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German Pages 172 Year 2020
Hans Karl Peterlini, Jasmin Donlic (Hg.) Jahrbuch Migration und Gesellschaft 2019/2020
Jahrbuch Migration und Gesellschaft | Band 1
Die Reihe wird herausgegeben von Hans Karl Peterlini und Jasmin Donlic.
Hans Karl Peterlini, geb. 1961, stammt aus Italien/Südtirol und hat in Klagenfurt die Professur für Allgemeine Erziehungswissenschaft und Interkulturelle Bildung inne. Seine Forschungsschwerpunkte sind ethnische und sprachliche Diversität in nationalstaatlichen Kontexten, personales und soziales Lernen in Schule und Gesellschaft sowie inklusive Prozesse in migrantisch geprägten Gesellschaften. Jasmin Donlic, geb. 1990, stammt aus Bosnien und Herzegowina und ist Universitätsassistent am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung, Arbeitsbereich für Allgemeine Erziehungswissenschaft und diversitätsbewusste Bildung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Seine Forschungsschwerpunkte sind inter-/transkulturelle Bildung im Kontext von Migration und Inklusion, Mehrsprachigkeit an Schulen und jugendliche Identitätsbildung in regionalen transnationalen Räumen.
Hans Karl Peterlini, Jasmin Donlic (Hg.)
Jahrbuch Migration und Gesellschaft 2019/2020 Schwerpunkt »Digitale Medien«
Veröffentlicht mit Unterstützung des Forschungsrates der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.
Die Manuskripte wurden in einem double-blind peer review Verfahren begutachtet. Die Herausgeber danken den nationalen und internationalen Gutachter*innen für die Qualitätssicherung der Publikation.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Satz & Lektorat: Mag. Christian Herzog Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4480-7 PDF-ISBN 978-3-8394-4480-1 https://doi.org/10.14361/9783839444801 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download
Inhalt
Migration verstehen / Understanding migration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Hans Karl Peterlini, Jasmin Donlic
Migration und Digitalisierung: Umrisse eines emergenten Forschungsfeldes .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Manuela Bojadžijev
Medien.Macht.Bildung Thesen für eine Theorie der medialen Erfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Kristin Westphal
Transnational leben Medien als Instrumente, Räume, Produkte bewegter Zugehörigkeiten und Selbstkonzepte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Christina Schachtner
Teilhabe von geflüchteten Jugendlichen im Kontext digitaler Medien Digital unterwegs in transnationalen Welten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Henrike Friedrichs-Liesenkötter, Jana Hüttmann, Freya-Maria Müller
Real und virtuell auf der Flucht Bewältigungsstrategien aus dem Darknet und deren Bedeutung für eine sozialraumorientierte (Digitale) Soziale Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Karin E. Sauer, Marc Hasselbach
Empowerment through the Method of Digital Storytelling . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Viktória Mihalkó, Balazs Nagy, Dávid Bán
Fremdes und fremdes Eigenes im Film Migration – Medien – Minderheiten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Peter Holzwarth
You Have Just Crossed the Border in Ireland Mobile Alerts on Uncertainty and Political Stagnation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Aisling O’Beirn
Biometrische Maß-Nahmen als spektraler Trend zum digitalen Grenzmanagement .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Andreas Oberprantacher
Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Migration verstehen / Understanding migration Hans Karl Peterlini, Jasmin Donlic
Mit dieser Ausgabe betritt ein neues Jahrbuch die – an sich schon reichhaltige – Literaturlandschaft, in der Migration thematisiert wird. Als neues Angebot im transcript Verlag, dem für diese editorische Beheimatung und Unterstützung herzlich gedankt sei, werden sich die in der Regel monothematischen oder zumindest themenzentrierten Ausgaben des Jahrbuchs mit Migration als gesellschaftliche Tatsache befassen. Migration ist, anders als in medial und politisch gegenwärtig dominierenden Wahrnehmungen, nicht per se ein Not- oder Ausnahmezustand, sondern – in weltgeschichtlichen und globalen Zusammenhängen gedacht – eine Grunderfahrung, ja „eigentliche Existenzform des Menschen“ (Hoffmann-Nowotny 1994), die maßgeblich auch gegenwärtige Gesellschaften prägt, jenseits der nationalen Staaten soziale transnationale Räume schafft, Urbanität umgestaltet und bereichert, erfinderische Migrationsökonomien stiftet sowie Identitätsentwürfe und Lebensstile jenseits kultureller Zuschreibungen und ethnischer Festlegungen ermöglicht. Die Not und die Ausnahmesituation, die mit Migration und umso mehr mit Flucht einhergehen können, betreffen – anders als in hegemonialen Diskursen thematisiert – in erster Linie nicht die sogenannten Aufnahmegesellschaften, die von Migration vielfach sogar profitieren, wenngleich diese als störend thematisiert wird, sondern die Länder der Herkunft und die Menschen, die irgendwo ankommen, ohne je ankommen zu dürfen. Das Jahrbuch „Migration und Gesellschaft“ versteht Migrationsforschung als Gesellschaftsforschung, die nicht den Fokus auf die Beforschung und damit auch „Besonderung“ (Mecheril 2006: 319) von Migrantinnen und Migranten, von Gef lüchteten und Menschen mit unsicherem Aufenthalts-
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status allein verengt, sondern für lebensweltliche und kulturelle Praxen, Erfahrungen, soziale und personale Lernprozesse aller in der Migrationsgesellschaft lebenden Menschen öffnet. Durch den Zuzug neuer Menschen in gefestigte (wenn auch nie einheitliche) Gegebenheiten, fordert Migration gesellschaftliche Ordnungen heraus, verlangt den Ankunftsgesellschaften und ihren Angehörigen eine Überprüfung oft fraglos gewordener Selbstverständlichkeiten ab, die zugleich Lebenswelten neu erschließen helfen, Werte und Normen neu denken lassen, Gewohnheiten und Traditionen ebenso problematisieren wie stimulieren können. Dies dient letztlich der Bewusstmachung und dadurch Wiederentdeckung des gar nicht mehr zugänglichen Eigenen durch das nur vermeintlich Fremde, im Sinne von Adornos nur auf den ersten Blick paradoxer Aussage: „Nur Fremdheit ist das Gegengift zur Entfremdung“ (Adorno 1988: 118). Erst das Herausgefordert-Werden durch Neues befreit das Vertraute aus der betäubenden und entfremdenden Gewohnheit, ermöglicht es uns, dadurch, dass es befremdet wird, uns dazu wieder neu in Beziehung zu setzen. Nach Habermas (1981: 199) sind es Problematisierungen der ansonsten fraglosen Lebenswelt, die diese zumindest partiell der Bewusstwerdung und damit auch einem kommunikativen, lösungsorientierten Handeln erschließen. Migration muss nicht, kann aber eine solche Problematisierung darstellen, die eine Gesellschaft und die ihr angehörigen Menschen ‚weckt‘, wo vorher Unref lektiertheit und Unbewusstheit herrschten. Ein Dilemma dabei ist allerdings, dass Bewusstheit und Ref lexion, auch im Sinne einer kritischen Überprüfung des Eigenen, als unbequem, teilweise auch als schmerzhaft empfunden werden können und entsprechend gescheut werden. Die von der Psychoanalyse offengelegten Prozesse der Unbewusstmachung durch Verdrängung des Unangenehmen und Projektion all dessen, was sich nicht verdrängen lässt, prägen in hoher Intensität die politischen und medialen Diskurse um Migration: Statt dass durch Flucht sichtbar gemachte Folgen von Krieg und Waffenindustrie angeklagt würden, werden die Gef lüchteten in stereotyper Pauschalierung zu Projektionsf lächen von Angst und Bedrohungsgefühlen; statt dass Schief- lagen globaler, ökonomischer und sozialer, Gerechtigkeit Diskursmacht gewännen, werden Menschen, die sich aus Not anderswohin bewegen, als ‚Wirtschaftsf lüchtlinge‘ beargwöhnt, wie es bald wohl auch mit den ‚Klimaf lüchtlingen‘ der Fall sein wird; statt dass die Dynamiken eines seiner sozialen Abfederungen entledigten Kapitalismus entlarvt würden, werden die berechtigten Ängste vor sozialem Abstieg und vor Verarmung auf jene
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projiziert, die nicht die Schuld daran haben, sondern selber Opfer sind. Die Not wird durch Projektion auf jene entsorgt, die noch schlechter dran sind, aber zu Sündenböcken gemacht werden können. Die Verschiebung von sozialen und realen Ängsten auf nationale und irrationale Feindbilder erspart zwar die Befassung mit den hausgemachten Problemen, lässt diese damit aber auch ungelöst. Diese Dynamik prägt besonderes auch die Diskurse in sozialen digitalen Medien. Die dadurch verschärften gesellschaftlichen Spaltungen sind längst so tief, dass zunehmend überlegt wird, wie der Verrohung im Netz durch strengere Regeln einerseits und forcierte Bildungsarbeit andererseits entgegengewirkt werden kann. Zugleich sind digitale Medien auf vielfache Weise für migrantisch geprägte Menschen und Gesellschaften bedeutsam. Dieser Vielseitigkeit von Wirkungsverhältnissen versucht diese erste Ausgabe von „Migration und Gesellschaft“ durch Beiträge aus unterschiedlichen Perspektiven und zu unterschiedlichen Facetten des Themas möglichst gerecht zu werden, nicht im Sinne einer kaum möglichen Systematisierung, sondern durch ein freies Zusammenspiel von Narrativen und Analysen, die sowohl spezielle Bereiche fokussiert beleuchten als auch Puzzleteile für ein – fragmentiertes – Gesamtbild darstellen. Manuela Bojadžijev umreißt Migration und Digitalisierung als emergentes Forschungsfeld, Kristin Westphal stellt dazu die relevante Frage nach den Wirkungsverhältnissen von medialer und emotionaler Erfahrung, die sich durch die Digitalisierung noch einmal neu wendet. Christina Schachtner betrachtet Medien als Instrumente, Räume und Produkte bewegter Zugehörigkeiten und Selbstkonzepte unter dem Blickwinkel von transnationalen Lebensweisen. In der Befassung mit gef lüchteten Jugendlichen untersuchen Henrike Friedrichs-Liesenkötter, Jana Hüttmann und Freya-Maria Müller die Funktion digitaler Medien in ihrem Potenzial für gesellschaftliche Teilhabe. Einen besonderen Aspekt medialen Untertauchens stellt das Darknet dar, das von Karin E. Sauer und Marc Hasselbach in Bezug auf Bewältigungsstrategien und deren Bedeutung für (digitale) Soziale Arbeit exploriert wird. Die Frage, wie digitale Medien für Ermächtigung genutzt werden könnten, wird von Viktória Mihalkó, Balazs Nagy und Dávid Bán auch am Beispiel ihrer eigenen Arbeit mit digital storytelling diskutiert. Peter Holzwarth beschäftigt sich mit dem Film als Medium, das Migration und Minderheiten thematisch macht. Unweigerlich spielt das Spannungsfeld zwischen nationalen Grenzregimen und transnationalen (digitalen und realen) Lebenswelten in mehrere der genannten Beiträge hinein. In den Bei-
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trägen von Aisling O’Beirn über „mobile alerts on uncertainty and political stagnation“ am Beispiel der Grenze in Irland und von Andreas Oberprantacher in der Auseinandersetzung mit „biometrischen Maß-Nahmen“ im Grenzmanagement tritt die Grenze als Trennlinie und Überschreitungsraum stärker in den Vordergrund. Das Thema der „Grenzen“ wird der Fokus der nächsten Ausgabe des Jahrbuchs „Migration und Gesellschaft“ sein. Wir danken allen Autorinnen und Autoren für Ihre Beiträge, ebenso danken wir den Kolleginnen und Kollegen, die an der double blind peer review mitgearbeitet haben. Klagenfurt, Jänner 2020
With this edition, a new yearbook enters the – in itself rich – literary landscape which focuses on migration as a theme. As a new service offered by transcript Verlag, whom we would like to thank warmly for providing an editorial home and support, the usually monothematic or at least topic-centred editions of the yearbook will deal with migration as a social fact. Diverging from perceptions currently domination, the media and politics, migration is not per se a state of emergency or exceptional circumstance, but rather – in world history and global contexts – a basic experience, indeed an “actual form of human existence” (Hoffmann-Nowotny 1994), which also significantly shapes contemporary societies, creates social transnational spaces beyond the national states, transforms and enriches urbanity, creates inventive migration economies, and enables identity designs and lifestyles beyond cultural attributions and ethnic definitions. In contrast to what is thematized in hegemonic discourses, the hardship and the exceptional situation that can accompany migration, and especially f light, do not primarily affect the so-called host societies, which in many cases even profit from migration, even though it is thematized as disturbing, but rather the countries of origin and the people who arrive somewhere without ever being allowed to arrive. The Yearbook “Migration and Society” understands migration research as social research that does not narrow the focus on the research and thus
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also the “particularity” (Mecheril 2006: 319) of migrants, refugees and people with an insecure residence status alone, but opens it up to lifeworld and cultural practices, experiences, social and personal learning processes of all people living in the migration society. Through the inf lux of new people into consolidated (though never uniform) conditions, migration challenges social orders, demands that the arrival societies and their members examine what is often taken for granted, which at the same time can help to open up new worlds, allow values and norms to be rethought, and both problematise and stimulate habits and traditions. This ultimately serves the purpose of raising awareness and thus rediscovering what is no longer accessible at all through what is only supposedly foreign, in the sense of Adorno’s statement that is only paradoxical at first glance: “Only foreignness is the antidote to alienation” (Adorno 1988: 118). It is only when we are challenged by something new that we free the familiar from the numbing and alienating habit, that we are able to relate to it anew by alienating it. According to Habermas (1981: 199), it is problematizations of the otherwise unquestionable life-world that make it at least partially accessible to awareness and thus also to communicative, solution-oriented action. Migration does not have to, but can be such a problematization, which ‘awakens’ a society and the people who belong to it, where previously there was non-ref lection and unconsciousness. One dilemma here, however, is that awareness and ref lection, also in the sense of a critical examination of one’s own, can be perceived as uncomfortable, sometimes even painful, and are accordingly shied away from. The processes of unconsciousness revealed by psychoanalysis through the repression of the unpleasant and the projection of all that cannot be repressed characterise the political and media discourses on migration with great intensity: Instead directing accusations at the consequences of war and the arms industry that are made visible through f light, it is the fugitives who are stereotypically generalized and who become projection surfaces for fear and feelings of threat; instead of global, economic and social justice imbalances gaining power in discourse, people who move elsewhere out of necessity are suspected of being ‘economic refugees’, as will soon be the case with the ‘climate refugees’; instead of exposing the dynamics of a capitalism that has been stripped of its social cushioning, the justified fears of social decline and impoverishment are projected onto those who are not to blame but are themselves victims.
