Johann Wilhelm von Archenholz als »Zeitbürger«: Eine historisch-analytische Untersuchung zur Aufklärung in Deutschland [1 ed.] 9783428479641, 9783428079643


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Johann Wilhelm von Archenholz als »Zeitbürger«: Eine historisch-analytische Untersuchung zur Aufklärung in Deutschland [1 ed.]
 9783428479641, 9783428079643

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Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Band 4

Johann Wilhelm von Archenholz als „Zeitbürger“ Eine historisch-analytische Untersuchung zur Aufklärung in Deutschland

Von

Ute Rieger

Duncker & Humblot · Berlin

UTE RIEGER

Johann Wilhelm von Archenholz als „Zeitbürger"

Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Herausgegeben im Auftrag der Preußischen Historischen Kommission, Berlin von Prof. Dr. Johannes Kunisch

Band 4

Johann Wilhelm von Archenholz als „Zeitbürger" Eine historisch-analytische Untersuchung zur Aufklärung in Deutschland

Von

Ute Rieger

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Rieger, Ute: Johann Wilhelm von Archenholz als „Zeitbürger" : eine historisch-analytische Untersuchung zur Aufklärung in Deutschland / von Ute Rieger. — Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preussischen Geschichte ; Bd. 4) Zugl.: Kiel, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-07964-7 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0943-8629 ISBN 3-428-07964-7

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1992/93 der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation eingereicht und fur den Druck um einige Aspekte ergänzt. Die Anregung zur Auseinandersetzung mit Leben und Werk Johann Wilhelm von Archenholz' erhielt ich von Herrn Prof. Dr. Johannes Kunisch, der das Entstehen der Arbeit betreut und mein Studium mit akademischem und menschlichem Rat begleitet hat. Dafür und fur seine Bereitschaft, in seiner Funktion als Vorsitzender der Preußischen Historischen Kommission die Arbeit in die Reihe der Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte aufzunehmen, möchte ich ihm herzlich danken. Danken möchte ich außerdem meinen Eltern, durch deren Güte und Kritik ich mein Ausbildungsziel verfolgen und erreichen durfte.

Düsseldorf, im August 1993

Ute Rieger

Inhaltsverzeichnis

Α.

Β.

Einleitung

9

Daten und Fakten zu Johann Wilhelm von Archenholz

18

I.

Forschungsstand

18

Π.

Biographie

21

1. Herkunft und Jugend

21

2. Militär- und Kriegsdienst

23

3. Reisen

25

4. Literarisch-publizistisches Wirken: Kontakte und Projekte in Dresden, Berlin, Paris und Hamburg ΙΠ. Kritische Werkübersicht

D. E.

34

1. Zeitschriften

35

2. Reisebeschreibung, Jahrbücher und Übersetzung

39

3. Historiographie

42

4. Einzeldarstellungen zu Zeit-und Kriegsgeschichte

51

I V . Archenholz im zeitgenössischen und historischen Urteil C.

26

55

Archenholz 1 Lebenskonzept im Kontext der Aufklärung

59

I.

Archenholz als bürgerlicher Reisender des 18. Jahrhunderts

60

Π.

Archenholz als freier Schriftsteller und Publizist

68

Aufklärung als Werkkonzeption Archenholz 1

79

Aufklärung und Werk Archenholz', I : Inhalte und Positionen. Zeitgeschichte als Arbeitsschwerpunkt

86

I.

Von Preußens Größe, Tugenden und Schicksal

86

Π.

Die englischen Freiheiten und ihr Palladium

99

ΙΠ. Archenholz* "Historische Betrachtungen über die französische Revolution und ihre Folgen" I V . "Ueber die Politick in unserer Zeit". Eine Quintessenz F.

111 127

Aufklärung und Werk Archenholz', I I : Ausführung und Strategie. Emanzipation als Werkmoment

136

8

Inhaltsverzeichnis

I.

Die Kongruenz von Inhalt, Form und Absicht: Reiseliteratur, Annalen, Historiographie und historisch-politische Zeitschrift - Formen komplexer Zeitgeschichts-

Π.

präsentation als Basis kritischer Urteilsfindung

136

1. Zur Technik des aufgeklärten Urteils

146

Zeitlichkeit und Verselbständigung: Historizität als Bedingung emanzipierter Gegenwartserfahrung und politischen Bewußtseins

153

1. Zwischen künftiger und historischer Geschichte

155

2. Die pragmatische Darstellung G.

H.

160

Zum Thema Archenholz: Erkenntniswert und -grenze einer biographischen Analyse

171

Schlußbetrachtung

184

Verzeichnis der Quellen, Darstellungen und Hilfsmittel

187

Α. Einleitung Daß man sich in die Zeit schicken soll. In der Politick und Klugheit zu leben findet man wie sehr die Regel, daß man sich in die Zeit schicken soll, eingeschärffet wird: Nehmlich man soll ein Mann seyn seiner Zeit, das ist, sich nach dem Geschmack der Zeit, darinnen man lebet, richten. ... Wer also unter den Seinigen in Aufnehmen kommen will, der muß sich in solchen Dingen, die in dem Jahrhundert, darinnen er lebet, gesucht und hochgeachtet werden, herfur thun." (Zediere Universal Lexicon, 61. Bd., 1749) Ich möchte nicht gern in einem andern Jahrhundert leben und für ein andres gearbeitet haben. Man ist ebenso gut Zeitbürger, als man Staatsbürger ist; und wenn es unschicklich, ja unerlaubt gefunden wird, sich von den Sitten und Gewohnheiten des Zirkels, in dem man lebt, auszuschließen, warum sollte es weniger Pflicht sein, in der Wahl seines Wirkens dem Bedürfnis und dem Geschmack des Jahrhunderts eine Stimme einzuräumen?" (Sçhiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen, 1795)

Zu jeder Zeit dokumentiert sich Zeit wesentlich im Menschen, der sie lebt. Das Wissen um die kategorische Verpflichtung des einzelnen gegenüber "dem Geschmack der Zeit, darinnen man lebet"1, gegenüber "dem Bedürfnis ... des Jahrhunderts"2 ist schon dem Menschen des 18. Jahrhunderts Regel der Lebensklugheit und schließlich verinnerlichtes moralisches Gebot. Diesen "Dialog zwischen der Persönlichkeit und ihren zeitlichen, historischen Gege-

1 Johann Heinrich Zedier, Großes Vollständiges Lexicon aller Wissenschaften und Künste ..., 61. Bd., Leipzig 1749, Sp. 733 f. 2 Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen, Zweiter Brief (Nationalausgabe, hrsg. von B. v. Wiese, 20. Bd., 1. Teil, Weimar 1962, 311).

10

Α. Einleitung

benheiten" kann die historische Untersuchung gerade durch einen biographischen Ansatz erschließen3. Den Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit bildet Johann Wilhelm von Archenholz (1741-1812). Eine Analyse seines Lebens und Werks versucht, aufgeklärtes und aufklärerisches Denken im Deutschland des späten 18. Jahrhunderts zu exemplifizieren. Dabei werden die Untersuchungsergebnisse den Arbeitsansatz rechtfertigen, der Archenholz dezidiert in den Kontext der Aufklärung stellt, ohne die besonders zur Zeit der Spätaufklärung sich vollziehende, stark emotionalisierte Gegenaufklärung zu thematisieren, die etwa im Sturm und Drang ihren Niederschlag findet. Die zu erarbeitende Monographie erhebt daher nicht den Anspruch, die Aufklärung nachzuzeichnen, die als Phänomen eingedenk ihres Gegenphänomens darzustellen wäre. Vielmehr will eine Aufarbeitung Archenholz' einen Beitrag zu der Überlegung leisten, ob und inwiefern historische Etikettierungen, wie sie der Begriff Aufklärung fur ein Zeitalter liefert, auch durch den konkreten Zeitgenossen zu rechtfertigen sind. So steht die kritische Würdigung des beträchtlichen Oeuvres Archenholz'4 seitens der neueren Forschung noch aus, da diese sich in seiner marginalen und lexikalen Erwähnung erschöpft 5. Mit Ausnahme von Reinhart Kosellecks Aufsatz über Archenholz' "Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland" in seinem Sammelband "Zur Semantik geschichtlicher Zeiten"6 basieren diese Erwähnungen in ihrem Informationsgehalt und ihrer Wertung einstimmig auf der bisher einzigen umfassenden Darstellung Archenholz' durch Friedrich Ruof. Diese Dissertation aus dem Jahre 1915 konzentriert sich auf

3 Joachim Leuschner, Ü 9 8 0 , 172.

Geschichte

in

Vergangenheit

und

Gegenwart,

Stuttgart,

4 Das Gesamtwerk Archenholz' umfaßt knapp 160 Bände, wovon dreizehn eigene Werkbände 145 Zeitschriftenbänden gegenüberstehen, die unter seiner Herausgeberschaft erschienen. Friedrich Ruof schätzt den Aufsatz-Anteil Archenholz' allein an den 73 Bänden seines historisch-politischen Journals Minerva auf ein Viertel der Gesamtbeiträge. Vgl. Ruof, Johann Wilhelm von Archenholz. Ein deutscher Schriftsteller zur Zeit der Französischen Revolution und Napoleons (1741-1812) (Historische Studien, Heft 131), Berlin 1915, 130. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich in ihrer Analyse auf die Schriften, die Archenholz selbst zuzuschreiben sind. Die Beiträge sonstiger, meist anonymer Autoren in seinen Zeitschriften werden nur punktuell berührt oder insofern sie stellvertretend fur die Ausrichtung der jeweiligen Zeitschrift angesehen werden können. 5 Einen differenzierten Überblick über die bisherige Archenholz-Forschung bietet das entsprechende Kapitel dieser Arbeit (Kap. B.I). 6 Reinhart Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a.M. 11989 (STW757), 162-170.

Α. Einleitung

Archenholz als "deutschen Schriftsteller zur Zeit der Französischen Revolution und Napoleons" und wird noch genauer zu besprechen sein7. Doch nicht nur seine bisherige Minderbeachtung macht eine Arbeit über Archenholz zum akuten Desiderat. Vielmehr zeigt sich ein aktuelles Interesse an seinem Werk 8 , das im Rahmen des intensiven Forschungsinteresses am 18. Jahrhundert und damit zwangsläufig am Phänomen der Aufklärung zu sehen ist und das es dringlich erscheinen läßt, ihn auf seinen Gewinn für die Aufklärungsforschung 9 zu überprüfen. 7

Vgl. auch hier Kap. B.I.

8 So steht in der "Bibliothek der Geschichte und Politik" des Deutschen Klassiker Verlages, hrsg. von Reinhart Koselleck, Bd. 9, die Edition der zweiten Auflage von Archenholz' "Geschichte des Siebenjährigen Krieges" unter dem Titel "Der Siebenjährige Krieg in der Historiographie und Publizistik des 18. Jahrhunderts" in Aussicht, für die Johannes Kunisch verantwortlich zeichnet. Durch seine Geschichtsschreibung zum Siebenjährigen Krieg fand Archenholz auch an anderer Stelle jüngst Beachtung: In den "Ostdeutschen Gedenktagen 1991, Persönlichkeiten und Historische Ereignisse" (Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen), Bonn 1990 wird von Archenholz ein würdigendes Lebensbild als einer der Persönlichkeiten entworfen, "die durch Herkunft oder Wirken dem deutschsprachigen Osten verbunden gewesen sind" und das dazu dienen soll, Persönlichkeit und Lebenswerk "in Erinnerung [zu] rufen". Vgl. hier: 9 f. und 142-144. 9 Einen sinnvollen Einstieg in die Aufklärungsforschung bieten der Artikel "Aufklärung" von Horst Stuke in: Brunner u.a., Hrsg., Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, Stuttgart 1972, 243-342 sowie Franklin Kopitzsch, Einleitung, in: ders., Hrsg., Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum in Deutschland, München 1976; Peter Pütz, Die deutsche Aufklärung (Erträge der Forschung, 81), Darmstadt 1978; ders., Hrsg., Erforschung der deutschen Aufklärung, Königstein/Ts. 1980; Franklin Kopitzsch, Die Aufklärung in Deutschland. Zu ihren Leistungen, Grenzen und Wirkungen, in: Archiv für Sozialgeschichte, 23. Bd., 1983, 1-21. Als immer noch klärender Beitrag ist auch Ernst Troeltsch , Aufklärung, zuletzt in Kopitzsch, Hrsg., Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum in Deutschland, 245-274, zu beachten. - Zum grundlegenden Verständnis dieser geistigen Bewegung muß ihr philosophischer Hintergrund berücksichtigt werden; vgl. dazu Ernst Cassirer , Die Philosophie der Aufklärung, Tübingen 1932 sowie die jüngsten Arbeiten zu dieser Thematik von P. Gilmour, Hrsg., Philosophers of the Enlightenment, Edinburgh 1990 und aus deutscher Perspektive von Werner Schneiders, Hoffnung auf Vernunft. Aufklärungsphilosophie in Deutschland, Hamburg 1990. - Als bisher wichtige Interpretationen der Aufklärung gelten: Peter Gay, The Enlightenment: An Interpretation. The Rise of Modern Paganism, New York 1966 und ders. f The Enlightenment: An Interpretation, Vol. Π: The Science of Freedom, New York 1969, die provoziert wurden durch die Abwertung der Aufklärung in der Auslegung Carl Beckers, The Heavenly City of the Eighteenth-Century Philosophers, New Haven/London 21960, bes. 30 f. Einblick in weitere Definitionen bieten die Sammelbände von Hans-Joachim Schoeps, Hrsg., Zeitgeist der Aufklärung (Vorträge auf der Jahrestagung 1970 u. 1971 der Gesellschaft für Geistesgeschichte, Erlangen), Paderborn 1972 und Eberhard Bahr, Hrsg., Was ist Aufklärung? Thesen und Definition, Stuttgart 1974. Einen neuen Deutungsansatz der Aufklärung unternimmt zuletzt Panajotis Kondylis, Die Aufklärung im Rahmen des neuzeitlichen Rationalismus, München 1986, der sich von bisherigen Klischees der Aufklärungsforschung abzusetzen versucht. Im Gegensatz zu Kondylis versucht Horst Möller, Vernunft und Kritik, Deutsche Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M . 1986, gerade die eigene Tradition der Aufklärung in Deutschland seit dem 17. Jahrhundert zu rekonstruieren. - Durch seine Charakterisierung der Aufklärung als intellektuelle und reformerische Phase eines beginnenden Modernisieningsprozesses weist Rudolf Vierhaus der Aufklärung

12

Α. Einleitung

Neben solchen Überlegungen zur Relevanz einer Analyse Archenholz' im besonderen stehen die zur Stellung der biographischen Arbeit innerhalb der modernen historischen Wissenschaft überhaupt. Ist auf der einen Seite der Biographie längst ihre Teilhabe an der "Krise" der Geschichtswissenschaft bescheinigt worden 10 , so wird ihr auf der anderen Seite gerade auch im Rahmen strukturgeschichtlicher Betrachtungsweisen eine neue Stellung eingeräumt 11 . Diese Funktion zwingt zwar zu einer Verknüpfung biographischer und systematischer Aspekte, die die reine Biographie zur Sachmonographie weitet 12 . In dieser Gestalt ist ihr jedoch die Auflösung der geschichtsphilosophischen Antinomie von Persönlichkeit versus Struktur 13 oder versus "Bedingungen"14 möglich, wodurch sie gerade dem Erkenntnisinteresse an ihrer "gegenseitigen Bedingtheit und Verschränkung" 15 Genüge leisten kann. Dieihre historische Position zu, vgl. Vierhaus, Zur historischen Deutung der Aufklärung. Probleme und Perspektiven, in: Judentum im Zeitalter der Aufklärung (Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung, 4), Bremen/Wolfenbüttel 1977, 39-54. Damit berührt er zum einen die problematische Funktion der Aufklärung im Übergang vom Spätabsolutismus zur bürgerlichen Gesellschaft, auf die Fritz Valjavec exemplarisch eingeht in: ders., Der Josephinismus. Zur geistigen Entwicklung Österreichs im 18. und 19. Jahrhundert, München/Wien 21945, indem er den Kontext von sozialem Wandel, aufklärerischer Ideologie und staatlichen Reformen herstellt. Zum anderen lenkt er damit die Aufmerksamkeit auf die sozialen und intellektuellen Protagonisten der Aufklärung, die fur diese Arbeit von besonderer Relevanz sind, vgl.: Rudolf Vierhaus, Hrsg., Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der Aufklärung, Heidelberg 1981; zur Differenzierung dieser Protagonisten vgl. ferner Hans Erich Bödeker, Menschheit, Humanität, Humanismus, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 3, Stuttgart 1982, 1063-1128 und Gerhard Sauder, "Verhältnismäßige Aufklärung". Zur bürgerlichen Ideologie am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 9, 1974, 102-126. 10 Hagen Schulze, Die Biographie in der "Krise der Geschichtswissenschaft", in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, hrsg. v. K.D. Erdmann/F. Messerschmid/J. Rothfels, 29. Jg., Stuttgart 1978, 508-518. 11 H. Schulze betont in diesem Zusammenhang den Nutzen der Biographie als Ausgleich fur Schwächen der Strukturgeschichte, die er mit der begrenzten Realität historischer Strukturen sowie ihrer tendenziell determinierenden Geschichtsauslegung umschreibt; vgl. Schulze, Die Biographie in der "Krise der Geschichtswissenschaft", 515 f. Grundlegend fur die Relevanz biographischen Arbeitens innerhalb der methodischen Verschiebungen der jüngeren Geschichtswissenschaft sind Theodor Schieders Ausführungen zu "Strukturen und Persönlichkeiten in der Geschichte", in: ders., Geschichte als Wissenschaft. Eine Einführung, München/Wien 1965, 149186. Schieder bewahrt hier der Biographie ihre qualitativ gleichrangige Position neben der strukturgeschichtlichen Betrachtung (150). 12

Vgl. Schulze, Die Biographie in der "Krise der Geschichtswissenschaft", 509 f.

13

Vgl. ebd., 513 sowie Schieder,

Strukturen und Persönlichkeiten

in der Geschichte,

168. 14 Joachim Leuschner, Geschichte in Vergangenheit und Gegenwart, Stuttgart 1980. Vgl. ebd., 169 ff., die Ausführungen Rankes anläßlich seiner "Geschichte Wallensteins": Schon Ranke erkennt und artikuliert das Spannungsverhältnis zwischen der "historischen Person und den Verhältnissen ihrer Zeit" und findet dafür die Begriffe "Persönlichkeit" und "Bedingungen". 15

Schieder, Strukturen und Persönlichkeiten in der Geschichte, 168.

Α. Einleitung

ses Erkenntnisinteresse steht im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung und bestimmt daher ihren erkenntnistheoretischen Rahmen sowie ihre methodische Ausführung gleichermaßen. Die Arbeit an einem so vielschichtigen und weithin disparaten kultur- und gesellschaftsgeschichtlichen Phänomen wie der Aufklärung steht vor einer Vielzahl möglicher Ansätze, selbst wenn sie sich zur Orientierung an einer biographischen Vorgabe verpflichtet. Der konkrete Bezug der Analyse ist durch die biographischen Daten und die Quellentexte, die der zur Untersuchung gestellten Persönlichkeit zugeordnet werden können, vorgegeben. Daher ist ein Akzent zunächst auf die Spezifika zu legen, die sich im Leben und Werk Archenholz1 ausmachen lassen und die ihn den sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Bedingungen seiner Zeit verbunden zeigen. Ein solcher Ansatz leitet von einem Allgemeinen das Einzelne ab, d.h. eine im Vorfeld der speziellen Analyse gewonnene Kenntnis über eine bestimmte geschichtliche Zeit und ihre Charakteristik werden zu einer Art epistemologischem Apriori erhoben, dem die Einzeluntersuchung differenzierend zugeordnet wird. Auf die vorliegende Untersuchung angewandt, zielt ein solcher Ansatz auf die Zuordnung Archenholz' in seinen umfassenden Tätigkeiten als Publizist, Historiograph und Europareisender und seiner sich darin begründenden, wesentlichen Teilhabe am öffentlichen Diskurs des späten 18. Jahrhunderts zu jener bürgerlichen Emanzipationsbewegung, die von der Forschung längst als ein Charakteristikum der Aufklärung in Deutschland festgestellt worden ist 16 .So wenig auf eine solche Zuordnung im Zuge einer Arbeit 16 So geschehen in den Artikeln "Bürger, Staatsbürger, Bürgertum" von Manfred Riedel und "Emanzipation" von Karl Martin Grass und Reinhart Koselleck in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, 1972, 672-725 und Bd. 2, 1975. Grundlegend für das Verständnis dieses Forschungsansatzes bleibt Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Frankfurt a.M. 11973 (STW 36); vgl. ferner Wolfgang Martens, Bürgerlichkeit in der frühen Aufklärung, in: Kopitzsch, Hrsg., Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum, 347-363; Vierhaus, Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der Aufklärung; Franklin Kopitzsch, Aufklärung und Bürgerlichkeit, in: Kultur und Gesellschaft in Deutschland von der Reformation bis zur Gegenwart. Eine Vortragsreihe, hrsg. von Klaus Bohnen u.a., Kopenhagen/München 1981; Richard von Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland, Frankfurt a.M. 1986; Jürgen Schlumbohn, Freiheit. Die Anfange der bürgerlichen Emanzipationsbewegung in Deutschland im Spiegel ihres Leitwortes (ca. 1760 - ca. 1800), Düsseldorf 1975 (Geschichte und Gesellschaft, 12). - Zur Problematik des Forschungsansatzes vgl. Utz Haltern, Bürgerliche Gesellschaft, Probleme der Forschung, in: Archiv für Sozialgeschichte 18, 1978, 524-535. - Der Begriff der bürgerlichen Emanzipation im Kontext der Aufklärungsbewegung im 18. Jahrhundert faßt einen dynamischen, prozeßhaften Gesellschaftsvorgang, der vor dem bestehenden sozialen und politischen Hintergrund der Zeit gesehen werden muß. Vgl. daher zu diesem Entwicklungsprozeß allg. Wolfgang Ruppert, Bürgerlicher Wandel. Studien zur Herausbildung einer nationalen deutschen Kultur im 18. Jahrhundert, München 1977 sowie aus marxistischer Perspektive Hans Carl Fins eny Das Werden des deutschen Staasbürgers. Studien zur bürgerlichen Ideologie unter dem Absolutismus in der zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts (Text und Kontext, Sonderreihe, 17),

14

Α. Einleitung

über Archenholz und die deutsche Aufklärung zu verzichten ist, so sehr hieße eine Beschränkung auf einen solchen Untersuchungshergang jedoch die Chance verpassen, die gerade die biographisch orientierte Analyse bieten kann nämlich Geschichte empathisch zu erschließen durch die Perspektive und das Verständnis ihrer Zeitgenossen. Um der größtmöglichen Ergiebigkeit der Untersuchung willen sollte dabei nach einer Orientierungsgröße gesucht werden, die ein stimmiges Verhältnis zwischen Aussagepotential der betreffenden Persönlichkeit und dem ihrer Zeitgeschichte herstellt. Ohne einem abschließenden Urteil über Archenholz und seinen Zusammenhang und Beitrag zur Aufklärung in Deutschland vorzugreifen, kann eine Bewertung der jüngsten Forschung diesen Überlegungen die Richtung weisen 17 . In bezug auf Archenholz und seinen Anteil an der bürgerlichen Emanzipationsbewegung in Deutschland heißt es da: "Er zählt ohne Zweifel nicht zu den exponierten Vertretern dieses umfassenden Wandlungsprozesses", was im weiteren begründet wird: "dazu waren seine politischen Vorstellungen trotz seines zeitweiligen Engagements für die Ideale der Französischen Revolution zu unpräzise und schwankend."18 Die hier zum Ausdruck gebrachte Durchschnittlichkeit Archenholz' bietet eine erste Erklärung fur seine bisherige Vernachlässigung durch die Forschung. Begründet wird diese Durchschnittlichkeit jedoch nicht durch sein Wirken - vielmehr wird er in Anbetracht desselben an gleicher Stelle "als [eine] der profiliertesten Persönlichkeiten des literarischen Lebens in Deutschland an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert" gewürdigt 19 -, sondern die mangelnde Originalität und Kontinuität seiner Anschauungen betreffs konkreter Themen seiner Zeit. Eine ausschließliche Untersuchung des Werks Archenholz' hinsichtlich des Ertrags seiner zeitgeschichtlichen Stellungnahmen scheint also nur begrenzte Resultate zu versprechen.

Kopenhagen/München 1983 und zu den gesellschaftlichen und politischen Strukturen des 18. Jahrhunderts Werner Conze, Artikel "Adel, Aristokratie" in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 Stuttgart 1972, 1-48; Johannes Runisch> Die deutschen Führungsgeschichten im Zeitalter des Absolutismus, in: Deutsche Führungsgeschichten in der Neuzeit. Eine Zwischenbilanz, hrsg. von H . H . Hofmann/G. Franz, Boppard a. Rh. 1980; Norbert Elias, Die höfische Gesellschaft. Untersuchung zur Soziologie des Königstunis und der höfischen Aristokratie, Neuwied/Berlin 1966. - Einen aufschlußreichen Einblick in Ausmaß und Tradition bürgerlicher Kritik an absolutistischen Herrschaftsformen eröffnet die Quellenanalyse Helmuth Kiesels, "Bei Hof, bei Holl". Untersuchungen zur literarischen Hofkritik von Sebastian Brant bis Friedrich Schiller, Tübingen 1979 (Studien zur deutschen Literatur, 60). 17 Johannes Kimisch zum 250. Geburtstag von Johann Wilhelm von Archenholz am 3. September 1991, in: Ostdeutsche Gedenktage 1991, 142-144. 18

Johannes Kunisch zum 250. Geburtstag, 143 (Hervorhebung U.R.).

19

Ebd., 144.

Α. Einleitung

Die Einschränkungen, die hier formuliert werden, weisen jedoch über das Werk Archenholz' hinaus. Sie stehen im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten, die eine nur auf ihre Inhalte begrenzte Definition von Aufklärung der historischen Forschung wie auch schon ihren Zeitgenossen bereitet 20. Es gilt daher, eine weitere Untersuchungsebene zu bestimmen, die Aufklärung unabhängig von ihren Inhalten und Positionen konstatieren läßt. Die Rekonstruktion aufgeklärten und aufklärerischen Bewußtseins, wie es der Lebensgestaltung, dem Selbstverständnis und dem Werk Archenholz1 zugrunde liegt, versucht, der Gesamtanalyse eine solche Ebene zu eröffnen. Damit soll zum einen der Relevanz auch einer "durchschnittlichen" Persönlichkeit fur die historische Untersuchung zu ihrem Recht verholfen werden 21 , da sich Bewußtseinsvorgänge den Bewertungskriterien definitiver intellektueller Leistungen entziehen, ja vielleicht sogar dort am aufschlußreichsten nachgebildet werden können, wo sie am typischsten zu vermuten sind - nämlich im Durchschnittlichen eher als im Herausragenden. Zum anderen soll der Forderung nachgekommen werden, ""Aufklärung" nicht von bestimmten Positionen her inhaltlich eingegrenzt, sondern vielmehr als formales Prinzip "zu begreifen", d.h. als bewußte Rationalisierung, als Erschließung aller Lebensbereiche durch autonome, instrumenteile Vernunft. " 2 2 So verstanden, kann einem weiten Aufklärungsbegriff Rechnung getragen werden, der Aufklärung nicht mehr als "konkreten soziokulturellen und sozioökonomisehen Wandel" 23 definiert, sondern den Zusammenhang dieser Wandlungsprozesse zu den zugrundeliegenden "allgemeinen intellektuellen und mentalitären Veränderungen" 24

20 Vgl. hierzu bes. Werner Schneiders, Die wahre Aufklärung. Zum Selbstverständnis der deutschen Aufklärung, Freiburg/München 1974, aber auch die ältere Forschungsarbeit von Elisabeth Heimpel-Michel , Die Aufklärung. Eine historisch-systematische Untersuchung, Langensalza 1928 sowie Stuke, Ait. "Aufklärung" in: Geschichtliche Grundbegriffe. - Wertvolle Beispiele für die zeitgenössischen Definitionsversuche von Aufklärung liefern Gerhard Funke, Hrsg., Die Aufkläning. In ausgewählten Texten dargestellt, Stuttgart 1963; Otto F. Best, Hrsg., Aufklärung und Rokoko, in: Die deutsche Literatur in Text und Darstellung, 5, Stuttgart 1976; Norbert Hinske, Hrsg., Was ist Aufklärung? Beiträge aus der Berlinischen Monatsschrift, Darmstadt 31981. 21 Vgl. dazu den Vorschlag H. Schutzes, eine Biographie und Strukturgeschichte verknüpfende "Darstellungsweise nicht allein auf die Beschreibung historisch herausragender Figuren anzuwenden, sondern auf gewissermaßen durchschnittliche Persönlichkeiten auszuweiten, um das fur ihre Zeit oder fur bestimmte Tendenzen Typische herauszuarbeiten". Schulze, Die Biographie in der "Krise der Geschichtswissenschaft", 513. 22 So gestellt von Barbara Stollberg-Rilinger, Der Staat als Maschine. Zur politischen Metaphorik des absoluten Fürstenstaats, Berlin 1986, 19. 23 Rudolf Vierhaus, "Patriotismus" - Begriff und Realität einer moralisch-politischen Haltung, in: den., Hrsg., Deutsche patriotische und gemeinnützige Gesellschaften (Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 8), München 1980, 9-29, hier: 10. 24

Rudolf Vierhaus

t

"Patriotismus", S. 10.

16

Α. Einleitung

herstellt, deren konkrete Untersuchung als ebenso dringlich wie methodisch schwierig erscheint 25. Die nachfolgende, historisch erklärende und deutende Monographie unternimmt den Versuch, diese notwendigen theoretischen Vorüberlegungen anhand einer Analyse des Lebens und des Werks Johann Wilhelm von Archenholz' einzulösen. Die These, die dementsprechend dieser Arbeit zugrunde liegt, lautet, daß im Falle Archenholz und der Aufklärung in Deutschland eine differenzierte Reziprozität besteht, die Aufklärung nicht als abstrakten Begriff, sondern als zeithistorisches Konkretum erschließen läßt. Dem Erkenntnisgehalt dieser These gemäß erfolgt dierichtungweisendeApostrophierung Archenholz' als 'Zeitbürger'. Die Untersuchung selbst wird also durch die permanente Fragestellung geleitet, inwiefern Aufklärung im Leben und im Werk eines ihrer Zeitgenossen greifbar ist und inwiefern dieser gleichzeitig einen Beitrag zur Aufklärung in Deutschland leisten kann. Die Gliederung folgt dem Anliegen, Thema und Frageansatz stimmig zu entwickeln. Angesichts der Vernachlässigung Archenholz' durch die neuere Forschung und in Anbetracht der biographischen Basis der vorliegenden Arbeit ist es unumgänglich, in einem ersten Untersuchungsabschnitt die notwendige Informationsgrundlage fur weiterfuhrende Analysen und Deutungen zu erarbeiten (Kap. B). Die hier gewonnenen Kenntnisse über Merkmale der Biographie und des Werks Archenholz' bilden den Ausgangspunkt fur die nachfolgenden Untersuchungsschritte. Bevor das Werk selbst in den Blick gerät, sind daher in einem nächsten, 3. Kapitel (C) die biographischen Daten aufzugreifen, die einen der Aufklärung verbundenen, bewußten Lebensentwurf Archenholz' verraten. Als solche lassen sich seine Europareisen und seine berufliche Lauf-

25 Rudolf Vierhaus weist in seinen Ausführungen zum "Politischen Bewußtsein in Deutschland vor 1789", in: Der Staat 6, 1967, 175-196, anläßlich seiner Forderung nach einer genauen Unterscheidung zwischen dem "Horizont der Zeit" und der "universalen Geschichtskonstellation" auf die diesbezüglich besonders problematische Untersuchung zur Bewußtseinsgeschichte hin, deren methodische Probleme außerdem noch zu wenig diskutiert seien (177). In ihren Studien zur "Aufklarung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung", Studien zum 18. Jahrhundert, Bd. 8, hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts, Hamburg 1987, greifen die Herausgeber Hans Erich Bödeker und Ulrich Herrmann in ihren einleitenden "Fragestellungen", 3-9, diese Forderung wieder auf und stellen sie nun besonders hinsichtlich einer genaueren Erforschung des politischen Bewußtseinswandels in Deutschland im Verlauf des 18. Jahrhundert (4). Bernd von Mänchow-Pohl liefert mit seiner Arbeit: Zwischen Reform und Krieg, Untersuchungen zur Bewußtseinslage in Preußen 1809-1812, Göttingen 1986, einen gelungenen Versuch zur Rekonstruktion von Bewußtseinsgeschichte. Vgl. zu seinen methodischen Überlegungen besonders das Kapitel "Bewußtsein und Bewußtheit: zur Begriffsklärung", 21-25.

Α. Einleitung

bahn als Schriftsteller und Publizist definieren. Der Frage, ob er seinem Werk selbst eine auiklärungsverpflichtete Konzeption unterlegt, ist im Anschluß nachzugehen (Kap. D). Eingedenk des zugrundeliegenden Erkenntnisinteresses, das im Falle Archenholz' nicht auf die abstrakte Begrifflichkeit von Aufklärung gerichtet ist, sollen hier Werkkriterien erschlossen werden, die Aufklärung veranschaulichen, ohne diese zwingend im Munde zu fuhren. Kategorien wie Werksystematik, Sammeln, Ordnen, Präsentieren und Deponieren geraten dabei ebenso ins Blickfeld wie seine maßgebende Werkintention der Wissenskomplettierung und Kenntniserweiterung. Damit ist der Grundstein fur die anschließenden zentralen Kapitel E und F gelegt, in denen rekonstruiert und analysiert werden soll, wie Archenholz sowohl den Geist als auch den zeithistorischen Hintergrund der Aufklärung in seinem Werk im einzelnen verinnerlicht, verarbeitet und veranschaulicht. Seine Stellung zu wichtigen Themen seiner Zeitgeschichte, die auf biographische Zusammenhänge verweist, gilt es hier genauso zu berücksichtigen wie seine wirkungsorientierte Arbeitsweise, die sich in Werkformen und Ausfuhrungsaspekten gleichermaßen niederschlägt. Nachdem so versucht wird, ein möglichst unvoreingenommenes Bild von Person und Wirken Archenholz' im Kontext der Aufklärung zu entwickeln, sollen in einem abschließenden Kapitel die Untersuchungserträge in ihrer Relation zu herrschenden Forschungsmeinungen zur Aufklärung gezeigt und diskutiert werden.

2 Rieger

Β. Daten und Fakten zu Johann Wilhelm von Archenholz I . Forschungsstand

Friedrich Ruofs Verdienst um eine umfassende Rekonstruktion der Lebensverhältnisse Archenholz' sowie seiner Beziehungen zu mitunter bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit macht seine Arbeit 1 bis dato zu einem wertvollen Ausgangspunkt jeder Beschäftigung mit Archenholz2. Seine Absicht, "eine Biographie Johann Wilhelms von Archenholtz zu geben, in der das Hauptgewicht auf die Darstellung der politischen Ansichten des Schriftstellers gelegt wird" 3 , löst Ruof unter Bezugnahme auf Archenholz' Schriften zur Französischen Revolution sowie auf Archivbestände ein, wobei seine Stellungnahmen weitgehend Deskription und Paraphrase bleiben. Sonstige Beurteilungen Archenholz' durch die historische Forschung knüpfen einstimmig an den Erkenntnisgehalt der Dissertation Ruofs an und/oder befassen sich nur mit einzelnen Werken. Die ausschließliche Konzentration auf Archenholz' Reisebeschreibung "England und Italien", seine Historiographie zur "Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutschland" sowie sein voluminöses historisch-politisches Journal "Minerva" geben dabei einen ersten Hinweis auf die Glanzpunkte seines Oeuvres. So findet sich Archenholz' Name auch heute in jeder Art anglophiler Literatur 4, sei es als Quelle 1 Friedrich Ruof, Johann Wilhelm von Archenholtz. Ein deutscher Schriftsteller zur Zeit der Französischen Revolution und Napoleons (1741-1812), Diss. Berlin 1915. 2 Auch in der Historischen Zeitschrift 1919, 535 f. wird Ruof entsprechend rezensiert. Der besonderen Würdigung der Verdienste Ruoß um die Biographie Archenholz' steht hier die Kritik an seiner fast ausschließlichen Berücksichtigung der Frankreichberichte Archenholz' gegenüber, die keinen Anspruch auf eine Würdigung seines Gesamtwerks erheben könne. 3

Ruof Vorwort, 1.

4 Hervorzuheben ist hieninter die neuere Arbeit von Michael Maurer, Aufklärung und Anglophilie in Deutschland, Göttingen 1987, die Archenholz neben Sophie de La Roche, Wendeborn, Lichtenberg, Eschenburg, Herder und Forster als "Repräsentanten der Anglophilie" ein Kapitel widmet (182-217). Maurer sieht die genannten Autoren, so auch Archenholz, allein durch ihre Anglophilie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufklärung; entsprechend pointiert behandelt er Archenholz' Englandbild. Außerdem macht er sich zur Darstellung einer Kurzvita Archenholz* um die Einsicht in unveröffentlichte Briefwechsel desselben verdient, kommt jedoch trotzdem nicht über Ruofs Informationsstand hinaus.

I. Forschungsstand

19

fur historische Untersuchungen über London5, als Autorität sogar der England betreffenden "Kunstliteratur des Klassizismus und der Romantik"6 oder als eine der unumgänglichen Kenner, mit deren "Augen" ein "humorvoll treffendes Bild Englands und der Engländer" entworfen werden kann7. Den durchgängig positiven Rezensionen der Geschichtsschreibung Archenholz* zum Siebenjährigen Krieg 8 und ihrer wiederholten Betonung der jeweiligen, aktuellen Relevanz dieses Werks entspricht jüngst seine geschichtsphilosophische Interpretation "Zur Theorie und Methode historischer Zeitbestimmung"9; der einzigen kritischen Bearbeitung Archenholz' im Rahmen einer Quellenanalyse.

5 Dorothy George, London and the life of the town, in: Johnson's England. An Account of the Life and Manners of his Age, ed. by A.S. Turberville, Vol. I, Oxford 1933, 160-192 passim. George nimmt Bezug auf Archenholz' Urteil über England im internationalen Vergleich sowie auf seine Beschreibungen der Londoner Einkaufsmöglichkeiten, Kaffeehauser, Theater und Teegäiten. 6 Johannes Dobai, Die Kunstliteratur des Klassizismus und der Romantik, Bd Π, 17501790, Bern 1975. Im Zuge einer Besprechung von zwanzig Reisebeschreibungen zu England (396-416) erläutert Dobai die Bemerkungen Archenholz' hinsichtlich der Künste und Architektur Londons (403-405). Obwohl Dobai Archenholz ein Interesse an Stilphänomenen abspricht, ist es fur ihn doch gerade dieser "Blickwinkel eines gewöhnlichen Besuchers", aus dem Archenholz beschreibt, der ihn in Relation zu den hier behandelten englischen Reisebeschreibungen zu der ergiebigsten mache. 7 Henning Schlüter, Ladies, Lords und Liedeijane, Mit einem Essay von Philippe Jullian "Der exentrische Engländer", Dortmund 1981 (Die bibliophilen Taschenbücher Nr. 241), passim. Hier: Vorwort. Ausfuhrliche Archenholz-Zitate finden sich hier unter den Rubriken: "Ankunft in Albion", "My home is my castle", "Damen und Dandies", "High Society", "Spleen und Hobby", "Bettler, Quacksalber und Galgenvögel", "Lustmädchen", "Musen" und "Die schöne Engländerin". Die immer noch lebendige Anschauungskraft der England-Charakteristik Archenholz' ist dadurch amüsant belegt. 8 Dies betrifft sowohl zeitgenössische als auch spätere Rezensionen. Vgl. etwa den "Anzeiger des Teutschen Merkur", Sept. 1788,1, Neue Bücher, 108, ff.; Johann Georg Meusel, Das Gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden Teutschen Schriftsteller, 1. Bd., Lemgo 1796, 86 ff.; Karl Heinrich Jördens, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten, 1. Bd., Leipzig 1806, 59 ff.; Johann Samuel Ersch u. J.G. Gruber, Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, 5. Theil, Leipzig 1820, 134 ff. Die Inhalte dieser zeitgenössischen Rezensionen werden in der "Kritischen Werkübersicht" (Kap. B.III) zur Sprache kommen. Vgl. außerdem Franz Xaver Wegele, Geschichte der deutschen Historiographie seit dem Auftreten des Humanismus, München/Leipzig 1885, 959 f., der Archenholz' "Siebenjährigen Krieg" als hervorragendes Beispiel für eine Zeitgeschichtsschreibung im Zusammenhang der deutschen Geschichtsschreibung zur Zeit Friedrichs Π. würdigt sowie Karl Theodor Heigel, Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zur Auflösung des alten Reiches, 1. Bd., Stuttgart 1899, 23 f., der besonders die Relevanz dieser Geschichtsschreibung Archenholz' "bis zum heutigen Tage" (1899) hervorhebt. 9 Koselleck, Vergangene Zukunft, 162-170. Auf diese Interpretation wird im Zuge der geschichtsphilosophisch relevanten Aspekte im Werk Archenholz' einzugehen sein (Kap. F.II).

20

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

Entsprechend dem ausgeprägten wissenschaftlichen Interesse an der Französischen Revolution gerät die Zeitschrift "Minerva" immer wieder ins Blickfeld historischer Arbeiten zur deutschen Revolutionsrezeption10. Außer der Paraphrasierung der Positionen, die die "Minerva" und Archenholz zur Französischen Revolution einnehmen11, wird in diesem Zusammenhang auch Archenholz ' Beitrag zur politischen Tagesdebatte gewürdigt 12 sowie sein Name im Zusammenhang mit "The French Revolution and German Public Opinion" angeführt 13. Überdies entdeckt Jacques D'Hondt die brisanten Frankreich-Artikel in der "Minerva" als eine der "sources cachées de la pensée de Hegel", die er in seinem Buch "Hegel Secret" 14 recherchiert. Damit

10 Schon Jacques Droz räumt in seiner umfassenden Arbeit zu "L'Allemagne et la Révolution Française", Paris 1949, passim, Archenholz einen nicht unwichtigen Platz unter den deutschen Revolutionsrezipienten ein. Die jüngere französische Forschung folgt diesem Beispiel, vgl. etwa Alain Ruiz , Agents de la propagande révolutionnaire en Allgemagne de 1789 à 1792: Les voyageures et leurs récits sur la France, in: Deutschland und die Französische Revolution, hrsg. von Jürgen Voss, München/Zürich 1983 (Beiheft der Francia, Bd. 12), 82-97 und Gonthier-Louis Fink, La littérature allemande face à la Révolution française (1789-1800), in: Deutschland und die Französische Revolution, hrsg. von Voss, 249-300. - Auch im Rahmen biographischer Arbeiten zu wichtigen deutschen Revolutionsanhängern gerät Archenholz ins Blickfeld, so im Falle seiner beiden kurzfristigen Mitarbeiter an der Minerva, Reinhard und Oelsner. Vgl. Wilhelm Lang, Graf Reinhard. Ein deutschfranzösisches Lebensbild (1761-1837), Bamberg 1896 (hier: 76-80 zur Minerva und Archenholz' Haltung zur Französischen Revolution) sowie Klaus Deinet, Konrad Engelbert Oelsner und die Französische Revolution. Geschichtserfahrung und Geschichtsdeutung eines deutschen Girondisten, München/Wien 1981 (Ancien Régime, Aufklärung und Revolution, hrsg. von Rolf Reichardt und Eberhard Schmitt, Bd. 3), passim. - In der wichtigen jüngsten Quellensammlung deutscher Stellungnahmen zur französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Die Französische Revolution im deutschen Urteil, hrsg. von Wolfgang von Hippel, München 1989, wird Archenholz nicht berücksichtigt. Anders hingegen in der früheren Sammlung von Claus Träger, Hrsg., Die Französische Revolution im Spiegel der deutschen Literatur, Frankfurt a.M. 1979, 700 ff., die Archenholz' "Politisches Glaubensbekenntnis" aus dem Jahr 1792 sowie sein Fragment über "Die Pariser Jakobiner" von 1793 unter der Rubrik der Stellungnahme von "Publizisten und Journalisten" (635 ff.) wiedergibt. 11 So z.B. bei Lang, Graf Reinhard oder bei Philipp Rudolf,\ Frankreich im Urteil der Hamburger Zeitschriften in den Jahren 1789-1810, Hambuig 1933. Rudolf paraphrasieit vor allem Archenholz' Urteilswandel nach Revolutionsausbruch (23 ff.), seine Einschätzung Napoleons (29) sowie im Rahmen seines Kapitels über den "französischen Nationalcharakter" Archenholz' Äußerungen über die französische Eitelkeit und die Überheblichkeit der französischen Journalisten (43 ff.). 12 Besonders Otto Tschirch t Geschichte der öffentlichen Meinung in Preußen vom Baseler Frieden bis zum Zusammenbruch des Staates (1795-1806), 2 Bde., Weimar 1933, passim, würdigt in seinem Themenzusammenhang den wesentlichen Beitrag Archenholz' zur politischen Tagesdebatte und ihrer Auseinandersetzung mit Preußen, der Französischen Revolution und dem Auftreten Napoleons. 13 Vgl. Frederick Hertz , The Development of the German Public Mind, A Social History of German Political Sentiments, Aspirations and Ideas, Vol. Π: Age of Enlightenment, London 1962, 425.

Π. Biographie

21

verhilft er der Vorstellung von Archenholz' zeitgenössischer Bedeutung und seinem Einfluß zu einem eindrucksvollen Beispiel. Der Überblick über die bisherige Erforschung des Lebens und Werks Archenholz' zeigt die einseitige oder nur punktuelle Weise, in der Archenholz bisher beachtet wurde. Eine zeitgemäße und umfassende Aufarbeitung seiner Biographie und seines Gesamtwerks stellt sich daher als die Aufgabe, die die vorliegende Arbeit einzulösen hat.

I I · Biographie 1. Herkunft und Jugend

Über die "Genealogie der Familie von Archenholtz" 15 gibt ein Aufsatz in der "Zeitschrift fur niedersächsische Familiengeschichte"16 die detaillierteste Auskunft 17 . Demnach wurde Johann Wilhelm von Archenholz am 3. Septem-

14 Jacques D'Hondt, Hegel Secret, Recherches sur les sources cachées de la pensée de Hegel, Paris 1968, 7-43. D'Hondt fuhrt hier den Nachweis des maßgeblichen Einflusses der Minerva auf das Denken Hegels und befaßt sich daneben mit den Kontakten und Informanten Archenholz' zur Zeit der Französischen Revolution. Er versucht außerdem eine Beantwortung der Frage, ob die schwankende Haltung Archenholz' aus persönlichem Wankelmut oder politischer Überlebensklugheit resultiert, die durch die vorliegende Arbeit beantwortet werden soll. 15 An dieser Stelle sei auf die zwei unterschiedlichen Schreibarten: Archenholz bzw. Archenholtz verwiesen. Archenholz selbst benutzt in seinen Briefwechseln, etwa mit Gleim, die letztere Schreibweise; seit 1791 ist er jedoch im Druck in der verkürzten Form zu finden. Dieser Form bedient sich die vorliegende Arbeit. Vgl. dazu auch Ruof, 6, Anm. 3. 16 Otto Stein, Zur Genealogie der Familie Archenholtz, in: Zeitschrift für niedersächsische Familiengeschichte, Jg. 8, Hamburg 1926, 181 f. Dieser Aufsatz findet hier starke Berücksichtigung, da er den Ausführungen Ruofs aus dem Jahr 1915 noch nicht zugrunde lag und Aussagen wie die einer Herkunft Archenholz' aus einer alten hannoveranischen Adelsfamilie in Frage stellt. So geschehen in E.H. Knetschke, Neues allgemeines Deutsches Adelslexikon, 1. Bd., Leipzig 1859, 98 oder Kunisch, Archenholtz, in: Ostdeutsche Gedenktage 1991, 142. 17 Die biographischen Quellen rekrutieren sich im Falle Archenholz' aus seinen eigenen diesbezüglichen Erwähnungen in seinen Werken sowie aus seinen Briefwechseln, die Ruof auf diese Fragestellung hin umfassend ausgewertet hat und die in ihrem Informationsgehalt zeitgenössischen Stellungnahmen entsprechen. So stützt sich die vorliegende Rekonstruktion der Biographie Archenholz' außer dem genealogischen Aufsatz O. Steins und der Dissertation F. Ruofs auf Eigenaussagen Archenholz' in seinen Schriften sowie auf zeitgenössische und spätere Nachschlagewerke: Meusel, Das Gelehrte Teutschland; Jördens, Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten; Ersch, Allg. Encyclopädie der Wissenschaften und Künste; Hans Schröder, Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, 1. Bd., Hamburg 1851, 84 ff.; H.J. Meyer,

22

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

ber 1743 18 zu Langfuhr bei Danzig geboren und dort drei Tage später in der St. Marienkirche getauft 19. Hier waren am 16. Oktober 1738 auch Archenholz' Eltern getraut worden, Daniel Archenholtz 20, Wachtmeister Leutnant und später Hauptmann im Kriegsdienst der freien Reichsstadt Danzig 21 und Charlotta Louisa Schmidt, Tochter des Boguslaus Gottfried Schmidt, ehemaliger kommandierender Leutnant auf der Westerschanze vor der Weichselmündung, und der Eva Catharina geb. Wandern 22 . Aus dieser Ehe gingen drei weitere Kinder hervor, die jedoch noch im Kindesalter starben 23, ebenso wie Archenholz' Mutter schon zwischen 1745 und 1749 der Tod ereilte 24 . Daniel Archenholtz heiratete in zweiter Ehe Maria Gertrud Rothenburg, die ihm die Söhne Franz Theodor und Karl Ludwig schenkte25. Nach dem Tod von Archenholz1 Vater um 1758 26 ehelichte seine Stiefmutter den Amtsschreiber Johann David Hanke 27 . Der Ehe waren zwei Töchter beschieden, die nach dem Tod ihrer Eltern im Jahr 1786 bzw. 1791 2 8 gemeinsam mit ihren beiden Halbbrüdern Franz Theodor und Karl Ludwig den Grundbesitz erbten 29 . Blieb Archenholz bei dieser Erbschaft auch unberücksichtigt, so findet sich sein Name doch an anderer Stelle: Unter Zeugen wurde ihm,

Neues Conservations-Lexikon fur alle Stände, 1. Bd., Hildburghausen/New York 1857, 1126 f.; ADB 1, 8196, 511 f.; Karl Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen, Bd. 6, Leipzig/Dresden/Berlin 21898, 280 ff.; Handbuch der Zeitungswissenschaft, hrsg. von W . Heide, Bd. 1, Leipzig 1940, 239 ff.; NDB 1, 1953, 335 f. 18 Über das genaue Geburtsjahr Archenholz' besteht keine Sicherheit. Die Angaben variieren zwischen 1741, 1743, 1745 und 1748. Eine Festlegung scheint umso schwieriger, da das Totenregister der Kirche zu Steinbeck bei Hambuig von 1741 spricht - eine Angabe, auf die sich Ruof noch beruft (135), damit aber dem von O. Stein herangezogenen Taufregister widerspricht. Vgl. zu dieser Problematik auch die Ausführungen Ruofs, 135 f. 19

Stein, Genealogie, 181.

20 Im Taufregister fuhrt Archenholz als zweiten Vornamen noch den seines Vaters Daniel. Ein Grund für seinen späteren Wechsel ist nicht ersichtlich. 21

Vgl. Ruof, 6.

22

Stein, Genealogie, 181.

23 Stein, Genealogie, 181. Stein erwähnt auch die Taufe einer Schwester Archenholz' am 14.2.1741, wodurch seine Geburt im September des gleichen Jahres unwahrscheinlich wird. 24

Stein, Genealogie.

25

Ebd.

26 Archenholz' Eintritt ins Berliner Kadettenkorps 1757 erfolgte also wahrscheinlich nicht zuletzt unter dem Einfluß des Vaters. 27

Ebd.

28

Ebd.

29

Ebd.

Π. Biographie

23

Johann Wilhelm Archenholz, die Hinterlassenschaft des am 11.9.1773 verstorbenen Bruders seiner Mutter als alleinigem Erben zugestanden30. Mit diesen Auskünften zu Archenholz' Familienverhältnissen sind die Angaben, die über seine Jugendjahre vorliegen, schon erschöpft 31. Interessante Fragen wie die nach seiner schulischen Ausbildung, dem gesellschaftlichen Umfeld seiner Familie oder seinen Lebensumständen bleiben damit unbeantwortet. F. Ruof spricht - ohne Beleg - von einer Übersiedlung der Familie Archenholz nach Berlin 32 und antizipiert so gleichsam Archenholz' Eintritt in das dortige Kadettenkorps im Jahr 1757, dem einzigen uns vorliegenden Hinweis auf seine Ausbildung. Daß diese eine militärische sein mußte, ergab sich wohl weniger aus dem zu dieser Zeit tatsächlichen Wohnort seiner Familie als vielmehr aus der militärischen Tradition, die die bürgerliche Familie Archenholz' sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits pflegte.

2. Militär- und Kriegsdienst

Am 4. Juni 1757 erfolgte Archenholz' Aufnahme in die Berliner Kadettenanstalt 33 , also bereits nach dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges in Deutschland. Dementsprechend fand seine militärische Erziehung ihre schnelle praktische Umsetzung: Bereits anderthalb Jahre später, im Dezember 1758, wurde Archenholz mit 39 anderen Kadetten ins preußische Hautquartier nach Breslau verlegt 34 , in welchem ihn der König am 27. Januar 1759 als "Gefreite-Korporal" dem Regiment Forcade Nr. 23 zuteilte 35 . Mit diesem Regiment nahm Archenholz nun in den folgenden Jahren an verschiedenen Schauplätzen an Einsätzen des preußischen Heeres im Siebenjährigen Krieg teil: Dem Winterfeldzug in Sachsen im Jahr 1759 folgte zunächst die Belagerung von

30

Ebd.

31 Die sonstigen, unter Anm. 3 aufgeführten Quellen geben ebensowenig Auskunft über Archenholz* Herkunft und Jugend wie Archenholz selbst. 32

Ruof; 6.

33

Vgl. Ruof 6; Stein, Genealogie, 181.

34 Vgl. Archenholz, Geschichte des Siebejahrigen Krieges in Deutschland von 1756 bis 1763, Mannheim 1788, 214 f., (im folgenden abgekürzt als Geschichte). 35 Ruof 7; Stein, Genealogie, 181. Archenholz selbst schildert in seiner Geschichte wiederholt die kriegerischen Taten dieses Regiments, vgl. etwa 86, 152, 203.

24

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

Dresden 36 . Sein persönlicher Aufstieg blieb nicht aus; er wurde im November 1760 zum Offizier befördert 37. Als solcher kämpfte er in den Schlachten von Liegnitz und Torgau 38 sowie beim Sturm auf die Süptitzer Höhen 39 . Die Verwundung, die er sich bei diesem Angriff zuzog, zwang ihn danach zu einer einjährigen Rekonvaleszenz in Leipzig 40 . Im März 1761 kehrte Archenholz zu seinem in Altenburg stationierten Regiment zurück 41 , mit dem er 1762 das Winterquartier vor Breslau bezog 42 . Nach dem Hubertusburger Friedensschluß vom Februar 1763 erhielt Archenholz seinen Abschied aus militärischen Diensten, der mit einer nochmaligen Beförderung sowie möglicherweise einer Nobilitierung 43 verbunden war. Dazu heißt es in einem Brief des Kabinettsekretärs des Königs an die Geheime Kriegskanzlei: "Se. Majestät haben dem wegen Blessuren verabschiedeten Fähnrich von Archenholtz vom Forcadeschen Regiment die Dimmission als Captain zu erteilen accordiert. 1,44 Im weiteren Verlauf seines Lebens führte Archenholz seinen Namen unter Hinzufugung sowohl des Adelstitels als auch des hier erteilten Hauptmannspatents45. Daß trotz dieser Auszeichnungen schon unter Archenholz' Zeitgenossen Uneinigkeit über seinen Entlassungsgrund herrschte, verdeutlicht stellvertretend ein Zitat aus dem biographischen Nachruf eines langjährigen Freundes und Mitarbeiters Archenholz': Demzufolge erhielt Archenholz "als Hauptmann seinen Abschied, weil er dem König Friedrich II. von einer nicht vorteilhaften Seite, besonders als ein leidenschaftlicher Spieler, bekannt geworden war. h 4 6

36

Archenholz, Geschichte, 1788, 152.

37

So Ruof, 7, laut einer gefl. Mitteilung der Geh. Kriegskanzlei Berlin.

38

Zur Schlacht von Torgau vgl. Archenholz, Geschichte, 1788, 203 f.

39

Ruof 7.

40

Ebd.

41

Ebd.

42

Archenholz, Geschichte, 1788, 252 f.

43 Archenholz' Name erscheint hier zum ersten Mal mit dem Titel, den er danach stets führte. Auch das widerspricht den Aussagen von seiner alten hannoveranischen Adelsfamilie. 44

Stein, Genealogie, 181.

45 Seine Eigenbezeichnung als "vormals Hauptmann in Kgl. Preuß. Diensten", die er seit Beginn der 80er Jahre seinen literarischen und publizistischen Werken hinzufugte, gibt einen Hinweis auf seinen bewußt betriebenen sozialen Aufstieg. 46

Ersch, All. Encyclopädie, 5. Th., 134.

25

Π. Biographie

3. Reisen

Die Spekulationen um Archenholz' Spielleidenschaft und fragliche Lauterkeit betreffs sonstiger Geldgeschäfte verstummten auch im nächsten, vorberuflichen Abschnitt seines Lebens nicht, der ihn in einem Zeitraum von sechzehn Jahren auf Reisen durch ganz Europa führte 47 . Seinen eigenen Aussagen zufolge besuchte Archenholz zwischen 1763 und 1799 "alle Provinzen Deutschlands, die Schweiz, England, Holland, die Oesterreichischen Niederlande, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen und Pohlen" 48 und überdies jedes dieser Länder mehrmals. 49 Die Frage nach der Finanzierung einer solch umfangreichen Unternehmung kann nicht ausbleiben, ist jedoch auch heute nicht eindeutig zu beantworten. 50 Aus seinem Reisebericht über England und Italien wissen wir, daß Archenholz die Zeit seines Reisens zum Studium wichtiger Schriften und Schriftsteller seiner Zeit verwandte 51, ansonsten jedoch zum intensiven "Menschenstudium"52. Dieses Hauptinteresse führte ihn während der sechs Jahre seines Aufenthalts in England53 zu unzähligen Besuchen des Parlaments, der Gerichtshöfe und Debattierclubs sowie jedweder Stätten menschlicher Geselligkeit. 54 Da Archenholz über die sonstigen Stationen seiner Reisejahre keine eigenständigen Berichte liefert, bleibt anzunehmen, daß er, wie im Falle Englands und Italiens, die jeweils landestypischen Gesellschafitsinstitutionen

47 Ruof geht in seinem Kapitel über "Strittige Fragen" zum "Vorleben J.W. v. Archenholtzens" (135 ff.) ausfuhrlich auf die zeitgenössischen Spekulationen um Archenholz' unsolide Lebensweise und Geldbeschaffung während seiner Reisejahre ein, die seinen Namen wiederholt mit Glücksspiel und abenteuerlichen Kreditgeschäften in Zusammenhang bringen (138). 48 213.

Vgl. Archenholz, England und Italien, Carlsruhe 1791, 1. Theil X I und ebd., 5. Theil,

49 Ebd.; vgl. auch Archenholz an Gleim, 30. Aug. 1794: Archenholz betont seine mehrfachen Aufenthalte in Polen, durch die er sich zu einem gerechten Urteil über den polnischen König befähigt glaubt. 50 Stein gibt in seiner "Genealogie" Auskunft über das besagte Erbe Archenholz' zu Ende des Jahres 1773; weitere Anhaltspunkte liegen nicht vor. 51 Ruof hebt unter diesen besonders Voltaire, Montesquieu hervor (8). 52

Helvetius, Rousseau, Raynal und

Archenholz, England und Italien, 1791, Vorbericht ΧΠ.

53 Ebd., 1. Theil, X I . Demnach hält sich Archenholz zwischen 1769 und 1779 in wechselnden Abständen die meiste Zeit in England auf. 54

Archenholz, England und Italien, 1. Theil, X I , passim.

26

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

und Sehenswürdigkeiten aufsuchte, im übrigen jedoch vornehmlich um die Kontaktaufhahme und -pflege mit für ihn interessanten Persönlichkeiten der Gesellschaft bemüht war. 5 5 Ein definitives Ende fand Archenholz' langjährige Reisetätigkeit schließlich durch einen Unfall in Rom, der zu einer lebenslangen Lähmung seines Fußes führte. 56

4. Literarisch-publizistisches Wirken: Kontakte und Projekte in Dresden, Berlin, Paris und Hamburg

Außer gesundheitlichen Gründen waren es wohl in erster Linie finanzielle, die Archenholz nicht nur zur Beendigung seines Reisens, sondern zum Entschluß einer Erwerbstätigkeit veranlaßten. Er entschied sich im Alter von fast 40 Jahren zu einer Laufbahn als Schriftsteller und Publizist, in deren inhaltlicher und praktischer Gestaltung er sich stets seinen Militär- und Reisejahren verbunden zeigte. Die nun folgenden 30 Jahre seines beruflichen Wirkens zeichneten sich in konzeptioneller Hinsicht durch das Bemühen aus, sowohl durch die Wahl seiner Wohnorte als auch durch die Kontaktaufhahme mit literarisch und gesellschaftlich bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit seinem ausgeprägten Interesse am Zeitgeschehen eine jeweils aktuelle und effiziente Basis zu verschaffen. 57 Als ersten ständigen Wohnsitz wählte Archenholz um 1780 die sächsische Hauptstadt Dresden. 58 Von diesem Brennpunkt gesellschaftlichen und kulturellen Lebens aus unterhielt er Beziehungen zur nicht fernen Buchhandelsund Messestadt Leipzig sowie zum aufgeklärten Dessau.59 Seinem persönlichen, schon in seinen Reisejahren hervortretenden Interesse an der Literatur und den Menschen des Landes entspricht seine Zeitschrift "Litteratur- und Völkerkunde", mit der er im Jahr 1782 seinen beruflichen Einstieg begründete. Als Mitarbeiter dieser schließlich als "Neue Litteratur- und Völkerkunde"

55

Ebd., 5. Th., 229.

56

Ebd., 247. Vgl. auch Ersch, Allg. Encyclopädie, 134.

57 Dieses Unterkapitel nimmt Archenholz' Werke nur unter biographischen Aspekten in den Blick. Nähere Ausführungen erfolgen in den entsprechenden Kap. dieser Arbeit. 58

Vgl. Ersch, Allg. Encyclopädie, 133.

59 Vgl. zu Archenholz' Beziehungen zu Leipzig und Dessau Ruof, 15; Archenholz, Neue Litteratur- und Völkerkunde, 3. Bd., 1783, 274; Viscount Goschen, Das Leben Georg Joachim Göschens, 2 Bde., Leipzig 1905, hier: 1. Bd., 125, über Archenholz' Beziehung zur "Verlagskasse" und "Buchhandlung der Gelehrten" in Dessau.

Π. Biographie

27

bis 1791 fortgesetzten Zeitschrift konnte er außer dem Romanschriftsteller Meissner den Musiker Naumann sowie Oberkriegsrat Neumann gewinnen. Im Hause des letzteren lernte er Schiller kennen 60 ; eine Begegnung, die zu einer bleibenden wechselseitigen Hochachtung und späteren Zusammenarbeit fuhren sollte 61 . Aus dieser Zeit stammte ebenso die Verbindung zum Verleger Göschen, der trotz anfänglicher Schwierigkeiten nicht zuletzt wegen der positiven und lukrativen Rezeption der besagten, zunächst bei ihm verlegten Zeitschrift an Archenholz festhielt und mit ihm eine dauerhafte Freundschaft pflegte 62 . In eindringlicher Weise dokumentiert Archenholz1 zweites, diesmal gänzlich eigenständig verfaßtes Werk seiner Dresdner Jahre seine Verbundenheit mit seiner langen Reisezeit: die zunächst zweibändige, dann funfbändige Reisebeschreibung "England und Italien". Mit dieser Darstellung traf er so sehr das politische und anglophile Interesse seiner Zeitgenossen, daß sie bald zu den meistgelesensten Reisebeschreibungen avancierte. Die diesen ersten literarischen und publizistischen Erfolgen Archenholz' entsprechende Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse blieb nicht aus, was ihm 1786 die Heirat mit Sophie von Roksch, Tochter einer angesehenen Dresdner Familie, ermöglichte 63. Der Familiengrundung folgte ein erster Ortswechsel nach dem Beginn seines literarisch-publizistischen Wirkens, der durch berufliche Ambitionen veranlaßt wurde. Archenholz selbst gibt als Grund fur seinen ersten Aufenthalt in Hamburg während der Jahre 1786/87 bis 1790 ausschließlich seinen Plan zur Herausgabe englischer Zeitschriften an, wofür er Hamburg wegen seiner Verbindung mit England und der naturgemäß hier früh erhältlichen Nachrichten von der britischen Insel als die "bequemste Stadt Deutschlands" bezeichnet64. Ein Brief Wielands, mit dem Archenholz zu dieser Zeit schon einen freundschaftlichen Kontakt pflegte 65 , läßt jedoch vermuten, daß womöglich die strenge sächsische Pressezensur Archenholz' Unternehmungen im Wege stand; so schreibt er 1786 an Archenholz: "Alle Anscheinungen müßten mich sehr

60 Zur Bekanntschaft Archenholz* mit Meissner, Neumann und Naumann, Schiller und auch Körner vgl. J. Minor, Schiller, Sein Leben und seine Werke, 2. Bd., Berlin 1890, 431 ff. 61

Vgl. Karl Goedeke, Hrsg., Geschäftsbriefe Schillers, Leipzig 1875, Nr. 6, 7, 77 u. 81.

62 Zum Verhältnis Archenholz' zum Verleger Göschen vgl. besonders Goschen, Das Leben G.J. Göschens, 1. Bd, 125 f. 63

Stein, Genealogie, 181; Ruof, 20.

64

Archenholz, Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1. Bd., 1787, Anhang, 2.

65

Vgl. die Zueignung seiner Reisebeschreibung "England und Italien" an Wieland.

28

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

betrügen, wenn es nicht Ihr guter Genius war, der Ihre Wahl eines Wohnortes fur Hamburg bestimmte. Außer vielen anderen Vorteilen, die ich nicht zu nennen brauche, so Sie dabey gewinnen, scheint mir der einzige Umstand, daß man in H. Lufi der Freyheit atmet, für einen Geist wie der Ihrige und fur einen Schriftsteller, der auf das Fari Quae Sentiat ... einen so hohen Werth legt, sehr wesentlich zu seyn." 66 Daß Archenholz dann tatsächlich seinem unvermindert intensiven Interesse an England in seinen ersten Hamburger Jahren durch vielfaltige Projekte nachkam, zeigt nicht nur ein Übersetzungswerk englischer Sprache, sondern auch eine ganze Anzahl England-orientierter Zeitschriften, an deren vorderster Stelle seine langlebige Jahrbuchunternehmung, die "Annalen der Brittischen Geschichte", zu nennen ist. Für die Mitarbeit an den "Annalen" konnte Archenholz u.a. so kompetente Leute wie Georg Forster und den Literaturhistoriker Eschenburg gewinnen67. Von herausragender Bedeutung fur seine persönliche Biographie und fur die deutsche Literatur gleichermaßen wurde Archenholz' 1789 erscheinendes Geschichtswerk zum Siebenjährigen Krieg, in der ihm aus der Perspektive des zeitweiligen Augenzeugen eine klassische Darstellung gelang, die ihm sein Ansehen in Mit- und Nachwelt endgültig sicherte. Sein aus seiner Militärzeit herrührendes Engagement fur Preußen manifestierte sich zu dieser Zeit überdies in der jeder weiteren persönlichen Autoren- oder Herausgeberschaft beigefugten Titulierung "vormals Hauptmann in Kgl. Preuß. Diensten" sowie in einem erneuten Wohnortwechsel. 1790 übersiedelte er nach Berlin, um sich laut eigener Angaben im Umkreis der noch lebenden Zeugen des Siebenjährigen Krieges aufzuhalten und so erstrangiges Material für eine erweiterte Neufassung seines Werkes zu sammeln68. Den Umzug nach Berlin nutzte er außerdem zu einem kurzen Aufenthalt in Braunschweig, wo er außer dem erwähnten Eschenburg bekannte Persönlichkeiten wie etwa Campe, Gleim und Herzog Ferdinand traf 69 .

66 Wieland an Archenholz, Weimar 1786, gedruckt in: Tübinger Morgenblatt für gebildete Stande, 1828, Nr. 125. - Zu den Hervorhebungen innerhalb der Quellen - Zitate Archenholz' sei erwähnt, daß dieser Betonungen durch Groß- und Fettdruck präsentiert. Der Einheitlichkeit des Schrifttyps willen werden diese hier in Kursivschrift gesetzt wie im fortlaufenden Text. 67 Beide arbeiten in den Annalen an den jeweiligen Kapiteln zur englischen Literaturgeschichte. 68

Vgl. Archenholz, Zweite, vermehrte und veibesserte Ausgabe, 1793, Vorwort.

69

Vgl. Ruof, 24.

Π. Biographie

29

Dem Drang nach größtmöglicher Unmittelbarkeit zum Geschehen, welche Archenholz während seiner Militär- und Reisezeit erlebte und anschließend mit großem Erfolg literarisch verarbeitete, ist es wohl zuzuschreiben, daß er sich im Jahre 1791 dazu entschloß, mit seiner ganzen Familie 70 nach Paris umzusiedeln, "um die politischen Wunder in der Nähe anzustaunen. " 7 1 Geleitet von dem Ehrgeiz, aus dieser Reise "Vorteil zu ziehen, insoweit ein spekulativer Schriftsteller, ... davon profitieren kann" 72 , machte er sich im September 1791 auf den Weg über Straßburg nach Paris, den er selbst wenig später detailliert schilderte 73. In der französischen Hauptstadt selbst fand er wie stets schnellen gesellschaftlichen Anschluß. Er suchte den Klub des Malers Füssli auf, in dem sich außer Graf Gustav von Schlabrendorff einige andere Deutsche zusammenfanden, wie z.B. Karl Friedrich Reinhard und Konrad Engelbert Oelsner, die Archenholz beide als Hauptmitarbeiter seiner neuen Zeitschrift "Minerva" gewinnen konnte 74 . Die kommenden zehn Monate seines Aufenthaltes in Paris gestaltete Archenholz ähnlich wie seine Reisen: Seinem Interesse am Studium des Volkes und an der Politik folgend, besuchte er Theater, Klubs, aber auch Tumulte sowie Gerichtshöfe, Ratsversammlungen und nicht zuletzt die Nationalversammlung75. Er suchte den Kontakt zu Mitgliedern der Legislative, besonders der Gironde 76 , und machte die Bekanntschaft Justus Bollmanns77, mit dem er seine starke Verehrung fur La Fayette 78 teilte. Archenholz konzentrierte sich ansonsten während dieser Monate ganz auf seine Berichterstattung über Frankreich, fur die er eigens seine historisch-politische Zeitschrift "Minerva" ins Leben rief. Er wurde jedoch im März 1792 ein einziges Mal direkt politisch aktiv, indem er im

70 Die Angaben zu Archenholz' Kinderzahl variieren. Nach Stein, Genealogie, 182, überlebten drei seiner Kinder das Kindesalter. 71

Archenholz an Campe, zit. nach Ruof\ 32.

72

Ebd.

