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German Pages 108 [127] Year 1914
STUDIEN ZUR RHEINISCHEN GESCHICHTE HERAUSGEBER: DR. JUR. A L B E R T AHN 7. Heft:
Josef Qörres und die Anfänge der Preussischen Volksschule am Rhein 1814—1816 von
Dr. phil. Alfons Schagen
BONN A. MARCUS UND E. WEBERS VERLAG (Dr. ALBERT AHN) 1913
Inhaltsangabe. I. D i e Z u s t ä n d e d e s r h e i n i s c h e n V o 1 k s s c h u 1 w e s e n s a m E n d e d e r f r a n z ö s i s c h e n H e r r s c h a f t . . S. 1 Quellen der Darstellung 1—2. Bevölkerung und Schule 3. Schulbesuch, Winter- und Winkelschulen 3—6. Dauer des Schulbesuches 6. Ausbildung und Anstellung der Lehrer 6—9. Schulaufsicht 10—12. Einkommen und soziale Stellung der Lehrer 13—18. Amtswohnungen 18. Schullokale 18—19. Der Unterricht. Lehrfächer 19—21. Methode und Lehrmittel 21—23. Klasseneinteilung. Disziplin 23—24. Frühere Besserungsversuche 24—26. Interesselosigkeit der französischen Regierung 26. II. J o s e f O ö r r e s , D i r e k t o r d e s ö f f e n t l i c h e n U n t e r r i c h t s a m M i t t e l r h e i n . P e r s o n a l g e s c h i c h t e S. 27 Kurze Übersicht über die Organisation der provisorischen Verwaltung 27—28. Die territorialen Veränderungen des Oörresschen Amtsbezirks 29. Görres' Anstellung als Direktor des ö. U. im Gen. Gouv. Mittelrhein 30—33. Seine Amtsbefugnisse 33—34. Görres' Entlassung für die an die österr.-bayr. Administration gefallenen Teile des Gouvernements 35—36. Görres als Direktor des ö. U. im mittelrhein. Teile der vereinigten Gouvernements Nieder- und Mittelrhein 36—37. Görres' Beziehungen als Direktors des ö. U. zu deutschen Gelehrten und Künstlern 37—39. Plötzliche Entlassung und Auseinandersetzungen mit der preußischen Regierung 4C—46. III. F i n a n z i e l l e un d Leh rer
und
soziale
Hebung
der
Schulen S. 47
Maßnahmen des Mittelrheinischen Gouvernements. Zentralunterrichtskasse. Pläne und Maßnahmen im Gen.-Gouv. Nieder- und Mittelrhein 47—48. Görres' Entwurf einer Instruktion für Verwaltungsräte und Empfänger 48—51. Portofreiheit der Dienstkorrespondenz 51. Das Kaiserliche Dekret vom 21. August 1810 51—52. Kommission zur Reorganisation des Schulwesens 52. Görres' Vorschläge zur Besoldung der Lehrer 53—54. Schulen und Einquartierung 54. Verfügung vom 26. Januar 1815 über die Lehrerbesoldung 54—56
IV Einschränkung der Nebengewerbe 56. Verfügung über die Observanz gegen Lehrer bei öffentlichen Festen 57. IV. S c h u l e
und
Unterricht
S. 58
1. Abschnitt. Bevölkerung und Schule 58. Die Schulfragen 59—61. 2. Abschnitt. Ausbildung der Lehrer und Normalschulen 61. 3. Abschnitt. Anstellung der Lehrer 66. Verfügung des Mittelrheinischen Gouvernements vom 12. Juni 1814 66. Die Anstellung im Oouv. Nieder- und Mittelrhein. Verfügung vom 7. August 1815 66—70. 4. Abschnitt. Schulaufsicht. Ortsschulvorstände und Lokalschulinspektoren 70. Die Schulaufsicht im Qouv. Mittelrhein 70. Die Schulaufsicht im Gouv. Nieder- und Mittelrhein. Entwurf einer Schulorganisation 71—73. Vorläufige Durchführung nur im Roerdepartement 73—76. Die linksrheinische Schulorganisation und das Preuß. Generalschulreglement 76—77. Görres' Ansicht über die geistliche Schulaufsicht 77—80. 5. Abschnitt. Schulbesuch, Schulhäuser und Klasseneinteilung. Unterricht für die in Fabriken arbeitenden Kinder 80. Bestimmungen über den Schulbesuch 80—82. Unterricht für Fabrikkinder 83. 6. Abschnitt. Der Unterricht. Görres als Pädagoge 89. Entwurf eines Normalstundenplanes durch Görres 91. Normallesebuch 92. Görres' Pädagogik und ihre Beziehungen zur Romantik und zu Pestalozzi 93—97. Die Pestalozzische Schule in Koblenz 98. V. G ö r r e s VI. S c h l u ß
und
das
höhere
Schulwesen.
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S. 101 S. 106
Quellen und Literatur. Akten des Koblenzer Staatsarchivs = K. St. A. Es wurden hauptsächlich benutzt die Akten der Direktion des öffentlichen Unterrichts = Repert 249. Akten des Düsseldorfer Staatsarchivs = D. St. A. Benutzt wurden die Akten des Qen. Gouv. N.- und M.-Rhein. Gouv. Kommissariat = Rep. D 4 II und Gen. Gouv. N.- und M.-Rhein. Gouv.-Registratur = Rep. D 41. Akten des Geheimen Staatsarchivs = O. St. A. Akten des Rhein.-westf. Wirtschaftsarchivs zu Köln. Journal vom Nieder- und Mittelrhein, 1814-1816 = Journal. Amtsblatt für das Rheinmoseldepartement. Jahrg. 1815 und 1816. Koblenzer Nachrichts- und Anzeigeblatt. 1815. Koblenzer Anzeiger. Jahrg. 1816-1820. Rhein. Merkur 1814-1816. *
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A 11 m a n n , Ausgewählte Urkunden zur außerdeutschen Verfassungsgeschichte. Berlin 1897. B o r m a n n - D a n i e l s , Handbuch der für die Königl. Preußischen Rheinprovinzen verkündigten Gesetze, Verordnungen und Regierungsbeschlüsse aus der Zeit der Fremdherrschaft. Köln 1836. Bulletin des lois de la république française. B a u m e i s t e r , Die Einrichtung und Verwaltung des höheren Schulwesens in den Kulturländern von Europa und Nordamerika. I. Bd. 2. Abt. des Handbuches der Erziehungs- und Unterrichtslehre für höhere Schulen. München 1897. B e i e r , A., Die höheren Schulen in Preußen und ihre Lehrer. Halle 1909. G a l l a n d , Josef v. Görres. Freiburg 1876. Görres, Oes. Briefe Bd. I. München 1858. Bd. II. und III. 1874. —, In Sachen der Rheinprovinzen und in eigener Angelegenheit. Stuttgart 1822. G r u n e r , J. v„ Ein Beitrag zum Briefwechsel von J. Görres. Deutsche Revue 1893.
VI H a y m , R., Die Romantische Schule. Berlin 1906. H e r m e n s , Handbuch der gesamten Staatsgesetzgebung über den christlichen Kultus und über die Verwaltung der Kirchengüter und Einkünfte in den Königl. Preußischen Provinzen am linken Rheinufer. Aachen und Leipzig 1 8 3 3 - 1 8 5 2 . M o l d e n h a u e r , Geschichte des Höheren Schulwesens der Rheinprovinz unter preußischer Regierung. Köln 1895. M ü l l e r , K- A. v., Briefe von und an J. Görres. Archiv für Kulturgeschichte 1911. —, Fünf Briefe von Jos. Görres. Euphorion Bd. XIX. 1912. Neigebaur, Die angewandte Kameralwissenschaft, dargestellt in der Verwaltung des Generalgouverneurs Sack am Nieder- und Mittelrhein. Leipzig 1823. = A. K. —, Darstellung der provisorischen Verwaltungen am Rhein. Köln 1821 = Prov. Verw. —, Sammlung der auf den öffentlichen Unterricht in den Königl. Preußischen Staaten sich beziehenden Gesetze und Verordnungen. Hamm 1826. —, Das Volksschulwesen in den Preußischen Staaten. Berlin 1834. P e s t a l o z z i , Sämtliche Schriften. Bd. V und XI. Stuttgart und Tübingen 1819-1826. R a u m e r , v., Geschichte der Pädagogik II. Teil. Stuttgart 1847. Rhein-westfälische Monatsschrift. Herausg. von Rossel. Aachen 1824. R o e n n e , v., Das Unterrichtswesen des Preußischen Staates. Berlin 1855. R ü h I , Briefe und Aktenstücke zur Geschichte Preußens unter Friedrich Wilhelm III. II. Bd. Leipzig 1900. Schellberg, Josef von Görres ausgewählte Werke und Briefe. 2 Bde. Kempten und München 1911. S c h u 11 e i s , C , Erläuterungen zum geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz. Bd. I. 1895. S e p p , Görres und seine Zeitgenossen. Nördlingen 1877. Varrentrapp, Johannes Schulze und das höhere preußische Unterrichtswesen in seiner Zeit. Leipzig 1889. Vollheim, Die prov. Verwaltung am Nieder- und Mittelrhein während der Jahre 1 8 1 4 - 1 8 1 6 . Bonn 1912. W i 11 e m s e n , Das bergische Schulwesen unter der französischen Herrschaft. Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte. Jahrg. 18, Heft 2 und 3. 1908. Durchgesehen, aber für diese Arbeit ohne Ergebnis, sind ferner: G ö r r e s , Gesammelte Schriften, herausg. von Marie Görres. München 1854-1860. G r a s h o f , Aus meinem Leben und Wirken. Essen 1839.
Vorwort. Das Thema der vorliegenden Abhandlung bedarf einer kurzen Erläuterung. Wir sehen darin die Anfänge des preußischen Volksschulwesens am linken Rheinufer verknüpft mit dem Namen Josef Görres. Der Gründe dazu sind verschiedene. Zunächst einmal ging die ganze Arbeit aus von einem Interesse an Görres als Direktor des öffentlichen Unterrichts. Erst im Laufe der Arbeit gewann das Gebiet des öffentlichen Unterrichts selbst immer mehr an interessierender Bedeutung, was Veranlassung gab, die Schilderung dieses Gegenstandes auf breiterer Basis aufzubauen, so daß sie eigentlich sogar zur Hauptsache geworden ist. Warum ich trotzdem an der Verknüpfung mit Görres' Persönlichkeit glaubte festhalten zu dürfen, warum ich nicht den als Schulmann und praktischen Pädagogen wohl zweifellos bedeutenderen niederrheinischen Kollegen von Görres, Karl Eriedr. Aug. Grashof zum Mittelpunkt meiner Darstellung machte, mag, abgesehen von dem oben angeführten Grunde, noch folgendes rechtfertigen. Zunächst hatte Görres im Direktorium des öffentlichen Unterrichts die Priorität. Grashof wurde erst später zu diesem Amte berufen. Sodann aber scheint es doch einen eigenen Reiz zu haben, zu sehen, wie ein Mann wie Görres, der, in litteris mehr oder weniger Autodidakt, mit seinen politischen Anschauungen und seiner praktisch betätigten patriotischen Begeisterung einen so hervorragenden Einfluß auf die öffentliche Meinung seiner Zeit ausübte, sich in dem Rahmen eines solchen Amtes zurechtfand, eines Amtes, das ihm freilich bei längerer Verwaltung in weitem Maße die Möglichkeit geboten hätte, auf die Gesinnung der kommenden Generation in seinem Sinne zu wir-
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ken. Seine pädagogischen Anschauungen und deren Beziehungen zur Romantik und besonders zu Pestalozzi werden in diesem Zusammenhang zu würdigen sein. Die Behandlung der allgemeinen Gesichtspunkte erstreckt sich trotz dieser Beschränkung auf Qörres doch über das ganze Gebiet der linksrheinischen Provinzen. So sind z. B. in der Schilderung des Schulwesens im 1. Kapitel die Zustände des Niederrheins vollständig mitbehandelt, wie denn überhaupt immer, wenn von vorgefundenen Zuständen die Rede ist, beide Teile des Gouvernements Nieder- und Mittelrhein je nach den sich bietenden Beispielen berücksichtigt sind. Da die grundlegenden Maßnahmen der Regierung sich natürlich durchweg auf das ganze Gouvernement bezogen, mußten sie von selbst schon entsprechend herangezogen werden. Das ist aber auch dann geschehen, wenn sie, wie z. B. die Regelung der Schulinspektion, zunächst nur im niederrheinischen Teile des Gouvernements praktisch durchgeführt wurden. Diurchgehends jedoch erfährt Görres' Tätigkeit bei der Schilderung von Einzelheiten eine eingehendere Berücksichtigung. — So darf ich wohl hoffen, trotz der teilweisen Beschränkung ein ziemlich umfassendes Bild zu geben von der Art und Weise, wie die preußische Regierung einen wichtigen Zweig der Verwaltung in Angriff nahm, der mehr als mancher andere in den Rheinlanden im argen lag. Die endgültige Lösung so mancher Fragen, die gerade im linksrheinischen Schulwesen dringend waren, zu schildern, kann nicht die Absicht dieser Arbeit sein. Ihre Hauptaufgabe soll eben nur darin bestehen, diese wichtigen Fragen aufzuweisen und die Versuche — denn mehr als Versuche konnten es bei dem zunächst provisorischen Zustand der Dinge kaum sein —• zu zeigen, die gemacht wurden, um dem schreienden Bedürfnis nach Besserung wenigstens einigermaßen beizukommen. So ergibt sich ein natürlicher Abschluß der Arbeit mit der endgültigen Einführung der allgemeinen preußischen Verwaltung im April des Jahres 1816, mit welchem Zeitpunkt auch die Amtstätigkeit von Görres als Direktors des öffentlichen Unterrichtes ihr Ende findet. Die Anregung zu der vorliegenden Arbeit ging aus von Herrn Privatdozenten Dr. Justus Hashagen in Bonn, dem für
IX sein außerordentlich förderndes Interesse, durch das er das Gelingen der Arbeit wesentlich unterstützte, mein ergebenster Dank ausgesprochen sei. Sodann gebührt mein Dank dem Herrn Geh. Regierungsrat Prof. Dr. v. Bezold für die freundliche Übernahme der Berichterstattung über den Teil, der als Bonner Dissertation erschienen ist (S. 58 bis 100). Zu danken habe ich ferner den Verwaltungen des Königlichen Geheimen Staatsarchivs in Berlin, der Königlichen Staatsarchive zu Koblenz und Düsseldorf und des RheinischWestfälischen Wirtschaftsarchivs in Köln für die Überlassung der Akten; ebenso der Königlichen Universitätsbibliothek in Bonn und der Landes- und Stadtbibliothek in Düsseldorf für die Beschaffung der einschlägigen Literatur.
I. Die Zustände des rheinischen Volksschuiwesens am Ende der französischen Herrschaft. Mit der durch den ersten Pariser Frieden zunächst provisorisch ihm übertragenen Verwaltung der linksrheinischen Provinzen übernahm Preußen manche wichtige Aufgabe. 1 ) Eine der schwierigsten war neben der Regelung der finanziellen Beziehungen des Landes zu Frankreich die von G r u n d auf notwendige Umgestaltung des Schulwesens. Man wird zwar ein abschließendes Urteil über die französische Volksschule am Rhein erst d a n n abgeben können, wenn eine eigene Untersuchung vorliegt über das, was die französische Regierung auf diesem Gebiete gewollt und was sie tatsächlich geleistet hat. Jedenfalls waren die von Preußen vorgefundenen Zustände im rheinischen Schulwesen wenig erfreulich. Einen Einblick darin erhält man außer durch die eingehenden Berichte von Görres besonders aus den Antworten auf 43 Fragen über das Schulwesen, die der Generalgouverneur Sack im August 1814 an sämtliche Gemeinden seines Verwaltungsbezirkes sandte mit der Weisung, sie von dem am besten dazu befähigten Gemeindemitgliede mit größter Sorgfalt beantworten zu lassen. 2 ) Diese Antworten geben uns ein Bild !) Einige orientierende Bemerkungen über die Übernahme der Verwaltung folgen im Anfang des 2. Kapitels. ä ) Eine erschöpfende Bearbeitung des in diesen Antworten vorliegenden Materials würde über den Rahmen dieser Abhandlung weit hinausgehen. Vor allem glaubte ich auf eine strenge zahlenmäßige Verwertung verzichten; zu sollen, da die Zahlenangaben doch recht häufig lückenhaft und widersprechend sind. Ich habe deshalb aus den Berichten unter möglichst gleichmäßiger Berücksichtigung der großen, mittleren und kleinen Gemeinden nur einige hundert Proben entnommen und verwertet. Ebenso muß ich es mir versagen, auf die Entstehung der hier geschilderten Zustände etwa unter Berücksichtigung früherer landesS c h a g e n , Görres uad die preußische Volksschule.
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des rheinischen Schulwesens, wie wir es aus offiziellen Denkschriften, Berichten und dergl. niemals gewinnen könnten. Mitten aus dem Elend heraus ertönt hier manche harte Klage, vor allem mancher bittere Vorwurf gegen die französische Regierung, aber aiuch mancher wackere, sorgsam durchdachte Vorschlag zur Besserung. Viele Pfarrer beider Konfessionen, denen die Beantwortung der Fragen zumeist zufiel, haben sich in diesen Berichten ein rühmendes Denkmal einer biederen, treudeutschen, christlichen Gesinnung gesetzt, die selbst vor persönlichen Opfern nicht zurückschrak, um das Volk wenigstens vor der schlimmsten geistigen Verwahrlosung zu behüten. Oft sind es umfangreiche, von großem pädagogischem Geschick und Interesse zeugende Abhandlungen, welche die Berichterstatter ihren Antworten beigaben, worin sie die nach ihrer Meinung besonders störenden Hindernisse der Schulverbesserung darlegten und Vorschläge zur H e b u n g des Schulwesens machten. Manchmal freilich, aber doch seltener, sind diese Berichte auch an sich traurige Dokumente f ü r den niedrigen Bildungsstand derjenigen, denen man als den Vertretern der Intelligenz in der Gemeinde die Beantwortung der Fragen zugewiesen hatte. Diese Beantwortungen und die ausführlichen Berichte über das Schulwesen seines Bezirkes, die Görres am 6. Juli und 28. Nov. 1814 2 ) an den Generalgouverneur sandte, dienen der folgenden Schilderung als Grundlage. Die Hauptwurzel alles Übels lag in der schlechten finanziellen Fundierung der Schulen und Lehrer. Das Gesetz vom 1. Mai 1802 (11. Flor, an X) 3 ) hatte bestimmt, daß das Gehalt der Lehrer bestehen solle „I. du logement fourni par herrlicher, insbesondere französischer Gesetze und Verordnungen im einzelnen näher einzugehen, so daß also das 1. Kap. nur einen Querschnitt durch das rhein. Volksschulwesen im Jahre 1814 bietet. Im übrigen wird von den Fragebogen noch in einem späteren Abschnitt die Rede sein. Die Berichte finden sich: D. St. A. Repert. D 4 II IV. 52 Nr. 81 ; 53 Nr. 54; 54 Nr. 34 ; 55 Nr. 37 ; und K. St. A. Repert. 249 Nr. 89—94, Nr. 104 bis 112. !) K- St. A. Repert. 249 Nr. 20. ») K. St. A. Repert. 249 Nr. 16. ») Bulletin 4. série 186 Nr. 1488.
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les communes, il. d'une rétribution fournie par les parens, et déterminée par les conseils municipaux". Von dieser Schulsteuer sollten diejenigen Eltern befreit sein, die außerstande wären, sie zu bezahlen. Damit war die Schulunterhaltung an die Gemeinden gewiesen. Die schlechte finanzielle Lage der Schulen war daher begründet teils in der Armut einzelner Gemeinden, die bei den drückenden Kriegskontributionen nicht leicht noch Geld für die Schule hätten auftreiben können, teils aber auch, zumal auf dem Lande oder in Fabrikstädten, in der gänzlichen Mißachtung des öffentlichen Unterrichts seitens der Bevölkerung. Nr. 23 der Schulfragen verlangte insbesondere darüber Auskunft, ob unter den Einwohnern der Gemeinde der Wunsch u n d das Bestreben bemerkbar sei, ihren Kindern eine bessere Erziehung zu geben. In den Antworten findet man den Wunsch wohl öfters ausgesprochen, das Bestreben wird aber sehr selten bekundet. Im Gegenteil zeigt man viel mehr eine absolute Gleichgültigkeit oder gar eine direkte Feindschaft gegenüber der Schule. Argwöhnischen Blickes betrachtete man vielfach die Schule als ein überflüssiges Institut, bei dem, wie Neigebaur drastisch, aber treffend sagt, „die Kühe nicht mehr Milch geben und die Kartoffeln nicht größer werden". (Prov.Verw. S. 119.) Charakteristisch für die Gesinnung der Landbevölkerung gegenüber der Schule ist folgende Antwort auf Frage 23, die man, mehr oder weniger variiert, häufiger lesen kann : „Der gemeine Wunsch und merkbarste Bestreben der Einwohner im Ganzen ist gehorsame, tugendliebende und arbeitsame Kinder bilden zu sehen. Das übrige nennt der Bauersmann französische Aufklärung." *) Der Landmann brauchte seine Kinder eben zur Feldarbeit und zum Viehhüten, um dadurch andere Arbeitskräfte zu sparen. Wenn er nun seine Kinder zur Schule schickte, mußte er außerdem dafür Schulgeld zahlen und empfand dann den Schulbesuch seiner Kinder als eine doppelte Last. Noch schlimmer fast als auf dem Lande stand es in Fabrikstädten mit dem Schulbesuch der Kinder. Auf diese Frage werden wir in einem späteren i) Bericht
von Sievernich Kr. Krefeld.
D . St. A.
Repert.
IV. 5 4 ; Nr. 34. 1*
D 4 II
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Abschnitt genauer zu sprechen kommen. — Wurden die Kinder aber wirklich zur Schule geschickt, dann geschah das meistens nur im Winter, besonders auf dem Lande. Im Winter stieg die Zahl der schulbesuchenden Kinder immer gewaltig, sehr oft um das doppelte oder dreifache, häufiger sogar noch in einem weit höheren Prozentsatze. Es kam vor, daß von 150 schulfähigen, d. h. Kindern im Alter von 6 bis 14 Jahren im Sommer keines regelmäßig die Schule besuchte. Der Lehrer hielt zwar sehr oft auch im Sommer die Schule offen, aber es konnte ihm dann vorkommen, daß er in seiner ganzen Schule nicht mehr als 10 Schüler sah. Das sind freilich seltenere, aber keineswegs vereinzelte Fälle. Die Winterschule wurde durchweg gehalten von November bis Mai. Reine Winterschulen finden sich häufig in den Gemeinden am Mittelrhein und an der Ahr, während am Niederrhein, in den Kreisen Köln, Aachen, Krefeld mit ihren größeren Städten die das ganze Jahr durchgehende Schule überwog. In den rein ländlichen Gemeinden war aber auch hier der halbjährige Unterricht im Winter die Regel. Daß bei diesem halbjährigen Unterricht, dem dann eine ebensolange Zeit geistiger Untätigkeit folgte, nicht viel herauskam, liegt auf der Hand. Von einer systematischen Weiterbildung der einzelnen Jahrgänge kann überhaupt kaum die Rede sein, zumal bei dem häufig vorkommenden Institut der Wanderlehrer, die im umgekehrten Zeitverhältnis wie die Zugvögel kamen und gingen. Die Kinder, die wenigstens diesen halbjährigen Unterricht besuchten, wurden immerhin vor gänzlicher Unwissenheit bewahrt. Weit schlimmer noch stand es um .diejenigen, die jahraus, jahrein überhaupt keine Schule besuchten. Die Zahlenverhältnisse zwischen Schulfähigen und Schulbesuchenden sind ganz erschreckende. Neigebaur gibt als Durchschnittszahl an, daß von allen schulfähigen Kindern nur etwa 2/ä die Schule besuchten. Diese Zahl ist gewiß nicht übertrieben. Sie gibt nur den Durchschnitt an. Im einzelnen sind die Zahlenverhältnisse sehr oft noch viel schlimmer. Der Kreisdirektor von Krefeld zählte in seinem Kreise 34 427 schulfähige und 14 699 schulbesuchende Kinder, in Gemünd waren z. B. 215 schulfähige und 41 schulbesuchende, in Höngen (Kr. Aachen) sogar bei
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263 schulfähigen nur 40 schulbesuchende Kinder, also kaum 14o/o. Im ganzen scheint überhaupt der Schulbesuch am Niederrhein relativ schlechter gewesen zu sein, als in den Gegenden des Mittelrheins und der Mosel. Hier hielt sich der Prozentsatz, wenigstens im Winter, gut über 50 o/o und höher. Beträchtliche Schwankungen nach unten kamen natürlich auch hier vor, z. B. war in Adenau das Verhältnis 381 zu 90. In demselben schlimmen Mißverhältnis wie die Zahlen der schulfähigen und schulbesuchenden Kinder stand die Anzahl der vorhandenen,Schulen zur Zahl der die Schule besuchenden Kinder, ganz zu schweigen von den schulfähigen. Daß ein einziger Lehrer in seiner Schule 120 bis 150 Kinder unterrichtete, war keine Seltenheit, wenngleich freilich meistens die Schülerzahl geringer war. Daß einmal in einer mittelgroßen Gemeinde mehr als eine Schule bestand, war sehr selten. Dagegen fanden sich in den größeren Städten, besonders auffällig in Krefeld und Aachen, die höchst verderblichen Winkelschulen in großer Zahl. In Krefeld gab es neben 5 ordentlichen Lehrern 6 Winkelschullehrer. In Aachen waren etwa 28 öffentliche Schulen, die insgesamt als Primärschulen bezeichnet wurden. Wenn man aber berücksichtigt, daß unter den Lehrern dieser Schulen mindestens 15 ohne Auftrag einer Behörde von selbst die Schule eröffneten, ebenso viele nur vom französischen Inspektor geprüft waren, aber kein Zeugnis aufwiesen, mindestens 10 überhaupt gänzlich ungeprüft waren, dann wird man wohl der Hälfte dieser Schulen kaum mehr als den Charakter einer Winkelschule zusprechen dürfen. Besser stand es in dieser Beziehung in Koblenz. Dort waren die Primärschulen als Pfarrschulen mit den Pfarrkirchen verbunden, so daß man über ihren öffentlichen Charakter keinen Zweifel hegen kann. Im übrigen ist der Unterschied zwischen Primärschulen und Winkelschulen oft sehr schwer zu bestimmen. Hin und wieder gab es, wo es die Bevölkerungsverhältnisse forderten, f ü r jede der beiden Konfessionen eine besondere Schule. Meistens haben wir es, entsprechend den Konfessionsverhältnissen der Rheinlande, mit rein katholischen Schulen zu tun. Sehr selten war, abgesehen von den größeren Städten, die Trennung in Knaben- und Mädchen-
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schulen. Gemeinsame Erziehung war durchweg die Regel. Auf Nr. 8 der Schulfragen: ob die Frau des Lehrers einen gewissen Grad von Bildung habe, so daß sie irgendwie zur hrziehung der weiblichen Jugend mitwirken könne, kamen mit verschwindend wenigen Ausnahmen nur verneinende Antworten. So war der Unterricht in weiblichen Handarbeiten, wenn man irgendwo überhaupt Bedürfnis dazu hatte, dem hlternhause oder Privatpersonen überlassen, die Schule konnte sich nicht darum kümmern. Die Dauer des Schulbesuches der Kinder erstreckte sich gewöhnlich vom 6.—42. Jahre. Nur in den selteneren Fällen schickten die Litern ihre Kinder bis ins 13. oder gar 14. Jahr zur Schule. Man hielt den Abschluß der Schulbildung f ü r gekommen mit dem Zeitpunkt, wo die Kinder vom Pfarrer zur Kommunion zugelassen wurden. Das geschah aber meist im Anfange des 12. Lebensjahres. Danach waren nur wenige Eltern zu bewegen, ihre Kinder länger zur Schule zu schicken. Wenn einmal ein Pfarrer, der ein besonderes Interesse an der Schule hatte, den Termin der ersten Kommunion hinausschob, um die Kinder in der Schule zu halten, konnte er alljährlich der größten Verdrießlichkeiten von seiten der Eltern sicher sein. Dem mangelnden Interesse des Volkes an der Ausbildung seiner Kinder entsprach die Schlechtigkeit der Schule. Hier haperte es an allen Enden, vor allem an der gehörigen Ausbildung der Lehrer und einer sachkundigen Aufsicht über die Schule. War wirklich einmal der Lehrer gut, dann waren die Umstände, in denen er sich befand, das Schulhaus, die Lehrmittel und dergl. häufig aber so schlecht, daß dadurch wieder nichts Ersprießliches erzielt werden konnte. Woher die Lehrer eigentlich ihre Ausbildung hatten, ist in den meisten Fällen nicht ersichtlich. Wohl wiesen einige allerlei Zeugnisse auf, aber was es damit für eine Bewandtnis hatte, ist nicht immer gerade beruhigend. Für das Rheinund Moseldepartement hatte eine Zeit lang eine sog. Normalschule in Koblenz bestanden, aus der diese Gegend mit einigermaßen gebildeten Lehrern versehen worden war. 1 ) *) Über die Koblenzer Normalschule vergl. S. 25 und besonders S. 61—65.
Diese Normalschule war aber der Not der Zeit zum Opfer gefallen. Von den in der Normalschule ausgebildeten Lehrern waren dann wieder junge Leute zum Lehrfach notdürftig vorbereitet worden, so daß man in deren Kenntnisse einiges Vertrauen setzen konnte. Görres hebt in seinem Berichte vom 28. Nov. 1814 verschiedene Lehrer und Pfarrer rühmend hervor, die sich durch solche Betätigung ein großes Verdienst um ihre Heimat erworben hatten. Aber über die Befähigung der meisten Lehrer zu ihrem Amte wird man berechtigten Zweifel hegen müssen, zumal wenn die Art der P r ü f u n g iund Berufung zu diesem wichtigen Geschäfte wie bei den weitaus meisten Stellen eine 'höchst merkwürdige war. Die am meisten vertrauenerweckenden Lehrer sind nächst denen mit Zeugnissen der Normalschule jedenfalls noch die, welche vom Pfarrer geprüft und angestellt waren. Freilich kajnen auch hierbei wohl Mißgriffe vor, indem nämlich fast durchweg das Lehramt mit der Küsterstelle verbunden war, und der Pfarrer dann oft zunächst einen guten Küster suchte, der damit ohne weiteres die Qualifikation zum Lehrer hatte. Höchst verdächtig sind diejenigen, die angeben, vom französischen Inspektor geprüft zu sein. Wir werden die Art dieser P r ü f u n g später kennen lernen. Zwar war bei Errichtung der Kaiserlichen Universität, 8 ) die das ganze Schulwesen
') K. St. A. Repert. 249 Nr. 16. ) Die von Napoleon am 10. Mai 1806 gestiftete Kaiserliche Universität darf durchaus nicht mit unseren heutigen Universitäten verwechselt werden. Die Université impériale war nicht eine einzelne Bildungsanstalt, sondern umfaßte entsprechend dem französischen Zentralisationsprinzip das gesamte französische Bildungs- und Schulwesen. Alle einzelnen Schulen waren Glieder ihrer Organisation. Vergl. die drei ersten Artikel des Dekretes vom 17. März 1808 (Bulletin 4. série T. VIII. S. 145): Art. I. " L'enseignement public dans tout l'empire est confié exclusivement à l'Université. II. Aucune école, aucun établissement quelconque d'instruction ne peut être formé hors de l'Université impériale et sans autorisation de son chef. III. Nul ne peut ouvrir d'école, ni enseigner publiquement sans être membre de l'Université impériale et gradué par l'une de ses facultés. a
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des französischen Reiches einheitlich regeln sollte, dem Großmeister der Universität und den Rektoren der Akademien das Recht erteilt worden, die Lehrer der écoles primaires nach den Vorschlägen der Bürgermeister zu ernennen. 1 ) Doch wurde diese Bestimmung aus verschiedenen Gründen wenig streng ^durchgeführt. Zunächst wurde überhaupt die Ernennung der Primärlehrer von der Universität selbst nicht mit dem nötigen Eifer betrieben, und anderseits war es natürlich den ,in Betracht kommenden Behörden, wie Gemeinden, Kirchenvorständen und Pfarrern durchaus nicht darum zu tun, das Interesse der Université impériale f ü r eine Sache zu erwärmen, in der sie so nach ihrem eigenen Gutdünken und bisherigen Brauche weiterhin schalten und walten konnten. Die Ernennung der Lehrer durch die Universität wurde vielmehr von diesen Behörden als eine eigenwillige Veranstaltung und Beschränkung ihrer Befugnisse empfunden und soviel als möglich behindert u n d hintertrieben. Da nun viele Primärschulen entweder ohne Beihilfe der Gemeinde nicht bestehen konnten, also für ihre Lehrer der Einwilligung der Gemeinde bedurften, oder aber bei der Verbindung der meisten Lehrstellen mit dem Küsteramt der Lehrer auf die Zustimmung des Pfarrers angewiesen war, so mag wohl zum Teil die Ernennung formell durch die Kaiserliche Universität erfolgt sein, jedenfalls aber unter dem stärksten Einfluß der bisher zuständigen Behörden, zum weitaus größeren Teil aber blieb alles beim alten und die französische Universität bei Ernennung der Lehrer unberücksichtigt. — An manchen Orten waren die Vikare auf Grund von Stiftungen zutn Schulhalten verpflichtet. Viele, die dazu keine Lust oder Fähigkeit hatten, bestellten sich auf ihre Kosten einen Lehrer, der auch nicht immer gerade ein Fachmann war. Sehr viele Lehrer begannen ohne jegliche P r ü f u n g einfach Schule zu halten wie man einen Kramladen eröffnet, nachdem sie vorher ein Gewerbe getrieben hatten, das mit etc. Über die Gründung der Université findet sich ein interessanter und ausführlicher Beitrag in der Anmerkung bei Hermens Bd. IV. S. 689 bis 707. Dekret vom 17. März 1808 s. vor. Anm.
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dem Schulamte wahrhaftig keine Verwandtschaft hatte und das sie immer dann ruhig weiter ausübten. Um ihrem Lehramte einen offiziellen Charakter zu geben, führen manche Lehrer die verschiedensten Behörden als solche an, von denen sie geprüft und berufen seien, so z. B. vom Direktor eines Gymnasiums, vom Präfekten, vom Ataire, vom Konsistorium, vom Kirchen vorstand usw., ohne daß sie aber immer ein Zeugnis aufweisen können. Als häufig vorkommende Anstelhingsarten seien beispielsweise noch folgende genannt: Von der Gemeinde angestellt, aus eigenem Antriebe, aus Not. Dieser letztere Fall findet sich öfters. Kam einer als Schuhmacher, Schneider oder Leineweber nicht recht voran, dann versuchte er es mit der Schule. Als trauriges Beispiel sei folgendes Faktum von einem Lehrer mitgeteilt, der in einer Krefelder Winkelschule sein Wesen trieb. Der Mann hatte vorher einen Kramladen gehabt, war aber durch seine und seiner Frau liederliche Wirtschaft heruntergekommen und dann wegen Diebstahls ins Zuchthaus gesperrt worden. Nach Ablauf der Strafzeit sah er sich natürlich existenzlos und — wurde Lehrer! Mit Recht bezeichnete es der Kreisdirektor von Krefeld als „eine fast unbegreifliche Inkonsequenz, daß man in Gemeinden, wo kein Polizeidiener oder Flurschütze ohne Prüfung seiner Lebensart und Sitten angestellt wird, sich nicht einmahl um die Moralität, geschweige um die Fähigkeiten solcher Menschen bekümmert, welche Kinder zu moralischen Wesen bilden sollen".1) Ein anderer trauriger Fall, der für die moralische Beeinflussung der Kinder durch den Lehrer nicht gerade Gutes ahnen läßt, wird aus dem Kreise Koblenz berichtet. In der Gemeinde Lutzerath war der junge unerfahrene Lehrer einer Frauensperson in die Hände gefallen, mit der er ein unsauberes Verhältnis unterhielt. Dieses Frauenzimmer trieb seine Frechheit so weit, daß es den Lehrer bis in die Schule verfolgte und vor den Augen der Kinder in unschicklicher Weise belästigte. Fälle, wie diese beiden hier geschilderten waren ja wohl selten, aber man sieht doch daraus, was alles vorkommen konnte. Man findet es heute unbegreiflich, daß derartige ') IX St. A. Repert. D 4 II. IV 5 1 ; Nr. 10.