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Misery is disposed of by projection onto those who are even worse off but can be made scapegoats. The shifting of social and real fears to national and irrational enemy images spares us the need to deal with homemade problems, but also leaves them unresolved. This dynamic also particularly shapes the discourses in social digital media. The social cleavages that have been aggravated by this have long been so deep that people are increasingly considering how to counteract the brutalization on the net by means of stricter rules on the one hand and more forced educational work on the other. At the same time, digital media are important in many ways for migrant people and societies. This first issue of “Migration and Society” attempts to do justice to this diversity of relationships by means of contributions from different perspectives and on different facets of the topic, not in the sense of a hardly possible systematization, but rather through a free interplay of narratives and analyses that both illuminate specific areas in a focused manner and present puzzle pieces for a – fragmented – overall picture. Manuela Bojadžijev outlines migration and digitalization as an emerging field of research, while Kristin Westphal poses the relevant question about the conditions of media and emotional experience, which is being turned anew by digitalization. Christina Schachtner regards media as instruments, spaces and products of moving affiliations and self-concepts from the perspective of transnational ways of life. In their work with refugee youths, Henrike Friedrichs-Liesenkötter, Jana Hüttmann and Freya Maria Müller examine the function of digital media in their potential for social participation. A special aspect of media submersion is darknet, which was addressed by Karin E. Sauer and Marc Hasselbach who explore this topic in relation to coping strategies and their significance for (digital) social work. The question of how digital media could be used for empowerment is also discussed by Viktória Mihalkó, Balazs Nagy and Dávid Bán using the example of her own work with digital storytelling. Peter Holzwarth deals with film as a medium that makes migration and minorities topical. Inevitably, the tension between national border regimes and transnational (digital and real) living environments plays a role in several of the contributions mentioned. In the contributions by Aisling O’Beirn on “mobile alerts on uncertainty and political stagnation” using the border in Ireland as an example, and by Andreas Oberprantacher in his discussion of “biometric measures” in border management, the border as a dividing line and space for
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crossing boundaries moves into the foreground. The topic of “borders” will be the focus of the next edition of the yearbook “Migration and Society”. We would like to thank all authors for their contributions, as well as the colleagues who contributed to the double-blind peer review. Klagenfurt, January 2020
Literatur/References Adorno, Theodor W. (1988): Minima Moralia. Ref lexionen aus dem beschädigten Leben (1944 - 1947). Frankfurt am Main: Suhrkamp. Habermas, Jürgen (1981): Theorie des kommunikativen Handelns (I: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung; II: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft). Frankfurt am Main: Suhrkamp. Hoffmann-Nowotny, Hans-Joachim (1994): Migrationssoziologie, in: Harald Kerber/Arnold Schmieder (Hg.), Spezielle Soziologien. Problemfelder, Forschungsbereiche & Anwendungsorientierungen, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 388-406. Mecheril, Paul (2006): „Das Besondere ist das Allgemeine. Eine phänomenologische Skizze. Überlegungen zur Befremdung des ‚Interkulturellen‘ “, in: Tarek Badawia/Helga Luckas/Heinz Müller (Hg.), Das Soziale gestalten. Über Mögliches und Unmögliches in der Sozialpädagogik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 311-326.
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Migration und Digitalisierung: Umrisse eines emergenten Forschungsfeldes Manuela Bojadžijev
Digitalisierung wird mit vielen Forschungsfeldern in Zusammenhang gebracht, aber kaum mit Migration. Gehen wir davon aus, dass Digitalisierung – jedenfalls an vielen Orten der Welt – ubiquitär geworden ist, das heißt alle Bereiche von Arbeit und Leben betrifft, dann gilt dies sicher auch dafür, wie gegenwärtig und zukünftig Bevölkerungen mobilisiert werden bzw. unter welchen Bedingungen sie mobil sind. Dieser Text1 prüft in drei exemplarischen Annäherungen, wie sich Migration und das, was wir darunter verstehen (werden), verändert, um ein emergentes Forschungsfeld zu skizzieren.
Migration und Digitalisierung im Alltag Migration ist ein eher neues Wort. Ein- und Auswanderung waren die lange gültigen Ausdrücke für Bevölkerungsbewegungen. Kommen und Gehen beschrieb die dazugehörige Mobilitätspraxis, die man sich als vorübergehend und als Ausnahme zur Sesshaftigkeit vorstellte. Gastarbeiter war ein Name dafür. Man verließ ein Land und ging in ein anderes. Man hinterließ eine Kultur und begründete eine neue – nicht selten eine nun als gemischt gedachte. Man suchte Arbeit und fand eine andere. Mit dem Begriff der Migration sieht man inzwischen hingegen von der in eine Richtung verlaufenden Vorstellung eines von Irgendwo nach Irgendwohin ab. Der Begriff öffnet 1 Der Text basiert auf einem Beitrag (Bojadžijev 2017), den ich für diesen Band aktualisiert und überarbeitet habe.
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den Blick für die heute vervielfältigten Formen menschlicher Mobilität: Episodisch für eine Firma im Ausland arbeiten? Ein Jahr „work & travel“ nach dem Abi und vor dem Studium? Einem Krieg entf liehen und in einem Lager stranden? Trotz Harvard-Studium in Nairobi leben? Transfer eines Kickers von einem Weltfußballclub in den nächsten? Das Alter an der Ägäis oder der Algarve verbringen? Mal schnell zur Ausstellungseröffnung nach Venedig reisen? Familie in Ibiza, Job in der City of London? Arbeit und Leben sind heute von mobilen Praxen durchdrungen, die Nah und Fern oder Hier und Dort neu zusammensetzen. Nichts davon bestünde auch nur annähernd ohne die Digitalisierung unseres Alltags. Digitalisierung bedingt, produziert und strukturiert die Weisen unserer Mobilität, sie verändert ihre Qualität. Sie erfordert und befördert neue Formen und Praktiken mobiler Arbeit (vgl. Altenried/Bojadžijev/ Wallis 2018). Was uns hält, ebenso wie es uns forttreibt, ist digital vermittelt. Keine Mittelmeerüberfahrt ohne die Bilder des anderen Lebens – ob in der Form einer Reise mit dem Luxusliner, als Überfahrt eines Schlauchboots im Zuge der Flucht oder als Transport von Waren, die auf Containerschiffen per GPS die Häfen erreichen. Keine Wohnungs- oder Studiensuche im Ausland ohne eine Vermittlungsplattform, die das „Matching“ vornimmt. Keine Reise ohne E-Ticket. Keine Partnersuche ohne DatingPlattform. Keine Familie ohne täglichen Kontakt über videotaugliche Endgeräte. Keine Geldtransfers ohne sichere Verbindung. Keine Ausstellung von Reisedokumenten und kein Grenzübertritt ohne digital gestützte Sicherheitskontrollen und Datensysteme. Das Forschungsfeld von Migration und Digitalisierung ist allmählich im Entstehen. Erste Veröffentlichungen in dieser Forschungslandschaft heben, erstens, vor allem auf die neuen Konnektivitäten ab, die durch Digitalisierung ermöglicht werden und die in Hinblick auf Migrantinnen und Migranten vor allem in Form der Nutzung von digitalen Endgeräten untersucht werden. In einem Special Issue zu „Forced Migration and Digital Connectivity“ (Leurs and Smets 2018) sowie in weiteren ersten Studien (vgl. Arnold/Görland/Abbas 2017) geht es um den emanzipatorischen Charakter der Nutzung von Smartphones, etwa bei der Logistik der Flucht, wie auch um die Gefahren der Überwachung durch Grenzpolizei und Einwanderungsagenturen bei der Verwendung von Smart Phones. Anderen Studien geht es, zweitens, um die transnationalen Netzwerke in der Migration bzw. die Entstehung einer „e-diaspora“, wie es Dana Diminescu bezeichnet hat
Migration und Digitalisierung: Umrisse eines emergenten Forschungsfeldes
(Diminescu 2012). Ein drittes Feld eröffnet sich mit den so genannten Border Studies, die begonnen haben, die Informationssysteme- und -infrastrukturen, die auf biometrischen Datensets beruhen, im Bereich der Grenzkontrolle und des Grenzmanagements genauer zu untersuchen (etwa Amoore 2006; Scheel, 2018; Sontowski, 2018) oder um die Überwachung von eigens für die Nutzung in Hot Spots produzierten „Kreditkartensystemen“ (Tazzioli, im Erscheinen). Letztere Ansätze tragen neben den kontrollpolitischen Einordnungen auch Analysen hinsichtlich der Handlungsfähigkeit der Migrierenden bzw. deren Eingrenzung bei. Diese ersten Studie und Zugänge zeigen, dass der Zusammenhang von Digitalisierung und Migration bzw. Mobilitätspraktiken eminent ist. Trotzdem wissen wir heute immer noch zu wenig, wie Migration mit Digitalisierung zusammenhängt. Exemplarisch greife ich darum drei Szenen heraus, an denen ich zeigen möchte, wie weitere Forschungsperspektiven auf diesen Komplex entwickelt werden und weiterentwickelt werden könnten. Ich gehe erstens sicher davon aus, dass sich über digitale Netzwerke unsere Vorstellung von Migration insgesamt verändert wird, und möchte eine Studie vorstellen, die unsere Rezeption und Vorstellungen von Flucht maßgeblich verändert hat. Zweitens werde ich vorstellen, wie es zukünftig um Mobilität bestellt ist, wenn diese zunehmend „virtuell“ (vgl. Aneesh 2006) verläuft, und drittens möchte ich über die Veränderungen durch digitale und digitalisierte Arbeit zeigen, dass neue Szenarien von mobiler Arbeit vorstellbar werden.
Wie wir uns Migration vorstellen Es ist der 2. September 2015. In den digitalen Medien erscheint das Bild des dreijährigen Aylan Kurdi, der wie sein Bruder, seine Mutter und weitere Passagiere des gleichen Schlauchboots auf dem Weg übers Mittelmeer ertrunken ist. Auf dem Bild sieht man den syrisch-kurdischen Jungen, am Strand liegend, mit dem Gesicht nach unten. So aufgefunden, wird er in der Nähe des türkischen Badeortes Bodrum von der Journalistin Nilüfer Demir fotografiert. Sie stellt das Bild online. Die Verbreitung des Bildes ist beispiellos für die Geschichte der Flucht. Wie reist das Bild von der türkischen Küste in weniger als 12 Stunden und über 30.000 Tweets auf fast 20 Millionen Bildschirme? Was lehrt uns eine digitale Analyse dieser Ereignisse?