73 Archenholz in seiner "Minerva. Ein Journal historisch-politischen Inhalts", 1. Bd., 1792, "Reise des Herausgebers nach Paris", 3-7. 74 Vgl. Lang, Graf Reinhard, 76-80; Deinet, K.E. Oelsner und die Französische Revolution, passim. 75

Vgl. Archenholz' Frankreichberichte in der Minerva, passim.

76

Minerva, 1792, 1. Bd., 2 und 1795, 2. Bd., 499 ff.

77

Vgl. Ruof 37.

78 Archenholz engagiert sich in mehreren Aufsätzen für den inhaftierten La Fayette. So z.B. Minerva, 1796, 3. Bd, 96-102, "Zur Geschichte der Unterdrückung unserer Zeit". J. Bollmann hatte sich fur eine letztlich mißglückte Fluchthilfe La Fayettes aus Olmütz stark gemacht. Archenholz wurde insofern persönlich von dessen Schicksal berührt als sich die Familie La Fayettes auf ihrer Flucht aus Frankreich bei Archenholz einfand und dort für einige Tage aufhielt. Vgl. "Frau von Lafayette", in: Minerva 1808, 2. Bd., 377-390.

30

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

Rahmen einer Umgestaltung des Unterrichtswesens durch die Legislative dieser eine Denkschrift zur öffentlichen Erziehung sendete79. Es war bestimmt nicht dieser Schrift, sondern Archenholz1 Freimütigkeit zuzuschreiben, daß er sich nach Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Österreich im April 1792 schon zwei Monate später zur fluchtartigen Heimreise gezwungen sah 80 . So sehr ihn in Paris der "Ehrgeiz" bewegt hatte, "diese sich immer veränderte Lage der dortigen für die Welt so wichtigen Ereignisse periodisch nach der Wahrheit zu schildern" 81, so sehr sah er sich als Herausgeber der "Minerva" "notgedrungen, Frankreich zu verlassen, wenn er anders seine schriftstellerische Laufbahn fortsetzen wollte" 82 , denn, so Archenholz, schon vor Kriegsausbruch "stand ich bey vielen in Paris im Ruf, durch meine freimüthigen historischen Nachrichten in Deutschland der Sache Frankreichs zu schaden."83 Die Entscheidung für Hamburg, die Archenholz nach seiner Rückkehr aus Paris im Jahre 1792 traf, sollte eine endgültige bleiben. Die letzten zwanzig Jahre seines Lebens lebte und wirkte er hier, zuletzt auf seinem von ihm aus dem Konkurs des Grafen Christian von Schack erworbenen Gut Luisenhof in Oyendorf bei Hamburg 84 - ein Tatbestand, der seinen Namen immer wieder im Zusammenhang der Geschichte Hamburgs an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert erscheinen läßt 85 . Im Unterschied zu seiner früheren Hamburger Zeit waren es nun, nach seinen Revolutionserlebnissen in Frankreich, dezidiert politische Gründe, die ihn zu einer dauerhaften Niederlassung in dieser Stadt bewegten. So urteilte Archenholz über Hamburg, das es "so viel Auf-

79 Archenholz veröffentlicht später eine deutsche Übersetzung dieser Schrift in: Minerva, 1792, 2. Bd., 441 ff. Sie wird in Kap. E.IV erörtert. 80 Zu Archenholz' Rückreise aus Paris vgl. Minerva, 1792, 2. Bd., Nachschrift des Herausgebers, 525-527 und ebd., 1792, 3. Bd., Reise des Herausgebers von Paris nach Deutschland, 108-110. 81

Minerva, 1792, 2. Bd., 525.

82

Ebd., 3. Bd., 108.

83

Ebd., 108 f.

84

Stein, Genealogie, 181.

85 Vgl. Walter Grab, Demokratische Strömungen in Hamburg und Schleswig-Holstein zur Zeit der ersten französischen Republik, Hambuig 1966, 27, der Archenholz neben Campe, von Halem und J.C. Matthiesen zu den Hamburger Liberalen zählt, die durch ihr Wirken eng mit der Stadt verknüpft waren und sich aus ihrem anfanglichen Enthusiasmus fur die Französische Revolution nach Paris begaben. Vgl. auch Franklin Kopitzsch, Grundzüge einer Sozialgeschichte in Hamburg und Altona, Hambuig 1982 (Beiträge zur Geschichte Hambuigs, Bd. 1), 643. Kopitzsch erwähnt hier die positive Rezeption der Minerva betreffs ihrer Revolutionsberichte unter dem Aspekt der "Entfaltung der Aufklärung in Hamburg". Vgl. ebenso Rudolf \ Frankreich im Urteil der Hamburger Zeitschriften (1789-1810), 23 ff. u. 44 ff.

Π. Biographie

31

kläning" habe, "wie keine Stadt in Frankreich außer Paris" 86 oder bezeichnete es sogar an anderer Stelle als den "politischen Ziehbrunnen Deutschlands."87 Trotzdem bewahrte er sich stets eine Distanz zu dieser Stadt, wie aus einigen Briefen Archenholz' an Gleim hervorgeht 88. Hier läßt er sich etwa zu Ausrufen hinreißen wie: "Halten Sie mich ja fur keinen Hamburger! " und betont im gleichen Atemzug, daß ihn sein "Journalismus" sowie die "Oekonomie" veranlaßt habe, hier zu leben 89 . In einem wenig früher datierten Brief beklagte er sich über die nur London vergleichbare Preissteigerung in Hamburg; eine Klage, die ihn jedoch gleichzeitig seine persönliche, gute finanzielle Lage schildern ließ, die ihm seinen Verbleib schadlos sicherte 90. Es konnte nicht ausbleiben, daß Archenholz' verstärktes politisches Engagement im Zuge seiner fortdauernden Frankreichberichte in der "Minerva" und der Wandel seiner Positionen im Verlauf der revolutionären und nachrevolutionären Ereignisse zu gesellschaftlichen Konsequenzen für ihn führten. Seine offenen Stellungnahmen schienen so aufzufallen, daß ihn sein politischer Überlebenswille schließlich zu einer dauerhaften Mäßigung veranlaßte. "Um meinen lieben Archenholz war mir mehrmalen nicht wenig bange! Man lebt nur einmal, dacht' ich auch hier! Mehrmalen war ich sein lauter Lobredner; einmal sein heftiger Verteidiger, es half nichts; aus einer unserer größten Gesellschaften wurde seine Minerva verwiesen" 91, schrieb Gleim an Archenholz im September 1793. Und nur einen Monat später erwiderte dieser: "... auch ist meine Minerva jetzt keusch, und sucht ihr Schiffchen zwischen den sie umringenden Klippen fortzusteuern. Die Linie ist sehr klein

86

Minerva, 1803, 2. Bd., 326.

87

Ebd., 1801,4. Bd., 114.

88 Bei dem hier angesprochenen Briefwechsel zwischen Archenholz und Gleim handelt es sich um 40 Briefe aus den Jahren 1793 bis 1802, die bisher ungedruckt sind. Sie wurden im Rahmen der Forschungen zu dieser Arbeit entdeckt und befinden sich im Besitz des Gleimhauses, Museum fur Literatur der deutschen Spätaufklärung, Halberstadt. Dank der großzügigen Verfugung der Verantwortlichen des Gleimhauses konnte der Briefwechsel fur die vorliegende Untersuchung ausgewertet werden. Ermöglicht wurde diese Auswertung schließlich durch die minuziöse Aufarbeitung der alten Handschriften durch die Herren Konrad Grottker und Dr. Kurt Rieger, denen unser herzlicher Dank gebührt. Teile aus fünf der besagten 40 Briefe finden sich neben weiterer Korrespondenz zwischen Archenholz, Gleim u.a. gedruckt im "Tübinger Morgenblatt fur gebildete Stände" 1828. Im folgenden werden zwecks Bekanntmachung die aufschlußreichen Stellen des ungedruckten Briefwechsels zitiert bzw. paraphrasiert. Dabei wird zur Orientierung das Briefdatum angegeben. 89

Archenholz an Gleim, 25. März 1797.

90

Archenholz an Gleim, 22. Febr. 1797.

91

Gleim an Archenholz, 10. Sept. 1793, gedr. in: Tübinger Morgenblatt 1828, Nr. 2, 6.

32

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

zwischen Freimüthigkeit u. Kühnheit" 92 . An gleicher Stelle beharrte er aber noch: "Der kriechende Weg ist freylich der breiteste u. gefahrloseste; allein diesen zu gehen ist nicht in meinem Charakter; u. muß ich durch das Recht des Stärkeren gezwungen, meiner Freymüthigkeit entsagen, so lege ich gleich meine Feder nieder. " Schon hier gestand er Gleim dann zu: "Weßgleich zustoßen werde ich jedoch nicht, ebenso wenig die Urbanitaet verletzen, die ich sehr respektiere" 93; ein Eingeständnis, das er in der Folgezeit auch einlöste, bemerkte er doch im gleichen Zusammenhang wenig später von sich: "Ich bin jetzt in diesem Punkt sehr streng, u. streiche manches weg, das zwar der Wahrheit, aber nicht der politischen Klugheit gemäß ist. " 9 4 Diese frühe Einsicht zur Mäßigung betreffs seiner beruflichen Verfahrensweisen führte 1794 nicht nur zur Trennung von seinem Mitarbeiter Oelsner, "der ... in seiner Schreibart sich nicht mäßigen konte noch wolte. Ich muß te daher mit ihm abbrechen. Wir sind jedoch keine Feinde" 95 , sondern ebenso zu seiner Verbindung mit Friedrich von Gentz in den Jahren 1794/95 96 . Sie führte aber auch zu einer Distanzierung Archenholz* vom Kreis um Sieveking97, der immerhin bis zur Handelskrise vor der Jahrhundertwende revolutionsfreundlich blieb, ja sie führte zu Archenholz' Isolation innerhalb der Hamburger Gesellschaft überhaupt. So beklagte er im März 1795 die in Hamburg zahlreich auftretenden "Freunde des Ungeheuers" 98: "ihr unsinniges Geschwätz ... macht, daß ich mich isoliere und nur mit sehr wenigen Menschen umgehe, unter denen Klopstock ist" 9 9 . Diese Affinität mit Klopstock verstärkte sich in den folgenden Jahren zunehmend, wie Archenholz' wiederholte Betonung seiner völligen Übereinstimmung mit Klopstock hinsichtlich ihrer Positionen zur französischen Revolution und zur Tagespolitik veranschaulicht 100. Sie gibt auch

92

Archenholz an Gleim, 2. Okt. 1793.

93

Ebd.

94

Archenholz an Gleim, 14. Dez. 1793.

95

Archenholz an Gleim, 29. Sept. 1794.

96 Zur Bekanntschaft Archenholz/Gentz vgl. Ruof\ 79 f. sowie Beispiele für die kurzfristigen Beitrage Gentz' in der Minerva und Archenholz' Wertschätzung des Publizisten: Minerva, 1794, 2. Bd., 166 ff.; 232 ff.; 1797, 3. Bd., 191; 1. Bd., 542. 97 Entsprechend fallt Archenholz' Name auch nicht bei den eingehenden Besprechungen des Hamburger Sieveking-Kreises durch Grab, Demokratische Strömungen in Hamburg, passim und Kopitzsch, Grundzüge einer Sozialgeschichte der Aufklarung in Hamburg, passim. 98 Gemeint ist die revolutionäre Zeitschrift "Das Graue Ungeheuer". Nähere Erläuterungen zu dieser Zeitschrift bei Grab, Demokratische Strömungen, 162. 99

Archenholz an Gleim, 2. März 1795.

100 Archenholz an Gleim in Briefen vom 2. März 1795, 1. Nov. 1798 u. 31. Dez. 1800. Zur Bedeutung Klopstocks innerhalb der Hamburger Gesellschaft vgl. außerdem Kopitzsch,

Π. Biographie

33

Aufschluß über die schließliche Abkehr Archenholz' von der Revolutionsrealität, von ihm nicht zuletzt artikuliert anläßlich seines ergiebigen Nachrufs auf Klopstock im Jahre 1803, in dem er dessen Meinungswandel rechtfertigte 101 . Archenholz' Wirken in seiner letzten Lebensphase blieb jedoch bei weitem nicht auf die kommentierende Berichterstattung der Ereignisse in Frankreich beschränkt. In seinen unverändert umfangreichen Tätigkeiten als Herausgeber und Journalist - so Archenholz selbst 1794 an Gleim: "meine periodischen Obliegenheiten schränken meine Zeit über alle Vorstellung e i n " 1 0 2 - verstand er es, seinen früheren "Steckenpferden" auch jetzt treu zu bleiben und sich aus den verschiedensten tagespolitischen Anlässen ausgiebig und in unterschiedlicher literarischer Formgebung Preußen und insbesondere dem preußischen Militärwesen sowie der Geschichte und Zeitgeschichte Englands zu widmen. Aus seiner Beschlagenheit als Englandkenner und seinem Interesse an kriegsgeschichtlichen Themen resultierten auch wiederholt berufliche und freundschaftliche Kontakte, wie etwa 1790 die Zusammenarbeit mit Wieland anläßlich der gemeinsamen Herausgabe des "Historischen Calenders für Damen" 1 0 3 oder fünf Jahre später sein Beitrag in Schillers "Hören" auf dessen ausdrückliche Bitte h i n 1 0 4 . Angaben zu Archenholz' Lebensgeschichte, die über das aus seinen Briefen und Werken zu Erschließende hinausgehen, liegen nicht vor. Im Jahr 1809 Grundzüge einer Sozialgeschichte, 378 ff. Hier: 404 ff. zur Lesegesellschaft Klopstocks u. Büschs sowie zur Tischgesellschaft um Klopstock u. Büsch (540). Archenholz ist als Teilhaber an diesen Gesellschaften, in denen sich nach Kopitzsch die bedeutenden Männer der Stadt versammelten u. die als Gesprächsrunden zu den "wichtigen Zentren der Meinungsbildung in der Stadt" (540) zählten, nicht nachzuweisen. 101 Vgl. Archenholz' Nachruf "Klopstock" in: Minerva, 1803, 2. Bd., 97-132 u. 363-367. Vgl. überdies Klopstocks Beiträge in der Minerva z.B.: 1796, 1. Bd., 1 ff.; 1796, 3. Bd., 393 ff.; 1799, 1. Bd., 189 ff.; sowie seine Revolutionsode "Der Freiheitskrieg" in: Min., 1793, 1. Bd., 1 ff. 102

Archenholz an Gleim, 28. März 1794.

103 Zu Archenholz, Wieland, Schiller und den "Hist. Cal. fur Damen" vgl. Karl-Heinz Hahn, Schiller, Göschen und der Historische Kalender für Damen, Mitteilungen aus Verlegerbriefen des 18. Jahrhunderts, in: Gutenberg-Jahrbuch 1976, hrsg. v. Hans Widmann, 490^499. Hahn gibt hier Einblick in das Verhältnis von Wieland zu Archenholz, da es doch einiger Überredungskünste Göschens bedürfte, Wieland zu einer Zusammenarbeit mit Archenholz zu bewegen, den er wegen dessen Angeberei nicht sonderlich schätzte (495 f.). Archenholz hingegen fühlte sich durch die "Vorstellung, mit einem Wieland in Gesellschaft zu erscheinen, ... gewaltig angespornt". (Zit. Hahn aus Brief Göschen an Wiel, 7. Juli 1789, 496). So setzt er sich auch wenig später für eine Prachtausgabe des Werks Wielands ein, vgl. Minerva, 1793, 4. Bd., 193-201. - Zu Wieland und Archenholz vgl. auch Ruof,\ passim. 104

Schiller an Archenholz, 10. Juli 1795, gedr. in: Tübinger Morgenblatt 1828, 512.

3 Rieger

34

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

endeten seine Beiträge zur "Minerva" und seine schriftstellerische Produktion überhaupt; er übergab seine Zeitschrift an den renommierten Alexander Bran 1 0 5 . Nach einem letzten sechsmonatigen Aufenthalt in Berlin starb er am 28. Februar 1812 auf seinem Gut in Oejendorf an Entkräftung 106 . Aussagen betreffs geschäftlicher Einbußen Archenholz* in seinen letzten Lebensjahr e n 1 0 7 scheint die Tatsache zu entsprechen, daß seine Witwe den erworbenen Gutshof schon kurz nach Archenholz* Tod, am 28. November 1812, verkauft e 1 0 8 . Über den weiteren Verbleib seiner Familie ist außer der Eheschließung einer seiner Töchter mit dem niederländischen General-Konsul von Jorselles in Stockholm im Jahr 1818 nichts bekannt 109 .

I I I . Kritische Werkübersicht

Die kommentierende und beurteilende Übersicht über das Gesamtwerk Archenholz* berücksichtigt fast ausschließlich zeitgenössische Rezensionen oder Erläuterungen durch Archenholz selbst. So soll die Zeitfarbe der Werke erhalten bleiben und gleichzeitig Aufschluß über Archenholz' Wirkungsgrad innerhalb seiner zeitgenössischen Leserschaft gewonnen werden. Dabei werden die Werke eingehender in den Blick genommen, die für die weiteren Überlegungen weniger relevant sind und daher in den werkanalytischen Abschnitten nur punktuell zur Sprache kommen.

105

Zur Übergabe vgl. Minerva, 1810, 2. Bd., 379 ff.

106

Stein, Genealogie, 181. Das Motiv fur Archenholz' letzten Berlinaufenthalt ist unklar.

107 So sein Freund u. Mitarbeiter Ersch, Allg. Encyclopädie, 1820, 135, Anm. 5: "Er hinterließ mehrere Kinder, fur die er vergebens gespart hatte; in den letzten Jahren seines Lebens war er um bedeutende Summen betrogen worden, da er, trotz der an ihm gerühmten Welt= und Menschenkenntniß, doch leicht Jedem traute, der einen vorteilhaften Eindruck auf ihn machte; u. das wurde keinem schwer, der seinen lebhaften Geist anzusprechen wußte." 108

Stein, Genealogie, 182.

109

Ebd.

ΠΙ. Kritische Werkübersicht

35

1. Zeitschriften

Anfang und Ende des literarischen Wirkens Archenholz* bilden seine Zeitschriften. Sowohl als Herausgeber als auch als Autor zahlreicher Artikel schafft er hier über fast drei Jahrzehnte - von 1782 bis 1810 - sich selbst und vielen anderen ein kontinuierliches Wirkungsfeld der öffentlichen Stellungnahme und Information. Schon der Überblick über die für ihn arbeitenden Autoren 110 läßt dabei erahnen, daß ein reger Meinungs- und Themenaustausch in der Literaturwelt der Zeit stattgefunden haben muß, für die die historische Forschung heute den Begriff "Aufklärungsgesellschaft" 111 findet. An konkreten Beispielen wird daher noch darauf hinzuweisen sein, wie eine solche gegenseitige Beeinflussung im einzelnen ausgesehen hat. Entsprechend seinem während seiner Reisejahre ausgiebig praktizierten Interesse beginnt Archenholz seine literarische Karriere mit einer Zeitschriftenreihe, die er "Litteratur- und Völkerkunde" nennt. Er selbst versteht diesen Titel als Hinweis auf den großen Umfang seiner Zeitschrift sowie als Berechtigung, "Fremdartiges" in ihr aufzunehmen 112. Über einen Zeitraum von insgesamt neun Jahren erscheint die "Litteratur- und Völkerkunde" von 1782 bis 1786 monatlich von Dessau und Leipzig aus, von 1787 bis 1791 als "Neue Litteratur- und Völkerkunde" dann nur noch aus Leipzig. Ihr Inhalt, von Archenholz teils selbst verfaßt, besteht aus kleinen, philosophisch-literarischen Abhandlungen, historischen und geographischen Aufsätzen zur Länderund Völkerkunde sowie aus zahlreichen, oft frei übersetzten Auszügen aus in Deutschland weniger bekannten Werken, Briefen und Anekdoten 113 . Archenholz scheint mit dieser Zusammenstellung den Geschmack und das Interesse einer breiten Leserschaft zu treffen, wie nicht nur der gute Absatz der

110 Die bedeutendsten Mitarbeiter allein der Minerva seien hier angeführt: Arndt, v. Behrenhorst, Bramigk, Bran, Bucholz, v. Bülow, Chénier, Coelln, Dumoriez, Erichs, Ersch, Eschenburg, v. Ewald, v. Gentz, Gleim, v. Halem, v. Held, v. Hennings, v. Kalkreuth, v. Kamptz, v. Knoblauch, Klopstock, v. Lecoq, Massenbach, Mercier, Meister, Oelsner, Pappenheimer, v. Raumer, Rehberg, Reichard, Reinhard, Reimarus, v. Schink, v. Thümmel, Zschokke. Mehr über die Mitarbeiter der Minerva u. ihre Artikel im Register am Ende des Jahrgangs 1798. Ein geplantes Verzeichnis für die späteren Jahrgänge ist ausgeblieben, vgl. Minerva 1810, 2. Bd., 186. 111

Vgl. z.B. Bödeker, Prozesse und Strukturen, 5; vgl. auch Kap. G.

112 "Nachrichten von den Schriften des Verfassers der Brittischen Annalen", in: Brittische Annalen des Jahres 1789, 3. Bd., 373, (im folgenden abgekürzt als Annalen). 113 Vgl. zu Konzeption und Inhalt der "Neuen Litteratur- und Völkerkunde" auch Archenholz, ebd., Jördens, Lexikon der dt. Dichter und Prosaisten, 6. Bd., 1806, 66.

36

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

Monatsschrift beweist 114 , sondern ebenso eine zeitgenössische Rezension 115 : Hier wird die "Litteratur- und Völkerkunde" beschrieben als "eins der unterhaltendsten, lehrreichsten und gemeinnützigsten periodischen Werke, das sich durch Neuigkeit, Mannigfaltigkeit, meistens glückliche Wahl und leichte, gefallige Behandlung seiner Gegenstände auszeichnet" und es versteht, "das Angenehme ... mit dem Nützlichen" zu verbinden 116 . Mit großem persönlichen Engagement, aber auch kaufmännischem Impetus unternimmt Archenholz in seinen ersten Hamburger Jahren von 1787 bis 1791 die Herausgabe einer Reihe eng miteinander verbundener Zeitschriften, die wie auch seine Entscheidung für Hamburg - ganz aus seiner zu diesem Zeitpunkt noch starken Neigung zu England resultiert, der er in Deutschland zur Wirkung verhelfen möchte. So adressiert er seine Ankündigung des "British Mercury" für den April 1787 "An die Freunde der englischen Litteratur und Sprache" 117 und begründet das Interesse an England, das über sein persönliches weit hinausgeht, indem er eine Affinität zwischen Deutschland und England betreffs Denkungsart, bürgerlicher Tugend und Kultur feststellt 118 . Der monatlich erscheinende "British Mercuty" zeigt Archenholz' Versuch, wirkliche Marktlücken zu schließen, da es sich hier nach seinen eigenen Worten um die erste englische Zeitung handelt, die außerhalb Großbritanniens erscheint 119. In ihr sind keine Beiträge Archenholz' oder anderer Autoren zu finden, vielmehr präsentiert sie im englischen Original Artikel aus unterschiedlichen englischen Zeitschriften 120. Dem Versuch, vom "British Mercury" gleichzeitig eine als "Brittischer Merkur" erscheinende, wortgetreue deutsche Übersetzung zu liefern, ist kein Erfolg beschieden, da Archenholz die Übersetzungsarbeit nicht selbst leistet, sondern auf seine Kosten anfertigen läßt, was von ihm als zu kostenaufwendig erkannt und nach nur einem Band aufgegeben wird. Von ähnlich kurzer Dauer ist Archenholz' "The

114 Vgl. Annalen d.J. 1789, 3. Bd., 374; vgl. auch Goschen, Das Leben G.J. Göschens, 1. Bd., 46 f., 238, 309: Goschen spricht hier wiederholt von den Schwierigkeiten seines Großvaters, des Verlegers Göschen, durch Archenholz, betont aber zugleich, daß Göschen an ihm wegen der lukrativen Rezeption seiner Litteratur- u. Völkerkunde festhielt. 115

JördenSy Lexikon der dt. Dichter u. Prosaisten, 1806.

116

Ebd., 1. Bd., 66.

117

Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 344-353.

118 Ebd., 345. - Vgl. auch The Beginnings of English-Language Publishing in Germany in the Eighteenth Cntury, in: K.E. Carpenter, Hrsg., Books and Society in History, 1983, 115143. 119

Annalen des Jahres 1789, 376.

120

Ebd., 376 f.; auch: Neue Litteratur u. Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 1.

ΠΙ. Kritische Werkübersicht

37

English Lyceum", das aus Aufsätzen aus englischen Zeitungen, Magazinen, Pamphleten und neuen Büchern besteht, die im "British Mercury" keine Aufnahme finden und dessen Erscheinen nach dem dritten Band eingestellt wird, da - so der Herausgeber selbst - Aufwand und Kosten nicht durch eine angemessene Resonanz gerechtfertigt werden 121 . Es spricht für Archenholz1 kaufmännische Unverfrorenheit, daß er nichtsdestotrotz Teile des "English Lyceum" exzerpiert und gleichzeitig unter dem Titel "Select Pieces of Prose and Verse" eigenständig herausgibt 122. So wenig Bedeutung diesen vier englischen Periodika im Rahmen des Gesamtwerks Archenholz' auch zukommt, so sehr geben ihre Idee und ihre schließliche Kurzlebigkeit doch über die Interessenlage ihres Herausgebers und ihres Publikums Aufschluß. "Der Gegenstand des Mercury ... ist ..., den Lesern diejenigen politischen Vorfälle, die in den Deutschen Zeitungen nur obenhin berührt werden, mit den Worten der Engländer selbst ausführlich zu melden, und auch von andern Dingen Nachricht zu geben, deren keine Deutsche Zeitung erwähnt." 123 Archenholz' hier deutlich formuliertes Anliegen, die durch die deutsche Presse nur mangelhaft gewährleistete politische Information durch eine Präsentation der überlegenen englischen Zeitschriften abzugleichen, ist ein Anliegen, das er schließlich von seiner Fixierung auf England löst und das ihn entsprechend seiner Abwendung von England bei gleichzeitiger Zuwendung zu den politisch brisanten Ereignissen in Frankreich zur Aufgabe seiner englischen Zeitschriften und zu einer wichtigen Neugründung führt. So enttarnt er bezeichnenderweise im Jahr 1790 die von ihm noch drei Jahre zuvor zwar angenommene Affinität zwischen Deutschland und England als bloßen Wahn sowie die deutsche Anglomanie als oberflächliche M o d e 1 2 4 und entschließt sich, den "British Mercury", inzwischen die "mühsamste und doch dabei undankbarste Arbeit, die ich je unternommen habe" 1 2 5 , zugunsten einer nun zunächst fast ausschließlich auf Frankreich konzentrierten, großen Zeitschrift aufzugeben 126.

121

Ebd., 382.

122 Vgl. auch Meusel, Das Gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden Teutschen Schriftsteller, 1796, 1. Bd., 87. Es finden sich in ein und demselben Band die zwei identischen Deckblätter des ersten Bandes "The English Lyceum" von 1787 und des ersten Bandes der "Select Pieces of Prose and Verse", 1794. 123 Vgl. Annalen d.J. 1788, 1. Bd. sowie "Englische Litteratur und Sprache", in: Annalen d J . 1790, 477 f. 124

Vgl. Annalen d.J. 1789, 3. Bd., 479.

125

Ebd. 478.

126 Die Aufgabe seines ursprünglichen Plans, den British Mercury nach seinem Parisaufenthalt weiterzufuhren, unterstreicht den Interessenwandel Archenholz' durch die Französische Revolution. Vgl. Min., 1792, 4. Bd., 580.

38

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

Die "Minerva, ein Journal historischen und politischen Inhalts" erscheint unter Archenholz' Herausgeberschaft in den Jahren 1792 bis 1810 vierteljährlich in insgesamt 73 Bänden, zunächst von Berlin und Hamburg und ab 1796 nur noch von Hamburg aus. In Anbetracht ihres Umfangs 127 , ihres reichhaltigen Inhalts 128 und ihrer breiten Resonanz 129 stellt die "Minerva" eines der wichtigsten Projekte Archenholz' dar, das im Laufe seines Erscheinens nicht nur einen umfassenden Einblick in die tagespolitischen Positionen seines Herausgebers vermittelt, sondern als ein Dokument europäischer Zeitgeschichte um die Jahrhundertwende schlechthin gelten kann. Als solches erfüllt die "Minerva" tatsächlich ihren von Archenholz intendierten "Hauptzweck", nämlich "historische Materialien ... für die Geschichte zu sammeln" 130 , was ihm nicht zuletzt durch seine eigenen Beiträge, maßgeblich den "historischen Nachrichten vom neuesten Frankreich" 131 , besonders für die deutsche Rezeption der Französischen Revolution gelingt 132 . So urteilen schon Zeitgenossen über Archenholz' historisch-politisches Journal im Jahr 1806: "Es ist besonders für die neueste Geschichte von Frankreich bestimmt, und man findet darin Aufklärungen und richtige Bestimmungen, die man sonst nirgends antrifft. " 1 3 3

127 Allein unter Archenholz' Herausgeberschaft erscheinen 73 Bande; die Minerva selbst wird in vierteljährlichem Rhythmus bis 1858 von A. Bran und Sohn weitergeführt. 128 Außer den vielen Frankreichberichten von Archenholz u.a. finden sich in der Minerva auch unzählige politische Gedichte, Buchrezensionen, Briefwechsel, Anekdoten sowie kleine und größere Aufsätze verschiedener Thematik. 129 Vgl. dazu Gleim an Archenholz, 20. Dez. 1793: "Ob ich Ihre Minerva noch lese? Mit solchem Eifer und solchem Verlangen nach ihr, daß ich für mich allein mit der Post sie kommen lasse, sie kommt mir nie früh genug an! Auch wird sie von Anderen viel gelesen; es muß eine beträchtliche Zahl von Exemplaren hierher kommen.", gedr. in: Tübinger Morgenblatt 1828, Nr. 9, 35. 130

Minerva 1810, 1. Bd., 185.

131 Diese schreibt Archenholz in einer Art Fortsetzungsreihe regelmäßig während der 90er Jahre in seiner Minerva. 132 Hier geraten natürlich auch die prosaischen und poetischen Beiträge der zahlreichen Mitarbeiter Archenholz' ins Blickfeld, besonders die Oelsners und Reinhards. 133

JördenSy Lexikon der dt. Dichter und Prosaisten, 1806, 1. Bd., 66.

ΠΙ. Kritische Werkübersicht

39

2. Reisebeschreibung, Jahrbücher und Übersetzung

Zur gleichen Zeit, in der Archenholz sich mit der Herausgabe seiner englischen Zeitschriften befaßt - also noch vor seinem Parisaufenthalt 1790/91 entstehen eine Anzahl weiterer, ausschließlich auf England konzentrierter Werke, die in ihrer Bedeutung zum Teil weit über die erwähnten Zeitschriften zu stellen sind: Archenholz1 Reisebeschreibung "England und Italien", seine "Annalen der Brittischen Geschichte" und eine umfangreiche Übersetzungsarbeit aus dem Englischen nach Robert Ormes "A History of the Military Transactions of the British Nation in Indostan". Zweifelsohne gehört Archenholz' Beschreibung seiner Reiseerlebnisse in England und Italien zu seinen herausragenden Werken. Zuerst im Jahr 1785 in drei Bänden in Leipzig und zwei Jahre später ebenda in einer erweiterten Ausgabe in fünf Bänden erschienen 134, stellt ihr Inhalt eine räsonierende Wiedergabe seiner Beobachtungen dar 1 3 5 . Dabei gelingt Archenholz außer einer besonders eindringlichen Schilderung Londons 136 eine Darstellung all dessen, "Was nur von Großbrittanien überhaupt, und seinem Boden, Klima, Nationalgeiste, Charakter der Nation, Regierungsform, Industrie, Handel, Reichthum, Sitten und Lebensart sowohl der Großen, als der mittleren und niedrigen Stände, von Luxus, Tugenden, Lastern und Eigenheiten dieses so ausgezeichneten Volks merkwürdig ist." 1 3 7 Die überaus positive Rezeption der Reisebeschreibung Archenholz' im Rahmen der Vielzahl sonstiger zeitgenössischer Reiseliteratur zu England 138 wird schon zu seinen Lebzeiten weniger mit der Originalität seiner Schilderung als vielmehr durch seine anderen überlegene Werksystematik und Darstellungskunst begründet: "Überall zeigt sich Hr. v. A. als ein Mann von feiner Erziehung und Lebensart, von Weltkenntniß, Gelehrsamkeit und Geschmack. Er ist bemüht, das weniger

134 In der Erstausgabe befassen sich Bd. 1 u. 2 mit England, in der erweiterten Ausgabe die ersten drei der insges. fünf Bande. Dies ist schon ein erstes deutliches Indiz fur Archenholz' Interessengewichtung. 135 Vgl. England und Italien, Carlsruhe 1791, 1. Theil, Voibericht, X I f.: "Deijenige Reisende [ist] zu beklagen, der die Beobachtungen Anderer zu seinen Urtheilen nöthig hat. Die meinigen waren größtentheils das Resultat selbst gesehener Thatsachen." 136

Vgl. ebd., 1. Theil, 4. Abschnitt, 162 ff. und passim.

137

Jördens, Lexikon der dt. Dichter und Prosaisten, 1806, 1. Bd., 60.

138 Das Phänomen der englischen Reisebeschreibung im 18. Jahrhundert sowie Archenholz' Zuordnung werden an entsprechender Stelle eingehend erläutert (Kap. C.I, F . I und G). Zu den Übersetzungen der Schrift ins Französische, Englische, Holländische, Schwedische und Russische vgl. Ruof, 120 f.

40

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

Bekannte aus einer Menge von Bemerkungen herauszuheben und durch eigene Beurteilungskraft, durch Kunst der Anordnung und des Vortrage den Reiz des Neuen zu vermehren und das oft schon Gesagte wieder neu zu sagen. Er erzählt mit Anmuth; Richtigkeit, Angemessenheit und edle Einfalt sind die Haupteigenschaften seines Styls." 1 3 9 Die bei allem Lob auffällige und unangemessene Diskrepanz zwischen der positiven Schilderng Englands gegenüber einer überzogen negativen Darstellung Italiens ruft außer Anerkennung auch Widerspruch und Kritik hervor 140 und macht Archenholz in Mit- und Nachwelt zu einem literischen Typus der Überzeichnung 141. Sicherlich verdient jedoch der Hinweis Beachtung, daß Archenholz1 Italienschilderung letztlich als konsequent zu bewerten ist, da sie das Ergebnis seiner politisch und nicht kulturell orientierten Betrachtungsweise darstellt 142 . Archenholz selbst sagt über sein "Gemähide von England und Italien", daß es "denen, die mit England, ..., wenig bekannt sind, eine nähere Kenntniß dieses Reichs [verschafft], die durch die "Brittischen Annalen", als die Geschichte der letzten Jahre, noch näher berichtigt wird, daher diese Annalen im eigentlichen Verstände, sowohl in Ansehung der Gegenstande, als des Interesses und der Behandlungsart, so wie auch der Titel anzeigt, als eine Fortsetzung des Werks "England und Italien" zu betrachten sind." 1 4 3 Dieses von Archenholz intendierte Fortsetzungswerk in Jahrbuchgestalt erscheint über

139

Jördens, Lexikon der dt. Dichter und Prosaisten, 1806, 1. Bd., 60. f.

140 Vgl. etwa die zur Relativierung der stilisierten Englandschilderungen Archenholz* verfaßten "Briefe über London. Ein Gegenstück zu Herrn von Archenholz England und Italien", Hamburg 1792 von F.W. Schütz, bes. I V u. V . Vgl. auch die "Ehrenrettung Italiens wider die Anmerkungen des Herrn Hauptmanns von Archenholz, von C.J. Jagemann, Fürstl. Sächsischen Rath und Bibliothekar", in: Deutsches Museum, 1786, 1. Bd., 387-530, die Archenholz mit seiner Verteidigung am Ende des 5. Bandes der zweiten Ausgabe von England und Italien erwidert. 141 Wie sehr sich außer Archenholz' anfanglicher Englandbegeisterung gerade auch seine übertriebene Italienkritik in der literarischen Welt einprägt, zeigen etwa Heines Bemerkung anläßlich seiner Norderney-Skizze, in der er von "Archenhölzern unmutigen Augen" spricht, "die nur das Schlimme sehen" (H. Heine, Skizze "Norderney", 1826, in: Sämtl. Werke, hrsg. v. Hesse, Bd. 5, 65) sowie eine Tagebuchaufzeichnung Goethes anläßlich seines Rom-Aufenthaltes: "Zufallig habe ich hier Archenholzens Italien gefunden. Wie so ein Geschreibe am Oit selbst zusammenschrumpft, eben als wenn man das Büchlein auf Kohlen legte ... Freilich hat er die Sachen gesehen; aber um eine großthuige verachtende Manier gelten zu machen, besitzt er viel zu wenig Kenntnisse und stolpert lobend und tadelnd.", in: Goethe, Italienische Reise, Bd. 30 (Werksausgabe), 229. 1 4 2 Vgl. Maurer, Aufklämng und Anglophilie, 188 ff. sowie Stefan Oswald, Italienbilder. Beiträge zur Wandlung der deutschen Italienauffassung 1770-1840, Heidelberg 1985, 10-20, besonders 11 f.

143 Nachricht von den Schriften des Verfassers der Brittischen Annalen, in: Annalen d.J. 1789, 3. Bd., 375.

ΠΙ. Kritische Werkübersicht

41

einen Zeitraum von zehn Jahren, von 1788 bis 1798, in insgesamt 20 Bänden in Mannheim und Hamburg. Die Konstanz ihres Erscheinens spricht fur den weitaus größeren Anklang, den die "Annalen" vor Archenholz' kurzlebigen englischen Zeitschriften genießen. Da Archenholz jedoch hier wie dort ein intensives Studium englischer Zeitschriften seinen Berichten zugrunde legt 1 4 4 , scheint der größere Erfolg der Jahrbücher tatsächlich in ihrer werksystematischen und darstellungstechnischen Anlehnung an seine gelungene Reisebeschreibung zu suchen zu sein 1 4 5 . Eine entsprechende Rezension wenige Jahre nach Beendigung der "Annalen" bestätigt dies: "Diese "Annalen" oder Jahrbücher sind ... als Fortsetzung des Werks: "England und Italien" zu betrachten. Eben die Mannigfaltigkeit des Inhalts, eben die leichte und fließende Schreibart. Alles Merkwürdige, was auf den inneren Zustand des Reichs, Politik, Gesetzgebung, Wissenschaft, Künste, Industrie, Sitten und Denkungsart der Brittischen Nation Bezug hat, wird hier entwickelt." 146 Im Rahmen seines Gesamtwerks gehören die "Annalen" neben seiner Reisebeschreibung sicherlich an vorderster Stelle "zu den beyfallswürdigen Bemühungen, durch welche Hr. von Archenholz Kenntniss und Theilnehmung für englische Angelegenheiten in Deutschland zu verbreiten sucht." 147 In eben diesem Zusammenhang der Förderung englischen Kulturguts in Deutschland steht auch Archenholz' einzige umfangreiche Übersetzungsarbeit, "Die Engländer in Indien", aus dem Englischen nach Robert Ormes "A History of the Military Transactions of the British Nation in Indostan" übersetzt und in den Jahren 1786-1788 in Leipzig in drei Bänden erschienen. "Die "Engländer in Indien", ..., ist eine militärisch-politische Geschichte der Britten in jenem Welttheil, in einem Auszuge aus dem voluminösen Werk des Orme, eines weitschweifigen, aber sonst zuverläßigen Historikers. Von dieser ermüdenden Weitschweifigkeit, ..., findet man selbst bey meiner freien Behandlung des Originals nur noch zu viel Spuren, daher ich mit diesem Werk mehr als mit irgend einem anderen meiner litterarischen Producte unzufrieden b i n . " 1 4 8 Diese Selbstkritik Archenholz', die von seinen

144

Vgl. Ersch, Allg. Encyclopädie, 5. Th., 1820, 135, Anm. 3.

145 Der Werkvergleich zeigt eine starke Affinität zwischen den Annalen und England und Italien hinsichtlich der Beobachtungsgegenstände und des sprachlichen Duktus. Sie gewinnen jedoch ihr eigenes Profil durch ihre kontinulierliche und prompte Berichterstattung über den Landeszustand - belegt durch zahlreiche statistische Nachrichten - sowie über literarische Neuerscheinungen, gesellschaftliche und politische Vorfalle, Gerichtsverhandlungen etc. 146

Jördens

147

Allgemeine Literatur-Zeitung vom Jahre 1788, 4. Bd., Jena/Leipzig/Wien 1788, 590 f.

148

Nachricht von den Schriften des Verfassers, in: Annalen d.J. 1789, 3. Bd., 375 f.

y

Lexikon der dt. Dichter und Prosaisten, 1806, 1. Bd., 62.

42

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

Zeitgenossen aufgegriffen w i r d 1 4 9 , ist vielmehr schon der Schlüssel fur die weitgehende Bedeutungslosigkeit dieser Übersetzung. Als Synthese seiner Interessen an England und der englischen Sprache einerseits 150 sowie an militärgeschichtlichen und politischen Themen andererseits muß sie in Anbetracht gerade auch ihres großen Arbeitsaufwandes als eine ausgesprochene Liebhaberarbeit Archenholz' bewertet werden.

3. Historiographie

Wie aus Auflagenzahl 151 , Übersetzungen 152 und Rezeption Archenholz' 153 ersichtlich, stellt sein wichtigstes historiographisches Werk, ja sein vielleicht wichtigstes Werk überhaupt, die "Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutschland von 1756-1763" dar. Archenholz legt mit dieser Geschichtsbeschreibung zuerst 1788/89 im "Historisch Genealogischen Calender oder Jahrbuch der merkwürdigsten neuen Welt-Begebenheiten fur 1789" bei Haude und

149

Vgl. Jördens, Lexikon, 1806, 1. Bd., 64 f. und Ersch, Allg. Encyclopädie, 1820. 135.

150 Der besseren Kenntnisse der englischen Sprache in Deutschland hatte Archenholz ausdrücklich seine kleineren, englischsprachigen Zeitschriften gewidmet, vgl. Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 344-353. 151 Schon die erste, einbändige Fassung der Geschichte erscheint 1788 sowohl in Berlin und Leipzig als auch in Sonderdrucken in Frankfurt und Leipzig und in Mannheim, wo sie 1790 zum zweiten Mal aufgelegt wird. Im Jahr darauf erfolgt ein Nachdruck in Wien. Die erweiterte zweibändige Neufassung erscheint unter dem gleichen Titel, "Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutschland von 1756 bis 1763", zuerst 1793 in Berlin bei Haude und Spener. Dieser Auflage folgen von gleicher Stelle viele weitere: 1828 eine Jugendausgabe, bearbeitet von Theodor Heinsius sowie bis 1899 dreizehn Auflagen der Edition von August Potthast. Die übrigen Herausgaben erfolgen in Leipzig. Außer der Reclam-Überarbeitung von M . Mendheim aus dem Jahr 1869 liegt hier im Armelang-Verlag 1911 eine "nach den neuesten geschichtlichen Forschungsergebnissen umgearbeitete" Fassung von v. Duvernoy vor, die 1914 noch einmal aufgelegt wird. Neuauflagen nach dem 1. Weltkrieg sind nicht bekannt, wodurch das gegenwärtige Editionsprojekt von Kunisch/Koselleck (vgl. Kap. Α., Anm. 8) von besonderem Interesse ist. 152 Bereits aus dem Jahr 1789 liegen zwei französische Übersetzungen vor: Von Baron de Bock in Paris und von d'Arnex in Bern. Ihnen folgen nur ein Jahr später die lateinische Version von G.H. Reichard in Bayreuth, die 1792 neu aufgelegt wird. Außerdem Übersetzungen ins Schwedische, anonym, Kopenhagen 1804 sowie ins Englische, Catty, Frankfurt 1843. Vgl. auch Ruof, X V I . 153 Nicht nur Archenholz selbst bezeichnet sich als "Geschichtsschreiber Preußens", so in einem Brief an Gleim vom 1. Jan. 1794. Sowohl Zeigenossen (vgl. Kap. B.IV) als auch die heutige Forschung (vgl. Koselleck, Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, sowie die in Aussicht stehende Edition von Archenholz' Geschichte) definieren ihn in erster Linie über seine Geschichtsschreibung zum Siebenjährigen Krieg.

ΠΙ. Kritische Werkübersicht

43

Spener in Berlin 1 5 4 und im Jahr 1793 ebenda in einer eigenständigen, zweibändig erweiterten Ausgabe 155 ein Werk von erstaunlicher Klassizität und Autorität v o r 1 5 6 , das seinen Namen in der literarischen Welt fest etabliert. Wie schon bei seiner erfolgreichen Reisebeschreibung macht Archenholz auch hier den Augenzeuenbericht zum entscheidenden Bezugspunkt seiner Darstellung 157 . Doch ist nicht nur die eigentümliche Unmittelbarkeit zwischen Geschehen und Erzählung das Geheimnis ihres Erfolges. Vielmehr muß die besondere Qualität dieser Geschichtsschreibung in ihrer geschlossenen Darstellung selbst erkannt werden, die schon unmittelbar nach ihrem ersten

154 Gleichzeitig erscheint die Erstfassung im gleichen Verlag im "Historischen Taschenbuch fur das Jahr 1789". K. Goedeke beansprucht diesen Druck als den relevanten Erstdruck (vgl. Goedeke, Grundriß der Geschichte der deutschen Dichtung, Bd. 6, 280), Ruof hingegen den des "Historisch Genealogischen Calenders" (vgl. Ruof 22). Ein Vergleich der beiden Drucklegungen spricht eindeutig fur Ruof da die Erläuterungen Carl Speners zum Zeitallegorischen Titelkupfer, das der "Calender"-Ausgabe vorangestellt ist, in den Text der "Taschenbuch "-Ausgabe wortgetreu integriert sind, ohne das nur in einer Kalender-Version sinnvolle Kupfer hier überhaupt zu präsentieren. 155 Das Editionsvorhaben des Deutschen Klassiker Verlages stellte die Verantwortlichen vor die Frage, welche Ausgabe der "Geschichte des siebenjährigen Krieges" Archenholz' als die relevante Erstausgabe anzusehen ist: Die Erstfassung aus dem Jahr 1788 oder die zweibändige Ausgabe von 1793. Eine Kompilation der Aussagen Archenholz' zu dieser Thematik gibt Aufschluß: In den Beurteilungen seiner Ausgabe von 1788 artikuliert und begründet Archenholz stets deren Beschränkung und Mängel, gefolgt von erläuternden Hinweisen auf seine entsprechend kompensatorische, spätere Ausgabe der "Geschichte" (vgl. Brittische Annalen d.J. 1789, 383 f.; Minerva, 1793, 7. Bd., 201). - In den wiederholten Ankündigungen des baldigen Erscheinens der neuen Ausgabe fugt er dieser übereinstimmend die Attribute "sehr erweitert" und "völlig umgearbeitet" bei (vgl. Kleine Historische Schriften, 1791, 1. Bd., 4; Minerva, 1792, 1. Bd., 544). - Er nimmt auf beide Ausgaben differenzierenden, doch gleichwertigen Bezug (vgl. Minerva, 1799, 3. Bd., 280). - Der Textvergleich der beiden Ausgaben ergibt die völlige Integration des Textes der Erstfassung in die umgearbeitete Ausgabe, die Archenholz ansonsten durch viele Quellen - erworben während seines eigens dafür angetretenen Berlinaufenthalts 1790/91 (vgl. Geschichte, 2. Ausg., Vorwort) - anreichert. Seine erweiterte Fassung präsentiert dadurch tatsächlich einige neue Gesichtspunkte, die einen differenzierteren und vertieften Kenntnisstand des Autors belegen. Geschichtsphilosophisch relevanten Aspekten jedoch, wie sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit zur Sprache kommen (Kap. F.II), bietet schon die prägnante Erstfassung von 1788 aufschlußreiche Anhaltspunkte. 156 Vgl. die Auflagenzahlen innerhalb eines Zeitraumes von 120 Jahren sowie den didaktischen Wert des Werks (nicht nur eine "fur die Jugend bearbeitete" Ausgabe von Th. Heinsius aus dem Jahr 1828 weist daraufhin. Nach Aussagen von K. Rieger und K. Grottker wurde Archenholz' Geschichte noch vor dem Zweiten Weltkrieg im Herzog-Georg-Gymnasium in Brieg, Schlesien, als Lehrwerk im Geschichtsunterricht verwandt.) 157 Vgl. z.B. Geschichte, Mannheim 1788, 9 f. und besonders 214 f. Vgl. auch Archenholz' Anliegen, im Rahmen seiner Umarbeitung der Erstausgabe der Geschichte in Berlin "noch lebende Augenzeugen" des Siebenjährigen Krieges aufzuspüren (vgl. Geschichte, 2. Ausg., Vorwort).

44

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

Erscheinen entsprechend als "ein schönes verbundenes Ganzes" 158 apostrophiert wird. Maßgebend fur das stimmige Niveau und die Effektivität der Darstellung ist die Absicht ihres Autos, eine ganz bestimmte und zwar möglichst umfassende Leserschaft zu erreichen. So schreibt Archenholz "ein kurzgefaßtes Buch ... fur alle Volksklassen"159, was zur "Uebergehung alles gelehrten Details" 160 und damit zu einer entsprechend breiten Resonanz bei den intendierten Adressaten fuhrt, nicht jedoch bei den Kritikern: "Meine Kriegsgeschichte im Kalender hat Ihnen nicht mißfallen", schreibt Archenholz 1794 an Gleim "und auch dem Publikum nicht, wie ein Absatz beweist, der, die Bibel ausgenommen, noch nie in Deutschland erhört worden ist. Auf diese Skizze folgte nun ein vollendetes Gemähide, ...; es ist seit 16 Monaten heraus, und ob es gleich stark gekauft wird, so ist es doch in der gelehrten Welt so gut, als ob es nicht da wäre. " 1 6 1 Die in diesem Zitat zum Ausdruck kommende, diskrepante Rezeption des großen historiographischen Werks Archenholz' beschreibt zum ersten Mal ein Phänomen, das fur das Oeuvre dieses Autors Allgemeingültigkeit beanspruchen kann, nämlich eine überaus positive und lebhafte Aufnahme seiner Werke durch die zeitgenössische Leserschaft bei gleichzeitig weitgehender Ignoranz seitens der rezensierenden Gelehrtenwelt 162 . Sicherlich fehlt es gerade auch seiner "Geschichte des Siebenjährigen Krieges" an einer entsprechenden Gelehrsamkeit; aus der Sicht seines quantitativ enormen Publikums stellt diese Not jedoch eine Tugend dar, da Archenholz sie durch seine außergewöhnlich gefallige Darstellungskunst zu kompensieren versteht. Stellvertretend fur diesen, von seinen Zeitgenossen durchaus erkannten, Tatbestand163 sei nochmals Jördens Kommentierung der beiden Werkausgaben des "Siebenjährigen Krieges" zitiert: "Schon in ihrer ersten Gestalt war die Erzählung dieser höchst merkwürdigen Begebenheit äußerst anziehend. In Bibliotheken und auf Toiletten war sie ein Lieblingsbuch, dessen Inhalt, wie die Talente

158 Anzeiger des Teutschen Merkur, September 1788, Neue Bücher, 110, in: Der Teutsche Merkur vom Jahre 1788, Weimar 1788. 159

Geschichte, Mannheim 1788, 6.

160 Meusel, Das Gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden Teutschen Schriftsteller, 1976, 1. Bd., 87. 161

Archenholz an Gleim, 1. Januar 1794.

162 In seinem Brief an Gleim vom 28. März 1794 beklagt Archenholz wiederholt die "spärliche Beachtung" seiner neuen Ausgabe der Geschichte durch die "Kunstrichter=Welt, die in keinem Verhältnis zu dem großen Anklang des Werks bei den Lesern stünde. - Vgl. dazu schon Archenholz' notgedrungene Selbstrezensionen in: Annalen d.J. 1789, 383 ff. 163 Vgl. z.B. Meusely Das Gelehrte Teutschland, Encyclopädie, 5. Th., 1829, 135.

1796,

1. Bd., 87; Ersch,

Allg.

Ι .

Kritische Werkübersicht

45

seines Verfassers, fast in allen Gesellschaften den Stoff zu einer höchst interessanten Unterhaltung gaben. ... Zweck, Anordnung, Darstellung und Diktion sind gleich edel, geistvoll und schön, und das Buch ist ein Kunstprodukt geworden, bei dem der Geschichtskundige, wie der schöne Geist, der Kenner, wie der Dilettant, mit gleichem Vergnügen verweilen, aus dem sie eben so viel Studium, als Begeisterung, ebenso viel Unterricht, als Unterhaltung schöpfen können. " 1 6 4 Die sonstigen historischen Arbeiten Archenholz1, die bei weitem nicht die Bedeutung seiner Geschichtsschreibung zum Siebenjährigen Krieg erreichen, dennoch aber einen interessanten Einblick in seine Interessengebiete und seine historische Arbeitsweise bieten, gruppieren sich um drei Themen: Preußen bzw. das preußische Militärwesen, militärische Ereignisse in unterschiedlichsten Ländern sowie die Renaissance. Im Jahr 1791 erscheint in Berlin der erste Band der "Kleinen historischen Schriften" Archenholz', der aus vier vom Herausgeber selbst verfaßten, jeweils ca. 50-seitigen Aufsätzen besteht. Der erste dieser Aufsätze, das "Gemälde der Preußischen Armee vor und in dem siebenjährigen Kriege", war im Zusammenhang der zweiten Ausgabe der "Geschichte des siebenjährigen Krieges" entstanden und ursprünglich als Supplement zu dieser Ausgabe gedacht, was sich jedoch laut Archenholz als überflüssig erwiesen hatte 1 6 5 . Offensichtlich motivieren Archenholz auch hier seine eigene Militärzeit und seine draus herrührende Friedrich-Verehrung 166 zu dieser Schrift. Wieder wendet er sich an "alle Volksklassen"167, diesmal "um Personen, die nicht zum Militär gehören, einen sinnlichen Begriff ... zu geben." 168 Wieder intendiert er ausdrücklich "kein Lehrbuch", sondern eine umfassende Darstellung mit einer "zweckmäßigen" Ordnung 169 zu liefern, die schließlich nicht nur

164 Jördens, Lexikon der dt. Dichter und Proaisten, 1806, 1. Bd., 64. - Noch fast ein Jahrhundert später bezeichnet Max Jähns in seiner "Geschichte der Kriegswissenschaften vornehmlich in Deutschland", 3. Bd., München/Leipzig 1891, 1877 f., Archenholz' Geschichte als "das populärste Werk" zur Kriegsgeschichte im Jahr 1791. 165

Vgl. Minerva, 1792, 1. Bd., 118.

166

Zu diesem Aspekt ausfuhrlich in Kap. E.I und Kap. G.

167 Im folgenden werden einige selbstrezensierende Bemerkungen Archenholz' wiedergegeben, die er unter dem Titel "Ein Beitrag zur deutschen Litteratur" präsentiert und denen er "ein sehr wahres Urtheil des berühmten Doctor Johnson" voranstellt: "Certainly no one is so well qualified to tell what is contained in a book, as he who wrote it." (Vgl. Minerva, 1792, 1. Bd., 116-120, hier: 116). 168

Minerva, 1792, 1. Bd., 118.

169

Ebd.

46

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

"unmilitärischen Lesern", sondern auch der "jetzigen Generation der Militair=Personen" 170 zur "Belehrung" dienen kann. Anders als in seiner Geschichtsschreibung des Siebenjährigen Krieges jedoch stellt sein "Gemälde der Preußischen Armee" den ausdrücklichen Versuch dar, eine vom eigentlichen Kriegsgeschehen der Jahrhundertmitte unabhängige Charakteristik des Heeres Friedrichs zu entwerfen, um es so der Nachwelt als historisches Abstraktem zu bewahren 171 . Die zweite "Kleine historische Schrift" betitelt Archenholz als "Historische Bemerkungen über die große sittliche Revolution im sechzehnten Jahrhundert". Zum ersten Mal tritt damit sein Interesse an dieser Zeit und ihrer vielschichtigen Bewegung hervor, dem er in differenzierter Weise in noch weiteren Schriften nachkommt. Hier bietet er zunächst eine sehr allgemeine Auseinandersetzung mit dem Zeitalter der Renaissance und der geschichtlich mit ihr verbundenen Reformation, deren komplexe Veränderungen und Erneuerungen er im Begriff der "großen sittlichen Revolution" zu fassen versucht. Entsprechend dem Anspruch dieses Phänomens bietet Archenholz einen großen, doch sehr allgemeinen und willkürlichen historischen Querschnitt durch die in Religion, Literatur, bildenden Künsten und Naturwissenschaften parallel auftretenden Neuerungen dieses Jahrhunderts 172. Mit seiner "Geschichte der Verschwörung des Fiesko im Jahr 1547" schildert Archenholz gleich im Anschluß an seine umfassende Skizze das Schicksal des Grafen von Lavagna, der zu Beginn des Jahres 1547 bei dem Versuch, Genua von seinem Dogen Andrea Doria zu befreien, ertrinkt. Den Anstoß zu dieser Schrift hat Archenholz zweifelsohne durch Schiller bekommen, den er zum Zeitpunkt der Abfassung schon persönlich kennt 1 7 3 und auf dessen historisches Drama "Fiesco" er sich selbst bezieht. Er bezeichnet das Thema seiner Schrift als "Begebenheit, wovon der Stoff dem großem Theil des deutschen Publikums aus Schillers vortrefflichem Trauerspiel bekannt i s t . " 1 7 4 Da Schillers Drama 1 7 5 selbst aber weitgehend erfolglos blieb, ist Archenholz'

170

Ebd.

171

Ebd.

172

Vgl. Historische Bemerkungen, in: Kleine Historische Schriften, 1791, 2. Bd., passim.

173 Zu Zeitpunkt und Umstand des Kennenlernens Archenholz/Schiller vgl. Minor, Schiller, Sein Leben und seine Werke, 2. Bd., 431 ff. 174

Minerva, 1792, 1. Bd., 119.

175 "Die Verschwörung des Fiesco zu Genua, Republikanisches Trauerspiel", 1783, stellt Schillers ersten Versuch eines historischen Dramas dar.

ΠΙ. Kritische Werkübersicht

47

Schrift vielleicht außer seinem Sinn fur historische Persönlichkeiten 176 dem Interesse an der "historischen Kunst" zuzuschreiben, das er mit Schiller teilt 1 7 7 . Archenholz "Verschwörung des Fiesco" bietet nämlich inhaltlich nicht mehr als eine Paraphrase der von ihm genannten Schriften zu diesem Ereignis 178 . In dem letzten Beitrag seines ersten Bandes der "Kleinen Historischen Schriften" schildert Archenholz die "Geschichte des Papstes Sixtus V." Er verwendet zu "dieser in Rücksicht der aufgezeichneten Handlungen höchst interessanten Biographie des größten Papstes"179 "zum Theil ... Quellen, die ich in Rom selbst gesammelt habe" 1 8 0 . Auf den ersten Blick verwundert es, daß Archenholz sich nicht nur eine Papst-Biographie wählt, sondern gerade den Papst zum Gegenstand seiner Darstellung macht, unter dessen Pontifikat der Apostolische Stuhl im 16. Jahrhundert entscheidend an Ansehen und Macht gewinnen kann 1 8 1 . Immerhin konzentrieren sich seine beiden anderen biographischen Arbeiten zu diesem Jahrhundert, sein Aufsatz über Elisabeth I. und seine umfangreiche Lebensgeschichte Gustav Wasas von Schweden, auf Persönlichkeiten, die für ihr Land zu Vorreitern des Protestantismus werden. Bei näherem Hinsehen fallt jedoch auf, daß Archenholz bezeichnenderweise weniger die bedeutendste Leitung Sixtus V . , die Reform der römischen Kurie 1 8 2 , würdigt, sondern vielmehr seinen letztlich gescheiterten Einsatz für eine Revision des lateinischen Bibeltextes. So wirbt Archenholz selbst für seine Papstgeschichte durch den Hinweis auf seinen persönlichen, einzigartigen historischen Rückschluß: "wie man denn auch hier den von keinem italienischen Geschichtsschreiber bemerkten wichtigen Umstand findet, daß der Entschluß dieses Papstes, dem Volk die Bibel in die Hände zu geben, seinen Tod bewirkte. " 1 8 3

176 Vgl. seine Arbeiten über Elisabeth I., Gustav Wasa von Schweden, Papst Sixtus V . , Johann Sobiesky a.a.O. 177 Vgl. Schiller an Archenholz, 10. Juli 1795, gedr. in: Tübinger Morgenblatt 1828, 512. Der Inhalt dieses Briefes wird an gegebener Stelle aufzugreifen sein (Kap. F.U.2). 178 So Archenholz selbst: "Dies ist eine getreue, aus den besten in der Vorrede angezeigten Schriftstellern genommene Erzählung einer sehr besonderen Begebenheit", in: Minerva, 1792, 1. Bd., 119. 179

Minerva, 1792, 1. Bd., 119.

180

Ebd., 120.

181 Vgl. August Franzen/Remigius Bäumer, Papstgeschichte. Das Petrusa^it in seiner Idee und seiner geschichtlichen Verwirklichung in der Kirche, Freiburg/Basel/Wien 1982, 303 ff. 182

Vgl. ebd., 303 f.

183

Minerva, 1792, 1. Bd., 120.

48

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

Wie schon angedeutet, gehört in den Zusammenhang der historischen Arbeiten Archenholz' zum Renaissancezeitalter auch seine "Geschichte der Königin Elisabeth von England", die nicht eigenständig, sondern als Beitrag zum "Historischen Calender fur Damen fur das Jahr 1790" erscheint, den Archenholz in diesem Jahr einmalig und gemeinsam mit Wieland herausgibt 1 8 4 . Es nimmt nicht wunder, Archenholz hier abermals über England referieren zu sehen, zumal ihm glücklicherweise gerade die Historie dieses Landes eine herausragende Persönlichkeit weiblichen Geschlechts präsentiert, deren Geschichte sich fur ein Damenjournal geradezu anbietet. Nichtsdestotrotz fallt auf, daß Archenholz sich eine Herrscherfigur des 16. Jahrhundert wählt, unter deren Regierung England überdies zur protestantischen Vormacht Europas wird und außerdem die Renaissancekultur im Land ihre Blüte erreicht. Die neben seiner "Geschichte des Siebenjährigen Krieges" umfangreichste historische Arbeit Archenholz' ist seine 1801 in Tübingen erscheinende, zweibändige "Geschichte Gustavs Wasa, Königs von Schweden; nebst einer Schilderung des Zustande von Schweden von den ältesten Zeiten an bis an das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts". Auch im Falle dieser biographisch orientierten Historiographie sind es eher die Thematik und eingängige Darstellungsweise als die inhaltliche und intellektuelle Qualität, die interessieren. Denn obwohl Archenholz wohl einige originale Werke und Notizen schwedischer Gelehrter benutzt hat, die ihm durch einen in Hamburg lebenden, schwedischen Freund beschafft wurden 185 , finden sich in seinem Werk keine neuen "historischen Absichten und Beurtheilungen" 186, die Archenholz' eigenem Anspruch, mit seiner Biographie eine "historische Lücke auszufüll e n " 1 8 7 , gerecht würden. Bei der Ausführung des Themas selbst fallt einmal mehr Archenholz' Faible für Charakterzeichnungen herausragender Herrschergestalten ins Auge, mit dem seine eigenen Vorstellungen vom weiten Kompetenzbereich weiser, großer Herrscher Hand in Hand gehen 188 , wie sie nicht zuletzt in seinen preußischen Jugendjahren unumstößlich geprägt wurden. So liest es sich fast wie eine Hommage an den Preußenkönig, wenn

184 "Historischer Calender fur Damen fur das Jahr 1790, von Archenholtz und Wieland, Leipzig bey G.J. Göschen, 1789". Vgl. zu diesem gemeinsamen Unternehmen Hahn, Schiller, Göschen und der Historische Kalender fur Damen, 490-499. 185

Vgl. Ersch y Allg. Encyclopädie, 5. Theil, 1820, 135.

186

Ebd.

187

Geschichte Gustav Wasa, Tübingen 1801, 1. Bd., Vorrede, Π.

188 Dieser Aspekt steht im Kontext von Archenholz' Friedrich-Bild; vgl. ausfuhrlicher in Kap. E . I und Kap. G.

ΠΙ. Kritische Werkübersicht

49

Archenholz fur seine Wasa-Biographie mit den Worten wirbt: "Es ist bekannt, das Gustav als Jüngling sehr seltsame Abentheuer zur Rettung seines Vaterlandes bestehen mußte, daß er sie glorreich endigte, und von seinen Mitbürgern als der Würdigste zum Thron erhoben ward; da er dann, nach Uebersteigung der größten Schwierigkeiten, die protestantische Religion einführte, die Cultur der rohen Einwohner kräftig beförderte, und durch weise Gesetze und Einrichtungen den Grund zu der Selbständigkeit dieses Königreichs legte, die es seitdem behauptet hat. Eine solche Geschichte ist wohl fähig, Interesse zu erzeugen." 189 Was im Konkreten dieses Interesse erzeugt, artikuliert Archenholz an anderer Stelle ganz deutlich. Ist ihm nämlich auf der einen Seite unter Anspielung auf seine sonstigen Länderberichte vornehmlich aus Preußen, England und Frankreich die begrenzte Aufmerksamkeit für die schwedische Geschichte sehr wohl bewußt 190 , so gelingt es ihm auf der anderen Seite, ein durchaus zeitgemäßes Erkenntnisinteresse für eine schwedische Historiographie zu artikulieren: "In ... Hinsicht ... der interessanten Betrachtung des allmählichen Uebergangs einer ganzen Nation von einer Religions = Lehre zur andern, der sich gleichsam vor unsern Augen entwickelnden Volks=Ausbildung ..., wird man gegenwärtige Geschichte, ohngeachtet ihres beschränkten Stöfs, nicht ohne Befriedigung lesen." 191 Schließlich setzt er

189 Minerva, 1800, 4. Bd., 191 f. - Archenholz erläutert hier sein neues Werk anläßlich der Bekanntgabe seiner Drucklegung im Okt. 1800. 190

Vgl. Geschichte Gustavs Wasa, 1801, 1. Bd., Vorrede, V f.

191 Ebd., V I f. - Wie sehr die zeitgenössische Leserschaft den religionsgeschichtlichen Aspekt der Wasa-Biographie Archenholz' als das Kernanliegen des Werks begriffen hat, verdeutlicht die literarische Fehde zwischen Archenholz und den französischen Rezensenten der Übersetzung der "Geschichte Gustavs Wasa" durch Barn de Propiac in den Jahren 1802/02. Auf die Stellungnahme im Mercure de France im Dezember 1801, "Gustav vernichtete selbst durch die von ihm veranlaßte Religions=Veränderung die guten Wirkungen, die er durch die Revolution in der Regierung erwarten konnte" und hätte daher vielmehr "Schweden catholisch lassen sollen" (Minerva 1802, 1. Bd., 310), reagiert Archenholz in einer "Niederschrift des Herausgebers der Minerva" (Minerva, 1802, 1. Bd., 313-320) mit äußerster Schärfe. Archenholz geht es hier jedoch weniger um die gerechte Würdigung der historischen Leistung Gustav Wasas, sondern um eine Wertschätzung des Protestantismus, die im Kontext der Aufklärung steht. Diese Haltung vertritt er explizit nur wenig später in seinem Aufsatz "Zur Geschichte der neuesten Barbarey"" (Minerva, 1803, 3. Bd., 121-137), in dem er sich gegen erneute Beschuldigungen eines Rezensenten des "Mercure de France" wehrt, der ihm "einen Haß gegen den römischen Hof" sowie eine enthusiastische Schilderung der Übertretungen der katholischen Kirche innerhalb der Wasa-Biographie anlastet (123 f.). Archenholz verweist daraufhin nicht nur auf den Umstand, daß seine schwedische Geschichte" natürlich "den aufgeklärten und gebildeten Theil seiner Zeitgenossen, so wie auch der Nachwelt, ... von welcher Nation und Religion diese auch seyn mögen, [vor Augen]" habe (121) und attackiert die französischen, "tonangebenden Fanatiker", die "den Geist ... von Kenntnissen entblössen und in den Schlamm ihres crassen Aberglaubens, das heißt ins 11. Jahrhundert, zurückfuhren" wollen (130). - Vgl. zu diesem Aspekt auch die Ausführungen H. Wolffs in: Die Weltanschauung der deutschen Aufklärung in ihrer geschichtlichen Entwicklung, München 1949. In der Einleitung "Von der Reformation bis zur Aufklärung" (10-23) verweist Wolff darauf, daß "in den 4 Rieger

50

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

außerdem "... zu näheren Kenntniß des Landes und der Nation" und "zu ihrer bessern Würdigung" 192 eine Zustands- und Sittenschilderung Schwedens von den "ältesten Zeiten" bis zum Regierungsantritt Gustavs I. im Jahr 1523 voran 1 9 3 . Die letzte, ausgesprochen historische Arbeit Archenholz1 erscheint im Jahr 1803 als zweiter Band seiner "Kleinen Historischen Schriften". Sie enthält einen einzigen geschlossenen Aufsatz, "Die Geschichte der Flibustier". Die Idee zur Schilderung dieser Geschichte "einer auf den westindischen Meeren schwimmenden Republik geborner Europäer" 194 , die Archenholz mit viel Enthusiasmus angeht 195 , entspringt seinem hier in die Vergangenheit projizierten Interesse an Themen zur europäischen Militärgeschichte. Entsprechend reflektiert er gleich zu Beginn seiner Schrift über die Gleichwertigkeit des "Gewöhnlichen" in der Geschichte neben den sich besonders im Kriegsruhm manifestierenden "Auszeichnungen" fast aller "Nationen Europens" 196 und kommt zur Feststellung des "eminent Auszeichnenden ... im achtzehnten Jahrhundert ... von den Preußen im Siebenjährigen Kriege, von den Engländern in ihren Seeschlachten in den letzten 50 Jahren, und von den Franzosen im Revolutionskriege." 197 "Diese Betrachtungen führten den Verfasser gegenwärtiger Geschichte zu historischen Vergleichungen, wo denn die Flibustier sich seinem Gedächtnis darstellten." 198 Im folgenden unternimmt Archenholz es dann, zerstreut und einzeln vorhandene Originalschriften unterschiedlichster Sprachen aufzuspüren 199 und aus ihnen eine zusammenhängende Geschichte der Bukanier und Flibuster und ihres wechselvollen, von französischen, englischen und spanischen Interessen geleiteten Lebens zwischen Inselsiedlungen und Seeräubertum zu schreiben. Er endet seine Darstellung mit der fast völligen Vernichtung der Flibuster durch eine

weltlichen Lehren des Protestantismus die Wurzeln der Weltanschauung der deutschen Aufklärung [liegen]." (11). - Vgl. unter diesem Aspekt auch Archenholz* Interessen an Elisabeth I., Geschichte der Konigin Elisabeth von England. 192

Geschichte Gustavs Wasa, 1800, 1. Bd., Vorrede, V I I .

193

Vgl. auch Minerva, 1800, 4. Bd., 192.

194

Jördens, Lexikon der dt. Dichter und Prosaisten, 1806, 1. Bd., 65.

195 Vgl. die Ausführungen Archenholz' in seinem Aufsatz "Die Flibustier", in: Minerva 1803, 2. Bd., 1-12. Er äußert sich hier über Werkmotivation und Quellenarbeit und präsentiert einen langen Textauszug aus der Originalschrift. 196

Kleine Historische Schriften, Tübingen 1803, 2. Bd., V f.

197

Ebd., V I I .

198

Ebd.,Vm.

199

Vgl. ebd., ff.; Minerva 1803, 2. Bd., 1 f.

