismittel angeben. Der erste Bericht muß umfassend sein; spätere können sich auf die Mitteilung von Änderungen beschränken. Der Schlußbericht ($ 26 RL 1) muß so rechtzeitig vorgelegt werden, daß erforderlichenfalls die Bew.- oder Unterstellungszeit noch verlängert werden kann ($§ 26 II, 22 II 2; RL 1 zu $$ 26, 26 a), und sich zur Frage des Straferlasses oder des Widerrufes äußern. Gröbliche oder beharrliche Verstöße (§26) müssen umgehend dem Richter 2 a mitgeteilt werden (5 25 S. 4), andere Verstöße teilt der BewHelfer dem Richter nach pflichtgemäßem Ermessen mit oder bereinigt sie selbst (vgl. dazu Rn 4 a aE). Diese freiere Regelung stärkt das Vertrauen des Probanden zum BewHelfer. Mitteilungen an andere Stellen über Umstände, welche den Probanden belasten, oder Anzeige an die Strafverfolgungsbehörden sind (außerhalb des Bereichs des § 138 StGB) nie Sache des BewHelfers (Gräber BewH 82, 304; aber uU Dienstvergehen). Straftaten hat der BewHelfer dem Richter mitzuteilen (so auch Ostendorf 4), nicht ausgesprochene Bagatellen, aber auch nicht nur erhebliche (so aber Schaffstein/ Beulke S. 176). Er muß - gerade auch in Zweifelsfällen - den Richter informieren und es ihm hierdurch ermöglichen, entsprechend einzugreifen (vgl. RL 3 S. 2, 3; Ostendorf 4; Helgerth BewH 81, 252; Gräber BewH 82, 304). Diese Berichtspflicht besteht unabhängig von einer Zustimmung des Probanden (Bruns BewH 97, 8). Eisenberg 17 rät dagegen dem BewHelfer „im Interesse vertrauensbildenden Verhaltens . . . die Mitteilungspflicht restriktiv zu handhaben". Das Vertrauensver-

221

Z.Teil. Jugendliche

hältnis wird aber nicht berührt, wenn der BewHelfer den Probanden auf diese seine Verpflichtung hingewiesen hat (Ostendorf 4). Der Richter muß sich auf die Berichte des BewHelfers, auf ihre Objektivität und Vollständigkeit verlassen können (Kästner BewH 97,28) und darf nicht fürchten müssen, daß der BewHelfer nur „restriktiv" nach seinem Ermessen mitteilt (so aber Eisenberg 17). Es ist zweckmäßig, wenn das JAmt einen Durchschlag des Berichtes erhält (Ziethen BewH 61,128). Der Richter wird nicht nur Berichte über Verstöße nach $ 25 S. 4 einfordern, sondern auch über alles Wesentliche im Hinblick auf die Entwicklung des J, seine Lebensverhältnisse und sein Verhalten (RL 3 S. 2), um ggf. nach $ 24 II reagieren zu können. Bes. Vorfälle muß der Richter sofort erfahren (RL 3 S. 3). 4.

Verhältnis des BewHelfers zum Probanden

3 Es soll menschlich, unbürokratisch und muß auf Vertrauen und Achtung aufgebaut sein (RL 2); Verschwiegenheit des BewHelfers gegen Dritte (Rn9) ist eine wesentliche Voraussetzung. Bes. in der Anfangszeit hat die Einzelbetreuung unbedingten Vorrang vor der Gruppenarbeit. 4 Eine wirksame Hilfe (§ 24 III) ist nur möglich, wenn der BewHelfer sich eingehend mit der Person des J vertraut gemacht hat, also weiß, was not tut (zur Beurteilung jpsychiatrisch-forensischer Gutachten für die BewHilfe Fendel/Klosinski DVJJ-J 97, 149). Seine Tätigkeit darf sich nicht auf die sehr wichtige Arbeitsvermittlung und existenzsichernde Hilfen beschränken (dazu $ 21,6 a); er soll vor allem auch den J in schwierigen Fragen beraten, ihn zur Fortbildung und Weiterentwicklung anregen und so an der Gestaltung des Lebens des J mitwirken. Zur Beziehungsarbeit in der BewHilfe Posch DVJJ-J 99,366. Vgl. auch § 38,16. Zur BewHilfe gehört auch eine Auseinandersetzung mit der Tat, der Tatverantwortung und Rückfallgefahren; zur Einbeziehung der Opferperspektive Stiels-Glenn BewH 97,164; zur Arbeit mit Sexualstraftätern in der BewHilfe instruktiv Stiels-Glenn/Willing BewH 96,54. 4 a Der Betreuung von HW-infizierten und an Aids erkrankten Probanden kommt auch für die BewHilfe (und JGH) erhebliche Bedeutung zu (zur Gesamtproblematik Franck Strafverfahren gegen HlV-Infizierte, 2001). Ein gutes Vertrauensverhältnis zum BewHelfer gibt Ansatzpunkte zu persönlicher Beratung, auch zu Aids-Prävention. Den mit Aids verbundenen Assoziationen, wie Homosexualität, Drogenabhängigkeit, Schuld, Ausgrenzung, Siechtum und Tod stehen oft Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenüber. Klingmann (BewH 87, 138) weist auf Einzelfallhilfe und Gruppenarbeit hin, um die HlV-Infizierten aus ihrer Isolation zu holen, Fritschka (BewH 87, 112) empfiehlt Zurückhaltung und Einfühlungsvermögen beim Thema Sexualität. Zur Vorbereitung einer angemessenen Rechtsfolgenentscheidung sollten Mitarbeiter von Aids-Hilfen und Drogenberater in das Strafverfahren einbezogen werden (Franck aaO S. 99 f, 119,133 ff). Schwierig wird die Situation für den BewHelfer, wenn ein HTV-infizierter Proband erkrankt und er die einzige verläßliche Bezugs- und Vertrauensperson ist. Nicht nur wegen solcher extremer Entwicklungen sind gezielte Fortbildungsveranstaltungen für 222

Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers BewHelfer, JGHelfer u n d alle gefordert, deren Entscheidungen hier nötig werden können. Vgl. insgesamt zur Betreuung von HlV-Infizierten durch die Bewährungshilfe Heckmann BewH 87, 147; Kleiber BewH 90, 201; Klingmann BewH 89, 91; Bruns BewH 89,18; Heide BewH 89,58; Baumgartner/Bättner/Spannagl BewH 89, 157; B.-D. Meier MKrim. 89, 207; Frankenberg ZRP 89, 412. Zur Berücksichtigung einer HIV-Infektion bei der Rechtsfolgenentscheidung Franck aaO S . 8 1 f f . In kritische Konflikte gerät der BewHelfer, wenn er von ungeschützten Sexualkontakten erfährt. Es wird sich empfehlen, d a ß er diese Problematik m i t dem Probanden in aller Offenheit bespricht. Vgl. BayObLG (NJW 90, 131 = JR 9 0 , 4 7 3 mit zust. Anm. Dötting) zur Straflosigkeit einverständlichen Geschlechtsverkehrs m i t HIV-Träger; auch Schünemann/Pfeiffer (Hrsg.) Rechtsprobleme von Aids, 1988 (darin Bottke u. Eberbach zu strafrechtl. Problemen S. 174-247); Gramm NJW 89, 2917. Zu Mitteilungen an den Richter Rn 2; z u m Zeugnisverweigerungsrecht f ü r Aidsberater $ 3 8 , 1 4 aE. Vgl. allg. auch 2; BVerfG NJW 87,2278; BGH NJW 8 9 , 4 2 u. 781. Zu HlV-Infizierten in der JStrafanstalt $ 91, 21. Neben Hilfen hat der BewHelfer den J zu b e a u f s i c h t i g e n ($ 2 4 III; $ 2 3 , 3 , 9 ) , u m 5 entsprechend berichten zu können. Ob im Rahmen der Betreuung Aufsicht oder Hilfe überwiegt, richtet sich nach der Persönlichkeit des J, seinen Lebensverhältnissen u n d deren Entwicklung. Über die vom Richter erteilten Weisungen u n d Auflagen hinaus h a t der Proband zumindest solche Anordnungen des BewHelfers zu befolgen, die dieser ihm z u r Gewährleistung seiner Hilfs- u n d Aufsichtsfunktion erteilt (zB Sprechstundenbesuch, Mitteilung eines Aufenthaltswechsels ua). Dagegen ist die Weisung „allen Weisungen des BewHelfers Folge zu leisten" unzulässig, da der Richter sein Weisungsrecht nicht delegieren darf (vgl. § 10, 10) u n d die Weisung selbst z u u n b e s t i m m t und weit gefaßt ist. Z u m Verteidiger k a n n der BewHelfer nicht bestellt werden, selbst wenn er die 6 erste juristische Staatsprüfung abgelegt h a t (BGH 20, 95). Die Bestellung z u m Beistand ($ 69) wird besser z u r Vermeidung erz. Nachteile unterbleiben. Beides könnte den BewHelfer in gefährliche Rollenkonflikte bringen. Soweit der BewHelfer sonst im Rahmen seines Aufgabenkreises den Probanden rechtlich berät u n d betreut, wird er von Art. 1 $ 3 Nr. 1 des Rechtsberatungsgesetzes gedeckt.

5.

Verhältnis des BewHelfers z u Dritten

Ein gutes Verhältnis zu ErzBerechtigten u n d g e s e t z l i c h e n Vertretern ist w ü n - 7 sehenswert (vgl. $ 24 III 3, 4, 5), da die Erz. einheitlich sein soll; der BewHelfer m u ß sich d a r u m b e m ü h e n . Eisenberg (24) allerdings sieht hinter einheitlicher Erz. die Gefahr einer „Kumulierung von Machtausübung gegenüber d e m Verurteilten". Bei unverständigen ErzBerechtigten wird eine Zusammenarbeit manchmal nicht möglich sein ($ 24 II 3); d a n n k a n n es notwendig werden, den J aus seiner häuslichen U m g e b u n g zu entfernen. Ebenso notwendig ist eine gute Zusammenarbeit m i t Behörden, JAmt, Arbeits- 8 amt, Wohnungsamt, Vollzugsanstalt u n d Vollzugsanstaltssozialarbeit, die z u r 223

$25

2. Teil. Jugendliche

Amtshilfe verpflichtet sind (Art. 35 GG), mit Wohlfahrts-Organisationen, Heimen, aufgeschlossenen Firmen ua, da nur dann die Möglichkeit gegeben ist, dem J zu helfen (Rn4). 9

Doch soll der BewHelfer möglichst unauffällig auftreten und allen Dritten gegenüber schweigen, um das Vertrauen des J nicht zu enttäuschen (RL 4 S. 1; vgl. auch $ 2 0 3 I Nr. 5, II StGB u. § 38, 19). Das gilt auch gegenüber den Eltern; doch wird der BewHelfer hier ggf. versuchen, den J selbst zur Mitteilung an seine Eltern zu bewegen. Vorstrafen des zur Bew. entlassenen Probanden darf und braucht er dem künftigen Arbeitgeber nicht mitzuteilen (LG Stuttgart Justiz 76, 4 6 9 zu $ 839 BGB). Gegenüber höheren Rechtsgütern m u ß allerdings die Schweigepflicht zurücktreten (dazu Helgerth BewH 81, 253). Der BewHelfer hat deshalb auch kein Z e u g n i s v e r w e i g e r u n g s r e c h t (dazu 5 3 8 , 1 4 ; BVerfG NJW 72, 2 2 1 4 ; Eisenberg 18; Ostendoif

12; Foth BewH 87, 199), bedarf jedoch der Aussagegenehmigung nach

den beamtenrechtlichen Vorschriften (Gräber BewH 8 2 , 304, 305; v. Schenk BewH 6 0 , 3 5 ) . Soweit irgend möglich, wird der verständige Richter den BewHelfer nicht als Zeugen gegen den Probanden beiziehen; die von Ziethen (BewH 60, 36) geforderte Vernehmung als Sachverständiger ist allerdings nicht möglich. Zur Anhörung des BewHelfers nach § 5 0 IV u. zur prozessualen Verwertung seiner Angaben siehe § 5 0 , 14 iVm $ 38, 14. Angaben des BewHelfers außerhalb einer förmlichen Vernehmung können bei Bestätigung durch den J auf diesem Weg in das Verfahren eingeführt werden. Als solche sind die formlosen Angaben prozessual nicht verwertbar; formlose „Vernehmung" des BewHelfers führt zur Aufheb u n g des Urteils, wenn die Möglichkeit besteht, daß es auf diesem Fehler beruht (OLG Oldenburg M D R 77, 775). Gegenüber dienstaufsichtsfiihrenden Stellen hat der BewHelfer kein Schweigerecht (RL 4 S. 2; Brause BewH 96, 2 2 8 ; näher zur Frage einer innerorganisatorischen Schweigepflicht Bruns Die Schweigepflicht der Sozialen Dienste der Justiz, 1996 S. 8 4 ff). Zu den bes. Aufgaben bei der Betreuung nach Aussetzung einer JStrafe § 88, 7 a u. 8. Die Vorschriften des J G G über die BewHilfe enthalten bereichsspezifische D a t e n s c h u t z r e g e l u n g e n , die den Datenschutzgesetzen vorgehen (Brause BewH 9 6 , 2 2 2 f; zum Datenschutz in der BewHilfe s. auch die Beiträge von Lübbemeier ua in BewH 9 7 , 3 ff). 6.

Zutritt z u m Jugendlichen

10 Zutritt zum J kann sich der BewHelfer jedem Dritten gegenüber mit polizeilicher Hilfe erzwingen (§ 2 4 III 4; DallingerfLackner

§ 24, 27; Dorsch BewH 6 4 , 209;

Potrykus $ 2 4 B 6; Eisenberg 26), sollte es aber grds. nicht (zust. Rappenecker

BewH

7 3 , 236). Ist der J in UHaft, darf der BewHelfer ihn wie der Verteidiger besuchen ($ 93 III). Weiter hat er gegenüber Erziehern und Ausbildern ein Auskunftsrecht über die Lebensführung (§ 2 4 III 5), das aber nur dadurch erzwungen werden kann, daß der Richter bei Auskunftsverweigerung selbst vernimmt (Dallinger/ Lackner § 2 4 , 28; aA Potrykus $ 2 4 B 6, der $ 33 FGG anwenden will; völlig abl. Ostendoif 8). - Beide Rechte darf der BewHelfer nur ausüben, soweit die BewHilfe das erfordert. 224

Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers

7.

Allgemeines

Die schwierige Aufgabe eines BewHelfers können auch gut ausgebildete, erfahrene 11 Sozialarbeiter von hoher Intelligenz, großem Idealismus, lebendiger Aktivität, echter Hilfsbereitschaft, bes. Kontaktfähigkeit und zugleich bestimmtem wie vertrauenerweckendem Auftreten, von Festigkeit und Geduld, nur dann lösen, wenn sie nicht überlastet sind. Der BewHelfer darf nicht bürokratisch arbeiten; sein Büro ist besser nicht in Dienstgebäuden. Seine Zuständigkeit richtet sich grds. nach der Geschäftsverteilung. Doch kann der Richter entgegen der Geschäftsverteilung auch einen anderen BewHelfer (zB Frau statt Mann) bestellen; er könnte den zuständigen amtlichen BewHelfer ja auch durch einen ehrenamtlichen ausschalten (§ 24 I 2). Versagt der BewHelfer, führt die Strafaussetzung oft zum Mißerfolg. Wegen dieser Bedeutung des BewHelfers und der hohen persönlichen Voraus- 12 Setzungen sollte ein ehrenamtlicher BewHelfer ($ 24 I S. 2; RL 5) nur bestellt werden, wenn erzbefähigte, gefestigte Persönlichkeiten vorhanden sind, die den J gut kennen, auf ihn Einfluß haben (Verwandte) und auch bereit sind, tätig zu werden (RL 5). Auch wo der amtliche BewHelfer zu bekannt ist und sein Einsatz den J ins Gerede bringen könnte, kann der Einsatz eines ehrenamtlichen BewHelfers erwogen werden. Der ehrenamtliche BewHelfer hat alle Rechte und Pflichten eines BewHelfers. Eine Verpflichtung zur Übernahme dieses Amtes besteht nicht. Die bei manchen Bewerbern auffallende „Sozialromantik" reicht meist nicht weit und kann gefährlich werden. Ähnlich Cyrtis BewH 82,363; Gerlicher Laienhelfer in der ErzBeratung, 1979. Zu den rechtlichen Strukturen der ehrenamtlichen BewHilfe Block BewH 98, 121. 8.

BewHilfc bei Soldaten

Bei Soldaten hat der BewHelfer, der nicht Soldat ist, gem. $ 112 a Nr. 5 nur 13 geringe Befugnisse. Er muß sich praktisch auf die zivilen Maßnahmen (TäterOpfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung, Vorbereitung für die Zeit nach dem Wehrdienst) beschränken, kann aber kaum Einfluß auf Haltung und Lebensführung des Soldaten nehmen (Potrykus NJW 57,814). Auch unzulässige Maßnahmen des Disziplinarvorgesetzten haben nach § 112 a Nr. 5 letzter Satz Vorrang; BewHelfer und Richter können dagegen bei dessen militärischem Vorgesetzten Beschwerde einlegen (Dallinger/Lackner $ 112a, 39). BewHelfer kann jeder Soldat sein, auch der Disziplinarvorgesetzte. Er sollte 14 jedoch eine in der Sozialarbeit erfahrene, ausgeglichene Persönlichkeit und älter als der Verurteilte sein. Ist ein Vorgesetzter BewHelfer, besteht die Gefahr, daß es nicht zu dem erforderlichen menschlichen Kontakt kommt. Vor der Bestellung eines Soldaten muß der nächste Vorgesetzte des J (oder Hw.) gehört werden (5 112d). Die Auswahl muß bes. sorgsam erfolgen, weil der Richter keine Anweisungen geben kann (J 112 a Nr. 4 S. 2). Auch der militärische BewHelfer muß dem Richter berichten; doch darf der Richter ihm keine bestimmten Anweisungen 225

2. Teil. Jugendliche

erteilen, um militärische Interessen nicht zu gefährden (S 112 a Nr. 4 S.2). Bei nicht behebbaren Schwierigkeiten kann der Richter auch den militärischen BewHelfer entlassen (Dallinger/Lackner $ 112a, 38). - Als Soldat ist der BewHelfer Befehlen Vorgesetzter nur im Rahmen des Dienstverhältnisses unterworfen; Anordnungen ohne Bezug auf den Dienst trifft er selbständig (Dallinger/Lackner $ 112 a, 37). 15 Ob der JRichter den amtlichen BewHelfer (oder einen anderen Zivilisten - vgl. S 24 I S. 2 -) oder einen Soldaten zum BewHelfer bestellt, liegt in seinem Ermessen. Wo, wie meist, zivile Verhältnisse der Regelung bedürfen, verdient - bes. bei Taten ohne Bezug auf den Wehrdienst - der zivile BewHelfer den Vorzug, zumal die allg. Sorgepflicht des militärischen Vorgesetzten besteht (S 10 II, III SoldG). Bei Taten aus der Zivilzeit sollte die BewHilfe bei Wehrpflichtigen grds. am Heimatort weitergeführt werden (BGH NJW 59, 1503 mit Anm. Grethlein; OLG Köln SjE F 3 S. 291; zust. Ostendorfs). Roestel (UJ 59,200) und Potrykus (NJW 57, 814, 817) geben dem ehrenamtlichen militärischen BewHelfer den Vorzug; das ist für Taten mit Bezug zum Wehrdienst richtig. 16 Die militärischen Interessen sind zum Schaden einer wirksamen BewHilfe und -Aufsicht überbetont. Ein gewisser Ausgleich liegt in der Pflicht der militärischen Vorgesetzten gem. § 10 II, III SoldG, sich dafür einzusetzen, daß ein unter BewAufsicht stehender Soldat das Ziel der Bew. auch erreicht, und in der meist guten Zusammenarbeit zwischen Truppe und zivilem BewHelfer. 17 Spezielle Verwaltungsvorschriften der Länder für Bewährungshelfer, auch im Rahmen der Führungsaufsicht ($$ 6 8 ä f f StGB), sind zu beachten (RL 6). Geltung der SS 24,25 nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: $ 1,6 d, dortiger S 4. Zu BewHelfern näher S 113, 2.

$ 26 Widerruf der Strafaussetzung (1) Der Richter widerruft die Aussetzung der Jugendstrafe, wenn der Jugendliche 1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, 2. gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß er erneut Straftaten begehen wird oder 3. gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt. Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft begangen worden ist. 226

Erlaß der Jugendstrafe

S 26 a

(2) Der Richter sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, 1. weitere Weisungen oder Auflagen zu erteilen, 2. die Bewährungs- oder Unterstellungszeit bis zu einem Höchstmaß von vier Jahren zu verlängern oder 3. den Jugendlichen vor Ablauf der Bewährungszeit erneut einem Bewährungshelfer zu unterstellen. (3) Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten ($ 23) erbracht hat, werden nicht erstattet. Der Richter kann jedoch, wenn er die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Auflagen oder entsprechenden Anerbieten erbracht hat, auf die Jugendstrafe anrechnen. 1. Hw.-J: § 105 I. - 2. ErwG: % 104 I Nr. 1, V 1; $ 21, 13 aE, $ 58, 8. Anmerkungen und Richtlinien hierzu siehe nach $ 26 a.

S 26 a Erlaß der Jugendstrafe Widerruft der Richter die Strafaussetzung nicht, so erläßt er die Jugendstrafe nach Ablauf der Bewährungszeit. $ 26 Abs. 3 Satz 1 ist anzuwenden. 1. Hw.-J: $ 105 I. - 2. ErwG: $ 104 I Nr. 1, V 1; $ 21, 13 aE, $ 58, 8. Richtlinien zu SS 26 und 26 a: 1. Vor Ablauf der Unterstellungszeit legt der Bewährungshelfer dem Gericht einen Schlußbericht so rechtzeitig vor, daß Maßnahmen nach $ 26 Abs. 2 in der gebotenen Zeit getroffen werden können, namentlich die Bewährungs- oder Unterstellungszeit noch verlängert werden kann ($ 26 Abs. 2 Nr. 2, $ 22 Abs. 2 Satz 2,5 24 Abs. 2 Satz 1). Der Bewährungshelfer ergänzt diesen Schlußbericht bis zum Ablauf der Unterstellungszeit, falls ihm Umstände bekannt werden, die für die Entscheidung Uber den Erlaß der Jugendstrafe oder den Widerruf der Strafaussetzung von Bedeutung sein können. 2. Kommt eine Entscheidung nach $ 26 in Betracht, ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben ($58 Abs. 1 Satz 3); auf $ 58 Abs. 1 Satz 2 wird hingewiesen. 3. Wegen der Beseitigung des Strafmakels nach Erlaß einer Strafe oder eines Strafrestes wird auf 5 100 hingewiesen. 4. Falls der Widerruf der Aussetzung in Betracht kommt, kann das Gericht vorläufige Maßnahmen treffen, um sich der Person des Jugendlichen zu versichern (§ 58 Abs. 2 JGG i.V. m.$ 453 c StPO). Übersicht 1. 2. 3. 4. 5.

Zeitpunkt des Widerrufs Widerrufsvoraussetzungen . . . . Subsidiarität des Widerrufs . . . Sicherungshaftbefehl Rückerstattung und Anrechnung

Rn 1 2 7 9 11

227

S 26 a 6. Rechtsmittel 7. Erlaß 8. Widerruf der Bewährung des Drogentäters 1. 1

2. Teil. Jugendliche 13 14 16

Z e i t p u n k t des Widerrufs

Der Widerruf ist bis zum Erlaß d e r JStrafe (Rn 14) bei Vorliegen der Voraussetzungen (Rn 2) jederzeit, auch n a c h Ablauf der BewZeit möglich. Wenn auch aus rechtsstaatlichen Gründen baldmöglichst zu entscheiden ist (OLG H a m b u r g NJW 70, 64), so ist doch nach h M der Widerruf n u r bei ganz außergewöhnlichen Verzögerungen unzulässig (OLG H a m m NJW 74, 1520; OLG Karlsruhe Justiz 76, 436; OLG Koblenz MDR 77, 513; OLG Stuttgart MDR 82, 949; Justiz 82, 273, 336; OLG H a m m JMB1. NRW 82, 166: zulässig auch 3 Jahre nach Ablauf der BewZeit; OLG Düsseldorf GA 83, 87: nach 2 Jahren bzw. unbefristet widerruflich, falls nicht im Einzelfall der Vertrauensschutz entgegensteht; BGH NStZ 93, 235; OLG Düsseldorf VRS Bd 8 9 [95], 35: unzulässig, wenn die Entscheidung ungebührlich lang hinausgezögert worden ist u. der Verurteilte mit ihr nicht m e h r zu rechnen braucht). OLG Bremen (StV 86, 165) h a t einem in der BewZeit rechtskräftig Verurteilten Vertrauensschutz zugebilligt, falls binnen lVz Jahren kein Widerruf erfolgt ist. Jedenfalls sollen die Ermittlungen schon im Hinblick auf $ 22 II 2 (vgl. RL 1S. 1) frühzeitig eingeleitet werden; auch m u ß die Entscheidung über Widerruf oder Erlaß i m ErzInteresse bald ergehen (Schräder NJW 73,1832; zust. Eisenberg 18). Eine Verzögerung der Entscheidung ist nicht zulässig, w e n n keine begründete Aussicht besteht, daß weitere Erkenntnisse über die Lebensführung des Verurteilten zu gewinnen sind (KG JR 67,307). Z u r notwendigen Ergänzung des Schlußberichts RL 1 S. 2. 2.

Widerrufsvoraussetzungen

2

Die Widerrufsvoraussetzungen sind in $ 26 I Nr. 1 - 3 abschließend u n d rechtsstaatlichem Erfordernis entsprechend möglichst b e s t i m m t geregelt. Die Gründe, welche z u m Widerruf führen können, sind zeitlich verschieden eingegrenzt. Als BewZeit wird der Zeitraum zwischen der Rechtskraft des auf Strafaussetzung erkennenden Urteils und dem Ablauf der darin festgesetzten oder darüber hinaus der nachträglich nach $ 22 II geänderten BewZeit bezeichnet. Das Vertrauen eines Verurteilten, der in der verlängerten BewZeit eine Straftat begeht, auf NichtVerlängerung der BewZeit ist jedenfalls d a n n nicht schutzwürdig, w e n n er den Zugang des Verlängerungsbeschlusses durch bewwidriges Verhalten, zB Nichterreichbarkeit f ü r das Gericht, schuldhaft vereitelt hat (OLG München NStZ 99, 638 z u m allg. Strafrecht).

2a

Widerruf nach Nr. 1 setzt eine Straftat in der Rn 2 bezeichneten BewZeit oder in der Zeit nach der letzten tatrichterlichen Verhandlung, aber noch vor Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bew., voraus (S 2 6 1 2 iVm Abs. I Nr. 1; ebenso § 56 f 1 2 StGB). Es müssen alle Straftatvoraussetzungen einschließ228

Erlaß der Jugendstrafe

$ 26 a

lieh der Schuldfähigkeit gegeben sein (KG JR 83, 424; OLG Karlsruhe Justiz 98, 569). Bei zu einer rechtlichen Bewertungseinheit zusammengefaßten Handlungen oder einem Dauerdelikt genügt es, daß ein Teilakt in die BewZeit fällt. Wegen der neuen Straftat m u ß noch kein rechtskräftiges Urteil ergangen sein, die schuldhafte Tatbegehung muß jedoch, insbes. auf Grund glaubhaften Geständnisses, zur Überzeugung des über den Widerruf entscheidenden Gerichts feststehen (OLG Stuttgart Justiz 72, 319; NJW 76, 200; Justiz 90, 303; 91, 403; OLG Hamm NJW 73,911; JMBl. NRW 92,46; OLG Karlsruhe GA 74,156; Justiz 98,533; OLG Bremen StV 84,125; 86,165; OLG Zweibrücken StV 85,465; OLG Düsseldorf Stv 86, 346; JMBl. NRW 1991, 235; NJW 92,1183; StV 93, 35; OLG Köln NJW 91, 505; OLG Hamburg NStZ 92, 130; LG Osnabrück NStZ 91, 533 mit zust. Anm. Brunner, LG Hamburg MDR 94,1140; Schaffstein/Beulke S. 165f;SfreeNStZ92,153). Dies verstößt nicht gegen die Unschuldsvermutung (BVerfG NStZ 88, 21; 91, 30; zu einem vor der Europäischen Kommission für Menschenrechte durch Vergleich beendeten Verfahren vgl. Boetticher NStZ 91, 4; Ostendoif7). Der bloße Bezug auf eine Anklage oder die Zustimmung des Beschuldigten zu einer Einstellung nach S 153 a StPO reicht zum Widerruf nicht aus (BVerfG StV 96, 163). Stets eine rechtskräftige Verurteilung fordern demgegenüber OLG Celle StV 90, 504 gegen NJW 71,1665; OLG Schleswig NStZ 86,363; SchlHA 91,42; einschränkend jedoch StV 92, 327 u. bei Lorenzen/Thamm SchlHA 96, 85 sowie bei Lorenzen/Schiemann SchlHA 97, 147; OLG München StV 91, 174; Ostendorf 7; DSS/Sonnen 7. Für das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung im Regelfall OLG Koblenz NStZ 91, 253; Böhm S. 224; Eisenberg 5. Ein Freispruch oder eine rechtskräftige Verurteilung darf nach OLG Hamm (GA 57,57) nicht nachgeprüft werden. Das OLG Düsseldorf (NStZ 90, 541) aber tritt dieser Entscheidung entgegen und fordert, daß das Gericht sich selbst die Überzeugung verschafft, daß der Verurteilte die erneute Tat begangen hat, ein rechtskräftiger Freispruch oder eine rechtskräftige Verurteilung binde es nicht. Ob eine solche Straftat den Widerruf fordert, hängt von ihrer Art, dem Umfang 3 und dem Motiv, wesentlich von der Beziehung des J zu seiner Tat ab. Hieraus kann geschlossen werden, ob der J durch diese Tat zeigt, daß die der Strafaussetzung zur Bew. zugrundeliegende günstige Prognose sich nicht erfüllt hat. Eine Straftat iSv Nr. 1 verbietet eine weitere günstige Prognose nicht schlechthin (BGH StV 83, 364). Eine neuerliche günstige Sozialprognose setzt freilich bes. Umstände voraus (OLG Saarbrücken NJW 75, 2215 f. ErwRecht; LG Marburg B NStZ 82, 415), die aber gerade im JRecht häufiger gegeben sein dürften (zust. Molketin Zbl. 81,266), etwa Änderung der Lebensbedingungen oder eine neue, feste Beziehung (vgl. Ostendorf6). Eine fahrlässige Straftat wird nur in Ausnahmefällen für den Widerruf genügen können, wenn der J hierdurch zu erkennen gegeben hat, daß er nicht ernstlich gewillt ist, sich Straffreiheit zu verdienen (OLG Hamm MDR 71, 942; zust. Ostendorf 5; Molketin aaO). Verschuldensform und Intensität der neuen Straftat müssen die ursprüngliche günstige Prognose widerlegen (Tröndle/Fischer § 56 f StGB 3 e; Frank MDR 82, 355). Wird die wegen der neuen Straftat verhängte 229

S 26 a

2. Teil. Jugendliche

Freiheitsstrafe wiederum zur Bew. ausgesetzt, wird dies idR ein Absehen vom Widerruf rechtfertigen (BVerfG NJW 8 5 , 3 5 7 ; OLG Köln StV 9 3 , 4 2 9 ; OLG Düsseldorf StV 9 4 , 1 9 8 ; OLG Schleswig Lorenzen/Schiemann

SchlHA 9 7 , 1 4 6 ; 9 8 , 1 6 5 ) . Dies

gilt jedoch nicht, wenn die der erneuten Aussetzung zugrundeliegende Prognoseentscheidung von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht oder nicht nachvollziehbar bzw. nicht überzeugend ist (BVerfG NStZ 87, 118; OLG Köln, aaO; OLG Düsseldorf, aaO u. VRS Bd. 89 , 34; vgl. auch OLG Schleswig

Lorenzert/Thamm

SchlHA 9 6 , 85). 4

Nr. 2 gilt innerhalb der BewZeit (Rn 2) und setzt voraus, daß der J gröblich o d e r b e h a r r l i c h g e g e n Weisungen v e r s t ö ß t o d e r im Zeitraum der rechtskräftigen Unterstellung unter einen Bewährungshelfer sich der Aufeicht u n d Leitung des B e w ä h r u n g s h e l f e r s beharrlich entzieht. Gegen Weisungen - und Auflagen verstößt der Jugendliche dann gröblich, wenn sein Verhalten eindeutig zeigt, daß er sich Straffreiheit nicht verdienen will, weil er bei gutem Willen, wenn auch mit Anstrengung, in der Lage gewesen wäre, den Weisungen nachzukommen - oder die Auflagen zu erfüllen-. Wichtig sind also neben einem nicht unwesentlichen Verstoß (vgl. Frank

MDR 82, 3 5 4 ) vor allem die Gründe, welche zu solchem

Verhalten geführt haben. B e h a r r l i c h handelt der Proband, wenn er mindestens schon einmal zuwidergehandelt hat (BGH 2 3 , 172) und aus Mißachtung oder Gleichgültigkeit dies immer wieder tut oder zu tun bereit ist (Dreher JR 7 4 , 4 3 , 5 3 ; Eisenberg 8; Ostendotf 8 verlangt zusätzlich eine „Abmahnung"). Das Gesamtverhalten m u ß befürchten lassen, d a ß d e r J e r n e u t Straftaten b e g e h e n w i r d (für Streichung dieses Erfordernisses Schoene NJW 00, 713), und die Auflehnung des Verurteilten gegen erteilte Weisungen und Auflagen dartun (Frank MDR 82, 355 mwN). Dies setzt im Rahmen einer Gesamtwürdigung konkrete und objektivierbare Verdachtsmomente für künftige Straftaten voraus (für ErwRecht OLG Karlsruhe Justiz 75, 3 5 0 ; OLG Hamm M D R 76, 505; LG Hamburg M D R 76, 946; auch $ 88, 11). Ein beharrlicher Verstoß m u ß nicht zugleich gröblich sein (Gesetzeswortlaut). Insgesamt vgl. Kratzsch J R 8 0 , 369. Gerade bei gröblichen oder beharrlichen Verstößen gegen Weisungen und Auflagen genügt oftmals ein rasch verhängter Ungehorsamsarrest (Rn 8; ebenso Molketin Zbl. 8 1 , 2 6 6 ) . E i n Widerruf darf nur bei einem Verstoß gegen eine zulässige Weisung erfolgen (OLG München NStZ 85, 411; LK¡Gribbohm § 56 f StGB 16). Der Proband e n t z i e h t sich der Aufsicht u n d L e i t u n g des BewHelfers, wenn er sich für ihn unerreichbar macht, zB durch Wohnungswechsel ohne Benachrichtigung des BewHelfers. Ein bloßes Nichteinhalten von Terminen genügt nach Ostendotf 8 nicht. Doch ist auch da eine Fallgestaltung denkbar, die ausreicht; im übrigen kann er durch richterliche Weisung dazu angehalten werden. Nach BGH (36, 9 7 = J R 90, 7 1 mit abl. Anm. Terhorst) soll nicht ohne weiteres ein gröblicher oder beharrlicher Verstoß (nach $ 56 c I StGB) gegen die erteilte Weisung vorliegen, wenn der Verurteilte seine (notwendige) Einwilligung in eine angeordnete Heilbehandlung oder Entziehungskur oder in einen angeordneten Aufenthalt in einem Heim oder einer Anstalt z u r ü c k n i m m t . Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn er aus seiner Sicht die

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Erlaß der Jugendstrafe

$ 26 a

Einwilligung nachträglich aus verständlichen Gründen f ü r verfehlt hält u n d er sich die Strafaussetzung nicht u n t e r Vortäuschung seines Einverständnisses von vornherein erschlichen hat. Nr. 3 gilt während der BewZeit (Rn 2) und ist d a n n erfüllt, wenn der J gröblich S oder beharrlich (Rn4) g e g e n A u f l a g e n verstößt. Bei solcherart qualifizierten Verstößen gegen Auflagen ($§ 15,2312) setzt der Widerruf weder voraus, d a ß der J die Erwartungen nicht erfüllt hat, welche der Strafaussetzung z u g r u n d e lagen, noch d a ß sich aus ihnen besorgen läßt, daß der J erneut Straftaten begehen wird. Denn gerade die Auflagen sollten eine gewisse notwendige G e n u g t u u n g erzwingen u n d sind unlösbar mit der Bewährungsentscheidung verknüpft. Zugleich aber ist das unter Rn 7 Gesagte zu berücksichtigen, was der Entscheidung des Richters die erz. gebotene Reaktionsbeweglichkeit erhält. Einschränkend Eisenberg 9; Ostendorf 9 fordert zusätzlich eine negative Prognose; dagegen Walter in Sieverts/Schneider (Hrsg.) Handwörterbuch der Kriminologie 2. Aufl. Bd. 5 S. 164. N u r ein Verstoß gegen eine zulässige Auflage rechtfertigt den Widerruf (OLG Schleswig SchlHA 95, 16; LK/Gribbohm § 56 f StGB 23, 16). Erfüllt der Jugendliche Zusagen o d e r Anerbieten nach $ 23 II nicht, so ist das 6 kein Widerrufsgrund ($ 23, 8) u n d k a n n nur zur Erteilung von Weisungen u n d Auflagen nach § 23 I, evtl. unter Verlängerung der BewZeit (§ 22 II 2), f ü h r e n . Verstöße gegen Zusagen k ö n n e n aber andere Widerrufsgründe unterstützen (Tröndle/Fischer $ 56 f StGB 4). 3.

Subsidiarität des Widerrufs

Alle Widerrufsgründe (Rn 3 - 5 ) f ü h r e n nur d a n n z u m Widerruf, w e n n n i c h t e i n 7 milderes Eingreifen des Richters d e m J n o c h h e l f e n kann, sich z u bewähren. Hierfür ist der Widerrufsgrund nach Gewicht u n d Ursache an dem Persönlichkeitsbild des J z u messen. Es k ö n n e n zugunsten des J Ansätze zu positiver Entwicklung, günstige Veränderungen jeglicher Art, auch verminderte Schuldfähigkeit oder entwicklungsbedingte Schwierigkeiten (vgl. AG Krefeld StV 83, 250) berücksichtigt werden. Es gelten die Grundsätze des $ 5 (Subsidiarität des Widerrufs); damit wird jeder schematische Zwang vermieden u n d eine j g e m ä ß e Entscheidung gewährleistet. So kann u n d m u ß der JRichter, wo ein Erfolg möglicherweise riskant, aber doch möglich erscheint, es versuchen, die Verbüßung der Strafe zu vermeiden, indem er weitere o d e r andere, speziell abgestimmte, auch intensiver eingreifende W e i s u n g e n oder Auflagen erteilt, d i e Bew.- oder Unters t e l l u n g s z e i t verlängert (§ 26 Abs. II), uU auch unter Auswechslung des BewHelfers, bis zu einem Höchstmaß von 4 Jahren (insgesamt), oder auch, indem der Richter den J vor Ablauf der BewZeit zugleich mit deren Verlängerung erneut einem BewHelfer unterstellt (vgl. $ 22 II 2; $ 22,4). Beschwerde $ 59 II (dazu $ 59, 6). Die Verlängerung der Bewährungszeit kann auch nach deren Ablauf erfolgen (§ 22, 4). Nach OLG Celle (NdsRpfl. 89, 257) ist die Strafe zu erlassen, w e n n der Widerruf durch Verlängerung der BewZeit vermieden werden könnte, dies aber 231

$ 26 a

2. Teil. Jugendliche

wegen Erreichung des Höchstmaßes nicht möglich ist. Es wird dabei wohl sehr auf den Einzelfall ankommen. 8 Widerruf kann - wohlüberlegt und in geeigneten Fällen - auch vermieden werden durch Verhängung eines Ungehorsamsarrestes, den $ 2 3 1 4 bei als BewAuflagen erteilten Weisungen und Auflagen zuläßt. Rasch gehandelt - und vollstreckt - ist dies eine angemessene, wirksame Maßnahme, dem J Bedenklichkeit und Folgen seines Fehlverhaltens in der BewZeit vor Augen zu halten und den schwerwiegenden Widerruf zu vermeiden (vgl. § 23,7 u. KratzschJR 72,374, der eine ähnliche Regelung sogar f ü r das ErwRecht vorschlägt). Eisenberg ($ 26 a, 13) jedoch hält Ungehorsamsarrest eher ausnahmsweise für geeignet, das LG Münster - allerdings vor Änderung des S 23 14 - für schlechthin ungeeignet (NJW 70, 2259). Vgl. zu S 26 II Molketin Zbl. 81,265. Ostendotf 13 hält hier den Ungehorsamsarrest jedenfalls für ein geringeres Übel als die Strafverbüßung, deren resozialisierenden Wert er als noch zweifelhafter bezeichnet. 4.

Sicherungshaftbefehl

9 Ist Widerruf zu erwarten, kann sich der Richter durch Sicherungshaftbefehl (RL 4; § 58 II iVm S 453 c StPO) der Person des J versichern. Näher bei $ 61. Wenn Eisenberg 14 darauf hinweist, daß es nicht angehe, die Sicherungshaft durch bewußt verspäteten Anhörungstermin als „Denkzettel" anzulegen, so wird dem niemand widersprechen; allerdings ist in der Praxis noch kein Fall bekanntgeworden, der Anlaß gegeben hätte, solches zu argwöhnen. 10 Vor Entscheidung über den Widerruf - oder Erlaß der JStrafe - sind der Staatsanwalt, d e r j und der BewHelfer zu hören (§ 581S. 2). Vor einem Widerruf ist dem J Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu geben (RL 2; $ 581 S.3). Diese Vorschrift m u ß sehr ernstgenommen werden. So kann rechtzeitig manches Mißverständnis ausgeräumt und Zuwiderhandeln aus bloßer Hilflosigkeit erkannt werden. Vgl. im übrigen $ 58. 5.

Rückerstattung u n d Anrechnung

11 Nach Widerruf werden Leistungen, die der J in Erfüllung von Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten (§ 23) erbracht hat, nicht zurückerstattet (§ 26 III 1). Der Richter kann jedoch solche Leistungen auf die JStrafe anrechnen, soweit sie nicht in der Erfüllung von Weisungen (SS 10, 23 I 1) bestanden (S 26 III 2). Ostendotf 15 will diese Ermessensentscheidung in eine Verpflichtung umdeuten und zweifelt die Ausgrenzung der Weisungen an. Diese Anrechnung gilt aber nicht als verbüßte Strafe isd § 881 (näher $ 88,2; aA Eisenberg 24). Leistungen auf Grund von Weisungen oder entsprechenden Anerbieten können deshalb nicht angerechnet werden (zust. Eisenberg 25), weil sie die Lebensführung beeinflussen sollen, eine Anrechnung des hierfür Geleisteten sich deshalb verbietet.

232

$ 26a

Erlaß der Jugendstrafe

Nach § 2 3 1 4 verbüßterJA kann nach später doch erfolgtem Widerruf nichtauf die

12

JStrafe angerechnet werden, da er nur die Reaktion auf den Ungehorsam ist. Deshalb läßt § 2 6 III eine solche Möglichkeit auch zu Recht unerwähnt. Ostendorf 15 will den Ungehorsamsarrest gegen die hM anrechnen, weil er Weisungen und Auflagen ersetze; gerade dies trifft aber nicht zu. 6.

Rechtsmittel

Die sofortige B e s c h w e r d e gegen den Widerruf ($ 59 III) hat nach dem Wortlaut

13

des § 3 0 7 StPO keine aufschiebende Wirkung. Nach j e t z t herrschender Meinung gehört aber der Widerrufsbeschluß zu den urteilsvertretenden Beschlüssen, die zu ihrer Vollstreckbarkeit der Rechtskraft bedürfen (Kleinknecht/Meyer-Goßner $ 307 StPO 1; Molketin

Zbl. 81, 266). Dies verbietet bei sofortiger Beschwerde die

E i n l e i t u n g der Vollstreckung, wofür schon spricht, daß $ 58 II iVm § 453 c StPO bis zur Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses einen Sicherungshaftbefehl zuläßt (Löwe/Rosenberg/Wendisch

§ 453 c StPO 8; zust. Eisenberg § 5 9 , 2 8 ; Ostendorf % 5 9 , 1 6 ) .

Zur Wiederaufnahme $ 55, 4 9 . Der StA hat gegen die Ablehnung seines Antrags auf Widerruf kein R e c h t s m i t t e l (§ 59, 5). Zur Aufhebung eines rechtskräftigen, auf der irrtümlichen Annahme beruhenden Widerrufsbeschlusses, eine Auflage sei nicht erfüllt, LG Bremen StV 90, 3 1 1 : § 3 5 9 Nr. 5 StPO entspr. 7.

Erlaß

Wo nicht widerrufen wird und kein Grund zur Verlängerung der BewZeit besteht,

14

ist nach den Abschlußermittlungen (RL 1) die Strafe unanfechtbar ($ 59 IV) und konstitutiv zu erlassen; d e r Strafmakel m u ß als beseitigt e r k l ä r t w e r d e n ($ 100; RL 3). Vor Straferlaß m u ß sich das Gericht Gewißheit über das endgültige Fehlen der Widerrufsvoraussetzungen schaffen (BGH NStZ 9 3 , 235; OLG Düsseldorf VRS Bd 89 [95], 365). Die Ermittlungen sollen rechtzeitig einsetzen, der Erlaß jedoch kann jederzeit, auch noch nach Ablauf der BewZeit (Rn 2) ergehen und tritt mit Verkündung oder Zustellung ein. Im Rahmen der BewAuflage oder durch Anerbieten oder Zusagen ($ 23 I, II) e r b r a c h t e Leistungen w e r d e n n a c h Strafe r l a ß n i c h t z u r ü c k e r s t a t t e t ( § 2 6 a S . 2 iVm $ 2 6 III 1). Der Erlaß ist nicht widerrufbar (BGH StV 92, 4 3 2 ; OLG Stuttgart StV 96, 271). Der i m ErwRecht gem. § 56 g II StGB unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Widerruf des Straferlasses wurde in das J G G nicht übernommen. Verfahren: $ 58; Anfechtung: $ 59 III, IV. Zum Widerruf nach Aussetzung des Restes einer JStrafe durch den Vollstreckungsleiter § 8 8 , 11. Die G n a d e n e n t s c h e i d u n g eines Justizministeriums eröffnet nicht die Möglichkeit zu gerichtlichen Entscheidungen nach $$ 2 2 , 2 3 , 2 6 , 2 6 a (BGH Beschl. vom 6 . 4 . 1 9 8 4 - 2 ARs 88/84). Zur Übertragung nach § 58 in diesem Falle § 58, 11. Widerruf und Erlaß werden in das Zentralregister eingetragen.

233

15

S 26a 8.

2. Teil. Jugendliche

Widerruf der Bewährung bei Drogentätern

1 6 Nimmt der Proband weiter Drogen oder entzieht er sich der Therapie (zu letzterem aber auch a. E.), so wird häufig bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (S 61, 5) rasche Sicherungshaft nach § 453 c StPO geboten sein, um hierdurch weitere Gefährdung zu vermeiden und durch umgehenden Widerruf der Bewährung für die Zukunft eine „operante Konditionierung gegen den Drogengebrauch" zu setzen (Rubner Ärztl. Praxis 1978 Nr. 11, 12, 13; Wanke/Täschner Zs. f. Rechtsmedizin 1979, 209) und dem Fehlverhalten eine prompte „Bestrafung" auch in lernpsychologischer Hinsicht folgen zu lassen. Versuche, den Widerruf zu vermeiden, dürften durch rasch verhängten Ungehorsamsarrest (Rn 8 und insbes. § 16,19) kaum j e , durch Verlängerung der BewZeit unter entsprechender Änderung oder Ergänzung der Auflagen aber in bestimmten Fällen nach gründlicher Überprüfung angebracht und erfolgversprechend sein, so wenn eine wesentliche Änderung der Lebensführung (Antritt einer Langzeittherapie oder Substitution mit Methadon bis zum Beginn einer Langzeittherapie) nunmehr Straffreiheit erwarten läßt (OLG Köln StV 96, 218; OLG Düsseldorf StV 98, 215). Der JRichter wird in seine Entscheidung einbeziehen und ggf. gerade auch nach Sicherungshaft berücksichtigen müssen, daß bei Drogenabhängigen Rückfall fast zur Regel wird und in bes. Fällen Rückfall als Motivationsanstoß für neuerliche BewAuflagen Erfolg versprechen kann. Oftmals kann ein Überwechseln in andere Hilfsstellen erforderlich und erfolgbringend sein. - Verstoßen psychisch Drogenabhängige gegen Weisungen, so ist eine Gesamtabwägung des widerrufsbegründenden Verhaltens, der Täterpersönlichkeit und der Befürchtung weiteren weisungsfeindlichen Verhaltens entscheidend (vgl. OLG Karlsruhe Justiz 81, 238 bei Unterbringung eines Erw.; s. auch Rn 7 mit AG Krefeld StV 83, 250). Zum Widerruf der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach $ 35 IV BtMG: $ 1 7 , 3 0 . Diese Grundsätze (auch S 17, 31) werden idR auch bei Widerruf nach § 26 entsprechend zu berücksichtigen sein. Steht Widerruf der Strafaussetzung in Frage und ist beim gleichen Täter bereits eine Strafvollstreckung nach § 3 5 1 BtMG zurückgestellt, so kann es angezeigt sein, mit der Entscheidung bis zum Abschluß der Therapie zuzuwarten, wenn im Falle des Erfolgs der Therapie andere Maßnahmen nach $ 26 II (vgl. Rn 8) ausreichen (OLG Zweibrücken MDR 8 3 , 1 5 0 ; OLG Düsseldorf StV 89, 159 mit Anm. Hellebrand; StV 98, 215; OLG Celle StV 98, 216; jeweils für ErwRecht; Körner JR 83, 434). Auch beim Antritt einer Alkoholtherapie durch einen Täter, der seine Taten unter Alkoholeinfluß begangen hat, kann ein Aufschub der Entscheidung über den Widerruf geboten sein (OLG Schleswig Lorenzen/ Schiemann SchlHA 98, 165). Nimmt der J seine Einwilligung mit einer angeordneten Heilbehandlung zurück, so ist dies nach dem BGH (Rn 4) nicht ohne weiteres ein gröblicher oder beharrlicher Verstoß gegen eine entsprechende Weisung. Zu Drogenkriminalität allg. E i n f . 1 4 9 - 5 1 ; Hinweise auf spezielle Ausführungen zur Drogenproblematik bei anderen $$: Einf.I 51a. 17

Geltung der §§ 26 u. 26 a nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: $ 1, 6 d , dortiger $ 4.

234

Voraussetzungen

$ 2 7

Sechster Abschnitt Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe $ 27 Voraussetzungen Kann nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob in der Straftat eines Jugendlichen schädliche Neigungen von einem Umfang hervorgetreten sind, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist, so kann der Richter die Schuld des Jugendlichen feststellen, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber für eine von ihm zu bestimmende Bewährungszeit aussetzen. 1. Hw.-J: Rn3, 7; § 105 I. - 2. ErwG: $ 104 I Nr. 1. Richtlinie zu $ 27: Der Schuldspruch nach $ 27 wird nicht in das Führungszeugnis aufgenommen (vgl. $ 32 Abs. 2 Nr. 2 BZRG). Schrifttum: Bandemer Der Weg vom „ob" zum „als ob": Die Zulässigkeit des Ausspruchs nach $ 27 JGG bei Zweifeln über das Vorliegen schädlicher Neigungen, Zbl. 9 1 , 3 6 8 ; Heublein § 27 JGG - eine ungeliebte Vorschrift? Zbl. 95, 436; Kreischer Die Aussetzung der Verhängung der JStrafe ($ 27) in ihrer praktischen Bedeutung, Diss. Heidelberg 1971; Lorbeer Die Problematik der Aussetzung der Verhängung der JStrafe nach $ 27, Diss. Marburg 1980; Memmler Schuldspruch gem. $ 27 JGG - u. was dann? RdJ 6 6 , 2 2 5 ; Meyer K. P. Möglichkeiten des Absehens von JStrafe u. die Effizienz solcher Maßnahmen, Zbl. 8 1 , 3 6 5 ; Ostendorf hcv/. ohne Freiheitsstrafe eine Falltür im JStrafrecht, NJW 81,378; Potrykus Über die bedingte Verurteilung nach §§ 27 ff JGG, MDR 54,456; Schumann Der Einstiegsarrest - Renaissance der kurzen Freiheitsstrafe, ZRP 84, 319; Streng Das Aussetzungsverbot des $ 30 I 2, JR 83, 485.

Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Sinn, Praxis und Rechtsnarur Umfang der Rechtskraft Voraussetzungen Folgerungen Zuständigkeit Verbindung mit anderen Maßnahmen . Maßregeln der Besserung und Sicherung

1.

Sinn, Praxis und Rechtsnatur

Rn 1 3 5 9

11 12 17

Die bedingte Verurteilung (§ 21,1) erspart dem Täterjeden Strafmakel und soll ein bes. Anlaß zu guter Führung sein, der bei weiterem Versagen angedrohten Folgen halber und mit Hilfe der BewAuflagen. Sie kann der Strafaussetzung zur Bew. nicht gleichgestellt werden, da bei ihr gerade keine JStrafe verhängt wird (BGH 9, 160).

235

1

$27

2. Teil. Jugendliche

Die JStrafrechtspraxis wendet die bedingte Verurteilung nach $ 27 n u r sehr zurückhaltend an. 1999 wurde lediglich bei 1% der durch Urteil nach JStrafrecht Sanktionierten nach §27 entschieden (berechnet nach Stat. BA S. 42 f). Dabei empfiehlt sich die bedingte Verurteilung durch ihren unbestrittenen Erfolg, auch wenn sich die SS 27, 21 wegen der unterschiedlichen Probanden nicht ohne weiteres vergleichen lassen. Von den 1997 beendeten 1616 Bewährungsaufsichten nach $ 27 endeten lediglich 8% mit der Verhängung einer JStrafe (berechnet nach Stat. BA, Hrsg., Bewährungshilfe 1997 S. 25). Dies zeigt, daß Zweifel am Vorliegen schädlicher Neigungen offensichtlich häufig berechtigt waren. Schaffstein/Beulke (S. 169 FN 3) warnen aber zu Recht davor, die Persönlichkeitsermittlung i m Vorverfahren zu vernachlässigen u n d aus Unentschlossenheit nach $ 27 zu entscheiden. 2 Die Rechtsnatur der bedingten Verurteilung ist umstritten. Potrykus 0R 61, 407) betrachtet die Entscheidung nach S 27 als reinen, von anderen Erwägungen isolierten Schuldspruch und leugnet jede Ahndungsmöglichkeit. Diese Ansicht k a n n schon deshalb nicht richtig sein, da sie den erheblich gefährdeten J sich selbst überläßt, den JRichter in die Rolle des passiven Beobachters verweist, der n u r abwartet, wie der J sich weiterentwickelt. Hier wird gegen den ErzGedanken, einen Grundpfeiler des JRechts, verstoßen und das Gesetz verkannt. Denn nach diesem wird die Entscheidung über die Verhängung der JStrafe n i c h t zur Beobachtung, s o n d e r n z u r B e w ä h r u n g ausgesetzt. Die S S 28 ff treffen alle Voraussetzungen, daß d e m J geholfen werden kann. Solange ungeklärt ist, ob nichts anderes als JStrafvollzug zur erzgünstigen Beeinflussung ausreicht (Rn 5,7), stellt der JRichter die Entscheidung über die Verhängung der JStrafe zurück, verharrt aber n i c h t untätig, sondern versucht, durch andere M a ß n a h m e n (gem. SS 2 9 , 2 3 , 24 Weisungen, Auflagen, Hilfe eines BewHelfers oder durch Verbindung m i t weiteren Maßnahmen) den J so zu beeinflussen, d a ß JStrafe überflüssig wird. Es kann deshalb nicht von einer Zweiteilung des Verfahrens in Schuld- u n d Straffrage nach angelsächsischem Vorbild (so aber Schaffstein/Beulke S. 168: entsprechend der englischen Probation) oder von einer Form des „Schuldinterlokuts" gesprochen werden, zumal keineswegs i m m e r eine neue (zweite) Hauptverhandl u n g stattfindet (vgl. S 30 II). § 27 unterscheidet sich auch von der „Verwarnung mit Strafvorbehalt" nach $ 59 StGB, weil diese - neben der Verwarnung - eine auflösend bedingte Verurteilung zu einer Geldstrafe ist, welche bereits m i t d e m Urteil bestimmt wird, also eher eine „Geldstrafe mit Bew." (Ostendorf NJW 81, 379). Die Entscheidung nach $ 27 ist vielmehr eine echte Strafentscheidung (schon im Schuldspruch liegt eine schuldvergeltende Mißbilligung), in der die schuldhafte Straftat festgestellt u n d das zur Erz. Erforderliche u n d möglicherweise Ausreichende sofort getan wird, jedoch im Interesse der Erz. auch die aus Gründen der Schuldvergeltung allein nicht gebotene, aber mögliche Verhängung von JStrafe für den Fall vorbehalten bleibt, d a ß anders eine Beeinflussung des Täters nicht erreicht werden kann (ebenso Böhm S.248). Ostendorf NJW 81, 378 beschreibt, im G r u n d e k a u m abweichend, die Entscheidung nach S 27 als m i ß -

236

Voraussetzungen billigende Unrechtszuschreibung, die gleichzeitig mit der Warnungs- u n d Hilfef u n k t i o n ein eigenständiges, w e n n auch vorbehaltliches Sanktionsinstitut darstellt. 2.