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Die online verfügbare Analyse „The Iconic Image on Social Media“ (Vis/ Goriunova 2015) hat sich dem Ereignis angenommen. Die multidimensionale digitale Analyse der Tweets ergibt, dass die Ausbreitung des Bildes von der Türkei in den frühen Morgenstunden des Tages über Spanien und Griechenland in den Nahen Osten führt; das Foto erreicht dann, gegen Mittag, einen Mitarbeiter von Human Rights Watch in Genf. Von hier wird die Streuung global – es geht nach Malaysien, Großbritannien, in die USA, nach Australien und Indien, worauf ab dem frühen Nachmittag nicht mehr nur einzelne Journalisten, sondern Medien die Verbreitung übernehmen – das Bild erhält nun Interpretationen, die Ethik seiner Verbreitung wird debattiert, Migrationspolitik diskutiert. Die Analyse zeigt überdies einen Wandel des Diskurses. Während bis zur Bekanntmachung des Bildes die Begriffe „migrants“ und „refugees“ in Twitter-Nachrichten in der Häufigkeit gleichauf liegen, wird nun vermehrt „refugees“ getweetet. Mit einem relevantem Bedeutungswechsel: Ein Migrant ist jemand, der die Wahl hat und vermeintlich „freiwillig“ reist. Dagegen ist ein Gef lüchteter gezwungen, ein Land zu verlassen, um zu überleben. Die globale Skalierung der bildbasierten Verbreitung und ihre Geschwindigkeit demonstriert dabei, welch mächtiger Katalysator Twitter ist. Zudem zeigt die Überprüfung der Google-Suchdaten das Suchvolumen in den Tagen ab der Verbreitung des Bildes. So befand sich Deutschland nach 24 Stunden hinter Österreich und Schweden auf Platz 3. Die Suchdatenanalyse kann die Fragen, die zum Fall Aylan Kurdi an verschiedenen Orten der Welt gestellt werden, nach Rängen ordnen. Suchbegriffe können dabei variiert und die globale, regionale, nationale und sogar die städtische Ebene vergleichbar machen. Wir erfahren, dass in Afghanistan, dem Iran und in Syrien die Anfragen zur Migration nach Deutschland am höchsten sind. In Deutschland wiederum wollte man wissen, wie den Gef lüchteten geholfen werden kann und den Unterschied zwischen Flüchtenden und Migranten verstehen. Die Unterstützung von Gef lüchteten wurde zum weltweit am meisten gesuchten Thema. Auch der Tweet #Refugees Welcome geht parallel zu #Aylan Kurdi viral. Sein Bild bringt der verzweifelten Zwangslage der Flüchtenden eine bis dato unvergleichbare Sichtbarkeit. Ein Welle der globalen Sympathie, aber auch sehr starke persönliche Reaktionen mobilisieren die Zivilgesellschaft dazu, Unterstützungsnetzwerke zu organisieren, Lobbyarbeit zu betreiben,
Migration und Digitalisierung: Umrisse eines emergenten Forschungsfeldes
und zwingen an vielen Orten und vor allem in Europa Regierungen zu Antworten. Nur wenige Bilder, die die Misere der Flucht darstellen, haben diese Wirkung. Man könnte sogar sagen, dass dieses Bild die Kapazität hat, gesehen zu werden – auch von denen, die sich vormals nicht für die Fragen von Flucht und Migration interessiert haben. Es macht uns auf diese Weise aufmerksam gegenüber den Formen der Sichtbarkeit und dafür, wie durch ein Bild die Entpersonalisierung der bildlichen Repräsentation von Migration über Zahlen, Grafiken und Pfeile temporär beendet werden kann. Menschen beginnen sich für die Umstände zu interessieren, unter denen andere mobil werden (müssen). Es konfrontiert uns damit, dass das Teilen solcher Bilder ein menschlicher Aspekt sozialer Netzwerke bleibt, weil kein Algorithmus allein das Bild in den Umlauf gebracht hätte. In seiner Analyse des Umlaufs dieses Bildes verweist Serhat Karakayli (2016) darauf, dass Bilder und Erzählungen über Flüchtenden in den ersten Wochen des Sommers 2015 oft Frauen und Kinder oder Familien zeigten. Er interpretiert das als „philantropische (oder humanitäre) Beziehung“, für die die unverantwortete Verletzbarkeit und Dankbarkeit der Opfer zur „Bildung eines affektiven Blocks“ zwischen Gef lüchteten und großen Teilen der deutschen Bevölkerung relevant wird. Das Bild von Kurdi spielte für das, was Willkommenskultur genannt wurde, insofern eine eminente Rolle. (Vgl. Vollmer/Karakayali 2018) Die Analyse solcher Bilder und ihrer Verbreitung beruht auf neuen Bedingungen, visuellen, technischen, gesellschaftlichen wie auch politischen, in denen Migration sich manifestiert und dargestellt wird. Die Analyse dieser Bedingungen, die durch die digitalen Infrastrukturen der sozialen Medien informiert und geformt werden, – ihre Funktionalität, die damit verbundenen Praktiken und Dynamiken – kann durchaus beeinf lussen, wie wir zukünftig mit den visuell-politischen und gesellschaftlich-affektiven Regimen umgehen, in denen Migration heute leider nur selten sachlich verhandelt wird. Eine Ikonographie der Migration kommt heute nicht ohne ein Verständnis ihrer Digitalisierung und ihrer digitalen Verbreitung aus. Sie trägt dazu bei, welche Haltung wir einer Bewegung gegenüber einnehmen, die inzwischen 65 Millionen Menschen weltweit – und das allein auf der Flucht – erfasst hat.
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Wie wir „virtuell“ migrieren Nicht nur die Repräsentation von Bevölkerungsbewegungen in Bild und Text erfordert unter digitalen Bedingungen neue Analysen. Die Untersuchungen des Zusammenhangs von Migration und Digitalisierung macht zudem deutlich, dass nicht nur jene, die wir als Migrantinnen und Migranten bezeichnen, sondern dass wir alle inzwischen „unterwegs“ sind – wenn auch nur im Internet und vom eigenen Bildschirm aus. Sie zeigen auch, dass wir neue Formen der digitalen Kooperation leben, und welche Auswirkungen das auf unsere Bürgerrechte hat. Bürgerrechte regeln die politischen, sozialen und zivilen Rechte und Pf lichten und machen aus uns Rechtspersonen eines bestimmten souveränen Staates. Sie beinhalten viele Ausnahmen, die unseren Status selbst in einem Land durchaus heterogen verteilen. Wir wissen zum Beispiel, dass Ausländer zu sein sehr viele rechtliche Bedingungen bedeuten kann („befristet“ und „unbefristet“ ist dabei nur die einfachste Unterscheidung). Aber was passiert, wenn sich „Inländer“ im Internet bewegen? Welche Rechtsansprüche haben wir dann? Ändern diese sich, wenn wir uns selbst nicht bewegen? Wer garantiert sie? Werden wir im Internet alle Migranten oder Teil einer grenzenlosen Sphäre? Im Gegensatz zu Bürgerrechten auf der Grundlage der gebräuchlichen Unterscheidung von ius sanguinis und ius soli hat der Kultur- und Medienwissenschaftler John Cheney-Lippold (2011) den Begriff des ius algoritmi geprägt. Etwas düster in der Ausführung geht es ihm darum, neue Formen von Bürgerrechten zu bezeichnen, deren Operationsmodus auf Identifikation, Kategorisierung und Kontrolle beruht. Darin unterscheiden sie sich zunächst nicht von den staatsbasierten Rechtsformen. Das „algorithmische Recht“ verweist aber auf die zunehmende Verwendung von Software, die darüber entscheidet, welche Rechte jemandem gewährt werden oder nicht und wie über diese Person verfügt oder nicht verfügt werden kann. Der Ausgangspunkt dieser Bürgerrechtsform liegt bei der US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsbehörde (NSA), auch wenn sie mit Sicherheit nicht der einzige staatliche Apparat ist, der solche Anwendungen einsetzt. Die Dokumente, die Edward Snowden 2013 veröffentlicht hat, belegen, wie die NSA überwachenden Zugriff auf US-Bürger haben kann, die sich in den USA befinden. Da der weltweite Internetverkehr in hohem Maße durch die USA f ließt, bedeutet es heute etwas anderes, rechtlich sicherzustellen, wer überwacht wird und wer nicht. Die NSA nimmt die Bestimmung auf der
Migration und Digitalisierung: Umrisse eines emergenten Forschungsfeldes
Basis eines Punktesystems vor: Eine Fall-zu-Fall- und Byte-zu-Byte-Überprüfung klärt für sie, ob ein Ziel überwacht werden kann, und zwar auf der Grundlage der kommunikativen Textur. Und von hier aus wird über die Rechte entschieden. Das besondere an diesen algorithmischen Bürgerrechten ist gar nicht, dass sie für uns weitgehend opak bleiben. Selbst wenn wir besser in der Lage wären, über die physische Infrastruktur des Internets Bescheid zu wissen, bleiben die Rechte in Bewegung. Wir sind das Objekt unterschiedlicher Rechte in unterschiedlichen Momenten unserer Bewegung im Netz. Aber nicht nur die düstere Seite macht die Veränderungen deutlich. Utopisches tritt heraus. Zugehörigkeit verbindet sich auf neue Weise mit Zuordnung. Die Bewegungen im Internet demonstrieren unsere gesellschaftlichen und politischen Bezüge durch die Verteilung des alltäglichen Onlineverhaltens. Neue Cloudinfrastrukturen und Cloudsoftware kommt ins Angebot, die Nutzer beschützen soll, ob gegen Spionage oder Überwachung. Allerdings macht die Frage der Bürgerrechte uns deutlich, welche enormen Verschiebungen auf uns zukommen: Die Sammlung, Auf bewahrung und Verwendung personenbezogener Daten lag lange Zeit in den Händen souveräner Staaten. Das konstante Manöver zwischen virtueller und physischer Bewegung verändert dies und stellt damit die Frage nach unseren eigenen Souveränitätsrechten neu. Und damit, unter welchen rechtlichen Bedingungen wir alle uns bewegen. So scheint es, dass wir mit einer Rekonfiguration von Staatsbürgerschaft konfrontiert sind, mit der sich verschiedene Rechte umsetzen, die unsere Bewegungen im Internet definieren und mehr und mehr auch unsere Bewegungen auf physischem Boden sowie gegenüber Staaten. Lange Zeit lag die Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten in den Händen souveräner Staaten. Aber das ständige Manöver zwischen physischen Bewegungen und Bewegungen im Internet verändert den Zugang zu und die Kontrolle über personenbezogene Daten und stellt Fragen nach den Souveränitätsrechten, erstens, auf der Ebene der Personen aber auch der Rechte der Bürgerinnen und Bürger, aber auch, zweitens, auf der Ebene der Staaten, im Hinblick auf die Institutionen dieser Rechte, sowie, drittens, im Hinblick auf die Rechtspraktiken bei der Verf lechtung von Off- und Online-Räumen. Darüber erzeugen die digitalen Technologien neue Formen des Ein- und Ausschlusses von Bürgern, so dass wir konzeptuell von der „Multiplikation von Staatsbürgerschaft“ im Sinne ihrer rechtlichen und so-
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zialpolitischen Systeme ausgehen können. Daher erleben wir derzeit auch Veränderungen in der Art und Weise, wie die Bürgerschaft durch die Digitalisierung neu gestaltet wird. Sei es, dass wir inzwischen alle behaupten können, dass wir ständig „in Bewegung“ sind, wenn auch nur im Internet und von unseren Bildschirmen aus, wir praktizieren täglich neue Formen der digitalen Zusammenarbeit und Konsumpraxis, wo immer es einen zuverlässigen Netzbetreiber gibt. Sei es, dass Staaten beginnen, digitale Medien zur Bereitstellung von Staatsbürgerschaft zu implementieren, die algorithmisch verwaltet werden, wie die Umsetzung des „e-Residency“-Projekts in Estland oder die Aadhaar-Nummer in Indien, die beide an der Schnittstelle von sozialer Sicherheit, neuen transnationalen Geschäftsmodellen und Mobilitätsvorschriften operieren. Nicht vergessen dürfen wir dabei, dass diese Modellversuche ohne das Zutun von auf Monopole angelegten Firmen und deren Software und digitale Infrastrukturen undenkbar geworden ist. Der Politikwissenschaftler Achille Mbembe verweist mit dem Begriff der „Unternehmenssouveränität“ auf eine vierte Dimension der Transformation von Souveränitätsrechten, die mir äußerst relevant erscheint, indem er die „beispiellose Konzentration (politischer, finanzieller und technologischer) Macht in den Händen weltweit agierender privater Hightech-Unternehmen“ (Mbembe 2019, 2) thematisiert, die für die Rechte der Mobilität zu einem unabweisbaren Faktor geworden sind. Wollten wir weiterhin die „Praktiken der Staatsbürgerschaft“ und migrantische Subjektivität (Bojadžijev 2008; Mezzadra/Neilson 2013) in unsere Analysen mit einbeziehen, was mir angesichts solcher Entwicklungen besonders dringlich erscheint, und wie diese durch die Digitalisierung beeinf lusst und herausgefordert werden, müssen wir auch unsere bisherigen Konzepte überarbeiten (vgl. Altenried et al. 2018; Altenried/Bojadžijev/Wallis 2018). Auf der Grundlage vielfältiger und heterogener Mobilitätspraktiken müssen die Regulation der Mobilität durch die digitalisierte Staatsbürgerschaft, die Auswirkungen auf Berechtigungen und Entrechtungen sowie die Auswirkungen auf das alltägliche Leben und die Bildung von Subjektivitäten geschaut werden, um fragen zu können, welche Auswirkungen wir aufgrund digitaler Transformationen auf die Konfigurationen der zukünftigen Staatsbürgerschaft beobachten und konzeptionell erfassen können; dies mit dem Ziel, zu einer Einschätzung kommen zu können, welche Auswirkungen wir damit auf die Konstitution politischer Subjektivitäten und Gemeinschaften vorhersehen können.