ΠΙ. Kritische Werkübersicht

51

englisch-holländische Flotte und ihrem endgültigen Ende durch den Utrechter Frieden im Jahr 1713. Die positive Aufnahme dieses zweiten Bandes der "Kleinen Historischen Schriften" 200 spricht fur die Originalität dieser Abhandlung.

4. Einzeldarstellungen zu Zeit- und Kriegsgeschichte

Die bisher unberücksichtigten Schriften Archenholz' stehen sowohl thematisch als auch hinsichtlich ihrer Ausführung in engem Zusammenhang zu den schon behandelten Werken. Sie erfordern dennoch eine eigene Rubrik, da sie im Unterschied zu letzteren nicht in seinen eigenen Zeitschriften, sondern in fremden Zeitschriften oder aber eigenständig erscheinen, als solche Einzelerscheinungen dann jedoch nicht unter eine der bisherigen Kategorien fallen. Den Anfang dieser Rubrik machen drei Beiträge Archenholz* in nicht von ihm selbst herausgegebenen Zeitschriften, von denen seine "Bemerkungen über Pitt und Englands gegenwärtige Lage" in der Juni-Ausgabe des "Deutschen Merkur" 1786 und die "Bemerkungen über die Sittenveränderungen in Europa" 1790 in der "Berlinischen Monatsschrift" erscheinen 201. Die beiden kurzen Aufsätze sind ganz im Rahmen seiner Interessengebiete zu sehen, die ja schon in seinen sonstigen Werken so eindringlich zum Tragen kamen und enthalten erwartungsgemäß auch nichts, das nicht in seinen bedeutenderen Werken zu diesen Themen enthalten wäre. Daher können diese Beiträge wohl als jeweilige Gelegenheitsarbeit Archenholz' gewertet werden, die sich im Falle der Mitarbeit am "Deutschen Merkur" aus seiner Freundschaft zu dessen Herausgeber Wieland ergeben hat bzw. sich betreffs seines Aufsatzes für die "Berlinische Monatsschrift" im Jahr 1790 aus seinem einjährigen Berliner Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt erklärt. Ebenfalls auf die Initiative eines persönlichen Kontaktes zurückzufuhren ist Archenholz' 1795 in Schillers "Hören" erscheinender, 50-seitiger Aufsatz "Sobiesky. Ein historisches Fragment" 2 0 2 . Der im Zusammenhang dieses Beitrages stehende Briefwechsel zwischen Schiller und Archenholz zeugt von der Hochachtung, die Schiller

200 Vgl. Jördens, Lexikon der dt. Dichter und Proaisten, 1806, 1. Bd., 65; Ersch, Allg. Encyclopädie, 5. Theil, 1820, 135; Allgemeine Literatur-Zeitung, 1803, Nr. 241, 425-429. 201

Vgl. Berlinische Monatsschrift, St. 1, 66-71.

202

Vgl. Die Hören, Tübingen 1795, 4. Bd., 12. St., 62-113.

52

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

Archenholz' historischer Darstellungskunst zollt 2 0 3 , und läßt auf die gegenseitige Anregung der beiden Schriftsteller gerade zu diesem Genre schließen. So gelingt Archenholz auch in seinem "Hören"-Beitrag die geschlossene, fließende Darstellung der bewegten Geschichte des polnischen Königs Jan Sobieski und dessen außergewöhnlicher Verdienste als hervorragender Feldherr in zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen mit den Türken am Ende des 17. Jahrhunderts. Einmal mehr liefert Archenholz damit ein Beispiel fur seine Vorliebe für kriegsgeschichtliche Themen sowie für sein Talent zur Charakterzeichnung. In eben diesem Kontext steht noch eine weitere, diesmal eigenständig herausgegebene Arbeit Archenholz', seine 1794 in zwei Stücken erscheinende Abhandlung "Der Krieg in der Vendée". Archenholz gibt hier einen Situationsbericht des Aufstandes der konservativen Bevölkerung in der Vendée gegen die Französische Revolution, der nach der Hinrichtung Ludwigs X V I . im Januar 1793 zu einem grausamen Bürgerkreis ausartet und erst zwei Jahre nach Archenholz' Bericht zu Ende geht. Thematisiert er hier zwar einen aktuellen, zeitgeschichtlichen Vorfall, so handelt es sich doch einmal mehr um die Darstellung einer militärischen Auseinandersetzung unter Hervorhebung des persönlichen Einsatzes Beteiligter, wie das 2. Stück, "Der Feldzug des französischen Generals Westermann in der Vendée", beweist. Daß Archenholz' Augenmerk besonders nach seinem Parisaufenthalt in den 90er Jahren hauptsächlich auf die Ereignisse in Frankreich gerichtet ist, beweisen nicht nur seine große Zeitschrift "Minerva" oder dieser weniger beachtete Aufsatz zum "Krieg in der Vendée". Vielmehr finden sich zwei weitere Publikationen ausdrücklich zeitgeschichtlicher Thematik, eine Einzeldarstellung und eine zweibändige Aufsatz-Sammlung, für die Archenholz zwar nicht als Autor, so doch als Herausgeber verantwortlich zeichnet. 1793 erscheinen "Die Pariser Jacobiner in ihren Sitzungen. Ein Auszug aus ihrem Tagebuch, veranstaltet und mit Anmerkungen versehen von Johann Wilhelm von Archenholz." Eigenen Angaben zufolge verfügt Archenholz über eine "Druckmasse" der sonst im Original vergriffenen Sitzungsprotokolle der Jacobiner 204 , aus der er einen "sehr getreuen, zweckmäßigen Auszug nicht selbst gemacht ... aber sorgfaltig veranstaltet" 205, um damit adressiert an "Freunde historischer Untersuchungen" und "Lese-

203

Vgl. Schiller an Archenholz, 10. Juli 1795, gedr. in: Tübinger Moigenblatt 1828, 512.

204

Die Pariser Jacobiner in ihren Sitzungen, Hamburg 1793, ΙΠ.

205

Ebd., V .

ΠΙ. Kritische Werkübersicht

53

Dilettanten" 206 gleichermaßen - einen weiteren "Beitrag zur neuesten Geschichte Frankreichs" 207 zu leisten. Das Exzerpt der Protokolle übergibt Archenholz an den "sprach- und sachkundigen Gelehrten" 208 Pappenheimer 209 ; von ihm selbst stammen einige Erläuterungen und Zusatzinformationen unter häufiger Bezugnahme auf seine Augenzeugenschaft 210. Bei den "Miscellen zur Geschichte des Tages", die Archenholz 1795 in zwei Bänden herausgibt, handelt es sich, wie der Titel schon andeutet, um eine Sammlung kleiner Aufsätze verschiedenen, betont zeitgeschichtlichen Inhalts. Archenholz wird damit in besonders augenscheinlicher Weise seinem Selbstverständnis als Sammler gerecht, der über die politisch brisanten Tagesereignisse informieren w i l l 2 1 1 . Da er sich um eine möglichst vielseitige Berichterstattung bemüht und ihm überdies stets auch ein kaufmännischer Impetus unterstellt werden muß, kann aus seinen Arbeiten als Herausgeber nicht zwingend auf seine persönlichen Positionen zu den jeweils präsentierten Berichten geschlossen werden 212 . Umso aufschlußreicher ist dafür gerade auch diese Aufsatzsammlung für den von Archenholz geforderten, tagespolitischen Informationsbedarf der deutschen Leserschaft, zumal der stark politische Gehalt der "Miscellen" ins Auge fällt. Den ersten Beitrag der Sammlung bildet eine englische Parlamentsrede, "Fox Rechenschaft an seine Wähler, die Bürger von Westminister", gehalten am 2. Januar 1792 aus Anlaß eines Kompetenzmißbrauchs des englischen Königs, der Fox zum Appell an den Kompetenzgebrauch des Parlaments,

206

Ebd., m.

207 Ebd., m. 208 Ebd., V f . 209 Die Verpflichtung H.S. Pappenheimers für diese Arbeit zeigt neben Archenholz* Pariser Korrespondenten Oelsner den zweiten radikalen Revolutionsanhanger in Archenholz' gesellschaftlichem Umfeld unmittelbar nach der Französischen Revolution. Vgl. Deinet, Konrad Engelbert Oelsner und die Französische Revolution; zu H.S. Pappenheimer vgl. Grab, Demokratische Strömungen in Hamburg und Schleswig-Holstein zur Zeit der ersten französischen Republik, bes. 149 f. und 214 ff. Im Unterschied zu seinem Fragment über "Die Pariser Jacobiner", das im folgenden Jahr in der Minerva erscheint, zeigt sich Archenholz hier also noch als entschiedenerer Revolutionsanhanger (vgl. Minerva, 1793, 1. Bd., 369-378, bes. 369 f.) Zu Archenholz baldiger Mäßigung vgl. seine Trennung von Oelsner: Archenholz an Gleim, 29. Sept. 1794. 210

Die Pariser Jacobiner, passim.

211

Vgl. Archenholz' Werkkonzeption (Kap. D).

212 Archenholz betont oft, daß er "nur für das mit einem A bezeichnete ... verantwortlich, für das andere nur insoweit [er] es aufgenommen'' habe (vgl. hier: Archenholz an Gleim, 22.

Mai 1793).

54

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

sprich seiner Kontrollfunktion, veranlaßt 213 . Den nachfolgend vorgelegten "Englischen Staatsschriften, die Besitznehmung von Corsica betreffend" schließt sich bezeichnenderweise ein Aufsatz "ueber die Geographie in politischer Hinsicht von Mercier" a n 2 1 4 . der eine scharfe Kritik an der Expansionspolitik großer Staaten und der Idee einer Universalmonarchie enthält und ein ausgesprochenes Plädoyer fur den kleinen Staat darstellt. Die restlichen "Miscellen" des ersten Bandes enthalten ausschließlich Beiträge zur Französischen Revolution, wie die anonymen Aufsätze über Robespiere und Danton, eine Rede von St. Just, einen Auszug aus dem "Neu=französischen Ehestands=Codex" und eine allgemeine Charakteristik der Revolution 215 . Der zweite Band dieser umfangreichen Aufsatzsammlung besteht dann schließlich nur noch aus zwei größeren Zeugnissen französischer Revolutionsgeschichte, der "Flucht der Girondisten, von J.B. Louvet, einem der im Jahr 1793 geächteten französischen Convents=Deputirten. Ein wichtiger Beitrag zur Revolutions =Geschichte und Menschenkunde" sowie "Robespierre's letzter Rede, gehalten im Convent am 26sten July 1794, zwey Tage vor seiner Hinrichtung". Archenholz' beiden letzten Werke außer seiner "Minerva" zeigen ihn zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch einmal in seinen Funktionen als Autor und als Herausgeber. In den angesprochenen Einzeldarstellungen befaßt er sich mit den Folgen der Französischen Revolution, den Koalitionskriegen, indem er sich zum Ende seiner beruflichen Laufbahn abermals zu militärischen Brennpunkten der Zeitgeschichte Englands, Deutschlands und Frankreichs äußert; den Ländern und Themen, denen sein lebenslanges Interesse galt. Im Jahr 1800 veröffentlicht Archenholz eigenständig seine "Bemerkungen über den Subsidientraktat Baierns mit England", die einen gehaltreichen Einblick in den späten politischen Standpunkt Archenholz' sowie in sein Argumentationsvorgehen ermöglichen 216. Inhaltlich weniger aufschlußreich, dafür aber wie eine letzte Reverenz Archenholz' an seine ungebrochene Absicht, möglichst vollständige Sammlungen historischer Schriften zu zeitgenössischen

213

Vgl. Miscellen zur Geschichte des Tages, Hamburg 1795, 1. Bd., 41-76, bes. 44 ff.

214

Vgl. ebd., 243-253.

215 Vgl. ebd., 141-243 und 290 ff. Vgl. besonders "Ueber das Charakteristische der französischen Revolution", 254-290. 216 Vgl. Bemerkungen, Beilage zur Minerva 1800. Vgl. zu Inhalt und Vorgehen ders., Kap. E.I.

I V . Archenholz im zeitgenössischen und historischen Urteil

55

Themen zu liefern 217 , stellen sich die von ihm 1803 edierten "Beiträge zur Geschichte Hannovers im Jahr 1803" dar. In zwei Heften werden hier sieben Aufsätze zur Geschichte Hannovers vor dem Hintergrund seiner französischen Besetzung und den Vorbereitungen Napoleons fur eine Landung in England präsentiert, die sowohl einen Zustandsbericht und eine Prognose enthalten als auch einen Aufsatz über die Elbkonvention sowie militärische Ordres und persönliche Ansprachen einzelner Befehlshaber an die in der Auflösung begriffene hannoveranische Armee 2 1 8 .

I V . Archenholz im zeitgenössischen und historischen Urteil

Eine möglichst ergiebige Aufarbeitung der zu Johann Wilhelm von Archenholz vorhandenen Daten und Fakten sollte auf eine Zusammenstellung der vereinzelten Stellungnahmen zu seiner Persönlichkeit und seinen Charakteristika nicht verzichten, durch die ein kompletteres und plastischeres Bild des heute kaum bekannten Schriftstellers des späten 18. Jahrhundert gewonnen werden kann. Aus den wenigen Äußerungen, die in der Literatur über Archenholz zu finden sind 2 1 9 , lassen sich weitgehend einstimmige Urteile über seinen Bildungsstatus, seine Talente und ihre Umsetzung sowie seine zeitgenössische Rezep-

217

Beitrage zur Geschichte i.J. 1803, Hambuig, 1. Heft, Vorwort, o.S.

218 Vgl. ebd.: 1. Der Hannoveraner Lage und Aussichten im Junius 1803; 2. Lage und Aussichten der Hannoveraner im Julius 1803; 3. Abschieds=Gruß des General=Feldmarschalls Grafen von Wallmoden an die aufgelößte hannoversche Armee. Vgl. ebd., 2. Heft, vier ausdrücklich bisher ungedruckte Aufsätze: 4. Beytrag zu den Aufsätzen die Lage und Aussichten betreffend; 5. Ordres des Feldmarschalls Wallmoden und des General=Lieutnants von Diepenbroick; 6. Die Elbconvention; 7. Des Generals von Hammerstein Abschied und Danksagung an die Hannöverischen Truppen. 219 Damit sind die Beurteilungen der Persönlichkeit Archenholz gemeint. Solche finden sich unter seinen Zeitgenossen bei Jördens, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten, 1806, 1. Bd.; Ersch, Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, 1820, 5. The il; Karl August Varnhagen von Ense, Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens, 1. Bd. (1785-1810), hrsg. von Konrad Feilchenfeldt (Deutscher Klassiker Verlag); Ludwig Christian Lichtenbergs Briefe, hrsg. von Albert Leitzmann und Carl Schüddekopf, Leipzig 1901, 3. Bd.; Alexander Bran , Minerva 1810. Ansonsten über Archenholz in: Goschen, Das Leben Georg-Joachim Göschens, 1905, 1. Bd.; HJ. Meyer, Neues Conversations-Lexikon, Hildburghausen/New York 1857, Bd.. 1; Allgemeine Deutsche Biographie 1896, 1. Bd.; Friedrich Ruof; Johann Wilhelm von Archenholtz, 1915.

56

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

tion erschließen. £ine besonders prägnante und differenzierte Würdigung erfahrt Archenholz durch Viscount Goschen zu Beginn dieses Jahrhunderts in dessen Biographie über seinen Großvater Göschen 220 , in der trotz der Betonung der abenteuerlichen Unsolidität in Archenholz' Lebenswandel die Relation zwischen seinen mangelhaften Bildungsvoraussetzungen einerseits und seinem erstaunlichen beruflichen Einfluß andererseits herstellt, was ihn letztlich zu einem überaus positiven Fazit bewegt 221 . Wie gelingt es Archenholz, dem im zeitgenössischen Urteil "eigentliche gelehrte Kenntnisse" wiederholt abgesprochen werden 222 , denn nun tatsächlich, "in wenigen Jahren ein großes Publikum" zu gewinnen und "auf dasselbe in verschiedenen Perioden seines literarischen Lebens einen entschiedenen Einfluß" zu nehmen 223 als ein "vielen seiner Wetteiferer überlegener und mit dem Beifall der Nation beehrter Schriftsteller" 224, "von ganz Deutschland und dem Auslande als der vorzüglichste politische Schriftsteller anerkannt" 225? Die Antwort führt zu einer Reflexion über Archenholz' "Talent" 226 und die Art seiner Umsetzung. Die "seltenen Geistesfahigkeiten", die ihm Mitte des 19. Jahrhunderts zugeschrieben werden 227 , definieren andere genauer als die der lebendigen und differenzierten Auffassungsgabe 228. Archenholz findet gerade auf seinen langjährigen Reisen reichlich Gelegenheit, seinen "scharfen Beobachtungs"- und "regen Forschungsgeist"229 zu schulen und sich durch seine "seltene Geschicklichkeit zu fragen und zu sammeln" 230 nicht nur mehrere neue Sprachen 231 , sondern auch eine "große Welt- und Menschen-

220

Goschen, Das Leben G.J. Göschens, 1905, 1. Bd.

221

Ebd., 46.

222 Vgl. Erseht Allg. Encyclopädie, 1820, 5. Theil, 134; Johann Wolfgang Italienische Reise, 30. Bd. (Werksausgabe), 229. 223

Ersch, Allg. Encyclopädie, 5. Theil, 134.

224

Jördens y Lexikon der dt. Dichter und Prosaisten, 1. Bd., 59.

225

Bran , in: Mineiva 1810, 2. Bd., 379.

226

Jördens, Lexikon der dt. Dichter und Prosaisten, 1. Bd., 59.

227

Meyer, Neues Conservations-Lexikon, 1. Bd., 1126.

von Goethe,

228

Vgl. Jördens, 59 und ADB, 1. Bd., 512.

229

Meyer y Neues Conseivations-Lexikon, 1126; Bran , Mineiva 1810, 2. Bd., 379.

230

Ersch, Allg. Encyclopädie, 134.

231

Ebd.

I V . Archenholz im zeitgenössischen und historischen Urteil

57

kenntnis 232 anzueignen. Damit gelingt ihm wohl zum einen Teil, seine mangelnde Gelehrsamkeit und fehlende akademische Bildung abzugleichen. Zum anderen ist es aber vielleicht ausgerechnet das Bewußtsein dieses Mankos, das ihn die Regeln der Überlebensklugheit umso effektiver lehrt. Archenholz zeigt daher außer in den von ihm vertretenen Standpunkten auch in seinen ausgeprägten kaufmännischen Talenten ein hohes taktisches Vermögen. Georg Christoph Lichtenberg bemerkt dazu 1792 in einem Brief an seinen Freund Friedrich Kries ironisch: "Die Annalen sind im Grunde nichts weiter als der British Mercury nach den Materien geordnet ... Archenholtz weiß doch fürwahr seine Produkte an den Mann zu bringen. Erst schreibt er eine Zeitung englisch, bringt sie 2. stückweise in sein deutsches Journal, läßt sie 3. ganz ins Deutsche übersetzen und ordnet sie 4. nach den Materien und heißt das Werk Annalen. Von dem Werk wird, wie ich höre, unter seiner Aufsicht und für ihn eine französische Uebersetzung erscheinen und fehlt weiter nichts, als daß er sie noch mal in Frage und Antwort behandelte. w233 Weniger spöttisch konstatiert Archenholz' langjähriger Freund und Mitarbeiter Ersch wenige Jahre nach dessen Tod hinsichtlich seines politischen Manövrierens, daß Archenholz sich "mit vieler Klugheit" und "als politischer Journalist, der jedesmaligen Lage der Begebenheiten gemäß, das Ansehen der Unparteilichkeit zu geben [wußte], ohne eben immer folgerecht in seinen Grundsätzen und Urtheilen zu seyn." 234 Ersch lobt nicht nur Archenholz' Geschick. Er erkennt auch dessen Temperament als Ursache für viele Unstimmigkeiten in seinen Meinungen, wenn er anschaulich hinzufügt, daß "viele Irrthümer in seinen Werken Jedem erklärlich [sind], der seine Lebhaftigkeit kennen zu lernen Gelegenheit hatte. " 2 3 5 Die jüngste Charakterisierung Archenholz' findet sich bei Friedrich Ruof 2 3 6 , der, wie auch schon frühere Kritiker, neben Archenholz' schneller 232

Ebd.

233 L. Chr. Lichtenberg an Friedrich Kries, 17.6.1792, in: Lichtenbergs Briefe, 3. Bd., 259 f. (zit. nach Ruof, 129). 234

Ersch, Allg. Encyclopädie, 135.

235

Ebd.

236 Zur Charakteristik und Beurteilung "Archenholz' vgl. Ruof 132 ff., hier: 133. Wenige Jahre zuvor findet sich eine plastische Charakterisierung Archenholz' bei Robert Philippsthal, Deutsche Reisende des 18. Jahrhunderts in England, in: Festschrift zum 13. Allgemeinen Deutschen Neuphilologentage in Hannover, Hannover 1908, fur die er keine näheren Anhaltspunkte gibt, die aber dennoch hier zitiert werden soll. Nachdem er kurz Archenholz' Kriegsdienst erwähnt, bemerkt er, daß dieser "nun ... Geschichte und Völkerkunde [studierte]" und fahrt fort: "Er war eine schnelle zugreifende Natur; die Welt der Bûcher war weniger sein Feld als die wirkliche Welt. Weil er viel sehen wollte, schrieb er Bücher; weil er als selbständiger Denker

58

Β. Daten und Fakten zu Archenholz

Auffassungsgabe besonders seine außergewöhnliche Fähigkeit zur Vermittlung des Erfaßten würdigt. Er stellt Archenholz1 zweckorientierte Geschicklichkeit in Rechnung, die ihn u.a. zu genau der Rezipienten-orientierten Sprachpraxis befähigt habe, die ihm sein großes zeitgenössisches Publikum sicherte und die seine fehlenden schöpferischen Qualitäten ausgleichen konnte 237 . Als abschließende Porträtierung Archenholz' seien die Eindrücke zitiert, die Varnhagen von Ense nach einem Treffen mit Archenholz festhält und in denen sich in besonders plastischer Weise die bereits angesprochenen Charakteristika vereinen: "Von bedeutendem Namen war auch der ehemals preußische Hauptmann von Archenholz, der die Geschichte des siebenjährigen Krieges fur die große Lesewelt geschickt bearbeitet hatte, und jetzt als Herausgeber der Zeitschrift "Minerva" sich in politischen Dingen gewichtig vernehmen ließ. Der preußische Offizier war in ihm wenig mehr zu erkennen, er hatte eher das Aussehen eines holsteinischen Pächters, der auf gute Marktgeschäfte sinnt; in den Schwierigkeiten der Zeitläufte wußte er sich klug zu winden, und wenn er nachdrücklich zu versichern pflegte, "Ich gehe meinen Weg gerade durch", dabei aber mit dem Stock bald zur rechten bald zur linken Seite vor sich her schlenkerte, so war man geneigter, seiner symbolischen Gebärde zu glauben als seinem klaren Worte. 1 , 2 3 8

gelten wollte, gliederte er seine Beobachtungen systematisch. Dabei leitete ihn ein glücklicher Sinn für die Form, dem eine ungewöhnliche stilistische Befähigung entsprach. Indessen war er nicht geneigt, das Gehörte kritisch zu erwägen, sondern verließ sich gern auf die unmittelbare Anschauung und Erfahrung." (Philippsthal, 89). 237

Ruof; "Charakteristik und Beurteilung", 132 ff.

238

Karl August Varnhagen von Ense, Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens, 1. Bd., 146.

C. Archenholz1 Lebenskonzept im Kontext der Aufklärung Die Verwendung des Konzeptbegriffs im Kontext bestimmter Daten der Biographie Archenholz1 impliziert die Behauptung, Archenholz1 Lebensweg folge einem bewußten Entwurf, einer Planung. Eine solche Behauptung ist nur haltbar, wenn nachgewiesen werden kann, daß Archenholz Momente des Entscheidungszwangs und damit gleichzeitig der Entscheidungsfreiheit, vor die ihn Lebensumstande stellen, erkennt und nutzt. Archenholz tut dies in zwei Fällen. Nach dem abrupten Ende seiner militärischen Laufbahn, auf die er zweifelsohne von Haus aus angelegt war, begibt er sich ohne ersichtlichen Grund auf lange Reisen. Ob er nun aus Krankheitsgründen oder einer finanziellen Erschöpfimg oder beidem dazu gezwungen ist, seine Lehr- und Wandeqahre zu beenden oder mit bald 40 Jahren die Zeit zu einer Etablierung fur gekommen sieht, spielt keine Rolle. Wichtig ist, daß er die Möglichkeit wahrnimmt, die sich ihm als Vielgereistem, als Landes- und Gesellschaftskenner, hinsichtlich der Suche nach einer bürgerlichen Erwerbsmöglichkeit bietet: Er entscheidet sich fur eine Karriere als Schriftsteller und als Publizist, in der sein bisheriges Erleben sowie sein darin begründetes Erkenntnisinteresse seine lohnende Umsetzung findet. Im folgenden steht nicht diese Umsetzung im Mittelpunkt, die erst eine Untersuchung der Quellen belegen wird. Hier interessiert zunächst, inwiefern Archenholz sich durch seine Entscheidungen zu Reisetätigkeit und Schriftstellerlaufbahn gerade den gesellschaftlichen und kulturellen Kategorien zuordnet, die in einem engen, wechselwirksamen Verhältnis zur Aufklärung stehen. Der Natur der Sache nach kommt Archenholz dabei nur begrenzt zu Wort, da hier Lebensfakten und nicht Aussagewerte untersucht werden. Eine Anleihe beim etablierten Forschungswissen über die bürgerliche Reise des 18. Jahrhunderts sowie den speziellen Schriftsteller-Typus der Aufklärung ist daher unumgänglich, um die Frage nach konzeptionellen Aufklärungsstrukturen in der Biographie Archenholz' hinlänglich zu beantworten.

60

C. Archenholz' Lebenskonzept im Kontext der Aufklärung

I . Archenholz als bürgerlicher Reisender des 18. Jahrhunderts

"The proper Study of Mankind is man. Pope. Das Studium der Sitten naher und ferner Völker ist eine der großen Eigenheiten unseres Jahrhunderts, würdig eines erleuchteten Zeitalters und aufgeklärter Nationen. Nie sah man so viel Reisende, selbst vom höchsten Stande, in allen Ländern von Europa; nie wurden so begierig Reisebeschreibungen gelesen, und über die darin enthaltenen Thatsachen commentirt, als jetzt. Der menschliche Geist wird durch diese philosophische Erdkunde freier von Vorurteilen; ... und vertauscht seine engbrüstige Philosophie mit deijenigen erhabenen göttlichen, die die ganze Geisterwelt umfaßt. Die höchst wohlthätigen Wirkungen dieser Kenntnisse äußern sich durch Weisheit, Edelmuth und Philantropie in zahllosen Handlungen, sowohl in den Cabinetten der Monarchen, als im Privatleben der Menschen aus allen Ständen."1 Was Archenholz hier mit treffenden Worten im Jahr 1789 beschreibt, stellt ein eng mit der Aufklärung verbundenes Phänomen dar: die spezifische Reisekultur, die sie hervorbringt und als deren Exponent sich Archenholz selbst durch sein sechzehnjähriges (!) Reiseunternehmen durch ganz Deutschland, die Schweiz, Polen, Italien, Dänemark, Norwegen, Holland, die österreichischen Niederlande und nicht zuletzt England und Frankreich 2 definieren läßt. Das Zitat enthält alle wesentlichen Komponenten einer komplexen Thematik, die in ihrer Relevanz fur die Aufklärungsforschung von dieser längst erkannt und entsprechend beachtet wird 3 und der es zwecks einer ersten Zuordnung Archenholz' zur Geistes- und Gesellschaftsgeschichte seiner Zeit nachzugehen gilt. Schon Archenholz erkennt, daß es sich bei der Reisekultur seiner Zeit um ein Charakteristikum seines Jahrhunderts handelt, das als gesellschaftliches

1

Annalen der Brittischen Geschichte des Jahres 1789, 206.

2

Vgl. England und Italien, 1791, 1. Theil, X I und ebd., 5. Theil, 213.

3 Vgl. grundlegend die kulturgeschichtlichen Arbeiten von Bauer und Löschburg: Hans Bauer, Wenn einer eine Reise tat. Eine Kultuigeschichte des Reisenden von Homer bis Baedeker, Leipzig 1973; Winfried Löschburg, Von Reiselust und Reiseleid. Eine Kulturgeschichte, Frankfurt a.M. 1974 sowie als Übeiblick die wichtigen Sammelwerke der jüngeren Forschung: Wolf gang Griep/Hans-Wolf Jäger, Reise und soziale Realität am Ende des 18. Jahrhunderts, Heidelberg 1983 (Neue Bremer Beiträge, hrsg. von H . W . Jäger/G. Sautermeister, 1. Bd.); Wolfgang Griep/Hans-Wolf Jäger, Reisen im 18. Jahrhundert, Heidelberg 1986 (Neue Beiträge, hrsg. von H . W . Jäger/G. Sautermeister, 3. Bd.). - Zum Aspekt Reisen und Aufklärung vgl. besonders Hans Erich Bödeker, Reisen; Bedeutung und Funktion fur die deutsche Aufklärungsgesellschaft, in: W . Griep/H.-W. Jäger, Hrsg., Reisen im 18. Jahrhundert, 91-110.

I. Archenholz als bürgerlicher Reisender des 18. Jahrhunderts

61

und kulturelles Phänomen im Kontext der Aufklärung entsteht und mit ihr schließlich in eine Wechselwirkung tritt. Damit ist nicht die auch im 18. Jahrhundert intensiv betriebene Form der Entdeckungs- und Eroberungsreise 4 angesprochen. Der Begriff des Studiums mit Auswirkung auf die Kenntnisse und letztlich auf ein entsprechendes Handlungsvermögen verweist vielmehr auf eine Tradition des Reisens, die im Rahmen von Bildungs- und Erziehungsprogrammen entsteht und als solche im weiteren aufgegriffen werden wird. Der ständeübergreifende Aspekt, den Archenholz sowohl Reisepraxis als auch Reiseresultat zuspricht, beschreibt dabei bereits das Ende einer Entwicklung, an deren Anfang Bildung fur die sozial und politisch privilegierten Gesellschaftsgruppen reserviert ist. Diese Reservierung findet in den beiden seit dem 16. Jahrhundert dominierenden Reiseformen ihren Ausdruck, in der höfisch-repräsentativ orientierten Kavalierstour der Adligen und der forschungsfixierten sog. "Gelehrten Reise"5. Beide Reisearten zeigen sich, entsprechend der ständisch geprägten und absolutistisch beherrschten Gesellschaft, fur die sie stehen, hinsichtlich ihrer Motivation und ihrer Ausführung einer Fremdbestimmung verpflichtet, die sie gleichsam zu Abziehbildern der sozialen und kulturellen Beschaffenheit ihrer Zeit macht: Bleibt auf der einen Seite die "Gelehrte Reise" einem bestimmten Wissenschaftskanon untergeordnet, so erfahrt auf der anderen Seite der Reisende der dem Repräsentationsritual verpflichteten barocken Kavalierstour eine Reduzierung seiner räumlichen Erfahrung zugunsten seiner gesellschaftlichen und höfisch-

4 Diese besonders im 15. Jahrhundert typische Reiseform verliert im 18. Jahrhundert den Charakter der ursprünglichen Entdeckungs- und Eroberungsreise; sie sucht nach dem Fremden als einem exotischen Paradies. Nicht zuletzt durch Rousseau und die Entdeckung Tahitis im Rahmen der Südsee-Reisen erhält die der Aufklarung inhärente Toleranzidee und ihr Interesse an fremden, wilden Völkern konkrete Anhaltspunkte und mündet schließlich in natuiphilosophische Sichtweisen. Vgl. Uwe Japp, Aufgeklärtes Europa und natürliche Südsee. Georg Forsters "Reise um die Welt", in: Reise und Utopie. Zur Literatur der Spätaufklärung, hrsg. von Hans Joachim Piechotta u.a., Frankfurt a.M. 1976, 10-56; Hans Ritz, Die Sehnsucht nach der Südsee. Bericht über einen europäischen Mythos, Göttingen 1983; Ralph-Rainer Wuthenow, Tahiti. Die Entdeckung der exotischen Idylle, in: ders., Die erfahrene Welt, Europäische Reiseliteratur im Zeitalter der Aufklärung, Frankfurt a.M. 1980, 207-267. 5 Vgl. Hans Erich Bödeker, Reisebeschreibung im historischen Diskurs der Aufklärung, in: H.E. Bödeker/G.G. Iggers/J. Knudsen/P.H. Re ill, Hrsg., Aufklärung und Geschichte, Studien zur deutschen Geschichtswissenschaft im 18. Jahrhundert, Göttingen 1986, 276-298, hier: 279 f. - Vgl. außerdem zur Kavalierstour Ludwig Fertig, Von der Bildung junger Herren, Die Kontinuität der Erziehung in der europäischen Adelswelt, in: ders.> Die Hofmeister. Ein Beitrag zur Geschichte des Lehrerstandes und der bürgerlichen Intelligenz, Stuttgart 1979, 3143; Norbert Conrads, Politische und staatsrechtliche Probleme der Kavalierstour, in: Antoni Maczak/Hans Jürgen Teuteberg, Hrsg., Reiseberichte als Quellen europäischer Kulturgeschichte, Wolfenbüttel 1892 (Wolfenbütteler Forschungen 21), 45-64 - Zur Differenzierung von Gelehrsamkeit und Bildung, die im Kontext des Bildungscharakters sowohl der gelehrten als auch der bürgerlichen Reise entscheidend ist, vgl. Bernhard Fabian, Im Mittelpunkt der Bücherweit. Über Gelehrsamkeit und gelehrtes Schrifttum um 1750, in: Rudolf Vierhaus, Hrsg., Wissenschaft im Zeitalter der Aufklämng, Göttingen 1985, 249-274.

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politischen Disziplinierung 6. Die Bindung an feststehende diplomatische und gesellschaftliche Anlaufstellen wie poltische und militärische Einrichtungen sowie fürstliche Bibliotheken soll dabei die besondere Adelsbildung ebenso garantieren wie eine inhaltliche Vorgabe theoretischer und praktischer Kenntnisse, die sich am Leitbild des idealen Hof-Mannes orientiert 7. Können diese beiden seit dem 16. Jahrhundert dominierenden Reiseformen als Spiegel bestehender gesellschaftlicher Strukturen gelten, so gilt ein Gleiches fur die im 18. Jahrhundert als Äquivalent zu den bisherigen Reisetraditionen entstehende bürgerliche Bildungsreise. Deren Charakteristikum eine neuartige, umfassende Aneignung gesellschaftlicher Wirklichkeit - entwickelt sich mit einem Bewußtseins- und Interessenwandel sich mobilisierender, eben bürgerlicher Gesellschaftsschichten8. Intention, Inhalt und Ausführung des bürgerlichen Reisens stehen daher in unmittelbarem Zusammenhang zu politischen und sozialen Prozessen, die nicht zuletzt gerade in außerpolitischen, intellektuellen Bereichen primäre Entwicklungsmöglichkeiten finden. Dem Bildungsgedanken kommt in diesem Prozeß einer neuen bürgerlichen Identitätssuche, den die Diskrepanz zwischen sozialer, ökonomischer und politischer Realität initiiert, eine zentrale Bedeutung zu 9 . Wie sehr das Reisen hier zum Synonym für Bildung schlechthin wird, verdeutlichen die

6 Vgl. Bödeker, Reisebeschreibungen im historischen Diskurs der Aufklärung, 280 ff. Vgl. zur Veranschaulichung Eva-Marie Csàsky-Loebensîein , Studien zur Kavalierstour österreichischer Adliger im 18. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Instituts fur Österreichische Geschichtsforschung 79, 1971, 403-434; Jörg Jochen Müller y Fürstenerziehung im 17. Jahrhundert. Am Beispiel Herzogen Anton Ulrichs von Braunschweig und Lüneburg, in: Stadt, Schule, Universität, Buchwesen und die deutsche Literatur im 17. Jahrhundert, hrsg. von Albrecht Schöne, München 1976, 243-260. 7 Zur Vermittlung dieses Leitbildes vgl. Ludwig Fertig, Der vollkommene Hofmeister, in: ders., Die Hofmeister. Ein Beitrag zur Geschichte des Lehrerstandes und der bürgerlichen Intelligenz, 44-56. 8 Vgl. Wolf gang Martens, Zur Einschätzung des Reisens von Bürgersöhnen in der frühen Aufklärung (am Beispiel des Hamburger "Patrioten'' 1724-26), in: Griep/Jäger, Hrsg., Reisen im 18. Jahrhundert, 34-49. - Vgl. zum historischen Kontext des beschriebenen Phänomens besonders Hans Erich Bödeker, Prozesse und Strukturen politischer Bewußtseinsbildung, in: Bödeker/Herrmann, Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung, 10-31, vor allem 11-15 sowie grundlegend Zwi Batscha/Jörn Garber, Hrsg., Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, Politisch-soziale Theorien im Deutschland der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Frankfurt 1981. 9 Vgl. Kopitzsch, Die Aufklärung in Deutschland. Zu ihren Leistungen, Grenzen und Wirkungen, 15 und grundlegend: Hans Weil, Die Entstehung des deutschen Bildungsprinzips, Bonn 21967; B. Lutz, Hrsg., Deutsches Bürgertum und literarische Intelligenz 1750-1800 (Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften, 3), 1974; Ulrich Engelhardt, Bildungsbürgertum. Begriffs- und Dogmengeschichte eines Eiketts, Stuttgart 1986 (Industrielle Welt, 43).

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theoretischen Überlegungen zur "Reisekunst"10. So eröffnet die bürgerliche Reise im Zeichen des individualisierenden, autoritätsablösenden Aufklärungsdenkens dem Reisenden eine echte, auf sich selbst bezogene Bildungschance, die im Begriff der "Selbstbildung" ihren adäquaten Ausdruck findet. Diesen Begriff findet Franz Posselt bereits 1795 in seiner Schrift über die " Apodemik oder die Kunst zu reisen", in der er sich mit Montesquieus "de l'esprit des lois" auseinandersetzt11. Gemäß Montesquieus Gedanken von einer dreifachen Natur der Erziehung erfolgt die erste Erziehung des Menschen durch die Eltern, die zweite durch Lehrer und Erzieher und die dritte durch die Welt und die Menschen des täglichen Umgangs. Gerade diese dritte Erziehung erkennt Posselt als die frei bestimmbare, die, ungleich der ersten und zweiten, nicht dem Zufall überlassen ist, und definiert sie als "Selbstbildung". Doch schon vor Posselt schlägt sich die Erkenntnis vom Erziehungswert des Reisens gerade auch fur den bürgerlichen Reisenden in entsprechenden theoretischen Konzepten nieder. So bietet vierzehn Jahre nach Montesqieus Ausführungen Rousseau mit seiner Schrift "Emile ou de l'éducation" einen bürgerlichen Gegenentwurf zur höfischen Reisetheorie, deren Bildungskonzept schon 1699 mit B.-L. de Muralts "Lettres sur Les Voiages" einem ersten Höhepunkt bürgerlicher Kritik ausgesetzt war 1 2 . Durch seine Definition des Reiseziels als Kultivierung der Individualität des Reisenden hatte Muralt die Unzulänglichkeit der

10 Vgl. z.B. den Artikel "Reisen", in: Zedier, Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Leipzig und Halle, 1742, 31. Bd., Sp. 366-385. - Den besten Überblick über die apodemische Literatur der Zeit bietet Justin Stagi , Apodemik oder Reisekunst, in: M . Rassem/J. Stagi, Hrsg., Statistik und Staatenbeschreibung, 16.-18. Jahrhundert, Paderborn 1980, 131-187 und ders., Apodemiken. Eine räsonnierte Bibliographie der reisetheoretischen Literatur des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, Paderborn 1983. - Gerade auch in den bürgerlichen, pädagogischen Konzepten der Zeit schlägt sich der Zusammenhang von Bildung und Reisen nieder, vgl. etwa Joseph Röckl f Pädagogische Reise durch Deutschland. Veranlaßt auf allerhöchsten Befehl der bayrischen Regierung, Dillingen 1805 oder die Reiseprojekte der bekannten Erziehungsanstalt zu Schnepfenthal in: Christian Gotthilf Salzmann, Reisen der Zöglinge zu Schnepfenthal, 1. Bd., Schnepfenthal: Buchhandlung der Erziehungsanstalt 1799. Archenholz wirbt für dieses pädagogische Institut im Rahmen der Veröffentlichung eines "Fragments aus dem Schreiben eines Reisenden" der von seinem Aufenthalt in Schnepfenthal berichtet. Vgl. Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1789, l. Bd., 56 ff. - Vgl. zu dieser Thematik auch Wolfgang Griep, Die lieben Zöglinge unterwegs. Über Schulreisen am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Griep/Jäger, Hrsg., Reisen im 18. Jahrhundert, 152-180. 11 Zu dieser Auseinandersetzung Posselts mit Montesquieu vgl. Rainer S. Elkar, Reisen bildet. Überlegungen zur Sozial- und Bildungsgeschichte des Reisens während des 18. und 19. Jahrhunderts, in: A. Kransnobaev/G. Robel/H. Zeman, Hrsg., Reisen und Reisebeschreibungen im 18. und 19. Jahrhundert als Quellen der Kulturbeziehungsforschung, Berlin 1980, 51 ff., (hier: 59 f.). 12 Vgl. zu Muralt, Lettres sur Les Voiages: William E. Stewart, Die Reisebeschreibung und ihre Theorie im Deutschland des 18. Jahrhunderts, Bonn 1978, 218 ff.

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herkömmlichen höfischen Bildungsreise freigelegt und damit die Weiche zur Herausbildung einer bürgerlichen, alternativen Reiseform gestellt13. Deren eigenständiges Konzept formuliert dann Rousseau 1762 in seiner angesprochenen Schrift, indem er im Rahmen seines Postulats einer idealen naturnahen, undogmatischen Erziehung der Reisetätigkeit eine unverzichtbare Rolle als abschließende Phase des pädagogischen Prozesses zuweist 14 . Eine solch vollendende Funktion innerhalb des Erziehungsprogramms soll dabei durch die empirische Beobachtung, das Studium politischer und gesellschaftlicher Einrichtungen und die moralische Integrität des Reisenden selbst erfolgen 15. Politische Bedeutung erhält Rousseaus Reisekonzept durch seine Forderung, die herkömmliche Reisetheorie den Bedürfhissen und Ansprüchen des Bürgertums anzupassen, um dem inzwischen gesteigerten bürgerlichen Bewußtsein Genüge zu tun. Rousseau bringt damit die gesellschaftspolitisch maßgebliche Signatur des Aufklärungszeitalters auf einen Punkt: Den aus seiner zunehmenden wirtschaftlichen und sozialen Stärke resultierenden Bewußtwerdungsund Verselbständigungsprozeß des Bürgerlichen; ein Prozeß, in dem ein sich veränderndes Wirtschafts- und Gesellschaftspotential einer bestehenden Machtverteilungstradition entgegentritt, deren politische Anpassung an neue gesellschaftliche Realitäten nur über Selbstbewußtwerdungsvorgänge der virulenten Potentiale erfolgen kann. Der sich aus überkommenen ständischen Abhängigkeiten befreiende Bürgerliche vollzieht diese Prozesse in den außerstaatlichen Sphären, in die ihn die noch vorherrschende staatliche Wirklichkeit abdrängt. R. Koselleck spricht hier von "privaten Binnenräumen", in denen die Aufklärung ihren eigentlichen Wirkungsansatz findet 16 . In solche fallt auch die Entscheidungsmöglichkeit für eine neue Reisegestaltung, die den veränderten Bedürfnissen des bürgerlichen Reisenden nach Selbst- und Fremdbestimmung, nach unmittelbarer Welt- und damit Eigenerfahrung gerecht wird. "Der aufgeklärte Mensch", heißt es bei R.S. Elkar, "verfertigt seinen eigenen Reiseplan, die Selbstbildung"17.

13

Vgl. ebd.

14 Vgl. zu Rousseau, Emile ou de l'éducation: Stewart, Theorie, 233 ff. 15

Vgl. ebd.

16

Vgl. Koselleck, Kritik und Krise, 30 f., 41.

Die Reisebeschreibung und ihre

17 Elkar, Reisen bildet. Überlegungen zur Sozial- und Bildungsgeschichte des Reisens während des 18. und 19. Jahrhunderts, 60.

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Da die bürgerliche Reise des 18. Jahrhunderts also gerade nicht darauf abzielt, Lebenswelten wie die höfische zu repräsentieren, die sie als bereits überkommene definiert, oder etwa dem Bildungsprivileg der aristokratischen oder großbürgerlichen Gelehrtenwelt Vorschub zu leisten, bestimmt der Bürgerliche Inhalt und Vorgehen des Reisens neu. Ausgangs- und Zielpunkt ist jetzt der Reisende selbst. Er bestimmt uneingeschränkt seine Beobachtungsobjekte und verlagert dabei den Schwerpunkt der Aufmerksamkeit auf die jeweilige gesellschaftliche Wirklichkeit des von ihm bereisten Landes, die es zu erkennen gilt, will er sich durch seine Kenntnis über die Welt gleichzeitig Kenntnis über sich selbst in der Welt verschaffen. Sein Beobachten bleibt also nicht auf ein bloßes Sammeln fremdartiger Eindrücke beschränkt, sondern wird vielmehr durch ein kritisches Hinterfragen der augenscheinlichen Vorgänge geleitet. Die Frage nach dem Warum einer Beobachtung führt dabei zur Frage nach ihrer Geschichte. Damit kreuzen sich reisephilosophische und geschichtsphilosophische Phänomene in historisch eindringlicher Weise; ein Tatbestand, dem die Aufklärungsforschung bereits nachgegangen ist 1 8 und der auch für die vorliegende Untersuchung noch von Bedeutung sein wird 1 9 . Festzuhalten bleibt an dieser Stelle zunächst, daß der Bürgerliche, der sich zu einem Reiseunternehmen entschließt und dieses außerdem von den bisher üblichen, standesgebundenen Reiseformen unabhängig gestaltet, genau die Emanzipation praktiziert, die das Aufklärungszeitalter als gesellschaftliches Korrelat charakterisiert 20. Der biographische Überblick hat gezeigt, daß Archenholz mit seiner Entscheidung zu einer umfangreichen Reisezeit und in ihrer Ausführung alle Voraussetzungen aufweist, die ihn der bürgerlichen, aufgeklärten Reisekultur eindeutig zuordnen lassen21. Er nimmt in besonders Besonders thematisiert bei Bödeker, Reisebeschreibungen im historischen Diskurs der Aufklärung, vgl. außerdem: Sergio Moravia, Beobachtende Vernunft. Philosophie und Anthropologie in der Aufklärung, München 1973; W. Bonss, Die Einübung des Tatsachenblicks, Zur Struktur und Veränderung empirischer Sozialforschung, Frankfurt 1982. 19

Vgl. Kap. E, F und G.

20 Vgl. dazu besonders Kopitzsch, Hrsg., Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum; ders., Aufklärung und Bürgerlichkeit; van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland; Schlumbohm, Freiheit. Die Anfange der bürgerlichen Emanzipationsbewegung in Deutschland im Spiegel ihres Leitwortes (ca. 1760-ca. 1800). 21 Dabei fallt besonders Archenholz' Konzentration auf England ins Gewicht. Die Erforschung der Englandreisen und -reisenden im 18. Jahrhundert belegt das politische Potential einer in diesem Land vollzogenen Bildung. Vgl.: Robert Elsasser, Über die politischen Bildungsreisen der Deutschen nach England (vom 18. Jahrhundert bis 1815), Heidelberg 1917; Philippsthal, Deutsche Reisende des 18. Jahrhundert in England; P.E. Matheson, German Visitors to England, 1770-1794, Oxford 1930; W.D. Robson-Scott, German Travellers in England, 14005 Rieger

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eindringlicher Weise die Bildungschancen wahr, die die neue Reisepraxis bietet, indem er sich in seiner ausgedehnten Lebensphase zwischen Militärzeit und Beruf in der Manier des Autodidakten Kenntnisse und Fähigkeiten erwirbt, die fur sein gesamtes Wirken maßgebend werden. Nicht nur seine eigenen, häufigen Verweise auf die durch seine Reisen erworbenen Qualifikationen belegen dies 22 , vielmehr begründet sich seine zeitgenössische und auch seine historische Reputation wesentlich in seiner aus seinen Reisejahren erwachsenen Kompetenz23. Den entscheidenden Beleg dieser Zuordnung Archenholz' kann jedoch erst die Analyse seines Werks liefern, die die emanzipativen und aufgeklärten Momente und Strukturen im Denken Archenholz' freilegen soll, die durch seine Reisetätigkeit geprägt sind 24 . Damit ist eine weitere Dimension der Kultur des Reisens angesprochen, die gerade fur die Reise der Aufklärung so entscheidend und so typisch ist, nämlich die Reise in ihrer Verschriftlichung. "Die Reisenden und die von ihnen verfaßten Berichte waren Folge und Ursache von Aufklärung, von kritischer und philosophischer Aneignung von Welt", konstatiert H.E. Bödeker 25 und bestätigt damit gleichsam Archenholz' eingangs zitierte Bemerkungen zu einer Wechselwirkung von philosophischer 1800, Oxford 1953 (hier auch Bibliographie); Gerhard Sauder, Reisen eines Deutschen in England im Jahr 1792: Karl Philipp Moritz, in: ders., Hrsg., 'Der curieuse Passagier'. Deutsche Englandreisende als Vermittler kultureller und technologischer Anregungen, Heidelberg 1983 sowie Maurer, Aufklärung und Anglophilie. Eine umfassende Bibliographie zu deutschen Englandreisenden im 18. Jahrhundert und der vorliegenden Forschungsliteratur im einzelnen in: Johannes Dobai, Die Kunstliteratur des Klassizismus und der Romantik in England, 2. Bd., (1750-1790), Berlin 1975, 430-432. 22 So z.B. anläßlich Überlegungen des Buchdruckers Unger in Berlin, lateinische Buchstaben einzuführen. Archenholz wendet sich entschieden gegen diese Neuerung, da sie den Lesegewohnheiten des deutschen Publikums widerspreche, die er aus reicher Erfahrung kenne: "Ich unterstehe mich zu sagen, daß nur allein die Unkunde der mit dem Gegenstand verbundenen Neben=Dinge dergleichen Idee bey sonst hochgeehreten ... Männern erzeugen kann; denn diese Kenntniß erlangt man durch keine Bücher, auch durch kein Nachdenken. Je richtiger man in der Studierstube über practische Möglichkeiten zu raisonnieren glaubt, je grösser ist die Wahrscheinlichkeit des Irrthums ... und wenn ich über diese Sache eine Erklärung wage, so ist sie das Resultat vieljähriger Reisen in allen deutschen Provinzen." (Minerva, 1773, 3. Bd., "Zur Geschichte des deutschen Bücherwesens", 186-192, hier: 188). 23 Vgl. etwa Wieland an Archenholz, 27. Dez. 1783: Wieland räsoniert hier über die gegenwärtige Lage Englands und zeigt sich hinsichtlich seiner Politik und des sich veränderten englischen Nationalcharakters verwirrt. Er schließt daher seinen Brief mit der Bitte: "Sie, ... Archenholz, der England so gut kennt, werden mir über alles dieß am besten Licht geben können." (Wiel. an Arch., gedr. in Tübinger Morgenblatt 1828, 358 f.; hier 359). Das Datum des Briefes belegt, daß Archenholz bereits vor dem Erscheinen seiner Reisebeschreibung den Ruf des Vielgereisten und daher Kenntnisreichen genießt. 24

Vgl. Kap. E. und F.

25

Bödeker, Reisebeschreibungen im historischen Diskurs der Aufklärung, 277.

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Erdkunde und Aufklärung 26, die nicht zuletzt über ihr literarisches Medium, die "so begierig [gelesenen] Reisebeschreibungen"27 und den von ihnen ausgelösten Diskurs stattfindet. Archenholz selbst gliedert sich in diesen für die Aufklärung überhaupt so signifikanten Ursache-Wirkungs-Kreislauf ein, indem er seine wichtigsten Reisebeobachtungen literarisch präsentiert und so ein Zeugnis seines aufgeklärten sowie seines aufklärerischen Bewußtseins ablegt 28 . Es ist nicht Aufgabe einer Untersuchung der Lebensentwürfe Archenholz', eine spezifische Gattung seines Oeuvres herauszuheben, oder seine reisebedingte, sein Gesamtwerk umfassende Wahrnehmungs- und Erkenntniskapazität schon hier werkanalytisch nachzuweisen. Dennoch ist für die Forschung das Faktum bürgerliche Reise kaum zu trennen von einer Beachtung der ausführlichen Reiseliteratur der Aufklärung 29. Der vorläufige Hinweis auf Archenholz' Reisewerk "England und Italien" und seine zahlreichen Berichte anläßlich seines Parisaufenthaltes im Jahr 1791, die ihn neben seinen Bildungsreisen zusätzlich in den Kreis der Revolutionsreisenden30 einreihen, 26

Vgl. Annalen d.J. 1789, 206 und explizit 209.

27

Vgl. ebd., 206.

28 Vgl. England und Italien, 2 Bde. in 3 Teilen 1785 sowie 3 Bde. in 5 Teilen 1787; vgl. auch Archenholz' Frankreichberichte in der Zeitschrift "Minerva'', passim. - Wie sehr Archenholz Reisebeschreibungen auch eine kritische Funktion unterlegt, zeigt seine Einsicht der schwierigen Gradwanderung des Reiseschriftstellers zwischen Kririk und Ungunst, die er in einem Aufsatz "Ueber Reise=Werke und Kotzebue's Erinnerungen aus Paris" formuliert (Minerva, 1804, 4. Bd., 357-364): "Reisebeschreibungen gehören gewiß zu den undankbarsten Arbeiten. Je freymüthiger der Reisende, je mehr Selbstdenker er ist, je mehr von anderen nicht Gesagtes er aufstellt, desto übler und unvermeidlicher ist sein Loos; man beschuldigt ihn der Flaschheit, der Partheylichkeit, der Ignoranz." (357 f.). 29 Vgl. die Thematisierung des Kontextes von Reise und Reisebeschreibung besonders bei: Robert Prutz, Über Reisen und Reiseliteratur der Deutschen, in: ders., Schriften zur Literatur und Politik, hrsg. von Bernd Hüppauf, Tübingen 1973, 34 ff.; Hans Joachim Piechotta, Hrsg., Reise und Utopie. Zur Literatur der Spätaufklärung, Frankfurt a.M. 1976; Ralph-Rainer Wuthenow, Die erfahrene Welt. Europäische Reiseliteratur im Zeitalter der Aufklärung, Frankfurt a.M. 1980. Vgl. auch Justin Stagi , Der wohlunterwiesene Passagier. Reisekunst und Gesellschaftsbeschreibung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Krasnoboev/Robel/Zemann, Hrsg., Reisen und Reisebeschreibungen im 18. und 19. Jahrhundert als Quellen der Kulturbeziehungsforschung, 354 ff. sowie fur England: Hans Joachim Possin, Reisen und Literatur. Das Thema des Reisens in der englischen Literatur des 18. Jahrhunderts, Tübingen 1972. 30 Vgl. zu dieser Zuordnung Archenholz': Ruiz , Agents de la propagande révolutionaire en Allemagne de 1789 à 1792: Les voyageurs et leur récits sur la France, in: Voss, Hrsg., Deutschland und die Französische Revolution; Fink La littérature allemande face à la Révolution française (1789-1800), ebd. Auch die Dokumentation der deutschen Revolutionsrezeption, die das Germanische Nationalmuseum Nürnberg unter dem Titel "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. 200 Jahre Französische Revolution in Deutschland "vom 24.6. bis 1.10.1989 veranstaltete, würdigte Archenholz unter der Rubrik der "Revolutionspilger". Vgl. Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, hrsg. von Gerhard Bott, 272-278. Archenholz steht

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gibt einen ersten Beleg fur die Konsequenz, die Archenholz aus seinem Reiseerleben zieht und die ihn einmal mehr in den Kontext eines aufklärungsspezifischen Phänomens stellt, in diesem Falle in den der Literarizität des Aufklärungszeitalters.

I I . Archenholz als freier Schriftsteller und Publizist

"Ohne Ursache und Wirkung strikt unterscheiden zu wollen, darf gesagt werden, daß die Aufklärung mehr als alle vorherigen intellektuellen und kulturellen Bewegungen eine literarische gewesen ist. Ihr Medium war die Sprache, vornehmlich das geschriebene und gedruckte Wort, und ihr repräsentativer Protagonist der Schriftsteller, der sein Schreiben als öffentlich wirkendes Handeln verstand: als Teilnahme an einem Diskurs, in dem sich Bewußtseinsaufhellung und -wandel, Bildung und Orientierung des praktischen Handelns vollzog." 31 Unter Anspielung auf die Kausalität von Aufklärung hebt R. Vierhaus pointiert die Literarizität als ihr entscheidendes Charakteristikum hervor. Nicht nur er, sondern mit ihm die Breite der Aufklärungsforschimg 32 konstahier neben den Parisreisenden Oelsner, G.A. v. Halem, Joh. Heinr. Merck, K.F. Reinhard, Friedr. von der Trenck, Joh. Friedr. Reinhardt und wird angesichts seiner Minerva als Begründer eines wichtigen Forums politischer Meinungsbildung beurteilt (272). - Als aufschlußreiche Uberblicke zu dieser Thematik vgl. Erich Schneider, Revolutionserlebnis und Frankreichbild zur Zeit des ersten Koalitionskrieges (1792-1795), in: Frankreich 8, 1980, 277-393; Alain Ruiz , Deutsche Reisebeschreibungen über Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution (1789-1799). Ein Überblick, in: Maczak/Teuteberg, Hrsg., Reiseberichte als Quellen europäischer Kulturgeschichte, 229-251 sowie die anschauliche Fallstudie von Inge Stephan: "Ich bin ja auch nicht... begierig, an meinem eigenen Körper Wirkungen der Revolution zu erleben". Kritische Anmerkungen zum Revolutionstourismus, am Beispiel der "Vertrauten Briefe über Frankreich" (1792/93) von Johann Friedrich Reichhardt, in: Griep/Jäger, Hrsg., Reisen im 18. Jahrhundert, 224-240. /. Stephans Ausführungen zu Reichardt zeigen einige Parallelen zum 'revolutionistischen' Parisaufenthalt Archenholz'. 31 Rudolf Vierhaus 9 Die aufgeklärten Schriftsteller. Zur sozialen Charakteristik einer selbsternannten Elite, in: Bödeker/Herrmann, Hrsg., Über den Prozess der Aufklärung in Deutschland im 18. Jahrhundert. Personen, Institutionen und Medien, Göttingen 1987, 53-65, hier: 58. 32 Vgl. zum Zusammenhang von Aufklärung und Literatur im 18. Jahrhundert grundlegend: Helmuth Kiesel/Paul Münch, Gesellschaft und Literatur im 18. Jahrhundert. Voraussetzungen und Entstehung des literarischen Marktes in Deutschland, München 1977 sowie Lutz, Hrsg., Deutsches Bürgertum und literarische Intelligenz 1750-1800. - Zum literarischen Charakter der Aufklärung vgl. besonders Paul Raabe, Aufklärung durch Bûcher. Der Anteil des Buchhandels an der kulturellen Entfaltung in Deutschland 1764-1790, Bonn 1979 und ders., Die Zeitschrift als Medium der Aufklärung, in: Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung, Bd. 1, 1974,

Π. Archenholz als freier Schriftsteller und Publizist

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tieren Literatur als das Medium der Aufklärung par excellence; schon die Zeitgenossen der Bewegung selbst33 erkennen die Macht des Wortes, die ihm im Prozeß jeder Meinungsbildung zukommt. Daß Sprache diese entscheidende Funktion im Verlauf der Aufklärung übernimmt, gibt Aufschluß über das dialogische, das auf Kommunikation, auf Verständigung abzielende Wesen der Aufklärung. Entsprechend der Natur von Verständigungsvorgängen geht es in ihren Inhalten nicht nur um die Klärung, die "Aufhellung" 34 von Sachverhalten und Begriffen, sondern gerade auch um Bewußtseins- und Bewußtwerdungsprozesse der Kommunizierenden selbst35. Wie zitiert, spricht Vierhaus diese Bewußtseinsakte als maßgeblichen Bestandteil des aufklärerischen Diskurses an. Als solche bilden sie die geistige Voraussetzung jenes kritischen Handelns, auf das Aufklärung letztendlich abzielt 36 . Innerhalb dieser Vorgänge nehmen der Schriftsteller und seine Tätigkeit eine hervorragende Stelle ein.

99-136. - Im Kontext der literarischen Aufklärung ist außerdem das Phänomen der literarischen Öffentlichkeit ausgiebig thematisiert worden; vgl. vor allem Christa u. Peter Bürger/Joachen Schulte-Sasse, Hrsg., Aufklärung und literarische Öffentlichkeit, Frankfurt a.M. 1980; Jochen Schulte-Sasse, Einleitung: Kritisch-rationale und literarische Öffentlichkeit, in: ders. u. Bürger, Hrsg., Aufklärung und literarische Öffentlichkeit, 12-38; sowie ebd.: Christa Bürger, Literarischer Markt und Öffentlichkeit am Ausgang des 18. Jahrhunderts in Deutschland, 162-212. 33 Eindringliche Beispiele der zeitgenössischen Erkenntnis von Literatur als meinungsbildendem und damit politischem Medium bilden die "Briefe, den Reformiergeist und das Schriftstellerwesen in Deutschland betreffend", in: Schwäbisches Magazin fur Aufklärung 2, 1788 und Christoph Martin Wieland, Über die Rechte und Pflichten der Schriftsteller in Absicht ihrer Nachrichten, Bemerkungen, und Urteile über Nationen, Regierungen, und andere politische Gegenstände, 1793, in: Chr.M. Wieland, Werke, hrsg. von F. Martini/H.W. Seiffert, 3. Bd., München 1967, 482-492. 34 Archenholz benutzt diesen Begriff in seinen "Miscellen zur Geschichte des Tages" 1795, 1. Bd., in deren "Vorbericht" er als Werkmotivation den "Wunsch" anfuhrt, "als historischer Sammler nichts zu vernachlässigen, was zur Aufhellung der grossen Ereignisse unserer Tage dienen kann." Nach W. Schneiders, Die wahre Aufklärung. Zum Selbstverständnis der deutschen Aufklärung, charakterisiert gerade Wieland Aufklärung als differenzierende Erkenntnis, die nicht unbedingt emanzipatorisch sein muß, d.h. er unterscheidet zwischen Helldenken und Selbstdenken als verschiedenen Kategorien von Aufklärung. Vgl. Schneiders, 122 ff., besonders 125. 35 Dieser Aspekt ist besonders fur die Briefkultur der Aufklärungszeit konstitutiv; vgl. u.a. den Briefwechsel Archenholz/Gleim; vgl. außerdem Hans Erich Bödeker, Reisen: Bedeutung und Funktion für die deutsche Aufklärungsgesellschaft, der die "Briefeschreiber" als "die Trägerschicht der deutschen Aufklärungsgesellschaft" bezeichnet (95) sowie Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Darmstadt/Neuwied ?1978, 61: "Briefeschreibend entfaltete sich das Individuum in seiner Subjektivität." 36 "Aufklärung ist wesentlich kritisches Denken in praktischer Absicht"; vgl. Schneiders, Die wahre Aufklärung, 13.

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C. Archenholz' Lebenskonzept im Kontext der Aufklärung

Der Begriff des freien Schriftstellers 37 ist einer der Termini, in denen Aufklärung besonders in ihrer soziokulturellen Ausprägung greifbar wird. Denn neben seiner intellektuellen Bedeutung erfüllt der Schriftsteller des 18. Jahrhunderts auch eine gesellschaftliche und politische Funktion 38 . Bildete nämlich der ständisch geprägte Dichter den angemessenen literarischen Typus einer ständisch strukturierten, absolutistisch regierten Gesellschaft, so läßt der neue, von sozialer Fixierung ungebundene Literat die zugrundeliegenden, gesellschaftlichen und politischen Wandlungsprozesse erahnen: Mit seiner Person und seinem in den Bahnen bürgerlicher Erwerbstätigkeit verlaufenden Schaffen ist der freie Schriftsteller in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Ausdruck des Spannimgsmoments zwischen absolutem Staat und Wandel der wirtschaftlichen und geistigen Orientierung des Bürgers, der sich im Schreiben einen der Obrigkeit entzogenen Freiraum schafft 39. Ausdrücke wie die sog. "Massenschriftstellerei" und die ihr gegenüberstehende "Lesewut"40 geben eine Vorstellung von dem Ausmaß dieses gesellschaftlichen Orientierungswandels; ein Ausmaß, das der im genannten Freiraum wachsenden Selbstbewußtseinsbildung des aufgeklärten Bürgerlichen so Vorschub leistet, daß letzterer schließlich seine Begrenzung auf das Private erweitert und 37 Vgl. dazu die immer noch grundlegenden Beiräge von Hans Jürgen Haferkorn: Der freie Schriftsteller. Eine literatursoziologische Studie über seine Entstehung und Lage in Deutschland zwischen 1750 und 1800, Göttingen 1959 und ders., Zur Entstehung der bürgerlich-literarischen Intelligenz und des Schriftstellers in Deutschland zwischen 1750 und 1800 (Literaturwiss. u. Sozialwiss. 3), 1974. 38 Diese Funktion wird vom Schriftsteller selbst erkannt und artikuliert; vgl. auch hier Wieland, Über die Rechte und Pflichten der Schriftsteller, 1793. 39 Zu dieser gesellschaftlichen und politischen Funktion des Schreibens im 18. Jahrhundert und ihrem spezifischen Ansatz vgl. Koselleck, Kritik und Krise, besonders 41 ff. Eine Aufarbeitung des Begriffs und des historischen Hintergrundes der "Massenschriftstellerei'' vgl. bei Jochen Hoffmann, Jakob Mauvillon. Ein Offizier und Schriftsteller im Zeitalter der bürgerlichen Emanzipationsbewegung, Berlin 1981, 62-68. - Die Lesekultur des 18. Jahrhunderts ist von der Aufklärungsforschung besonders ausgiebig in den 70er Jahren behandelt worden; vgl. Rolf Engelsing, Analphabetismus und Leküre. Zur Sozialgeschichte des Lesens in Deutschland zwischen feudaler und industrieller Gesellschaft 1500-1800, Stuttgart 1973; ders., Der Bürger als Leser, Stuttgart 1974; Wolfgang R. Langenbucher, Die Demokratisierung des Lesens, Frankfurt 1975; H.G. Göpfert, Hrsg., Buch und Leser (Schriften des Wolfenbütteler Arbeitskreises fur Geschichte des Buchwesens, Bd. 1), 1977; Helmut Kreuzer, Gefahrliche Lesesucht. Bemerkungen zur politischen Lektürekritik im ausgehenden 18. Jahrhundert, in: Leser und Lesen im 18. Jahihundert (Kolloquium), Heidelberg 1977, 62-75; Otto Dann, Die Gesellschaft der deutschen Spätaufklärung im Spiegel ihrer Lesegesellschaften, in: Börsenblatt fur den Deutschen Buchhandel Nr. 24, 1977, 441-449; ders., Die Lesegesellschaften des 18. Jahrhunderts und der gesellschaftliche Aufbruch des deutschen Lesers, in: Buch und Leser, hrsg. von H.G. Göpfert, 160-193. - Unter den neueren Arbeiten vgl. Wolf gang Martens, Formen bürgerlichen Lesens im Spiegel der deutschen Moralischen Wochenschriften, in: Otto Dann, Hrsg., Lesegesellschaften und bürgerliche Emanzipation, München 1981, 55-70 sowie Reinhard Wittmann, Buchmarkt und Lektüre im 18. und 19. Jahrhundert. Beiträge zum literarischen Leben 1750-1880, Tübingen 1982.

Π. Archenholz als freier Schriftsteller und Publizist

71

öffentlich wird 4 1 . Diese "bürgerliche Öffentlichkeit" 42, auf der öffentlichen Meinung basierend 43, stellt als intellektuelles Kompensat politischer Machtlosigkeit eine Gegenkraft zur staatlichen Öffentlichkeit dar. Ihre Ausbildung ist ein dementsprechend dringliches und politisches Anliegen der Aufklärung. "Ohne Ausbildung der Denkkraft und der Urteilsfähigkeit", so heißt es schon in einer zeitgenössischen Bemerkung 44, "gibt es ... keine öffentliche Meinung und nur in einem freien Volksleben kann sie gedeihen. " Ideales Instrument dieses aufklärerischen Anliegens ist die Zeitschrift "als Äußerungs- und Publikationsform, die sich das aufsteigende Bürgertum selbst geschaffen hat und in denen seine eigene Meinung zum Ausdruck kommt. " 4 5 Der Tatbestand, daß sich Archenholz dieser "Äußerungs- und Publikationsform" sowohl als Autor, aber gerade auch durch seine umfassende Herausgebertätigkeit so ausgiebig bedient und dadurch zu ihrer Wirkungsbreite bei-

41 "Der Aufbruch der bürgerlichen Intelligenz erfolgt aus dem privaten Innenraum, auf den der Staat seine Untertanen beschrankt hatte ... Die Aufklärung nimmt ihren Siegeszug im gleichen Maße als sie den privaten Innenraum zur Öffentlichkeit ausweitet. Ohne sich ihres privaten Charakters zu begeben, wird die Öffentlichkeit zum Forum der Gesellschaft"; vgl. Koselleck, Kritik und Krise. 41. 42 Vgl. diesen Begriff zuerst bei Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Neuwied/ Berlin 1962; außerdem zu beachten: Ursula A.J. Becher, Politische Gesellschaft. Studien zur Genese bürgerlicher Öffentlichkeit in Deutschland, Göttingen 1978 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts fur Geschichte, 59). 43 Vgl. allgemein Wilhelm Bauer, Die öffentliche Meinung und ihre geschichtlichen Grundlagen. Ein Versuch, Tübingen 1914 sowie Ernst Manheim, Aufklärung und öffentliche Meinung. Studien zur Soziologie der Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert, hrsg. und eingeleitet von Norbert Schindler, Stuttgart 1979. 44 Artikel "öffentliche Meinung", Deutsches Staats-Wörterbuch 1892, zitiert nach Bauer, Die öffentliche Meinung und ihre geschichtlichen Grundlagen, 28. 45 Otto Dann, Das historische Interesse in der deutschen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Geschichte und historische Forschung in den zeitgenössischen Zeitschriften, in: Historische Forschung im 18. Jahrhundert, Organisation, Zielsetzung, Ergebnisse, hrsg. von K. Hammer/J. Voss, Bonn 1976, 387. - Vgl. zur Relevanz der Zeitschrift als Aufklärungsinstrument überdies Raabe, Die Zeitschrift als Medium der Aufklärung; Rolf Engelsing, Die Perioden der Lesergeschichte in der Neuzeit, in: ders., Zur Sozialgeschichte deutscher Mittelund Unterschichten (Krit. Studien zur Geschichtswiss. 4), Göttingen 1973, 112-154, besonders 133 f. - Zur gesellschaftskritischen Thematik der Zeitschriften der Zeit vgl. Johanna Schulze, Die Auseinandersetzung zwischen Adel und Bürgertum in den deutschen Zeitschriften der letzten drei Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts (1773-1806), Berlin 1925. - Vgl. außerdem grundlegend Joachim Kirchner, Das deutsche Zeitschriftenwesen. Seine Geschichte und seine Probleme. Teil 1: Von den Anfangen bis zum Zeitalter der Romantik, Wiesbaden, 21958; ders., Bibliographie der Zeitschriften des deutschen Sprachgebietes von den Anfangen bis 1830, Stuttgart 1969; G. Mattenklott/K. Scherpe, Hrsg., Literatur der bürgerlichen Emanzipation im 18. Jahrhundert, Kronberg/Ts. 1973. - Vgl. als frühe Quelle des zeitgenössischen Wissens um das aufklärerische Potential von Zeitschriften die Artikel 'Zeitung' und 'Zeitungsschreiber' in: Zediere Universal Lexicon, 61. Bd., Leipzig 1749, Sp. 899-911 und Sp. 917-923.