U m f a n g der Rechtskraft

Die Rechtskraft u m f a ß t nur d e n Schuldspruch selbst u n d d i e i h n u n m i t t e l b a r 3 tragenden Feststellungen, bei Hw. auch die Entscheidung nach $ 105 ($ 30,2,3). An alle weiteren Feststellungen besteht keine Bindung i m Nachverfahren, weil diese ja n u r die Voraussetzungen des $ 27, also die bestehende Unsicherheit, dartun sollen. Eine Bindung an sie widerspräche der materiellen Gerechtigkeit u n d wäre auch deshalb nicht tragbar, weil der J keine Möglichkeit hat, diese d e n Schuldspruch nicht tragenden Feststellungen anzugreifen (Dallinger/Lackner § 30, 14). Ob die Straffrage ganz offenbleibt u n d nachträglich noch jede M a ß n a h m e des JGG angeordnet werden kann, oder ob auch hier jedenfalls insoweit eine B i n d u n g besteht, als n u r noch auf JStrafe erkannt werden kann, ist bestritten ($ 30, 3). Die neben dem Schuldspruch getroffenen M a ß n a h m e n können in Rechtskraft 4 erwachsen, soweit sie deren fähig sind. Das ist f ü r die BewAuflagen u n d für die BewZeit wegen der Abänderbarkeit (SS 28 S. 2; 29, 23 I 3) nicht der Fall. Wegen anderer Verbindungen Rn 12. 3.

Voraussetzungen

Die Entscheidung nach S 27 mit dem Vorbehalt der nachträglichen Verhängung der JStrafe ist n u r u n t e r folgenden Voraussetzungen möglich, nämlich:

5

a) d a ß der Täter s c h u l d i g ist; b) d a ß eingehende Persönlichkeitsermittlungen i m allg. vorgeschriebenen U m f a n g g e f ü h r t sind (deshalb k a n n im vereinfachten JVerfahren keine bedingte Verurteilung nach $ 27 ausgesprochen werden, $ 78, 3; BayObLG 70, 216; Eisenberg 10; aA Ostenäoif $ 62, 1); c) d a ß dennoch n i c h t geklärt werden konnte, ob schädliche N e i g u n g e n überh a u p t vorliegen oder deren U m f a n g schon zur Verhängung einer JStrafe zwingt (OLG Düsseldorf MDR 90, 466). Verschiedenes m u ß f ü r JStrafe sprechen, anderes f ü r andere M a ß n a h m e n des JGG; es m u ß also Art oder U m f a n g der schädlichen Neigungen oder die erz. Ansprechbarkeit des Täters fraglich sein; d) d a ß JStrafe bei Art der Tat u n d der Schwere der Schuld m i t d e m Gedanken der Schuldvergeltung vereinbar, aber n i c h t g e b o t e n ist (S 17, 9); letzteres ergibt sich aus d e m Wortlaut des $ 27, der n u r auf schädliche Neigungen abstellt (Eisenberg 9). Diese Voraussetzungen sind bes. im Hinblick auf die doch begrenzten erz. Mög- 6 lichkeiten unserer JStrafanstalten öfter gegeben, als in der Praxis a n g e n o m m e n wird, weil es sich bei der Frage, ob schädliche Neigungen im Sinne des S 17 vorliegen, u m die grundlegende „Entweder-oder"-Entscheidung des JStrafrechts 237

$27

2. Teil. Jugendliche

handelt, wie auch die Spanne zwischen 4 Wochen JA und 6 Monaten JStrafe zeigt. Die erforderliche Klarheit wird bei nur schwer durchschaubaren J häufig nicht gewonnen werden können, auch nicht bei bisher unauffälligen Tätern, die nun wegen mehrerer nicht unerheblicher, aus der bisherigen Entwicklung nicht ableitbarer Taten vor Gericht stehen (Heublein Zbl. 95,439). - Erfolgreich wird die Entscheidung nach $ 27 bes. dann sein, wenn die Möglichkeit besteht, den J aus seiner ungünstigen Umgebung zu bringen. 7 Die bedingte Verurteilung scheidet also aus, wenn schon die Schwere der Schuld eine JStrafe erfordert, bei Bagatelldelikten, welche die Verhängung einer JStrafe nie rechtfertigen (§ 17,6), bei anderen als den bei Rn 5 genannten Unklarheiten; hier sind Zweifel zugunsten des Täters zu beheben. Ist der Täter zZ der Aburteilung schon über 24 Jahre alt, sind die Voraussetzungen grds. nicht mehr gegeben, weil dann die Entwicklung meist zu einem gewissen Abschluß gekommen ist. Auch wo von einer BewZeit keine günstige Beeinflussung erwartet werden kann(darüberS 21,1), kommt eine Entscheidung nach § 27 als erz. sinnlos nicht in Betracht; falls es nicht noch andere Möglichkeiten der Beeinflussung gibt, bleibt nur die JStrafe, weil alle anderen Maßnahmen nicht zur Behebung der schädlichen Neigungen ausreichen. 8 Ob eine Amnestie der Anwendung des § 27 entgegensteht (so BGH 9, 104; vgl. $ 15 II StrFrG 1954), ist zweifelhaft; die Ansicht des BGH zwingt den Richter zu einer Feststellung, die er an sich nicht treffen kann. 4.

Folgerungen

9 Nur wenn die festumrissenen Voraussetzungen vorliegen, kann die Aussetzung, darf jedenfalls keine JStrafe angeordnet werden (ebenso Eisenberg 13). Andere, zB erz. Gründe berechtigen dazu nicht (BayOblG 71, 864). Wegen dieser festumrissenen Voraussetzungen kann von einem Ausnahmecharakter der Vorschrift nicht die Rede sein (Dallinger/Lackner 12). Die Gegenmeinung (Potrykus B 2; Schaffsteiti/Beulke S. 169) verkennt die Schwierigkeiten, denen die gewissenhafte Feststellung begegnet, schädliche Neigungen von so großem Umfang lägen vor, daß nur noch JStrafe hilft ($ 17, 11). 10 Der Schuldspruch wird nicht in das Führungszeugnis aufgenommen ($ 32 II 2 BZRG; RL; Vor $ 97,18). Anrechnung von UHafft ist n u r im Nachverfahren (S 30) möglich, wenn JStrafe verhängt wird. Es empfiehlt sich daher, in den Gründen des Urteils gem. $ 27 darauf hinzuweisen, daß die Entscheidung über die Anrechnung von UHaft dem Nachverfahren vorbehalten bleibt (Dallinger/Lackner 17; Potrykus NJW 56, 654). 5.

Zuständigkeit

11 Die nach d e m Schuldspruch erforderlich werdenden Entscheidungen obliegen dem erkennenden Richter ($ 62,6). Der J(einzel)Richter sollte deshalb den 238

Voraussetzungen

§ 27

Schuldspruch n u r aussprechen, w e n n sich ausnahmsweise sicher voraussehen läßt, daß bei einem Nachverfahren höchstens JStrafe nicht über l j a h r verhängt wird; andernfalls ist Vorlage an das JSchöffengericht geboten (§ 41, 21, 26, 29), u m zu vermeiden, d a ß ein anderes Gericht die Entscheidung nach $ 30 trifft ($ 62, 6; Potrykus NJW 56, 655; Eisenberg 4; aA Ostendorf 2). 6.

Verbindung m i t anderen M a ß n a h m e n

Ob neben der Entscheidung nach § 27 außer den dort vorgesehenen Anordnungen 1 2 für die BewZeit noch andere M a ß n a h m e n ergriffen werden dürfen, ist sehr umstritten. Klar ist, d a ß daneben Weisungen u n d Auflagen als BewAuflagen (§§ 29, 23, 10, 15) verhängt werden können. Eine Verwarnung ($ 14) ist neben dem Gewicht der Entscheidung nach § 27 nicht am Platze, ebensowenig die A n o r d n u n g der Erziehungsbeistandschaft ($ 12), weil durch die BewHilfe das gleiche Ziel besser, vor allem mit m e h r Nachdruck angestrebt werden kann. Die Frage tritt also praktisch n u r im Verhältnis z u Hilfe z u r Erz. nach $ 12 Nr. 2 und JA auf u n d hat bei letzterem eine lebhafte Diskussion ausgelöst. JA läßt die hM neben der Entscheidung nach § 27 nicht zu. Den sog. „Einstiegs- 13 arrest" lehnen ab: BGH 18,207; BayObLG 9 7 , 1 9 = NStZ-RR 97,216; NStZ-RR 98, 377; OLG Düsseldorf NJW 62,1640; OLG Celle NStZ 8 8 , 3 1 5 mit zust. Anm. Biete= JR 8 9 , 2 1 4 m i t abl. Anm. Brunner; DSS/Diemer § 8,6-, Eisenberg § 8,11; Ostendorf 10; Dallinger/Lackner 19; SchaffsteinfBeulke S. 171; Böhm S. 249; Albrecht S. 275; Schöch JR 78, 75; Nothacker S. 172 FN 360 b; Wolf S. 324 FN 4; Hügel BewH 87, 50; Hinrichs BewH 87, 56; Eisenhardt Gutachten über den JA, 1989 S. 158; Maurach/Gössel/Zipf S. 732; Lösch JR 61, 1151; Potiykus JR 61, 407; Voß NJW 62, 1095; von Beckerath JStrafrechtliche Reaktionen bei Mehrfachtäterschaft, Diss. Tübingen 1997 S. 34. Die Begründungen sind unterschiedlich. So, weil durch das Verbot der gleichzeitigen Verhängung von JStrafe u n d JA (§ 8 II 1) der Grundsatz der Einspurigkeit des Freiheitsentzuges verwirklicht werde u n d dieser Grundsatz bei den verschiedenen Aufgaben u n d Anwendungsbereichen von JStrafe und JA auch d a n n zu beachten sei, wenn die Verhängung nicht gleichzeitig erfolge, da wegen einer Tat gegen den Täter nicht beide unterschiedliche M a ß n a h m e n verhängt werden dürften; z u d e m d ü r f e JA schlechthin nicht verhängt werden, wenn schädliche Neigungen im Sinne des § 17 nicht ausgeschlossen werden könnten. Weiter wird diese Koppelung abgelehnt, weil jede Verbindung eine das Verfahren abschließende Entscheidung voraussetze, was bei § 27 gerade nicht der Fall sei; weil eine Doppelbestrafung vorliege, w e n n im Nachverfahren auf JStrafe erkannt würde; weil JA nicht verhängt werden dürfe, w e n n seine Voraussetzungen und d a m i t sein Erfolg zweifelhaft seien. Auch von Gegnern wird allerdings teilweise a n g e n o m m e n , d a ß die Verbindung des Ausspruches nach $ 27 mit der Anordnung von JA nach den praktischen Erfahrungen zu erz. guten Ergebnissen g e f ü h r t u n d bei Gruppendelikten unbefriedigende Ergebnisse vermieden hat (so Martin LM § 8 JGG A 2; Dorsch BewH 60, 48; Thiesmeyer Zbl. 78, 26; Schaffstein/Beulke S. 171; Schaffstein

239

2. Teil. Jugendliche

ZStW 70, 886 u. Anm. NStZ 86, 510; Bietz Anm. NStZ 82, 121; für Tatgemeinschaften zust. Ostendorf Gtdl. z. SS 27-30 Rn 5). 14 Der Weg zu einem 1. JGGÄndG brachte für den Einstiegsarrest (in folgendem EA) ein Zwischenspiel, das festzuhalten wert ist. Im ArbE 1982 und im RefE 1983 des BMJ wurde S 8 II durch einen S. 2 ergänzt, der bei S 27 - und selbst bei S 21 (!) - die Anordnung eines EA als „vielfach erz. sinnvolle Koppelung" (Begr. ArbE S. 23; RefE S. 24) zugelassen hat (näher Anm. Brunner JR 89,215). Der RefE vom Juli 1987 - u n d folgend auch der RegE 1989BT-Drs. 11/5829 vom 27.11.1989-haben dann für S 27 (u. § 21) den „für die Kostenfrage bes. bedeutsamen" (Begr. RefE 1983 S. 29) EA kommentarlos fallenlassen. Stellungnahmen der Praxis, der meisten Landesministerien und des Deutschen Richterbundes (Information 2/1983, Beilage zur DRiZ 2/1983,119) haben die Zulassung eines EA ausdrücklich begrüßt. Auch die DVJJ hat in ihrer Stellungnahme vom Dez. 1982 (S. 14, 15) zum ArbE 1982 „angesichts dieser sich die Waage haltenden Argumente pro und contra" vorgeschlagen, zunächst EA nur bei $ 27 zuzulassen, aber auch „gewichtige Argumente" für Zulassung des EA selbst bei S 21 nicht verneint (S. 14). Während die DVJJ auch mit ihrer Stellungnahme 1984 zum RefE 1983 bei $ 27 nur Beschränkungen des EA vorgeschlagen hatte, hat sie mit ihrer Stellungnahme vom 1.2.1988 zum RefE 1987 die Streichung jeden EArrestes begrüßt, die ihr „1984 (noch) nicht durchsetzbar erschienen sei" (S. 2). Der Deutsche Richterbund hingegen hat ausdrücklich bedauert, daß auf die ursprünglich vorgesehene Einführung des EA nun im RefE 1987 „vor allem aus Kostengründen" verzichtet worden ist (DRiZ 88, 113). 15 Die Verhängung von JA neben der Entscheidung nach S 27 als EA halten für zulässig: KG NJW 61, 1175 u. JR 61, 190; OLG Schleswig SchlHA 62, 108; AG Winsen/Luhe NStZ 82,120 mit abl. Anm. Bietz, vgl. auch Neumann NStZ 82,446; LG Augsburg NStZ 86,507 mit zust. Anm. Brunner, abl. Anm. Schaffstein sowie abl. Anm. Herrlinger/Eisenberg NStZ 87, 177; Grethlein NJW 57, 1461; 62, 1606; JR 62, 161; 63,304; ThiesmeyerZbl. 78,26; Schlikhter GA 88,127. Auch Bandemer (Zbl. 90, 421) vertritt die Auffassung, JA neben der Entscheidung nach $ 27 zuzulassen, sei nicht nur möglich, sondern geboten. Diese Koppelung mit ihrem Stufenverhältnis sei ein weiterer Anstoß zur Flexibilität. Trotz gewichtiger Gründe für eine Koppelung muß diese jedoch als unzulässig angesehen werden. Zwar ist die Herleitung des Koppelungsverbots aus S 131 zweifelhaft (dazu 9. Aufl.) und läßt sich entgegen OLG Celle NStZ 88, 315 und Potrykus JR 61, 407 aus dem Gesetz nicht ableiten, daß der Schuldspruch nach $ 27 (zunächst) jegliche weitere Ahndung dieser Schuld ausschließe. Der Hinweis des OLG Celle, es könne der Grundsatz „ne bis in idem" verletzt sein, trägt nicht. Art. 103 III GG verbietet mehrere Strafverfahren wegen einer Tat, nicht aber, mit mehreren Sanktionsmitteln auf eine Tat zu reagieren. Das Verfahren ist mit der Schuldfeststellung nicht abgeschlossen, sondern bedarf nach erz. Hilfen der Beendigung nach $ 30 durch Verhängung der JStrafe oder durch Tilgung des Schuldspruchs (ebenso LG Augsburg NStZ 86,508). Auch der ArbE 1982 (S. 31) und der RefE 1983 (S. 32) haben verfassungsrechtliche 240

Voraussetzungen

$27

Bedenken verneint. Weiterhin könnte für den EA angeführt werden, er könne helfen, einen J ggf. rasch aus unguter Umgebung zu nehmen, mache ihm den Ernst der Situation deutlicher, sichere dem BewHelfer ($ 29) ersten Kontakt und leite damit insgesamt die BewZeit gezielt ein. Nach Schlächter (GA 88, 127) bietet sich der EA auch deshalb an, weil viele J das gewohnte Leben ohne Zwang (der fühlbar ist) nicht ändern. Diese Gesichtspunkte würden jedoch auch bei der Strafaussetzung nach S 21 zutreffen, mit der JA nach dem eindeutigen Wortlaut des $ 8 II nicht verbunden werden kann. § 27 ist dem $ 21 „vorgelagert" und ebenso wie dieser als ambulantes Reaktionsprogramm konzipiert (vgl. auch Ostendorf 10). Hiermit ist die Verhängung von JA nicht vereinbar. Die Unzulässigkeit der Kombination ergibt sich auch daraus, daß die Gesetzesvorschläge zur Einführung des EA (Rn 14) fallengelassen wurden (BayObLG 97, 20 f = NStZ-RR 97, 216). Mit BGH 35, 288 (= J R 89, 297 mit zust. Anm. Böhm) ist es als unzulässig anzusehen, neben der Aussetzung nach $ 27 Hilfe zur Erz. nach S 12 Nr. 2 anzuordnen (ebenso OLG Frankfurt NJW 5 5 , 6 0 3 ; OLG Hamm Zbl. 7 5 , 4 0 7 ; LG Münster MDR 7 4 , 6 0 2 ; Ostendorf 11; Eisenberg $ 8 , 1 0 verweist auf BGH, legt sich aber nicht fest; Böhm aaO u. S. 249; Potryktis NJW 5 5 , 2 4 5 ; vgl. auch Bietz NStZ 8 8 , 3 1 6 jeweils mit zT unterschiedlichen Begründungen). Der BGH überzeugt mit dem Einwand, der JRichter werde durch eine gleichzeitige Anordnung von Fürsorgeerz. (Hilfe zur Erz. nach § 12 Nr. 2) im Nachverfahren unzulässig eingeschränkt, weil diese nur der Vormundschaftsrichter aufheben kann. Überdies erscheint es nicht sinnvoll, Hilfe zur Erz. nach § 12 Nr. 2 anzuordnen, da dies dem Sinn des Instituts des § 27 widerspricht, was auch die $$ 28, 29 zeigen.

7.

16

Maßregeln der Besserung und Sicherung

Neben der Entscheidung nach § 27 können, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die im JRecht zulässigen Maßregeln der Besserung und Sicherung, Nebenstrafen u n d Nebenfolgen ausgesprochen werden (Eisenberg 19, 20). Denn die Entscheidung nach $ 27 ist eine ebenso spezifisch jrechtliche Unrechtsreaktion, wie ErzMaßregeln und Zuchtmittel, neben denen diese Entscheidungen zulässig sind ($ 8 III für Nebenstrafen und Nebenfolgen, $ 5 III für Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, BGH 6, 394 für Entziehung der Fahrerlaubnis); doch wird bei der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus regelmäßig eine Entscheidung gem. § 27 nach § 5 III entbehrlich sein, anders bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 7, 6). Ob neben dem Schuldspruch auf ein Fahrverbot erkannt werden darf, ist streitig (vgl. Böhm J R 89, 298 mwN).

17

Nachträgliche Entscheidung über die Verhängung von JStrafe $ 3 0 ; Verfahren § 62; Urteilsfassung u. Begründung $ 54, 6; Kosten 5 74, 5, 9; Rechtsmittel § 55, 11, 27; Wiederaufnahme gegen Entscheidungen nach $ 27: § 55, 48; BZRG Vor $ 97, 18.

18

241

$ 2 9

2. Teil. Jugendliche

19 Geltung der $$ 27-30 nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: § l , 6 d , dortiger $2.

$ 28 Bewährungszeit (1) Die Bewährungszeit darf zwei Jahre nicht überschreiten und ein Jahr nicht unterschreiten. (2) Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft des Urteils, in dem die Schuld des Jugendlichen festgestellt wird. Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf zwei Jahre verlängert werden. 1. Hw.-J: S 105 I. - 2. ErwG: § 104 I Nr. 1, § 62, 6. 1 Die BewZeit muß hier immer zwischen 1 und 2 Jahren liegen. Die Dauer richtet sich nach der Zeit, die voraussichtlich zur Erkenntnis des Täters ($ 27, 2, 5) notwendig ist. Solange Unklarheit besteht, kann eine kürzere BewZeit vor ihrem Ablauf ohne weitere Gründe bis zur Höchstgrenze von 2 Jahren verlängert werden. Im übrigen gilt das bei $ 22 Gesagte (bes. 2,4) entsprechend. Die Strafverfolgungsverjährung ruht in der BewZeit (J 78 b I StGB). Zur Unterstellungszeit $ 29, 1. 2 Wegen verfahrensrechtlicher Fragen $$ 62 IV; 63 II; 58 I, II 1; 59 II, V. Eine Übertragung nachträglicher Entscheidungen oder gar des Verfahrens als Ganzes ist also nicht möglich ($ 62, 6). 3 Geltung des $ 28 nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: § 1,6 d, dortiger $ 2.

$ 29 Bewährungshilfe Der Jugendliche wird für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Die SS 23, 24 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 3 und die SS 25,28 Abs. 2 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden. 1. Hw.-J: § 1051; § 10,4 und $ 15, 2. - 2. ErwG: § 1041 Nr. 1, V 2; § 62,6. 3. Sold. $ 23, 3; $ 25, 13. 1 Auch hier fallen Bew- und Unterstellungszeit auseinander; wie bei der Strafaussetzung zurBew.wirdderJfürdieDaueroder auch nur einen Teil der BewZeit - obligatorisch - der Aufsicht und Leitung eines BewHelfers unterstellt (Abs. I). Nach S. 2 sind die $$ 23,2411 u. 2, Abs. II u. III und die $$ 25,28 II 1 entsprechend 242

Verhängung der Jugendstrafe; Tilgung des Schuldspruchs

$30

anzuwenden. Es gilt also insbes. das § 2 4 , 1 u. 1 a Ausgeführte mit dem Abmaß des § 28 II 2. Die Bew.- und die Betreuungszeit beginnt mit der Rechtskraft des Urteils, in welchem die Schuld des J festgestellt wird ($ 28 II 1). Der Unterschied zur Strafaussetzung zur Bew. aber liegt darin, daß Auflagen 2 und BewHilfe auch darauf zugeschnitten werden müssen, den Täter zu erkennen ($ 28, 1). Daneben darf aber nichts unversucht bleiben, den Täter günstig zu beeinflussen und zu einem rechtschaffenen Leben zu erziehen (ähnlich wie bei der Strafaussetzung zur Bew.). Die Folgen eines Verstoßes gegen Auflagen sind an sich die gleichen wie bei der 3 Strafaussetzung ($ 26 a, 8), also Ungehorsamsarrest nach $ 2 3 1 4 ; doch berechtigt gröblicher und beharrlicher Ungehorsam allein im Gegensatz zu $ 2 6 1 nicht zur Verhängung von JStrafe (S 30,8). Im übrigen gilt das bei den SS 2 3 , 2 4 , 2 5 Gesagte entsprechend. Wegen der verfahrensrechtlichen Fragen § 28, 2 u. § 64. Geltung des $ 29 nach Anlage I zum Einigungsvertrag: § 1, 6d, dortiger § 2. 4

$ 30 Verhängung der Jugendstrafe; Tilgung des Schuldspruchs (1) Stellt sich vor allem durch schlechte Führung des Jugendlichen während der Bewährungszeit heraus, daß die in dem Schuldspruch mißbilligte Tat auf schädliche Neigungen von einem Umfang zurückzuführen ist, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist, so erkennt der Richter auf die Strafe, die er im Zeitpunkt des Schuldspruchs bei sicherer Beurteilung der schädlichen Neigungen des Jugendlichen ausgesprochen hätte. (2) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 nach Ablauf der Bewährungszeit nicht vor, so wird der Schuldspruch getilgt. Hw.-J: Rn 3; $ 105 I. - 2. ErwG: $ 104 I Nr. 1, V 2. Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Bindung an den Schuldspruch Unrechtsreaktion nur JStrafe Ungehorsam gegen BewAuflagen Weitere Aussetzung Tilgung des Schuldspruchs Zeitpunkt und Voraussetzungen für JStrafe Straftaten während der BewZeit

Rll 1 3 4 5 6 7 13

243

$30 1.

2. Teil. Jugendliche Bindung an den Schuldspruch

1 Im Nachverfahren sind nur 3 Entscheidungen möglich: Weitere Aussetzung der Verhängung (Rn 5), Tilgung des Schuldspruchs (Rn 6) und Verhängung der JStrafe (Rn 7). 2 Gegenstand der Entscheidung ist die Tat, deretwegen der J nach $ 27 schuldig gesprochen wurde. Eine Bindung an das Urteil nach § 27 besteht nur hinsichtlich des Schuldspruchs und der ihn unmittelbar tragenden Feststellungen ($ 27,3). Im Nachverfahren darf hier ebensowenig eine Nachprüfung einsetzen wie im Verfahren über eine auf das Strafmaß beschränkte Berufung. Eine Bindung fehlt nur dort, wo die im Schuldspruch bezeichnete Rechtsnorm keine strafrechtlichen Folgen haben kann, Prozeßvoraussetzungen fehlen oder Prozeßhindernisse gegeben sind (Verjährung, Strafantrag, ne bis in idem, Fehlen der JG-Zuständigkeit). Das Verfahren ist dann einzustellen (SS 260 m, 206 a StPO). Das Persönlichkeitsbild des J ist dagegen selbständig und ohne jede Bindung zu beurteilen (vgl. auch Rn 10). 2.

Unrechtsreaktion nur JStrafe

3 Als Unrechtsreaktion kann auf Grund des Schuldspruchs nur JStrafe verhängt werden, weil nur deren Verhängung im Urteil nach S 27 vorbehalten ist. Bei Hw. findet deshalb im Nachverfahren keine Prüfung nach § 105 mehr statt (Dallinger/ Lackner % 106,69; Potrykus B 2; NJW 56,655 gegen NJW 55,246). Aus dem gleichen Grund ist es auch nicht möglich, zugleich mit der Anordnung der Tilgung ErzMaßregeln oder Zuchtmittel zu verhängen (BGH 18, 211; Dallinger/Lackner 8; Ostendorf 10; Schaffsteinßeulke S. 170; aA OLG Schleswig NJW 58, 34; Potrykus B 1 c u. NJW 55, 246). Die Tat ist - ähnlich wie bei Strafaussetzung auf Bew. - mit dem erfolgreichen Abschluß der BewZeit gesühnt (S 29, 2). Die gebotenen erz. Einwirkungen sind während der BewZeit vorzunehmen, die höchstens 2 Jahre betragen darf ($ 28). Zur JStrafe im Nachverfahren nach § 30 I Rn9 u. 9 a. 3.

Ungehorsam gegen BewAuflagen

4 Wegen Ungehorsams gegen Weisungen und Auflagen, die als Bewährungsauflagen gem. $ 29 angeordnet wurden, kann gem. $$11 III, 15 III JA verhängt werden (S 2314). Solches Eingreifen ist oft bei erheblicheren Verstößen geboten, wenn die Verhängung der vorbehaltenen Jugendstrafe nicht angezeigt ist (Rn 8). Eine Anrechnung dieses JA auf eine später verhängte JStrafe (Rn 12) ist nicht möglich, da er nur die Reaktion auf den Ungehorsam, nicht auf die abgeurteilte Tat ist. Dazu auch Rn 12 aE.

244

Verhängung der Jugendstrafe; Tilgung des Schuldspruchs 4.

$ 30

Weitere Aussetzung

Ergibt eine zur Festsetzung der JStrafe in der BewZeit anberaumte Verhandlung 5 nicht die Voraussetzungen für die Verhängung von JStrafe (Rn 7, 8), so muß die Entscheidung über die Verhängung weiterhin ausgesetzt bleiben ($ 62 III), falls nicht die BewZeit inzwischen - uU durch Verkürzung - abgelaufen ist. Die Tilgung des Schuldspruchs vor Ablauf der BewZeit (hM gegen Eisenberg $ 62, 13; Nothacker S. 200) oder die Anordnung von ErzMaßregeln oder Zuchtmittel nach deren Ablauf (Rn3) ist nicht möglich. Konnte der Täter nämlich trotz eingehender Persönlichkeitsforschung in der Verhandlung nach $ 27 nicht erkannt werden, ist eine Beobachtung während der BewZeit, also mindestens 1 Jahr lang (eine längere BewZeit kann verkürzt werden; § 28 S. 2) erforderlich, um zu sicheren Ergebnissen zu kommen und Trugschlüsse zu vermeiden. Das hat das Gesetz in §S 30 II, 62 III hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht (Dattinger/Lackner 17, $ 62, 19; aA OLG Schleswig NJW 58, 34; Potiykus B 1 c). 5.

Tilgung des Schuldspruchs

Ist während der BewZeit keine Strafe ausgesprochen worden und ergibt sich auch bei den Schlußermittlungen und auf Grund der in der ganzen BewZeit gesammelten Erfahrungen keine Notwendigkeit für die Verhängung von JStrafe (Rn 7 ff), so muß der Schuldspruch getilgt werden (durch Urteil oder Beschluß: $ 621, II). Die Entscheidung soll möglichst rasch ergehen (vgl. auch Rn 3). 6.

6

Zeitpunkt und Voraussetzungen der JStrafe

Auf JStrafe kann im Nachverfahren durch Urteil ($ 62 I S. 1; § 62, 3) erkannt 7 werden, sobald der Schuldspruch rechtskräftig ist und sich herausstellt, daß zZ der Entscheidung nach § 27 schädliche Neigungen in einem die Verhängung von JStrafe erfordernden Umfang vorgelegen haben. Dies ist während der ganzen BewZeit bis zur Tilgung des Schuldspruchs (§ 26 a, 1) möglich. Der JRichter kann auf schädliche Neigungen zZ der Entscheidung nach § 27 aus 7 a Feststellungen schließen, die ein Verhalten während der BewZeit betreffen, aber auch aus nun erst bekanntgewordenen Tatsachen aus der Zeit vor der Entscheidung nach § 27 oder aus erst nachträglich ermittelten Umständen bei der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Tat, soweit sie nicht den Feststellungen widersprechen, welche den Schuldspruch unmittelbar tragen und damit rechtskräftig sind (vgl. Dallinger/Lackner 4, 14; Eisenberg 4, 5). Der Verstoß gegen BewAuflagen genügt ebensowenig wie allg. schlechte 8 F ü h r u n g oder neue strafbare Handlungen für sich allein (Rn 13; BGH 9 , 1 6 0 , 162). Solche Vorkommnisse können vielmehr nur als Indiz dafür gewertet werden, daß bereits bei der ersten Entscheidung schon erhebliche schädliche Neigungen vorgelegen haben. In gleicher Richtung können auch andere Umstände gewertet werden, auch wenn sie schon vor der Entscheidung nach $ 27 lagen und zwischen-

245

2. Teil. Jugendliche zeitlich bekanntgeworden sind. Alle ermittelten Umstände dürfen also nur herangezogen werden, um die Täterpersönlichkeit, bes. den Umfang der schädlichen Neigungen und die Möglichkeit der erz. Beeinflussung, zu erkennen. Deshalb ist auch die JStrafe so zu bemessen, wie sie bei der Entscheidung nach $ 27 bei sicherer Erkenntnis der Täterpersönlichkeit bemessen worden wäre. Das Verhalten in der BewZeit kann deshalb nie zur Strafschärfung fuhren, sondern nur zur Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit des J mit herangezogen werden (Dallinger/Lackner 8; Eisenberg 8; aA Ostendorf 5, weil auch bei einer einheitlichen Entscheidung das Verhalten nach einer Tat für die Prognose zu berücksichtigen und eine Nichtbeachtung praktisch unmöglich sei). 9

Die Streichung des Abs.I 2 durch das l.JGGÄndG erlaubt es, eine i m Nachverfahren nach Abs. I 1 zu verhängende JStrafe zur Bew. auszusetzen. Dieses Ergebnis ist kriminalpolitisch zu begrüßen, es fügt sich harmonisch in das System des JGG ein, entspricht dessen Sinn und Ziel und erlaubt dem JRichter flexibel und unter Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes zu reagieren. Es ist eine wichtige Möglichkeit mehr, die stationären Maßnahmen, wo angängig, zurückzudrängen. Die Begründung der BT-Drs. 11/5829 S . 2 1 gibt der Vermutung Raum, daß die JRichter bisher die Entscheidung nach $ 27 vor allem deshalb gemieden haben, um sich nicht einem in manchen Fällen unguten Zwang auszusetzen, im Nachverfahren für die JStrafe in keinem Falle Bew. bewilligen zu können.

9a

Der Wegfall des Verbotes, die im Nachverfahren nach $ 3 0 1 erkannte JStrafe zur Bew. auszusetzen, wirkt noch weiter. Die bislang in Rechtsprechung und Literatur heftig umstrittene Frage, ob bei Einbeziehung eines Schuldspruchs nach § 27 wegen einer neuerlichen Straftat gem. $ 31 n zu einer einheitlichen JStrafe Bew. bewilligt werden d a r f (vgl. 8. Aufl. Rn 9), ist nun zwanglos gelöst, hat durch Wegfall des Abs. 12 schlechthin ihre Grundlage verloren. Denn es besteht nicht mehr die Gefahr, daß ein J durch neue Straftaten in der nach SS 28, 29 laufenden BewZeit sich besserstellt, als der, welchem nach früherer Regelung nach strafrechtlich „neutralen" BewVerstößen im Nachverfahren eine Bew. kraft Gesetzes versagt werden mußte. Der JRichter kann nun in beiden Fällen frei nach Beurteilung der Persönlichkeit des J und dessen Tatverstrickung unter dem Vorrang des ErzGedankens eine gezielte Entscheidung treffen. Ein Stück .¡richterlicher Freiheit, die dem J zugute kommt, ist gewonnen. Vgl. dazu aber auch § 3 1 , 1 3 .

10

Stellt sich erst im Nachverfahren heraus, daß der Täter schuldunfähig (S 20 StGB) oder nach § 3 nicht verantwortlich ist, kann bei noch so negativer Persönlichkeitsbeurteilung keine JStrafe verhängt werden, weil die grundlegende Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe fehlt und weil diese auch kein geeignetes Mittel gegen diesen Täter ist (zust. Eisenberg 19). Wird ein Prozeßhindernis festgestellt, ist das Verfahren trotz des rechtskräftigen Schuldspruchs einzustellen (SS 260 III, 2 0 6 a StPO; ebenso Eisenberg 16). - War der Schuldspruch sonst offensichtlich unrichtig und ist keine Strafvorschrift verletzt, wird man ebenfalls die Verhängung einer JStrafe ablehnen müssen (zust. Eisenberg 20; Ostendorf 3). Hierzu auch Rn2.

246

Mehrere Straftaten eines Jugendlichen

Es kann nur JStrafe, jedoch in jedem Umfang und auch mit Strafaussetzung zur 11 Bew. (Rn9) verhängt werden (Rn3). Auch bei der im Nachverfahren festgesetzten JStrafe dürfen das Gewicht der Tat und die Schwere der Schuld ($ 18, 10) nicht unbeachtet bleiben. Vor dem Schuldspruch ($ 27) erlittene UHaft ist nach Maßgabe des $ 52 a anzu- 12 rechnen (Potrykus NJW 56, 655), ebenso in der BewZeit erlittene UHaft ($ 62, 4). Ungehorsamsarrest ist nicht anzurechnen (Rn4). 7.

Straftaten während der BewZeit

Neue Straftaten während der BewZeit können verschieden behandelt werden: 13 Genügt es zur Ahndung, die im BewVerfahren gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, so kann unter Verständigung des die BewAufsicht führenden Richters das neue Verfahren gem. § 45 JGG ($ 154 StPO) eingestellt werden. Ist dies nicht der Fall und werden ErzMaßregeln oder Zuchtmittel erforderlich, ist 14 eine Beendigung der BewHilfe aber erz. unerwünscht, so wird von einer Einbeziehung der Entscheidung gem. $ 27 abzusehen (5 31,23) und allein über die neue Tat zu entscheiden sein. Das weiterlaufende BewVerfahren wird dann ggf. auf die neue Lage abgestimmt. Wird im neuen Verfahren eine JStrafe erforderlich, so ist gem. $ 31 II auf eine 15 Einheitsstrafe zu erkennen, welche die frühere Aussetzung der Verhängung der JStrafe hinfällig werden läßt (dazu auch Rn 9 a). Es kann auch hier erneut nach § 27 mit neu beginnender Bew- und Unterstellungszeit entschieden werden. Verfahrensrechtliche Fragen 5 62; Anfechtung § 63; Urteilsfassung § 54, 6, 15; 16 BZRG Vorb. $ 97, 18. Geltung des $ 30 nach Anlage I zum Einigungsvertrag: § 1, 6 d, dortiger $ 2.

Siebenter Abschnitt Mehrere Straftaten $31 Mehrere Straftaten eines Jugendlichen (1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt der Richter nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (S 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden. 247

17

$ 3 1

2. Teil. Jugendliche

(Z) I s t g e g e n d e n J u g e n d l i c h e n w e g e n e i n e s T e i l s d e r S t r a f t a t e n b e r e i t s rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine E r z i e h u n g s m a ß r e g e l ,

ein

Z u c h t m i t t e l o d e r eine J u g e n d s t r a f e festgesetzt w o r d e n , a b e r n o c h n i c h t vollständig ausgeführt, v e r b ü ß t oder sonst erledigt, so wird u n t e r Einbez i e h u n g d e s U r t e i l s in g l e i c h e r W e i s e n u r e i n h e i t l i c h a u f M a ß n a h m e n o d e r Jugendstrafe erkannt. Die A n r e c h n u n g bereits verbüßten Jugendarrestes s t e h t i m E r m e s s e n des R i c h t e r s , w e n n e r a u f J u g e n d s t r a f e e r k e n n t . (3) I s t es a u s e r z i e h e r i s c h e n G r ü n d e n z w e c k m ä ß i g , s o k a n n d e r R i c h t e r d a v o n absehen, s c h o n abgeurteilte Straftaten i n die n e u e E n t s c h e i d u n g einzubeziehen. Dabei k a n n er E r z i e h u n g s m a ß r e g e l n u n d Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn er auf Jugendstrafe erkennt. 1. H w . - J : $ 1 0 5 , 1 , II. - 2 . E r w G : $ 1 0 4 I Nr. 1. Richtlinien zu $ 31: 1. Ein rechtskräftiges Urteil wird im Gegensatz zu $ 55 StGB auch einbezogen, wenn die weitere Straftat nach seiner Verkündung begangen worden ist. 2. Ist durch das frühere Urteil Jugendstrafe verhängt und die Vollstreckung nach $ 21 zur Bewährung ausgesetzt worden, so bedarf es zur Einbeziehung nicht des Widerrufs der Aussetzung. Das gleiche gilt, wenn nach $$ 8 8 , 8 9 während der Vollstreckung einer Jugendstrafe Aussetzung zur Bewährung angeordnet worden ist. Ist in dem früheren Urteil nach $ 27 lediglich die Schuld festgestellt worden, so wird durch die Einbeziehung dieses Urteils auch das ihm zugrundeliegende Verfahren erledigt. 3. Bei der neuen Entscheidung ist von den tatsächlichen Feststellungen und dem Schuldspruch des einzubeziehenden rechtskräftigen Urteils auszugehen. Es wird jedoch insoweit erneut Beweis zu erheben sein, als dies für die Gesamtbeurteilung des Angeklagten, insbesondere im Hinblick auf die Festsetzung einer neuen Maßnahme oder Jugendstrafe, erforderlich ist. 4. Ist wegen der neuen Straftat eine Verschärfung des früheren Urteils nicht angemessen, so verfährt die Staatsanwaltschaft in der Regel nach S 154 StPO. Dies gilt auch, wenn es ausreicht, die Aussetzung einer Jugendstrafe oder eines Strafrestes zur Bewährung zu widerrufen (5$ 2 6 , 8 8 , 8 9 ) oder ein nach Schuldspruch ausgesetztes Verfahren fortzusetzen (S 30). 5. Über die Anrechnung oder Berücksichtigung von Untersuchungshaft, die im Zusammenhang mit einem einbezogenen Urteil vollzogen worden ist, wird neu zu entscheiden sein. Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Einheit der Unrechtsfolgen Einbeziehung in einem Verfahren Einbeziehung rechtskräftiger Entscheidungen Art der Einbeziehung Wirkung der Einbeziehung Unterlassen der Einbeziehung Absehen von Einbeziehung Einbeziehung von Strafen nach ErwRecht . .

248

Rn 1 3 5 11 17 19 21 25

Mehrere Straftaten eines Jugendlichen

1.

Einheit der Unrechtsfolgen

S 31 regelt nur die bes. Folgen der Tatmehrheit im JRecht. Ob Tatmehrheit oder 1 Tateinheit, ob eine natürliche Handlungseinheit oder ein Dauerdelikt vorliegt, bestimmt das allg. Recht. Eine fortgesetzte Handlung kommt nach dem Beschluß des Großen Senats für Strafsachen des BGH vom 3.5.1994 (BGH 40,138) in aller Regel nicht mehr in Betracht. Trotz gleicher materieller Folgen (Rn 2,3) muß die Frage der Konkurrenz, bes. aus verfahrensrechtlichen Gründen ($ 55, 6, 7), auch im JRecht beantwortet werden. Wo eine H a n d l u n g vorliegt (Tateinheit, natürliche Handlungseinheit, Dauerde- 2 likt, rechtliche Bewertungseinheit), ist auf nur eine Unrechtsfolge zu erkennen, die allerdings gem. $ 8 aus mehreren Maßnahmen bestehen kann. Über den Strafrahmen Rn3. 2.

Einbeziehung in einem Verfahren

Auch bei mehreren Handlungen kennt das JRecht nur eine Unrechtsfolge, 3 gleich wie wenn nur eine Handlung vorläge. Das gilt ausnahmslos, wenn alle Taten in einem Verfahren abgeurteilt werden. Als Täter- und ErzStrafrecht will das JRecht weniger die Ahndung der mehreren Taten als die erz. Beeinflussung des einen Täters; diese aber kann nur einheitlich sein (Grundsatz der Wirkungseinheit, Einheitsprinzip). Es stehen alle Maßnahmen ($$ 6, 7; 9-30) und alle Verbindungsmöglichkeiten ($ 8) des JGG zur Verfügung. - Der Strafrahmen ist der gleiche wie bei einer Tat; auch die Höchstgrenzen der einzelnen Maßnahmen (zB 4 Wochen bei JA) sind zu beachten; gilt für eine der mehreren Taten der erhöhte Strafrahmen der $$ 18 I S. 2, 105 II, so ist dieser für alle einheitlich zu ahndenden Taten maßgebend. - Wegen der Auswirkungen Rn 18. In eine Einheitsstrafe einbezogen werden können freilich nur solche Taten, die von 4 einem deutschen Gericht verfolgt werden können. So hat der Grundsatz der Spezialität des Auslieferungsrechts den Vorrang; soweit hiernach eine Strafverfolgung ausgeschlossen ist, kann kein Schuldspruch und damit keine Einbeziehung erfolgen. Auch das bedeutsame Konzentrationsgebot des $ 31 rechtfertigt es nicht, Grundsätze des Auslieferungsrechts, die im Interesse des internationalen Rechtsverkehrs bestehen, außer acht zu lassen (BGH H MDR 82, 104); das Verfahren wegen solcher Taten muß vorläufig eingestellt werden. Werden auch solche Taten einbezogen, ist das Urteil anfechtbar, aber nicht nichtig (Grethlein NJW 63, 945 mwN, bes. BGH 15, 125); vgl. IRG u. Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten; Rn 22 i, 29 u. $ 1, 5. 3.

Einbeziehung rechtskräftiger Entscheidungen

Das erz. gebotene Prinzip der Einheitsstrafe (besser: einheitliche Maßnahme) 5 gilt grds. (Ausnahme: Rn21) auch, wenn mehrere Taten eines J in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden. Auch wenn die Voraussetzungen des 249

2. Teil. Jugendliche

ErwRechts für die Bildung einer Gesamtstrafe nicht vorliegen (RL 1), wird die frühere Entscheidung in das neue Urteil einbezogen, wenn die folgenden vier Voraussetzungen vorliegen: 6 Die frühere Entscheidung muß rechtskräftig sein (sonst nach eingetretener Rechtskraft $ 66; dort Rn 2, 3). 7 Die Maßnahmen - nicht nach $$ 4 5 , 4 7 angeordnete - der früheren Entscheidung dürfen noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder erledigt sein; die Einbeziehung ist zB nicht möglich, wenn Gebote oder Auflagen erfüllt sind, wenn die Zeit abgelaufen ist, für die ein Verbot ausgesprochen ist, wenn eine Weisung oder eine Auflage nicht mehr erfüllt werden kann (Tod des Beleidigten vor Entschuldigung, Kinderlähmung des Verurteilten vor Erfüllung der Arbeitsauflage), wenn die Verwarnung vollzogen ist ($ 14, 5), wenn die Hilfe nach $ 12 Nr. 2 oder ErzBeistandschaft beendet ist, wenn JA restlos verbüßt ist, von seiner Vollstreckung abgesehen wird ($ 87 in) oder wenn 1 Jahr seit Rechtskraft seiner Verhängung abgelaufen ist ($ 87 IV), wenn bei Aussetzung der Verhängung der JStrafe der Schuldspruch nach $ 30 getilgt ist, wenn eine zur Bewährung ausgesetzte JStrafe erlassen ist (BGH StV 92, 432), wenn eine JStrafe ganz verbüßt ist oder wenn Vollstreckungsverjährung ($ 4, 3), Gnadenerweis oder Amnestie der Vollstreckung entgegensteht, wenn bei Entziehung der Fahrerlaubnis die Sperrfrist abgelaufen ist (BGH 42,299 = NStZ 98,355 mit zust. Anm. Dötting). - Ist ein Teil der Maßnahmen erledigt, werden nur die übrigen einbezogen. Es empfiehlt sich, im Tenor des neuen Urteils klarzustellen, daß das frühere Urteil bezüglich der vollstreckten Rechtsfolge erledigt ist (BGH 42, 299). Bei der Festsetzung der neuen Rechtsfolge ist eine mögliche erz. Wirkung der ausgeführten oder verbüßten Sanktion zu berücksichtigen und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinsichtlich der Gesamtheit der erledigten und neu zu verhängenden Rechtsfolgen zu beachten (Dölling NStZ 98, 355 f; Ostendotf 23) Vgl. weiter Rn 11 u. 14. Nach Aufhebung eines Urteils in der Revision und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung hat jedoch das nun zuständige Gericht eine im Zeitpunkt der neuen Hauptverhandlung bereits erledigte frühere Verurteilung nach 5 31 zu berücksichtigen, wenn sie zZ der Hauptverhandlung, die dem aufgehobenen Urteil zugrunde lag, noch nicht vollständig erledigt war (BGH StV 92, 433; 01, 179). 8 Aus dem früheren Urteil müssen nach dem Gesetzestext noch ErzMaßregeln, Zuchtmittel, JStrafe oder die Aussetzung der Verhängung der JStrafe übriggeblieben und solche Maßnahmen müssen auch wegen der neuen Tat zu verhängen sein. Ein früheres Urteil kann auch dann einbezogen werden, wenn es nach $ 5 III von der Verhängung von Jugendstrafe oder Zuchtmitteln abgesehen hat, denn Entscheidungen nach $ 5 III setzen einen Schuldspruch voraus und es entspricht dem gesetzgeberischen Willen, alle schuldhaft begangenen Straftaten in das Einheitsprinzip des § 31 einzubeziehen (BGH 39, 92, 93 f = JR 93, 513 mit zust. Anm. Brunner = JZ 93, 529 mit Anm. Eisenberg/Sieveking, nach denen eine analoge Anwendung des § 31 II möglich ist). Darüber hinaus ist die Einbeziehung auch dann zulässig, wenn nur noch Nebenstrafen, Nebenfolgen oder Maßregeln 250

Mehrere Straftaten eines Jugendlichen

$31

der Besserung und Sicherung aus dem alten Urteil übrig oder im neuen Verfahren nur solche zu treffen sind. Diese Rechtsfolgen haben ebenso wie die spezifisch jstrafrechtlichen Sanktionen eine präventive Funktion. Ihre Einbeziehung entspricht dem Gesetzeszweck, eine auf die Täterpersönlichkeit abgestimmte einheitliche Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen, die auf aktueller Diagnose und Prognose beruht (Ostendorf 7; DSS/Schoreit 14; Nix/Nicolai 12 ff; in der Tendenz auch Eisenberg 16; aA DallingerfLackner

10). Die Einbeziehung setzt bei der Aus-

setzung der Verhängung der JStrafe ($ 27) nicht ein formelles Nachverfahren nach $$ 3 0 1 , 6 2 1 voraus (BGH 3 1 , 2 5 5 ; Brunner JR 8 1 , 2 6 2 ) . Dazu auch Rn 15 u. § 4 1 , 4 1 . - Wegen Einbeziehung von ErwStrafen R n 2 5 , aber auch § 3 2 , 5. Die Einbeziehung darf n i c h t erz. u n z w e c k m ä ß i g sein (Rn 22).

9

Liegen diese Voraussetzungen vor, m u ß die frühere Strafe einbezogen werden.

10

Schwierigkeiten hinsichtlich der Höchstgrenze der JStrafe berechtigen nicht dazu, von der Einbeziehung abzusehen, falls nicht dadurch erz. Bedenken gegen die Einbeziehung begründet werden (Rn 23; Frisch NJW 5 9 , 1 6 6 9 ; DallingerfLackner wohl auch Nothacker

42;

S. 253; aA Potrykus NJW 59, 1 0 6 4 unter Mißachtung des

Wesens der Einheitsstrafe). Vgl. aber auch Rn 24. Die Möglichkeit des § 6 6 vermag das Fehlen der Prüfung nach $ 3 1 II nicht zu heilen (BGH B NStZ 94, 530). 4.

Art d e r E i n b e z i e h u n g

Bei der Einbeziehung müssen der Gesamtkomplex einheitlich bewertet und Unrechtsfolgen wie bei gleichzeitiger Aburteilung ausgesprochen werden. Einbez o g e n werden also n i c h t n u r die M a ß n a h m e n des früheren Urteils, s o n d e r n dieses selbst m i t s e i n e m Schuldspruch (BGH Detter NStZ 9 1 , 2 7 6 ; OLG Schleswig EJF C 1 4 6 ; Potrykus NJW 59, 1064; Urteilsformel: $ 5 4 , 8). Alle einbezogenen Entscheidungen sind im Urteilstenor zu kennzeichnen (BGH B NStZ 9 7 , 4 8 2 ) , bei Einbeziehung einer früheren Entscheidung, die bereits ein anderes Urteil einbezogen hatte, auch dieses Urteil (BGH StV 8 9 , 3 0 8 ; NJW 9 8 , 4 6 7 ; BGH B NStZ-RR 00, 322; 0 1 , 323). Es m u ß der Sachverhalt aller einbezogenen früheren Verurteilungen einschließlich der Strafzumessungsgründe dargestellt werden, um Art und Schwere der früheren Straftaten erkenn- und nachprüfbar zu machen (BGH B NStZ 89, 522; BGH StV 89, 3 0 7 iVm StV 89, 546; BGH StV 89, 308; 99, 661; NStZRR 9 6 , 1 2 0 ; BGH B NStZ-RR 0 1 , 3 2 3 ; OLG Celle StV Ol, 180), auch soweit sie bereits selbst in eine der einbezogenen früheren Entscheidungen einbezogen waren (BGH StV 8 9 , 3 0 8 ; 545; 9 3 , 5 3 3 ) . Denn es sind nicht nur die früheren Strafen, sondern die früheren Urteile einzubeziehen (BGH H M D R 92, 3 2 1 f). Für die Darstellung der früheren Tat reicht die Angabe, es handele sich um einen der j e t z t abzuurteilenden Tat vergleichbaren Sachverhalt, nicht aus (BGH B NStZ 9 5 , 5 3 7 ) . Zum Tenor aber auch Rn 12 aE. Neben der W ü r d i g u n g des Täters ist auch eine Gesamtwürdig u n g aller d e r E i n b e z i e h u n g z u g r u n d e l i e g e n d e n T a t e n , also auch der bereits abgeurteilten (BGH NStZ 8 7 , 4 4 3 ; StV 9 2 , 4 3 2 ; 93, 533), geboten (BGH 1 6 , 1 3 5 u. NStZ 82, 466; BayObLG Rüth DAR 82, 251), lediglich rechnerische Einbeziehung

251

11

$31

2. Teil. Jugendliche

wäre rechtsfehlerhaft (BGH B NStZ 83, 449; BGH NStZ 88, 492; BGH H MDR 88, 278; BGH B NStZ 97, 482). 12 Der Schuldspruch des einbezogenen Urteils und die ihn tragenden Feststellungen sind bindend (BGH GA 53, 83); es gilt das § 30, 2 Ausgeführte. Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs besteht dagegen keine Bindung (BGH 41, 99; Rn 13, 14). Die dazu getroffenen Feststellungen unterliegen der freien Beweiswürdigung, eine Wiederholung der früheren Beweisaufnahme ist jedoch ausgeschlossen, denn die alten Taten werden nicht neu abgeurteilt (zust. Ostendorf 57, aber aA, wenn Widersprüche oder Zweifel aufzulösen seien). Unter zusammenfassender Würdigung der rechtskräftig erkannten und der neuen Taten (BGH StV 89, 308) ist auf diejenige einheitliche Rechtsfolge zu erkennen, die das Gericht nach etwaiger besserer Erkenntnis der Täterpersönlichkeit (RL 3) für alle Straftaten selbständig und losgelöst vom früheren Strafausspruch als angemessen ansieht (BGH Martin DAR 75, 118 unter Bezugnahme auf BGH 16, 337; BGH Spiegel DAR 79,184; BGH Detter NStZ 91, 276; BGH H MDR 92, 322; BGH B NStZ 92, 529; BGH StV 93, 533; 98, 382; 99, 661). Im Tenor sind nur die Einbeziehung der früheren Urteile und die neu begangenen Straftaten, nicht aber die den einbezogenen Urteilen zugrundeliegenden Taten aufzuführen, weil sie sonst zweimal erwähnt würden (BGH B NStZ 88, 492; vgl. auch $ 54, 8). 13 Die neue Sanktion kann milder ausfallen als die Rechtsfolge der früheren Verurteilung. Die Gegenmeinung, nach der die Einbeziehung nicht der Korrektur des einbezogenen Urteils dient, berücksichtigt nicht hinreichend, daß mit der Einbeziehung das frühere Urteil im Rechtsfolgenausspruch seine Wirkung verliert und nunmehr eine einheitliche Sanktion selbständig und losgelöst von dem früheren Strafausspruch zu bestimmen ist (BGHSt 37, 39 f; 42, 300; BGH StV 92, 432; LG Mannheim NStZ 97, 388; LG Gera DVJJ-J 98, 281; Eisenberg 41 f; Ostendorf 21; von Beckerath JStrafrechtliche Reaktionen bei Mehrfachtäterschaft, Diss. Tübingen 1997 S. 116 ff; aA OLG Karlsruhe MDR 79,781; 81,519; Daliinger/ Lackner 26; Meyer JR 80, 261; Seiser NStZ 97, 374). Nach den Grundgedanken des JGG ist die Rechtsfolge zu verhängen, die nach dem aktuellen Erkenntnisstand angemessen ist. Hierbei ist die Überlegung Seisers (aaO, 376) zu beachten, daß eine Nichterhöhung der Sanktion vom J nicht als Freispruch mißverstanden werden darf. Zur Teilvollstreckung § 56, 2 aE u. 5. 14 JStrafe oder JA des früheren Urteils werden ganz einbezogen, auch wenn schon ein Teil verbüßt ist (BGH StV 86, 70; BGH 16, 335 u. BGH Herlan GA 63,105; BGHH MDR 79,457). Die verbüßten Teile der einbezogenen JStrafen sind nach 5 51 II StGB iVm $ 2 zwingend auf die neue Einheitsstrafe anzurechnen. Das gehört nicht in den Urteilssatz (BGH 41, 315 = NStZ 96, 279 mit zust. Anm. Brunner gegen die bisherige hM), weil das Gericht insoweit gar keine Entscheidungsmacht hat und diese Anrechnung dem Vollstreckungsleiter obliegt ($§ 82, 84, 85). Dazu % 54, 8; 66,5. Eine Einfügung in den Urteilstenor wäre unschädlich ($ 260 IV 5 StPO), aber überflüssig. In der mündlichen Urteilsbegründung aber muß die Anrechnung dem Verurteilten mitgeteilt werden, in der schriftlichen 252

Mehrere Straftaten eines Jugendlichen

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muß sie als Merkposten erscheinen (näher Anm. Brunner aaO.; vgl. § 54,18). Zur Pflichtverteidigung OLG Köln StV 91, 151 in § 68, 20. Da stets der Rechtsfolgenausspruch des einbezogenen Urteils seine Wirkung verliert und durch den davon losgelösten und selbständigen einheitlichen „Strafausspruch" ersetzt wird, muß die dazugehörige Frage der Anrechnung der UHaft in dem einbezogenen Verfahren nun erneut entschieden werden (RL 5; zust. Eisenberg 62; Ostendoif 22), auch wenn dort die Anrechnung abgelehnt worden war (BGH 25,355; BGH NStZ 96,233). Bleibt es bei der Anrechnung der UHaft kraft Gesetzes ($ 52 a S. 1), muß dies nicht in den Urteilssatz aufgenommen werden, eine Aufnahme kann sich aber bei der EinheitsJStrafe zum Zweck der Klarstellung empfehlen. Die Anordnung nach $ 52 a S. 2 gehört stets in den Tenor. Ein zum Teil verbüßter JA aus dem früheren Urteil kann angerechnet werden, wenn auf JStrafe erkannt wird (Abs. II 2). Soll das geschehen, ist es in den Urteilstenor aufzunehmen, weil Abs. II 2 es dem Richter überläßt, ob und inwieweit verbüßter JA angerechnet werden soll, also eine eigenständige Entscheidung des Spruchrichters vorliegt, die nur er treffen kann. Dazu § 54, 8 aE. Die Anordnung der Strafaussetzung zur Bew. (§ 21), der Aussetzung der Ver- 15 hängung der JStrafe ($ 27; dazu Rn 8 u. $ 41,41) und der Entlassung zur Bew. werden dabei hinfällig (RL 2). Die Einbeziehung einer ausgesetzten JStrafe eröffnet auch dann weder Berufung, noch Revision, noch sofortige Beschwerde nach § 59 I, III, wenn die neue EinheitsJStrafe nicht ausgesetzt wurde (§ 55, 16; OLG Stuttgart MDR 76,1043; vgl. auch Rn 19 u. § 55,6; zust. Eisenberg 69; Ostendorf 31). Entfällt deshalb die Strafaussetzung zur Bew., so erfolgt die Anrechnung erbrachter Leistungen - soweit zulässig (vgl. $ 26 a, 11; der Auflagen also) - bei gebotenem Ausgleich durch eine die Strafvollstreckung verkürzende Anrechnung auf die Gesamtfreiheitsstrafe (= EinheitsJStrafe; BGH 36, 378 zum ErwStrafrecht unter teilweiser Aufgabe von BGH 33,326; OLG Köln NStZ-RR Ol, 151); vgl. aber auch § 88, 2. Eine Anrechnung der früheren BewZeit auf die neue BewZeit ist ausgeschlossen (Potrykus NJW 59, 1065; Eisenberg 51; aA Ostendoif 23). - Zur Strafzeitberechnung nach Einbeziehung einer JStrafe gem. § 31 vgl. Krauss NJW 65,1167. Bei Einbeziehung läuft der Strafvollzug weiter. War der Verurteilte nach Teilvollzug aus dem einbezogenen Urteil bis zu dem einbeziehenden Urteil in Freiheit, liegt eine Strafunterbrechung vor; es gilt $ 40 StVollstrO. Zur Teilvollstreckung S 56, 2 aE. Früher angeordnete Maßregeln der Besserung und Sicherung, Nebenstrafen 16 und -folgen müssen nach erneuter Prüfung (BGH H MDR 88, 278; BGH Nehm DAR 94, 184) in den Einheitsstrafausspruch ebenfalls aufgenommen werden, wenn sie noch nicht vollständig erledigt sind (Rn 7). Es genügt nicht, die zuvor angeordnete Maßregel lediglich aufrechtzuerhalten; vielmehr ist die Maßregel aufgrund eigener Sachprüfung ggf. erneut anzuordnen (BGH NStZ 97, 101 mit zust. Anm. Brunner). Zur Höchstdauer der Sperrfrist bei erneuter Entziehung der Fahrerlaubnis Dötting NStZ 98,356. Kosten: $ 74 RL 2 S. 2,3; 3 S. 2; $ 4 1 1 2 GKG. Wird entgegen § 74 RL 2 S. 2,3 in dem neuen Urteil $ 74 voll angewandt, während 253

2. Teil. Jugendliche im ersten Urteil d e m Angeklagten Kosten aufgebürdet waren, sind schon bezahlte Kosten zurückzuvergüten, weil nur noch das 2. Urteil besteht (Rn 17) u n d deshalb die Staatskasse ungerechtfertigt bereichert ist (BGH 15,529; AG F r a n k f u r t B NStZ 91, 523 in § 74, 5 aE; Eisenberg 46; Ostendorf 23). Wegen der sich aus d e m Auslieferungsrecht ergebenden Schwierigkeiten u. ihrer Behebung Rn 4 u. 20; Grethlein NJW 63, 945. 5.