Migration und Digitalisierung: Umrisse eines emergenten Forschungsfeldes
Wie Digitalisierung von Arbeit Mobilität erfordert/befördert Digitale Arbeit und Industrie 4.0 zeigen schon lange, wie wir auf neue Weise zusammenarbeiten. Die gemeinsame Arbeit kann im gleichen Gebäude stattfinden oder auf der anderen Seite der Welt. Erst arbeitet jemand und wenn der schlafen geht, dann übernimmt eine andere, wenn dort die Sonne aufgeht. Da Arbeit historisch stets ein Movens für Bevölkerungsbewegungen darstellte, werden wir uns fragen müssen, wie die durch Digitalisierung veränderte Arbeit unsere Mobilitätspraktiken verändern wird. Wird es nicht mehr darauf ankommen, in einem bestimmten Land zu leben, um leichter Arbeit zu finden? Wird es darauf ankommen, an einem Ort zu sein, der eine sichere und konstante Verbindung zum Internet gewährleistet? Wie steht es dann mit den Arbeitsrechten? Und wie verbinden diese sich mit Mobilitätsrechten? Und wenn vieles automatisiert wird, können wir dann weniger arbeiten und anders unterwegs sein? Das Phänomen der Call Center ist in diesem Zusammenhang bereits eine ältere Erfahrung. Wir wollen eine Fluggesellschaft erreichen und merken, dass wir mit unserem Anruf jemandem in Indien oder Südafrika begegnen. Im Hintergrund hören wir die Kakophonie zahlreicher Stimmen, die anderen an anderen Orten der Welt Angaben zu ihren Fragen nach ihrem Urlaub, ihrer Geschäftsreise oder ihrer Stornierung machen. Vieles davon aber erfolgt inzwischen schriftlich und automatisiert. Selbst wenn wir uns in einen Livechat begeben, werden die Antworten häufig nur noch menschlich überwacht, nicht mehr menschlich gegeben. Die Transformation der Arbeit, das wird manchmal zu unrecht viel zu stark gemacht, beruht nicht alleine auf technischen Entwicklungen. Vielmehr geschieht dies im Kontext politischer, sozialer und rechtlicher Veränderungen und Auseinandersetzungen. Ein gerade beginnendes Forschungsprojekt setzt mit der grundlegenden These an, dass Digitalisierung nicht nur Arbeitsverhältnisse tiefgreifend verändert, sondern auch neue Mobilitätspraxen und Migrationsmuster erfordert und befördert. Diese neuen Formen von Mobilität und Migration im Bereich der Plattformarbeit bilden den Kern der empirischen Untersuchungen des Projekts, das sowohl die digitale Arbeit auf Crowdworking-Portalen als auch die urbane Logistik der „letzten Meile“ genauer in Augenschein nimmt. Es geht in beiden Fällen um die App-basierte Arbeit auf digitalen Plattformen, die sich durch die algorithmi-
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sche Organisation, Steuerung und Überwachung des Arbeitsprozesses und durch f lexible Vertragsformen auszeichnen. (www.platform-mobilities.net) Der Anthropologe Aneesh Aneesh (2006) spricht im Zusammenhang von Crowdwork, d. h. der Auslagerung traditionell geschäfts-interner Teilaufgaben an eine Gruppe einzelner Dritter über das Internet, von „virtueller Migration“ – gerade weil man über das Internet vernetzt einen Job in Deutschland übernehmen kann, aber zum Beispiel in Venezuela lebt. Dabei verbindet sich unternehmerseitig mit Crowdwork die Aussicht, die Geschwindigkeit, Qualität, Flexibilität, Skalierbarkeit und Vielfalt der Arbeit bei verringerten Kosten zu erhöhen. Projekte, die Kenntnisse aus verschiedenen Disziplinen erfordern, die in verschiedenen Unternehmen angesiedelt oder freiberuflich ausgeführt werden, lassen sich ebenso zusammenstellen wie „microtasks“, kleinteilige, redundante und ohne große Anlernung auszuführende Arbeiten, die man in einem Teil der Erde ausführen lässt, wo Arbeitskraft billig ist. Aber nicht nur dort. Auch Menschen, die aufgrund von Pf legetätigkeiten, Kinderbetreuung oder etwa als Studierende f lexible Zeitaufteilungen haben, werden hier tätig. Digitale Arbeit findet neue Orte und schafft neue Verbindungen. Auch wie unsere privaten Haushalte sich über Räume hinweg organisieren, weil einer hier und die andere dort arbeitet, entzieht sich fast gänzlich erstrittenen, konventionellen und ritualisierten Formen. Heimarbeit erfährt hier ein großes Comeback in ihrer digitalen Form (vgl. Altenried/Wallis 2018), wie Moritz Altenried und Mira Wallis analysiert haben. Es verändert sich also nicht nur wie wir zusammenarbeiten, sondern auch wie wir zusammenleben. Damit gehen Herausforderungen an die Organisation von Arbeit und Leben einher: wie wir uns über Räume und Grenzen hinweg für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen und uns gegen unterschiedliche Bezahlung trotz gleicher Arbeit richten, das aber an verschiedenen Orten. Vor allem scheint es, dass diese Rechte nicht mehr nur territorial vergeben werden können, wenn Arbeit sich nicht mehr nur an einem klar definierten Ort befindet, sondern sich bewegt und zwischen Orten stattfindet (vgl. Graham/Hjorth/Lehdonvirtha 2017). Werden wir so alle Arbeitsmigranten?
Migration und Digitalisierung: Umrisse eines emergenten Forschungsfeldes
Die Zukunft der Migration Der hier zitierte Begriff der „virtuellen Migration“ mag zunächst befremdlich klingen, weil damit Menschen gemeint sind, die für eine andere Firma woanders arbeiten, ohne selbst zu migrieren. Er fordert unser Verständnis von Migration heraus. Nun hat Migration als eine grenzüberschreitende Praxis immer schon nationale Rahmungen staatlicher Souveränität verunsichert, genauso wie disziplinäre Forschung, die sich auf diese Rahmung einlässt und sie reproduziert. Man könnte sogar so weit gehen zu sagen, dass die Figur der Migranten hilft, Migration aus der Perspektive nationaler Staaten zu verstehen, und hier vor allem jener, die Migranten aufnehmen. Doch wie die drei Annäherungen an das Verhältnis von Digitalisierung und Migration als emergentes Forschungsfeld gezeigt haben, können wir für die Zukunft der Migration davon ausgehen, dass viele neue Figuren der Migration zu erwarten sind.
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Migration und Digitalisierung: Umrisse eines emergenten Forschungsfeldes
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Medien.Macht.Bildung Thesen für eine Theorie der medialen Erfahrung Kristin Westphal
Wie zu keiner anderen Zeit sind wir einer Flut an Bildern, der Macht, gar Übermächtigkeit von Medien im sogenannten Zeitalter der Digitalisierung ausgesetzt. Bilder – häufig sogar in Echtzeit übermittelt, von Gef lüchteten, den Kriegsschauplätzen im scheinbar nahen, aber fernen Osten f limmern uns in die Wohnstuben und rufen Emotionen hervor, denen man sich kaum erwehren kann, es sei denn man klickt und zappt schnell weiter. Auch die sogenannten fake news, manipulierte Daten in den social media beherrschen als ein neues Phänomen mittlerweile unsere globalisierte Welt. Was echt und nicht echt ist, wird immer schwieriger zu unterscheiden. Hiermit stellt sich eine große Herausforderung an die Bildung, sich mit der Digitalisierung, den Mächten der Medien in Bild und Ton etc. mehr denn je auseinanderzusetzen. Der Erfahrungsbegriff verlangt dabei vor dem Hintergrund der digitalisierten Medien und den Tendenzen zu einer Globalität nach einer Akzentuierung, die die Frage nach dem Verhältnis von Kultur und Natur, Natürlichkeit und Künstlichkeit, Sichtbarkeit und Abwesenheit in verschärfter Weise aufwirft. Angesichts der Verselbstständigung von bild- und zeichenhaften Medien verstärkt sich die Medialität von Erfahrungen. Körper, Sprache, Masken und Kommunikationsmedien spannen eine Vielfalt an medialen Erfahrungen auf, die sich in Nähe und Ferne, „Natürlichkeit“ und „Künstlichkeit“ unterscheiden. So gehen wir der These nach: Die Maschine setzt sich als Zwischenwelt zwischen Mitteilung und Mitgeteiltem. Sie trägt zur Dezentrierung des Subjekts bei bzw. löst diese sogar auf. Sie eröffnet Erfahrungen und Verfah-
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ren, Welt zu erzeugen, die es ohne diese Medien nicht gäbe. Dennoch bleiben sie an eine leibliche Verortung des Menschen gebunden. Der Beitrag geht vor einem grundlegenden theoretischen, phänomenologisch orientierten Hintergrund den Fragen nach: Was machen Medien im digitalen Zeitalter mit uns? Wie verändern diese unsere Wahrnehmung von Welt und Selbst? Wie stellt sich das Verhältnis von Künstlichkeit und Natürlichkeit anders und neu dar? Und welche Differenzen liegen dem zu Grunde? Welche Konsequenzen ergeben sich für eine kulturell bzw. künstlerisch pädagogische Praxis im Umgang mit Medien zwischen Künstlichkeit und Natürlichkeit bzw. Wirklichkeit und Möglichkeit? Wie es sich mit diesen Fragen auch für eine Thematisierung im Kontext von Migration verhält, da für die Flüchtenden die mobilen und digitalen Medien zentrale und überlebensnotwendige Navigations-, Erfahrungs- und Archivmedien bedeuten, bleibt in diesem Beitrag unberücksichtigt, wäre aber für ein weiteres Nachdenken in diesem Kontext interessant zu verfolgen.
Mediale Erfahrungen Schon am Übergang von einer oralen zur literalen Kultur hat sich gezeigt, dass es mit der Verbreitung der Schrift zu Veränderungen sinnlich-leiblicher/stimmlicher und körperlicher Vorgänge gekommen ist. Einerseits erleichtert sich das Individuum mit der Schrift sein Gedächtnis bzw. erweitert es, aber andererseits obliegt es nun den jeweiligen normativen Kräften und Mächten, die darüber bestimmen, wessen Neudeutung sich überhaupt durchsetzt bzw. wer zunächst über die Fähigkeit zu schreiben und zu lesen verfügt (vgl. Illich 1991). Die Schrift trägt zugleich zur Subjektwerdung bei. Für das Individuum entsteht die Möglichkeit, über seinen Körper hinausgehend von sich zu abstrahieren und zu imaginieren, um zugleich ref lexiv auf sich, vermittelt über die Schrift, das Buch etc. zurückzukommen. Wie stellt sich dieser Vorgang unter den neuen Bedingungen dar? Angesichts einer Medienwelt, deren Dichte an Bildern und an schnellen Informationen gewachsen ist, gewinnt paradoxerweise die leibliche Existenz des Menschen an Bedeutung. Die modernen Technologien können z. B. die Stimme über ein Aufzeichnungsmedium von ihrer leiblichen Anwesenheit abkoppeln und – vom Ursprung sich lösend – in alle Zukunft hinein konservieren. Auch das Körperbild und seine Figurationen im Raum können im Computer zu im-
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mer neuen Möglichkeiten entworfen und verworfen, manipuliert und bis zur Auflösung verfremdet werden. Sie vermögen uns zu täuschen. Die Kehrseite dieser medialen Prozesse ist, dass gerade diese Körperbilder und Figurationen das Verhältnis von An- und Abwesenheit des leiblichen Körpers bewusst machen. Der Mensch hat im Umgang mit Bild und Ton – angefangen mit der Fotografie, dem Tonband, dem Fernsehen und weiterentwickelt mit dem Internet – seinen Körper nicht verloren. Verloren gehen vielmehr traditionelle Vorstellungen von Raum und Zeit, Körper und Bewegung. Die neuen hingegen erzeugen eine gesteigerte Aufmerksamkeit, die eine Kommunikation ohne leibliche Anwesenheit in einer gemeinsamen Situation stattfinden lässt. Erst das Medium lässt dabei ein Bewusstsein des Unterschiedes zwischen einem leiblichen und mediatisierten Körper als Konstruktion aufkommen.