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Dinge überhaupt möglich waren. Wer wollte aber damals einem solchen Winkelschullehrer das Handwerk legen? Da hätte schon die Polizei eingreifen müssen. Eine ordnungsgemäße Aufsicht, vor allem eigene Mittelbehörden, gab es im Schulwesen nicht. War ein Lehrer von irgend einer geistlichen oder weltlichen Behörde berufen oder geprüft, dann übte wohl auch' meistens diese Behörde die Aufsicht über die Schule aus. Häufig aber war die Schulaufsicht der Zankapfel zwischen Maire und Pfarrer. Das Gesetz über die Organisation der Kaiserlichen Universität vom 17. März 1808 hatte über die Lokalaufsicht nichts Genaues bestimmt. Wohl hatte ein früheres Gesetz vom 1. Mai 1802 (11. Flor, an X) 2 ) den Bürgermeistern und Gemeinderäten die Wahl der Lehrer und damit auch wohl ein Anrecht auf die Lokalschulaufsicht [übertragen. In einem späteren Dekret vom 15. Nov. 1811 3 ) hieß es dann wieder: „ . . . . les préfets, souspréfets et maires continueront à exercer leur surveillance sur les écoles." Von einer Beteiligung der Pfarrer an der Schulaufsicht war in keinem dieser Gesetze die Rede. Daß die Pfarrer überhaupt in französischer Zeit ein gesetzmäßig begründetes Anrecht auf die Schulaufsicht hatten, kann demnach nicht angenommen werden. Gleichwohl läßt es sich verstehen, daß in der Praxis eine faktische Ausübung der Aufsicht durch die Pfarrer sich herausgebildet hatte, die anscheinend auf einer, vielleicht durch viel ältere Bestimmungen begründeten Tradition und ihrer ganzen Stellung innerhalb der Gemeinde beruhte, jedenfalls aber in französischer Zeit nicht gesetzmäßig bestimmt war. Unter diesen Umständen unterließ mancher Pfarrer, der ein wirkliches Interesse f ü r die Schule hatte, jegliche Einmischung aus Furcht vor dem Bürgermeister. Denn da der Pfarrer als Bürger natürlich auch unter der Polizei stand, war den Bürgermeistern reichlich Gelegenheit gegeben zu kleinen und großen Schikanen. Und wenn der Lehrer den Bürgermeister auf seiner Seite wußte, dann war es für den Pfarrer aus Gründen der
Bulletin 4. série 185 Nr. 3179. ) Bulletin 4. série 186 Nr. 1488. 3 ) Bulletin 4. série 402 Nr. 7452 § 192.
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Autorität nicht ratsam, sich mit dem Lehrer einzulassen. Anderseits muß hervorgehoben werden, daß an vielen Orten gerade durch den Einfluß eines eifrigen Pfarrers das Schulwesen zu einer verhältnismäßig hohen Blüte gekommen war, wodurch die Heranziehung der Pfarrer bei der Reorganisation des Unterrichtswesens im weitesten U m f a n g e wünschenswert gemacht wurde. Eine sonderbare Einrichtung war die französische S c h u l inspektion. Dem Berichterstatter der Gemeinde B u d b e r g (Kreis Mörs) verdanken wir eine anschauliche S c h i l d e r u n g 1 ) einer solchen Inspektion, die hier wiederzugeben gestattet sei : „ Z u r französischen Zeit gab es zwar einen Schulinspektor, dessen Wirkungskreis sich über hohe und niedere Schulen mehrerer Departemente erstreckte. Beauftragt, jährlich seinen Inspektionskreis zu bereisen, ließ er sich wirklich alle J a h r e einmal sehen, aber nie hat er eine Landschule besucht. W a s sollte dies auch nützen? Er verstand kein W o r t von der deutschen Sprache, und wenn er sie auch verstanden hätte und der erste Pädagoge der Welt gewesen wäre, was konnte er durch seine Gegenwart von ein paar Stunden im J a h r in der Schule und für die Schule wirken? Die Franzosen schienen es nicht der Mühe wert zu halten, sich um die wichtigsten Institute im Staate, woraus das Heil für die große ehrwürdige Volksklasse hervorgehen soll, um Volksschulen, die das Gesetz selbst nur petites écoles nennt, zu bekümmern. Die Schulaufsicht der Inspektoren beschränkte sich darauf, daß sie die Schullehrer eines Kantons im Hauptort jährlich einmal versammelten. Ich war zweimal Zeuge einer solchen Inspektion. Der Inspektor diktierte den Schullehrern etwas in französischer Sprache. Französisch, Französisch war die Losung. W a s darüber und was darunter ist, ist vom Übel. Mancher geschickte redliche Mann wurde mit Vorwürfen überhäuft, weil er die welsche Sprache nicht g e n u g verstand, ,und ,mancher seichte Kopf, der ein wenig französisch plappern konnte, wurde bis an den Himmel erhoben. D a in den petites écoles nur die ersten Stationen des Rechnens sollten gelehrt werden, so wurde den Schullehrern ein l
) D. St. A. Repert. D 4 II. IV 5 4 ; Nr. 34.
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Addier- oder Subtrahier-Exempel in ganzen Zahlen aufgegeben, hatten sie dies gerechnet, so wurde ihnen noch eingeschärft, daß sie sich nicht unterstehen sollten, den Stock zu gebrauchen, und daß sie fleißig das Schulfenster öffnen .möchten, — damit hatte die P r ü f u n g oder Inspektion, oder wie man den Firlefanz nennen will, ein Ende." Wenn man auch die hier gegebene Schilderung und Wertung nicht ohne .weiteres verallgemeinern darf, so wird man doch aus den angeführten Tatsachen kaum einen anderen Schluß ziehen können als den, daß diese ganze Art der Inspektion ziemlich wertlos ,war. Selbst wenn man annimmt, daß ein fähiger Inspektor bei derartigen Zusammenkünften im persönlichen Verkehr mit den Lehrern durch Anregung und Belehrung fördernd wirken konnte, wird man doch den gänzlichen Verzicht auf die Beobachtung der Lehrer in ihrer praktischen Wirksamkeit und auf die direkte Belehrung an Ort und Stelle und über bestimmte einzelne Fehler als einen großen Mangel .dieser Inspektion ansehen müssen. Daß die Zeugnisse einer solchen Inspektion, wie schon oben gesagt, kaum irgend einen Wert haben, darf demnach wohl behauptet werden. Da die Lehrer infolge des Fehlens einer geordneten Aufsicht nur selten oder nie auf die Mängel ihrer Schule aufmerksam gemacht wurden, bei der isolierten Lage der meisten Landschulen auch auf einen regen Erfahrungsaustausch und gegenseitige Förderung, sofern sie überhaupt ein Bedürfnis dazu hatten, wohl meistens verzichten mußten, so ging es in dem einmal begonnenen Schlendrian weiter. Niemand wehrte jungen Leuten, mochten sie auch selbst kaum der Schule entwachsen sein, eine Schule zu eröffnen, niemand gebot einem alten Manne Einhalt in seiner Wirksamkeit, wenn infolge seines hohen Alters der Unterricht für die Kinder mehr eine Belustigung auf Kosten des Lehrers denn etwas anderes war. So finden wir Lehrer im Alter von 16 bis 17 Jahren und solche von 70 Jahren. Z. B. in der Gemeinde Waldorf (Kr. Köln) war ein Lehrer von 17 Jahren, in Traben (Kr. Zell a. d. M.) war ein Lehrer von 18 Jahren, der aber schon seit 2V* Jahren unterrichtete; in Waldorf, ¡Dormagen (Kr. Köln), Neuß finden wir Lehrer von 70 Jahren und darüber. In Zülpich war sogar eine Lehrerin im Alter
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von 80 Jahren. Bei den bestehenden Besoldungsverhältnissen war ein Lehrer eben genötigt, falls er nicht hungern wollte, so lange im Amte zu bleiben, wie es ihm seine Kräfte irgendwie erlaubten. Zum Ersparen eines Notpfennigs f ü r s Alter war der Schuldienst nicht das geeignete Geschäft. Ein festes Gehalt bezog als Lehrer nur der kleinere Teil der Lehrer. Auch wurde das Gehalt nicht immer in barem Gelde, sondern häufig in Naturalien, Korn, Weizen, Wein usw. ausbezahlt. Die Gehälter waren außerordentlich kümmerlich. 300 Fr., wenn es hoch kam, auch 350 Fr., waren schon sehr gute u n d seltene Jahresgehälter. Es finden sich auch jährliche Fixa von 10 Rtlr., ja von 20 oder noch weniger Franken, z. B. in Langerwehe (Kr. Aachen) 10 Rtlr. und 1 Malter Roggen, in Stolberg (Kr. Aachen) 10 Rtlr., in Mörs (Kr. Krefeld) 12 Rtlr. und bei einem andern 10 Rtlr., in Ursfeld (Kanton Ulmen) 18 Fr. Eine Durchschnittszahl hier anzugeben, hat keinen Zweck, da sich dadurch keineswegs eine richtige Vorstellung ergeben würde. Die Gehälter schwanken eben außerordentlich in allen Abstufungen. Was die Zahl der besoldeten Stellen und auch die Höhe der Besoldungen anbetrifft, so stand es damit am Mittelrhein und an der Mosel entschieden besser als am Niederrhein. 1 ) Eine Regel über das Verhältnis der besoldeten Stellen in den Städten und auf dem Lande oder in kleineren Gemeinden wird sich dagegen wohl kaum aufstellen lassen, wegen der jeweils besonderen Umstände, von denen das Geschick der Schule abhing und die manchmal fast zufällige waren. So sind z. B. unter den 28 Primärschulen Aachens nur 3 besoldete Stellen, während am Mittelrhein und an der Mosel schon ganz kleine Gemeinden ziemlich ansehnliche Gehälter zahlten, z. B. Adenau mit etwa 2500 Einwohnern 300 Fr. Der größte Teil der Lehrer, die ein festes Gehalt bezogen, hatte zu klagen über *) Das Verhältnis ist nach meiner ungenauen Zählung etwa 33 % besoldeter Stellen am Niederrhein gegen 75—80 % am Mittelrhein und an der Mosel. Eine genaue Zählung mag vielleicht die einzelnen Prozentzahlen etwas verschieben. Das Verhältnis zwischen Nieder- und Mittelrhein wird dadurch jedenfalls nicht wesentlich geändert.
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die großen Rückstände, die sie von den Gemeinden zu fordern hatten. So war z. B. dem 'Lehrer in Obergeburth, einem kleinen Ort des Kantons Neersen, sein jährliches Gehalt von 180 Fr. seit 3 Jahren nicht ausbezahlt worden, e^nem anderen in Unterniedergeburth in demselben Kanton sein jährliches Fixum von 36 Fr. schon nicht mehr seit 13 Jahren! Diese Unregelmäßigkeiten in der Besoldung entsprangen nicht sowohl immer bösem Willen als einem wirklichen Unvermögen der Gemeinden. Görres klagte besonders in einem Berichte vom 31. Jan. 1 8 1 5 ü b e r das Schulwesen im Kreise Prüm, der ohnehin wirtschaftlich sehr schlecht stand, darüber, daß die französische Regierung nach einem nur f ü r die Erhaltung und Vermehrung der Staatsgelder günstigen Finanzsystem die Bestreitung der verschiedenartigsten Kosten den Gemeindekassen aufgebürdet habe, die dann ihrerseits wieder den Beitrag f ü r die Schule auf die Einwohner abwälzte, und zwar auf die einzelnen Familien je nach der Zahl der schulfähigen Kinder, wodurch besonders für 'arme, kinderreiche Familien eine drückende Last erwuchs. Zudem hatte die französische Regierung sich um das Lehrergehalt bei Aufstellung der Gemeindebudgets nie gekümmert. Diesen Vorwurf erhebt wenigstens Sack in seiner Verfügung an !die Gouvernementskommissare vom 26. Jan. 1815 2 ): „In den meisten Fällen dürfte doch wohl die Ärmlichkeit der Schullehrerstellen zum Theil wenigstens darauf beruht haben, daß die französische Regierung bei Regulierung der Communalbudgets zu wenig Werth auf einen ihrem' 'Interesse gleichgültigen und sogar widerstrebenden Gegenstand legte, und um ihn sich allenfalls nur beküimmierte, wenn gar nichts anderes mehr zu bestreiten übrig war." Die iHaupteinnahmequelle für den Lehrer konnte demnach nicht das Gehalt sein. Fast alle waren auf die Einkünfte von Nebenämtern und auf das Schulgeld angewiesen. Das Schulgeld war aber eine unsichere und oft recht mühsam und mit großen Verdrießlichkeiten erworbene Einnahme. Die Höhe des von den einzelnen Kindern gezahlten Schulgeldes
K. St. A. Repert. 249 Nr. 155. ') D. St. A. Repert. D 411 IV. 51; Nr. 9.
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war verschieden je nach den Fächern, an denen sie gemäß ihres Fortschrittes im Unterricht teilnahmen, z. B. für Lesen allein etwa 5—6 Stüber, für Lesen und Schreiben 8—9 Stbr., für Schreiben und Rechnen etwa 12 Stbr. Die jährliche Gesamtsumme hing natürlich ab von der Zahl der die Schule besuchenden Kinder und war demgemäß eine sehr verschiedene, so daß der Lehrer ein höchst persönliches Interesse daran hatte, möglichst viele Kinder in seiner Schule zu haben. Dieses Interesse verleitete ihn zu manchen Nachgiebigkeiten gegen die Kinder, damit er sich nicht den Unwillen der Eltern zuzöge, u n d war also der Autorität des Lehrers höchst nachteilig. Ein anderer großer Schaden f ü r das Ansehen des Lehrers war es, daß er gezwungen war, das Schulgeld unmittelbar von den Kindern in Empfang zu nehmen oder selbst bei den Eltern einholen zu gehen. Diese direkte finanzielle Abhängigkeit des Lehrers wurde von böswilligen Eltern sehr oft ausgenutzt, indem sie von „ihrem Schullehrer", den sie ja bezahlten, eine nachsichtige, nicht selten verkehrte Behandlung ihrer Kinder verlangten. Görres schreibt über diesen Mißstand in seinem Bericht vom 28. Nov. 1814 „Da der Lehrer von den Bauern abhängt, wie irgend ein anderer ihrer Knechte, so üben sie dann auch ihre Herrschaft wie über einen Leibeigenen aus, und er muß in allem sich nach ihrem Willen richten Keine Disziplin kann der Lehrer handhaben, versucht er es, dann laufen die Kinder fort, die Mütter billigen ihr Benehmen und der Vater hält seinen Theil an dem bedungenen Gelde zurück." So war die Einholung des Schulgeldes sehr oft für den Lehrer eine höchst entehrende und verdrießliche Sache. Ein großer Teil des ohnehin spärlichen Verdienstes blieb allezeit unbezahlt, weil der Lehrer den Unwillen und die Grobheiten mancher Eltern scheute und es die Kosten nicht wert war, das Geld auf gerichtlichem Wege einzutreiben. Sehr oft wurde einem ordentlichen Primärlehrer die Einnahme an Schulgeld auch dadurch verringert, daß die Einwohner von kleinen Nebengemeinden, die vom Hauptorte etwas weit entfernt waren, sich teils aus Geiz, teils um ihren Kindern den K. St. A. Repert. 249 Nr. 16.
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weiten Schulweg zu sparen, für billiges Entgelt einen eigenen Lehrer hielten, nach dessen Fähigkeiten nicht weiter gefragt wurde. Zur Ergänzung ihrer Hungerlöhne hatten die Lehrer an manchen Orten ein traditionelles Recht auf allerlei kleine Geschenke im Laufe des Jahres, so z. B. zu ihrem Namenstag, Weihnachten oder Neujahr, oder sie gingen in der Osterzeit in der Gemeinde umher, Eier sammeln, oder sie durften einmal jährlich in der Kirche für sich kollektieren. Eine sehr gebräuchliche Sitte war es auch, daß die Kinder im Winter das Holz zum Einheizen des Schulzimmers mitbrachten oder dafür das sog. Feuergeld entrichteten. In einigen Dörfern der Moselgegend, in Urmitz z. b. bestand für den Lehrer die sog. Glockengarb und das Glockenbrot. Diese Akzidenzien werden ihm allerdings mehr als Küster, denn als Lehrer zugekommen sein. Jedes Jahr einmal ging der Lehrer in der Gemeinde um und bekam von jedem Bürger ein Brot, das ihm manchmal durch öfteres Anklopfen und Wartenlassen gleich einem Bettler sauer genug gemacht wurde. Ebenso mühsam war das Einholen der Glockengarb, die der Lehrer sich zur Erntezeit auf dem Felde erst dann sammeln durfte, wenn der Eigentümer das Seinige weggefahren hatte. Der Ertrag aus diesen Garben belief sich etwa bis auf 15 Rtlr. und mehr. (In Urmitz z. B. 171/2 Rtlr.) Die geringen Besoldungen und oft kargen Einkünfte aus dem Schulgeld nötigten die Lehrer zu allerhand anderen, oft den heterogensten Nebenerwerben. Fast allgemein war die Verbindung des Lehramtes mit einem kirchlichen Amt, zumeist der Küsteroder Organistenstelle, aber auch häufig mit weltlichen Ämtern. So finden wir Lehrer, die zugleich Unterbürgermeister, Gemeindesekretär, Steuerbote, Landmesser oder dergl. sind. Die Ausübung eines solchen Amtes tat wenigstens der Würde des Lehramtes im allgemeinen keinen Schaden. Schlimmer war das natürlich bei solchen Lehrern, die sich auf ein Handwerk oder Geschäft verlegten. Solche unpassende Nebenbeschäftigungen waren auch wieder am Niederrhein besonders häufig. Alle Handwerke waren dort im Lehramte vertreten: Ackerbauer, Schneider, Schuhmacher, Barbier, Branntweinbrenner, Faßbinder, Schreiner, Achsenmacher, Uhrmacher, Bäcker, Buchbinder, Steinhauer, Knopf-
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macher, Tagelöhner usw. Einige waren sogar sehr vielseitig, wie z. B. der Lehrer von Richterich, der zugleich Küster war, e ; nen Kramladen und eine Bier- und Branntweinschenke besaß, oder ein anderer, der neben der Küsterei noch Tabakund Kaffeehandel trieb. In den Berichten wird manchmal darüber Klage geführt, daß der Lehrer gewiß ein besserer Schuhmacher oder Leineweber sei als Schullehrer. Die soziale Stellung des Lehrers innerhalb der Gemeinde war demgemäß vielfach eine sehr niedrige und mißachtete. Wie sollten auch die Bauern den Lehrer als Respektsperson achten, der wirtschaftlich von ihnen abhängig war, ihnen die Schuhe flickte, den Bart rasierte, Branntwein verkaufte oder bei der Kirchweih zum Tanz aufspielte? „In der Regel ist der Schweinehirt eine weit geehrtere Person im Dorfe als der Schullehrer, und er wird für glücklich gehalten, wenn er beyde Stellen miteinander vereinigen kann" schrieb Görres in seinem Berichte.1) Diese geringe gesellschaftliche Achtung, die sie genossen, nahm den Lehrern natürlich auch die Freude an ihrem Beruf und damit die Fähigkeit zu fruchtbarem Wirken. „Sie halten sich gegenwärtig durchaus für zurückgesetzt und von den anderen Classen der Gesellschaft übervortheilt und mishandelt. Schon das Bewußtseyn ihrer Armut, ihr äußeres, oft zerlumptes, ja hungerndes Ansehen gibt ihnen ein gedrücktes, scheues Wesen. Da sie äußerlich nicht geachtet werden, so haben sie auch kein Vertrauen auf sich selbst und erscheinen überall als die untersten der Knechte. Das ist meist überall in den Städten wie auf dem Lande der Fall und muß einen höchst nachtheiligen Einfluß auf die Erziehung der Kinder haben. Djeße, gewöhnt immer verächtlich von ihm reden zu hören und ihn ebenso behandelt zu sehen, wahrnehmend die Jammergestalt, in der er immer vor ihnen steht, können unmöglich heilsame Achtung vor ihm gewinnen, und er wird vielmehr nur allzu leicht und oft ihnen zum Gespötte werden. Das ist dann am ärgsten, wenn der Pfarrer selbst unverständig genug ist, mitzuwirken, und da der Küster ihn i,n einem unterwürfigen und knechtlichen Verhältniß zu sehen gewohnt ist, dieses auch auf die 28. Nov. 1814.
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S c h a g e n , Görres und die preußische Volksschule.
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Schule ausdehnt und nun den Rest des Ansehens vernichtet." !) Noch seltener als feste Gehälter waren Amtswohnungen für die Lehrer. Diese befanden sich zumeist im Schulhause. Auch in dieser Beziehung stand es am Mittelrhein und an der Mosel wieder besser als am Niederrhein. Während z. B. von den 5 Primärlehrern in Krefeld nur 2, von den 28 Lehrern in Aachen nur 3 eine Amtswohnung hatten, waren in Koblenz von 7 Primärlehrern nur 2 ohne Amtswohnung und sogar in kleinen Mosel- und Eifeldörfern mit weniger als 500 Einwohnern (z. B. in Nürburg, Urmitz, Hatzenport, Namedy usw.) finden wir Amtswohnungen und zwar für den Lehrer als solchen, nicht f ü r ein Nebenamt. In vielen Gemeinden ging der Lehrer abwechselnd bei den Schulinteressenten in Kost und Logis. Aus dem Luxemburgischen berichtete Görres, der Lehrer könne nur, „wenn er recht begünstigt wird, in der Runde herum bei den Bauern zu Tische gehen und in ihrer Scheuer oder über dem Schweinestall schlafen."*) Sehr viel wurde geklagt über die Unzulänglichkeit und den schlechten Zustand des Schullokals. Überdem waren sehr viele Schulhäuser während der Kriegsunruhen zu Einquartierungen, Depots und Magazinen benutzt worden und wurden auch späterhin, als es hätte geschehen können, von den Bürgermeistern nicht wieder freigegeben. Durch eine derartige Benutzung war natürlich das Schullokal für den Unterricht oft ganz unbrauchbar geworden. Einige Schulhäuser waren geradezu in einem gesundheits- und lebensgefährlichen Zustande. Viele waren vor Alter baufällig. Noch mehr wurde geklagt darüber, daß Lehrer und Kinder in der Schulstube nicht vor dem Regen geschützt seien, weil entweder das Dach durchlöchert war oder die Fensterscheiben fehlten. In anderen war die Gesundheit der Kinder aufs höchste gefährdet durch die Feuchtigkeit der Wände, an denen in feuchten Tagen das Wasser herunterlief, oder durch die nachlässige Anbringung der Abortanlagen, was nament-
M K. St. A. Repert. 249 Nr. 16.
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lieh im Sommer unerträglich sein mußte. Im schärfsten Kontrast zu allen Ermahnungen des Lehrers zu O r d n u n g und Reinlichkeit stand oft die Umgebung, in der die Kinder sich befanden, die ungeweißten Lehmwände, def durchlöcherte Fußboden, die zerschlagenen Scheiben und der Schmutz des ganzen Lokals. Ein eigenes Schulhaus besaßen natürlich längst nicht alle Gemeinden. Wenn nicht im Gemeindehause eine Stube f ü r die Schule eingeräumt war, mußten die Lehrer in ihrer eigenen, oft noch von ihnen selbst gemieteten W o h n u n g Schule halten. In solchen Fällen g a b es natürlich kein eigenes Zimmer für die Schule, sondern der Unterricht wurde im Schlafzimmer oder in der Küche erteilt, wobei die Frau des Lehrers ruhig ihren häuslichen Verrichtungen nachging, der Lehrer sich auch wohl selbst nebenbei mit Besenbinden oder dergl. befaßte. In dem Schulbericht von Sittard (D. St. A.) heißt es: „Da auch alle Schulstuben zugleich die Wohnstube der Familie des Schullehrers sind wie auch die Schlafstube für diese oder jene Glieder der Familie, so verdient dieses wohl eine besondere Berücksichtigung, die Schulstube darf ferner wohl nicht mehr Wohnoder Schlafstube sein. Es darf auf dem in der Schulstube sich befindenden Ofen nicht für Menschen, viel weniger noch für Tiere gekocht werden." Solche Schulstuben waren natürlich sehr häufig viel zu klein, so daß die Kinder in allen Ecken und Winkeln, selbst auf dem Gange untergebracht wurden. Eine stundenlange Einpferchung in einen derartigen Raum war eine große Gefahr f ü r die Gesundheit der Kinder und die lästigste Unbequemlichkeit für den Lehrer. Nicht selten kam es auch vor, besonders dort, wo nur Winterschulen bestanden, daß die Schule von Haus zu Haus zog und sogar in den Scheunen gehalten wurde. Und nun der Unterricht selbst. Gelehrt wurde hauptsächlich Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion. Sehr selten waren Geographie und Naturkunde als Lehrfächer, noch seltener Geschichte. Einige besser unterrichtete Lehrer unterwiesen die begabteren Kinder auch wohl in den Anfangsgründen des Lateinischen und Französischen oder im Gesang. Im übrigen unterrichtete der Lehrer am liebsten in dem Fach,
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das seinen Fähigkeiten am meisten zusagte. So heißt es woh! in den Schulberichten: „Seine Hauptstärke besteht im Gregorianischen Gesang" oder: „Seine vorzüglichste Stärke besitzt er in der Kalligraphie". Wie gering oft die Kenntnisse der Lehrer in den Elementarfächern waren, davon geben die Antworten auf Nr. 15, 16 und 20 der Schulfragen, die sich auf den Stundenplan und die H a n d h a b u n g der Disziplin bezogen und von den Lehrern selbst beantwortet werden mußten, ein betrübendes Zeugnis. Orthographie und Ausdrucksfähigkeit sind oft erschreckend schlecht. 1 ) Gürres berichtete von einer Lehrerin im Luxem burgischen, die in Katechismus, biblische: Geschichte, Sittenlehre und Schreiben unterrichtete und als ganz tüchtig gerühmt wurde, „nur des Rechnens ist sie unglücklicherweise unerfahren". In Krefeld gab ein Winkelschullehrer dem Berichterstatter folgende Probe seines geographischen Unterrichts: „Kinder, buchstabiert das Wort Die Kinder buchstabieren. Lehrer: „Was ist das?" Die Kinder bleiben stumm.
onomalozöin."
Zur Probe die Antworten des Lehrers von Gevenich: «Den öffentlichen Unterricht ist Morgens 7 biß 11. Nachmitags 1 biß 4 und Erstens Wird Buchstabirt gelesen und geschrieben. 16. Nachmitags wird wider Druck Brief gerechnet und zum letzten wird Kathechismuß gehalten. 20. Eine große straf ist Mit Einer Ruth 2 oder 3 Mahl.auf den Rücken eine Kleine straf ist in die stub zu kniegen. Die Belohnung ist allemal der fleisigste kommbt oben an." Der Lehrer von Weiler antwortete auf Fr. 2 0 : »Eine großes verbrechen wird mit der Ruth 2 oder 3 mal auf den Rück geschlagen sonsten wird das Kleine verbrechen mit Knieen in der stub gestraft. Die Belohnung ist allemal gelobt und Kombt oben an zu sitzen." Derartige Beispiele könnten vermehrt werden. Charakteristisch für das Zustandekommen dieser Antworten ist es, daß der Lehrer von Weiler seinen Bericht von dem von Gevenich einfach abschrieb, dabei aber vergaß, das Ortsdatum zu ändern, was er erst nachher verbesserte.
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L e h r e r : „Eine Stadt im Feuerlande ist es." — So war der ganze Unterricht oft nichts anderes als mechanische Handfertigkeitsübung im Schreiben und ebenso mechanisches Nachplappern zumeist unverstandener Katechismuslehren. Daß ein Lehrer sich bemühe, das Denk- und Gedächtnisvermögen der Kinder zu bilden und durch geschickte Fragen ihre Wißbegierde zu schärfen, wird öfters als besonderer V o r z u g gepriesen. Diese Beschränktheit des Unterrichts wurde allgemein der französischen Regierung zum Vorwurf gemacht, in deren Verfügungen mit ängstlicher Sorge darüber gewacht wurde, daß den Kindern nur nicht zuviel beigebracht werde. In dem schon erwähnten Dekret vom 15. Nov. 1 8 1 1 1 ) war in Art. 192 ausdrücklich gesagt: „Les inspecteurs d'académie veilleront à ce que les maîtres ne portent point leur enseignement audessus de la lecture, écriture et l'arithmétique, à ce qu'ils observent les réglemens établis qui y sont rélatifs." Mit bitlerem Spott beleuchtet schon ein Brief von Görres aus dem Jahre 1804 an v. Aretin 2 ) diese Ärmlichkeit des französischen Unterrichts: „Wir lehren unsere Kinder das Einmaleins und prägen es ihnen tief ein, damit sie einmal damit schachern können, und das Gouvernement taugliche Subjekte für Receveurs und Percepteurs bekömmt. W i r lehren weiter Latein, damit sie die großen Alten, den Julius Cäsar und einige andere lesen können, und verstehen können, daß die Welt immer einen Herrn haben muß, der groß ist und stark, und dessen Willen das Gesetz absetzt und cum infamia fortjagt, und es wieder mit Ehren in alle seine Würden und sein Ansehen einsetzt. Und wenn wir Latein gelernt haben, dann fangen wir wieder an 1 mal 1 = 1, 2 mal 2 = 4, alsdann wieder Latein usw. Alles Andere ist eitel Tand und es sollte billig darauf gehalten werden, daß es völlig abgeschafft würde." Von Methode war bei diesem Unterricht natürlich nicht die Rede. Nur wenige ganz strebsame Lehrer hatten sich im Laufe mehrjähriger Tätigkeit eine eigene Methode herausBulletin 4. série 402 Nr. 7452. ») Görres' Briefe II. S. 6 und Schellberg Bd. II. S. 76. v. Aretin vergl. Allg. D. Biogr. I. 1875. S. 518.
Über J. Chr.
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gebildet, nach der sie nicht ohne Erfolg unterrichteten und in der manche auch die Kollegen aus den Nachbarorten unterwiesen hatten. Von den Fortschritten der Pädagogik war der größte Teil der Lehrer ganz unberührt geblieben. Ein methodischer und erfolgreicher Unterricht war aber auch unter den gegebenen Umständen sozusagen unmöglich. Dem stand vor allem im Wege die unglaubliche Verwirrung in der Benutzung der vorhandenen Lehrmittel. Die Anschaffung und Auswahl der Lehrbücher war zumeist den Eltern überlassen, und die Kinder brachten in die Schule mit, was man ihnen zu Hause in die Hände gab. So waren für den Leseunterricht sehr beliebt alte Kalender, Gebetbücher, Handpostillen, Zeitungen und — geschriebene Familienbriefe. Gerade dieses letztere etwas sonderbare Lehrmittel war keineswegs selten, besonders am Niederrhein. Wie soll man sich eigentlich einen Unterricht mit derartigen Lehrmitteln vorstellen, bei denen der Einzelunterricht die alleinige Möglichkeit war ? Die ganze übrige Gesellschaft vertrieb sich währenddessen die Zeit mit allerlei Dummheiten. Die Anschaffung gleichförmiger Schulbücher scheiterte fast immer an dem Widerstand der Eltern, denen die Schulbücher zu teuer waren oder gegen die sie von Vorurteilen eingenommen waren. Sie kauften lieber nach ihrem Geschmack beim Trödler für wenige Stüber ganz zwecklose Bücher, und wenn sich der Lehrer damit nicht zufrieden gab, hielten sie einfach ihre Kinder aus der Schule. Auch unter den wirklichen Lehrbüchern war oft innerhalb derselben Schule eine große Ungleichförmigkeit. Unter mehreren Schulen waren natürlich soviel verschiedene Bücher im Gebrauch, daß man sagen könnte: Soviel Lehrer, soviel verschiedene Bücher. Fast allgemein wurden für den Religionsunterricht benutzt der Katechismus und die biblische Geschichte von Felbiger, für den Unterricht im Lesen waren die häufigsten das Münsterer A B C - B u c h , Jais Geschichten, Rochows Kinderfreund und das Wiener A B C - B u c h . 1 ) Am Niederrhein gab es für den l
) D a von allen diesen Büchern verschiedene Auflagen mit abweichenden Titeln und Verlagsorten erschienen sind, folgen hier nur die bibliographischen Angaben für ihr erstmaliges Erscheinen. Welche Auf-
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Leseunterricht mindestens 15—20 verschiedene in den Schulen eingeführte Bücher, abgesehen von den oben genannten sonderbaren Lehrmitteln. Für den Rechenunterricht wurde vor allem das Rechenbuch von Schürmann benutzt. Der Unterricht dauerte täglich im Durchschnitt 6 Stunden, an manchen Orten auch 7 oder 8 Stunden. Vorher ging meistens der Besuch der Messe. Dann folgte in der Schule zunächst gewöhnlich 1 / 2 —1 Stunde das Abhören des Katechismus, bei dem jedes Kind der Reihe nach vor den Lehrer hintreten und die ihm aufgegebene Lektion heruntersagen mußte, sehr oft ohne jedes Verständnis des Gelernten. Dann begann der Lehrer mit den einzelnen Klassen, deren es nach Alter und Fähigkeit der Kinder gewöhnlich 3 bis 5 gab, zu unterrichten. Diese Klasseneinteilung in Buchstabierende, Lesende, Schreibende, Rechnende usw. war aber längst nicht überall durchgeführt, mag auch oft bei dem unregelmäßigen Schulbesuch der Kinder durchaus unmöglich gewesen sein. Sie fand sich meistens nur in besseren Schulen, in anderen war der Lehrer schon zufrieden, wenn er die Kinder nach dem Qeschlechte gesondert hatte. Selbst diese Trennung war nicht überall vollzogen, in vielen Schulen lief alles durcheinander, Knaben und Mädchen, Große und Kleine. Eine solche U n o r d n u n g mußte natürlich dann besonders einreißen, wenn lagen in den rheinischen Schulen benutzt wurden, läßt sich kaum feststellen. F e 1 b i g e r , Römisch-katholischer Katechismus 1765. E n häufig aufgelegter Katechismus erschien 1777. F e 1 b i g e r , Kern der biblischen Geschichte alten und neuen Testaments nebst beygesetzten Sittenlehren. Bamberg und Würzburg 1777. M ü n s t e r i s c h e s ABC-Buchstabir- und Lesebüchlein. Köln 1806. J a i s , Schöne Geschichten und lehrreiche Erzählungen zur Sittenlehre für Kinder. Salzburg 1792. R o c h o w , Der Kinderfreund, ein Lesebuch zum Gebrauch für Landschulen. Berlin und Leipzig 1776 (rechtmäßige Ausgabe). N e u e s t e s A B C - B u c h oder Übungen im Syllabieren und Buchstabieren und Lesen. W i e n 1802. S c h ü r m a n n , Praktisches Schulbuch der gemeinen Rechnenkunst und Geometrie. 1801.
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der Lehrer in seiner beschränkten W o h n u n g unterrichtete oder mit seiner Schule von H a u s zu H a u s zog. Wie in allem, so herrschte auch in der H a n d h a b u n g der Disziplin nicht die geringste Einheitlichkeit. Die Lehrer behaupteten meistens in den von ihnen selbst gegebenen Antworten auf die Schulfragen, Schläge w ü r d e n n u r in den notwendigsten Fällen erteilt. Vielleicht waren die ständigen Erm a h n u n g e n des französischen Inspektors nicht ganz ohne Einfluß geblieben. G ö r r e s dagegen berichtete, es sei nicht zu leugnen, „daß von dieser Seite viel Brutalität u n d Roheit in den Landschulen herrscht". 1 ) Die häufigsten Strafen waren neben dem Einsperren das Knieen in der Schulstube, die Entziehung des Mittagessens u n d das Versetzen auf die unteren Plätze. S o n d e r b a r e Strafen waren die V e r w e i g e r u n g des Unterrichts f ü r eine gewisse Zeit, zur Strafe auf die anderen Kinder achtgeben oder als Schandzeichen das Bild eines Esels auf einem Brettchen um den Hals tragen zu müssen. Manche Lehrer b e g n ü g t e n sich auch mit m e h r oder weniger eindringlichen E r m a h n u n g e n . — An Belohnungen materieller Art war bei der schlechten finanziellen Lage der Lehrer kaum zu denken. Von den Gemeinden w u r d e natürlich nichts daf ü r ausgesetzt, u n d wo solche Belohnungen, wie Bilder, Geld oder sonstige Geschenke stattfanden, geschahen sie vielfach auf Kosten des Pfarrers. Am häufigsten waren die einfachen Belobungen in der Schule oder Sonntags vor dem Katechismusunterricht des Pfarrers in der Kirche. H ä u f i g war als Bel o b u n g auch das Aufrücken auf h ö h e r e Plätze, Messedienen u n d das Achtgeben auf die anderen. Zeugnisse zur Kenntnisn a h m e f ü r die Eltern waren sehr selten. U n t e r diesen zumeist traurigen Zuständen der rheinischen Schulen finden sich freilich nun auch Ausnahmen, aber das sind eben wirklich n u r A u s n a h m e n . Im allgemeinen sind die Schulberichte voll von Klagen über die oben geschilderten Mißstände. Auf einzelne erfreuliche Erscheinungen, wie die von einigen Lehrern errichteten Normalschulen, haben wir schon hingewiesen. G ö r r e s r ü h m t in dieser Beziehung besonders den Lehrer H e r m a n n von Ettelbrück bei Luxemburg, K. St. A. Repert. 249 Nr. 16.