Wirkung der Einbeziehung

17 Mit der Einbeziehung fallen die Rechtsfolgen der einbezogenen Entscheidung weg, als wäre diese Entscheidung nicht ergangen; das gilt selbst f ü r die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. BGH H MDR 88,278; BGH NStZ 9 7 , 1 0 1 mit zust. Anm. Bruntier). Es g i l t nur n o c h d i e n e u e Entscheidung. Die nicht ausdrücklich aufrechterhaltenen ErzMaßregeln u n d Zuchtmittel des früheren Urteils werden gegenstandslos, ob sie v e r b ü ß t sind oder nicht (BGH 14, 381). Vgl. auch R n 16. Da das einbezogene Urteil durch die Einbeziehung gegenstandslos wird, k a n n es später nicht isoliert in eine weitere Entscheidung einbezogen werden. Vielmehr kann nur die früher nach § 31 ergangene Entscheidung insgesamt z u r Bildung einer EinheitsJStrafe herangezogen werden (BGH B NStZ 93,528). Wird die neue wie die alte JStrafe zur Bew. ausgesetzt, müssen eine neue BewZeit o h n e Anrechnung der alten (Rn 15) festgesetzt, neue Weisungen u n d Auflagen erteilt u n d ein neuer BewPlan aufgestellt werden, da die auf die Bew. bezogenen f r ü h e r e n Anordnungen mit d e m Wegfall der Strafaussetzung der früheren Entscheidung, auf die sie allein gegründet waren, ebenfalls gegenstandslos geworden sind. Zur Teilvollstreckung $ 56, 2; z u r Anrechnung erbrachter Auflagen R n 15; z u r Kostenentscheidung Rn 16; § 74, 5. 18 Weitergehende F o l g e n als die der Vereinheitlichung aller gegen diesen Täter getroffenen M a ß n a h m e n hat die Bildung einer Einheitsstrafe nicht. Die Einheitsstrafe gilt deshalb als eine Verurteilung iSd S 66 I Nr. 1 StGB (Sicherungsverwahrung) n u r dann, wenn sie den engeren Voraussetzungen der Gesamtstrafe des allg. Rechts entspricht, also erkennen läßt, d a ß bei einer der ihr z u g r u n d e liegenden Straftaten eine JStrafe von mindestens einem Jahr verwirkt wäre (BGH 26,152; BGH H MDR 80, 628; BGH NJW 85, 2840; MDR 87, 799; StV 91, 63; BGH Detter NStZ 93,477; BGHB NStZ 94, 530; BGH NStZ 96,331; StV 98,343; NJW 99, 3723; BGH B NStZ-RR 00, 322; BGH NStZ 02, 29). Für die zweite erforderliche Verurteilung reicht es aus, wenn die Taten nicht gesamtstrafenfähig sind ($ 6 6 I V 1 StGB) und nach Abzug der weggefallenen Strafe von mindestens einem Jahr noch mindestens ein Strafrest von einem Jahr verbleibt (ebenso Böhm S. 153; Ostendorf 26, 27; Bedenken bei Eisenberg 53; Nothacker S. 317). Der über die Anordnung der Sicherungsverwahrung entscheidende Richter darf sich aber nicht durch eigene Strafzumessung bei der rechtskräftig abgeurteilten Tat an die Stelle des Tatrichters im Vorverfahren setzen, sondern n u r feststellen, wie jener die einzelnen Taten bewertet h a t (BGH H MDR 80,628; 87,799). Das ist schwierig; gelingt es nicht, was wohl häufig der Fall sein wird, so erfüllt die EinheitsJStrafe nicht die Voraus254

Mehrere Straftaten eines Jugendlichen

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Setzungen des $ 661 Nr. 1 StGB (BGH aaO). Dann muß auch die Verbüßung dieser JStrafe bei der Prüfung der Voraussetzungen der Nr. 2 des $ 66 I StGB außer Betracht bleiben (BGH NStZ 96, 332). Ebenso haben BayObLG 79, 22; OLG Köln GA 84, 517 für die rückfallbegründeten Symptomtaten des weggefallenen § 48 StGB entschieden. Vgl. 8. Aufl. Rn 18. Zur rechtsähnlichen Lage für den Eintritt der Führungsaufsicht kraft Gesetzes nach $ 68 f I StGB $ 7,11. Die Einheitsstrafe des $ 31 will aus erz. Gründen verschiedene Maßnahmen zusammenfassen und gestattet deshalb, im Gegensatz zu $ 55 StGB, ein rechtskräftiges Urteil auch dann einzubeziehen, wenn die weitere Straftat nach dessen Verkündung begangen worden ist (Rn5; RL 1; BGH 7, 300; OLG Hamm NJW 71, 1664). Zu $ 35 BtMG $ 17, 31. - Weiter hindert die Einheitsstrafe auch nicht die Teilanfechtung des Schuldspruchs (§ 55,6); sie ändert auch nichts daran, daß Verfahrensverstöße vom Revisionsgericht nur auf ausdrückliche Rüge beachtet werden (§ 55, 7). Der Wegfall der Verurteilung in einem von mehreren zu einer EinheitsJStrafe führenden Fällen hat in aller Regel deren Aufhebung durch das Revisionsgericht zur Folge, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich die weggefallene Verurteilung auf die Bemessung der JStrafe ausgewirkt hat (BGH B NStZ 9 1 , 5 2 2 f). Das gleiche gilt - selbst bei sehr mildem Strafausspruch - wenn eine JStrafe unter nicht zulässiger Einbeziehung einer früheren Verurteilung gebildet worden ist (BGH StV 92, 432). - Die einheitliche Ahndung betrifft nur die Straffrage und beeinflußt nicht den Prozeßgegenstand (Dallinger/Lackner 15-22 vor § 55). - Bei der Prüfung der Frage, ob eine Amnestie der Höhe nach bei bestimmten Einzeltaten eingreift, ist bei der EinheitsJStrafe für jede einzelne Tat nachträglich eine gedachte - Einsatzstrafe festzusetzen, da $ 31 durch die Vereinheitlichung der getroffenen Maßnahmen eine mögliche Amnestierung für die Einzeltat nicht verhindern will und kann (BayObLG 70, 186 für das StFG 1970). 6.

Unterlassen der Einbeziehung

Das unberechtigte (Rn 21) Unterlassen der Einbeziehung ist ein Anfechtungs- 1 9 grund, der der Beschränkung des $ 551 nicht unterliegt (§ 55,11), wohl aber der Beschränkung des $ 55 II. Die Anfechtung eines Urteils kann nicht darauf beschränkt werden, daß eine nicht verbüßte JStrafe nicht einbezogen wurde; denn die sich aus $ 31 II, in ergebenden Fragen können nicht von den übrigen Strafzumessungserwägungen getrennt werden (BGH 16, 335 u. BGH Herlan GA 63, 105). Wird der Strafausspruch wegen Nichteinbeziehung einer noch nicht vollständig erledigten früheren Entscheidung aufgehoben, steht das Verschlechterungsverbot einer auf der Einbeziehung des bisher nicht einbezogenen Urteils beruhenden Erhöhung der in dem angefochtenen Urteil verhängten Jugendstrafe nicht entgegen (BGH B NStZ 93, 528). Das Verschlechterungsverbot hindert auch nicht eine Erhöhung einer EinheitsJStrafe um den bereits verbüßten Teil der einbezogenen JStrafe eines früheren Urteils, wenn in dem aufgehobenen Urteil rechtsirrig nur der noch nicht verbüßte Teil der JStrafe aus dem früheren Urteil einbezogen war (BGH 16, 335). Vgl. auch Rn 15; § 55, 6 u. 29. 255

2. Teil. Jugendliche

20 Auf Grund der übergeordneten Normen des Auslieferungsrechts kann es noch im Vollstreckungsverfahren zu einer Ausgliederung eines Teiles der Taten kommen (Grethlein NJW 63, 945). Näher Rn 4. 7.

Absehen von Einbeziehung

21 Die Bildung der Einheitsstrafe kann unterbleiben, wenn dies erz. zweckmäßig ist und die Taten Gegenstand mehrerer Verfahren sind (Abs. III, kein Zwang zur Verbindung: BGH 10,101). Dazu auch Anm. Brunner zu OLG Karlsruhe MDR 80, 956 in JR 81, 260 u. $ 30,14, auch % 31 RL 4. Macht ein Gericht von der Ausnahmevorschrift des Abs. i n Gebrauch, bedürfen die hierfür maßgeblichen Erwägungen einer ausdrücklichen Darlegung (BGH B NStZ 93, 528). Eine formelhafte Begründung genügt nicht (BGH B NStZ 96, 479). Die Entscheidung hat sich ausschließlich am ErzZweck zu orientieren (BGH 22, 23; BGH NStZ 97, 388). Für ein Absehen müssen Gründe vorliegen, die unter dem Gesichtspunkt der Erz. von ganz bes. Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Jugendstrafen notwendig erscheinen lassen (BGH 36, 43 f; BGH NStZ 97, 387; NJW 02,77 = NStZ 02,204 mit Anm. Walter). Solche Gründe liegen nicht vor, wenn nach allg. Recht eine Gesamtstrafe zu bilden wäre und die Taten einschlägig sind (BGH NStZ-RR 96,120). Der Umstand, daß die neue Tat nach Art und Schwere weit über die frühere Tat hinausgeht, ist für sich allein noch kein Grund, von einer Einbeziehung abzusehen. Wird eine Entscheidung einbezogen, in die bereits weitere frühere Entscheidungen einbezogen waren, ist insoweit für die Anwendung von § 31 III kein Raum mehr (BGH B NStZ 97,482). Auch die Überlegung, der J werde durch eine EinheitsJStrafe ungerechtfertigt begünstigt, begründet ein Absehen nicht (BGH Theune NStZ 86,160 FN 177), da allein erz. Gründe dies rechtfertigen. Die Anwendung von Abs. III kommt jedoch in Betracht, wenn es nach einem ersten Urteil unter Mißachtung der davon ausgehenden Warnfunktion erneut zu Straftaten kommt (BGH NStZ 00,263 mit krit. Anm. Eisenberg NStZ 00,484). Eisenberg 28 und der Arbeitskreis XI des 19. DJGT (in DVJJ, Hrsg., JGerichtsverfahren u. Kriminalprävention, 1984 S. 508) warnen JRichter und JStAe davor, zur Verbesserung der Statistik von einer Einbeziehung abzusehen. Obwohl aus der Praxis eine derart abstruse gesetzeswidrige Anwendung des Abs. III 1 nicht bekannt ist, ist der Warnung beizutreten. Zum Zusammentreffen mehrerer JStrafen infolge Absehens von der Einbeziehung $ 89 a, 3. 22 Eine Einheitsstrafe sollte zB in folgenden Fällen nicht gebildet werden: 22 a wenn die übriggebliebenen Maßnahmen der früheren Urteile gegenüber der Reaktion des neuen Urteils ohne Bedeutung sind; dies ist näher dazugelegen (BGH B NSTZ 96, 479); die früheren Maßnahmen können für erledigt erklärt werden; 2 2 b wenndie neuen Taten keine wesentliche selbständige Bedeutung haben. Hier ist Einstellung nach § 154 StPO zu erwägen, ggf. mit Widerruf einer Strafaus256

Mehrere Straftaten eines Jugendlichen

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Setzung zur Bew. (Eisenberg 30; Ostendorf 17 fordern hier Einbeziehung) oder einer Entlassung zur Bew. (§ 88 V) oder unter Fortsetzung eines nach Schuldspruch ausgesetzten Verfahrens nach § 30 (RL 4); auch die Abänderung von Bew Auflagen kommt in Betracht oder die Verlängerung der BewZeit; wenn die neue Tat eine auf einer ganz anderen Ebene liegende Gelegenheitstat (Verkehrsstraftat des „Diebes") oder ein aus einer bes. Situation entsprungener Rückfall in die an sich schon überwundene frühere Haltung ist. Hier ist der Ausspruch einer neuen Maßnahme zu empfehlen, die neben die alte tritt, aber auf sie abzustimmen ist (Potrykus NJW 56, 654; Grethlein NJW 57, 1462); wenn die Einbeziehung zu einer unverhältnismäßig langen JStrafe zwingen würde. Hier sollte ggf. eine neue selbständige Strafe neben einen Strafrest treten; wenn die neue Maßnahme den Vollzug der früheren nicht hindert, bes. wenn eine Bew. uU nach anfänglichen Schwierigkeiten erfolgreich abgelaufen ist; wenn eine Ergänzung der früheren Maßnahmen geboten ist, die im Wege des $ 31 II wegen des Koppelungsverbotes (§ 8) nicht möglich ist (aA Ostendorf 14; zweifelnd Eisenberg § 8, 13). Das AG Kiel (Zbl.65, 55) ließ eine neue JStrafe mit Strafaussetzung neben eine bereits bestehende bei einer neuen gleichartigen, aber leichten Tat treten;

22 c

22 d 22 e 22 f

wenn eine Einheitsstrafe wegen der Höhe nicht mehr zur Bew. ausgesetzt 22 g werden könnte, obwohl Strafaussetzung zur Bew. aus bes. Gründen noch zu vertreten ist. Erfolgt keine Einbeziehung, kann nämlich die neue JStrafe ebenfalls zur Bew. ausgesetzt werden, auch wenn die Summe beider JStrafen 1 Jahr (bzw. 2 Jahre - $ 21 II) übersteigt, da § 21 nur für jede Strafe einzeln gilt (Potrykus NJW 56, 654; 59, 1064). Um die Strafaussetzung zur Bew. zu ermöglichen, darf aber nach OLG Düsseldorf (MDR 83, 956) von der Einbeziehung nur abgesehen werden, wenn bes. erz. Gründe eine Strafaussetzung anzeigen. Diese Ermessensentscheidung m u ß auf den Einzelfall bezogen sein; wenn i m früheren Urteil Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2 angeordnet und noch 22 h nicht erledigt ist (Potrykus NJW 59, 1066 zur Fürsorgeerz. aF). Einer Einbeziehung von Vorverurteilten kann das Verfahrenshindernis der Spe- 22 i zialität nach Art. 14 EuAlÜbk. Entgegenstehen (BGH StV 98, 324). Es ist umstritten, ob von der Einbeziehung nach Abs. i n 1 abgesehen werden darf, 23 wenn dies dazu führt, daß die gesetzlichen Höchstgrenzen (§$ 16,181,105 III) für stationäre Sanktionen überschritten werden. Das wird für JA regelmäßig abzulehnen sein, ohne daß dies einer eingehenden Begründung bedarf. Aber auch für die JStrafe - bei ganz anderen Taten und anderer Persönlichkeit der Täter lehnen dies strikt ab Eisenberg 33; Böhm S. 150 u. Anm. zu BGH StV 86, 69; Frisch NJW 59,1671; von Beckerath JStrafrechtliche Reaktionen bei Mehrfachtäterschaft, Diss. Tübingen 1997 S. 145; Nothacker S. 253 mit der Begründung, eine angemessene Vermittlung der Rechtsfolge könne effektiver sein als ihre repressive Aufstokkung unter den Aspekten eines fremden Taxendenkens. Im Einzelfall für zulässig, aber nur ausnahmsweise als erz. zweckmäßig haben dies bezeichnet Daliinger/ 257

2. Teil. Jugendliche Lackner 42; Schaffstein/Beulke S. 91; Ostendorf 15 (bei neuen schwersten Verbrechen); Potrykus NJW 59, 1064 hält es in bestimmten Fällen aus Rechtsgründen f ü r geboten. Das KG (JR 81, 306) hat es in einem Falle der Gefangenenmeuterei gebilligt, d a ß von der Einbeziehung abgesehen u n d die Höchststrafe überschritten wurde, u m nicht gleichsam in solchen Fällen einen Freibrief zu erteilen. Der BGH hat es zunächst offengelassen, ob mehrere JStrafen infolge Kumulation das H ö c h s t m a ß überschreiten d ü r f e n (BGH 22, 24; BGH H MDR 81, 101; BGH NStZ 84, 410). 24 Dann h a t der BGH (36,37 = JR 89, 519 mit grds. zust. Anm. Brunner) es ausdrücklich gebilligt, d a ß i n A u s n a h m e f ä l l e n die Höchst-JStrafe von 10 Jahren neben einer weiteren JStrafe bestehen bleiben darf, wenn von der Einbeziehung nach Abs. III 1 abgesehen wird (ebenso BGH NStZ 95, 596; 00, 263; NJW 02, 76 = NStZ 0 2 , 2 0 4 m i t Anm. Walter). Dieser Klarstellung ist zuzustimmen. Zur Begründung hat der BGH ausgeführt: Beim Widerstreit zweier gesetzlicher Prinzipien des JGG, nämlich der Begrenzung der Höhe der JStrafe u n d dem Absehen von der üblichen EinheitsJStrafe aus erz. Gründen, habe nicht eine dieser Maximen generell Vorrang vor der anderen, sondern im Vordergrund stehe der ErzGedanke als Basis aller Regelungen des JStrafrechts, u n d zwar f ü r den jeweiligen Einzelfall (BGH 22, 21; d a z u Einf. II 4 - 1 1 , auch 12-21). Liege ein einbeziehbares Urteil vor, so habe der JRichter nach Abs. 1 unter Beachtung der Höchstgrenzen (SS 1 8 , 1 2 , 3 1 1 3 , 1 0 5 III) einheitlich über alle Straftaten zu entscheiden, es sei denn, erz. Gründe nach Abs. III rechtfertigen es, das frühere Urteil auszuklammern. Daß die in Abs. I 3 trotz der Regelungen in SS 18 11, 105 III wiederholte ausdrückliche Bindung an die Höchstgrenzen des JA u n d der JStrafe in Abs. HI nicht wiederkehrt, f ü h r t den Senat z u m Schluß, d a ß hier die Höchstgrenzen nicht gelten sollen. Das sei auch sinnvoll, weil bei d e m oft geringen oder ganz fehlenden Spielraum zwischen der früheren Strafe u n d der Höchstgrenze im Einzelfall eine angemessene Reaktion auf die neue Tat nicht mehr möglich wäre. Der BGH h a t zu Recht diesen Weg eröffnet, zugleich aber betont, d a ß f ü r eine solche Überschreitung der Höchstgrenzen allg. Strafzumessungsgründe für das durch rationale Erwägungen geb u n d e n e Ermessen des JRichters (vgl. BGH NStZ 85,410) keinesfalls ausreichen (so schon BGH 22, 21), sondern erz. Gründe g a n z bes. Gewichts vorliegen müssen (ebenso BGH NStZ 95,596; NJW 02,77). Dafür läßt der BGH im zu entscheidenden Falle eine bislang nur kurzfristige Strafverbüßung ebensowenig genügen wie die Tatsache, d a ß die neue Tat innerhalb einer BewZeit begangen wurde. Gleichwohl läßt sich durchaus darüber diskutieren, ob es ausreichen kann, d a ß der BGH sich zusätzlich darauf beruft, daß das LG dem H w . durch Einstellung des Verfahrens wegen weiterer schwerer Gewalttaten u n d Unterlassen der Einbeziehung des früheren Urteils das Gewicht des Mordes, „der in seiner Furchtbarkeit k a u m seinesgleichen findet" vor Augen stellen wollte. Das LG sei davon ausgegangen, daß n u r die Höchststrafe allein wegen Mordes d e m Hw. die Bedeutung der Mordtat ausreichend bewußtmachen könne, zumal er bereits in der Hauptverhandlung trotz Geständnisses zur Verharmlosung geneigt habe. Dazu R n 2 4 a aE.

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Mehrere Straftaten eines Jugendlichen

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Walterß'ieplow haben in ihrer Anm. (NStZ 89,576) kritisch Stellung genommen. Sie 24 a würdigen, daß der BGH in Fortsetzung bisheriger Rechtsprechung den § 31 III als Ausnahmetatbestand markiert hat, bedauern aber, daß in einer „Rechtsprechungswende" die strikten Anforderungen an eine Nichteinbeziehung gem. Abs. III entscheidend abgesenkt worden seien. Der BGH habe das Konzept des Erstgerichts „Erz. durch Beeindruckung" mit ungeschmälerter Höchststrafe und die „Freibrief-Sorge-Argumentation", also eine „schlichte Vergeltungsphilosophie", bestätigt und den ErzGedanken verzerrt. „Dammbruchängste" aber seien gleichwohl unbegründet, da bei einem in der JStrafanstalt (in der Anm. „Gefängnis") einsitzenden Hw. Anlässe, zu weiteren Freiheitsstrafen greifen zu müssen, ohnehin begrenzt seien. Am BGH sind gewiß die hohen, sich bisweilen überschlagenden Wogen der 24 b Diskussion um die Erz. im JStrafrecht nicht vorbeigegangen (dazu eingehend Einf.II 4-10). Man sollte deshalb nicht argwöhnen, daß der ErzGedanke nur ein blankes Vergeltungsprinzip mantelhaft verdecken sollte. Denn jenseits aller sprachlichen Beschönigungsversuche (vgl. Pfeiffer Kriminalprävention im JGVerfahren 1983 S. 79, 82) und der gewiß überholten, aber mit verschiedener Zielrichtung gerne zitierten Wendung „Erz. durch Strafe" kommt Erz. gerade bei straffällig gewordenen J und Hw. eben nicht immer ohne Zwang aus {Beulke in Rössner, Hrsg., Toleranz - Erziehung - Strafe, 1989 S. 73), es geht auch um Normverdeutlichung und deutliche Reaktion (Schlächter GA 88, 108). Erz. kann und m u ß sich auch der Sühne bedienen dürfen (Itzel S. 29, bes. 30; vgl. dazu Einf. II 8-10). Man sollte auch nicht fürchten, dieses Urteil könnte als falsches Signal mißverstanden werden. Es wird gewiß in der Rechtsprechung und Literatur auszutarieren sein, wann im Einzelfall erz. Gründe als ausreichend gewichtig angesehen werden dürfen. Mit dieser Entscheidung des BGH sollten Kritiker leben und die Richter mit der gebotenen Zurückhaltung und aller Behutsamkeit urteilen können. Vgl. auch BGH 36, 294 in § 32,12 a. Ein Absehen von der Einbeziehung aus erz. Gründen kommt auch bei Angeklagten in Betracht, die bei der Verurteilung das 21. Lebensjahr vollendet haben (BGH NJW 02, 76). Der Anwendung von § 31 III 1 steht nicht entgegen, daß eine Aburteilung der 24 c Taten in einem Verfahren möglich gewesen wäre (BGH NStZ 95, 596). In diesem Fall m u ß das Gericht jedoch bedenken, daß bei einer Beurteilung nach ErwStrafrecht eine Gesamtfreiheitsstrafe mit der Folge, daß die Höchststrafe des $ 3 8 StGB nicht überschritten werden dürfte, zwingend wäre (BGH aaO). Wird $ 31 III 1 angewendet, darf nur noch die JStrafe verhängt werden, die zusammen mit der ersten Strafe erforderlich ist, um auf den J erz. einzuwirken. Bei der Strafbemessung muß der ErzGedanke ganz im Vordergrund stehen, der Schuldausgleich muß weitgehend in den Hintergrund treten (BGH aaO). Wird auf JStrafe erkannt, können nach Abs. III 2 ErzMaßregeln und Zuchtmittel aus dem ersten Urteil für erledigt erklärt werden. Zulässig ist nur die Erklärung für erledigt, nicht die Umwandlung in eine mildere Sanktion (OLG Celle StV Ol, 179).

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2. Teil. Jugendliche

Einbeziehung von Strafen nach ErwRecht

25 Bei Anwendung von JStrafrecht gegen Hw. kann mit bereits rechtskräftigen Verurteilungen nach allg. Strafrecht - auch nachträglich ($S 109 n 2, 66) - eine einheitliche Maßnahme oder EinheitsJStrafe gebildet (SS 105 n , 31 II 1; BGH B NStZ 81,251; 97,483; B NStZ-RR Ol, 323), aber auch aus erz. Gründen davon abgesehen werden (SS 105 II, 31 in). Hier gewinnen für die zu bildende EinheitsJStrafe wegen schädlicher Neigungen erz. - „resozialisierende" - Gesichtspunkte bes. Bedeutung. Über die im einbezogenen ErwVerfahren nach S 51 StGB angerechnete UHaft wird nun nach S 52 a erneut entschieden (Rnl4; BGH 25, 355). Durch S 105 II wird insbes. in solchen Fällen die ungute Vollstreckung wesensverschiedener Strafarten nacheinander vermieden. Weitere Einzelheiten S 105,25; auch S 66,12; $ 109,13. Beachte insbes. $ 32, 5-12 mit BGH 37, 34 u. BGH 36, 270 in § 32, 9. 26 Das Einheitsprinzip gilt für Urteile, aber nicht für Maßnahmen nach SS 4 5 , 4 7 (Eisenberg 5 „mit Bedenken"; Ostendorf 2). 17 Das Einheitsprinzip gilt nicht im Verhältnis von Zuwiderhandlungen gegen Weisungen und Auflagen (Ungehorsamsarrest nach SS 11 III 1, 15 III 2, 23 I 3) zu Straftaten. Der wegen Ungehorsams verhängte JA kann also nicht zu einer einheitlichen Entscheidung mit Maßnahmen des JGerichts wegen Straftaten zusammengefaßt werden (vgl. 5 1 1 , 7 ; Potrykus S 11A 8 u. NJW 67,187; aA Eisenberg 7 u. Zbl. 89,17,18; OstendotfZ, 7 u. Zbl. 83, 563, 575). Abi. Dörig DRiZ 87, 277, nach welchem mit der Einbeziehung eines Urteils mit den anderen nicht aufrechterhaltenen Rechtsfolgen auch ein im einbezogenen Verfahren verhängter Ungehorsamsarrest gegenstandslos werde; ebenso die Beschwerdeentscheidung des gegen die Ablehnung der Vollstreckung des Arrestes angerufenen Generalstaatsanwalts vom 27.11.86 - Zs 2016/86 - (aaO S. 278 FN 13). $ 31 gilt auch nicht für Geldbußen im OWiG-Verfahren (Eisenberg 8; Göhler § 20 OWiG 5). 28 Die Einheitsstrafe kann auch nachträglich gebildet werden ($ 66). 29 Urteilsfassung: S 54, 8; Bedeutung im Rechtsmittel- u. Wiederaufnahmeverf.: $ 55, 6, 7, 47; Zuständigkeit: $ 41, 41; Taten in verschiedenen Altersstufen: $ 32, 1; zum Verschlechterungsverbot $ 55, 29, 33; Gerichtskosten: S 41 I GKG; BZRG: Vor $ 97, 16. 30 Geltung des S 31 nach der Anlage I zum Einigungsvertrag: $ 1, 6 c Buchst, c u. S 1, 6 d u. $ 2 .

$ 32 Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen Für mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, gilt einheitlich das Jugendstrafrecht, wenn das Schwergewicht bei den Straf260

Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen

$32

taten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären. Ist dies nicht der Fall, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht anzuwenden. l.Hw.-J: $ 105 I. - 2. ErwG: $ 104 I Nr. 1. Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6.

1.

Anwendungsbereich Einheitlich Jugend-oder ErwRecht Schwergewichtsentscheidung EinheitsJStrafe durch Einbeziehung einer ErwStraftat . . „Gesamtfreiheitsstrafe" durch Einbeziehung einer JStrafe Dauerdelikt

Rn

1

2 3 5 8 14

Anwendungsbereich

$ 32 gilt bei Tatmehrheit und entsprechend für Dauerdelikte und mehrere 1 Vorgänge, die kraft Bewertungseinheit eine Tat im Rechtssinne bilden (BGH 6, 7; BGH NStZ 88, 492; NStZ-RR 96, 250; OLG Düsseldorf JR 83, 479 mit zust. Anm. Brunner). Die Vorschrift wird erst angewendet, wenn feststeht, daß bei gleichzeitiger Aburteilung ein Teil der Taten nach JRecht, ein anderer nach ErwRecht abzuurteilen wäre. Das ist nicht der Fall, wenn die Taten mit 17 und 19 Jahren begangen wurden, für die späteren Taten aber die Voraussetzungen des S 105 I vorliegen, oder wenn die Taten mit 20 und 22 Jahren begangen wurden, $ 105 I aber nicht anwendbar ist. Im ersten Fall sind alle Taten nach JRecht, im zweiten alle nach ErwRecht abzuurteilen. S 32 setzt voraus, daß der Angeklagte für jede der Taten schuldig gesprochen werden kann; so scheidet von im JAlter begangenen Taten jede aus, für welche die Altersreife gem. § 3 fehlt, andererseits aber auch Taten, die im Zustande der Schuldunfähigkeit begangen wurden. Bei Zweifeln über das Alter $ 1,10. Für entsprechende Anwendung des $ 32, wenn das Verfahren wegen der nach JRecht abzuurteilenden Taten nach $ 1 5 4 StPO eingestellt wird, Drees NStZ 95, 481. Vgl. auch Vor $ 102, 2. 2.

Einheitlich Jugend- oder ErwRecht

Treffen Taten zusammen, die getrennt teils nach JRecht und teils nach ErwRecht 2 abzuurteilen wären, so wird für alle Taten bei gleichzeitiger Aburteilung einheitlich entweder JRecht oder ErwRecht angewendet. Das gilt auch für eine sich bis ins ErwAlter erstreckende fortgesetzte Tat (BGH StV 89, 308). Liegt das Schwergewicht bei den nach dem 21. Lebensjahr begangenen Teilakten, so ist einheitlich und insgesamt ErwRecht anzuwenden. Denn $ 32 schließt es aus, in einem Urteil auf eine EinheitsJStrafe und eine Freiheitsstrafe zu erkennen (BGH NJW 79, 2572; NStZ 00, 484). Kommt JRecht zur Anwendung, ist eine Einheitsstrafe (§ 31) zu bilden. Andernfalls sind für alle Taten - also auch für die vor Vollendung des 18. Lebensjahres begangenen - Einzelstrafen des ErwRechts auszuwerfen und ist im Rahmen der $$ 53 ff StGB ggf. eine Gesamtstrafe zu bilden 261

2. Teil. Jugendliche

(BGH Herlan GA 54,309). Die Lage ist so, als wären im ersten Fall alle Taten JTaten, im zweiten Fall nur ErwTaten. Jedoch ist bei der Straffrage im ersten Fall zu berücksichtigen, daß die Persönlichkeitsentwicklung bereits fortgeschritten ist (vgl. $ 1, 9); im zweiten Fall ist das j. Alter bei den früheren Taten zu beachten. 2 a § 32 betrifft nur den Rechtsfolgenausspruch. Einheitlich nach J- oder ErwRecht wird deshalb auch dann erkannt, wenn ein Berufungsgericht zu einem bei ihm anhängigen Verfahren mit rechtskräftigem Schuldspruch ein erstinstanzliches Verfahren verbindet (BGH 29, 67 = JR 80, 262 mit Anm. Brunner); vgl. auch Rn 7. Erwächst infolge Beschränkung des Rechtsmittels eine Tat in Teilrechtskraft und wird die andere Tat erst vom Rechtsmittelgericht oder nach Zurückverweisung abgeurteilt, so ist $ 32 entsprechend anzuwenden (BGH LM Nr. 4 zu $ 32; Eisenberg 6; Ostendorf 5; aA BGH 10, 100; vgl. auch $ 55, 6 a). Vgl. auch Nothacker S. 129. 3.

Schwergewichtsentscheidung

3 Ob ErwRecht oder JRecht anzuwenden ist, entscheidet das Schwergewicht der Taten, wobei bei Zweifeln nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ErwRecht gilt (BGH 12,134; BGH B NStZ 97,483; B NStZ-RR 98,291; 00, 323; Dallinger/Lackner 12; Schaffstein/Beulke S.74f; aA Potrykus B 4). Die schwierige und uU in die Entwicklung des Beschuldigten stark eingreifende Entscheidung, einheitlich Joder ErwStrafrecht anzuwenden, verlangt vorsichtig abzuwägen, wie sich die einzelnen Taten als bes. Ereignisse in den Lebenslauf, in die Entwicklungsphase des Angeklagten und in die stete Wechselwirkung persönlicher und sozialer Faktoren einfügen. Hartmann-Hilter (Notwendige Verteidigung 1989, S. 84-86) fordert ua deshalb hierfür die Bestellung eines Pflichtverteidigers. Die Zahl der Straftaten und deren äußere Schwere sind lediglich Anzeichen und Hinweise verschiedenen Gewichts (BGH StV 86,305), auch wenn sie einen gewissen Schluß auf das Maß des rechtsbrecherischen Willens zu erlauben scheinen (BGH NJW 86, 1504; BGH JR 54, 271). Den Tatwurzeln und der Persönlichkeitsentwicklung nachgehend (BGH 6, 7; BGH NJW 86, 1504) kann oftmals eher der Weg zur Straftat als deren Fortsetzung (vgl. OLG Bremen MDR 51, 569; OLG Düsseldorf StV 83, 378; LG Berlin StV 84, 520; B NStZ 85,448) das Schwergewicht anzeigen. Häufig werden sich auch Taten im ErwAlter als Fortsetzung des in der Adoleszenz gesetzten prägenden Beginns erweisen (BGH H MDR 93, 9; Miehe Zbl. 82, 83). Stellt sich eine nach dem 21. Lebensjahr begangene Straftat als Folge und Ausfluß der früheren Taten dar, so kann daraus geschlossen werden, daß das Schwergewicht bei diesen liegt, denn wesentlich sind vor allem die Persönlichkeitsentwicklung und die Tatwurzeln (BGH NJW 86, 1504; BGH B NStZ-RR 00, 323). Anders verhält es sich, wenn zwischen 4 Taten als Hw. und 8 Taten als Erw. die Verbüßung einer aus anderem Grund verhängten JStrafe und ein Intervall von 3 Jahren liegen (BGH B NStZ-RR 99, 290). Es kann im komplizierten Zusammenspiel der zur Tat führenden Faktoren und folgend den wechselnden inneren und äußeren Tatsituationen (Verführung, Gruppentat - Einzeltat, Gelegenheit, Pla262

Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen

nung, Intensität, Motivation usw.) gerade auch den in einen späteren Alters- und Entwicklungsabschnitt fallenden Tat-Teilen das Schwergewicht zukommen. Es können die Straftaten eine Entwicklung eingeleitet haben, aber auch das Ergebnis einer inzwischen abgeschlossenen Altersentwicklung sein, sie können persönlichkeitsentsprechend oder -fremd sein. Es sind also weitere interdisziplinäre Bereiche, die helfen und erschweren, das Schwergewicht festzustellen; dies macht unerläßlich, für die Gesamtheit der Taten die Persönlichkeitsentwicklung sowie den Tathintergrund aufzuhellen und die kriminalpolitischen Zielvorstellungen des JGG einzubeziehen. Bei Mordtaten hält es der BGH (NJW 86, 1504) für denkbar, nach $ 32 ErwRecht anzuwenden, wenn für den als Erw. begangenen vierten Mord bei getrennter Aburteilung lebenslange Freiheitsstrafe verwirkt wäre. Die Zuständigkeit des Gerichts wird von der Schwergewichtsentscheidung des 3 a $ 32 nicht b e r ü h r t Bei fortgesetzter Tat als Hw. und Erw. (vgl. aber BGH 40,138) ist stets das JGericht zuständig (OLG Hamburg StV 85,158). Zu $ 103 I, II 1 Rn 9. Es kommt auf das Schwergewicht i m Zeitpunkt der Verhandlung, nicht der 4 Tat, an (Dallinger/Lackner 10; Eisenberg 8; aA OLG Bremen MDR 51,569; Potrykus 4; Ostendorf 13), da nur so der Entwicklung gefolgt und gezielt reagiert werden kann. Die Abwägung des Schwergewichtes unterliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters und ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht grds. verschlossen (BGH NJW 86, 1504; BGH B NStZ 87, 492; BGH StV 89, 308; NJW 92, 2104; BGH H MDR 93, 9). Liegt aber ein Ermessensfehler vor oder erörtert das Urteil die Anwendung von J- oder ErwRecht überhaupt nicht, so verfällt es im Strafausspruch der Revision (OLG Düsseldorf JR 83,479 mit zust. Anm. Brunner). Die Revision kann innerhalb der Straffrage nicht auf die fehlerhafte Zuordnung gem. $$ 105,32 beschränkt werden; eine fehlerhafte Zuordnung betrifft die Straffrage insgesamt (BGH Herlan GA 64, 135; vgl. $ 105, 29). Die Schwergewichtsentscheidung nach $ 32 setzt gleichzeitige Aburteilung 4 a voraus (BGH JR 80, 262 mit Anm. Brunner, BGH NStZ 87, 24; vgl. Rn2a). Bei Anwendung von JRecht auf Hw. (S 105 I) kann nun darüber hinaus auch mit rechtskräftigen Verurteilungen nach ErwStrafrecht - auch nachträglich - eine einheitliche Maßnahme oder Einheitsjugendstrafe gebildet werden (näher $ 31, 25; auch $ 105, 25; § 66, 12; $ 109, 13). 4.

E i n h e i t s s t r a f e durch Einbeziehung einer ErwStraftat

Zu einer EinheitsJStrafe kann es nach $ 105 II iVm § 31 n auch dann kommen, 5 wenn das einzubeziehende auf Freiheitsstrafe lautende Urteil gegen einen Erw. wegen einer ErwStraftat ergangen ist, weil eng verbundene sich wechselseitig erklärende Taten aus Adoleszenz und ErwAlter nicht mit unterschiedlichen Sanktionen des J- und des ErwRechts belegt werden dürfen (Brunner JR 80, 262; Böhm S.47; Knüllig-Dingeldey NStZ 87, 226; Lackner GA 55, 33, 40; Ostendorf 9; Schoreit NStZ 89, 461). Der BGH (37, 34 = NStZ 91, 184 mit Anm. Ostendoifi BGH StV 98, 263

2. Teil. Jugendliche 345) hat sich dem angeschlossen und ergänzend ua ausgeführt, wenn bereits der „genaueren Persönlichkeitserforschung" des später entscheidenden JRichters nach § 105 n der Vorrang eingeräumt werde, so müsse dies erst recht gelten, wenn ein ErwGericht vorher über eine einzelne ErwTat entschieden habe, ohne die zur Anwendung von JStrafrecht führenden Gesichtspunkte überhaupt berücksichtigen zu können, obgleich die abgeurteilte ErwTat lediglich Teil einer Reihe von Taten ist, die nach JStrafrecht zu beurteilen sind. 6

BGH 37, 3 4 hat deshalb die von einer JKammer ausgesprochene EinheitsJStrafe bestätigt, welche teils Hw.-, teils ErwStraftaten zusammengefaßt und eine rechtskräftige Verurteilung zu Freiheitsstrafe wegen einer einzelnen schon als Erw. begangenen Straftat einbezogen hat. Denn die Gesamtbetrachtung dieser mit Freiheitsstrafe belegten ErwTat mit den teils als Hw. und teils als Erw. begangenen Straftaten habe nach den Grundsätzen des $ 32 die Anwendung von JStrafrecht geboten.

7 Mit der Entscheidung nach S$ 105 II, 31 II verliert der einbezogene auf Freiheitsstrafe lautende Strafausspruch seine Wirkung, so daß die einheitliche JStrafe selbständig und losgelöst davon zu bestimmen ist (BGH 25, 356; 37, 34; BGH StV 9 8 , 3 4 5 ) . Die neue EinheitsJStrafe kann die einbezogene Freiheitsstrafe unterschreiten, denn es kommt zu einer völligen Neubewertung der Taten und zu einer vorrangig an erz. Gesichtspunkten orientierten neuen Bemessung der Rechtsfolgen (BGH 37, 39 f; S 31, 13). Allerdings hat die Anwendung des § 105 II auf rechtskräftige Verurteilungen wegen ErwStraftaten nicht zur Folge, daß auf alle Taten automatisch einheitlich JStrafrecht anzuwenden ist. Vielmehr hat eine Gesamtbewertung der Taten nach dem Maßstab des $ 32 S. 1 zu erfolgen (BGH 4 0 , 1 ; BGH StV 98,345). Liegt das Schwergewicht nicht bei den nach JStrafrecht zu beurteilenden Taten, findet - vorbehaltlich einer Entscheidung iSd $ 31 III 1 mit $ 105 II - auf alle Taten das allg. Strafrecht Anwendung (BGH aaO; vgl auch DSS/ Schoreit § 3 1 , 53). 5.

„Gesamtfreiheitsstrafe" durch Einbeziehung einer JStrafe

8

Ist aber im anhängigen Verfahren eine ErwStraftat abzuurteilen, so lehnt der BGH in gefestigter Rechtsprechung die nachträgliche Bildung einer Gesamt-Freiheitsstrafe nach § 55 StGB ebenso ab wie eine EinheitsJStrafe (BGH 10, 100; 14, 287; 27, 295; 36, 270 = NStZ 91, 130 mit abl. Anm. BöhmfBüch-Schmitz; BGH 36, 295; 4 1 , 3 1 2 ; BGH H MDR 7 9 , 1 0 6 ; BGH MDR 79, 281; BGH B NStZ 9 6 , 4 7 9 auch für den Fall, daß irrtümlich, aber rechtskräftig JStrafrecht angewendet worden ist; BGH NStZ-RR 98, 151). BGH NStZ 87, 24 hat offengelassen, ob § 3 2 analog angewendet werden dürfe, was BGHR $ 3 2 Aburteilung getrennte 2 bereits wieder verneint hat.

9

Zur B e g r ü n d u n g hat BGH 36, 270, die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend, ausgeführt: Es könne (unter Hinweis auf BGH 2 9 , 2 6 9 ) dahinstehen, ob Jund Freiheitsstrafe „ihrem Wesen nach völlig verschiedene Strafübel" sind. Eine 264

Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen

$32

analoge Anwendung des § 32 käme nur in Betracht, wenn insoweit eine „planmäßige Unvollständigkeit" des Gesetzes festgestellt werden könne; dies sei aber nicht der Fall, weil der Gesetzgeber des JGG 1953 eine Verbindung von J- und ErwStrafe sogar ausdrücklich abgelehnt habe. Dies würde auch nicht durch die Einfügung des S 105 II korrigiert (EGStGB v. 2.3.1974). $ 105 II erlaube nur eine Änderung der ursprünglichen Entscheidung, wenn eine neue Verhandlung ergeben habe, daß der Angeklagte entgegen der Annahme im zuerst ergangenen Urteil auf Freiheitsstrafe doch noch einem J gleichzusetzen sei (BGH NStZ 87, 24). Im Entscheidungsfalle aber sei der Angeklagte einmal zutreffend als Hw. nach JStrafrecht und einmal als Erw. nach ErwStrafrecht verurteilt worden. Nur wegen der noch nicht (vollständig) erledigten Verurteilung zu JStrafe dürfe er gegenüber anderen Erw. nicht derart begünstigt werden, daß wegen einer ErwStraftat nachträglich eine jstrafrechtliche Sanktion verhängt werden könne. Davon abgesehen griffe hier die Zulassung der Bildung einer einheitlichen Strafe aus J- und Freiheitsstrafe so sehr in die Gesetzessystematik ein (wird näher ausgeführt), daß richterliche Rechtsfortbildung nicht angehe. Die Einbeziehung einer rechtskräftig erkannten JStrafe in eine nach § 55 StGB gebildete Gesamtstrafe erscheine schlechthin ausgeschlossen, weil infolge des Verschlechterungsverbotes eine EinheitsJStrafe nicht einfach in eine gleichhohe Freiheitsstrafe umgewandelt werden könne (BGH 29,269), andererseits für die der Einheitsstrafe zugrundeliegenden Straftaten nicht nachträglich Einzelstrafen nach ErwStrafrecht verhängt werden könnten, weil dies die Befugnisse des zweiten Richters überschreiten und auch zu einer Verschlechterung führen würde. Auch die §$ 88 II und 92 II ließen es nicht zu, statt der JStrafe eine Freiheitsstrafe verbüßen zu lassen (vgl. BGH H MDR 79, 106); auch eine Umwandlung der JStrafe in eine entsprechende niedrigere Freiheitsstrafe sei im Verfahren nach § 55 StGB ausgeschlossen. Es bedürfe also einer ins einzelne gehenden gesetzlichen Regelung. Es sei mit $ 32 nicht vereinbar, die Zusammenfassung nur zuzulassen, wenn das Ergebnis eine einheitliche JStrafe sei, um solche Schwierigkeiten zu vermeiden. Entgegen $ 103 II 1 - vom Ausnahmefall des $ 103 II 2 abgesehen - würde hier ein ErwGericht JStrafe verhängen, obwohl es nur ein gegen einen Erw. gerichtetes Strafverfahren durchführe. Eine Entscheidung des Gesetzgebers sei deshalb unverzichtbar. Der unverkürzte Vollzug einer J- und einer ErwStrafe nacheinander, nur weil eine 9 a gleichzeitige Aburteilung nach § 32 nicht stattgefunden hat, stellt jedoch nach dem BGH eine durch die Schwere der Straftaten nicht gerechtfertigte Härte dar (BGH 14,287; 36.275; 41,312; BGH H MDR 79,106). Um dies auszugleichen, hält der BGH im Einzelfall einen Härteausgleich nicht erst bei der Gesamtstrafe, sondern schon bei den Einzelstrafen für geboten, wenn nur das die Benachteiligung ausgleichen kann (BGHSt 36, 270; 41, 312; BGH NStZ-RR 98, 152; vgl. Mindestgesamtstrafe nach SS 53 I, 541 2 StGB; BGH 31, 102). Diese Begründung steht der Entscheidung BGH 37, 34 (Rn 5 ff) nicht entgegen, 10 weil, wie dort ausgeführt wird, $ 105 II eine solche Entscheidung ausdrücklich gestattet, eine Zusammenfassung von J- und Freiheitsstrafe nicht stattfindet und

265

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2. Teil. Jugendliche

flexible, sowohl den ErzGedanken als auch das Schuldausgleichsprinzip beachtende Entscheidungen möglich sind. Wenn der BGH in diesem Zusammenhang darauf hinweist, daß § 31 i n es erlaubt, Freiheits- neben JStrafe bestehen zu lassen, so wird doch betont, daß hierfür ganz außerordentliche, schwerwiegende erz. Gründe vorliegen müssen (dazu $ 31, 24). 11 Dieser Rechtsprechung, wonach die Bildung einer Gesamtstrafe nach S 55 StGB aus J- und Freiheitsstrafe bei getrennter Aburteilung unzulässig ist, kann im Ergebnis nicht zugestimmt werden (wie der BGH aber Bringewat JuS 91, 24). Es dürfen die Folgen einer Straftat nicht vom Zufall gemeinsamer oder getrennter Verhandlung ohne Bezug auf Persönlichkeit und Schuld des Täters abhängen. Deshalb sollen die SS 31 II, 66 und SS 55 StGB, 460 StPO verhindern, daß sich dies nachteilig auswirkt. Es führen aber die $S 105 II, 31 II 1 nur zu einer einheitlichen JSanktion und S 55 StGB erfaßt allein erw. Täter. Da es aber Sinn und Ziel des JGG widerspricht, daß J- und ErwStrafen nacheinander vollstreckt werden (vgl. Begr. zum Entw. eines EGStGB BT-Drs. VII/550 S. 332) und hier die notwendige Brücke zwischen J- und ErwStrafrecht fehlt, um alle möglichen Fälle zu erfassen, sollte man entgegen BGH davon ausgehen, daß hier eine „planwidrige Regelungslücke" die analoge Anwendung des S 32 gestattet (Burscheidt S. 102 FN 349; aA von Beckerath JStrafrechtliche Reaktionen bei Mehrfachtäterschaft, Diss. Tübingen 1997 S. 181 f). Mit Dingeldey (Zbl.81, 153 u. NStZ 81, 355), Knülling/Dingeldey (NStZ 82,226) und Böhm/Büch-Schmitz (NStZ 91,131) wird man annehmen dürfen, daß weder „der Wille des historischen Gesetzgebers", noch der Einwand der Unterschiedlichkeit der Straftaten und auch nicht die Forderungen der SS 88 n und 92 II eine analoge Anwendung des $ 32 ausschließen. Der Eingriff des Verschlechterungsverbotes läßt sich vermeiden, die Regelungen der SS 88 II und 92 II lassen sich unschwer beachten; denn in ausreichender, eher formaler Wertung, wird nicht mehr an jrechtlichem Erfahrungsschatz vorausgesetzt, als es der vom BGH geforderte Härteausgleich auch tut (vgl. BGH NStZ 90, 436). Schließlich greift eine analoge Anwendung des $ 32 auch nicht so bedenklich in die Gesetzessystematik ein, wie der BGH fürchtet; denn das ErwGericht verhandelt und beurteilt eine Tat im ErwAlter und bindet die rechtskräftige JStrafe nur ein, so daß nicht davon ausgegangen werden muß, dadurch trete neben den Ausnahmefall des S 103 II 2 ein weiterer. 12 Wenn der BGH hier eine Änderung seiner Rechtsprechung offensichtlich ausschließt, sollte die Gesamtdiskussion den Gesetzgeber eingreifen lassen. Schoreit (ZRP 90, 175 ff, ähnlich schon Anm. NStZ 89, 461) fordert, die Einbeziehung an sich gesamtstrafenfähiger JStrafen in eine Gesamtstrafe entsprechend S 55 StGB zuzulassen. Die bei Freiheitsstrafe eintretende Schlechterstellung bei vorzeitiger Entlassung zur Bew. (vgl. S 55, 39) könnten die Gerichte unschwer berücksichtigen und vermeiden (vgl. oben); es könne auch die maximale Anrechenbarkeit nur eines Teiles der JStrafe festgelegt werden. 12 a S 32 ist auf die Fälle tatsächlich gleichzeitiger Aburteilung beschränkt (Rn 2,4 a), ohne daß ein Zwang zur Verbindung besteht (aber Rn 13). Deshalb haben BGH 36, 266

Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen

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294 = JR 90, 523 mit Anm. Brunner = StV 91,4 mit Anm. Walter/Pieplow), gestützt auf BGH 36, 37 ($ 31, 24ff) und BGH 36, 270 (Rn9ff) es für rechtens erklärt, daß ein Täter, der bereits zur HöchstJStrafe verurteilt ist, danach wegen Taten, die er vor dieser Verurteilung als Erw. begangen hat, zusätzlich zu Freiheitsstrafe verurteilt werden kann. Grds. zust. Brunner JR 90, 523 unter Zugrundelegung der herrschenden Rechtsprechung, unter Hinweis allerdings (S. 525) auf das Rn 13 Ausgeführte; krit. Walter/Pieplow StV 91, 5. Mit dem StVÄG 1979 haben die allg. Vorschriften über Verbindung und Tren- 13 nung für den Bereich des JGG eine neue, tiefer greifende Bedeutung gewonnen. Bei verbundenen Sachen gegen J und (oder) Hw. mit Erw. sind (mit der Ausnahmeregel des $ 103 II 2 u. 3) nun stets JGerichte zur Entscheidung berufen ($§ 1031, II 1, 112 S. 1). Vgl. näher vor $ 102, 2. Ob vor und nach dem 21. Lebensjahr begangene Straftaten ein und desselben Täters diesen vor den JRichter führen, hängt deshalb allein davon ab, welche Anforderungen an Verbindung und Trennung gestellt werden (vgl. Miehe FS Stutte, 1979 S. 241). Es muß deshalb der JStA von vornherein durch gemeinsame Anklage von in verschiedenen Altersstufen begangenen Taten oder durch den Antrag, derartige anhängige Verfahren zu verbinden, dem JRichter die notwendige Gesamtschau und die Möglichkeit für eine Entscheidung nach $ 32 geben [Brunner JR 83,479; Ostendorf 17). Denn nachträglich darf aus einer JStrafe und einer Freiheitsstrafe bei getrennter Aburteilung nach bisheriger ständiger Rechtsprechung keine Gesamtstrafe gebildet werden (Rn 5 ff, auch 8 ff). § 105 II JGG erweitert zwar sinnvoll die erzieherischen Eingriffsmöglichkeiten des JRichters und ermöglicht es, nachträglich in eng umgrenzten Fällen Fehlentscheidungen aus besserer rückblickender Sicht auszugleichen, dieser Weg ist aber häufig aus Rechtsgründen versperrt (vgl. Rn 5 u. die Fallgestaltungen in BGH 27, 297; BGH H MDR 79, 106 u. H MDR 79, 281). Jede Verbindung weist nun mit der HwTat auch die ErwTat zwangsläufig dem JRichter zu; für den Hw. wird damit neben der Strafdrohung des allg. Strafrechts auch das gesamte Instrumentarium der jstrafrechtlichen Reaktionsmittel eröffnet. Der Meinung, daß wegen des unzweckmäßigen, schädlichen Nebeneinanders von Rechtsfolgen des J- und des allg. Strafrechts und der nur beschränkten Möglichkeit nachträglicher Zusammenfassung regelmäßig von vornherein verbunden werden solle, wenn nicht gewichtige Gründe für getrennte Verhandlung sprechen, stehen seit StVÄG 1979 nur noch die Warnungen Peters vor einer zu umfangreichen Befassung der JGerichte mit ErwSachen (NJW 56,492) gegenüber. Letzteres aber erscheint als Argument nicht tragend und als Ermessenserwägung zur Frage der Verbindung oder Trennung ungeeignet. Der Auffassung, daß das Auseinanderreißen von durch jtypische entwicklungsbedingte Tatverstrickung eng verbundenen Taten aus Adoleszenz und ErwAlter ermessensmißbräuchlich sein kann (vgl. Anm. Brunner zu BGH JR 74, 429) nähert sich Miehe (aaO S. 244, 245) mit seiner Meinung an, daß bei innerem Zusammenhang der Taten (vgl. BGH 8,352), bei der zumeist vorliegenden Vermutung, daß nicht zu weit auseinanderliegende Erwund HwTaten sich wechselseitig erklären, die Verbindung nicht nur zulässig, son267

$32

2. Teil. Jugendliche

d e m geboten ist. Das ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. vor $ 102,2; § 1 0 3 , 1 u. 19). Dazu bes. R n 12 a. Vgl. auch von Beckerath JStrafrechtliche Reaktionen bei Mehrfachtäterschaft, Diss. Tübingen 1987 S. 224, nach d e m eine grds. Verpflichtung zur Verbindung b e s t e h t Zu den Folgerungen f ü r die Verbind u n g mit Erw. vgl. § 103,8. Z u r Verbindung zweier Verfahren wegen Taten eines Erw. teils als Hw. u n d teils als Erw. in der Berufungsinstanz Rn 3 a.