Körper als und im Medium – Mediendiskurse In den letzten Jahrzehnten sind zunehmend Veröffentlichungen erschienen, die das Verhältnis Körper und Medium thematisieren und das technologisch aufgeheizte Spannungsverhältnis zwischen Wirklichkeits- und Möglichkeitssinn befragen. Zwei grundlegend verschiedene Perspektiven auf Medien und Maschinen schälen sich heraus. Eine Richtung, wie sie von McLuhan (1968a, b), de Kerkhove (1995) und ihren Anhängern vertreten wird, betrachtet die Medien und Maschinen als eine Verlängerung des menschlichen Organismus. Der Computer wird diesen Vorstellungen zufolge als Double unseres Gehirns betrachtet, d. h. organische Funktionsweisen des Menschen werden zu denen der Technik. Die Sprachphilosophin Sibylle Krämer hingegen sieht in der Computertechnologie einen Datenraum, der jenseits menschlicher Kommunikation funktioniert. Medien haben ihrer Theorie zufolge nicht die Bedeutung wie in der anthropomorphen Sicht von McLuhan und de Kerckhove als Erweiterung des Menschen, sondern vielmehr als Apparate der Welterzeugung. Sie kennzeichnet auf dem Hintergrund der Zeichen- und Sprechakttheorie den Umbruch zur Mediengesellschaft in der Weise, dass der Körper und seine Stimme über die technischen Apparaturen eine symbolische Verkörperung erfahre, die nicht in ein Leibapriori zu stellen sei, sondern in seiner Materialität neue Spielräume zu Welten eröffne, die sich von einer linearen
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Vorstellung von Raum und Zeit lösen. Die medientechnischen Apparate effektivieren nicht nur die Arbeit, sondern sie eröffnen darüber hinaus auch Spielräume im Erfahren von symbolischen Welten, die es ohne sie nicht gäbe. Sie erhalten nicht bloß einen Bezug zur symbolischen Welt, sie sind selbst Bezug (vgl. Krämer 1998a, 1998b). Der Körper und seine Stimme können als Träger für Zeichen unabhängig von einem Ich und seinem Bewusstsein zur Verfügung stehen. Krämer geht der These nach, dass der Körper in den Medien sich nicht mehr in eine Ich-Du-Beziehung einbauen lasse. Wir bekommen es mit einer Oberf läche zu tun, die einer spielerischen und anonymen Selbstinszenierung des Individuums in der Gesellschaft diene. Das Individuum erfahre sich im Spiel mit der wechselnden Erfahrung von Orten der Realität und den Unorten der Virtualität. Das Kalkül, die Vernetzung, der Platzwechsel seien neue Orientierungen, um seinen Körper und seine Räume nicht nur zu behaupten, sondern auch zu gestalten. Der Körper werde zu einem Durchgang zwischen der Konstruktions- und Inszenierungsebene und seinem Hier-vor-Ort-Sein (Krämer 1998b: 251). Krämer hebt den Spielcharakter dieser Kommunikation hervor. Gespielt werden könne mit Identitäten, Ideen, Bildern, Tönen, Schrift (ebd.: 254). Sie fragt danach, ob wir diesen Phänomenen, die sie als „nicht sinnhafte“ bezeichnet, mit den traditionellen Methoden einer Hermeneutik überhaupt noch begegnen können. Auch Bernhard Waldenfels ist an einem ref lexiven Umgang mit Medien und Maschinen gelegen. Auch ihm geht es um die Differenz zwischen Mensch und Maschine. Liegt bei Krämer der Fokus jedoch auf der Eigendynamik von Medien und ihren Apparaturen, so fragt Waldenfels vor allem nach dem Menschen, der dieses technologische System als extreme Veräußerung und Dezentrierung seiner selbst unterhält, Bedeutung herstellt und alle seine Sinne braucht, um seine selbst geschaffenen Technologien rückzuübersetzen. Sein Ansatz berücksichtigt systematisch den Umgang des Menschen mit Medien. Er bezieht mit ein, dass Medien als solche auf die Menschen zurückwirken und umgekehrt. Waldenfels’ Konzepte einer responsiven Rationalität und Leiblichkeit setzt den oben skizzierten Konzepten eine Phänomenologie der Erfahrung entgegen, die die digitalen Medien und Technologien als eine neu zu dimensionierende Modalität unseres Verhaltens begreift. Im Zusammenhang seiner Auseinandersetzung mit Natürlichkeit und Künstlichkeit, Poiesis und Autopoiesis kennzeichnet und kritisiert er an Theorien der Kognitionswissenschaft, an konstruktivisti-
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schen Erkenntnistheorien und Theorien autopoietischer Systeme die Tendenz, den Gegensatz Natürlichkeit und Künstlichkeit zur Indifferenz zu neutralisieren (Waldenfels 1998: 201f.). Für ihn ist eine Theorie fragwürdig, die das Selbst nur noch selbstdifferentiell denkt (ebd.: 210). Sein Ausgangspunkt liegt in der signifikativen Differenz begründet. Das meint, dass etwas als etwas in der leiblichen Wahrnehmung und Handlung wirklich gegeben ist. „Wirklichkeit“ begreift er dabei nicht als positivistisches Faktum, sondern als Phänomenbereich, in dem sich etwas als etwas in einer bestimmten Hinsicht zeigt. Sinn und Bedeutungen erweisen sich als Artikulationen von Wirklichkeit. Demzufolge sind wir nicht zwei Wirklichkeiten ausgesetzt, einer praktischen und einer kognitiven, sondern einer einzigen Wirklichkeit, die zugleich vorgegeben ist und hervorgebracht wird (Waldenfels 1998: 216). Vielleicht mag für autopoetische Systeme zutreffen, dass sie sich selbst regeln. Sie arbeiten im Rahmen festgelegter Codes und Programme. Aber menschliche Erfahrung widerfährt mir, sie bleibt offen und ist nicht im Voraus regelbar. Im Umgang insbesondere mit den neuen Medien werden wir an festgelegte Programme angepasst, die nur von außen, also vom Menschen zu verändern sind, und die sich nicht aus sich selbst heraus neu programmieren können. „Die Ereignisse der Weltgeschichte verwandeln sich in eine ›hautnahe‹ Weltsituation, an der jeder für sich teilnehmen kann, vorerst nur als Beobachter, auf die Dauer vielleicht auch als Mitspieler. Doch eines ist schwerlich denkbar, daß nämlich mit elektronischen Mitteln jene Ferne in der Nähe erzeugt wird, ohne die selbst eine allsinnige, allseitige, vollendete Nähe bloße Suggestion bleibt. Gleich dem Würfel, der allseitig mit sechs gleichen Seitenflächen wahrgenommen würde (vgl. Merleau-Ponty 1945: 236, dt. 240), wäre alles, was ganz und gar in die Gegenwart einginge, ein Unding, ein Phantom. Ohne Abschattung wäre es nichts als ein Schatten seiner selbst.“ (Waldenfels 1999a: 39) Waldenfels spricht sich gegen eine Theorie präsentischer Wirklichkeit als Medienwirklichkeit aus. Es gibt seiner Theorie zufolge kein reines Selbst. Es existiert nach seinem Verständnis immer nur in Bezug auf den Anderen. Diese Selbstdifferentialität wird auch nicht durch die Medienwirklichkeit aufgelöst, sie findet vielmehr eine andere Modalität. Das heißt: Die Fremdheit bzw. Ferne des Ich und des Anderen bleibt in die Medien eingelassen. Das Bei-
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spiel mit dem Würfel, den ich nie von allen Seiten gleichzeitig betrachten kann, macht deutlich, dass unsere Wahrnehmung immer unvollständig und perspektivisch ausgerichtet ist und eine Strukturierungsleistung darstellt. Das, was fehlt, muss ich mir mit Hilfe meiner Erfahrungen vorstellen. Ich kann immer nur einen Teil der Wirklichkeit erfassen und bin durch meinen Standort gebunden. Das trifft auch auf die Erfahrung mit einem Medium zu.
Medien als Zugänge der Welterschließung Medien hat der Mensch immer schon verwendet, um sich über seinen Körper hinausgehend Ausdruck zu verschaffen, sich zu inszenieren oder seine Arbeit zu erleichtern. D. h. der Zugang zur Welt ist immer schon vermittelt und medial.1 Er wird darüber hinaus durch eine Verselbständigung der Medien durch Instrumente, Vehikel oder Werkzeuge intentional-technisch vermittelt. Medien bringen das Wie ins Spiel, nämlich die Mittel, Wege und Verfahren, um sich zu entäußern und auszudrücken. Waldenfels weist auf die Grundsituation des Menschen als Lebewesen hin, das auf der Schwelle von Natur und Kultur existiert (Waldenfels 1999a: 94). Weder geht der Mensch gänzlich in die Natur ein, noch lässt ihn seine leibliche Zugehörigkeit zur Natur aus dieser gänzlich heraustreten. Diese Ambivalenz verweist uns zunächst auf die grundlegende Medialität unseres Zugangs zur Welt, wie sie sich z. B. über die Sprache vollzieht. Um die Rolle, die die neuen elektronischen Medien für die Welterschließung des Menschen spielen, zu verstehen, ist es sinnvoll, sich diese zugrunde liegende Medialität des menschlichen Weltverhältnisses zu vergegenwärtigen. Dazu gehört das Verhältnis von Medium und Form. Medien sind materiale Formen, ohne die es das in einem Medium Artikulierte nicht gäbe. Medienwelten sind so gesehen nicht allein als Ersatz für leibliche Vorgänge zu sehen, sondern als etwas, das für etwas Anderes steht und dadurch etwas Eigenes vorstellt (ebd.: 29). Beispiele sind technische Apparaturen, abstrakte Symbolsysteme etc.
1 V gl. meine systematische Arbeit am Beispiel des Phänomens Stimme als und im Medium. 2002.
Medien.Macht.Bildung
Verkörperung der Medien und Entkörperung leiblicher Vorgänge Wie ist nun im Besonderen die im 21. Jahrhundert bestehende alltägliche Grundsituation des Menschen zu verstehen, die sich speziell angesichts künstlicher, technologisch erzeugter Medien herstellt und die leibliche Präsenz des Menschen weit überschreitet? Mit fortschreitender Technisierung lässt sich beobachten, dass sich der Charakter der Medien in einer spezifischen Weise verändert hat. Die Medien zeigen sich in körper-analogen Formen, die sich im Vollzuge der Ausdifferenzierung immer mehr von einer leiblichen Organisation entfernt haben. Die Maschine bzw. Technik ersetzt leibliche Vorgänge, indem sie den leiblichen Umgang mit ihnen nicht außer Kraft setzt, sondern auf einer reduktionistischen Stufe konserviert: Das Handwerkliche verschwindet im Bedienen einer komplexen Maschine; das Live-Orchester wird konserviert und synthetisiert, das abstrakte Sehen über Menüs und Anzeigen auf Bildschirmen, das rudimentäre Bedienen von Hebeln und Schaltern oder Tastaturen und der Maus kennzeichnen den Umgang mit Medien. Der Leibkörper wird zum Anachronismus. Es findet eine Verkörperung in die Medien statt und gleichzeitig eine Entkörperung leiblicher Vorgänge. Stand zu Beginn der Körpertechniken – wie sie Marcel Mauss (1975) sehr eindrücklich zu schildern weiß – noch ein Zusammenwirken von Körper und Instrument, so können wir von einer zunehmenden Verselbständigung der Maschinerie sprechen. Am Anfang steht das Sich-Bewegen oder Bewegtwerden, dann wird daraus die bloße Motorik, die als Bewegung, abgelöst von Organischem und Naturhaftem, von Maschinen in Maschinen(teilen) ausgeführt wird. So gesehen trägt die Verkörperung von Kräften in technischen Apparaturen zur Entkörperung des Tuns bei (Waldenfels 1999b: 95). Für den Prozess der technischen Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert heißt das, dass die explorativen Wahrnehmungsprozesse immer mehr den Weg über die abstrakte metrisch visualisierte Realität der Instrumentenwahrnehmung nehmen müssen. Die unhintergehbare Situation der Anwesenheit des anderen bzw. die materiale Welt der Dinge, die an sinnliche Wahrnehmungen gebunden sind, wird über virtuelle Einf lüsse und Manipulation abgeschnitten. Im Umgang mit elektronischen Medien kann man nicht immer wissen, welchen Präsentationsstatus Texte, Reden, Klänge oder die Bilder in dem jeweiligen Medium haben. Handelt es sich um eine Live-Aufnahme? Oder um eine Aufzeichnung, die gekürzt oder geschnitten wurde, oder um eine fingierte Situ-
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ation? Haben wir es mit einer Computersimulation zu tun? Sind die Worte, die wir hören, in einer realen Zeit hintereinander gesprochen oder bereits technisch zusammengesetzt, etc.? Wir erleben keinen völligen Ersatz der Sinne, sondern auf der Seite des Rezipienten eher eine Reduktion und zugleich symbolisch-abstrakte Verdichtung der sinnlichen Wahrnehmungsgehalte, wie sie sich z. B. über Zahlenskalen für Zeitdauer, Lautstärke u. a. zeigen. Zugleich geschieht auf der Seite der Medien die Substitution, die jedoch ohne die organischen Vornormierungen (damit überhaupt etwas gesehen werden kann) der sinnlichen Wahrnehmung nicht existieren können. Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang die Wahrnehmungsakte von dem Wahrgenommenen. Es sind dann die Wahrnehmungsakte, deren sinnliche Fülle sich entleert, wie wir es schon in der Literalisierung der Erfahrung beobachten können. Stattdessen nimmt die kognitive Struktur zu. Es müssen Skalen, Anzeigen und Symbole interpretiert und entschlüsselt werden, um Auskunft über das zu erhalten, was sie repräsentieren bzw. messen. Kutschmann beobachtet, dass „der menschliche Körper und seine Organe zum Vorbild einer Entwicklung von Instrumenten genommen werden, die sich allerdings schnell von diesem Paradigma lösen, um den menschlichen Körper seinerseits an ihrem eigenen Bilde aufzuklären und auszulegen. Es findet eine ›Inversion von Explanans und Explanandum‹ statt, derart, dass der ursprünglich modellbildende apriorische Leib zum Projektionsfeld naturwissenschaftlicher Theorie- und Instrumentenbildung wird (Kutschmann 1986: 18). Von daher lässt sich die These aufstellen, dass sich eine technische Welt ohne humane leibliche Referenz und Wahrnehmungsregister schwerlich vorstellen lässt. Sie ist ohne den leiblich präsenten Rezipienten nicht möglich. Die Entwicklung der Kommunikationsmedien vollzog sich in einer sukzessiven Abstraktion vom Leibkörper: Schon die Schrift und im Folgenden die technischen Aufzeichnungs- und Speichermedien lösen die Sprache von der leiblichen Präsenz eines Sprechenden ab. Je komplexer die kommunikativen Prozesse werden, desto höher ist ihr Abstraktionsgrad und ihr Anteil an virtuellen Abwesenheiten. Künstliche Erfahrungen vollziehen sich in der Weise, dass sie Körpertechniken und -stile aus ihrem aktuellen Vollzug herauslösen und sich in „einer Welt aus Werkzeugen, Symbolen, Masken und Kommunikationsmedien herausbilden, die sich zwischen Mitteilung und Mitgeteiltes, Handeln und Tat, Gefühlsregung und -äußerung schiebt. Es entsteht eine Zwischenwelt, die kunstvoll hergestellt wird“ (Wal-
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denfels 1999, 198f.). Auch die digitalisierte Computerrealität wird sinnlich wahrgenommen und unterliegt in ihrer Ästhetik, Perfektion, ihren Gestalten etc. den sinnlichen Kriterien des Wahrnehmenden. Der Wahrnehmende sieht nicht Bits und Bytes, er rechnet auch nicht, er sieht Bilder. Demzufolge lässt sich unterscheiden zwischen der Ebene der Maschine bzw. Konstruktion und der Ebene der „phänomenalen Welt“. Wir haben es zum einen mit der Sprache der Maschinen zu tun, die auf der Basis binärer Codes, Bits arbeitet und zum anderen mit der Darstellungssprache, die bewegte Bilder erzeugt und vom Anwender bedient wird. Ohne einen Rückbezug in der leiblich-sinnlichen Welt könnte der Anwender diese nicht bedienen. Es ist die These zu verfolgen, dass sich die Medien (Codes) und sinnlich leibliche Erfahrung wechselseitig beeinf lussen. Letztere müssen mediengerecht umgebaut werden, erstere bedienen sich vor-medialer, nicht-technologischer Parameter. Auf diese Weise entsteht eine eigene „neue“ Zwischenwelt.