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der vor dem Ausbruch des Krieges auf der Koblenzer N o r m a l schule studierte u n d w ä h r e n d der Franzosenzeit selbst eine kleine Normalschule errichtete, aus der etwa ein D u t z e n d wohlgebildeter j u n g e r Lehrer hervorging. Auch hatte er sich seine Tochter zum Unterricht der Mädchen herangebildet. Wie sehr aber solche selbstlosen B e m ü h u n g e n von der Beh ö r d e mißachtet wurden, zeigt der Umstand, daß ihm vom Munizipalrat 150 Fr., die ihm bewilligt waren, aus U n v e r s t a n d und Kleinlichkeit einfach gestrichen wurden unter dem Vorwande, daß er den Unterricht der Mädchen durch seine T o c h ter besorgen lasse! — Einen ähnlichen guten A n f a n g zum Besseren hatte der Unterpräfekt des Bitburger Kreises versucht, indem er bei einem der bestunterrichtetsten Lehrer seines Bezirkes eine Normalschule errichtete, aus der etwa 20 bis 30 Lehrer hervorgingen. Z u r H e b u n g der finanziellen Notlage der Lehrer hatte er ferner den G e m e i n d e n seines Bezirkes je nach ihren eigenen Hilfsmitteln u n d Bedürfnissen eine gewisse S u m m e aus der Staatskasse angewiesen, die sie jährlich ihren Lehrern auszahlen sollten. Alles war in O r d n u n g bis auf die G e n e h m i g u n g der Regierung. Diese versagte ihre Z u s t i m m u n g , die G e m e i n d e n weigerten sich ebenfalls u n d hörten auf zu zahlen, und die Lehrer bekamen ü b e r h a u p t nichts mehr. — Von der Normalschule in Koblenz war o b e n schon die Rede. D e r Präfekt Lezai-Marnesia hatte sich ihrer a n g e n o m m e n , aber nicht viel Erfolg damit gehabt. Die Anstalt war a n f a n g s auch darauf berechnet gewesen, schon im Schuldienste tätigen Lehrern die Möglichkeit zur A u f f r i s c h u n g und Erweiterung ihrer Kenntnisse zu geben. Mehr als 40 Lehrer waren angewiesen worden, einen neuen Kursus mitzumachen. „Aber theils wegen manchem Fehler in der Behandlung, u n d weil der Präfekt sie zu seinen Liebhabereyen verwendete u n d ihre Zeit und Aufmerksamkeit d a d u r c h zerstreute, theils wegen a n g e b o h r e n e r und mit dem Alter zun e h m e n d e r u n d mit ihrem Wesen verwachsener Stumpfheit, Geistesträgheit u n d unbehülflicher Steifigkeit hat der U n t e r richt wenig an ihnen verfangen w o l l e n . " E i n ähnliches Normalinstitut hatte in Bonn und L u x e m b u r g bestanden. In ') K. St. A. Repert. 249 Nr. 16.
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Luxemburg hatten sich trotz der lästigen Bedingung der Selbstbeköstigung mehr als 30 Kandidaten eingefunden, als die Regierung das ganze Institut aufhob. S o wurden überall die Bemühungen zur Herbeiführung besserer Zustände im rheinischen Schulwesen, die mit lobenswertem Eifer trotz der Ungunst der Verhältnisse an manchen Orten versucht wurden, durch die Interesselosigkeit oder gar direktes Entgegenarbeiten der zuständigen Behörden vereitelt. Der Generalgouverneur Sack hat in seinen Verordnungen betreffs des Schulwesens gerade darüber die heftigsten Anklagen gegen die französische Regierung erhoben. Napoleon habe planmäßig dahin gearbeitet, „die Menschheit zu verschlechtern, die Religion herabzuwürdigen, eine selbsterfundene, seinen Zwecken dienende Moral an die Stelle ewiger Wahrheiten und Grundsätze zu bringen, den intellektuellen Gesichtskreis zu verengern", und zwar habe er dieses getan, „weil er wohl einsah, daß nur ein entartetes, allem Höheren entfremdetes, in den engherzigsten materiellsten Egoismus versunkenes G e schlecht es sich gefallen lassen werde, in absoluter Passivität als Mittel für fremde törichte und frevelhafte Zwecke zu dienen." *) Das sind natürlich Übertreibungen von seiten einer neuen Regierung, der es daran gelegen war, Stimmung zu machen und nun die Neuerungen gegenüber dem möglichst kraß geschilderten Elend vergangener Tage in um so hellerem Lichte erscheinen zu lassen. Aber derartige Vorwürfe wurden auch in den Schulberichten vielfach sehr lebhaft gegen die französische Regierung und besonders gegen Napoleon erhoben. Im übrigen braucht es wohl nicht besonders betont zu werden, daß trotz allem auch innerhalb der Lehrerschaft, selbst in kleineren Gemeinden, sich rühmliche Ausnahmen von der allgemein herrschenden Minderwertigkeit fanden. Mancher Lehrer waltete mit Eifer und Geschick seines Amtes und wußte die W ü r d e seines Standes in den bedrängten Verhältnissen zu wahren. Jedenfalls aber ist der Gesamteindruck, den man aus den Akten von dem rheinischen Schulwesen *) Journal vom 16. Juli 1814.
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am Ende der französischen Herrschaft gewinnt, ein überaus kläglicher und fordert die Erkenntnis, daß dem preußischen Staate auf dem Gebiete des öffentlichen Unterrichts in den linksrheinischen Provinzen eine umfangreiche, schwierige Aufgabe erwachsen war, deren Lösung eine fast gänzliche Neugestaltung der bestehenden Verhältnisse erheischte und deshalb einen großen Aufwand an Mühe und Geld kosten, aber ebensosehr sich in ihren Wirkungen später selbst lohnen mußte.
II. Josef Görres, Direktor des öffentlichen Unterrichtes am Mittelrhein. Personalgeschichte. Nach der Leipziger Schlacht wurde von den Verbündeten in der Leipziger Konvention vom 21. Okt. 1813 beschlossen, die durch den Sieg über Frankreich herrenlos gewordenen Gebiete durch eine Zentralbehörde unter dem Freiherrn v. Stein verwalten zu lassen. Für die einzelnen Landesteile sollten Generalgouverneure ernannt werden. Diese Verwaltung durch Generalgouverneure wurde durch die Baseler Konvention vom 12. Jan. 1814 auch f ü r die linksrheinischen Provinzen angeordnet. Aus den französischen Departements Donnersberg, Saar und Rhein-Mosel wurde das Generalgouvernement Mittelrhein gebildet und dem russischen Staatsrat Justus Gruner 1 ) unterstellt, der am 2. Febr. 1814 die Verwaltung übernahm. Am 9. März wurde noch das Wälderdepartement hinzugefügt. Das aus den französischen Departements Roer, Ourthe und Niedermaas gebildete GeneralGouvernement Niederrhein übernahm am 10. März 1814 der preußische Staatsrat Sack. 2 ) Dieses gemeinsame Provisorium für die Rechnung der Verbündeten wurde durch den ersten Pariser Frieden vom 31. Mai 1814 wieder aufgehoben; das gemeinsame Provisorium wurde dahin abgeändert, daß nun einzelne Landesteile einer bestimmten Macht zur provisorischen Verwaltung übergeben wurden. Nieder- und Mittelrhein wurden vereinigt und erfuhren Über ihn vergl. Allg. D. Biogr. X. 1879. ») Ebd. XXX. 1890. S. 152 ff.
S. 42—43.
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am Ende der französischen Herrschaft gewinnt, ein überaus kläglicher und fordert die Erkenntnis, daß dem preußischen Staate auf dem Gebiete des öffentlichen Unterrichts in den linksrheinischen Provinzen eine umfangreiche, schwierige Aufgabe erwachsen war, deren Lösung eine fast gänzliche Neugestaltung der bestehenden Verhältnisse erheischte und deshalb einen großen Aufwand an Mühe und Geld kosten, aber ebensosehr sich in ihren Wirkungen später selbst lohnen mußte.
II. Josef Görres, Direktor des öffentlichen Unterrichtes am Mittelrhein. Personalgeschichte. Nach der Leipziger Schlacht wurde von den Verbündeten in der Leipziger Konvention vom 21. Okt. 1813 beschlossen, die durch den Sieg über Frankreich herrenlos gewordenen Gebiete durch eine Zentralbehörde unter dem Freiherrn v. Stein verwalten zu lassen. Für die einzelnen Landesteile sollten Generalgouverneure ernannt werden. Diese Verwaltung durch Generalgouverneure wurde durch die Baseler Konvention vom 12. Jan. 1814 auch f ü r die linksrheinischen Provinzen angeordnet. Aus den französischen Departements Donnersberg, Saar und Rhein-Mosel wurde das Generalgouvernement Mittelrhein gebildet und dem russischen Staatsrat Justus Gruner 1 ) unterstellt, der am 2. Febr. 1814 die Verwaltung übernahm. Am 9. März wurde noch das Wälderdepartement hinzugefügt. Das aus den französischen Departements Roer, Ourthe und Niedermaas gebildete GeneralGouvernement Niederrhein übernahm am 10. März 1814 der preußische Staatsrat Sack. 2 ) Dieses gemeinsame Provisorium für die Rechnung der Verbündeten wurde durch den ersten Pariser Frieden vom 31. Mai 1814 wieder aufgehoben; das gemeinsame Provisorium wurde dahin abgeändert, daß nun einzelne Landesteile einer bestimmten Macht zur provisorischen Verwaltung übergeben wurden. Nieder- und Mittelrhein wurden vereinigt und erfuhren Über ihn vergl. Allg. D. Biogr. X. 1879. ») Ebd. XXX. 1890. S. 152 ff.
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eine V e r ä n d e r u n g ihrer G r e n z e n . Das G o u v e r n e m e n t Mittelrhein w u r d e geteilt, indem die Gebiete links der Mosel, also der größte Teil des W ä l d e r - u n d Teile des Saar- u n d Rheinmoseldepartements einschließlich des rechts der Mosel gelegenen Koblenz an das n e u e G o u v e r n e m e n t fielen. Die Gebiete rechts der Mosel kamen unter die V e r w a l t u n g einer österreichisch-bayerischen Landesadministration zu Kreuznach. Das neugebildete G o u v e r n e m e n t Nieder- u n d Mittelrhein w u r d e vom G e n e r a l g o u v e r n e u r Sack, der seinen Sitz in Aachen hatte, vom 16. Juni 1814 ab f ü r ausschließliche Rechn u n g Preußens verwaltet. D a s G o u v e r n e m e n t Sacks bestand also aus folgenden 7 ehemaligen französischen D e p a r t e m e n t s : 1. Roer g a n z ; 2. Niedermaas, rechts der Maas; 3. O u r t h e ; 4. Rhein-Mosel links der Mosel; 5. S a a r ; 6. Sambre-Maas rechts der Maas; 7. Wälder. Aus diesen w u r d e n die 4 neuen Departements Roer-, Wälder-, Rhein-Mosel- und Maas-Ourthe-Departement gebildet. Zur V e r w a l t u n g der einzelnen Departements waren dem G e n e r a l g o u v e r n e u r in den Departementshauptstädten die Generalgouvernements-Kommissare untergeordnet, die also an die Stelle der französischen Präfekten traten. Entsprechend der französischen Einteilung der D e p a r t e m e n t s in Arrondissements unter der Leit u n g des Unterpräfekten wurden die GeneralgouvernementsKommissariate eingeteilt in Kreise unter einem Kreisdirektor. D u r c h den Wiener Kongreß wurden auch die besonderen provisorischen Verwaltungen unter m e h r oder weniger einschneidenden territorialen V e r ä n d e r u n g e n in definitive umgewandelt. Am 15. April 1815 w u r d e das n u n m e h r i g e G r o ß herzogtum Niederrhein vom Könige von Preußen in Besitz g e n o m m e n . Am 1. Juli 1815 erhielt Sack den Titel eines Oberpräsidenten der Königl. Preußischen Provinzen am Rhein. Im A n f a n g des Jahres 1816 erfolgte dann unter Teilung der Rheinlande in zwei Oberpräsidialbezirke die endgültige Einf ü h r u n g der allgemeinen preußischen Verwaltung. 1 ) Diese möglichst knapp gehaltenen, aber zum Verständnis durchaus notwendigen Bemerkungen beruhen auf der übersichtlichen Darstellung bei Vollheim. Das Genauere über die territorialen und administrativen Verhältnisse muß dort oder bei Neigebaur, A. K. oder Prov. Verwaltung eingesehen werden. Über die territorialen Veränderungen un-
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Es dürfte praktisch sein, sich die territorialen Veränderungen des mittelrheinischen Gouvernements, d. h. also des Görresschen Amtsbezirkes noch einmal, losgelöst von dem übrigen, klarzumachen. Der mittelrheinische Schulbezirk umfaßte zunächst: 1. die Departements Donnersberg, Saar und Rheinmosel. Dazu kam am 9. März 1814 das Wälderdepartement 2. Nach den Bestimmungen des Pariser Friedens vom 31. Mai 1814 umfaßte es vom 15. Juni 1814 ab vom W ä l d e r departement 4 Kreise: Luxemburg, Diekirch, Bitburg und Neufchäteau; vom R h e i n m o s e l departement 3 Kreise: Koblenz, Bonn und P r ü m ; vom S a a r departement die links der Mosel gelegenen Teile. 3. Nach dem Wiener Kongreß umfaßte es vom R h e i n m o s e 1 departement die K a n t o n e : Bonn, Rheinbach, Ahrweiler, Remagen, Wehr, Adenau, Ulmen, Virneburg, Mayen, Andernach, Rübenach, Koblenz, Polch, Münstermaifeld, Kaisersesch, Kochern, Lutzerath, Zell, Treis, Boppard, St. Goar, Kastelaun, Simmern, Bacharach, Stromberg, Kreuznach, Sobernheim, Kirn, Kirchberg, Trarbach ; vom S a a r d e p a r t e m e n t die Kantone: Reifferscheid, Blankenheim, Lissendorf, Schönberg, Prüm, Kyllburg, Gerolstein, Daun, Manderscheid, Wittlich, Schweig, Pfalzel, Trier, Konz, Hermeskeil, Büdlich, Bernkastel, Rhaunen, Herstein, Meisenheim und Teile der Kantone Grumbach, Baumholder and Birkenfeld ; vom W ä 1 d e r departement nur mehr die Kantone: Dudeldorf, Bitburg, Neuerburg, Argfeld und Teile der Kantone Grevenmacher, Echternach, Vianden und Clervaux. Die Übergabe der rechts der Mosel gelegenen G e biete durch die österreichisch-bayerische Administration erfolgte allerdings erst am 28. Mai 1815. terrichtet am besten der I. Bd. der Erläuterungen zum Geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz von Konstantin Schulteis. 1895. 1 ) Dieser Übersicht liegen zu Grunde die betreffenden Abschnitte bei Schulteis S. 116—135.
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Am 2. Febr. 1814 übernahm, wie schon bemerkt, Justus Gruner die Verwaltung des Gouvernements Mittelrhein. Görres ging ihm in den ersten Tagen seiner Verwaltung besonders bei der Besetzung neuer Stellen mit manchem guten Rat zur Hand, wozu er durch seine Orts- und Personenkenntnis befähigt war. 1 ) Schon gleich am 6. Februar äußerte Gruner in einem Briefe 2 ) an Görres die Absicht, ihm in seinem Gouvernement eine Anstellung zu geben. Görres erwiderte darauf am 11. Febr. 1814,s) daß er sich gescheut habe, selbst davon zu sprechen, aus Furcht, man möchte in die Reinheit seiner Gesinnungen ein Mißtrauen setzen. Da Gruner ihn nun aber einmal {iarum angegangen, wolle er offen und ehrlich seine Meinung äußern. Im Interesse seiner Studien sei ihm eine Stelle wünschenswert, die ihm die Möglichkeit zu zeitweiliger Abwesenheit und die Mittel zu Studienreisen ins Ausland gewähre. Keinesfalls wolle er aber eine Stelle übernehmen, die er dann durch einen anderen verwalten ließe, weil er die Gehässigkeit eines solchen Verfahrens nicht auf sich laden möchte. Seine Freunde hätten ihm geraten, Gruner zu bitten, statt der vier Inspektionen des Rheinschiffahrtsoktroi eine Direktion zu bilden und ihm diese zu übertragen. Er habe nur das dagegen einzuwenden, „daß es nicht sehr ehrenvoll ist, König der Zöllner und Publikaner zu seyn." Schließlich bat er G r u n e r : entscheiden Sie, wies ein Vater thun würde, dem an meinem Wohl gelegen. Wenn alles Ihnen ungeschickt gesprochen dünkt, so gehen Sie schweigend daran vorüber, in meinen Gesinnungen und meinem Thun wird nicht das Mindeste geändert werden. Ansprüche habe ich nie gemacht, alles Gute vielmehr als eine freye unverdiente Gabe des Himmels hingenommen." In sei') Vergl. die von J. v. Gruner in der Deutschen Revue 1893 veröffentlichten Briefe. Jetzt auch z. T. abgedruckt bei Schellberg Bd. II. J
) G. St. A. Repert. 77. XXII. G. 8. adh. Dieses ist der in der Anmerkung zu S. 244 der Deutschen Revue 1893 und bei Schellberg II. Bd. S. 741 Anm. zu Nr. 95 als „verloren» bezeichnete Brief. Jetzt veröffentlicht von K- A. v. Müller im »Archiv für Kulturgeschichte" 1911 S. 447. ») Deutsche Revue 1893 S. 244 und Schellberg Bd. II. S. 215—218.
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ner Antwort vom 18. Febr. 1 ) äußerte Gruner den Wunsch, Görres einen Posten zu geben, der seinem Wesen und seinen Plänen zusage, ihn vielleicht zum Direktor einer wissenschaftlichen Sammlung oder 'Kunstsammlung oder ¡dergl. zu machen. Görres zögerte zunächst immer noch, neben der schwierigen Redaktion des Merkur noch einen Posten zu übernehmen, entschloß sich aber schließlich doch dazu in Anbetracht dessen, daß ihm sein großer Bekannten- und Freundeskreis die glückliche Verwaltung eines öffentlichen Amtes zum Nutzen seiner Heimat mehr als manchem andern erleichtern könne. 2 ) Am 23. April 1814 erhielt er von Gruner durch nachfolgendes Dekret die Ernennung zum Direktor des öffentlichen Unterrichts im General-Gouvernement Mittelrhein: „Der Herr Professor Görres von Koblenz ist Kraft des Gegenwärtigen von mir zum Direktor des öffentlichen Unterrichts in dem General-Gouvernement vom Mittelrhein, und zum Oberaufseher der Verwaltung aller dem öffentlichen Unterrichte angehörigen Güter, Rhenten und Gefällen ernannt. Er hat in dieser Eigenschaft einen Gehalt von achttausend Franken jährlich zu beziehen und des Ranges und aller dieser Stelle anklebenden Prärogationen zu genießen. Zur Urkund dessen wurde demselben gegenwärtiges Dekret ausgefertigt zu Koblenz den 11/23 April 1814." 3) Diesem Anstellungsdekret war ein längeres Begleitschreiben beigegeben, das u. a. die für Görres ehrenden Worte enthielt: „Ich habe Ihnen keinen vollkommeneren Beweis meines Zutrauens und Anerkenntnisses Ihres Werthes geben können als Sie durch die Ernennung zum Direktor des öffentlichen Unterrichts, worüber das Patent hier anliegt, an einen Posten zu stellen, wo sich Ihnen die schönste Aussicht eröffnet, Ihrem wiedergeborenen Vaterlande nützlich zu sein. Bei Ihren bewährten Gesinnungen halte ich es für überGörres' Briefe II. S. 411 ff. ) Görres, In Sachen der Rheinprovinzen usw. S. 45. 3 ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 1. Zu dem Datum sei bemerkt, daß Gruner immer das russische Datum mit anführt. Das Dekret ist nicht von Gruner selbst geschrieben, sondern nur unterzeichnet. 2
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flüssig, die Wichtigkeit Ihrer Stelle Ihnen an das Herz zu legen und den ganzen Innbegriff Ihrer Kraft und Talenten zur Erreichung des gehofften Zweckes aufzufodern." In diesem Schreiben erklärte Gruner, daß er es für einen sehr wesentlichen Zweck seiner S e n d u n g halte, zur Verbesserung des öffentlichen Unterrichts, soweit es bei dem provisorischen Zustande der Dinge möglich sei, beizutragen, „ d a s Gute, was hier und da noch besteht, zu erhalten, das B ö s e hingegen auszutreiben, dem durch die französische Einwirkung zufällig oder absichtlich vorbereiteten Fortgang der Demoralisation einen Damm zu setzen, neue Keime des Bessern einzulegen und so dem künftigen Regenten dieses Landes die auflebende J u g e n d zu retten, damit er in ihr die H o f f n u n g hegen könne, über ein tüchtiges Geschlecht von treuem deutschem Sinne einstens zu regieren." Damit war auch für Görres das Programm seiner Wirksamkeit gegeben. Er trat sein Amt sofort an, wie aus dem Hauptjournal der Direktion ^ hervorgeht, das vom 25. April 1814 ab geführt ist. Daß diese neue Stellung nicht so ganz seinen Neigungen entsprach, scheint er anzudeuten in einem Briefe an die Brüder Grimm vom 22. Aug. 1 8 1 4 2 ) : „Ich sehe wohl, obgleich es nicht meine Neigung ist, daß es eine Thätigkeit sein muß, die mir Gott angewiesen, weil Alles so wohl und gut zusammenstimmt." Besonders später, als ihm die Redaktion des Rheinischen Merkur neben seinen Amtspflichten sehr viel zu schaffen machte, wurden sehr große Anforderungen an seine Arbeitskraft gestellt. S o klagte er in einem Briefe an Jakob Grimm vom 21. Febr. 1 8 1 5 3 ) : „ D i e Zeitung, von der ich Alles, sogar die Correctur machen muß, verursacht viele Arbeit; dann wollen meine 700 und mehr Schulmeister abgethan sein." Interessant ist auch das warnende Urteil, das Görres' Freund Achim v. Arnim über die neue Stellung a b g a b : „ E s tut mir wahrlich leid, daß Du Dich von den Büchern zu den Menschen gewendet, Du kannst froh sein, wenn Du mit ver!) K. St. A. Repert. 249 Nr. 12 a. ) Görres Briefe II. S. 429. 3 ) Görres Briefe II. S. 453 und Schellberg II. S. 234.
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lorner Zeit davon kommst. Zu einer ansehnlichen Stelle muß man so klebrig sein wie eine Schnecke, um hinaufzukommen, und auf der Spitze muß man schlafen können auf einem Bein wie ein Vogel. Gruner gehört nicht zu diesen klebrigen und einbeinigen Menschen, er ist leichtsinnig und mag gern klug scheinen; auch soll jedermann gleich wissen, wer Justus Gruner ist; es sollt mich verwundern, wenn er sich lange halten könnte." Arnim hegte demnach weniger Besorgnis wegen der Fähigkeiten seines Freundes als vielmehr die Befürchtung, dieser möchte mit seinem Gönner Gruner stehen und fallen. Das geschah nun freilich nicht, aber ein anderes Wort Arnims in demselben Briefe ist zwei Jahre später wahr geworden, die W a r n u n g nämlich : „Laß es bleiben, sie werden Dich brauchen, so lange es ihnen nützlich und bequem ist, nachher kommst Du doch weder zu großer Wirksamkeit noch Reichthum." Man wird verstehen, daß Görres selbst dem neuen Amte nicht ganz sorglos gegenüberstand, wenn man ,bedenkt, daß seine Machtbefugnisse und Amtspflichten ungefähr denen des heutigen ganzen Provinzialschulkollegiums gleichkamen. Ihm war die Oberaufsicht über das gesamte Unterrichtswesen des Gouvernements und alles, was damit zusammenhing, übertragen, insbesondere auch über die für den öffentlichen Unterricht bestimmten Fonds. Ihm gegenüber waren die Empfänger der einzelnen Anstalten zur Rechenschaft über ihre Geschäftsführung verpflichtet, von ihm erhielten sie die Anweisung zur Verwendung der eingezogenen Gelder. 2 ) HinGörres Briefe II. S. 414. ) Vergl. dazu die Bestimmungen der Kabinettsordre vom 31. Dez. 1825 über die Bildung der Provinzialschulkollegien. U. a. veröffentlicht bei A d o l f B e i e r , Die höheren Schulen in Preußen und ihre Lehrer. Halle 1909. S. 1 ff. Ferner vergl. A. B a u m e i s t e r , Die Einrichtung und Verwaltung des höheren Schulwesens in den Kulturländern von Europa und Nordamerika. I. Bd. 2. Abt. des Handbuches der Erziehungsund Unterrichtslehre für höhere Schulen. München 1897. Dort heißt es S. 9: „Der Geschäftskreis der Provinzialschulkollegien umfaßt außer der Vermögensverwaltung, dem Kassen- und Rechnungswesen sämtlicher 2
S c h a g e n , Görres und die preußische Volksschule.
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sichtlich seines Dienstverhältnisses stand der Direktor des öffentlichen Unterrichtes direkt unter dem Generalgouverneur. Alle dienstlichen Verhandlungen, Vorschläge zu Veränderungen und Verbesserungen wurden unmittelbar zwischen dem Direktor und dem Generalgouverneur vollzogen. Diese Bestimmungen wurden zugleich mit einer Abschrift des Ernennungsdekretes an demselben 23. April den Gouvernenientskommissaren mitgeteilt mit der Weisung, „den genannten Direktor in seinen Dienstverrichtungen mit Ihren Lokalkenntnissen und Ihrem ganzen Einflüsse eifrigst zu (unterstützen." Am 5. Mai erließ der Generalgouverneur eine ausführliche Instruktion für den Direktor, die teils die früheren Bestimmungen wiederholte, teils den Charakter des Amtes genauer umschrieb, indem sie erklärte, der Direktor trete in alle die Verrichtungen ein, die vorher der Großmeister der Kaiserlichen Universität versehen habe. 2 ) Das Recht zur Besetzung offener Stellen wurde für den Direktor in der Weise begrenzt, daß er nur die Ernennungen zu solchen Stellen zu vollziehen befugt war, deren Gehalt 1200 Fr. jährlich nicht überstieg. Bis zum gleichen Betrage konnte er Pensionen bewilligen. Über höhere Beträge behielt sich der Gouverneur die Verfügung vor. Auf jeden Fall sollte der Direktor über alle von ihm getroffenen Veränderungen, ebenso wie über das gesamte Rechnungswesen, am Ende des Jahres einen ausführlichen Bericht, der für die Finanzsachen mit den nötigen Belegen versehen sein mußte, dem Generalgouverneur einsenden. Als Norm seiner Tätigkeit hatte einstweilen für den Direktor die bestehende französische Gesetzgebung zu gelten. Zur Erledigung der Kanzleigeschäfte wurde dem Direktor durch Verfügung vom 10. Mai 1814 ein Sekretär mit einem Jahresgehalt von 2400 Fr. und ein Kanzlist mit Schulen der Provinz alle auf den pädagogischen Zweck d e r Unterrichtsanstalten sich beziehende Gegenstände, Prüfung der Statuten der Schulen, der Schulordnungen und Spezialpläne, der Schulbücher, endlich die fortdauernde Aufsicht und zeitweilige Revision der Schulen." K. St. A. Repert. 249 Nr. 4. 2 ) Über die Stellung des Großmeisters der A Université impériale vergl. das Dekret vom 17. März 1808 Tit. VII. Bulletin 4. série 185 Nr. 3179.
— 35 — einem jährlichen Gehalt von 1200 Fr. beigegeben. Außerdem wurden ihm für Bürokosten 400 Fr. jährlich bewilligt. Die infolge des ersten Pariser Friedens vom 31. Mai 1814 vollzogene Aufhebung und Vereinigung des Gouvernements Mittelrhein mit dem des Niederrheins hatte für Görres mancherlei Veränderungen jn seinem Amte, besonders aber eine unliebsame und langwierige Auseinandersetzung mit der österreichisch-bayerischen Landesadministrationskommission J ) zur Folge. Bisheran hatte sich der Verwaltungsbezirk des Direktors mit dem des Generalgouverneurs Gruner gedeckt. Für die an das neue Gouvernement vom Nieder- und Mittelrhein fallenden Gebiete wurde Görres in seiner Stellung von dem Generalgouverneur Sack belassen, der für die Verwaltung des öffentlichen Unterrichtswesen j die Trennung des Gouvernements in die beiden Teile Niederrhein und Mittelrhein beibehielt. Nicht so einfach war die Regelung der Amtsbeziehungen zur L. A. C. Die Auseinandersetzungen 2 ) fingen damit an, daß eine von der L. A. C. eingesetzte Schulkommission am 10. August von Görres die Rückgabe der Papiere des Mainzer Universitätsfonds forderte. Görres weigerte sich und wandte sich unmittelbar an die L. A. C. mit dem Hinweis auf die in seiner Eigenschaft als Direktor des öffentlichen Unterrichts bestehende Verwaltung des Fonds. Die L. A. C. antwortete am 17. August mit der Entlassung von Görres für die ihr zugefallenen Gebiete. Es war freilich auch nicht abzusehen, wie sich Görres' Stellung unter zwei verschiedenen Oberbehörden leicht hätte beibehalten lassen. Trotzdem protestierte Görres in ziemlich despektierlicher Weise gegen das Vorgehen der L. A. C. Er habe sich „in dem Beschlüsse einer hohen Administrazion umsonst nach einem anderen Grunde, als ihr Wohlgefallen" umgesehen, und er weigerte sich weiterhin, die nun auch von der L. A. C. selbst geforderten Papiere herauszugeben, bis er für die von ihm zunächst fortgesetzten Dienstverrichtungen im Bezirke der L. A. C. noch für 2 Monate die Gehälter und Büro1
) Im folgenden einfach mit L. A. C . bezeichnet.
!
) Die
Akten
darüber
sind
enthalten
im
K. St. A.
Repert. 2 4 9
Nr. 3. 3*
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kosten der Direktion erhalten habe. Zur Liquidation dieser Rückstände bei der L. A. C. war Görres übrigens später von Sack selbst veranlaßt worden, bei dem er zuerst darum eingekommen war, der ihm aber mitteilte, 1 ) daß, falls seine G e schäftsführung sich damals noch auf die abgetretenen G e biete erstreckt habe, „die österreichisch-bayrische Verwaltungskommission zu Kreuznach pro Rata concurrieren" müsse. Das Protestschreiben wurde von der L. A. C. am 16. Sept. 1814 als unannehmbar zurückgeschickt mit dem Bemerken, daß die Auszahlung der ihm noch zukommenden Gehaltsquote erst erfolgen könne, wenn er sich „in einer von unziemlichen Ausdrücken gereinigten Vorstellung darum gemeldet haben werde". S o zogen sich die Verhandlungen unter mancherlei Verzögerungen und Einwendungen seitens der L. A. C. noch hin bis zum 28. Febr. 1816, an dem endlich der Bescheid erfolgte, daß nun der Auszahlung der liquidierten 1375,50 Fr. nichts mehr im W e g e stehe. Kehren wir nun zum Gouvernement vom Nieder- und Mittelrhein zurück. Am 24. Juli 1814 verkündigte der Generalgouverneur Sack im „Journal" die bisher zur Organisation des Unterrichtswesens unternommenen Schritte, besonders die Ernennung des bisherigen Gymnasialdirektors G r a s h o f 2 ) zum Direktor für den niederrheinischen Schulbezirk und die Bestätigung des „durch glänzende literarische Talente, gründliche Kenntnisse und praktischen Geist ausgezeichneten Herrn D. Goerres zu Koblenz". Es ist bemerkenswert, daß in dieser Bekanntmachung die Stellung der Direktoren des öffentlichen Unterrichts ausdrücklich als provisorisch bezeichnet wurde. Görres hat später diesen provisorischen Charakter seines Amtes nicht anerkennen wollen. — Das Dienstverhältnis der Direktoren zum Generalgouverneur blieb dasselbe wie zuvor, während über das Verhältnis zu allen übrigen mit ihnen in Berührung kommenden Behörden und Instituten eine besondere gesetzliche Bestimmung in Aussicht gestellt wurde. In der Ausübung ihres Amtes sollten sich die Direktoren !) K. St. A. Repert. 249 Nr. 6. Über Karl Friedr. Aug. Grashof vergi. Allg. d. Biogr. IX. 1879.
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S. 587.
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besonders durch die von ihnen vorzunehmenden Dienstreisen betätigen, um zunächst die Verhältnisse mit eigenen Augen kennen zu lernen, sodann aber auch mit einsichtsvollen Männern Fühlung zu gewinnen, die man bei der Reorganisation des Schulwesens heranziehen könne. Görres hatte dem Generalgouverneur schon früher mündlich den Vorschlag gemacht, bei der Neubildung des G o u vernements im Interesse einer einheitlichen Behandlung des Unterrichtswesens ihm die Schuldirektion auch in dem niederrheinischen Teile zu übertragen. Er wiederholte diesen Vorschlag in einem Berichte vom 6. Juli,1) indem er sich bereit erklärte, diese vermehrte Arbeit ohne Gehaltszulage zu übernehmen, falls ihm noch ein Kanzlist bewilligt würde. Aber unter dem gleichen Datum, an dem die Verfügung im „Journal" erschien, erhielt Görres von Sack eine persönliche Mitteilung 2 ) über die Verkleinerung seines Amtsbezirkes und die Teilung der Unterrichtsverwaltung unter zwei Direktoren. Er habe sich nicht entschließen können, in Erwägung der großen Arbeitslast, welche die Direktion gerade in der ersten Zeit mit sich bringe, diese einem einzigen Direktor aufzubürden. In Anbetracht der nun verminderten Anforderungen wurde das Gehalt des Direktors 'von 8000 Fr. auf 6000 Fr. herabgesetzt. Für die zu unternehmenden Dienstreisen wurde die Erstattung der Reisekosten und Bewilligung von Diäten, die nach einer späteren V e r f ü g u n g 3 ) 15 Fr. täglich betrugen, zugesichert. Über die amtliche Tätigkeit von Görres werden die folgenden Kapitel berichten. Kurze Erwähnung verdienen noch die Beziehungen zu den verschiedensten Persönlichkeiten, die von Görres in seiner Eigenschaft als Direktor des öffentlichen Unterrichts entweder für sich oder für Bekannte und Freunde eine Anstellung oder dergl. erhofften und zum Teil erlangten. Da sind zunächst zu nennen die mit Görres schon länger befreundeten Gebrüder Grimm, denen er anbot, falls sie dazu gesonnen wären, ihnen einen Posten im Rheinland zu beJ
) K. St. A. Repert. 249 Nr. 20. ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 13. 3 ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 5. 2
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sorgen. 1 ) Charles de Villers,2) damals Professor in Güttingen, fragte von selbst an, ob sich für ihn in den Rheinlanden kein geeigneter Wirkungskreis finden ließe. Sogar Achim v. Arnim wollte, als er sich in finanziellen Nöten befand, von Görres im Schulwesen angestellt werden. 3 ) Empfehlungen kamen von allen Seiten. Kreuzer, Sulpice Boisseree, Windischmann wünschten alle für Bekannte oder Freunde eine Anstellung in den Rheinlanden. In den wenigsten Fällen mag wohl zunächst etwas daraus geworden sein. Einzelne der an Görres empfohlenen Männer finden wir später, aber wohl weniger durch Görres' Einfluß, in den Rheinlanden, wie z. B. den Professor Seber aus Aschaffenburg, der zuerst Gymnasialdirektor in Köln wurde und später an der Universität Bonn Dogmatik und Moral dozierte. Der von dem Gymnasialrektor Baibier aus Kaiserslautern empfohlene Prof. Diesterweg 4 ) darf übrigens nicht mit dem Pädagogen Diesterweg verwechselt werden. Von besonderem Interesse sind Görres' Beziehungen zu Johannes Schulze, dem späteren vortragenden Rat im Ministerium der geistlichen Angelegenheiten. 5 ) Wiederholt brachte Görres diesen, der damals in Hanau Direktor war, dem Generalgouverneur für die Direktorstelle beim Koblenzer Gymnasium in Vorschlag. Es ist beachtenswert, daß Görres an der protestantischen Konfession Schulzes keinen Anstoß nahm. Er verhehlte sich zwar nicht, daß vielleicht manchem Koblenzer ein katholischer Gymnasialdirektor erwünschter sein würde, hatte auch daraufhin die Stimmung der Bevölkerung untersucht und war zu der Überzeugung gekommen, daß man vor allem einen tüchtigen Direktor wünschte, selbst wenn er von anderer Konfession wäre. 6 ) Direktor des Gymnasiums ist Schulze zwar nicht geworden, wohl aber 1816 Konsistorial- und Schulrat in Koblenz. Die !) ) *) *) 5 ) genden •) Nr. 20. a
Görres Briefe II. S. 429. Vergi. A. D. Biogr. XXXIX. 1895. S. 708. Görres Briefe II. S. 450. Görres Briefe II. S. 494. Näheres darüber bei Varrentrapp S. 174 ff. Vergi, auch im folS. 71. K. St. A. Gen. Gouv. N.- und M.-Rhein Sekt. I. Kap. 21
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Berufung zu dieser Stelle ist allerdings nicht auf Görres' Empfehlung zurückzuführen, war vielmehr besonders den Bemühungen v. Süverns zu verdanken. 1 ) Als Konsistorialrat hat Schulze übrigens den ihm 'sehr peinlichen Auftrag bekommen, nach Görres' plötzlicher Entlassung von diesem die Akten und Geschäfte der Direktion des öffentlichen Unterrichts zu übernehmen. 8 ) Mehrfach hat sich Görres auch um die staatliche Unterstützung junger Künstler bemüht. So erwirkte er z. B. für den damals in Rom lebenden Peter Cornelius eine jährliche Pension.3) Der Dankesbrief, den ihm Cornelius darauf von Rom schrieb, ist wegen der darin enthaltenen Ideen zur Reform der deutschen Kunst von denkwürdigem Interesse.4) Ferner wurde dem aus Ingelheim gebürtigen Glöckle, der sich um die junge Germanistik durch seine Abschriften aus den Codices der vatikanischen Bibliothek verdient machte, auf Görres' Antrag eine jährliche Pension von 1200 Fr. bewilligt.5) Glöckle scheint sich allerdings dieser Wohltat nicht würdig bewiesen zu haben. Er vertiefte sich immer mehr in den italienischen Wein anstatt in die Codices, so daß sich seine Abschriften später als sehr fehlerhaft und ungenau erwiesen, worüber Görres in Briefen an die Brüder Grimm sich mit drastischen Worten beklagte.6) — Eine jährliche Pension von 1200 Fr. erhielt ebenfalls auf Görres' Antrag der Maler Mosler aus Koblenz, der später durch seine Beziehungen zu Cornelius und den Gebrüdern Boisseree und durch seine Zeichnungen aus der alten Kölner Schule bekannt wurde. 7 ) Görres rechnete es, wie er sagte, „zu den schönen Attributen" seines Amtes, daß es ihm die Möglichkeit bot, in dieser Weise für die Beförderung von Kunst und Wissenschaft tätig zu sein. Varrentrapp S. 176. ») Varrentrapp S. 190. ») Vergl. Schellberg II. S. 234. 4 ) Görres Briefe II. S. 433. s ) K. St. A. Reoert. 249 Nr. 204. •) Görres Briefe II. S. 109, 510 und 524. ') K. St. A. Repert. 249 Nr. 203. Über Mosler vergl. A. D. B. XXII. 1S85. S. 403.