6.

Dauerdelikt

14 Bei Dauerdelikten u n d einheitlichen Taten kraft Bewertungseinheit k o m m t bei der P r ü f u n g , wo das Schwergewicht liegt, dem Umstand, d a ß der (Gesamt-) Vorsatz noch im Geltungsbereich des JRechts gefaßt worden ist, o f t bes. Bedeutung zu (näher Rn 3). Die einzelnen Tat-Teile laufen zwar letztlich z u r gedachten rechtlichen Einheit zusammen, erfüllen aber gleichwohl im Zeitpunkt der Begehung den äußeren u n d inneren Tatbestand d e r Straftat (BayObLG 57, 1). Deshalb darf u n d k a n n ein ErwGericht, bei d e m eine fortgesetzte H a n d l u n g (vgl. aber BGH 40,138) angeklagt ist, deren Einzelhandlungen der Täter teils als J oder Hw., teils als Erw. begangen hat, seine Zuständigkeit nicht dadurch begründen, d a ß es die vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangenen Einzelhandlungen gem. § 154 a StPO ausscheidet, denn der entscheidende Tatentschluß, der die H a n d l u n g e n z u r fortgesetzten Tat zusammenfaßt, ist in solchen Fällen meist vor Vollendung des 21. Lebensjahres gefaßt (BayObLG 66,119; von Beckerath, R n 13, S. 235). - BGH MDR 74, 54 h a t für den Fall der Realkonkurrenz zugelassen, d a ß ein Schwurgericht bei einem Angeklagten (vers. M o r d i m Alter von 16 Jahren u n d 3 Morde nach d e m 25. Lebensjahr) die JStraftat abgetrennt und an die JKammer verwiesen hat. Dagegen bestanden im gegebenen Fall keine Bedenken. Der BGH ging aber im Anschluß an BGH 10, 102 davon aus, d a ß das JGG die Vorschriften über Verbind u n g u n d T r e n n u n g stets u n b e r ü h r t lasse. Zur Frage, ob bei einer Tötungstat k u r z vor u n d einer k u r z nach d e m 21. Lebensjahr nicht doch die in solchem Falle sich aufdrängende Frage der P r ü f u n g u n d Entscheidung des Schwergewichts nach § 3 2 - schon wegen der unterschiedlichen Androhung der Höchststrafe im JStrafrecht u n d ErwStrafrecht - einer T r e n n u n g im Weg stünde, Anm. Brunner JR 7 4 , 4 2 9 mit weiteren G r ü n d e n (dazu auch BGHR Schwergewicht 2). Wird bei einer fortgesetzten Tat die Strafverfolgung auf den Tatzeitraum ab Vollendung des 21. Lebensjahres beschränkt, so m u ß i m Rahmen der Strafzumessung gleichwohl auch die Entwicklung des Angeklagten im Zeitraum vor d e m 21. Lebensjahr berücksichtigt werden (OLG Zweibrücken StV 87, 308). Vgl. dazu auch § 106, 1.

268

Jugendgerichte

Zweites Hauptstück Jugendgerichtsverfassung und Jugendstrafverfahren Vor $ 33 Auch für das Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht kommt es auf das 1 Alter zZ der Tat an ($ 33,7; die Stellung des ErzBerechtigten und gesetzlichen Vertreters allerdings richtet sich nach dem Alter des Angeklagten zZ der Verhandlung $ 67, 18). Das allg. Recht gilt nur ergänzend. Es kommt in Betracht

2

für Verbindung ($S 2 ff, 13,237 StPO, 17RiStBV; vgl. SS 31 ff; 103,109,112JGG), 3 für die Zuständigkeit im Eröffnungsverfahren und damit auch für die Anfechtung des Eröffnungsbeschlusses (SS 209, 209 a StPO), für Zuständigkeitsverschiebung nach Eröffnung des Hauptverfahrens (SS 225 a, 270 StPO; S 74 e GVG; im einzelnen S 41, 20 ff), für den Ausschluß des Richters wegen Befangenheit, 4 für den Begriff des gesetzlichen Richters (nicht nur Spruchkörper, sondern auch 5 der im Einzelfall berufene Richter) entsprechend BVerfG E 17, 294 und 18, 344, für die Ordnung in der Verhandlung (Sitzungspolizei, SS 176 ff GVG). Keine 6 Ungebühr im Sinne des S> 178 GVG stellt es dar, wenn der Angeklagte mit einer Beatle-Haartracht vor Gericht erscheint (OLG München NJW 66, 1935); denn eine solche Frisur zu tragen, ist sein Recht. Anders wäre es, wenn der Angeklagte durch Aufsetzen einer Perücke gerade für die Sitzung das Gericht bewußt provozierte (KG JR 66, 73). Dazu auch OLG Düsseldorf JMB1. NRW 81, 215 zu salopper Freizeitkleidung u. bewußter Provokation. Anders für den Strafvollzug OLG Frankfurt JR 64, 393.

Erster Abschnitt Jugendgerichtsverfassung $ 33 Jugendgerichte (1) Über Verfehlungen Jugendlicher entscheiden die Jugendgerichte. (2) Jugendgerichte sind der Strafrichter als Jugendrichter, das Schöffengericht (Jugendschöffengericht) und die Strafkammer (Jugendkammer). (3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechts verordnung zu regeln, daß ein Richter bei einem Amtsgericht zum Jugendrichter für den 269

$s 33-33b

2. Teil. Jugendliche

B e z i r k m e h r e r e r A m t s g e r i c h t e (Bezirksjugendrichter) bestellt u n d d a ß bei e i n e m A m t s g e r i c h t ein g e m e i n s a m e s Jugendschöffengericht f ü r d e n Bezirk m e h r e r e r Amtsgerichte e i n g e r i c h t e t wird. Die L a n d e s r e g i e r u n g e n k ö n n e n die E r m ä c h t i g u n g durch R e c h t s v e r o r d n u n g a u f die Landesjustizverwaltungen übertragen.

$ 33 a Besetzung des Jugendschöffengerichts (1) Das Jugendschöffengericht b e s t e h t aus d e m J u g e n d r i c h t e r als Vorsitzend e n u n d zwei Jugendschöffen. Als J u g e n d s c h ö f f e n sollen z u j e d e r H a u p t v e r h a n d l u n g ein M a n n u n d eine F r a u h e r a n g e z o g e n w e r d e n . (2) Bei E n t s c h e i d u n g e n a u ß e r h a l b d e r H a u p t v e r h a n d l u n g w i r k e n die J u gendschöffen n i c h t mit.

$ 33 b Besetzung der Jugendkammer (1) Die J u g e n d k a m m e r ist m i t drei Richtern einschließlich des Vorsitzend e n u n d zwei Jugendschöffen ( g r o ß e J u g e n d k a m m e r ) , in Verfahren ü b e r B e r u f u n g e n g e g e n Urteile des J u g e n d r i c h t e r s m i t d e m Vorsitzenden u n d zwei J u g e n d s c h ö f f e n (kleine J u g e n d k a m m e r ) besetzt. (2) Bei E r ö f f n u n g des H a u p t v e r f a h r e n s beschließt die g r o ß e J u g e n d k a m m e r , d a ß sie in d e r H a u p t v e r h a n d l u n g m i t zwei R i c h t e r n einschließlich des Vorsitzenden u n d zwei J u g e n d s c h ö f f e n besetzt ist, w e n n n i c h t die Sache n a c h den allgemeinen Vorschriften einschließlich d e r R e g e l u n g des S 7 4 e des Gerichtsverfassungsgesetzes z u r Zuständigkeit des Schwurgerichts geh ö r t o d e r n a c h d e m U m f a n g oder d e r Schwierigkeit d e r Sache die Mitwirk u n g eines d r i t t e n Richters n o t w e n d i g erscheint. Ist eine Sache v o m Revisionsgericht zurückverwiesen w o r d e n , k a n n die n u n m e h r z u s t ä n d i g e J u g e n d k a m m e r e r n e u t nach Satz 1 ü b e r ihre B e s e t z u n g beschließen. (3) S 33 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 gilt e n t s p r e c h e n d . 1. Hw.: Rn 11; $ 107. - 2. [ErwG:] $ 104, 2. Übersicht 1. 2. 3. 4. 5.

Einordnung der Jugendgerichte Einwirkung des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1979 Besetzung der Jugendgerichte Bezirksjugendgericht Geschäftsbereich der Jugendgerichte

270

Rn 1 4 9 10 12

Jugendgerichte 6. Die Entscheidung eines örtlich oder sachlich unzuständigen Gerichtes 7. Sicherungs- und objektives Verfahren 8. Verwaltungsbehörden

1.

SS

33-33b 17 24 25

Einordnung der JGerichte

Die JGerichte sind Teile der ordentlichen Gerichtsbarkeit ($ 33 II) und nach hM 1 lediglich Abteilungen des Gerichts mit einem eigenen Geschäftsbereich (BGH 18, 79,173; 22,48; BayObLG 74,135; OLG Karlsruhe Justiz 99,142; Dallinger/Lackner 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner vor $ 1 StPO 3,10). Die JGerichte haben aber tatsächlich ihrer bes. Aufgabe entsprechend einen bes. Aufbau (Rn 9,10), bes. Zuständigkeit (SS 39 ff) und ein in vielen und entscheidenden Punkten eigenständiges Verfahren (Einf. II 25). Die Vorschriften des JGG sollen den J und Hw. die Mitwirkung bes. ausgewählter, geschulter, jkriminologisch zumindest interessierter, erfahrener und, wie die Praxis zeigt, auch wirklich engagierter JRichter (SS 34,37; Brunner JR 78,499), ebensolcher JStaatsanwälte (S 36) sowie durch den JHilfeausschuß benannter und in der JErziehung erfahrener JSchöffen (S 35) sichern. Mit der Einrichtung der JGH und deren Tätigwerden in allen Verfahrensabschnitten ist bei den JGerichten die für die Beurteilung junger Menschen und für eine jgemäße Entscheidung unentbehrliche umfassende Persönlichkeitserforschung (SS 38, 43) gewährleistet. Dies alles dient einer möglichst treffenden Beurteilung und einer aus dem abgestuften Sanktionskatalog fließenden, gezielten und zugleich helfenden richterlichen Entscheidung; so sollen und nur so können - ohne zufällige Ausnahmen - die bes. Prägbarkeit und Ansprechbarkeit junger Täter zu Sozialisationserfolgen genützt werden. Bei Zweifeln über Alter oder Tatzeit ist deshalb zugunsten des Beschuldigten stets das JGericht zuständig (BGH 5, 370; 7, 26; Anm. Dallinger MDR 55, 181; vgl. auch S 1, 10). Wegen dieser bes. Ausstattung und Bedeutung der JGerichte und um deren 2 Sonderzuständigkeit zu betonen und deren Durchsetzung zu sichern, hatte der BGH bis 1962 die JGerichte für J und Hw. als Gerichte für bes. Sachgebiete (Art. 101 II GG) behandelt. Mit der einhelligen Meinung der Lehre hatten die obersten Gerichte (BGH 7,26; 8,349; 9,399; BayObLG 55,530; 57,1; 61,89; 64,91; NJW 67, 216; OLG Frankfurt NJW 56,1211; KG NJW 64, 2473; OLG Saarbrücken NJW 66,1041) in der Überschreitung der Aufgabengrenze zwischen J- und ErwGerichten jedenfalls dann einen von Amts wegen zu beachtenden Verstoß gesehen, wenn dadurch ein J oder Hw. der JGerichtsbarkeit entzogen wurde. Dies hatte ua dazu geführt, daß das Revisionsgericht diesen Mangel von Amts wegen beachten und das Verfahren an das zuständige JGericht verweisen mußte. Seit 1962 berührt nach der geänderten Rechtsprechung des BGH und des 3 BayObLG (seit 1974) unter weitgehender Zustimmung der Lehre die unberechtigte Entscheidung eines JGerichts gegen Erw., aber auch eines ErwGerichts gegen J oder Hw. nicht mehr die sachliche Zuständigkeit. Es geht nur um eine Überschreitung des Geschäftskreises, die vom Revisionsgericht zwar auf Rüge, aber nicht mehr von Amts wegen zu beachten ist (OLG Karlsruhe Justiz 99,142). 271

SS 3 3 - 3 3 b

2. Teil. Jugendliche

3 a Dieser Rechtsprechung ist Brunner entgegengetreten (5. Auflage §33, 2, 13 ff; Anm. in JR 75,202 zu BayObLG 74,135), weil er mit ihr den allseits unbestrittenen Grundsatz verletzt und für die Zukunft gefährdet sah, daß J und Hw. stets an für sie bes. geeignete JGerichte kommen, daß diese und die JStaatsanwaltschaft von der Justizverwaltung wie geboten besetzt, durch stete Fortbildungsangebote betreut werden. Ihm schien es notwendig, auch vom Gesetzgeber her die bes. Aufgabe der JGerichte normativ zu umschreiben, damit die JGerichtsbarkeit ein Sammelpunkt wirklich geeigneter, begabter und engagierter JStaatsanwälte und JRichter bleibt und sich in solcher Richtung fortentwickelt. 2.

Einwirkung des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1979

4 Mit dem StVÄG 1979 (BGBl. 19781S. 1645) ist aber wieder eine Einordnung der JGerichte erreicht, die eine Änderung in absehbarer Zeit weder möglich noch erforderlich erscheinen läßt und Kritik auch nicht mehr herausfordert, weil eine solide Plattform für eine gezielte und möglichst wirksame JGerichtsbarkeit bereitgestellt wird. 4 a Denn der nun normierte höhere Ordnungsrang der JGerichte tritt an die Stelle der bislang als maßgebend angesehenen höheren Strafgewalt und ist als bes. Merkmal einer Zuständigkeit nach $ 6 StPO eine zwingende Zuständigkeitsregel (für $ 103 II 1 BGH H MDR 80, 456; allg. OLG Oldenburg NJW 81, 1384). 4 b Das StVÄG 1979 beseitigt Lücken, Schwierigkeiten und Unklarheiten bei der Bestimmung und Prüfung der Zuständigkeit. Um die größtmögliche Klarheit in Zuständigkeitsfragen zu erreichen, hat sich der Gesetzgeber bei den Erw. für das Vorrangprinzip entschieden. Bei den JGerichten, auch den JSchutzgerichten, hat der Gesetzgeber unter Verzicht auf eine gewisse Flexibilität (Katholnigg NJW 78,2375) den Grundsatz der Spezialität normiert, weil „die JGerichte gegenüber den ErwGerichten... bes. sachliche Geschäftskreise einnehmen" und „um die Sachkunde bes. erfahrener oder bes. ausgewählter ($ 37) Richter besser nutzen zu können" (BT-Drs. 8/976 S. 20). Im Verhältnis zu gleichrangigen ErwGerichten gelten die JGerichte nun als Gerichte höherer Ordnung ($ 209 a Nr. 2 StPO). Durch die Regelung in % 209 I und II StPO bestimmen sie selbst über ihre Zuständigkeit hinsichtlich der in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Spezialaufgaben (Kompetenz-Kompetenz), weil „für die von ihnen zu behandelnden Sachen bes. Spezialkenntnisse oder Spezialerfahrungen notwendig sind. Dem entspricht es auch, daß der Spezialspruchkörper darüber entscheidet, ob das Hauptverfahren wegen solcher Sachen zu eröffnen ist" (BT-Drs. 8/976 S.44). Insgesamt näher $ 41, 14 ff. 5 Für den Fall der Verbindung von Erw.- zu JSachen ist in S 103 II 1 das frühere Schwergewichtsprinzip als Abgrenzung bei Zuständigkeitsüberschneidungen durch das Vorrangprinzip ersetzt, also „wegen der bes. Aufgaben der JGerichtsbarkeit grds. der Vorrang der Jugendgerichte" (BT-Drs. 8/976 S. 70) auch hier hergestellt. Bei Verbindung ist somit stets das JGericht für das gesamte Verfahren 272

Jugendgerichte

SS 3 3 - 3 3 b

zuständig (Ausnahme vom Erw. her $ 103 II 2,3); es hat die Kompetenz-Kompetenz für den Verbindungsbeschluß. Wenn Erw. nicht mit angeklagt sind, geht auch die Zuständigkeit der Staatsschutzkammer der der JGerichte nicht mehr vor (S 102 S. 1). Insgesamt näher § 103, 6, auch § 32, 6. Das Verhältnis gleichrangiger Gerichte der JGerichtsbarkeit und der ErwGerichts- 6 barkeit wurde nicht nach J 6 a StPO, sondern nach $ 6 StPO geregelt. Es muß also der Vorrang der JGerichte (insoweit Gerichte höherer Ordnung) in jeder Lage des Verfahrens, also nicht wie bei Erw. lediglich bis zum Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses (S 6 a StPO), von Amts wegen geprüft und berücksichtigt werden ($ 27011, 2. Halbsatz StPO, $ 47 a; BGH H MDR 81,269; OLG Oldenburg NJW 81, 1384; Rn 20). Denn, so begründet die BT-Drs. 8/976 S. 33 ausdrücklich: „Das Verhältnis der JGerichte zu den ErwGerichten ist mit dem gleichrangiger Strafkammern nach den SS 74, 74 a, 74 c GVG nicht vergleichbar. Zwar ist auch hier die Strafgewalt in beiden Fällen gleich und sind die jeweiligen Spruchkörper mit der gleichen Zahl von Richtern besetzt. Für die Richter der JGerichtsbarkeit gelten aber bes. Auswahlkriterien (vgl. SS 35, 37), vor allem gelten aber für das Verfahren vor den JGerichten bes. Verfahrensvorschriften, die auf die bes. Bedürfnisse jgemäßer Verhandlung zugeschnitten sind. Dieser bes. Rechtsposition würde ein J verlustig gehen, wenn er entgegen dem grds. unbedingten Vorrang der JGerichtsbarkeit, den das Gesetz mit § 103 II 1 bestimmt, vor einem ErwGericht abgeurteilt würde." Der Erw. wird nicht benachteiligt, wenn er statt von einem ErwGericht von einem 7 mit gleicher Zuständigkeit ausgestatteten JGericht verurteilt wird und die Voraussetzungen des S 103 I, II 1 vorlagen. Deshalb bleiben in verbundenen Strafsachen gegen J (Hw.) und Erw. die JGerichte (mit Ausnahme der Fälle des § 103 II 2, 3) auch dann zuständig, wenn sich erst nach Eröffnung des Verfahrens herausstellt, daß für den hierzu verbundenen Erw. eigentlich ein ErwGericht gleicher oder niedrigerer Ordnung zuständig wäre ($ 47 a; vgl. näher dort). Der Erw. ist nur im gegenteiligen Fall durch eine Entscheidung des JGerichts beschwert, nämlich, wenn dieses JGericht nach seiner Besetzung einem ErwGericht entspricht, dessen Zuständigkeit zur Aburteilung dieser Tat nicht ausreicht (S 103, 5; OLG Oldenburg NJW 57,1329; Ostendorf 9). Deshalb weist $ 41 Nr. 3 die verbundene Sache dann der JKammer zu, wenn für den Erw. eine große ErwStrafkammer zuständig wäre ($ 41,12). Der Erw. ist auch dann beschwert, wenn eine Wirtschaftsstrafkammer oder eine Kammer nach $ 74 a GVG zuständig gewesen wäre (S 103 II 2) und dies rechtzeitig nach § 6 a StPO gerügt worden ist. Die JGerichte haben mit dem StVÄG 1979 eine ihrer Aufgabe und Bedeutung 8 entsprechende Heraushebung und eine Vorrangstellung erhalten, die in der Tatsacheninstanz in jedem Verfahrensabschnitt den J (Hw.) die Verhandlung vor dem JGericht sichert. Dies ist dadurch gewährleistet, daß jedes Tatsachengericht die Frage der Zuständigkeit eines JGerichts ohne Einschränkung in jeder Phase des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und ggf. nach $$ 209,209 a, 225 a, 270 StPO, $ 103 n die Entscheidung eines JGerichts zu ermöglichen hat. Das 273

SS 3 3 - 3 3 b

2. Teil. Jugendliche

Berufungsgericht darf die Berufung des nicht erschienenen Angeklagten nicht nach $ 329 I StPO verwerfen, wenn in erster Instanz statt des ErwGerichts das JGericht zuständig war. Die Sache ist vielmehr gemäß § 328 n StPO an das zuständige JGericht zu verweisen (OLG Celle NStZ 94, 298; aA Meyer-Goßner in der Anm. NStZ 94,402 f.). Erläßt ein ErwGericht ein Urteil in einer Sache, welche nach den Vorschriften des JGG vor ein JGericht gehört, so kann hierauf der J (Hw.), ohne daß es eines vorausgegangenen Einwands der Unzuständigkeit des ErwGerichts bedarf, die Revisionsrüge stützen (BGH 30, 260; Löwe/Rosenberg/Rieß § 209 a StPO 46; Löwe/Rosenberg/Gollwitzer § 2 2 5 a StPO 71). Diese auf SS 338 Nr. 4, 344 II 2 StPO gestützte Revisionsrüge (BGH 8, 335; 10, 75; OLG Karlsruhe Justiz 99, 142; zust. Eisenberg 41; Ostendorf 8) wird durchdringen; daß in der Revisionsinstanz die Unzuständigkeit des JGerichts nicht ohne Rüge überprüft wird (BGH NStZ-RR 96, 250; Kleinknecht/Meyer-Goßner $ 338 StPO 34), kann in Anbetracht der sonstigen Vorschriften des StVÄG 1979, welche insgesamt dem J (Hw.) die Verhandlung vordem zuständigen JGericht sicherstellen, hingenommen werden (vgl. auch Rn20a). 3.

Besetzung der Jugendgerichte

9 JGerichte werden nur am Amts- und Landgericht gebildet. Das Revisionsgericht ist also auch in JSachen ein allg. Gericht, wenngleich gerade hier, da Leitlinien gegeben werden, im JRecht erfahrene Richter entscheiden sollen. Auch Dallinger/Lackner 5, Eisenberg 12 und Ostendorf Grdl. z. SS 32-38 Rn9; $ 37, 11 fordern für BGH und OLG spezielle JGerichte. Über das Verhältnis des JGerichts zu OLG und Staatsschutzkammern als erstinstanzliche Gerichte s. bei $$ 39-41. Es gibt den JRichter als Einzelrichter - daß „der Amtsrichter auch JRichter" (s. S 33 II) „für den Bezirk des Amtsgerichts" ist(zB BayVO v. 30.11.56 BayBS III 166), macht nicht jeden Amtsrichter zum JRichter (BayObLG 59, 210) - , das JSchöffengericht und die - seit dem RpflEntlG große und kleine - JKammer. Ein erweitertes Schöffengericht oder ein Schwurgericht gibt es bei den JGerichten - auch gegen Hw. - nicht, auch nicht in JSchutzverfahren (dort Rn4). - SS 33 a 1,33 b regeln die Besetzung in der Hauptverhandlung, außerhalb entscheiden beim AG der JRichter, bei der kleinen JKammer der Vorsitzende und bei der großen JKammer die drei Berufsrichter ($$ 33 a II, 33 b III). Unter den Voraussetzungen des gemäß Art. 15 II RpflEntlG in der Fassung des G v. 19.12.2000 (BGBl. I 1756) bis 31.12.2002 befristeten $ 33 b II entscheidet die große JKammer mit nur zwei Berufsrichtern. Das gilt in erstinstanzlichen Sachen auch in den Fällen der SS 225 a, 270 StPO (BGH 44, 362). Ob die Vorschrift auch gilt, wenn die große JKammer über Berufungen gegen Urteile des JSchöffengerichts zu entscheiden hat, war umstritten (dafür BGHR $ 33 b II Besetzungsentscheidung 1; BGH 44,362; BayObLG 97,130 = NStZ 98, 102; OLG Düsseldorf StV 01, 160 mit abl. Anm. Rzepka; dagegen Voraufl.; Eisenberg 16; Ostendorf 11; Böttcher/Mayer NStZ 93, 158; Schmidt NStZ 95, 217). Nachdem Gesetzesentwürfe eine ausdrückliche Einführung der Möglichkeit zur Besetzungsreduktion für Berufungssachen vorgesehen hatten, hat der 274

Jugendgerichte

SS 3 3 - 3 3 b

Gesetzgeber von einer solchen Bestimmung abgesehen, weil er sie wegen der Entscheidung des BGH nicht für erforderlich hielt (BT-Drs. 14/3831 S. 5). Nach dieser Entscheidung des Gesetzgebers ist die Vorschrift auch in Berufungssachen anwendbar. Über die Besetzung in der Berufungshauptverhandlung ist bei der Terminierung der Berufungssache zu entscheiden (BGH u. BayObLG aaO). Nach $ 33 b II 2 kann nach Zurückweisung durch das Revisionsgericht die nunmehr zuständige JKammer erneut nach S. 1 über ihre Besetzung beschließen. Das alles gilt auch im JSchutzverfahren (Anh $ 125, 4 a). Bei der Entscheidung über die Besetzung steht der JKammer kein Ermessen, aber ein weiter Beurteilungsspielraum zu, dessen Überschreiten in unvertretbarer Weise die Revision begründen kann (BGH 44, 328; BayObLG 00, 110). Die Revision kann auf die fehlerhafte Besetzung mit 2 statt mit 3 Berufsrichtern in der ersten Instanz nur gestützt werden, wenn dieser Einwand in der Hauptverhandlung nach SS 222 a, 223 b StPO gelten gemacht worden ist (BGH 44, 361). Als Schöffen können 2 Männer, 2 Frauen oder 1 Mann und 1 Frau mitwirken. 9 a Letzteres ist das vom Gesetz mit Recht Gewünschte und wird in der Praxis auch eingehalten. Um das zu verwirklichen, werden die Haupt- und Hilfsschöffen getrennt nach Geschlecht ausgelost und müssen die Listen getrennt geführt werden ($ 35 V). Zur Wahl $ 35, 3. - Die ordentlichen Sitzungstage müssen für das ganze Geschäftsjahr von vornherein festgesetzt und hierfür die JSchöffen ausgelost werden ($$ 45, 77 GVG). Es ist unzulässig, gemeinsame Sitzungstage für J- und ErwStrafkammer festzusetzen und es dem Vorsitzenden zu überlassen, an welchen dieser Sitzungstage die JKammer tagt (BGH 15,107). Zu außerordentlichen Sitzungen u. zur Verwendung von Hilfsschöffen SS 47, 49 GVG u. BGH NJW 96, 267. Zur Gewährung von Akteneinsicht für Schöffen BGH 43, 36. 4.

Bezirksjugendgericht

BezirksJRichter ($ 33 III) sind nur in Großstädten mit mehreren Gerichten 10 wünschenswert. Bei kleineren Gerichten, insbes. in Flächenstaaten und in überwiegend ländlichen Bezirken, sollte wegen des Grundsatzes der Entscheidungsnähe (vgl. Nothaeker S. 262) jedes seinen JRichter haben, zumal dieser in bes. Maße ErzRichter ist (DallingerfLackner 38; Eisenberg 23). Insgesamt ist Zurückhalt geboten. Die Bildung von Haftgerichten nach $581 GVG gilt für J und Hw. nur, wenn dies ausdrücklich klargestellt ist. Der BezirksJRichter ist mangels ausdrücklicher Beschränkung JRichter für den ganzen Bezirk im Umfang des $ 34 ($ 34,1), also auch im Vorverfahren (Bach, Potrykusje DRiZ 54,190). Dagegen ist die Bildung von BezirksJSchöffengerichten wünschenswert und vertretbar, da sie über Taten von größerem Gewicht entscheiden müssen und die örtlichen Gegebenheiten meist eine weniger bedeutsame Rolle spielen (ebenso Dallinger/Lackner 40; aA

Eisenberg 26; Ostendorf 13). Es gilt $ 58 n, III GVG. Die Konzentration ist hier wie sonst nur eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit. BezirksJRichter und BezirksJSchöffengericht für mehrere Amtsgerichtsbezirke sind den ErwStrafrichtern und ErwSchöffengerichten ihres erweiterten Bezirks gegenüber Gerichte 275

33-33b

2. Teil. Jugendliche

gleicher O r d n u n g . Umgekehrt sind auch das JSchöffengericht u n d das erweiterte Schöffengericht des ErwRechts Gerichte gleicher Ordnung, wobei in beiden Fällen allerdings das JGericht dem gleichgeordneten ErwGericht gegenüber f ü r Zuständ i g k e i t s r e g e l u n g e n als Gericht höherer O r d n u n g gilt (Rn3; § 41, 23). 1 1 Die jGerichte sind gegen H w . im gleichen U m f a n g wie gegen J zuständig. Wenn auch eine Geschäftsverteilung zwischen den verschiedenen Kammern oder Referaten (auch JStA) durch Aufteilung nach J und Hw. nicht unzulässig sein dürfte (so aber Becker JR 53, 413), so widerspräche sie doch d e m Sinn des Gesetzes (zust. Nothacker S. 256) u n d wäre überaus unzweckmäßig, weil der JRichter und der JStaatsanwalt genügend Erfahrungen f ü r die Reife-Beurteilungen beider Altersg r u p p e n n u r gewinnen kann, w e n n er f ü r J und H w . zugleich zuständig ist. Gleiches gilt f ü r die BezirksJRichter u n d die BezirksJSchöffengerichte. 5.

Geschäftsbereich der Jugendgerichte

1 2 Das JGericht entscheidet (S 33 Abs. I) über alle Verfehlungen (§ 1,1), bei denen der Täter zZ der Tat schon 14, aber noch nicht 21 Jahre alt war (BGH 6 , 3 5 4 f ü r Hw.), oder wenn darüber Zweifel bestehen (BGH 5,370; vgl. § 1,10 aE). Wegen mehrerer Taten, rechtlicher Bewertungseinheit oder Dauerdelikt aus der Zeit vor u. nach Vollendung des 21. Lebensjahres Vor § 102, 2. 13 Ausnahmen sind nach SS 103 II 2, 112 ggf. bei Verbindung mit Erw. (S 41, 16; § 103, 6 u. 11) gegeben. $ 102 ist, seit der Eingriff der Zuständigkeit der Staatsschutzkammer in das JGG entfallen ist, keine Ausnahmevorschrift; im übrigen ergibt sich aus $ 33 II, daß JGerichte n u r auf der Ebene der AG u n d LG gebildet werden. Über das anzuwendende Recht SS 104, 112 S. 2. 1 4 JGerichte sind gegen Erw. auch als JSchutzgerichte (SS 2 6 , 7 4 b GVG) u n d ggf. bei Verbindung ($ 103) zuständig. Dazu Anh S 125, 4 u. 4 a. 15

Sind im Geschäftsverteilungsplan eines mit mehreren Richtern besetzten Gerichts die JGerichtssachen nicht erwähnt, müssen diese als nicht verteilt angesehen werden. Es besteht also an diesem Gericht kein JGericht, weshalb ein hier abgeurteilter J seinem gesetzlichen Richter entzogen ist (OLG Saarbrücken NJW 66, 1041; Eisenberg 40; Ostendorf 9). - Wegen der Folgen R n l 7 , 19, 20 a. Die auswärtige Strafkammer eines LG ist auch f ü r J u n d H w . aus ihrem örtlichen Bezirk zuständig (OLG Karlsruhe Beschluß v. 2 . 8 . 7 8 1 Ws 257/78 iVm BGH 18,173,175; 21, 70).

16 Im OWiG-Verfahren gelten die S$ 33-37, soweit sie sich nicht auf das JSchöffengericht beziehen. Die Vorschrift über die JKammer ist nur f ü r das Beschwerdeverfahren von Bedeutung (S 1, 2). Wegen der örtlichen Zuständigkeit S 42, 13.

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Jugendgerichte 6.

SS 3 3 - 3 3 b

Die Entscheidung eines örtlich oder sachlich unzuständigen Gerichtes

Urteile eines örtlich oder sachlich unzuständigen Gerichts sind wirksam und der Rechtskraft fähig (RG 71, 378; KleinknechtfMeyer-Goßner $ 6 StPO 2). Die rechtskräftige Entscheidung eines nicht zuständigen Gerichts ist nicht nichtig (vgl. BGH Herlan GA 54, 308; OLG Hamburg NJW 52, 1150; Sarstedt LM $ 338 Nr.4 StPO Nr. 2; BGH 2 7 , 3 3 1 für den örtlich unzuständigen JRichter). Eine andere Frage ist, inwieweit solche Urteile durch Rechtsmittel angegriffen werden können.

17

Das örtlich unzuständige Gericht verneint im Eröffnungsverfahren seine Zuständigkeit und lehnt damit die Eröffnung des Hauptverfahrens ab ($ 210 II StPO; vgl. § 42,8). Abgabe an ein anderes Gericht ist nicht möglich. Im Hauptverfahren darf das Gericht seine örtliche Unzuständigkeit nicht mehr aussprechen, muß aber auf rechtzeitigen Einwand des Angeklagten (§ 16 S. 2, 3 StPO) bei Bejahung der örtlichen Unzuständigkeit das Verfahren nach $ 206 a StPO oder 260 III StPO einstellen (OLG Karlsruhe GA 77, 58).

18

Die örtliche Unzuständigkeit kann der Angeklagte nur dann mit der Revision nach § 338 Nr. 4 StPO rügen, wenn sein entsprechender rechtzeitiger Einwand nach Eröffnung des Hauptverfahrens (5 16 S. 2 , 3 StPO) als unbegründet verworfen worden ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner $ 16 StPO 7). Hat ein Gericht niederer Ordnung unter Überschreitung seines Strafbannes 1 9 entschieden, wo ein Gericht höherer Ordnung zuständig gewesen wäre, zB der JRichter, wo ein JSchöffengericht zuständig gewesen wäre, so stand dem Urteil ein Verfahrenshindernis entgegen, das von Amts wegen zu prüfen (§ 6 StPO) und vom Revisionsgericht ohne Rüge nach $ 338 Nr. 4 StPO zu berücksichtigen ist (BGH 18, 83; Eisenberg 37; Ostendorf % 39,10). Vgl. auch $ 41, 36. Zur Unzuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan (5 338 Nr. 1 StPO) vgl. BayObLG VRS Bd59 (80), 24. Jede andere Art der Unzuständigkeit (vgl. aber § 47 a, 3) wird vom Revisionsgericht nur auf Rüge (§ 344 II 2 StPO) beachtet, zB die örtliche Unzuständigkeit (Rn 18).

20

Hat ein ErwGericht eine Sache entschieden, für welche ein JGericht zuständig 2 0 a gewesen wäre, so hat das Berufungsgericht die Sache an das zuständige JGericht zurückzuverweisen, da es sich um ein Merkmal der (sachlichen oder bes. funktionellen) Zuständigkeit von § 328 II StPO handelt (OLG Oldenburg NJW 81,1384; OLG Karlsruhe Justiz 99, 142). Zum Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungsverhandlung siehe Rn 8. Das Berufungsgericht kann nicht nach $ 260 III StPO einstellen, weil die Verteilung der Aufgaben zwischen J- und ErwRichter gem. $ 209 a StPO eine Frage der Zuständigkeit iSd $ 328 II StPO ist (OLG Oldenburg aaO; OLG Koblenz VRS 71 [1986], 462). In solchem Falle verweist das Revisionsgericht nicht nach § 354 II StPO, sondern prozeßökonomisch nach $ 355 StPO direkt an das JGericht zurück (OLG Koblenz aaO). Vgl. zum Fall des „übriggebliebenen" Erw. $ 4 7 a, 7. Die Unzuständigkeit des ErwGerichts kann unein277

SS

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Z.Teil. Jugendliche

geschränkt mit der Revision geltend gemacht werden, und zwar mit und nur auf die Rüge, daß nach Eröffnung des Hauptverfahrens die in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Zuständigkeit eines JGerichtes pflichtwidrig nicht beachtet worden ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 338 StPO 34; Löwe/Rosenberg/Rieß 24. Aufl. $ 209 a StPO 46; eher für Berücksichtigung von Amts wegen Eisenberg 39). Eines vorausgegangenen Einwandes des Angeklagten, das ErwGericht sei unzuständig, bedarf es nicht (vgl. Rn 8). Zu berücksichtigen ist jedoch, daß es sich bei dem Alter des Angeklagten um eine doppelrelevante Tatsache handelt, die nicht nur die gerichtliche Zuständigkeit, sondern wegen der nach Altersstufe unterschiedlichen Rechtsfolgen auch das materielle Recht betrifft. Das Revisionsgericht ist daher an entsprechende Feststellungen gebunden, soweit sie rechtsfehlerfrei getroffen sind (BGH NStZ 00, 388). Hat das unzuständige ErwGericht JStrafrecht nicht angewendet bzw. bei Hw. dessen Anwendbarkeit nicht geprüft, ist das Urteil auf die Sachbeschwerde jedenfalls für die Rechtsfolgenentscheidung an das zuständige JGericht zurückzuverweisen (BGH NStZ-RR 96, 250; OLG Karlsruhe Justiz 99, 142). Zur Frage, ob das ErwGericht durch Einstellungen nach $S 1 5 4 , 1 5 4 a StPO seine Zuständigkeit begründen kann, siehe Vor $ 102, 2. Auch für den Erw. bestimmt § 103 I, II 1 den gesetzlichen Richter, so daß der zu einem Verfahren mit J oder Hw. verbundene Erw. die Unzuständigkeit des in solcher Sache tätig gewordenen ErwGerichts rügen kann, obwohl dieses ErwGericht ohne solche Verbindung für ihn zuständig gewesen wäre (BGH H MDR 80, 4 5 6 u. MDR 81, 269; Kleinknecht/Meyer-Goßner $ 3 3 8 StPO 34. Vgl. § 4 7 a, l a - 5 ; § 103, 17; auch Hilger NStZ 83, 340. 20 b

Zu den Entscheidungen über Revisionen eines Erw., über den ein JGericht entschieden hat § 47 a, 1 a, 3, 5.

20 c

Bei negativem sachlichen Kompetenzkonflikt, der durch die Neuregelung nahezu ausgeschlossen ist, gelten die 5$ 14, 19 StPO entsprechend (BGH 18, 381), falls sich keine andere Möglichkeit des Verfahrensfortganges mehr bietet (OLG Hamm NJW 72, 1909; OLG Karlsruhe NStZ 87, 375 zur Abtrennung eines Hw. aus verbundener Sache vor der Wirtschaftsstrafkammer an die JKammer nach SS 209 a, 4 II StPO; S 103 II, III). Sind die Voraussetzungen für eine Verbindung nach SS 112 S. 1 , 1 0 3 I, $ 3 StPO gegeben, lehnt die ersuchte gleichrangige JKammer aber die Übernahme ab, so ist für eine Verbindung der Sachen durch das gemeinsame übergeordnete Gericht nur dann Raum, wenn andernfalls die Gefahr eines Verfahrensstillstandes besteht (OLG Düsseldorf MDR 8 0 , 1 0 4 2 ) . Vgl. S 103, 12. Beim örtlichen Kompetenzkonflikt gilt der Grundsatz der Eröffnungspriorität nach S 12 StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner $ 12 StPO 3), notfalls die Bestimmung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts nach SS 1 4 , 1 9 StPO. Vgl. aber auch S 1 0 3 , 1 2 a u. 16.

2 1 Untersuchungshandlungen des unzuständigen Richters sind voll gültig (S 20 StPO entsprechend). 2 2 Über die Folgen der Anwendung des materiellen JRechts auf Erw. u. umgekehrt S 1, H .

278

Aufgaben des Jugendrichters

$34 23

Über die bes. Frage der Zuständigkeit nach Verbindung $ 103, 3 ff. 7.

Sichcrungs- und objektives Verfahren

Im Sicherungsverfahren (SS 413 ff StPO) gegen J (Hw.) entscheidet grds. das JSchöffengericht ($ 41, 16).

24

Wenn aber in Verfahren, in denen Sachen gegen J (Hw.) und Erw. verbunden sind, bei dem Erw. die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus zu erwarten ist, so wird für den Erw. die JKammer zuständig, was dann zwangsläufig auch für die zum gleichen Verfahren verbundenen J (Hw.) gilt ($ 41, 16 u. 12). Weitere Ausnahme $ 41, 13 a. 8.

Verwaltungsbehörden

Verwaltungsbehörden können wegen Verfehlungen von J und Hw. tätig werden, 25 wenn und soweit dies in den einzelnen Vorschriften für zulässig erklärt ist und es sich nicht um die Verhängung von Kriminalsanktionen handelt. Wegen der Bußgeldbescheide nach dem OWiG näher $ 1, 2. In der ehemaligen DDR gab es seit 12.1.1968 keinJGericht mehr. Zur Rechtslage nach der Wiedervereinigung siehe § 1, 6 f.

S 34 Aufgaben des Jugendrichters (1) Dem Jugendrichter obliegen alle Aufgaben, die ein Richter beim Amtsgericht im Strafverfehren hat. (2) Dem Jugendrichter sollen für die Jugendlichen die familien- und vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben übertragen werden. Aus besonderen Gründen, namentlich wenn der Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte bestellt ist, kann hiervon abgewichen werden. (3) Familien- und vormundschaftsrichterliche Erziehungsaufgaben sind 1. die Unterstützung der Eltern, des Vormundes und des Pflegers durch geeignete Maßnahmen (5 1631 Abs. 3, SS 1800, 1915 des Bürgerlichen Gesetzbuches), 2. die Maßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung des Jugendlichen (SS 1 6 6 6 , 1 6 6 6 a, 1837 Abs. 4 , 1 9 1 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Abs. I: l.Hw.: $ 107. - 2.[ErwG]: $ 104, 2. Abs.n und m : l.(Hw.): § 107. - 2. [ErwG]: $ 104, 2. Richtlinien zu $ 34:

1. Zu den Aufgaben des Jugendrichters gehören nach § 34 Abs. 1 auch die richterlichen Handlungen im Ermittlungsverfahren sowie die Erledigung der Rechtshilfeersuchen in Jugend-

279

26

$34

2. Teil. Jugendliche

sachen. Es empfiehlt sich, ihm bei der Geschäftsverteilung auch die Erledigung der Rechtshilfe in sonstigen Strafsachen zu Ubertragen, wenn um Vernehmung von Minderjährigen ersucht wird. 2. Wird der Richter beim Amtsgericht als Jugendrichter oder Vollstreckungsleiter mit Jugendlichen oder Heranwachsenden befaßt, für die ein anderes Amtsgericht als Vormundschaftsgericht zuständig ist, so kann es angebracht sein, daß das Gericht des Jugendrichters oder Vollstreckungsleiters gemäß $ 46 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Aufgaben des Vormundschaftsgerichts übernimmt. Die übernommenen vormundschaftsrichterlichen Aufgaben kann der Jugendrichter nach der gleichen Vorschrift wieder abgeben. 3. Werden nach Einleitung eines Strafverfahrens vormundschaftsrichterliche Maßnahmen für Jugendliche oder Heranwachsende erforderlich, gegen die Anklage vor einem anderen Gericht erhoben ist oder erhoben werden soll, so sollte das Vormundschaftsgericht prüfen, ob sich die Abgabe der vormundschaftsrichterlichen Aufgaben an das Jugendgericht empfiehlt, das bereits mit ihnen befaßt ist oder demnächst befaßt werden wird. Schrifttum: Hartmann Die Anordnung von U-Haft, Diss. Mainz 1988; Otto Der Grundsatz der Ämtereinheit des J- u. Vormundschaftsrichters, Diss. Hamburg 1977.

1 Die Vorschrift wurde zuletzt durch das KindKG geändert. Wegen der Verlagerung verschiedener Aufgaben des Vormundschaftsgerichts auf das Familiengericht wurde der Begriff der vormundschaftsrichterlichen ErzAufgaben in Abs. II und III durch denjenigen der familien- und vormundschaftsrichterlichen ErzAufgaben ersetzt. Da eine Übertragung sämtlicher vormundschafts- und familienrichterlicher Aufgaben auf den JRichter zu einer Überlastung geführt hätte, wurde die früher in Abs. II S. 1 enthaltene Richtlinie, nach welcher der JRichter zugleich auch Vormundschaftsrichter sein sollte, gestrichen (BT-Drs. 13/4899 S. 143). Das neue Recht beschränkt sich statt dessen in Abs. II S. 1 auf die Maßgabe, daß dem JRichter für die J die familien- und vormundschaftsrichterlichen ErzAufgaben übertragen werden sollen. Außerdem wurde in Abs. III ein Verweis auf $ 1837 Abs. 4 BGB eingefügt (kritisch zur Rechtsentwicklung Miehe in JStrafrecht an der Wende S. 147 ff, der von einer Demontage des Bildes des ErzRichters spricht). 2 Die Vorschrift gilt nur für das AG (über LG: Rn 4). Abs.I bindet das Präsidium bei der Geschäftsverteilung (LG Göttingen NdsRpfl. 77, 218; VG Schleswig DRiZ 91, 98). Der JRichter ist Einzelrichter (SS 33 II, 39) und Vorsitzender des JSchöffengerichts ($S 33 III, 40). Er trifft wie der Richter beim AG im allg. Strafverfahren alle außerhalb der Hauptverhandlung anfallenden Entscheidungen ($ 30 II GVG), einschließlich der des Vollstreckungsleiters (S 821), nimmt die richterlichen Handlungen im vorbereitenden Verfahren vor (SS 162, 165 StPO) und ist im JVerfahren Rechtshilferichter (RL 1 S. 1, $ 157 GVG). Da nach dem Sinn des S 34 I das gesamte JGerichtsverfahren und nicht nur die Hauptverhandlung bei einem Richter mit bes. Sachkunde und Erfahrung zu konzentrieren ist, ist es unzulässig, die Ermittlungssachen auf dem Gebiet des JStrafverfahrens einem Richter zuzuweisen, der im übrigen nicht als JRichter eingesetzt ist (VG Schleswig DRiZ 91, 98). Das gleiche gilt für einzelne, die J und Hw. betreffende Rechtsgebiete (zB Rechtshilfe). Derartige Mängel in einem 280

Jugendschöffen

Geschäftsverteilungsplan sind nicht durch die Regelung des $ 22 d GVG heilbar, denn diese Vorschrift betrifft ein Abweichen vom Geschäftsverteilungsplan im Einzelfall und setzt einen gesetzmäßigen Geschäftsverteilungsplan voraus (LG Göttingen NdsRpfl. 77, 219). Der JRichter entscheidet auch in Haftsachen vor Anklageerhebung (§ 125 StPO; über die bes. Haftgerichte § 33, 10). Das alles gilt auch für JSchutzverfahren, sobald das JGericht vor sich eröffnet hat (Anh $ 125,5). Wegen des OWiG-Verfahrens $ 1, 2 u. $ 33, 16. Abs. II enthält für die Geschäftsverteilung eine weitere - nicht bindende, aber 3 beherzigenswerte (also nicht gesetzeswidrig besetzt: OLG Köln Zbl. 81, 34 mit Anm. Molketin Zbl. 81, 220; aA Ostendoif 3: bindend, aber nicht erzwingbar) Richtlinie, welche Hw. wegen deren Volljährigkeit nicht betrifft. Danach sollen dem JRichter für die J die familien- und vormundschaftsrichterlichen ErzAufgaben übertragen werden. Das entspricht seiner Aufgabe als ErzRichter, die er vor allem als Einzelrichter hat, und dient der Einheitlichkeit der Erz. Was familien- und vormundschaftsrichterliche ErzAufgaben sind, ist in Abs. III geregelt. 5 421 Nr. 1, II iVm $$ 36,46 FGG geben Gelegenheit, alle anhängigen Verfahren auch örtlich in eine Hand zu bringen (vgl. auch RL 2,3; Mitteilungspflichten: § 70 JGG, Nr. 31 MiStra.). Auch der BezirksJRichter und der JRichter als Vorsitzender des BezirksJSchöffengerichts sollte in seinem AG-Bezirk die familien- und vormundschaftsrichterlichen ErzAufgaben wahrnehmen. Auch die Vernehmung Jugendlicher bei Rechtshilfe in allg. Strafsachen sollte dem JRichter übertragen werden (RL 1S. 2). Wegen der zwischen Täter- und Tatstrafrecht, J- und ErwRecht bestehenden Unterschiede sollte der JRichter möglichst nicht zugleich ErwStrafrichter sein; ebenso ist eine Referatsteilung durch die Trennung J-Hw. zu vermeiden ($33,11). Doch hindert der mit der Einrichtung von JGerichten verfolgte Zweck der Förderung des ErzGedankens nicht, bei der Geschäftsverteilung (bes. an kleinen Gerichten) JStrafsachen und allg. Strafsachen einer Kammer (BGH NJW 66, 1037) oder einem JRichter zuzuweisen. Die Verbindung JGericht-Familien-/Vormundschaftsgericht scheidet bei Hw., da 4 sie volljährig sind, aus ($ 107). Geltung des § 34 nach Anlage I zum Einigungsvertrag: $ 1, 6 c Buchst, e.

5

$35 Jugendschöffen (1) Die Schöffen der Jugendgerichte (Jugendschöffen) werden auf Vorschlag des Jugendhilfeausschusses für die Dauer von vier Geschäftsjahren von dem in $ 40 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgesehenen Ausschuß gewählt. Dieser soll eine gleiche Anzahl von Männern und Frauen wählen. (2) Der Jugendhilfeausschuß soll ebenso viele Männer wie Frauen und mindestens die doppelte Anzahl von Personen vorschlagen, die als Jugend281

2. Teil. Jugendliche

Schöffen und -hilfsschöffen benötigt werden. Die Vorgeschlagenen sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein. (3) Die Vorschlagsliste des Jugendhilfeausschusses gilt als Vorschlagsliste im Sinne des $ 36 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder erforderlich. Die Vorschlagsliste ist im Jugendamt eine Woche lang zu jedermanns Einsicht aufzulegen. Der Zeitpunkt der Auflegung ist vorher öffentlich bekanntzumachen. (4) Bei der Entscheidung über Einsprüche gegen die Vorschlagsliste des Jugendhilfeausschusses und bei der Wahl der Jugendschöffen und -hilfsschöffen führt der Jugendrichter den Vorsitz in dem Schöffenwahlausschuß. (5) Die Jugendschöffen werden in besondere für Männer und Frauen getrennt zu führende Schöffenlisten aufgenommen. 1. Hw.: $ 107. - 2. [ErwG]: § 104, 2. S c h r i f t t u m : Delitzsch Empfiehlt es sich, den JSchöffen durch einen ehrenamtlich tätigen JFachrichter zu ersetzen? MKrim. 79, 21; DVJJ (Hrsg.) Leitfaden für JSchöffen, 1995; Gerstein Die Aufgabe von JSchöffen im Strafprozeß, ZB1. 97, 47; Grotenbeck Reflexionen zur Funktion des JWohlfahrtsausschusses, Zbl. 8 3 , 6 0 4 ; Haegert Einschaltung der Jugend in JGerichtsbarkeit u. JBehörden, NJW 6 8 , 9 2 7 ; Hauber Ist die Laienbeteiligung im JS trafverfahren noch vertretbar? Zbl. 7 8 , 3 2 9 ; Heinen Auswahl u. Aufgaben der JSchöffen, Zbl. 5 4 , 1 6 3 ; Klausa Zur Typologie der ehrenamtl. Richter, Diss. Berlin 1970; von Schönfeld Leitfaden für JSchöffen, 1977; Schorn Rechtsfragen bei der Berufung von Schöffen u. Geschworenen, DRiZ 6 6 , 1 1 5 ; Ullrich Minderjährige JSchöffen, RdJ 6 9 , 3 0 5 ; Villmer/ter Veen/Walkowiak/Gerken Die Mitwirkung von Laien in der (J)Strafgerichtsbarkeit, in FS Pongratz, 1986 S. 306; Wagner Die Rechtsstellung der JSchöffen, Zbl. 82, 325; Weil/Wilde Der JSchöffe im JStrafverfahren, JWohl 83, 303.

1 Die JSchöffen üben während der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Richter aus ($ 30 I GVG). Sie sollten insbes. dazu beitragen, daß die Verhandlung auch für den Angeklagten verständlich abläuft, und Kenntnisse und Erfahrungen aus ihren Lebensbereichen beisteuern (Gerstein Zbl. 97, 51 f). 2 Für das Amt und die Wahl der JSchöffen gilt grds. das GVG ($$ 30 bis 57,77 GVG). 3 Für die Wahl gelten jedoch einige Besonderheiten, die sich aus dem Gesetz ergeben und keiner Erläuterung bedürfen. Bemerkt sei nur Folgendes: Erzbefähigte und in der JErz. erfahrene Personen (Abs. II S. 2) sind in allen Bevölkerungskreisen zu finden (Eltern, Ausbilder, freie Mitarbeiter der Wohlfahrtsorganisationen usw.). In entsprechender Anwendung des $ 33 Nr. 3 GVG genügt es, wenn die JSchöffen 1 Jahr im Bezirk des JHilfeausschusses und zZ der Aufstellung der Vorschlagsliste (Eisenberg 6) im Bezirk des zu besetzenden AG wohnen. Der JHilfeausschuß ist bei der Wahl nicht weisungsgebunden (kritisch zur Praxis der Wahlen Gerstein Zbl. 97,49). Sind für einen AGBezirk mehrere JÄmter zuständig, gelten die $$ 43 I, 58 II GVG entspr. (Dallinger/Lackner 8). Der BezirksJRichter 282

Jugendstaatsanwalt

führt, falls seine Zuständigkeit nicht beschränkt ist (§ 33,10), in allen Wahlausschüssen seines Bezirkes den Vorsitz (Dallinger/Lackner 16; zAHeinen Zbl. 54,165), da nur er für diesen Bezirk jRichter ist. Bei der Einreichung der Vorschlagsliste (Abs. II) hat der Leiter der zuständigen Verwaltungsbehörde die Art der öffentlichen Bekanntmachung (Abs. III 4), die Tage, in denen die Liste öffentlich aufgelegen hat (Abs. III 3) und die Tatsache der Zweidrittelmehrheit (Abs.ni 2) zu bescheinigen. Es sind 4 JSchöffenlisten zu führen (Abs. V), nämlich die Hauptund Hilfsschöffenlisten, je getrennt für Männer und Frauen; entsprechend erfolgt die Auslosung. Für die Auslosung der JSchöffen für ordentliche und außerordentliche Sitzungen und für die Ersetzung eines weggefallenen Hauptschöffen gelten die §§ 45, 47, 48, 49 GVG mit der Maßgabe, daß diese Vorschriften jeweils nur entweder für die Männer-Haupt-und-Hilfsliste oder für die Frauen-Haupt-undHilfsliste gelten (Abs.V). Wirken nicht ein männlicher und ein weiblicher JSchöffe mit, so begründet dies nicht eine Revision ($ 338 Nr. 1 StPO), weil $ 35 insoweit nur und nicht zwingend die Art der Auslosung regelt ($§ 45,77 GVG; zust. Eisenberg $ 33, 43). Werden aber JSchöffen gewählt, die nicht vom JHilfeausschuß vorgeschlagen wurden, ist die Wahl ungültig. Sie dürfen wie JSchöffen, welche die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen, nicht in der Sitzung mitwirken. Jede Mitwirkung ist ein absoluter Revisionsgrund gem. $ 338 Nr. 1 StPO (BGH 26, 391; die gesetzeswidrige Ernennung ist während des Geschäftsjahres zu ändern, BGH 12, 206). Zur Auslosung zu ordentlichen u. außerordentlichen Sitzungen § 3 3 , 9 a. Der Landgerichtspräsident muß wegen des Zwecks möglichst breitgestreuter Laienbeteiligung die für die JKammern erforderlichen JSchöffen möglichst gleichmäßig aus allen zugehörigen AG-Bezirken nehmen. Geschieht dies nicht, wird im Regelfall nur ein error in procedendo, nicht eine die Revision begründende (objektive) Willkür vorliegen (OLG Celle MDR 80,426). Vgl. insgesamt J 33, 9. Kritisch gegen die Beschränkung auf Deutsche nach § 31 GVG Eisenbarg 11; Ostendorf 3. Zur Wahl u. Heranziehung der Schöffen in den neuen Bundesländern siehe § 1, 4 6 g.