Fazit für eine Theorie medialer Erfahrung und ihre Bedeutung für Bildung Die Differenz von real-sinnlichen und virtuellen Wirklichkeiten als Durchdringungsverhältnis wie oben ausgeführt hat Konsequenzen für ein anderes Verständnis für die Thematisierung technisch-medialer Welten, wie sie die Digitalisierung mit sich führt. Sie sind dann nicht neue Welten, sondern transformierte. D. h., auch die neue Welt der technischen Medien bleibt bis in die Wurzeln hinein an die leiblich-sinnliche gebunden. Bildung heißt dann, sich dieser Gebundenheit ref lexiv zu vergewissern und als didaktisches Potenzial zu eröffnen.2 Demzufolge ist das leiblich-natürliche Fundament des Körpers mit den historisch-künstlichen Konstrukten der Medien verwoben. Natürlichkeit und Künstlichkeit, An- und Abwesenheit, Selbst- und Fremdbezug bedingen sich gegenseitig. Eine medialisierte Welt ohne humane leibliche Referenz und Wahrnehmungsregister ist von daher nicht denkbar.
2 V gl. vertiefend die an vielen Analysen ausgeführten Beispiele in kulturellen, künstlerisch-pädagogischen Kontexten: Westphal 2007, 2015a, 2015b, 2017, 2019; Westphal/Jörissen 2013.
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Transnational leben Medien als Instrumente, Räume, Produkte bewegter Zugehörigkeiten und Selbstkonzepte Christina Schachtner
Transnationale Lebensformen nehmen unter den Bedingungen grenzüberschreitender Beziehungen und globaler Verf lechtungszusammenhänge zu. Dieser Beitrag widmet sich der Frage, wie Migrantinnen/Migranten durch ihre alltäglichen, medial gestützten Praktiken transnationale soziokulturelle Räume schaffen, wie sie ihre transnationalen Erfahrungen in mediale Produkte transformieren und welche Selbstkonzepte ihren bewegten Zugehörigkeiten korrespondieren. Er basiert auf der laufenden Studie „Transnationale Lebensformen. Grenzüberschreitende Lebensstile und Selbstkonzepte im Zeichen medialer Orientierungen und Praktiken“.
Transnationale Verflechtungen und Migration In globalen Gesellschaften gestalten sich Lebensformen und Selbstentwürfe zunehmend unter dem Einf luss grenzüberschreitender ökonomischer, ökologischer, monetärer und soziokultureller Flows. Medientechnologien unterstützen diese Entwicklung; sie sorgen für eine Beschleunigung und Intensivierung global wahrnehmbarer Kommunikations- und Informationsf lüsse (Appadurai 1998: 20; Hannerz 1995: 70; Nederveen 2008; Schachtner 2009: 5; Urry 2003: 15). Im Zuge dieser Entwicklung entstehen Verf lechtungszusammenhänge, die sich durch ein Neben-, Gegen- oder Miteinander grenzüberschreitender, sich wechselseitig beeinf lussender Flows auszeichnen, die als transnational bezeichnet werden. Die Kategorie des Transna-
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tionalen ist nach Ulrich Beck ein Gegenbegriff zu allen bisherigen Begriffen sozialer Ordnung, die auf das Nationale abstellen (Beck 2004: 98f.). Er sprengt die Entweder-oder-Logik zugunsten einer Sowohl-als-auch-Logik (ebd.). Er hebt die Bedeutung der Orte und Kulturen als abgeschlossene Einheiten zugunsten miteinander verbundener Bezugspunkte auf (Dickhardt/ Hauser-Schäublin 2003: 15). Die entstehenden Verf lechtungszusammenhänge konstituieren „Transnationale Soziale Räume“ (Pries 1998: 75), die nicht nur auf der Makroebene existieren, sondern sich auch im Alltag der Menschen finden. Die menschlichen Subjekte werden mit Transnationalen Sozialen Räumen nicht einfach konfrontiert, sie schaffen und gestalten solche Räume mit, z. B. durch übernationale ökonomische und kommunikative Beziehungen oder durch die Adaption kultureller Praktiken aus anderen Teilen der Welt. In besonderem Maße sind an der Entwicklung transnationaler Räume Migrantinnen/ Migranten beteiligt, die die nationalen Grenzen nicht nur imaginativ, sondern physisch überschritten haben. Migrantinnen und Migranten kommen mit einem kulturellen Gepäck an, wie es die 29-jährige Elena aus Weißrussland ausdrückt, das als Deutungsvorlage dient. Alles, was sie im Migrationsland als neu wahrnehmen, wird zu dieser Vorlage in Beziehung gesetzt. Damit werden Migranten/Migrantinnen zu einem Knotenpunkt sich kreuzender soziokultureller Stränge und Verhaltensangebote. Das wird zur Dauerposition, denn das kulturelle Gepäck des Herkunftslandes kann sich zwar in der Konfrontation mit neuen kulturellen Mustern verändern, aber es wird nicht völlig abgeschüttelt. Die 29-jährige Elena aus Weißrussland visualisiert ihre Positionierung als Antwort auf die Frage „ich komme aus Weißrussland und lebe in Deutschland. Wer bin ich?“ wie folgt (Abbildung 1): Sie sieht ihr Zuhause sowohl in Weißrussland als auch in Deutschland. Sie steht am Scheideweg, die Füße weisen in beide Richtungen. Darauf angesprochen, erklärt sie: „Ich wollte zeichnen, dass ich zwischen, dazwischen stehe – zwischen den Kulturen. Ich fühle schon jetzt sehr den Einf luss von Deutschland, aber ich bin trotzdem eine Russin.“ Wenn Elena erklärt, dass ihr das „kulturelle Gepäck“ in ihrem aktuellen Alltag im Migrationsland beistehe, dann sagt sie damit, dass das kulturelle Gepäck grenzüberschreitend wirksam wird. Sie ist in ihrem Denken und Fühlen da und dort, vergleicht, gleicht ab. Eine eindeutige Positionierung lehnt sie ab, sie will nicht „so oder so“ stehen. Sie skizziert in Wort und Bild einen transnationalen soziokul-
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turellen Raum1, in dem sie sich bewegt und aus dem heraus sie agiert. In solchen Räumen entstehen bewegte Zugehörigkeiten (Strasser 2012: 136), die sich abwechselnd oder zugleich aus verschiedenen soziokulturellen Quellen speisen. Abbildung 1: Dazwischen (Elena, 29 Jahre)
Medien in Form von Fernsehen, Film, Internet fördern nicht nur globale Verf lechtungen, wie eingangs erwähnt, sie werden auch für die Herstellung transnationaler soziokultureller Räume im Alltagsleben von Migrantinnen/ Migranten genutzt. Sie ermöglichen bewegte Zugehörigkeiten, sei es durch die Rezeption von Filmen, Dokumentationen, Nachrichten über verschiedene Länder und/oder durch regelmäßige medial gestützte Kontakte zu Familie und Freundinnen/Freunden, die im Herkunftsland zurückgeblieben sind, sich im selben Migrationsland befinden oder sich über verschiedene Länder verstreut haben.
1 I ch ziehe es vor, von einem transnationalen soziokulturellen Raum zu sprechen, weil es immer sowohl soziale als auch kulturelle Muster sind, die in transnationalen Räumen zueinander in Beziehung gesetzt werden.
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Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen formuliere ich folgende Fragen, die in diesem Beitrag diskutiert werden: • Wie setzen sich Migrantinnen/Migranten mit unterschiedlichen kulturellen Modellen auseinander und welche Rolle können (digitale) Medien dabei spielen? • Wie arrangieren Migrantinnen/Migranten soziale Bindungen und Verbindungen im Kontext von Medien? • Welche Bedeutung können Medien für die Bearbeitung von Migrationserfahrungen gewinnen? • Welche Selbstkonzepte korrespondieren transnationalen Lebensformen? Die empirische Basis für die Auseinandersetzung mit diesen Fragen bilden primär Ergebnisse aus der laufenden Studie „Transnationale Lebensformen. Grenzüberschreitende Lebensstile und Subjektkonstruktionen im Zeichen medialer Orientierungen und Praktiken“ (Arbeitstitel), die mit Ergebnissen aus anderen Studien konfrontiert bzw. durch sie ergänzt werden. Die Studie „Transnationale Lebensformen“ wird seit 2017 in Österreich und Deutschland durchgeführt: Einbezogen sind 36 Migrantinnen/Migranten verschiedenen Geschlechts, die aus verschiedenen europäischen Ländern, aus der arabischen Region und aus afrikanischen Ländern in den deutschsprachigen Raum eingewandert sind, im Migrationsland eine mittel- bis langfristige Lebens- und Arbeitsperspektive haben und zwischen Anfang 20 und ca. 50 Jahre alt sind. Erhebung und Auswertung der empirischen Daten orientieren sich an der von Barney Glaser (1998) und Anselm Strauss (1991) entwickelten Grounded Theory, einem verstehend-interpretativen Ansatz, der methodologische und methodische Prinzipien integriert. Als Erhebungsmethoden wurden das thematisch strukturierte Interview und die Visualisierung gewählt. Die Interviews wurden auf der Basis eines Interviewleitfadens geführt, der aber so f lexibel gehandhabt wurde, dass die Interviewten sowohl neue Themen einbringen als auch ihre eigenen Relevanzkriterien setzen konnten. Die Visualisierung ist eine zusätzliche Erhebungsmethode, die die Ergebnisse aus den Interviews ergänzen, korrigieren, differenzieren kann. Diese beiden Erhebungsmethoden versprechen ein umfangreiches Datenmaterial, das sich für eine verstehend-interpretative Auswertung eignet. Dreh- und Angelpunkt der Interpretationsarbeit ist die Identifikation einer Schlüsselka-
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tegorie für jedes Interview, in der sich eine Art Hauptbotschaft vermittelt, auf die sich Handlungsmuster, Gefühle, Selbstentwürfe, Zukunftsvisionen u. a. der jeweiligen Interviewpartnerinnen/Interviewpartner beziehen lassen. Zuweilen zeichnet sich ein Interview durch mehrere Schlüsselkategorien aus, die zueinander in einem konkurrierenden Verhältnis stehen können. Für diesen Beitrag konzentrierte sich die Interpretationsarbeit auf den Zusammenhang von Migration und Medien. Beispiele identifizierter Schlüsselkategorien sind „Dazwischen“ oder „Hybridität“, die zu Bezugspunkten verschiedener Praktiken, Orientierungen und Selbstentwürfe werden (Schachtner 2016: 17 ff.). Die Studie „Transnationale Lebensformen“ knüpft an vorhandene Studien zu Migration bzw. Migration und Medien an, nimmt begonnene Diskussionen auf, z. B. zu neuen Selbstkonzepten im Kontext von Migration, und führt darüber hinaus. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie Migrantinnen/Migranten aus drei verschiedenen Weltregionen einbezieht und sich nicht, wie häufig, auf Migrantinnen/Migranten aus einem Herkunftsland beschränkt. Sie nimmt auch Migrantinnen/Migranten aus verschiedenen europäischen Ländern in das Bild der Migration auf, was derzeit eher selten geschieht. Im Unterschied zu anderen einschlägigen Studien, die sich auf bestimmte mediale Praktiken, z. B. digitale Netzkommunikation von Migrantinnen/Migranten (Hepp/Bozdag/Sana 2011), oder auf bestimmte mediale Anwendungen, z. B. deutsch-türkische Internetportale (Hugger 2005), beschränken, wird in der vorliegenden Studie der Medienbegriff weit gefasst; er umfasst neben digitalen Medien Filme, Theater und literarische Texte. Schließlich werden Migrantinnen/Migranten nicht als separate Gruppe untersucht, sondern im Austausch und als Teil der Gesamtgesellschaft. Es sind Erkenntnisse zu erwarten, die den bisherigen Wissensfundus erweitern, differenzieren, aktualisieren und daher neue theoretische Schlussfolgerungen zulassen.