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Zur äußeren Geschichte seines Amtes sind noch anzuführen die Auseinandersetzungen mit der preußischen Regierung bei Görres' plötzlicher Entlassung aus seiner Stelle. 1 ) Durch seine offene Sprache im Merkur hatte Görres bald die Aufmerksamkeit der preußischen Regierung in unliebsamer Weise auf sich gelenkt, die schließlich zur Unterdrückung des Merkur führte. Bei dieser Gelegenheit war es auch zu einer Beleidigungsklage des Koblenzer Gouvernementskommissars Sack, des Bruders des Generalgouverneurs, gegen Görres gekommen, von der dieser allerdings freigesprochen wurde. Aber die Mißstimmung der Regierung gegen den Herausgeber des Rheinischen Merkur war offenkundig, und es wurde ihm von allen Seiten prophezeit, daß sie sich auch gegen ihn als Direktor des öffentlichen Unterrichtes äußern werde, bei Gelegenheit der definitiven Organisation der Rheinlande. U. a. warnte ihn wieder ein Brief von Arnim vom 23. Jan. 1816 2 ): „Diu stehst bei ihm 3 ) im gefährlichsten Gerüche. Er soll sich gleich bei den Vorschlägen des rheinischen Gouvernements erklärt haben, das sei zu gefährlich, Dich zu einer Stelle über die Jugend einzusetzen. Wenn Du also dennoch zu dieser Stelle berufen wirst, so sei versichert, daß dies nicht von ihm, sondern vielleicht vom Staatskanzler ausgegangen ist, der neben seinen eigenen Absichten eine Allerweltshurerei treibt und den Liberalen spielt, während von ihm alle Art schändlicher Bedrückungen ausgehen." Görres selbst glaubte nicht recht an diese Prophezeiungen. Er vertraute fest auf des Königs Wort im Besitzergreifungspatent vom 15. April 1815: „Die angestellten Beamten bleiben bei vorausgesetzter treuer Verwaltung auf ihrem Posten und im Genüsse ihrer Einkünfte." Die Wirklichkeit g a b diesem Vertrauen Unrecht. Als Görres nach Einführung der definitiven Organisation im April 1816 von >) Ober die dabei gepflogenen Verhandlungen berichtet Görres selbst in seiner Schrift: In Sachen der Rheinprovinzen usw. Im Folgenden bis zum Ende des Kapitels bezieht sich die neben den Akten des G. St. A. angeführte Zitierung: »Görres a. a. O.* immer auf diese Schrift. s ) Görres Briefe II. S. 481. ') Gemeint ist Schuckmann.
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einer Diensireise zurückkehrte, erfuhr er, daß man ihn seines Amtes entsetzt habe. Der Regierungspräsident Reimann von Aachen hatte bei Verkündigung der erledigten Stellen die Direktion des öffentlichen Unterrichts vergessen. Görres betrachtete infolge dieser Unterlassung sein Amt als formell noch weiterbestehend und glaubte, sich diese neue Ungerechtigkeit nicht stillschweigend gefallen lassen zu dürfen. Er wandte sich deshalb an den Oberpräsidenten v. Ingersleben und sprach sein Befremden darüber aus, daß ohne sein Wissen vom 22. d. M. ab eine neue Behörde, das Konsistorium, die Leitung des öffentlichen Unterrichts übernommen habe. Er erwarte, daß von dem königlichen Ministerium in Berlin, der einzigen Behörde, der er sich gegenwärtig unterstellt fühle, eine förmliche Entlassung mit Angabe der Gründe ihm zugestellt werde. 1 ) Ingersleben sandte eine Abschrift dieses Schreibens mit einer Eingabe an das Ministerium des Innern, worin er bat, „denselben hochgefälligst bald bescheiden zu lassen, damit die Leitung des öffentlichen Unterrichts von Seiten des hiesigen Consistorii kein Ärgerniß durch ein ungebührliches Benehmen des p. Görres erleide". 2 ) Auf diese Eingabe erfolgte am 8. Mai 1816 vom Ministerium des Innern und der Finanzen an Görres der Bescheid, 3 ) daß er, da er von dem vorigen Generalgouverneur nur provisorisch mit der Leitung des Unterrichtswesens betraut worden sei, in der Organisation des Königlich Niederrheinischen Konsistoriums 4 ) die Auflösung der Direktion des öffentlichen Unterrichts als von selbst gegeben zu betrachten habe. Hiermit werde ihm die förmliche Entlassung aus seiner einstweiligen Funktion erteilt. Zur Übernahme des von Görres a. a. O. S. 255 und G. St. A. Repert. 76 VIII. Sekt. L. G. Nr. 34. 2 ) G. St. A. Repert. 76 VIII. Sekt. L. G. Nr. 34. ») Görres a. a. O. S. 260 und G. St. A. Repert. 74 L. V. Nr. 3. *) Das Konsistorium hatte damals noch nicht den später eingeschränkten Wirkungskreis als protestantische Kirchenbehörde, sondern auch die allgemeine Leitung der Schulangelegenheiten der Provinz und zwar auch bei den katholischen Schulen, nach Maßgabe der Instruktion für die Provinzialkonsistorien vom 23. Okt. 1817. Vergl. Hermens Bd. II. S. 625.
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ihm gesammelten Dienstarchivs sei der Minister und Oberpräsident v. Ingersleben autorisiert worden. Unter dem gleichen Datum wurde v. Ingersleben angewiesen, „falls der p. Oörres wider Vermuthen noch Anstand nehmen sollte, dem Befehl sogleich zu gehorchen", seine Maßnahmen so zu treffen, „daß derselbe exekutivisch aus dem Besitz seiner Funktion gesetzt, und sein Archiv p. p. ihm auch zwangsweise abgenommen werde". Im übrigen sei es selbstverständlich, daß mit dem einstweiligen Geschäft auch das einstweilige Gehalt aufhöre. 1 ) Görres war weit entfernt, in der vom Ministerium befürchteten Weise zu rebellieren, aber da ihm nun die förmliche Entlassung ohne die von ihm erbetene Motivierung erteilt war, wandte er sich am 12. Juni 1816 mit einer Eingabe direkt an den König, worin er diesen sowohl auf die allgemein in den Rheinlanden infolge der Neuorganisation herrschende Mißstimmung hinwies, als auch seine persönliche Klage vorbrachte. Diese Eingabe sandte er in Abschrift mit einem Begleitschreiben auch an den Staatskanzler. Beide Eingaben 2) blieben ohne Antwort. Inzwischen verwandte sich v. Ingersleben ohne Görres' Wissen in eindringlichen Vorstellungen für ihn beim Ministerium, betonte besonders, „daß die öffentliche Meinung der hiesigen Provinz f ü r die Regierung sehr gewonnen werden würde, wenn dieser Mann, welcher beim Ausbruche des Krieges gegen Frankreich durch seine Schriften allerdings mit großem Nutzen f ü r die gute Sache gewirkt hat, gleichfalls unter die Zahl derjenigen mit aufgenommen würde, welchen bis zu einer anderweiten angemessenen Anstellung der halbe Betrag des vorigen Diensteinkommens belassen würde". 3 ) Dieses Gesuch wurde zunächst abschlägig beschieden. 3 ) Erst auf wiederholte Vorstellung seitens des Oberpräsidenten erfolgte am 14. Febr. 1817 vom Ministerium der Bescheid, 4 ) daß Görres „im höchsten Falle Q. St. A. Repert. 151 i B L III. Q. Nr. 28. ) Görres a. a. O. S. 48—60 und O. St. A. Repert. 74 L V. Nr. 3. 3 ) Q. St. A. Repert. 151 i B L III. O. Nr. 28. 4 ) Oörres a. a. O. S. 262 und G'. St. A. Repert. 76 VIII. Sekt. L. G. Nr. 34. a
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nur dasjenige wieder zu Theil werden kann, was er als öffentlicher Lehrer des Gymnasii zu Koblenz an fixierter Besoldung bezogen hat, nämlich 1400 Fr. Diese Eintausend vierhundert Francs hat ihm die Regierung mit dreihundert siebenundsechzig Thaler 12 gr. Courant als Wartegeld von dem Zeitpunkt ab, wo das Gehalt als Direktor des öffentlichen Unterrichts aufgehört hat, aus der dortigen Hauptkasse zahlen zu lassen." Die Annahme dieses Wartegeldes wurde von Görres stillschweigend verweigert. Einen ihn äußerst ehrenden Antrag zur Übernahme der Direktion einer in Stuttgart zu begründenden Kunstschule lehnte er dankbar ab, ebenso wie er den Ruf an eine deutsche Universität und an die Lütticher Akademie zurückgewiesen hatte, um erst die weiteren Maßnahmen der preußischen Regierung abzuwarten, der er, wie er an den württembergischen Minister v. Wangenheim schrieb, 1 ) durch übereiltes Abreißen der Beziehungen nicht die Möglichkeit nehmen wollte, begangenes Unrecht wieder gut zu machen. Görres' Angelegenheit begann allmählich immer weitere Kreise zu interessieren, u. a. bemühten sich auch der Staatsrat Stägemann und General Gneisenau um eine für Görres günstige Regelung. Ingersleben wandte sich am 2. April 1817 2 ) wieder an das Ministerium, da ihm die für Görres ausgesetzte Pension von 1400 Fr. aus mehreren Gründen zu gering erschien. Noch eindringlicher als früher bat er, im Interesse der öffentlichen Meinung seinem Antrage auf Bewilligung des halben Gehaltes stattzugeben, zumal da Görres sehr vorteilhafte Berufungen nach Bayern und Württemberg erhalten habe. „Sein Benehmen ist seit einem Jahre schon in der Hinsicht lobenswerth, daß er sich ganz passiv verhalten und das Gefühl der erlittenen Kränkung in keiner Art hat laut werden lassen; dabey hat er das allgemeine Zeugniß eines sehr rechtlichen Mannes für sich, und seine wissenschaftlichen und gelehrten Kenntnisse würden ihm gewiß als Professor der Geschichte und Philosophie einen eben so angex ) Görres a. a. O. S. 267—273 und G. St. A. Repert. 74 L V. Nr. 3. ») G. St. A. Repert. 76 VIII. Sekt. L. G. Nr. 34.
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messenen als nützlichen Wirkungskreis bey einer Rheinischen Universität anweisen. Die ihm bestimmten 1400 Fr. wird er nicht annehmen, weil er nicht davon leben kann und weil er einer liberalern Behandlung im Ausland gewiß ist. Euer Exzellenzien würden ihn daher zwingen, die Preußischen Lande zu verlassen, einem fremden Rufe zu folgen und dadurch eine sehr geübte Feder mehr, und was übler ist, die öffentliche Meinung gegen uns erregen." Es ist beachtenswert, welchen großen Einfluß Ingersleben dem Ansehen Görres' in den Rheinlanden beimaß. Er empfand offenbar die ablehnende Haltung des Ministeriums sehr peinlich, da er ja die dadurch noch genährte Verstimmung der Rheinländer gegen Preußen unmittelbar aus der Nähe beobachten konnte. Als deshalb diese letzte Eingabe an das Ministerium ohne den gewünschten Erfolg blieb, wandte sich Ingersleben am 22. April 1817 direkt an den Staatskanzler. 1 ) Auf Grund einer Mitteilung Stägemanns, die ihm von Hardenberg die Auszahlung seines vollen Gehaltes zusicherte, fühlte sich Görres veranlaßt, an Hardenberg am 25. April eine Danksagung 2 ) zu schreiben, in der er sein bisheriges Verhalten in der ganzen Angelegenheit mit der gegen allen widrigen Anschein festgehaltenen Erwartung begründete, „daß der große gute Willen und der Instinkt der Gerechtigkeit, der unzweifelhaft und unverkennbar durch Haupt und Glieder der Preußischen Regierung geht, zuletzt durch die zufälligen Irrthümer des Augenblicks und die Rückwürkungen der Leidenschaften hindurch das Wahre und Rechte ergreifen werde." Diese vertrauensvolle Danksagung kam zu früh. Zwar hat sich Hardenberg im Juli des Jahres 1817 eingehend mit der endgültigen Regelung der Görresschen Angelegenheit befaßt, wie aus einigen von ihm geschriebenen Konzepten in den Akten des Geheimen Staatsarchivs hervorgeht. 3 ) Danach sollte Görres, damit er „unter allen Umständen . . . . dem
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Görres a. a. O. S. 274—277. ) Görres a. a. O. S. 289—292 und G. St. A. Repert. 74 L V.
Nr. 3. 3
) G. St. A. Repert. 74 LV. Nr. 3.
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preußischen Staate erhalten werde", sein volles Gehalt weiterhin beziehen und seine definitive Anstellung bei der demnächst bevorstehenden Anwesenheit des Staatskanzlers in den Rheinlanden vollzogen werden. Die Ausfertigung dieser Konzepte wurde aber vom Staatskanzler zurückgezogen. Statt dessen sollte Görres mitgeteilt werden, „daß S. D. ihn bey Ihrer nächsten Anwesenheit in Koblenz für die vergangene Zeit, und auch für die Zukunft wegen seines Einkommens zufrieden zu stellen suchen werden". 1 ) Über den Grund dieser fortwährenden Verzögerung spricht Arnim in einem Briefe vom 21. Oktober 1817 2 ) seine Vermutung aus: „Daß Diu inzwischen mit dem Kronprinzen Worte und mit Schuckmann sogar Händedruck gewechselt hast, ist mir hieher berichtet worden. Dies Letztere könnte mich Deinetwegen fast bange machen; der Kerl will Dich über den Gänsedreck führen, denn wie ich höre, hat er gehindert, daß Dir noch nicht Dein Gehalt ausgezahlt ist." Endlich am 27. Jan. 1818 wurde durch nachfolgendes Schreiben Hardenbergs an Görres 3 ) die Angelegenheit in geziemender Weise beigelegt: „E. W. benachrichtige ich ergebenst, daß Sie die Summe von 8000 Fr. jährlich, der Ihnen vorläufig ertheilten Zusicherung zufolge, vom 1. May 1816 ab, bis zum 1. Jan. 1818 zu beziehen haben. Es ist die Absicht, Ihnen in den Rheinprovinzen eine anderweitige öffentliche Anstellung zu geben, und da Ihre fixirte Besoldung bey dieser Anstellung erst regulirt werden wird, so habe ich mich veranlaßt gefunden, Ihnen bis dahin, vom 1. Januar 1818 ab, ein Einkommen von 1800 Rthlr. jährlich, welche Sie in monatlichen Raten von der Regierungshauptkasse zu Koblenz erheben können, zu bewilligen." So hatte Görres trotz seiner kurzen Amtszeit von zwei Jahren als Direktor des öffentlichen Unterrichts zwei langwierige Verhandlungen um sein gutes Recht mit den Behörden zu führen, und nicht zuletzt deshalb mag er wohl die Übernahme der Direktion nachher eine Entschließung genannt haben, „die ihn später eben so oft gereut hat als ge!) O. St. A. Repert. 74 L V. Nr. 3. ») Görres Briefe II. S. 544. 3 ) Görres a. a. O. S. 301 und G. St. A. Repert. 74 L V. Nr. 3.
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freut". 1 ) Görres empfand die endliche Erledigung seiner Angelegenheit nicht nur als eine Wohltat für seine Person, sondern gab auch in einem Briefe an den Freiherrn v. Stein vom 30. Jan. 1818 2 ) seiner Freude darüber Ausdruck, „daß dieser böse Stein des Anstoßes für die Meinung endlich weggeräumt worden". — Man wird anerkennen müssen (wie das ja übrigens von den Behörden selbst geschehen ist), daß Görres in der ganzen Sache, abgesehen von der leicht begreiflichen Erregung in den ersten Schreiben nach seiner Entlassung eine durchaus ruhige und vornehme Haltung bewahrt hat, die sich besonders in der taktvollen Begründung, mit der er den doch sehr vorteilhaften Stuttgarter Antrag ablehnte, kundgab. Um so merkwürdiger erscheint das Urteil, das der Münsterer Domdechant Spiegel in einem Briefe an Stägemann vom 2. April I S I S 0 ) äußerte: „Ich habe diesen katholischen, von Fanatismus nicht freyen Schriftsteller niemals ganz günstig beurtheilt, sein Egoismus war in seinem Schreiben und Handeln stets bemerkbar, jetzt hat er sein Ziel erreichet — eine ansehnliche Pension — aber er ist in der öffentlichen Meynung tief gefallen." Lange hat Görres übrigens seine Pension nicht genießen können. Als er im Jahre 1819 in den heftigen Konflikt mit der preußischen Regierung geriet, durch den er sich zur Flucht genötigt sah, hörte die Zahlung des Wartegeldes natürlich wieder auf. Es ist nun sehr interessant, daß lange Zeit nach Görres Tode von seinen Erben im Jahre 1864 gegen den preußischen Fiskus Klage auf Zahlung des vom Jahre 1819 bis zu Görres' Eintritt in den bayrischen Staatsdienst geschuldeten Wartegeldes erhoben wurde. Trotz mancherlei Einwendungen des Fiskus trat das Koblenzer Landgericht den Ausführungen der Kläger bei und verurteilte den Fiskus zur Zahlung von 7275 Tlr. samt Zinsen vom Klagetage an und zur Tragung der Gerichtskosten. 4 ) Görres a. a. O. S. 45. ) Görres Briefe II. S. 549 und Schellberg II. S. 256. 3 ) Rühl Bd. II. S. 251. *) Diese Notiz verdanke ich einer in den Akten der G. St. A. Repert. 74 L V . Nr. 3 enthaltenen Nummer der »Berlinischen Nachrichten« vom 1. Juli 1864. Der Prozess ist auch erwähnt in dem Artikel über Marie Görres in der A. D B. IX. 1879 S. 389. 2
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III. Finanzielle und soziale Hebung der Schulen und Lehrer. Das erste Kapitel hat die schlechte wirtschaftliche Lage der Schulen und Lehrer als das tiefgreifendste Hindernis einer gedeihlichen Entwicklung des Schulwesens erkennen lassen. Dieser Mißstand erregte auch von vorneherein die besondere Aufmerksamkeit der neuen Regierung. Schon in dem Schreiben vom 23. April 1814, 1 ) in dem Gruner den Gouvernementskommissaren die Einrichtung der Direktion des öffentlichen Unterrichts mitteilte, wurde die Begründung einer Zentralunterrichtskasse als notwendig bezeichnet. In diese Kasse sollten alle Einkünfte, die dem öffentlichen Unterricht angehörten, eingeschossen und davon auf Anweisung des Direktors des öffentlichen Unterrichts die auf sie fundierten Zahlungen für das Schulwesen des ganzen Gouvernements gemacht werden. Durch Verfügung vom 26. Mai 1814 wurde die Bildung einer solchen Zentralkasse angeordnet. 2 ) Es ist nicht ganz klar ersichtlich, welche Güter eigentlich in diese Kasse zusammengebracht wurden. Der Generalgouverneur scheint besonders zunächst an die Einkünfte der ehemaligen Universitäten Bonn und Mainz gedacht zu haben, die z. T. noch recht beträchtliche waren. Die bei den einzelnen Gymnasien bestehenden Stiftungen scheinen gesondert verwaltet und auch nur für die Zwecke ihrer Anstalten verwendet worden zu sein, wenn sie auch wirklich, wie es in der Instruktion für den Direktor vom 5. ¡Mai 1814 vorgesehen war, der Zentralkasse unterstellt wurden. Denn mit diesen Stiftungen wurde später bei der Regulierung der Finanzen einzelner Gymnasien immer besonders gerechnet, und nur, wenn sie zur Deckung nicht ausreichten, ein Kredit auf die Zentralunterrichtskasse eröffnet. Demnach scheinen diese Fonds nur unter die Aufsicht der Zentralkasse gestellt, aber nicht für die allgemeinen Schulbedürfnisse des ganzen Gouvernements verwendet worden zu sein. Durch diese Zentralkasse wurde eine gleichmäßigere Verfügung über die für den Unterricht
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K. St. A. Repert. 249 Nr. 1. ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 23.
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vorhandenen Gelder, vor allem auch eine bessere Übersicht über die zerstreuten Einkünfte ermöglicht. — U m die Unterrichtsgüter vor einer Überbelastung mit Gemeindeabgaben zu bewahren, unter denen sie besonders in Kriegszeiten schwer gelitten hatten, beantragte Görres schon am 21. Mai 1814 beim Generalgouverneur, eine Verordnung an die Gemeinden zu erlassen, wodurch diese angewiesen würden, „die Güter der Unterrichtsanstalten, welche in ihrer Mitte bestehen, zu keinen Gemeindelasten anzuschlagen oder die schon geschehenen Anschläge nicht einzutreiben, sondern als Nichtwerte zu passieren." 1 ) Dieser Antrag, so gut er gemeint war, mußte sich bei einer praktischen Anwendung als übereilt und undurchführbar herausstellen. Ganz davon abgesehen, daß es schon an sich eine bedenkliche Sache gewesen wäre, gerade die oft recht ausgedehnten Güter der höheren Schulen von jeglicher Grundsteuer zu befreien, bestand eine besondere Schwierigkeit in den beständigen territorialen Veränderungen jener Zeit, die es mit sich brachten, daß die Güter der Anstalten oft nicht nur in anderen Gemeinden, sondern sogar in anderen Gouvernements lagen. Es ist nicht anzunehmen und konnte auch nicht wohl verlangt werden, daß Gemeinden oder andere Behörden auswärtige Schulen, die in ihrem Bezirk zwar Grundeigentum besaßen, von denen sie aber sonst keinen Vorteil genossen, so ohne weiteres von der entsprechenden Grundsteuer befreit hätten. Deshalb konnte G r u n e r auf diesen Antrag auch nur einen ablehnenden Bescheid geben. — Durch die gesetzlich vorgeschriebenen Formalitäten war die Eintreibung der Gefälle der Schulgüter mit großen Umständlichkeiten und Kosten verbunden, woraus nicht zuletzt die großen Rückstände bei einzelnen Anstalten herrührten. Görres erwirkte deshalb eine Verordnung, daß hinfort die Eintreibung der Gefälle durch die Steuerboten geschehen solle. Zur Durchführung der ihm übertragenen Oberaufsicht über die Gelder des öffentlichen Unterrichts verfaßte Görres im August 1814 ^ in 47 Paragraphen eine K. St. A. Repert. 249 Nr. 21. Mittlerweile war übrigens die Vereinigung Nieder- und Mittelrhein vollzogen worden. a)
der Gouvernements
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„Instruktion für die Verwaltungsräte und Empfänger der auf Güter und Einkünfte gegründeten Unterrichtsanstalten". 1 ) Der Verwaltungsrat (das bureau d'administration),. der sich zusammensetzte aus dem Maire, dem Direktor der Anstalt und mehreren Bürgern, war bisher die Aufsichtsbehörde für die Verwaltung der Sekundärschulen, Kollegien und Gymnasien gewesen. Den meisten Verwaltungsräten war zur Führung der Geschäfte ein Empfänger beigegeben, dessen Amtsverrichtungen aber auch oft vom Direktor selbst versehen wurden. Sowohl mit Rücksicht auf die Notwendigkeit einer lokalen Aufsicht als auch in der Erwägung, daß es die Lehrer ihrem eigentlichen Berufe, dem Unterricht, zu sehr entziehen könnte, wenn man ihnen selbst auch die ökonomische Verwaltung ihrer Anstalt übertragen wollte, empfahl Görres dem Generalgouverneur Sack die Beibehaltung dieser Verwaltungsräte. Gemäß der von Görres entworfenen Instruktion sollte der Verwaltungsrat aus 3—5 Mitgliedern bestehen, deren Verrichtungen sich lediglich auf die Verwaltung der Einkünfte beschränkten, mit dem wissenschaftlichen Betriebe der Anstalten also nichts zu schaffen hatten. Die Ernennung zu diesen ehrenamtlichen Stellen ging vom Direktor des öffentlichen Unterrichts aus. Monatlich einmal sollte eine Sitzung stattfinden, außerdem waren außerordentliche Sitzungen vorgesehen auf Einladung des vom Verwaltungsrat zu wählenden Präsidenten oder des Direktors des ö. U. Der Empfänger sollte eine Kaution stellen, die dem sechsten Teile seiner jährlichen Einnahmen entsprach. Die Instruktion gliederte sich weiterhin nach den Hauptverrichtungen eines Verwaltungsrates in folgende Punkte: I. Erhaltung der Fonds. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Verpachtungen und Vermietungen. Sicherheit der Kapitalien. Wiederanlage der abgelegten Kapitalien. Erhaltung und Erneuerung der übrigen Urkunden. Eröffnung umständiger Quellen. Erhaltung und Verbesserung des Eigentums. Rechtshändel.
!) K- St. A. Repert. 249 Nr. 22. Schagen,
Görre-; u a d die p r e u ß i s c h e Volksschule.
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II. Eintreibung der Gefälle. 1. Hauptbücher. 2. Heberollen. 3. Tagebücher. 4. Beitreibung der Gefälle und Verhütung der Rückstände. 5. Zwangsmittel und gerichtliche Verfolgungen. 6. Periodische Status der Einnahmen und Ausgaben. III. Rechnungswesen. 1. Budgets. 2. Ausgaben. 3. Rechnungen. Zu jedem dieser Funkte wurden ausführliche Weisungen erteilt, die sich z. T. auf frühere gesetzliche Verordnungen gründeten. Insbesondere wurde den Empfängern zur Pflicht gemacht, auf den Ablauf der Pachtkontrakte, die neun Jahre gelten sollten, achtzuhaben, Kapitalien unter möglichst günstigen Bedingungen unterzubringen und für deren Sicherung durch Bürgschaft oder Immobilien Sorge zu tragen. Dem Verwaltungsrat wurde die sorgfältige Sammlung und Aufbewahrung der Urkunden, Register usw., die Eigentum und Rechte der Anstalt begründeten, anempfohlen. Dem Empfänger wurde auch die Einsammlung des Schulgeldes nach den vom Direktor der Anstalt zu fertigenden Listen übertragen. Ganz besonders sollte er auch die Pächter, Mietsleute und üutsverwalter wohl beaufsichtigen, daß sie die ihnen iiberlassenen Güter usw. nicht vernachlässigten. Gerade durch die Unachtsamkeit der Pächter waren viele Schulgüter in den letzten Jahren schwer geschädigt worden. Rechtshändel durften nur auf Ermächtigung] des Direktors des öffentlichen Unterrichts und in seinem Namen geführt werden. Zur Erleichterung der Obersicht über das vorhandene Vermögen der Anstalten wurde die Anlegung von Hauptbüchern sofort angeordnet. Jedes Hauptbuch mußte doppelt ausgefertigt werden, ein Exemplar für das Archiv des Verwaltungsrates und eines für den Direktor des öffentlichen Unterrichts. Der Empfänger sollte für die regelmäßige Eintreibung der Gefälle persönlich verantwortlich sein, falls er nicht den nötigen Fleiß zur Beitreibung der Rückstände nachweisen
— 51 — konnte. Die Budgets der Anstalten sollten im März für das folgende Jahr von dem Verwaltungsrate angefertigt und außer dem Budget keine Ausgaben bewilligt werden. Diese Instruktion, die sich bis in die kleinsten Einzelheiten erstreckte, wurde dem Generalgouverneur zur Begutachtung vorgelegt, der versprach, sie nach genauer Erwägung demnächst mit einer allgemeinen Verordnung über das höhere Schulwesen in Verbindung zu bringen. 1 ) Um den Anstalten in ihren laufenden Ausgaben eine Ersparnis zu verschaffen, beantragte Görres am 11. Aug. 1814 beim Generalgouverneur, für den amtlichen Briefwechsel mit der Direktion des öffentlichen Unterrichts die Portofreiheit zu verschaffen. Nun wurde aber die Postverwaltung unter T h u m - und Taxisscher Leitung für gemeinsame Rechnung der Verbündeten nach den früher bestehenden Grundsätzen weitergeführt. Danach genossen die Schulvorstände nur insofern Portofreiheit der Dienstkorrespondenz, als sie gehalten waren, ihre Briefe unter dem Kuvert der Minister, Präfekten, Unterpräfekten oder Maires zu versenden. Einen anderen Modus konnte der Generalgouverneur während des Provisoriums auch nicht einführen. Er empfahl deshalb durch Verfügung vom 23. September 1814 2 ) die Versendung der Dienstkorrespondenz des öffentlichen Unterrichts unter dem Kuvert und Siegel eines üouvernementskommissars, Kreisdirektors oder Bürgermeisters. Zur Versendung von Zirkularschreiben der Direktion des öffentlichen Unterrichts erklärte sich das Gouvernement selbst bereit. Bei der gerade während der Neuorganisation ziemlich großen Anzahl von Dienstschreiben war die durch diese Verfügung herbeigeführte Erleichterung nicht unbeträchtlich. Eine schwere Beeinträchtigung der Finanzen des öffentlichen Unterrichts bildeten die Folgen eines französischen kaiserlichen Dekrets vom 21. Aug. 1810.3) Dadurch wurden ') K. St. A. Repert. 249 Nr. 14. Über die Durchführung dieser Instruktion liegen keine weiteren Nachrichten vor. 8 ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 12. 3 ) Bulletin 4 série tome XIII. p. 181—183 Titr. III 8 : Nous déchargeons les communes de toutes les dettes qu'elles ont contractées soit envers notre domaine, soit envers les corps et les communautés, corpo-
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die Gemeinden aller finanziellen Verpflichtungen entbunden, die sie gegen den Staat, die geistlichen und milden Stiftungen eingegangen waren. Der Minister des Innern hatte erklärt, daß auch die öffentlichen Unterrichtsanstalten unter die établissements de bienfaisance zu rechnen seien. Durch diese Verfügung hatten fast alle Unterrichtsanstalten einen großen Verlust erlitten. Görres beantragte deshalb in eindringlicher Vorstellung die Aufhebung dieses Dekrets. „Recht und Bedürfnis fordern gleich dringend die Wiedereinsetzung der Unterrichtsanstalten in den Genuß ihrer auf Gemeinden haftenden Kapitalien, und ich glaube um so weniger, daß der Aufhebung jener verderblichen Verordnung vom 21. Aug. 1810 etwas im Wege steht, da sie nicht einmal ein Ausfluß der gesetzgebenden Gewalt, sondern blos ein Regierungsbeschluß war, den auch die Regierung zu widerrufen befugt ist, wenn es darauf ankömmt, Unrecht wieder gut zu machen." Durch den provisorischen Zustand waren auch in dieser Beziehung dem Generalgouverneur wieder die Hände gebunden, auch war es nach seiner Ansicht nicht ratsam, jetzt plötzlich so tief in die ökonomischen Verhältnisse der ohnehin schwer bedrängten Gemeinden einzugreifen. Für die Zukunft werde sich dann ein Ausgleich mit den geschuldeten Kapitalien ergeben durch die Mehrausgaben, die den Gemeinden durch die Regelung der Lehrerbesoldung erwachsen würden. So mußte einstweilen auch dieser so wohl berechtigte Antrag des Direktors Görres unberücksichtigt gelassen bleiben. Langwierige Umfragen und Nachforschungen mußten als Vorarbeit geleistet werden, bevor die Regierung in der gerade in finanzieller Hinsicht durch die Zeitumstände erschwerten Neuorganisation mit bestimmten Verfügungen eingreifen konnte. Zur Erledigung dieser Vorarbeiten hatte Sack eine Kommission von 5 Mitgliedern unter Grashofs Vorsitz einge-
rations religieuses supprimées ou autres établissements de bienfaisance, aux dépenses desquels les communes pourvoient sur les produits de leur octroi." l ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 24.
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setzt, zu der u. a. auch zwei katholische Geistliche aus dem Bergischen, wo schon bessere Zustände im Schulwesen herrschten, zugezogen wurden, deren Erfahrungen man sich zunutze machen wollte. Schon nach zehntägiger Arbeit reichte diese Kommission am 30. Dez. 1814 ein Protokoll ein, in dem sie die Hauptgrundsätze einer Reorganisation des Elementarschulwesens unter besonderer Berücksichtigung der äußeren Verhältnisse dem Generalgouverneur entwickelte.1) Auch Görres konnte nach der im Herbst 1814 unternommenen Bereisung seines Bezirkes den Generalgouverneur in seinem Berichte vom 28. November 2 ) auf die Hauptschäden aufmerksam machen. Er forderte darin u. a., daß die Gemeinden angehalten würden, je nach ihrem Vermögen und ihrer Bedeutung den Lehrern eine angemessene feste Besoldung zu zahlen. Diese Besoldung könne entweder darin bestehen, daß man, wie es z. B. im Luxemburgischen sehr leicht möglich sei, die Lehrer auf den Ertrag von Gemeindegütern, z. B. von Wäldern anweise, oder aber ihnen ein direktes Gehalt zahle, das man durch Zusatzcentimen zu den allgemeinen Steuern aufbringe. Es sei dann durchaus nicht nötig, diese Zulage ausdrücklich als Schulsteuer zu bezeichnen, was Görres wohl wegen des zunächst noch geringen Interesses der Bevölkerung an der Schule nicht ratsam erschien. Besonders aber müsse man die Ungerechtigkeit vermeiden, die Zusatzcentimen auf die einzelnen Familien nach der Kopfzahl der schulfähigen Kinder zu verteilen, woraus für arme kinderreiche Familien eine große Härte entstehen würde. Gemeinden, denen die Zusatzsteuer unerschwinglich sei, müßten als Staatsarme betrachtet und die Erziehung der Kinder aus der Staatskasse bestritten werden. Im ganzen aber müsse man von dem Gesichtspunkt ausgehen, „daß ebenso unausweichlich, wie der Unterthan zur Erhaltung des Staates beytragen muß, er auch angehalten werden könne, den Unterricht und die Erziehung seiner Kinder zu besorgen." — Von der persönlichen Einsammlung des Schulgeldes müßten die Lehrer befreit werden, sowohl !) Neicebaur, A . K. S. 173. ») K. St
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Repert. 2 4 9 N r .
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mit Rücksicht auf die Ordnung der Schule als besonders auf die soziale Stellung des Lehrers. 1 ) Diese angestrebte soziale Hebung des Lehrerstandes werde es auch von selbst verbieten, daß in Zukunft ein niederes Gewerbe durch den Lehrer betrieben werde, „weil es beynahe ebenso unschicklich ist, wenn z. B. der Schullehrer das Vieh hütet, als dies vom Pfarrer geschehen sollte". Auch müßten nach Verbesserung ihrer Lage die Lehrer angehalten werden, „immer wie der Pfarrer in einem äußerlich wenigstens anständigen Aufzug zu erscheinen". Am Ende des Jahres 1814 waren die Vorarbeiten so weit gediehen, daß man den Besserungsplänen greifbarere Gestalt geben konnte. Als ein dringend der Abhilfe bedürfender Mißstand hatte sich die oft gänzliche Inanspruchnahme der Schullokale durch Einquartierung herausgestellt. Eine Verfügung vom 7. September im „Journal" vom 10. Sept. 1814 ordnete für die Schulen das Einquartierungswesen in der Weise, daß alle für den Unterricht bestimmten Gebäude von aller Einquartierung befreit wurden, weil die Einquartierung „wegen der dadurch für die Lehrer und Schüler entstehenden Störungen und bei den weiblichen Erziehungsinstituten und Töchterschulen aus moralischen Rücksichten mit dem Zweck und der Bestimmung dieser Anstalten nicht vereinbar" sei. Die Lehrpersonen sollten zwar von der Naturaleinquartierung frei sein, dafür aber der ihnen zukommende Teil der Einquartierung auf ihre Kosten zu möglichst billigen Preisen anderswo untergebracht werden. Am 26. Jan. 1815 erließ Sack an sämtliche Generalgouvernementskommissare eine Verfügung, 2 ) die als Resultat der Vorarbeiten u. a. folgende Erkenntnis aussprach: „Es ist klar, daß eine Hauptwurzel des Elends und der Erbärmlichkeit, worin ein nur zu großer Theil des Volks-Schulwesens, vornämlich auf dem platten Lande, versunken ist, in der den l ) Im Mittelrheinischen Gouvernement hatte früher Gruner die Einsammlung des Schulgeldes und sonstiger Abgaben durch Verfügung vom 12. Juni 1814 an die Ortsvörstände übertragen. K- St. A. Gouv. Kom. Koblenz Tit. VI. Sekt. 2 B. 1 Nr. 3. a ) D. St. A. Repert. D 4 II IV. 5 1 ; Nr. 9.