S 36 Jugendstaatsanwalt Für Verfahren, die zur Zuständigkeit der Jugendgerichte gehören, werden Jugendstaatsanwälte bestellt. 1. Hw.: § 107; vgl. $ 36 RL 2 S. 2. - 2. [ErwG]: Rn 5; $ 104, 2. Richtlinie zu $ 36:

Der zuständige Jugendstaatsanwalt soll nach Möglichkeit die Anklage auch in der Hauptverhandlung vertreten, sofern er nicht im vereinfachten Jugendverfahren von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung absieht ($ 78 Abs. 2).

283

$ 36

2. Teil. Jugendliche Übersicht

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Ordnungsvorschrift Spezialreferate Weichenstellung Amtsanwälte Referendare Hauptverhandlung Sachliche und örtliche Zuständigkeit

1. 1

2

3 3a 4 5

Ordnungsvorschrift

Nach BGH (Herlan GA 61,358) ist diese Vorschrift eine bloße Ordnungsvorschrift, deren Verletzung k e i n e F o l g e n hat, da die „Staatsanwaltschaft" vertreten war (S 338 Nr. 5 StPO) u n d kein Anhalt d a f ü r besteht, d a ß die Entscheidung des Gerichts anders ergangen wäre, w e n n ein anderer (nämlich der J-)Staatsanwalt mitgewirkt hätte (§ 337 StPO; BGH aaO; OLG Karlsruhe NStZ 88,241; OLG H a m m JMBl. N R W 94, 23; zweifelnd Eisenberg 13; aA Ostendorf 8). Dies aber bedeutet nicht, d a ß § 36 ganz einfach unbeachtet bleiben kann, n u r weil seine Verletzung die Revision nicht begründet (vgl. Zuberbier DRiZ 88, 336). Zu Bedenken bei Spezialreferaten vgl. R n l a . Zur Kooperation mit der Polizei u. z u r Diversion $ 4 5 , 17 ff. 2.

1a

Rn 1 la

Spezialreferate

Bedenken erweckt allerdings die steigende Zahl von Spezialreferaten bei der StA, denen durch Geschäftsverteilung die Zuständigkeit in Erw.- u n d zugleich in JSachen zugesprochen wird. Das ist zwar vom Spezialgebiet h e r gesehen naheliegend u n d verständlich; es k a n n aber bei weiterer H ä u f u n g $ 3 6 tangiert werden, auch w e n n er n u r als Ordnungs- u n d folgenlose Sollvorschrift angesehen wird. Vgl. Rn 1. Zuberbier (DRiZ 88, 336) fordert, d a ß in Spezialreferaten die j. u n d hw. Beschuldigten von ausgewählten JStAen bearbeitet werden. Es k ö n n t e letztlich der ErzAuftrag des JGG gefährdet werden, was insbes. die freiere Stellung des StA im Rahmen des $ 45 deutlich macht (entschieden gegen Spezialreferate, die den JStA verdrängen, Eisenberg NStZ 94, 67). Vgl. auch Rn 5. Z u m Gerichtsstand bei Spezialreferaten $ 42, 2 aE. Ostendorf 8 bezeichnet die Herabstufung einer Gesetzesb e s t i m m u n g zur Ordnungsvorschrift (mit Grünwald JZ 68,752) als Zauberformel, die nicht wirke. Vgl. auch $ 37, 5 u. zu den Anforderungen § 37, 3. 3.

Weichenstellung

2 Die bes. B e d e u t u n g des StA in j v e r f a h r e n liegt darin, daß er nicht n u r die bes. Persönlichkeitsforschung ($ 43) leiten (BGH 6, 328) und sich dazu häufig persönlich in die Ermittlungen einschalten m u ß (vgl. $§ 43,44), sondern auch entscheid e n d e n E i n f l u ß auf das Verfahren selbst dadurch n i m m t , d a ß er - v o n der

284

Jugendstaatsanwalt Anklagepflicht w e i t h i n befreit - zu entscheiden hat, ob es überhaupt zu einem Hauptverfahren k o m m t ; vgl. § 45, 17 ff.; $ 4 7 , 1 2 u. insbes. das in der Praxis sich ausweitende direkte erz. förderliche Eingreifen des JStA: § 4 5 , 2 1 ff. Bei Anklageerhebung (vgl. auch § 4 1 , 7 u. $ 108,1) gibt er dem Verfahren durch die Wahl der Verfahrensart (Einf. II 24) eine bestimmte Richtung. Weiter hat er bei der Wahl des örtlich zuständigen Gerichts die verfahrenswichtige, zugleich jgemäße Auswahl unter den Möglichkeiten örtlicher Zuständigkeit nach $ 42 (dort Rn 7) zu treffen und bei Hw. die sinnvolle Anwendung der RL z u § 108 (dortige Rn 5) zu verantworten. Diese Entscheidungen erfordern viel Fingerspitzengefühl. Zur Hauptverhandlung R n 4 , 4 a. Zu den Verpflichtungen des JStA bei Strafanzeigen gegen Kinder $ 1, 13. - Durch seinen Überblick über d i e .¡Kriminalität i m g a n z e n LG-Bezirk weiß der JStA a m besten, was not tut; er k a n n durch seine Anträge u n d Anregungen, in entscheidenden Fällen - zurückhaltend ($ 55 RL 1 S. 2) - durch Rechtsmittel die Rechtsprechung bes. weniger erfahrener JRichter an kleinen Gerichten günstig beeinflussen. Er ist, wie im allg. Recht, stets zu hören ( § 3 3 StPO). Dem JStA obliegt es im Falle der UHaft eines J sorgfältig zu prüfen, ob deren Zweck nicht durch andere M a ß n a h m e n auch erreicht werden kann (§ 72, 2; aber auch 2 a). Er h a t bei UHaft f ü r bes. Beschleunigung zu sorgen und ggf. das Verfahren gegen den J abzutrennen (§ 72 RL 1). Bei Verhaftung an einem anderen Ort ordnet er idR unverzüglich Einzeltransport an u n d beantragt zugleich die Übertragung der Aufgaben des bisherigen Haftrichters auf den nach $ 42 I Nr. 1 zuständigen Richter (§ 72 RL 2). Der JStA wird a u c h bei Straftaten eines Hw., die i n das ErwAlter h i n e i n - 2 a reichen, das Ermittlungsverfahren z u s a m m e n f a s s e n d fuhren; dazu ist er bes. auf Grund seiner E r f a h r u n g u n d - hoffentlich - seiner interdisziplinären Weiterbildung zur gebotenen kriminologischen Ganzheitsbetrachtung (vgl. $ 4 3 , 5) besser geeignet als der allg. StA (vgl. R n 5 a ; Bandemer Zbl.89, 319, 322). Durch Verbindung, ggf. Unterlassung von T r e n n u n g , verschafft er d e m JRichter gerade in solchen Fällen die Zuständigkeit u n d Möglichkeit z u r Entscheidung nach § 32 (vgl. $ 32, 6; $ 103, 19). Z u m Ermessen vor $ 102, 2, § 1 0 3 , 1 u. 19 a, $ 32, 4, aber auch folgende Rn 5. Damit werden die in $ 3 2 , 5 und 6 abgehandelten Schwierigkeiten vermieden u n d auch berücksichtigt, d a ß es in JSachen nicht angeht, kleinere Vergehen isd allg. Rechts schlechthin als Bagatellsachen zu behandeln, da sie ein durchaus beachtenswertes Symptom beginnender Kriminalität sein können u n d n u r eine einheitliche Bearbeitung die gebotene erz. Erfahrung gibt u n d sichert. 4.

Amtsanwälte

Die Landesjustizverwaltungen können die Geschälte des JStA i m amtsgerichtli- 3 c h e n Bereich auf Amtsanwälte (Rechtspfleger) übertragen (§§ 1421 Nr. 3, II; 145 n GVG). Das ist zulässig, weil $ 36 sich als bloße Ordnungsvorschrift n u r an die Justizverwaltungen richtet (BVerfG NJW 81, 1033; OLG H a m m RPfl. 61, 182 = Zbl.62, 143; OLG Karlsruhe NStZ 88, 241; Dallinger/Lackner 13; Eisenberg 11; 285

2. Teil. Jugendliche Potrykus NJW 54, 1349; Nothacker S. 257; aA Ostendorf 6). Den Zuständigkeitsbereich der Amtsanwälte (sogar Verbrechen) bestimmt das Landesrecht (OrgStA). Das alles gilt entsprechend auch f ü r örtliche Sitzungsvertreter im Bereich des JRichters (OLG Karlsruhe aaO). Selbst wenn ein Amtsanwalt entgegen der revisionsrechtlich bedeutungslosen OrgStA die Anklage vor dem JSchöffengericht vertritt, begründet dies die Revision weder nach $ 338 Nr. 5 StPO, weil die Anklage ordnungsgemäß vertreten war, noch nach § 337 StPO, weil § 36 nur als bloße Ordnungsvorschrift angesehen wird (BGH GA 61, 358; OLG Karlsruhe NStZ 88,241). Bei den bes. Anforderungen an den JStA bleibt dies aber nach hM bedenklich. 5. 3a

Nach Landesrecht können auch Rechtsreferendare zu Amtsanwälten (das wohl selten, da Ausbildungszeit bei StA zu kurz) und/oder Sitzungsvertretern bestellt werden (vgl. $ 142 III GVG; OLG Düsseldorf JMB1. NRW 65, 103; Eisenberg 14). Wird der Sitzungsdienst in einer Hauptverhandlung vor dem JRichter durch einen Rechtsreferendar wahrgenommen, ist die StA ordnungsgemäß vertreten (OLG H a m m JMB1. NRW 94,23). Selbständiges, alleiniges Auftreten aber kann mangels Erfahrung und wegen des notwendigerweise eingeschränkten Handlungsspielraums, bes. auch wegen nicht ausreichenden Einblicks in die Besonderheiten des JStrafrechts, kaum verantwortet werden (kritisch auch MiddelhofZbl. 87,66 aus der Sicht der JGH). Unter Anleitung und Aufsicht eines durchgehend anwesenden JStA aber kann bei dem regen Interesse gerade junger Juristen ein wertvoller, praxisnaher Beitrag zur Ausbildung geleistet werden. Ostendoif 7 will bei ausreichender Vorbereitung sogar Alleinvertretung zulassen. Zur Bestellung von Referendaren zu Verteidigern $ 68, 2 a, 5. 6.

4

Referendare

Hauptverhandlung

Der zuständige JStaatsanwalt soll nach Möglichkeit die Anklage auch in der Hauptverhandlung vertreten (RL; Ausnahme $ 78 II). Der JStA hat als „Wächter" insbes. in der Hauptverhandlung durch Hinweise, Anregungen und Anträge dafür zu sorgen, daß Sinn und ErzZiel des JGG vor allem auch prozessual gewahrt bleiben (vgl. dazu RL zu $ 5; RL 2 zu § 11; RL 5 zu $ 15; RL 6, 7 zu $ 43; auch $ 43 Rn 5 u. 17; RL 2 z u § 72).

4 a Es ist in jeder Hinsicht ungut, wenn empfohlen wird {Dallinger/Lackner 8; Potrykus B 3), daß der JStaatsanwalt in der Sitzung keine bestimmten Anträge stellt. Zumindest bei der Frage der Auswahl der angemessenen Reaktion oder der Strafbemessung soll der JStA seine Meinung äußern (zust. Eisenberg 5 a), zumal er JKriminalität und Rechtsprechung im LGBezirk besser als das JGericht übersieht; ob dies in Form eines Vorschlages oder eines Antrages geschieht, ist erz. wohl ohne Bedeutung. Bei entsprechend enger und längerer Zusammenarbeit zwischen JRichter und JStA ergeben sich aus der Stellung eines bestimmten Antrags erfahrungsgemäß keine Schwierigkeiten. - Aber auch zur Schuldfrage m u ß sich der 286

Jugendstaatsanwalt

JStA äußern; das ist nicht nur konsequent, sondern wird vom J erwartet. Einen Schlußvortrag muß der StA halten (OLG Zweibrücken StV 86, 51). Es gilt § 4 6 , der die Fassung der Anklageschrift behandelt, entsprechend (zust. Nothacker S. 149), es sollen also nachteilige Wirkungen für den J möglichst vermieden werden. Oft wird es sich empfehlen, ihn direkt anzusprechen. 7.

Sachliche und örtliche Zuständigkeit

Der JStA wird in allen Verfahren tätig, für die das JGericht zuständig ist; er 5 bearbeitet die JSchutzsachen (dazu Anh 5 125, 4 a u. 6 a), wenn Anklage zum JGericht in Betracht kommt (vgl. Wortlaut des $ 36). Der JStA ist auch zuständig für die Verbindung von Strafsachen gegen J (Hw.) m i t solchen gegen Erw., da dem JGericht die Kompetenz-Kompetenz zukommt (dazu Rn 2 a; § 103, 4). Hierbei trifft der JStA eine wichtige Entscheidung, weil einmal Erw. nun bei Verbindung grds. vor JGerichte kommen (§ 103, 3) und diese hierdurch überlastet und ihren eigentlichen Aufgaben entzogen werden können ($ 103, 8; für das Revisionsgericht aber $ 41, 35!); auch weil eine an sich gebotene Trennung nach Eröffnung des Verfahrens vor dem JGericht nur mehr in Ausnahmefällen möglich ist (S 103, 13, 14) und zudem auch noch die JKammer als Berufungsgericht mit Sachen gegen Erw. unnötig belastet wird ($ 41, 36). Der JStA wird im Revisionsverfahren nicht tätig, weil dort keine JGerichte bestehen (zust. Eisenberg 8; aA Ostendorf 2). Bei Straftaten ein und desselben Täters vor und nach d e m 21. Lebensjahr 5 a weist der JStA durch gemeinsame Anklage dieser Sachen oder Antrag auf Verbindung bereits rechtshängiger Sachen dem JRichter das Gesamtverfahren zu und verschafft ihm die notwendige Gesamtschau und die Möglichkeit für eine Entscheidung nach § 32 (näher $ 32, 5, 6 u. Anm. Brunner J R 80, 262). Zum zuständigen StA, wenn ein Erw. die mit seinem Verfahren verbundenen J 5 b (Hw.) vor die Staatsschutz- oder die Wirtschaftsstrafkammer zieht, § 102, 4. Sind nur J (Hw.) wegen Wirtschaftsstraftaten oder Delikten nach S 74 a GVG Beschuldigte, bleibt die Zuständigkeit des JStA unberührt, weil insoweit die Zuständigkeit der JGerichte vorgeht. Zum Strafbefehlsverfahren $ 1 0 9 , 1 2 . Neben den JVerfahren können dem JStA auch noch andere Geschäfte zugewiesen werden (vgl. $ 34, 3). Für die örtliche Zuständigkeit des JStA gilt § 42 (vgl. $ 108,5; § 4 2 , 7 ; § 143 GVG; 6 Dallinger/Lackner $ 42, 1; Grethlein UJ 55, 307). Über die örtliche Zuständigkeit muß also möglichst frühzeitig entschieden werden. Wird im Wege der Abgabe oder bei der Vollstreckung (dazu $ 85, 22) ein anderes Gericht zuständig, ändert sich damit auch die Zuständigkeit des JStA ($ 143 GVG; zust. Eisenberg 9), wodurch Beschleunigung und Vollstreckungsnähe gewährleistet sind. Denn die Zuständigkeit der StA richtet sich nach der jeweiligen Gerichtszuständigkeit (Dallinger/ Lackner $ 42, 1; $ 83, 5; Löwe/Rosenberg/Wendisch $ 13 StPO 10; aA LG Kiel SchlHA 56, 274; Voß SchlHA 67, 139 entgegen hM). Zur Anklageerhebung gegen Hw. RL

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2. Teil. Jugendliche

zu § 108 u. $ 108, 5. Dateien der StA Vor $ 97, 28-31 a; Akteneinsicht u. Auskunftserteilung Vor § 97, 27-27 f, 29. Fehlerhaftes Verhalten des StA stellt den Strafanspruch nicht zur Disposition (näher zu BGH 3 6 , 2 9 4 = J R 90,523 mit zust. Anm. Brunner in $ 103, 8 am Anfang). 7 Zu den n e u e n Bundesländern vgl. $ 1,6 g.

$ 37 Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte Die Richter bei den Jugendgerichten u n d die Jugendstaatsanwälte sollen erzieherisch befähigt und i n der Jugenderziehung erfahren sein. 1. Hw.: $ 107. - 2. [ErwG]: $ 104, 2. Richtlinien z u $ 37: 1. Bei der Besetzung der Jugendgerichte u n d bei der Auswahl der Jugendstaatsanwälte sollte in besonderem Maße auf Eignung und Neigung Rücksicht genommen werden. Die Jugendkammer soll nach Möglichkeit mit erfahrenen früheren Jugend- und Vormundschaftsrichtern besetzt werden. 2. In der Jugendstrafrechtspflege sind besondere Erfahrungen notwendig, die regelmäßig erst im Laufe längerer Zeit erworben werden können. Ein häufiger Wechsel der Richter bei den Jugendgerichten und der Jugendstaatsanwälte muß daher nach Möglichkeit vermieden werden. 3. Für die Tätigkeit der Richter bei den Jugendgerichten und der Jugendstaatsanwälte sind Kenntnisse auf den Gebieten der Pädagogik, der Jugendpsychologie, der Jugendpsychiatrie, der Kriminologie und der Soziologie von besonderem Nutzen. Eine entsprechende Fortbildung sollte ermöglicht werden. 4. Den Richtern bei den Jugendgerichten und den Jugendstaatsanwälten wird empfohlen mit Vereinigungen und Einrichtungen, die der Jugendhilfe dienen, Fühlung zu halten. Schrifttum: Adam/Albrecht/Pfeiffer JRichter u. StAe in der Bundesrepublik Dtschl., 1986; Brunner JRichter, Anspruch u. Möglichkeit, JR 78,499; ders. Weder Memoiren noch JGG-Kommentierung, sondern Ernte aus den Feldern der Praxis, FS Böhm, 1999 S. 791; DVJJ (Hrsg.) Die JKriminalrechtspflege als Personenfrage u. als Aufgabe der Zusammenarbeit, Bericht über den l l . J G T 1959, 1962; Eilsberger Die Hauptverhandlung aus der Sicht j . u . hw. Angeklagter, MKrim. 69, 304; Grotenbeck Überlegungen zu gemeinsamen Fortbildungsmaßnahmen für JRichter u. JGerichtshelfer, Zbl. 77, 252; Hauber Das Bild vom JRichter in der Entwicklung des JKriminalrechts, Zbl. 77, 315; ders. Spezialisierung als Legitimation jrichterlichen Handelns, Zbl. 77,372; Hauser Der JRichter - Idee u. Wirklichkeit, MKrim. 80,1; Helimer Zur Frage der Vor- u. Ausbildung der JRichter, RdJ 55, 366; Hermann/Wild Die Bedeutung der Tat bei .¡richterlicher Rechtsfolgenbestimmung, MKrim. 89, 13; Hupfeld Zur Bedeutung des ErzGedankens u. des richterlichen Spezialisierungsgrades in der JStrafrechtspraxis, DVJJ-J 93, 11; ders. JRichter u. ihre Handlungsmöglichkeiten, DVJJ-J 93, 146; ders. Richter- u. gerichtsbezogene Sanktionsdisparitäten in der deutschen JStrafrechtspraxis, MKrim. 99,342; Krauß Die strafrechtliche Problematik kriminologischer Ziele u. Methoden 1972; Kreuzer Aus- u. Fortbildung von JRichtern u. JStAe, ZRP 87,235; Lignitz Die Ausbildung des französischen JRichters im Centre de Vaucresson, 1976; Ludwig-Mayerhofer/Rzepka Diversion u. Täterorientierung im JStrafrecht, MKrim 98, 17; Melder Pädagogische Aspekte im JStrafrecht, Diss. Frankfurt 1969; Müller Aufgabe, Persönlichkeit u. Stellung des JRichters, RdJ 1955; Pommerening Päd-

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Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte

$37

agogisch relevante Dimensionen des Selbstbildes von JRichtern, 1982; dies. Das Selbstbild der deutschen JRichter, MKrim. 82, 193; Potrykus Der JRichter u. die Anforderungen an seine Vorbildung, RdJ SS, 361; Sach JRichterausbildung, RdJ 69, 298; Schaffstein Zur Situation des JRichters NStZ 81, 286; Schob Realität der u. Erwartungen an die JGerichtsbarkeit in Deutschland, DVJJ-J 99, 232; Schropp Zur Kommunikation am JGericht, Zbl. 86, 340; Stettner Um ein echtes JGericht, RdJ 54,297; Vaupel Zum Selbstverständnis jrichterlicher Tätigkeit, UJ 80,391; Vins Die Begegnung des Jugendlichen mit seinem Richter, UJ 53,437; Weil/Wild Der JRichter im JStrafverfahren, Zbl. 83, 497. Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 1.

Freiheit und Grenzen Zu den Eigenschaften des Jugendrichters Die Rechtsfolgenbestimmung Aus- und Fortbildung Nur Ordnungsvorschrift Auswahl, Studium, Vorbereitungsdienst Geburtenschwache Jahrgänge

Rn 1 3 3a 4 5 8 13

Freiheit u n d Grenzen

Der JRichter h a t von allen Spruchrichtern wohl den größten Spielraum in der 1 Auswahl der zu ergreifenden M a ß n a h m e n (Einf. II 22) u n d in der Gestaltung des Verfahrens (Einf. II 24, 25). So kann jeder Täter in der ihm gemäßen Art angesprochen werden. Mit der Größe des Spielraums wächst aber auch die Gefahr, daneben z u greifen. Die Verantwortung des JRichters wird noch dadurch erhöht, d a ß er mit Hilfe der JGH (ggf. $ 43) u n d in der Kürze der Hauptverhandlung versuchen m u ß , die Persönlichkeit des Täters zu erkennen, u m mit gezieltem Rechtsfolgenausspruch im Rahmen seines ErzAuftrags die weitere Erz. des J bei D u r c h f ü h r u n g der M a ß n a h m e n nicht zu gefährden, sondern zu fördern. Er m u ß bedenken, daß seine M a ß n a h m e n einen noch weithin prägbaren Täter treffen u n d damit - oft entscheidenden - Einfluß auf dessen weiteres Leben nehmen (vgl. BGH 8, 354; 9, 402). - Gleiches gilt f ü r den JStA (§ 36, 2); vgl. insbes. $ 45, 17. Karl Almenröder h a t auf dem l . J G T 1909 in Berlin gesagt: „Wir fühlen uns am 2 meisten in den Lücken des Gesetzes wohl u n d richten uns dort zugunsten unserer J ein." Wenn, diesem f r ü h e n Wort grds. zustimmend, gleichwohl sehr ernst auf die Grenzen hingewiesen wird, so richtet sich das nicht gegen die d e m JRichter eröffneten Beurteilungs- u n d Handlungsfreiräume (vgl. Walter Beiträge zur Erz., 1989 S. 69) aus denen die sog. „Reform durch die Praxis" erwachsen ist (dazu § 45,5). Gerade die Praxis ist ein BewFeld f ü r behutsame Rechtsfortbildung. Kerner (in Feltes, Hrsg., Kriminologie u. Praxisforschung, 1988, S. 21) h a t treffend darauf hingewiesen, d a ß „zahlreiche Innovationen im Bereich des Strafvollzugs in langem, hartnäckigem Kampf von engagierten Praktikern entwickelt worden (sind), bevor sie die Weihe der theoretischen Beachtung durch die Wissenschaft gefunden haben".

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$37

2. Teil. Jugendliche

2 a Wenn Eisenberg (5) vom JRichter eine gewisse Fähigkeit zu „normativer Distanz" fordert, „welche (allerdings) auf dem Hintergrund sonstiger Prinzipien strafverfolgender und richterlicher Tätigkeit... als erwartungswidrig und abweichend beurteilt und innerbehördlich entsprechend sanktioniert werden bzw. sich negativ auf die berufliche Wertschätzung auswirken" mag, so ist dies durch den Hinweis auf „Ausfüllung nicht abschließend geregelter Rechtsfolgeninhalte" und durch ausdrücklichen Abstand von dem Beispiel $17, 8 a hinnehmbar. Wie Rn 2 betont, soll der JRichter wohl engagiert die vielseitigen, einem beliebten Schlagwort gemäß auch die „noch nicht ausgereizten" Möglichkeiten des JGG ausschöpfen, er darf sich aber der Grenze nicht nähern, welche den dem Gesetz verpflichteten StA und Richter von dem „Sozialingenieur" unüberbrückbar trennt. JGerichtsbarkeit ist eben nicht bloße Sozialarbeit (Schaffstein/Beulke S. 179). Zu Recht weist Miehe (ZStW 85, 566) auf die kritische Problematik hin, wenn an Stelle methodisch-exakter Auslegung eine eher politisch-soziologische Berücksichtigung der Rechtslage tritt, und Schaffstein warnt (ZStW 86, 119) vor übergesetzlichem Wildwuchs, der in zunehmendem Maße die Grenzen des noch allenfalls Vertretbaren erreicht oder schon überschritten hat (vgl. Einf. II 21 aE). Dies ist sehr ernst zu nehmen. 2 b Die kriminalpolitischen Debatten strahlen unbestreitbar auf die Normanwendung aus (Walter/Pieplow Anm. NStZ 89, 577). Es kann aber jeder Einzelfall und der jeweilige kriminologische Erkenntnisstand nur im weitgesteckten Rahmen der vom Gesetz zur Verfügung gestellten Sanktionen berücksichtigt werden. Die Ebenen des geltenden anzuwendenden Rechts und die kriminologischrechtspolitisch begründeten Ebenen zu vermengen (Walter/Pieplow aaO S. 576), dient dem Rechtsschutzinteresse der J nicht, es darf nicht einfach auf rechtspolitische Forderungen durchgegriffen werden (Walter/Pieplow aaO). Es ist dem Richter auch versagt, seine Urteilsgründe mit rechtspolitischen Forderungen für eine künftige Ausgestaltung des JStrafrechts „anzureichern". Der BGH (NStZ 89, 1491) mußte darauf hinweisen, daß solche Darlegungen nicht ins Urteil gehören und das Revisionsgericht besorgen lassen können, der JRichter wolle gar nicht geltendes Recht anwenden. Vgl. auch BGH 28, 327 in § 17, 8 a. Der BGH (32, 357 = NStZ 86,27 mit zust. Anm. Fezer) hat anläßlich eines Extremfalles (Verurteilung eines JStA wegen Rechtsbeugung; Fallschilderung 8. Aufl. $ 37, 2 a) im Urteil ausgeführt, der JRichter und JStA, der sein Handeln als Organ des Staates an seinen eigenen Maßstäben anstelle der vom Gesetzgeber statuierten ausrichte, könne sich nicht darauf berufen, er habe den Geist des JStrafrechts nicht verletzen und das erz. Richtige tun wollen. Selbst wenn ein von vornherein gegebener Vorsatz, als Amtsträger bei Leitung einer Rechtssache zu handeln, nicht feststellbar sein sollte, könne schon allein die Einstellung des Verfahrens strafbare Rechtsbeugung sein, denn es genüge auch, zugunsten der J oder Hw. den Anspruch des Staates auf eine dem JGG entsprechende Rechtsfolge zu verletzen. Der BGH hat aber auch ausdrücklich hervorgehoben - und damit das Subsidiaritätsprinzip des JStrafrechts bewahrt-, daß ein „Amtsträger" im JStrafrechtauch dann 290

Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte „gerecht" sein kann, „wenn er aus sachbezogenen Erwägungen mit der Intention zur Gerechtigkeit auf letzte Konsequenz dieses Straf-(Rechtsfolgen-)anspruches nicht besteht" (vgl. § 45, 1 ff). Denn $ 336 StGB wolle den Rechtsbruch erfassen, nicht aber beim Entscheidungsträger ein Gefühl der Rechtsunsicherheit erzeugen. 2.

Zu d e n E i g e n s c h a f t e n des Jugendrichters

N u r die besten Richter u n d StAe werden diesen Anforderungen gewachsen sein 3 (Dallinger/Lackner 3; WeinkaujfDRiZ 51, 85; vgl. RL 1-3). Der Versuch einen „besten" JRichter oder JStA zu beschreiben, ist ebenso oft u n t e r n o m m e n worden, wie das Ergebnis aus mannigfachen Gründen abgelehnt worden ist. Will man die vielfältigen A n f o r d e r u n g e n an d e n Jugendrichter u n t e r Anlegung eines groben Rasters b e w u ß t überspitzt u n d plakativ formulieren, so ergibt sich Folgendes (s. Brunner FS Böhm, 1999 S. 791): Er soll erfahren sein, ohne Erfahrungen erst sammeln zu können; sich eine wertende Gesamtschau der weitgestreuten einschlägigen Forschung verschaffen, aber auch der fordernden Praxis des Richteralltags gerecht werden; sich nicht zu erziehungsschädlichen, psychologisierenden Husarenritten in die Pädagogik verleiten lassen, aber auch nicht in eingefahrener Routine erstarren; weder in sozialer Romantik schwelgen, noch in tatbezogenes Taxendenken verfallen; bereit zu Milde, aber auch entschlossen zu notwendigem Zugriff sein; in der Hauptverhandlung die Sprachbarriere überwinden, sich aber nicht k u m p e l h a f t anbiedern; auf den Jugendlichen eingehen, aber nicht den allezeit Verständigen vortäuschen, der am Ende doch die Zuchtrute hervorholt; sich Zeit nehmen, die er k a u m hat; dem Fortschritt aufgeschlossen, aber kein ideologischer Eiferer sein; Ausgeglichenheit, die nicht persönliche Probleme ins Spiel bringt; eine Haltung, die j u n g e Menschen anspricht; Zurückhaltung und Bescheidenheit, die den JRichter u n d JStaatsanwalt manches Scheitern seiner Bemühungen lehrt; Weiterbildung u n d Fortbildung mit dem überlasteten Schreibtisch im Hintergrund. Das alles mag m a n als leicht dahingesagte, poetisch a n m u t e n d e Leerformeln a b t u n oder aber auch als Annäherungen erkennen, die versuchen, das zu sagen, was m a n gewiß nicht allg. fordern, aber doch wohl wünschen kann. Bescheidenheit also auch insoweit. Die Auswahl ist f ü r das JRecht von entscheidender Bedeutung (Dallinger/Lackner 1; BGH 9,402). Die M e i n u n g des BGH (8,354), d a ß diese Gedanken Gemeingut seien, findet n u n in der Praxis eine gewisse Bestätigung. Nach Adam ua (1986 S. 32) sind 43% der befragten JRichter u n d 31% der JStAe auf G r u n d eigener B e m ü h u n g in das JReferat gekommen. Bohnert (JZ 83, 522) meint, das „duale System" zwinge, zwischen ErzMaßnahmen u n d Strafe zu wählen; es gebe damit aber dem selbstherrlichen Richter keine Schranke, dem ängstlichen keine Stütze u n d d e m sorgfältigen kein festes Maß. Das umschreibt neben anderem Verantwortung u n d Last des JRichters.

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$ 37 3.

2. Teil. Jugendliche Die Rechtsfolgenbestimmung

3 a Bei der schwierigen und entscheidenden Frage der Rechtsfolgenbestimmung, die durch die subjektiven Entscheidungen der Diagnose und Prognose gefährdet ist, sind dem JRichter Extrempositionen keine Hilfe. Er m u ß den Weg zwischen dem Vorrang der Erziehung und den übrigen, auch im JStrafrecht geltenden Strafzwecken (S 18, 7 u. 8) finden und versuchen, gerade dem J, der vor ihm steht, gerecht zu werden. Hermann/Wild (MKrim. 89,13) kamen bei ihren Untersuchungen zum Ergebnis, die Praxis der jrichterlichen Rechtsfolgenbestimmung habe starke tatstrafrechtliche Züge getragen, und stellen verschiedene Erklärungsversuche zur Wahl. Nach der Untersuchung von Ludwig-Mayerhofer/Rzepka (MKrim. 98, 17) steigt mit der Stärke sozialbiographischer Anfälligkeiten des J die Härte der jrichterlichen Sanktionen; auch nach dieser Untersuchung haben aber Merkmale der Tatschwere den größten Einfluß auf die Sanktionsentscheidung. Vgl. auch Ludwig-Mayerhofer Das Strafrecht u. seine administrative Rationalisierung, 1998 S. 248, nach dem die Sanktionsentscheidungen weitgehend einem Routineprogramm folgen. Pommering (1982 S. 38, 75, 231) bezweifelt das Ergebnis ihrer Befragung von 142 JRichtern, wonach diese sich nicht vorwiegend strafrechtlich orientieren, und beruft sich dazu auf Hauser MKrim. 80,1. Nach der Untersuchung von Hupfeld (MKrim. 99, 342) bestehen in der jstrafrechtlichen Sanktionspraxis gerichts- und richterbezogene Unterschiede. 3 b Breymann (DVJJ Rundbrief März 1990 S. 8) stellt ein „neugeordnetes Gesamtkonzept der JStrafrechtspflege" vor. Danach hätten der JRichter und der JStaatsanwalt das Amt des Wächters des Rechtsstaates inne, während die JGH die pädagogische Kompetenz vertrete. Zwar bleibe der JGHelfer der Entscheidungsgewalt des Richters nachgeordnet, er sei aber gleichzeitig Partner im Entscheidungsprozeß und JRichter und JStaatsanwalt seien darauf angewiesen, Übereinstimmung zu erzielen. Die nach Breymann mit diesem „Gleichgewicht zwischen Erz. und Strafe" verbundenen Risiken und die „gegenseitige Blockade im Extremfall" sind unschwer vorstellbar. Mehr noch: Das geltende JGG und das Grundgesetz (Art. 92 S. 1) lassen ein solches Konzept schlechthin nicht zu, was mit der unentbehrlichen Hilfe durch die JGH nichts zu tun hat (vgl. § 38, 1). 3 c Zur Befürchtung zu „erhöhter Anpassung iS behördeninterner Handlungsnormen" Rn 8 aE. Zu hoffentlich abstrusen Warnungen, den J nicht der Statistik wegen zu benachteiligen $ 3 1 , 2 1 aE. Zu den Folgerungen aus einem Rückgang des Bevölkerungsanteils junger Menschen Rn 13, auch § 68, 14. 4.

Aus- u n d Fortbildung

4 Daneben müssen JStAe und JRichter mit der JArbeit verbunden bleiben (RL 4) und ständig an ihrer Fortbildung arbeiten und sich über jkriminologische Erkenntnisse und Forschungen (Einf. I) unterrichten (dazu auch Rn3). Die Justizverwaltung soll durch Kurse, Tagungen - auch mit interdisziplinärer Beteiligung - und Büchereimittel ihrerseits die Gelegenheit zur Fortbildung geben (näher: Rn 12 u. 292

Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte

RL 3 S. 2), wie sie auch durch entsprechende Pensenberechnung nicht nur die Fortbildung, sondern auch eine unbürokratische, menschlich aufgeschlossene Behandlung der „kleinen Fälle" (vgl. dazu § 36, 3) ermöglichen soll. Aber: „Menschenkenntnis ist kein Lehrfach" (Vins UJ 53,439). Middendotff (Kriminelle Jugend in Europa, 1953 S. 93) bezeichnet die JRichterstellen als „Aschenputtelstellen der Justiz für weniger Tüchtige oder ganz junge Beamte, die zudem häufig wechseln" (dazu: Rn 8). Hier hat sich einiges gebessert, dies Wort sei aber den Präsidien der Gerichte warnend ins Gedächtnis gerufen. Das alles gilt auch für die Mitglieder der JKammer (RL 1 S. 2; näher Rn 12). 5.

Nur Ordnungsvorschrift

$ 37 ist jedoch trotz seiner großen Bedeutung bloße Ordnungsvorschrift (dazu 5 auch Rn 11); seine Verletzung begründet die Revision nicht (BGH MDR 58,356); gleichwohl wird in dieser Entscheidung aber betont, daß ein Verstoß gegen $ 37 die Rüge begründen könne, das Gericht hätte mangels ausreichender eigener Erfahrung einen Sachverständigen auf dem Gebiet der JErziehung beiziehen müssen (Aufklärungsriige; dazu Anm. Brunner JR 78, 175 zu BGH 27, 250). Vgl. 5 36,1 u. 1 a. Gleichwohl darf § 3 7 nicht einfach unbeachtet bleiben, nur weil seine Verletzung eine Revision nicht begründet (vgl. Zuberbier DRiZ 88, 336). Wenn die neuen RL in RL 1 formulieren, auf Eignung und Neigung „sollte" 5 a Rücksicht genommen werden (RL 1 alt: „ist... zu nehmen") und in RL 3 S. 2, eine entsprechende Fortbildung „sollte" ermöglicht werden, so sind diese zurückhaltenden Anweisungen wohl von Sachzwängen diktiert, werden aber allbekannten Gesetzesanliegen nur sehr unvollkommen gerecht und reichen gewiß nicht aus, um den Gesetzeszweck zu gewährleisten. Immerhin ist in den Text der Richtlinien nun erstmals aufgenommen worden, daß eine entsprechende Fortbildung ermöglicht werden soll. Aber auch anspruchsvolle Forderungen stoßen ins Leere, wenn nicht allseits Einsicht und guter Wille helfen. Zur Verbindung des Amtes des JRichters und JStA mit anderen Referaten $ 34,3 u. 6 § 36, 5. Zum Sachverständigengutachten $ 4 3 , 1 5 - 1 5 b. JSchöffen $ 35; JStrafvollzugsbeamte $ 91IV; Verteidiger $ 68; 2; JAmt § 72 SGB 7 VIII. 6.

Auswahl, Studium, Vorbereitungsdienst

Das gezielt böse Wort Middendorffs (Rn4) trifft heute die Praxis - Ausnahmen 8 mögen die Regel bestätigen - nicht mehr. Dabei wird nicht übersehen, daß gleichwohl die Auswahlkriterien in der Justizpraxis uneinheitlich und keinesfalls immer genügend sind (vgl. Hauber Zbl. 77, 372; Schaffstein/Beulke S. 183; Vaupel UJ 80,391). Vgl. dazu Rn 9. Die meisten JRichter erkennen und tragen die bes. Last ihrer Aufgabe, und viele widmen ihr unter persönlichen Opfern ein ernstes Engagement, das nicht immer gesehen wird. Zu den Grenzen des Engagements 293

2. Teil. Jugendliche Rn 2 u. 2 a. Die Befürchtung Eisenbergs 11 zu „erhöhter Anpassung iS behördeninterner Handlungsnormen" einzelner „besorgter" JRichter und JStaatsanwälte vermag auch mit einem ganzen Berufsleben Praxiserfahrung des Co-Autors Brunner als Richter und StA in verschiedenen Ämtern und auch als Behördenleiter einer großen StA nicht verifiziert zu werden. 9 Es sollten aber in Studium (nur Wahlfachgruppe) und Vorbereitungsdienst Ausgangspunkt, Möglichkeiten und ErzZiel des JGG und die bes. Kenntnisse aus übergreifenden Wissensgebieten (RL 3) breiter vermittelt werden, um den angehenden Richter und Staatsanwalt „Eignung" selbst erkennen zu lassen und Ansatzpunkte zu schaffen, sie zu messen. Vgl. $ 36, 3 a aE; auch Kreuzer ZRP 87, 236. 10 Ein mancherseits geforderter bes. Befähigungsnachweis für das JRichteramt steht allerdings in einem Spannungsverhältnis zu unserer Gerichtsverfassung, nach welcher der Richter - trotz notwendiger Spezialisierung im einzelnen innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Befähigung zu jedem Richteramt haben muß (ebenso Dallinger/Lackner 8 mwN; Schaffstein/Beulke S. 183; aA Hauber Zbl. 77, 327; unbestimmt Eisenberg 8). Zudem bliebe die Frage, ob eine bindende persönliche Festlegung dem Jugendrichteramt stets dienlicher wäre als eine gelegentliche Blutauffrischung. Forderungen an jrichterliche Erfahrung streben an, daß einem Richter auf Probe im Bereich der JGerichtsbarkeit nur die Kammer als gezielte Vorbereitung auf eine spätere Aufgabe als JRichter offenstehen soll (vgl. Rn 12 aE zur JKammer). Zur .¡richterlichen Fortbildung der Sanktionen, auch zu unkontrollierten Wucherungen Rn2 u. Einf.II 21; $ 45, 5 ff. 11 Wird auch der Wortlaut des $ 37 als „unverbindlich und nichtssagend" kritisiert (zB Peters Strafprozeß, 4. Aufl. 1985 S. 594), so ist es fraglich, ob es überhaupt möglich ist, die Anforderungen an den JRichter gesetzlich zu fixieren und darüber hinaus, ob dies zu wünschen und letztlich hilfreich wäre (dazu Rn3; aA Hauber Zbl. 77, 377). Dazu auch Rn 5 a, bes. aE. 12 JRichter möglichst lange in einem Referat zu belassen (RL 2 S. 2) empfiehlt sich wegen der zu fordernden und notwendigen „Investitionen" sogar fiskalischem Denken. Frankreich unterhält in Vaucresson ein eigenes Institut für Ausbildung und Fortbildung der JRichter. Dies scheint allerdings auch dort die Probleme nur wenig zu verringern (Lignitz 1976; Schaffstein/Beulke S. 183). Bedürfte ein solcher Versuch also noch näherer Überprüfung, so könnte doch sofort mehr für die JRichter getan werden. Da es nicht dem Zufall oder der überdurchschnittlichen Eigeninitiative einzelner Richter überlassen bleiben sollte, ob und wann neue Einsichten oder Methoden in die Praxis Eingang finden (Kreckl in DVJJ, Hrsg., Möglichkeiten u. Methoden der Behandlung in der JKriminalrechtspflege, Bericht über den 15.JGT 1971, 1972 S.61), sollten ländereinheitlich Möglichkeiten für eine qualifizierte kontinuierliche Fortbildung der JRichter verstärkt geschaffen werden. Diese sollten den JRichtern eine wertende Gesamtschau der weitverstreuten einschlägigen Forschung ermöglichen und ihnen - möglichst interdisziplinär - Gelegenheit geben, sich mit der „strafrichterlichen Problematik krimi294

Jugendgerichtshilfe

nologischer Ziele und Methoden" (Krauß S.96) auseinanderzusetzen. Wissenschaftliche Vertreter einschlägiger Wissensgebiete sollten häufiger als zZ ihre Forschungsergebnisse vortragen und den Widerhall der Praxis erleben; manche beiderseitigen Mißverständnisse könnten zum Wohle der Sache ausgeräumt werden (vgl. Rn 5 a u. RL 3). Zur Aus- u. Fortbildung eingehend Kreuzer (ZRP 87,237), der eher Verwertung von Aktenmaterial und nicht Lehrbuchkriminalität, eben die Wirklichkeit des Lebens in Lehrveranstaltungen fordert. Bei sonst guter Besetzung kann die JKammer (dazu auch RL 1 S. 2) durchaus einen Jungen" Richter verkraften und so zu einer beachtlichen Ausbildungsstätte werden (zust. Ostendorf 3). Revisionsgerichte sind zwar keine JGerichte im Wortsinne, doch sollten auch hier Richter mit spezieller Erfahrung mitwirken, weil etwa die Aufklärungsrüge im JRecht eine eigenständige Dimension gewinnt, insbes. aber, weil Revisionsgerichte Leitlinien geben. Zur Verpflichtung, Robe zu tragen $ 78, 18; zur JGerichtsverhandlung Einf. I 53; Akteneinsicht, Auskunftserteilung u. Datenschutz Vor $ 97, 27 ff. 7.

Geburtenschwache Jahrgänge

Die Diskussion über die Auswirkungen geburtenschwacher Jahrgänge auf die 13 JStrafrechtspflege ist angesichts wieder gestiegener Fallzahlen zur Zeit verstummt. Ein Rückgang des Bevölkerungsanteils junger Menschen würde eine Chance für die Entzerrung der durchwegs zu stark belasteten JReferate bei StA und Gericht eröffnen, kann ruhigere und intensivere Beschäftigung mit dem „Einzelfall" ermöglichen und auch der Fortbildung zugute kommen. Man sollte also nicht (zum Teil unter Hinweis auf einen gewiß nicht vergleichbaren, gelenkten Polizeieinsatz) von einem derart negativen Bild des JStA und des JRichters ausgehen, daß man befürchtet, eine Verringerung der Arbeitslast werde sie leidenschaftlich und rigoros J und Hw. verfolgen lassen, um ihre bedrohte Existenzberechtigung nachzuweisen. Eher noch wäre angesichts der Gesamtbelastung der Justiz zu gewärtigen, daß dies als Anlaß zu entsprechender Verkleinerung der JReferate und JAbteilungen geben könnte. Die im Hinblick auf die demographischen Veränderungen so anschauliche Warnung vor dem „Sog der leeren Zellen" scheint einem ähnlichen Richterbild zu entspringen. Vgl. auch Einf. 111; $ 45,6 u. § 68, 14. Zu den neuen Bundesländern vgl. § 1, 6 g.

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$ 38 Jugendgerichtshilfe (1) Die Jugendgerichtshilfe wird von den Jugendämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugendhilfe ausgeübt. (2) Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugend-

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2. Teil. Jugendliche

gerichten zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Beschuldigten und äußern sich zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind. In Haftsachen berichten sie beschleunigt über das Ergebnis ihrer Nachforschungen. In die Hauptverhandlung soll der Vertreter der Jugendgerichtshilfe entsandt werden, der die Nachforschungen angestellt hat. Soweit nicht ein Bewährungshelfer dazu berufen ist, wachen sie darüber, daß der Jugendliche Weisungen und Auflagen nachkommt. Erhebliche Zuwiderhandlungen teilen sie dem Richter mit. Im Fall der Unterstellung nach S 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 üben sie die Betreuung und Aufsicht aus, wenn der Richter nicht eine andere Person damit betraut. Während der Bewährungszeit arbeiten sie eng mit dem Bewährungshelfer zusammen. Während des Vollzugs bleiben sie mit dem Jugendlichen in Verbindung und nehmen sich seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an. (3) Im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen ist die Jugendgerichtshilfe heranzuziehen. Dies soll so früh wie möglich geschehen. Vor der Erteilung von Weisungen ($ 10) sind die Vertreter der Jugendgerichtshilfe stets zu hören; kommt eine Betreuungsweisung in Betracht, sollen sie sich auch dazu äußern, wer als Betreuungshelfer bestellt werden soll. 1. Hw.: Rn 17, 19; § 107. - 2.ErwG: $ 104 I Nr. 2, III; § 104, 5. - 3. Sold. Rn 17. Richtlinien zu 5 38: 1. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht wirken darauf hin, daß der Bericht, in dem die Jugendgerichtshilfe ihre Erhebungen niederlegt, unter Verzicht auf Ausführungen zur Schuldfrage ein Bild von der Persönlichkeit, der Entwicklung u n d der Umwelt der beschuldigten Person ergibt. Der Bericht soll angeben, auf welchen Informationen er beruht. Werden im Bericht nicht alle vorliegenden Informationen verarbeitet, so soll dies zum Ausdruck gebracht werden. Es ist anzugeben, ob Leistungen der Jugendhilfe in Betracht kommen ($ 52 Abs. 2 SGB VIII). 2. Berichte der Jugendgerichtshilfe sind von der Akteneinsicht nach Nr. 185 Abs. 3 und 4 RiStBV grundsätzlich auszuschließen. Schrifttum: ArbeitsgruppeJGH in derDVJJ JGH - Standort u. Wandel, Zbl. 90,554; Arbeitsstelle Kinder- u. JKriminalitätsprävention (Hrsg.) Schnelle Reaktion, 2001; BAG JGH in der DVJJ, Standards für den Fachdienst JGH, 2. Aufl. 2001; Becker JGH als Institution sozialer Kontrolle, KrimJ 80,108; Bex Beschlagnahme von Akten der JGerichts- u. JHilfe, DVJJ-J 00,409; Bottke Das JAmt als ermittelnde JGerichtshilfe - ein Unding? Zbl. 80,12; Brachold Der Beitrag der JGH zur strafprozessualen Sachvorbehaltsermittlung u. -bewertung, 1999; Breymann JGH „90" Neuorientierung, DVJJ Rundbrief März 1990, 8; Brunner Spezialisierte JGH? Ein Beitrag aus richterlicher Sicht, Zbl. 72, 321; ders. JRichter u. JGHelfer nach 20 Jahren JGG, Zbl. 73, 53; ders. Die Eltern des volljährigen Hw. im Gerichtsverfahren, insbes. bei der Persönlichkeitserforschung durch den JGHelfer im Bereich der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB), Zbl. 77, 366; ders. Justiz u. JGH in Praxis u. Wissenschaft - Partner oder zerstrittene Geschwister, in Stadt Essen - JAmt (Hrsg.) Dokumentation des Fachforums JGH 2001; Bucher Ist das JGG in bezug auf die JGH reformbedürftig? Zbl. 87,104; ders. JGH im Dilemma, Zbl. 87, 331; Bukowski Mehrfachtäter können identifiziert werden - Neue Möglichkeiten für die JGHStatistik, BewH Ol, 399; BMJ (Hrsg.) JGH - Qjio vadis? 1991; Busch Zusammenarbeit JGH u.

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Jugendgerichtshilfe Justiz, Zbl. 85, 393; Dötting Datenschutz u. JGH-Bericht, BewH 93, 128; ders. JGH im reformierten JStrafverfahren, in DVJJ (Hrsg.) J im sozialen Rechtsstaat, 1996 S.417; Dokumentationen der Bundeskongresse JGH, DVJJ-J 9 1 , 3 2 7 ; 9 5 , 7 ; 9 7 , 2 2 4 ; 0 0 , 2 1 3 ; Dyck Erfahrungen mit der Spezialisierung der JGH, Zbl. 7 5 , 4 2 5 ; Eisenberg Beschlagnahme von Akten der JGH durch das JGericht, NStZ 86, 308; Emig „JHilfc im Strafverfahren": „Neuer Wein in alten Schläuchen?" DVJJ-J Ol, 51; Füllkrug Der JGHclfer als Zeuge vor Gericht, BewH 88, 249; Grotenbeck Überlegungen zu gemeinsamen Fortbildungsmaßnahmen f. JRichter u. JGHelfer, Zbl. 7 7 , 2 5 2 ; ders. Unterliegen Bericht u. Ahndungsvorschlag der JGH einer verwaltungsgerichtl. Nachprüfung? Zbl. 81, 302; Hauber Der JGerichtshelfer als „Sozialanwalt" des j . Straftäters, Zbl. 8 0 , 5 0 9 ; ders. Der Kompetenzstreit zwischen Psychiater u. Psychologen im JStrafverfahren, Zbl. 8 2 , 1 5 7 ; H eck/Quirin Praxis nachgehender Betreuung in der JGH, Zbl. 8 9 , 4 1 4 ; Hemz JGH in den 90er Jahren, BewH 88, 261; Heinz/Hügel Der Einfluß der JGH auf Sanktionsentscheidungen, BewH 88, 319; Hellmer Der JGHelfer im Spannungsfeld seiner Funktionen, RdJ 67, 309; Hügel Es gehtauch ohne JGH, BewH 88, 308; Jens Handbuch für die JGH, 1968; John Was nützt das Rollenkonzept für die Reform der JGH? Zbl. 8 2 , 1 0 ; Riehl Zum pragmatischen Vordergrund u. den konzeptionellen Hintergründen von Problemen mit der örtlichen Zuständigkeit der JGH, DVJJ-J 9 7 , 3 9 ; Klier/Brehmer/Zinke JHilfe in Strafverfahren - JGH, 1995; v. Kullvtitz Berufsbild u. Tätigkeitsmerkmal des JGHelfers, Zbl. 7 5 , 4 2 1 ; Kunkel Der Datenschutz in der JHilfe nach der Änderung des SGB, Z B 1 . 9 5 , 3 5 4 ; Laubenthal JGH im Strafverfahren, 1993; Lindemann Fürsorge für Strafentlassene J, JWohl 6 3 , 4 0 6 ; ders. Nachgehende Fürsorge der JGH, Kriminalistik 6 5 , 3 8 ; Lux Die Schuldfrage als Brücke zur Persönlichkeitserforschung u. Vorschlag zum Strafmaß als Problem der JGH, Zbl. 78, 340; dies. Computer ante portas - JGH, was nun? Zbl. 89, 414; dies. JGH-Statistik, 1993; Matenaer Die Beteiligung der JGH bei der Unterbringung von J u. Hw. in UHaft, Zbl. 8 3 , 2 1 ; MombergDie Ermittlungstätigkeit der JGH u. ihr Einfluß auf die Entsch. des JRichters, Diss. Göttingen 1982; ders. Der Einfluß der JGH auf die Entsch. des JRichters, MKrim. 82, 65; Müller-Dietz JGerichtsbarkeit u. Sozialarbeit, MKrim. 75, 1; Neuland/Berg Wie sieht der j . Strafgefangene das JAmt? RdJ 64, 97; Nicolas JGH als JHilfe für straffällige J u. junge Volljährige, Zbl. 94, 159; Pfeiffer JGH als Brücke zwischen JHilfe u. JGerichtsbarkeit, Zbl. 8 0 , 4 0 3 ; Philipp Betreuung durch die JGH, Zbl. 7 7 , 3 9 3 ; Schaffstein Aufgabe u. verfahrensrechtl. Stellung der JGH, FS Dünnebier 1982 S. 661; Schenker Die Zusammenarbeit JGH u. Polizei, Zbl. 77, 247; v. Schlotheim/Ullrich/Meng Praktische JGH, 1961; Seidel Die JGH in ihrer Ermittlungsfunktion u. ihr Einfluß auf richterliche Entscheidungen in JStrafverfahren gegen weibliche Jugendliche, 1988; Sontag Die prozessuale Stellung des Gerichtshelfers, NJW 76, 1436; Trenczek Die JGH - das (un)bekannte Wesen im Kriminalverfahren, DVJJ-J 9 9 , 1 5 1 ; ders. Was tut die JGH im Strafverfahren, DVJJ-J 9 9 , 3 7 5 ; 0 0 , 4 4 ; ders. JHilfe u. Strafjustiz, MKrim. 00, 259; Trenaek/Mörsberger JGH - Quo vadis? Zbl. 9 0 , 5 6 6 ; Ullrich Die nachgehende Fürsorge bei Strafentlassenen J, RdJ 5 6 , 7 5 ; ders. Sinn u. Aufgabe der JGH, Zbl. 7 0 , 9 7 ; ders. Fünfzig Jahre JGH sind kein Grund zum Jubilieren, Zbl. 7 3 , 6 0 ; ders. Der JGHelfer - Entwurf eines Berufsbildes, Zbl. 7 1 , 2 5 3 ; ders. Wider den Gerichtsgeher, UJ 7 1 , 4 1 2 ; ders. Nochmals: Wer unterschreibt den Ermittlungsbericht? Zbl. 72, 125; ders. Das ist keine JGH, Zbl. 77, 337; ders. Delegierung ungelöstes Problem der JGH, Zbl. 80, 216; ders. JGH bei jungen Ausländern, Zbl. 79, 244; ders. Arbeitsanleitung für JGHelfer, 1982; Viet Der Täter-Opfer-Ausgleich als eine Aufgabe der JGH, Zbl. 88, 17; Vieten/Gross Die Anforderungen der Justiz an die JGH, Zbl. 97, 170; Wagner Die Stellung der JGH im JStrafverfahren, JWohl 80, 97; Walter Die ermittelnden, berichtenden u. beratenden Aufgaben der JGH, Zbl. 7 3 , 4 8 5 ; ders. Organisation des Jugendamtes: JGH, 1976; Werner Die Persönlichkeitserforschung im JStrafverfahren, 1967; Weyel Der Einfluß der JGH auf Sanktionsentscheidungen, BewH 8 8 , 3 1 3 ; ders. Haftentscheidungshilfe durch die JGH, Zbl. 92, 29; ders. Das einsame Siechtum der JGH in Deutschland, DVJJ-J 96, 246; ders. Qualität in der JGH u. die Möglichkeit der Selbstevaluation, Zbl. 0 0 , 4 6 ; Wilbrand/Unbehend Praxisleitfaden für die JGH, 1995; Wild JGH in der Praxis, 1989; Zac/i JHilfe u. Strafjustiz - Streitthema ohne Ende? DVJJ-J 96, 251.