72

C. Archenholz Lebenskonzept im Kontext der Aufklärung

trägt, macht ihn zu einem Vertreter des universalen Schriftstellertypus besonders der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der in seiner Person so differenzierte Funktionen wie die des Tagesschriftstellers, des Redakteurs, des Kritikers und nicht zuletzt des Herausgebers vereinigt 46 . Wie sehr Archenholz sich mit diesen Rollen identifiziert und sich in ihrer Gestaltung Ideen der Aufklärung verbunden sieht, zeigen einige Stellen seines Werks, die im folgenden angeführt werden sollen. Anders als im Falle seiner Reisetätigkeit äußert er sich wiederholt explizit zum Kontext seines beruflichen Wirkens und gibt so Aufschluß über das Konzept und das Ethos, die seinen schriftstellerischen und publizistischen Tätigkeiten zugrunde liegen. In einem Aufsatz aus dem Jahr 1788 4 7 macht sich Archenholz einige "Gedanken über die Jouraallectüre H48, in denen er erkennt, daß diese "Epoke [macht] nicht allein in der Litterargeschichte, sondern auch in der Geschichte des menschlichen Verstandes und der Cultur der aufgeklärtesten Völker unseres Welttheils" 49 . Angesichts der Bedeutsamkeit der so "allgemeinen Journallectüre" versucht er dem merkwürdigen Tatbestand, daß so wenig "über die Sache selbst geschrieben" wird 5 0 , durch seine Ausführung Abhilfe zu schaffen. Archenholz fuhrt sein Vorhaben aus als Beantwortung der Frage "Was ist der Herausgeber eines Journals dem Publico schuldig? und was ist das Publicum dem Journalisten schuldig?", die zwei Jahre zuvor Meißner in seinem bis dato unveröffentlichten Aufsatz gestellt hatte 51 . Archenholz greift den Gedanken von einem Wechselverhältnis zwischen Herausgeber und Journalisten einerseits und Leserschaft bzw. Öffentlichkeit andererseits auf und findet fur dieses Wechselverhältnis einen Schlüsselbegriff, dessen Erläuterung sein eigenes Arbeitskonzept wiederzugeben scheint: "Das Interesse fur den großen Haufen der Leser ... muß das Motto der Journalisten sein", erkennt er

46

Vgl. zu diesen Funktionen Haferkorn,

Der freie Schriftsteller, 1.

47 In seiner Arbeit über "Die Zeitschrift als Medium der Aufklärung" stellt W. Raabe diesen Aufsatz Archenholz* neben einem Briefwechsel zwischen Garve und Campe und einem Beitrag J.A. Bergks als ein "Dokument über Zeitschriften und Zeitschriftenlektüre aus den Jahren 1783-1799" vor (128-132). 48 Gedanken über die Journallektüre, in: Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1788, 2. Bd., 2-9. Wegen der besseren Zugänglichkeit des Aufsatzes im Abdruck durch Raabe wird im folgenden nach dieser Wiedergabe zitiert. 49 Gedanken über die Journallectüre, in: Raabe, Die Zeitschrift als Medium der Aufklärung, 128. 50

Ebd., 129.

51 Ebd. Gemeint ist hier wohl der Dichter August Gottlieb Meißner, der ab 1785 an der Universität zu Prag den Lehrstuhl fur Ästhetik und klassische Literatur innehatte; vgl. ADB, 21. Bd., 242 f.

Π. Archenholz als freier Schriftsteller und Publizist

73

und meint weiter: "Hieraus entsteht die Frage: Was intereßirt denn?"52 Er findet seine Antwort in der Maßgabe an den Journalisten, durch die Berücksichtigung von Denk- und Einbildungskraft des Lesers sowohl dessen geistiges Potential zu entfalten als auch durch die Erweckung von Empfinden den sentimentalischen Gegenpol der intellektuell zu erbringenden Leistung nicht zu vernachlässigen. Solche Überlegungen lassen Archenholz in diesem Aufsatz schließlich ein geradezu programmatisches Fazit ziehen, in dem auch sein aufklärerisches Ideal einer sozial nivellierten Leserschaft nochmals zum Ausdruck kommt 53 : "Eine glückliche Mischung solcher Dinge, die wechselweise bald den Verstand, bald die Einbildungskraft, bald das Herz auf eine ausserordentliche Art beschäftigen, ist daher der Grundsatz großer Schriftsteller, die nicht fur einzelne Menschenclassen, sondern fur ein ganzes Volk schreiben. " 5 4 Die Kerngedanken Archenholz' "über die Journallectüre" greift er an anderen Stellen wiederholt auf und gibt in weiteren Erläuterungen Einblick in sein Selbstverständnis als Journalist und als Publizist. So fuhrt er beispielsweise den Gedanken vom Wechselspiel zwischen Schriftsteller und Leser weiter, indem er in seinen Ausführungen "über das Journalwesen"55 konstatiert, daß das "Ausmaß der Journallectüre in Deutschland ... die Obliegenheiten eines Journalisten [erhöht]." 56 Eine Definition dieser sogenannten "Obliegenheiten" gibt Archenholz dann in seiner "Nothgedrungenen Erklärung des Herausgebers" 57, in der er um die Zusendung "prosaischer Aufsätze" zur Geschichte, Tagesgeschichte und Länderkunde bittet, im gleichen Atemzug jedoch darauf hinweist, daß nicht er "diesen Vorzug" bestimmt, "sondern das Publicum, dessen Diener der Journalist ist, der sich folglich nach dem Geschmack und den Launen seines Herrn bequemen oder seinen Dienst aufge-

52

Gedanken über die Journallectüre, in: Raabe, 130. (Hervorhebung U.R.).

53 So richtet Archenholz z.B. seine "Geschichte des siebenjährigen Krieges" ausdrücklich an "alle Volkslassen" (ebd., 6) oder erläutert in den "Kleinen Historischen Schriften" sein Bemühen um einen verständlichen, populären Vortrag, den er ganz bewußt elitärer Gelehrsamkeit vorziehe (ebd., 3). 54

Gedanken über die Journallectüre, in: Raabe, 130.

55 Etwas über das Journalwesen, vom Herausgeber, nebst einer Verteidigung des Buchhändlers Hrn. Weygand in Leipzig gegen Herrn Professor Meißner, in: Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1 Bd., 172 ff. 56

Ebd., 172.

57 Nothgedrungene Erklärung des Herausgebers, in: Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1789, 2. Bd., 335 f.

74

C. Archenholz' Lebenskonzept im Kontext der Aufklärung

ben muß." 5 8 Daß Archenholz jedoch unter diesem Dienstverhältnis keine vordergründige Abhängigkeit, sondern vielmehr den Dienst des Aufklärers am Menschen selbst versteht, proklamiert er in den Gedanken über seine persönliche Arbeitsauffassung, die er "An die Leser der Minerva" richtet59. Hier klagte er die Schriftsteller an, die ihr Publikum durch Komplimente gewinnen wollen und ihm damit eigenständige Denkkraft absprechen. "Diese Männer", so Archenholz, "betrachten das Millionenköpfige Pulicum wie ein Kind, das durch Schmeicheleien gewonnen werden kann" 60 , und korrigiert dieselben durch sein eigenes Arbeitsethos, das sich ausschließlich vom Interesse und damit gleichzeitig dem Eigeninteresse des Lesers leiten läßt: "Man interessire die Leser, und ihr Beyfall wird folgen, ohne die geringste Rücksicht, ob man ihn hat erbitten, oder ertrotzen wollen; denn die Menschen lesen ja nicht dem Autor zum Gefallen, sondern sich selbst einen Dienst zu thun." 61 Doch obwohl Archenholz also Autor und Leser gleichermaßen als unmittelbare Teilhaber an der Lektüre, dem Kulturphänomen "der aufgeklärtesten Völker" 62 , erklärt, ist es der Schriftsteller, dem er die eingangs zitierte repräsentative, protagonistische Funktion innerhalb der literarischen Vorgänge der Aufklärung zugesteht. Da nämlich der Schriftsteller die Aufklärung initiierende und damit schon Aufklärung praktizierende Rolle einnimmt, hat er zunächst eine dem Leser überlegene Position inne, aus der sich eine potentielle Vermittlerfunktion ergibt. Diesen Part der "Mittelsperson zwischen einzelnen Menschen und dem Publicum"63 wahrzunehmen, erklärt Archenholz als "Pflicht" des Journalisten 64, deren Erfüllung ihm durch den moralisch überlegenen Status des Aufgeklärten - nämlich den des Neutralen, Parteilo-

se Ebd., 336. Offensichtlich schließt die Orientierung am Lesepublikum nicht das Wissen um die Abhängigkeit des Schriftstellers von der fürstlichen Gnade aus. Zwei Jahre zuvor veröffentlicht Archenholz in der Neuen Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 342 f. ein Schreiben "An den Herausgeber des Journals, königliche Wohlthaten betreffend.'' Am Beispiel der Dichterin Karschin wird hier über die Unzuverlässigkeit fürstlicher Zusagen berichtet, wodurch die Realität des Dichterdaseins in seiner Abhängigkeit von der Fürstengnade aufgedeckt wird, d.h. die durch die soziale Realität festgeschriebenen Grenzen von Aufklärung erkannt werden. 59

An die Leser der Minerva, in: Minerva 1793, 4. Bd., 569.

60

Ebd.

61

Ebd.

62 Gedanken über die Journallectüre, in: Raabe, Die Zeitschrift als Medium der Aufklärung, 112. 63 173. 64

Etwas über das Journalwesen, in: Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., Ebd.

Π. Archenholz als freier Schriftsteller und Publizist

75

sen - möglich wird 6 5 und der er selbst in einigen Fällen nachkommt.66 Damit ist gleichzeitig gerade der Schriftsteller zu jenem "öffentlich [wirkenden] Handeln" 67 befähigt, das sich als solches als eine Form politischen Agierens definieren läßt 68 . Durch seine Gebundenheit an Neutralität und Parteilosigkeit kann der Schreibende jedoch nicht nur zum Vermittelnden zwischen Einzelperson und Allgemeinheit avancieren, sondern in seinem komplexen Kompetenzbereich gerade als Publizist verschiedene Standpunkte öffentlich präsentieren, ohne sie als Privatperson vertreten zu müssen69. Dadurch wird ihm sein Öffentlichsein überhaupt möglich und dadurch wirkt er Öffentlichkeitsbildend. Archenholz gibt unzählige Beispiele seines so gearteten Berufsverständnisses, wobei immer wieder seine eindringlichen Appelle zur Aufhebung der Anonymi der ihm zugesandten Aufsätze ins Auge fallen 70 . Denn so sehr "der Herausgeber [neutral] ist und bleibt" 71 , so sehr bedarf er

65 Vgl. Archenholz' entsprechende Auffassung im Vorfall Weygand/Meißner: Weygand bat Archenholz um die Veröffentlichung seines Zwistes mit Meißner, "eine Bitte ..., die", so Archenholz, "ich ..., als parteylos, ... fur meine gemeine Pflicht gehalten [habe]."; vgl.: Etwas über das Journalwesen, 173. 66 Vgl. außer dem Beispiel Weygand/Meißner u.a.: Sendschreiben an Herrn Prof. Meiners in Göttingen, über dessen Angriff gegen Kants System der Philosophie, in: Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 236 ff.; vgl. ebd., 416 f., Schreiben des Herrn Klipstein an den Freyherrn von Moser; vgl. auch Minerva, passim. 67 Vierhaus ten Elite, 58.

f

Die aufgeklärten Schriftsteller. Zur sozialen Charakteristik einer selbsternann-

68 Dieser Zusammenhang von Literatur und Politik ist als ein wesentlicher Aspekt auch im Wirken Archenholz* festzuhalten und wird noch ausfuhrlicher zu behandeln sein (vgl. Kap. G). 69 Daß Archenholz als Herausgeber trotzdem von der Leserschaft mit den von ihm nur herausgegebenen Aufsätze identifiziert und entsprechend kritisiert wird, zeigt ein Brief Gleims vom 10. Sept. 1793. Hier heißt es an Archenholz: "Sie haben keinen aufmerksamem Leser ... als mich ...; ich las Alles und konnte ... nicht begreifen, ..., daß ein so welterfahrner vortrefflicher Schriftsteller mit seinem großen Publikum es so leicht verderben konnte! ... Auf Ihre Rechnung hab' ich die Aufsätze der Mitarbeiter wohl nie gesetzt, ich kenne meinen Archenholz zu gut! aber ich sorgte, daß man, was Sie aufnähmen, Ihnen zur Last legen möchte!" - Den offensichtlichen Schwierigkeiten, die sich aus dieser Identifikation ergaben, versucht Archenholz wiederholt durch öffentliche Erklärungen entgegen zu wirken; so etwa in der 'Nachschrift des Herausgeber der Minerva', Mineiva 1805, 1. Bd., 312-317: "Ich erneuere bey dieser Gelegenheit die oft gemacht Erinnerung, daß in diesem Magazin ... nichts von mir selbst ist, als was man mit einem A. bezeichnet findet. Dies allein habe ich ... zu verantworten ... Die falsche Idee, daß der Herausgeber eines Journals alles von der ersten bis zur letzten Seite selbst schreibt, ist bey dem großen Publicum ... nicht zu vertilgen; nur ein sehr kleiner Theil ... macht den ... wesentlichen Unterschied zwischen dem Journalisten und den Verfassern der Aufsätze." (ebd., 312 f.). 70 Vgl. etwa Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1789, 2. Bd., 335 f., Nothgedrungene Erklärung des Herausgebers; Minerva, 1793, 2. Bd., 376; Minerva 1804, 1. Bd., 511. 71 173.

Etwas über das Journalwesen, in: Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd.,

76

C. Archenholz' Lebenskonzept im Kontext der Aufklärung

doch des Namens des jeweiligen Autors, den er als den "Schild, der ihn deckt" bezeichnet72 und der ihm Publizität erst schadlos sichert. Daß Archenholz gegenüber der "Schriftstellerei" auch eine durchaus kritische Haltung einnimmt, in der sich das Verhältnis von Öffentlichkeit und Autor ganz anders darstellt, zeigen einige seiner Änderungen aus dem Jahr 1791 7 3 . Archenholz spricht hier neben der "Befriedigung des Bedürfnisses der Geistesbildung", fur das die Schriftsteller einstehen, von "Mißbrauch, Unfug und Chaos", die sie auf der anderen Seite mit ihrem Handwerk betreiben 74. Das fuhrt ihn zu der Forderung einer institutionalisierten Kritik ohne Einschränkung der Pressefreiheit, unter der er sich ein "rechtmäßiges Tribunal von freien, redlichen, unbestochenen Richtern, welches öffentlich verhört und öffentlich richtet"75 vorstellt. Offensichtlich übernimmt Archenholz hier die englische Vorstellung von Öffentlichkeit, die er im Zusammenhang der maßvollen und gerechten Regierung dieses Landes sieht, wodurch ihm eine direkte Kritik an den betreffenden Zuständen des europäischen Festlandes möglich wird. Er klagt Monarchen, Bürokratismus und Rezensenten als gleichermaßen Verantwortliche für Manipulationen gegen die freie Meinungsbildung und -äußerung an 7 6 . die besonders in Deutschland zu Mißständen in Sprachrichtigkeit, Stil und Schreibart und zu unrichtigen Rezensionen führten. Archenholz sieht daher in der Schaffung eines öffentlichen Beurteilungsmaßstabes, an dem sich sowohl Autor als auch Leser ausrichten können, die einzige Möglichkeit zur Qualitätsaufwertung der deutschen, mittelmäßigen Literatur 77 . Öffentlichkeit wird also hier durch Archenholz eine dezidiert kontrollierende und damit eine dem Schriftsteller nun wiederum übergeordnete Funktion zugesprochen, die ihm aber gleichzeitig seine Meinungsfreiheit garantieren soll. So fordert er gleichsam als Gegenstück zum literarischen Typus des "freien Schriftstellers" den des "freien Recensen-

72

Ebd., 172.

73 Vgl. Geschichte der Literatur, in: Annalen der brittischen Geschichte des Jahres 1791, 6. Bd., 70-87. 74 Vgl. Geschichte der Literatur, in: Annalen der brittischen Geschichte des Jahres 1791, 6. Bd., 70. 75

Ebd., 72.

76

Ebd., 74.

77 Ebd., 76. Außerdem führte er schon in den Annalen des Jahres 1788, 1. Bd., 181 f., anhand der britischen Historiker Gibbon, Robertson und Hawkesworth vor, inwiefern die angemessene "Belohnung litterarischer Arbeiten" in England im Gegensatz zu Deutschland zu großen und gehaltreichen Werken verhelfe, den: "Nur bei einer sehr aufgeklärten Nation können seltene Werke des Geistes ... große Summen verschaffen." Der materielle Kontext, in dem Aufklärung auch steht, ist also gerade dem erwerbstätigen Schriftsteller präsent.

Π . Archenholz als freier Schriftsteller und Publizist

77

ten", der es sich "gefallen läßt, daß der freie Schriftsteller seine eigne Meinung habe", der sich in den "fremden Gesichtspunkt" und "neue Ansichten" versetzt und "nur die Incongruitäten" tadelt, "die ihn [den Schriftsteller] mit sich selbst in Widerspruch bringen. " 7 8 Außer diesen kritischen Überlegungen Archenholz' auch zu den negativen Seiten der Schriftstellerei und seinen vorangegangenen Überlegungen, die eine Vorstellung von seiner persönlichen Berufsauffassung vermittelten, macht er immer wieder ganz konkrete Bemerkungen zum handwerklichen Alltag seines Gewerbes. So gibt er nicht nur durch seinen entschiedenen Einsatz fur Presse-, Denk- und Meinungsfreiheit 79, sondern auch durch seine Klagen über Nach- und Raubdrucke 80, durch seine Hinweise auf die mit Druckort und Drucksatz verbundenen Schwierigkeiten81 oder etwa durch häufige Erwähnung der Aufsatz-, Beschaffungs- und Finanzierungsproblematik 82 nicht nur für den Schriftsteller- und Herausgeberalltag seiner Zeit eine Anzahl anschaulicher Beispiele. Vielmehr verdeutlicht er hier in lapidarer Weise, mit

78

Annalen des Jahres 1791, 6. Bd., 75.

79

Vgl. Kap. E . I u n d n .

80 Vgl. etwa das Gedicht "Die Buchdruckerkunst" von Blumauer, in: Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 3-6; Die Engländer in Indien, 1788, die Vorrede zum 3. Bd., in der Archenholz die besonders starken Raubdrucke in Wien und Bamberg anklagt, ganz im Gegensatz zu Norddeutschland, "wo es nicht Sitte ist, geraubte Sachen unter dem Schutze der Regierung öffentlich zu Markte zu bringen." (vgl. Vorrede, O.S.); Minerva, 1804, 4. Bd., Ueber einige Mittel wider den Bücher=Nachdruck, 326-337, gefolgt von Archenholz' "Nachschrift des Herausgebers der Minerva", 337-340, die er mit den bekennenden Worten einleitet: "Obiger Aufsatz fuhrt mich dahin, hier auch einige Worte über die Nachdrucker zu sagen, die keinen größern Feind haben als mich, der diese Hydra vielleicht mehr, wie irgend in lebender Schriftsteller bekämpft hat. " (337). So z.B. in seinen Erklärungen "An das Publikum", Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 354, in denen er sich fur das häufig verspätete Erscheinen von Aufsätzen entschuldigt, das durch die Entfernung vom Druckort und seine vorherige Revision bewirkt werde. Vgl. auch die "Nachricht" im Brittischen Merkur, 2. Bd. ( = 1. Bd.), 1787, 288, in der Archenholz zunächst erklärt, daß die folgende Ausgabe verspätet erscheinen muß, "da alle Drucker=Pressen in und um Hamburg mit Arbeiten für die Leipziger Michaelis=Messe überladen sind". Wenig später (ebd., 320) gibt er ein Beispiel seiner Findigkeit, indem er verkündet, "dennoch Mittel gefunden zu haben, mit dem Druck dieser Uebersetzung unausgesetzt fortzufahren." - Zu dieser Problematik vgl. auch Archenholz an Gleim, 22. M a i 1793 und 30. Aug. 1794. 82 Vgl. Beispiele dazu in Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1789, 1. Bd., 194 und außerdem Archenholz' Klagen über das Problem der von ihm, anstatt vom anonymen Absender zu finanzierenden Sendungen, wozu er sich nicht mehr in der Lage sehe, besonders in: Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1789, 2. Bd., Nothgedrungene Erklärung des Herausgebers, 335 f.

78

C. Archenholz' Lebenskonzept im Kontext der Aufklärung

welchem Engagement er sich seiner Tätigkeit verschreibt und damit einmal mehr mit einem spezifischen Aufklärungsphänomen zu identifizieren ist.

D. Aufklärung als Werkkonzeption Archenholz1 War in einem ersten Arbeitsgang der Versuch unternommen worden, einige bezeichnende Daten aus der Biographie Archenholz' herauszugreifen und hinsichtlich seiner Lebensgestaltung den Nachweis einer Wechselwirkung von individueller Lebenskonzipierung und Zeitgeist zu führen, so soll der entscheidenden Werkanalyse ein Untersuchungsschritt vorgeschaltet werden, der der Frage nachgeht, ob und wie sich Aufklärung als gedankliches Leitprogramm des Werks Archenholz' darstellt. Die Suche nach entsprechenden Textstellen wird dabei von folgenden Überlegungen geleitet: Was sind Archenholz' Beweggründe fur sein literarisch-publizistisches Werk? Wie stellt sich das Selbstverständnis dar, aus dem Archenholz schreibt oder publiziert? Wie bestimmt dieses Selbstverständnis sein Werk? Was intendiert Archenholz und an wen adressiert er seine Schriften? Wie bestimmt seine Absicht seine Werkinhalte und seine Werkgestalt? Und schließlich: Welche Konsequenzen läßt sein Werkentwurf fur die Werkanalyse hinsichtlich Inhalt und Ausführung erwarten? Archenholz selbst bezeichnet sich als "leidenschaftlichen Beförderer der Aufklärung" 1. Aus vielen Äußerungen geht hervor, wie er diese Funktion versteht, nämlich als eine Art Dienst, als ein Sich-in-die-Pflicht-nehmenlassen, eine Unterordnung unter höhere Zwecke2. Doch obgleich es ihm hier um die ideelle Komponente von Aufklärung zu tun zu sein scheint, läßt er auf der anderen Seite selten in Vergessenheit geraten, daß er in seinem schriftstellerischen und publizistischen Wirken vorrangig marktwirtschaftlichen Prinzipien zu folgen bereit ist. An einigen Stellen seines Werks doku-

1

Miscellen zur Geschichte des Tages, 1795, 2. Bd., Vorbericht (o.S.).

2 So spricht er wiederholt von der "historischen Pflicht", als die er sein Wirken begreift (vgl. z.B. Minerva. 1793, 3. Bd., 283; Minerva, 1805, 2. Bd., 469) und versucht, mit seinem Werk der Aufklärung zu "dienen"; "Licht über die Begebenheiten zu verbreiten"; "jetzigen und künftigen Geschichte=Freunden" zu nutzen; Wichtiges, "zur richtigen Beurtheilung der Begebenheiten" Dienendes und Widersprüchliches "dem Publicum vorzulegen" (vgl. Annalen des Jahres 1795, 16. Bd., 111; Beyträge zur Geschichte Hannovers im Jahr 1803, Vorbemerkung; Minerva, 1798, 4. Bd., 563; Miscellen zur Geschichte des Tages, 1795, 1. Bd., Vorbericht; Minerva, 1806, 3. Bd., 478).

80

D . Aufklärung als Werkkonzeption Archenholz'

mentiert er anschaulich die finanziellen Sorgen und Nöte seines Berufsalltags3, wodurch er deutlich macht, daß gerade auch Kriterien der materiellen Konsolidierung sein Wirken bestimmen. Nicht zuletzt gehört auch seine schon angesprochene, imbedingte Orientierung am Interesse einer möglichst breiten Leserschaft hierher. Dennoch sollten solche Beobachtungen nicht zu einer Abwertung erbrachter Leistungen führen, sondern vielmehr in Erinnerung rufen, daß Aufklärung auch in materiellen Erscheinungsformen greifbar ist, war doch schließlich nicht zuletzt sie es, in deren Kontext sich gesellschaftliche und kulturelle Strukturen so veränderten, daß literarische Arbeit als bürgerliche Erwerbsform überhaupt möglich wurde 4. Davon abgesehen lassen sich jedoch außerdem einige Anhaltspunkt aufdecken, die Archenholz* grundlegende Verbundenheit zu aufklärerischem Gedankengut belegen. So differenziert Archenholz sein bereits zitiertes, explizites Bekenntnis zur Aufklärung z.B. durch seine durchgängige Werkmotivation der Wissenskomplettierung5. In fast allen Vorbemerkungen zu seinen Werken ist es vornehmlich die "litterarische Lücke" 6 , die er entdeckt zu haben glaubt und die zu schließen er sich sogleich anschickt. An eine interessierte, "Personen aller Volksklassen" umfassende Leserschaft adressiert 7, legt er seine Werke aus dem Selbstbewußtsein des "historischen Korrespondenten" 8, des "historischen Beobachters"9 und "historischen Sammlers" 10 vor, kurz, des "historischen 3 Vgl. etwa seine Bemerkungen zur Aufgabe des Brittischen Merkur: "Die Deutsche Übersetzung des Mercury geschah ... auf meine Kosten ... Da der Debit aber mit der Mühe und den Kosten nicht im gehörigen Verhältniß stand, so wurde die Unternehmung nach Vollendung eines Bandes aufgegeben", in: Annalen des Jahres 1789, 381; vgl. aber auch seine Informationen über und Rechtfertigungen von Preissteigerungen seiner Werke (Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1781, 1. Bd., 558 und ebd., 1789, 2. Bd., 337 f.) sowie die Finanzierungsproblematik der Aufsätze anderer Autoren (z.B. Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1789, 2. Bd., 335 f.). 4 Besonders deutlich wird dieser Aspekt bei H.J. Haferkorn, der den Zusammenhang von literarischem, sozialem und wirtschaftlichem Wandel im 18. Jahrhundert aufzeigt und gerade die Kommerzialisierung der Literatur als den Prozeß definiert, der die wirtschaftlichen Bedingungen fur die Existenz und Realisierung der schriftstellerischen Freiheit in der bürgerlichen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts schafft. Dadurch, so Haferkorn, sei der Warencharakter von Literatur in bisher ungekannter Weise aktualisierrt und geistige Leistung zum Gegenstand geschäftlicher Spekulationen gemacht worden, die sie unter das Gesetz von Angebot und Nachfrage gestellt habe; vgl. Haferkorn, Der freie Schriftsteller, 3 und 51 f. 5 Vgl. die Vorberichte sowohl seiner eigenständigen Werke als auch der von ihm herausgegebenen Zeitschriften. 6

Minerva, 1803, 2. Bd., 1.

7

Annalen des Jahres 1791, 6. Bd., 9.

8

M ine iva, 1792, 4. Bd., 189.

9

Minerva, 1792, 1. Bd., 121 oder ebd., 1800, 2. Bd., 1.

D . Aufklärung als Werkkonzeption Archenholz'

Journalisten" 11, "der das Neue in Geschichte und Sitten zum Augenmerk hat." 1 2 Entspreched befassen sich seine Werkinhalte immer wieder maßgeblich mit dem "Studium der Sitten" 13 , mit der "Menschenkunde"14 und der "neuesten Geschichte naher oder ferner Länder" 15 in betreff der "Meynungen und Handlungen ihrer Bewohner", die "iür aufgeklärte Völker Interesse haben." 16 Ihre adäquate Form finden solchermaßen akzentuierte Inhalte im werkübergreifenden Ausdruck des "Sittengemäldes"17, das besonders Archenholz' Anliegen des Herausstellens des Charakteristischen, Originalen 18 entgegenzukommen scheint. Die Intentionen, die Archenholz' Gesamtwerk leiten, stehen in unmittelbarem Zusammenhang zu seinem persönlichen Werkverständnis und seinen Arbeitsschwerpunkten. Dabei lassen sich zwei intentionale Ebenen bestimmen: Zum einen richtet Archenholz sein Wirken zunächst auf seine zeitgenössische Leserschaft. Als Herausgeber wählt er zur Veröffentlichung nur solche Aufsätze, "deren Inhalt Licht über die Begebenheiten verbreiten" 19; als Schriftsteller sucht er stets nach dem "Gegenstand, der seiner Natur und Wichtigkeit nach ... vielen Stoff zur Beleuchtung darbiete." 20 Dadurch befriedigt er nicht nur seinen "Wunsch, ... nichts zu vernachlässigen, was zur Aufhellung der großen Ereignisse unsrer Tage dienen kann" 21 , sondern konzentriert sich vielmehr auf "das unter meinen Augen Vorgehende, ... das so man-

10 Ebd., vgl. außerdem Miscellen zur Geschichte des Tages, 1975, 1. Bd., Vorbericht. H

Vgl. Minerva, 1793, 3. Bd., 283.

12 Ebd. 13 Annalen des Jahres 1791, 6. Bd., 9; vgl. auch England und Italien, Vorbericht, ΧΠ; Minerva, 1792, 1. Bd., 2; Der Brittische Merkur oder Jahrbücher der Geschichte, der Politik, der Sitten, der Litteratur, der Künste, der Industrie usw. des Brittischen Reichs furs Jahr 1787. 14 Annalen des Jahres 1791, 6. Bd., 9. 15 Minerva 1792, 1. Bd., 1. 16 Ebd. 17 Z.B. ebd. 2 und 122. Vgl. außerdem die "Sittengemählde" bezeichneten Abschnitte in England und Italien sowie die "Sittengeschichte" in jedem Annalen-Jahrgang. - Näheres zu diesem Begriff in Kap. F.n.2. 18 Vgl. etwa Annalen des Jahres 1791, 6. Bd., 9; Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 344 f.; Die Engländer in Indien, 1. Buch, 37. 19 Beyträge zur Geschichte Hannovers im Jahr 1803, Vorbemerkung. 20 Mineiva, 1807, 1. Bd. 282. 21 Miscellen zur Geschichte des Tages, 1795, 1. Bd., Vorbericht. 6 Rieger

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D. Aufklärung als Werkkonzeption Archenholz*

chen deutschen Biedermann dienen kann, seine Ideen zu berichtigen. " 2 2 Trotz seiner Vorstellung eines korrektiven Potentials seines Werks enthalt Archenholz sich jedoch der Versuchung, dieses durch persönliche, konsequente Stellungnahmen selbst ausspielen zu wollen. In die von ihm beschworenen Meinungsbildungsprozesse greift er erklärtermaßen 23 nur insofern ein, als er das Material dazu zu liefern versucht. Dies tut er dafür aber mit umso größerem Engagement, wodurch er einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines demokratischen Öffentlichkeitsverständnisses leistet, wie es gerade fur politische Bewußtseins- und Meinungsbildungsvorgänge unumgänglich ist: "Man kennt den Grundsatz des Herausgebers der Minerva", so Archenholz selbst über seine Werkkonzeption, "seinen Lesern über die großen Begebenheiten der Zeit, die Stimmen aller Partheyen hören zu lassen, um die so oft im Widerspruch stehenden Urtheile der Menschen dem Publicum zur Prüfung vorzulegen, und diese Meynungen dadurch öffentlich gleichsam auf die politischen Capelle zu bringen" 24 , denn, wie er an anderer Stelle lehrt, "Wenn zwey Männer, und sollten es regierende Fürsten seyn, ihre Streitsache in öffentlichen Blättern dem Publicum vorlegen, so hat ein jeder Leser das Recht, darüber öffentlich zu urtheilen. " 2 5 Außer diesem, unmittelbar auf das aktuelle Zeitgeschehen abzielenden Wirkungsansatz, richtet sich Archenholz zum anderen an ein zukünftiges Lesepublikum. Neben der zeitnahen, politischen Komponente seiner Werkanlage liegt seinem Wirken nämlich ein historisches Zeitverständnis zugrunde, wie es für das Aufklärungsdenken seiner Zeit nicht untypisch ist 2 6 . So versteht er die Dokumentation seines Zeitgeschehens nicht nur als aufklärend für seine eigenen Zeitgenossen, sondern außerdem als unumgängliche "Materialien für künftige Geschichtsschreiber." 27 Am prägnantesten kommt dieses Werkverständnis in Archenholz' Erläuterungen zum "Namen = und Sach=Register" seiner größten Zeitschrift zum Ausdruck. "Man hat dies Journal, Minerva", so heißt es dort, "oft als ein großes Magazin der wichtigsten Schriften und 22 Minerva, 1792, 1. Bd., 121. 23 Archenholz* erklärtes Anliegen, Zeitgeschichte zu präsentieren und zu dokumentieren, steht nicht im Widerspruch zu der Tatsache, daß er gleichzeitig dazu jeweils selbst Stellung nimmt. Engagierte Anteilnahme an Gegenwart ist ohne eine persönliche Meinungsbildung kaum denkbar, was wiederum meinungsbildende Prozesse provozieren kann. (Vgl. dazu auch Archenholz selbst, Minerva, 1803, 3. Bd., 386; ausgeführt in Anm. 31 dieses Kapitels). 24 Minerva, 1806, 3. Bd., 478. 25 Minerva, 1806, 2. Bd., 371. 26 Zu diesem wichtigen Charakteristikum aufgeklärten Denkens vgl. die Ausführungen in Kap. F.n. 27 Minerva, 1792, 1. Bd., 1.

D . Aufklärung als Werkkonzeption Archenholz'

Documente zur Geschichte der Revolutions = Epoche bezeichnet. Dieß n o t wendige Sammeln war die Absicht des Herausgebers da man ... diesen Zweck nie aus den Augen verlohr ... In Deutschland ist es das älteste, auch bey weitem das reihhaltigste, Depot dieser Art ... In dieser Hinsicht ist man überzeugt, daß den künftigen Geschichts=Forschern gegenwärtige Zeitschriften unentbehrlich seyn muß, da vieles darin aus den ersten Quellen ist... und da sie ... so manches historische Kleinod enthält... Nur durch ein Register ... konnte dieß historische Magazin von jetzigen und künftigen GeschichtsFreunden gehörig benutzt werden. " 2 8 Als Antwort darauf, was der "leidenschaftliche Beförderer der Aufklärung" Archenholz denn nun unter einer solchen Selbstbenennung versteht, läßt sich an dieser Stelle schon vorausweisend festhalten, daß Archenholz durch faktische Präsentation und nicht durch abstrakte Reflexion aufklärerisch wirken will. Unabhängig davon, ob dieser Schriftsteller, der tatsächlich in seinem Werk keinerlei begriffliches oder philosophisches Abstraktionsvermögen aufweisen wird, dies aus intellektuellen Grenzen oder aus gezielt gesetzten Prioritäten unterläßt, findet sich daher eine erste Erklärung dafür, warum Archenholz nicht im Kreis der deutschen Spätaufklärer zu finden ist, die sich über Aufklärung selbst begrifflich und inhaltlich verständigen und sich an ihrer Definition versuchen bzw. sich dazu veranlaßt sehen29. Der Werkschwerpunkt: Dokumentation des Zeitgeschehens als stoffliche Basis für die durch kritische und öffentlich-diskursive Lektüre zu praktizierende Aufklärung der Zeitgenossen und Nachwelt erhält Anhaltspunkte nicht zuletzt durch zahlreiche Attribute, die Archenholz, wie gezeigt, sich selbst und seinem Werk beifügt. Gegenwärtige und zukünftige Realitätsorientierung, Handlungsbezogenheit und Nutzbarkeit als oberstes Werkgebot schlagen sich demnach nicht nur in Archenholz' Bemühen um eine möglichst große Werksyste-

28 Minerva, 1798, 4. Bd., 561 ff. 29 W. Schneiders charakterisiert die Zeit der deutschen Spätaufklärung in Deutschland, in die Archenholz' Wirken fallt, durch ihre Selbstreflexion und Selbstartikulation. Erfolgte letztere schon im Wort selber, so sah sich die Aufklärung in ihrer weiteren Entwicklung im Kampf mit ihren Gegnern zunehmend zur Artikulation ihres Selbstverständnisses gedrängt, die in der Spätaufklärung - ausgelöst durch eine Preisfrage der Preußischen Akademie im Jahr 1780 und drei Jahre später durch die Frage "Was ist Aufklärung?" des Pfarrers J.F. Zöllner in der "Berlinischen Monatsschrift" - ihren Höhepunkt erreichte. Schneiders bezeichnet außerdem den Tod Friedrichs Π. und die Französische Revolution als die entscheidenden politischen Zwänge zur Selbstklärung der Aufklärung. Beide Ereignisse fallen in Archenholz' Wirkungszeit, bewegen ihn jedoch nicht zu Reflexionen über die Aufklärung selbst. - Vgl. zu diesen Ausführungen W. Schneiders, Die wahre Aufklärung, 18 ff. sowie Bahr, Hrsg., Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen.

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D . Aufklärung als Werkkonzeption Archenholz'

matik 30 oder in einer spezifischen Historisierung seiner Gegenwartsberichte als Werkmoment nieder, die gerade auch seine Selbstbezeichnung als "historisch" Agierender belegte. Vielmehr wird Archenholz1 Grundvorstellung seines Werks auch in dem permanenten Spiegel sichtbar, den er der Gesellschaft durch eine Wiedergabe des von ihm unparteiisch Beobachteten31 vorzuhalten versucht und der in seinem den einzelnen, spezifischen Werkinhalten und -formen übergeordneten Begriff des "Sittengemäldes" einen anschaulichen Ausdruck findet. Archenholz' Akzentuierung einer aufklärerischen Werkkonzption zielt also keineswegs auf schöpferische Fähigkeiten des Verantwortlichen ab. Dafür läßt sie aber umso mehr Aufschluß über brisante Themen der Zeit erwarten. Die Fragen nach der aktuellen Auseinandersetzung der zeitgenössischen Gesellschaft des späten 18. Jahrhunderts, nach den zentralen Begriffen, an denen sich ein spezifischer Zeitgeist des Aufklärungszeitalters festmachen läßt, sollten sich im Werk Archenholz' beantwortet finden. Dabei ermöglicht gerade der Umstand, daß Archenholz in seinen Stellungnahmen Gebote des politischen und wirtschaftlichen Überlebens berücksichtigt, Einblick in Strukturen, Entwicklungen und auch Zwänge seiner Zeit. Die vordergründigen Inkonsequenzen seiner Positionen sollen in einem solchen Verstand als Schwingungen einer bewegten Zeit begriffen werden, die sich über dreißig Jahre hinweg im

30 Vgl. etwa das "Alphabetische Namen = und Sach=Register" der Minerva, das Archenholz zu ihrer besseren Handhabung anlegt (dazu: Minerva, 1798, 4. Bd., 562 f.; auch: Minerva 1810, 2. Bd., 186). Vgl. außerdem besonders die Reisebeschreibung England und Italien, von der Archenholz bemerkt: "Ich bin nicht so stolz, meine Bemerkungen fur neu auszugeben, ich habe nur das geringe Verdienst, sie vielleicht zweckmäßiger wie andre Reisende gruppiert zu haben." (vgl. im Anschluß an den '5. Theil' von England und Italien: "Rechtfertigung gegen die Beschuldigungen des Herrn Bibliothekar Jagemann, die in diesem Werke befindlichen Bemerkungen betreffend," 214). Entsprechend wird dieses Werk hinsichtlich seiner Systematik in Rezensionen gelobt {Jördens, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten, 1806, 6. Bd., 61) oder von der Forschung kategorisiert (vgl. Elsasser, Über die politischen Bildungsreisen der Deutschen nach England, 19 und 70 ff.: Archenholz wird hier den "systmatischen Werken" und nicht der Kategorie "Reiseerzählungen" zugeordnet). 31 Archenholz betont an vielen Stellen seines Werks sein Bemühen um Parteilosigkeit (vgl. etwa Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 173). Im Vorwort eines Aufsatzes "Ueber die vorhabene Landung der Franzosen in England" aus dem Jahr 1803 gibt er jedoch zu erkennen, daß sein beabsichtigter unparteiischer Standpunkt in realiter immer nur ein relativer sein kann. Gerade diese subjektive Komponente seiner Berichterstattung definiert er als Charakteristikum einer "historischen" Berichterstattung. So bemerkt er zum Verfasser des bekannten Aufsatzes: "Er nimmt keine Parthey, schildert aber als historischer Beobachter, als Beyträger zur Zeitgeschichte, die Dinge, die da vorgehen; vielleicht geschieht dies manchmal mit mehr Nachdruck, ..., als Man von einem völlig unpartheyiechen - das heißt: schwachdenkenden und schwachfuhlenden - Beurtheiler erwarten sollte. Die Ausführung dieser schweren, ja übermenschlichen Tugend einer vollkommenen Unpartheylichkeit, womit sich so viele brüsten, überläßt der Unterzeichnete denen, die da glauben, damit leicht fertig zu werden." (Minerva, 1803, 3. Bd., 386).

D . Aufklärung als Werkkonzeption Archenholz'

Werk eines erklärten Zeitbeob^chters seismographisch dokumentieren. In diesem Kontext ist Kritierien der Themenpräsentation ebenso Beachtung zu schenken. Die Werkanalyse hat daher die Untersuchung beider Ebenen, der inhaltlichen und der ausfuhrenden, einzulösen.

E. Aufklärung und Werk Archenholz1,1: Inhalte und Positionen. Zeitgeschichte als Arbeitsschwerpunkt Es ist auffallend, wenn auch erklärlich, daß die Themen, mit denen Archenholz sich in den langen Jahren seines literarischen Wirkens befaßt sowie die Positionen, die er innerhalb zeitgenössischer Kontroversen bezieht, in der Hauptsache in einem unmittelbaren Zusammenhang zu seinem persönlichen Erleben stehen. Seine eigene Bezeichnung als HZeitbeobachter" ist hier ganz wörtlich zu nehmen: Im Mittelpunkt seines Gesamtwerkes steht die europäische Zeitgeschichte des späten 18. und auch noch des frühen 19. Jahrhunderts, wobei er seine maßgebliche Aufmerksamkeit auf die Ereignisse in Preußen, England und Frankreich richtet. Archenholz* biographische Berührungspunkte mit Preußen während seines Militär- und Kriegsdienstes, England als eindrucksvollster Reisestation und Frankreich in seinen Revolutionswirren fuhren zu einer lebenslangen, engagierten Anteilnahme an der bewegten Geschichte dieser Nationen. Außer in seiner entsprechend umfangreichen, tagespolitischen Berichterstattung schlägt sich diese Verbundenheit auch in seinen persönlichen Vorstellungen von staatlicher Größe einerseits sowie politischer und bürgerlicher Freiheit andererseits nieder. So sind neben seinen Arbeitsschwerpunkten die Kernbegriffe seines Werks zu rekonstruieren, durch die Brennpunkte seiner Zeit nachgebildet werden können.

I. Von Preußens Größe, Tugenden und Schicksal Zweifelsohne ist Preußen fur Archenholz das Maß aller Dinge. Während seiner militärischen Ausbildung und seines persönlichen Kriegserlebens im preußischen Dienst bildet er Bewertungsmaßstäbe und Tugendbegriffe, die fur sein gesamtes Denken maßgeblich werden sollen. Archenholz* Berichterstattung über Preußen selbst sowie seine Behandlung von Themen, die im Zusammenhang mit Preußen stehen, durchziehen sein gesamtes Werk in unterschiedlichen Formen und zu verschiedenen Zeiten. Hierbei lassen sich vier zeitliche und inhaltliche Phasen differenzieren:

I. Von Preußen

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- Archenholz' Stellungnahmen ?um Siebenjährigen Krieg, dem historischen Ereignis also, das Preußens Stellung als europäische Großmacht endgültig begründet; - seine wiederholten, punktuellen Äußerungen zu Preußens Haltung im Verlauf der nachrevolutionären Koalitionskriege, die das ausgehende 18. und beginnende 19. Jahrhundert begleiten; - Archenholz' Abgesang auf die Preußische Monarchie im Schicksalsjahr

1806;

- seine Aussöhung mit Preußens "neuer Lage"1 während seiner letzten Lebensjahre. Im Verlauf der gesamten Schriften und Aufsätze, in denen Archenholz sich mit Preußen auseinandersetzt - und nicht nur da 2 - bildet immer der Siebenjährige Krieg seine Meßlatte; das Ereignis preußischer Geschichte, zu dem er selbst den unmittelbarsten Bezug hat. Die Intensität, mit der er sich lebenslang mit seiner ehemals militärischen Rolle zu identifizieren vermag bereits kurz nach Beginn seiner schriftstellerischen Laufbahn fugt er seiner Autoren- oder Herausgeberschaft stets die Bezeichnung "ehemals Offizir in Kgl. Preuß. Diensten" hinzu3 - verweist schon auf die vornehmlich militärische Begrifflichkeit, der er sein Denken verpflichtet. Sein Bekenntnis wenige Jahre vor seinem Tod, "obgleich ehemals selbst zum Kriegsstande gehörend, und Geschichtsschreiber von Kriegen" diese "dennoch aus Menschenfreundschaft von jeher verabscheut" zu haben und "ohne das geringste Privat= Interesse" an ihnen Anteil zu nehmen4, klingt da wenig überzeugend und scheint eher der philantropischen Mode der Zeit als der Einstellung des Verfassers zu entsprechen. Die beiden Faktoren, an die nun Archenholz seine Wertschätzung Preußens im Zusammenhang des Siebenjährigen Krieges bindet, liegen auf der Hand: Es sind das preußische Militär als das Sinnbild der vereinigten preußischen 1

So der Titel seines Aufsatzes aus dem Jahr 1808, Minerva, 2. Bd., 356-359.

2 Die Beurteilung der Kriegsereignisse des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts bindet Archenholz stets an sein eigenes Kriegserlebnis, wie die entsprechenden Ausführungen zeigen werden. Dabei verweist er immer wieder auf Friedrichs Π. Erkenntnis, daß "ein großer Feldherr das vortrefflichste Kleinod in der Krone des Monarchen [ist]" sowie auf dessen militärisch-taktische Fähigkeiten generell; vgl. Minerva, 1799, 1. Bd., 523-557, besonders 542 ff., hier: 546; ebd., 1805, 4. Bd., 169-183 und Minerva, 1794, 3. Bd., 189 ff.; ebd., 4. Bd., 307-316; ebd., 1798, 4. Bd., 127-142. 3 Ruof datiert diese Bezeichnung mit dem Jahr 1787, dem Beginn der Herausgabe der Zeitschriften und späterer Werke Archenholz' im Selbstverlag; vgl. Ruof Joh. Wilh. v. Archenholtz, 17. 4

Ueber den Kriegsmhm, in: Minerva, 1803, 2. Bd., 338-344, hier: 338.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

Tugenden von Leistung, Disziplin und der Kunst der "großen Erfolge durch kleine Mittel" 5 auf der einen Seite und die überragende Herrschergestalt Friedrichs II. auf der anderen Seite. Einige Textstellen werden im folgenden zeigen, inwiefern Archenholz das preußische Militär als Begründer und Bewahrer der Großmachtstellung Preußens definiert und aus welchen Gesichtspunkten er die Größe Friedrichs II. beurteilt. Zunächst stellt sich jedoch die Frage, was direkt aus Archenholz* Werk über den Siebenjährigen Krieg zu erfahren ist, denn immerhin legt er mit seiner Historiographie über die "Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland" sein wohl bekanntestes und klassischstes Werk vor. Es ist nicht Aufgabe einer Rekonstruktion der Haltung Archenholz' zu Preußen, den Kriegsverlauf nachzubilden, den er in knapp 300 und schließlich in einer erweiterten Fassung in knapp 600 Seiten darstellt6. Dem heutigen Forscher über Preußens Militärgeschichte kann Archenholz wohl kaum bisher Unbekanntes entdecken. Relevante Fragen wie die nach der Kriegsschuldfrage und dem zu rechtfertigenden Einmarsch Friedrichs ins neutrale Sachsen beantwortet Archenholz ebenso konventionell wie die nach dem "mirakulösen" Kriegsende. Nicht ohne historische Übersicht erkennt er als eigentlichen Ausgangspunkt der Kriegsereignisse auf deutschem Boden den Frieden von Aachen aus dem Jahr 1748, der die vorhergehenden Kriegswirren um die Österreichische Erbfolge und um Schlesien abzuschließen versuchte, die gewünschte Entspannung im europäischen Mächtespiel jedoch nicht zu sichern vermochte7. Eine Zuspitzung der weltpolitischen Konflikte sei dann, so Archenholz, im Jahre 1756 durch ein Offensivbündnis zwischen vorrangig Österreich, Frankreich und Rußland erfolgt, dessen gemeinsam geplanter Aktion Friedrich II. nach Kenntnis der Angriffspläne durch eine präventive Aktion zuvorzukommen versucht habe8. Ebenso eindeutig und unumstritten weiß Archenholz von dem "Tode der Russischen Kaiserin Elisabeth" als der "größten Wohltat Fortunens" zu berichten, die sie sich "bis zu dem critischen Zeitpunct aufbehalten, wo der gekrönte Weise, durch die gewaltige Übermacht der feindlichen Heere von allen Seiten gedrängt, seinem harten Schick-

5

Z.B. Minerva, 1795, 2. Bd., 385.

6 Zunächst 1788, Berlin und Leipzig, dann "vermehrt und erweitert" in zwei Bänden 1793, Berlin. - Koselleck arbeitet in seinem Archenholz-Aufsatz als Charakteristikum der Kriegsdarstellung den Zufall heraus, den Archenholz immer dann bemüht, wenn es fehlende Begründungen in seiner Darstellung zu verhüllen gilt und sieht ihn darin einer bestimmten geschichtsphilosophischen Tradition verhaftet. Vgl. Koselleck, Vergangene Zukunft, 162-175. 7

Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland, Mannheim 1788, 13.

8

Ebd., 14.

I. Von Preußen

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sal gelassen entgegen sah"9 und die die entscheidende Kriegswende herbeibringen kann. Findet sich in Archenholz' Kriegegeschichtsschreibung jedoch einerseits wenig Neues hinsichtlich der faktischen, historischen Schilderung sowie der Beurteilungen bedeutsamer Schlüsselereignisse durch ihren Autor, so bietet sie andererseits ein eindringliches Beispiel zeitgenössischer Preußen- und Friedrich-Verehrung. Dabei verbindet Archenholz sein Pathos für "die Geistesgröße Friedrichs", deren "getreue Erzählung ... alles wörtliche Lob überflüssig [macht]" und deren "Geschichtsschreiber ... an vielen Stellen bis zur Begeisterung hingerissen, die Sprache für seine Empfindung zu arm fand" 10 , mit seiner Begeisterung fur dessen militärische Taten 11 zu einem synonymen Begriff vom preußischen, im Militärischen wurzelnden Ruhm 12 . Der Hinweis auf die Wichtigkeit von Archenholz' Historiographie weist jedoch über deren exemplarischen Charakter hinaus. Durch ihre unmittelbare Darstellungskraft und ihre Geschlossenheit bildet sie ein kostbares Stück zeitgenössischer Geschichtsschreibung, das als solches von der Leserschaft der Mit- und Nachwelt erkannt wurde und das eine interessante Grundlage fur geschichtsphilosophische Fragestellungen liefert 13 . Wie sehr nun Archenholz' Teilnahme am Siebenjährigen Krieg und die anschließende intensive, persönliche und literarische Auseinandersetzung mit

9 Ebd., 251 f. Vgl. dazu aus heutiger Sicht besonders Johannes Klinisch, Das Mirakel des Hauses Brandenbuig. Studien zum Verhältnis von Kabinettspolitik und Kriegführung im Zeitalter des Siebenjährigen Krieges, München/Wien 1978. 10 Geschichte, 1788, 8. Vgl. besonders die lebendige Charakterzeichnung Friedrichs Π. anläßlich der Schlacht bei Hochkirch, 99. 11 Geschichte, 8. 12 Zum Phänomen dieser krisenbedingten Friedrich-Verehrung im Kontext des Siebenjährigen Krieges vgl. bes. Werner Gembruch, Menschenführung im preußischen Heer von Friedrich dem Großen bis 1806, in: ders., Staat und Heer. Ausgewählte historische Studien zum ancien régime, zur Französischen Revolution und zu den Befreiungskriegen, hrsg. von J. Kunisch, Berlin 1990, 169-186, hier bes. 181 ff. Vgl. außerdem ausfuhrlicher Kap. G. - Zur Ablehnung der Werke Archenholz' durch Friedrich II. vgl. Ruof, 23, die wohl mit Archenholz' Entlassung in Zusammenhang steht. Vgl. entsprechend Geschichte, 176, Archenholz' Anklage des friederizianischen "Zwangssystems" der Offiziersentlassung. In seinem Brief an Gleim vom 31. Dez. 1800 betont Archenholz seine letztendliche Anerkennung durch Friedrichs Π. Nachfolger, der "seine Dankbarkeit durch die Anwartschaft auf ein Canonicat beim St. Gangolphi Stift in Magdeburg gezeigt" habe und der eine zweijährige Korrespondenz mit Minister Schulenburg vorausgegangen sei. Damit beruhigte er die Sorge Gleims um die jahrelang fehlenden "königlichen Gnadenbezeugungen" fur Archenholz; vgl. Archenholz an Gleim, 22. Febr. 1797. 13 Vgl. Kap. F.n.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

dieser "Weltbegebenheit"14 seine Haltung bestimmen, zeigen viele Aufsatze und Textstellen seines Werks, die diesen Krieg selber nicht unbedingt zum Thema haben. So schreibt er im Jahr 1793 eine historische Reflexion "über die Menschlichkeit im Kriege" 15 generell, in der deutlich wird, daß Archenholz seine Vorstellung von einem idealen, aufgeklärten Herrscher an dessen militärische Tugenden bindet. Obwohl er in dieser Schrift eine mit dem Tod Friedrichs II. zu datierende, zunehmende Opposition gegen die Aufklärung beklagt, sieht er doch eine unverändert aufklärerische Wirkung der Regierungszeit des großen Preußenkönigs in der fortdauernd größeren Menschlichkeit innerhalb der Kriegführung seines Zeitalters 16. Diese, so Archenholz, "hatte man ... allein der so sehr verschrienen Aufklärung zu verdanken, die den Pflichten der Krieger ihre Gränzen vorbezeichnete, die Begriffe der Menschen erweiterte, ihre Leidenschaften ordnete, und ihre Gefühle veredelte." 17 Daß die so definierte Aufklärung jedoch erst durch den Siebenjährigen Krieg zu ihrer Wirkung fand, erkennt Archenholz durch den noch gänzlich unmenschlich geführten Österreichischen Erbfolgekrieg und die beiden ersten Schlesischen Kriege. Erst durch Friedrich II. respektive sein hohes Maß an Menschlichkeit im Siebenjährigen Krieg wird er zum Muster von Aufklärung par excellence. So kann Archenholz nach der Schilderung einer Anzahl anschaulicher Beispiele dieser Musterhaftigkeit Friedrichs im Verlauf des Krieges schließlich zu einem die Aufklärung überhaupt rechtfertigenden Fazit finden: "So ist es wohl nicht übereilt zu sagen, daß wir ... der Aufklärung diese Fortschritte aus der Barbarey zu einer höheren Cultur und zu einer bessern Würdigung der Dinge, zu verdanken haben." 18 Mit dieser gedanklichen Verknüpfung von Kriegsthematik und aufgeklärter Humanitätsidee gibt Archenholz ein Beispiel für die gegenseitige Durchdringung scheinbar kontroverser Sphären 19, wie sie für seine Zeit durchaus

14 Minerva, 1793, 3. Bd., 199. 15 Vgl. Historische Betrachtungen über die Menschlichkeit im Kriege, in: Minerva, 1793, 2. Bd., 377-384. 16 Vgl. Historische Betrachtungen über die Menschlichkeit im Kriege, S. 377. 17 Ebd., 378. 18 Ebd., 380. Zu den Beispielen des musterhafen Verhaltens Friedrichs Π. vgl. ebd., 378380. - Zur Frage der Aufklärung in Preußen vgl. Horst Möller, Wie aufgeklärt war Preußen?, in: Puhle/Wehler, Hrsg., Preußen im Rückblick, Göttingen 1980, 179-201. 19 Zu einem entsprechenden Forschungsansatz vgl. Johannes Kunisch, Fürst - Gesellschaft Krieg. Studien zur bellizistischen Disposition des absoluten Fürstenstaats, Köln/Weimar/Wien 1992, V n . Kunisch stellt sich hier außerdem die Aufgabe "herauszuarbeiten, in welcher Weise sich Krieg und Kriegspolitik unter dem Einfluß von Aufklärung und Französischer Revolution aus einem Bereich fürstlicher Selbstdarstellung und dynastischer Reputation zu einer Angelegen-

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typisch war 2 0 . So findet sich die. hier von Archenholz gestellte Frage nach der Menschlichkeit im Kriege z.B. als Grundfrage der Werke Georg Heinrich von Berenhorsts, eines der fuhrenden kritischen Kriegstheoretiker des ausgehenden 18. Jahrhunderts 21. Trotz dessen ungleich größerer Bedeutung fur die zeitgenössische Diskussion um Heeresverfassung und Kriegführung 22, ordnet sein Beispiel Archenholz in den Rahmen eines aufklärungstypischen Diskurs ein, der am Ende des 18. Jahrhunderts stattfand und offensichtlich militärisch Interessierte aus unterschiedlichen Wirkungskreisen erfaßte. Doch erklärt Archenholz den Ausnahmecharakter des Siebenjährigen Krieges nicht nur aus dessen humanen Aspekten. Er erweist auch den taktischen, disziplinären und leistungsbezogenen Tugenden des preußischen Heeres seine Reverenz, wenn er z.B. anläßlich einiger Überlegungen zu "Englands gegenwärtigem Zustand"23 - d.i. Mitte der 80er Jahre - die umfassende militärische Vorbildfunktion Preußens würdigt 24 und die gleichermaßen großen Erfolge Englands zu Wasser mit denen Preußens zu Land in der identischen Maxime des "von unten auf dienen" begründet sieht 25 . Daß Archenholz solchermaßen klar formulierte militärische Maximen als Schlüssel des preußischen Ruhmes definiert, dem wiederum "der große Friedrich" 26 zu seinem Durchbruch verhalf, zeigt auch sein wiederholtes Lob des "überzeugenden Grundsatzes" Friedrichs, "bey den Armeen ... alle Bequemlichkeits=Artikel zu vermindern, dagegen aber es an Notwendigkeiten des Lebens, an Waffen und an Munition nicht fehlen mußte." 27 Durch eine solche Konzentration auf das

heit des öffentlichen Interesses entwickelt haben." (VII) Gerade Archenholz in seiner Funktion als Publizist steht als Beispiel für eine solche Entwicklung. 20 So dargestellt von Johannes Konisch in der Untersuchung "Friedensidee und Kriegshandwerk im Zeitalter der Aufklärung", in: ders., Fürst- Gesellschaft - Krieg, 131-160. Vgl. zu Berenhorst Eberhard Kessel, Die Wandlung der Kriegskunst im Zeitalter der Französischen Revolution, in: ders., Militärgeschichte und Kriegstheorie in neuerer Zeit, Ausgewählte Aufsätze, hrsg. u. eingeleitet von J. Kunisch, Berlin 1987, 19-45, bes. 28 sowie Kessel, Georg Heinrich von Berenhorst. Ein Anhaltinischer Theoretiker und Geschichtsschreiber der Kriegskunst am Ende des 18. Jahrhunderts, in: ders., Militärgeschichte und Kriegstheorie, 80115. 22 Vgl. ebd., bes. 82, 91 u. 114 f. 23 Englands gegenwärtiger Zustand, in: England und Italien, 1791, 3. Th., 15. Abschnitt. 24 Ebd., 384 f. 25 Ebd., 410. 26 Annalen des Jahres 1793, 11. Bd., 376. 27 Ebd.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

Wesentliche konnte es dann schließlich "Friedrich ... wie wenig Heerführern in der Weltgeschichte" gelingen, mit geringen Mitteln viel [zu bewirken]"

28

Auch in seinen verschiedenen Abhandlungen über die im Gefolge der Französischen Revolution entstandenen Koalitionskriege nimmt Archenholz immer wieder Bezug auf den Siebenjährigen Krieg, wobei vielleicht noch eindringlicher als in seiner Geschichtsschreibung selbst zutage tritt, wie sehr er dieses Kriegsereignis mit der Person Friedrichs II. identifiziert. In seinen bezeichnenderweise "Historischen Betrachtungen über den gegenwärtigen Krieg, über Friedrich den Grossen, über Kriegsthaten und Schlachten" aus dem Jahr 1793 2 9 legt er einen Beweis dafür vor, in welchem Maß er Anteilnahme und Interesse an kriegerischen Auseinandersetzungen an herausragende Persönlichkeiten gekoppelt sieht. So räumt er dem "gegenwärtigen Krieg mit Frankreich" in bezug auf eine allgemeine Anteilnahme zwar eine Sonderstellung in der Geschichte ein 3 0 , gesteht der Französischen Revolution aber "das Anziehende eines Romans" nur dann zu, "wenn man sie personificieren will." 3 1 Dies unternimmt er dann sogleich, indem er sie als eine Art heldischen Riesen zeigt, dessen Ambivalenz sich im Maß seiner Weisheit sowie seines Wahnsinns veräußert. So findet er auch eine Erklärung für die momentane Vergessenheit des Siebenjährigen Krieges, dem "nächst der französischen Revolution ... zweiten unter den wichtigsten Weltbegebenheiten, die seit mehreren Jahrhunderten Europa sah" 32 , und gleichzeitig einen erneuten Anlaß, auf dessen Helden, nämlich Friedrich II., zu verweisen. Nach Archenholz ist es daher aus historischer Perspektive auch zu erwarten, daß der Siebenjährige Krieg einst als wichtiger als die Französische Revolution betrachtet werden wird, da sich dessen Größe an der Größe Friedrichs festmachen läßt 33 . Die vergleichende und wertende Haltung, die Archenholz hier einnimmt, verstärkt er in späteren Aufsätzen bis hin zu einer prononcierten Rechtfertigung des Preußenkönigs. In seiner Schrift zum "jetzigen französischen Krieg,

28 Minerva, 1800, 1. Bd., 541. 29 Vgl. Minerva, 1793, 3. Bd., 197-218 und ebd., Nachtrag, 377-384. - Zur preußischen Geschichte nach der Französischen Revolution vgl. grundlegend Reinhart Koselleck, Preussen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791-1848, Stuttgart 31981. 30 Vgl. Minerva, 1793, 3. Bd., 197 f. 31 Ebd., 198. 32 Ebd., 199. 33

Ebd.

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verglichen mit dem Siebenjährigen"34 greift Archenholz 1795 die "Hymnen" über den französischen Krieg direkt an, da sie aus seiner Sicht in ungerechtfertigter Weise über Friedrich II. gestellt werden; er empfindet es überhaupt als Anmaßung, den französischen mit dem Siebenjährigen Krieg zu vergleichen 35 . Zur Erläuterung dieser Position unternimmt er wiederum eine Charakterisierung des letzteren, die in seinem bekannten Motto von den großen Erfolgen durch kleine Mittel gipfelt. In Relation dazu, so Archenholz, sei der französische Krieg um ein vielfaches geringer einzuschätzen, da dessen große Erfolge auch auf entsprechend großen Mitteln basierten. Einmal mehr unterstreicht Archenholz in diesem Zusammenhang Friedrich II., der ohne die dem französischen Heer zur Verfügung stehenden Hilfsmittel seinen "einzigen Vorzug ... in seinem großen Genie und in der Vortreflichkeit seiner Truppen" begründete 37. Schließlich nutzt Archenholz im gleichen Jahr seine Gedanken "Ueber den Ursprung des jetzigen Krieges" 38 zu interessanten Stellungnahmen, die er in seinem Geschichtswerk ganz außer acht läßt. In seinen einfuhrenden, allgemeinen Überlegungen zur Frage des Kriegsursprungs heißt es da: "In allen Kriegen des 18. Jahrhunderts waren, zur Ehre unserer gestiegenen Cultur, die kriegsführenden Mächte bemüht, nicht als die Angreifer angesehen zu werden, und wenn eine Macht auch zuerst mit ihren Armeen losbrach, so war sie doch ... besorgt, die Veranlassung dazu als eigentlich ersten Angriff des Gegners aufzustellen und ihn so mit der Schuld des Krieges zu belasten."39 Dennoch, so Archenholz, habe der "angegriffene Theil im Urteil der Welt" stets den Vorteil, "daß die Thatsache des Angriffs lauter und allgemeiner sprach,..., als Rechtfertigungs=Manifeste, Vertheidigungs= Schriften u.a. schriftliche Erörterungen. w 4 ° Die Vermutung, daß Archenholz hier nicht nur auf die Kriegsschuldfrage des Ersten Koalitionskrieges abzielt, bestätigt sich dann wenige Seiten später, wenn er bemerkt, daß man "jetzt, nach 40 Jahren, ... in Wien so sehr wie in Berlin überzeugt [ist], daß Friedrich der Große nicht der Urheber des Siebenjährigen Krieges war, obgleich er damals von

34 Vgl. Minerva, 1795, 2. Bd., 381-392. 35 Ebd., 384. 36 Ebd., 385. 37 Vgl. Minerva, 1795, 2. Bd., 388. 38 Vgl. Minerva, 1795, 3. Bd., 515-526. 39 Ebd., 515. 40 Ebd.

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allen davon theilnehmenden Mächten, der erste war, der zu den Waffen griff." 41 Außer den zahlreichen direkten Bezugnahmen Archenholz1 zum Siebenjährigen Krieg und zu Friedrich II. legt er an vielen anderen Stellen ein beredtes Zeugnis seines Engagements fur Preußen ab. Auch hier wird wiederholt deutlich, daß der Ursprung seines Enthusiasmus aus dem friederiziani sehen Preußen herrührt. So weist er z.B. in einem Brief an Gleim aus dem Jahr 1793 darauf hin, daß er dessen positivem Urteil über Friedrich Wilhelm II. nicht zustimmen könne, da er "neuerlich zwei Jahre in Berlin gelebt" habe 42 . Bezeichnenderweise hatte er sich zu diesem Aufenthalt ja zwecks Recherchen zu seiner erweiterten Ausgabe der "Geschichte des Siebenjährigen Krieges" entschlossen, um mit noch lebenden Mitstreitern Friedrichs Kontakt aufzunehmen 43. Trotz dieser Distanz zu dessen Nachfolger betont Archenholz jedoch ein halbes Jahr später anschaulich an Gleim: "Zweifeln Sie ja nicht, daß ich ein guter Preuße bin. Wie solte auch der Geschichtsschreiber Preußens seine Liebe und Anhänglichkeit fur den Preuß: Namen verlieren können. Man hat von den Jesuiten bemerkt, daß wenn sie auch aus ihrem Orden austraten, u. mit ihren Oberen unzufrieden waren, dennoch die Liebe zu ihrem Institut immer die nähmliche blieb. Gerade so ist es auch mit den Preußen, u. noch nie habe ich einen Mann von Werth gesehen, der diesem Enthusiasmus auch in der Entfernung nicht treu geblieben wäre." 44 Daß Archenholz* Identifikation mit der Rolle des preußischen Geschichtsschreibers auch tatsächlich glaubwürdig ist, zeigt die Rezeption durch seine Mit- und Nachwelt 45 . Nicht zuletzt seine wiederholten Querelen mit der österreichischen Regierung, die ihn als "Ertzpreußen, das ist: ein geschworener Feind Österreichs" 46 bezeichnet, belegen dies 47 .

41 Ebd., 520. 42 Archenholz an Gleim, 22. Mai 1793. 43 Vgl. Annalen des Jahres 1789, Nachricht von den Schriften des Verfassers, 373 ff., datiert: Berlin, April 1790. 44 Archenholz an Gleim, 1. Jan. 1784. 45 Vgl. Kap. Β.ΠΙ.3. 46 Archenholz an Gleim, 2. März 1795. 47 im gleichen Brief berichtet Archenholz vom österreichischen Verbot seiner Annalen und der Minerva. Vgl. außerdem Archenholz' Auseinandersetzung mit einem österreichischen General wegen dessen Behinderung der Passage französischer Zeitschriften in: Minerva, 1793, 2. Bd., 179-183 und 370-375 sowie ebd., 1793, 4. Bd., 189-192 unter den vielsagenden Titeln: "Ein Scherflein, nicht zur patriotischen Hülfskasse in Regensburg, sondern zu Geschichte der Germanischen Freyheit" und "Nachricht von einer fortgesetzten zwecklosen Bedrückung". -

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Sowohl die Art und Weise, wie Archenholz in außen- und innenpolitischen Belangen die Haltung und Position Preußens als Maßstab anfuhrt, als auch seine Beurteilung der gesamteuropäischen, nachrevolutionären Lage vom Standpunkt Preußens aus zeigen, wie sehr er den Begriff von der Größe und dem Ruhm dieses Landes verinnerlicht. Eine Haltung, zu der er umso intensiver Zuflucht nimmt, je mehr Preußen in die Kriegswirren des ausgehenden Jahrhunderts verwickelt wird. Seine vielleicht systematischste Abhandlung, die "Bemerkungen über den Subsidienvertrag Baieras mit England" 48 aus dem Jahr 1800, verdeutlicht Archenholz' Anlehnung an das preußische Vorbild hinsichtlich dessen Konstitution und machtpolitischer Position. Die Schrift - in ihrem Arbeitsansatz durchaus sachlich angelegt gerät ihm zu einem Plädoyer fur die politische Eigenständigkeit Bayerns als europäische Macht. Eine solche Existenz, so Archenholz, sei nur zu erreichen und abzusichern durch ein entsprechendes Militär 4 9 . Als ein "alter Militair" 5 0 unterläßt er es natürlich nicht, ausführliche, konkrete Vorschläge zum Aufbau einer Armee zu machen51. Denn nur durch ein starkes Heer könne auch Bayern dem obersten Gesetz der Staatsklugheit, d.i. Neutralität, Folge leisten. Durch einen so gearteten, militärisch abgesicherten, neutralen Status würde es dann zu einem interregulativen Potential im europäischen Mächtespiel, das von den großen Mächten und besonders Napoleon als solches erkannt und gefordert werden würde 52 . Im unmittelbaren Vorfeld dieser Überlegungen steht Archenholz' zunehmende Enttäuschung über den Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzung zu Ende des Ersten und Beginn des Zweiten Koalitionskrieges und die sie begleitende, politische Apathie der Deutschen. Entsprechend seiner WertZum historischen Hintergrund dieses Aspekts vgl. Michael Erbe, Deutsche Geschichte 17131790. Dualismus und aufgeklärter Absolutismus, Stuttgart 1985. 48 Das Engagement fur Bayern, das sich in dieser Schrift niederschlägt, wird erklärlich durch Archenholz' unmittelbar vorhergehenden Aufsatz "lieber die Aufklärungs=Aussichten in Bayern", in: Mineiva, 1799, 2. Bd., 360-375. Von der "Regierung des jetzigen Churfürsten" glaubt Archenholz nämlich "alles erwarten [zu können], was einem aufgeklärten Fürsten in unseren Tagen obliegt." (360 f.). Als Beispiele dieser Aufklärung fuhrt er "die Vernichtung des abscheulichen Censura Zwangs" durch den neu ernannten Minister Graf Morawitzky ins Feld, den er "persönlich von seinem Münchenaufenthalt vor 25 Jahren" kenne (361 f., 363). 49 Bemerkungen über den Subsidientraktat Beierns mit England, 49 f. 50 Minerva, 1807, 1. Bd., 341. 51 Bemerkungen über den Subsidientraktat, 39 ff., erläutert Archenholz seine Finanzierungsvorschläge eines großen bayrischen Heeres. Neben der Ausnutzung von "Klöstern als nützliche Melkkühe" (41) solle man durch eine relativere Belegung des Ritterstandes, durch Verwaltung von Wald und Bergbau, Steuern und Post die Einnahmen veigrößern und gleichzeitig die Ausgaben betreffs Hofstaat, Beamten und Pensionen reduzieren. 5 2

Vgl. Bemerkungen über den Subsidientraktat, 54 ff.