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Stand herabwürdigenden, bessere Subjekte von ihm zurückschreckenden, den Mann muthlos machenden und zu heterogenem Nebenerwerb zwingenden Ärmlichkeit des Einkommens der meisten Schullehrerstellen steckt. Es ist nicht weniger klar, daß unsere wohlthätigsten Pläne für die Verbesserung des Volksschulwesens nur eine vergebliche Arbeit seyn und eine getäuschte H o f f n u n g liefern werden, wofern es uns nicht gelingt, das Übel bei der Wurzel zu fassen, um den Lehrern der Volksjugend eine auskömmliche, wenigstens vor drückendem Mangel und dessen Gefolge von Schlechtigkeiten sie sichernde Existenz zu verschaffen." Zu diesem Zwecke war es vor allem nötig, zu wissen, was die einzelnen Gemeinden f ü r die Besoldung ihrer Lehrer würden aufbringen können, und die Gouvernementskommissare wurden aufgefordert, bei Revision der diesjährigen Gemeindebudgets ganz besonders darauf zu achten, „lieber jede andere, nicht durchaus und dringend nothwendige Ausgabe zu streichen als diejenige, welche den Unterhalt der Volksschullehrer sichert, und wo überall keine solche Rubrik existiert, die Hinzufügung derselben durch irgend eine andere Ersparnis möglich, sondern aber auch die Bürgermeister für pünktliche und allem andern vorhergehende Auszahlung der solchergestalt ausgeworfenen Schuldienstemolumente persönlich verantwortlich zu machen." Doch sollte immerhin auch in Zukunft nur ein Teil des Einkommens der Lehrer als Fixum aus der Kommunalkasse gezahlt, das übrige aber durch das Schulgeld aufgebracht werden, „weil das Volk gewöhnlich verachtet, was es nicht direkt bezahlt". Die Fixa sollten je nach dem Vermögen der Gemeinden zwischen 200 und 500 Fr. sich bewegen. Für Fälle absoluten Unvermögens der Gemeinden, aber nur f ü r wirklich dringende, stellte Sack die eventuelle Hilfe der Staatskasse in Aussicht. Diese Bestimmungen kamen eigentlich schon etwas spät, da der Abschluß der Gemeindebudgets f ü r 1815 nicht mehr so lange hinausgeschoben werden konnte. Bei manchen Gemeinden waren aber durch die Einführung der iLehrergehälter große Schwierigkeiten für die Regulierung der Budgets vorauszusehen. Deshalb riet Görres dem Koblenzer Gouvernementskommissar, den Gemeinden einen vor-
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läufigen Kredit zu eröffnen, der zu dem noch endgültig zu bestimmenden Gehalte des Lehrers hinreichen würde. 1 ) Somit war ein sehr wichtiger Schritt zur Hebung des rheinischen Lehrerstandes getan. Die allgemeine Durchführung dieser Bestimmungen zog sich naturgemäß noch sehr in die Länge, zumal da ja gerade 1815 die Kriegsunruhen von neuem über das Land hineinbrachen, die eine auch vom königlichen Ministerium angeratene Vorsicht und Schonung notwendig machten. Einen einfachen Modus, um den vom Kriege besonders hart getroffenen Gemeinden eine Erleichterung zu verschaffen, fand der Gouvernementskommissar von Aachen, indem er durch die Kreisdirektoren die Gemeinden anweisen ließ, die sogenannten Truppenverpflegungsgelder in ihren Budgets als außerordentliche Einnahmen zu verzeichnen und damit das Lehrergehalt zu bestreiten. Noch im Journal vom 4. Jan. 1816 mußte Sack in einer Bekanntmachung auf zahlreiche an ihn von Lehrern ergangene Klagen über schlechte und unpünktliche Besoldung antworten, daß er die Berechtigung dieser Klagen nicht verkenne, anderseits aber auch erwartet hätte, daß mehrere Gemeinden aus freiem Antrieb f ü r die Besserung der Lebensverhältnisse ihrer Lehrer gesorgt hätten. Eine allgemein durchgreifende Verbesserung müsse er der neuen Regierung als eines der ersten und wichtigsten Geschäfte hinterlassen. Im Dezember 1814 fand in Köln eine Lehrerkonferenz statt, deren Protokoll dem Generalgouverneur vorgelegt und von ihm genehmigt wurde. Darin wurde bezüglich der den Unterricht und oft das Ansehen des Lehrers so schwer schädigenden Nebenbeschäftigung die Forderung aufgestellt: „Sowie der Schullehrer kein Nebenamt, welcher Natur es sein und welchen Namen es führen mag, haben kann, das ihn in seinem Amte als Lehrer hindern könnte, ausgenommen, wenn er sich im vorkommenden Falle für dieses Nebenamt einen Substituten halten kann, ebensowenig darf er ein Nebengewerbe oder eine Hantierung treiben, das ihn in seinem Amte hindern, oder der W ü r d e seines Berufs entgegen wäre. Auch muß jeder, ehe er ein Nebengewerbe anzuK. St. A. Repert. 249 Nr. 84.
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fangen gedenkt, sich deshalb an die Lokalschulbehörde wenden, w o r ü b e r dann die Kantonsschulbehörde entscheiden wird. W ä h r e n d der Schulstunden darf vom Lehrer durchaus keine Nebenarbeit getrieben werden." Eine strikte D u r c h f ü h r u n g aller hier aufgestellten Forder u n g e n war natürlich so plötzlich nicht allgemein möglich, da d a d u r c h vielen Lehrern der einstweilen noch beträchtlichste Teil ihres Lebensunterhaltes entzogen worden wäre. Ü b e r h a u p t machte die soziale H e b u n g des Lehrerstandes nicht die schnellen u n d allgemeinen Fortschritte, die man wünschte, selbst nicht bei den höheren Lehranstalten. N o c h im Dezember 1815 erließ Sack eine eigene V e r o r d n u n g 2 ) über die Observanz gegen Lehrer bei öffentlichen Festlichkeiten. Es sei mißfällig von ihm bemerkt worden, daß man die Direktoren u n d Lehrer der Gymnasien bei öffentlichen Feiern entweder gar nicht eingeladen oder aber hinsichtlich der R a n g o r d n u n g in ungebührlicher Weise behandelt habe. Da es n u n zu den Zwecken u n d Mitteln der Schulverbesser u n g gehöre, „auf jede Weise die innere sowohl als äußere A c h t u n g d e s P u b l i k u m s vor dem Lehrstande zu erhöhen, und f ü r letztere die Achtung, welche der Staat selbst ihm bezeugt, offenbar den Maßstab abgibt", so wurden die Behörden angewiesen, die Lehrer der öffentlichen Unterrichtsanstalten bei Feierlichkeiten nicht n u r einzuladen, sondern ihnen auch bei der R a n g o r d n u n g den ihnen g e b ü h r e n d e n Platz unmittelbar nach der Geistlichkeit einzuräumen. Durch diese verschiedenen V e r f ü g u n g e n betätigte Sack die in seinem Erlaß vom 26. Jan. 1815 l ) ausgesprochene Überzeugung, daß ,,die Sorge f ü r die Bedürfnisse des Schulwesens einen der ersten Plätze wie unter den B e m ü h u n g e n des Staates so auch in den Rubriken der K o m m u n a l a u s g a b e n behaupten soll". Zwar scheiterten noch m a n c h e der b e g o n n e nen Reformen an der U n g u n s t der Zeitumstände u n d dem provisorischen Charakter der ganzen Verwaltung, aber es war doch wenigstens, besonders durch die eingreifende Be~
») D. St. A. Repert. D 4 II IV 51; Nr. 9. ) K. St. A. Repert 249 Nr. 8.
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Stimmung über die Lehrerbesoldung ein energischer Anfang gemacht zur wirtschaftlichen und sozialen Hebung des Lehrerstandes, als deren Folgen man eine Besserung auch in dem verwirrten inneren Schulbetriebe mit Sicherheit erwarten durfte.
IV. Schule und Unterricht.1) 1.
Abschnitt.
Bevölkerung und Schule.
Die finanziellen und sozialen Verbesserungen mußten das Fundament abgeben, auf dem erst ein auch im ganzen inneren Betriebe geordnetes Schulwesen in den Rheinlanden aufgebaut werden konnte. Solange die wirtschaftlichen Vorbedingungen nicht wenigstens zum Teil gegeben waren, konnten alle Bemühungen um innere Verbesserungen nur vergeblich sein. Anderseits mußten manche Fragen in der inneren Organisation des Schulwesens zuvor gelöst werden, bevor sich eine endgültige Regelung der äußeren Verhältnisse durchführen ließ. So konnte man z. B. durchaus keine Übersicht gewinnen über die zur finanziellen Aufbesserung der Schulen und Lehrer notwendigen Mittel, bevor man nicht durch Schulvorstände und ähnliche Behörden eine gründliche Aufnahme des Bestehenden und Erforderlichen erhalten hatte. Während aber gerade die finanziellen Reformen bei dem provisorischen Zustande selbst auch nur vorläufige und beschränkte sein konnten, durfte man bei den inneren Reformen schon etwas gründlicher vorgehen, da sie von jeder neuen Regierung, die eventuell die linksrheinischen Gebiete 1
) Die Darstellung ist nach den aus der Materie sich ergebenden Punkten systematisch geordnet, nicht nach der Reihenfolge der Verfügungen, d. h. die einzelnen Verfügungen sind nicht als Ganzes in chronologischer Folge behandelt, sondern nach den von ihnen berührten Materien zerlegt worden. Innerhalb der einzelnen Punkte, wie z. B. Lehrerausbildung, Anstellung, Schulaufsicht usw. sind die aus verschiedenen Verfügungen entnommenen Bestimmungen dann chronologisch dargestellt. So ist für jeden dieser einzelnen Punkte eine geschlossene übersichtliche Darstellung ermöglicht.
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Stimmung über die Lehrerbesoldung ein energischer Anfang gemacht zur wirtschaftlichen und sozialen Hebung des Lehrerstandes, als deren Folgen man eine Besserung auch in dem verwirrten inneren Schulbetriebe mit Sicherheit erwarten durfte.
IV. Schule und Unterricht.1) 1.
Abschnitt.
Bevölkerung und Schule.
Die finanziellen und sozialen Verbesserungen mußten das Fundament abgeben, auf dem erst ein auch im ganzen inneren Betriebe geordnetes Schulwesen in den Rheinlanden aufgebaut werden konnte. Solange die wirtschaftlichen Vorbedingungen nicht wenigstens zum Teil gegeben waren, konnten alle Bemühungen um innere Verbesserungen nur vergeblich sein. Anderseits mußten manche Fragen in der inneren Organisation des Schulwesens zuvor gelöst werden, bevor sich eine endgültige Regelung der äußeren Verhältnisse durchführen ließ. So konnte man z. B. durchaus keine Übersicht gewinnen über die zur finanziellen Aufbesserung der Schulen und Lehrer notwendigen Mittel, bevor man nicht durch Schulvorstände und ähnliche Behörden eine gründliche Aufnahme des Bestehenden und Erforderlichen erhalten hatte. Während aber gerade die finanziellen Reformen bei dem provisorischen Zustande selbst auch nur vorläufige und beschränkte sein konnten, durfte man bei den inneren Reformen schon etwas gründlicher vorgehen, da sie von jeder neuen Regierung, die eventuell die linksrheinischen Gebiete 1
) Die Darstellung ist nach den aus der Materie sich ergebenden Punkten systematisch geordnet, nicht nach der Reihenfolge der Verfügungen, d. h. die einzelnen Verfügungen sind nicht als Ganzes in chronologischer Folge behandelt, sondern nach den von ihnen berührten Materien zerlegt worden. Innerhalb der einzelnen Punkte, wie z. B. Lehrerausbildung, Anstellung, Schulaufsicht usw. sind die aus verschiedenen Verfügungen entnommenen Bestimmungen dann chronologisch dargestellt. So ist für jeden dieser einzelnen Punkte eine geschlossene übersichtliche Darstellung ermöglicht.
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übernehmen würde, mehr oder weniger in demselben Geiste und mit denselben Mitteln in Angriff genommen werden mußten. Zunächst galt es, einen sehr wichtigen Faktor in der ganzen Reformarbeit für sich zu gewinnen, das Interesse und die Mitarbeit weiterer Kreise der Bevölkerung. Allenthalben regte sich im rheinischen Volke die gespannte Erwartung, wie das geordnete preußische Staatswesen sich in den neuen Gebieten geltend machen werde, und nach den harten Bedrängnissen der Kriegsjahre sah man dem Kommenden erwartungsvoll entgegen. Diese dem Neuen günstige Stimmung mußte die Regierung vorsichtig bei ihren Besserungsplänen ausnutzen. Einen Monat nach Übernahme des G o u vernements erließ Sack im Journal vorn 16. Juli 1814 einen Aufruf betreffs der Volks- und Jugendbildung, worin er in schwungvollen Worten den Kontrast beleuchtete „zwischen dem despotischen Verwaltungssystem des gestürzten französischen Tyrannen und den liberalen Regierungsgrundsätzen deutscher Fürsten." Eine gründliche Revision des ganzen Schul- und Erziehungswesens, vor allem der Primärschulen, „dieser Urquelle aller Volksbildung und moralischen Volkskraft", stellte der Generalgouverneur in Aussicht und forderte „jeden Schulmann, jeden Gelehrten, jeden Menschenfreund, welchem diese heiligste Angelegenheit der Menschheit am Herzen liegt", zur Mitwirkung auf bei seinen Bemühungen. In einer Bekanntmachung vom 24. Juli, welche die vorläufige Organisation des Schulwesens anzeigte, wurde es als wichtige Aufgabe der beiden Direktoren des öffentlichen Unterrichts bezeichnet, auf ihren Dienstreisen „mit allen besseren Menschen ihres Fachs in jene lebendige Berührung zu kommen, durch welche demnächst auch in die Geschäfte ein warmes regsames Leben übergeht". Diese persönliche Bekanntschaft mit allen „für diese gute und große Sache erwärmten oder erwärmungsfähigen Männern" wurde von Sack dem Direktor Görres vor Antritt seiner Dienstreise nochmals besonders anempfohlen. In außerordentlich praktischer und erfolgreicher Weise wußte der Generalgouverneur diese von ihm so sehr erstrebte Beteiligung weiterer Kreise an den Reformarbeiten heranzuziehen durch die Schulfragen, deren
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Projekt er am 27. Juli 1814 Görres zur Begutachtung zusandte. Diese Fragebogen wurden am 15. August d. J. den Gouvernementskommissaren zugestellt mit der Weisung, sie durch die Kreisdirektoren, deren Lokal- und Personenkenntnis hierbei notwendig war, auf die einzelnen Gemeinden ihres Bezirkes zu verteilen, und zwar an diejenigen Personen, ob Staatsbeamte oder Privatleute, von denen sie nach Pflicht und Gewissen überzeugt zu sein glaubten, daß sie diese Fragen am gründlichsten und einsichtsvollsten beantworten würden. Bei der Auswahl dieser Männer sollte darauf geachtet werden, daß sie, sofern sie der ihnen gestellten Aufgabe mit möglichstem Eifer nachkämen, geeignet seien, bei den demnächst zu schaffenden Schulkommissarstellen besonders berücksichtigt zu werden. Vor allem möge man sich hüten, daß in diesem Falle, „wo es darauf ankömmt, den menschlichen Geist in lang entbehrte Rechte wieder einzusetzen, die Nation zu veredlen, und die auf ihr hängenden Wolken der Unwissenheit, der Sittenverderbnis und der Intoleranz zu zerstreuen", der ganze Zweck nicht durch einen mechanischstatistischen Schlendrian vereitelt werde. Bis spätestens 15. Okt. wurden die Antworten vom Generalgouvernement zurückverlangt. 1 ) Durch diese Verteilung von Fragebogen konnte Diese Verfügung findet sich D. St. A. Rep. D. 4 H. IV. 51; Nr. 10. Die 43 Fragen selbst sind abgedruckt bei Neigebaur A. K. S. 165—169 Außerdem befinden sich in den Archiven zu Koblenz und Düsseldorf zwischen den betreffenden Akten noch verschiedene Originalexemplare. Die Fragen gingen sehr ins Einzelne. Fr. 1—4 bezog sich auf Größe und Einwohnerzahl der Gemeinde und die Zahl der schulfähigen Kinder. Fr. 5—12 fragten nach dem Vorhandensein einer Primärschule, nach den Familienverhältnissen des Lehrers, ob verheiratet, wieviel Kinder und in welchem Alter, ob die Frau zum Unterricht der Jugend beitragen könne, ob der Lehrer außer dem Schulamte noch ein anderes Amt, Gewerbe oder Handwerk treibe und wie es um die physische und moralische Beschaffenheit des Lehrers bestellt sei. Fr. 13 fragte nach der Art der Berufung und Prüfung der Lehrer. Die Fr. 14—22 erstreckten sich auf den Unterricht, und zwar auf Lehrfächer, Stundenplan, Lehrbücher, Klasseneinteilung, Zahl der schulbesuchenden Kinder, Handhabung der Disziplin und Dauer des Schulbesuches. Fr. 23 verlangte Auskunft über die Stimmung der Bevölkerung gegenüber der Schule Fr. 24 29 über die soziale und finanzielle Lage des Lehrers.
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man sicher sein, in jeder G e m e i n d e die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf die Reformarbeit zu lenken, die durch den s o gewonnenen großen Kreis von Mitarbeitern am besten den Charakter einer durchgreifenden und zweckmäßigen Allgerneinheit erlangen konnte.
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Abschnitt.
Ausbildung der Lehrer.
Normalscbulen.
Als wichtige Maßnahme mußte möglichst bald eine geordnete und bessere Ausbildung der Elementarlehrer in Angriff genommen werden. S c h o n im mittelrheinischen G o u vernement hatte G r u n e r die Wiedereröffnung der Koblenzer Normalschule durch V e r f ü g u n g vom 13. Juni 1814 angeordnet. 1 ) Diese Anstalt verdient wegen ihrer großen Wichtigkeit eine ausführliche Beschreibung. Die Normalschule war unter dem letzten Kurfürsten von Trier, Clemens W e n z e s laus, am 22. O k t o b e r 1784 gegründet, 2 ) beim Einzug der Franzosen geschlossen, aber dann durch den Präfekten Lezai-Marnesia wiederhergestellt worden. Im Herbst 1813 hatte sie infolge des Krieges den Unterricht wieder einstellen müssen. D i e Zahl der Zöglinge war zunächst auf 2 4 bestimmt, war a b e r später auf 15 und dann auf 12 herabgesetzt worden. Diese genossen freie W o h n u n g und Beköstigung, freie Anschaffung der Bücher und Schreibmaterialien. Die Unterhaltungskosten waren für jeden Z ö g l i n g auf 2 3 , 7 0 Franken Fr. 30—42 fragten nach den etwa noch vorhandenen höheren Schulen (Gymnasien, Kollegien, Töchterschulen) und Privatschulen. Fr. 43 endlich verlangte von dem Berichterstatter Auskunft über die hauptsächlichsten Hindernisse der Schulverbesserung an den einzelnen Orten und die den lokalen Bedürfnissen entsprechenden Mittel zu ihrer Beseitigung. Uber die Antworten vergl. man das im Anfang des 1. Kap. Gesagte. ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 63. ) Diese Angabe entnehme ich aus dem Artikel über Clemens Wenzeslaus in der Allg. D Biogr. In der Koblenzer Stadtbibliothek befindet sich ein Programm der Normalschule vom September 1788, das folgende Lehrgegenstände aufzählt: Katechetik, biblische Geschichte, deutsche Sprache, Briefschreibekunst, Naturlehre, Landwirtschaft, Schön» schreiben, Rechenkunst, Meßkunst und Gesang. 1
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monatlich veranschlagt. Die gesamten Kosten wurden von den Gemeinden bestritten, indem von den gewöhnlichen Einkünften der Gemeinde 4 o/o besonderer Abgaben erhoben wurden, in denen die Beiträge für die Normalschule eingeschlossen waren. Die Lehrgegenstände der Anstalt, die mit dem Koblenzer Kollegium vereinigt war und daher die meisten Lehrer mit diesem gemeinsam hatte, waren: Religion und Sittenlehre, Schönschreiben, Deutsch, Französisch, Rechnen und Landmeßkunde, Naturlehre, Erdkunde, Geschichte, Klavierspielen, Choralgesang und Baumzucht. Bei der Wiederherstellung der Schule durch Gruner beantragte der zum Bericht aufgeforderte Gouvernementskommissar Vinke die Beibehaltung dieser Lehrfächer mit Ausnahme des Religionsunterrichtes, den man mit Rücksicht auf die Beiträge auch nicht katholischer Einwohner aus dem Unterrichtsplane ausscheiden müsse. Diesem letzteren Antrage widersprach aber Görres in seinem Gutachten, 1 ) indem er darauf hinwies, daß der größte Teil der Einwohner des Departements katholisch sei. Auch dürfe der Religionsunterricht nicht lediglich auf die Kirche beschränkt sein, sondern auch die künftigen Schullehrer müßten mit den nötigen Religionskenntnissen ausgerüstet sein, um die Bedürfnisse ihrer Zöglinge befriedigen zu können. Zur Ergänzung des Lektionsplanes beantragte Görres ferner noch die Einführung des Zeichenunterrichtes, wogegen der Unterricht im Französischen wegfallen sollte. Die Gesamtkosten der Anstalt wurden von Görres bei 15 Zöglingen und einem Reservefonds von 1000 Franken auf 7755 Franken veranschlagt, um deren Bewilligung er den Generalgouverneur ersuchte. „Da es das Wohl der Jugend und der kommenden Menschheit erfordert, dem traurigen Sinken der Landschulen zuvorzukommen", so verfügte Gruner am 13. Juni 1814,1) zwei Tage vor Übergabe der Verwaltung an Sack, die Wiedereröffnung der Schule unter Zustimmung zu dem Kostenanschlag von Görres, dem die Aufstellung eines Lehrplanes übertragen wurde. Zur Prüfung der aufzunehmenden Kandidaten, die mit Zeugnissen ihrer Ortsobrigkeiten und Pfarrer versehen sein mußten, wurde !) K. St. A. Repert. 249 Nr. 63.
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von Görres eine Kommission, bestehend aus dein Direktor der Anstalt und zwei Professoren, eingesetzt. 1 ) Der Lektionsplan umfaßte die bisher gelehrten Fächer mit Ausnahme des Französischen und mit Hinzufügung des Zeichnens. Durch die am 15. Juni 1814 erfolgte Vereinigung von Nieder- und Mittelrhein erfuhr auch der Wirkungskreis der Normalschule eine Beschränkung, indem die rechts der Mosel liegenden Gebiete von dem neuen Gouvernement ausgeschlossen wurden. Görres beantragte deshalb, den links der Mosel gelegenen Teil des Saardepartements, für das Gruner vorher eine Normalschule in Trier vorgesehen hatte, an der Normalschule in Koblenz teilnehmen zu lassen. 2 ) Zugleich machte er der österreichisch-bayerischen Landesadministration den Vorschlag, aus ihrem Gebietsteile 15 Kandidaten zur Nonnalschule zu senden, wenn sie f ü r deren Unterhalt aufkommen und 1800 Franken zur Lehrerbesoldung beitragen wollte. Dieses Anerbieten lehnte aber die Landesadministration ab mit der Begründung, daß sie über diesen Gegenstand schon anderweitig verfügt habe. Der links der Mosel gelegene Teil des Saardepartements einschließlich des Kreises Prüm nahm an der Normalschule teil. Im Rheinischen Merkur vom 11. Oktober 1814 wurden die Kandidaten auf den 20. Oktober zur P r ü f u n g eingeladen und der Beginn des Unterrichts auf den Anfang November festgesetzt. Am 31. Oktober legte der Direktor der Normalschule die Liste der aufzunehmenden Kandidaten vor, deren Alter schwankte zwischen 14 und 46 Jahren. Er bat Görres, den Kandidaten die Nachricht von ihrer Aufnahme mitzuteilen und sie aufzufordern, bei Eröffnung des Kurses einen Strohsack, ein Kopfkissen, eine Bettdecke, ein paar Bettücher, ein Besteck und einige Servietten zu ihrem Gebrauche mitzubringen. — Eine von Görres vorgeschlagene Vermehrung der Zöglinge auf zwanzig und die Erhöhung der monatlichen Unterhaltungskosten auf 28 Franken mußte wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage einstweilen unterbleiben. Die links der Mosel gelegenen Teile des Saar- und Rheinmoseldepartements ») K. St. A. Repert. 249 Nr. 88. ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 63.
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blieben einstweilen ohne Normalschule. Infolge des Wiener Kongresses wurden sie aber am 28. Mai 1815 von der österreichisch-bayerischen Administration an das nunmehrige Großherzogtum Niederrhein zurückgegeben. Görres erneuerte daher den schon früher bei der Administration vergebens gestellten Antrag, den Bereich der Koblenzer Normalschule nunmehr auf diese Gebiete auszudehnen, unbeschadet der weiteren Bemühungen um die Errichtung einer Normalschule in Trier. Der Plan zu dieser Anstalt, der von Gruner schon vollständig entworfen war, erlitt durch die Trennung der beiden Moselufer eine große Unterbrechung, wurde aber nach dem Wiener Kongresse von Sack und Görres wieder energisch aufgenommen. Görres' Antrag, die Gebiete rechts der Mosel zur Koblenzer Normalschule zu verweisen, bezweckte nur eine vorläufige. Maßregel, da die G r ü n d u n g einer Normalschule in Trier wieder neue Vorarbeiten erforderte. Im Herbst 1815 lagen die Pläne für diese Anstalt schon wieder ganz fertig vor, so daß sie schon im Winter ihren Kurs hätte eröffnen können, als am 29. Oktober vom Oberpräsidenten Sack der Bescheid erteilt wurde, daß es ihm mit Rücksicht auf die kurze Zeit, die das Saardepartement noch unter seiner Verwaltung stehen werde, nicht angebracht erscheine, jetzt noch die N e u g r ü n d u n g dieser Anstalt vorzunehmen, zumal da ihm zur Dotierung der Schule im Augenblick keine Fonds zur Verfügung ständen. Er werde deshalb diese Sache dem nächsten Oberpräsidenten zur schleunigen Berücksichtigung empfehlen. Den Lektionspian der Koblenzer Normalschule erweiterte Görres im April 1815 noch durch Einführung des Turnunterrichts, damit in Zukunft auch in den Landschulen die gymnastischen Übungen, die nach seiner Ansicht einen wesentlichen Teil der Erziehung ausmachten, verbreitet würden. 1 ) Da sich einige der Kandidaten von der Zweckmäßigkeit dieses Turnunterrichtes zunächst nicht wollten überzeugen lassen, wurde der Direktor der Normalschule veranlaßt, sie mit Zwang dazu anzuhalten. — Besonderen Wert legte Görres auch auf die Unterweisung der Lehrer in der ObstbaumK. St. A. Repert. 249 Nr. 39.
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und Bienenzucht, die sowohl geeignet sei, zur Aufbesserung der finanziellen Lage der Lehrer beizutragen als auch einen Zweig der Kultur bedeute, „der mit dem öffentlichen Unterricht in so enger Verbindung steht und worin sich dieser so werktätig zum allgemeinen Wohl bezeigen kann." *) Wenngleich auch die Zahl der die Normalschule besuchenden Kandidaten einstweilen noch nur eine sehr beschränkte sein konnte, so war doch der bisherigen Unordnung in etwa abgeholfen. Zudem genügte wohl auch die kleine Anzahl, um zunächst einmal die ganz unbrauchbaren Lehrer zu ersetzen. 2 ) Die so auf den Normalschulen ausgebildeten Lehrer mußten natürlich auch späterhin zur Weiterbildung und zum Selbststudium angeregt werden. Görres empfahl deshalb dem Generalgouverneur in seinem Bericht vom 28. November 1814 3 ) die Einführung von Fachzeitschriften, die geeignet wären, die Lehrer sowohl über ihren Beruf zu unterrichten, als auch von ihnen für den Unterricht selbst verwertet zu werden. Zur Kontrolle und Anregung riet Görres ferner, in jährlichen Versammlungen der Lehrer vor den Kantonspfarrern, Bürgermeistern oder sonstigen Behörden von ihnen Bericht zu fordern über die Tätigkeit im verlaufenen Jahre, wobei die Lehrer auch untereinander Anregung und Rat geben könnten zur Verbesserung ihrer Schulen. Eine derartige Einrichtung kam später auf Grashofs Anregung im Roerdepartement zustande in den „Schullehrerkonferenzgesellschaften", die Sack im Journal vom 21. Nov. 1815 öffentlich bekannt machte und belobte und zugleich zur Nachahmung an möglichst vielen Orten seines Gouvernements empfahl. 4 )
*) K. St. A. Repert. 249 Nr. 19. 2 ) Über die im niederrheinischen Teile des Gouvernements zur Ausbildung der Lehrer getroffenen Maßnahmen durch die Normalkurse in Brühl und ähnliche Institute an anderen Orten des Gouvernements berichtet ausführlich Vollheim S. 222—226. ») K. St. A. Repert. 249 Nr. 16. *) Vollheim S. 227 ff. S c h a g e n , Görres und die preußische Volksschule.
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3. A b s c h n i t t . Anstellung der Lehrer. Entsprechend der gebotenen Möglichkeit zu besserer Ausbildung mußten natürlich auch andere Anforderungen für die Anstellung der Lehrer erhoben werden, ganz davon abgesehen, daß es ja überhaupt in der bisherigen regellosen Art nicht weitergehen konnte. Im mittelrheinischen Gouvernement hatte Gruner durch Verfügung vom 12. Juni 1 8 1 4 ü b e r die Anstellung folgendes verordnet: „Fortan sollen die Schullehrer auf dem Lande nach dem Vorschlag des Ortspfarrers, auf das Gutachten des Bürgermeisters der Bürgerrneisterey und nach vorgängiger Prüfung durch die Lehrer der Normalschule und in Gemäßheit eines darüber ausgestellten Zeugnisses von den Gouvernementskommissaren ernannt werden." Es ist eigentümlich, daß der Direktor des öffentlichen Unterrichts hierbei vollständig ausgeschaltet ist, dem doch zuvor die Besetzung erledigter Stellen übertragen war. Seine Mitwirkung scheint lediglich in einer Begutachtung der dem Gouvernementskommissariat gemachten Vorschläge bestanden zu haben. Das Vorschlagsrecht des Pfarrers entsprach der Bestimmung Gruners, daß es, um die materielle Lage des Lehrers möglichst zu verbessern, in Zukunft als allgemeine Regel gelten solle, daß das Lehramt mit der Küsterstelle verbunden werde. Die Gemeinde mußte durch den Bürgermeister natürlich auch ein Wort mitzureden haben. In der Praxis stellten sich einer so einfachen Erledigung dieser Frage aber manche Schwierigkeiten entgegen, wie sich mit der Zeit im nieder- und mittelrheinischen Gouvernement zeigte. Mit der bisher öfters gehandhabten Erblichkeit des Amtes vom Vater auf den Sohn wurde man ja wohl leicht fertig. Bei Gelegenheit eines derartigen dem Gouvernementskommissariat Koblenz vorliegenden Antrages gab Görres sein Gutachten dahin a b 2 ) : „So verträglich es auch mit dem Wohl des Ganzen ist, Söhne verdienter Schullehrer, welche Fähigkeiten und Eifer für das Gute haben, zu befördern, — so J !
) K. St. A. Gouv. Kom. Kobl. VI. Sekt. 2 B. 1 Nr. 3. ) K. St. A. Gouv. Kom. Kobl. VI. Sekt. 2 B. 2 Nr. 3.
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ist es dennoch gegen die W ü r d e des Lehramtes überhaupt, Anwartschaften vom Vater auf den Sohn, und so dem Amte einen Anstrich der Erblichkeit zu geben." An dem ordnungsgemäßen Besuch der Normalschule müsse durchaus festgehalten werden. Auch erwarte er von dem Generalgouverneur die Entfernung aller derjenigen Lehrer, die von Nebengemeinden zum Schaden des ordnungsmäßig angestellten Lehrers im Hauptorte nach eigener Willkür berufen worden waren. 1 ) Da Gruners Verordnung nur f ü r den Mittelrhein Gültigkeit hatte, mußte für das gesamte Gouvernement betreffs der Anstellung eine neue Regelung erfolgen. Es lag nahe, diese zunächst bis zur endgültigen Organisation nach der bestehenden Gesetzgebung zu handhaben. Das ging aber deshalb nicht an, weil eben die in der Organisation der Université impériale f ü r die Lehreranstellung getroffenen Bestimmungen niemals allgemein durchgeführt worden waren. 2 ) Hätte man das aber jetzt versuchen wollen, so mußte das an den Orten, wo das Gesetz über die französische Universität noch nicht durchgedrungen war, den Anschein erwecken, als führe man neue französische Gesetze ein. Bevor das Gouvernement hierüber eine auch nur vorläufige allgemeine Bestimmung treffen konnte, war noch eine andere Schwierigkeit zu überwinden. Viele Vikariatsstellen, denen stiftungsgemäß der Schulunterricht übertragen war, waren zur Zeit unbesetzt und somit der öffentliche Unterricht an den betreffenden Orten ganz vernachlässigt, falls die Gemeinde nicht durch einen vorläufigen Kontrakt dafür gesorgt hatte. Die Schwierigkeit bestand für die Regierung nun darin, die Anstellung der Lehrer auch in solchen Orten in die Hand zu bekommen, ohne später durch die Reklamationen der neuernannten Vikare behindert zu werden. Sack entschied deshalb d u r d i Verfügung vom 16. Juli 1815,s) daß man ohne Bedenken einstweilen an solchen Orten, wo die Schule durch Vakanz der Vikarie verwaist sei, einen geeigneten weltlichen Schullehrer ernennen und provisorisch auch in den Genuß !) K. St A. Repert. 249 Nr. 155. «) Vergl. S. 8. 3 ) D. St. A. Repert. D 4 II. IV 51 ; Nr 9.
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der Vikarieeinkünfte, soweit sie als Remuneration f ü r das Schulhalten bestimmt seien, einsetzen könne. Für die Zukunft wurde dann ein die Rechte beider Teile sichernder Beschluß über das Verhältnis der Vikare und Lehrer hinsichtlich der Einkünfte in Aussicht gestellt. Auf Anordnung des Ministeriums vom 24. Juni 1815 sollten in Zukunft alle Lehrer, die zum erstenmal ein öffentliches Schulamt antraten, einen Diensteid ablegen, in dem sie versprachen, die ihnen anvertraute Jugend „zu gottesfürchtigen, guten und verständigen Menschen zu erziehen und mit Ernst und Eifer" sich bemühen, „auch selbst ein christliches Leben führen" zu wollen, „wie es einem rechtschaffenen Lehrer geziemt". 1 ) Für die D^uer des provisorischen Zustandes der Verwaltung wurde am 7. August 1815 die Anstellung der Lehrer durch folgende V e r f ü g u n g 2 ) geregelt. 1. „Kein Elementarschullehrer kann angestellt werden, ohne daß der betreffende Direktor des öffentlichen Unterrichts d u r c h g r ü n d l i c h e P r ü f u n g d i e Überzeugung von der vollkommenen Qualifikation des Kandidaten zum Schulamte erworben habe. Übrigens steht es dem Direktor frey, die P r ü f u n g entweder selbst vorzunehmen oder durch einen qualifizierten Stellvertreter vornehmen zu lassen. 2. Die Präsentation zu erledigten Elementarschulstellen soll, sobald die Schulinspektorate und die Lokalschulvorstände eingerichtet sein werden, ausschließlich von den letzteren durch das Medium der ersteren bey dem betreffenden ^Direktor des öffentlichen Unterrichts geschehen, welcher darauf die P r ü f u n g anordnet und nach günstigem Resultat derselben den Kandidaten dem betreffenden Gouvernementskommissar überweiset, um von demselben sein Anstellungsdekret zu erhalten, in welchem die dem Kandidaten erteilte Approbation der Direktion des öffentlichen Unterrichts jedesmal ausdrücklich angeführt sein muß. 3.
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K. St. A. Repert. 249 Nr. 7. ) K. St. A. Oouv. Kom. Kobl. Sekt. 2 B. 1 Nr. 3.