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(Digitale) Medien als Instrumente und Orte der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen kulturellen Werten und Normen Unter Kultur soll hier das Insgesamt an Lebensorientierungen, Zukunftsvisionen, Überzeugungen und Handlungspraktiken verstanden werden, das Menschen in ihren Versuchen, sich in der Welt zu positionieren, Entscheidungen zu treffen und handlungsfähig zu sein, unterstützt. Wolfgang Welsch (2012: 26f.) schlägt vor, angesichts der globalen Verf lechtungen nicht von abgegrenzten Kulturen auszugehen und das Bild der Kugel, das Johann G. Herder Ende des 18. Jh. zur Beschreibung von Kultur nutzte, ad acta zu legen. Er zitiert Edward Said (Said 1996: 24, zit. n. Welsch 2012: 35), der behauptete, dass keine Kultur rein sei, dass keine Kultur aus einem „homogenen Gewebe“ bestehe. Unter den Bedingungen von Globalisierung ist es zu einer Intensivierung kultureller Verf lechtungen und Durchdringungen gekommen, die Welsch (ebd.) mit dem Begriff Transkulturalität erfasst. Ob dieser Begriff tatsächlich schon Realitäten im größeren Stil beschreibt, wovon Welsch (ebd.: 37) ausgeht, bezweif le ich zumindest für gesellschaftliche Wirklichkeiten in Europa. Anhand der Erzählungen von Migrantinnen/ Migranten aus der Studie „Transnationale Lebensformen“ zeigt sich aber, dass diese in soziokulturelle Prozesse verwickelt sind, in denen verschiedene kulturelle Werte, Normen und Praktiken aufeinander treffen, ja, dass sie solche Prozesse anstoßen. Die Rolle von Medien für die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen kulturellen Formen ist unübersehbar. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Ron aus Kamerun ist überzeugt, dass sich der Genuss von Insekten, wie er in Ostkamerun üblich sei, positiv auf die Gesundheit auswirkt, was sich daran ablesen lasse, dass es in Ostkamerun kaum Ärzte und Krankenhäuser brauche. Er habe ein Video an seine Arbeitskollegen verschickt, das den Genuss von Insekten vor Augen führe. Dieses Video sei sowohl auf Unverständnis als auch auf Zustimmung gestoßen. Ein Kollege habe Bilder aus diesem Video als Desktophintergrund gewählt. Ron bediente sich des Mediums Film als Transportmittel, um eine kulturelle Praxis seines Herkunftslandes in den kulturellen Kontext des Migrationslandes zu stellen. Er nutzte die „soziale und psychische Macht“ (Mitchell 2005: 32) des Bildes zur Initiierung einer Auseinandersetzung mit kulturellen Differenzen. Auch der 28-jährige Rogers aus Uganda kommuniziert mittels medialer Bilder.
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Seine Bilder dienen nicht der Kommunikation im Migrationsland, sondern der Kommunikation mit Menschen seines Herkunftslandes, mit Freunden, Kollegen, Jugendlichen eines von ihm mitbegründeten Waisenhauses in Uganda. Rogers scheint ebenfalls die Macht des Bildes zu kennen, denn er wählt die Bilder bewusst aus, die er nach Uganda schickt. Er will ein reales Bild von seiner Situation im Migrationsland vermitteln und keine Illusionen schüren. Er poste keine Bilder von teuren Autos, sondern Bilder von seinem Roller und provoziert damit die Frage: „Ah Rogers, du bist in Europa, warum hast du kein Auto?“ Und er stelle klar: „Ich kann kein Auto kaufen. Ich habe meinen Roller. Wenn du mein Auto sehen willst, das ist mein Auto.“ Die digitale Technik erlaubt ihm, Bilder in rascher Aufeinanderfolge zu posten, die eine fortwährende Korrektur von Vorstellungen bewirken soll, was einen als Migrant aus Afrika in Europa erwartet. Er nutzt sein Smartphone, um Menschen aus seinem Herkunftsland an seinem neuen Alltag teilhaben zu lassen, so wie umgekehrt auch diese ihn mittels ihrer Bilder an ihrem Alltag teilhaben lassen. Die Bilder f ließen in beide Richtungen. So entsteht eine fortwährende Präsenz einer territorialen Wirklichkeit in einer anderen. Kulturelle Unterschiede werden mit digitaler Unterstützung sichtbar gemacht, die die jeweiligen Adressatinnen/Adressaten auffordern, sich dazu in Beziehung zu setzen, sei es, dass sie den eigenen Wertekanon durch neue Elemente erweitern, dass das Neue abgelehnt oder, bearbeitet und vermengt mit eigenen Orientierungen, in neue kulturelle Codes überführt wird. Digitale Medien zeigen sich aber nicht nur als Instrumente kultureller Sinnproduktion, sie bieten auch einen Ort für das Diskutieren und Aushandeln kultureller Formen. Cigdem Bozdag berichtet von sogenannten Diasporawebsites, die Migrantinnen/Migranten Kommunikationsräume für die Aushandlung von Zugehörigkeiten und Identitäten eröffnen (Bozdag 2013: 64ff.). Vaybee ist ein deutsch-türkisches Portal, das fast ausschließlich von türkischen Jugendlichen genutzt wird (deutscher Useranteil ca. 5 %), die sich in Deutsch und Türkisch unterhalten. Als ein Beispiel für das Aushandeln kultureller Codes schildert Kai-Uwe Hugger (2005: 4) eine Diskussion in diesem Portal, die unter dem Titel „Türkin in Pornofilm?“ lief. Im Zentrum der Diskussion stand die türkische Schauspielerin Sibel Kekilli in dem Film „Gegen die Wand“ von Fatih Akin und deren Vergangenheit als Pornodarstellerin. Mit Bezug auf die Schauspielerin wurde über türkisches Ehrgefühl und über Werte für Türkinnen/Türken in Deutschland diskutiert.
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Ein weiteres Beispiel, das zeigt, wie sich Migrantinnen/Migranten auf die Suche nach neuen Orientierungen begeben oder sich tradierter Orientierungen zu vergewissern suchen, stammt aus der Studie „Kommunikative Öffentlichkeiten im Cyberspace“2. Die Diskussion trägt den Titel „Die Rose“3 und wurde in dem sozialen Netzwerk Netlog geführt, das von Jugendlichen verschiedener Nationalitäten genutzt wird. An der Diskussion „Die Rose“ scheinen sich nur muslimische Jugendliche beteiligt zu haben, und bis auf eine Ausnahme scheinen es ausschließlich männliche Jugendliche gewesen zu sein. Dass dies nicht eindeutig geklärt werden kann, ist ein Spezifikum digitaler Kommunikationsräume, die Anonymität erlauben. Ausgangspunkt der Diskussion ist eine Geschichte, die davon handelt, dass der Dichter Rainer Maria Rilke einer Bettlerin eine Rose geschenkt hat und diese mit der Rose ihren Platz auf der Straße verlassen hat, um erst nach einer Woche zurückzukehren. Es geht zunächst um die Bedeutung der Rose für die Bettlerin, um dann sehr rasch die Frage aufzuwerfen, warum die Frau betteln müsse und ob sie keinen Mann habe, der für sie sorgt. Die Diskutanten sind sich einig, dass es Aufgabe des Mannes sei, einer Frau Sicherheit und Geborgenheit zu bieten. Es kommt der Einwand, dass sich Frauen heutzutage dieser Sorge entziehen, weil sie „auf freie Frau spielen“. Als ein Teilnehmer erklärt, der Dichter habe gewusst, was das Herz der Frau begehrt und „es“ ihr gegeben, bekommt die Diskussion eine erotisch-sexuelle Wendung, möglicherweise ausgelöst durch die Begriffe „es“ und „begehren“. „Es“ der Frau zu schenken, sei unmännlich und schwul. Die Diskutanten werfen sich wechselseitig Homosexualität vor, was erst dann endet, als ein Diskutant kritisiert, die Tweets gingen unter die Gürtellinie und dies sei nicht im Sinne des Propheten. Das letzte Wort in dieser Diskussion lautet „staghfirullah“, was vermutlich „astaghfirullah“ lauten soll, ein Begriff, der im Arabischen mehrdeutig ist. Er bedeutet „Reue“, „Scham“, „Allah, vergib mir!“. Ich interpretiere diese Diskussion als Versuch, sich über einen neuen Begriff von Männlichkeit zu verständigen. Er scheint durch die Konfrontation 2 D iese Untersuchung ist Teilprojekt des Gesamtprojekts „Subjektkonstruktionen und digitale Kultur“, das an der Universität Klagenfurt in Kooperation mit der TU Hamburg-Harburg und den Universitäten Bremen und Münster von 2009–2014 durchgeführt wurde. Es wurde von der VW-Stiftung und dem FWF (Projekt I 237-617) gefördert. Mitglieder des Klagenfurter Teilprojekts: Nicole Duller, Katja Langeland, Katja Ošljak, Christina Schachtner, Heidrun Stückler . 3 Die Diskussion fand vom 9. 4. bis 20. 4. 2010 statt und umfasst 147 Beiträge.
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mit neuen Lebensmodellen von Frauen im Migrationsland nötig geworden zu sein, die es den Diskutanten erschweren, ihr Modell von Männlichkeit zu leben. Wenn sie nicht mehr männlich in gewohnter Weise sein können, was sind sie dann? Schwul, aber das kollidiert mit ihrer Religion. Es bleibt die Scham, die Reue, die Bitte um Verzeihung, aber weswegen? Weil sie ihre bisherigen Vorstellungen von Männlichkeit aufgeben müssen? Weil sie Sexualität zum Thema machen? Weil sie, wenn sie nicht männlich sein dürfen, homosexuell sind? Es zeigt sich eine tiefe Verunsicherung als Folge neuer Einf lüsse in der Migrationsgesellschaft, die zur Ref lexion und Neubearbeitung bisheriger Wertorientierungen und Selbstkonzepte drängt. Die in digitalen Netzwerken mögliche relative Anonymität und Unverbindlichkeit erleichtert es, existentielle und tabuisierte Fragen und damit verbundene Irritationen zu thematisieren, die jenseits des Netzes entstanden sind. Die Netzdiskussion konfrontiert mit unterschiedlichen Perspektiven, erlaubt Denkexperimente, ohne darauf festzulegen. Aber das vorgestellte Beispiel illustriert auch: Die Auseinandersetzung mit kulturellen Differenzen und die darin steckenden Provokationen begründen einen holprigen, oft schmerzhaften und aggressiv ausgetragenen Prozess.