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Schätzung, daß "doch wahrlich in keinem Winkel der Erde so wie im Preußischen Freyheit und Gerechtigkeit" sei 5 3 , äußert er in einem Aufsatz über "Preussens Interesse" 1798 5 4 seinen Wunsch, als ein "deutscher Patriot ... endlich einmal das Ende der Demüthigung Deutschlands zu sehen. " Er gibt an gleicher Stelle zu bedenken, daß "dieses Ende [da] wäre, wenn die französische Republick Preussens Freundschaft gehörig würdigte, und wenn das aus seinem politischen Schlaf erwachende Preussen sein Ansehen, oder im Nothfall seine Macht zur Erhaltung der Ruhe in Nord=Deutschland anwenden wollte. " 5 5 Die moralischen und politischen Hoffhungen, die Archenholz hier noch in Preussens "Ansehen" und "Macht" als Ausgleich fur die gerade im Frieden von Campo Formio erlittene Schmach der Abtretung des linken Rheinufers durch Österreich 56 setzt, sieht er jäh enttäuscht: Wenige Wochen nach dem militärischen und moralischen Zusammenbruch Preußens im Oktober 1806 veröffentlicht Archenholz seine "Betrachtungen eines Deutschen am Grabe der Preußischen Monarchie." 57 Ahnlich seiner Geschichtsschreibung zum Siebenjährigen Krieg liefert er hier ein exemplarisches Stimmungsbarometer zeitgenössischen Patriotismus. Unter Betonung des historisch einmaligen Aufstiegs binnen eines Jahrhunderts verweist Archenholz nochmals auf dessen militärischen Grundstein, seine Expansion "von 60.000 auf 100.000 und schließlich auf 250.000 Krieger", die dafür sorgte, "daß die Nationen endlich gewohnt wurden, die Preussische Monarchie in den Rang der größten Mächte Europens zu setzen."58 Diesen - wie jedem "scharfen Beobachter erkenntlich" - im Verlauf der letzten zwanzig Jahre im Schwinden begriffenen Ruhm sieht Archenholz nun durch einen einzigen unbesonnenen Krieg vernichtet. Wie sehr Archenholz in Preußen doch auch das Muster eines aufgeklärten Staates gesehen hatte, beweist seine Klage, daß mit der Preussischen Monarchie fur ihn auch die "Deutsche Unabhängigkeit", der "Deutsche Nationalruhm" und "das Muster einer weisen Gesetzgebung" dahin sind 59 . Mehr noch trauert Archenholz um "einen Staat, dem selbst entfernte Nationen

53 Archenholz an Gleim, 27. Mai 1797. 54 Vgl. Minerva, 1798, 1. Bd., 183-185. 55 Ebd., 183 f. 56 Archenholz schildert in Folge wiederholt das Schicksal der abgetretenen Gebiete, so etwa Mineiva, 1802, 2. Bd., "Die jenseitigen Rheinländer", 175-181 sowie schon zuvor ebd., 1800, 3. Bd., 181-187 und nochmals ebd., 1803, 3. Bd.., 214. 57 Vgl. Minerva, 1806, 4. Bd., 377-396 und Nachtrag, ebd., 544-554. - Zur Stimmungslage in Preußen angesichts des Schicksalsjahrs 1806 vgl. Milnchow-Pohl, Zwischen Reform und Krieg, bes. 31 ff. 58 Vgl. Minerva, 1806, 4. Bd., 379. 59 Ebd., 379 f.

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die Toleranz, die Abschaffung der Folter, viele vortrefliche ... Gesetze, und eine vernünftige Geistesfreiheit verdanken", um das "Bollwerk der protestantischen Religion" und den "durch eine heilige Flamme genährten Heerd der Deutschen Aufklärung, den Mittelpunct der Wissenschaften und Künste in Germanien. " 6 0 In einem Nachtrag zu dieser Schrift 61 differenziert Archenholz seine "Grabesrede" nochmals, gibt dadurch aber nur einmal mehr ein deutliches Beispiel, daß er den Begriff von Preußens Größe durch die eigene Berührung mit dessen Geschichte gewonnen hatte. Er erklärt, daß er unter der Verwendung des Wortes "Monarchie" nicht den Namen, sondern das Wesen des Staates angesprochen hatte. Dieses Wesen des preußischen Staates definiert er dann ausschließlich als ein militärisches, das den Grundstein und die Bedingung seines Bestehens ausmache und das "in dem Sinne, wie [es] die Generation in der Mitte des 18. Jahrhunderts sah" 62 , nicht mehr existiere. Damit ist fur Archenholz "ein politisches Chaos" komplett "und zwar ein solches, wie es seit der Cultur des Menschen=Geschlechts noch kein Auge gesehen hat. " 6 3 Angesichts solcher Äußerungen geht F. Ruof in seiner Archenholz-Biographie so weit, den Zusammenbruch Preußens mit einem geistigen Zusammenbruch Archenholz* in Verbindung zu bringen. 64 Sicherlich ist es gerechtfertigt, Archenholz' Haltung auf das engste mit dem Schicksal Preußens verbunden zu sehen. Doch läßt er seiner "Grabesvision" im darauffolgenden Jahr "Fernere Betrachtungen über Preussens gegenwärtige Lage und Hoffhungen" 65 folgen, in denen er seine vorhergehende Schrift einschränkt und seine von Napoleons Großmut abhängige Hoffnung auf eine Rettung Preußens artikuliert 66 . Er selbst äußert sich danach nicht mehr zu diesem Thema, veröffentlicht aber unter dem Titel "Preußens neue Lage" 1808 den Artikel "Preußen" aus einem neu erschienenen, französischen Geschichtsatlas67, in dem Preußen angeraten wird, nicht mehr auf seine Vergrößerung zu sinnen, sondern sich ganz auf seine Erhaltung zu konzentrieren.

60 Ebd., 380 f. 61 Die Schrift selbst ist am 15. Nov. 1806 verfaßt, der Nachtrag am 30. Dez. gleichen Jahres. 62 Ebd., 553. 63 An die Leser der Minerva, in: Minerva, 1806, 4. Bd., 147 ff., (hier: 148). 64 Vgl. Ruof 134. 65 Minerva, 1807, 1. Bd., 170-179. 66 Ebd., passim. 67 Minerva, 1808, 2. Bd., 356-359. 7 Rieger

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In seinen letzten Lebensjahren verfallt Archenholz in eine anachronistische Schwärmerei fur die militärischen Qualitäten Preußens. Dies zeigen seine Forschungen zum "ersten Schuß im siebenjährigen Kriege" 68 , die er ausgerechnet 1806 veröffentlicht, ebenso wie sein letzter schriftlicher Beitrag zu seinem großen Journal: In dem Aufsatz über "Schill und seine Unternehmung" 69 widmet Archenholz dem herausragenden, wenn auch gescheiterten, "kriegerischen Abentheuer" 70 eines preußischen Offiziers noch einmal seine besondere Aufmerksamkeit. Eine seiner abschließenden publizistischen Arbeiten mutet schließlich wie eine letzte, etwas hilflose Reverenz an Preußens hoffnungsvolle Vergangenheit an. Unter Hinweis auf ein Interesse, "daß die großen, alles auflösenden ... Weltbegebenheiten des Tages nicht geschwächt haben, und das aus tausend Ursachen auch noch lange dauern dürfte" 71 , veröffentlicht Archenholz 1810 unter dem Motto des "Historischen Beitrags, des großen Friedrich Schicksal als Kronprinz betreffend" 72 Briefe aus dessen Jugendzeit. Mit dieser unreflektierten Rückkehr zu vergangenen Themen Preußens ist Archenholz zwar zu den Autoren zu zählen, die durch eine eigene militärische Vergangenheit an Fragen der preußischen Militärgeschichte auch nach ihrer aktiven Militärzeit interessiert bleiben wie etwa Bülow, Voß, Behrenhorst und Decken 73 . Er geht jedoch nicht so weit, seine Bestürzung über die preußische Niederlage 1806 in eine konstruktive Kritik am preußischen Militärwesen umzusetzen, die sich von traditionellen Vorstellungen löst und ihre Form in definitiven Reformvorschlägen findet. In eine solche Richtung hatten sich Friedrich Buchholz und Friedrich von Cölln entwickelt; zwei der zahlreichen Mitarbeiter Archenholz* an seiner Minerva, die radikaler als er selbst der bürgerlichen Bewegung der Zeit Ausdruck zu verleihen verstanden und nach 1806 eine entsprechend massive Kritik am Heerwesen Preußens übten 74 . Bei

68 Der erste Schuß im siebenjährigen Kriege, in: Minerva, 1806, 4. Bd., 132-138. 69 Minerva, 1809, 2. Bd., 486-508. 70 Ebd., 486. 71 Minerva, 1810, 1. Bd., 1 ff. 72 Ebd. 73 Vgl. Werner Gembruch, Bürgerliche Publizistik und Heeresform in Preußen (1805-1808), in: ders., Staat und Heer, 334-365, bes. 340 f. Gembruch zählt hier Archenholz neben den genannten Autoren und einigen jüngeren Offizieren zu den Schriftstellern, die im Bürgertum bereits vor 1813 eine Disposition fur eine Heeresreform bezeugen. 74 Vgl. ebd., 341 ff. Zu Buchholz und Cölln vgl. außerdem Otto Tschirch, Friedrich Buchholz, Friedrich von Cölln und Julius Voß. Drei preußische Publizisten in der Zeit der

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aller unterschiedlichen Entwicklung liegt jedoch ein Interessenaustausch zwischen den Autoren und dem Herausgeber des gerade in preußischen Militärkreisen vielgelesenen Journals auf der Hand, wie deren unverbrüchliche Beschäftigung mit dem Thema Preußen zeigt.

I I . Die englischen Freiheiten und ihr Palladium Archenholz1 anfänglich schwärmerisches Interesse fur England gründet in einem Schlüsselbegriff seines Denkens und seiner Zeit überhaupt, dem Begriff der Freiheit 75 . Maßgeblich beeinflußt durch die Ereignisse um die Französische Revolution und der zentralen Bedeutung, die dem Freiheitsbegriff hier zukommt, vollzieht er Ende der 80er Jahre und zu Beginn der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts eine abrupte Umkehr seiner vorherigen, wohlwollenden Einstellung zu England, die mit einer entsprechend intensiven und positiven Meinungsfîndung zu Frankreich einhergeht. Obwohl Archenholz letztere im Zuge der revolutionären Ausschreitungen zu relativieren versteht, bleiben seine Äußerungen über England bis zu seinem Lebensende schließlich unverändert negativ und polemisch. Nichtsdestotrotz machen seine umfangreichen, England gewidmeten Werkteile deutlich, daß Archenholz die Begriffe von politischer und geistiger Freiheit während der langen Jahre seines Englandaufenthalts bildet und verinnerlicht. Innerhalb der Äußerungen Archenholz* zu England und der dort praktizierten Freiheit können drei Schwerpunkte ausgemacht werden. Am Anfang steht seine eingehende Erläuterung der "englischen Freiheiten, deren constitutioneller Basis und positiven Folgen fur den englischen Charakter" 76, die er durch viele Beispiele und historische Erklärungen im Verlauf seiner gesamten Englandberichte zu defmieren versucht. Dem gegenüberzustellen ist als zweiter thematischer Schwerpunkt die veränderte Beurteilung Englands in den Jahren nach der Französischen Revolution, die dessen Verfassung, aber auch den Zustand des Landes überhaupt betreffen. Als gesonderter Aspekt ist schließlich die Intensität zu berücksichtigen, mit der Archenholz sich im Zuge

Fremdherrschaft, 1806-1812, 1936 sowie Werner Gembruch, Friedrich von Cölln als Publizist vor dem Zusammenbruch Preußens im Jahre 1806, in: ders., Staat und Heer, 306-333. 75 Zur politischen Semantik des Freiheitsbegriffs im 18. Jahrundeit vgl. vor allem Schlumbohm, Freiheit. Die Anfange der bürgerlichen Emanzipationsbewegung in Deutschland im Spiegel ihres Leitwortes (1760-1800). 76 England und Italien, 1791, 1. Theil, 2 ff.

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seiner Reisebeschreibung und darüber hinaus dem Thema Pressefreiheit widmet, das er in den Kontext des Phänomens Öffentlichkeit stellt und das er als "Palladium" nicht nur der englischen Freiheiten einordnet. Archenholz differenziert zwischen sechs "englischen Freiheiten": "1.) Die Preßfreiheit 2.) Die Habeas Corpus-Akte 3.) Die öffentlichen Tribunäle 4.) Die Prozeßurtheile durch Geschworene 5.) Die Repräsentation im Parlament [und] 6.) das Vorrecht, öffentliche Vorstellungen zu machen"77. Er erkennt deren "Grundpfeiler" in den historischen Constitutions of Clarendon ζ. Zt. Heinrichs II., der Magna Charta, der Petitions of Rights und der Bill of Rights 78 . Unter dem Vorbehalt, daß "den Deutschen zur richtigen Beurtheilung republikanischer Staaten einige Vorurteile im Wege [stehen]", deren "vornehmsten sind: Mißverstandene Bedeutung des Wortes Freyheit im politischen Sinne" sowie "Vorgefaßte Abneigung gegen alle Staatsverfassungen, die viel Republikanisches in ihrer Form haben" 79 , schickt er sich an einigen Stellen seiner England gewidmeten Werke an, eingehende Erläuterungen zur englischen Staatsverfassung zu geben. Es gehört, wie schon bemerkt, zu den Eigenheiten Archenholz', daß er zu vielen politischen Themen seiner Zeit keine Schlußfolgerungen zieht, die er über einen längeren Zeitraum folgerichtig vertritt. Auch hier, hinsichtlich der auf der Hand liegenden Frage nach der in seinen Augen idealen Regierungsform, scheinen seine Äußerungen momenthaft und - eingedenk seiner Positionen an anderer Stelle - wenig folgerichtig. Hatte er in Friedrich II. noch das Ideal eines, wenn auch aufgeklärten, so doch starken Königs verherrlicht 80, so folgt er jetzt Montesquieus Ansicht von der englischen als der vortrefflichen Staatsverfassung 81. Er tut es als philosophische Verirrung ab, "Zweifel über den Vorzug ... einer eingeschränkten Monarchie, wie die englische" zu äußern 82 und artikuliert sich entsprechend korrigierend in einem ergiebigen

77 Ebd., 1. Theil, 1. Abschnitt; nähere Ausführungen zu diesen Freiheiten vgl. ebd., 9-41. 78 Ebd., 3. Th., 15. Ab., 359. 79 Ebd., 356. 80 Vgl. Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutschland; vgl. auch England und Italien, 2. Th., 8. Ab., 101: Ein "aufgeklärter Herrscher" ist per se ein "gerechter Herrscher". Zur Frage der gerechtfertigten Idealisierung Friedrichs Π. als aufgeklärten Regenten vgl. außerdem Günther Birtsch, Der Idealtyp des aufgeklärten Herrschers. Friedrich der Große, Karl Friedrich von Baden und Joseph Π. im Vergleich, in: Aufklärung 2, 1987, 9-48. 81 England und Italien, 1. Th., 1. Ab., 5. 82 Ebd.

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Kapitel über "Königliche Vorrechte" 83. Von der irrigerweise für unangenehm gehaltenen Lage des englischen Königs weiß er zu berichten, daß "seine Vorrechte ... größer [sind], als je das Oberhaupt eines freyen Volks in alten und neuen Zeiten besessen hat." 8 4 Nach breiter Schilderung des königlichen Kompetenzbereichs85 konstatiert er dann jedoch, daß, "so uneingeschränkt er ... Gutes thun kann, so sehr sind ihm durch die Gesetze die Hände gebunden, Böses zu thun", und bezeichnet "diese politische Linie" als "das [vielleicht] größte Meisterstück, das die Staatskunst aufweisen kann." 86 Letztlich völlig gelöst von Überlegungen zum Herrscheramt selbst findet er in Ableitung des englischen Vorbilds zu einer idealen Vorstellung freiheitlicher Rechtsstaatlichkeit als Garant "bürgerlicher und politischer Glückseligkeit."87 Doch nicht nur in diesen vagen Überlegungen zu einer legitimierten Herrschaftsform zeigt Archenholz wieder seine Verbundenheit zum aufklärerischen Ideengut; diesmal zu dessen naturrechtlichem Gehalt, den er auch in dem "weisen Grundsatz der Engländer: Salus populi suprema lex" 8 8 erkennt. Auch seine Beobachtungen zu den positiven Folgen der durch Gesetze garantierten englischen Freiheiten, die er im englischen Charakter manifestiert sieht, belegen diese Verbundenheit. In seinen Ausführungen zum englischen "National=Geist 89 erkennt er als den "Haupt-Charakter der Britten" den "ihnen ganz eigentümlichen Public Spirit "90, den er als den Willen "oder das eifrige Bestreben einzelner Menschen, das allgemein Beste zu bewirken", definiert und fährt fort: "Dieser Public Spirit herrscht unter allen Volksklassen, von den niedrigsten bis zu den höchsten."91 Doch legt Archenholz seine Betonung nicht auf diese Herrscher und Untertan gleichermaßen betreffende Bindung an die gemeinsame Wohlfahrt und allgemeine Glückseligkeit, sondern streicht vielmehr das Element der ständeun83 Ebd., 41 ff. 84 Ebd., 42. 85

Ebd.

86 Ebd., 46. 87 Ebd., Beschluß, 435. - Daß wiederum Gesetzesstaatlichkeit fur Archenholz das Sinnbild für einen aufgeklärten Staat par exellence ist, zeigt er wiederholt anläßlich der Schilderung britischer "Tribunal=Vorfalle" in den Annalen. So heißt es z.B. in den Annalen des Jahres 1796, 18. Bd., 335 f., Tribunal-Vorfalle zeigten die Gesetzgebung und den Geist der Nation und spiegelten damit den Grad ihrer Aufklärung und ihren Charakter. 88 England und Italien, 1. Th., 4. Ab., 202. 89 England und Italien, 2. Th., 6. Ab., 1 ff. 90 Ebd., 2. 91 Ebd., 3.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

gebundenen Gleichheit als entscheidende Folge aufgeklärter Gesetzlichkeit heraus: "Der stärkste Beweis von der Vortrefflichkeit der englischen Verfassung ist wohl der, daß in diesem Lande ... mehr Menschen wie anderswo ihre Kräfte neben einander entwickeln können ... Die Stände haben hier zwar gewisse genau bestimmte Rechte; aber die Aussicht, in diese Stände aufgenommen zu werden, steht jedem offen. Der erste Anblick ergiebt gleich, welchen Sporn und Ausbreitung diese Möglichkeit der Entwicklung aller verschiedenen Kräfte geben muß. " 9 2 Dieses Bild einer zwar ständischen, doch offenen Gesellschaft, in der Leistung und schließlich auch Pluralismus ein Stellenwert zukommen, reichert Archenholz durch unzählige Beispiele englischer Originalität und Alltagsgeschichte an 9 3 . In seinen Ausführungen zu den "National=Begriffen" Englands finden sich schließlich Gedanken, die den Geist der nahen Französischen Revolution gleichsam zu antizipieren scheinen. "Das Bewußtsein der Freyheit und des Schutzes der Gesetze", so heißt es da, "verursacht natürlich, daß der gemeine Mann gegen vornehme ... nur geringe Achtung zeigt ... Das Volk erinnert sich nur zu gern an die Gleichheit, in welche die Natur alle Menschen gesetzt hat." 9 4 Und wenig später: "Der Adel erwartet aber auch keine Unterwürfigkeit, die dieser Stand in allen andern Ländern fordert. Der Geist der Freyheit... lehrt sie, solche als ein angeborenes Recht jedes Menschen zu betrachten." 95 "Welch [einen] Wechsel der Dinge" 96 hat Archenholz angesichts solch überschwenglicher Äußerungen schon wenige Jahre später zu beklagen. Merkt er im Jahr 1790 zunächst eher zurückhaltend an, daß die britische, "immer mehr und mehr eingeschränkte Freyheit mit der ausgedehnten Französischen keinen Vergleich aushält"97, steigert er seine Äußerungen zu England im Verlauf der 90er Jahre ins drastisch Negative 98 . So entdeckt er - ebenfalls schon 1790 - die Mängel der englischen Verfassung durch einen Vergleich 92 Ebd., 3. Th., 15. Ab., 357 f. 93 Vgl. ebd., 3. Th., 11. Ab., 32 ff.; 3. Th., 13. Ab., 217 f.; 3. Th., 14. Ab., 274: Archenholz gibt hier Beispiele fur die englische "Näherung der Stände untereinander, die das Gefühl der menschlichen Gleichheit erzeugt und die Gesetze bestätigt" (32) anhand der offenen Begegnung von "Pöbel" und Adel auf der Straße, beim öffentlichen Gastmahl und bei öffentlichen Reden und durch die sich "alle Volksklassen" fur höhere Ämter qualifizieren könnten. 94 England und Italien, 1. Th., 1. Ab., 50 f. 95 Ebd., 51. 96 Annalen des Jahres 1790, 4. Bd., 2. Ab. "Geschichte der Regierung", 120-145, hier: 141. 97 Ebd., 141. 98 Besonders anhand der "Annalen der brittischen Geschichte" ist in diesen Jahren der Positionswechsel Archenholz* nachzuvollziehen.

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derselben mit der "neuen französischen Verfassung" 99. Ausgerechnet die "religiösen und politischen Vorurtheile gegen die Menschen- und Bürgerrechte" seitens der Briten fallen ihm nun ins Auge, ebenso wie eine ungleiche Repräsentation im Parlament, der massive Einfluß der Krone, Korruption und ein "hierarchischer Despotismus der Anglikanischen Kirche." 1 0 0 In den unmittelbar nachrevolutionären Jahren fällt Archenholz wiederholt Urteile über Englands Zustand, in denen die Verwirklichung von Freiheit stets den Maßstab bildet 1 0 1 . Mit dem Abschluß seiner "Annalen der Brittischen Geschichte" im Jahr 1796 kündigt er schließlich offiziell diesem Land seine Wertschätzung und damit sein Interesse auf. Er begründet dies mit einem Vergleich der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Konstitution Englands, den er bezeichnenderweise an den Jahren 1788 und 1796 festmacht. 1 0 2 Nachdem er den Briten ihre negative Veränderung hinsichtlich ihres Handels, ihrer sinkenden Nationalehre, ihrer inneren Verfassung, ihrer Staatsverschuldung und ihrer kriegerischen Verwicklungen bescheinigt103, kommt er zu einem vernichtenden Fazit. Er spricht England jede Form von Freiheit ab und sieht daher auch keinen Anlaß zu einer weiteren Berichterstattung 104. Tatsächlich sind Archenholz' Stellungnahmen zur britischen Insel nach seiner Beendigung der "Annalen" nur noch beiläufig im Kontext anderer Themen zu finden 105. Im Verlauf seiner gesamten Englandberichte und ihrer besonderen Konzentration auf den Begriff der Freiheit räumt Archenholz dem spezifischen Thema der Pressefreiheit eine besondere Stellung ein. Damit greift er ein Schlagwort der Zeit auf 1 0 6 und bringt durch seine engagierten Äußerungen 99 Annalen des Jahres 1790, 5. Bd., 209 f. 100 Ebd., 210. 101 So etwa in den Annalen des Jahres 1792, 9. Bd., 399; ebd. 1794, 12. Bd., 3 f.; ebd. 1794, 13 Bd., 462; ebd. 1795, 14. Bd., 183 und 199 f.; 1796, 18. Bd., 179 ff. 102 Vgl. Annalen des Jahres 1796, 19. Bd., Beschluß, 440-445. 103 Ebd., 440-443. 104 Ebd., 444, heißt es über die "nicht sinkende, sondern stürzende Freiheit der Engländer": "Man hat sie ... durch Gesetze ... abgeschafft, oder ... untergraben ... Ich habe sie oft in diesen Annalen geschildert, die jetzt zugleich ihre Grabschrift sind. So wie man die Gesichter von Verstorbenen in Wachs abdrückt, so hat man hier manche sittliche Züge bei ihrem letzten Daseyn ... erhascht. Kein künftiger Reisender wird ihrer mehr gedenken." 105 So besonders im Zusammenhang der nachrevolutionären Koalitionskriege; vgl. Kap. ΙΠ. 106 h.E. Bödeker definiert die Forderung nach Pressefreiheit neben der nach Denk- und Gewissensfreiheit als Komplementarbegriffe der Hauptforderung der Gebildeten des späten 18. Jahrhunderts nach Gedankenfreiheit, dem Kernanliegen der Aufklärung. Vgl. Bödeker, Prozesse

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zum Themenkomplex der Presse- und Meinungsfreiheit und in diesem Kontext zum Phänomen der Öffentlichkeit, der Publizität überhaupt stets seine biographisch begründete, personliche Affinitat zu der Sache zum Ausdruck. Ein besonderes Beispiel dieses an England orientierten Freiheitsbegriffs unter besonderer Betonung des Stellenwertes der Publizität gibt sein Aufsatz "IJber bürgerliche Freyheit und Frey Staaten"107, in dem er Auskunft über seine Wahl Hamburgs als ständigen Wohnsitz gibt. Unter Bezugnahme auf England, das er hier - immerhin noch im Jahre 1787 - als den "glücklichsten und freyesten Erdraum auf unserm Planeten" 108 bezeichnet, weiß er vom gegenwärtigen Zustand Deutschlands zu berichten: "Jetzt .. gemessen wir durch Hülfe der Publicität, einen Grad von Freyheit, der, so gering er auch in Vergleich mit der englischen ist, dennoch in Rücksicht auf so viele andre Nationen in Europa, die im Meer des Despotismus schwimmen, nie genug geschätzt werden kann." 1 0 9 Nachdem er den Beginn dieser relativ freiheitlichen "Epoke" ausdrücklich "mit der Entstehung der so beliebten als gemißbrauchten Journallectüre" in Verbindung bringt, die im Zuge ihrer "Verbreitung nützlicher Kenntnisse ... nach und nach einige richtige Begriffe von Freyheit und unterdrückter Menschheit" bewirkt, in dem sie "schändliche Thatsachen bekannt" macht 110 , streicht er die Ausnahmestellung Hamburgs heraus: "War aber ... noch in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts die Sclaverey in allen Kreisen des deutschen Reichs einheimisch, so hatte dennoch der Genius der Freyheit in einem kleinen Winkel Deutschlands das Bürgerrecht ... Ich sage ..., daß, ... die brittischen Inseln ausgenommen, in unserem Welttheil keine Republic, ... kurz kein Erdraum zu finden ist, wo die Menschen sich einer solchen Freyheit erfreuen, wie in Hamburg." 111 Es folgen Archenholz' sogenannte "politphilosophische Bemerkungen" zu dieser Stadt, in denen er das Bild einer Art England en miniature entwirft. Da der Hamburger Magistrat, so Archenholz, von den Bürgern, "die eine Art Parlament bilden", in seiner Autorität "balanciert" würde, seien die Hamburger auch ohne eine englische Habeas Corpus Acte versichert, "ihre Freyheit und Strukturen politischer Bewußtseinsbildung der deutschen Aufklärung, in: Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung, 10-31, hier: 24. 107 Etwas über bürgerliche Freyheit und Freystaaten, in: Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 263-276. 108 Ebd., 265. 109 Ebd. HO Ebd., 266. H l Ebd., 266 f.

Π. Die englischen Freiheiten

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nicht anders als gesetzmäßig zu verlieren" 112 . Die Hamburger Verfassung selbst, die eine mit politischer Weisheit gemachte Mischung aus "Aristocratie und Démocratie" darstelle und die sogar ein Montesquieu bewundert haben würde, weise starke Affinitäten mit der englischen Staatsverfassung auf. Denn schließlich komme hier wie dort dem Volk die gesetzgebende Gewalt zu, während der Hamburger Senat - ähnlich dem englischen König - die vollziehende Gewalt innehabe und überdies die Obrigkeit überhaupt durch eine bewaffnete Bürgerschaft kontrolliert würde 1 1 3 . Als besondere "Charakteristik von politischer Freyheit" definiert Archenholz letztlich das Vorrecht der Hamburger Bürger, über den Umlauf der Staatsgelder zu verfugen, was er wiederum mit England und der hier dem Unterhaus, sprich den Volksrepräsentanten obliegenden Verwaltung der Staatseinkünfte gleichsetzt. Seine Überlegungen gipfeln in der Betonung des Rangs Hamburgs als Handelsstadt, der es in Kombination mit der "oben beschriebenen Freyheit" rechtfertige, Hamburg "einen Platz unter den Freystaaten Europas [zu] geben, wenn dieser Titel mit der deutschen Reichsverfassung bestehen könne" 114 . Archenholz1 sonstige Stellungnahmen zu seiner Auffassung von Publizität als Äußerungsform politischer Freiheit befassen sich ausschließlicher mit dem Thema selbst. Trotzdem muß auch jenen Textpassagen Beachtung geschenkt werden, die im Kontext seines Verständnisses von Presse- und Meinungsfreiheit stehen. So ist in erster Linie den Äußerungen nachzugehen, die Archenholz zur englischen Pressefreiheit macht und die zeigen werden, wie er seine Idee von diesem Sinnbild politischer Freiheiten aus dem englischen Öffentlichkeitsverständnis gewinnt. Ein nächster Untersuchungsabschnitt soll sich auf die Art und Weise konzentrieren, wie Archenholz den Vergleich mit dem englischen Vorbild zur Kritik an den entsprechenden deutschen Zuständen nutzt. Damit ist die Überleitung zu Archenholz' direkten Stellungnahmen zur deutschen Pressefreiheit gegeben, die eine Verinnerlichung seiner englischen Begriffe zeigen, nicht zuletzt in ihrem Niederschlag in eigenen Werkbeispielen. "Die Engländer nennen mit Recht die Preßfreyheit das große Palladium ihrer politischen Freyheiten. Der Mißbrauch derselben, ... wird unendlich von dem großen Nutzen überwogen, den der gute Gebrauch dem gemeinen Wesen gewährt." 115 Archenholz bestätigt in diesem Zitat der Pressefreiheit 112 Neue Literatur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 268. 113 Vgl. ebd., 268 und 269. 114 Ebd., 273. 115 England und Italien, Carlsruhe 1791, 1. Theil, 1. Abschnitt, 9.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

eine hervorragende Stellung innerhalb der politischen Freiheiten Englands, die sich in ihrer freiheitsgarantierenden und damit gemeinnützigen Funktion manifestiert. An anderer Stelle geht er noch genauer auf diesen politischen Impetus der Pressefreiheit bzw. der Öffentlichkeit im allgemeinen ein. "In England", so heißt es noch 1788 in den "Annalen", "... sind die Britten uneingeschränkt, in Schriften und Reden öffentlich ihre Meinung über Staatsangelegenheiten zu sagen. Hierdurch wird ihnen das heilige Feuer der Freiheit genährt." 116 Damit nicht genug, führt "das Recht, sich einander ihre Ideen mitzutheilen" zu einem größeren Wissensdrang betreffs politischer und wissenschaftlicher Fragen 117 . Öffentlicher, freier Meinungsaustausch gerät also nicht nur zu einem Spiegel gesellschaftlicher und politischer Beschaffenheit und damit, naturgemäß, zu ihrer Kontrolle, sondern fordert politisches Bewußtsein und aufklärerischen Forschungsgeist. Archenholz gibt viele Beispiele, in denen er zeigt, inwiefern sich ein solches Verständnis von Öffentlichkeit im englischen Gesellschaftsleben konkretisiert. Neben landestypischen Phänomenen wie etwa dem öffentlichen Gastmahl 118 oder dem englischen Kaffehaus 119 - beide Realisationen einer sozial praktizierten Aufklärung - streicht er immer wieder die "Societäten" des Landes heraus. Sie versteht er als Sinnbild aufgeklärter Staatlichkeit par excellence, wenn er schreibt: "Der National=Geist zeigt sich am anschaulichsten in den Societäten eines freien Staats, wo diese aus Eifer für das Wohl ihrer Mitbürger, und aus Liebe fürs allgemeine Beste das thun, was in andern Staaten dem Gutbefinden der Regierung überlassen wird, und von dieser theils geschieht, theils nicht geschieht, oder auch nicht geschehen kann." 1 2 0 Auch in seinem persönlichen Einsatz für eine möglichst uneingeschränkte Pressefreiheit nimmt Archenholz auf England Bezug. Besonders im Zuge der fortschreitenden Französischen Revolution sieht er sich zu engagierten Äußerungen veranlaßt. 1792 richtet er "Ein paar Worte über die Schreib=Freiheit" 121 in Form eines öffentlichen Briefes an "Regenten und Staatsmänner", verfaßt "von einem Mann, der, in seinem Stande und in seiner Lage unabhängig, zehn 116 Annalen des Jahres 1788, 1. Bd., 469.

117 Vgl. ebd. 118 Vgl. England und Italien, 3. Th., 13. Ab., 217 f. 119 Ebd., 3. Th., 11. Ab., 2 ff. Archenholz beschreibt hier die öffentliche Zeitungslektüre und den anschließenden Diskurs als das Auszeichnende des englischen Kaffeehauses. 120 Annalen des Jahres 1971, 6. Bd., 216; vgl. auch ebd. 1793, 10. Bd., 395 f. 2 Vgl. Minerva, 1 7 9 ,

. Bd.,

2 -

Π. Die englischen Freiheiten

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Jahre lang als Schriftsteller dem Publikum gedient, nie aber ... diese Freiheit gemißbraucht hat." 1 2 2 Nach diesem Verweis auf seinen Berufsstand und seine damit verbundene, persönliche Unabhängigkeit adressiert Archenholz seine Zeilen an "Wohlthätige Machthaber und Regierer aufgeklärter Nationen!" und appelliert an eine Unterbindung weiterer Einschränkungen der "weit mehr wohl= als übelthätigen Schreibfreiheit", die im Zusammenhang der repressiven Maßnahmen gegen den "unruhigen Genius unserer Zeit" stattfinde 123 . "Fraget die Weisen, sowohl die Todten als die Lebenden, und sie werden Euch sagen: daß eine vernünftige Preßfreiheit allein gegen Freiheitswuth mehr als Canonen und Bajonette schützen könne." 1 2 4 Seinem Rat, "diese große Wahrheit" zu beherzigen, um dadurch "das Steuerruder des Staats mit leichterer Mühe und größerer Sicherheit" fuhren zu können, versucht er im Anschluß durch den Abdruck einer seine Aussage bestätigende Parlamentsrede Fox* vom März 1791 zu untermauern 125. Selbst fünf Jahre später fuhrt er nochmals das englische Beispiel ins Feld. Hatte er sich zwar ansonsten besonders negativ über den Zustand Englands zu dieser Zeit geäußert, so verwendet er diese Schilderungen nun zu seinen Zwecken. Anläßlich seiner Erörterungen der "Geschichte des Parlaments" 126 weiß er über eine "Bill" zu berichten, die Volksversammlungen verhindern und die die Pressefreiheit einschränken soll. Wichtiger jedoch als dieser Tatbestand ist ihm die Art und Weise, wie die englische Öffentlichkeit hierauf zu reagieren versteht. Es klingt wie ein Fingerzeig an seine deutsche Leserschaft, wenn Archenholz die "ganz ausserordentliche Debatten über diese Bill, unterstützt durch zahllose Volks=Adressen" herausstreicht und außerdem eine der gehaltenen Parlamentsreden zitiert, die betont, "daß die Freiheit zu denken und zu reden, die Basis unserer Constitution ist, und ... nur durch ein Mittel, und dies ist durch politische Discussionen, erhalten werden kann. " 1 2 7 Archenholz nutzt mehrfach seine Schilderung Englands in seinen Reiseberichten zu einem kritischen Vergleich mit den jeweiligen deutschen Verhältnissen. Damit unterlegt auch er dem Genre der Reisebeschreibung seine

122 Ebd., 231. 123 Ebd. 124 Vgl. Minerva, 1792, 1. Bd., 232. 125 Ebd., 233 f. 126 Vgl. Annalen des Jahres 1796, 17. Bd., 91 ff. 127 Ebd., 91 f.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

politische Funktion der Kritik 1 2 8 . Es fallt auf, daß Archenholz diese kritischen Stellungnahmen so gut wie ausschließlich auf das Thema Pressefreiheit bzw. Publizität beschrankt. Zunächst bezieht er eine durchaus wohlwollende Position. So heißt es gleich zu Beginn seiner Reisebeschreibungen in einer Anmerkung zu seinem bekannten Zitat über das Palladium der englischen Freiheiten: "Jedermann weiß, wie viel man der Publizität in Deutschland zu verdanken hat, die seit einiger Zeit unvermerkt in Gang gekommen ist, Wurzel geschlagen hat, und nunmehr ohne die äußerste Gewaltsamkeit nicht mehr gehemmt werden kann. Zur Ehre unsers Vaterlandes sey es gesagt, daß jetzt, England ausgenommen, kein Land, groß oder klein, in der Welt ist, wo es einem Biedermanne frey steht, manche Wahrheit öffentlich zu sagen, und manche Misbräuche und Gräuel aufzudecken, als in Deutschland. Freylich darf der Deutsche nicht alles sagen, was er denkt und weiß, denn so weit erstreckt sich die germanische Freyheit noch nicht. Wir wollen uns indessen mit dieser eingeschränkten Preßfreyheit begnügen, die besser als gar keine ist." 1 2 9 Angesichts anderer Äußerungen von Archenholz nimmt sein maßvolles Bild, das er hier so abgerundet von der deutschen Publicität entwirft, doch wunder. Zur Erklärung sei jedoch darauf verwiesen, daß er sich in einem Anklang an das fünfte Buch seiner Reisebeschreibungen dezidiert zu seiner Furcht vor den Folgen schriftstellerischer Freimütigkeit bekennt, die er an den Beispielen Schubart und Nicolai festmacht 130. Dennoch finden sich explizit kritische und negative Urteile zu den deutschen Verhältnissen hinsichtlich ihrer Literaturförderung und -qualität: "In Deutschland, wo die Wissenschaften so wenig von den Herrschern unterstützt werden, wo große Fürsten den 128 Vgl. Stewart, Die Reisebeschreibung und ihre Theorie im Deutschland des 18. Jahrhunderts, 71 if., 187 ff. und besonders 249 ff.: "Die politische Funktion der Reisebeschreibung". Oswald zeigt an einigen Beispielen, wie sich Archenholz' politische Einstellung zum aufgeklärten Absolutismus und seine Orientierung an den fur ihn beispielhaften Verhältnissen in England auch in seiner Italienschilderung niederschlägt. Dabei ruft er dazu auf, den funktionalen Aspekt der kritischen Position Archenholz' gegenüber Italien im Auge zu behalten und sie "als notwendigen Umweg einer nicht direkt möglichen Stellungnahme zur Situation Deutschlands" zu begreifen, wodurch "das Bild Italiens als Hohlform erkennbar" wird, "an dem sich das Profil der deutschen Wirklichkeit ablesen läßt." Vgl. Oswald, Italienbilder, 10-20, hier: 14 u. 20. 129 England und Italien, 1. Th., 1. Ab., 9 f. - Zur kritischen und aktuellen Thematik Pressefreiheit vgl. außerdem grundlegend F. Schneider, Artikel "Presse, Pressefreiheit, Zensur", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, Stuttgart 1978, 899 ff. sowie Eckhardt Hellmuth, Aufklärung und Pressefreiheit. Zur Debatte der Berliner Mittwochsgesellschaft während der Jahre 1783 und 1784, in: Z H F 9, 1982, 315-345. 130 Vgl. ebd., 265 f. - Vgl. zu Nicolai außerdem ausfuhrlich die Biographie Horst Möllers, die auch in die historischen Rahmenbedingungen literarisch-publizistischen Wirkens im Preußen des 18. Jahrhunderts weiten Einblick bietet: ders., Aufklärung in Preußen. Der Verleger, Publizist und Geschichtsschreiber Friedrich Nicolai, Berlin 1974.

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Nachdruck schützen, wäre es auch nur, um elende Papiermühlen in ihren Staaten aufzuhelfen, und bey diesen des elften Jahrhunderts würdigen Grundsätzen doch immer mit dem Worte Aufklärung tändeln, die Kreuzer= Broschüren wohl wahrlich nicht verschaffen werden, ... unterbleiben daher große Werke, die vieljährige Arbeit und beträchtliche Geldsummen erfordern." 1 3 1 Die hier zum Ausdruck kommenden Kritikpunkte: eigennütziger fürstlicher Schutz des Nach- bzw. Raubdrucks und mangelnde Fürstenforderung qualitativ hochwertiger Literatur greift Archenholz ein weiteres Mal vehement auf. Anläßlich seiner Ausführungen zur englischen "Sittengeschichte" attackiert er wieder das Verhältnis von Regenten und Wissenschaft und die ambivalente Wirkung der am Profitdenken orientierten Fürstenforderung auf die Qualität der deutschen Literatur, die schließlich zum "Gaukelspiel der Aufklärung" entartet 132 . Schon vor seinen Englandberichten hatte Archenholz Gedichte oder Aufsätze zu diesem Themenkreis in seinen Zeitschriften aufgenommen 133. Er selbst spitzt seine Kritik dann 1790 im Zusammenhang seiner Bemerkungen zur englischen Literaturgeschichte zu. Der "Mechanismus der deutschen Gelehrsamkeit", so Archenholz diesmal, führe zu einer deutschen Literatur, die sich als "alltäglich", "bloß compilirt", schlicht als "an neuen Ideen gänzlich verarmte Sudeleyen", darstelle 134 . Diese zunehmend kritische Haltung betrifft gleichzeitig den Stand der Publizität in Deutschland. Eine der letzten Äußerungen Archenholz1 zu diesem Thema aus dem Jahr 1803 verdeutlicht den Wandel der politischen Lage während der letzten zwanzig Jahre, vergleicht man sie mit dem wohlwollenden Bild, das er 1785 von deutscher Öffentlichkeit entworfen hatte. Betreffs der öffentlichen Enttarnung von Vorurtheilen, Mißbräuchen und Ungerechtigkeiten heißt es da vom "lieben Deutschland": "Nicht die kleinste einheimische Blöße darf aufgedeckt, ja nicht einmal von weitem auf sie hingedeutet, auch der Schutt nicht, selbst nach dessen Wegräumung, als ehemals vorhanden angezeigt werden; dagegen es dem bezahlten, oder dem absichtsvollen, dem schwachköpfigen, dem nachtrabenden Schriftsteller frey steht, zu loben, so viel er nur immer w i l l . " 1 3 5

131 England und Italien, 3. Th., 14. Ab., 264. 132 Vgl. Annalen des Jahres 1788, 1. Bd., 329 if. 133 Vgl. Neue Literatur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 260 f.: "Die Beschwörung" von L. Haschka, der die deutschen Zustande der fürstlichen Kriegsführung, des Dichterlobes und der Zensur kritisiert und ebd., 557: "Der Löwe und der Hund" von C.F. Pockels, eine Anklage der durchschnittlichen deutschen Dichtkunst als Folge zu kritischer Rezensionen. 134 Annalen des Jahren 1790, 5. Bd., 241. 135 Minerva, 1803, 1. Bd., 336.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

Archenholz gibt sich jedoch mit seinem negativen Zustandsbericht nicht zufrieden, sondern stellt wenig später als Kompromißvorschlag seine "Idee" einer differenzierten Pressefreiheit v o r 1 3 6 : "Man bewillige auf förmliches Ansuchen die Preßfreyheit ... allen denen, die Würden, Aemter und Eigenthum im Staate haben, und die bey strengen Gesetzen fur deren Uebertretung sehr angreiflich verantwortlich gemacht werden können." Natürlich soll diese Freiheit "als eine Gnade fur Regenten" auch auf eigentums- und ämterlose Männer ausgedehnt werden, die "durch ihren moralischen Character, oder durch ausgezeichnete Schriften vorteilhaft bekannt sind. " 1 3 7 Den realen Hintergrund sowohl der Verbitterung Archenholz' als auch seiner Suche nach moderaten Lösungen bilden die wiederholten Angriffe auf seine "Minerva", die gegen seine großzügige und wenig vorsichtige Aufsatzauswahl gerichtet sind 1 3 8 . Archenholz hatte hierauf schon mit der Belehrung reagiert, daß es die "Eigenheit mehrerer deutschen Journale sey, höchst verschiedene, ja entgegengesetzte, ausgebreitete Meynungen über allerhand Gegenstände durch die Publicität zur Sprache zu bringen" und im gleichen Atemzug Zeugnis davon abgelegt, wie sehr er das englische Ideal einer kritischen, kontrollierenden und damit durchaus politischen Öffentlichkeit auf deutsche Verhältnisse anzuwenden versucht. Er begründet das möglichst breite Spektrum seiner Journale mit dem Hinweis, daß "dies das einzige Mittel sey, Machthaber, die als Menschen nicht allwissend sind, zu belehren [und] manchmal auch ihnen die Volksstimme hören zu lassen." 139 Und tatsächlich gibt Archenholz in seinen Zeitschriften viele Beispiele öffentlich ausgetragener, literarischer Auseinandersetzungen persönlicher und fachlicher A r t 1 4 0 , nimmt Aufsätze und Gedichte auf, die seinem Verständnis von literarischer Öffentlichkeit entsprechen141 und publiziert wiederholtermaßen seine "Adressen" an deutsche regierende Fürsten 142 . 136 Vgl. Mineiva, 1803, 4. Bd., 368-375; "Ueber das Verbot der Allgemeinen Zeitung". 137 Ebd., 370. 138 Vgl. Minerva, 1804, 2. Bd., 287 ff.: Archenholz erwähnt hier ohne genaue Angaben entsprechende Ansuchen an ihn und druckt seine darauf im Moniteur veröffentlichte Antwort nochmals ab. 139 Vgl. Minerva, 1804, 2. Bd., 290. 140 Vgl. etwa Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 416 f.; Minerva, 1793, 2. Bd., 560-564. 141 Vgl. Minerva, 1808, 2. Bd., 368: "Die Publicität" von J. Verhoeff; ebd., 1809, 298-324: "Ueber die öffentliche Meinung", anonym. 142 Vgl. z.B. Minerva, 1810, 4. Bd., 546 f.: "Edle Handlung eines Deutschen Regierenden Fürsten": Archenholz bezeichnet es als die "Pflicht des Publicisten, gute, humane Handlungen der Fürsten bekannt zu machen, um so mehr, da so manche nur zu sehr von ihnen bekannt

ΠΙ. Über die französische Revolution

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III. Archenholz1 "Historische Betrachtungen über die französische Revolution und ihre Folgen11 Der Titel, mit dem Archenholz einen seiner Aufsätze zur Französischen Revolution versieht, erscheint exemplarisch fur seine Stellungnahmen zu diesem gewichtigen Thema seiner Zeit insgesamt. Über einen Zeitraum von fast zwanzig Jahren widmet er einen maßgeblichen Teil seines Werks den bewegenden Ereignissen in Frankreich und deren Auswirkung auf Gesamteuropa 143 . Dabei bleibt er hauptsächlich an dem historisch-faktischen Ablauf des Geschehens orientiert; selten oder gar nicht bezieht er Stellung zu den wichtigen Fragen nach der Revolutionsverfassung oder einem Revolutionsrecht oder reflektiert etwa eigenständig über den Rechtfertigungsgrund und den Ertrag der Französischen Revolution. Die Entwicklung seines persönlichen Urteils allerdings, die ganz dem des Gros der deutschen RevolutionsRezipienten entspricht, kann anhand konkreter Stellungnahmen Archenholz' nachvollzogen werden. Die Rekonstruktion der Frankreichberichte Archenholz' gliedert sich so in: - seine Äußerungen zur Französischen Revolution selbst während der beginnenden 90er Jahre und - seine Betrachtungen über die historischen Revolutionsfolgen, die die Koalitionskriege und letztlich das Auftreten Napoleons in den Blick nehmen. "Ein großes, ... seit Jahrhunderten aber unter dem eisernen Joch des Despotismus gebeugtes Volk, gewohnt seine Ketten zu küssen, darüber zu witzeln, ... zerbricht diese gigantischen, durch mächtige Kriegsheere, Flotten, Bündnisse und National=Vorurtheile beschützten Ketten mit einem alles besiegenden Muth in wenig Stunden und wird frey ... zu einer Zeit, wo die

werden, die nicht unter diese Cathegorie gehören!" (546). In Folge berichtet er von einem ungerechtfertigten Zoll für seine Bücher, der durch die Elbblockade bedingt war und für den er beim Herzog von Mecklenburg-Schwerin Regreßansprüche gestellt hatte, "da bekanntlich in allen aufgeklärten Ländern Bücher zollfrei" seien (547). Der Fürst habe ihm seine Ausgaben tatsächlich zurückerstattet; eine "Irrung", deren "Berichtigung Archenholz "nicht allein [sich] selbst, sondern auch der allgemeinen Sache schuldig zu sein" glaubte (547). 143 So ändert Archenholz schon kurz nach Erscheinen der Minerva seinen "ursprünglichen Plan, ... Beyträge zur Geschichte der vornehmsten Europäischen Reiche zu liefern" und begründet seine fast ausschließliche Konzentration auf Frankreich durch die dortigen "Vorfalle und Scenen, die so merkwürdig ... sind, daß sie den reichhaltigsten Stoff darbieten, den ein historischer Beobachter ... sich wünschen kann." Vgl. dazu Minerva, 1792, 1. Bd., 121 sowie 1 f. - Zur besonders regen deutschen Geschichtsschreibung über diesen historischen Zeitabschnitt vgl. die Bibliographie bei Kurt von Raumer, Deutschland um 1800: Krise und Neugestaltung. Von 1789 bis 1815 (Handbuch der deutschen Geschichte, hrsg. von Brand t/Meyer/Just, ΙΠ/1), Konstanz ο .J.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

Brittische Freiheit immer mehr und mehr von ihren Bestandteilen verliert ... Der nach Willkühr zu herrschen gewohnte mächtige König wird der erste Bürger des Staats, huldigt den Gesetzen, und sieht ... 25 Millionen seiner Unterthanen, die jetzt auch dieser vorhin ihnen unbekannten Gottheit huldigen ... Der Unterschied der Stände, die gekünstelten Begriffe von Ehre, die Frankreich Europa lehrte, die tiefgewurzelten Vorurtheile und Volksmeinungen, alles verschwindet auf einmal wie durch den Schlag einer Zauberruthe, ... eine Weltbegebenheit, die in Verbindung mit dem siebenjährigen Krieg unser Zeitalter in den Jahrbüchern der Menschen ewig berühmt machen w i r d . " 1 4 4 Wie keine andere Textstelle bestätigen diese Äußerungen Archenholz' aus dem Jahr 1789 die bisher erarbeiteten Eckpfeiler seines Denkens: den Begriff vom preußischen, im Siebenjährigen Krieg manifest gewordenen Kriegsruhm sowie das Ideal einer für ihn bislang in England verkörperten, gesetzlich garantierten Freiheit. Beide zusammengenommen - der Sinn für die historische Bedeutsamkeit einer Weltbegebenheit und die Suche nach einer mit den Idealen der Aufklärung zu vereinbarenden Herrschaftsform - erklären den Enthusiasmus, mit dem Archenholz das Revolutionsereignis in seinen Anfangen begrüßt. Nicht ohne Berufung auf die öffentliche Anerkennung, die die Revolution durch bisher distanziertere "große Männer" wie Campe, Klopstock und Wieland erfahrt, wagt Archenholz den Ausspruch von der Französischen Revolution als Veräußerung der Aufklärung "in ihren erhabenen Wirkungen", als "glänzenden Triumph der Wahrheit." 145 Neben der Aufklärung benennt er allerdings auch den "Americanischen Krieg" ebenso wie den zerrütteten Finanzzustand Frankreichs als Revolutionsursache. Obwohl sich Archenholz' erste Reaktion auf den Revolutionsausbruch eindeutig positiv darstellt, tritt nur zwei Jahre später sein erstes Unbehagen zutage. In seinen "Bemerkungen über den Zustand Frankreichs am Ende des Jahres 1791" 1 4 6 gesteht er der Revolution zwar immer noch ihre historische Einzigartigkeit zu, begründet darin aber gleichzeitig die Unberechenbarkeit bezüglich ihres weiteren Verlaufs und ihrer europäischen Dimension. Er empfiehlt sie als momentan verschleiert, d.h. "allen politischen Sehern undurchdringlich" und prognostiziert angesichts des immer schrecklicher werdenden Chaos und der zunehmenden Anarchie unausweichliche "außeror-

144 Annalen des Jahres 1789, 2. Bd., 127 f. - Zum historischen Ereignis der Französischen Revolution vgl. die neueren Arbeiten von T.C.W. Manning, The French Revolution. Aristocrats versus Bourgeois? Studies in European History, AÜantic Highlands, 1988 und Francois Furet/Denis Eichet, Die Französische Revolution, Frankfurt a.M. 1987. 145 Ebd., 134. 146 Vgl. Minerva, 1792, 1. Bd., 8 ^ 6 .

ΠΙ. Über die französische Revolution

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dentliche Begebenheiten".147 Diesen Anzeichen einer allgemeinen Irritation stellt Archenholz schon bald seinen persönlichen, differenzierten Standpunkt entgegen. In seinem "Politischen Glaubensbekenntnis in Rücksicht auf die französischen Angelegenheiten" veröffentlicht er zur Jahresmitte 1792 1 4 8 also noch vor der Hinrichtung Ludwigs X V I . , dem Wendepunkt in der unbedingten Anhängerschaft vieler deutscher Revolutionsfreunde 149 - seine Grundsätze in acht Punkten. Außer seiner generellen Wertschätzung der Französischen Revolution "als die Abschaffung zahlloser Mißbräuche und namenloser Greuel" nennt er als weiteren Gegenstand seiner Verehrung die "französische Constitution mit allen ihren großen auffallenden Mängeln, die zum Teil die Lage Frankreichs erzeugte" sowie die "constituierende Nationalversammlung als einen respectablen Senat" 150 . Gleichzeitig distanziert er sich jedoch von der "jetzigen" Nationalversammlung, die sich zunehmend aus "Intriganten" und "Wilden" zusammensetze, und beklagt die Situation des französischen Monarchen sowie die im Land verbliebenen Aristokraten. Seine besondere Abscheu und Verachtung bescheinigt Archenholz hingegen den "Häuptern der Jacobiner, auf die allein der Fluch der Nation und aller unbefangenen Menschen im Ausland haftet, da sie die betrogene Menge mißleiten" sowie den "aristocratischen Emigrirten, die nach der alten Despotie lechzen" und sich im Ausland als Kriegstreiber bestätigen151. Anlaß zu dieser Schrift war das "eigene Schicksal" Archenholz' gewesen, "in Ansehung der französischen Angelegenheiten von deutschen Schriftstellern beider Partheyen citiert zu werden" 1 5 2 , - ein Tatbestand, der einmal mehr fur die Inkonsistenz der von Archenholz' vertretenen Positionen spricht. Damit ist ein Stichwort gefallen, das Archenholz selbst als spezifisches Phänomen deutscher Revolutionsrezeption aufgreift. In seinen "Historischen Betrachtungen über die französische Revolution und deren Folgen" bemerkt er 1795: "Die französische Revolution war von Anfang an ein wahres Camäleon, das sich immer veränderte, und uns oft in der größten Geschwindigkeit, noch ehe wir den einen Gegenstand recht zu beurtheilen vermögend waren, andre Machthaber, andre Grundsätze, und andre Resultate 147 Ebd., 46. 148 Vgl. Minerva, 1792, 3. Bd., 179-182. 149 Vgl. C. Träger, Hrsg., Die Französische Revolution im Spiegel der deutschen Literatur sowie W. von Hippel, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit? Die Französische Revolution im deutschen Urteil, besonders 12, 51 f. und 53 f. 150 Politisches Glaubensbekenntnis, in: Minerva, 1792, 3. Bd., 181. 151 Politisches Glaubensbekenntnis, in: Minerva, 1792, 3. Bd., 181 f. 152 Ebd., 180. 8 Rieger

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

aufstellte" 153 , und fahrt wenig später fort: "Diese Betrachtungen fuhren uns zu dem wichtigen Artikel der Consisterti in Meynungen. Tausende von Menschen in allen Ländern wurden gleich Anfangs der französischen Revolution hold, und diese Neigung behielten sie bis auf den heutigen Tag, ohne auf die Veränderungen zu sehen." 154 Archenholz' wesentlicher Anklagepunkt ist damit ausgesprochen. Nicht eine vielleicht fälschlicherweise anfangliche Eingenommenheit fur die Französische Revolution ist in seinen Augen zu kritisieren, sondern vielmehr das Unterlassen einer Revision oder die Relativierung einmal gefaßter Urteile angesichts sich offensichtlich verändernder Tatbestände. Nach seiner Bemerkung, daß daher "diejenigen ... gewiß consistenter [handelten], die, auch Freunde der Freyheit, anfangs ihre eigenen Zweifel bekämpften ... allein nach ... Bemühungen, einem Schattenbild nachzujagen, ihre Hoffhungen endlich aufgaben", legt er ein erneutes Selbstbekenntnis ab. Auch er anfanglicher Freund und Bewunderer der französischen Sache, habe dies doch auf den Zeitraum der konstituierenden Nationalversammlung beschränkt. Jetzt, 1795, scheint ihm die Revolution jedoch bereits als jenes Schattenbild enttarnt, das ihn nur fur Augenblicke zu fesseln vermochte und ihn wieder zu seinen alten Werten zurückkehren läßt. Nachdem er als Folgen der Revolution eine allgemeine geistige Verwirrung, die Geringschätzung religiöser Bräuche, eine emotionale Verrohung, Plünderung sowie einen schrecklichen Krieg feststellt, kommt er zu dem Schluß: "So sind ... die grausamen Folgen einer Revolution, die von ihrem ursprünglichen Wesen so erstaunlich ausartete, daß man auf die Franzosen jetzt sehr fuglich das anwenden kann, was Friedrich der Grosse im siebenjährigen Krieg von den seine Staaten verheerenden Russen sagte: 'Es sind Barbaren, die am Begräbnis der Menschheit arbeiten'." 155 Archenholz scheint dieses Friedrich-Zitat recht wörtlich zu nehmen. Zum Ende des Jahrhunderts publiziert er "Einige Bemerkungen über die alten und neuen Franzosen" 156 , in denen er nicht nur eine negative Veränderung des 153 Minerva, 1795, 1. Bd., 108-127, hier: 111. 154 Ebd., 112. Ergänzend zu diesen Beobachtungen findet sich in den "Annalen des Jahres 1795", 14. Bd., 27, Archenholz' Anklage der deutschen Inkonsistenz im besonderen: "In Deutschland hat man mehr, wie in irgend einem Lande bei der Französischen Freiheits=Sache diese Inconsistenz gezeigt; Selbst viele kluge Menschen Hessen eich durch das Gute des französischen Wortssystems und durch ihre Anhänglichkit an die edle Sache der Freiheit verleiten, ..., Robespierre als den Ober=Priester dieser Göttin zu betrachten, alle Greuel der rasenden Jacobiner zu billigen, und alle diejenigen Freiheits=Freunde, die nach ... veränderten Umständen auch ihre Meynung veränderten, der Inconsistenz zu beschuldigen." Zweifelsohne rechnet sich Archenholz diesen letzten "Freiheitsfreunden" zu. 155 Minerva, 1795, 1. Bd., 127. Minerva, 1 7 9 ,

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französischen Nationalcharakters konstatiert, sondern auch Franzosen und Deutsche miteinander vergleicht. Wieder orientiert er sich an militärischen Qualitäten als Beurteilungsmaßstab, wodurch er zur vernichtenden Verurteilung des "jetzigen republikanischen Kriegers" als "Beute=Jäger", als "bloßes Werkzeug zu politischen Experimenten" kommt 1 5 7 . Damit nicht genug, befindet er nun, zehn Jahre nach Ausbruch der Revolution, daß "die Franzosen alles umgestürzt [haben], und auch in allen Ländern Thoren gefunden, die jede dieser Umstürzungen gebilligt, und alle Verkehrtheiten gepriesen haben." 1 5 8 Schließlich liest es sich wie eine regelrechte Umkehrung der einstmals so enthusiastischen Äußerungen Archenholz', wenn er schreibt: "Das Reich der Vorurtheile, das die französischen Weltverbesserer beschränken wollten, ist durch die Revolution vielmehr erweitert, und alle Begriffe sind verwirrt worden. " 1 5 9 Im Kontext seiner Revolutionsschriften thematisiert Archenholz im übrigen so konträre Motive wie die Jakobiner, die Gironde, die "Familie Bourbon" oder La Fayette. Dabei gilt ersteren sein ausgiebigstes und auch ambivalentestes Interesse. 1792 entwirft Archenholz "Die Jacobiner. Eine historische Skizze" 160 , in der er seine während seines einjährigen Parisaufenthaltes gesammelten Materialien verarbeitet. Motiviert, "manche Ideen in Ansehung dieser so berühmten als mächtigen Societät [zu] berichtigen" 161 , schildert er den Werdegang der Jakobiner von ihrer philantropischen Grundsätzen folgenden Entstehung über ihre immense Ausbreitung hin zu ihrer baldigen Fehlleitung durch Ehrgeizlinge 162 . Er erkennt in den Feuillants die den Jakobinern entgegenarbeitenden, wahren und gemäßigten Patrioten, deren Machterweiterung jedoch - ganz im Gegensatz zu den Jakobinern - an ihrer mangelnden Öffentlichkeitsarbeit scheitere. Als ausschließliche Ziele der Jakobiner benennt er ihre Ideen, die "auf die Gründung einer Republik, auf die Vertreibung des Königs [und] auf Rache gegen ihre Feinde gerichtet waren", was ihn das merkwürdige korrektive Fazit ziehen läßt, daß die Jakobiner also weniger Macht und Klugheit besäßen, als ihnen gemeinhin zugeschrieben werde 1 6 3 . Nach eindringlicher Schilderung der einzelnen "Jakobiner-Häupter" bietet

157 Minerva, 1799, 3. Bd., 284. 158 Ebd., 296. 159 Ebd., 302. 160 Minerva, 1792, 3. Bd., 1-52. 161 Ebd., 1. 162 Vgl. ebd., 2 ff. 163 vgl. Minerva, 1792, 3. Bd., 14 f. und 16 f.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

Archenholz am Ende seiner "Skizze" eine interessante, detaillierte Beschreibung einer Jakobiner-Sitzung vom 6. April 1772, an der er persönlich teilgenommen hatte 1 6 4 . Archenholz beschreibt die Debatte dieser Sitzung um die Datierung des Freiheitsfestes zu Ehren der rebellischen Soldaten von Nancy, das schließlich auf den 15. April anberaumt wird - ausgerechnet jenes Festes also, bei dem die Devise von "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" ausgegeben werden sollte. Hatte sich Archenholz in dieser ersten, ausführlichen Kommentierung der Jakobiner schließlich fur eine differenzierte Beurteilung zwischen einer maßvollen Minderheit der Mitglieder und der beherrschenden radikalen Mehrheit engagiert, bezieht er selbst noch im gleichen und dann im darauffolgenden Jahr eine ausschließlich negative Stellung. Das Betragen der Jakobiner, das laut Archenholz während der letzten Monate - das Zitat stammt aus der zweiten Hälfte des Jahres 1792 - "in seinen individuellen Zügen allen Glauben übersteigt" und "ihren Kredit zum Sinken" bringt 1 6 5 , hält ihn nicht davon ab, wenig später ein Fragment zu den Pariser Jakobinern herauszugeben 1 6 6 . Er rechtfertigt seine Schrift jedoch durch die Notwendigkeit, von wichtigen Gegenständen "unseres Zeitalters" Kenntnis zu geben und verweist überdies auf seine Beschränkung auf die Jakobiner der französischen Hauptstadt, dem Mittelpunkt der "Societät". Denn auch hier räumt er ein: "Ohne in die Zahl der Propheten zu treten, darf man wohl sagen, daß das Reich dieser Societät seinem Ende nahe ist; eine Voraussetzung, die ... auf dem Naturgrundsatz beruhet, daß die Regierung einer großen Nation durch eine Anzahl rasender Menschen unmöglich von Dauer seyn könne." 1 6 7 In einer letzten Äußerung versucht Archenholz schließlich, "Beyträge zur Geschichte der wieder aufgestandenen Jacobiner" zu liefern 168 , in der er seine ablehnende Haltung noch einmal eindeutig offenlegt. Seine Aufmerksamkeit auf die H Kraft-Aeusserungen dieses moralischen Ungeheuers, eines Phänomens, das noch nie die Welt sah", erklärt er aus seiner Pflicht, als Journalist zu informieren und zu berichten. Über seine persönliche Einstellung zu den Jakobinern äußert er sich nämlich rückblickend und klärend: "Ich wurde ein Feind

1 6 4

Vgl. ebd., 34-46.

165 Vgl. Minerva, 1792, 3. Bd., Historische Nachrichten vom neueren Frankreich, 111-178, hier: 112. 166 Die Pariser Jacobiner. Ein Fragment, in: Minerva, 1793, 1. Bd., 369-378. Archenholz kündigt hier seine in Kürze erscheinende Dokumentation "Die Pariser Jacobiner, aufgestellt in ihren Sitzungen" an, aus der er einen Schriftauszug vorabdruckt (374-378). 167 Minerva, 1793, 1. Bd., 370 f. Vgl. Minerva, 1 7 9 ,

. Bd.,

5 4 .

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dieser scheuslichen Societät von dem Augenblick an, da ich im October des Jahres 1791 zu meiner Belehrung, obgleich mit Gefahr, als Zuschauer zum erstenmahl in Paris ihre Höhle betrat; und ich bin es geblieben, bis auf den heutigen T a g . " 1 6 9 Angesichts solch deutlicher Positionen verwundert es nicht, Archenholz an anderer Stelle weit sachlicher über "Die Gironde" 170 berichten zu sehen und ebenso seinen jahrelangen Einsatz fur das Schicksal und die Ideale La Fayettes nachzuvollziehen171. Auch seine detaillierte Schilderung der "Zerstreuung der Familie Bourbon" 172 aus dem Jahr 1796, in der er über den Verbleib jedes einzelnen Familienmitglieds des ehemaligen französischen Königshauses Auskunft gibt, muß als Ausdruck seines Versuchs gewertet werden, jeder radikalen, revolutionären Einseitigkeit durch den Erhalt eines möglichst breiten Informationsspektrums entgegen zu wirken. Im Rahmen der Nachbildung der Positionen Archenholz' zur Französischen Revolution bleibt abschließend zu erwähnen, daß er - wie oft bei Problemen, die über den Anspruch einer erläuternden Berichterstattung hinausgehen - nur an einer Stelle die Frage nach der Legitimation der Revolution streift und dabei wiederum eine gedankliche Anleihe macht 173 . 1792 druckt er in seiner "Minerva" eine Rede Fox' in längeren Auszügen ab, die dieser schon neun Jahre zuvor im englischen Parlament gehalten hatte und die Überlegungen "Ueber den Zweck der Regierungen" zum Inhalt h a t 1 7 4 . Fox definiert hier als Zweck aller Regierungen die "Glückseligkeit deijenigen, welche regiert werden", dem die Regierungsform zu unterstellen sei. Er spricht sich in diesem Zusammenhang zwar für einen König, doch nur für den gerechten

169 Ebd., 549. 170 Vgl. Mineiva, 1795, 2. Bd., 498-517. 171 Vgl. Minerva, 1792, 3. Bd., "Historische Nachrichten vom neueren Frankreich", 11178: Zu Biographie und Charakter La Fayettes hier: 144 ff.; ebd., 1793, 1. Bd., 185-211: "La Fayette": Zu seinem Charakter und Vorgehen sowie dessen politischer Position, mit der sich Archenholz identifiziert; ebd., 272-277: "Lafayette"; ebd., 1793, 4. Bd., "Historische Aufschlüsse über die neuesten Begebenheiten in Frankreich", 376: "Lafayette als erklärter Freund der Monarchie und einer vernünftigen Freiheit dürfte den Gordischen Knoten lösen ... Möchte es doch den Herrschern gefallen, zum Heil Europens [Lafayettes] Kerker zu öfnen."; vgl. dasselbe Anliegen Mineiva, 1794, 2. Bd., 94-97, "La Fayette". 172 Minerva, 1796, 3. Bd., 66-68. 173 Minerva, 1792, 4. Bd., 80-85. 174 Ebd., Fragment einer Parlamentsrede vom 1. Dez. 1783.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

König aus. Widerstand gegen Tyrannen sei daher, so Fox, durchaus legitim175. Archenholz' Betrachtungen zu den Folgen der Revolution in historischfaktischer Hinsicht zeigen drei Schwerpunkte: - Seine Beobachtungen zum taktischen Vorgehen Englands während der Koalitionskriege, das er aus seiner neuerlich an Frankreich orientierten Sichtweise durchgängig negativ beurteilt; - seine Reflexionen über den militärischen Verlauf der nachrevolutionären Koalitionskriege besonders im Zusammenhang mit dem Auftreten Napoleons und - seine fortlaufende Beschäftigung mit dem Thema Pressefreiheit, das in dieser Zeit eine neue Brisanz erhält. Archenholz' bereits angesprochener Urteilswandel bezüglich Englands Lage und Taktieren am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts erklärt sich aus seiner nun ausschließlich frankophilen oder preußischen Perspektive. Eine vorteilhafte Position im nachrevolutionären Mächtesystem gesteht er England nur noch dann zu, wenn er diese als bloßen Zufall oder als beiläufige Konsequenz der mißlichen Lage Frankreichs degradieren kann 1 7 6 . Seine Reflexionen über die mächtige, doch militärisch ungeschützte preußische Handelsmarine aus dem Jahr 1806 im Kontext des britischen Handelsembargos muten wie eine Rechtfertigung der im gleichen Jahr in Berlin verkündeten Kontinentalsperre a n 1 7 7 - eine Vermutung, die Archenholz' "Betrachtungen über die Unterbrechung des Europäischen Seehandels"178 zwei Jahre später bestätigen, in denen er besonders die Folgen des "englischen Seedespotismus" fur Preußen herausstellt und eindringlich an Großbritanniens vergangene Größe und Regierungsweisheit appelliert 179 . Ein weiteres Beispiel des Perspektivenwechsels Archenholz' geben seine wiederholten Überlegungen zu einer französischen Landung in England, die er in den Jahren 1803/04 im Zuge der französischen Besetzung Hannovers und der entsprechenden Pläne und Vorbereitungen Napoleons niederschreibt 180. Er prognostiziert und begründet hier den wahrscheinlichen Erfolg Frankreichs und schreibt es abermals den "gehäuften Anmaßungen" der Engländer zu, "die Nationen dahin zu 175 Vgl. ebd., S. 81 ff. 176 So etwa in den Annalen des Jahres 1792, 256 ff., "Geschichte der brittischen Regierung". 177 Vgl. Minerva, 1806, 2. Bd., 182-190. 178 Vgl. Minerva, 1809, 2. Bd., 482-491. 179 Ebd., 483 und 485. 180 Vgl. Minerva, 1803, 3. Bd., 156-177: "Historische Betrachtungen über den gegenwärtigen Krieg" und ebd., 1804, 3. Bd., 552-563: "Noch einige Bemerkungen Ober die jetzige Kriegs=Lage und die Landung der Franzosen in England".