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4. Die Lokalschulvorstände sollen bey ihrer Präsentation solche Subjekte vorzugsweise berücksichtigen, welche d u r c h i h r e f r u c h t b a r e T e i l n a h m e an dem Unterricht eines S ch u 1 s e m i n a r s oder Übungskursus sich zum S c h u l a m t e besonders qualifiziert haben .... 5. Bis zur Einrichtung der Schulinspektorate und Lokalschulvorstände soll die Präsentation gemeinschaftlich von dem betreffenden Bürgermeister und Pfarrer, und unmittelbar bey dem betreffenden Direktor des öffentlichen Unterrichts geschehen, übrigens aber schon jetzt nach den oben entwickelten Grundsätzen überall verfahren werden. 6. E i n e i g e n t l i c h e s W a h l - o d e r P a t r o n a t r e c h t der Gemeinden hinsichtlich ihrer Elem e n t a r s c h u l s t e l l e n k a n n auch, wenn es irgendwo in früherer Zeit hergebracht gewesen sein sollte, n i c h t g e d u l d e t w e r d e n , weil eine den Zwecken des öffentlichen Unterrichts durchaus schädliche Abhängigkeit des Schullehrers von den Launen der Gemeinde daraus nur zu leicht hervorgeht, doch ist allerdings bey den Präsentationen neue- Elementarschullehrer jeder billige und vernünftige und den vorstehenden Dispositionen nicht zuwiderlaufende Wunsch der Gemeinde von den Lokalschulvorständen, und bis zu deren Einrichtung von den Bürgermeistern und Pfarrern nach Möglichkeit zu berücksichtigen." Durch diese Verfügung sicherte s ; ch die Regierung die Oberaufsicht und Entscheidung bei der Besetzung erledigter Lehrerstellen. Zwar war für die Befähigung der Lehramtskandidaten die Forderung einer seminaristischen Ausbildung oder wenigstens die Teilnahme an einem Normalkursus noch nicht ganz streng aufgestellt, doch sollten die durch einen derartigen Unterricht vorbereiteten Kandidaten vor anderen wenigstens den Vorzug haben. Jedenfalls war durch die Anordnung einer gründlichen P r ü f u n g und eines ordnungsgemäßen Nachweises über das Ergebnis dieser P r ü f u n g für die Zukunft die Möglichkeit ausgeschlossen, daß gänzlich unbrauchbare Subjekte in das Lehramt eindrangen. Besonders
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bemerkenswert ist die Ablehnung jeglichen Patronates der Gemeinden über die Schulen. Die schädlichen Folgen einer solchen Abhängigkeit des Lehrers waren in mancher Landschule ja schlimm zu Tage getreten, hatten besonders die Stellung des Lehrers innerhalb der Gemeinde und seine Autorität in ungünstiger Weise beeinflußt. 4. A b s c h n i t t . Schulaufsicht. Ortsschulvorstande und Schulinspektoren. Zur D u r c h f ü h r u n g und Aufrechterhaltung der neuen O r d n u n g im Schulwesen war die Einrichtung von Mittelbehörden unerläßlich. — Im mittelrheinischen Gouvernement war durch Verfügung Gruners vom 12. Juni 1814 1 ) der Pfarrer „als der natürliche Vorstand und- Aufseher der Landschule" bezeichnet worden. Den Ortspfarrern wurde es zur Pflicht gemacht, von Zeit zu Zeit die Schulen ihrer Pfarrei zu besuchen und über O r d n u n g und Lehrvortrag zu wachen. Die Oberaufsicht über alle Landschulen eines Kantons wurde den Kantonspfarrern zugewiesen, die jährlich einen Bericht über den Zustand der ihnen unterstellten Schulen und über eventuelle Verbesserungen an den ihnen übergeordneten Schulinspektor einreichen sollten. Durch diese Anordnung Gruners war der Geistlichkeit ein wesentlicher Einfluß im Schulwesen eingeräumt, und zwar geschah dieses, wie Gruner betonte, in dem Glauben „zu ihrem guten Sinn, zu ihrer Gewissenhaftigkeit und ihrer Religion, daß sie einem so hochwichtigen Geschäfte sich mit bifer unterziehen, die allenfalls ihnen dadurch zuwachsende Beschwerde nicht achten, und im Gefühle ihres Berufs, die Lehrer des Volkes zu seyn, also handeln werden, wie es ihrem ehrenwerten Amte ziemt". Hiermit war also der frühere ungewisse Rechtszustand beseitigt und die Schulaufsicht als ein Recht, ja als eine Amtspflicht der Geistlichkeit anerkannt. — Als Schulinspektoren wurden unter dem gleichen Datum der Hofrat Jung und der ehemalige Rektor der Mainzer Akademie, Butenschön, 2 ) ») K. St. A. Gouv. Korn. Kobl. VI. Sekt. 2 B. 1 Nr. 3. a ) Joh. Friedr. Butenschön geb. 14. Juni 1764 zu Bramstedt in Holstein. Weitere Angaben über ihn in der A. D. B. III. 1876. S. 650. Über Jung habe ich nichts Näheres ermitteln können.
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ernannt und ihnen ein Jahresgehalt von 5000 Franken festgesetzt. Sie hatten jährlich zwei Umreisen in ihrem Bezirk zu machen und sich von dem Zustande der Schulen persönlich zu überzeugen. 1 ) Görres beantragte nach der Vereinigung der beiden Gouvernements die Beibehaltung dieser Inspektoren. Da aber der größere Teil des einen Inspektionsbezirkes an die österreichisch-bayerische Administration gefallen war, welche die Regelung der Schulangelegenheiten selbst in die Hand nehmen wollte, beabsichtigte Sack, für jede der beiden Direktionen des öffentlichen Unterrichts nur je einen Inspektor mit einem Gehalt von 4000 Franken beizubehalten, bezw. neu einzusetzen.2) Görres wurde die Wahl gelassen zwischen seinen beiden bisherigen Inspektoren. Falls der von ihm zu entlassende Inspektor geeignet und katholisch sei, sollte er eventuell dem protestantischen Direktor Grashof beigegeben werden, was „der öffentlichen Meinung wegen wünschenswert" sei.3) Durch Verfügung Sacks vom 5. August 18144) wurde Görres aufgetragen, zunächst den Hofrat Jung von seiner Stelle zu entlassen, dem Inspektor Butenschön dagegen eine Versetzung nach Koblenz mit Beschränkung seines Gehaltes auf 4000 Franken vorzuschlagen. Falls dieser damit nicht einverstanden sei, sollte auch er entlassen und an seine Stelle der von Görres vorgeschlagene Direktor Schulze aus Hanau 5 ) zum Inspektor ernannt werden. Die definitive Ernennung dieser Inspektoren ist nicht erfolgt, hin Inspektor für jeden Inspektionsbezirk wäre doch zu wenig gewesen. Görres' Bezirk umfaßte schon über 500 Gemeinden, deren äußerste mehr als zwanzig Meilen voneinander entfernt waren. Grashofs Bezirk war aber noch bedeutend größer, t s mußten mehr Inspektorate geschaffen werden, und Görres schlug deshalb vor, die brauchbarsten und für das Schulwesen interessiertesten Kantonspfarrer gegen eine kleine Entschädigung zu Schulinspektoren zu bestellen. Aber auch da!) ) Repert. 3 ) 4 ) s ) 2
K. St. A. Repert. 249. Nr. 20. Nr. 26 d. Verordn. im Journal vom 24. Juli 1814 und K- St. A. 249 Nr. 13. K. St. A. Repert. 249 Nr. 13. O. St. A. Repert. 77 XXII. Litt. O 8 adh. Vergl. S. 38.
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gegen wurden von Görres selbst schon verschiedene Bedenken geltend gemacht, wie denn überhaupt die Schaffung von Mittelbehörden einer vorsichtigen Erwägung bedurfte und sich lange verzögerte. Am 11. Juli 1815 teilte Sack den in Betracht kommenden Behörden einen fertig ausgearbeiteten Entwurf zur D u r c h f ü h r u n g mit. 1 ) Als mittlere Schulbehörde wurde darin f ü r jeden Kreis ein katholischer, und wo verschiedene Konfessionen in Betracht kamen, auch ein protestantischer Geistlicher als Inspektor aufgestellt. Sack hielt also an der von Gruner geschaffenen neuen Rechtslage in bezug auf die Schulaufsicht der Geistlichkeit fest. Die Ernennung der Inspektoren sollte vom Gouverneur selbst auf gemeinsamen Vorschlag der Unterrichtsdirektoren, Gouvernementskommissare und Generalvikariate geschehen. Bei diesen Vorschlägen sollte besonders darauf gesehen werden, ob die zu wählenden Inspektoren bei der definitiven Regelung der Kultverhältnisse als Erzpriester bezw. Superintendenten in Betracht kämen. Für die Mehrarbeit und die Reisekosten wurde den Inspektoren eine angemessene Entschädigung zugesichert. Bis zum Erlaß einer Dienstinstruktion sollte als vorläufige Bestimmung gelten, daß die Inspektoren in betreff der inneren Verhältnisse des Schulwesens nach oben mit dem Direktor des öffentlichen Unterrichts, nach unten mit den Lokalschulvorständen sich in Verbindung zu setzen hätten, hingegen die Regelung der äußeren Verhältnisse zwischen Inspektoren und Kreisdirektoren erfolgen sollte. Als erstes und wichtigstes Geschäft der Inspektoren wurde die Bildung von Lokalschulvorständen in Aussicht genommen, die aus dem zeitigen Ortspfarrer und zwei Familienvätern bestehen sollten. Der Bürgermeister als solcher war zunächst ausgeschlossen, doch sollte man bei der Wahl der Familienväter die Bürgermeister besonders berücksichtigen, damit bei Einführung der preußischen Verwaltung, die eine Beteiligung der Ortsvorstände an den Schulgeschäften gesetzlich erfordere, allzugroße Umänderungen vermieden würden. Görres' Vorschlag, mit der Einrichtung der Inspektorate zu warten bis nach der inzwischen angekündigten neuen !) D. St. A. Repert. D 411. IV 51; Nr. 9.
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Organisation der Rheinlande, lehnte Sack ab mit der Begründung, daß die definitive Organisation eher eine Vermehrung als eine Verminderung der Inspektoren bedingen würde, so daß man die vorläufig bestimmte Anzahl ruhig ernennen könne. Ein Aufschub war um so weniger ratsam, da ja die Lokalschulvorstände von den Inspektionen eingerichtet werden sollten. Der Generalgouverneur änderte aber schließlich selbst seine Meinung und ernannte im November 1 ) anstatt der Inspektoren zunächst nur im Roerdepartement f ü r je einen oder zwei Kantone S c h u l o r g a n i s a t i o n s k o r a m i s s a r e , 2 ) aus denen dann später die Inspektoren gewählt werden sollten. Den Ernennungen zu Schulkommissaren wurden die mittlerweile einlaufenden Vorschläge für die Inspektorate zu Grunde gelegt. Jeder der Kommissare sollte sich zur Bildung der Lokalschulvorstände für je 30 bis 50 Schulen einen Kollaborator, womöglich einen Amtsbruder, wählen. Kommissare und Kollaboratoren sollten nach Beendigung der Organisation eine angemessene Remuneration empfangen. Für Städte mit mehr als 5000 Einwohnern wurden besondere Kommissionen von drei Mitgliedern angeordnet. Nicht ohne Absicht hatte der Generalgouverneur auf diese Weise den Kreis der an der Schulreform Beteiligten so sehr erweitert. Einerseits hatte er Gelegenheit, mehr Mitarbeiter kennen zu lernen und für die Sache zu gewinnen, anderseits wurde aber auch der nächste Zweck der Schulkommissionen, die Einsetzung von Lokalschulvorständen, um so mehr beschleunigt. Am 10. Dez. 1815 erließ Sack die von Grashof ausgearbeitete „Instruktion für die Schulorganisationskommissarien zur Einrichtung der Lokalschulvorstände". 3 ) Darin wurden die Kommissare angewiesen, über die Verhältnisse eines jeden Ortes und jeder Schule ihres D. St. A. Repert. D 4 II. IV 51; Nr. 9. ) Die Ernennung von Schulorganisationskommissaren scheint die ursprüngliche Absicht gewesen zu sein. Schon in der Verfügung über die Bearbeitung der Schulfragen vom 15. Aug. 1814 war denen, die sich mit Eifer dieser Sache widmen würden, eine besondere Berücksichtigung bei Besetzung der Schulkommissarstellen versprochen worden. D. St. A. Repert. D 4 II. IV 51; Nr. 10. 3 ) Abgedruckt bei Neigebaur, A. K. S. 195. 2
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Bezirkes durch mündliche und schriftliche Verhandlungen sich zu unterrichten und dann an allen Orten, wo der Sitz eines Pfarrers oder Vikarius war, einen Schulvorstand zu ernennen, und zwar auch dann, wenn solche Orte noch keine Schule hatten, sie aber nach ihrer Lage und Größe haben müßten. Als wesentliche Mitglieder des Schulvorstandes wurden bezeichnet: 1. Der Pfarrer des Ortes oder der Vikar, 2. der Bürgermeister oder an seiner Stelle ein Mitglied des Gemeinderates, 3. ein Familienvater für jede unter dem betreffenden Vorstande stehende Schule. Für Orte aber, die zwar eine Schule, doch gemäß den Bestimmungen keinen Schulvorstand bekamen, wurde der für diese Schule gewählte Familienvater als Untervorstand eingesetzt, dem für dringende Entscheidungen zwei Familienväter als Beisitzer beigegeben werden sollten, die aber keinen Sitz im Oberschulvorstand hatten. Die Stellung als Schulvorstandsmitglied war ehrenamtlich. Die Pfarrer oder Vikare sollten sie bekleiden, so lange sie als solche am Orte wirkten. Die anderen Mitglieder wurden auf drei Jahre verpflichtet und sollten dann durch andere ersetzt werden können. Für die besonderen Schulkommissionen in den größeren Städten (Köln, Aachen, Kleve, Krefeld, Neuß, Düren, Lupen und Malmedy) wurde am 4. Januar 1816 ebenfalls eine ausführliche Instruktion erteilt. Um auch das Interesse weiterer Kreise der Bevölkerung an dem Organisationsgeschäfte zu beleben, wodurch den Kommissaren die Lrkundigungen usw. wesentlich erleichtert wurden, gab der Generalgouverneur im „Journal" von den geschehenen Maßnahmen Kenntnis und wandte sich besonders an die Ortspfarrer und Bürgermeister, daß sie mit Bereitwilligkeit und Genauigkeit den Kommissaren die nötigen Aufschlüsse über die Ortsverhältnisse erteilen möchten. 1 ) Im Anfang des Jahres 1816 waren die Arbeiten der Kommissare so weit beendigt, daß von Seiten des Generalgouverneurs die Bestätigung der Schulvorstände des Roerdepartements erfolgen konnte. Im M Bekanntmachung Nr. 159 im „Journal" vom 21. Dez. 1815.
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„Journal" vom 26. März 1816 gab Sack in begeisterten Worten seiner Freude darüber Ausdruck, daß durch dieses Institut ein fester Grund gelegt worden sei, „dessen Pfeiler allein den Übergang des Wortes zur That, der Idee zur Wirklichkeit sichern". Nicht ohne Grund habe er die Schulvorstände aus mehreren Individuen und gerade aus denen zusammengesetzt, die in der Instruktion vom 10. Dezember v. J. angegeben waren. „Nicht allein wird dadurch das mannigfache Interesse der verschiedenen Glieder einer Gemeine an dem Zustande ihres Schulwesens in nähere Berührung und in engere Verknüpfung gebracht; sondern auch die drei allgemeineren und höheren Rücksichten, die eine jede bürgerliche Einrichtung als ihr höchstes Ziel unverrückt im Auge haben soll: Menschenwohlfahrt, Bürgerwohlfahrt und Familienwohlfahrt im engsten Verein erhalten in dem Pfarrer, den Gemeinderäten und den Familienvätern ihre bestimmten Sachwalter, ihre mutigen Vertreter." Ihnen vertraue er nun die Erfüllung dessen an, was er seit dem ersten Augenblicke seines Wirkens in den Rheinlanden „als das Höchste ersehnt und erstrebt habe: Veredelung dieses kräftigen deutschen Stammes am vaterländischen Rheine durch Volkserziehung und Unterricht. . . . Ein höherer Geist aber walte über ihnen und fördre und segne das Werk ihrer Hände." In der gleichen Nummer des „Journals" wurde den Ortsschulvorständen eine vorläufige Instruktion erteilt, die sie hinwies auf ihre doppelte Verpflichtung, die Schulen und Lehrer bei der übergeordneten Behörde und den Willen dieser Behörde bei den Schulen und Lehrern zu vertreten, das Wohl der Schulen und Lehrer auf alle rechtmäßige Weise zu fördern und alle Verordnungen der Behörden sofort in Anwendung zu bringen. Bis zum Erlaß einer ausführlichen Instruktion sollten die Ortsschulvorstände ihre Tätigkeit nach folgenden drei Gesichtspunkten ausüben: 1. Aufnahme der schulfähigen Kinder, 2. Bericht über den jetzigen Zustand der Elementarschulen, 3. Vorschläge zu Verbesserungen. 1 ) *) Die zu den einzelnen Punkten erteilten Weisungen werden in dem ihnen gebührenden Zusammenhang besprochen werden.
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Um die ihnen aufgetragene Arbeit schnell zu erledigen, sollten die Schulvorstände f ü r den Anfang alle 14 Tage eine Sitzung abhalten, später könnten die Sitzungen nur mehr jeden Monat stattfinden. Bei Beratschlagungen von allgemeinem Interesse, welche die Mitwirkung der ganzen Gemeinde erforderten, sollten sich die konfessionell getrennten Schulvorstände zu gemeinsamen Sitzungen zusammentun. Sack hatte des öftern die Notwendigkeit betont, eingreifende Neuerungen während des Provisoriums möglichst der zu erwartenden endgültigen Organisation anzunähern. So entsprach denn auch die für das Schulwesen der linksrheinischen Provinzen zunächst im Roerdepartement eingerichtete Verfassung der Schulorganisation in den altpreußischen Provinzen, die durch das General-Landschulreglement vom 12. August 1763 1 ) im allgemeinen bestimmt und für einzelne Territorien später durch besondere Instruktionen in etwa modifiziert war. Der § 25 dieses General-Landschulreglements bestimmte, „daß die Prediger auf den Dörfern und in den Amts-Städten die Schulen ihres Ortes wöchentlich zweimal, bald Vormittags, bald Nachmittags besuchen, und nicht nur die Information des Küsters oder Schulmeisters, anhören; sondern auch selbst über den Catechismum und andere Lehrbücher Fragen bei den Kindern anstellen sollen". Über die Mittelbehörden verordnete der § 26: „Den Superintendenten und Inspectoribus oder auch Praepositis und trzpriestern jedes Kreises befehlen Wir endlich hiedurch auf das allernachdrücklichste, die gesammten Landschulen ihrer Inspektion jährlich selbst zu bereisen und mit aller möglichen Attention den Zustand jeder Landschule genau zu examinieren und zu untersuchen, ob die Litern und Vorgesetzte ihre Kinder und Untergebene zur Schule gehalten oder darin nachlässig gewesen? O b die Prediger im Besuch der Schulen und Beobachtung obangeregter Anordnungen zur Aufsicht über die Schulmeister ihrer Pflicht und Schuldigkeit nachgekommen ? insonderheit, o b die Schulmeister die nötige Capaci') Neigebaur, i>
Das Volksschulwesen in den Preußischen Staaten» S. 5—18 und Sammlung usw. S. 126—142.
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tat h a b e n , o d e r o b sie u n t ü c h t i g sind, u n d w a s s o n s t e n d e s h a l b z u erinnern u n d z u v e r b e s s e r n s t e h e ? W o v o n d e n n g e d a c h t e S u p e r i n t e n d e n t e n u n d I n s p e k t o r e n ihre p f l i c h t m ä ß i g e n B e r i c h t e alljährlich a n u n s e r h i e s i g e s O b e r k o n s i s t o r i u m z u r w e i t e r e n Einsicht u n d V e r f ü g u n g e i n s e n d e n s o l l e n . " D i e starke A n l e h n u n g der l i n k s r h e i n i s c h e n S c h u l v e r f a s s u n g a n die B e s t i m m u n g e n dieses General-Landschulr e g l e m e n t s ist o h n e w e i t e r e s e r k e n n b a r . 1 ) E s m a g hier a m P l a t z e sein, G ö r r e s ' A n s i c h t ü b e r das V e r h ä l t n i s v o n K i r c h e u n d S c h u l e , b e s o n d e r s ü b e r die g e i s t liche S c h u l a u f s i c h t , k u r z z u charakterisieren. E i n e E i n w i r k u n g d e r Kirche auf d a s S c h u l w e s e n e r a c h t e t e G ö r r e s im Interesse d e r E r z i e h u n g a l s d u r c h a u s n o t w e n d i g . „ D a ß d e r Staat m i t d e r Kirche sich in d i e V o l k s b i l d u n g theile, ist im R e c h t u n d in d e r N a t u r d e r S a c h e g e g r ü n d e t , u n d j e d e b l o s e i n s e i t i g e !) Vollheim behauptet auf S. 228 seiner Abhandlung, der Plan zur Einrichtung der Mittelbehörden in Sacks Gouvernement sei schon 1814 entworfen worden, aber nicht zur Ausführung gekommen, und er verweist dabei auf die bei v. Roenne S. 192—200 abgedruckten Verordnungen vom 6. Mai und 15. Juli 1814. Das dürfte ein Irrtum sein, an d e m v. Roenne durch seine falschen Oberschriften die Schuld trägt. Beide Verordnungen beziehen sich lediglich auf Berg. Das erkennt man bei der Verordnung vom 6. Mai 1814 schon gleich aus dem Eingang, wo von der vormaligen K. bayr. Regierung und im § 1 vom Großherzogtum die Rede ist. Die Verordnung vom 15. Juli, die auf die vom 6. Mai verweist, wurde von Gruner erlassen, als er zum zweiten Male Gouverneur von Berg war. Sie ist datiert: Düsseldorf 3./15. Julius 1814 und veröffentlicht im Berg. Gouvernementsblatt vom 4. August 1814. Ein gedrucktes Einzelexemplar dieser Verordnung findet sich ferner D. St. A. Gen. Gouv. Berg XIV. 4 ; Nr. 73. Aus allem diesem wie ganz besonders aus der Aufzählung der bergischen Gerichtsbezirke in § 1 4 geht klar hervor, auf welches Gebiet sich diese Verordnung erstreckte, v. Roennes Irrtum geht wohl auf Neigebaur zurück, der in seiner Schrift: »Das Volksschulwesen in den Preußischen Staaten" (Berlin 1834) S. 59 die Verordnung vom 6. Mai 1814 als »Verordnung des Generalgouverneurs vom Niederrhein" und S. 200 die Verordnung vom 15. Juli als »Verordnung des Generalgouverneurs vom Nieder- und Mittelrhein" abdruckt. Im Bergischen war übrigens das Schulwesen längst nicht so sehr reformbedürftig wie in den linksrheinischen Provinzen, so daß dort die Organisation der Schulbehörden damals schon durchgeführt werden konnte. Vergl. darüber H. Willemsen, Das berg. Schulwesen usw.
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Sorge f ü r diesen Gegenstand ist ein Misbrauch. Maßt sich der Staat allein das Geschäft an, dann werden, wie wir es gesehen, auch die irdischen Ansichten nur verfolgt, beym Gegentheil mischt sich häufig das Interesse des Standes ein, und der Staatszweck wird nur unvollkommen erfüllt. Darum wird es gut seyn, das Verhältniß beyder also abzuwägen, daß sie einander wechselseitig unterstützen, aber nicht leicht sich durchkreuzen können." Geistlichkeit und Lehrer betrachtete er als den gemeinsamen Lehrstand des Vaterlandes, „der ungeteilt zur Bildung der Menschen und Bürger eingesetzt ist, und dazu seine vereinten Kräfte aufbieten soll", so schrieb er an das Generalvikariat in Aachen. 2 ) Diesem nämlichen Gedanken gab er im Rheinischen Merkur 3 ) in folgender Weise Ausdruck: „Es sind aber die drei Säulen, auf welche alle ständische Verfassung gegründet ist, Lehrstand, Wehrstand und Nährstand Und zwar ist der Lehrstand vorerst in der Geistlichkeit dargestellt Wie in uralten Zeiten die Priester schon in solche sich getheilt, die dem Gottesdienst oblagen, und andere, denen die Pflege der Wissenschaft anvertraut gewesen, also hat sich auch bei uns der gelehrte Stand seines Ursprungs uneingedenk, vom geistlichen geschieden, und wird mit ihm den Lehrstand wieder ergänzen müssen. Handhabend die höheren geistigen Kräfte, bewahrend die Schätze, welche Geschichte und Nachforschung seit Jahrtausenden aufgehäuft, beherrschend das geflügelte Wort, die überall hindringende Schrift und dadurch die öffentliche Meynung, gebührt auch ihnen eine Stelle in der Nähe des Thrones." Diese Auffassung ließ Görres eine vorsichtige und schickliche Abwägung des Verhältnisses zwischen Pfarrer und Lehrer ratsam erscheinen. Da in der Regel wohl der Pfarrer den Lehrer an Bildung übertreffe, so sei es natürlich, daß er die Aufsicht über die Schule ausübe. Das könne nur von guten Folgen für die Schule selbst sein. Anderseits dürfe man auch nicht die Lehrer zu Knechten der Geistlichen machen. Der Pfarrer müßte *) K. St. A Repert. 249 Nr. 16. 2 ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 29 a. a ) Rhein. Merkur Nr. 105 vom 20. Aug. 1814.
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Einsicht genug haben, zu wissen, „daß er nicht kömmt, um den Schullehrer in den Augen der Kinder zu demüthigen und zu erniedrigen, sondern um ihn zu unterstützen und um sein Ansehen durch das Seinige zu befestigen." Da einige Pfarrer in der Ausübung der ihnen im Schulwesen eingeräumten Rechte sehr nachlässig waren und ein geringes Interesse f ü r die Schule bekundeten, verfaßte Görres Ende Februar 1815 eine eindringliche Mahnung 2 ) an die Kantons- und Ortspfarrer, mit größerem Eifer sich dem ehrenvollen Geschäfte der Schulaufsicht zu widmen, durch dessen Übertragung an die Geistlichkeit die Regierung „die W ü r d e der Religion und ihrer Diener und den wohlthätigen Einfluß,, den sie auf Sittlichkeit und Bildung haben, neuerdings anerkannte und beyden wieder den Platz einräumte, der ihnen gebührt". Diese Mitwirkung in der Schule sollten sie als einen der edelsten Teile ihres Amtes betrachten, nicht aber als eine untergeordnete Dienstverrichtung nur so nach Muße und Gelegenheit ausüben. „Ich muß billig voraussetzen," hieß es u. a. in diesem Aufruf, „daß die Bildung, welche die Herrn Pfarrer genossen, und durch die sie zu der Tüchtigkeit ihres Amtes reiften, sie recht in Stand setzt, die Landschullehrer ihres Sprengeis zu unterstützen und zu leiten, den sich ergebenden Mängeln abzuhelfen, die Fehlenden zurechtzuweisen und das Ansehen der Guten zu halten und zu heben. Unter ihrer Aufsicht sollen die Schullehrer das reiche Feld der Erziehung bearbeiten und ihr Einfluß Thätigkeit und Leben in das Geschäft bringen. Unter ihrer Leitung soll die Schule Kirche und die Kirche Schule werden, wo sich das beßere Wissen mit dem beßeren Wollen vereinigt, die Kinder ebenso mit den nöthigen Kenntnissen und Fertigkeiten des Lebens auszurüsten als zu braven Menschen und deutschen Bürgern zu bilden. Dieß ist der Herrn Pfarrer heiliger Beruf; daß sie ihn erfüllen können, erwarte ich von ihrer Dienstfähigkeit, daß sie ihn erfüllen wollen, darf ich fortan auch K. St. A. Repert. 249 Nr. 16. ') K. St. A. Repert. 249 Nr. 85. Dieser Erlaß findet sich mit der Unterschrift des Koblenzer Gouvernementskommissars Sack in Nr. 22 des Amtsblattes für das Rhein- und Moseldepartement vom 17. März 1815. Von Görres' Verfasserschaft ist nichts gesagt.
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von denen hoffen, die bißher noch weniger in das Erziehungswesen eingreifend erschienen." Man mag heute über die Berechtigung der geistlichen Schulaufsicht denken wie man will, — die Erörterung dieser Frage gehört nicht hierher, — damals war sie jedenfalls eine unumgängliche Notwendigkeit, und nicht nur das, sie war vielmehr geradezu eine willkommene und nützliche Notwendigkeit, wodurch die Regierung viele Arbeitskräfte und damit Geldmittel sparte und zugleich auch die Aussicht erlangte, durch das in geziemender Weise ausgenutzte Interesse so mancher Pfarrer an der Schule, das bisher vielfach unterdrückt worden war, nützliche und brauchbare Vorarbeit geleistet zu sehen für spätere Reformen. 5. A b s c h n i t t . Schulbesuch, Schulhäuser und Klasseneinteilung nach Geschlechtern. Unterricht für die In Fabriken arbeitenden Kinden Die Einführung eines allgemeinen Schulzwanges war unter den bestehenden Verhältnissen natürlich nicht möglich und auch gar nicht beabsichtigt, zumal dieser ja auch in den altpreußischen Provinzen noch nicht durchgeführt war. Jedenfalls aber mußte etwas geschehen, um die Zahl der schulbesuchenden Kinder zu heben und die Dauer des Schulbesuchs zu regeln. Görres empfahl 1 ) dem Generalgouverneur, an allen Orten ein Verzeichnis der schulfähigen Kinder aufzunehmen und dann mit Hilfe der Polizei darüber zu wachen, daß keines ohne triftigen Grund die Schule versäume. Zur Beurteilung der Versäumnisgründe sollte eine Art von Kommission aus dem Ortsvorstand, dem Pfarrer und dem Lehrer eingesetzt werden, die mit Ernst und Strenge der Nachlässigkeit der Eltern entgegenarbeiten müsse, und zwar am besten durch Verhängung von Geldstrafen für jedes unberechtigte Fehlen der Kinder. Eine diesen Anregungen in etwa entsprechende Verfügung wurde später im Roerdepartement getroffen, wo ja die Organisation des Schulwesens zuerst durchgeführt war. In der vorläufigen Instruktion für die Ortsschulvorstände vom 20. März 1816 2 ) wurde ange') K. St. A. Repert. 249 Nr. 16. ) Nr. 41 im Journal vom 26. März 1816.
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ordnet, daß die Mitglieder der Ortsschulvorstände ihren Bezirk zum Zwecke einer genauen Aufnahme der schulfähigen Kinder unter sich zu teilen hätten. Als schulfähig wurden die Kinder bezeichnet, deren Geburt in das fünfte Jahr vor der Aufnahme in die Schule fiel. Dem Schulvorstande wurde die Befugnis erteilt, geistig oder körperlich minderwertige oder anderweitig behinderte Kinder von dem täglichen Schulbesuche zu befreien, im übrigen sollte er jedoch an Hand der aufgestellten Listen den regelmäßigen Schulbesuch aller schulpflichtigen Kinder anordnen. Für die Dauer des Schulbesuches während des Jahres mußten besondere Bestimmungen erwogen werden. Ein das ganze Jahr durchgehender Unterricht war nicht allenthalben sofort möglich, anderseits brachte die Beschränkung des Unterrichts auf die Wintermonate Nachteile mit sich, die man nicht länger mehr dulden konnte. Görres hatte sich deshalb auf seinen Reisen bei den Leuten selbst erkundigt, ob sie denn wirklich die Kinder während des ganzen Sommers aus der Schule halten müßten, und das Urteil verständiger Leute hatte dahin gelautet, daß die Kinder bis zum 11. Jahre ohne Schaden f ü r die Landwirtschaft die Schule während des ganzen Jahres besuchen könnten. Mit Rücksicht darauf, daß die Landleute mehr zu einem tätigen als zu einem sitzenden Leben bestimmt seien, erachtete Görres allerdings eine Beschränkung der Lehrstunden f ü r angebracht, etwa in der Weise, daß die größeren Kinder im Sommer nur von morgens 6—8 und mittags von 12—2 U h r die Schule besuchten. Um solchen Kindern, die weit von der Schule entfernt wohnten, besonders im Winter die Erfüllung der Schulpflicht zu erleichtern, empfahl Görres die Einrichtung von sogenannten Sonntagsschulen. Da die Kinder ohnehin Sonntags zur Kirche kämen, könnte man sie zwingen, nach dem Gottesdienst einige Stunden dem Schulunterricht beizuwohnen, wodurch wenigstens zwei Monate eines geregelten und über das ganze Jahr verteilten Unterrichts gewonnen würden. Diese Sonntagsschule könnte dann zugleich eine Kontrolle sein für die auf den Nebendörfern vielleicht einzurichtenden Unterschulen. 1 ) *) Erst durch Verfügung des Königl. Konsistoriums zu Koblenz S c h a g e n , Görres und die preußische Volksschule.
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Ganz energisch trat Oörres dem vielfach herrschenden U n f u g entgegen, daß die Kinder von dem Pfarrer zu früh zur Kommunion zugelassen und dann von den Eltern aus der Schule genommen wurden. In dem schon erwähnten Aufruf an die Pfarrer zu einer eifrigeren Betätigung im Schulwesen rügte er entschieden diesen Mißbrauch und ermahnte die Pfarrer, „nur jene zur letzten Stufe der Religionsübung schreiten zu lassen, die durch Kenntnisse und Bildung würdig befunden werden, sich derselben theilhaftig zu machen, und so wie ich zu allen Herrn Pfarrern das Zutrauen habe, daß sie diesen Schritt nur mit der Geisteskultur gleichförmig halten und nicht leichtsinnig übereilen werden, bitte ich die Herrn Kantonspfarrer, hierauf ihr besonderes Augenmerk zu richten. Schon dadurch allein, daß den Geistlichen die Erklärung der Mündigkeit der sämtlichen Jugend ihres Kirchensprengels überlassen ist, ist ihnen ein durchgreifender Einfluß auf das ganze künftige Geschlecht gestattet, und sie werden denselben gesegnet machen, wenn sie ihn mit Einsicht und Strenge nur zum Guten wenden und Sorge tragen, daß der Lehrling die Schule nicht verläßt, bis er sie entbehren kann, und eine seiner Bestimmung angemessene Richtung seiner Willenskräfte und Einsichten bevestigt ist." Durch die Reform des Schulwesens mußte die Schülerzahl sich bedeutend vermehren, so daß die Schaffung von eigenen Schullokalen notwendig wurde. Bei der Ärmlichkeit vieler Gemeinden war zunächst noch kaum daran zu denken. Görres lenkte aber doch schon zeitig die Aufmerksamkeit des Generalgouverneurs auf diesen Gegenstand, beantragte insbesondere die Räumung der bestehenden Lokale von Magazinen und Einquartierungen und empfahl, durch Einsicht der Örtlichkeiten und geeignete Maßnahmen einer zu befürchtenden Überfüllung der Schulen vorzubeugen. Daß die Regierung sich selbst auch mit dieser Frage befaßte, ersieht man aus Sacks Verfügung vom 26. Jan. 1815 2 ) über die vom 20. April 1817 wurde die das ganze Jahr durchgehende Schule angeordnet, und auch damals noch mit Modifikationen im Interesse der Landwirtschaft. Vergl. Neigebaur, Sammlung usw. S. 200 ff. !) Siehe S. 79. a ) D. St. A. Repert. D 4 II. IV 51; Nr. 9.
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Lehrerbesoldung, worin er u. a. bekanntgab, daß, „wo die Umstände es nötig machen und gestatten, neue Schulhäuser zu erbauen dies nach einem allgemeinen, demnächst mitzuteilenden Plane geschehen" solle. Eine besondere Berücksichtigung verdiente die Frage der gemeinsamen Erziehung der Knaben und Mädchen in den Landschulen. In den Stadtschulen ließ sich die T r e n n u n g der Geschlechter schon eher durchführen, weil dort leichter weibliche Lehrpersonen zu finden waren, u. a. in den Nonnenklöstern. Görres e m p f a h l 1 ) dem Generalgouverneur auf Grund seiner Erfahrung in Luxemburg, wo der Unterricht der Mädchen z. T . von Nonnen besorgt wurde, die Klosterschwestern, wo es anginge, zum Unterricht heranzuziehen, denn „wenn der Unterricht durch Nonnen vielleicht auch da und dort etwas Kleinliches und Beschränktes" habe, so sei er doch zunächst der beste, den man für das weibliche G e schlecht finden könne, und jedenfalls bei weitem dem bisherigen Zustande der Verwilderung vorzuziehen. In den Landschulen mußten die gemischten Klassen zumeist die Regel bleiben, doch war auch hier wenigstens die Sonderung der Geschlechter innerhalb derselben Klasse als eine Besserung gegenüber dem häufig vorkommenden gänzlichen Durcheinander anzustreben. Görres meinte, in der Regel habe die Koedukation weniger sittlichen Nachteil als man glauben möchte, nur müsse dem äußerlichen U n f u g des Neckens oder Schlagens durch eine gebührende Aufmerksamkeit des Lehrers Abbruch getan werden. 1 ) G r o ß e Schwierigkeiten bot die Einrichtung eines U n t e r r i c h t s f ü r d i e in F a b r i k e n arbeitenden Kinder. In einem Berichte vom 14. Dezember 1 8 1 4 2 ) lenkte Grashof zuerst die Aufmerksamkeit der Regierung auf diesen Gegenstand und wies hin auf den auffallenden Unterschied in dem Charakter und der Bildung der Jugend in den Fabrikstädten und den Ackerbau treibenden Ortschaften. D a die Kinder in den Fabrikorten meistens vom achten Jahre an und noch früher den ganzen T a g über in den Fabriken 'oe») K. St. A. Repert. 249 Nr. 16. 2 ) D. St. A. Repert. D 4 I Sekt. 1 Kap. 21 Nr. 14.