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$ 38

2. Teil. Jugendliche

Übersicht 1. Aufgabe 2. Träger 3. Mitwirkung im Verfahren 3 a) Betreuung und Hilfe Hilfe nach dem SGB v m 3 b) Unterrichtung vom Haftbefehl 4. In der Hauptverhandlung 5. Persönlichkeitserforschung 6. Bericht 7. Verwertung des Berichts in der Hauptverhandlung 8. Kein Zeugnisverweigerungsrecht 9. Überwachende Tätigkeit 10. Nachgehende Betreuung 11. Die Heranwachsenden JGH u. die Eltern des Hw 12. Der Datenschutz des SGB VIII 13. Arbeit der Polizei und der Sozialarbeiter im Vorfeld; Krisenintervention

X.

Rn

1 2 4 4b 4d 5b 6 11 12 13 14 15 16 17 19 19b 20

Aufgabe

1

Ohne gute JGH könnten die JGerichte ihre Aufgaben nicht erfüllen. Durch Aufklärung und Vortrag der erz., sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte (Rn 11) schafft die JGH die Voraussetzungen für gezielte Anwendung des JGG als Täterstrafrecht (Einf. 1 3 , 1 1 , 1 2 ; Einf. n 23; $ 4 3 , 3 ; vgl. Momberg 1982 S. 40). Weiter hilft die JGH dem J (Rn4b-d, 16) und bereitet durch Unterstützung und Betreuung, Beratung und Leitung des J, aber auch durch seine Überwachung und durch Zusammenarbeit mit der BewHilfe ( R n l 5 ) den Boden für den Erfolg der vom JGericht getroffenen Maßnahmen. Somit hilft die JGH gleichzeitig dem Gericht und dem Täter (OLG Frankfurt NStZ-RR 96, 251; Dallinger/Lackner 5; Wilbrand/Unbehend S. 6). Die JGH ist aber weder Gehilfe der Polizei oder des JStA noch Verteidiger oder Vertreter des J oder dessen ErzBerechtigter (Dirnaichner Der nordamerikanische Diversionsansatz, 1990 S. 176). Vgl. auch $ 45, 13 aE.

1a

In der neueren Diskussion um die JGH wird diese verstärkt als Organ der JHilfe gesehen und deren Abgrenzung von der Justiz gefordert (vgl. zu den verschiedenen Standpunkten Arbeitsgruppe JGH in der DVJJ: JGH - Standort u. Wandel, Zbl. 90, 554; BMJ, Hrsg., JGH - Qjio vadis? 1991; Dokumentationen der Bundeskongresse JGH, DVJJ-J 91, 327; 95, 7; 9 7 , 2 2 4 ; 00, 213). Die Aufgaben der JGH werden in der Unterstützung der j. Beschuldigten, dem Angebot von Leistungen der JHilfe und dem Hinwirken auf eine aus der Sicht von Sozialpädagogik und JHilfe sachgerechte Erledigung des JStrafverfahrens gesehen, nicht in „Dienstleistungen" für die Justiz (vgl. Klier/Brehmer/Zinke S. 15 ff). Nach DSS/Sonnen 14 geht es im JStrafverfahren dann um eine Kooperation durch fachliche Konfrontation, wobei die JGH die sozialarbeiterische/sozialpädagogische Gegenmacht zur Justiz mit ihrer strafrechtlichen Orientierung vertrete. Nach Zach (DVJJ-J 9 6 , 2 5 1 ) soll sich die JGH als „eine Sozialanwaltschaft bzw. auch als ein Systemfehler in der Bannmeile der

298

Jugendgerichtshilfe JStrafjustiz" verstehen. - Im geltenden Recht k o m m t der Auftrag der JGH z u r JHilfe vor allem dadurch z u m Ausdruck, d a ß sie Leistungen der JHilfe für die j. Beschuldigten p r ü f t u n d ggf. in die Wege leitet ($ 52 II SGB VIII) u n d die Gesichtspunkte der Sozialpädagogik u n d JHilfe in das JStrafverfahren einbringt, ua durch Betreuung der J und H w . u n d durch den Reaktionsvorschlag ($ 38 II 1, 2). Die JGH h a t aber auch durch sorgfältige u n d möglichst objektive Ermittlung u n d Berichterstattung zur Persönlichkeit des jungen Beschuldigten die justizielle Entscheidung vorzubereiten (§ 38 II 2, 3; Brachold S. 10, 26; Miehe in Jugendstrafrecht an der Wende S. 150) u n d außerdem an deren U m s e t z u n g mitzuwirken ( § 3 8 II 5 bis 9). Insoweit ist die JGH in die Aufgaben der JStrafrechtspflege eingebunden. Es ist zweifelhaft, ob ein Wegfall dieser Einbindung de lege ferenda für die J u n d Hw. von Vorteil wäre (Dötting in DVJJ, Hrsg., J im sozialen Rechtsstaat, 1996 S. 425 ff). Für diese derart umschriebene, wichtige u n d neutrale Aufgabe ist die JGH als bes. 1 b Institution geschaffen (Rn2), die als Prozeßorgan eigener Art (OLG F r a n k f u r t NStZ-RR 96,251) eine bedeutsame Rechtsstellung im Verfahren gegen J u n d H w . h a t (Rn5); auf ihre Mitwirkung kann n u r in den in R n 9 aufgeführten Fällen verzichtet werden (siehe auch $ 104, 5). Dieser bedeutsamen Stellung der JGH entspricht ihre Konzeption als eigenständige, selbstverständlich auch gegenüber der Justiz selbständige, spezialisierte JGH (dazu Brunner Zbl. 72, 321; Ullrich Arbeitsanleitung, 1982 S. 21; Momberg 1982 S. 317; OstendorfDVJJ-J 97, 242; Weyel DVJJ-J 96, 259; Wild 1989 S.49, 50, 206). Zur Mitwirkung der JGH bei Straftaten von Hw. Rn 17; bei j u n g e n Ausländern Einf. I 20 a. Die neuen RL zu S 50 haben zwar die Formulierung der alten RL 5 zu $ 50 nicht ü b e r n o m m e n , wonach der Vertreter der JGH „in der Hauptverhandlung weder als Gehilfe der StA noch als Verteidiger oder Vertreter des J oder seines ErzBerechtigten" auftritt. Hierdurch sollte jedoch nicht an der neutralen Stellung und Aufgabe der JGH (Brachold S. 26) gerüttelt werden. 2.

Träger

Die JGH ist Pflichtaufgabe des JAmtes, sollte dort aber eigenständig u n d weithin 2 selbstverantwortlich arbeiten können. Das JAmt wirkt mit den Vereinigungen der (freien, privaten) JHilfe zusammen (Abs. I). Diese haben d a m i t ein Recht auf Beteiligung und Mitwirkung. Das JAmt kann im Rahmen des JGG die Geschäfte der JGH auf die freien Vereinigungen widerruflich übertragen, behält aber auch d a n n die Verantwortung für eine sachgemäße Erledigung; eine Pflicht zur Übertragung einzelner Aufgaben besteht nicht. Bei schwerer Kriminalität u n d w e n n Widerstand zu erwarten ist, sollte nicht übertragen werden, weil die JGH hoheitliche Befugnisse u n d auch die größere Autorität hat. Die örtliche Zuständigkeit des JAmts richtet sich nach § 87 b iVm SS 8 6 1 bis IV 3 u n d 86 a I bis HI SGB VIII. Danach ist grds. bei J der gewöhnliche Aufenthalt der Eltern u n d bei Hw. deren gewöhnlicher Aufenthalt maßgeblich (Eisenberg 51; 299

Z.Teil. Jugendliche

Ostendorf 5; Kiehl DVJJ-J 97,39; Laubenthal 1993 S. 43; für Zuständigkeit des JAmts des Gerichtsbezirks in entsprechender Anwendung von § 143 GVG nach altem Recht Becker NJW 54, 337; Dallinger/Lackner 17). Andere JÄmter können im Wege der Amtshilfe gehört werden (Eisenberg 51; Kiehl aaO, 42). 3.

Mitwirkung im Verfahren

4 Die JGH muß immer (Ausnahme: Rn9) so früh wie möglich (dazu Rn4d) und für das ganze Verfahren eingeschaltet werden (Abs. III 1, 2; $ 43 RL 6; BGH 27, 250), auch und bes. bei jungen Ausländern (Einf. 120 a; BGH H MDR 80,456; BGH StV 82, 337) und bei Hw., auch wenn sie zwischenzeitlich erw. sind (Rn 17-19 b). Deshalb sollte bereits die Polizei die JGH verständigen (Bedenken bei Hügel BewH 88,309), sobald der Stand der Ermittlungen dies erlaubt und anzeigt, und zwar bei länger dauernden Ermittlungen schon vor Abgabe der Ermittlungen an die JStA, in Zweifelsfällen mit deren Einverständnis. Zwar vermeidet die neue RL 6 zu $ 43 im Gegensatz zu RL 5 (alt) den Hinweis auf die Polizei. Diese ist aber zwangsläufig mit eingeschlossen, denn was sollte es sonst besagen, daß die StA auf die Verständigung des JAmtes hinwirkt, sobald der Stand der Ermittlungen dies erlaubt. Wenn das Verfahren bereits bei ihr ist, „wirkt" sie nicht „darauf hin", sondern verständigt sie das JAmt. Die StA sollte von der Polizei die gleiche Mitteilung erhalten, um eine klare Lage zu schaffen. Nach Nr. 3.2.7 der bundeseinheitlichen Polizeidienstvorschrift PDV 382 (abgedruckt in DVJJ-J 97, 5) unterrichtet die Polizei das JAmt unverzüglich, wenn erkennbar wird, daß Leistungen der JHilfe in Frage kommen. Nach empirischen Untersuchungen (Heinz BewH 88,280 mwN; Trenaek MKrim. 00, 271) wird die JGH überwiegend erst von der JStA durch Übersendung eines Durchschlags der Anklage oder des Antrags auf Entscheidung im Vereinfachten JVerfahren informiert. Daß die JGH möglichst frühzeitig informiert werden soll, ist unbestritten. Es will aber bedacht sein, daß ein in Verdacht geratener Unschuldiger vor voreiligen Eingriffen in seine Privatsphäre bewahrt werden muß (vgl. näher § 43,16; Wild 1989 S. 59 mwN). In solchen Fällen muß abgewogen werden. Verspätete Einschaltung der JGH wiederum kann die Aufklärungsrüge begründen (BGH StV 82, 336). Bei Haftbefehlen wird die gebotene frühzeitige Verständigung der JGH durch $ 72 i n 4 sichergestellt (dazu Rn 5 b). Vgl. $ 43, 16. 4 a Zentrale Aufgaben der JGH sind die Erforschung von Persönlichkeit, Entwicklung und Umwelt des Beschuldigten (Rn 11), der schriftliche Bericht über deren Ergebnis (Rn 12) und Mitwirkung und Vortrag in der Hauptverhandlung (Rn 6-9, bes. 6 a). Weitere wesentliche Aufgaben sind: Beratung des Gerichts bei Weisungen und Auflagen (Abs. II 2 u. III 3; vgl. Rn 4 d); Äußerung insbes. bei der Auswahl des Betreuungshelfers (Abs. III 3 HS 2; $ 10, 10); falls der Richter nicht eine andere Person als Betreuungshelfer bestellt hat, Übernahme von Betreuung und Aufsicht (Abs. II 7); Überwachung der Weisungen und Auflagen, falls nicht ein BewHelfer die Erfüllung überwacht (Rn 15); beschleunigte Nachforschungen in Haftsachen und Informierung des JRichters (dazu Rn 5 a u. b); Vorbereitung und Hilfe bei 300

Jugendgerichtshilfe

möglicher informeller Erledigung (Diversion; §§ 45,47; vgl. Einf. n 11 aE; S 45,11 u. bes. 19 a), bei Absehen von der Anklageerhebung in BtM-Sachen (vgl. § 45,43) und der Zurückstellung der Strafvollstreckung in BtM-Sachen (vgl. $ 17, 23). Im übrigen und ganz allg. soll die JGH möglichst weitgehend herangezogen werden, auch wenn das nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist (zB bei der Änderung von Weisungen, § 11 RL 1). Dabei müssen JGH, JGericht und JStA möglichst eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Nur so kann die JGH ihre wichtige Aufgabe voll erfüllen, ohne daß das Verfahren über Gebühr verzögert wird ($ 43, 16). Die erwünschten mündlichen Besprechungen zwischen JGH, JStA und JRichter dürfen natürlich nicht dazu dienen, schon vor der Hauptverhandlung eine bestimmte Meinung zu erarbeiten (Roestel Zbl. 65, 5), also offene, auch gegensätzliche Aussprache, aber keine Mauschelei. 3 a)

Betreuung und Hilfe

Gleichrangig neben der Mitwirkung im Verfahren und den Aufgaben der JStA und 4 b dem JGericht gegenüber stehen die Betreuung und Hilfe für in Straftaten verwikkelte junge Menschen (Schaffstein FS Dünnebier, 1982 S. 666), wobei allerdings die in diesem Zusammenhang häufig gewählte Bezeichnung „Klient" eine etwas emotionale Gewichtung und unnötige Dramatisierung von Rollenkonflikten befürchten läßt (dazu John Zbl. 82,10; Walter Zbl. 73, 485; Eisenberg 37, der auf die Antinomie zwischen Strafverfolgung als [idR] einem [reaktiven] Angriff auf den J und der Hilfe als Ausdruck von „Schutz und Förderung" hinweist; dazu Rn4c). Offenheit, Klarheit und Wahrheit von der ersten Begegnung an, kann, wie vielfache Erfahrung zeigt, gerade das Vertrauensverhältnis aufbauen, welches Hilfe möglich und fruchtbar macht (vgl. Rn5a, 14). Der junge Mensch, auf den ein Strafverfahren zukommt, ist in einer außerordentlichen Situation, die Hilfe fordert und sozialpädagogischen Erfolg verspricht (vgl. Bticher Zbl. 87, 333). Der JGHelfer kann und muß auf die aktuelle Lebenssituation, auch auf das soziale Umfeld eingehen. Hierzu gehören das ruhige Gespräch, das allerdings seine Zeit fordert, vor allem aber die Erhaltung oder Wiederherstellung des Kontaktes zu Eltern, ErzBerechtigten oder anderen Bezugspersonen, Vermittlung von Wohnung, anderweitige Unterbringung, Mitsorge für Ausbildung, Arbeit und Schuldenregelung. Dazu kommen Hilfen, die einen drohenden Haftbefehl vermeidbar machen können. Neben der Verpflichtung, in Haftsachen beschleunigt zu berichten (Abs. II 3; dazu Rn 5 b u. c), sind gerade für junge UHäftlinge Hilfen durch den JGHelfer (Besuche $ 93 in i. V. m. $ 148 StPO) notwendig und bes. erfolgreich (vgl. auch § 93, 7). Ganz wichtig ist die Vorbereitung auf die Hauptverhandlung (dazu Einf. 153; RL 3 S. 1 zu $ 50; BergRdJ 64,103; Brunner FS Böhm, 1999 S. 801) und auf zu erwartende Rechtsfolgen (Peters JWohl 51, 275). Zur Mitarbeit von Psychologen in der JGH s. Altner DVJJ-J 00, 302). Viele Hilfen sind eng verflochten mit den Pflichtaufgaben der JStA und dem 4 c JGericht gegenüber; das sollte man auch sehen und nicht nur Konflikte in den Vordergrund drängen. Diese Hilfsfunktion wird auch dadurch deutlich, daß der 301

2. Teil. Jugendliche JGHelfer von Amts wegen die Betreuung und Aufsicht bei Unterstellung unter einen Betreuungshelfer ausübt, falls nicht der JRichter, wiederum unter Beihilfe des JGHelfers (Abs. i n 3 HS 2), eine andere Person damit betraut (Abs. II 7). Stets berät er den JRichter kraft Gesetzes bei der Auswahl (Abs. III 3 HS 2; näher § 10, 10). Diese Verflechtung wird auch sichtbar bei dem Versuch, die Eltern oder ErzBerechtigten zu erz. Maßnahmen anzuregen, die dem JStA die Einstellung des Verfahrens erlauben ($ 4 5 II; für den Richter $ 4 7 I Nr. 2). Auf der gleichen Linie liegt die Vorbereitung des J auf eine informelle Erledigung des Verfahrens (vgl. S 4 5 , 19 a, auch 22; Einf. II 23) und die Unterrichtung des JStA über individuell geeignete faktische Möglichkeiten für Auflagen. Das gilt ganz allg. auch für den Nachweis geeigneter Stellen für Arbeitsweisungen ($ 10, 9), für Hilfe bei Entziehungskuren ($ 10, 18) und heilerz. Behandlung ($ 10, 15). Dazu gehört auch die Auslotung und Anbahnung eines Täter-Opfer-Ausgleichs ($ 10, 12; § 4 5 , 8 aE), um dem Beschuldigten hierdurch günstige Möglichkeiten zu eröffnen (vgl. Viet Zbl. 8 8 , 17). Hilfen für ein Absehen von der Anklageerhebung in BtMS a c h e n (§ 45, 4 4 ) und für eine Zurückstellung der Strafvollstreckung in BtMSachen ($ 1 7 , 1 8 ) , etwa durch Besorgung eines Therapieplatzes, durch Erzeugung oder Stärkung der Motivierung und Beistand beim Durchhalten und bei den notwendigen Nachweisen sind ebenfalls zu nennen (zur Drogenhilfe als Aufgabe des JAmtes Hubert Zbl. 9 6 , 5 0 2 ; Ziegler Zbl. 9 7 , 1 7 7 ; zur Zusammenarbeit zwischen Straffälligenhilfe u. Drogenhilfe Meyer BewH 97, 168). Selbst die Überwachung kann zugleich Hilfe sein (näher R n 15). Zu den Aspekten bei Hilfen für junge A u s l ä n d e r Einf. 119 ff. Bei Hw., auch noch bei inzwischen Erw. (BGH StV 8 2 , 3 3 6 mit zust. Anm. Gatzweiler), gehen die erz. Hilfen der J G H mehr in Sozialisationshilfen über (dazu Rn 17 aE). Zur Problematik der Betreuung von HIV-Positiven u. Aidskranken $ 2 4 , 4 a. Zur nachgehenden Betreuung ( R n l 6 ) ist der Übergang fließend. Zur umstrittenen Zusammenarbeit mit der Polizei u. Hilfen vor Ort Rn 2 0 - 2 2 . 4 d

Auch $ 5 2 1 S G B VIII verpflichtet das JAmt, den JGHelfer also, nach Maßgabe der 5S 3 8 , 5 0 III 2 J G G im Verfahren nach dem JGG mitzuwirken. Der Mitarbeiter des JAmtes (JGHelfer) oder eines anerkannten Trägers der freien JHilfe, der nach $ 38 II 2 JGG tätig wird, ist nach § 5 2 III SGB VIII gehalten, den J oder den Hw. (zur Begriffsbestimmung des J u n g e n Volljährigen" in $ 7 Nr. 3 SGB VIII näher § 45, 19 b) während des gesamten Verfahrens zu betreuen. Dieser Auftrag z u r Hilfe ( R n 4 b u. c) verpflichtet den JGerichtshelfer, frühzeitig z u prüfen, ob für den J oderHw. Leistungen der JHilfe n a c h d e m SGB VIII in Betracht kommen (§ 5 2 1 1 1 SGB VIII). Dem JAmt stehen dazu die gesamten Hilfen des SGB VIII nach dessen Voraussetzungen und Begrenzungen zur Verfügung. Zu diesen Hilfen für J u. Hw. im einzelnen $ 4 5 , 1 9 a. Dies setzt voraus, daß die J G H so früh wie möglich von Ermittlungen gegen einen J oder Hw. unterrichtet wird (Rn 4). Kommen Leistungen der JHilfe in Betracht oder ist eine geeignete Leistung bereits eingeleitet oder gewährt worden, hat der JGHelfer nach $ 5 2 II 2 SGB VIII den StA oder den Richter umgehend davon zu u n t e r r i c h t e n , damit geprüft werden kann, ob ein Vorgehen

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nach §5 45, 47 möglich ist (vgl. dazu $ 4 5 , 19äff). Frühzeitige Prüfung der Möglichkeit, Hilfen nach dem SGB VIII einzusetzen und Unterrichtung des StA oder Richters kann auch der Wahl des gerichtlichen Verfahrens (SS 76 ff) und der Vermeidung von UHaft dienen (vgl. Rn 5 c). Um die Mitwirkung der JGH sicherzustellen, hat sie bestimmte Verfahrensrech- 5 te. Die JGH darf mit Verhafteten mündlich und schriftlich verkehren (SS 93 III JGG, 148 StPO; vgl. Rn 5 b u. c), kann in der nicht öffentlichen Hauptverhandlung, deren Zeit und Ort ihr mitzuteilen sind (5 50 m 1; Rn 6; S 50,12), anwesend sein (S 48 II) und das Wort ergreifen (S 50 III 2; dazu Rn 7; § 50,13). Zur Ausschließung des J und von Angehörigen von der Hauptverhandlung im Interesse der Arbeit der JGH: Rn 14b u. S 51, 2 u. 6. Sie soll möglichst schnell von der Tat unterrichtet werden ($ 43 RL 6 S. 2; Rn 4). Von der Vollstreckung eines Haftbefehls muß sie unverzüglich unterrichtet werden (S 72 a 1 HS 1; Rn5b), schon der Erlaß eines Haftbefehls soll möglichst mitgeteilt werden ($ 72 a 1 HS 2; Rn5b); vor der Erteilung von Weisungen ist sie zu hören (Abs. III 3 HS 1; vgl. Rn4c), und auch zur Person des Betreuungshelfers soll sie sich äußern (Abs. III 3 HS 2). Im übrigen hat sie das Recht auf laufende Mitteilungen ($ 70 JGG, Nr. 32 MiStra). Dazu auch Rn 12 aE. Es darf geraten werden, im Interesse des J und der abschließenden Entscheidung lieber eine Mitteilung - beiderseits - zuviel, lieber eine nicht vorgeschriebene Anhörung mehr vorzunehmen, als eine Möglichkeit, das Richtige zu treffen, zu verspielen. Die ganz wesentliche Bedeutung von Betreuung und Hilfe für den J ist dargetan 5 a (Rn4b-d). Wenn aber Hauber (Zbl. 80, 517) de lege ferenda eine gewisse Annäherung der JGH an die Stellung des Beistandes (S 69) befürwortet und sich davon erweiterten Rechtsschutz, verbesserten ErzProzeß und Aufwertung der Stellung des JGerichtshelfers verspricht, so kann dem nicht gefolgt werden; ebenso Schaffstein (FS Dünnebier, 1982 S. 666), der die JGH als „Sozialanwalt" oder eine Art von Beistand auch de lege ferenda nicht für wünschenswert hält. Man sollte dem JRichter nicht Sorge wegen „Kompetenzbeschneidung" (Hauber aaO. S. 518) unterstellen und meinen, er betrachte den JGerichtshelfer als „willfährigen Ermittlungshelfer" (Hauber aaO), wenn er die Mitwirkung der JGH für unverzichtbar, aber zugleich entsprechend der klaren gesetzlichen Definition als Prozeßorgan eigener Art (Rn 1 b) und der Bewährung solcher „neutralen" Hilfe in der Praxis, deren freie Stellung im Interesse gerade des J und des Gelingens erz. Einwirkung bewahrt wissen will. Es muß bezweifelt werden, ob eine derartige Wendung die Wirksamkeit der JGH im Verfahren, auch die notwendige Persönlichkeitsaufklärung, fördern und damit letztlich dem J nutzen könnte (vgl. Rn 1 a). 3 b)

Unterrichtung vom Haftbefehl

Die JGH ist unverzüglich von der Vollstreckung eines Haftbefehls zu unter- 5 b richten (S 72 a HS 1 u. RL; vgl. auch Nr. 32 c MiStra). Diese zwingende Vorschrift gewährleistet die möglichst frühzeitige Einschaltung der JGH (Rn4) und soll 303

2. Teil. Jugendliche deren rasche Hilfe sichern, um mit möglichst vollständigen Erkenntnissen über die Persönlichkeit des Beschuldigten und seine Umwelt die UHaft iSd Subsidiaritätsgrundsatzes (Einf. n 18-21) aufzuheben oder wenigstens abkürzen zu können oder auch Möglichkeiten der Haftverschonung aufzutun (vgl. $ 72,4 u. 8; auch 2). Zur - umstrittenen - Persönlichkeitserforschung in der UHaft $ 93,7. Zugleich wird die JGH als Hilfe für den Beschuldigten eingeschaltet (dazu Rn 4 b; $ 93, 7). 5 c Der JGH soll bereits der Erlaß eines Haftbefehls mitgeteilt werden ($ 72 a 1 HS 2 u. RL). Bei Vorführung vor den Ermittlungsrichter fallen Erlaß und Vollzug idR zusammen. Bei Erlaß eines Haftbefehls und gleichzeitiger Außervollzugsetzung wird stets diese Mitteilung zu machen sein. Wo eine Mitteilung bereits bei Erlaß eines Haftbefehls gemacht wird, können rasche und gründliche Nachforschungen der JGH uU noch vor dessen Vollzug zur Aufhebung oder zumindest zur Außervollzugsetzung führen und den J vor UHaft bewahren. Dazu § 72, 2 u. 7. 5d

Bereits von der vorläufigen Festnahme eines J i s t d i e J G H z u unterrichten, wenn nach dem Stande der Ermittlungen zu erwarten ist, daß der J gem. § 128 StPO dem Richter vorgeführt wird (S 72 a 2 u. RL). Diese Mitteilung ist zwingend, um der JGH rasche Einschaltung zu ermöglichen (vgl. oben zum Erlaß); erwarten ist mehr, als damit rechnen müssen.

5e

Dies alles wird man auch für den Sicherungshaftbefehl nach $ 453 c StPO gelten lassen müssen, vor allem, wenn die Unterstellung unter einen BewHelfer abgelaufen ist (S 2411; vgl. auch § 61,4). Gerade in diesem Bereich können gründliche Ermittlungen Leerlauf vermeiden und den J entlasten.

5 f Diese Mitteilungen wird der StA oder der jRichter anordnen, der den Haftbefehl erläßt (RL zu § 72 a). Der Sicherstellung der Ausführung wird ein - vorgedruckter - Vermerk auf dem Haftbefehlsformular dienen. Für den Fall der vorläufigen Festnahme werden Regelungen getroffen werden müssen. Es bietet sich an, die Polizei zu verpflichten, den StA zu verständigen, der dann ggf. die JGH informiert. 5g

Diesem Recht auf Mitteilung (Rn 5 b) und dem Recht, mit dem Inhaftierten mündlich und schriftlich zu verkehren (§ 93 III; $ 148 StPO), steht die Verpflichtung der JGH gegenüber, beschleunigt über ihre Nachforschungen z u berichten (Abs. II 3), sie natürlich auch bevorzugt und gründlich durchzuführen (vgl. Heinz BewH 87, 5; Matenaer Zbl. 83, 21; 85, 158 u. BewH 87, 41; Reinicke BewH 87, 35; Dünkel ZfStrVo 85,340). Insbes. sollen Alternativen zur Vermeidung von UHaft dargetan werden, wie etwa zuverlässige Hilfe durch die Eltern, ausreichende Meldepflichten, helfende Verbindung zu Vertrauenspersonen, geeignete und ausreichende Weisungen und Auflagen, wie Aufenthaltsbeschränkungen, Weisungen, einen bestimmten Aufenthalt zu nehmen, Abgabe der Fahrerlaubnis, der Personalpapiere oder geeignete Heimunterbringung (insges. zu R n 5 b - g vgl. $ 72 a, 1-4). Zur Ausstattung der JGH insbes. im Hinblick auf die Haftentscheidungshilfen § 72 a, 1 aE. Zu Möglichkeiten f ü r ein schnelles Reagieren der JHilfe s. Arbeitsstelle Kinder- u. JKriminalitätsprävention (Hrsg.) Schnelle Reaktion, 2001.

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4.

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In der Hauptverhandlung

In die Hauptverhandlung soll der Vertreter der JGH entsandt werden, der die 6 Nachforschungen angestellt hat (Abs. II 4). Denn dieser kennt den Angeklagten, ihm vertraut dieser, und nur der ermittelnde JGHelfer ist in der Lage, auch über jüngste, uU wesentliche Entwicklungen zu unterrichten. Es handelt sich zwar nur um eine Sollvorschrift, ihre Nichtbeachtung kann aber die Aufklärungspflicht verletzen (vgl. allg. Rn 8). Deshalb m u ß nach $ 50 III 1 der JGH Ort und Zeit der Hauptverhandlung rechtzeitig mitgeteilt werden (näher $ 50,12, bes. aE). Ist diese Mitteilung unterblieben und ohne Vertreter der JGH verhandelt worden, verfällt das Urteil der Revision (BGH NStZ 82, 257; zu mehrtägigen Sitzungen $ 50, 12; Ausnahmen Rn9). Das gilt auch, wenn sich der für den Mitangeklagten erschienene JGHelfer kurz äußert, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß der zuständige JGHelfer durch seinen Vortrag die Bemessung der Strafe zugunsten des Angeklagten hätte beeinflussen können (BGH StV 89, 308). Einen Vertreter des JGHelfers, der ermittelt hat, wird man dann akzeptieren können, wenn er sich angemessen mit dem Fall vertraut gemacht, vor der Hauptverhandlung zumindest das Notwendigste mit dem Angeklagten besprochen hat und auch über letzte Entwicklungen orientiert ist (Brunner Zbl. 72, 321, 323; Wild 1989 5. 174); gerade in einfacher gelagerten und nach der Persönlichkeit „klaren" (Vorsicht!) Fällen kann der Beschleunigungsgrundsatz eine solche Lösung empfehlen und rechtfertigen. Der vielberedete „installierte Gerichtsgeher" aber kann keinesfalls toleriert werden. In der öffentlichen Anhörung vor dem Rechtsausschuß des Bundestages am 16.2.1990 hat Klier Abs. II 4 als Schritt in die richtige Richtung bezeichnet, aber hinzugefügt, die Stellung des JGHelfers bleibe marginal, solange das Gesetz nicht von der Vertreterformel abrücke (DVJJ Rundbrief März 1990 S. 13). Es kann aber das sog. Regionalprinzip entschärfen, nämlich die vereinbarte Zuständigkeit des JRichters, des JStA, der JGH und des BewHelfers für den gleichen Bezirk, wo dies machbar ist. Auch $ 52 III SGB VIII versucht, den „Gerichtsgeher" auszuschließen. Die JGH hat nach SS 38, 50 III ein Recht zur Mitwirkung in der Hauptver- 6 a Handlung. Über die Ausübung dieses Rechts hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Entscheidung hat sich an den Aufgaben der JGH nach S 38 JGG und S 52 SGB VIII zu orientieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß Hauptverhandlungen angesichts der hohen Diversionsquote (S 45,5) idR Fälle von Gewicht zum Gegenstand haben werden, dann, wenn sich der Fall als Bagatelle herausstellt, eine Beschränkung der Sanktion geboten ist und das Erscheinen vor Gericht für J regelmäßig eine schwierige Ausnahmesituation darstellt, in der eine Abstützung durch die JGH geboten sein kann (Vieten-Gross Zbl. 97, 173 f). Das Mitwirkungsrecht verdichtet sich zur Mitwirkungspflicht, wenn das Gericht in Erfüllung seiner Aufklärungspflicht die Mitwirkung der JGH f ü r erforderlich hält (OLG Karlsruhe NStZ 92,251 mit insoweit zust. Anm. Schaffstein; LG Trier NStZRR 00, 249 = Zbl. 00, 398 mit abl. Anm. Eisenberg = DVJJ-J 00,186 mit abl. Anm. Sonnen u. Krahmer DVJJ-J 00, 314 u. krit. Besprechung Bex DVJJ-J 00, 409; Lauben305

2. Teil. Jugendliche thal 1993 S. 191). Vgl. auch Brunner JR 78, 175. Zu den kostenrechtlichen Folgen des Ausbleibens der JGH s. $ 50,12. 7 Die JGH hat in der Hauptverhandlung nicht das Recht, Fragen oder Beweisanträge zu stellen (OLG Frankfurt NStZ-RR 96,251; Eisenberg 28; Ostendorf % 50,14) und Rechtsmittel einzulegen (OLG Frankfurt aaO; Eisenberg 31). Der Wegfall des in der alten RL 5 S. 2 zu $ 50 enthaltenen Hinweises, daß die JGH nicht das Recht hat, an die Prozeßbeteiligten Fragen zu stellen ($ 240 StPO), in den neuen RL ändert am Nichtbestehen eines förmlichen Fragerechts nichts. Natürlich kann die JGH Anregungen geben, und der Richter kann ihr im Einzelfall auch gestatten, den Angeklagten direkt zu befragen. Akteneinsicht der JGH kommt nach § 478 II, III StPO in Betracht. Es ist auch nicht Sache der JGH, j. Zeugen über die Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts zu belehren (BGH 9, 197), wenn sich auch der Vorsitzende durch sie unterstützen lassen darf (Potrykus NJW 57, 1137). 8 Wird die JGH nicht herangezogen, obgleich ihre Mitwirkung vorgeschrieben ist (Abs. III 1), liegt allein darin ein Verfahrensverstoß (SS 38 III, 50 ni), auf dem das Urteil idR beruht (BGH 6, 356; 27, 250; BGH Dallinger MDR 56, 146; BGH Herlan GA 61,358; BGH H MDR 80,456; BGH StV 82,27; 336; 93,536; 01,172; BayObLG Rüth DAR 71,207; OLG Hamburg GA 58, 57; OLG Saarbrücken NStZ-RR 99, 284; Dallinger/Lackner 54; Eisenberg 52; Schaffstän/Beulke S. 210,211). Zu einem Ausnahmefall, in dem das Beruhen ausgeschlossen war, BGH B NStZ-RR 00,323. Zumeist wird mit $S 38 III und 50 III zugleich die Aufklärungspflicht ($ 43, $ 244 II StPO) verletzt (dazu auch Rn 6 a; $ 43,4; $ 50,12): BGH EJF C11; BGH 27,250 = JR 78, 175 mit zust. Anm. Brunner, BGH StV 89, 308; BayObLG Rüth DAR 71, 207; OLG Stuttgart OLGSt $ 50 S. 3; OLG Karlsruhe MDR 75,422; LG Bonn NStZ 86,40. Für Hw. vgl. § 50, 12 aE; für j. Ausländer Einf. I 20. Wegen der bes. Bedeutung folgende Einzelfälle aus der Rechtsprechung: Selbst wenn der Bericht des JGHelfers über den Sachverständigen verwertet und auf den Hw. JStrafrecht angewendet wird, rechtfertigt es die Revision, wenn dem Vertreter der JGH Ort und Zeit der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt wurden und er deshalb in der Hauptverhandlung nicht anwesend war; denn es könnte dadurch die Entscheidung über die Strafhöhe beeinflußt sein (BGH VRS Bd 53 (77), 126 gegen BGH Urt. v. 28.8. 1962-5 StR 314/62, das noch die Verwertung des Berichts genügen ließ). Nimmt der JGHelfer am 1. Sitzungstag frei und wird dann die Verhandlung wegen dessen Erkrankung ohne JGH zu Ende geführt, steht dies unterbliebener Ladung gleich (BGH StV 89, 308). Ein Verfahrensverstoß liegt auch vor, wenn statt der JHG die Gerichtshilfe unterrichtet wird (BGH StV 01, 172). Auch ein ausdrücklicher Verzicht des Verteidigers auf die Anwesenheit der JGH ist unbehelflich (BGH StV 82, 27; OLG Karlsruhe MDR 75, 422), denn der Umfang der sich aus $ 244 II StPO ergebenden Aufklärungspflicht ist der Disposition des Angeklagten entzogen. Ein solcher Verstoß gegen die Aufklärungspflicht kann auch in der Nichtanhörung in der Sitzung liegen, selbst wenn die JGH nicht um das Wort gebeten hat (BGH RdJ 61, 313 = SjE F3, 78). Doch besagt S 38 III 1 nicht, daß es ohne schriftlichen oder mündlichen Bericht der JGH überhaupt nicht geht; denn es sind Fälle denkbar, in 306

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denen ein entsprechender Bericht nicht erstattet werden kann (BGH Herlan GA 59, 340). Nach OLG Koblenz (MDR 73, 873) bedarf es im Berufungsverfahren nicht immer einer nochmaligen Anhörung des JGHelfers; dies dürfte aber nur in Ausnahmefällen zutreffen und wird auch von Eisenberg 55 als zu weitgehend bezeichnet. In jedem Fall wird ein solcher Verstoß grds. nur den Straf-, nicht den Schuldspruch berühren (BGH H MDR 8 0 , 4 5 6 ; OLG Karlsruhe MDR 75,422). Nimmt die JGH aber die Hauptverhandlung nicht wahr, obwohl ihr Ort und Zeit ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, so hat das Gericht „lediglich" nach allg. Grundsätzen zu prüfen, ob von der JGH weitere Aufklärung zur Frage der Anwendung von JStrafrecht (§1051) oder zur Wahl der Rechtsfolgen und Bemessung der Strafe zu erwarten ist (BGH 27, 250; sehr weitgehend BGH StV 85, 153; BayObLG Rüth DAR 82, 251; OLG Köln NStZ 86, 570; hierzu näher § 50, 12, 13). Die strenge Auffassung des BGH (VRS Bd. 53 (77), 126) wird auch in Anforderungen an die Aufklärungspflicht des Gerichts im JStrafverfahren nach § 244 II StPO einfließen müssen (näher Anm. Brunner JR 78, 175 zu BGH 27, 250). Eine Verletzung der Aufklärungspflicht ist jedoch nach BayObLG 94, 169 (= Zbl. 95, 280) nur bei konkreten, greifbaren Anhaltspunkten dafür gegeben, daß die JGH von Berichterstattung oder Hauptverhandlungsteilnahme abgesehen hat, obgleich sie Erkenntnisse hatte oder gewinnen konnte, die für den Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung gewesen wären. Solche Anhaltspunkte müssen in der Revisionsrüge dargetan werden (BayObLG aaO). Wird die JGH nicht beteiligt, so kann der hierin liegende Verfahrensverstoß auch dann zur Aufhebung des Urteils in der Revision führen, wenn der Hw. zZ der Hauptverhandlung bereits erwachsen ist, wenn die Anwendung von ErwStrafrecht nahe liegt (BGH StV Ol, 172) und uU selbst dann, wenn mangelnder fester Wohnsitz wenig Ergebnis verspricht (BGH NStZ 8 2 , 2 5 7 ; vgl. auch BGH 27, 251). - Zahlen zur unterschiedlichen Beteiligung der JGH an der Hauptverhandlung bei Momberg (MKrim. 82,70) u. Trenczek (MKrim. 00, 272). Ist eine Mitwirkung der JGH nicht zu erreichen, so kommt eine Einstellung des Verfahrens nach $ 260 III StPO nicht in Betracht; das Gericht hat sich dann die notwendigen Kenntnisse auf andere Weise zu beschaffen (dazu Rn 19 a u. b; OLG Köln NStZ 86, 570), da sonst ein sich verweigernder J die Verfahrenseinstellung erzwingen könnte. In Ausnahmefällen kann auf die Einschaltung der JGH verzichtet werden, zB 9 wegen faktischer Unmöglichkeit zu berichten (BGH Herlan GA 59, 350), bei ausgesprochenen Bagatellen und bei einem krassen Mißverhältnis zwischen Aufklärungsinteresse, -möglichkeit und Belastung des J. Wild (1989 S. 80) weist allerdings daraufhin, daß der Verzicht auf Persönlichkeitserforschung aus einem „Ex-AnteUrteil auf schmaler Basis" folgt. Ergänzend Rn 4 3 , 9 ; vgl. auch den Sonderfall des $ 104, 5. Die JGH muß dann nicht eingeschaltet werden, wenn nur eine Ordnungswidrigkeit vorliegt und die Mitwirkung der JGH entbehrlich ist (§ 46 VI OWiG). Bei Vollstreckungsmaßnahmen nach $ 98 OWiG (§ 8 2 , 1 1 ) allerdings wird es sich häufig empfehlen, die JGH einzuschalten (vgl. Schenker Zbl. 8 3 , 5 2 4 ) . Sonst aber braucht die JGH auch nicht vom Verhandlungstermin nach § 50 III benach-

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2. Teil. Jugendliche richtigt z u werden, weil $ 4 6 VI OWiG für das gesamte Verfahren gilt (vgl. Göhler $ 46 OWiG 34; $ 71 OWiG 64). 1 0 Für Erwägung u n d schließlich erzwirksame D u r c h f ü h r u n g des jrichterlichen Verfahrens ist enge und zeitsparende Zusammenarbeit der JStA mit der JGH von wesentlicher Bedeutung (§ 4 5 , 8 , 1 1 u. 18; $ 109,3 u. 5). Auch i m vereinfachten JVerfahren sollte die JGH gehört werden (§ 78,18; § 43,17). Ggf. empfiehlt sich der Eilbedürftigkeit halber fernmündlicher Informationsaustausch. 5.

Persönlichkeitserforschung

1 1 Als Ermittlungshilfe (Abs. II 2) wirkt die JGH entscheidend bei der durch $ 43 gebotenen Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung u n d der Umwelt des Täters mit. In bes. Einzelfällen werden auch Verfehlungen als Kind (so R L 1 alt) von Bedeutung sein können, w e n n auch die neue RL 1 S. 1 auf diesen Hinweis verzichtet. Die JGH h a t dabei die Wahrheit o h n e Rücksicht auf die Folgen f ü r den Täter zu ermitteln und die ermittelten Tatsachen streng objektiv vorzutragen (vgl. LG Bonn NStZ 86,40; R n 12). JRichter u n d StA sind dadurch nicht gehindert, auch eigene Ermittlungen z u r Persönlichkeitserforschung d u r c h z u f ü h r e n (§ 43, 12). Im Gegensatz z u r Polizei, die durch die Aufklärung der Tat die Grundlagen f ü r den Schuldspruch legt, schafft die JGH durch die Erforschung der Täterpersönlichkeit die Voraussetzungen für die Wahl der richtigen Unrechtsreaktion. Die Aufklärung der Tat ist also nicht Sache der JGH, sondern der Polizei. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß ein Blick a u c h auf die Tat entscheidende Anhaltspunkte f ü r die Auswahl der zu berichtenden Fakten geben k a n n (Wild 1989 S. 129) u n d gerade die Verknüpfung von Tat und Persönlichkeit sehr wesentlich sein k a n n . Die JGH ist keine Strafverfolgungsbehörde u n d nicht über den allg. Rahmen (S 138 StGB) hinaus zu Strafanzeigen verpflichtet. Sie ist auch nicht Verteidiger des J. Sie m u ß sich möglichst jeder Ä u ß e r u n g zur Schuldfrage enthalten (RL 1 S. 1; Dimaichner Der nordamerikanische Diversionsansatz, 1990 5. 276). N u r im Rahmen der Folgerungen aus den z u r Person ermittelten Tatsachen k a n n sie vorsichtig Stellung nehmen, ob die Tat in das allg. Persönlichkeitsbild des Täters paßt. Gerade während der U H a f t ist Persönlichkeitserforschung wichtig u n d durch $ 38 II 3 angeordnet (dazu Rn 5 b, bes. c). Damit zugleich wird hier oft notwendige Hilfe gewährt werden k ö n n e n ( R n 4 b ) . Die Gefahr sachlich unzutreffender Selbstbelastung in der Drucksituation der H a f t (so Eisenberg 13; $ 93,16) m u ß berücksichtigt werden. Zu den Aufgaben u. Schwierigkeiten bei j. Ausländern Einf. I 20. 6.

Bericht

1 2 D e r B e r i c h t d e r JGH h a t unter Verzicht auf Äußerungen zur Schuldfrage (RL 1S. 1) alle ermittelten Tatsachen streng objektiv a u f z u f ü h r e n (vgl. LG Bonn NStZ 86,40), wobei die Verhältnismäßigkeit zwischen d e m U m f a n g - zugleich d e m E i n g r i f f von E r m i t t l u n g e n sowie Bericht und deren Bedeutung f ü r Person u n d Tat nicht 308

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außer acht gelassen werden darf (Rn 9; S 4 3 , 9 ; Wild 1989 S. 119 mwN). Umstände, die nach der Prognoseforschung bedeutsam sind, sollten möglichst aufgeklärt und in den Bericht aufgenommen werden (§ 4 3 , 6 ; Einf. 152). Wild (1989 S. 161) hat bei seiner Untersuchung von JGH-Berichten festgestellt, daß stets nach der intuitiven, nie nach der statistischen Methode prognostiziert worden ist. Dem Bericht kann ein Formblatt („JFragebogen") zugrunde gelegt werden, das davor bewahrt, wichtige Punkte zu vergessen. Dabei muß der Berichtende auf alle Fragen des Bogens eingehen, sich aber von Schematismus freihalten und ggf. Ergänzungen vornehmen, Schwerpunkte setzen oder ganz frei berichten (vgl. Hinrichsen UJ 54, 494; Nesselmtiller UJ 5 5 , 1 8 7 ; Potrykus UJ 6 3 , 8 0 ; Momberg MKrim. 8 2 , 6 6 ; gegen die Verwendung von Formblättern Roestel UJ 65, 543; Ullrich Zbl. 69, 185; Bedenken wegen der Vorprägung der Auswahl der erhobenen Informationen durch Formblätter bei Eisenberg 45; gegen Formblätter, aber für eine möglichst einheitliche Strukturierung der Berichte Ostendorf 18). Auf die Gefahr der Verfälschung durch Weglassungen, Betonungen und Gebrauch (meist moralisierender) Stereotypen sowie durch das Bestreben, Widersprüchlichkeiten „stimmig" zu machen, weist Walter (Zbl. 73, 489) zu Recht hin. Wild (1989 S. 141 ff) hat bei seinen Untersuchungen negativlastige Berichte nur ausnahmsweise vorgefunden, in der Masse wurde ein positives oder indifferentes Täterbild vermittelt. Eine wohlwollende Haltung der Verfasser war überwiegend unverkennbar, was zB Erklärungen mit Entschuldigungstendenz deutlich gemacht haben. Gerade Aussparungen können das Persönlichkeitsbild verfälschen. Wild (1989 S. 125) hat bei seinen Untersuchungen eine „eigenartige Scheu" festgestellt, Suchtprobleme, auch bei unübersehbaren Hinweisen, zu erwähnen. Es bleibt ein Fall im Gedächtnis, bei welchem im Bericht als Tätigkeit der Hw. Schneiderin angegeben war und das Gericht in der Hauptverhandlung erst auf Nachfrage (wegen der gerichtsbekannten Straße und Hausnummer) vom JGHelfer erfuhr, daß sie der Prostitution nachging. Werden im Bericht nicht alle vorliegenden Informationen verarbeitet, soll dies nach RL 1 S. 3 zum Ausdruck gebracht werden. Die Warnung Eisenbergs (46), es dominierten häufig Eindrücke und subjektive Bewertungen, worunter sich nicht selten kompetenzüberschreitende Äußerungen bezüglich fachpsychologischer oder psychiatrischer Kategorien fänden, kann nicht ernst genug genommen werden. Im Bericht sind die Beweismittel zu bezeichnen, ggf. ist anzugeben, daß der JGH 12 a Beweismittel (zB „zwei gutbeleumundete Zeugen", „1 B r i e f ) bekannt sind ( R n l 3 ) . Auch sind Umstände zu benennen, die für die Glaubwürdigkeit von Bedeutung sind (Verwandtschaft, Freundschaft, Feindschaft uä). Sehr kritisch zum „positiven Beitrag" der Berichte Eisenberg 4 7 , 5 0 . RL 1 S . 2 fordert anzugeben, auf welchen Informationen der Bericht beruht. JStA und JRichter wirken auf die Ergänzung des Berichtes hin, wenn er Lücken enthält und kein klares Bild des Täters gibt. In der Hauptverhandlung muß der Vertreter der JGH in der Lage sein, den Bericht auf den letzten Stand zu ergänzen. - Die JGH regt psychiatrische oder psychologische Untersuchungen (auch nach $ 73) an, wenn sie auf Tatsachen gestoßen ist, die Zweifel über Reife ($ 3), Entwicklung ($ 105), Umfang der schäd-

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liehen Neigungen ($ 17 II) oder über die allg. strafrechtliche Verantwortlichkeit (§$ 20,21 StGB) begründen ($ 43,15). - Auch Maßnahmen nach $$ 45,47 oder 71 kann die JGH anregen, zur Frage der Zweckmäßigkeit bestimmter Weisungen (§ 10) oder Auflagen (§ 15) Stellung nehmen oder sich zur Frage äußern, ob Hilfe zur Erz. nach $ 12 oder JStrafe (mit oder ohne Strafaussetzung zur Bew.) geboten ist. Weiterhin sollte die JGH angeben, ob Leistungen der JHilfe in Betracht kommen (RL1S. 4; § 52 II SGB VIII). Wie weit die JGH ihren Reaktionsvorschlag konkretisieren sollte, wird vom Einzelfall abhängen (vgl. auch Momberg Diss. 1982 S. 157; für einen möglichst konkreten Vorschlag Ostendorf 17). Wild (1989 S. 161) hat bei seiner Untersuchung nur konkrete Vorschläge gefunden. Der Befund von HeinzfHügel (Erz. Maßnahmen im deutschen JStrafrecht, 3. Aufl. 1987 S. 49), „die Sanktionierungsvorschläge der JGH (seien) eingriffsintensiver und schwerer" gewesen als die gerichtliche Entscheidung, wurde von Weyel (BewH 88, 313) heftig angegriffen. Heinz/Hügel haben diese Kritik zurückgewiesen (BewH 88, 320). Die Untersuchungen von Heinz/Hügel haben bei positiven oder negativen Wertungen der JGH keinen meßbaren Zusammenhang mit dem Verfahrensausgang ergeben (BewH 88, 321). Eine Gegenüberstellung von Berichts- und Urteilsinhalt allg. findet sich bei Momberg aaO S. 217, 219 u. MKrim. 82, 74. Es steht der JGH frei, aus den ermittelten Tatsachen Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters zu ziehen. Gerade aber bes. bemühte „gutachtenähnliche" Berichte sind nach den Untersuchungen Wilds (1989 S. 206) der Gefahr unterlegen, den Tatsachenvortrag zu vernachlässigen. Es sollten solche Ausführungen schon äußerlich getrennt werden von den Tatsachenfeststellungen, die das Kernstück des Berichts sind und bleiben müssen (ebenso Momberg aaO S. 12). Die JGH sollte dabei Zurückhaltung üben, da sie hier auf das Gebiet des JRichters übergreift, der aus dem „Tatsachenmaterial" eigenverantwortlich werten muß. In diesem Rahmen und mit Bedacht abgegebene Anregungen und Schlußfolgerungen aber sind für den Richter hilfreich. Dazu aber sollte die JGH sehr wohl Grundbegriffe des JStraf- und Verfahrensrechts kennen und beachten und nicht „aus der besseren Kenntnis des Täters . . . Vorschläge unterbreiten, ohne auf juristische Gesichtspunkte Rücksicht zu nehmen" (so aber Bucher Zbl. 87,105). Tatsachenbehauptungen in JGH-Berichten (Vater spricht Alkohol zu) sind verwaltungsgerichtlich nicht überprüfbar (näher VGH Baden-Württ. Böhm NStZ 83, 449). Nach OVG Koblenz (NJW 83, 2957) überwiegt das private Interesse am Namen eines Informanten des JAmtes (zwecks Durchführung eines erneuten vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens) angesichts der dem JAmt obliegenden umfassenden Sachaufklärung das öffentliche Interesse an der Wahrung der zugesicherten Vertraulichkeit nicht. Das gilt erst recht für die JGH. - Die Berichtspflicht wird durch allg. Mitteilungspflichten ergänzt ($$ 70 S. 2, 109 I 3; $ 109, 1; Rn 5 aE; Rn 5 b u. c; zum Schülerbogen $ 43, 14).

310

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7.

Verwertung des Berichts in der Hauptverhandlung

Der Ermittlungsbericht der JGH ist Bestandteil der Akten und damit dem 13 Verteidiger zugänglich (Lüttger NJW 51,744). Der Hinweis in RL 2 auf Nr. 185 III und IV RiStBV betrifft nicht den Verteidiger. Bei Akteneinsicht des Vertreters des Verletzten nach $ 406 e I StPO kann ggf. der JGH-Bericht ausgenommen werden (S 406 e II StPO; näher Vor § 97 Rn27f). Zur Akteneinsicht sonstiger Privatpersonen s. $ 475 StPO. - Im Urteil darf nur verwertet werden, was Gegenstand der Verhandlung war ($ 261 StPO; Art. 103 I GG; Schnitzerling JWohl 57, 187). Der Tatsachenteil des JGH-Berichts kann nur auf eine prozeßrechtlich zulässige Weise in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Dies geschieht durch die Bekundung des Angeklagten selbst (auch auf Vorhalt des Vorsitzenden hin) oder durch förmliche Vernehmung des Vertreters der JGH als Zeuge (Dallinger/ Lackner § 38, 33; Eisenberg 49; Schaffsteinßeulke S. 214; eingehend zur Verwertung des Berichts Brachold 1999 S. 53 ff). Der Richter dürfte den Bericht der JGH nur dann verlesen, wenn einer Vernehmung des Vertreters unüberwindliche tatsächliche Hindernisse iSd $ 2 5 1 II StPO entgegenstünden, um in solchem Falle Beweisverlust zu vermeiden und die zügige Durchführung des Strafverfahrens zu ermöglichen (BGH 10, 186, 189). Ostendorf 8 meint allerdings, der Bericht dürfe ohne weiteres vom Richter verlesen werden, weil es widersinnig wäre, ansonsten gänzlich auf die Information verzichten zu wollen. Es gibt aber, wie ausgeführt, ausreichende Möglichkeiten, den Bericht unangefochten in die Hauptverhandlung einzuführen. Auf § 256 StPO kann die Verlesung nicht gestützt werden (Eisenberg $ 50,32). Auch eine Verlesung des Berichts durch den JGHelfer genügt für die Einführung des Tatsachenstoffs in die Hauptverhandlung nicht (Miehe JStrafrecht. Kurseinheit 3, 1994 S.45). Nach BGH (NStZ 84, 467 mit abl. Anm. Brunner, Anm. Eisenberg NStZ 85, 84) soll der Vertreter der JGH den Bericht zwar ebenso wie ein Sachverständiger das Gutachten in der Hauptverhandlung verlesen können. Hierbei wird jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Vertreter der JGH an der Hauptverhandlung nicht als Beweismittel, sondern als Prozeßorgan teilnimmt (eingehend gegen den BGH Brachold 1999 S. 81 ff). Zudem wäre der Vertreter der JGH ohne die einschränkende Vorschrift des $ 251 II StPO freier gestellt als der Richter (ebenso Laubenthal 1993 S. 119 f). Soll der Inhalt des Berichts durch den Vertreter der JGH in die Hauptverhandlung eingeführt werden, so muß dieser also unter Wahrung der prozessualen Vorschriften als Zeuge vernommen werden. Nur, wenn er ordnungsgemäß als Zeuge (wohl kaum als Sachverständiger) vernommen wird, darf er daneben seinen Bericht teilweise oder ganz verlesen (BGH 1,4; 20,260; AKStPO/Do'Hwg $ 250 StPO 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner § 250 StPO 12). Der Vertreter der JGH kann auch als „Zeuge vom Hörensagen" über die Angaben von Gewährspersonen vernommen werden. Urkunden wie Schülerbogen, Zeugnisse uä (nicht aber Leumundzeugnisse) können verlesen werden (vgl. 5$ 249 ff, 2561 StPO); doch kann die Aufklärungspflicht zu einer Vernehmung des Ausstellers zwingen.

311

2. Teil. Jugendliche

13 a Das Revisionsgericht darf im Zweifel immer davon ausgehen, daß der Bericht der JGH im Wege statthaften Vorhaltes in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, wenn weder die Sitzungsniederschrift noch die Urteilsgründe erkennen lassen, auf welche Weise das Gericht Kenntnis vom Inhalt des Berichts erhalten hat (BGH NJW 1958, 559 u. BGH Urteil vom 18.6.1959 - 2 StR 215/59; OLG Koblenz OLGSt zu $ 338 StPO S. 20; Dallinger/Lackner 33). Nach den Erfahrungen der Praxis können in aller Regel in abgewogenem Zwiegespräch zwischen Vorsitzendem und Angeklagten - also nicht etwa durch Vortrag des Vorsitzenden unter dem Anschein eines Vorhalts (Löwe/Rosenberg/Gollwitzer § 250 StPO 14) und auch nicht durch drängendes Hineinreden - anhand der tatsächlichen Informationen aus dem Bericht die Entwicklung der Persönlichkeit des J und dessen Beziehungen zur Umwelt in die Hauptverhandlung eingeführt werden. So kann eine meist ungute förmliche Zeugenvernehmung des Vertreters der JGH und damit eine mögliche Erschwerung seiner Arbeit vermieden werden, so daß er nur noch formlos - wertend und beratend - tätig zu werden braucht (vgl. Rn 14 a). 8.