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bringen, beynahe das zu wünschen, wofür sonst ein jeder gebildeter Mensch zittern müßte ...: daß es den Franzosen mit ihrem Landungs=Versuch in England gelingen möchte." 181 So treulos solche Äußerungen Archenholz' angesichts seiner früheren Anglophilie auch anmuten mögen, spiegeln sie letztlich doch sein Bemühen um eine gesamteuropäische Sicht der Politik seiner Zeit, aus der heraus er England Kontinentaleuropa gegenüberstellt und auf diese Weise zu einer positiven Beurteilung Frankreichs findet. Auch in diesem Punkt steht er ähnlich wie im Falle seiner Beschäftigung mit Preußen - in einer Reihe mit anderen Schriftstellern seiner Zeit. So hatte etwa sein zeitweiliger Mitarbeiter Friedrich Buchholz fast zeitgleich ein ähnliches Urteil über England im Kontext der französischen nachrevolutionären Politik gefallt 182 , indem er für Frankreich gegen den englischen See- und Handelsdespotismus Partei ergriff und dessen Intervention in innerdeutsche Angelegenheiten als zwangsläufige Folge der englischen Gleichgewichtspolitik erklärte 183 . Doch maß Buchholz, anders als Archenholz, bei solchen Überlegungen Österreich keine Bedeutung zu. Letzterer zeigt sich nämlich in seinen "Historischen Betrachtungen über den gegenwärtigen Krieg" 1 8 4 , die er in einer Art fortlaufender Berichterstattung zwischen den Jahren 1794 und 1808 veröffentlicht, sowohl hinsichtlich seiner militärischen Erörterungen als auch in betreff seiner häufigen, ungünstigen Beurteilungen Österreichs ganz als Preuße 185 . Seine verfehlte Einschätzung Napoleons, die daneben die dritte Komponente seiner Koalitionskriegsberichte ausmacht, ist dabei aus seinem vermeintlich negativen Urteil über Österreich und seinem Meinungswechsel über die Französische Revolution zu erklären.

181 Minerva, 1803, 3. Bd., 177. 182 Vgl. die politischen Hauptwerke Buchholz': Der neue Leviathan, Tübingen 1805 sowie ebd. 1807, Rom und London oder über die Verschiedenheit der nächsten Universal-Monarchie. Zur Analyse dieser Werke vgl. Gembruch, England und Kontinentaleuropa im politischen Denken von Friedrich Buchholz. Ein Beitrag zur Diskussion um die Freiheit der Meere und kolonialer Expansion in der Napoleonischen Ara, in: ders., Staat und Heer, 277-305. 183 Vgl. ebd., bes. 284 u. 296. 184 Zum historischen Hintergrund der preußischen Politik dieser Jahre vgl. Reinhold Koser, Die preußische Politik 1786-1806, in: ders., Zur preußischen und deutschen Geschichte, Stuttgart/Berlin 1921, 202-268 sowie Otto Büsch, Militärsystem und Sozialleben im alten Preußen 1713-1807, Berlin 1962. 185 Vgl. ebd., 1804, 3. Bd., 552-563.

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E. Aufklrung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

Archenholz' Gedanken NUeber den jetzigen Krieg und die verkannte Kriegskunst" aus dem Jahr 1794 zeigen ebenso wie seine Abhandlung über "Das Kriegsglück der Franzosen" aus demselben Jahr und seine Äußerungen "Ueber Bonaparte und den deutschen Patriotismus" zum Jahrhundertende 186 die Begriffe von militärisch-taktischem Können und Kriegsglück, die er als Garanten kriegerischen Ruhms im Verlauf des Siebenjährigen Krieges zu schätzen gelernt hatte und die Friedrich II. hier so beispiellos umzusetzen verstand 187 . Anders als Scharnhorst, der sich zur gleichen Zeit - im Jahr 1797 - mit seiner Schrift "Entwicklung der allgemeinen Ursachen des Glücks der Franzosen in dem Revolutionskriege" dem gleichen Themenkomplex wie Archenholz zuwandte und dessen "Geschichte des Siebenjährigen Krieges" nachweislich mit Respekt rezipiert hatte 1 8 8 , bleibt Archenholz in seinen Erklärungen ausschließlich den Lehren des Siebenjährigen Krieges verpflichtet. So gelingt es ihm nicht, wie Scharnhorst, den "Zusammenhang von Gesellschaftsgefüge und Kriegführung" 189 , von inneren Verhältnissen und militärischen Erfolgen der Franzosen zu erkennen und aufzuzeigen und einen echten Beitrag zur zeitgenössischen Bewußtseinsbildung vom Zusammenhang zwischen "Staat und Heer" zu leisten 190 . Vielmehr argumentiert er strikt nach dem Erklärungsschema Taktik plus Glück, wenn er etwa als Ursache für die beständigen Niederlagen der kaiserlichen Truppen trotz ihrer militärischen Tüchtigkeit ihren entscheidenden taktischen Fehler entdeckt, daß "die Franzosen immer zum Angriff kommen gelassen [werden]" 191 , oder über die Qualitäten Napoleons zu berichten weiß, daß "die Talente dieses Feldherrn [zwar] groß" sind, "noch weit, noch unendlich größer aber sein Glück, das nur allein, unabhängig von seinem Genie, mehrere höchst verwegene Handlungen begünstigt." 192

186 Vgl. Minerva, 1794, 3. Bd., 189 ff.; bed., 4. Bd., 307-316; ebd., 1798, 4. Bd., 127142. 187 Vgl. Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutschland, 1788, z.B. 86, 214 sowie 133, 136, 188. 188 So erwähnt Jähns die Empfehlung Scharnhorsts im Neuen Militärischen Journal, "Archenholz "achtes deutsches Volksbuch" von Stats wegen an das Militär auszuteilen". Vgl. Jähns, Geschichte der Kriegswissenschaften, Bd. 3, 1878. 189 Vgl. Kunisch , Von der gezähmten zur entfesselten Bellona. Die Umwertung des Krieges im Zeitalter der Revolutions- und Freiheitskriege, in: ders., Fürst - Gesellschaft - Krieg, 203226, hier: 209. 190 Zu diesem Zusammenhang vgl. Gembruch, Zum Verhältnis von Staat und Heer im Zeitalter der Großen Französischen Revolution, in: ders., Staat und Heer, 257-274. 191 Minerva, 1794, 4. Bd., 308. 9 Minerva, 1 7 9 , 4. Bd.,

.

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Die erwähnte abwertende Beurteilung Österreichs durch Archenholz betrifft außer der Frage nach dessen militärischen Mißerfolgen die nach seinem Anteil am Ausbruch der Koalitionskriege überhaupt sowie nach seiner Haltung gegenüber militärischen und politischen Entscheidungen Frankreichs. In seinem Aufsatz "Ueber den Ursprung des jetzigen Krieges" 193 aus dem Jahr 1795 referiert Archenholz über die drei Jahre zuvor ergangene Kriegserklärung Frankreichs an Österreich, in deren Vorfeld Invasionsdrohungen und ein österreichisch-preußisches Schutzbündnis gestanden hatten. Archenholz differenziert hier zunächst zwischen Kriegsschuld und Kriegsgrund 194 . Weist er erstere eindeutig Frankreich zu, so führt ihn die Frage nach der "Hinlänglichkeit des Kùegsgrundes" zu dem Versuch der Verteidigung alter Lehnsrechte auf deutscher Seite. Nach einer minuziösen Rekonstruktion der kriegsfordernden Fehlkalkulationen, Fehlentscheidungen und Ignoranzen auf allen Seiten 195 schildert Archenholz die französisch-österreichischen Verhandlungen. Für die andauernde europäische, d.h. für Archenholz: österreichische Fehleinschätzung der französischen Lage spreche der Traktat von Pillnitz vom August 1791, der gezeigt habe, daß trotz der Unruhen am Rhein noch nicht von Krieg mit Deutschland die Rede gewesen sei und auch noch im Januar 1792 eingedenk eines unzureichenden Rüstungsstands in Frankreich eine ausgesprochene Anti-Kriegsstimmung geherrscht habe 1 9 6 . Entsprechend sei der französische Minister Noailles mit dem Auftrag zur Friedensbewahrung nach Wien bereist, dort jedoch durch den kaiserlichen Minister Graf Cobenel auf eine Antwort gestoßen, die drei für Frankreich unannehmbare Friedensbedingungen enthalten habe: "1. Wiederherstellung der alten Lehnsgewalt im Elsaß 2. Einsetzung des Königs in seine ganze vor der Revolution besitzende Macht 3. dem Papst Rückgabe von Avignon." 197 Diese österreichische Depesche bezeichnet Archenholz als eindeutiges Signal zum Krieg, den Frankreich dann in Folge begonnen habe. Auch fünf Jahre später, in seinen beiden Aufsätzen "Zur Geschichte der hoffentlich letzten Kriegs=Periode" und zum "nahen Friedensschluß mit

193 Vgl. Minerva, 1795, 3. Bd., 515-526. 194 vgl. ebd., 515 ff. 195 Vgl. ebd., 518 ff. 196 Vgl. ebd., 523 ff. Archenholz untermauert diese Behauptung mit seinem Besitz einer Rede, die Robespierre im Februar 1792 auf einer Jakobiner-Versammlung gehalten habe und die sich gegen einen Krieg ausgesprochen hätte. Archenholz erklärt seinen Zugang zu dieser "in Deutschland kaum bekannten" Rede durch seine damalige Teilnahme an der Versammlung (vgl. ebd., 525). 197 Ebd., 526.

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E. Aufklrung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

Frankreich" 198 , bezieht Archenholz eine betont Frankreich-freundliche Stellung. Über den Verhandlungsverlauf, der ein Jahr später in den Frieden von Lunéville münden sollte, berichtet er von einer Friedensinitiative Bonapartes an London und Wien, die hier wie dort auf Ablehnung und Schwierigkeiten gestoßen sei: "So entgieng im Anfang dieses Jahres Deutschland ein Friede, unter Bedingungen, die ... doch vorteilhafter waren, als man jetzt ein Recht hat zu erwarten.* 199 Denn, so Archenholz, damals sei die Rückgabe der Rheinlande - deren Abtretung ja drei Jahre zuvor Österreich im Frieden von Campo Formio zugestimmt hatte und dies bald in Lunéville bestätigen sollte noch wahrscheinlich gewesen. Zu Beginn des Jahres 1800 habe sich Bonaparte nämlich noch wiederholt geweigert, "diese Provinzen der französischen Republik zu incorporiren, so sehr ihm auch die Mainzer Jacobiner darum anlagen." Doch "noch immer hielt der den Frieden wünschende Buonaparte alle diese Eroberungen erforderlichenfalls als große Entschädigungs=Objekte in Bereitschaft." 200 Bevor jedoch auf Archenholz* weitere Fehleinschätzungen bezüglich Napoleons maßvoller Ambitionen eingegangen wird, ist auf ein weiteres Beispiel seiner preußischen Beurteilung Österreichs zu verweisen. Anläßlich des Dritten Koalitionskrieges 1805 schreibt er "Über den gegenwärtigen Continental =Krieg" im allgemeinen und außerdem - wahrscheinlich nach dem Einzug Napoleons in Wien - "Ueber Oesterreichs Kriegsunglück" im besonderen 201. Bemerkt er in seinem früheren Aufsatz noch unter Verweis auf Friedrich II., daß der Krieg sowohl auf französischer als auch auf österreichisch-russischer Seite von der Kompetenz der jeweiligen Feldherrn abhinge 202 , so schreibt er wenig später das Kriegsunglück Österreichs tatsächlich ausschließlich den "Heerführern" z u 2 0 3 . "So steigen und sinken große Monarchien vielleicht weniger durch die Leitung weiser oder unweiser Minister, als durch die gute oder schlechte Auswahl ihrer Heerführer" 204 , konstatiert Archenholz im

198 Vgl. Minerva, 1800, 3. Bd., 181-187 und ebd., 359-365. 199 Vgl. Minerva, 1800, 3. Bd., 183. 200 Ebd., An gleicher Stelle betont Archenholz die unverkennbare "Mäßigung ..., die seit mehreren Monaten System der neuen französischen Regierung ist." 201 Vgl. Minerva, 1805, 4. Bd., 169-183 und ebd., 354-369. 202 Vgl. ebd., 183. 203 Vgl.ebd., 354; zum Unglück des österreichischen Feldherrn Mack vgl. ebd., 355. 204 Vgl. Mineiva, 1805, 4. Bd., 356.

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November 1805 nicht ohne den historischen Verweis auf Friedrich II. und Ferdinand von Braunschweig 205. Nur selten bezieht Archenholz direkt zu Napoleon Stellung. Im Jahr 1800 bekennt er jedoch: "Ich bin nie ein Lobredner von Bounaparte's Tugenden gewesen, ... indeß halte ich es fur so ungerecht als unpassend, ihn geradezu den Inbegriff der graumsamsten Tyranney zu nennen." 206 Solch moderate Äußerungen finden ihren historischen Hintergrund im Staatsstreich vom 18. Brumaire 1799 und dem damit eingeleiteten Konsulat Napoleons, das Archenholz als die unverkennbare, "systematische" Mäßigung 207 der infolge der Französischen Revolution zunehmend aus den Fugen geratenen französischen Regierung empfindet. Dieses Urteil vertritt er durchgehend, wie seine wiederholten Hinweise auf die Friedensbereitschaft Napoleons, von denen schon die Rede war, beweisen. Selbst 1808 befindet Archenholz "Ueber die Aussichten zum Frieden" 208 : "Die Gegner des Kaysers Napoleons thun diesem Monarchen großes Unrecht, wenn sie ihn dem Frieden abgeneigt glauben. Er wünscht ihn aufrichtig, ja man möchte sagen eifrig; ... allein freylich auf eine Weise, die bey aller seiner Nachgiebigkeit dennoch mit dem ausschweifenden Brittischen See=Despotismus nicht verträglich ist." 2 0 9 Auch in seiner polemischen, gegen England gerichteten Schuldzuweisung bleibt Archenholz also konsequent210. Ahnlich frankophil äußert er sich außerdem bezüglich des Ausbaus des französischen Satellitensystems durch die Gründung der italienischen Tochterrepubliken und der Krönimg Napoleons I. zum Kaiser der Franzosen. Mit seinen Ausführungen "Ueber die italiänische Republick und das politische

205 Ebd., 356 ff. - Letzterer stellt fur Archenholz das Ideal des guten Ferldherrn dar, wie wiederholte Äußerungen belegen; vgl. etwa "Ein Blümchen auf dem Grabe des Herzogs Ferdinand von Braunschweig", in: Mineiva, 1792, 4. Bd., 1-15 sowie ebd., 1806, 1. Bd., 4 ff. und besonders 7. 206 Minerva, 1800, 1. Bd., 382. 207 Vgl. Minerva, 1800, 3. Bd., 183 sowie ebd., 359-365: "Zur Geschichte der hoffentlich letzten Kriegs=Periode im Jahr 1800". 208 Vgl. Minerva, 1808, 3. Bd., 16 ff. 209 Ebd., 16. 210 Ein weiteres Beispiel dieser Haltung bieten Archenholz' "Bemerkungen über diesen Angriff der Engländer", in denen er sich mit der britischen Attackiening Kopenhagens 1807 befaßt. Er weist hier die alleinige Schuld der agressiven britischen Regierung zu und leugnet jeden Zusammenhang mit Napoleons, gegen die britische Weltmacht gerichteten, Plänen (vgl. Minerva, 1808, 4. Bd., 266-270).

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

Gleichgewicht von Europa" 211 versucht er im Jahr 1802 nach der Erneuerung der Cisalpinischen Republik zur Republik Italien mit Napoleon als erstem Konsul, die Besorgnis um eine Störung des europäischen Gleichgewichts zu dämpfen. Dabei lenkt er bezeichnenderweise die Aufmerksamkeit wieder auf Österreich und England. Die eigentliche Zerstörung des politischen Gleichgewichts in Europa sei nämlich schon, so Archenholz, durch die deutschen Gebietsabtretungen besiegelt worden, die die Friedensbeschlüsse von Lunéville und Amiens 1801 und 1802 festgelegt hatten 212 . In seinen Bemerkungen "über die Kayserwürde in Frankreich" 213 will Archenholz schließlich einen deutschen Parisreisenden widerlegen, der sich gegen den französischen Kaisertitel und die Krone geäußert hatte. "Wer nur einigermaßen die französische Nation und ihre große Eitelkeit kennt, wird über dies Urtheil lächeln, da bey ihr der äußere Glanz von ihren Begriffen von Größe, Würde und Macht unzertrennlich ist" 2 1 4 , belehrt er und bescheinigt der französischen "National=Eitelkeit" ihre historische Allgegenwärtigkeit: "So war es unter den Königen, so war es während der Revolution ... und gerade so ist es auch jetzt, und wird immer so seyn, so lange die Franzosen ~ Franzosen bleiben." 2 1 5 Einziges Thema im Rahmen der Stellungnahmen Archenholz' zu den Revolutionsfolgen, das nicht in direktem Zusammenhang zu den wechselvollen Aktionen der europäischen Mächte steht, ist die Pressefreiheit, der sein unverändert intensives Interesse gilt. Besonders in den Jahren unmittelbar nach der Französischen Revolution geben seine engagierten Äußerungen ein Zeugnis von der tagespolitischen Brisanz dieses Gegenstands, gerade auch aus der Perspektive des beruflich Betroffenen. Es fällt auf, daß Archenholz' Kritik dabei wiederum an die Österreichische Regierung gerichtet ist, ohne die zündenden Ereignisse in Frankreich in Rechnung zu stellen. Schon 1787 ereifert sich Archenholz anläßlich der Unzugänglichkeit einer bestimmten Buchrezension über die "Hindernisse, die dem Buchhandel zwischen den österreichischen Staaten und dem übrigen Deutschland im Wege stehn" 216 . Er bezeichnet diese als "Hindernisse, die um so viel sonderbarer 211 Minerva, 1802, 2. Bd., 1-21.

212 Vgl. ebd., 9 f. 213 Noch etwas über die Kayserwürde in Frankreich, in: Mineiva, 1804, 2. Bd., 529-536. 214 Ebd., 530. 215 Ebd., 532. 216 Neue Litteratur- und Völkerkunde, 1787, 1. Bd., 90. - Vgl. außerdem zur Debatte um Presse- und Meinungsfreiheit im Gefolge der Französischen Revolution Eckart Hellmuth, Zur

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sind, da sie zu einer Zeit stattfinden, wo alles, was in den kayserlichen Erbländern nur lallen kann, von Aufklärung schwatzt, wo so wohl edle als unedle Buchkrämer, Buchdrucker und Buchbinder mit Büchern zügellosen Unfug treiben, und die Werke des Geistes auswärtiger Gelehrten wie Strandgüter betrachten; ein Unfug, der aus ... sehr unaufgeklärten Finanzgrundsätzen nicht allein geduldet, sondern sogar beschützt wird. " 2 1 7 Ahnlich echauffiert erscheinen Archenholz* Stellungnahmen zu den Schwierigkeiten, auf die die Übermittlung französischer Zeitungen nach Deutschland hauptsächlich in den Jahren 1793 bis 1795 stößt. Mit seinem "Scherflein zur Geschichte der Germanischen Freyheit" 218 versucht er, auf "erlittenes Unrecht", d.h. auf die seit sechs Wochen eingeschränkte Pressefreiheit im nördlichen Deutschland, hinzuweisen. Diese "höchstunbefugte Ausdehnung der despotischen Gewalt" weist er allein einem österreichischen General zu, der den Transport französischer Zeitungen nach Hamburg verhindere, indem er die Zeitungspakete in Lüttich verbrenne 219 . Da er von der Unkenntnis dieser Eigenmächtigkeit seitens der Regierung ausgeht, wendet er sich in einem Brief an den Prinzen von Coburg, dessen bestätigende, doch erklärende Antwort er wenig später veröffentlicht 220 und mit den Worten kommentiert, daß "dies uns in die Zeiten des Faustrechts zurück [setzt], zu welcher Rückwanderung wir ohnehin die schönsten Aussichten haben." 221 Auf die tatsächlichen politischen Hintergründe dieser Presseeinschränkungen geht Archenholz nur insofern ein, als er kommentarlos das "Königlich Preußische Neue Censur=Rescript" vom 31. Januar 1793 veröffentlicht 222. Diese Verfügung, nur zehn Tage nach der Hinrichtung des französischen Königs erlassen, warnt vor einer Fehlinterpretation der Aufklärung und der Französischen Revolution, zu der sie sich durch die Solidari-

Diskussion um Presse- und Meinungsfreiheit in England, Frankreich und Preußen im Zeitalter der Französischen Revolution, in: Gnind- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte. Beiträge zur Geschichte der Grund- und Freiheitsrechte vom Ausgang des Mittelalters bis zur Revolution von 1848, hrsg. von Hans Gunter Biitsch, Göttingen 1981. 217 Ebd. 218 Ein Scherflein, nicht zur patriotischen Hülfskasse in Regensbuig, sondern zur Geschichte der Germanischen Freyheit, in: Minerva, 1793, 2. Bd., 179-183 und Nachtrag 370-375. 219 Vgl. Minerva, 1793, 2. Bd., 182. 220 Vgl. ebd., 183 und 371. 221 Ebd., 372. Im 4. Bd. desselben Jahres gibt er "Nachricht von einer fortgesetzten zwecklosen Bedrückung" (189-192), in der er weiter von der "Sache" berichtet, die "nach wie vor die Privat=Handlung eines untergeordneten Generals ... [bleibt], der sich erlaubt, die Bewohner ganzer Provinzen, ... durch den Post=Canal zu despotisiren." (190). 222 Vgl. Mineiva, 1793, 1. Bd., 491 f.

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sierung deutscher Schriftsteller mit den radikalen Revolutionsideen veranlaßt sieht 223 . Sie bewegt Archenholz dazu, anläßlich des immer schwierigeren Erwerbs französischer Literatur plötzlich zu versichern, im Fall einer Auslieferung seiner beschlagnahmten Bücher durch die " Vorder=Österreichische Regierung" 224 von ihnen "keinen bösen Gebrauch zu machen" eine Versicherung, die er "um so leichter geben konnte", da er nach eigenen Worten "kein Freund des französischen Systems" ist, sondern "es in allen seinen Etagen und in allen Modifîcationen fur eine Satyre aufs 18te Jahrhundert" hält 2 2 5 . Außer dieser konkreten nachrevolutionären Problematik des ausländischen Literaturimports finden sich bei Archenholz wiederholte Bemerkungen zum internationalen Niveau der Pressefreiheit und seines Wandels durch die Französische Revolution. In seinen "Annalen des Jahres 1793" verweist er nochmals auf England als das Herkunftsland einer segensreichen Pressefreiheit 2 2 6 . Von dort habe sie teilweise Eingang auch in Deutschland, Dänemark und Schweden gefunden, sei aber seit der Französischen Revolution in England zunehmend im Schwinden begriffen, in Frankreich hingegen durch diese erst "auf die uneingeschränkteste Weise" zum Durchbruch gekommen 227 . Nur ein Jahr später gesteht er nur noch Dänemark als "einzigem Land in Europa" Pressefreiheit zu: "Sie, deren hohen Werth uns die Britten lehrten, als sie noch das Paladium Albions war; sie, das sicherste Kennzeichen einer großen bürgerlichen Freiheit; sie, die nie einen Aufruhr gebahr, aber oft das Volk über seine Pflichten aufklärte, ... [ist] am Ende des 18ten Jahrhunderts in England ein Unding, in Frankreich ein Ungeheuer ... [und] schlug zum Erstaunen der Nationen tief im Norden, in den Staaten eines absoluten Monarchen, ihren eigentlichen Thron auf." 2 2 8 Entsprechend solcher Feststellungen erläutert Archenholz ein weiteres Jahr später, 1795, in einem "Beytrag zur Preßfreyheit" noch ausführlicher das "System der jetzigen brittischen Regierung, die Preßfreyheit auf alle Art zu untergraben" 229, oder 223 Vgl. Minerva, 1793, 1. Bd., 491 f. 224 E r benennt das zehn Jahre später badische "Freyburg im Brisgau" als Beschlagnahmungsort aller "aus Frankreich ankommenden Druckschriften"; vgl.: "Freymüthige Erklärung über eine neue Verordnung", in: Minerva, 1795, 1. Bd., 388-391, hier: 388. 225 Minerva, 1795, 1. Bd., 390. 226 Vgl. Annalen des Jahres 1793, 11. Bd., 111 f. 227 Ebd., 111. 228 Ein paar Worte über den Prozeß des Grafen von Schmettau und die Preßfreiheit, in: Minerva, 1794, 2. Bd., 332-336, hier: 335 f. 229 Vgl. Minerva, 1795, 4. Bd., 542-548.

I V . Über die Politik

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erwähnt an anderer Stelle ihre besondere Verfolgung durch die Österreichische Regierung 230 . Auch der Abdruck einer gleich nach ihrem Erscheinen in Paris verbotenen Schrift mit dem Titel "Robespierre's Schweif oder die Gefahren der Preßfreiheit" 231 gehört in diesen Kontext der negativen Konsequenzen fur die Publizität als Folge einer letztlich entarteten Revolution. "Alle diese Wahrheiten", so schließt der Aufsatz in einer ironischen Wendung gegen eine verfehlte Angst vor dem öffentlichen Diskurs, "sind nur gut, Unruhe im Staat zu erregen; lasset uns also lieber schweigen, lasset uns schlafen, und das Vaterland ist abermals gerettet." 232 In der faktischen und ideellen Wirkung der Französischen Revolution hingegen - und das ist wichtig zu betonen - erkennt Archenholz ein Stimulanz des politischen Interesses und damit der politischen Lektüre - ein Phänomen, das er zu "den vielen Folgen, die die französische Revolution fur Deutschland gehabt hat", zählt und wichtiger als das Lektüreverbot selbst wertet, da er es als "Entschädigung" bezeichnet233.

I V . "Ueber die Politick in unserer Zeit". Eine Quintessenz

Den größten Teil seiner Briefe an Gleim widmet Archenholz dem Räsonnement über tagespolitische Themen. Er selbst bekennt sich hier dazu, daß er am liebsten "in Politik schwelge"234. Diesem ausgeprägten Privatinteresse trägt Archenholz in seinem Werk wesentlich Rechnung. In seinem Politikverständnis finden sich seine wichtigen Interessen und Ideenschwerpunkte zu einem Hauptgedanken seines literarisch-publizistischen Wirkens zusammen. In seinen Erörterungen der Politik seiner Z e i t 2 3 5 legt Archenholz von einem Politikbegriff Zeugnis ab, der ihm zunächst durch seine ausgeprägten England-Studien vermittelt w i r d 2 3 6 , der dann durch die Französische 230 Vgl. Minerva, 1795, 3. Bd., 42 f. 231 Vgl. Miscellen zur Geschichte des Tages, 1795, 1. Bd., 1-10. 232 Ebd., 10. 233 Vgl. "Wer darf in Deutschland französische Zeitungen lesen?", in: Minerva, 1794, 3. Bd., 161-167, hier: 163. 234 so Archenholz an Gleim, 30. July 1794. 235 Der Titel dieses Kapitels: "Ueber die Politick in unserer Zeit" ist einem Aufsatz Archenholz' entlehnt; vgl. Minerva, 1798, 1. Bd., 1-12. 236 Maurer bemerkt, daß Archenholz' Interessen in England offenbar "eine dezidiert politische Richtung" genommen haben, ja er schreibt ihm eine "Politisierung seines Wesens" zu,

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. Aufklärung und Werk Archenholz', : n

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Revolution eine stimulierende Substanz erhält und der letztlich durch seine Abwendung vom Revolutionsgeschehen bei gleichzeitiger Hinwendung zu den nun einsetzenden kriegerischen Verwicklungen Deutschlands als patriotisches Engagement seine Umsetzung findet. Im unmittelbaren Vorfeld der Französischen Revolution, in den Jahren 1788 und 1789, offenbart Archenholz anhand seiner Englandbeobachtungen einen Begriff von Politik, der sich aus den Komponenten Aufklärung, Öffentlichkeit und Gemeinsinn zusammensetzt. "Wenn nämlich ... eine vollständigere, richtigere Erkenntnis und eine Fertigkeit, dieselbe auf alle Ereignisse des Lebens richtig anzuwenden, den Namen Aufklärung verdient, so gibt es ... kein Volk, ... das durch alle seine Classen auffallendere und häufigere Beispiele eines ... im praktischen Gebrauch der gefundenen Wahrheit geübten Verstandes aufzuweisen hätte" 2 3 7 , befindet er über die Engländer und unterstreicht damit entscheidende Faktoren ihres beispielhaften nationalen Verhaltens, die auf ihre Bedingung, nämlich Literatur bzw. eine literarische Öffentlichkeit, verweisen: Wissenskomplettierung und -korrektur sowie ihre konsequente praktische Umsetzung. "Die Theilnehmung der Brittischen Nation an allen Staatsangelegenheiten setzte gleich im Anfang dieses Jahres alle Volksclassen in Bewegung ... Es erhob sich auf einmal eine Stimme wider den Sclavenhandel, die durch alle Stände des Volks fuhr" und die durch das Mittel der Bittschriften bewirkt wurde, denn zuvor "kaufte [man] Brochüren und Bücher, um sie umsonst unter das Volk zu vertheilen. h 2 3 8 Öffentliche, literarische Aufklärung führt - wie Archenholz an diesem Beispiel verdeutlicht - zu politischer Meinungsbildung und damit zu gemeinschaftlichem, zielgerichtetem Handeln. Gerade hier fließt jedoch noch eine weitere Größe mit ein: Die Ausprägung des englischen Public Spirit , den Archenholz als Gemeingeist oder auch Nationalgeist übersetzt 239 und als Teilnahme des Volkes am Wohl der Nation definiert 240 . Die teilnehmende, am nationalen Wohl orientierte und nicht die seine Anglophilie gefärbt habe, "die mehr als bei anderen Deutschen eine dezidiert politische" gewesen sei. Als entsprechend konsequent bezechnet er auch Archenholz' negatives Italienbild, das er aus einer politischen und nicht kulturellen Perspektive entworfen habe. Vgl. Maurer, Aufklärung und Anglophilie, 216. Vgl. auch Oswald, Italienbilder, 11 f. 237 Annalen des Jahres 1788, 1. Bd., 281 f. 238 Ebd., 15 ff. - Zu einem solchen politischen Öffentlichkeitsverstandnis vgl. auch F. Schneider, Pressefreiheit und politische Öffentlichkeit. Studien zur politischen Geschichte Deutschlands bis 1848, Neuwied/Berlin 1966. 239 Vgl. England und Italien, 2. Th., 6. Ab., "National=Geist", 2 ff. 240 Vgl. Annalen des Jahres 1796, 18. Bd., 113.

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zuletzt aktive Haltung des einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, in der er lebt, gründet letztlich in seinem Patriotismus, den außer diesen politischen auch moralische Aspekte bestimmen 241 . So definiert Archenholz zum einen Patriotismus im Gegensatz zur geburtsabhängigen, eigennützigen Vaterlandsliebe als den uneigennützigen und daher selteneren "thätigen Diensteifer für Mitbürger" 242 . Zum anderen sind es jedoch gerade die sittlichen Verhältnisse eines Volkes, die dieses aufgeklärte Politikverständnis und seine Äußerung in öffentlichen, das nationale Wohl betreffenden Agitationen spiegeln 243 . Es wird klar, warum sich Archenholz im Laufe seiner gesamten Englandberichte so ausführlich dem Entwurf von Sittengemälden widmet. "Je individueller die Züge sind", erläutert er diese, "... desto anwendbarer auf unsere eigenen Verhältnisse, desto anziehender werden sie für uns. 1 , 2 4 4 Durch die ausfuhrlichen Beispiele des öffentlichen Lebens Englands soll ein Bild von Politik transportiert werden, das diese gerade nicht aus der Perspektive der Machthabenden versteht, also als ein Handeln seitens Regierungen, Parlamenten o.ä., das sich auf die Durchsetzung bestimmter Ziele im staatlichen Bereich richtet. Vielmehr will Archenholz einen Politikbegriff vermitteln und fordern, der den einzelnen zu einem gemeinschaftlichen, auf die Gestaltung öffentlicher, d.h. nationaler Belange gerichteten Handeln motiviert, das seine Grundlage in einer sittlichen und patriotischen Bindung an die Gemeinschaft und letztlich an die Nation findet. "In der noch immer fortbrausenden Gährung der politischen Lagen, Rechte und Verhältnisse der europäischen Staaten, dauert auch der gegenseitige Einfluß ungehemmt fort, den die Gewalt der großen Ereignisse der Zeit auf die Beschaffenheit und Richtung der Literatur und ein großer Theil dieser letztern auf jene, äußert. Die Gegenseitigkeit dieses Einflusses ist zu sichtbar und auffallend, um ihr Daseyn und ihre vielfache Wirksamkeit noch zu leugnen, oder zu verkennen" 245 . Diese Äußerungen zur reziproken Einflußnahme von Literatur und politischer Bewegung finden sich 1793 in den "Annalen" und zeigen, wie sehr die Französische Revolution das beschriebene Wechselverhältnis konkretisiert. Mehr noch bietet sie Archenholz selbst Anlaß, diese

241 Der diesen Kontext aufschlußreiche Aufsatz von R. Vierhaus: "Patriotismus" - Begriff und Realität einer moralisch-politischen Haltung, in: ders., Hrsg., Deutsche patriotische und gemeinnützige Gesellschaften, wird in Kap. G. aufzugreifen und in bezug auf Archenholz' Patriotismus auszuwerten sein. 242 Vgl. Annalen des Jahres 1789, 1. Bd., 255. 243 Vgl. Annalen des Jahres 1788, 1. Bd., 272. 244 Vgl. Annalen des Jahres 1789, 1. Bd., 277. 245 Annalen des Jahres 1793, 10. Bd. 159. 9 Rieger

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

Überzeugung zu praktizieren. In der Übersetzung seines Schreibens an die französische Nationalversammlung 246, das er 1792 in seiner "Minerva" veröffentlicht, gibt er als Motiv seiner Schrift und seines Handelns seinen deutschen Patriotismus a n 2 4 7 . Überzeugt von der Überlegenheit Deutschlands hinsichtlich der Thematik seines Aufsatzes versucht er, fur sein Land zu werben und bekennt sich gleichzeitig zu einem deutschen Nationalstolz, den er mit seinen differenzierten, internationalen Vergleichsmöglichkeiten während seiner Reisejahre begründet 248 . Ebenso interessant wie Archenholz' patriotische Motivation seiner Unternehmung ist jedoch seine Rechtfertigung der deutschen Veröffentlichung ein Jahr später nach seiner Rückkehr aus Paris. Zum Sinn einer Wiedergabe seines Schriftfragments nennt er hier ihren exemplarischen Charakter für einen "Druck von Aussen auf Regenten", in diesem Fall hinsichtlich ihrer Aufmerksamkeit auf das Erziehungswesen 249. "Denn", so Archenholz, "die Regierungen erheben sich nie über den Geist ihres Zeitalters; um sie zu neuen wohltätigen Unternehmungen zu vermögen, müssen sie den Druck von aussen erhalten, und dieser Druck muß stark und allgemein seyn. " 2 5 ° So nutzt er diese Schrift dann auch gleich dazu, sowohl an der politischen Uneinigkeit Deutschlands Kritik zu üben als auch an den konstitutionell verankerten Fürstenprivilegien und dem durch die gesellschaftliche, gesetzliche und religiöse Pluralität des Landes nur mangelhaften Nationalgeist. In einem seiner Aufsätze zum Schicksal La Fayettes, dem er den Titel "Etwas über Lafayette und die Politik" gibt 2 5 1 , appelliert Archenholz eindringlich an das politische Interesse seiner Leserschaft und legt damit gleichzeitig ein Zeugnis davon ab, wie seine eigene Vorliebe für politische Themen durch die Ereignisse um die Französische Revolution Nahrung erhält. Überdies ermöglicht ihm seine Definition von Politik an dieser Stelle, die Wichtigkeit seiner eigenen Arbeit herauszustellen. Die Politik als eine Kombination 246 Vgl. Minerva, 1792, 2. Bd., 435-440: "Schreiben des Herausgebers an die französische National-Versammlung " (eigene Übersetzung) sowie ebd., 441-444: "Fragmente des übersandten Mémoires die Erziehung betreffend". - Über die französische Reaktion auf diese Schrift ist nichts bekannt. Auch Archenholz informiert darüber nicht; vielmehr veröffentlicht er seine deutsche Übersetzung, weil die deutschen Leser die "Methode" und "Behandlungsart", "wie ein Deutscher in Paris im Jahr 1792 diese Nationalsache vorgetragen hat", interessiere (ebd., 441). 247 Vgl. ebd., 435. 248 vgl. ebd., 435. 249 vgl. ebd., 441. 250 Ebd., 441 f. 251 Vgl. Minerva, 1795, 2. Bd., 134-141.

I V . Über die Politik

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von gesunder Vernunft und Kenntnis über Staaten sowie Geschichte der Herrscher und Menschen bedürfe einer informierenden Öffentlichkeit, die in ihrer Aufklärungsarbeit auch vor Regierungen nicht haltmachen dürfe 252 . Im Zusammenhang einer vernünftigen politischen Urteilsfindung, die völlig unabhängig von einer beruflichen und sozialen Qualifikation sei, komme gerade der Zeitung als allgemein zugänglicher Informationsquelle eine hervorragende Bedeutung z u 2 5 3 . Trotz dieses persönlichen Einsatzes für eine politische Interessen- und Kenntniserweiterung muß Archenholz im März 1795 in einem Brief an Gleim feststellen, "daß in betref der Schriftstellerey die Politik nicht das forte der Deutschen ist." 2 5 4 Er selbst scheint dieser Erkenntnis entgegen wirken zu wollen, indem er zum Ausgang des Jahrhunderts, im Jahre 1798, zwei theoretische Abhandlungen zum Thema Politik veröffentlicht 255. "Die Deutschen", heißt es ... in Archenholz' Reflexionen "Ueber die Politick in unserer Zeit", "die in so manchen wissenschaftlichen Zweigen die Lehrer von Europa sind, haben alle Eigenschaften, es auch in der Politick zu seyn, wenn die grundfalschen Maximen fast aller ihrer Regierungen es nicht verhinderten. Ihre große Geschichtskunde, ihre Kenntnisse in der Statistick, ... ihr Studium fremder Sprachen, fremder National=Rechte und fremder Gesetze, ihr eifriges Nachforschen, um die Natur und Verhältnisse ausländischer Staaten, die Grundsätze ihrer Beherrscher, die Charactere ihrer Gewalthaber kennen zu lernen, alle diese Eigenschaften, verbunden mit ihrem Streben nach Genauigkeit und ihrer gründlichen Art zu raisonnieren, bilden die Deutschen gleichsam zu Politickern. Indess ist diese Wissenschaft sehr wenig unter uns cultivirt, weil die Regierungen sie als Monopol betrachten." 256 Diese eindeutige Schuldzuweisung an die die Politik monopolisierenden Machthabenden und das sich daraus ergebende Fehlverhältnis zwischen potentiellem und realem Politikverständnis seitens des Regierten belegt einmal mehr Archenholz* Begriff von Politik als öffentliche Anteilnahme und als Mitgestaltung des gemeinen und damit des nationalen Wohls. In seinen Bemerkungen über "Politische Vorurtheile und Zweifel" führt Archenholz diesen Gedanken weiter aus. "Es sind in keinem Fache so viele Vorurtheile, wie in der Politik; ... weil die Politick eine ganz eigene compli252 Vgl. Minerva, 1795, 2. Bd., 134-141. 253 Vgl. ebd., 140. 254 Archenholz an Gleim, 2. März 1795. 255 Vgl. Minerva, 1798, 1. Bd., 1-12 und ebd., 2. Bd., 1-23. 256 vgl. Minerva, 1798, 1. Bd., 1 f.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

cirte Wissenschaft ist, ... die ... nicht vom Catheder gelehrt werden kann" 2 5 7 , konstatiert er hier und schneidet damit einen zusätzlichen Gesichtspunkt zum Thema "mangelnde politische Zuständigkeit der Deutschen" an: die verfehlte aber auch versäumte Gelehrsamkeit dieses Faches. Da Politik an den Universitäten entweder nur als Nebenfach behandelt oder aber unter Zensurzwängen unzureichend und verfälscht präsentiert wird, bleibt der Studierende darauf verwiesen, sich "die mit [derselben] verbundenen Kenntnisse selbst [zu] erwerben. " 2 5 8 Damit rückt wieder die Lektüre besonders von Zeitschriften ins Blickfeld, die aber durch die bestehenden Zensurverhältnisse nicht die notwendige und hinreichende Aufklärung bieten kann. Dessenungeachtet betont Archenholz jedoch die Wichtigkeit der Tatsache, daß im Nachspiel der Französischen Revolution "die Politik das große unerschöpfliche Thema ist", und fahrt fort: "Der Himmel verhüte in Deutschland die Veränderung dieses Themas! Es würde bey unserer Nation eine Apathie beweisen, die zum Untergang führen müßte." 259 Anschließend beklagt er jedoch die ersten "Symptome" genau dieses abnehmenden Interesses, das er aus einer zunehmenden "Gewöhnung an Revolutionen" allgemein sowie einer fast unmöglichen Erfassung der historisch überdimensionalen Französischen Revolution im besonderen erklärt 260 . Der Patriotismus, der in Archenholz' Furcht vor einem nationalen Untergang im Fall einer zunehmenden politischen Teilnahmslosigkeit des Volkes anklingt, kommt in anderen Äußerungen aus den Jahren 1789/99 und schließlich 1803 - wiederum im Kontext der Anklage deutscher, politischer Apathie noch stärker zum Tragen. Sicherlich spielen konkrete historische Hintergründe wie der Kongreß zu Rastatt und seine gescheiterte Umgestaltung Deutschlands zur Entschädigung linksrheinischer Verluste deutscher Fürsten während der Jahre 1797 bis 1799 hierbei eine Rolle oder etwa die Friedensbeschlüsse von Campo Formio, Lunéville und Amiens, die die deutschen Gebietsabtretungen besiegeln. Auch der Staatsstreich Napoleons im November 1799 und der Beginn seines Konsulats mögen ebenso wie der Verlauf des Zweiten Koalitionskrieges zu einer Konkretisierung des

257 Ebd., 2. Bd., 1. Sp. erkennt er die politische Aufklärung als das dringlichste Aufklärungsdesiderat (vgl. Minerva, 1798, 2. Bd., 392) und macht an anderer Stelle die "Politische Bemerkung": "Die Nationen Europens sind entweder in eine Apathie versunken, oder befinden sich in einem Taumel, der ihre Vernunft benebelt, daher so manches ... unüberdachtes und sinnloses Partheynehmen." (vgl. Minerva, 1798, 2. Bd., 188-192, hier: 188). 258 Minerva, 1784, 2. Bd., 2. - Vgl. dazu auch Andreas FUtner, Deutschland. Geschichte und Problem 1750-1800, Tübingen 1957. 259 Ebd., 3. 260 Vgl. ebd.

Die politische Erziehung in

I V . Über die Politik

133

patriotischen Engagements Archenholz' gefuhrt haben. Jedenfalls bekennt er in einem Brief an Gleim im November 1798 dezidiert: "Ich piquire mich, bei aller meiner Weltbürgerschaft ein deutscher Patriot zu seyn, so wie ich, bei meiner Liebe zu einer vernünftigen Freiheit, den Bestand der Freiheit mit allen Unholden Frankreichs in die Hölle wünsche, ja bereits angefangen habe, die Revolution selbst zu verwünschen." 261 Den Zusammenhang, den Archenholz hier selbst zwischen der Reduzierung seines weltpolitischen Interesses auf deutsche Belange und seiner Distanzierung von der Französischen Revolution in ihrem ganzen Ausmaß herstellt, bestätigen weitere Werkauszüge. In seinem ausfuhrlichen Aufsatz "Ueber die Apathie der Nationen, die Kriegsthaten der Franzosen, und die jetzigen Zeitumstände"262 weist er 1799 auf ein nationales Scheitern Deutschlands hin, das im politischen Desinteresse als Spiegel eines mangelnden, deutschen Patriotismus und einer deplazierten Franzosenfreundlichkeit gründe. So benennt er als hauptsächlichen Anklagepunkt den "Stupor, der alle Stände, alle Volksklassen, alle Nationen befallen hat" und fuhrt weiter aus: "Man betrachtet die Dinge, die um und neben uns vorgehen als fremdartig, als ohne Beziehung auf uns; je größer die Stadt, je volkreicher das Land ist, worin wir leben, je stärker ist dieser Indifferentismus" 2 6 3 . So nimmt er Bezug auf das Urteil vieler Schriftsteller, die diesen Indifferentismus aus einer politischen Überdrüssigkeit, einer Überpolitisierung besonders der Literatur nach der Französischen Revolution ableiteten. Er gesteht diese zwar ein, ordnet jedoch der prinzipiell falschen Interessengewichtung der Deutschen eine noch größere Bedeutung zu. So klagt er besonders das deutsche, nur oberflächliche und augenblicksgebundene politische Interesse an, den mangelnden Sinn fur den großen Zusammenhang oder die "große Begebenheit"264. Der reale Hintergrund solcher Überlegungen liegt auf der Hand: "Die deutsche Nationalkraft ist dahin und mit ihr auch die Ehre des Deutschen ... Die Abtretung der Rheinprovinzen ..., die Demütigungen in Rastadt, und der ... schändende Fall von Ehrenbreitstein; dies sind in Deutschlands Jahrbüchern solche Flecken, die keine Blutströme abwaschen 261 Archenholz an Gleim, 1. Nov. 1798. - Vgl. zu dieser Haltung auch Minerva, 1795, 1. Bd., 177 f.: Archenholz merkt hier zu der Bitte des Buchhändlers M . C . Hofmann um Veröffentlichung seiner Verlagsgeschichte an: "Ich erfülle diese Bitte, geleitet durch den unveränderlichen Grundsatz, von meiner Seite alles, was nur irgend die zarte Pflanze des deutschen Patriotismus nähren kann, zu befördern." (177) sowie ebd., 1805, 1. Bd., 509-525: "Ueber den deutschen Patriotismus und Luthers Denkmal"Archenholz' Plädoyer für die Errichtung und Finanzierung eines Luther-Denkmals zur Demonstration des deutschen Patriotismus, "der leider nicht zu unsern National=Tugenden [gehört]." (510). 262 Vgl. Minerva, 1799, 1. Bd., 532-557. 263 Ebd., 533. 264 vgl. ebd., 533 ff., hier 535.

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E. Aufklärung und Werk Archenholz', I: Inhalte und Positionen

können" 265 , beklagt Archenholz und zeigt gleichzeitig auf "mehrere unsrer deutschen Schönschreiber, die bey dem Wort Patriotismus hohnlächeln" und "nicht genug Worte finden [können], die Großthaten der Franzosen zu erheben, und der Lesepöbel, der immer gefuhrt seyn will, stimmt mit ein. " 2 6 6 Natürlich bleiben angesichts solcher Feststellungen Archenholz' Reminiszenzen an den preußischen Kriegsruhm, den Siebenjährigen Krieg und Friedrichs II. unsterbliche Worte nicht aus 2 6 7 . Ungeachtet dieser regressiven Tendenz bleibt zu beachten, daß er seine Überlegungen in diesem Aufsatz dazu nutzt, wiederum die besondere und dringliche Aufgabe des historischen Journalisten herauszustellen, der mit Sachkenntnis "Urtheile, Winke und Warnungen" geben muß und der "Pflicht, ... reden zu müssen", nachzukommen h a t 2 6 8 . Dieser Auslegung der politischen Aufgabe des historischen Journalisten scheint auch seine Bemühung zu entsprechen, ab 1798 in einem monatlichen "critischen Anzeiger" alle Neuerscheinungen historischer und politischer Bücher aufzufuhren und damit ein bisheriges Desiderat zu erfüllen 269 . Dennoch bleiben seine Beobachtungen einer andauernden "Apathie der deutschen Nation in Betref der politischen, ihr so äußerst nahe angehenden Ereignisse" unverändert 270, was ihn letztlich zu der Vorstellung eines in die Zukunft projizierten, politisch-historischen Interesses als Motivation seiner entsprechenden Werkthemen fliehen läßt 2 7 1 . Zu Beginn des Jahres 1806 schreibt Archenholz seinen letzten großen Aufsatz "Ueber die Politik" 2 7 2 . Nach der Auflistung der verschiedenen literarischen Schwerpunkte der vergangenen fünfzig Jahre erkennt er hier noch einmal, daß "seit der Französischen Revolution, die von Anfang an die Aufmerksamkeit der Menschen gleichsam monopolisierte und so gewaltige Folgen hatte, die noch beständig fortdauern, die Politick jenes Präsidium übernommen, und es, trotz allem Schreyen der Literatur=Freunde, die daran

265 Ebd., 538. 266 Vgl. Minerva, 1799, 1. Bd., 541. 267 Vgl. ebd., 542 ff. 268 Ebd., 534 f. 269 Vgl. Minerva, 1798, 1. Bd., "Critische Notizen", 1-4. 270 Minerva, 1803, 3. Bd., 214. - Die Bemerkung fallt im Zusammenhang eines Aufsatzes zur Abtretung der Rheinprovinzen, über deren Umstände Archenholz interessante Informationen sammelte, die er sich "bemüht..., als historische Materialien hier aufzubewahren." 271 Ebd. 272 Vgl. Minerva, 1806, 1. Bd., 193-205.

I V . Über die Politik

135

genug hatten, ... fortdauernd behalten [hat]." 2 7 3 Er spricht die Traktate von Campo Formio und Lunéville als konkrete Ereignisse an, durch die der bisher "blos müßige Zuschauer der politischen Ereignisse" zum "spekulativen Teilnehmer" wurde, begrenzt diese Anteilnahme jedoch auf den Norden Deutschlands. Wohl unter Anspielung auf die bewegenden Ereignisse im Dezember des Voijahres - die Schlacht bei Austerlitz, den Vertrag zu Schönbrunn und den Frieden zu Preßburg - bemerkt er über das fesselnde Interesse an der Politik: "Diese Fesseln sind seit wenigen Wochen noch enger geschmiedet worden. Was ehemals blos politische Kannengießerey war ... ist nun mehr ein achtungswerthes, stark motivirtes Forschen, wodurch ... ganz unreife, politisierende Urtheile etwas seltener geworden sind." 2 7 4 Nach einer weiteren Anklage der eingeschränkten Pressefreiheit und ihrer Auswirkung auf den Mangel an guten politischen Schriften bekennt sich Archenholz an dieser Stelle nochmals zu dem unverändert politischen Schwerpunkt seiner "Minerva". Er findet so zu einem versöhnlicheren, doch gleichbleibend engagierten Schlußbild seiner zeitgeschichtlichen Stellungnahmen.

273 Vgl. Minerva, 1806, 1. Bd., 194. 274 Ebd., 195.

F. Aufklärung und Werk Archenholz1, Π: Ausführung und Strategie. Emanzipation als Werkmoment Die Rekonstruktion der Inhalte und vertretenen Positionen in Archenholz' Werk konnte eindeutig die Auseinandersetzung mit der Geschichte seiner Zeit als Interessen- und Arbeitsschwerpunkt seines Schaffens feststellen. In einem zweiten werkanalytischen Arbeitsgang soll nun ermittelt werden, inwiefern sich Aufklärung nicht nur in der Präsentation bestimmter Themen konkretisiert, sondern gerade auch in den Formen und der Art ihrer Aufarbeitung von Archenholz bewußt praktiziert sowie intendiert wird. Ein solcher Untersuchungsansatz zielt auf die Nachbildung einer ausgeführten und beabsichtigten Verselbständigung hin, als die sich Aufklärung im Werk Archenholz' definiert und die zu dessen Bewegkraft schlechthin gerät. Zunächst ist also der Frage nachzugehen, ob sich in Archenholz' unterschiedlichen Werkformen Berührungspunkte ausmachen lassen, die in einem Zusammenhang mit seinem zeitgeschichtlichen Arbeitsschwerpunkt stehen und wenn ja, welcher übergeordnete Gesichtspunkt seines Oeuvres sich dann aus diesem Zusammenhang ableiten läßt. Nach diesem Untersuchungsabschnitt, der inhaltliche Aspekte nur hinsichtlich ihres intentionalen Hintergrundes und ihrer formalen Ausführung berücksichtigt, bleibt eine letzte werkanalytische Aufgabe zu erfüllen. So gilt es abschließend, jenes aufklärungsspezifische Moment im Denken Archenholz' zu erfassen und anhand von Textbeispielen zu veranschaulichen, das er in seinem Werk umfassend umsetzt und in dem sich sein Vorgehen und seine Zielsetzung zusammenfugen: die Emanzipation.

I . Die Kongruenz von Inhalt, Form und Absicht: Reiseliteratur, Annalen, Historiographie und historisch-politische Zeitschrift - Formen komplexer Zeitgeschichtspräsentation als Basis kritischer Urteilsfindung

Archenholz bedient sich in der Tat durchgängig jener Werkformen, die ihm seine inhaltliche Konzentration auf die Kombination von Geschichts- und Zeitgeschichtsschreibung sowie Tagespolitik ermöglichen. Diese Elemente

I. Inhalt, Form und Absicht

137

bestimmen seine einzelnen Werke in unterschiedlicher Gewichtung, weisen jedoch eine analoge Motivation und Intention auf, nämlich die Bereitschaft zu Information, Kenntniserweiterung, ja Wissenskomplettierung überhaupt, die abzielt auf eine möglichst kritische, d.h. möglichst eigenständige Urteilsbefahigung des Lesers. Anders gesagt kommt Archenholz dem von ihm konstatierten, besonderen Interesse der Leserschaft an gegenwartsbezogenen Themen1 durch die zeitliche Schwerpunktsetzung seiner Werkinhalte nach und trägt dadurch gleichzeitig zum Ausbau dieses Interesses bei. Außerdem versucht er, die Leserschaft über ihre bloße Rezeption hinaus zu einer aktiven Teilnahme, d.h. zu einer Auseinandersetzung mit dem Thematisierten zu bewegen, indem er sie dazu veranlaßt, durch ihr eigenes Urteil eine eigene Stellung innerhalb des Geschehens zu definieren und zu beziehen. Eine solche Zielsetzung läßt eine bestimmte Vermittlungstaktik erwarten, eine Akzentuierung innerhalb der umrissenen Thematik also, durch die der Leser ebenso wie durch spezielle erzählerische Mittel wirksam erreicht werden kann. Diese Aussagen sind anhand eines Einblicks in zugrundeliegende literaturhistorische Überlegungen sowie Archenholz' Werkpraxis zu veranschaulichen und zu belegen. Der biographische Tatbestand, daß Archenholz den Grundstein seiner beruflichen Laufbahn nicht durch eine akademische, gelehrte Schulung legt, sondern vielmehr im Zuge seiner langen Reisejahre in der Manier des Autodidakten eigenständig und unter ständigem Bezug zur konkreten, praktischen Anschauung erwirbt, ist fur sein Gesamtwerk prägend. Zunächst rücken seine Reiseberichte selbst als direktester Anhaltspunkt ins Blickfeld. Die außerordentliche Geltung, die dieser literarischen Gattung an sich im Kontext der Aufklärung zugesprochen wird 2 , begründet sich vornehmlich in der kritischen "Aneignung von Welt auch und gerade in ihren historischen Dimensionen"3, die der Reisebericht demonstriert und fördert. Neben dem

1

Vgl. z.B. "Die Engländer in Indien", 1786, VoAericht, o.S.

2 Nicht nur als literarische Kunstform, sondern auch als Ausdruck aufklärerischer Kulturbeziehungen ist die Reisebeschreibung des 18. Jahrhunderts bereits erkannt und gewürdigt worden; vgl. etwa Manfred Link, Der Reisebericht als literarische Kunstform von Goethe bis Heine, Köln 1963 sowie Antoni Maczak/Hans Jürgen Teuteberg, Hrsg., Reiseberichte als Quellen europäischer Kulturgeschichte, Wolfenbüttel 1982 (Wolfenbütteler Forschungen 21). - Zum politischen Potential der Reisebeschreibung der deutschen Spätaufklärung vgl. vor allem W. Stewart, Die Reisebeschreibung und ihre Theorie im Deutschland des 18. Jahrhunderts und Wolfgang Griep, Reiseliteratur im späten 18. Jahrhundert, in: Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 3: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680-1789, hrsg. von Rolf Grimminger, München 1980, 739-764. 3

Bödeker, Reisebeschreibungen im historischen Diskurs der Aufklärung, 277.

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F. Aufklärung und Werk Archenholz', Π: Ausführung und Strategie

wichtigen Aspekt der kritischen, der distanzierten, abwägenden, urteilenden Welterfahrung wird hier das Phänomen einer neuen zeitlichen, nämlich historisierten Wahrnehmungsweise sichtbar - zwei Aspekte, die über Archenholz' Reisebericht hinaus in seinem ganzen Werk erschlossen werden können. Mit seiner Reisebeschreibung selbst löst Archenholz aber an erster Stelle genau die gesellschaftspolitische Aufgabe ein, die J.G. Herder ihr schon 1769 in seinem "Journal meiner Reise" zugewiesen hatte, indem er ihr eine besondere Aufklärungsfunktion zuschrieb4. Da sie eine Ersatzfunktion fur die Bildungsreise selbst übernehmen könne, nivelliere sie, so Herder, deren mögliche, finanzierungsbedingte Exklusivität und biete durch ihre Bestandsaufnahme der gesamten gesellschaftlichen Wirklichkeit stattdessen eine, wenn auch mittelbare, Erfahrungsmöglichkeit 5 - eine Möglichkeit, die nach Herder das deutsche Bürgertum wahrnehmen müsse, wenn es sein politisch unreifes Bewußtsein durch die Analyse gesellschaftlicher Wirklichkeit zu einem bürgerlichen Selbstbewußtsein steigern wolle. Der politischen Bedeutung, die Herder hier der Lektüre von Reiseliteratur zubilligt, entspricht die Entwicklung einer politischen Reisebeschreibungstheorie vornehmlich in den Jahren 1775 bis 1789 6 , die den Reisebericht als kritische Reflexion über Lebensweise, Politik und Kultur fremder Länder definiert und damit ihrem Verfasser die Möglichkeit in die Hand spielt, indirekt Kritik an den Zuständen des eigenen Landes zu üben. Gemäß dem Rationalisierangs- und Bewußtwerdungsprozeß weiter Teile des deutschen Bürgertums im Zuge der Aufklärung, besonders im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts7, verlagert sich das Interesse des Reisenden und des Lesenden jetzt von der bisher oft utopisch überhöhten Schilderung exotischer Länder zunehmend auf die sachlichere Beschreibung westeuropäischer Nachbarländer 8 - eine Entwicklung, die schließlich in Phänomenen wie der Anglomanie und der Gallomanie gipfelt 9. Dieser Austausch utopischer Ideale gegen konkrete politische Vor-

4 Zu Herders Entwicklung einer pädagogischen Theorie des Reisen vgl. Stewart, Die Reisebeschreibung und ihre Theorie im Deutschland des 18. Jahihunderts, 228 ff. 5

Vgl. Stewart, Die Reisebeschreibung und ihre Theorie, 228 ff.

6

Zur politischen Funktion der Reisebeschreibung vgl. ebd., 249-251.

7 Vgl. zur Bedeutung der Reisebeschreibung in diesem Kontext Griep, Reiseliteratur im späten 18. Jahrhundert sowie zu den Bewußtseinsvorgängen der deutschen Spätaufklärung grundlegend Bödeker/U. Herrmann, Hrsg., Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung, Studien zum 18. Jahrhundert. 8

Vgl. Stewart, Die Reisebeschreibung und ihre Theorie, 259 ff.

9 Sowohl durch seine Reiseschrift England und Italien als auch durch die Frankreichberichte, die seine Parisreise initiiert, ordnet sich Archenholz beiden Phänomenen zu.

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I. Inhalt, Form und Absicht

bilder zeigt den Willen zu Direktheit und Konkretheit 10, dem sich das am Tatsächlichen orientierte Schildern politischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Verhältnisse verpflichtet fühlt. Der Reisebeschreiber provoziert so den Vergleich seiner Leserschaft mit ihrer eigenen Situation, wodurch ihr ein Gefühl von Rückständigkeit und der Wille zu persönlicher Fortentwicklung injiziert werden kann. Diese Überlegungen finden ihren Niederschlag auch in den erzähltechnischen Mitteln des Reisebeschreibers 11. Er selbst als das beobachtende und erkennende Subjekt avanciert zu der Autorität, an deren persönliche Erfahrung das Berichtete gebunden bleibt. Aufgeklärte Erfassung der Gegenwart durch den bürgerlichen Reisenden spiegelt sich so in der bewußten Subjektivität des Beobachtenden; Reisen vermag deshalb einen entscheidenden Beitrag zur geistigen Eigenständigkeit der Reisenden zu leisten. Der schon zuvor erörterte, wechselwirksame Zusammenhang von Aufklärung und bürgerlicher Reisekultur, als dessen Exponent Archenholz definiert werden konnte 12 , kann also auf die Literarisierung seiner Reiseerlebnisse ausgedehnt weren, da er in der Bestimmung seiner Beobachtungsobjekte und in seiner reflektiven Beobachtung selbst die geschilderten gesellschaftspolitischen Intentionen der Reisebeschreibungstheorie umsetzt. So bildet etwa den ständigen Bezugspunkt der großen Reiseberichte seine eigne Augenzeugenschaft 13, während überdies die Kompilation empirischer Daten Ausdruck findet in seinen unzähligen Nachrichten besonders über die Verfassung und Sozialstruktur der geschilderten Gemeinwesen, über deren Handel, Wirtschaft und Gewerbe sowie über den Charakter einer Nation überhaupt, wie er sich in Handlungen, äußerem Erscheinungsbild, Sitten, Gebräuchen und Sprache, aber auch Architektur, Kunst und Literatur niederschlägt14. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang die gedankliche Ausrichtung Archenholz' wichtig, die sich hinter seiner Datensammlung - wie auch schon die Erarbeitung seiner maßgeblichen Werkinhalte zeigen konnte - erkennen läßt und die ihn der Aufklärung verpflichtet zeigt. So gaben ihm die Darstellung der engli-

Die Erörterungen paralleler Reiseformen des 18. Jahrhunderts hatten diesen Wandel von Entdeckungs- und Eroberungslust hin zu dem ausgeprägten Bildungsimpetus der bürgerlichen Reise gezeigt, der nicht zuletzt politisch motiviert war (vgl. Kap. C.I). Stewart findet fur die vorherrschende Technik der Eigenbeobachtung den Begriff der "Autopsie", die mit einer detaillierten Darstellung der Privatsphäre des Reiseerzählers einhergehen kann, dem sog. "Mikrologismus". Vgl. Stewart, Die Reisebeschreibung und ihre Theorie, 22 ff., 31 ff. und 43 ff. 12 Vgl. Kap. C.I. 13 Vgl. England und Italien, passim, aber auch die Frankreichberichte in der Minerva, 1792 und 1793 sowie besonders seine Schilderungen der Pariser Jakobinersitzungen. 14 Vgl. England und Italien sowie die Annalen der brittischen

Geschichte.

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F. Aufklärung und Werk Archenholz', Π: Ausführung und Strategie

sehen Verhältnisse ja nicht nur die Möglichkeit zur Kritik an den entsprechenden deutschen Zuständen15. Vielmehr konnte Archenholz hier seiner Erkenntnis von der Notwendigkeit der Entwicklung eines politischen Bewußtseins überhaupt Ausdruck verleihen 16, seine Gedanken zu Entstehung, Wirkung und Wichtigkeit der öffentlichen Meinung artikulieren 17, einen kausalen Zusammenhang von Urteilsfähigkeit und Aufklärung herstellen 18 sowie den Begriff der politischen Freiheit zum Aufklärungspostulat schlechthin erklären 19 . Wie schon bemerkt, beschränkt Archenholz die durch seine Reisen erworbenen Kompetenzen und gedanklichen Orientierungen nicht nur auf seine Reisebeschreibung. Gerade seine beiden anderen bekanntesten Werke, die "Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland" und sein historischpolitisches Journal "Minerva", zeigen entsprechend verwandte Werkmomente. Zunächst fällt auf, daß Archenholz in seiner Reisebeschreibung und in seinem Geschichtswerk die maßgeblichen empirischen Daten seiner vorberuflichen Erlebnisse literarisch umsetzt. Daß dabei die Schilderung seiner Reiseeindrücke der seiner Kriegserlebnisse chronologisch vorangeht, ist nicht nur aus der größeren Gegenwärtigkeit derselben zu erklären. Es sind die der Aufklärung verpflichteten, aus seinem Erkenntniswillen des zeitcharakteristischen Gesellschaftswandels resultierenden Wahrnehmungs- und Erkenntnisformen der gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, die Archenholz während seiner Reisejahre anhand national unterschiedlicher Beobachtunsobjekte so intensiv entwickeln und schulen kann, daß sie nicht nur in seinen Reiseschriften selbst direkt umgesetzt werden, sondern sein ganzes weiteres Wirken bestimmen. Indem er der Forderung eines historischen Blicks gerecht zu werden versucht, die in einer Auseinandersetzung um das Reisen und die Reiseliteratur 1785 im "Deutschen Merkur" an den Reisenden gestellt wird 2 0 , indem er seine Beobachtungsakte auf das Verstehen des Beobachteten richtet anstatt auf

15 Die näheren Ausführungen zu den genannten Aspekten finden sich in Kap. Ε.Π. Hier wird nur noch auf die Textstellen verwiesen. - Betreffs der Kritik an Deutschland vgl.: England und Italien, 1791, 3. Th., 264 f. 16 Vgl. ebd., 1. Th., 87 ff. 17 Vgl. ebd., 1. Th., 9 und 86. 18 Vgl. ebd. z.B. 2. Th., 202 f. 19 Vgl. ebd., 1. Th., 50 f.; 2. Th., 81 f.; 3. Th., 33 f., 218, 292 und besonders 356. 20 Zu dieser Auseinandersetzung vgl. Bödeker, Reisebeschreibungen im historischen Diskurs der Aufklärung, 278.

I. Inhalt, Form und Absicht

141

dessen bloßes Registrieren, subjektiviert er seine Perspektive als Reisender und richtet sie auf die historische Dimension der von ihm erfahrenen Gegenwart durch die Bewußtmachung ihrer Entstehungsbedingungen. Der solchermaßen Reise-Erlebende und Reise-Berichtende erhält die Chance, seine Empireme und deren literarische Verarbeitung als an seine Erfahrungssubjektivität und damit -autorität gebunden zu erkennen. Und da ja die Welterfahrung des bürgerlichen Reisenden Synonym seiner Selbstbewußtwerdung ist, kann er jetzt sich selbst als Subjekt nicht nur der Reise, sondern der Geschichte überhaupt identifizieren und damit einen entscheidenden Beitrag zur aufklärungshistorischen Begriffsentwicklung vom Menschen als Subjekt der Geschichte 2 1 leisten. Die Augenzeugenperspektive des Reisenden wird in diesem Zusammenhang zum Ausgangspunkt für die schließliche Standortbindung und Perspektivenbestimmung des Historikers, die die Aufklärungshistorie als entscheidende Voraussetzungen der geschichtlichen Erkenntnis feststellt 22 . Bezeichnenderweise kommt diese aus einem letztendlich historischen und historisierenden Bewußtsein motivierte Gegenwartserfahrung in Archenholz' Reisebeschreibung offensichtlicher zum Ausdruck als in seiner eigentlichen Geschichtsschreibung, in der er 1789 den Siebenjährigen Krieg thematisiert. Da dieses historische Ereignis für Archenholz noch einen Teil seiner Zeitgeschichte darstellt, kann er wieder Bezug auf seine Augenzeugenschaft nehmen 23 und nutzt dadurch die Möglichkeit, selbst integraler Bestandteil der von ihm erzählten Geschichte zu werden 24 . Entsprechend seinem dem Erzähl21 Dieser neue Geschichtsbegriff vom Menschen entsteht auch und gerade im Zusammenhang mit der neuen Reisekultur der Zeit; vgl. dazu eingehend: Bödeker u.a., Hrsg., Aufklärung und Geschichte, Studien zur deutschen Geschichtswissenschaft im 18. Jahrhundert, besonders 14 sowie Horst Dreitzel, Die Entwicklung der Historie zur Wissenschaft, in Z H F 8, 1981, 257 ff., und ausfuhrlich W. Krauss, Zur Anthropologie des 18. Jahrhunderts. Die Frühgeschichte der Menschheit im Blickpunkt der Aufklärung, hrsg. von Hans Cortum/Christia Gohrich, Berlin 1978. 22 Vgl. Bödeker u.a., Hrsg., Aufklärung und Geschichte, 18. - Vgl. auch Moravia , Beobachtende Vernunft. Philosophie und Anthropologie in der Aufklärung, passim, der u.a. die Entwicklung des empirischen Beobachtens mit der einer historisch orientierten Anthropologie in Zusammenhang bringt und schließlich als wichtiges Element der historischen Erklärung definiert. - Zur Bestimmung der Standortbindung als Voraussetzung geschichtlicher Erkenntnis durch die Aufklärungshistoriker vgl. grundlegend Reinhart Koselleck, Standortbindung und Zeitlichkeit. Ein Beitrag zur historiographischen Erschließung der geschichtlichen Welt, in: R. Koselleck/J. Mommsen/J. Rüsen, Hrsg., Objektivität und Parteilichkeit (Theorie der Geschichte 1), München 1977, 17 ff. und besonders 24 ff. 23 Vgl. Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutschland, 1788, z.B. 9 f. und besonders 214 f. 24 Bödeker, Iggers u.a. definieren diesen Vorgang als ein besonderes Spezifikum der Aufklärungshistorie; vgl. dies., Aufklärung und Geschichte, 14. Vgl. auch Koselleck,

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F. Aufklärung und Werk Archenholz', Π: Ausführung und Strategie

akt vorausgehenden Bewußtsein von der Historizität der zu behandelnden Thematik - eben dem zeitlich genau fixierten, in seinem Ablauf bereits abgeschlossenen und schon als geschichtlich apostrophierten Kriegsgeschehen wird in seiner Geschichtsdarstellung ein aufklärungstypisches geschichtliches Bewußtsein Archenholz' jedoch nur da faßbar, wo er die Möglichkeit wahrnimmt, so - und nicht anders - Gewesenes trotzdem als prinzipiell Offenes zu begreifen 25. Das gelingt ihm durch seine Bewußtmachung der die jeweiligen Begebenheiten bedingenden Kausalitäten, die ihn autorisiert, sowohl zukünftige Geschichtsverläufe zu prognostizieren 26, als auch vergangene Geschichtsabläufe in ihrer zeitweiligen Zufälligkeit zu entdecken27 und dementsprechende, in die Vergangenheit verlagerte und sich vom Tatsächlichen emanzipierende Prognosen zu wagen 28 . Auch Archenholz' große Zeitschrift "Minerva" ist hinsichtlich ihrer Gründung und ihrer inhaltlichen Ausrichtung durch die persönlichen Erlebnisse bzw. Beobachtungen ihres Herausgebers und Mitautors motiviert. Archenholz beginnt mit der Herausgabe dieses Journals im Jahr 1792, noch während seines nur einjährigen Aufenthaltes in Paris. Seine "Reise" hierher hatte er ja nach seinen eigenen Worten als welterfahrener, "spekulativer Schriftsteller" angetreten, "um die politischen Wunder in der Nähe anzustaunen und daraus Vorteile zu ziehen. " 2 9 Wieder ist es also die Eigenbeobachtung, die Augenzeugenschaft, mit der er sich fur eine anschließende literarische Darstellung qualifizieren möchte. Unmittelbarkeit zum Geschehen setzt er nun sogar als berechenbare, vorteilhafte Größe ein. Wieder sind es gerade auch Prozesse gesellschaftlichen Wandels, die ihn zu einer bewußt historischen Wahrnehmungs- und Erkenntnisweise gesellschaftlicher und politischer Vorgänge bewegen. Das Begriffspaar, das sein Journal als ein historisch-politisches kennzeichnet, oder etwa seine Eigenbezeichnung als "historischer Journalist" an

Standortbindung und Zeitlichkeit. Ein Beitrag zur historiographischen Erschließung der geschichtlichen Welt, in: dera./Mommsen/Rusen, Hrsg., Objektivität und Parteilichkeit, München 1977, 17 ff. sowie Kosellecks Analysen der historischen Erklärungsstrukturen Archenholz* in dessen Geschichte, in: ders., Vergangene Zukunft, 162-170. 25 Auch der offene Geschichtsbegriff ist im Kontext der Aufklärungshistorie zu begreifen; vgl. wieder Bödeker u. Iggers, Aufklärung und Geschichte, 14. 26 Vgl. etwa England und Italien, 3. Th., 15. Ab., 322 ff. und 346; vgl. auch die Ausführung dieser Beispiele sowie der unter Anm. 27 und 28 in Kap. F . n . l . 27 Vgl. Geschichte, 15. 28 Vgl. ebd., 30. 29 Archenholz an Campe, zitieit nach Ruof, Joh. Wilh. von Archenholtz, 32.