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schäftigt waren, wuchsen sie ohne jeglichen Unterricht auf. Ihre einzige geistige N a h r u n g war der sonntägliche Katechismusunterricht des Pfarrers. Dieser Übelstand machte sich besonders im niederrheinischen Teile des Gouvernements sehr bemerkbar. 1 ) Gerade bei den dort vorherrschenden Industriezweigen, der Nadel- und Fingerhutfabrikation, in den mechanischen Spinnereien und Seidenwebereien war die Arbeit der Kinder besonders beliebt, oft fast unentbehrlich. In Görres' Amtsbezirk dagegen gab es keine eigentlichen Fabrikorte, n u r in einzelnen Fabriken in Bonn, Poppelsdorf, Münstereifel, Cuchenheim wurden Kinder zur Arbeit benutzt. N u r mit großer Vorsicht konnte die Regierung hier Abhilfe zu schaffen versuchen. Denn abgesehen davon, daß die Regierung selbst ein staatswirtschaftliches Interesse daran hatte, durch die Entziehung der Arbeitskräfte nicht die eine oder andere Industrie schwer zu schädigen, mußte sie auch des größten Widerstandes seitens der Eltern gewiß sein, die in der Fabrikarbeit ihrer Kinder ihre Haupteinnahmequelle erblickten, anderseits mußte man mit dem Widerstreben der Fabrikanten rechnen, die nicht so ohne weiteres die Kinder zur Schule entlassen wollten und oft auch wirklich nicht konnten, zumal dann, wenn die Kinder zu Vorarbeiten benutzt wurden, die zur 'Beschäftigung d e r erwachsenen .Arbeiter ¡zuvor geleistet werden mußten. Grashof schlug deshalb vor, den Unterricht f ü r Fabrikkinder auf den Sonntag und einige Frühstunden in der Woche zu verlegen. Zur Deckung der Kosten sollte jeder Fabrikunternehmer veranlaßt werden, von dem Tagelohn der zu diesem Unterricht zu verpflichtenden Kinder einen gewissen Prozentsatz zurückzubehalten und an das Wohltätigkeitsbureau oder den Schulvorstand seines Ortes abzuliefern. Bei der geringen Stundenzahl, die man für diesen Unterricht würde gewinnen können, mußte eine vorsichtige Auswahl der Lehrer geboten erscheinen, damit möglichst günstige und zweckentsprechende Resultate erzielt werden könnten. Diese Vorschläge wurden den Handelskammern in x ) Vergl. Sacks Bericht an das Ministerium D. St. A. Repert. D 4 1 Sekt. I Kap. 21 Nr. 14. Bessere Abschrift davon K. St. A. Repert. 249 Nr. 25.
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Aachen, Köln, Krefeld und Verviers zur Begutachtung unterbreitet. Diese betonten in ihren Antworten einstimmig die Notwendigkeit eines solchen Unterrichts und sagten gerne ihre Mitwirkung zu. J e mehr man sich jedoch mit der Sache beschäftigte, um so mehr wuchsen von allen Seiten die Schwierigkeiten. Die Handelskammern äußerten in ihren Berichten schon gleich verschiedene Wünsche bezüglich' der Unterrichtsstunden, der Besoldung usw. Mit Recht äußerte z. B. die Krefelder Handelskammer Bedenken gegen die Sonntagsschule. Kinder, die während der ganzen Woche immet sitzend gearbeitet hätten, dürfe man nicht zwingen, nachdem sie Sonntags in der Predigt, in der Messe und Katechese abermals gesessen hätten, nun noch einige Stunden in der Schule zu sitzen. Auch würde man f ü r Sonntagsschulen in Krefeld kaum einen Lehrer finden, da von den fünf vorhandenen Primärlehrern noch einige ein Kirchenamt bekleideten, das ihnen die Haltung von Sonntagsschulen unmöglich mache. Deshalb seien in Krefeld wohl Abendschulen anzuraten. Die Kölner Handelskammer hatte vor allem Bedenken wegen der Besoldung der Lehrer. Der von ihr befragte Rat der Gewerbeverständigen hatte sein Gutachten dahin abgegeben, daß ein A b z u g vom Tagelohn der Kinder unmöglich sei wegen der Kärglichkeit dieser Löhne, wies aber darauf hin, daß in Köln noch alte Stiftungen beständen, die man vielleicht zu diesem Zweck benutzen könnte. Die Handelskammer fügte dem noch hinzu, daß, falls diese Stiftungen nicht mehr verfügbar seien, der kleine Betrag vielleicht dadurch gedeckt werden könnte, daß man 1 o/0 des städtischen Oktroibetrages, die früher zum Bedürfnis der Invalidenhäuser in die Staatskasse flössen, aber jetzt dazu nicht verwendet würden, in Anspruch nehme. Auf diese Vorschläge antwortete Grashof am 19. Juli 1815, 1 ) daß man über die bestehenden Fundationen erst nach genauer P r ü f u n g und nach Aufhebung des kaiserlichen Dekrets vom 21. August 1810 2 ) verfügen könne. Die Beiträge a u s dem städtischen
*) Ü b e r die Unterhandlungen mit der Kölner Handelskammer vergl. Rhein. Westf. Wirtschaftsarchiv Nr. 65 Handelskammerakten. 2 ) Vergl. S . 51.
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Oktroi dürfe man als Zuschüsse erst in Rechnung bringen, nachdem die erforderliche Summe auch unabhängig davon anderweitig gesichert sei. Man müsse deshalb auf Mittel sinnen, um den nötigen Fonds ohne Rücksicht auf diese Beihilfen aufzubringen. — Aus allem ging hervor, daß man nicht nach einem einheitlichen Schema überall vorgehen, sondern nur wenige allgemeine Grundsätze aufstellen konnte, im übrigen aber nach den örtlichen Verhältnissen sich richten mußte. Die beiden Direktoren des öffentlichen Unterrichts wurden deshalb am 9. Juli 1815 angewiesen, sich in bezug auf jeden einzelnen Fabrikort ihres Bezirkes mit der zuständigen Handelskammer in Verbindung zu setzen und über die Modalitäten zu beraten, unter denen an den einzelnen Orten hinsichtlich der Zeit, der Fonds, des Lehrpersonals usw. das Projekt zur D u r c h f ü h r u n g gelangen könnte. Unter dem gleichen Datum schickte Sack einen ausführlichen Bericht 1 ) an das Ministerium des Innern, in dem als allgemeine Grundsätze folgende aufgestellt w u r d e n : 1. „Für alle in den Fabriken und Manufakturen gegen Tagelohn beschäftigte Kinder vom 8.—15. Jahre muß wegen der Unvereinbarkeit ihres Erwerbs mit dem gewöhnlichen Schulbesuch ein besonderer öffentlicher Unterricht stattfinden. 2. Der Lektionsplan dieses Unterrichts wird wegen der engeren Grenzen der ihm zu widmenden Zeit auf die allgemein nothwendigsten Gegenstände, Lesen, Schreiben und Rechnen beschränkt. Der Religionsunterricht bleibt wie bisher den Pfarrern überlassen. Auf eine zweckmäßigere und fruchtbarere Einrichtung desselben wird, wo es nöthig ist, durch andere Mittel und auf anderen Wegen hingewürkt. 3. Der besondere Unterricht der in den Fabriken beschäftigten Kinder muß, weil es hier darauf ankommt, in möglichst kurzer Zeit möglichst ergiebige Resultate zu liefern, immer dem geschicktesten Lehrer anvertraut werden, welcher an jedem einzelnen Orte zu haben ist. D. St. A. Rep. D 4 I. Sekt. 1 Kap. 21 Nr. 14 und K. St. A. Repert. 249 Nr. 25.
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4. Dieser Lehrer muß entweder eigends f ü r diesen Zweck angesetzt, oder aber, wenn er den gedachten Unterricht neben einem ihm obliegenden gewöhnlichen Schulunterrichte ertheilen soll, f ü r diese ihm zugemuthete Aufopferung eines großen Theils seiner Muße und Erholungsstunden durch angemessene und reichliche Besoldungszulage entschädigt werden." Den besonderen Verhältnissen der einzelnen Fabrikorte müsse überlassen bleiben die Regelung 1. der Zeit des Unterrichts, wobei die Früh- oder Abendschulen den Sonntagsschulen und wiederum die Frühschulen den Abendschulen vorzuziehen seien; 2. der Besoldung und sämtlicher Kosten dieses Unterrichts, wobei als örtliche Modifikationen vorgeschlagen wurden a) die Bestreitung aus Stiftungen, b) aus der Kommunalkasse, c) aus Beiträgen der Fabrikherren oder Abzügen vom Tagelohn der Kinder, d) aus Beiträgen aus der Staatskasse. In den meisten Fällen möchten wohl mehrere dieser Hilfsquellen zugleich heranzuziehen sein. Die am 30. September 1815 erfolgte Antwort des Ministeriums 1 ) war zurückhaltend. Zwar sei die Verwahrlosung der Fabrikkinder „ein großer und dem Staate nichts weniger als gleichgültiger Übelstand", aber ein gesetzliches Einschreiten sei eben nicht ohne vorsichtige Modifikationen möglich, „weil das Interesse dürftiger Aeltern und der Fabrikherrn nicht blos, sondern auch des Staates selbst, dem es darauf ankommt, durch große Beeinträchtigung des ersteren keinen Unwillen zu erregen, auch seine Gewerbthätigkeit und deren Ertrag nicht bedeutend vermindert zu sehen, dabei zu sehr im Spiele ist." Zur Lösung des Problems wurde empfohlen, mehrere allgemeine Schulen mit den Fabriken in ein ähnliches Verhältnis zu setzen, wie es zwischen dem wissenschaftlichen Unterricht und dem Industrieunterricht in den sogenannten Industrieschulen bestehe. Der Einrichtung von' Sonntagsschulen versagte das Ministerium seine Zustimmung, weil „die den Kindern nöthige Erholung, die N o t w e n d i g keit, sie früh an die dem geistigen und physischen Menschen so wohltätige Heiligung des Sabbaths zu gewöhD. St. A. Repert. D 4 I. Sekt. 1 Kap. 21 Nr. 14.
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nen, und die Unmöglichkeit, in den wenigen Unterrichtsstunden an diesem Tage irgend etwas Erhebliches zu leisten" dagegen spreche. Der Sonntagnachmittag sei vielmehr zu benutzen zu Leibes- und Turnübungen als Gegengewicht gegen die schädlichen Wirkungen der sitzenden Lebensweise der Fabrikkinder. Die Kosten des Unterrichts müßten billigerweise zunächst von den Fabrikherren und den Kindern bestritten werden, „da die ganze Einrichtung um der letztern willen getroffen wird, und der Vortheil der erstem mit die Ursache ist, weshalb letztere den gewöhnlichen öffentlichen Unterricht nicht besuchen können". N u r mit Vorsicht und Sparsamkeit dürften Staatsfonds herangezogen werden, auch seien die Bestimmungen der etwa zu benutzenden Stiftungen sorgfältig zu beobachten. Die übrigen Maßnahmen wurden dem Oberpräsidenten anheimgestellt. Eine Abschrift dieser ministeriellen Verfügung wurde unterm 5. November 1815 Grashof mitgeteilt, damit er sie sich bei den weiteren Verhandlungen in dieser Frage als Norm dienen lasse. Sack hatte beabsichtigt, sofort nach Eintreffen der ministeriellen Genehmigung eine allgemeine Verordnung über die Einführung des Unterrichts f ü r die fabrikarbeitenden Kinder zu erlassen. Die Verhandlungen mit den Fabrikanten und den übrigen in Betracht kommenden Faktoren kamen aber zu keinem befriedigenden Ergebnis. Man konnte sich nicht einigen über die Zeit dieses Unterrichtes, über die Beschaffung der Besoldungen usw., so daß man sich auch mit der endgültigen Lösung dieser höchst wichtigen Frage auf die definitive Organisation der Provinz und die Wirksamkeit der Lokalschulbehörden vertrösten mußte. Ganz ohne Erfolg sind aber auch die Bemühungen der provisorischen Verwaltung wohl nicht geblieben, indem doch der eine oder andere der Fabrikherren angeregt wurde, sich um das Los der bei ihm beschäftigten 1 Kinder zu bekümmern. Görres berichtete wenigstens dem Oberpräsidenten, daß einige Fabrikanten in seinem Bezirke den Wünschen der Regierung entgegenkommen wollten, indem sie entweder auf eigene Kosten einen Unterricht für die Kinder einzurichten oder täglich eine Stunde zu diesem Zwecke freizugeben sich erboten. Im allgemeinen scheint es aber noch lange Jahre hindurch in dem schlimmen Zu-
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stände weitergegangen zu sein. Noch im Jahre 1826 schrieb Adolf Diesterweg im Märzheft von Rossels Rheinisch-Westfälischer Monatsschrift einen Aufsatz über das Elend der in Fabriken arbeitenden Kinder, wozu der Herausgeber in einer Anmerkung erklärte, daß Fabrikschulen noch etwas sehr Seltenes seien. 6. A b s c h n i t t . Der Unterricht. Corres als Pädagoge; Die Reformen auf dem Gebiete der Schulorganisation und äußeren Verwaltung haben als das zunächst Notwendigste und Wichtigste der Regierung während des Provisoriums kaum die Möglichkeit gelassen, sich auch um die Besserung des eigentlichen Unterrichts selbst in eingehender Weise zu bekümmern. Es mußte dem persönlichen Wirken der beiden Direktoren des öffentlichen Unterrichts, der Pfarrer und der Lehrer selbst, besonders aber den Erfolgen der Normalkurse zunächst überlassen bleiben, in den Elementarunterricht nach und nach einen besseren Geist einzuführen, ohne daß die Regierung selbst schon mit bestimmten Vorschriften und Verfügungen eingreifen konnte. Die den beiden Direktoren aufgetragenen Vorarbeiten r ) zur Aufstellung eines allgemeinen Schulreglements zeitigten nur für die höheren Schulen die vorläufige Instruktion vom 18. September 1814 2 ) und die näheren Bestimmungen dazu vom 6. Dezember 1815.3) Der folgende Abschnitt kann daher weniger positive Maßnahmen bringen, als vielmehr nur die Pläne und Erwägungen darlegen, die von der Regierung und besonders von Görres selbst in dieser Hinsicht angestellt wurden. Insbesondere wird sich Gelegenheit bieten, die pädagogischen Anschauungen von Görres näher kennen zu lernen. Durch die Tätigkeit der Normalschule, der Görres ein großes Interesse entgegenbrachte, konnte zunächst allein auf eine Hebung und bessere Behandlung der Lehrfächer hingearbeitet werden. Von allen Seiten war bekanntlich geklagt 1
) K. St. A. Repert. 249 Nr. 14. ) Journal vom 20. und 22. Sept. 1814. 3 ) Journal vom 7. Dez. 1815 außerordentliche Beilage.
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S. 61 Verfassung von 1791
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rieht die Erweiterung der bisher üblichen Fächer durch Naturkunde und Geographie, Geschichte des Vaterlandes, „wie sie dem Volke zukömmt", und die Hauptsachen der Anthropologie, „das, was jeder wissen muß, um seine Gesundheit zu bewahren". 1 ) Von besonderem Interesse dürfte es sein, daß Görres schon damals die heute so lebhaft geforderte Bürgerkunde als Unterrichtsgegenstand der Elementarschule anregte, die „Kenntniß der Staatsverfassung und wieder das dem Landmann unentbehrlichste der Gesetzgebung". 1 ) Die Anregung zu diesem Unterricht in der Bürgerkunde und besonders auch in der vaterländischen Geschichte, der von großem Wert f ü r die nationale Erziehung sein konnte, entsprang wohl derselben nationalen Gesinnung, die Görres auf wissenschaftlichem Gebiete durch seine lebhafte Beteiligung an der Begründung der Germanistik (Volksbücher, Lohengrin) und vor allem auf politischem Gebiete durch Wort und Tat bekundete. Von religiöser Unterweisung hielt Görres ,nur die Kenntnis der biblischen Geschichte für kleinere Kinder angebracht, „der Katechism. müßte im Grunde eigentlich ganz zu allerletzt bey schon Erwachsenen folgen, wenn man nicht befürchten müßte, durch eine solche Anordnung ,allzustark gegen schon bestehende Vorurtheile anzustoßen, die gebiethen, mit religiösen Vorträgen so früh als möglich anzufangen". 1 ) Der U n f u g des verständnislosen Herunterleierns der Katechismuslehren durch sonst ganz ungebildete Kinder, deren einzige Schule der sonntägliche Unterricht des Pfarrers war, mag Görres zu dieser Forderung veranlaßt haben. Von der Einführung des Turnunterrichtes in die Normalschule war früher schon die Rede. Für die Verteilung der Lehrfächer auf die einzelnen Tage und Stunden stellte Görres einen Normalstundenplan 2 ) auf, den er dem Generalgouverneur zur allK. St. A. Repert. 249 Nr. 16. ) „Die erste halbe Stunde ist . . . in der Regel sogenannter christlicher Lehre bestimmt. Der Lehrer läßt die im Lesen geübtere der Reihe nach die Sätze des Katechismus vortragen, und fügt seine Erläuterung bey. Nun fängt der eigentliche Klassenunterricht an. Die schicklichste Eintheilung mögte jene in drey Klassen seyn, wovon die erste die ABCSchüler, die zweite die Buchstabierende, die dritte die Lesende befaßt. 2
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gemeinen Einführung empfahl. Bemerkenswert ist, daß in diesem Stundenplan für jedes Fach nur immer je eine halbe Stunde vorgesehen war. D i e einzelnen von Görres vorgeschlagenen Unterrichtsgegenstände haben darin keinen besonderen Platz, sondern sollten offenbar im Rahmen des Leseunterrichtes behandelt werden und zwar an Hand eines N o r mallesebuches, dessen Plan Görres dem Generalgouverneur darlegte. Alle vorhandenen Lehrbücher entsprachen nicht den Anforderungen, die Görres an ein wirklich praktisches Schulbuch glaubte stellen zu müssen. In diesem Normalbuche sollten alle die v o n ihm vorgeschlagenen Lehrgegenstände vereinigt sein und danach die Lehrer in den Normalschulen unterrichtet werden. Durch die gesetzliche Einführung dieDie Letzte wird allenfalls wieder in zwei Abtheilungen zerfallen können, wovon die eine die mittelmäßig, die andere die geläufig lesende befaßt. In der zweiten Klasse wird das Schreiben, in der dritten zugleich das Rechnen getrieben. — Die zweite halbe Morgenstunde wird mit der Buchstabenkenntniß und mit Buchstabieren in der ersten Klasse ausgefüllt, während die zweite Klasse sich auf ihre Lekzion bereitet und die dritte schreibt. Die dritte halbe Stunde wird mit Sylabieren zugebracht, wobey die erste das Gelernte für sich wiederhohlt, die dritte aber die angefangene Arbeit wieder fortsetzt. — Die vierte halbe Stunde wird gelesen, im Lesebuch, wobey alle Klassen aufmerken, indem alsdann in möglichster Deutlichkeit das Gelesene, aus welchem Fache es immer seyn mag, erklärt und erläutert wird. — Die fünfte halbe Stunde ist Dienstags, Donnerstags und Samstags der Rechenkunst bestimmt, die übrigen Wochentage aber der Schreibkunst an der schwarzen Tafel. Die Kleinen werden alsdann, da ihre Anwesenheit unnütz ist und störend seyn würde, entlassen. Nachmittags wird die erste halbe Stunde mit der biblischen Geschichte ausgefüllt. Die zweite halbe Stunde wird mit den Kleinen buchstabiert, wobey es mit den Größern wie am Morgen gehalten wird. Die dritte halbe Stunde wird syllabiert und dazwischen von der höheren Klasse nach der Vorschrift geschrieben. In der vierten halben Stunde wird gelesen und das Gelesene erklärt. In der fünften werden die früher geschriebenen Vorschriften dem Lehrer vorgelegt, der sie soviel möglich einzeln verbessert und die Fehler wider die Schön- und Rechtschreibung anmerkt." (K. St. A. Repert. 249 Nr. 16.)
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ses Buches würde der störende Mißstand der verschiedenen Lehrbücher behoben, anderseits könne man bei der zu erwartenden großen Auflage dem Sparsamkeitsbedürfnis der Eltern entgegenkommen, indem man einen Unternehmer mit der möglichst billigen und guten Herstellung beauftrage. Da ein solches Buch noch nicht vorhanden war, regte Görres ein öffentliches Preisausschreiben an zur Bearbeitung des Ganzen oder einzelner Teile. Einstweilen solle man eines der vorhandenen guten Bücher, wenn sie auch manches vermissen ließen, wenigstens allgemein einführen. Ein neues, der Regierung von einem Pfarrer vorgelegtes Fibelprojekt wurde von beiden Direktoren als zur allgemeinen Einführung nicht geeignet abgelehnt, wenngleich Görres ihm das Verdienst nicht absprach, manche gute Idee zu enthalten, die es den Lehrern zur Ausbildung ihrer Methode empfehlenswert machte. 1 ) Die Begünstigung oder gar Anbefehlung einer bestimmten Methode seitens der Regierung sei nicht ratsam. „Es sind der Wege mancherlei zum Unterrichte und es muß im wesentlichen den Lehrern überlassen bleiben, denjenigen zu wählen, den er seiner eigenen Mittheilungsgabe und dem Fassungsvermögen seiner Zöglinge am angemessensten findet." 1 ) Die Ausbildung der pädagogischen und methodischen Fähigkeiten zu selbständiger Betätigung sei als die wichtigste Aufgabe der Normalschulen zu betrachten, denn „alle rechte Lehre ist eine geistige Gymnastik, die elendeste, aber nur allzu häufige Art ist, die Kinder zu nöthigen, daß sie stille halten, bis ihnen ein gewisses Maaß von Wissenschaft eingegossen ist, die einzige wahre Kunst aber, die Kinder so anzuregen, daß sie mit Thätigkeit das Gebotene fassen und verarbeiten und ihre Kräfte daran üben. Auf diese Kunst müssen die Landschullehrer eben so angeleitet werden, wie die Professoren höherer Institute, wenn ihre Schulen aufhören sollen, Behälter zu seyn, wo die Jugend mit geistigen Hungermahlzeiten kümmerlich aufgefüttert wird." 2 ) *) K. St. A. Reperfr 249 Nr. 17. ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 16.
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Der Lehrer müsse mit Lust und Liebe unterrichten und selbst von dem durchdrungen sein, was er den Kindern beibringe. „Was mit Lust begonnen wird, wird auch mit Lust hinausgeführt und lohnt sich durch bessere Früchte; denn sie nur erzeugt Eifer und Tätigkeit und vervielfacht sich in ihren Wirkungen Dann fühlt sich der Zögling angezogen zu den Gegenständen, die ihm hell und lebendig dargestellt werden, durchglüht von dem Vortrag, erweitert in seinem Denkvermögen, und er erkennt das Licht, das in ihm a u f g e g a n g e n ; und gewinnt die Lehre lieb, die ihm gegeben wird, wie den Lehrer, der sie ihm gibt. Was aus lebendiger Seele kömmt, nimmt die anschauende Seele auch willig auf, das furcht sich tiefer in den Geist ein, und verwischt sich nicht wie leiser Hauch auf der Oberfläche." Als ein Haupterfordernis gedeihlichen Unterrichts bezeichnete Görres die Gründlichkeit des Gebotenen, wogegen gerade die französische Schule sich so sehr verfehlt habe. Flachheit der Bildung schaffe charakterlose Menschen. „Was nur irgend der Oberfläche angeklebt wird, haftet nicht, sondern wird von dem ersten fremden Anstoße abgestreift, und läßt wenig Spuren der Mitteilung zurück. Auch verwöhnt sich der Geist zu leicht an ein irrendes Herumschweifen um die Ränder und an eine Furcht vor den ihm unergründlichen Tiefen. Ihm wird nie ein sicheres Wissen, nie die Möglichkeit, irgend ein Objekt festzuhalten und zu erschöpfen, und der also gereifte Mann wird jede Stelle, die ihm einst in seiner Bahn angewiesen ist, unausgefüllt lassen." Bezüglich der Handhabung der Disziplin glaubte Görres, den Lehrern bei ihrer einstweilen noch geringen Achtung unter den Bauern das Prügeln nicht verbieten zu dürfen. Inzwischen aber müsse den Lehrern selbst in den Normalschulen beigebracht werden, worauf es hauptsächlich' bei der Erziehung ankomme, daß eine liebevolle Behandlung und anhaltende Aufsicht bei der vorherrschenden Gutmütigkeit der Kinder genüge, um sie in Schranken zu halten. 2 ) Liebevoll und frei, und doch nach ihren Grundregeln streng sei !) K. St. A. Repert. 249 Nr. 43. 2 ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 16.
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die Schuldisziplin, damit des Lehrers Ansehen den Kindern ebenso heilig wie seine Liebe ihnen fühlbar werde. 1 ) Z u r Anregung des Fleißes der Kinder sollte jeden Monat eine kleine P r ü f u n g im Beisein des Pfarrers, des Ortsvorstandes und der Eltern stattfinden. Über Fleiß und sittliche Führung der Kinder sollte der Lehrer eine Liste führen und nach Ausweis dieser Liste die Namen der Fleißigsten und Ordentlichsten auf eine Tafel aufschreiben, auf der sie (Während des ganzen folgenden Monates sollten aufgeschrieben bleiben. Diejenigen, welche sich im Verlaufe des Jahres durchgängig als die Besten bewährt hätten, sollten bei einer großen P r ü f u n g am Schlüsse des Schuljahres kleine Geschenke als Prämien erhalten. 2 ) Ohne Zweifel wird man einen Zusammenhang der Oörresschen Pädagogik mit dem Geiste der Zeit, den Ideen der Romantik annehmen müssen, zu deren jüngerem Kreise er selbst ja auch literarhistorisch gehört. Schleiermachers Prinzip der Individualität hat Görres aus seinem weiten Geltungsbereiche der allgemeinen Menschheit hinübergetragen in die engeren Verhältnisse praktischer Pädagogik. Görres' Forderung einer individuellen Behandlung und eines liebevollen Verständnisses des kindlichen Geistes bedeutet f ü r die Praxis der Schule dasselbe, was f ü r die allgemeine Menschenbildung Schleiermachers Ansicht besagt, daß nur derjenige zu eigener Vollendung im bestimmten Kreise durchdringen könne, der mit weit geöffnetem Blick, mit teilnehmendem Verständnis jedes fremde Wesen, Streben und Treiben anzuerkennen imstande sei, daß aber kein eigenes Leben und keine Bildung möglich sei ohne die Liebe. 3 ) Aus dieser Betonung des Individuums ergaben sich naturgemäß gewisse Rechte, nicht zuletzt das einer möglichst großen Entfaltung und Auswertung der im Einzelnen enthaltenen Kräfte und Fähigkeiten, die Erstrebung der romantischen Totalität. In diesem Sinne darf man wohl Görres Ansicht verstehen, daß das Allgemeinste des geistigen Besitzes allen ohne UnterM K. St. A. Repert. 249 Nr. 43. *) K. St. A. Repert. 249 Nr. 16. 3 ) Vergl. die Analyse von Schleiermachers »Monologen" bei Rudolf Hayni, Die romantische Schule. S. £43.
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schied zukomme wie Regen und Sonnenschein. Auch die Forderung einer nationalen Erziehung durch Bürgerkunde und Geschichtsunterricht, die bei dem Politiker Görres ja natürlich ist, berührt sich mit den nationalen Interessen der Romantik. Viel deutlicher als diese hier nur flüchtig angedeuteten Beziehungen der Görresschen Pädagogik zur Romantik ist die starke Beeinflussung durch Pestalozzi. 1 ) — Gerade das liebevolle Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern, der Familiensinn, war eines der Hauptmerkmale Pestalozzischer Erziehung und sollte das Fundament sein des Zusammenlebens in den von Pestalozzi geleiteten Instituten. Zur Liebe und Tätigkeit sollten die Kinder angeleitet werden. Auf der Zustimmung zu Pestalozzis Forderung: „Liebe und eine mit Liebe im Kinde entquellende Geistestätigkeit sind also offenbar der gemeinschaftliche positive und unveränderliche Anfangspunkt, von welchem die Entwickelung aller Anlagen zu unserer Veredelung ausgeht u n d ausgehen muß", 2 ) beruht auch Görres' Ideal aller rechten Lehre als einer geistigen Gymnastik, bei der es nicht sowohl darauf ankomme, das Kind mit Kenntnissen vollzupfropfen, als vielmehr mit liebevoller Berücksichtigung der Individualität zur selbständigen Betätigung anzuregen. Görres war allerdings hierin konsequenter als Pestalozzi. Denn während Pestalozzi den Lehrer nach seinem Ideal an die in seinem Lehrbuch vorgeschriebene *) Einen guten Überblick über die Hauptgrundsätze Pestalozzischer Elementarbildung erhält man aus Pestalozzis Abhandlung im 11. Bd. seiner Schriften: „Ansichten und Erfahrungen, die Idee der Elementarbildung betreffend." Diese Abhandlung ist hier vorwiegend herangezogen worden. Wenngleich auch Pestalozzi bei der Gesamtausgabe •seiner Werke im Jahre 1819 durch Erfahrung belehrt, manche der hierin ausgesprochenen Ansichten revidiert hat und wenn auch in Pestalozzis Institut in Wirklichkeit nicht alles so schön war, wie er es sich selbst vortäuschte, so mag doch diese Abhandlung lange als Zeugnis seiner Anschauungen gültig gewesen sein. Sie war schon 1807 in Leipzig erschienen unter dem Titel: „H. Pestalozzis Ansichten, Erfahrungen und Mittel zur Beförderung einer der Menschennatur angemessenen Erziehungsweise." 2 ) Pestalozzi Bd. 11 S. 62.
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Methode gebunden wissen wollte, forderte ja Görres die freiere Handhabung der Methode. Seine Anlehnung an Pestalozzis Prinzip, „durch einen lückenlosen Stufengang zu dem, was wir wollten und sollten, hinzuschreiten", 1 ) betonte Görres ausdrücklich, als er es in seinem Bericht vom 28. November 1814 2 ) als das Zweckmäßigste und Natürlichste bezeichnete, beim Unterricht „den Weg der stufenweißen Entwickelung einzuschlagen, wie ihn die Pestalozze angegeben". Auf dem Wege dieser stufenweisen E n t w i c k l u n g lagen auch bei Pestalozzi die von Görres zur Erweiterung des Unterrichtsplanes der Elementarschule vorgeschlagenen Lehrfächer. 3 ) Auch das, was Görres über die Allgemeinheit und doch z. T. notwendige Beschränkung des Unterrichts sagt, hat sein Vorbild in Pestalozzischen Anschauungen. „Ich sah bald," so schreibt Pestalozzi, „daß Armut und Reichtum auf die zu erzielende wahre Bildung des Menschengeschlechtes keinen, sie in ihrem Wesen ändernden Einfluß weder haben können noch haben sollen, daß im Gegenteil hierin das ewig Gleiche und Unveränderliche in der Menschennatur in jedem Fall' notwendig unabhängend und getrennt von allem Zufälligen und Äußern ins Auge gefaßt werden müsse. . . . Die besondere Handbietung für einen jeden Stand muß blos als ein Zusatz, als eine Folge und als eine nähere Bestimmung der kraftvollen Handbietung der Menschennatur angesehen werden." *) Wir dürfen annehmen, daß Görres in diesem Pestalozzischen Sinne, wenn sich das freilich auch nicht aktenmäßig beweisen läßt, auf seinen Dienstreisen seinen Einfluß geltend zu machen bemüht gewesen ist. G a n z besonders aber betätigte er sein lebhaftes Interesse f ü r die Pestalozzische Pädagogik durch eine eifrige Förderung der während seiner Amtszeit in Koblenz begründeten
Pestalozzi ) K. St. A. 3 ) Vergl. u. S. 195. 4 ) Pestalozzi 2
Schagen,
Bd. 11 S. 33. Repert. 249 Nr. 16. a. Wie Gertrud ihre
Kinder lehrt.
Werke
Bd. 11 S 44 ff.
Görres und die preußische Volksschule.
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Pestalozzischen Schule. Im Dezember 1814 beantragte ein Schüler Pestalozzis, Philipp Rossel, der mehrere Jahre das Institut von Iferten besucht hatte, bei Görres die Genehmigung zur Errichtung einer Pestalozzischen Lehranstalt in Koblenz und ersuchte zugleich um die Überlassung eines geeigneten Lokals für diesen Zweck. Bei dem in Koblenz wie allerorts schlechten Zustand der Schulen, insbesondere des Gymnasiums, trug Görres kein Bedenken, die Genehmigung zur Eröffnung der Anstalt zu erteilen. Wegen des Lokals unterstützte er beim Gouvernementskommissar Rossels Antrag auf Überlassung eines Nebengebäudes des Koblenzer Schlosses. Er hielt gerade dieses Gebäude für die Schule für besonders geeignet, weil ein wohlgelegenes abgesondertes Lokal ein Hauptbedürfnis des pestalozzischen Unterrichts sei.1) Da aber in den Räumen des Schlosses wegen der großen Zahl von Militärkranken ein Hospital für Krätzige eingerichtet war, glaubte der Gouvernementskommissar, daß die Eltern Bedenken tragen würden, ihre Kinder dorthin zu schicken und überließ dem Unternehmen Rossels ein Lokal in dem ehemaligen Deutschordenshause, in dem sich jetzt das Königliche Staatsarchiv befindet. Am 5. Januar 1815 wurde hier der Unterricht von Rossel und seinem Kollegen Stammer eröffnet. 2 ) Über die Wirksamkeit des neuen Instituts berichtete Görres dem Generalgouverneur ausführlich am 30. Juli 18153) und begründete die seinerseits erteilte Genehmigung damit, daß „die Pestalozzische Methode, abgerechnet einzelne Willkürlichkeiten oder Pedanterien, in die sie ihre Verbreiter hinabgezogen haben mögen, anerkannt für den Elementarunterricht Vorzüge" habe, die ihr keine andere streitig machen könnte. Auch habe er in der Begründung dieser Anstalt die erwünschte Gelegenheit zu finden geglaubt, die Lücke in den Koblenzer Unterrichtsanstalten einigermaßen auszufüllen. Er hege die Hoffnung, daß aus dieser Schule „wohlgebildete !) K. St. A. Gen. Gouv. Kom. Kobl. VI. Sekt. 2 B 2 Nr. 2. ) Siehe Rossels Anzeige im Koblenzer Nachrichts- und Anzeigeblatt vom 6. Jan. 1815 Nr. 1. 3 ) K. St. A. Gen. Gouv. N. u. M. Rhein Sekt. \ Kap. 21 Nr. 20. Dieser Bericht liegt dem Folgenden zu gründe. 2
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Jünglinge und in Bürgertugend starke Männer" hervorgehen würden, weshalb sie auch die besondere Beachtung seiner Majestät des Königs und einer hohen Regierung verdiene. — Bei der Eröffnung zählte die Anstalt nur sieben Schüler. Diese geringe Frequenz hielt einen ganzen Monat an, denn die Eltern betrachteten die Schule zunächst argwöhnisch und wollten abwarten, auch hatte die Schule selbst gegen vielfache Verleumdungen zu kämpfen, die von den über die Konkurrenz erbosten Privatlehrern in der Stadt verbreitet wurden. Allmählich wuchs die Zahl der Zöglinge und betrug im Juli schon 40 Knaben. Die Zahl der Lehrer wurde durch Rossels Bruder und einen gleichfalls aus der Schule zu Iferten hervorgegangenen Lehrer entsprechend vermehrt. Für den Religionsunterricht der katholischen Schüler wurde der Vikar Nalbach von der Kastorkirche hinzugezogen. Das Alter der Schüler bewegte sich zwischen 5 und 13 Jahren. Die begüterten zahlten monatlich 2 Florin Schulgeld, die Armen wurden umsonst aufgenommen. Der Unterricht war von 8—12 vormittags und von 2—5 Uhr nachmittags. Von 5—6 Uhr war Erholungsstunde, danach bis 8 Uhr Turnen. Bei den Turnübungen wurde, wie auch in Pestalozzis eigenem Institut, das Militärexerzieren besonders fleißig getrieben. Die übrigen Unterrichtsgegenstände waren: Menschenlehre, Zeichnen, Geometrie und Formenlehre, Schreiben, Lesen, Deutsche Sprache, Religion und Gesang. Die Schüler waren natürlich je nach Alter und Fähigkeit in besondere Klassen eingeteilt. Die Anstalt war von vorneherein auch auf die Aufnahme von Mädchen berechnet gewesen. Aber erst seit Anfang Juli war eine getrennte Abteilung für Mädchen eingerichtet worden, in der zunächst acht Mädchen in den nämlichen Fächern wie die Knaben mit Ausnahme der Geometrie und des Turnens, aber dafür 21!i Stunde täglich von einer Professorenwitwe in Handarbeiten unterrichtet wurden. Zur Teilnahme an dem ihm besonders wichtig erscheinenden Turnunterricht hatte Görres auch die Schüler des Gymnasiums heranzuziehen versucht, aber damit wegen der einstweilen noch herrschenden Vorurteile zunächst wenig Erfolg gehabt, hoffte aber, daß das Publikum den auf einem offe-
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nen Platze stattfindenden Übungen im Laufe der Zeit immer mehr Geschmack abgewinnen würde. — Da die Anstalt mit den ihr aus dem Schulgelde zufließenden geringen Mitteln nicht auskommen konnte, beantragte G ö r r e s einen Zuschuß aus der Staatskasse mit dem Hinweis darauf, daß der König j a auch in den altpreußischen Provinzen die Einführung der Pestalozzischen Methode gefördert habe. 1 ) Der über Görres' Antrag zu Bericht aufgeforderte Gouvernementskommissar von Koblenz konnte die Fortschritte des Rosseischen Instituts nicht leugnen, rügte aber, daß Görres in der Sorge dafür das gänzlich herabgekommene Koblenzer Gymnasium vernachlässige. 2 ) Um nun beiden Anstalten zu helfen, schlug er vor, das Pestalozzische Institut als Vorbereitungsklassen mit dem Gymnasium zu vereinigen und ihm einen jährlichen Zuschuß von 2 0 0 0 Franken zu bewilligen. Görres erklärte sich gegen die Vereinigung dieser beiden Anstalten, weil der Lehrplan ganz verschieden sei und sich nicht leicht ein Anknüpfungspunkt möchte finden lassen. 2 ) Inzwischen war aber der Termin der Abberufung Sacks aus der Rheinprovinz so nahe gerückt, daß er eingreifende Maßregeln betreffs dieser Anstalt nicht mehr glaubte treffen zu dürfen. In einem aufmunternden und anerkennenden Schreiben ermahnte er den Leiter des Instituts, in der bisherigen Wirksamkeit fortzufahren und stellte ihm eine Gratifikation aus etwaigen Überschüssen der Staats- oder Departementskasse in Aussicht. Er hatte schon vorher Rossel den Vorschlag gemacht, sein Institut nach Köln oder Bonn oder einen anderen Ort seines künftigen Oberpräsidialbezirks zu verlegen. Sack hatte erwartet, daß ihm nach der Teilung der preußischen Rheinlande die Verwaltung des Oberpräsidialbezirks Kleve, Jülich, B e r g übertragen würde. D a er nun aber wider Erwarten ganz aus den Rheinprovinzen abberufen wurde, mußten sich die Pläne bezüglich der Verlegung des Rosseischen Instituts von selbst zerschlagen.