Kein Zeugnisverweigerungsrecht

14 Der JGerichtshelfer hat kein Zeugnisverweigerungsrecht (Eisenberg NStZ 86, 309 unter Hinweis auf Ausnahmefälle nach Art. 2 iVm Art. 11GG; Dallinger/Lackner 38; Schaffstein/Beulke S.214; Walter Zbl. 73, 495). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 33, 367 = NJW 72, 2214) hat ein allg. Zeugnisverweigerungsrecht des Sozialarbeiters und damit auch des JGHelfers verneint (vgl. auch BVerfGE 44,353; zustimmend Foth JR 76, 7 angesichts des Postulats der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Strafrechtspflege). Ein Zeugnisverweigerungsrecht widerspräche der bes. verantwortungsvollen Aufgabe der JGHelfer und deren Einbau in das JGG, da die JGHelfer neben der erz. und nachgehenden Betreuung ein objektives, vollständiges und zutreffendes Persönlichkeitsbild zu ermitteln und weiterzugeben haben, um dem Richter eine kriminologische Diagnose zu ermöglichen (Füllkrug BewH 88, 249). Ein Zeugnisverweigerungsrecht widerspräche auch dem gesetzlichen und dienstlichen Auftrag des JGHelfers und würde zum Nachteil des J die Erkenntnismöglichkeiten der Persönlichkeitserforschung erheblich erschweren. Mit ausgewähltem Teilvortrag aber wäre weder der Sache noch dem Richter gedient. Ebenso Brachold 1999 S. 95; Kaiser JRecht u. JKriminalität, 1973 S. 183; MombergDiss. 1982 S. 323; Ullrich Arbeitsanleitung S. 25; nAHauberZb], 80, 515; vgl. hierzu auch Rn5 aE. Auch der Vorschlag, wegen eines Zeugnisverweigerungsrechts betreuende und ermittelnde Tätigkeit zu trennen (2 Personen erforderlich!), bringt deutliche Nachteile (näher Momberg aaO S. 324). Eine Verweigerung der Aussagegenehmigung nach $ 54 StPO kommt nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen in Betracht, denn durch eine generelle Nichterteilung der Genehmigung würde die gesetzliche Entscheidung gegen ein Zeugnisverweigerungsrecht umgangen (Laubenthal 1993 S. 132; vgl. auch Brachold 1999 S. 105 f; Füllkrug BewH 88, 325; weitergehend Ostendorf 10, nach dem die Aussagegenehmigung zu verweigern ist, wenn nur im Vertrauen auf den Geheimnisschutz 312

Jugendgerichtshilfe Tatsachen mitgeteilt wurden). Vgl. auch R n l 4 a . Hierbei ist auch z u bedenken, d a ß das Strafgericht faktisch an eine derartige Behördenentscheidung gebunden ist, d e n n Rechtsschutz gegen die Verweigerung der Aussagegenehmigung gewährt n u r das Verwaltungsgericht (Ziegler DRiZ 89, 11). Dem Lösungsversuch Steins (BewH 82, 174 u. 87, 153) über das Sozialgeheimnis (§ 35 SGB) steht jetzt S 61 III SGB VIII entgegen. Der Versuch, den Rollenkonflikt des JGHelfers durch ein Zeugnisverweigerungsrecht zu beseitigen, würde z u d e m durch d e n dadurch letztlich verursachten Wegfall der Ermittlungsfunktion zu teuer erkauft (vgl. Schaffstein FS Dünnebier, 1982 S. 667). Füllkrug (BewH 88, 327) sieht de lege ferenda gewichtige Argumente f ü r ein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich von Umständen, die nicht Gegenstand des Ermittlungsberichtes sind. Ein Zeugnisverweigerungsrecht f ü r Suchtberater ist seit 1992 in $ 53 I Nr. 3 b StPO verankert. Für ein Zeugnisverweigerungsrecht f ü r Aidsberater de lege ferenda Franck Strafverfahren gegen HIV-Infizierte, 2001 S. 156 ff. Das VG Schleswig-Holstein (Zbl. 87, 539) h a t es zugelassen, einem JGHelfer die 14 a Aussagegenehmigung zu versagen, weil er als Zeuge zu einer ihm vom Angeklagten vertraulich gemachten Angabe gehört werden sollte, die einen Mitangeklagten, der sich i h m ebenfalls anvertraut hatte, belasten würde. In eine solche Situation zu geraten, sollte der JGHelfer möglichst vermeiden. Das VG hat darauf hingewiesen, daß im Einzelfall bes. Umstände auch gegen eine derartige Versag u n g sprechen könnten. Ist es unumgänglich (Rn 13), den JGHelfer als Z e u g e n (Aussagegenehmigung 14 b beachten) zu vernehmen, so sollte dies mit Takt u n d Verständnis für seine Arbeit geschehen. Der Angeklagte kann während der Zeugenvernehmung - oder auch des Vortrags - im Interesse der Arbeit des JGHelfers n u r dann ausgeschlossen werden, wenn sonst Nachteile f ü r seine Erziehung entstehen k ö n n t e n ($ 51, 2). Eine solche Ausschließung k a n n der JGHelfer auch anregen. Der gesetzliche Vertreter oder Angehörige k ö n n e n im Interesse der JGH ohne diese Einschränkung ausgeschlossen werden ($ 51, 6). Es sollte aber stets abgewogen werden, ob nicht gerade eine solche Ausschließung zu Mißtrauen Anlaß gibt, das Gericht belastet u n d die weitere Arbeit der JGH erst recht erschwert. Der Vorschlag, d e n JGHelfer als Sachverständigen oder sachverständigen Zeugen zu hören, w ü r d e die Problematik nicht entschärfen; im übrigen ist er kein „Sachverständiger" (dazu $ 43, 15 ff). 9.

Überwachende Tätigkeit

Die JGH überwacht die Befolgung der Weisungen u n d der Auflagen (Abs. II 5, vgl. 15 § 10, 21; § 15,14; § 45, 36; Brunner Zbl. 73, 58), auch w e n n sie vor der Erteilung nicht gehört wurde; denn ein solcher Verfahrensverstoß kann die rechtskräftige gerichtliche Anordnung nicht unbeachtlich machen (Dallinger/Lackner 43, 44; aA Potrykus B 8). Die JGH m u ß ihre Verpflichtung nach Abs. II 5 auch d a n n erfüllen, wenn sie die Sanktion pädagogisch nicht f ü r sinnvoll hält (DIV-Gutachten v. 313

2. Teil. Jugendliche 16.3.1993, Zbl. 93,257), kann aber in diesem Fall eine Änderung der Maßnahme anregen. Die JGH muß dem JRichter nur von schweren Verstößen des J berichten (Abs. II 6) und kann bei leichteren selbst ermahnen. Die Überwachung soll dem J helfen und dient nicht nur dazu, erhebliche Verstöße dem Richter mitzuteilen, sondern ermöglicht es bei geänderten Umständen auch, die Änderung oder Ersetzung von nicht mehr wirksamen oder gar schädlich gewordenen Weisungen anzuregen. - Die JGH tritt jedoch hinter die BewHilfe zurück, wenn eine solche besteht (Abs. II 5). Die Aufgaben nach Abs. II 1, 2 verbleiben aber der JGH, auch bei laufender BewHilfe (Abs. II 5 „soweit"), was insbes. für den Bericht gilt. Während der BewZeit unterstützt sie den BewHelfer auf allen Gebieten nach besten Kräften (Abs. n 8; § 25, 8). Auch wenn die BewHilfe dem JAmt übertragen ist, sollten JGHilfe und BewHilfe doch von verschiedenen Personen durchgeführt werden (zust. Eisenberg 18). Wird die BewHilfe der JGH übertragen, steht ihr dagegen keine Beschwerde zu; sie kann nur Gegenvorstellung erheben oder bei der StA die Beschwerdeeinlegung anregen (OLG Frankfurt NStZ-RR 96, 251). Im Falle der Unterstellung unter einen Betreuungshelfer (§ 10 I Nr. 5) betreut und beaufsichtigt stets die JGH, falls nicht der Richter eine andere Person damit betraut (Abs. II 7; $ 10,10 a). 10.

Nachgehende Betreuung

16 Schließlich geht Hilfe und Betreuung von Anfang an (Rn4b u. c) in die sog. nachgehende Betreuung über, um dem Täter die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern und ihm notwendigen Beistand zu leisten (Brunner Zbl. 73, 58; Lindemann Kriminalistik 65, 38). Hierzu gehört auch die Belehrung über das registerliche Verschweigungsrecht (Vor $ 97,11, 26). Der Kontakt sollte möglichst auch während der Zeit der Strafverbüßung aufrechterhalten werden (Abs. II 9; Lindemann JWoM 63,406; Ullrich RdJ 56,76; Wehner Zs. f. d. Fürsorgewesen 63, 229). - Nach Nr. 27 der ländereinheitl. erlassenen Vollzugsgeschäftsordnung v. 1.7.1976 (zB BayJMBl. 76, 339) ist von JStrafanstalt und ErwVollzugsanstalt die Aufnahme und die Änderung der Strafzeit mitzuteilen, wenn deren Ende vor Vollendung des 21. Lebensjahres liegt. Im übrigen gilt das § 25,4 für die BewHilfe Gesagte hier entsprechend. Auch nach Beendigung der Vollstreckung kann der JGHelfer den J weiterhin betreuen. 11.

Die Heranwachsenden

17 Die JGH wirkt in gleicher Weise auch in Verfahren gegen Hw. mit (SS 107,1091; BGH 27, 251; OLG Köln NStZ 86, 570), falls es nicht nur um Ordnungswidrigkeiten geht (Rn 9). Dabei ist unerheblich, ob der Hw. zwischenzeitlich erw. geworden ist (BGH 6, 354; BGH Martin DAR 65, 59; BGH StV 82, 336) oder es bei einem Teilakt einer einheitlichen Handlung bereits war (Dallingerß^ackner 14; Eisenberg 13 je bei § 107). Lehnt die JGH bei Weigerung eines Hw. ein Tätigwerden ab, so handelt sie rechtswidrig (OLG Köln aaO; Rn 19 a u. b). Wesentlich erscheint 314

Jugendgerichtshilfe

die rechtzeitige Einschaltung (ev. fernmündlich) und Äußerung der JGH, wenn gegen Hw. eine informelle Erledigung nach $$ 45, 47 in Frage kommt ($ 109, 5). S 109 I 2 erlegt es dem Gericht auf, die JGH von Einleitung und Ausgang eines Verfahrens gegen einen Hw. zu unterrichten, da $ 70 nur bei J Anwendung findet (S 109 I 1). Dies ist in Anbetracht der Gesamteinschaltung der JGH auch in Verfahren gegen Hw. nicht von bes. Bedeutung. Ebenso liegt die in $ 109 I 3 normierte Pflicht der JGH, den StA von weiteren ihr bekanntgewordenen Verfahren gegen einen beschuldigten Hw. zu unterrichten, bereits in ihrem Aufgabenbereich (J 38), um die erwünschte erz. Gesamtbereinigung zu fördern. Auch im Verfahren gegen hw. Soldaten wirkt die JGH mit (OLG Schleswig EJF CI 47). Auch gegen Hw. besteht der subsidiäre ErzAuftrag des Staates fort (BVerfGE 74, 125; dazu Brunner Zbl. 87, 257; Ostendorf EzSt JGG 10 Nr. 1; Einf. II 11). Die Hilfen der JGH gehen aber von den erz. mehr zu den Sozialisationshilfen über; bei Anwendung von ErwStrafrecht beschränken sie sich auf letztere. Zu den Leistungen der JHilfe an junge Erw. vgl. $ 41 SGB VIII. Der JGHelfer muß bei Hw. über Persönlichkeit, Entwicklung und Umwelt auch 18 dann ermitteln (Rn 11), wenn voraussichtlich allg. Recht angewendet wird. Denn die nach $ 105 zu treffende Entscheidung kann - von seltenen Ausnahmen abgesehen (BGH 6,329; § 105,15) - nur nach eingehenden, grds. der JGH übertragenen Ermittlungen getroffen werden. Auch bei Anwendung allg. Rechts kann der Bericht der JGH für die Ermessensentscheidung nach $ 106 große Bedeutung haben (vgl. § 106; 5; $ 107, 1 aE), sonst für die allg. Strafzumessung. Der JGHelfer ist berechtigt und verpflichtet, auch die Eltern des volljährigen 19 Hw. zu hören, denn § 1 0 9 1 1 erstreckt das Gebot des $ 43 ausdrücklich auch auf diese Gruppe und die $$ 107,38 in verlangen die Heranziehung der JGH auch bei Hw. (BGH 27, 250). Manche Hw. werden sich gegen die Anhörung ihrer Eltern sperren, sei es mehr vordergründig im Zuge des Ablösungsprozesses, sei es aus anderen Gründen. Ein ruhiges klärendes Wort wird hier oftmals weiterhelfen können. Im Vordergrund steht aber nicht der durchaus legitime Schutz der Privatsphäre des Hw., sondern dessen objektivierbares Interesse. An die Zustimmung des Hw. darf und kann deshalb die Anhörung seiner Eltern gerade in seinem wohlverstandenen Interesse und um ihm die im JGG verankerten Hilfen zu sichern, nicht gebunden werden (vgl. dazu LG Bonn NStZ 86, 40). Ohne eine gewisse Information über den Tatverdacht werden die Eltern oftmals nicht bereit sein, sich zu äußern, zumindest wird es schwierig sein, über Allgemeines hinaus gerade das Wesentliche zu erfahren. Den Grund der Anhörung zu verschweigen, wäre unfair den Eltern gegenüber und uU nicht unbedenklich im Interesse der Sache und des Hw. Teilt der JGHelfer den Eltern den Tatverdacht mit, so macht er sich als staatlich anerkannter Sozialarbeiter (§ 203 I Nr. 5 StGB), als Amtsträger beim Jugendamt (Abs. II Nr. 1) oder als Praktikant (Abs. in S. 1) nicht wegen Verletzung von Privatgeheimnissen nach $ 203 StGB strafbar, solange er nicht verbotene Mittel anwendet oder zulässige mißbraucht (näher Brunner Zbl. 77,366; ebenso Janssen Hw. im JStrafverfahren, 1980 S. 65 ff, insbes. 68). Entziehen sich die 315

2. Teil. Jugendliche Eltern gleichwohl einer Anhörung, bleibt die Heranziehung von Akten u n d die A n h ö r u n g anderer Personen aus dem persönlichen N a h r a u m des Hw. Letztlich kann der Richter jederzeit die Eltern als Zeugen vernehmen, aber auch an ihrem Zeugnisverweigerungsrecht scheitern. Bei Hw., auf die JRecht nicht angewandt wurde, wird die erz. oft durch eine fürsorgerische Betreuung ersetzt werden müssen. 19 a

Lehnt d i e JGH e i n Tätigwerden e n t g e g e n i h r e m Gesetzesauftrag ab, so handelt sie rechtswidrig, u n d das Gericht h a t d e m zB durch Beschlagnahme von Unterlagen, Ladung des JGHelfers als Zeugen oder Dienstaufsichtsbeschwerde entgegenzuwirken (OLG Köln NStZ 86, 570; LG Trier NStZ-RR 00, 250 in Rn 19 b). Zunächst sollte aber das Gespräch m i t der JGH gesucht werden. Eine Einstellung des Verfahrens nach $ 260 III StPO, welche der Angeklagte sonst jederzeit herbeiführen könnte, k o m m t nicht in Betracht. Dazu Rn 8 aE. 12.

19 b

D e r Datenschutz des SGB VIII

StA u n d JRichter können ihre Aufgaben iSd ErzAuftrags des JGG (Einf. II 4 - 1 1 , bes. 10) n u r d a n n erfüllen, die Rechtsfolgen n u r d a n n gezielt und abgewogen auf den einzelnen J u n d Hw. abstellen, wenn sie über die nötigen Informationen, die vorwiegend sensible und schutzwürdige Daten sind, verfügen. Diese - im wohlverstandenen Interesse des J - beizubringen, ist Aufgabe vor allem der JGH, die andererseits d u r c h deren Weitergabe das gewünschte Vertrauensverhältnis, das erst Hilfe ermöglicht, stören u n d gefährden k a n n . Mit dem Inkrafttreten des SGB VIII a m 1 . 1 . 1 9 9 1 wurde streitig, ob die Datenschutz Vorschriften d e r SS 61 ff SGB VIII die JHG bei der Erhebung u n d Übermittlung personenbezogener Daten an den Willen des J binden (dazu 9. Aufl. u. die Beiträge von Dötting u . Mörsbergcr in BMJ 1991). Das a m 1.4.1993 in Kraft getretene 1. G z u r Änderung des SGB VIII h a t durch E i n f ü g u n g eines neuen Abs. III in § 61 SGB VIII iSd 9. Aufl. klargestellt, d a ß der JGHelfer D a t e n auch o h n e E i n w i l l i g u n g d e s J oder Hw. bei a n d e r e n P e r s o n e n e r h e b e n und an StA u n d JRichter weitergeben darf. Nach $ 61 i n hF SGB VIII gelten nämlich für die Erhebung, Verarbeitung u n d N u t z u n g personenbezogener Daten durch das JAmt bei der M i t w i r k u n g im JStrafverfahren die Vorschriften des JGG. Danach (vgl. im einzelnen Dötting BewH 93, 128; kritisch zur Neuregelung Kiehl NJW 93, 1052 f) h a t die JGH g e m ä ß $ 38 II u n t e r Vermeid u n g unverhältnismäßiger Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des J, aber o h n e Bindung a n dessen Willen, die Daten zu erheben, die nach fachkundigem Urteil f ü r die Berichterstattung erforderlich sind. $ 38 II ist eine verfassungsrechtlich ausreichende Ermächtigungsgrundlage f ü r die E r h e b u n g personenbezogener Daten o h n e Einsatz von Zwangsmitteln (aA DSS/Sonnen 12; Maas Zbl. 94,70). Daten, die das JAmt auf anderen Gebieten der JHilfe zusammengetragen hat, d ü r f e n f ü r die Berichtstätigkeit der JGH n u r unter den Voraussetzungen der §§ 691 Nr. 1 SGB X, 64, 65 SGB VIII verwendet werden (Bex DVJJ-J 00,412). D a t e n s p e i c h e r u n g ist in den Grenzen des Erforderlichen zulässig; f ü r die Z u s a m m e n f ü h r u n g mit auf anderen Gebieten der JHilfe erhobenen Daten gilt § 63 Abs. 2 SGB VIII. Auch die 316

Jugendgerichtshilfe

Datenübermittlung von der JGH an StA und JRichter findet ihre Grundlage in SS 61 in SGB VIII, 38 II. Die JGH hat danach alle Umstände mitzuteilen, die nach fachlicher Beurteilung für die justizielle Entscheidung von Bedeutung sind. Sie ist hierbei nicht an den Willen des J gebunden ($ 65 SGB VIII findet insoweit keine Anwendung, LG Trier NStZ-RR 00, 250 = Zbl. 00, 398 mit abl. Anm. Eisenberg = DVJJ-J 00,186 mit abl. Anm. Sonnen u. Krahmer DVJJ-J 00,314 u. krit. Besprechung Bex DVJJ-J 00, 413), hat ihn aber vor der Datenerhebung über ihre Aufgaben aufzuklären, so daß der J in voller Kenntnis der Rechtslage entscheiden kann, ob er der JGH Informationen geben will. Kommt die JGH ihrer Verpflichtung zur Datenübermitdung nicht nach, kann sich die Justiz die Daten notfalls unter Beachtung der $§ 54, 96 StPO und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch strafprozessuale Zwangsmaßnahmen verschaffen (vgl. LG Trier aaO; s. auch LG Bonn NStZ 86,40 mit abl. Anm. Eisenberg NStZ 86,307 u. OLG Köln NStZ 86, 570, die - allerdings vor Inkrafttreten des SGB VIII - angenommen haben, $ 35 SGB I finde auf das Verhältnis JGH-JGericht keine Anwendung; dagegen LG Hamburg NStZ 93, 401 mit zust. Anm. Dölling). Die Beschlagnahme eines im Rahmen der JHilfeaufgaben des JAmts zur JAmtsakte gelangten ärztlichen Krankenberichts ist nach SS 611 SGB VIII, 35 SGB 1,691 Nr. 1, 761 SGB X unzulässig, wenn nicht der Arzt selbst offenbarungsbefugt wäre (LG Hamburg aaO). In den Grenzen des Erforderlichen darf die JGH Daten an freie Träger weitergeben, die auf der Grundlage von S 38 I Aufgaben der JGH wahrnehmen oder an der Verwirklichung jstrafrechtlicher Rechtsfolgen (zB Täter-Opfer-Ausgleich) mitwirken. An BewHilfe und Vollzug darf die JGH nach S 38 II 8 und 9 für die Wiedereingliederungsbemühungen bedeutsame Daten übermitteln. 13.

Arbeit der Polizei und der Sozialarbeiter im Vorfeld; Krisenintervention

Wesentliche - allerdings umstrittene (Rn21) - Hilfen, nicht nur allg. im prä- 20 justiziellen Bereich, sondern gezielt im Vorfeld polizeilichen Eingreifens, können JBeamte der Polizei und Sozialarbeiter leisten. Die Polizeibehörden erproben an manchen Orten Formen „unkonventioneller Prävention" nicht ohne Erfolg. Die rechtlichen Voraussetzungen hierzu sind recht kompliziert, gestatten aber sinnvolles Eingreifen (Schreiber in Schwind/Berckhauer/Steinhilper, Hrsg., Präventive Kriminalpolitik, 1980 S.380). JBeamte, polizeiliche Sachbearbeiter in JFragen, nehmen in München seit 1970 im polizeilichen „Voreingriffsbereich" Kontakt zu J, insbes. zu j. Randgruppen, auf und leisten in enger Zusammenarbeit mit Streetworkern und Freizeitheimen des JAmtes präventive Hilfe. Der Beamte muß sich hierbei im Rahmen der rechtlichen Bindungen eines Polizeivollzugsbeamten und Hilfsbeamten der StA, insbes. des Legalitätsprinzips, halten. In einem Modellversuch in Hannover „Präventionsprogramm Polizei/Sozialarbeit 21 (PPS)" wurden ab August 1979 Sozialarbeiter im Handlungsfeld der Polizei eingesetzt. Sechs Sozialarbeiter, die nahezu rund um die Uhr bei einem Polizeirevier und bei der Kriminalpolizei arbeiten, haben die Aufgabe, tatnahe und auf 317

2. Teil. Jugendliche die Problemsituation ausgerichtete psychosoziale Hilfe z u leisten (Krisenintervention), Gefährdungsmomente zu erkennen, zu prüfen, ob weitere Betreuung geboten ist, u n d ggf. geeignete soziale Dienste zu vermitteln. Schwerpunkte der Arbeit liegen bei Kindern u n d J, Alkohol- u n d Drogengefährdeten, Familienstreitigkeiten u n d Suizidproblemen. Vgl. die Projektbeschreibung von Wilhelm-Räss in Schwind/Berckhauer/Steinhilper aaO, S.405; Steinhilper Kriminalistik 83, 105. Ausführlich 8. Aufl. R n 20-22. Nach Folberth (DVJJ-J 94, 333) h a t sich die Zusammenarbeit zwischen Polizei u n d Sozialarbeit soweit bewährt, daß die „Kontaktstelle PPS" in Hannover zur Dauereinrichtung geworden ist. Zu d e n in SachsenAnhalt bei der Polizei eingerichteten sozialpädagogischen JBeratungsstellen m i t positiver Beurteilung Enke DVJJ-J 98, 24. Ostendoif (§43, 8) hält zwar ein wechselseitiges Verständnis von Polizei u n d Sozialarbeit für wünschenswert, spricht sich aber dagegen aus, die grds. Aufgabent r e n n u n g von Polizei und JGH im Wege einer institutionellen Zusammenarbeit zu überbrücken, weil darin ein Vertrauensbruch bzw. Vertrauensverlust der Sozialarbeiter z u ihren Klienten angelegt sei. In der Tat müssen die jeweiligen Aufgaben von Polizei u n d Sozialarbeit möglichst klar bestimmt sein u n d darf es nicht zu Aufgabenverwischungen kommen. Die vielfältigen mit JKriminalität verbundenen Probleme stehen jedoch miteinander im Zusammenhang. Es ist deshalb sinnvoll, wenn die u n t e r verschiedenen Aspekten mit JDelinquenz befaßten Institutionen bei klarer Aufgabentrennung vor Ort miteinander kooperieren u n d sich abstimmen (Dölling in DVJJ, Hrsg., Sozialer Wandel u. JKriminalität, 1997 S. 325). Z u einem Vertrauensverlust bei den Klienten der Sozialarbeit m u ß dies insbes. d a n n nicht führen, wenn diese Problematik gesehen u n d berücksichtigt wird. Z u m Verhältnis zwischen Polizei u. Sozialarbeit vgl. auch Krafeld ua DVJJ-J 9 8 , 3 4 2 ; Haunstein/Schendel DVJJ-J 98,345; Arbeitsstelle Kinder- u. JKriminalitätsprävention (Hrsg.) Schnelle Reaktion, 2001. 2 2 In der e h e m a l i g e n DDR ist eine JHilfe f ü r gefährdete Kinder u n d J mit hauptamtlichen JFürsorgern, überwiegend JFürsorgerinnen (in der gesamten DDR ca. 1900) tätig geworden. Diese JHilfe wurde aber n u r im Einzelfall auf ausdrückliches Ersuchen der Untersuchungsorgane am JGerichtsverfahren beteiligt. In diesem bes. Falle entsprachen ihre Aufgaben annähernd denen der JGH (näher Ertelsberger/Reinecke DVJJ-Rundbrief 1990 Nr. 131 S.50, 52, 53). N u n m e h r gelten auch in d e n neuen Ländern die $§ 3 8 , 4 3 .

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Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters

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Zweiter Abschnitt Zuständigkeit S 39 Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters (1) Der Jugendrichter ist zuständig für Verfehlungen Jugendlicher, wenn nur Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel, nach diesem Gesetz zulässige Nebenstrafen und Nebenfolgen oder die Entziehung der Fahrerlaubnis zu erwarten sind und der Staatsanwalt Anklage beim Strafrichter erhebt. Der Jugendrichter ist nicht zuständig in Sachen, die nach $ 103 gegen Jugendliche und Erwachsene verbunden sind, wenn für die Erwachsenen nach allgemeinen Vorschriften der Richter beim Amtsgericht nicht zuständig wäre. S 209 Abs. 2 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. (2) Der Jugendrichter darf auf Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nicht erkennen; die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf er nicht anordnen. 1. Hw.-J: S 108 I; sonstige Hw. $ 108 II; - 2. [ErwG]: § 41, 5. Anmerkungen und Richtlinie hierzu siehe nach §41.

$ 40 Sachliche Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts (1) Das Jugendschöffengericht ist zuständig für alle Verfehlungen, die nicht zur Zuständigkeit eines anderen Jugendgerichts gehören. $ 209 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. (2) Das Jugendschöffengericht kann bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen die Entscheidung der Jugendkammer darüber herbeiführen, ob sie eine Sache wegen ihres besonderen Umfangs übernehmen will. (3) Vor Erlaß des Übernahmebeschlusses fordert der Vorsitzende der Jugendkammer den Angeschuldigten auf, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen will. (4) Der Beschluß, durch den die Jugendkammer die Sache übernimmt oder die Übernahme ablehnt, ist nicht anfechtbar. Der Übernahmebeschluß ist mit dem Eröffnungsbeschluß zu verbinden. 1. Hw.-J: § 108 I; § 108, 1, 2; sonstige Hw. § 108 I-III; [ErwG]: $ 41, 5. Anmerkungen und Richtlinie hierzu siehe nach $ 41.

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SS 39-41

1. Teil. Jugendliche

S 41 Sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer (1) Die Jugendkammer ist als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig in Sachen, 1. die nach den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung des $ 7 4 e des Gerichts Verfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehören, 2. die sie nach Vorlage durch das Jugendschöffengericht wegen ihres besonderen Umfangs übernimmt (§ 40 Abs. 2) und 3. die nach § 103 gegen Jugendliche und Erwachsene verbunden sind, wenn für die Erwachsenen nach allgemeinen Vorschriften eine große Strafk a m m e r zuständig wäre. (2) Die Jugendkammer ist außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Jugendrichters und des Jugendschöffengerichts. Sie trifft auch die in § 73 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Entscheidungen. 1. Hw.-J: § 108 I; sonstige Hw. § 41 RL 3; $ 108 III; - 2. [ErwG]: $ 41, 5. Richtlinie zu SS 39 bis 41:

Die Entscheidung der Jugendkammer nach § 40 Abs. 2 kann nicht die Staatsanwaltschaft oder der Angeschuldigte, sondern nur der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts herbeiführen. Für die Übernahme werden namentlich Strafsachen in Betracht kommen, die wegen der großen Anzahl von Beschuldigten oder Zeugen von einem Berufsrichter allein nicht sachgemäß erledigt werden können.

Übersicht Vorbemerkungen 1. Sachliche und funktionelle Zuständigkeit 2. Anklage zum Jugendrichter 3. Anklage zur Jugendkammer 4. Anklage zum Oberlandesgericht 5. Anklage zum Jugendschöffengericht 6. Strafbann des Jugendrichters nach Eröffnung des Hauptverfahrens 7. Das sachlich unzuständige Jugend- oder Erwachsenengericht vor Eröffnung des Hauptverfahrens 8. Das sachlich unzuständige Jugend- oder Erwachsenengericht nach Eröffnung des Hauptverfahrens, aber außerhalb der Hauptverhandlung 9. Das sachlich unzuständige Jugend- oder Erwachsenengericht in der Hauptverhandlung 10. Besondere Übertragungsmöglichkeiten 11. Jugendkammer als Berufungs- und Beschwerdegericht 12. Zuständigkeit zur Einheitsstrafenbildung

Vorbemerkungen 1 Auf die S§ 209, 209 a, 225 a, 270 StPO, $ 74 e GVG wird hingewiesen. 320

Rn

1 4 7 10 14 15 18 19

26 29 34 36 41

Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters

$s 39-41

SS 33,107 setzen JGerichte für Verfahren gegen J und Hw. ein. Die Frage, wann ein allg. Strafgericht gegen J und Hw. tätig werden kann, ist in den SS 102,103,112, der umgekehrte Fall in S$ 103,112 und SS 209 a, 225 a, 270 StPO, SS 2 6 , 7 4 b GVG behandelt. Die Folgen einer Überschreitung dieser Abgrenzung zwischen J- und ErwGericht werden bei $ 33, 20 a und S 47 a, 1, 3, 5 erörtert. Ob das allg. Strafgericht oder das JGericht zur Entscheidung berufen ist, muß neben und unabhängig von der sachlichen (SS 39-41, 108), örtlichen (SS 42,108) und allg. funktionellen (Rn 14) Zuständigkeit geprüft werden. Die Schwergewichtsentscheidung des S 32 berührt die Zuständigkeit der JGerichte nicht (S 32, 3 a). Wie im allg. Recht ist auch im JRecht das höhere Gericht zuständig, wenn „ein 2 nicht allzu fern liegender Verdacht einer Tat" besteht, für welche die Zuständigkeit dieses Gerichts gegeben ist (BGH GA 62, 149); entsprechend ist die Zuständigkeit des höheren Gerichts auch dann gegeben, wenn eine nicht allzu fern liegende Möglichkeit besteht, daß Strafen oder andere Maßnahmen verhängt werden, über deren Anordnung das höhere Gericht befinden soll (Rn 7). Auch im JRecht ist durch den nicht angefochtenen Beschluß, das Gericht sei 3 sachlich oder örtlich nicht zuständig (= Unzuständigkeitserklärung), nur dieses Gericht gebunden. Anklage zu einem Gericht gleichen Ranges an einem anderen Ort bleibt zulässig (BGH 18, 1). 1.

Sachliche und funktionelle Zuständigkeit

Die JGerichte haben in Verfahren gegen J eine andere sachliche Zuständigkeit als 4 die ErwGerichte. Diese bes. Zuständigkeit besteht auch für Verfahren gegen Hw., auf die JRecht anzuwenden ist. Dagegen gilt für die sachliche Zuständigkeit auch bei Hw. allg. Recht, wenn sie nach ErwRecht abzuurteilen sind (S 108, 1), die Zuständigkeit der JGerichte an sich bleibt aber unberührt (OLG Karlsruhe GA 75, 27). Bei zu einem Verfahren gegen J und Hw. verbundenen Erw. aber ist die Zuständigkeit der JGerichte nach $ $ 3 9 1 2 und 4 1 1 Nr. 3 modifiziert, weil sich die Zuständigkeitsbereiche von JRichter und ErwRichter auf der Ebene des AG nicht decken (Rn 8 u. 12). Auch im JSchutzverfahren gilt die sachliche Zuständigkeit des allg. Rechts (Anhang $ 125 Rn4a). Die $S 39 und 40 I sind für das ErwGericht von geringer Bedeutung, weil nach 5 S$ 102, 103 II 2, 112 S. 1 für J und Hw. nur noch die Wirtschaftsstraf- oder die Staatsschutzkammer unter ganz bestimmten Voraussetzungen zuständig sein können (S 103, 6; $ 112, 1). Zu einem Ausnahmefall vgl. $ 80, 7. Die Schwurgerichts-Strafkammer hat nie die Schwurgerichtszuständigkeit der JKammer (Rn 10). Die SS 4 1 1 Nr. 2, II, 40 II-rv gelten nur für das Verfahren vor JGerichten (vgl. Dallinger/Lacktier$ 104,6 u. 34). Die Zuständigkeit des BayObLG und der OLG als Gerichte 1. Instanz bestimmt sich nur nach allg. Recht ($$ 102 S. 1, 33 II). Im OWiG-Verfahren gilt S 68 II OWiG; dazu Rn 9; im JSchutzverfahren $$ 2612, 74 b S. 2 GVG.

321

SS 3 9 - 4 1 6

2. Teil. Jugendliche

Die funktionelle Zuständigkeit ist im JRecht - mangels abweichender Regelung - die gleiche wie im allg. Recht (§ 2; zust. Eisenberg $ 39, 6), so der Instanzenzug (Rn 39), die Zuständigkeiten im Vorverfahren und für Rechtshilfe ($ 34,2). $ 41 II ist an sich überflüssig (DallingerßMtkner $ 41,12), ebenso insoweit $ 341. 2.

Anklage zum Jugendrichter

7 Die Anklage wird zum JRichter (§ 39 I) erhoben, wenn nur ErzMaßregeln (§ 9), Zuchtmittel ($ 13), nach § 6 zulässige Nebenstrafen und -folgen oder Entziehung der Fahrerlaubnis (SS 69 ff StGB) zu erwarten sind; also nicht, wenn JStrafe (mit oder ohne Aussetzung zur Bew.), die Aussetzung der Verhängung der JStrafe oder Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Rn 15, 16) in Betracht kommt. Für die Frage der Zuständigkeit des J(einzel)Richters gilt § 39 I, nicht $ 39 II; schon bei Zweifeln ist der JRichter nicht zuständig (vgl. auch § 108, 1; Dallinger/Lackner § 39,4,5; Eisenberg § 39,8;Pofr)'fcuiNJW57,1135; Roes«/NJW 66, 334; konkrete Betrachtungsweise). Ist an sich die Zuständigkeit des JRichters gegeben, liegt es doch noch im Ermessen des JStA, ob das Verfahren vor den JRichter oder vor das JSchöffengericht kommt. Bei Taten von größerem Gewicht (fahrlässiger Tötung) oder größerem Umfang oder Aufsehen in der Öffentlichkeit sollte stets zum JSchöffengericht angeklagt werden. Sonst aber - und zwar auch bei Verbrechen - verdient das schnellere Verfahren vor dem JRichter auch deshalb den Vorzug, weil hier die Einheit JRichter - Familien-/Vormundschaftsrichter (S 34, 3) häufig gewahrt ist. Aus dem Grundsatz der Einheitsstrafenbildung ergibt sich, daß Taten, für die an sich der J(einzel)Richter zuständig wäre, zum JSchöffengericht anzuklagen sind, wenn dort schon ein Verfahren anhängig ist oder wird (Rn 41; falls nicht Einstellung gem. $S 45, 47 JGG, 153, 154 StPO oä in Betracht kommt). 8 Nach $ 103 II 1 kommen Verfahren, bei denen Sachen gegen J (Hw.) mit solchen gegen Erw. verbunden sind, stets vor die JGerichte, wenn nicht die in S 103 II 2,3 statuierten - hier nicht interessierenden - Ausnahmen eingreifen. Da der Erw. aber Anspruch darauf hat, vor ein jGericht zu kommen, das der funktionellen Ordnung des ErwGerichts entspricht (vgl. S 33, 5; S 103, 5), darf auch der J(einzel)Richter nicht entscheiden, wenn für den zum Verfahren verbundenen Erw. nach den allg. Vorschriften die Zuständigkeit des ErwRichters beim AG überschritten wäre ($3912). Die Regelung des $ 3912 ist deshalb erforderlich, weil sich die Zuständigkeitsbereiche von JRichter und ErwRichter beim AG nicht decken, und entspricht auf der Ebene des Einzelrichters der Vorschrift des $ 4 1 1 Nr. 3 für den Zuständigkeitsbereich der JKammer. In solchem Fall führt die für den Erw. geltende Zustandigkeitsregelung auch den verbundenen J (Hw.) mit vor das JSchöffengericht oder die JKammer, was im Einzelfall die Prüfung anregen wird, ob die Verbindung wirklich notwendig und erz. sinnvoll ist (§ 1031; näher $ 103, 8). Zum Strafbann nach Eröffnung des Hauptverfahrens Rn 18. Für Erw. vgl. $ 47 a, 4 u. 5. 322

Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters

SS 3 9 - 4 1

Im OWiG-Verfahren sind die $$ 39, 40 nicht anwendbar, da $ 68 OWiG die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts in Bußgeldsachen abschließend bestimmt (.Göhler vor $ 67 OWiG 24; BGH 23, 79 für örtliche Zuständigkeit), auch für J und Hw. $ 41 ist nur für das Beschwerdeverfahren in Bußgeldsachen von Bedeutung (S 41 II 2, $ 7 3 1 G VG iVm $ 46 VII OWiG; näher Rn 40). Die Zuständigkeitsregelung des S 42 jedoch bleibt unberührt ($ 4 2 , 1 3 ) . 3.

9

Anklage zur J u g e n d k a m m e r

Zur JKammer kann nur in 3 Fällen angeklagt werden:

10

Gegen J und Hw. wegen Schwurgerichtssachen, die nach den allg. Vorschriften für Erw. zur Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer gehören (J 4 1 1 Nr. 1; $ 74 II GVG; zum Sicherungsverfahren Rn 13 a). Dies gilt schon dann, wenn insoweit ein nicht allzu fernliegender Verdacht besteht (BGH GA 6 2 , 1 4 9 ; Rn 2; Eisenberg 5; enger Ostendorf 3 j e zu § 41) und selbst, wenn bei Hw. voraussichtlich ErwStrafrecht zur Anwendung kommen und uü auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen sein wird. Sind Verfahren gegen J (Hw.) mit solchen gegen Erw. verbunden und würde die Strafsache des Erw. vor das allg. Schwurgericht gehören, so geht die Zuständigkeit der JKammer vor. Dieser Vorrang der Schwurgerichtszuständigkeit der J K a m m e r nach $ 4 1 1 Nr. 1 bleibt auch erhalten, wenn beim Erw. die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer oder der Staatsschutzkammer durch die ebenfalls bestehende des ErwSchwurgerichts nach $ 74e GVG verdrängt wird (Löwe/Rosenberg/Rieß 24. Aufl. $ 209 a StPO 29; Katholnigg NJW 7 8 , 2 3 7 6 ; Eisenberg 7; Ostendorf 3 j e zu § 41). Denn die Bezugnahme auf die Regelung des § 74 e GVG in $ 4 1 1 Nr. 1 stellt klar, daß in Verfahren, bei denen auch Erw. angeklagt sind, die sonst nach $ 103 II 2 vorgehende Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer und der Staatsschutzkammer ($ 103, 6) hinter die Schwurgerichtszuständigkeit der JKammer nach § 4 1 1 Nr. 1 zurücktritt. Auch der Erw. kann sich im Falle des § 103 II auf die Unzuständigkeit der Schwurgerichtskammer berufen (gesetzlicher Richter; BGH H MDR 80, 456). Zur JKammer ist auch dann anzuklagen, wenn bei Hw. voraussichtlich ErwStrafrecht zur Anwendung kommen wird, falls nach konkreter Betrachtung eine Freiheitsstrafe von m e h r als 4 Jahren zu erwarten ist ($ 108 III 2; OLG Hamm JMB1. NRW 54, 181; OLG Karlsruhe GA 75, 27).

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Schließlich ist zur JKammer anzuklagen, wenn bei nach $ 103 II verbundenen Verfahren gegen J (Hw.) und Erw. die Strafsache des Erw. nach den allg. Vorschriften in die Zuständigkeit einer großen Strafkammer fallen würde ($ 4 1 I Nr. 3). Der Erw. führt in derart verbundenen Verfahren die J (Hw.) dann in erster Instanz mit sich vor die JKammer, wenn ihm Verbrechen zur Last liegen, die nicht zur Zuständigkeit des AG oder des OLG gehören oder wenn ihm Straftaten angelastet werden, bei denen eine höhere Strafe als 4 Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (s. Rn 13 a) oder Sicherungsverwahrung zu erwarten ist (§ 7 4 1 GVG). Bei der Straferwartung ist die

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323

SS 39-41

2. Teil. Jugendliche

unter den konkreten Umständen den oberen Rand der Straferwartung bildende Strafe maßgeblich, damit ausreichender Spielraum für die Rechtsfolgenbemessung besteht und Verweisungen nach $ 2701 StPO vermieden werden (OLG Köln NStZ-RR 00, 314). Wenn der StA bei einem Erw. wegen der bes. Bedeutung des Falles hinsichtlich des Erw. Anklage beim LG erheben will (SS 241 Nr. 3,741GVG), sieht er, wie auch bei drohender Unterbringung, schon aus erz. Gründen dem jungen Mitangeklagten gegenüber besser von einer Verbindung ab (Ostendorf% 41, 5). 12 a Wenn aber in verbundenen Sachen für die Tat des Erw. die Wirtschaftsstrafkammer oder die Staatsschutzkammer zuständig ist, tritt die JKammer zurück und der Erw. zieht die mit ihm in einem Verfahren verbundenen J (Hw.) vor diese ErwStrafkammern mit ihrer bes. Zuständigkeitskonzentration (S 103 II S. 3, 2. HS; S 209 a StPO, S 74 e GVG; näherS 103,6). Die JKammer wird aber in solchen Fällen dann wieder zuständig, wenn eine Schwurgerichtssache die Zuständigkeit der ErwKammem nach S§ 74 c, 74 a GVG verdrängt ($ 411 Nr. 1 iVm $ 74 e GVG; Eisenberg $ 41, 7). Dies wird im Einzelfall zur Prüfung der Frage anregen, ob die Verbindung denn tatsächlich notwendig und erz. sinnvoll ist ($ 1031; näher $ 103, 8).

13 Letztlich kann die JKammer sich selbst dadurch zuständig machen, daß sie eine Sache nach Vorlage durch das JSchöffengericht wegen des bes. Umfangs übernimmt ($ 41 II Nr. 2; näher Rn 34). 13 a Liegt einem Hw. ein Verbrechen zur Last, für welches die Zuständigkeit der JKammer nach S 411 Nr. 1 gegeben ist, so entscheidet im Sicherungsverfahren über die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die JKammer ausschließlich (OLG Saarbrücken NStZ 85,93; OLG Düsseldorf JMB1. NRW 92,69). 4.

Anklage zum Oberlandesgericht

14 Das BayObLG und das OLG sind für alle in § 120 GVG aufgezählten Delikte zuständig und allen JGerichten gegenüber Gerichte höherer Ordnung. Es genügt ein nicht allzu fern liegender Verdacht (Rn2). Einheitsstrafenbildung Rn41. Die Staatsschutzkammer bei dem LG nach S 74 a GVG ist eine „bes. Strafkammer" mit gesetzlich bestimmter Geschäftsaufgabe, die für J und Hw. aber nicht zuständig ist, es sei denn zu dem Verfahren gegen J (Hw.) sind auch Erw. verbunden, deren Taten in die Zuständigkeit der Staatsschutzkammer fallen (Rn 12 u. 25). Zur Zuständigkeit des BayObLG u. der OLG als gemeinschaftliche obere Gerichte iSd $ 4 II 2 StPO: S 103, 12 a. 5.

Anklage zum Jugendschöffengericht

15 Zum JSchöffengericht (§ 40 I) ist die Anklage in allen übrigen Verfahren zu erheben, also wenn kein Delikt nach $108 III 2, S 120 GVG vorliegt, die Verhängung einer JStrafe gleich welcher Höhe oder die Aussetzung der Verhängung einer 324

Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters

SS

39-41

JStrafe - auch bei bestehenden Zweifeln - in Betracht kommt, sowie immer dann, wenn der JStA nicht vor dem JRichter anklagt. Das JSchöffengericht kann alle nach dem JGG zulässigen Sanktionen sowie Maßregeln bis zum Höchstmaß aussprechen, Freiheitsstrafe aber nur bis zu 4 Jahren (§ 108 III 1; dazu Rn 11 u. 12). J und Hw. sind zum JSchöffengericht auch dann anzuklagen, wenn die Unter- 16 b r i n g u n g in einem psychiatrischen K r a n k e n h a u s zu erwarten ist (hM). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG NJW 86, 771). Denn die $$ 3 9 - 4 1 ersetzen in JSachen die nur für das ErwStrafverfahren geltende Vorschrift des S 24 I Nr. 2, II GVG, welche für den Erw. insoweit die große Strafkammer vorsieht (§ 2; LG Bonn NJW 7 6 , 2 3 1 2 ; zust. Eisenberg § 40,7); es folgt auch aus § 108. Andernfalls hätte sich in Anbetracht des $ 24 I Nr. 2, II GVG die Einfügung des $ 39 II HS 2 erübrigt. Der J(einzel)Richter darf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht anordnen ($ 3 9 II). In diesem Fall ist also das JSchöffengericht in erster Instanz im Rahmen seiner allg. Auffangzuständigkeit zur Entscheidung berufen, es sei denn, die JKammer ist wegen des angeklagten Verbrechens nach $ 4 1 1 Nr. 1 zuständig (OLG Saarbrücken NStZ 85, 93; OLG Stuttgart MDR 88, 433) oder sie hat das Verfahren nach $$ 40 II, 41 I Nr. 2 übernommen. Das JSchöffengericht darf gegen einen Hw. auch dann die Unterbringung anordnen, wenn es ErwStrafrecht anwendet, denn nach § 1 0 8 III ist seine Rechtsfolgenkompetenz nur insoweit eingeschränkt, daß es nicht auf Freiheitsstrafe von mehr als 4 Jahren erkennen darf (vgl. $ 1 0 8 , 2 a; OLG Stuttgart MDR 88, 433). Ist zu einem Verfahren gegen J (Hw.) aber ein Erw. verbunden und für diesen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten, so ist für den Erw. die JKammer in erster Instanz zuständig (S 4 1 1 Nr. 3; $ 241 Nr. 2, II GVG), was dann zwangsläufig auch für die zum gleichen Verfahren verbundenen J (Hw.) gilt (Eisenberg § 1 0 8 , 1 2 u. NJW 8 6 , 2 4 1 0 ; abl. Ostendorfs 40,5). In der Praxis wird sich eine derartige Verbindung wegen der unnötigen Zuständigkeitsverschiebung und der möglichen unguten Wirkung des Verfahrens auf die J nicht empfehlen (vgl. $ 103, 8). Dies alles gilt auch für die Durchführung des Sicherungsverfahrens nach SS 413 ff StPO (OLG Stuttgart MDR 8 8 , 4 3 3 ; abl. Eisenberg% 4 0 , 7 ; dazu aber Rn 13 a). Die abschließende Regelung der sachlichen Zuständigkeit durch das JGG ist auch für das Sicherungsverfahren sinnvoll, da der JRichter als Vorsitzender des JSchöffengerichts eine bes. Erfahrung in der Auswahl von Maßnahmen hat, die zur Abwendung der bes. bei J unerwünschten (§ 7, 2) Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ausreichen können (OLG Oldenburg NJW 58, 1200; OLG Karlsruhe JZ 57, 31; LG Bonn NJW 76, 2312; Dallinger/ Lackner S 40, 4; Eisenberg S 40, 7). Wenn es nur um die Entziehung der Fahrerlaubnis geht, wird auch der JRichter zuständig sein können (vgl. Löwe/RosenbcrgJ Gössel § 4 1 4 StPO 14). Durch S a c h z u s a m m e n h a n g (S 3 StPO) kann auch ein höheres Gericht zuständig werden.

325

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SS 3 9 - 4 1 6.

2. Teil. Jugendliche

Strafbann des Jugendrichters nach Eröffnung des Hauptverfahrens

18 Ist das Hauptverfahren vor dem JRichter eröffnet, so braucht er nicht mehr zu prüfen, ob ev. eine JStrafe zu erwarten ist (BGH GA 81, 321 mit Anm. Rieß; BayObLG 85, 33 zu § 25 Nr. 3 GVG aF). Er darf dann auch aus prozeßökonomischen Gründen JStrafe bis zu einem Jahr verhängen (zur Einheitsstrafenbildung Rn41), eine Entscheidung nach $ 27 (aber $ 27, 11) treffen (§ 39 n) und Maßregeln der Besserung und Sicherung (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, Führungsaufsicht) anordnen (zust. Eisenberg §39, 12), nicht aber die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ($ 39 II). Reicht der durch § 39 II erweiterte Strafbann nicht aus, so verweist der JRichter Verfahren gegen J und Hw. an das JSchöffengericht (Rn 30), was auch ohne diese Voraussetzung zum Zwecke der Verbindung mit einem beim JSchöffengericht anhängigen Verfahren geschehen kann (vgl. $ 311). 7.

Das sachlich unzuständige Jugend- oder Erwachsenengericht vor Eröffnung des Hauptverfahrens

19 Der Inhalt der Anklage bestimmt die Zuständigkeit des Gerichts ($$ 1701,206 StPO): Verneint ein Gericht höherer Ordnung den hinreichenden Tatverdacht für eine Straftat, die seine Zuständigkeit begründen würde, oder beschränkt es die Verfolgung nach $ 154 a StPO insoweit, so eröffnet es das Hauptverfahren vor dem zuständigen nachgeordneten Gericht (BGH 29, 341; KleinknechtfMeyer-Goßner § 209 StPO 2). Dazu aber auch $ 32, 7. Hält das mit der Anklage angegangene J- oder ErwGericht sich für sachlich nicht zuständig, so bietet sich als einfachster Weg an, dem JStA diese Bedenken formlos mitzuteilen. Teilt der JStA die Bedenken des Gerichts hinsichtlich seiner Zuständigkeit - was zumeist unschwer zu klären ist - so nimmt er seine Anklage zurück (§156 StPO) und erhebt sie erneut vor dem zuständigen Gericht, ggf. nach Einfügen des nunmehr erforderlichen wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen (§ 200 II StPO). Gelingt eine solche rasche und einfache Klärung nicht, so ist zu unterscheiden: 20 Gleichrangige JGerichte des gleichen Gerichts geben ohne bindende Wirkung (OLG Hamm NJW 72, 1909) formlos aneinander ab (BGH 26, 200). Die Sache wird beim anderen Richter erst dann anhängig, wenn dieser sich zur Übernahme bereit erklärt (KG NJW 64, 237). Lehnt dieser die Übernahme ab, so entscheidet diesen Streit über die Anwendung des Geschäftsverteilungsplanes - es geht nicht um eine gesetzliche Aufgabenregelung - das Präsidium des Gerichts nach $ 21 e GVG durch revisionsgerichtlich nur auf Ermessensmißbrauch überprüfbaren (BGH MDR 75, 770) Beschluß (BGH 25, 244; 26, 200; OLG Schleswig SchlHA 77, 29), in Eilfällen der Präsident (BGH H MDR 77, 416). 21 Hält ein rangniedrigeres JGericht ein ranghöheres JGericht seines Bezirks für zuständig, so legt es diesem die Sache nach $ 39 Abs. 13, $ 209 II StPO durch Vermittlung des JStA nach Durchführung des Verfahrens gem. § 201 StPO, idR bei 326

Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters

SS 3 9 - 4 1

Entscheidungsreife, zur Übernahme vor (Löwe/Rosenberg/Rieß $ 209 StPO 12, 32), also: der JRichter dem JSchöffengericht, der JKammer oder dem OLG (kein JGericht); das JSchöffengericht der JKammer oder dem OLG; die JKammer dem OLG. Beschwerde gegen den Vorlegungsbeschluß nach $ 209 II StPO ist nicht zulässig (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 209 StPO 9). Die Vorlage muß immer durch Vermittlung des JStA erfolgen (Löwe/Rosenberg/Rieß § 209 StPO 40), auch wenn der JRichter dem JSchöffenrichter beim gleichen Gericht vorlegt (LG Lübeck SchlHA 66,47), schon um dem JStA nach § 33 II StPO Gelegenheit zur Äußerung zu geben (vgl. aber auch 18). Der JStA kann die Anklage bis zur Entscheidung des ranghöheren JGerichts zurücknehmen (5 156 StPO) oder vor Weiterleitung der Akten Stellung nehmen und ggf. das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen beifügen (§ 200 II StPO). Für die Zuständigkeitsprüfung in diesem Zwischenverfahren ist nur Abs. I, nicht Abs. II des § 39 in Betracht zu ziehen (Dallinger/Lackner § 39,7); dies gilt auch für die Rn 22. Das vorgelegte Verfahren wird bei dem ranghöheren Gericht erst dann anhängig, wenn es durch Beschluß oder zumindest unmißverständliche Stellungnahme des Spruchkörpers in seiner Gesamtheit (LG Bonn NJW 76, 2312) das Verfahren übernimmt. Anders als bei $ 270 StPO wird hier das ranghöhere Gericht durch die Vorlage der Akten nicht gebunden, da eine derartige Vorlage einer Anklageerhebung entspricht. Es muß das Gericht also das Hauptverfahren vor sich selbst, nach § 2091 StPO vor einem Gericht niedrigerer Ordnung (auch dem vorlegenden) eröffnen oder auch seinerseits wieder nach § 209 II StPO vorlegen (vgl. Rieß NJW 79, 1536). Hält ein ranghöheres ein rangniedrigeres JGericht seines Bezirks für zu- 22 ständig, so eröffnet es, falls Rückverweisung nach $ 270 StPO praktisch auszuschließen ist (OLG Karlsruhe Justiz 86, 50), nach § 2091 StPO vor diesem das Hauptverfahren, also das JSchöffengericht vor dem JRichter, die JKammer vor dem JSchöffengericht und dem JRichter. Mit Eingang des Eröffnungsbeschlusses wird das Verfahren vor dem rangniedrigeren JGericht rechtshängig. Dieses ist gebunden; es kann nicht mehr nach SS 209 II, 225 a I StPO an ein Gericht höherer Ordnung vorlegen, wohl aber in der Hauptverhandlung nach $ 270 StPO dorthin verweisen (KMR/Seidl $ 209 StPO 15). Das OLG kann das Verfahren vor jedem nachgeordneten Gericht eröffnen, wenn es den hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich der seine Zuständigkeit begründenden Straftat verneint oder insoweit nach § 154a StPO verfährt (BGH 29, 341). Das Verhältnis der JGerichte zu den ErwGerichten wurde hinsichtlich der 23 Verbindung und Trennung rechtshängiger Sachen und hinsichtlich der Zuständigkeit im Eröffnungsverfahren durch das StVÄG 1979 grundlegend geändert. Allg. dazu $ 33, 4-8. Die ErwGerichte haben die Spezialzuständigkeit der JGerichte in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, weil insoweit S 6 StPO, nicht $ 6 a StPO gilt (Rieß NJW 78, 2267). Zu JSchutzsachen Anh § 125,4 a, 6 ff. Zwischen rangverschiedenen J- und ErwGerichten gilt vor Eröffnung des 24 Hauptverfahrens bei Zuständigkeitskonkurrenz nur S 209 StPO, weil die Sonder327

SS 3 9 - 4 1

2. Teil. Jugendliche

Vorschrift des 5 209 a StPO Gerichte „gleicher Ordnung" voraussetzt und bei diesen Zuständigkeitsstreit vermeiden will. 24 a

Kommt ein JGericht zur Auffassung, daß ein bei ihm angeschuldigter J oder Hw. zur Tatzeit schon erwachsen war, so legt das rangniedrigere JGericht dem ranghöheren ErwGericht das Verfahren, in Form und Wirkung wie Rn21 ausgeführt, zur Übernahme vor ($ 209 II StPO), also: der JRichter dem ErwSchöffengericht oder - wie auch das JSchöffengericht - der ErwStrafkammer (auch Schwurgerichts-, Wirtschaftsstraf- oder Staatsschutzkammer) und dem OLG oder dem BayObLG. Das ranghöhere JGericht eröffnet, in Form und Wirkung wie Rn 22 ausgeführt, vor dem rangniedrigeren ErwGericht ($ 209 I StPO), also: das JSchöffengericht vor dem ErwStrafrichter; die JKammer vor diesem und dem ErwSchöffengericht.