I. Inhalt, Form und Absicht

143

anderer Stelle 30 , machen genau diese gegenwartsbezogene, geschichtliche Dimensionierung seiner publizistischen Tätigkeit deutlich. Im Laufe seiner fast zwanzigjährigen Herausgeberschaft der "Minerva" - ein Zeitraum, in dem er ja noch andere, gleichermaßen ausgerichtete Projekte durchführt, wie z.B. die "Miscellen zur Geschichte des Tages" 31 - setzt Archenholz damit auf erweiterter Ebene das fort, was schon seine Reisebeschreibung und sein Geschichtswerk charakterisierte: Orientiert an einem kontinuitätsverbürgenden Handlungssubjekt, nämlich einem Land bzw. einer Nation, versucht er, anhand einer erklärenden Wiedergabe tagespolitischer Ereignisse Gegenwart über Geschichte bewußt zu machen bzw. politisches Bewußtwerden durch historisches Bewußtsein zu fordern. Dem den Ereignissen der Jahre zwischen 1792 und 1810 entsprechenden Leserbedürfhis nach prompter Information und einem Mehr an Öffentlichkeit sowie den über andere Werkformen hinausgehenden Möglichkeiten einer Zeitschrift gemäß gelingt Archenholz die Erweiterung seiner Augenzeugenschaft früherer Werke hin zu einer umfassenden Zeitzeugenschaft. Sowohl in biographischer als auch in konzeptioneller Hinsicht liegt zwischen Archenholz' Reisebeschreibung, seinem bekannten Geschichtswerk und seiner umfangreichen historisch-politischen Zeitschrift ein weiteres großes Projekt, in dem die intentionale Verschmelzung zeitlich differierender Komponenten ihren Ausdruck findet. Die Rede ist von den "Annalen der Brittischen Geschichte", die Archenholz bezeichnenderweise als Fortsetzung seines Reiseberichts "England und Italien" versteht 32, was einen Ausbau, zumindest aber eine Weiterfuhrung seiner hier entwickelten und weiterreichenden Werkstrukturen erwarten läßt. Schon von Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts selbst als "Species" der Gattung "Historie" zugeordnet 33, die sich durch das besonz . B . Minerva, 1803, 3. Bd., 164. - Zum Zusammenhang von Geschichtsschreibung, Zeitgeschichte und Politik, wie er sich gerade in dem Zeitschriftentypus des späterem 18. Jahrhunderts, der "historisch-politischen Zeitschrift", ausdrückt vgl. grundlegend Ingeborg Salzbrunn, Studien zum deutschen historischen Zeitschriftenwesen von der Göttinger Aufklärung bis zur Herausgabe der "Historischen Zeitschrift" (1859), Münster 1959, besonders 18 ff., 116 ff. und 128 ff.; Dann, Das historische Interesse in der deutschen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Geschichte und historische Forschung in den zeitgenössischen Zeitschriften, in: Historische Forschung im 18. Jahrhundert. Organisation, Zielsetzung, Ergebnisse, hrsg. von Hammer u.a., 386-415, besonders 398 ff. sowie allgemeiner zum Zusammenhang von aktueller Geschichtsschreibung und politischer Urteilsbildung: Fritz Ernst, Zeitgeschehen und Geschichtsschreibung, in: Welt als Geschichte 17, 1957, 137 ff., besonders 151-155. 31 Vgl. außerdem die Annalen der brittischen Schriften.

Geschichte sowie die Kleinen historischen

3 2 Vgl. Nachricht von den Schriften des Verfassers der Brittischen Annalen, in: Annalen des Jahres 1789, 3. Bd., 375.

33 Vgl. Zediere Universal Lexicon, 1732, 2. Bd., 381.

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F. Aufklarung und Werk Archenholz', Π: Ausführung und Strategie

dere Kriterium "Ordnung" auszeichnet, vermag diese historiographisch-chronikalische Form nicht nur Archenholz* Sinn für eine pragmatische Werksystematik34 Genüge zu tun. Vielmehr betritt Archenholz mit seinen "Annalen" geschickt eine Stufe der Geschichtsschreibung35, auf der er in besonderer Weise einer zeitgeschichtlichen Akzentuierung, d.h. seiner den historischen Vorgängen unmittelbar und fortlaufend beobachtenden Zeitzeugenschaft nachkommen kann. Dabei löst er sich von der reinen Annalistik, in der ausschließlich chronologische Aspekte über geschichtliche Zusammenhänge dominieren 36 und in der "die Begebenheiten eines Jahres, dann auch mehrerer Jahre in chronologischer Folge enthalten [waren], ohne Ursach und Folgen zu entwickeln oder sonst auf historische Kunst Anspruch zu machen. " 3 7 Dies beweist zum einen, wie sehr Archenholz literarische Gattungen zu seinen Zwecken nutzt und modelliert, indem er sie in den Dienst seiner Zeitgeschichte rezipierenden und deutenden Perspektive nimmt. Zum anderen zeigt diese funktionale Erweiterung der Annalenform aber auch die Konsequenz, mit der er seiner aufklärungsmotivierten Zielsetzung Tribut zollt, richtet er doch seine Zeitgeschichtsdokumentation nicht nur an eine zeitgenössische, sondern auch an eine zukünftige Leserschaft, für die er sich selbst in die Pflicht nimmt. So kommt wohl kaum eine historiographische Gattung Archenholz' Absicht, Material für zukünftige Geschichtsschreiber zu sammeln 3 8 , so sehr entgegen, wie die Annalistik, deren erklärtes Ziel es ist, "Materialien zur Geschichte zu liefern" und als "Stoff" für Historiographen nutzbar zu sein 39 . In seinem "Vorbericht" der britischen "Annalen" kommt Archenholz' Haltung zu dieser Werkform ebenso deutlich zum Ausdruck wie in seiner Schlußbetrachtung. Er gibt hier Einblick in seine Überzeugung vom Sinn seines Unternehmens, wobei er die besondere Eignung Englands als Beobach-

34 Vgl. z.B. Minerva, 1798, 4. Bd., 561 ff. 35 Diese Definition der Annalen-Form findet sich in: Brockhaus' Konversations=Lexikon, Leipzig/Berlin/W*en 1893, 1. Bd., 657. 36 Vgl. Der große Brockhaus, Leipzig 1939, 1. Bd., 489. - Archenholz ordnet der Chronologisierung eine thematische Strukturierung in jeweils acht Punkten über ('Geschichte des Parlaments', 'Geschichte der Regierung', 'Geschichte der Nation', 'National-Geist', 'Tribunal= Vorfalle', 'Geschichte der Litteratur', 'Geschichte der Kunst' und 'Sittengeschichte'), unter denen er dann die Begebenheiten eines Jahres erfaßt. 37 Allgemeine deutsche Real=Encyclopädie für die gebildeten Stände (Conversations= Lexikon), Leipzig 1830, 1. Bd., 305. 38 Vgl. z.B. Minerva, 1798, 4. Bd., 563; ebd., 1803, 3. Bd., 214. 39 Neues Conversations-Lexikon für alle Stände, Hildburghausen/New York 1857, 1. Bd.,

861.

I. Inhalt, Form und Absicht

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tungsgegenstand herausstreicht, in diesem Zusammenhang aber auch seine persönliche, aus seiner Reisezeit resultierende Qualifikation betont: "Es scheint kühn die Geschichte eines fremden Volks zu schreiben, noch ehe dieses Volk selbst die vorgefallenen Begebenheiten in seinen Jahrbüchern geordnet hat. Wenn jedoch ein solches Unternehmen in Betreff einer jeden Nation übereilt wäre, so ist sie es nicht in Ansehung der Brittischen, wegen ihrer öffentlichen Verhandlungen aller Angelegenheiten und ihrer unbegränzten Preßfreiheit ... Alles neue und merkwürdige ... wird in England mit vieler Genauigkeit ... in ... Schriften aufgezeichnet. Es sind diese zwar oft widersprechend, allein mit einiger Kenntniß des Landes und der Gegenstande, ... den verworrenen Faden der Wahrheit aufzufinden, erlangt man großentheils seinen Zweck. w 4 0 Überdies scheint Archenholz1 Begriff von der Relevanz verschiedener zeitlicher und damit perspektivischer Ebenen fur eine gerechte Urteilsfindung sein Annalen-Projekt schon von Beginn an mitzubestimmen, appelliert er doch hinsichtlich einer positiven Aufnahme seiner Werkreihe an die Leser, "die fähig sind, sich in den Standpunct des Verfassers zu setzen; denn eine durchaus vollständige Geschichte kann nie anders als nach Verlauf mehrer Jahre erwartet werden. Die uns zu nahen Begebenheiten blenden oft unsern Blick, und nur in einer gewissen Entfernung kann man sie gehörig betrachten." 41 Entsprechend befindet er auch im "Beschluß" seiner "Annalen" diese als "keinen unschicklichen Ort, etwas über die Geschichte in Betref der Zeit ihrer Abfassung zu sagen. " 4 2 Er legt hier sein dynamisches Zeitverständnis dar, indem er die Notwendigkeit des "gegenwärtigen Beobachters", die sich im Zeitfluß dauernd verändernden und verschwindenden Sitten und Gebräuche, alten Einrichtungen, Handlungen und Meinungen eines Volks zu fixieren, hervorhebt 43. Diese Fixierung, so Archenholz, sei eine unumgängliche Quelle fur den künftigen Geschichtsschreiber, der durch die Hinzunahme weiterer, späterer Quellen dann zu historisch richtigen, ausgewogenen und aufschlußreichen Urteilen gelangen könne. 44 In seinen selbstrezensierenden Bemerkungen, mit denen Archenholz seine Schlußbetrachtung der "Annalen" einleitet, betont er noch einmal, in welch herausragender Weise gerade die Jahrbuchgestalt seinen aufklärerischen Ambitionen zu einem Erfolg verholfen

40 Annalen des Jahres 1788, 1. Bd., Vorbericht, V f. - Deutliche Belege dieser Behauptung bieten die vielen "Statistischen Nachrichten" und "Akten-Stücke", die Archenholz schon kurz nach Erscheinen in England in seinen Annalen abdruckt; vgl. z.B. Annalen des Jahres 1795, 442 f. sowie ebd., 1796, 428-472 und 349-352. 41 Annalen des Jahres 1788, 1. Bd., Vorbericht, V I f. 42 Ebd., 1796, 19. Bd., 440-473, hier: 470. 43 Vgl. ebd., 472. 44 Vgl. ebd., 472 f. 10 Rieger

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F. Aufklärung und Werk Archenholz', Π: Ausführung und Strategie

hat. Er schreibt seinen Verdienst, im Laufe des zehnjährigen Erscheinens der "Annalen" durch die "Sammlung und Bearbeitung zahlreicher Materialien" dem deutschen Lesepublikum "vollständige Begriffe von der brittischen Geschichte in der letzten Decade" gegeben zu haben, in erster Linie den Möglichkeiten der Annalistik zu 4 5 . Diese könne nämlich Aufgaben erfüllen, die "weder Zeitungen noch Journale durch das Unzusammenhängende, Fragmentarische, Gattungswidrige, Widersprechende und nur zu oft durch Censur= Zwang Antihistorische der Behandlung ... vermögen." 46

1. Zur Technik des aufgeklärten Urteils

Die Entdeckung einer Übereinstimmung von Werkinhalten und -formen mit Archenholz' gesellschafts- und zeitkritischer Intention basierte in der vorhergehenden Untersuchung auf literatur- und geschichtsphilosophischen Überlegungen. Von besonderer Bedeutung erschien Archenholz die Befähigung des Lesers, durch eine möglichst umfassende Kenntnis der nationalen und internationalen Politik- und Gesellschaftsgeschichte seiner Zeit seine eigene Identität zu entwickeln und abzugrenzen, um so sein Potential als zeitgeschichtlicher Teilhaber freizulegen. Dabei beweist Archenholz sein Bewußtsein von den Möglichkeiten und Grenzen literarischen und publizistischen Wirkens insofern, als er die prüfende, sachkundige und eigenständige Urteilsfindung seiner Leserschaft als die unabdingbare Vorstufe eines umfassenden Emanzipationsprozesses erkennt, die gerade durch Lektüre bewirkt und ausgebaut werden kann. Die stoffliche Basis fur aufgeklärte Urteile zu bieten und den Leser überdies zu solchen zu animieren, ist der Moment innerhalb des Aufklärungsvorgangs, in den Arhenholz sich mit seinem Werk einhakt 47 . Dies bewiesen nicht nur die Wahl seiner Werkformen und -inhalte, mit denen er dieses persönliche, aufklärerische Anliegen in Einklang zu bringen verstand.

45 Vgl. ebd., 446 ff. 46 Ebd., 447. 47 So definiert auch Koselleck die Fähigkeit und den Vollzug des eigenständigen Urteils als Wesen genau der Kritik, in der sich die bürgerliche Verselbständigung des 18. Jahrhunderts veräußert, wodurch unbewußt, doch unausbleiblich die Krise heraufbeschworen wird. Mit Schiller erkennt er Selbstbestimmung als Unabhängigkeit vom Fremdurteil, die schließlich in den öffentlichen Urteilsakten der Bürger zum Ausdruck kommt. Die Kritik bezeichnet Koselleck dabei nicht nur als "die die Vernunft als Urteilsinstanz auszeichnende Tätigkit", sondern als "eine Kunst des Urteils", die "einen vorgegebenen Sachverhalt auf seine Echtheit ... oder Richtigkeit ... hin [befragt], um aus der gewonnenen Erkenntnis heraus ein Urteil zu fallen." Vgl. Koselleck, Kritik und Krise, 44 f., 86, 89.

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I. Inhalt, Form und Absicht

Auch eine Anzahl direkter und programmatischer Aussagen Archenholz1 sind im Rahmen der Absicht zu sehen, seine Leserschaft in Emanzipations- und damit Auiklärungsvorgänge einzubeziehen. Dabei lassen sich vier Kategorien voneinander unterscheiden, durch die Archenholz ein unmittelbares Verhältnis zwischen seinem Leser und seinen Aufklärungsabsichten herzustellen versucht: Die Schwerpunktsetzung innerhalb seiner Zeitgeschichtsdokumentation, die Äußerung zu seinem eigenen Arbeitsvorgehen, Archenholz' Erläuterung einer regelrechten Urteilstechnik sowie des Vorgangs der Urteilsbegründung. Der Mittelpunkt der Zeitberichterstattung Archenholz* ist ein durchaus anthropologischer. Seine wiederholten Hinweise auf den "Hauptgegenstand seiner Beobachtungen", nämlich den Menschen in seinen sittlichen und politischen "Verbindungen und Verhältnissen" 48, sowie seine Betonung der Darstellungsschwerpunkte Charakter und Handlung 49 geben davon eine Vorstellung. Archenholz bindet seine Darstellungen gemeinhin an Nationen, weshalb seine Charakterbilder überwiegend auf die Wiedergabe der jeweiligen "Volkscharaktere", des "Nationalgeistes" abzielen50. Obwohl er auch der Relevanz des einzelnen im historischen und zeithistorischen Ablauf Rechnung trägt 51 , fordert er durch diese nationale Anthropologisierung 52 politisch-kulturelle Identitätsprozesse und letztlich die kritische Reflexion auf die eigene gesellschaftliche und politische Wirklichkeit. Eine solche Spiegelfunktion kommt besonders Archenholz* Sittengemälden zu, die er nicht nur von Nationen im ganzen entwirft 53 , sondern auch von anderen Arten von Gemeinwesen. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet seine Schilderung der "Pariser Ja-

48 England und Italien, 1. Th., Vorbericht, Χ Π . An gleicher Stelle bezeichnet er diesen Beobachtungsgegenstand als "moralischen Stoff, den Italien "bey weitem nicht in dem Maaße wie England [liefert]." Vgl. z.B. Die Engländer in Indien, 1. Bd., Vorberichte, o.S. und 37. 50 Vgl. allein die entsprechenden Kapitel dieses Titels in England und Italien und den Annalen. Vgl. z.B. seine beharrlichen Verweise auf die historische Verantwortlichkeit von Feldherrn (z.B. Minerva, 1805, 4. Bd., 182 und besonders 356 oder die Betonung der historischen Leistung der von ihm thematisierten Persönlichkeiten (Gustav Wasa, Elisabeth I., Sixtus V . , Jan Sobiesky, La Fayette, Ferdinand von Braunschweig und nicht zuletzt Friedrich Π.). 52 "Mit ganzen Nationen verhalt es sich oft wie mit einzelnen Menschen; will man sie mit Billigkeit richten, so muß man ihre Handlungen gegen ihre Kräfte abwiegen, und nicht von verschiedenen Kraftmassen gleiche Resultate verlangen." (Annalen des Jahres 1789, 98). 53 Vgl. Archenholz über diese Funktion von Sittengemälden 1. Bd., 277.

in: Annalen des Jahres 1788,

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F. Aufklärung und Werk Archenholz', Π: Ausführung und Strategie

cobiner in ihren Sitzungen*54, die er in folgende Rubriken unterteilt: "Sprache und Handlungen", "Geist", "Zustand", "Stimmung", "Originalität", "Ränke und Geschäfte", "Mittel und Plane", "Aufschlüsse über die wichtigsten Vorfälle und deren intrigante Vorbereitung", "politische Possenspiele, Menschenbosheit und Characterblössen", "Patriotismus" und "Volkswuth" 55 . Diese Hervorhebungen von Kategorien menschlichen Charakters und Handelns, die Archenholz' Gesamtwerk mitbestimmt56, wird im Rahmen der Überlegungen zu seinen Emanzipationsstrategien nochmals aufzugreifen sein. Zunächst bleibt festzuhalten, daß er durch seine spezifisch anthropologische Akzentuierung die Aufmerksamkeit des Lesers auf den Menschen in Gemeinschaft und in seiner Individualität lenkt und dadurch sowohl seinen Gemeinsinn generell als auch seine Identitätsfindung anregt. Eine weitere, wenn auch ganz andere Thematik gibt Aufschluß über Archenholz' bewußtes Bemühen, seine Leserschaft, und zwar eine möglichst breite Leserschaft, zu erreichen: Die Erörterung seiner eigenen Arbeitstechnik. Einige Textstellen geben Hinweise darauf, inwiefern er durch die Erarbeitung und Präsentation seiner Schriften auf dieses umfassende Publikum abzielt, um seinem Tun zu einem möglichst weiten und unmittelbaren Wirkungsfeld zu verhelfen. In seinen Briefen an Gleim etwa philosophiert Archenholz über die "Eigenheit" einer Begebenheit, derer man nur durch "Brüten" gewahr werde, die aber, einmal erkannt, die Erfassung der Begebenheit selbst erleichtere 57. Er selbst, so Archenholz an anderer Stelle, bemühe sich, durch seine "rastlose Suche nach Materialien" 58 , "alle Züge" einer Begebenheit "aus bekannten und unbekannten Quellen aufzusuchen, sie [zu] vergleichen, [zu] richten und dann [zu] ordnen. " 5 9 Durch eine solchermaßen selektierende und systematisierende Vorarbeit kann dem Leser eine Begebenheit oder eine Thematik direkt in ihrer Charakteristik vermittelt und der intellektuelle Zugriff erleichtert werden. Als weiteres Kriterium dieser Publikums-orientierten Rezipierbarkeit seiner Werke bestimmt Archenholz die schon unter anderen Gesichtspunkten als relevant erkannte Gegenwartsnähe

54 Die Pariser in ihren Sitzungen. Ein Auszug aus ihrem Tagebuch, veranstaltet und mit Anmerkungen versehen von J.W. v. Archenholz, 1793. 55 Vgl. ebd., V I . 56 Dieser Aspekt steht immer im Kontext der jeweiligen Werkthematik und ist daher in Einzelbeispielen nicht herauszustellen. 57 Archenholz an Gleim, 29. Sept. 1794. 58 Archenholz an Gleim, 10. April 1795. 59 Archenholz an Gleim, 29. Sept. 1794.

I. Inhalt, Form und Absicht

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seiner Werke und besonders seiner veranschaulichenden Beispiele60. Er betont diese Methode überdies als die "unterrichtendste" und "angenehmste" und gibt damit den traditionellen, auch im 18. Jahrhundert beachteten, theoretischen Wirkungskategorien des prodesse et delectare eine besondere, wiederum gegenwartsbezogene Akzentuierung 61. Auch in seinem programmatischen Bemühen um Verständlichkeit demonstriert Archenholz seine Publikumsnähe. So behauptet er von sich selbst, "so sehr wie irgendein Schriftsteller Deutschlands" bestrebt zu sein, "für jedermann deutlich zu schreiben" 62. Außerdem gibt er der Verständlichkeit seiner Werke einen eindeutigen Vorrang vor ihrer Wissenschaftlichkeit, indem er sich nach eigenen Worten einer Freiheit bedient, "die allen scrupulösen Gelehrten, denen Buchstaben äußerst wichtig sind, sehr anstößig seyn dürfte", nämlich sich "lieber verständlich und etymologisch unrichtig, als unverständlich richtig" auszudrücken63. Außer in seine Arbeitstechnik gibt Archenholz aber auch Einblick in seine Urteilsfindung, der die Sachkenntnis vorauszugehen hat 6 4 . Dadurch gibt er dem Leser ein Beispiel dessen, was er ihm durch den Entwurf einer Urteilstechnik konkret abverlangt: "Ich habe ... das meiste durch solche Tatsachen bewiesen, die leicht zu untersuchen sind. Ist die Wahrheit derselben nun unleugbar, so stellen sich die Resultate denkenden Lesern von selbst dar, und nur diese Leser, ... werden das Ganze meiner auf Erfahrung und unermüdetes Nachforschen gegründeten Behauptungen gehörig prüfen" 65 , heißt es in Archenholz' Reisebericht. Hier fordert er dann auch, daß "man Thatsachen [untersuche], und zwar genau, wenn man kann, und alsdann urtheile man." 66 Solche Tatsachen will Archenholz mit seinen Werken hauptsächlich präsentieren und dem Leser ein weitgehend eigenständiges Urteil überlassen bzw. ihn 60 Vgl. England und Italien, 2. Th., 8. Ab., 81 f.; Die Engländer in Italien, 1786, 1. Bd., Vorbericht, o.S. Vgl. England und Italien, 2. Th., 82. - Vgl. zu Tradition und Aktualität dieser Wirkungskategorien Stewart, Die Reisebeschreibung und ihre Theorie, 193 ff. 62 Erläuterung über eine dunkle Stelle in der Minerva, in: Minerva, 1800, 4. Bd., 562 f., hier: 563. 63 Die Engländer in Indien, Vorbericht, O.S. 64 Vgl. England und Italien, 2. Th., 10. Ab., 202 f.; ebd., Vorbericht zur zweiten Ausgabe, 1791, ΧΙΠ; Minerva, 1803, 1. Bd., 338. 65 England und Italien, 2. Th., 10. Ab., 202 f. 66 Ebd., 1. Th., 1. Ab., 21. - Entsprechend lautet das Motto seiner Geschichte, keine Lobrede des "großen Monarchen" zu halten, sondern "die getreue Erzählung seiner Thaten" vorzulegen (ebd., 8).

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F. Aufklärung und Werk Archenholz', Π: Ausführung und Strategie

dazu ermuntern. So sollen etwa seine Reisebemerkungen "eigentlich nur zwey Skitzen seyn, die sich ein jeder nach eigner Erfahrung und Kenntniß ausmalen kann" 67 , und die er als "das Resultat selbst gesehener Thatsachen" durch viele Beispiele angereichert vorlegt, um "meine Leser in den Stand zu setzen, die Richtigkeit meiner auf Erfahrung gebauten Behauptungen selbst zu prüfen. " 6 8 Die im Zuge der Urteilsfindung wichtigen Faktoren Kenntnis und Erfahrung, die Archenholz hier anspricht, macht er immer wieder zur Bedingung seines eigenen Urteils 69 , verhilft aber außerdem gerade durch das empirische Element nicht nur der subjektiven Beobachtung des Zeitgeschehens wieder zu ihrer Relevanz 70 , sondern kann dem subjektiven Ermessen überhaupt seinen Spielraum verschaffen 71. So gibt er selbst Beispiele für die Revision bereits gültiger Urteile durch seine persönliche, auf Erfahrung, Augenzeugenschaft und Sachkenntnis begründete Einstellung72, wodurch er sich von vorherrschenden Urteilsautoritäten emanzipieren kann. Um sich eine ausreichende Kenntnis über einen Gegenstand zu verschaffen, erkennt Archenholz das Registrieren der verschiedenen Meinungen zu einem Sachverhalt als unumgänglich. "Einseitig kann die Wahrheit nichts ans Licht kommen, man muß die Acten beider Partheyen lesen" 73 , erläutert er in einem Brief an Gleim seine Präsentation der jakobinischen Beschuldigungen gegen La Fayette in seiner "Minerva", die er dort "zur Beschauung aufgestellt" habe. Auch in seiner "Geschichte des Siebenjährigen Krieges" verweist er gleich zu Beginn darauf, daß "Bemerkungen, die menschliche Mängel betreffen, auf Thatsachen gegründet, gleichviel wer der Gegenstand ist, sollte er auch der Held seines Jahrhunderts seyn, wenn sie zur Geschichte gehören und

67 England und Italien, 1. Th., Vorbericht, X I . 68 Ebd., X I f. 6 9 Vgl. Minerva, 1792, 2. Bd., 66 ff.: Archenholz überläßt die Kommentierung eines Artikels aus Frankreich anderen, da "der Herausgeber sich noch nicht [getraut], wegen Mangel an hinreichender Sachkunde über diesen wichtigen Gegenstand seine Privatmeinung zu sagen." Vgl. auch ebd., 1795, 2. Bd., 500: Archenholz bezeichnet sich in Paris als einen Ausländer, "der seine Uitheile zurückhält, weil er erst die Revolution studiren will", worauf folgt, daß er später als "Schriftsteller das Recht hat", "mit solchen Ansprüchen auf Kunde ... sich über geprüfte Dinge hören zu lassen."

70 So besonders im Zusammenhang seiner Frankreichberichte, die mit seiner Parisreise einsetzen; vgl. vor allem die "Politischen Betrachtungen über die neuesten Vorfalle in Frankreich, geschrieben 15. Sept. 1792", in: Mineiva, 1792, 3. Bd., 389 ff., besonders 389 f. 71 Vgl. England und Italien, Vorbericht zur zweiten Ausgabe, ΧΙΠ; Minerva, 1809, 2. Bd., 103. 72 Vgl. Minerva, 1809, 3. Bd., 552-557: "Das neue Preußische Militär". 73 Archenholz an Gleim, 22. Mai 1793.

I. Inhalt, Form und Absicht

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zur Aufklärung des Ganzen erforderlich sind, der Geschichtsschreiber nicht verschweigen [darf]"; denn: "Die Wahrheit desselben wird sodann nicht verdächtig; sie erhält vielmehr durch die freymüthige Berührung von Schwachheiten, denen die größten Sterblichen eben so gut wie die niedrigsten unterworfen sind, eine größere Glaubwürdigkeit, da sie mit dem Stempel der Unpartheylichkeit bezeichnet ist. " 7 4 Im Falle der Französischen Revolution erkennt Archenholz diese Auflage einer umfassenden Kenntnis der verschiedenen Parteien, die einer gerechten Beurteilung vorauszugehen hat, als fast uneinlösbar. So beantwortet er die Frage nach dem Grund der ungewöhnlichen vielen "falschen Urtheile, dieser Menge von politischen Vorurtheilen und einseitigen Privat=Meinungen" mit dem Hinweis auf den "unermeßlichen Reichthum der Mannigfaltigkeit, der Ausserordentlichkeit und des erstaunend schnellen Fortgangs der großen Begebenheiten", der, "gleichsam die Geschichte mehrerer Jahrhunderte", eine ausschließliche Beschäftigung mit derselben erfordert hätte, um sie ganz zu erfassen 75. Er bleibt jedoch dabei, daß "dennoch die Kenntniß aller wichtigen Züge und Umstände erforderlich [ist], um über die Geschichte unsrer Zeit, ja auch nur über einen Theil derselben richtig zu urtheilen. " 7 6 Dem Aspekt der Unparteilichkeit, der im Zusammenhang dieser Überlegungen zu einer gerechten Urteilsfindung angeklungen war, wiederholt Archenholz an anderer Stelle. Nicht nur seinen eigenen Urteilen, die sich meist mit zeitgeschichtlichen Themen befassen, versucht er, durch die Beteuerung seiner Un- oder Überparteilichkeit die Objektivität zu verleihen, die bei einem zeitlich größeren Abstand zum Geschehen ja auch in entsprechend größerem Maß gewährleistet wäre 77 . Auch seine häufige Verteidigimg einer ihm angelasteten Parteinahme78 geben Zeugnis von seinem "Grundsatz", daß "ein jeder Beobachter die Freyheit haben muß, seine Meynungen ungehindert niederzu-

74 Geschichte, 1788, 8 f. 75 Vgl. Minerva, 1798, 2. Bd., 6. 76 Ebd., 7. 77 Vgl. Annalen des Jahres 1788, 1. Bd., Vorbericht, VU. - Salzbrunn erkennt in der mangelnden zeitlichen Distanz der zeitgeschichtlichen Abhandlungen des späten 18. Jahrhunderts ein Dilemma der Schriftsteller, die ihre fehlende historische Objektivität durch das Etikett der Unparteilichkeit zu ersetzen versuchen: Nicht mehr der zeitliche Abstand, sondern die Logik der Betrachtungsweise garantiert Objektivität. Auch Archenholz betont immer wieder diese Unparteilichkeit. (Vgl. Salzbrunn, Studien zum deutschen historischen Zeitschriftenwesen, 96). 78 So immer wieder im Zusammenhang seiner ungleichen Schilderung der Länder England und Italien in seiner Reiseschrift. Vgl. eine Verteidigung derselben noch 1798, Minerva, 2. Bd., 568 f. Überdies geben diese Angriffe und Archenholz' Rechtfertigung ein Beispiel von der möglichen Diskrepanz zwischen seinem artikulierten Vorsatz und seiner Ausführung.

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F. Aufklärung und Werk Archenholz', Π: Ausführung und Strategie

schreiben, und sie so der Prüfung zu überlassen. " 7 9 Auf diese Weise kann er Parteinahme und persönlichen Standpunkt voneinander unterscheiden und dem subjektiven Element jeder Urteilsfindung zu seinem Recht verhelfen 80. Entsprechend menschlich klingt da auch seine Mahnung: "Man betrachte alles in dem rechten Lichte, so wie es uns die Tagesgeschichte darbietet, und richte ohne Vorurteile, wenn ~ man kann. " 8 1 Ebenso wichtig wie die Fähigkeit zum richtigen, d.h. für Archenholz aufgeklärten Urteil ist die Begründung desselben. Erst durch die Möglichkeit, ein eigenständiges Urteil zu begründen, kann die Verselbständigung, die Befreiung von Autoritäten vollzogen werden. Archenholz bietet diese Möglichkeit, indem er in der Herleitung seiner Meinungsbildung Ursache-Wirkungsverhältnisse herstellt, die dem Leser sein Urteil, aber auch die zugrundeliegende Wirklichkeit zu erklären versuchen. Dadurch wird Tatsächliches nicht mehr als Gegebenes, sondern als Entstandenes erkannt und damit die Möglichkeit zum Eingriff, zur Mitgestaltung eröffnet. Die Erwägung eines möglicherweise beeinflußbaren Geschehensablaufs vermittelt so den Begriff von Sinn und Konsequenz individuellen und staatlichen Handelns. In diesem Zusammenhang rückt wieder seine besonders ambitionierte Herausarbeitung des Charakters, der Sitten und der Handlungen einer Nation oder eines Gemeinwesens generell oder eines einzelnen in den Vordergrund 82. Außer seiner Erklärung einer diesbezüglichen Schwerpunktsetzung ernennt er nämlich die Nachbildung der Ursachen und Wirkungen zu seinem Werkprogramm 83, wo-

79 Archenholz' Vorbericht zu Heinrich von Watzdorf, Briefe zur Charakteristik von England gehörig; geschrieben auf einer Reise im Jahre 1784, Leipzig 1789, 3 f. 80 So bermerkt Archenholz zu seinem "Gemälde der Preußischen Armee vor und in dem siebenjährigen Krieg": "Auch ist fur den Leser dieser Geschichte ein Standpunkt erforderlich, um die mit jenem ... Kriege verbundenen Scenen ... richtiger zu beurtheilen.", in: Kleine historische Schriften, 1791, 1. Bd., 1-54, hier: 4. - Vgl. die Vorführung einer solchen Urteilsfindung in den "Bemerkungen über den Subsidientraktat Baierns mit England", in denen Archenholz anhand eingangs formulierter Fragestellungen systematisch seine eigene Position abhandelt. 81 Annalen des Jahres 1796, 19. Bd., Beschluß, 456. 82 Vgl. Anm. 51; vgl. außerdem seine Arbeiten über die Jakobiner und die Flibustier sowie seine Äußerungen zu Preußen, England und Frankreich. 83 Vgl. "Die Engländer in Italien", 1786, 1. Bd., Vorbericht: Archenholz begründet seine detaillierte Schilderung damit, "daß hier alles wie eine Kette an einander hängt, Ursachen und Wirkungen." (o.S.). - Vgl. auch den Vorbericht der "Kleinen historischen Schriften", 1791, 1. Bd., in welchem er die bisherigen Geschichtsschreiber und -forscher kritisiert: "Sie sahen nur auf die Resultate oder auf Nebenumstände; allein auf die Triebfedern der Handlungen, ihre allmähliche Entwicklung, so wie auf das Spiel der Leidenschaften, wurde gar keine Rücksicht genommen, und so blieben ihre Geschichte=Erzählungen ungelesen, so originel ... auch der Gegenstand seyn möchte." (IV).

Π . Zeitlichkeit und Verselbständigung

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bei er den Charakter - gemeint ist damit die Eigenheit, nicht ein Tugendporträt - als Ursache von Gesinnung und Handlung definiert. Gerade am Beispiel England demonstriert Archenholz den Zusammenhang von Originalität und Handlungsfreiheit, was ihn auf den übergeordneten, wiederum kausalen Kontext von Regierungsform und sich in Gesinnung und Handlung äußernden Nationalcharakter verweisen läßt 8 4 . Damit betritt er genau die politische Ebene, die sich schon bei der Analyse seiner Positionen als eines seiner Hauptanliegen herauskristallisiert hatte: Die Vermittlung eines Politikbegriffs, der Politik verständlich macht als ein auf Gemeinschaft bezogenes Handlungsvermögen, das sich in einer kritischen nationalen und bürgerlichen Identität begründet. Gerade der Kausalitätsaspekt im Werk Archenholz* verweist auf eine weitere, ganz entscheidende Dimension seines Denkens, die schon mehrmals berührt wurde, der es aber in Anbetracht ihrer Relevanz umfassend und gesondert nachzugehen gilt: Der Historizität seiner Anschauung, die aus seinem Interesse an seiner gesellschaftlichen und politischen Gegenwart erwächst und zu dieser gleichzeitig hinführt.

I I . Zeitlichkeit und Verselbständigung: Historizität als Bedingung emanzipierter Gegenwartserfahrung und politischen Bewußtseins

In Archenholz* Zeitschriften finden sich zwei theoretische Abhandlungen, die über das Studium der Geschichte und über den Zusammenhang von Geschichte und Politik reflektieren 85. Die Aufsätze sind nicht von Archenholz selbst verfaßt, scheinen aber dennoch die Grundvorstellungen ihres Herausgebers abzustecken, denen dieser nicht nur in seinen historiographischen Werken, sondern in seinem Gesamtwerk folgt. So schreiben die "Letters on the Study of History" der Geschichtskenntnis das Potential zu, Wirkungen aus ihren Ursachen ableiten zu können, und erkennen die Dringlichkeit dieses Vorgangs gerade für politische Belange86.

84 Vgl. England und Italien, 1. Th., 1. Ab.: "Nationalbegriffe", 53 ff.; ebd., 2. Th., 10. Ab.: "Sittengemälde", 232 f. 85 Vgl. The English Lyceum, 1787, Vol. Π, 105 ff. und Minerva, 1808, 1. Bd., 1-11. - Zu diesem Zusammenhang vgl. auch Manfred Schlenke, Kulturgeschichte oder politische Geschichte in der Geschichtsschreibung des 18. Jahihundeits, in: Archiv für Kulturgeschichte 37, 1955. 86 Vgl. The English Lyceum, 105.

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F. Aufklrung und Werk Archenholz', Π: Ausführung und Strategie

Letztere bedürfen nämlich unbedingt des Wissens um die Grenzen und Möglichkeiten des Menschen, und nichts anderes eigne sich zu dieser Lehre "über uns selbst" so sehr wie die Geschichte. Sowohl der Biographie als auch der general history wird hier dieser Lehrcharakter zugeschrieben, den sie durch die Ableitung des Charakters aus den Handlungen erhält, was ebenso fur politische Reflexionen über Staaten angewandt werden kann 87 . In dem bedeutsamerweise "Reflexionen über Geschichte und Politik" titulierten Aufsatz aus dem Jahr 1808 finden sich interessante Definitionen zu Wesen, Zweck und Darstellung von Geschichte. Hier wird festgestellt, daß "die Geschichte ihrem Wesen nach auf Nationalität beschränkt [ist]", die den hauptsächlichen Anhaltspunkt jeder Geschichtsschreibung bietet 88 . Die Historie selbst hingegen wird definiert als "die Darstellung des successiven Zustandes und der Begebenheiten einer Nation nach den Gesetzen der Wahrheit und Caussalität", wobei der Zweck der Darstellung in dieser selbst und nicht in der Erfassimg der "höheren Idee" der Nation liege 89 . Nichtsdestotrotz könne jedoch gerade die historische Darstellung dem Leser als Quelle, Spiegel und Lehrerin dienen, da sie einen "Abdruck der Würklichkeit", ein "Gemälde der Begebenheiten" biete. Um eine solche Funktion zu erfüllen, müsse sich der darstellende Historiker jedoch an die Kriterien der formalen Wahrheit, d.h. Deutlichkeit, Treue und Vollständigkeit, halten sowie sich einer räsonierenden Kausalität befleißigen 90. Die Aspekte, die aus diesen Überlegungen festzuhalten sind, da Archenholz sie in seinem Werk aufgreift und umsetzt, lassen sich erstens fassen als der Zusammenhang von Geschichtskenntnis, Gegenwart und Politik, wobei der Zielrichtung: Handlungsbefahigung durch die kausale Darstellung von Handlung und Charakter eine besondere Bedeutung zukommt. Zweitens ist der Festlegung der Darstellungskriterien Beachtung zu schenken, die sich aus der Begebenheit und aus der darstellungsinhärenten Herleitung von Ursache-Wirkungsverhältnissen zusammensetzt.

87 Vgl. ebd., 106 f. 88 Vgl. Mineiva, 1808, 1. Bd., 7, § 20. 89 Vgl. ebd., 8, § 21 und 9, § 26. 90 Vgl. ebd., 9 f., § 26 und 10, § 28.

Π. Zeitlichkeit und Verselbständigung

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1. Zwischen künftiger und historischer Geschichte91

Archenholz demonstriert in seinem Werk ein ausgeprägtes Bewußtsein von Zeitlichkeit 92 , das sein Selbstverständnis und sein Wirken bestimmt. Im Mittelpunkt dieses Bewußtseins steht sein Interesse an seiner Gegenwart, als deren "häufigster Beobachter" er sich versteht und auch von seinen Zeitgenossen anerkannt wird 9 3 . Dieses Interesse wird insofern von seinem Begriff von Geschichtlichkeit mitbestimmt, als er zum einen die Geschichte seiner Zeit als zukünftige Geschichte auffaßt und sie zum anderen wiederum mittels vergangener Geschichte zu deuten versucht. Daraus ergeben sich zwei Kategorien von Historizität, denen es im folgenden nachzugehen gilt: Archenholz1 Begriff von Zeitgeschichte, der er sich in dem Bewußtsein ihrer künftigen Geschichtlichkeit zuwendet sowie seine Erkenntnis von der historischen Bedingtheit seiner Gegenwart. Archenholz' artikuliert als wesentliches Anliegen seines Werks, ein "Depot von Geschichts=Materialien aus einer wichtigen Epoche [zu] liefern." 94 Schon die Untersuchung seiner Werkkonzeption war ja in dieses Anliegen gemündet. Jetzt interessiert es hinsichtlich seiner zugrundeliegenden Zeitebenen. Indem Archenholz nämlich den Geschichtsforscher als synonymen Begriff zum Zeitbeobachter setzt, dem er mittels eines geübten Blicks die

Der Titel dieses Kapitels steht im Zusammenhang eines Forschungsansatzes, der maßgeblich von Reinhart Koselleck initiiert und ausgearbeitet wurde. In seinem Sammelband zur "Semantik geschichtlicher Zeiten" befaßt er sich mit dem historischen Phänomen der bewußtseinsimmanenten Überlagerung und der Differenzierung unterschiedlicher Zeitbegriffe, das auch und gerade im 18. Jahrhundert auftritt und entfaltet wird. Der Umstand, daß er im Kontext dieses Forschungsinteresses Archenholz' Geschichtswerk als Beispiel "zur Theorie und Methode historischer Zeitbestimmung" Beachtung schenkt, konnte im Rahmen der vorliegenden Untersuchung aufgegriffen, aber auch unabhängig davon ausgebaut werden. 92 So spricht Koselleck fur die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts von einem neuen Zeitbegriff, der der Zeit selbst eine geschichUiche Qualität zuschreibt, d.h. der Zeitgeschichte als Geschichte und Geschichte immer auch als Zeitgeschichte erkennt. "Nicht mehr in der Zeit, sondern durch die Zeit vollzieht sich dann die Geschichte. Die Zeit wird dynamisiert zu einer Kraft der Geschichte selber." Vgl. Koselleck, 'Neuzeit'. Zur Semantik moderner Bewegungsbegriffe, zuerst in: ders., Hrsg., Studien zum Beginn der modernen Welt, Stuttgart 1977, 279292, hier: 279 f. Vgl. zu diesem Aspekt auch Horst Günther, Zeit und Bewußtsein im historischen Denken, in: Koselleck/Widmer, Hrsg., Niedergang. Studien zu einem geschichtlichen Thema, Stuttgart 1979, 31-49. 93 So schreibt Gleim an Archenholz am 9. Februar 1795: "Unterm ... Lesen der ... Flugschriften habe ich an Sie, unseren häufigsten Beobachter der grauenvollen Zeitgeschichte, manche Frage." 94 Minerva, 1893, 4. Bd., 382.

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"Konzentration auf seine Zeitgeschichte" anheimstellt95, gestattet er auf der einen Seite einen Rückschluß auf den von ihm selbst erkannten, herrschenden Zeitgeschmack96. Den Ereignissen im Verlauf der zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts gestehe nämlich nicht nur er selbst eine historische Einzigartigkeit z u 9 7 , die dem Zeitgenossen die historische Pflicht zur Berichterstattung geradezu auferlege 98. Vielmehr erkennt er das Interesse an gerade seiner Zeit als das "große Thema des Tages", das sich aus dem allgemeinen Bewußtsein der historisch unvergleichlichen Veränderungen des Zeitgeschehens ergebe 99. Auf der anderen Seite vollzieht sich jedoch in Archenholz' synonymem Verständnis von Geschichtsforscher und Zeitgeschichtsreporter die Verschmelzung verschiedener Zeitebenen zu einem komplexen Begriff von Gegenwart, die den "historischen Beobachter und Beyträger zur Zeitgeschicht e " 1 0 0 dazu bewegt, diese unter zukunftsorientierten und vergangenheitsbezogenen Aspekten erfassen zu wollen 1 0 1 . Und tatsächlich scheint Archen95 Vgl. Annalen des Jahres 1792, 9. Bd., 289: "Dem Geschichtsforscher, der ... bisher unter den Scenen des Alterthums, des Mittelalters und der neueren Vorzeit ... verweilte, öffnet unser gegenwärtiges thatenreiches Zeitalter einen äußerst interessanten Schauplatz, auf welchem er sein Auge mehr und länger als andre richten darf, weil sein Blick geübt ist, weil ihn die Vergleichung mit dem, was ist, mit dem, was war, zu den lehrreichsten Folgerungen und Resultaten führen kann." 96 Vgl. Annalen des Jahres 1794, 12. Bd., 276. 97 Vgl. den anonymen Aufsatz "Zur Zeitgeschichte", in: Minerva, 1807, 1. Bd., 333-346, besonders 333. 98 Vgl. "Historische Betrachtungen", in: Minerva, 1793, 2. Bd., 1-15: "Sollte es denn den Zeitgenossen nicht erlaubt seyn, mit der Fackel der Wahrheit manche ... Gegenstände zu beleuchten? Ich glaube, daß dieses für mitlebende historische Beobachter eine Art Pflicht ist. Es sind Züge, die man für die Nachwelt sammeln muß, um den künftigen Staats=Codex des Menschengeschlechts ... vollständiger zu machen ... Der Wahrheit liebende Geschichtsforscher muß, von Vorurtheilen entblößt, diese Wahrheit... suchen und herausheben." (ebd., 4). 99 So anläßlich seiner Rezensionen der "Betrachtungen über den Zeitgeist in Deutschland in den letzten Decennien des vorigen Jahrhundert" von E. Brandes sowie eines "Chronologischen Handbuches" von H . Wedekind; vgl. Minerva, 1808, 2. Bd., 188 ff. 100 Minerva, 1803, 3. Bd., 386. 101 Vgl. z.B. Minerva, 1795, 1. Bd., 529-541: "Historische Probleme, den Geschichtsforschern zur Auflösung vorgelegt", die sich ausschließlich mit zeitgeschichUichen Fragestellungen befassen; vgl. auch Minerva, 1805, 1. Bd., 1-10; ebd., 4. Bd., 184-187 sowie generell Archenholz' häufige Begriffsverwendung historisch wie etwa in den "Miscellen zur Geschichte des Tages", 1798, 1. Bd., deren Kapitel er in "Historische Zweifel", "Historische Bemerkungen" und "Historisch=literarische Notizen" unterteilt. - Koselleck definiert diesen Gegenwartsbezug des zeittypischen geschichtsphilosophischen Bewußtseins als einen politischen. Indem er letzteres mit dem Beginn der politischen Krise in Zusammenhang bringt, unterlegt er ihm einen politischen Sinn, den er erst in seiner Interpretation als Antwort auf die absolute Politik eihält. So gesehen, entsteht nach Koselleck die Geschichtsphilosophie des 18. Jahrhun-

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holz1 auf seinen Reisen geschulter historischer Blick ihn in besonderer Weise zu befähigen, ganz bewußt den Standort des Beobachters zu beziehen, der sich anschickt, das von ihm so häufig zitierte Anliegen Popes, "to catch the manners living as they rise" 1 0 2 , auszufuhren. Eine solche Standortbildung verweist in geradezu augenfälliger Weise auf Parallelen in der zeitgenössischen Geschichtstheorie. Archenholz zeigt sich hier der neuen Tradition aufklärungsspezifischen Geschichtsdenkens verbunden 1 0 3 , die sich um die Jahrhundertmitte nicht zuletzt durch Johann Martin Chladenius Bahn gebrochen hatte. Dieser entwickelte 1752 in seinen Ausführungen zu einer "Allgemeinen Geschichtswissenschaft" den Begriff vom Sehepunckt, der durch Archenholz' Zusammenfugung von Augenzeugenschaft und historischer Perspektive eine plastische Realisation erhält. Nach Chladenius ist "eine Sache ohne alle Sehepunckte erzehlen, ... nicht möglich." 104 Was fur Chladenius hier die Sache ist, die es zu erzählen gilt, ist für Johann Christoph Gatterer, einen weiteren wichtigen Geschichtstheoretiker der Auf-

deits im Prozeß der Kritik und gerät schließlich zur indirekten, politischen Macht schlechthin. (Vgl. Koselleck, Kritik und Krise, 2 f., 6, 108, 113 und 133). In Anbetracht des politischen Interesses Archenholz* ist dieser politische Aspekt seines historischen Denkens zu berücksichtigen. 102 z . B . Annalen des Jahres 1790, 4. Bd., 269. 103 Dem Geschichtsdenken der Aufklärung ist von der Forschung bisher starke Beachtung geschenkt worden, weshalb hier nur einfuhrende und neuere Werke genannt seien: Zum Wandel der Geschichtstheorie und damit des Geschichtsbegriffs vgl. den Artikel "Geschichte" von R. Koseüeky u.a., in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, Stuttgart 1975, 593 ff. Der Umbruch aufklärerischer Geschichtswissenschaft wird anhand reichen Quellenmaterials hinlänglich rekonstruiert von Peter Hanns Reill, Die Geschichtswissenschaft um die Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Wissenschaft im Zeitalter der Aufklärung, hrsg. von R. Vierhaus, Göttingen 1985, 163-193. Vgl. dazu auch den Sammelband von K. Hammer/J. Voss, Historische Forschung im 18. Jahrhundert, Bonn 1976 sowie Manfred Asendorf,\ Aus der Aufklärung in die permanente Restauration. Geschichtswissenschaft in Deutschland, Hamburg 1974 und H.E. Bödeker/G.G. Iggers/ J.B. Knudsen/P.H. Reill, Einleitung: Aufklärung und Geschichtswissenschaft, in: dies., Hrsg., Aufklärung und Geschichte, 9-22. - Als gelungene Versuche der neueren Forschung und der internationalen Wissenschaftsforschung, der Tendenz der klassischen Werke W. Diltheys und E. Troeltschs aus den 20er und 30er Jahren und auch Friedrich Meineckes Arbeit zur "Entstehung des Historismus", München 1959, entgegenzuwirken, die die Epoche der Aufklärung als unhistorisch charakterisiert, vgl.: J.G.A. Pocock, The Origins of Study of the Past: a Comparative Approach, in: Comparative Studies in Society and History 4, 1961, 209-249; G. Huppert, The Renaissance Background of Historicism, in: History and TTieory 5, 1966, 48-60; P.H. Reill > The German Enlightenment and the Rise of Historicism, Los Angeles/London 1975; G.G. Iggers , Deutsche Geschichtswissenschaft. Eine Kritik der traditionellen Geschichtsauffassung von Herder bis zur Gegenwart, München 1971; D. Groh t Geschichtswissenschaft in emanzipatorischer Absicht, Überlegungen zur Geschichtswissenschaft als Sozialwissenschaft, Stuttgart 1973; H.U. Wehler, Historische Sozialwissenschaft und Geschichtsschreibung, Göttingen 1980. 104 Johann Martin Chladenius, Allgemeine Geschichtswissenschaft, 1752, 150 f.; zitiert nach: Reill f Die Geschichtswissenschaft um die Mitte des 18. Jahrhunderts, 172.

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klärung, die Begebenheit^, deren Erfassen der Geschichtsschreiber über eine "anschauende Erkenntnis" erreicht 106 . Die diesem Erkenntnisakt zugrunde liegende Subjektivität fließt dann auch in den Erzahlakt ein, in dem der "Geschichtsschreiber ... durch die Evidenz seiner Erzählung ein Ganzes, das schon einmal da gewesen ist, auf eben die Art, wie es da gewesen ist, ... zum Vorschein [bringt]." 107 Nicht von ungefähr meint Evidenz ja auch Augenscheinlichkeit. Daß Archenholz nun diese Elemente von Orientierung am Zeitgeschehen, der tagespolitischen Begebenheit, ebenso wie seine über Anschauung, über prüfende Beobachtung gewonnene Erkenntnis nicht nur seiner Historiographie, sondern gerade auch seiner Zeitgeschichtsdokumentation zugrunde legt, beweist einmal mehr sein historisches sowie sein in die Zukunft projiziertes Geschichtsbewußtsein. Schon in vorhergehenden Überlegungen zum emanzipativen Moment in Archenholz' Werk konnte der Bedeutung des kritischen, aufgeklärten Urteils im Prozeß der Emanzipation Rechnung getragen werden. Es verwundert daher nicht, Archenholz gerade dort auf geschichtliche Gebundenheit verweisen zu sehen, wo er sich ansonsten von Autoritäten löst: im eigenständigen Urteil. Geschichte fallt hier entweder die Aufgabe zu, die eigene Autorität zu untermauern oder aber einen möglichen Irrtum zu rechtfertigen. So verweist er an vielen Stellen seines Werks auf die Zeitgebundenheit seiner Urteile. Er proklamiert die historische Distanz als Bedingung eines gerechten Urteils 1 0 8 , wodurch alle zum Zeitgeschehen gefällten Urteile ja nur relativ sein können und bittet entsprechend immer wieder um die Beachtung des Zeitpunkts der Abfassung seiner Aufsätze bzw. zeitgeschichtlichen Stellungnahmen109. Gerade in seinen sich verändernden Urteilen in bezug auf England, Frankreich

105 Gatterer entwickelt diesen Begriff vor allem in seiner Schrift "Vom historischen Plan und der darauf sich gründenden Zusammenfühlung der Erzählungen", in: Allgemeine historische Bibliothek, Halle 1767, Bd. 1. 106 /.e. Gatterer, Von der Evidenz in der Geschichtskunde, in: Die Allgemeine Welthistorie die in England durch eine Gesellschaft von Gelehrten ausgefertigt worden, hrsg. von D.F.E. Boysen, 1. Bd., 1767, 20; zitiert nach: Reill, Die Geschichtswissenschaft um die Mitte des 18. Jahrhunderts, 175 f. 107 Ebd. 108 Vgl. England und Italien, 2. Th., 10; Annalen des Jahres 1788, 1. Bd., 11; Minerva, 1793, 3. Bd., 523 und ebd., 1795, 1. Bd., 108 ff. 109 So z.B. anläßlich seines Aufsatzes "Ueber den gegenwärtig befürchteten Continental= Krieg", dem er die Bitte voranstellt, das Datum der Schrift zu beachten, "da nur allein, diesen Zeitpunct vor Augen habend, die Ansicht der Dinge, so wie sie damahls waren, passend gefunden werden kann.", in: Minerva, 1805, 2. Bd., 193.

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und Italien wird dies deutlich 110 . Letzterem gesteht er die Möglichkeit zu, "daß seit dem Jahre 1780, da ich Italien das letztemal verließ, in diesem Lande einige vortheilhafte Veränderungen vorgegangen sind, und in kurzer Zeit noch mehrere vorgehen dürften, so daß manche Züge meiner Skizze nicht mehr passend wären." 1 1 1 In gleicher Weise relativiert er seine anfangs so überaus positive Einstellung zu England, indem er die Wirkung der öffentlichen Verschuldung zu berechnen versucht: "Das Maas ist voll. Es ist folglich nicht unwahrscheinlich, in wenigen Jahren diesen Staat ... auf einmal stürzen zu sehen ... Nichts ist gewisser, als daß eine Nation, wenn sie durch Siege und Eroberungen am hellesten am politischen Horizonte scheint, alsdann als eine sich selbst verzehrende Fackel nur zu ihrem Untergange eilen kann. In politischen sowohl als in natürlichen Körpern liegt der Same des Todes in den gesundesten Nahrungsmitteln, der früher oder später die Auflösung bewirkt." 1 1 2 Für Frankreich konstatiert er demgemäß, daß "dieses ... Königreich in einer kurzen Reihe von Jahren, vermöge einer weisen Administration, einen Flor erreichen [kann], der, wenn er gleich nicht dem brittischen, selbst in dem jetzigen sinkenden Zustande, gleich käme, dennoch auf festere Gründe gebaut werden könnte, als es bey der ungeheuren Schuldenlast in England möglich ist." 1 1 3 Indem Archenholz in Analogie zu natürlichen Körpern auch politischen Körpern Entwicklungsmöglichkeiten zugesteht, entdeckt er die "Strukturveränderungen eines Systems ... als notwendige Bedingungen dafür ..., daß es sich im Zeitfluß auf Dauer stellen kann" 1 1 4 und folgt damit dem wichtigsten Merkmal der aufklärungshistorisch typischen, genetischen Erzählweise 115 .

HO Archenholz ist der Wandel seiner Urteile durchaus bewußt. Seine häufigen Rechtfertigungen und Verweise auf den gleichzeitigen Wandel der Zeitläufte belegen dies; vgl.: England und Italien, Vorbericht zur zweiten Ausgabe, 1791, X V ; Minerva, 1798, 1. Bd., 153 f.; ebd., 1802, 1. Bd., 196 f.; ebd., 1802, 3, Bd., 381. H l England und Italien, Vorbericht zur zweiten Ausgabe, 1791, X V . 112 Ebd., 3. Th., 15. Ab. "Englands gegenwärtiger Zustand", 322 f. 113 Ebd., 346. - Diese Aussage, schon in der Erstausgabe von 1785 verfaßt, zeigt, wie kurz Archenholz' Prognosen greifen. H * Jörn Rüsen, Die vier Typen des historischen Erzählens, in: R. Koselleck/H. Lutz/J. Rüsen, Hrsg., Formen der Geschichtsschreibung (Beiträge zur Historik 4), München 1982, 514605, hier: 555. 115 Rüsen bestimmt das "genetische Erzählen" neben dem traditionalen, dem exemplarischen und dem kritischen Erzählen als eines der "vier Typen des historischen Erzählens". Es findet nach Rüsen mit der Aufklärung Eingang in die Historiographie, die durch ihre kritische Depotenzierung vorgegebener Herrschaftsstrukturen und Identitätsdefinitionen zu neuen Kontinuitätsvorstellungen fuhrt, die im genetischen Erzählen ihren Ausdruck finden; vgl. ebd.,

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F. Aufklärung und Werk Archenholz', Π: Ausführung und Strategie

Darüber hinaus gelingt ihm aber gerade dadurch die Konstituierung einer eigenen, über die zu beurteilenden Gegenwartszustände hinausgehende, emanzipierte Kontinuitätsvorstellung. Auf der anderen Seite baut Archenholz jedoch gerade seine erwähnte Überzeugung von der Notwendigkeit zeitlichen Abstands zur gerechten Beurteilung zu einem Begriff von Geschichte aus, der dieser auch einen von menschlichen Urteilsakten unabhängigen Gehalt zugesteht. Die Beschäftigung mit einer solchermaßen erkannten Geschichte wird in erster Linie zu einem Leraprozeß, den Archenholz gerade in seinem großen historiographischen Werk vorführt. So verweist Archenholz in seiner "Geschichte des siebenjährigen Krieges" durch die Betonung des Zufalls als Entstehungsgrund einiger geschichtlicher Abläufe auf die Geschichte in ihrer naturalen Einbettung und damit auf den Menschen in seinen außerhistorischen Bedingungen116. Gerade dieser Bezug auf die humanistische Geschichtstradition ermöglicht ihm, den Lehrgehalt der Geschichte zu legitimieren, den sie ja nur besitzt, wenn sie über eine Autorität per se verfügt. So bedient er sich des Zufalls als Motivationsgrund für Geschichte 117 nicht nur, um Beispiele für die reine Zufälligkeit von Tagesabläufen zu geben, sondern enttarnt außerdem "das größte Meisterstück der Politik als [bloßen] Zufall." 1 1 8 Dies gilt auch für den Stellenwert, den er dem Glück im Verlauf kriegerischer Auseinandersetzungen eingeräumt hatte und der ihn aus einem Brief Friedrichs II. an Marquis d'Argens aus dem Jahre 1760 das Eingeständnis des Preußenkönigs zitieren läßt, "daß ich nicht das Glück leiten kann, und daß ich verbunden bin, sehr viel auf den Zufall bey meinen Entwürfen zu rechnen" 119 .

2. Die pragmatische Darstellung

Auch eine Analyse der Darstellungskriterien Archenholz' ergibt seine Verbundenheit zu Wertschätzung und Tradition des Geschichtsdenkens der Aufklärung. Dabei eignet sich der Begriff des Pragmatischen in vorzüglicher 555-605. Vgl. auch R. Koselleck, Fragen zu Formen der Geschichtsschreibung, in: ders., u.a., Hrsg., Formen der Geschichtsschreibung, 9-13. 116 Vgl. Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, bes. 17 f. Π 7 Vgl. ebd. sowie Geschichte, 1788, 30 und 41. 118 Vgl. ebd., 15 und 215 f. 119 Ebd., 188.

Π. Zeitlichkeit und Verselbständigung

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Weise, um sowohl die Ausführung als auch die Zielrichtung seiner Darstellungstechnik zu apostrophieren, da er die Ebene der Sach- und der Handlungsbezogenheit gleichermaßen umfaßt. In einem ersten Untersuchungsschritt ist daher dem Bemühen Archenholz' nachzugehen, seine Darstellungen an Tatsachen, an die Begebenheit, zu binden, wobei er auch hier dem Eigengewicht des Darstellenden Rechnung zu tragen bestrebt ist. Ein weiterer, letzter werkanalytischer Arbeitsgang soll schließlich das explizit emanzipatorische Moment in der Darstellungsweise Archenholz' herausstellen, d.i. seine über die sachgebundene Darstellung hinausgehende kausale Deutung des Dargestellten, durch die er dem Leser die Anwendungs- und Handlungsbezogenheit von Lektüre vermitteln will. "Wo der Geschichtsschreiber redet, redet nicht er, sondern die T a t ! " 1 2 0 zitiert Archenholz Klopstock und verpflichtet sich - wie schon sein Bemühen um eine aufgeklärte Urteilsfindung gezeigt hatte - zur Orientierung seiner Darstellung am Tatsächlichen121. Gemäß der Erkenntnis Gatterers, eine Begebenheit nur über den Prozeß der anschauenden Erkenntnis erfassen und schildern zu können 122 , fließt in diese objektive Tatsachenbindung jedoch der subjektive Wahrnehmungs- und Erkenntnisakt des Berichtenden ein, der ihm die Chance zur Definition seiner Position und seines Wirkungspotentials innerhalb der Begebenheiten eröffnet. Archenholz nutzt diese Chance für sich und seine Leser reichlich. In seinem Reisebericht etwa gelingt es ihm, durch die permanente Bindung seiner Schilderungen an seine Eigenbeobachtung die Selbstbewußtseinsbildung seines Lesers zu provozieren. Nachdem er in seinem Vorbericht verkündet, daß seine Reisebeschreibung im Unterschied zu vielen anderen allein das "Resultat selbst gesehener Tatsachen"123 ist, gibt er eine Vorgabe dessen, was er im weiteren von seiner Leserschaft fordert. Er definiert den "Inhalt dieses Werks nicht als Reisebeschreibung ..., sondern eigentlich Reisebemerkungen ... in Verbindung mit Urtheilen" 124 , und mahnt den Leser zur genauen Tatsachenuntersuchung, die dem korrekten Urteil vorauszugehen habe 1 2 5 . Im weiteren nimmt er dann jede Gelegenheit, in der er an die Tatsachenbindung seines Berichts erinnert, wahr, um gleichzeitig an die eigenständige Urteilskompetenz des aufgeklärten Lesers zu appellieren, ja 120 England und Italien, 2. Th., Anhang zum 8. Ab., 309 f. 121 Vgl. z.B. Minerva 1803, 3. Bd., 177. 122 Vgl. Gatterer, Von der Evidenz in der Geschichtskunde, 20; zitiert nach Reill, Die Geschichtswissenschaft um die Mitte des 18. Jahrhunderts, 175 f. 123 England und Italien, Vorbericht, Χ Π . 124 Ebd., Χ Ι Π . 125 Vgl. ebd., l . T h . , 1. Ab., 21. 11 Rieger

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F. Aufklärung und Werk Archenholz', Π: Ausführung und Strategie

ihn in seine eigenen Urteilsprozesse zu integrieren 126 . So werden auch Bemerkungen wie die folgende in ihrer Hintergründigkeit verstandlich: "Das höchst Ungereimte dieser Anekdote überlasse ich der Beurtheilungskraft eines jeden, gleich viel, ob er gereist oder nicht gereist ist, ob er die Menschen durch Umgang, oder nur aus Büchern kennt; ob er im Palaste oder unter dem Dache wohnt, wenn er nur schlichten Menschenverstand hat, und ... denkt. Die Sache redet von selbst. " 1 2 7 Auch in seiner Geschichtsschreibung zum Siebenjährigen Krieg bindet sich Archenholz an die Begebenheiten; infolge des von seiner Beobachtungssubjektivität unabhängigen, bereits historischen Verlaufs des Berichteten bleiben jedoch er selbst und der Leser außenstehend. Daher will er "die Begebenheiten, ihre Ursachen und Folgen, nicht tactisch, sondern bloß historisch" darstellen 128 , also erzählen 129 . Die Aufklärungsmotivation des Werks wird jedoch insofern greifbar, als Archenholz der Geschichte einen umfassenden Lehrcharakter zuschreibt und damit gerade das einlöst, was August Ludwig Schölzer sich 1780 von der Geschichte wünscht, die, wenn sie eine "leichte, für jeden vernünftigen Menschen verständliche Sprache spricht ... gar am Ende Volks-Studium sein könnte." 130 Archenholz versteht dementsprechend sein "kurzgefaßtes Buch für alle Volksklassen"131 als eine "Geschichte", ein "Volksbuch", das "unter allen Ständen der deutschen Nation verbreitet zu seyn verdient" 132 und "für die Feldherrn, Staatsmänner und Philosophen jeden Volkes und jeden Zeitalters lehrreich seyn wird." 1 3 3 Archenholz kann 126 Vgl. ebd., 2. Th., 10. Ab., 202 f. 127 Ebd., 3. Th., Anhang zum 8. Ab., 316. 128 Geschichte, Vorbericht, 6. 129 Zur gleichbedeutenden Verwendung der Begriffe erzählend und historisch durch die Geschichtsphilosophie der Aufklärung vgl. Werner Hahl, Reflexion und Erzählung, Ein Problem der Romantheorie von der Spätaufklärung bis zum programmatischen Realismus, Stuttgart 1971, bes. 49. Zur Tradition der Geschichtsschreibung im 18. Jahrhundert vgl. F.X. Wegele, Geschichte der deutschen Historiographie seit dem Auftreten des Humanismus (Geschichte der Wissenschaft in Deutschland, 20), München/Leipzig 1885 sowie Rudolf Vierhaus, Geschichtsschreibung als Literatur im 18. Jahrhundert, in: Hammer/Voss, Hrsg., Historische Forschung im 18. Jahrhundert, 416-431. Vgl. außerdem auch hier Koselleck, Geschichte, Geschichten und formale Zeitstrukturen und ders., Ereignis und Struktur, zuerst in: Koselleck/Stempel, Hrsg., Geschichte - Ereignis und Erzählung, München 1973, 211-222 und 560-570. 130 Schlözer, Briefwechsel meist statistischen Inhalts, Teil 8, Heft 46, Göttingen 1780, 217 f.; zitiert nach Dann, Das historische Interesse in der deutschen Gesellschaft, in: Hammer/Voss, Hrsg., Historische Forschung im 18. Jahrhundert, 386-415, hier: 411. 131 Geschichte, Vorbericht, 6. 132 Ebd., 7. 133 Ebd., 280.

Π. Zeitlichkeit und Verselbstndigung

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also hier nicht in dem Maße wie in seinem Reisewerk sich selbst und den Leser durch Reflexionsvorgänge in die Geschichte mit einbringen; vielmehr nutzt er den Hinweis auf seine persönliche Kriegsteilnahme ab Dezember 1758 als Verweis auf seine "Qualification des Geschichtsschreibers": "Obgleich damals sehr jung und obgleich unfähig, aus Mangel an Erfahrung selbst richtig zu urtheilen, hörte ich doch wißbegierig auf die Urtheile alter Krieger, deren Werth ich hernach in einem reiferen Alter näher prüfte. " 1 3 4 In seinen in Journalform präsentierten Frankreichberichten verweist Archenholz auf ähnliche Darstellungskriterien. So qualifiziert er seine Berichterstattung wieder durch seinen "Aufenthalt in Paris selbst, ein im Beobachten nicht ungeübtes Auge, [und] eine gespannte Aufmerksamkeit" 135 und belegt seine Urteilskompetenz gegenüber gegenwärtigen Phänomenen durch den Verweis auf seine Geschichtskenntnis: "Die Geschichte liefert uns Beyspiele genug ..., aber wo liest man von einer Nation, die zu gleicher Zeit ihre Staatsverfassimg, ihre Gesetze, ihre Religion, ihre bürgerliche Einrichtung, ihre Vorurteile und ihre Sitten änderte? Es tritt also gleichsam ein ganz neues aber hoch cultivirtes Volk auf den Schauplatz der W e l t . " 1 3 6 Daß Geschichtskenntnis auf diese Weise jedoch nicht nur notwendig zur Erkenntnis des historisch Einzigartigen ist, sondern vielmehr zur politischen Urteilsfindung und der damit verbundenen Möglichkeit zu einem öffentlichen Diskurs unabdingbar ist, reflektiert Archenholz an gleicher Stelle einige Jahre später. "Es ist in dieser Zeitschrift", so Archenholz 1803 über seine "Minerva", "von dem Herausgeber ... der unbestrittene Grundsatz aufgestellt worden, daß man selbst über die wichtigsten Staatsangelegenheiten urtheilen könne, vorausgesetzt, daß man eine Kenntniß der neuen und der neuesten Geschichte, ... und daß man selbst bestimmt mit seinen Urtheilen auftreten dürfe, ... indem dabey ein jeder Denker mit ähnlichen Kenntnißen versehen, Richter dieser Behauptungen wird, und deren Grundlosigkeit ... öffentlich aufdecken kann ... durch Thatsachen und Erfahrungsgründe." 137 Diese ähnlichen Kenntnisse der neuen und der neuesten Geschichte durch Tatsachen zu vermitteln, ist Archenholz' Anliegen gerade auch im Fall seiner Berichte zur Französischen Revolution und deren Folgen 1 3 8 , dem er seine "Minerva" widmet. So erklärt

134 Ebd., 9. 135 Minerva, 1792, l . B d . , 3. 136 Ebd., 2 f. 137 Ebd., 1803, 3. Bd., 156 f. 138 Vgl. Minerva, 1792, 1. Bd., 6 f.