*) Auch in den Brühler Normalkursen wurde der Rechenunterricht nach Pestalozzischer Methode getrieben. ») K. St. A. Gen. Oouv. N. u. M. Rhein Sekt. 1 Kap. 21 Nr. 20.
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V. Görres und das höhere Schulwesen. Über die allgemeinen Maßnahmen der provisorischen Verwaltung zur Hebung des höheren Schulwesens, besonders über die wichtige Instruktion vom 18. Sept. 1814 und deren nähere Bestimmungen vom 6. Dez. 1815 sind wir durch die Arbeiten von Moldenhauer und Vollheim eingehend unterrichtet. Über diese Instruktion, an deren Ausarbeitung G ö r r e s auch beteiligt gewesen war, 1 ) urteilt er in einem Briefe an Gruner vom 27. Sept. 1 8 1 4 2 ) : „Die Instruktion für die Kollegien werden Sie vielleicht gesehen haben. Sie ist nicht übel, doch ist das Beste von meinem Theile übergangen, weil es eben das gewöhnliche Geleise verlassen hat." Um das Bild von Görres' Tätigkeit als Direktors des öffentlichen Unterrichts möglichst vollständig zu geben, mögen hier die Verhältnisse der ihm unterstellten höheren Anstalten noch ganz kurz berührt werden. — Bei der Übernahme der Direktion befanden sich in seinem Amtsbezirk außer der juristischen Fakultät zu Koblenz und den Lyzeen in Mainz und Bonn noch 18 Gymnasien, und zwar im Wälderdepartement in Luxemburg und Echternach, im Saardepartement zu Trier, Saarbrücken und Blieskastel, im Donnersbergdepartement in Zweibrücken, Worms, Dürkheim, Grünstadt, Kaiserslautern, Bingen, Neustadt und Speyer, und im Rheinmoseldepartement zu Koblenz, Andernach, Boppard, Kreuznach und Münstereifel. 3 ) Durch die verschiedenen territorialen Veränderungen kamen teils schon sehr bald, teils später die meisten dieser Anstalten unter andere Verwaltungen, und es blieben bis zum Schluß unter Görres' Direktion die G y m nasien zu Trier, 4 ) Bonn, 5 ) Koblenz, Andernach, Boppard, Kreuznach und Münstereifel. *) Görres' Vorschläge zu dieser Instruktion habe ich leider in den Akten nicht gefunden. ' ) Deutsche Revue 1893 S. 360. ") K. St. A. Repert. 2 4 9 Nr. 1. 4
) Trier stand kurze Zeit unter der öster. bayrischen Administration.
*) Das französische Lyzeum wurde in ein Gymnasium umgewandelt. Moldenhauer S. 12.
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Weit mehr noch als die Elementarschulen, die nur zum geringsten Teile davon getroffen wurden, waren die höheren Anstalten in ihren Vermögensverhältnissen durch das Dekret vom 21. Aug. 1810 geschädigt worden. Görres' Sorge für die Gymnasien ging deshalb hauptsächlich dahin, sie in ihrem wirtschaftlichen Bestände wieder zu heben. Alle diese Anstalten waren ,auf eigene Einkünfte oder Beiträge der Gemeindekassen fundiert. 1 ) Görres beantragte deshalb mehrfach bei der Regierung eine einstweilige Unterstützung, damit die Anstalten und ihre Lehrer wenigstens über die schlimmste Bedrängnis hinwegkämen. Beim Koblenzer Gymnasium war z. B. den Lehrern seit 15 Jahren das Gehalt nicht mehr zur rechten Zeit ausbezahlt worden. Die Finanzen der Anstalt waren sehr in Verfall geraten, die Schülerzahl hatte sich erheblich vermindert, nicht zuletzt infolge der an die kaiserliche Universität zu zahlenden Kontributionen, die Lehrer waren alt und untätig geworden und die jüngere Generation fühlte sich nicht veranlaßt, sich um deren Stellen zu bemühen und in das gleiche Hungerleben einzutreten. Görres nahm deshalb u. a. neue Verpachtungen der Schulgüter unter günstigeren Bedingungen vor und stellte Vögte an, die über eine geregelte Ausnutzung und Instandhaltung dieser Güter zu wachen hatten. Bei Übernahme der Direktion hatte er die Verfügung getroffen, daß sein Gehalt als Professor des Kollegiums in Zukunft unter die übrigen Lehrer verteilt werden sollte 2 ) und schon am 3. Juni 1814 hatte Gruner auf Görres' Antrag einen Kredit von 3000 Fr. als Vorschuß auf die Zentralunterrichtskasse angewiesen. 3 ) Trotz allem waren aber die Lehrer Ende 1815 noch ein ganzes Jahr mit ihrem Gehalt im Rückstand. Mit Rücksicht darauf, daß das Gymnasium allein im Jahre 1815 an außerordentlichen Steuern über 3000 Fr. hatte zahlen müssen, erbat Görres am 23. Nov. 1815 4 ) in einem ersten Antrag einen Zuschuß von 4000 Fr.
K. K. s ) K. 4 ) K. Nr. 20. a)
St. A. Repert. St A. Repert. St. A. Repert St. A. Gen.
249 Nr. 249 Nr. 249 Nr Oouv.
9. 48. 12 a. N.- und
M-Rhein
Sekt. I.
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aus der Staatskasse, in einem zweiten ersuchte er den Oberpräsidenten, die Stadt Koblenz zu veranlassen, die von ihr zu Magazinen, Hospitälern usw. benutzten Gebäulichkeiten der Anstalt mit einem Kostenaufwand von 1200 Fr. wiederherstellen zu lassen und sich in Zukunft mit einem jährlichen Beitrag von 3000 Fr. an der Unterhaltung des Gymnasiums zu beteiligen. Nur unter der Bedingung, daß diese seine Anträge angenommen würden, sei eine Besserung möglich und er betonte ausdrücklich, „daß Palliativmittel und halbe Maaßregeln hier garnichts helfen können und also besser unterlassen werden". Der Erfolg dieser eindringlichen Vorstellungen war allerdings der, daß Sack sich gezwungen sah, „die Reorganisation des Koblenzer Gymnasiums dem Zeitpunkt zu überlassen, wo die neue Regierungsverwaltung in Wirksamkeit getreten ist, und die Sache mit der erforderlichen Reife und Gründlichkeit betrieben werden kann". 1 ) Mit großem Unwillen beklagte sich Görres in einem Briefe an Johannes Schulze vom 24. Dez. 1 8 1 5 2 ) darüber, daß man bei der Regierung sich anscheinend vorgenommen habe, von allen seinen Vorschlägen zum Guten und Besseren „nicht einen passiren zu laßen, übrigens aber Alles mit schönen und freundlichen Worten glimpflich von der Hand zu weißen". S o sei ihm „in dem ganzen Jahre mit denen von Aachen nichts gelungen, nicht so viel, als mit Gruner in einem Tage". Er habe sich deshalb entschlossen, von seinen Vollmachten in weitestem Maße Gebrauch zu machen und selbständig das durchzuführen, was er für nötig erachte. Nur müsse er bei dem Koblenzer Gymnasium vorsichtig verfahren, da er mit dem Gouvernementskommissar Sack in durchaus feindseligem Verhältnis stehe. Er wolle deshalb alle seine Vorbereitungen für die Reform des Gymnasiums, besonders die Auswahl der ihm geeignet scheinenden Persönlichkeiten in der Stille treffen, um im gegebenen Augenblick seine Maßnahmen vollziehen zu können. Unter anderem hatte er auch
!) 30. Nov. 1815. K. St. A. B 2 Nr. 2. a ) Euphorion XIX. S. 284.
Gouv. Kom. Kobl. Tit. VI.
Sekt. 2
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schon die Ernennungsurkunde für Schulze als Direktor vollständig unterschrieben und gesiegelt ausgefertigt. 1 ) Ebensowenig wie dem Koblenzer Gymnasium konnte Görres dem Trierer wirksam helfen. Auch bezüglich der für diese Schule von Görres gestellten Anträge mußte Sack einen ablehnenden Bescheid erteilen. Ein gleiches Schicksal erfuhr Görres' Antrag auf Errichtung eines Gymnasiums in Prüm. Am 7. Nov. 1815 2 ) hatte Görres in längeren Ausführungen dem Oberpräsidenten die Notwendigkeit und Nützlichkeit eines Gymnasiums in Prüm dargelegt. Er hatte hingewiesen auf die günstige Lage mitten in der Eifel, die bei dem lebhaften Verlangen der Bevölkerung nach einer höheren Bildungsanstalt einen zahlreichen Besuch erwarten lasse. Schon Napoleon habe der Stadt Prüm zur Errichtung eines Gymnasiums ein Kloster geschenkt. Dieser Plan habe sich aber verzögert, bis erst im Anfang des Jahres 1815 die städtische Schulkommission einem jungen Lehrer den Auftrag erteilt habe, eine höhere Schule zu eröffnen. Auf dieser Grundlage werde sich leicht aufbauen lassen, zumal durch Subskription ein Fonds von1 6000 Fr. vorhanden sei. Zur finanziellen Unterstützung dieser Schule befürwortete Görres dann u. a. noch den eigenartigen Vorschlag der Stadt Prüm, die Regierung solle durch die Errichtung eines Gymnasiums die Stadt entschädigen für die Ansprüche, die Prüm an den in Paris entdeckten Codex aureus (das alte Urbar von Prüm) glaubte machen zu dürfen. Auf diese Eingabe erfolgte zugleich mit der Ablehnung des Trierer Antrages der Bescheid, daß die Errichtung eines Gymnasiums in Prüm einstweilen nicht möglich sei, daß auch übrigens von einem rechtlichen Anspruch der Stadt Prüm auf den Codex aureus nicht die Rede sein könne, da dieser als Eigentum der St. Maximinsabtei mit Aufhebung dieses Klosters Staatseigentum geworden sei. 3 ) — Man darf die Ablehnung dieser Anträge sicherlich nicht sowohl auf mangelndes Interesse der Regierung zurückführen als auf eine tatQ. St. A. R. 77 XXII. Lit. O. 8 adh. Vergi, auch die Mitteilung darüber von K. A. v. Müller im Euphorion XIX. S. 286. 2 ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 76. 3 ) K. St. A. Repert. 249 Nr. 80 a.
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sächlich bestehende Unmöglichkeit, während des Provisoriums über die nötigen Fonds usw. zu verfügen. Das Gymnasium in Münstereifel erhielt auf Görres' Antrag wenigstens für 1814 eine Unterstützung von 2400 Fr. 1 ) Um die innere Hebung dieser Anstalten hat sich Görres weniger bemüht. Man kann ihm daraus keinen Vorwurf machen. Denn während der kurzen Zeit seiner Amtsführung waren die äußeren Verhältnisse dieser Schalen noch derartige, daß alle Bemühungen vergeblich gewesen sein würden. Wie hätte er z. B. aus dem Koblenzer Gymnasium, dessen Lehrer entweder zu alt oder aber französischer Nationalität waren, ein preußisches Gymnasium zu machen auch nur versuchen können? Daß er trotz allem den regsten Eifer bewies, hat Johannes Schulze in einer Denkschrift 2 ) über das Koblenzer Gymnasium später anerkannt, zugleich aber auch darauf hingewiesen, daß die provisorische Verwaltung nicht imstande gewesen sei, die von ihm gemachten wichtigen Besserungsvorschläge auszuführen. Gleich im Anfange seiner Direktion war Görres von Gruner beauftragt worden, die in Koblenz bestehende juristische Fakultät nach dem Muster deutscher Fakultäten umzugestalten. Er beantragte deshalb zunächst einen Kredit auf die Zentralunterrichtskasse, der auch in der Höhe von 4189 Fr. gewährt wurde, 3 ) ferner die Aufhebung der französischen Sekretärstelle, die Gruner aber auf eine spätere Zeit verwies. Auf seinen Antrag wurde am 12. Juni 1814*) eine bisherige Suppleantenstelle in eine ordentliche Professur für Institutionen und Kanonisches Recht umgewandelt. Als Sack die Ergänzung des Lektionsplanes durch Einführung von Vorlesungen über römische Rechtsaltertümer und deutsches Privatrecht wünschte, trat Görres mit der Fakultät deshalb in Unterhandlung, doch konnte dem Wunsche Sacks nur insofern entsprochen werden, als eine ausführlichere Behandlung dieser Gegenstände im Rahmen der übrigen VorK. St. A. Repert. 249 Nr. 12 a. ) Varrentrapp S. 201. 3 ) K- St. A. Repert. 249 Nr. 33. «) K. St. A. Repert. 249 Nr. 30.
26. Febr. 1815.
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lesungen zugesichert wurde. Unter den Gründen, die Görres zur Beibehaltung des bisherigen Lektionsplanes anführte, bemerkte er u. a. auch, es möchte „bei der noch .vorherrschenden Tendenz der Studenten zur Erlernung des gleich praktischen und gewinnbringenden dem deutschen Privatrechte, was bei den dermaligen Gesetzen noch wenig Anwendung findet und mehr zum blos wissenschaftlichen verwiesen ist, eher schädlich als nützlich sein, davon besondere Lehrstunden zu bilden". 1 ) Er ersuchte aber die Professoren der Fakultät, welche jene Fächer lesen würden, „sie mit einer Ausdehnung zu behandeln, die ihre Wichtigkeit erkennen macht und die Studierenden auf die besondere Cultivierung derselben vorbereitet". 1 ) Nicht unerwähnt bleiben möge schließlich noch Görres' Sorge für das musikalische Institut zu Koblenz, das, von dem letzten Kurfürsten von Trier gegründet, sich um das Koblenzer Musikleben sehr verdient gemacht hatte, aber in den Wirren der Zeit schon zweimal seine Tätigkeit hatte aufgeben müssen. Gruner hatte dem Institut am 9. Mai 1814 einen Zuschuß von 2400 Fr. bewilligt und Görres am 27. Mai in die ¡Direktion berufen. 2 ) In Anbetracht des wohltätigen Einflusses auf die öffentliche Bildung, und „wie denn überhaupt die Musik als der reinste und in seinen Wirkungen mächtigste Theil der Ästhetik sichtlich zum harmonischen Einklänge der Geister" beitrage, beantragte Görres nach dem Wechsel des Gouvernements die fernere Gewährung dieses Zuschusses, die auch von Sack am 11. Dez. 1814 genehmigt wurde. 3 ) So zog Görres alles, was irgendwie in Zusammenhang mit seinen Amtsverrichtungen lag, in den Kreis seiner Interessen und Sorgen.
VI. Schluß. Will man Görres' Tätigkeit als Direktor des öffentlichen Unterrichts richtig einschätzen, so muß man mancherlei berücksichtigen. Man darf zunächst nicht vergessen, wie er zu dieser Stellung gekommen war. Nicht in stufenweisem An>) K. St. A. Repert. 249 Nr. 35. 2 ) K. St. A. Oen. Oouv. Mittelrhein Tit. VI. Sekt. 2 B Nr. 22. 3 ) K. St. A. Oouv. Kom. Kobl. Tit. VI. Sekt. 2 B 2 Nr. 9.
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lesungen zugesichert wurde. Unter den Gründen, die Görres zur Beibehaltung des bisherigen Lektionsplanes anführte, bemerkte er u. a. auch, es möchte „bei der noch .vorherrschenden Tendenz der Studenten zur Erlernung des gleich praktischen und gewinnbringenden dem deutschen Privatrechte, was bei den dermaligen Gesetzen noch wenig Anwendung findet und mehr zum blos wissenschaftlichen verwiesen ist, eher schädlich als nützlich sein, davon besondere Lehrstunden zu bilden". 1 ) Er ersuchte aber die Professoren der Fakultät, welche jene Fächer lesen würden, „sie mit einer Ausdehnung zu behandeln, die ihre Wichtigkeit erkennen macht und die Studierenden auf die besondere Cultivierung derselben vorbereitet". 1 ) Nicht unerwähnt bleiben möge schließlich noch Görres' Sorge für das musikalische Institut zu Koblenz, das, von dem letzten Kurfürsten von Trier gegründet, sich um das Koblenzer Musikleben sehr verdient gemacht hatte, aber in den Wirren der Zeit schon zweimal seine Tätigkeit hatte aufgeben müssen. Gruner hatte dem Institut am 9. Mai 1814 einen Zuschuß von 2400 Fr. bewilligt und Görres am 27. Mai in die ¡Direktion berufen. 2 ) In Anbetracht des wohltätigen Einflusses auf die öffentliche Bildung, und „wie denn überhaupt die Musik als der reinste und in seinen Wirkungen mächtigste Theil der Ästhetik sichtlich zum harmonischen Einklänge der Geister" beitrage, beantragte Görres nach dem Wechsel des Gouvernements die fernere Gewährung dieses Zuschusses, die auch von Sack am 11. Dez. 1814 genehmigt wurde. 3 ) So zog Görres alles, was irgendwie in Zusammenhang mit seinen Amtsverrichtungen lag, in den Kreis seiner Interessen und Sorgen.
VI. Schluß. Will man Görres' Tätigkeit als Direktor des öffentlichen Unterrichts richtig einschätzen, so muß man mancherlei berücksichtigen. Man darf zunächst nicht vergessen, wie er zu dieser Stellung gekommen war. Nicht in stufenweisem An>) K. St. A. Repert. 249 Nr. 35. 2 ) K. St. A. Oen. Oouv. Mittelrhein Tit. VI. Sekt. 2 B Nr. 22. 3 ) K. St. A. Oouv. Kom. Kobl. Tit. VI. Sekt. 2 B 2 Nr. 9.
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steigen durch verwandte Ämter, die ihn darauf hätten vorbereiten und seine Fähigkeiten prüfen können, — sein Koblenzer Lehramt kann kaum als solches betrachtet werden, — lediglich durch Gruners Gunst, der ihm aus Hochachtung und Freundschaft irgend eine größere Wirksamkeit eröffnen wollte, sah er sich ziemlich unvorbereitet gerade auf diesen schwierigen und arbeitsreichen Posten versetzt. Er hätte j a ebenso gut Direktor einer Kunstsammlung, Universitätsdozent oder gar — Direktor des Rheinschiffahrtsoktroi werden können. Trotzdem ergriff er gleich vom ersten T a g e an mit Eifer die ihm ungewohnten Pflichten und Geschäfte, die ja oft mehr auf finanzwirtschaftlichem als wissenschaftlichem Gebiete lagen. Weingüter verpachten und Renten einziehen war etwas anderes als Persisch lernen und über Organonomie und Physiologie schreiben. Um so mehr ist es zu bewundern, wie Görres sich nicht nur um die finanzielle Hebung der Schulen, sondern auch um die kleinsten Einzelheiten und Bedürfnisse besonders der Elementarschulen bekümmerte. 1 ) Viele seiner auch von der Regierung als praktisch und wertvoll anerkannten Vorschläge konnten j a freilich nicht ausgeführt werden. Das lag nicht an ihm, sondern an den Zeitverhältnissen. Manchem seiner Zeitgenossen mag wohl seine politische Tätigkeit mehr in die Augen gefallen sein, — sie war ja ohne Zweifel sein eigentliches Betätigungsfeld, und gerade hier hatte er auch wichtige Verpflichtungen gegen seine Heimat, — aber der einmal vom Koblenzer Gouvernementskommissar Sack gegen ihn erhobene Vorwurf, „daß die Schulangelegenheiten einer eifrigem Beherzigung und thätigern Eingreifung bedürfen, als sie vom zeitigen Schuldirektor Görres sich zu erfreuen haben", 2 ) ist ganz offenbar ungerecht. Wenn man heute die neben seiner wissenschaft-
l)
Davon zeugen auch die
Repert. 2 4 9
Nr.
89—195)
vielen
gesammelten
handlungen über einzelne Lehrer. Arbeit mit Ausnahme
im
den Spezialakten
Zeugnisse
( K . St. A.
und Beschwerdever-
Diese Akten sind in der vorliegenden
der Schulberichte
nicht verwertet worden, da sie
in
und einiger weniger N u m m e r n
einzelnen
kaum
etwas Wesentliches
boten. 2)
K. St. A . Gen. O o u v . N.- und M.-Rhein Sekt. I Kap. 21 Nr. 20.
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liehen und politischen Tätigkeit umfangreichen und eingehenden Bemühungen von Görres zur ganzen Ausfüllung des ihm übertragenen wichtigen Amtes aus den Akten kennen gelernt hat, wird man sein Urteil gewiß dahin abgeben müssen, daß Görres, wenn auch kein überragender Reformator und Pädagoge, so doch ein treuer und eifriger Mitarbeiter der provisorischen preußischen Verwaltung in den Rheinlanden gewesen ist. In betreff des rheinischen Schulwesens selbst sind als wichtige Neuerungen hervorzuheben: die Sicherung einer angemessenen Besoldung durch die Verfügung vom 26. Jan. 1815, die Regelung der Ausbildung und Anstellung der Lehrer durch die staatliche Unterstützung der Normalkurse und die allgemeine Einführung der P r ü f u n g und des Diensteides, auf dem Gebiete der Schulaufsicht endlich die Schaffung einer neuen Rechtslage durch die offizielle Heranziehung der Pfarrer zur Mitarbeit im Schulwesen. Alle diese Maßnahmen wurden vollzogen in Anlehnung an die preußische Gesetzgebung und die Zustände in den altpreußischen Provinzen. In noch manchen anderen Fragen des rheinischen Unterrichtswesens war reichlicher guter Wille vorhanden, aber nur allzu oft mußte Sack die Entscheidung treffen, daß eine durchgreifende und endgültige Bestimmung während des Provisoriums nicht möglich sei. Viel war jedenfalls schon gewonnen dadurch, daß man die Fehler als solche erkannt und sich um ihre Abstellung bemüht hatte. So war immerhin auch auf den Gebieten nützliche Vorarbeit geleistet worden, welche die provisorische Verwaltung als wichtige Aufgaben der endgültigen Organisation hatte überlassen müssen.
Julius
fielt*,
HofkuchdJTicker,
Langensalz».
STUDIEN ZUR RHEINISCHEN GESCHICHTE Herausgeber: Dr. jtir. ALBERT AHN
Heft 1: Niederrheinisches Geistesleben im Spiegel klevischer Zeitschriften des achtzehnten Jahrhunderts. Von Dr. Paul Bensei. Preis M 6.—. Die Benselsche Arbeit führt die angekündigte Sammlung würdig ein. Sie gibt eine Darstellung der Entwicklung des klevischen Zeitschriftenwesens im 18. Jahrhundert. — Dem rührigen Verleger ist für dieses so erfreulich eingeleitete Unternehmen der Dank der literarischen Kreise des Rheinlandes gewiß. Kölnische Zeitung. In das noch «emg bekannte geistige Leben des Niederrheins gewährt das Werk einen trefflichen Einblick . . . Benseis fleißige Arbeit legt eine nicht unbedeutende Bresche in das bisher noch ziemlich geschlossene Gebiet des Geisteslebens in den alten Rheinlanden des 18. Jahrhunderts. Kölner Tageblatt. Das ganze Werk dürfte wohl geeignet sein, ein Licht auf jene Zeiten zu werfen und kann darum sehr empfohlen werden. Rheinisch-westf. Zeitung.
Heft 2: Die Rheinlande und die Preußische Verfassungsreform auf dem ersten Vereinigten Landtag (1847). Von Dr. E. Hemmerle. Preis M 6.—. Eine sehr bedeutsame Etappe in der Verfassungsentwicklung Preußens bildet das berühmte Patent vom 3. H. 1847, welches den ersten Vereinigten Landtag berief. Trotz der großen Beschränktheit seiner Befugnisse war damit der Weg betreten, der geeignet war, das absolutistische Preußen allmählich in eine konstitutionelle Monarchie umzuwandeln und eine engere Verbindung Preußens und Deutschlands herbeizuführen, eine Entwicklung, welche die Revolution des Jahres 1848 unterbrach und beschleunigte. Die Rheinländer haben auf dem Vereinigten Landtage eine so beherrschende Rolle gespielt, daß die H. gestellte Aufgäbe besonders gerechtfertigt war. Gestützt vornehmlich auf die Landtagsprotokolle und die rheinische Presse, die dem Februaipatent und den Berliner Verhandlungen lebhafteste Aufmerksamkeit schenkte, aber auch auf einiges Aktenmaterial des Berliner Geheimen Staatsarchivs, untersucht H. hauptsächlich die Stellung der Rheinländer zum Februarpatent und auf dem-Landtage. Der zweite Abschnitt ist um die beiden Gesichtspunkte gruppiert: „Der Kampf um den Rechtsboden" und „Die verfassungsrechtlichen Anschauungen und Ziele der Rheinländer". Per reiche Stoff ist geschickt gegliedert, die Darstellung flüssig; die Werturteile Hind die Terminolögie zeigen den Autor als einen denkenden und in politischen Dingen wohl unterrichteten Mann. Ein gewisser journalistischer Anflug des Buches trägt gewiß dazu bei, ihm über den engeren Kreis der Fachgelehrten hinaus unter den politisch interessierten Rheinländern Eingang zu verschaffen. A. H.
A. Marcus u. E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) Bona
A. Marcus & E. Webers Verlag in Bonn
Die Verfassung des Deutschen Reiches vom Jahre 1849 mit Vorentwürfen, G e g e n v o r s c h l ä g e n u n d Modifikationen bis z u m Erfurter Parlament herausgegeben Dr.
L u d w i g
von
B e r g s t r ä ß e r ,
P.'ivatdozenten der G e s c h i c h t e an der U n i v e r s i t ä t
Greifswald.
(Kleine T e x t e für Vorlesungen u n d Ü b u n g e n H . 1 1 4 . )
2.20
Mark.
Die Bedeutung dieser Ausgabe der Reichs Verfassung von 1849 allen bisherigen. auch der Bmdingachen gegenüber, beruht darin, dass nur aus ihr die ailmählige Entwicklung des Verfassungswerkes, sein ganzer geschichtlicher Verlauf zu erkennen ist. Die Ausgabe l&BSt alle wichtigen Stadien der Verhandlungen erkennen, anfangend mit dem ersten Entwurf, den der Verfassungsausschuas dem Parlament vorgelegt hat. Auf ihn folgt die erste Lesung und die Vorschläge des Ausschusses zur zweiten Lesung; daneben sind die Ausstellungen der Regierungen in zwei Kollektivnoten berücksichtigt und alle die Änderungen mit abgedruckt, die der grossdeutsche Ausschuss der grossdeutschen Partei vorschlug. Am Ende dieser ersten Entwicklung steht die Frankfurter Verfassung. Es folgen dann die Unionsverfassung mit den Beschlüssen des Erfurter Parlaments und wieder ein Gegenentwurf, nämlich der vonStüve und Wangenheim verfasste hannoversche. Die Anordnung ist so getroffen, dass die Frankfurter Verfassung in die Mitte gestellt int und von den anderen Verfassungen unter den Paragraphen der Frankfurter alle Abweichungen mitgeteilt sind, auch die nur redaktionellen. So ist es gelungen auf kleinem Räume diese wichtigen Dokumente in handlicher Form zu vereinigen.
Handschriften der Reformationszeit Ausgewählt von X X X I I I S. 5 0 Tafeln. (Tabulae
in usum
G e o r g
M e n t z
1912.
In L e i n e n b a n d M 6 . — , in G a n z p e r g a m e n t M 1 2 . — .
Scholarum,
editue
mann
sub c u r a J o h a n n i s
Lietz-
Bd. V.)
Dieses in erster Linie zur Einführung in das Quellenstudium der Reformstionszeit bestimmte Tafelwerk dürfte auch in weiteren Kreisen lebhaftem Interesse begegnen. Auf 50 Lichtdrucktafeln 18XÜ4) werden etwa 90 Schriftproben vornehmlich der theologischen und politischen Führer und Förderer der Reformation dargeboten. Die Tafeln enthalten in sorgfältiger Faksimilereproduktion Briefe und Aktenstücke, welche auch inhaltlich für die Entwickelung der reformatorischen Bewegung von Bedeutung sind: der Text gibt die buchstabengetreue Umschrift und Literaturnachweise, bei den weniger bekannten Persönlichkeiten auch einige biographische Notizen. Vertreten sind folgende Gruppen: Humanisten ^Erasmus, Reuchlin, Mutian, Pirkheimer, Hutten, Scheurl); T h e o l o g e n Rüther, Melanchthon, Buddenhagen, Jonas, Cruciger, Amsdorf, Spalatin, Major, Carlstadt, Agricola. Müntzer, Osiander, Bucer. Brenz, Schnepf, Wenz. Linck, U, Rhegius, Corvinus, Bullinger, Oecolampadius, Zwingli, Calvin u. a. m., sowie die für Uberlieferungsgeschicnte bedeutsamen Männer (Mathesius, Aurifaber, Veit Dietrich, Roerer, Schlaginhaufen). F ü r s t e n (die sächsischen Kurfürsten, Georg und Moritz von Sachsen. Philipp von Hessen, Ulrich von Württemberg, die Braunschweigischen Herzöge, Georg v. Brandenburg, Albrecht von Mansfeld, Wolf v. Anhalt, Wilhelm v. Neuenahr, Maria v. Jülich, Elisabeth v. Rochlitz). K a n z l e r , R ä t e und S e k r e t ä r e (Christian Beyer, Gregor Brück, Melchior v. Ossa, F . Burckhardt, Feige, Leonhard Eck: Hans v. d. Planitz, Eberh. v. d. Tann, Christ, v. Karlowitz, Fachs, Laz. Spengler, Fröhlich, Gereon, Sailer, Joh. Sturm, Schertlin; Wolf, Lauenstein, Aitinger, Bing u. a.).
Vollständige, Verzeichnisse unberechnet zu Diensten.
beider Sammlungen
stehen
auf
Wunsch
A. Marcus & E. W e b e r s Verlag in Bonn
Kölner Studien zum Staats- und Wirtschaftsleben Herausgegeben von P. A b e r e r , Ed. B.
Chr. E c k e r t ,
Gammersbach, K u s k e ,
A d o l f
Paul
W e b e r ,
K.
J. F l e c h t h e i m ,
K- J.
Friedrich,
H . G e f f c k e n , K- H a s s e r t , J. H 1 r s c h , Moldenhauer, W i e d e n f e l d ,
W.
F. A.
Stier-Somlo,
W i e r u s z o w s k i ,
W y g o d z i n s k i
Schriftleitung:
B r u n o
Kuske.
Heft I: Privatdozent Dr. J. Hirsch: Die Filialbetriebe im Detailhandel. Die Untersuchung behandelt im ersten Teile Definition und Arten des Detailhandels, sowie dessen Entwicklungstendenzen als die Vorbedingungen des Filialsystems. — Der zweite Teil stellt die Grossfilialbetriebe innerhalb ihrer einzelnen Geschäftszweige dar: im Nahrungsmittel- (Kaffee-, Schokoladen-, und „allgemeinen Kolonialwaren"-) handel, im Tabak- und Schuhwarengeschäft, sowie bei Waren- und Kaufhäusern — und zwar Entstehung und Ausbreitung, Organisation und Arten, Kalkulation und Gewinn, das Personal, die Bedeutung und Wirkungen der Filialen innerhalb des betreffenden Geschäftszweiges. — Der dritte Teil betrachtet die Filialbetriebe im Rahmen der Volkswirtschaft: Die Filialen nach der Betriebszählung von 1907. Die Filialen in den einzelnen Städten. (Mittel- und Grossstädte, in einer wichtigen Geschäftsstrasse); desgl. im Auslande. Der letzte Abschnitt gibt die volkswirtschaftliche und sozialpolitische Beurteilung des Filialwesens.
Heft II: W l a d . W . K a p l u n - K o g a n , Die W a n d e r b e w e g u n g e n der Juden. Preis M 4.—, Subskriptionspreis M 3.60.*) Das Buch behandelt die Wanderbewegungen der Juden von ihren ersten Wanderungen bis in die Gegenwart hinein und zwar im Zusammenhange mit der Lage der Juden in den Ländern, die sie auf ihren Wanderungen berührten. Die überseeische Auswanderung der Neuzeit hat eine besonders ausführliche Darstellung gefunden, wobei vor allem die amtliche amerikanische Statistik benutzt wurde. — Es war die vornehmlichste Aufgabe des Verfassers, die Hauptrichtungen und Tendenzen der jüdischen Wanaerbewegungen der Vergangenheit und der Gegenwart darzustellen.
Heft III: Dr. jur. H . Cl. Schmld-Burgk, D e r Wartestand nach deutschem Beamtenrecht Preis M1.80, Subskriptionspreis M 1.60.*) Der Zweck dieser Abhandlung ist es, das in sämtlichen deutschen Beamtengesetzen über den Wartestand (die „Zur - Dispositionsstellung" i enthaltene Material möglichst lückenlos zusammenzustellen und damit eine Übersicht über die Voraussetzungen und Wirkungen des Wartestandes nach deutschem Recht zu geben. — Der erste Teil beschäftigt sich mit der Versetzung in den Wartestand, mit ihren Motiven, dem Verfahren und den Normen über den Beginn. — Der zweite Teil behandelt die rechtliche Stellung des Wartebeamten und die ausserordentlich eingebenden Bestimmungen über das Wartegeld. — Der dritte Hauptteil stellt kurz die Endigung des Wartestandes dar. — In einem Anhang befinden sich die Bestimmungen über die Richter der ordentlichen Gerichte. *J
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STUDIES Z I RHEINISCHEN GESCHICHTE Herausgeber: Dr. jur. ALBERT AHN
Heft 3: Preußens Verfassung und Verwaltung im Urteile rheinischer Achtundvierziger. Von Dr. phil. Helene Nathan. Preis M 3.60.
Wie immer man über den wissenschaftlichen und methodischen Charakter historischer Arbeiten urteilen mag, denen es nicht auf objektive Feststellungen ankommt, sondern welche uns Querschnitte der öffentlichen Meinung bieten, die uns zeigen, welchen Widerhall Geschehnisse oder Einrichtungen in den Herzen und Köpfen des Volkes gefunden haben, für so sorgfältige und aufschlußreiche Arbeiten wie die vorliegende wird man nur dankbar sein können. Mit großem Fleiß und Geschick hat Fräulein N. vornehmlich aus Briefen, Flugschriften und Äußerungen in den parlamentarischen Körperschaften die bemerkenswertesten Urteile der rheinischen Politiker über die preußische Verfassung und Verwaltung zusammengetragen. Die Darstellung ist gewandt, das eigene Urteil der Verfasserin so besonnen und zuverlässig, daß der aufmerksame Leser auch aus nicht historisch geschulten Kreisen der Gefahr entgeht, welche die oft stark subjektiven Quellen sonst bieten könnten. Auch die Charakteristiken der führenden rheinischen Persönlichkeiten und die allgemeinen Betrachtungen in der Einleitung und am Schluß machen einen vorteilhaften Eindruck. Möchte eine freundliche Aufnahme der vorliegenden interessanten Studien die Verfasserin in ihrer Absicht bestärken, die angekündigte Fortsetzung zu liefern, welche die Urteile über die Kirchen- und Schulpolitik, sowie Justiz, Heerwesen und äußere Politik Preußens behandeln soll. A. H.
Heft 4: Die Rhein- und Moselzeitung.
Ein Beitrag zur
Entstehungsgeschichte der katholischen Presse und des politischen Katholizismus in den Rheinlanden. Von Dr.
phil. Friedrich Mönckmeier.
Preis M 4.—.
Der Verfasser stellt sich in seiner Untersuchung die Aufgabe, die Anfänge des politischen Katholizismus in den Rheinlanden auf dem Gebiete der Presse aufzudecken sowie die ersten Ansätze eines Zusammenschlusses der Katholiken, speziell in Koblenz, klarzustellen. Das Interesse für die in den Jahren 1 8 3 1 - 5 0 in Koblenz erschienene Rhein- und Moselzeitung beruht eben darauf, daß sie als das erste rheinische Blatt von ausgesprochen katholischer Haltung vor dem Jahre 1848 anzusehen ist. Der Entwicklungsgang dieser ursprünglich liberalen Zeitung wird in ihrer Stellungnahme zu den politischen Fragen und zur Kirche und Schule geschildert. Zur näheren Charakteristik dient ferner die Darstellung ihres Verhältnisses zur rheinischen Presse und zur preußischen Regierung. Da die in den Jahren 1844/45 erschienene katholisch-konservative Luxemburger Zeitung die rheinischen Interessen vertreten hat, so wird ihre Haltung und Bedeutung genauer besprochen. Den rheinischen Zeitschriften der 40 er Jahre ist das letzte Kapitel der Untersuchung gewidmet.
Heft 5: Beiträge zur Geschichte des Kölner Kirchenstreites von 1837. Von Dr. phil. Paul Vogel. Preis M 3.—.
In dem einleitenden Kapitel behandelt Verfasser die Vorgeschichte und den äußeren Verlauf des ersten preußischen »Kulturkampfes« unter besonderer Berücksichtigung gerade der rheinischen Verhältnisse. Er zeigt, Fortsetzung umstehend
A. Marcus u. E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) Bonn