24 b

Kommt ein ErwGericht zur Auffassung, auch nur einer der Angeschuldigten sei zur Tatzeit J oder Hw. gewesen, so legt das rangniedrigere ErwGericht dem ranghöheren JGericht zur Übernahme vor (§ 209 II StPO), also: der ErwStrafrichter dem JSchöffengericht und der JKammer; das ErwSchöffengericht der JKammer.

24 c

Das ranghöhere ErwGericht eröffnet vor d e m rangniedrigeren JGericht ($ 209 I StPO), also: das OLG (BayObLG) vor JKammer, JSchöffengericht und JRichter; die ErwStrafkammer vor JSchöffengericht und JRichter; das ErwSchöffengericht vor dem JRichter.

25

Bei gleichrangigen J- und ErwGerichten stellt $ 209 a StPO die JGerichte den ErwGerichten gegenüber Gerichten höherer Ordnung gleich, wenn zu entscheiden ist, ob ein Verfahren nach den Vorschriften des JGG vor ein JGericht gehört. Ist aber in einer Sache zu J (Hw.) ein Erw. zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und wäre für die Strafsache des Erw. die Wirtschaftsstraf- oder die Staatsschutzkammer zuständig, so geht deren Zuständigkeit auch für J (Hw.) vor (§ 103 II 2, 3; näher $ 103, 6). Es eröffnet also: der JRichter oder BezirksJRichter vor dem ErwStrafrichter; das JSchöffengericht oder BezjSchöffengericht vor ErwSchöffengericht und erweitertem ErwSchöffengericht; die JKammer vor großen ErwStrafkammern in der Rangfolge des § 74 c GVG, nicht aber in verbundenen JSachen mit einer zur Kompetenz der Wirtschaftsstrafoder Staatsschutzkammer gehörenden ErwSache (§ 103 II 2, 3; oben). Wegen dieser Ausnahme muß in solchen Sachen die JKammer der Wirtschaftsstrafund der Staatsschutzkammer das gesamte verbundene Verfahren zur Übernahme vorlegen, da diese Spezialgerichte in diesem Falle auch über die jrechtlichen Voraussetzungen der Verbindung (§ 103 I) entscheiden ( S S 103, 6 u. 8). Nach § 209 a StPO haben also zur Übernahme vorzulegen: der ErwStrafrichter an den JRichter oder BezirksJRichter; das ErwSchöffengericht und das erweiterte ErwSchöffengericht an das JSchöffengericht oder das BezirksJSchöffengericht; die ErwStrafkammer - auch die Schwurgerichtskammer - stets und die Wirtschaftsstraf- und Staatsschutzkammer (falls nicht die Ausnahme $ 103 II 2, 3 eingreift) der JKammer.

328

SS 39-41

Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters 8.

Das sachlich u n z u s t ä n d i g e J- o d e r E r w G e r i c h t n a c h E r ö f f n u n g des Hauptverfahrens, a b e r a u ß e r h a l b der H a u p t v e r h a n d l u n g

Nach Eröffnung des Hauptverfahrens gestattet § 2 2 5 a StPO die Vorlage des Ver-

26

fahrens durch begründeten, unanfechtbaren Beschluß über den JStA a n das z u s t ä n d i g e Gericht h ö h e r e r O r d n u n g zur Übernahme vor der Hauptverhandlung und auch wieder nach dieser, wenn die Hauptverhandlung das Verfahren nicht für die Instanz beendet hat (Löwe/Rosenberg/Gollwitzer

§ 225 a StPO 1, 5). Im

Berufungsverfahren ist $ 225 a StPO nicht anwendbar ($ 323 1 1 StPO), auch nicht im JSchutzverfahren (Anh § 125, 5). An ein Gericht niederer o d e r gleicher O r d n u n g kann nach Eröffnung des 2 6 a Hauptverfahrens nicht mehr verwiesen werden ($ 2 6 9 StPO; § 4 7 a). Eine Ausnahme gilt für das JGericht nur für den Fall des $ 103 II 2, 3 (näher $ 4 7 a, 2). Die Rechtsfolgenerwartung nach $ 3 9 1 1 und andere normative Zuständigkeitsmerkmale sind nach der Eröffnung des Hauptverfahrens nicht mehr zu prüfen und rechtfertigen es nicht, das Verfahren nach § 225 a StPO dem Gericht höherer Ordnung vorzulegen oder es nach $ 2 7 0 StPO dorthin zu verweisen (Rieß NJW 7 8 , 2 2 6 7 ; Kleinknecht/Meyer-Goßner

$ 225 a StPO 5, $ 2 7 0 StPO 5). Die Mißachtung

normativer Zuständigkeitsmerkmale ist deshalb auch irreversibel. H ä l t ein E r w G e r i c h t ein J G e r i c h t für zuständig, so kann es nicht nur jedem ranghöheren Gericht, sondern, weil $ 2 2 5 a l l

27

StPO auf § 209 a Nr. 2 a StPO

verweist, auch jedem gerichtsverfassungsgemäß an sich gleichgeordneten JGericht das Verfahren zur Übernahme vorlegen. Die gleichrangigen JGerichte haben deshalb auch die Prüfungskompetenz der Gerichte höherer Ordnung (Löwe/Rosenberg/ Gollwitzer J 225 a StPO 19). Es legen deshalb vor: ErwStrafrichter an JRichter; ErwSchöffengericht an JSchöffengericht; ErwStrafkammer und Schwurgerichtskammer an JKammer; JKammer an OLG und im Falle des $ 103 II 2 , 3 auf Rüge ($ 6 a StPO) an Wirtschaftsstraf- und Staatsschutzkammer ($ 225 a IV StPO). Zu F o r m u n d W i r k u n g d e r Vorlage R n 2 1 . Das übernehmende Gericht kann

28

zwar den dringenden Tatverdacht nicht mehr verneinen, es kann aber im unanfechtbaren Übernahmebeschluß den Eröffnungsbeschluß in der rechtlichen Würdigung abändern ($ 2 0 7 II Nr. 3 StPO entspr.) oder die Verfolgung nach § 207 II Nr. 2, 4 StPO beschränken oder erweitern {Löwe/Rosenberg/Gollwitzer

$ 225 a StPO

22). Nach $ 154 a StPO darf es erst nach Übernahme beschränken, also nicht dadurch die Ablehnung herbeiführen. - Der zu begründende Ablehnungsbeschluß berührt die Rechtshängigkeit nicht, die Akten werden stets nur an das vorlegende Gericht zurückgeleitet (Kleinknecht/Meyer-Goßner § 225 a StPO 19). Das höherrangige Gericht kann m e h r f a c h e R e c h t s h ä n g i g k e i t der gleichen pro- 2 8 a zessualen Tat durch Verbindungsbeschluß beseitigen (BGH 3 6 , 175).

329

SS 3 9 - 4 1 9.

2. Teil. Jugendliche

Das sachlich unzuständige Jugend- oder Erwachsenengericht in der Hauptverhandlung

29 Die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ist ausgeschlossen ($ 47 a; § 269 StPO). Die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ($ 6 StPO; Ausnahme $ 6 a StPO für die bes. ErwStrafkammern). 30 Für JGerichte untereinander ist die Gesetzesanweisung des 5 270 StPO problemlos. Es verweist etwa der JRichter an das JSchöffengericht, wenn sein Strafbann nach J 39 II nicht ausreicht (Rn 18). Die Rechtsfolgenerwartung nach § 3 9 1 1 aber rechtfertigt eine Verweisung nach $ 270 in diesem Verfahrensstadium nicht mehr (Rn 26 a). 31 Das ErwGericht kann, da $ 2701 StPO auf§ 209 a Nr. 2 a StPO Bezug nimmt, nicht nur an ein JGericht höherer Ordnung, sondern auch an ein JGericht gerichtsverfassungsgemäß gleicher Ordnung verweisen, weil JGerichte insoweit als Gerichte höherer Ordnung gelten. Zur Verweisungsfolge, auch für JGerichte zu ErwGerichten, Rn27. Die Zuständigkeit der JGerichte ist nach $ 6 StPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten, § 6 a StPO gilt insoweit nicht. 32 Das Gericht, an welches nach $ 270 StPO verwiesen wurde, darf das Verfahren nicht mehr an das verweisende Gericht zurückverweisen; die Verweisung nach § 270 StPO bindet auch nachrangige wie im Range vorgehende Spezialkammern (Löwe/Rosenberg/Gollwitzer $ 270 StPO 35). Eine Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ist ausgeschlossen (Rn 29), eine Verweisung aber an ein Gericht höherer Ordnung oder an ein JGericht gerichtsverfassungsmäßig gleicher Ordnung ist stets möglich {Löwe/Rosenberg/Gollwitzer $ 270 StPO 7). Es wird deshalb nach $ 270 StPO an andere Gerichte in der Reihenfolge verwiesen, wie in Rn 27 für die Vorlage nach § 225 a StPO im einzelnen aufgeführt ist. Ein fehlerhafter Verweisungsbeschluß nach $ 270 StPO bindet nur dann nicht, wenn er auf Willkür beruht (BGH 29, 216; OLG Karlsruhe Justiz 80, 278; OLG Stuttgart NStZ 86, 74) oder die Verweisung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BVerfGE 29, 49; BGH NJW 80, 1586; OLG Düsseldorf NStZ 86, 426; vgl. auch Hilger NStZ 83, 340); das ist auch dann der Fall, wenn das Gesetz keine Verweisungen vorsieht, weil eindeutige Zuständigkeitsregeln einen Kompetenzkonflikt gar nicht zulassen, und gleichwohl verwiesen wird (OLG Schleswig NStZ 81, 491). Nach Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung gilt wieder $ 225 a StPO (Rn 26). Zur Trennung verbundener Verfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens S 103, 13 ff. 33 Die Unzuständigkeit des ErwGerichts in Sachen, die nach dem JGG vor JGerichte gehören, kann uneingeschränkt mit der Revision geltend gemacht werden (Löwe/ Rosenberg/Rieß $ 209 a StPO 46; Löwe/Rosenberg/Gollwitzer § 225 a StPO 71). Zur Revisibilität einzelner Verstöße gegen Zuständigkeitsvorschriften s. $ 33, 18, 19 u. 20; $ 47 a, 2, 3, 5. Vgl. auch $ 33, 20 u. OLG Koblenz VRS Bd. 71 (86), 462. 330

Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters

10.

SS 39-41

Besondere Übertraglingsmöglichkeiten

Daneben sieht das Gesetz noch verschiedene bes. Übertragungsmöglichkeiten vor. Vom JSchöffengericht zur JKammer wegen des bes. Umfangs der Sache ($$ 40 II, 41 I Nr. 2), so etwa bei 18 Angeklagten (BGH B NStZ 83, 450). Nicht aber kann gebilligt werden, eine Übernahme wegen des Umfangs dadurch herbeizuführen, daß ein Verfahren mit relativ geringem Tatvorwurf über den Sachzusammenhang mit einem Verfahren mit einer Vielzahl von Beschuldigten und zT schwerwiegenden Straftaten verbunden wird (Eisenberg § 40,11). Ob der JRichter als Vorsitzender des JSchöffengerichts vorlegt (RL S. 1) u n d ob die Kammer übernimmt, liegt in ihrem sachlich nicht nachprüfbaren Ermessen ($ 40 IV 1; OLG Karlsruhe MDR 80, 427). Weil der die Übernahme ablehnende Beschluß der JKammer nicht anfechtbar ist (S 40IV 1) und weil es kein erweitertes JSchöffengericht gibt, fordert Simon (DRiZ 80, 455) mehr Übernahmebereitschaft der JKammern. Nach Nothacker (S. 318,319) und Burscheidt (S. 40) darf jedoch wegen des mit der Übernahme verbundenen Verlustes einer Tatsacheninstanz die Übernahme nur erfolgen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine den J ggf. erhöht belastende Verfahrensdauer bei Verfahrensdurchführung vor dem JSchöffengericht bestehen. Die Vorlage ist erst nach Einreichung der Anklageschrift an das JSchöffengericht und nur bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens möglich. Der BGH (NJW 60,2203) hat aber ein Verfahren, in dem das Urteil der Strafkammer aufgehoben wurde, weil das Verfahren vor ein JGericht gehört hätte, an die JKammer statt an das zuständige JSchöffengericht verwiesen, weil die Sache für das JSchöffengericht zu umfangreich und durch die unrichtige Ausschaltung des JGerichts im bisherigen Verfahren die Möglichkeit der Übertragung gem. §S 40 II, 411 Nr. 2 nicht möglich war. Der Übernahmebeschluß m u ß mit dem Eröffnungsbeschluß verbunden werden ($ 40 IV 2). Nach LG Frankfurt NStZ-RR 96, 251 kann die JKammer die Sache zunächst übernehmen und bei Reduzierung des im Eröffnungsbeschluß zuzulassenden Anklageumfangs das Hauptverfahren vor dem JSchöffengericht eröffnen (zust. Eisenberg $ 40, 13). Dies ist jedoch mit § 40 IV 2 nicht vereinbar (ebenso DSSISchoreit $ 40,8). Abgabegrund ist nur der bes. Umfang des Verfahrens, der die Kraft eines Richters übersteigt (zB Banden), nicht aber rechtliche Schwierigkeiten oder das bes. Aufsehen, das die Tat erregt hat (RL S. 2; zust. Eisenberg § 40, 11). Eine bes. Bedeutung des Falles (wie S 2 4 1 Nr. 3 GVG f. Erw.) kennt das JGG nicht (OLG Karlsruhe GA 75, 27). $ 40 III gibt dem Angeschuldigten dabei bes. Schutz als Ausgleich f ü r den Verlust einer Tatsacheninstanz. Darüber hinaus steht dem Vorsitzenden der JKammer bereits im Übernahmeverfahren Beweissicherung offen (OLG Schleswig SchlHA 68, 290). Zum Vorschlag, hier einen Fall notwendiger Verteidigung anzunehmen ($ 68 Nr. 1, $ 140 II StPO), Molketin Zbl. 81,378. Verbindet die JKammer das übernommene Verfahren wegen Sachzusammenhangs mit einem anderen, so kann eine Revisionsrüge allenfalls auf „willkürliche Verfahrensweise" (S 338 Nr. 4 StPO) gestützt werden (BGH bei Hilger NStZ 83, 340). Vgl. Rn 32 aE. Die $$ 40 II, 41 I Nr. 2 gelten i m JSchutzverfahren nicht (Anh S 125, 4). 331

SS 3 9 - 4 1

2. Teil. Jugendliche

35 Das Revisionsgericht verweist eine Sache nach § 354 n StPO an ein anderes JGericht gleicher Ordnung zurück, auch an eine vorsorglich eingerichtete „Ersatz"JKammer, uU auch nach § 354 in StPO an ein JGericht niederer Ordnung, wenn die noch in Frage kommende Straftat zu dessen Zuständigkeit gehört. Wenn sich aber bei verbundenen Verfahren das weitere nur noch gegen einen Erw. richtet, kann das Revisionsgericht statt an die JKammer an eine allg. Strafkammer zurückverweisen (BGH 35, 267). Es überzeugt die Begründung des BGH, daß $ 47 a S. 1 zwar das JGericht nach Eröffnung des Verfahrens bindet, dies aber für die Revisionsentscheidung nichts besagt, weil es in der Revisionsinstanz kein JGericht gibt. Insoweit hat das Revisionsgericht also nicht nach Vorschriften des JGG, sondern nach § 354 n und HI StPO zu entscheiden. Gegenüber der allg. Strafkammer ist die JKammer kein höheres Gericht, sondern nach $ 209 a StPO nur iSd $S 4, 209, 210 II StPO einem solchen gleichgestellt. Dieser Entscheidung ist zuzustimmen, zumal hierdurch die JGerichte sinnvoll und ohne Schaden entlastet werden. Wenn dies sachlich geboten ist, kann das Revisionsgericht allerdings auch das sich nur noch gegen einen Erw. richtende Verfahren an eine JKammer zurückverweisen (BGH StV 94, 415 mit abl. Anm. Schneider, vgl. auch $ 47 a, 7). Im umgekehrten Fall, nämlich nach Beendigung des Verfahrens gegen den Erw. und Weiterführung gegen den J, hat der BGH zu Recht eine Sache von der allg. Strafkammer an die JKammer zurückverwiesen, BGH 21,291. Zur Zurückverweisung durch die JKammer Rn 36. 11.

Jugendkammer als Berufungs- und Beschwerdegericht

36 Die JKammern treten als Berufungs- und Beschwerdeinstanz ($ 73 I GVG, auch gegen bestimmte Entscheidungen des StA nach S 161 a III StPO) an die Stelle der Strafkammern des allg. Rechts (S 41 ist also keine erschöpfende Aufzählung). Nach dem durch das RpflEntlG eingefügten S 33 b entscheidet die JKammer über Berufungen gegen Urteile des JSchöffengerichts mit drei - ggf. zwei ($ 33, 9) Berufsrichtern und zwei JSchöffen (große JKammer) und über Berufungen gegen Urteile des JRichters mit einem Berufsrichter und zwei JSchöffen (kleine JKammer). Dem Vorschlag der 9. Auflage (dort FN1), Berufungen gegen Verurteilungen zu JStrafe durch den JRichter aus der Zuständigkeit der kleinen JKammer herauszunehmen, ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Über Beschwerden entscheiden drei Berufsrichter. Die JKammer hat stets zu entscheiden, auch wenn das angefochtene Urteil gegen einen Hw. ErwRecht angewendet hat (KG VRS Bd 23 (62), 301). Die JKammer ist für die Berufung eines Erw. gegen das Urteil eines JGerichts, auch wenn dieser allein Berufung eingelegt hat, zuständig, weil es für den Rechtsmittelzug nur darauf ankommt, welches Gericht in der vorgehenden Instanz entschieden hat (BGH 22, 48 gegen BGH 13, 157; ebenso BayObLG Urteil v. 1.2.1972 RRg. 2 St 139/71; OLG Nürnberg, Beschluß v. 12.7.1978 Ws 440/78). Zur Zurückverweisung durch ein ErwGericht S 47 a, 7; $ 103, 17; zur Zurückverweisung durch das Revisionsgericht Rn35. War das Erstgericht sachlich nicht zuständig, verweist die JKammer unter Aufhebung des Urteils an das 332

Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters

SS 3 9 - 4 1

zuständige Gericht (Rn 35; Eisenberg $ 41,10). Als Berufungsgericht ist die JKammer an sich an den Strafbann des Erstgerichts gebunden, also zB an § 39, wenn das Urteil eines JRichters angefochten ist, oder an die Grenze von 4 Jahren Freiheitsstrafe für das AG allg. ($ 108 III). Dies hat das Revisionsgericht ohne Rüge zu beachten ($ 33,19; BGH NJW 70, 155). Das Berufungsurteil einer JKammer, mit dem sie die Strafgewalt des JSchöffengerichts - möglicherweise auch versehentlich - überschritten hat, kann jedoch in ein erstinstanzliches (ohne die Beschränkung des § 55 II mit Revision zum BGH anfechtbares) Urteil umgedeutet werden, wenn die JKammer die für das erstinstanzliche Verfahren geltenden zwingenden Verfahrensvorschriften eingehalten hat (BGH 21,229; 23,283; BGH GA 68,340; BGH B NStZ 96, 480; Pente GA 58, 299; DSS/Schoren $ 41, 9; aA Ostendorf 11). Dies gilt aber nicht, wenn die JKammer das Verschlechterungsverbot verletzt hat. Es ist dann das OLG (oder BayObLG) zuständiges Revisionsgericht (BGH 31, 63 u. NJW 70,155 für ErwGericht im Anschluß an BGH 23,283). Auch eine Verbindung von Verfahren 1. und 2. Instanz wird man danach zulassen können, wenn sie sich in der gleichen Verfahrenslage befinden (BGH 23, 283; 25, 51; BGH NJW 76, 720; Ostendorf $ 41, 11; KleinknecHt/Meyer-Goßner $ 237 StPO 2; Löwe/Rosenberg/Wendisch $ 4 StPO 10; Faber JZ 78, 117). Zur Umdeutung von Berufungs- in erstinstanzliche Verfahren vgl. auch BGH Miebach NStZ 90, 29. Zur Frage der Verbindung erstinstanzlicher mit Berufungsverfahren auch BGH 36, 348; BGH MDR 90,448; StV 90, 385 u. 386. Wird auf Revision eine Sache der JKammer „an eine andere Strafkammer des 37 Landgerichts" zurückverwiesen (dazu Rn 35) und besteht dort keine zweite JKammer, so kann entweder der Geschäftsverteilungsplan für den Rest des Geschäftsjahres nachträglich ergänzt (BGH Beschl. v. 25.8.19701 StR 49/70; OLG Schleswig bei Emesti/Jürgensen SchlHA 76,169) oder nach $ 15 StPO das zuständige Gericht bestimmt werden (BGH Beschluß v. 10.10.19721 StR 358/71; zust. Ostendorf % 41, 12; vgl. auch BGH H MDR 77, 810). Die JKammer trifft alle Entscheidungen gegen Anordnungen des Vollstrek- 38 kungsleiters, wenn dieser in gleicher Sache als erkennender Richter tätig geworden ist oder in Wahrnehmung der Aufgaben der Strafvollstreckungskammer über seine eigene Anordnung zu entscheiden hätte (§83 II; RL II Nr. 5 zu SS 82-85; S 83, 2, 5). Der sonstige Instanzenzug ist wie im ErwRecht, doch beschränkt durch $ 55 II. 39 Die JKammer entscheidet im OWiG-Verfahren als Rechtsmittelgericht nach §$ 70 4 0 II, 100 II 2, 104 ra 1, 108 I 2 HS 2, 110 II 2 OWiG. Vgl. auch Rn9. Weitere Beschwerde ist nicht gegeben (S 46 I OWiG iVm $ 310 II StPO). Wird nach Eröffnung des Hauptverfahrens wegen einer Straftat der Angeklagte lediglich wegen einer Ordnungswidrigkeit verurteilt, so verbleibt es für die Anfechtung dieses Urteils bei den strafprozessualen Rechtsmitteln; die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft (OLG Hamm NJW 69, 1500). Vgl. aber auch BayObLG 73, 190.

333

$42 12.

2. Teil. Jugendliche

Zuständigkeit zur Einheitsstrafenbildung

41 Zur Einheitsstrafenbildung ($ 31) ist jedes Gericht im Rahmen seines Strafbannes (der jRichter also auch bei Einbeziehung früherer Verurteilungen nur bis zu einem Jahr: OLG Celle GA 60, 86; OLG Schleswig LorenzenfThamm SchlHA 96, 119; vgl. auch Rn7; Eisenberg § 39, 13, § 40, 6) berufen, auch wenn die früheren Verfahren vor dem OLG (BayObLG) wegen in $ 120 GVG aufgeführter Delikte anhängig waren. Denn diese Sonderzuständigkeit betrifft nur die Aburteilung der Taten selbst; diese ist aber bei der Einbeziehung schon erfolgt. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Schuldspruch (§ 27) einbezogen wird; denn hier wird insoweit die Tat hinsichtlich der Straffrage abgeurteilt (ebenso Dallinger/Lackner $ 40, 2; Eisenberg $ 40, 6; $ 102, 3; aA Ostendorf $ 31, 9). 4 2 Auch in den neuen Bundesländern richten sich die Zuständigkeitsgrenzen zwischen JRichter, JSchöffengericht und JKammer nach $§ 39-41 (Anlage I zum Einigungsvertrag Kap. III, A, Abschn. in Nr. 1 i; Abs. I 1 Nr. 4). Vgl. auch S 1, 6 f.

$ 4 2 Örtliche Zuständigkeit (1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften zuständig ist, sind zuständig 1. der Richter, dem die familien- oder vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen, 2. der Richter, in dessen Bezirk sich der auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält, 3. solange der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, der Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen. (2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Möglichkeit vor dem Richter erheben, dem die familien- oder vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben obliegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen. (3) Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält. Hat der Richter, an den das Verfahren abgegeben worden ist, gegen die Übernahme Bedenken, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht. 1. Hw.: $ 108 I; - 2. [ErwG]: $ 104, 2. Abs. 1 Nr. 1: 1. [Hw.]: Rn4-2. [ErwG]: $ 104, 2.

334

Örtliche Zuständigkeit

$ 4 2

Richtlinien zu $ 42:

1. Bei Verfehlungen* von geringem Unrechtsgehalt, bei denen vormundschaftsrichterliche Maßnahmen nicht erforderlich sind, stellt die Staatsanwaltschaft den Antrag in der Regel bei dem Jugendgericht, in dessen Bezirk sich die auf freiem F u ß befindliche beschuldigte Person zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält (§ 4 2 Abs. 1 Nr. 2) oder in dessen Bezirk diese Person ergriffen worden ist ($ 9 StPO). 2. Wird die Anklage im Falle des $ 4 2 Abs. 1 Nr. 3 nicht vor dem danach zuständigen Gericht erhoben, so übersendet die Staatsanwaltschaft dem Vollstreckungsleiter eine Abschrift der Anklage und teilt ihm den Ausgang des Verfahrens mit.

Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

1.

Gerichtsstände Gerichtsstand der familien- oder vormundschaftsrichterlichen Zuständigkeit Gerichtsstand des freiwilligen Aufenthalts Gerichtsstand des Vollstreckungsleiters Auswahl durch Staatsanwalt, Eröffnung durch Gericht Abgabe des Verfahrens Weitere Übertragungsmöglichkeiten

Rn 1 4 5 6 7 10 15

Gerichtsstände

Auch für das JGericht gelten die allg. Gerichtsstände (SS 7 ff StPO). Daneben 1 treten im Verfahren vor dem JGericht (nicht vor dem ErwGericht: SS 104, 112) noch die drei bes. Gerichtsstände des Abs. I, die deshalb von bes. Bedeutung sind, weil sie die persönlichen Bindungen des Täters berücksichtigen und damit die Belange des JRechts als Täterstrafrecht wahren (Grethlän NJW 57, 1370). Die bes. Gerichtsstände haben grds. Vorrang vor den allg. (Abs. II; RL 1; Eisenberg 6); sie gelten auch für JSchöffengericht und JKammer 1. Instanz, weil die für sie maßgeblichen Gesichtspunkte - wenn auch etwas eingeschränkt - für alle Gerichte zutreffen, in deren Bezirk der Täter sich aufhält oder die familien- oder vormundschaftsrichterlichen ErzAufgaben und die Aufgaben des Vollstreckungsleiters wahrzunehmen sind (Dallinger/Lackner 3; Grethlein UJ 55, 303; Eisenberg 7; Ostendoif 2; BGH 1 8 , 1 für die dem Vollstreckungsleiter übergeordnete JKammer auch gegen Hw.; aA Potrykus B 5 u. NJW 54, 823). S 42 JGG enthält eine abschließende Sondervorschrift der örtlichen Zuständig- 2 keit im JGerichtsverfahren, weil in ihr die erz. wichtigen Belange der Entscheidungsnähe und der Einheit der Erz. ihren Niederschlag gefunden haben. Durch die Einführung „oder nach bes. Vorschriften" in $ 42 I ist ein langer Streit vom Gesetzgeber erledigt worden. S 42 JGG hat nun den ihm zukommenden Vorrang auch vor den bes. Konzentrationsvorschriften für bestimmte Verfahren und Delikte (zu diesen Vorschriften Kleinknecht/Meyer-Goßner $ 58 GVG 2). Wenn JRichter und Spezialreferat nicht zusammenfallen, geht die JNähe vor (Eisenberg 5; Ostendorf 4). Kritisch zu Spezialreferaten bei der StA $ 36, 1 a. * Vgl. Anhang (= Abdruck von Kapitel m Sachgebiet C Abschnitt III 3. b) und c) der Anlage 1 zum Einigungsvertrag; siehe dazu $ 1, 6 c).

335

$42

2. Teil. Jugendliche

2a

In Binnenschiffahrtssachen gilt $ 42 nicht. Nach § 3 i n des BinnschVerfG ist (falls nicht nach $ 4 eine andere landesrechtliche Regelung gilt) das Tatort-Gericht auch f ü r J und Hw. ausschließlich zuständig. D e n n das JGG h a t diese Zuständigkeitsvorschrift vorgefunden u n d nicht eingegriffen (BGH 11,116).

3

Die bes. Gerichtsstände gelten g e m . $ 143 GVG auch für den JStaatsanwalt (Dallinger/Lackner 1; Greift/ein UJ 55, 307). 2.

4

Der Gerichtsstand der familien- oder vormundschaftsrichterlichen Zuständigkeit (S 34) besteht ohne Rücksicht darauf, ob beim Familien- oder Vormundschaftsgericht schon ein Verfahren anhängig war oder ist, ob d e m JRichter die familien- oder vormundschaftsrichterlichen ErzAufgaben übertragen sind oder ob er in Familien- oder Vormundschaftssachen ü b e r h a u p t nicht tätig war (Eisenberg 8; Ostendoif 5). Dieser Gerichtsstand besteht n i c h t m e h r , w e n n d e r Täter zZ der Anklagee r h e b u n g s c h o n volljährig ist ($ 108, 2), also n i e m a l s bei Hw. (näher zu H w . Rn 7): - Die Zuständigkeit des Familiengerichts ergibt sich ua aus $ 6 2 1 ZPO, diejenige des Vormundschaftsgerichts aus $$ 3 6 , 4 3 , 4 6 FGG; die Tätigkeiteines an sich nicht zuständigen Familien- oder Vormundschaftsrichters zur Behebung eines augenblicklichen Notstandes (S 44 FGG) begründet keine JGG-Zuständigkeit. 3.

5

Gerichtsstand der f a m i l i e n - o d e r vormundschaftsrichterlichen Zuständigkeit

Gerichtsstand des freiwilligen Aufenthalts

Der Gerichtsstand des freiwilligen Aufenthaltes setzt nicht einen gewöhnlichen Aufenthalt oder einen Aufenthalt von langer Dauer voraus; doch ist bei ganz k u r z e m Aufenthalt eine Anklage z u m Gericht des Aufenthaltsortes unzweckmäßig. N u r a u f freiem Fuß m u ß sich der Beschuldigte befinden. Das ist nicht der Fall bei Strafgefangenen, JArrestanten, UHäftlingen, vorläufig Festgenommenen (§ 127 StPO), z u r Beobachtung Untergebrachten ($ 73, $ 8 1 StPO), einstweilig Untergebrachten (SS 71 II, 72 III 1, $ 1 2 6 a StPO), im Maßregelvollzug ($7, $$ 63, 64 StGB) oder in Sicherungshaft Befindlichen ($ 453 c StPO) und bei allen, denen die Freiheit auf Grund von Vorschriften des Straf- und Strafverfahrensrechts, auch der Länder, entzogen worden ist. Nicht auf freiem F u ß sind nach der Rechtsprechung des BGH alle, auch nur vorläufig, auf Grund richterlicher Anordn u n g in einem ErzHeim Untergebrachten. BGH 13,209: „Auf freiem F u ß befindet sich somit nur, wer in keiner Weise durch eine behördliche Anordnung in seiner Freiheit u n d in der Wahl seines Aufenthaltsortes beschränkt ist". Ebenso BGH NJW 54,1775 beiläufig; OLG Celle NJW 58,1835; OLG Schleswig SchlHA 60,179; Dallinger/Lackner 10; Eisenberg 11; Potrykus B 3 u. NJW 54,823; Schnitzerling DRiZ 58, 316; vgl. auch Löwe/Rosenberg/Wendisch $ 35 StPO 28, wonach nicht auf freiem F u ß jeder von einer Freiheitsentziehung iSd Art. 104 GG Betroffene ist; aA OLG H a m m NJW 59, 1095; Grethlein DRiZ 55, 111 u . EJF C I 51; Becker NJW 54, 336; 336

Örtliche Zuständigkeit

$42

Dünnhaupt NJW 54,1775 u. 58,1835; Hinrkhsen RdJ 55,100. Die Rechtsprechung des BGH führt zu wenig praktikablen Ergebnissen, was die Staatsanwaltschaften immer wieder veranlaßt, sich über diese Rechtsprechung hinweg auf einen auch zulässigen, praktikablen örtlichen Gerichtsstand zu einigen. So hätte im Jahre 1980 bei der StA Nürnberg-Fürth ein J über 780 km einfache Fahrt auf sich nehmen müssen, wenn die StAe dem BGH gefolgt wären. Die Rechtsprechung hat weiterhin eine erz. bedenkliche Unterbrechung der Hilfe zur Erz. nach $ 12 Nr. 2 und eine unterschiedliche Behandlung der Insassen eines Heimes zur Folge. Zudem begründet $ 42 I Nr. 3 sogar eine Zuständigkeit bei der JStrafanstalt. Entscheidend kann nur sein, ob die Strafverfolgungsbehörde Einfluß auf den Gerichtsstand nehmen kann; das ist bei nach $ 12 Nr. 2 Untergebrachten ebenso wie bei Soldaten und Beamten nicht der Fall. Die auf Grund sonstiger Hilfen nach dem SGB VIII Untergebrachten befinden sich nach zutreffender hM auf freiem Fuß (Eisenberg 11; Prahl NJW 64, 530), ebenso die auf Grund einer Weisung des JRichters in einem Heim Untergebrachten oder sonst in ihrem Aufenthalt nach S 1013 Nr. 1 u. 2 Beschränkten (Dallinger/Lackner 9; Eisenberg 11; Grethlein DRiZ 55, 112, FN 12; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Auffassung Burscheidt S. 43 f; aA Ostendorf 7) und die Soldaten in der Kaserne (OLG Karlsruhe Justiz 63, 244; aA Potrykus Anm. 4) 4.

Gerichtsstand des Vollstreckungsleiters

Der Gerichtsstand des Vollstreckungsleiters besteht nur bei JStrafe, die entweder 6 gerade verbüßt wird oder für deren Rest Entlassung zur Bew. angeordnet ist, wenn die Bew. noch läuft; nicht genügt JAVollzug oder Strafaussetzung zur Bew. für eine JStrafe, auch nicht Vollstreckung einer früheren Freiheitsstrafe. Ist die Vollstreckung gem. § 85 V widerruflich abgegeben, ist die Zuständigkeit bei dem abgebenden (zweifelhaft) und dem übernehmenden Gericht gegeben (Daliinger/ Lackner 14; Eisenberg 14; aA DSS/Schoreit 12; Ostendorf 8). - Diese Zuständigkeit endet mit der vollständigen Verbüßung oder dem Erlaß der JStrafe ($$ 88 VI iVm SS 26 a, 59 IV). 5.

Auswahl durch StA, Eröffnung durch Gericht

Die Auswahl trifft der StA, ohne daß Gericht oder J einen Einfluß haben 7 (Dallinger/Lackner 18, 22; Eisenberg 16; Löwe/RosenberglWendisch S 12 StPO 35). Daß der StA eine entsprechende Anregung des J in seine Erwägungen einbezieht (Ostendorfs „beachten"), steht außer Frage. Der StA soll dem Gerichtsstand des Vollstreckungsleiters den Vorrang geben (ErzRichter; keine unnötigen Transporte des Gefangenen), sonst dem der familien- oder vormundschaftsgerichtlichen Zuständigkeit (Abs. II), welcher aber bei Hw. ausscheidet ($ 108, 5; insbes. auch hinsichtlich des auf freiem Fuß befindlichen Hw.). Es können aber überwiegende Interessen entgegenstehen, so daß bei kleiner Kriminalität, die es nicht rechtfertigt, den Täter aus seiner Umgebung herauszureißen, der Gerichtsstand des Auf337

2. Teil. Jugendliche enthalts (RL 1; vgl. BGH 13, 190), bei größeren Verkehrsdelikten mit zu erwart e n d e m Augenschein und vielen Zeugen der Gerichtsstand des Tatorts vorzuzieh e n ist {Dallinger/Lackner 18, 21; Ostendorf 9; Grethlein UJ 55,307; Potrykus NJW 56, 656). Für Hw. vgl. § 36, 2 a; RL z u § 108 u. dortige R n 5 . 8

Das Gericht l e h n t die E r ö f f n u n g ab, w e n n bei i h m keiner der vielen Gerichtsstände f ü r n u r eine der im Verfahren verbundenen Taten gegeben ist u n d Abs. i n nicht eingreift. $ 209 StPO gilt hier nicht. Eine Verweisung ist nicht vorgesehen (OLG Braunschweig JZ 62,420; NdsRpfl. 61,284; OLG H a m m NJW 61,232); doch soll eine Verweisung unschädlich sein, w e n n der StA einverstanden war u n d das angegangene Gericht ausdrücklich noch einmal über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden hat (OLG Braunschweig aaO; vgl. aber auch BGH 23, 82; OLG Karlsruhe GA 77, 58). - N a c h E r ö f f n u n g d e s Hauptverfahrens k a n n die örtliche Unzuständigkeit n u r auf Rüge des Angeklagten noch beachtet werden ( $ 1 6 StPO); auf begründete Rüge ist gem. SS 206 a, 260 i n StPO einzustellen; wird sie nicht beachtet, ist der absolute Revisionsgrund des $ 338 Nr. 4 StPO gegeben (Eisenberg 26), vgl. auch Rn 14.

9

K o m m t das Verfahren nicht z u m Gericht des Vormundschaftsrichters, k a n n Abgabe des vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens angezeigt sein (S 46 FGG, bes. I 5. 2 u. $ 34 RL 2). Das k o m m t auch bei Zuständigkeit des Familiengerichts in Betracht (näher Engelhardt in Keidel/Kuntze/Winkler FGG, 14. Aufl. 1999, $ 46 Rn51). - Wegen der Mitteilungspflichten RL 2, S 70 u. MiStra 31. 6.

Abgabe d e s Verfahrens

1 0 Vor E r h e b u n g der Anklage k a n n der JStA das Ermittlungsverfahren entsprechend Abs. III formlos an den JStA, nach E r ö f f n u n g des Hauptverfahrens stets das JGericht das Verfahren an das Gericht d e s n e u e n Aufenthaltsortes abgeben (BGH 10, 325; 10, 391; 13, 209; BGH B NStZ-RR 99, 290; OLG München NJW 58, 1056), w e n n der Angeklagte seinen Aufenthalt nach Erhebung der Anklage geändert hat (BGH 13,209; BGH B NStZ 82,415; BGH Kusch NStZ 94, 26; BGH B NStZRR 00, 324; OLG München NJW 58,1056; OLG Stuttgart Justiz 91, 94 = MDR 91, 787; Eisenberg 22; Ostendoif 11). Die Abgabe ist auch zulässig, wenn ein erster Aufenthaltswechsel vor Anklageerhebung beim Tatortgericht u n d ein zweiter danach erfolgt ist, denn es ist nicht erforderlich, d a ß der J sich im Zeitpunkt der Anklageerhebung noch im Bezirk des abgebenden Gerichts aufgehalten h a t (BGH 10,325; BGH B NStZ-RR 00,324). Voraussetzung f ü r die Abgabe durch den JRichter ist die Eröffnung des Hauptverfahrens (BGH B NStZ-RR 99,290); eine n u r teilweise E r ö f f n u n g - Zulassung einer von mehreren Anklagen zur Hauptverh a n d l u n g - reicht nicht (BGH NStZ-RR 97, 380). Die Abgabe ist a u c h bei u n freiwilliger Aufenthaltsänderung zulässig (BGH NJW 54,1775; BGH 13,214; je f ü r Fürsorgeerz.; BGH bei Herlan GA 63, 106, U n t e r b r i n g u n g in ErzHeim auf richterl. Anordnung; OLG Celle Zbl. 58,273; OLG Schleswig SchlHA 60,179; offen OLG Karlsruhe Justiz 63, 244, wonach jedenfalls auch derjenige nicht freiwillig 338

Örtliche Zuständigkeit

handelt, der - wie ein versetzter Soldat oder Beamter - zu dem Aufenthaltswechsel auf Grund allg. Regelung rechtlich verpflichtet ist). Vgl. insgesamt zur Abgabe des Verfahrens Lackner GA 56, 379; Schnitzerling DRiZ 58, 315. Bei mehrfachem Aufenthaltswechsel kann mehrfach abgegeben werden (BGH 13, 286; Eisenberg 23; Ostendorf 11). Das Verfahren wird voll und unwiderruflich abgegeben, das neue Gericht ist allein und unbeschränkt zuständig. Anders ist die Lage bei der Übertragung der Entscheidungen im Anschluß an Aussetzung oder Entlassung zur Bew. (§S 58, 88 V) oder bei Abgabe der Vollstreckung ($ 85 V). Im ersten Fall ist auch eine teilweise Übertragung möglich, im letzten Fall nur eine widerrufliche Übertragung zulässig. In beiden Fällen müßte jede Weiterübertragung zu einer Zersplitterung und zu Unklarheiten und Schwierigkeiten führen. Im Fall des S 42 III ist dagegen kein Grund ersichtlich, warum für den neuen Richter die Abgabemöglichkeit nicht mehr bestehen sollte. Auch bei kurzfristigem Aufenthalt ist Abgabe möglich, doch selten zweckmäßig; 10 a das Verfahren darf durch die Abgabe nicht verzögert werden (BGH B NStZ-RR Ol, 324; Kohlhaas EJF C160), weshalb zB bei kleineren Verkehrsverstößen eine Abgabe nur selten angebracht ist (BGH 13, 190). Das OLG Düsseldorf (B NStZ 84, 447; B NStZ 92,529; NJW 93,1150; NStZ-RR 96, 348) hält deshalb eine Abgabe nicht für sachgerecht, wenn beide Gerichte räumlich nahe beieinanderliegen oder mit wiederholtem Aufenthaltswechsel zu rechnen ist und die Abgabe zu einer unvertretbaren Verfahrensverzögerung führt. Es wird abzuwägen sein zwischen wesentlichen Interessen an der Durchführung des Verfahrens (Zeugen, Augenschein) und der bes. Bedeutung der persönlichen Bindungen, die bei einem inzwischen erwachsen gewordenen Angeklagten jedenfalls eher zurücktreten (vgl. BGH B NStZ 82,415). Die Abgabe kann zweckmäßig sein, wenn der Angeklagte geständig ist, so daß eine Beweisaufnahme nicht erforderlich ist (BGH B NStZ-RR 99, 290 f), insbes. wenn weitere Verfahren am neuen Aufenthaltsort anhängig sind (BGH B NStZ-RR 00, 324). Unzweckmäßig ist die Abgabe, wenn der neue Wohnort des Angeklagten von beiden Gerichtsorten annähernd gleich weit entfernt ist, die zwei von der Anklage benannten Zeugen im Bezirk des abgebenden Gerichts wohnen und die Sache nur für einen Tag terminiert ist (BGH Kusch NStZ 94, 230). Die Abgabevoraussetzungen sind nicht gegeben, wenn der J sich nur gelegentlich in dem anderen Ort aufhält und im übrigen sein Aufenthalt unbekannt ist (BGH Kusch NStZ-RR 98,266). Der Grundsatz, daß gegen Hw. vor dem für ihren Aufenthalt zuständigen Gericht verhandelt werden soll, darf nach BGH (B NStZ 87,443) nur durchbrochen werden, wenn dies erheblich erschwert ist. Die Abgabe an das Gericht des Aufenthaltsortes hat BGH bei Kusch NStZ 93, 31 in einem Fall für unzweckmäßig gehalten, in dem der Angekl. zur Tatzeit fast volljährig war, das abgebende Gericht ihn bereits einmal hatte vorführen lassen und mit der Sache vertraut war und die Zeugen entweder im dortigen Bezirk oder im Umkreis wohnten. Auch bei einem inzwischen 21 Jahre alten Angekl., der nach Ableistung seines Ersatzdienstes an seinen früheren Wohnort zurückgekehrt ist, kann die Abgabe jedoch sachgerecht sein, zumal wenn er die Tat nicht bestreitet und 339

2. Teil. Jugendliche

Zeugen vermutlich nicht benötigt werden (OLG Stuttgart Justiz 91, 95). Lebt der Angeklagte seit 15 Monaten am neuen Aufenthaltsort und hat er dort wegen der notwendigen Zukunftsplanung mit der JGH dauernd Kontakt, ist die Abgabe auch dann zweckmäßig, wenn Zeugen vernommen werden müssen, die im Bereich des abgebenden Gerichts leben (BGH B NStZ 94, 531). - Die Abgabe ist an die Zustimmung des StA und die Bereitschaft des Gerichts am neuen Aufenthaltsort zur Übernahme gebunden; lehnt dieses die Übernahme ab, kann das gemeinschaftliche obere Gericht (JKammer, OLG, BGH; nicht BayObLG: BGH 11, 80; 13, 293; 16, 78; 16,84; 24,332; BayObLG 57,165) angerufen werden. Erst mit der Übernahme oder der die Übernahme anordnenden Entscheidung des oberen Gerichts wird das Verfahren beim übernehmenden Gericht anhängig. Später auftauchende Bedenken können nicht berücksichtigt werden (BGH 13, 284). 11 Eine Abgabe gem. $ 42 in ist im vereinfachten JVerfahren nicht zulässig (BGH 12,180; Eisenberg 20; aA Ostendorf 11; differenzierend Schnitzerling DRiZ 58, 316), weil hier niemals die zur Abgabe erforderliche Bindung des Gerichts eintritt, da das Gericht bis zur Entscheidung dieses Verfahrens ablehnen kann ($ 77 I). Ein Ablehnungsgrund ist, daß ein Aufenthaltswechsel vorliegt, der im Regelverfahren zur Abgabe nach § 42 in führen würde (BGH 12,182). Aus denselben Gründen ist eine Abgabe im beschleunigten Verfahren gegen Hw. nach SS 417 ff StPO nicht möglich (BGH NJW 61, 789, vgl. SS 419 I, II StPO; 771JGG). - Im Strafbefehlsverfahren ist Abgabe nach $ 42 III und Übertragung nach $ 12 II StPO erst nach Beginn der auf rechtzeitigen Einspruch hin anberaumten Hauptverhandlung möglich, idR aber nicht mehr zweckmäßig (vgl. $ 109, 12; BGH 13, 188; ebenso im OWiG-Verfahren: Rn 13). Insgesamt ebenso Eisenberg 20, Ostendorf 12. 12 Die Abgabe ist nur bis zum Erlaß eines Urteils möglich, weil S 42 in nicht in den Instanzenzug eingreifen kann (BGH 10,177; 18,261; 19,179). Deshalb kann auch das Rechtsmittelgericht oder das Erstgericht nach Zurückverweisung nicht mehr nach dieser Vorschrift abgeben (BGH 10, 177; 18, 261), auch nicht im Nachverfahren gem. $ 30 (S 62, 6). 13 In OWiG-Sachen ist bei J und Hw. (zur Einschränkung bei letzteren Rn 4) die Zuständigkeitsregelung des § 42 JGG neben der örtlichen Zuständigkeitsbestimmung des S 68 OWiG gleichberechtigt anwendbar (S 461 OWiG; Göhkr% 68 OWiG 6); dies gilt auch für ggf. von $ 68 I OWiG abweichende landesrechtliche Vorschriften gem. S 68 III OWiG. Mit S 68 II OWiG ist die Zuständigkeitsregelung des S 42 übernommen worden (BGH 23, 79 u. BGH NJW 74, 708; $ 41, 7). Sieht die nach § 68 III OWiG erlassene Verordnung die Zuständigkeit des Amtsgerichts vor, in dessen Bezirk die Ordnungswidrigkeit begangen wurde, gilt diese neben S 42 bestehende Zuständigkeit auch für J und Hw (LG Cottbus NStZ-RR 98,285). Eine Abgabe nach S 42 III 1 ist aber erst nach Beginn der auf den rechtzeitigen Einspruch anberaumten Hauptverhandlung zulässig (BGH NJW 74, 708; Rn 11). Bei Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr sprechen nach OLG Hamm (JMB1. NRW 74, 119) überwiegende Gesichtspunkte für die Entscheidung durch den Richter am Sitz der Verwaltungsbehörde. 340

Umfang der Ermittlungen

Eine fehlerhafte Abgabe ist Revisionsgrund gem. § 338 Nr. 4 StPO (aber Hei- 14 lung nach $ 16 StPO), weil ein unzuständiges Gericht entschieden hat (dazu Rn8 aE; Eisenberg 26; Ostendoif 14); etwas anderes gilt nur, wenn auch bei diesem Gericht ein Gerichtsstand begründet, wenn die StA einverstanden war und das Verfahren bei dem angegangenen Gericht ordnungsgemäß eröffnet wurde. 7.

Weitere Übertragungsmöglichkeiten

Die allg. Vorschrift des § 12 II StPO ermöglicht eine Änderung des Gerichtsstan- 15 des durch Beschluß des gemeinsamen oberen Gerichts auch dann, wenn der Aufenthalt schon vor der Erhebung der Anklage gewechselt wurde, setzt aber voraus, daß bei Anklageerhebung auch bei dem anderen Gericht eine Zuständigkeit bestand (BGH 13, 209; OLG Hamm NJW 59, 1095; Dallinger/Lackner 26; Eisenberg 25); in späteren Verfahrensabschnitten: $$ 58 III 2, 3; 88 V 3; § 65 I 2, 3; bei UHaft: § 72 V.

Dritter Abschnitt Jugendstrafverfahren Erster Unterabschnitt Das Vorverfahren S 43 Umfang der Ermittlungen (1) Nach Einleitung des Verfahrens sollen so bald wie möglich die Lebensund Familienverhältnisse, der Werdegang, das bisherige Verhalten des Beschuldigten und alle übrigen Umstände ermittelt werden, die zur Beurteilung seiner seelischen, geistigen und charakterlichen Eigenart dienen können. Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter, die Schule und der Ausbildende sollen, soweit möglich, gehört werden. Die Anhörung der Schule oder des Ausbildenden unterbleibt, wenn der Jugendliche davon unerwünschte Nachteile, namentlich den Verlust seines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, zu besorgen hätte. $ 38 Abs. 3 ist zu beachten. (2) Soweit erforderlich, ist eine Untersuchung des Beschuldigten, namentlich zur Feststellung seines Entwicklungsstandes oder anderer für das Verfahren wesentlicher Eigenschaften herbeizuführen. Nach Möglichkeit soll ein zur Untersuchung von Jugendlichen befähigter Sachverständiger mit der Durchführung der Anordnung beauftragt werden.

341

2. Teil. Jugendliche 1. H w . : R n 2,13; RL 9; § 1 0 9 1 1 . - 2. E r w G : RL 9; § 1041 N r . 3, III; $ 1 0 9 1 1 . 3. S o l d . R n 12; $ 1 1 2 d , 6. Richtlinien zu $ 43: 1. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben auch die Aufgabe, eine sachgerechte Entscheidung über die Rechtsfolgen der Tat zu ermöglichen. Nr. 17 RiStBV gilt entsprechend. 2. Zur Persönlichkeitserforschung sollen Akten über Vorstrafen und vormundschaftsrichterliche Akten beigezogen werden. Wichtige Aufschlüsse über die Persönlichkeit des Jugendlichen können Akten von Vollzugsanstalten, Berichte von Heimen der Jugendhilfe sowie Aufzeichnungen der Schule geben. 3. Befindet sich der Jugendliche in Untersuchungshaft, so fordert die Staatsanwaltschaft oder das Gericht in der Regel von der Vollzugsanstalt einen Bericht über die von ihr vorgenommene Persönlichkeitserforschung, über das Verhalten des Jugendlichen in der Anstalt und über seine besonderen Eigenarten an (Nr. 79 UVollzO). Ebenso ist zu verfahren, wenn der Jugendliche sich in Strafhaft befindet. Ist die einstweilige Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe ($71 Abs. 2, $ 72 Abs. 4) erfolgt, so soll die Heimleitung gehört werden. 4. Wird dem Beschuldigten Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer vergleichbaren Einrichtung gewährt, so soll außer dem Jugendamt auch die Leitung der Einrichtung unmittelbar um Äußerung ersucht werden. 5. Untersteht der Beschuldigte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers oder ist für ihn ein Erziehungsbeistand bestellt, so soll auch dieser gehört werden. Dies gilt entsprechend, wenn der Beschuldigte einem Betreuungshelfer unterstellt ist oder an einem sozialen Trainingskurs teilnimmt. 6. Die Maßnahmen und Strafen des Jugendstrafrechts sind regelmäßig dann am wirksamsten, wenn sie der Tat auf dem Fuße folgen. Die Staatsanwaltschaft wirkt darauf hin, daß das Jugendamt verständigt wird, sobald der Stand der Ermittlungen dies erlaubt, und daß das Jugendamt seine Erhebungen mit größter Beschleunigung durchführt. In geeigneten Fällen kann ein mündlicher oder fernmündlicher Bericht - dem schriftlichen Bericht vorausgehend oder statt eines solchen - angefordert werden, dessen Inhalt die Staatsanwaltschaft oder das Gericht in den Akten vermerkt. 7. Die Staatsanwaltschaft teilt dem Jugendamt so bald wie möglich - in der Regel fernmündlich - mit, ob und bei welchem Gericht sie Anklage erheben oder Antrag im vereinfachten Jugendverfahren (§ 76) stellen wird. Soll das Verfahren durchgeführt werden, so wird das Jugendamt im allgemeinen dem Gericht unmittelbar berichten und der Staatsanwaltschaft eine Abschrift des Berichts übersenden. Dies sollte so rechtzeitig erfolgen, daß das Erforderliche noch vor Durchführung der Hauptverhandlung veranlaßt werden kann. Erwägt die Staatsanwaltschaft, nach $ 45 von der Verfolgung abzusehen, hält sie aber noch eine Äußerung des Jugendamtes für erforderlich, so ersucht sie das Jugendamt, ihr zu berichten. In anderen geeigneten Fällen, namentlich wenn die Staatsanwaltschaft wegen nicht erwiesener Schuld das Verfahren einstellen will, benachrichtigt sie das Jugendamt, daß und weshalb sich der Bericht erübrigt. 8. Die Untersuchung des Jugendlichen durch einen Sachverständigen kann insbesondere veranlaßt sein, a) wenn Grund zu der Annahme besteht, daß die Verfehlung* mit einer psychischen Krankheit des Jugendlichen zusammenhängt, b) wenn der Jugendliche durch seelische, geistige oder körperliche Besonderheiten auffällt oder c) wenn der Jugendliche ohne erkennbare Ursachen erheblich verwahrlost ist. 9. $ 43 gilt auch im Verfahren gegen Jugendliche vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten und im Verfahren gegen Heranwachsende (§ 104 Abs. 1 Nr. 3, § 109 Abs. 1 Satz 1; vgl. jedoch § 104 Abs. 3, $ 112). * Vgl. Anhang (= Abdruck von Kapitel III Sachgebiet C Abschnitt III 3. b) und c) der Anlage 1 zum Einigungsvertrag; siehe dazu $ 1, 6 c). 342

Umfang der Ermittlungen

$ 4 3

Schrifttum: Blau Der psychologische Sachverständige im Prozeß, in Müller/Luckmann (Hrsg.) Gerichtliche Psychologie, 1962; Bresser Grundlagen u. Grenzen der Begutachtung j. Rechtsbrecher, 1965; Detter Der Sachverständige im Strafverfahren, NStZ 98, 57; Ell Der Psychologe als Helfer des Richters, Zbl. 80, 531; Fccken/Pfeiffer Thesen zur Zusammenarbeit des JRichters mit dem psychiatrisch-psychologischen Sachverständigen, Zbl. 79,378; Freisleier Rechtsfragen bei Kindern, J u. Hw., in Neiopil Forensische Psychiatrie, 2. Aufl. 2000 S. 60; Gerchow Beurteilung der J u. Hw., in Ponsold (Hrsg.) Lehrbuch der gerichtl. Medizin, 1967; Hauber Die Funktionsverteilung zw. Richter u. Sachverständigen im dtsch. JGerichtsverfahren, Diss. Freiburg 1976; ders. Der Sachverständige im JStrafverfahren, Zbl. 81,92; ders. Der Kompetenzstreit zwischen Psychiater u. Psychologen im JStrafverfahren, Zbl. 82, 157; Heim JStrafverfahren: Psychiatrisch-psychologische Begutachtung am Beispiel von Aggressionstätern, StV 88, 318; Jessnitzer Der gerichtl. Sachverständige, 1966; Illchmann