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er auch das Shakespeare-Wort Speak of me as I am139 zum Leitwort seines Vorgehens, was an das Leitwort seiner großen Zeitschrift selbst erinnert. Indem er jedem Band seine Absicht voranstellt, to show the very age and body of the time , its form and pressure , zeigt er die umfassende, dokumentative Dimension seines zeitgeschichtlichen Werks, das auf eine Charakterisierung seines Zeitalters abzielt. Die Berichte und Reflexionen zur Französischen Revolution, die er im Verlauf seiner Darstellungen ebenso prompt wie den Siebenjährigen Krieg historisiert und noch im Zuge seiner Beobachtungen als weltgeschichtliches Ereignis bezeichnet140, sind im Kontext dieser Absicht zu sehen. Gerade die angesprochene Historisierung der zeitgeschichtlichen Themen, die Archenholz in seinem Werk aufgreift, eröffnet ihm - und zwar abgesehen von seiner geschichtspolitisch aufklärungstypischen Verpflichtung zur Faktizität - ein Maß an darstellerischer Freiheit, das er nutzt und das einmal mehr sein Selbstbewußtsein demonstriert. Dieser Darstellungsfreiraum findet sein begriffliches Äquivalent bezeichnenderweise in ästhetischer Metaphorik. In einem Brief an Archenholz anläßlich einer Beitragsanfrage zu seinen "Hören" bedient sich Schiller dieser bildlichen Begrifflichkeit 141 . Er lobt Archenholz' historische Darstellung der Räumung Toulons, indem er dessen Standpunktfindung und Werksystematik hervorhebt, außerdem jedoch Archenholz' historiographische Fähigkeiten mit denen eines Dichters vergleicht. Beide, so Schiller, müßten gleichermaßen genetisch und dramatisch zu Werk gehen, müßten Wahrheit und Genuß vermitteln und dabei die produktive Einbildungskraft des Lesers mit ins Spiel bringen. Schiller differenziert hier zwischen historischer Treue und historischer Kunst, wobei er letztere durch die Wahl des richtigen Stoffs und den diesen belebenden Geist definiert. An Archenholz gerichtet, urteilt er, "daß Sie die historische Kunst mehr als irgend einer in Ihrer Gewalt haben, dieß ist ein Zeugniß, das ich Ihnen, öffentlich und im Stillen, zu geben bereit und begierig bin. " 1 4 2 Archenholz selbst greift diese Differenzierung auf. In seinen "Annalen" z.B. betont er anläßlich einer Rechtfertigung seiner als zu parteiisch kritisierten Reisebeschreibung die dort geschilderten "Thatsachen, deren Wahrheit nicht geleugnet werden kann", streicht jedoch gleichzeitig heraus, daß er ja "ein Gemälde beider Länder entwerfen wollte, wobei es nach den Regeln na139 Ebd., 8. 140 So besonders in seinem Aufsatz "Historische Betrachtungen über den gegenwärtigen Krieg, über Friedrich den Grossen, über Kriegsthaten und Schlachten", in: Minerva, 1793, 3. Bd., 197-218 und ebd., Nachtrag, 377-384. Vgl. dazu ausführlich Kap. E.I. 141 Vgl. Schiller an Archenholz, 10. Juli 1795; gedruckt in: Tübinger Morgenblatt für gebildete Stände, 1828, Nr. 128, 512. 142 Ebd.

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türlich dem Mahler überlassen ist, was er herausheben, was er in Schatten stellen, oder auch ganz entfernen will, selbst die Verschönerung einer schönen Sache ist ihm nicht untersagt, denn sie ist keine eigentliche Untreue, sondern nur eine artistische Licenz; nur keine absichtliche Umgestaltung der Dinge, keine vorsätzliche Verwandlung des Guten und Bösen durch falsche Züge, kurz keine Entstellung der Gegenstände ist ihm erlaubt, wenn anders sein Gemähide historisch seyn soll. " 1 4 3 Auch auf Archenholz* wiederholte Verwendung des Begriffs des Sittengemäldes ist schon vewiesen worden, der seinen Darstellungsschwerpunkt und seinen darstellerischen Ermessensspielraum gleichermaßen repräsentiert. Da Archenholz nämlich die Aufzeichnung von Handlungen als die oberste Pflicht des Geschichtsschreibers definiert 144 , sieht er sich vor dem Dilemma, nicht alle Handlungen "geschichtsmäßig in genaue Verbindung" bringen zu können, da viele eine bloße Volkssitte seien oder nur einzelne Menschen beträfen 145 . Die Form des Sittengemäldes biete ihm einen darstellerischen Ausweg, da sie aus einzelnen, "hingeworfenen Sittenzügen" bestehe, die, zusammengenommen, ein "ungeheures philosophisches Gemälde" bildeten, "worin ... der Geist des Zeitalters und der Nation sichtbar ist. " 1 4 6 Der Gemälde-Metapher bedient sich Archenholz noch an anderer Stelle prononciert, was ihm Anlaß zu geschichtstheoretischen Überlegungen bietet. Im ersten Band seiner "Kleinen Historischen Schriften" entwirft er ein "Gemälde der Preußischen Armee vor und in dem siebenjährigen Kriege" 1 4 7 , in dessen Vorbericht er sich zu seinem eigenen historischen Verfahren äußert. Seinem darstellerischen Schwerpunkt auf den Begebenheiten, ihrem Umfang, ihrer Dauer und ihrer Folgen, könne, so Archenholz, weder der "große Geschichtsschreiber" noch der "bloße Geschichtsforscher" gerecht werden. Ersterer, "eingeschränkt durch ... Pläne", berühre sie nämlich "oft nur obenhin", während letzterer "die Materien gewöhnlich wo nicht pedantisch, doch trocken" behandele 148 . Die Form des historischen Gemäldes hingegen erlaube Archenholz nun nicht nur seine beabsichtigte Vervollkommnung der Begriffe zum Thema, sondern auch sein Bemühen um einen populären Vortrage durch den

143 Annalen des Jahres 1796, 19. Bd., Beschluß, 440-473, hier: 449 f. 144 Vgl. Annalen des Jahres 1788, 1. Bd., 10. Ab. "Sittengeschichte", 323 ff., hier: 326. 145 Ebd., 326. 146 Ebd., 326 f. 147 Vgl. Kleine Historische Schriften, 1791, 1. Bd., 1-54. 148 vgl. ebd., ffl f.

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er sich von "verworrenen und scientifischen" Vorgängern absetzen und überdies die "Triebfedern der Handlungen", "ihre allmähliche Entwicklung" sowie das "Spiel der Leidenschaften" nachbilden könne 1 4 9 . Gerade mit diesen Kategorien führt Archenholz jedoch wieder zu dem geschichtsphilosophischen Kontext zurück, in dem ja auch seine darstellungstheoretischen Überlegungen zu sehen waren. "Wenn man ... bey Erzählung der Begebenheit seine Absicht nicht bloß dahin richtet, daß der Leser ein historisches Kenntniß davon bekomme, zu wissen, das, wie, wo, wann und von wem sie ihr Daseyn erhalten, sondern auch die Begebenheiten als Triebfedern und Wirkungen miteinander verbindet ... und aus den Erfahrungen ein Ganzes bildet, so ist das ... eine pragmatische Geschichte."150 Die Bestimmung des Pragmatischen im Zusammenhang historischen Arbeitens, die ein Zeitgenosse Archenholz' hier 1780 vornimmt, verweist genau auf die Erweiterung der rein Tatsachen-orientierten Darstellungsweise hin zu einer Berücksichtigung der zugrundeliegenden kausalen Zusammenhänge, die letztlich den Bezug zwischen Darstellung und Anwendung, d.h. Handlung, herzustellen vermag und die Archenholz in seinem Werk berücksichtigt. Dabei gelingt ihm in besonderem Maße durch die Definition einer übergreifenden Triebfeder der Handlungen die Anthropologisierung und schließlich Politisierung seiner differierenden Beobachtungsgegenstände. Trotz seiner unterschiedlichen Werkformen und -themen stellt Archenholz wie die Rekonstruktion seiner Werkinhalte zeigen konnte - als maßgebliche Handlungssubjektive Völker bzw. Nationen in den Vordergrund und erklärt sein Anliegen, deren Geist und Charakter nachzuzeichnen151. Durch eine solche Bewußtmachung von Volkscharakteren, die er als die Triebfeder privater und politischer Handlungen feststellt und die in ihrer Gesamtheit wiederum den Geist eines Zeitalters bestimmen 152 , ermöglicht er dem Leser im reflektierenden Leseakt die Bewußtmachung des eigenen, d.h. persönlichen und na149 Vgl. Kleine Historische Schriften, 1791, I V und 3 f. Augustin Schelle, Abriß der Universalhistorie, Salzburg 1780, 1. Bd., 10; zitiert nach Werner Hohl, Die Erzählgesetze der pragmatischen Geschichtsschreibung, in: ders., Hrsg., Reflexion und Erzählung, Ein Problem der Romantheorie von der Spätaufklärung bis zum programmatischen Realismus, Stuttgart 1971, 43-61, hier: 51. - Zum pragmatischen Moment im historischen Denken der Aufklärung vgl. außerdem Notker Hammerstein, Jus und Historie. Ein Beitrag zur Geschichte des historischen Denkens an den deutschen Universitäten im späten 17. und 18. Jahrhundert, Göttingen 1972, besonders 250 ff. 151 Vgl. z.B. England und Italien, Vorbericht, ΧΠ; Geschichte, Vorbericht, Engländer in Indien, 1. Bd., Vorbericht, O.S. und 37.

6; Die

152 Vgl. Minerva, 1795, 1. Bd., 529; ebd., 1805, 1. Bd., 1-10 und ebd., 1808, 2. Bd., 188 ff.

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tionalen Charakters. Durch eine solchermaßen von der Darstellungsthematik unabhängige Konzentration auf die sich zu einem Volk oder einer Bürgerschaft konstituierenden Menschen in ihrer kulturellen und politischen Verbindung kann Archenholz zu einer Bewußtseinsbildung der bürgerlichen Leserschaft und damit ja letztendlich zu ihrer politischen Aktionsbefahigung beitragen. Die zeitgenössische Erkenntnis, daß "alle Reform, die Bestand haben soll, von der Denkungsart ausgehen [muß]" und "nur der Charakter der Bürger den Staat [erschafft und erhält] und politische und bürgerliche Freiheit möglich [macht]" 153 , macht sich auch Archenholz zu eigen. Er stellt den Zusammenhang von Denkungsart und Politik durch seinen übergreifenden Beobachtungsgegenstand, den Menschen in seinen sittlichen und politischen Verbindungen und Verhältnissen 154, ganz bewußt her. Wie stark er dabei das Wechselspiel zwischen Volkscharakter und einzelnem einschätzt, hatten seine Erläuterungen zum "Hauptcharakter" der Briten, ihrem eigentümlichen public spirit, gezeigt 155 . Diese offensichtliche Realisation einer Verbindung von Sittlichem und Politischem prädestinierte England gleichsam als Beobachtungsvorbild, da "diese Königin der Inseln ... in Ansehung der Regierungsform, der Gesetze, Sitten, Gebräuche, der Art, wie ihre Einwohner denken, handeln und überhaupt leben, ... sehr von allen anderen Ländern in Europa verschieden [ist]." 1 5 6 Entsprechend lag auch seine so sehr abweichende, negative Beurteilung des ebenfalls bereisten Italien "nicht... an dem Verfasser, als in den Völkern selbst." 157 Auch in seinem Geschichtswerk, in dem Archenholz mit seiner Darstellung an einen Kriegsverlauf gebunden war, verpflichtete er sich in seinem Vorbericht, vornehmlich den Geist der am Krieg beteiligten Völker und auch den "Geist des Zeitalters durch Handlungen aller Art" herauszuarbeiten 158. Das patriotische Potential, das gerade in der historischen Schilderung einer Kriegsgeschichte liegt, versucht er dabei insofern bewußt auszuschöpfen, als er diese "vaterländische Geschichte" "als Volksbuch unter allen Ständen der deutschen Nation ver-

153 So Schiller in seinen "Ästhetischen Briefen", hier zitiert nach Bürger/Schulte-Sasse, Hrsg., Aufklarung und literarische Öffentlichkeit, 15. 1 5 4

Vgl. England und Italien, Vorbericht, ΧΠ.

155 Vgl. ebd., 2. Th., 6. Ab., 1 f.; vgl. auch Kap. Ε.Π. 156 England und Italien, 1. Th., 1. Ab., 1. 157 Ebd., Vorbericht, X I V . 158 Vgl. Geschichte, Vorbericht, 6.

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breitet" sehen möchte, da sie "Deutschland in so vieler Rücksicht Ehre macht" und den Geist des Volkes zu erhöhen vermögend ist." 1 5 9 Archenholz erkennt bei seinem Versuch, die Geisteshaltung des jeweils zur Debatte stehenden Volkes zu charakterisieren, wovon diese bestimmt wird, und zeigt sich darin von Montesquieu beeinflußt. "Verschiedene Dinge", so heißt es bei letzterem, "beherrschen ... die Menschen: Klima, Religion, Gesetze, Regierungssatze, Vorbilder der Vergangenheit, Sitten und Gebräuche; und aus alledem entspringt und formt sich die Geisteshaltung des Volkes. Je stärker in einem Volk einer dieser Gründe wirkt, um so mehr treten die anderen zurück. " 1 6 0 Allein ein Blick auf die Inhaltsregister der Reiseschilderungen Archenholz1 verrät, wie sehr er bei seiner Volksbeobachtung das Argument auf eben diese, nach Montesquieu bestimmenden Faktoren richtet 161 . Indem er jedoch gerade den Faktor Gesetze und Regierungssätze als den dominierenden definiert, gibt er seinen Überlegungen eine politische Akzentuierung, die sie über sein Reisewerk hinaus auszeichnet.162 Besonders plastisch läßt sich dies jedoch an seinen Stellungnahmen bezüglich England veranschaulichen, was nicht verwundert, da England ja als das Ursprungsland seiner politischen Begriffsbestimmung überhaupt definiert werden konnte. Nicht umsonst stellt Archenholz dieses kausale Verhältnis selbst fest, das er schließlich zu dem abstrakten Ursache-Wirkungszusammenhang zwischen Öffentlichkeit und politischem Interesse ausweitet 163 . Anläßlich einer Passage über die politische Beredsamkeit der Engländer konstatiert er entsprechend: "Es geht den Fremden bey einem langen Aufenthalte in England eben so. Dieselbe Ursache hat dieselbe Wirkung. Ich habe Personen gekannt, denen bey ihrer Ankunft in England alle politische Materien aneckelten, die aber in einiger Zeit enthusiatische Politiker wurden; dahingegen habe ich nie einen Ausländer gesehen, der ... nach einem jährigen Aufenthalte auf dieser Insel bey den hiesigen politischen Vorfallen gleichgültig w a r . " 1 6 4

159 Ebd., 7; vgl. außerdem ebd., 99 f. und 117. 160 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, übersetzt von Ernst Forsthoff 1951, Buch X I X , Kap. 4, Bd. I , 413; zitiert nach Reill, Die Geschichtswissenschaft um die Mitte des 18. Jahrhunderts, 178. 161 Vgl. die Themen des "1. Theils": "Brittischer Charakter", "Land und Klima", "Gerichtshöfe und Parlamentsverfassung", "Sitten und Gebräuche". 162 Vgl. seine Stellungnahmen zu Frankreich sowie sein politisches Engagement generell; Kap. E.m und E . I V . 163 Vgl. Kap. Ε.Π. 164 England und Italien, 1. Th., 2. Ab., 87.

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Und er fahrt fort: "Nichts ist leichter zu erklären. Als ein Einwohner eines freyen Landes und als ein denkendes Wesen, nimmt man Antheil an den öffentlichen Angelegenheiten, ... man lernt die Charaktere der in Staatsgeschäften handelnden Personen kennen, ... man sagt seine Meynung über alle ... Vorfalle ... in den ... Zeitungsblättern ...; alles dieses erhöht das Interesse auf eine unglaubliche Weise." 1 6 5 Nicht nur an dieser Stelle erkennt Archenholz die politische Freiheit als Ursache eines entsprechenden Interesses und öffentlichen Austausches. Auch in der Entdeckung anderer Kausalzusammenhänge macht er den Freiheitsbegriff zum Kernbegriff analoger Ursache-Wirkungsverhältnisse, was die politische Dimension der von ihm angestrebten Bewußtseinsbildung der Leserschaft verdeutlicht. So benennt er z.B. als Ursache der "grenzenlosen Freyheit des englischen Parlaments ... [die] große Festigkeit der Staatsverfassung." 166 Aus dem "Bewußtsein der Freyheit und des Schutzes der Gesetze" 167 folge wiederum der Geist der Freiheit, durch den sich das Volk an die Gleichheit erinnere, "in welche die Natur alle Menschen gesetzt hat" 1 6 8 und die schließlich dazu fuhren könne, daß sowohl der "englische Adel aufgeklärter wie alle anderen in Europa ist" 1 6 9 und der Beobachter "in England bey dem gemeinen Volke mehr Aufklärung und Beurtheilungskraft als in sonst einem Lande" 1 7 0 bemerke. Natürlich ist "die Ursache davon ... keine andere, als die freye Art, womit alles, was vorgeht, mündlich und schriftlich beurtheilt wird." 1 7 1 Und wieder ist es die Freiheit, die Archenholz anfuhrt, wenn er im Sinne Gatteres "die Veranlassungen und Ursachen einer merkwürdigen Begebenheit [aufsucht]" 172 , wobei "merkwürdige Begebenheiten" fur Archenholz hauptsächlich mit dem Aspekt des Volkscharakteristischen in Verbindung gebracht werden: "Ich habe häufige Bemerkungen über das Auszeichnende der englischen Sitten gemacht. Die große Verschiedenheit derselben von anderen Völkern hat ... ihren Ursprung in der Freyheit dieser Insulaner, die manche son165 Ebd., 87 f. 166 England und Italien, 1. Th., 1. Ab., 51. 167 Ebd., 50. 168 Ebd., 51. 169 Ebd., 52. 170 Ebd., l . T h . , 2 . Ab., 77. 171 Ebd. 172 Gatterer, Vom historischen Plan und der darauf sich gründenden Zusammenfögung der Erzählungen, in: Allgemeine Historische Bibliothek, Halle 1967, Bd. 1, 80; zitiert nach Hohl, Die Erzählgesetze der pragmatischen Geschichtsschreibung, in: ders., Reflexion und Erzählung, 5.

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derbare Gebräuche und Gewohnheiten erzeugt" 173 , bemerkt er etwa, oder: "Man könnte ganze Bände mit sonderbaren Handlungen der Britten anfüllen; die ... nur darum eine Eigenheit der Britten sind, weil sie von allen ... Völkern ... des Erdbodens am meisten nach ihrer Fantasie leben, und dies thun können, weil sich in ihrem Lande der Mensch als Mensch fühlt." 1 7 4 In seinem "Beschluß" lobt er noch einmal "die Freyheit, dieses nicht genug zu preisende Kleinod", das "die Urquelle so vieler öffentlicher und verborgener Thaten [war und ist]" 1 7 5 , und zeigt sich durch die Betonung der Handlungsfähigkeit als Folge der Freiheit der gegenwartsbezogenen Praxisorientierung des deutschen Aufklärungsdenkens verbunden 176 .

173 England und Italien, 3. Th., 11. Ab., 27. 174 Ebd., 3. Th. 12. Ab., 92. 175 Ebd., Beschluß, 434. 176 Vgl. Schneiders, Die wahre Aufklärung, Zum Selbstverständnis der deutschen Aufklärung, 13 und besonders 200: "Die Freiheit realisiert sich in der Selbstbestimmung, die sich als Selbstgestaltung in Handlung umsetzt."

G. Zum Thema Archenholz: Erkenntniswert und -grenze einer biographischen Analyse Eine möglichst erschöpfende und kritische Würdigung der Person und des Werks Archenholz' darf nicht auf eine Erörterung des Erkenntnisgehalts der Untersuchimg im Rahmen der historischen Forschung verzichten. Daher gilt es, den Versuch zu unternehmen, Einklang und eventuellen Widerspruch zwischen Fall und Forschung aufzudecken, um zu dieser einen modifizierenden Beitrag zu leisten. Dabei dienen die erarbeiteten biographisch-faktischen und werkanalytischen Resultate als Ansatz. Als ein entscheidendes Untersuchungsergebnis im Fall Archenholz kann der deutliche Zusammenhang von biographischen mit thematischen Gesichtspunkten sowie denen des persönlichen Engagements festgehalten werden. Das eröffnete nicht nur die Chance, den eingangs zum Brennpunkt ernannten Dialog zwischen der Person und ihrer Zeit mitzuhören, sondern schafft die Voraussetzungen für eine weitergehende Beachtung der politischen Aspekte im Wirken Archenholz' 1. Der Rückblick auf die Angaben zur Biographie Archenholz' sowie die aus der Analyse seines Werks gewonnenen Erkenntnisse über seine Denkstrukturen ermöglichen nun, die wichtigsten Aspekte seines Lebens zusammenzufassen. Die Differenzierung zwischen den Daten, die Archenholz gleichsam vorfindet - seine bürgerliche Herkunft und das historische Ereignis Siebenjähriger Krieg - und denen, die er sich schafft - seine Reisen sowie seine literarischpublizistische Tätigkeit -, lenkt das Erkenntnisinteresse in eine bestimmte Richtung: Die Erörterung der Art, in der Archenholz seiner sozialen und historischen Situation begegnet bzw. selbst an ihr gestaltend mitwirkt. Damit wird zum einen der Analyse, die Persönlichkeit und Struktur gleichermaßen

1 So ruft F. Kopitzsch zur Berücksichtigung des Zusammenhangs von "Lebensweg, Umwelt und Werk" auf, wenn "die politischen Aspekte im Schaffen aufklärerischer Schriftsteller und Publizisten" erarbeitet werden sollen; vgl. Kopitzsch, Die Aufklärung in Deutschland, 1983, 17.

172

G. Zum Thema Archenholz

gerecht zu werden versucht, ihre reziproke Dimension eröffnet 2. Zum anderen läßt sie aber auch Aufschluß über das Bewußtsein erwarten, in welchem Archenholz sein Erleben verarbeitet und aus dem er in sein persönliches und gesellschaftliches Leben eingreift. So wird das eingangs formulierte Erkenntnismoment: aufgeklärtes und aufklärerisches Bewußtsein wieder aufgegriffen, das als ein Aussagepotential festgestellt wurde. So ist aber auch die Ebene festgelegt, auf der Aufklärung zu erfassen versucht wird und auf der ein Forschungsbeitrag zu ihr geleistet werden soll, nämlich die der zeitgenössischen Bewußtseinsprozesse, die durch die Aufklärung angeregt und entwickelt werden 3. Dabei gilt, was R. Vierhaus für die Entwicklung des politischen Bewußtseins im Kontext der Aufklärung feststellt, die er nicht nur auf die "Ebene der vollen Bewußtheit von Individuen, ... deutlich formulierten Ideen, Lehren und Willenserklärungen" beschränken möchte4. "Vielmehr", so Vierhaus, "handelt es sich um den komplizierten Prozeß der Verarbeitung von Erfahrungen, des Lernens und Weitergebens, der Sensibilisierung für vorher als selbstverständlich Angesehenes oder nicht Bemerktes, des Erkennens von Widersprüchen, des Ansprechbarwerdens und -machens für Meinungen und der Formulierung von Zielen. Diesen Erfahrungs-, Vermittlungs- und Sensibilisierungsprozeß vollzieht Archenholz - wie die Aufarbeitung seines Lebenswegs und Werks zeigen konnte - in ausgeprägter Weise. Welche Forschungserkenntnisse bezüglich der Aufklärung in Deutschland stützt er damit? Weist er trotz eindeutiger Zuordnungen Besonderheiten auf, die seine Beachtung unter forschungsrelevanten Gesichtspunkten wertvoll macht? Antworten auf solche Fragen sollen im folgenden auf zwei Ebenen gefunden werden: Zunächst ist Archenholz bereits etablierten Etikettierungen der Aufklärungsforschung zuzuordnen. Als solche geraten die bürgerliche Emanzipation ebenso ins Blickfeld wie die Termini Aufklärungsgesellschaft und Öffentlichkeit. Darüber hinaus können jedoch Besonderheiten seiner Biographie ausgemacht werden, die von einer übergreifenden Bedeutung für seine Person und

2 Vgl. zu diesem Ansatz biographischen Vergangenheit und Gegenwart, 170 f.

Arbeitens

Leuseimer,

Geschichte

in

3 Einem solchen Forschungsansatz folgen auch Bödeker und Herrmann , Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung (vgl. hier die einleitenden "Fragestellungen", 3-9, besonders 4) sowie dies., Hrsg., Ober den Prozeß der Aufklärung in Deutschland im 18. Jahrhundert, Personen, Institutionen, Medien, Göttingen 1987: Aufklärung sei zu interpretieren "als Transformation menschlicher Umweltwahrnehmung in Handlungsmotive." (ebd., 1). 4 Vgl. R. Vierhaus, tung, 10. 5

Ebd.

"Patriotismus" - Begriff und Realität einer moralisch-politischen Hal-

G. Zum Thema Archenholz

173

sein Werk sind. Archenholz' Teilnahme am Siebenjährigen Krieg und seine anschließende, außerordentliche ausgedehnte Reisetätigkeit stellen solche biographischen Akzente dar, die als die initiierenden Faktoren seiner Bewußtseinsbildung definiert werden können und als solche Eingang in sein gesamtes Werk finden. Die Ermittlung seiner biographischen Daten erwies eine bürgerliche Herkunft Archenholz', die nicht unbedingt der sozialen Typik der deutschen Spätaufklärer entspricht6. Als Sohn einer bürgerlichen Familie mit ausgeprägter militärischer Tradition genoß auch er eine militärische Ausbildung und blieb damit einem Berufsstand inkorporiert, der in einem unmittelbaren staatlichen Dienst- und damit Abhängigkeitsverhältnis stand, das kritische Ambitionen nicht unbedingt nahelegte7. Ein schnelles Ende fand Archenholz' eingeschlagene Laufbahn durch seine Entlassung nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges, womit eine erste biographische Bruchstelle festgestellt wurde, die Archenholz den Zwang, aber auch die Möglichkeit eröffnete, eine persönliche Entscheidung fur seine nächste Lebensstation zu treffen. Wohl eher hinsichtlich seiner Reputation als seiner Physis angeschlagen, nutzte er die folgenden Jahre zu einer ausgeprägten Welt- und Selbsterfahrung, mit der er den Grundstein fur dreißig Jahre eines erfolgreichen Berufslebens legte. Sowohl mit seiner Reisezeit als auch mit seiner Berufswahl gibt Archenholz Zeugnisse selbständiger Entscheidungsfreiheit, aber auch Aufschluß über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten sowie über den "Geschmack der Zeit" 8 , die Sitten und Gewohnheiten seines Zirkels 9. Beide Lebensabschnitte kreisen um das Phänomen Bildung, indem Archenholz sich vom Zu-Bildenden zum Gebildeten entwickelt und diesen Phasen des gleichen emanzipativen Vorgangs die entsprechenden Wirkungsfelder verschafft. Um 6 Vgl. zur sozialen Situation der deutschen Spätaufklärer Joyce Schober, Die deutsche Spätaufklärung (1770-1790), Frankfurt a.M. 1975, 143 ff. sowie zur sozialen Herkunft, zum "typischen Lebenslauf, zum beruflichen Werdegang sowie der sozialen Mobilität der Spätaufklärer 162 ff. und 194 ff. Vgl. zu dieser Frage außerdem Hans H. Gerth, Bürgerliche Intelligenz um 1800. Zur Soziologie des deutschen Frühliberalismus, Göttingen 1976. 7 Dieser Aspekt ist besonders entscheidend fur die Zeit des aufgeklärten Absolutismus in Preußen, deren einen Militärstaat regierenden Fürsten um das Wechselspiel von Militärsystem und Adelsprivilegiemng wußten und es daher zu erhalten versuchten. Vgl. dazu Klaus Deppermann, Der preußische Absolutismus und der Adel. Eine Auseinandersetzung mit der marxistischen Absolutismustheorie, in: Geschichte und Gesellschaft 8, 1982, 538-553 sowie Kopitzsch, Die Aufklärung in Deutschland, 7 f. Vgl. außerdem zu diesem Aspekt allgemein Eckhardt Hellmuth, Naturrechtsphilosophie und bürokratischer Werthorizont. Studien zur preußischen Geistes- und Sozialgeschichte des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1985. 8

Vgl. Zedier, Großes Vollständiges Universal-Lexikon, 61. Bd., Sp. 733.

9

Schiller y Über die ästhetische Erziehung des Menschen, 311.

174

G. Zum Thema Archenholz

bürgerliche Emanzipation geht es nämlich hier insofern, als gerade dem Bildungsbegriff eine Schlüsselrolle auf der Suche nach Auswegen aus der diskrepanten Situation des Bürgerlichen zuwächst, in der dieser sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts in zunehmenden Maße befindet 10. Aufklärung spielt dabei die Rolle des Movens und des Mediums gleichermaßen und gerät so in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Entwicklung moderner Bürgerlichkeit 1 1 . Dieser Kontext von geistiger Bewegung und sozialer Kategorie spiegelt sich gerade auch im Prozeß der Literaturkommerzialisierung, der die wirtschaftliche Basis für eine bürgerliche Existenz als Schriftsteller bildet 12 . Archenholz nutzt diese Basis, indem er sich nicht nur zu einer Schriftstellerlaufbahn entschließt, die ihm den Prototypen der Aufklärung 13 zuordnet. Vielmehr schöpft gerade er die kommerzielle Seite des aufklärerischen Literaturbetriebes aus, indem er seinen Kompetenzbereich als Schriftsteller auf

10 Zu den historischen Rahmenbedingungen der sich wandelnden Situation der deutschen Bürgerlichen des 18. Jahrhunderts vgl. den informativen Überblick von Rudolf Vieritaus, Deutschland im 18. Jahrhundert: Soziales Gefuge, politische Verfassung, geistige Bewegung, in: Kopitzsch, Hrsg., Aufklarung, Absolutismus und Bürgertum in Deutschland, 152 ff., sowie ders., Kultur und Gesellschaft im 18. Jahrhundert, in: Das 18. Jahrhundert als Epoche, hrsg. von B. Fabian/W. Schmidt-Biggemann, Nendeln 1978. - Zum Verständnis der historischen Ausgangssituation der bürgerlichen Emanzipation und der politischen Struktur der Zeit vgl. klärend Johannes Kunisch, Absolutismus. Europäische Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zur Krise des Ancien Régime, Göttingen 1985, bes. 172 ff. - Zur zentralen Rolle der Bildung innerhalb der historisch-sozialen Prozesse der Zeit vgl. u.a. Kopitzsch, Die Aufklärung in Deutschland. Zu ihren Leistungen, Grenzen und Wirkungen, 15 sowie Koselleck, Einleitung Zur anthropologischen und semantischen Struktur der Bildung, in: ders., Hrsg., Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, Teil Π, Stuttgart 1990, 11-46. 11 Eine zusammenhängende Interpretation von Bürgertum und Aufklärung unternimmt auch F. Kopitzsch, Einleitung: Die Sozialgeschichte der deutschen Aufklärung als Forschungsaufgabe, in: ders., Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum, 1976. - Natürlich kann diese Entwicklung nicht losgelöst von der politischen Struktur der Zeit gesehen werden, wobei der aufgeklärte Absolutismus ins Blickfeld rückt. Angesichts der reichen und kontroversen Forschungssituation zu diesem Thema sei auf die flächendeckende Aufarbeitung von Problematik und Forschungslage bei Stollberg-Rilinger, Der Staat als Maschine, Einleitung, verwiesen. Hier nur als Überblick einige maßgebliche Sammelwerke: Karl Otmar Freiherr von Aretin, Hrsg., Der Aufgeklärte Absolutismus, Köln 1974 (Neue Wissenschaftliche Bibliothek, 67); Walter Hubatsch, Hrsg., Absolutismus, Darmstadt 1973 (Wege der Forschung, 163); Ernst Hinrichs, Hrsg., Absolutismus, Frankfurt a.M., 1986 sowie als Einzelstudie: Helen Liebel, Der aufgeklärte Absolutismus und die Gesellschaftskrise in Deutschland im 18. Jahrhundert, in: Hubatsch, Hrsg., Absolutismus, 488-544. 12

Vgl. Haferkorn,

Der freie Schriftsteller, 3 und besonders 51.

13 Zur Definition des Schriftstellers als "Prototyp der Aufklärung" vgl. Vierhaus, Politisches Bewußtsein in Deutschland vor 1789, 187 f. und ders., Die aufgeklärten Schriftsteller. Zur sozialen Charakteristik einer selbsternannten Elite.

G. Zum Thema Archenholz

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den des Journalisten und Publizisten ausweitet14. Dadurch verkörpert er überzeugend den speziellen Journalisten-Typ der Aufklärung, den Literaten-Journalisten^y eröffnet sich aber außerdem mit seiner Hinwendung zum Metier des Herausgebers ein Wirkungsfeld mit einem besonderen politischen Potential 1 6 . In der Forschung wird das "politische Selbstverständnis" des Aufklärungsliteraten als Streben nach Kenntniserweiterung 17 definiert. Es ist deutlich geworden, daß Archenholz dieses Streben über sein journalistisches Wirken hinaus zu seinem wesentlichen Werkmotiv erklärt hatte. Davon abgesehen ist er durch sein literarisch-publizistisches Wirken an sich dem Phänomen einer intellektuell und nicht sozial bestimmten Aufklärungsgesellschafi 18 zuzuordnen, deren "soziales Substrat" die Gebildeten stellen19 einer aufklärungstypischen gesellschaftlichen Gruppe also, die sich durch einen literarischen Diskurs auf eine Art politischen Konsens verständigen kann 20 und dadurch zum wichtigsten Träger des politischen Bewußtseins der Aufklärungszeit wird 2 1 . Dieses schafft sich Raum in einer bürgerlichen Öffentlichkeit 22, die eine spezifische Kategorie des politisch-sozialen Lebens der

14 Die H.H. Gerth, Buchhändler rung, Bd. 1,

vielseitige Dimension des aufklärerischen Literaturbetriebes betonen besonders Bürgerliche Intelligenz um 1800, 61 f. sowie H.G. Göpfert, Bemerkungen über und Buchhandlung zur Zeit der Aufklärung, in: Wolfenbütteler Studien zur Aufklä1974, 69-83.

Zu Begriff und Entwicklung dieses aufklärerischen Journalisten-Typs vgl. Wolfgang Mertens, Die Geburt des Journalisten in der Aufklärung, in: Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung, Bd. 1, 1974, 84-98. 16 Gerade das politische Potential der Zeitschrift des späten 18. Jahrhunderts betonen Bödeker, Prozesse und Strukturen politischer Bewußtseinsbildung der deutschen Aufklärung, in: ders. u.a., Hrsg., Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung, 22, im allgemeinen sowie Kopitzsch, Grundzüge einer Sozialgeschichte der Aufklärung in Hamburg und Altona, im besonderen. Letzterer rekonstruiert am Beispiel Hambuigs die Entwicklung der Aufklärung von einer wissenschaftlich-literarischen zu einer literarisch-publizistischen Bewegung, in deren Verlauf gerade die Zeitschrift ein neues Bewußtsein wecken kann und so zum Spiegel des "aufklärerischen Impetus ihrer Schreiber" wird (vgl. ebd., 260 ff. und 637-652, hier: 637). Vgl. Bödeker, Prozesse und Strukturen, 17 f.: Im Zuge des sozialen und regionalen Erweiterungsprozesses der Aufklärung gewinnen Selbständigkeit und Kritik eine neue Qualität, die sich in der Transformation der "Forderung nach nützlichem Wissen ... zur Forderung nach politisch nützlichem und wirksamen Wissen" niederschlägt. 18

Vgl. ebd., 5.

19

Vgl. ebd.

2 0

21

Vgl. ebd., 11 sowie Vierhaus, Politisches Bewußtsein in Deutschland vor 1789, 179. Vgl. ebd., 178.

22 _ Vgl. zu diesem Vorgang Becher, Politische Gesellschaft. Studien zur Genese bürgerlicher Öffentlichkeit.

176

G. Zum Thema Archenholz

Aufklärung 23 darstellt und über ihre konstitutive Basis, die öffentliche Meinung, den Charakter politischer Praxis gewinnen kann 24 . Auch für Archenholz kann diese Selbstauffassung des aufgeklärten Schriftstellers, der sein "Schreiben als politische Bildung und als aktives politisches Handeln" versteht 25, nachgewiesen werden. Nicht zuletzt sein an England orientiertes, politisches Öffentlichkeitsverständnis und sein engagiertes Eintreten für eine deutsche Presse- und Meinungsfreiheit hatten dies gezeigt. Durch letzteres ist er in eine Reihe zu stellen mit Schriftstellern wie Friedrich Buchholz und Friedrich von Cölln, die sich auf das Recht der Denkfreiheit und der Publizität berufen hatten 26 . An dem ihnen alleine zugeschriebenen Verdienst, zur "öffentlichen Erörterung staatlicher Dinge aufgefordert" und dadurch politisches Interesse und Bewußtsein im Bürgertum geweckt und gefördert zu haben 27 , ist einem Schriftsteller und Publizisten wie Archenholz ein Anteil zuzugestehen gleich den vielen anderen, am öffentlichen Diskurs der Zeit Beteiligten auch. Gerade durch diesen gesellschaftsspezifischen intellektuellen Austausch gerät jedoch auch er in die Gefahr der kompensatori23 Als solche definiert sie Lucian Hölscher, vgl. Artikel "Öffentlichkeit", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, 1978, 413-467, besonders 413 f. - Zu den verschiedenen Formen literarischer und personaler Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert vgl. Ruppert, Bürgerlicher Wandel, 96-148 sowie zur institutionellen Ausprägung von ÖffenUichkeit konkret: Thomas Nipperdey, Verein als soziale Struktur in Deutschland im spaten 18. Jahrhundert und frühen 19. Jahrhundert, in: Geschichtswissenschaft und Vereinswesen im 19. Jahrhundert. Beitrage zur Geschichtshistorischen Forschung in Deutschland, hrsg. von H . Brockmann u.a., Göttingen 1972, 1-44; Marlies Prüsener, Lesegesellschaften im 18. Jahrhundert, in: Archiv tur Geschichte des Buchwesens 13, 1973; dies., Die deutschen Lesegesellschaften im Zeitalter der Aufklärung, in: Dann, Hrsg., Lesegesellschaften und bürgerliche Emanzipation, 71-86; ders., Einleitung des Herausgebers: Die Lesegesellschaften und die Herausbildung einer modernen bürgerlichen Gesellschaft, in: ders., Hrsg., Lesegesellschaften; Hans Hubrig, Die Patriotischen Gesellschaften des 18. Jahrhunderts, Weinheim 1957; Otto Brunner, Die Patriotische Gesellschaft in Hamburg im Wandel von Staat und Gesellschaft, in: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, 21968; Richard van Dülmen, Der Geheimbund der Diurninaten, Stuttgart/Bad Cannstadt 1975. - Archenholz ist eine Zugehörigkeit z.B. zur Patriotischen Gesellschaft Hamburgs nicht nachzuweisen. Sein Beitritt zu einer Freimaurerloge hingegen, den d'Hondt bezweifelt (vgl. ders., Hegel Secret. Recherches sur les sources cachées de la pensée de Hegel, 23), kann anhand eines Briefes von Archenholz an Gleim vom 1. Jan. 1794 belegt werden, in dem er daraufhinweist, "als ein 30jähriger Freymaurer längst [seine] Begriffe ... geordnet" zu haben. 24 Vgl. Bödeker, Prozesse und Strukturen politischer Bewußtseinsbildung, in: Aufklärung als Politisierung, hrsg. von demselb. u.a., 18 sowie grundlegend Bauer, Die öffentliche Meinung und ihre geschichtlichen Grundlagen. 25

Vgl. Vierhaus, Politisches Bewußtsein in Deutschland vor 1789, 188.

26 Vgl. die Betonung dieses Aspekts des Wirkens von Buchholz und Cölln bei Gembruch, Bürgerliche Publizistik und Heeresreform in Preußen (1805-1808), in: ders., Staat und Heer, 334-365, bes. 364 f. 27 Vgl. Gembruchs Verweis auf eine entsprechende Beurteilung Buchholz' und Cöllns durch H . Hüffer und J. Ziekursch, ebd., 364.

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sehen Funktion verbaler Intellektualität: Das Mittel zum Zweck gerät zum Selbstzweck; der eigentliche politische Impetus des Schreibens findet keine aktive Umsetzung. Die Lektüre des Briefwechsels zwischen Archenholz und Gleim jedenfalls drängt bei allem Politisieren der Korrespondierenden den Eindruck einer solch schreiberischen Selbstgenügsamkeit ungewollt auf 2 8 . Gerade in diesem Briefwechsel kommt jedoch auch zum Ausdruck, wie sehr Archenholz' politisches Interesse als Bürgerlicher in seinem Selbstverständnis als Patriot wurzelt 29 . Damit ist das Stichwort für ein anderes Etikett gefallen, den Aufklärungspatriotismus? 0, dem sich Archenholz nicht nur durch sein konstantes Bemühen um das Erfassen des "Nationalgeistes" zuordnet 31, sondern der auf eine maßgebliche Station seiner Biographie verweist: Seine Teilnahme am Siebenjährigen Krieg. Mehrere Faktoren sprechen dafür, daß Archenholz in den Jahren seines Dienstes im preußischen Heer und ganz besonders seiner aktiven Kriegsteilnahme komplexe Identitätsprozesse vollzieht, die seine geistige Haltung lebenslang bestimmen. Die historische Forschung hat die Ausnahmestellung des Siebenjährigen Krieges gerade auch hinsichtlich eines solchen bewußtseinsfordernden Potentials erkannt 32. Sie schreibt der im 18. Jahrhundert bereits unüblichen königlichen Heerfuhrerschaft Friedrichs II. den Grund dafür zu, daß eine Identifizierung des Kriegsgeschehens mit der Person des Preußenkönigs stattfinden kann, die wiederum von einer unmittelbaren Identifizierung der Kriegsbeteiligten mit dem Wohl des preußischen Staats begleitet wird 3 3 . 28 So prägt Goethe hinsichtlich des Briefkultes seiner Zeit im allgemeinen und den des Kreises um Gleim im besonderen den Begriff der " Wechselnichtigkeiten an denen "man sich ergötze". Vgl. Haferkorn, Der freie Schriftsteller, 164 f., Anm. 240. 29 Vgl. etwa Gleim an Archenholz, 7. Aug. 1794 und besonders Archenholz an Gleim, 1. Nov. 1798. 30

So geprägt von R. Vierhaus, Politisches Bewußtsein in Deutschland vor 1789, 183.

31 Zur Relevanz der Debatte um den deutschen Nationalgeist fur den Patriotismus der Aufkläningszeit vgl. ebd., 185 sowie Ruppert, Bürgerlicher Wandel, 3 ff. 3 2 Vgl. Reinhard Höhn, Der Soldat und das Vaterland während und nach dem Siebenjährigen Kriege, in: Festschrift fur E. Heymann zum 70. Geburtstag, Bd.. 1: Rechtsgeschichte, Weimar 1940, 250-312; ein Aufsatz, der durch seine ideologische Position nicht unproblematisch, dennoch durch seine Quellennähe ertragreich ist. Gembruch relativiert allerdings Höhns Pauschalierung der Kampfessolidarität zwischen Soldat und König im Siebenjährigen Krieg als Geist der preußischen Armee insgesamt, indem er den Siebenjährigen Krieg als singulare Krisenperiode innerhalb der preußischen Militärgeschichte charakterisiert. Vgl. Gembruch, Menschenfuhrung im preußischen Heer von Friedrich dem Großen bis 1806, in: ders., Staat und Heer, 169-186, hier: 181 f.

33 Vgl. ebd., 258 ff. - Archenholz selbst äußert sich differenziert zum Verhältnis der preußischen Soldaten zu Friedrich Π., das besonders durch den Siebenjährigen Krieg bestimmt 12 Rieger

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G. Zum Thema Archenholz

Archenholz' historiographische Verarbeitung des Siebenjährigen Krieges zeugt ebenso wie seine häufige Bezugnahme auf den Krieg und in diesem Zusammenhang immer auch auf Friedrich II., daß er sein Kriegserleben als eine letztlich unbedingt positive, begriffsbildende Orientierungsgröße erfahrt. Darüber hinaus belegen der ständige Hinweis auf seine persönliche Kriegsteilnahme sowie seine lebenslage Selbstbezeichnung als "ehemaliger Hauptmann in königlich preußischen Diensten" das Maß seiner Selbstfindung im Kontext des Ereignisses. Für die Frage nach der Entwicklung eines politischen Bewußtseins sind diese Beobachtungen insofern relevant, als die patriotische, affirmative Haltung gegenüber dem eigenen Staat generell im Zusammenhang der politischen Bewußtseinsentwicklung einer Gesellschaft gesehen werden muß, und zwar als eigenständige, und nicht bloß Teil-Erscheinung des Nationalbewußtseins34. Inwiefern gerade der deutsche Aufklärungspatriotismus den Ansatz für die Entfaltung einer politischen Kultur 35 bietet, verdeutlicht die Einsicht, daß ja politisches Bewußtsein nicht unbedingt staatskritisches oder revolutionäres Bewußtsein bedeuten muß 3 6 , wie es dann die Französische Revolution provoziert. Vielmehr läßt sich am Fall Archenholz nachvollziehen, daß ein lebendiges Interesse am Staats- und am Gemeinwohl durch eine Solidarität begründet sein kann, wie sie maßgeblich durch die besonderen Bedingungen des Siebenjährigen Krieges initiiert wurde 37 .

war. Er korrigiert den "historischen Irrthum", daß dieses Verhältnis durch Liebe bestimmt gewesen sei, "denn Liebe gegen Höhere gründet sich auf Wohlthaten, und Friedrich erwies seinen Trappen keine. Nur bloß fur ihren zum agiren so nöthigen ... Unterhalt soigt er. Alles war in seinen Augen Pflicht. Die Belohnungen waren daher sehr selten, und die Strafen nur zu oft von seinen Launen dictirt. Der Officir wurde von ihm wie ein Sklave, der gemeine Soldat wie eine Maschine betrachtet." Doch obwohl Archenholz die soldatische Treue gegenüber Friedrich als keine emotionale erkennt, räumt er ein: "Dagegen aber hatten sie von seinen Geisteskräften und von seinem unbesiegbaren Muth die höchsten Begriffe, und hielten für ihn nichts unmöglich. Dies erzeugte bei ihnen eine ausserordentliche Verehrung, die nur ... durch die Furcht vor ihm noch übertreffen wurde." Vgl. Minerva, 1793, 3. Bd.: Historische Betrachtungen über den gegenwärtigen Krieg, über Friedrich den Grossen, über Kriegsthaten und Schlachten, 197-218, und Nachtrag 377-384, hier: 207 f. 34 Dafür plädiert Vierhaus, schen Haltung, 9. 35

"Patriotismus" - Begriff und Realität einer moralisch-politi-

So definiert durch Vierhaus, vgl. ebd., 10.

36 Vgl. Werner Schneiders, Die Philosophie des aufgeklärten Absolutismus. Zum Verhältnis von Philosophie und Politik, nicht nur im 18. Jahrhundert, in: Bödeker u.a. Hrsg., Aufklärung als Politisierung, 32-52, hier: 33. 37 Damit wird Kopitzschs Behauptung konkret, daß es "zu den Leistungen der Aufklärung zählt ..., daß sie seit dem Siebenjährigen Krieg ein politisches Bewußtsein schuf." (vgl. ders., Die Aufklärung in Deutschland, 17).

G. Zum Thema Archenholz

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Ein solches politisches Interesse kann nicht auf den eigenen Staat begrenzt bleiben, sondern weitet sich zwangsläufig auf den Vergleich mit anderen Nationen aus 38 . Archenholz' Kriegserleben folgt seine Reisetätigkeit, durch die er sich diese Vergleichsmöglichkeit konsequent verschafft. Nicht zuletzt seine Konzentration auf England belegt diese ausdrücklich politische Dimension jener Lebensphase, die zeitlich noch vor dem umwälzenden Revolutionsgeschehen in Frankreich liegt 39 . Damit beantwortet er ein weiteres Mal die brisante Forschungsfrage nach den provozierenden Momenten innerhalb einer deutschen politischen Bewußtseinsbildung, die sich vor der Französischen Revolution vollzieht 40 . Im Kontext dieser politischen Dimension seiner Reisezeit war ja auch die Bildungsabsicht zu sehen, die ihr unterliegt und durch die Archenholz sich Zugang zur deutschen Aufklärungsgesellschaft verschafft, die Weltkenntnis zu ihrer Hauptforderung erhebt 41. Seine Reisebeschreibungen machen nachvollziehbar, wie sehr Archenholz im Zuge seiner Reisen seine Selbstbildung und darüber hinaus kritische Erfahrungs- und Bewertungspro-

38 "Nationales Bewußtsein konnte provoziert werden durch den Vergleich mit anderen Nationen im Blick auf ihre gelehrten und kulturellen Leistungen, auf ihre staatlichen Verhältnisse und den Geist ihres öffentlichen Lebens."; vgl. Vierhaus, Politisches Bewußtsein in Deutschland vor 1789, 185. 39 Zum politischen Aspekt der Englandreisen im besonderen vgl. William E. Stewart, Gesellschaftspolitische Tendenzen in der Reisebeschreibung des ausgehnden 18. Jahrhunderts, in: Griep u.a., Hrsg., Reise und soziale Realität, 32-47 sowie Philippsthal, Deutsche Reisende des 18. Jahrhunderts in England und Elsasser, Über die politischen Bildungsreisen der Deutschen nach England. 40 Als wesentlicher Forschungsbeitrag zu dieser Frage vgl. Fritz Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770-1815, (zuerst 1951), Mit einem Nachwort von Jörn Garber, Kronberg/Taunus, Düsseldorf 1978. - Vgl. in diesem Zusammenhang das Problem der politischen Dimension der deutschen Aufklärung generell, das zuletzt artikuliert wird bei Kopitzsch, Die Aufklärung in Deutschland, 17 f. und grundlegend behandelt ist bei Volker Sellin, Artikel "Politik", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, Stuttgart 1978, 789-874. - Zu frühen, unpolitischen Darstellungen der Aufklärung vgl. die Arbeiten von Cassirer (1932) und Wolf (1949), denen das Bemühen der Aufklärungsforschung der 70er Jahre entgegensteht, das die republikanischen Traditionen der deutschen Aufklärung rekonstruiert: Vgl. Jost Hermand, Hrsg., Von deutscher Republik 1775-1795. Texte radikaler Demokraten, Frankfurt a.M. 1975 sowie Hans J. Schütz, Hrsg., Vernunft ist immer republikanisch. Texte zur demokratischen Tradition in Deutschland 1747-1807, Modautal/Neunkirchen 1977. - Zur Frage nach Impulsen der politischen Diskussion noch vor der Französischen Revolution vgl. Horst Dippel, Deutschland und die amerikanische Revolution. Sozialgeschichtliche Untersuchung zum politischen Bewußtsein im ausgehenden 18. Jahrhundert, Köln 1972 sowie allgemein Rolf Grimminger, Hrsg., Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution (1680-1789), München 1980. 41 Vgl. Bödeker, Reisen: Bedeutung und Funktion fur die deutsche Aufklärungsgesellschaft, 94.

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zesse vollzieht, die ihn die komplexe Funktion des Reisens im Rahmen der emanzipatorischen Ambitionen bürgerlicher Gebildeter ausschöpfen läßt 4 2 . Er legt hier aber außerdem ein Zeugnis davon ab, daß er sich als Aufgeklärter definiert und als Aufklärer legitimiert. W. Schneiders differenziert nämlich in seiner Arbeit "Zum Selbstverständnis der deutschen Aufklärung" zwischen den Kategorien Selbstaufklärung und Fremdaufklärung oder Emanzipation und Information**, denen sich Archenholz durch seine selbstbestimmte, selbstinformierende Reisezeit und seine anschließende, der tagespolitischen Information gewidmete Schriftsteller- und Journalistentätigkeit in vorzüglicher Weise zuordnet. Schneiders bringt genau an dieser Stelle die Sprache auf die Fähigkeit des Sehens, die er als unbedingte Voraussetzung jedes der Aufklärung zugrundeliegenden Erkenntnisakts bestimmt44. Damit ist jene Kategorie angesprochen, die auf ein weiteres Signum des deutschen Aufklärungsdenkens verweist, das gerade fur die politische Bewußtseinsbildung wichtig ist: Die Historisierung des Beobachteten und Erfahrenen 45. Der Gebrauch der Blick-Metapher ist schon im Kontext des aufklärungstypischen Geschichtsbewußtseins, das sich durch subjektive Wahrnehmungsund Erkenntnisakte konstituiert, wie sie besonders die Reisepraxis schult, erwähnt worden. Dieses geschichtliche Sehen46, dieser historische Blick* 1, versinnbildlicht die aktive, rationale Aneignung von Welt, die die Bedeutung des Wahrnehmenden vom bloß Rezipierenden zum Mitgestaltenden steigert 48. In-

42 Zu dieser komplexen Funktion vgl. ebd. sowie Stewart, ihre Theorie. 43

Vgl. Schneiders, Die wahre Aufklärung, 195-200.

44

Vgl. Schneiders, Die wahre Aufklärung, 196 f.

Die Reisebeschreibung und

45 "Aufklärung als Prozeß rationaler Weltaneignung wurde nicht nur durch Kritik und Praxisbezug geprägt, sondern auch durch historisches Bewußtsein."; vgl. Kopitzsch, Die Aufklärung in Deutschland, 3. - Zum Kontext von Aufklärung und sowohl politischer als auch historischer Bewußtseinsbildung vgl. außerdem Vierhaus, Politisches Bewußtsein, 186 sowie E. Schulin, Einleitung, in: ders., Hrsg., Traditionskritik und Rekonstiuktionsversuch. Studien zur Entwicklung von Geschichtswissenschaft und historischem Denken, Göttingen 1979, 13 ff., besonders 22 ff. und Jörn Rüsen, Geschichte als Aufklärung? Oder: Das Dilemma des historischen Denkens zwischen Herrschaft und Emanzipation, in: Geschichte und Gesellschaft 7, 1981, 189-218. 46 Zu Begriff, Kontext und Praxis des geschichUichen Sehens der Aufklärungszeit vgl. Friedrich Meinecke, Aphorismen: Allgemeines Ober Historismus und Aufklämngshistorie, in: ders., Zur Theorie und Philosophie der Geschichte, Stuttgart 1959, 215-243, besonders 221 ff. 47

Vgl. Bödecker, Reisebeschreibungen im historischen Diskurs der Aufklärung, 276.

48 Vgl. Harro Segeberg, Die literarisierte Reise im späten 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Gattungstypologie, in: Griep u.a., Hrsg., Reise und soziale Realität, 14-31, besonders 14 f. und

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dem sich dem Gegenwartserlebenden durch die Erkenntnis der historischen Grundlegung seiner Zeit eine gestaltbare Zukunft eröffnet, wird er sich seines eigenen konstruktiven Potentials in Hinsicht auf seine Gesellschaft bewußt und denkt damit bereits politisch49. Archenholz' beobachtende und meinungsbildende Anteilnahme an seiner Zeitgeschichte zeigt genau diese synonyme Auffassung von Zeitgeschichte und Politik, in deren Zusammenhang das spezifische historische Interesse der Aufklärung steht 50 , das Geschichte wesentlich als gegenwartsbezogene Disziplin betreibt 51. Wie stellt sich der Erkenntnisgehalt der Analyse der Lebensgeschichte und des Werks Archenholz' also dar? Die vorliegende Arbeit zum Thema Archenholz dürfte zur Erforschung des politischen Denkens in Deutschland vor 1789 5 2 einige konkrete Anhaltspunkte beisteuern. Mit Bestimmtheit kann nämlich festgehalten werden, daß der wesentliche Anstoß einer politischen Bewußtseinsbildung Archenholz' durch seine Teilnahme am Siebenjährigen Krieg erfolgt, den seine Reisejahre dann ausprägen und weiterentwickeln. Durch das Revolutionsereignis selbst erhält sein politisches Interesse einen stimulierenden, real-historischen Anhaltspunkt, den er allerdings weniger zur Klärung seiner Begriffe oder konkreten politischen Stellungnahme nutzt 53 . Vielmehr bestärkt dieses Ereignis ihn in seiner Auffassung von der historischen Einzigartigkeit seiner eigenen Zeit, die er schon durch den Siebenjährigen Krieg manifestiert sah und die nun seine beabsichtigte Zeitgeschichtsdokumentation zusätzlich motiviert. Gerade diese Haltung des Beobachtenden, des Reporters im wahrsten Sinne des Wortes, bewirkt aber zum anderen, daß Archenholz letztlich außerhalb 21. Segeberg betont außerdem den sonst "recht konventionellen ... Archenholz" als Beispiel fur einen Reiseschriftsteller, der diese mitgestaltende Funktion erfüllt (vgl. ebd., 25). 49 Zu einem solchen historischen und gleichzeitig politischen Denken vgl. Manfred. Hättich, Geschichtsbewußtsein in der Demokratie, in: Bernd Heybach und Peter Steinbach, Hrsg., Zeitgeschichte und politisches Bewußtsein, Köln 1986, 27-35, besonders 27 ff. 5 0 Vgl. Rudolf Vierhaus, Historisches Interesse im 18. Jahrhundert, in: Bödeker u.a., Hrsg., Aufldäning und Geschichte, 264-275; Dann, Das historische Interesse in der deutschen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, in: Hammer u.a., Hrsg., Historische Forschung, 386-414 und Salzbrunn, Studien zum deutschen historischen Zeitschriftenwesen.

51 Diesen konkreten Gegenwartsbezug von Geschichte im 18. Jahrhundert veranschaulicht Zwi Batscha am Beispiel Abbts; vgl. ders., Thomas Abbts politische Philosophie, in: ders., "Despotismus von jeder Art reizt zur Widersetzlichkeit." Die Französische Revolution in der deutschen Popularphilosophie, Frankfurt a.M. 1989, 126-168, besonders 143 ff. 52 Eine prägnante Darstellung dieser Forschungssituation findet sich bei Stollberg-Rilinger, Der Staat als Maschine. Zur politischen Metaphorik des absoluten Fürstenstaats, Einleitung. 53 Ganz im Gegensatz zur Tendenz der Zeit; vgl. Kopitzsch, Die Aufklärung in Deutschland, 17.

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des Geschehens bleibt. In seinen nachrevolutionären Arbeiten tritt dies zutage. Im Denken Archenholz' verzieht sich nämlich im Zuge der Revolution nicht die Politisierung, die sie allgemein - eben besonders im literarischen Bereich - in Deutschland hervorruft 54. Der Grundstein seines politischen Interesses liegt in seiner patriotischen Haltung gegenüber dem preußischen Staat. Daher nimmt er an dessen wechselvollem Schicksal zu Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts unverändert bewegten Anteil und wird nicht zum politischen Eskapisten als Konsequenz einer durch die Französische Revolution bedingten Überpolitisierung 55. Durch sein Selbstverständnis als historischer Beobachter gelingt es ihm nicht, einen theoretischen Beitrag zur politischen Debatte zu leisten. So brisante Themen wie etwa die Frage nach dem in der Spätaufklärung neu zu bestimmenden Verhältnis von Politik und Moral 5 6 finden sich in seinem Werk nirgends behandelt. Dafür klagt er aber das, was er beobachtet - die politische Apathie der Deutschen zum ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert - umso vehementer an. Dennoch hakt er sich in den öffentlichen Diskurs der Zeit, der Öffentlichkeit als moralisch-politisch funktionierende Instanz versteht 57, insofern ein, 54 Angesichts der Fülle von Arbeiten zur deutschen Revolutionsrezeption kann nur auf einige wichtige Werke in Auswahl verwiesen werden; so z.B. auf: Waldemar Wenck, Deutschland vor 100 Jahren. Politische Meinungen und Stimmungen bei Anbruch der Revolutionszeit, 2 Bde., Leipzig 1887/90; George P. Gooch, Germany and the French Revolution, London 2 1960; Reihhold Aris , History of Political Thought in Germany from 1789 to 1815, London 1965; Walter Grab, Hrsg., Deutsche revolutionäre Demokraten, 5 Bde., Stuttgait 1971-73; T.C.W. Manning , German Jacobins and the French Revolution, in: The Historical Journal, 1980, 9851002; Jürgen Voss, Hrsg., Deutschland und die Französische Revolution, 17. Deutsch-französisches Historikerkolloquium des Deutschen Historischen Instituts Paris, München/Zürich 1983; Gerhart Hoffmeister, Hrsg., The French Revolution and the Aufklärung, Hildesheim/Zürich/ New York 1989. 55 Zu einer solchen Entwicklung vgl. Vierhaus, Politisches Bewußtsein, 195 f. Vgl. außerdem Koselleck/Reichardt, Hrsg., Die Französische Revolution als Bruch des gesellschaftlichen Bewußtseins, München 1988, bes. die Kapitel "Revolutionspresse und Strukturwandel der politischen Öffentlichkeit", 127-184 und "Politisierung und Bedeutungsveränderung gesellschaftlicher Grundbegriffe", 185-242. 56 Vgl. zu dieser Problematik vor allem V. Sellin, "Politik", in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, 789 ff.; ders., Friedrich der Große und der aufgeklärte Absolutismus. Ein Beitrag zur Klärung eines umstrittenen Begriffs, in: Soziale Bewegung und politische Verfassung. Beiträge zur Geschichte der modernen Welt, hrsg. von U. Engelhardt/V. Sellin/H. Stuke, Stuttgait 1976, 83-112; W: Schneiders, Die wahre Aufklärung, 130 ff. und 214 sowie Dietrich Naumann, Politik und Moral. Studien zur Utopie der deutschen Aufklärung, Heidelberg 1977 (Frankfurter Beiträge zur Germanistik, 15). 57 Vgl. Schneiders, Die Philosophie des aufgeklärten Absolutismus. Zum Veihältnis von Philosophie und Politik, nicht nur im 18. Jahrhundert, in: Bödeker u.a., Hrsg., Aufklärung als Politisierung, 44 ff. - Vgl. Archenholz' entsprechend praktiziertes Öffentlichkeitsverständnis in Minerva, 1792, 2. Bd., 441 f. Dazu ausfuhrlich in Kap. E.IV.

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als er konkrete politische Fragestellungen aufgreift. Als eine solche läßt sich die Diskussion der deutschen Gebildeten des späten 18. Jahrhunderts benennen, die um die Vorstellung einer staatlichen Ordnung kreist, in der bürgerliche Freiheit, Gleichheit und Selbständigkeit gesichert sind 58 . Archenholz' Plädoyer für den nicht an eine bestimmte Regierungsform gebundenen Gesetzesstaat, zu dem seine Englandschilderungen letztlich geraten, weist ihm einen Platz unter den Vertretern einer aufgeklärt-gesetzesstaatlichen Position 59 ebenso zu wie seine Hauptforderung nach Pressefreiheit 60. Auch letztere Thematik ist bei Archenholz am englischen Vorbild orientiert und erhält durch die repressiven Maßnahmen im Gefolge der Französischen Revolution eine neue Stoßkraft, die von einer Verklärung des friderizianischen Preußens begleitet wird 6 1 . Gerade Archenholz' Engagement für die Pressefreiheit zeigt jedoch auch den durchaus am Eigeninteresse orientierten, pragmatischen Wesenszug, der Aufklärung mitbestimmt. Jedenfalls wird seine Kritik am absolutistischen Herrschaftsgebaren nur hinsichtlich dieses Themas laut. Ansonsten bleibt sie indirekt wie im Falle seiner Wertschätzung des Konstitutionalismus. Damit läßt sich Archenholz' Verhältnis zur Aufklärung insofern als zeithistorisches Konkretum erfassen, als sein Leben und Werk Beispiele aufklärungsspezifischer Wirksamkeit gerade in den Momenten bieten, in denen Eigenständigkeit gefordert wird: In der Gestaltung seines Lebensweges und dem Widerstand gegen Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit. Beide Eigenschaften setzen eine Beurteilung der politischen und gesellschaftlichen Grenzen und Möglichkeiten der eigenen Zeit voraus. Aufklärung wirkt daher konstruktiv und kritisch zugleich, immer jedoch als maßgebendes geistig-begriffliches Phänomen der Zeit, zu dem der 'Zeitbürger' Stellung zu beziehen aufgerufen ist.

58 Zu dieser Diskussion vgl. Vierhaus, 189 ff. 59

Politisches Bewußtsein in Deutschland vor 1789,

Vgl. ebd., 191.

Vgl. Bödeker, Aufklarung, 24.

Prozesse und Strukturen politischer Bewußtseinsbildung der deutschen

6t Vgl. zu dieser Idealisierung Friedrichs Π. im Verlauf der nachrevolutionären Ereignisse Schneiders, Die wahre Aufklärung, 21 f. und 81 ff.

H. Schlußbetrachtung Die Frage nach dem Erkenntniswert der hier vorgelegten Monographie sollte nicht nur aus der Perspektive der neueren Aufklärungsforschung beantwortet werden. Vielmehr sollte jedes historische Arbeiten immer vom Aspekt seiner möglichen Gegenwartsrelevanz begleitet werden: Bei aller "methodischen Verschiebung" und gewandelten Wissenschaftstheorie 1 der modernen Geschichtswissenschaft kann daher die an Archenholz' Biographie ausgerichtete Analyse die Möglichkeit bestätigen, "der Totalität des Wirklichen in der Geschichte nachzukommen, indem man von der tatsächlich vorgegebenen Struktur eines menschlichen Lebenslaufs ausgeht und in der Verflechtung eines solchen Lebens mit seinem historischen Umfeld den Zusammenhang intelligibler Strukturen .. in einem historischen Abschnitt verzeichnet."2 Leben und Werk des Literaten und Publizisten Archenholz hat sich in einer Weise mit sozialen, kulturellen und politischen Strukturen seiner Zeit "verflochten" gezeigt, die wesentlich durch die Aufklärung und ihre komplexen Implikationen bestimmt war. So gesehen hat er sich als Person als der "Ort" erwiesen, an dem "die Begegnung zwischen den Bedingungen und ... der gestalterischen Kraft des Menschen" stattfindet 3. Gerade Archenholz jedoch konkretisiert diese prinzipiellen Feststellungen, indem er in den Dialog mit seiner Zeit 4 ganz wörtlich und in zweifacher Weise eintritt. Zum einen zeigen sein Lebenswerk und auch sein Wirken, wie sehr er "ein Mann seiner Zeit" war, d.h. wie er sich nach dem Geschmack seiner Zeit zu richten verstand und ihm daher der Erfolg zuteil wurde, "unter den Seinigen" aufgenommen zu werden 5. Ist er deshalb weitgehend unbeach-

1 Vgl. dazu Schieder, Strukturen und Persönlichkeiten in der Geschichte, 149 ff., besonders 150. 2 Schulze, Die Biographie in der "Krise der Geschichtswissenschaft", 516. Schulze versteht diese Möglichkeit als Ausgleich fur Schwachen strukturgeschichUicher Betrachtungsweisen. 3

Ranke nach Leuschner, Geschichte in Vergangenheit und Gegenwart, 170 f.

4

Vgl. ebd.; vgl. auch Kap. A, Einleitung.

5 Vgl. Zedier, U.R.).

Großes Vollständiges Universal-Lexicon, 61. Bd., S. 733 f. (Hervorhebung

H . Schlußbetrachtung

185

tet geblieben, weil er in so ausgeprägter Weise der "Pflicht" nachkam, "in der Wahl seines Wirkens dem Bedürfnis ... des Jahrhunderts eine Stimme einzuräumen"6? Liegt nicht gerade hier aber der Ansatz zu einem spezifischen Erkenntnisinteresse historischen Forschens, das die Relevanz seiner Inhalte von neuem überdenkt? Archenholz selbst kritisiert das deutsche Publikum, das die Qualität eines literarischen Werks stets nur nach dessen Neuartigkeit beurteilt, anstatt, wie in anderen Ländern danach, "wie ein Schriftsteller denkt y wie er das Bekannte durch neue Verknüpfungen seines denkenden Geistes zu etwas ihm Eigentümlichen Neuen umbildet und dem gegenwärtigen, immer neue Darstellung heischenden Zeitpunkt anpaßt."7 Archenholz weist eine solche flexible Intelligenz auf, die sich nicht zuletzt in seiner Fähigkeit zu einer aktuellen Darstellungsgestaltung niederschlägt. Zum anderen besteht sein Dialog mit seiner Zeit jedoch aus dem engagierten, aktiven Interesse, mit dem er sie beobachtet und dokumentiert. Die Absicht, die er dabei verfolgt, zeigt sich dem heutigen Zeitgeschichtsforscher erstaunlich verwandt. So beantwortet L. V. Graf Ferraris in seinem Festvortrag anläßlich eines Jubiläums des Münchner Instituts fur Zeitgeschichte im Februar 1983 seine zur Erörterung gestellte Frage: "Zeitgeschichte und Politik. Einklang oder Widerspruch"? durch die Demonstration des engen, wechselseitigen Verhältnisses von Politik und Zeitgeschichte8. Dieses begründe sich, so Graf Gerraris, in dem Wesen zeitgeschichtlichen Arbeitens, welches sich nicht auf die Wiedergabe von Vorfällen der Vergangenheit oder Gegenwart beschränke, sondern auf das Formen der öffentlichen Meinung abziele9. Archenholz erkennt und nutzt diese politische Dimension einer bewußten Auseinandersetzung mit und Beachtung von Zeitgeschichte, indem er durch seine umfangreiche und engagierte Zeitgeschichtspräsentation meinungsbildend

6

Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen, 311.

7 Annalen des Jahres 1791, 6. Bd., 78. - Diesen Aspekt der zeitgemäßen Gestaltung bekannter Stoffe hebt der Rezensent des "Teutschen Merkur" vom Jahre 1788 gerade in Anbetracht des erfolgreichen historiographischen Werks Archenholz' hervor. Er bescheinigt der "Geschichte des siebenjährigen Krieges" ihre Bedeutsamkeit als großes Volksgeschichtsbuch, dessen Schreiber sich insofern "seinem Unternehmen gewachsen" zeigte, als es ihm gelang, "das Veraltete wieder neu [zu machen]", wodurch, "wenn man diese Beschreibung ... liest", einem "so ist ..., als ob man noch nicht viel davon wisse. Diese Wirkung", so der Teutsche Merkur weiter, "ist der sicherste Beweis, daß [Archenholz] verstehe, was Kunst, Licht und Leben in einer Geschichte sey." (vgl. Anzeiger des Teutschen Merkur, Sept. 1788, in: Der Teutsche Merkur 1788, 1. Bd., 108-112; hier: 110 ff.). 8 Vgl. Luigi Vittorio Graf Ferraris, Zeitgeschichte und Politik. Einklang oder Widerspruch?, in: Vierteljahreshefte fur Zeitgeschichte, 31. Jg. 1983, Heft 3, 373-388 (Festvortrag zum Abschluß des 30. Jgs. der Vjh. fur Zeitgeschichte, gehalten am 4.2.1983 im Institut fur Zeitgeschichte, München). 9

Vgl. ebd., besonders 393 f.

186

H . Schlußbetrachtung

wirkt, ohne dabei dem Publikum seine durchaus artikulierten, persönlichen Urteile aufzudrängen. Gerade dieses politische Potential bemerkt und betont die heutige Zeitgeschichtsforschung 10. Schenkt man ihr hinsichtlich der Auffassung Glauben, daß die literarisch vermittelte Qualität von Zeitzeugenschaft ausschlaggebend fur die Relevanz der jeweiligen Gegenwart fur die Zukunft ist 1 1 , so erscheint die Aussagekraft eines Johann Wilhelm von Archenholz jedenfalls in einem neuen Licht.

10 Vgl. etwa die Sammelbande von: Felix Messerschmidt, Hrsg., Die Zeitgeschichte in der Politischen Bildung. Eine Schriftenfolge aus der Akademie fur Politische Bildung, Tutzing/ Stuttgart 1970; P. Schneck/K. Sretenoivc, Hrsg., Zeitgeschichte als Auftrag politischer Bildung. Lehren aus der Vergangenheit, Jugend und Volk Wien/München, 1979 (Reihe Pädagogik der Gegenwart 408); B. Hey/P. Steinbach, Hrsg., Zeitgeschichte und politisches Bewußtsein, Köln 1986 (Internationale Tagung der Landeszentrale fur politische Bildung des Landes NordrheinWestfalen) sowie Rüdiger von Voss, Vorwort, in: Klaus Kunkel, Hrsg., Der Zeitgeister wendet sich mit Grausen: Mut zur Zukunft - 4 Plädoyers, Köln 1987, 7-14. ü Vgl. Peter Steinbach, Von der Schwierigkeit des Gedenkens, in: ders. u.a., Hrsg., Zeitgeschichte und politisches Bewußtsein, 13-24, besonders 15 f.: "Vergangenheit wird immer dann belastend und ohne Folgen fur die Gegenwart und Zukunft bleiben, wenn ... Zeitzeugen nicht genügend Phantasie entwickeln, die als Erinnerung die Uberbrückung räumlicher und zeitlicher Distanzen gestattet."

Verzeichnis der Quellen, Darstellungen und Hilfsmittel I . Quellen

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188

Verzeichnis der Quellen, Darstellungen und Hilfsmittel

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