Digitale Medien als Instrumente und Orte zur Aufrechterhaltung und Herstellung sozialer Beziehungen Täglich kommuniziere sie mit ihrer Familie, erzählt die 28-jährige Alexandra, die vor ca. 3 Jahren Griechenland verlassen hat. Intensive kommunikative Kontakte von Migrantinnen und Migranten mit Familie und Freunden im Herkunftsland sind die Regel. Sie finden täglich, mehrmals die Woche, zu bestimmten Zeiten oder unregelmäßig statt. Digitale Anwendungen wie WhatsApp, Skype, Messenger werden genutzt, um bestehende soziale Netzwerke aufrechtzuerhalten (Ernst 2013: 156). Pries (1998: 67) charakterisiert digitale Kommunikationsmedien als wichtige Elemente eines „transnationalen Brückenschlags“. Um was geht es in den digital gestützten „Brückenschlägen“? Erfragt und erzählt wird häufig Alltägliches. Als typische Fragen werden genannt: Was gibt es Neues? Wer war zu Besuch? Wie geht es diesem und jenem Familienmitglied? Was wird gekocht und gegessen? Worin besteht der Sinn dieser Fragen? Nicht so sehr der angesprochene Inhalt scheint zu zählen, sondern das In-Verbindung-Bleiben, die Vergewis-
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serung, dass man dazu gehört, auch wenn der andere Alltag weit weg ist (Ernst 2013: 156). Rogers, der aus Uganda kommt, formuliert es so: „Medien bringen Zuhause ein bisschen in die Nähe.“ Die digital übermittelten Bilder, die zeigen, wie die Kinder in dem von ihm mitbegründeten Waisenhaus Sport machen, malen, einkaufen, vermitteln ihm das Gefühl, „ein Teil von diesem Waisenhaus“ zu bleiben. Zuweilen geht es auch darum, das neue Leben im Migrationsland zu erklären, zu rechtfertigen, auf entstandene Differenzen zu reagieren. Alexandra stieß mit ihrer Entscheidung, im Migrationsland in einem Waldkindergarten zu arbeiten, bei ihrer Familie auf Unverständnis. „Es ist gar nicht normal für meine griechische Familie – die glauben, ich spinne“, erzählt sie. Mittels digitaler Bilder, die ihren Arbeitsalltag visualisieren, wirbt sie bei ihrer Familie um Anerkennung ihrer Tätigkeit. Der 28-jährige Jannis, ebenfalls aus Griechenland, streitet mit seiner Mutter via Skype oft über griechische Politik. Er kann sie nicht überzeugen, aber der Streit ist aus seiner Sicht nicht sinnlos. „[...] it’s also a way of communication“, sagt er und schmunzelt. In unterschiedlichen Ländern und Kontinenten zu leben, unterschiedliche Erfahrungen zu machen und Entwicklungswege einzuschlagen, verlangt, bisherige Beziehungen neu aushandeln zu müssen, sollen sie Bestand haben (Beck/Beck-Gernsheim 2011: 229). Dieses Erfordernis drückt eine syrische Migrantin in einer Frage aus, die die Kommunikation mit ihrer in Syrien lebenden Familie, beherrsche: „Wo stehen wir eigentlich in dieser Welt oder in dieser Begegnung?“ Kommunikation sei – so findet sie – das entscheidende Mittel wechselseitigen Verstehens. Digital gestützte transnationale Kommunikation spielt sich aber nicht nur zwischen Herkunfts- und Migrationsland ab, sondern auch zwischen verschiedenen Migrationsländern (Bozdag 2013: 42). Der 46-jährige Lorenzo aus Italien trifft sich regelmäßig mittels WhatsApp mit zehn italienischen Freunden, die über verschiedene Länder verstreut leben. Am Wochenende verbringen sie manchmal zwei Stunden online miteinander. Gepostet wird über Kinder, Beruf, Politik; Bilder und Videos werden verschickt, z. B. von Projekten, an denen man arbeitet, Konzerte und Ausstellungseröffnungen. Das Bild, das in Echtzeit übermittelt wird, soll die Teilnahme am Leben der Anderen ermöglichen. Es soll den räumlichen Abstand überwinden und das Gefühl des Dabeiseins vermitteln. Wenn seine Freunde zusammen feiern, würden sie ihm ein Foto schicken, erzählt Lorenzo, um ihm zu sagen: „Prost,
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wir sind zusammen und wir feiern mit dir.“ Sie holen ihn mit dem digital übermittelten Foto an einen anderen Ort. Die Bedeutung digitaler Kommunikationsmedien für die Gestaltung transnationaler Beziehungen resultiert wesentlich aus der skopischen Qualität dieser Medien. Sie vermögen Ereignisse und Befindlichkeiten an einem Ort in die Wirklichkeit eines anderen Ortes zu transportieren und dort wirksam werden zu lassen (Knorr/Reichmann/Woermann 2017: 38). In diesem Sinn nutzen nicht nur Lorenzo und seine Freunde WhatsApp, sondern auch Rogers, der seinen Roller in die soziale Wirklichkeit eines ugandischen Waisenhauses hineinprojiziert und umgekehrt die Kinder aus diesem Waisenhaus in seine Wirklichkeit im Migrationsland einbezieht, oder Alexandra, die mittels digitaler Bilder ihre neue Arbeitsstätte, den Waldkindergarten, für ihre Familie erfahrbar machen will. Digitale Medien wirken aber nicht nur als Transportmittel; durch die Koppelung geografisch entfernter Situationen, Personen, Umwelten schaffen sie einen neuen Typus von Interaktion (ebd.: 39). In den Interviews wird auch thematisiert, wie man sich in der digital gestützten Kommunikation mit Menschen aus dem Herkunftsland präsentiert. Für Versuche einer intentional gesteuerten Selbstdarstellung erscheinen digitale Medien geeigneter als Face-to-face-Begegnungen. Sehr deutlich wird von einer Reihe von Interviewpartnerinnen/-partnern gesagt, dass sie sich gegenüber ihrer Familie als stark präsentieren, dass sie mitteilen wollen, alles ist in Ordnung und unter Kontrolle. Problematisches wird nicht nur verschwiegen, es erfolgen auch Falschmeldungen. Ein 21-jähriger syrischer Migrant verschwieg seinen Eltern, dass er in einem Zelt untergebracht ist, und beschrieb stattdessen ein Haus als sein neues Zuhause. Eine griechische Migrantin verschwieg eine mögliche bevorstehende Operation. „Ich konnte es einfach nicht sagen“, erzählt sie. Vara aus Syrien berichtet: „Wir ignorieren den großen Fakt.“ Der „große Fakt“, das ist der Krieg in Syrien, über den beide Seiten schweigen. Stattdessen werden Witze darüber gemacht, wie man im Alltag mit den Folgen des Krieges umgeht, z. B. wie man die zerstörten Stromleitungen durch eine Autobatterie kompensiert, mit der Licht in der Wohnung erzeugt wird. 99 Prozent der Gespräche mit ihren Eltern bestünden aus Witzen, erzählt Vara. Humor hat eine entspannende Wirkung (Hartung 2005: 17). Ein Lachen verkehrt das Schwere ins Leichte. Diese Funktion könnten auch die Witze haben, die sich die syrische Familie erzählt, lebt sie
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doch in dem Wissen, wie Vara erzählt, „wir könnten jede Sekunde getroffen werden. Es kann jede Sekunde eine Bombe kommen“. Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim betrachten „Stillhalteabkommen“ in der transnationalen familialen Kommunikation als typisches Phänomen, das sie als einen Versuch interpretieren, umstrittene Themen zu umgehen (Beck/Beck-Gernsheim 2011: 227). Die Motive, die die Migrantinnen/Migranten in der Untersuchung „Transnationale Lebensformen“ für ihr Schweigen nennen, sind etwas anders gelagert. Es wird gesagt, dass sich die Familie keine Sorgen machen solle, dass sie keine schlaflosen Nächte haben soll, dass sie im Krieg lebe und daher nicht noch mehr belastet werden soll. Vielleicht hat das von den Migrantinnen/Migranten praktizierte Verschweigen aber auch damit zu tun, dass die Migrationsentscheidung als richtige Entscheidung aufrechterhalten werden soll, um einen Neuanfang an dem Ort zu ermöglichen, an dem sie angekommen sind. Die Intensität, mit der mittels digitaler Kommunikationsmedien versucht wird, die sozialen Kontakte zur Familie und zu Freunden aus dem Herkunftsland aufrechtzuerhalten und zu pf legen, ist zweifach begründet: zum einen in dem existentiellen Bedürfnis nach sozialer Verbundenheit und zum andern in der Gefährdung dieser Verbundenheit durch Migration. Das Bedürfnis nach Verbundenheit steht der intersubjektiven Theorie, einem neueren psychoanalytischen Ansatz, zufolge am Anfang jeder seelischen Entwicklung (Altmeyer 2019: 811). Diese Annahme knüpft an Ergebnisse der Säuglings- und Bindungsforschung an, wonach Kinder von Geburt an bereit und fähig sind, sich für ihre soziale Umgebung zu interessieren (Benjamin 1990: 19). Was sie suchen, ist die Spiegelung und der Widerhall, den das eigene Ich im Anderen findet. Das Individuum entwickelt sich nicht unabhängig von, sondern in und durch Beziehungen (Benjamin 1990: 22). Intersubjektivität ist der unverzichtbare Kontext für die Konstitution von Subjektivität auch im späteren Leben. Die entscheidende Reaktion in intersubjektiven Arrangements bildet die Anerkennung durch Andere; sie macht unsere Intentionen und Handlungen erst sinnvoll (ebd.: 15). In der Anerkennung steckt der Blick des Anderen, der an das heranreicht, was ich selbst nicht sehen kann, es sei denn durch die Resonanz dieses Blicks (Meyer-Drawe 1990: 117). Die soziale Verbundenheit, die Intersubjektivität und Anerkennung zu sichern vermag, ist in der Migration aufs höchste gefährdet; durch die räumliche Trennung von bisherigen sozialen Netzwerken, durch die Ungewissheit, ob man die Menschen im Herkunftsland wiedersehen kann, ob
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die digital gestützte Kommunikation zustande kommt, aber auch, weil es fraglich ist, ob es gelingt, im Migrationsland neue soziale Kontakte zu gewinnen. Der 21-jährige Fatih, der aus Syrien gef lüchtet war, bringt seine soziale Situation auf einen knappen Nenner: „Immer allein, allein.“ Es werden verschiedene Praktiken entwickelt, um neue soziale Kontakte herzustellen. Das Erlernen der Sprache des Migrationslandes wird von vielen meiner Interviewpartnerinnen/-partner als wichtiger Schlüssel erachtet. Sie ahnen oder wissen, dass Sprache ein Instrument der „Teilhabe an Macht und Gemeinschaft“ (Peterlini 2016: 144) ist und diejenigen, die die Mehrheitssprache nicht oder nicht f ließend beherrschen, in eine „Position der Minderwertigkeit“ (ebd.: 164) geraten. Der Konsum von deutschsprachigen YouTube-Videos oder von Fernsehserien, die den Spracherwerb dadurch fördern, dass die Akteurinnen/Akteure und ihr Handlungsrepertoire vertraut sind, ist eine typische Strategie, den geahnten oder erlebten Negativzuschreibungen zu entkommen. Luca, der vor ca. 24 Jahren aus Serbien gekommen war, übt sich in einer weiteren Strategie, in der Strategie des Beobachtens. Migrantinnen/Migranten müssen für die Herstellung neuer sozialer Verbindungen nicht nur Worte und Grammatik lernen, sondern auch, wie die Sprache eingesetzt wird, wie Kontakte geknüpft werden, mit welchen Worten und in welcher Situation. Luca orientiert sich, wie er sagt, am Verhalten von Katzen, die ihre Umgebung genau beobachten, ehe sie offen und kommunikativ auf ihr Gegenüber zugehen. Sehr vorsichtig berichten meine Interviewpartner/innen davon, dass ihre Versuche, im Migrationsland soziale Verbindungen herzustellen, häufig fehlschlagen, weil sie auf keine Resonanz stoßen oder weil ihnen Ablehnung oder Misstrauen entgegenkommt. Rogers aus Uganda hat beobachtet, dass die Menschen im Bus oder in der U-Bahn ihre Taschen fester an sich drücken, wenn sie ihn sehen. Ihre Blicke sagen ihm: „Schwarzer Mann, könnte mir was nehmen“. Die Aufrechterhaltung und Herstellung sozialer Verbundenheit stellt sich, da Menschen keine Monaden sind, auch in der Migration als zentrales Bedürfnis dar und zugleich als ein Prozess voller Herausforderungen. Es geht um die Verknüpfung und Synthetisierung von verschiedenen sozialen Wirklichkeiten. Es verändern sich dadurch familiale Beziehungsmuster und mit ihnen die Koordinaten, in denen sich Sozialisation und Subjektbildung vollziehen (Beck/Beck-Gernsheim 2011: 224). Es entsteht, wie Knorr/Reichmann/Woermann (2017:39) ausführen, eine „neue Sozialität“. Ein Bestand-
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teil dieser Sozialität ist das „Modell Weltfamilie“ (Beck/Beck-Gernsheim 2011: 224), das signalisiert, wir befinden uns „mitten in einem historischen Grundlagenwandel“ (ebd.) von Lebens- und Familienformen.
Medien als Produkte transnationaler Lebensformen Medien werden nicht nur als Instrumente und Orte zur Herstellung transnationaler soziokultureller Räume genutzt. Sie können auch zu Verkörperungen des Transnationalen werden, wenn Migrantinnen/Migranten aus ihren Erfahrungen, ihren Ängsten, ihren Fragen und Hoffnungen Filme, Gedichte, Drehbücher, Texte, Theaterstücke machen. In der Studie „Transnationale Lebensformen“ sind diejenigen, die eine künstlerische Form der Bearbeitung von Migrationserfahrungen wählen, nicht erst im Migrationsland zu Künstlerinnen und Künstlern geworden. Doch mit der Migration kam ein neuer kreativer Schub, resultierend aus dem Dazwischen-Sein, aus der Ungewissheit, aus der Trauer über die erfahrenen Verluste. Die 28-jährige Dani spürte schon in ihren Gedichten, die sie in Simbabwe schrieb, den Möglichkeiten menschlicher Entwicklung, der Suche nach Glück und der Selbstentdeckung nach. Heute setzt sie sich als schwarze Frau aus der Perspektive eines sie zuweilen verwirrenden Migrationslandes zu ihrem Herkunftsland in Beziehung. Sie schafft in ihren Texten Figuren, in die sie alle ihre widersprüchlichen Emotionen ‚hineinlegt‘. Mehr denn je zuvor will sie durch das Schreiben herausfinden, wer sie ist in diesem Ineinander unterschiedlicher kultureller Flows. In den Texten und Drehbüchern, die Luca schreibt, geht es um die Themen Flucht, Alleinsein, Ungewissheit. Sein erstes Drehbuch handelte vom Leben im Asylcontainer, seinem ersten Zuhause, der Titel des daraus entstandenen Films lautet „Beschränkung“. Der Film spiegelt sein damaliges Lebensgefühl wider. „Es war klar, dass in engen Räumen alles, alles passiert, wo man sich jetzt nicht wohlfühlt und dass man nicht weiß, wie die Zukunft …“, meint er im Rückblick. Mit der Migration begann für Luca ein Leben im Dazwischen. Seine emotionale Reaktion auf dieses Dazwischen ist ambivalent: Er erlebt sich „irgendwo [als] ein Fremder“ sowohl im Migrations- als auch im Herkunftsland und zugleich stellt er fest: „Das ist für mich auch schön, […], dass ich so beide Kulturen kenne.“ Er verfügt damit über einen
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Wissensfundus, der ihm erlaubt, ein Problem von unterschiedlichen Standpunkten aus zu betrachten. Sein neuester Text handelt wieder von Flucht, aber dieses Mal aus der Perspektive einer Angestellten in einer Behörde, die Asylanträge prüft. Elka Tschernokoshewa (2016:69) betont, dass die mehrfache kulturelle Verankerung die Entwicklung einer „mehrfachen Perspektivität“ begünstigt. Auch für die syrische Autorin Rania Mleihi spielt das Sich-Bewegen zwischen Orten und Menschen eine sie prägende, irritierende Rolle, die sie literarisch verarbeitet, z. B. in einem Text, in dem sie von ihren Träumen erzählt, die Orte aus verschiedenen Ländern zu einem Ort zusammenfügen: „Ich steige in der Konkordiastraße in Hannover in den Bus und fahre zum Umayyadan-Platz in Damaskus und muss dabei natürlich die Margaretenbrücke in Budapest überqueren.“ (Mleihi 2017:16.17) Auch jenseits ihrer Träume bewege sie sich in Gedanken und physisch zwischen Orten, Kulturen, Menschen. In einem ihrer Texte fügt sie diese Orte in rascher Auseinanderfolge aneinander; sie schreibt von dem Ort, an dem sie geboren ist und an dem sie lange gelebt hat, von dem Ort, wohin sie f liegt, um ihre Eltern dort zu treffen, die von einem anderen Ort anreisen, und von den verschiedenen Orten, an die sie alle am Ende zurückkehren. Sie drückt in ihrem Text die gleichzeitige Präsenz von Bildern, Gedanken, Erinnerungen in Bezug auf Orte und Situationen aus und verweist auf die Anstrengung, die diese Gleichzeitigkeit bedeutet. Ihr Wunsch: „Nicht immer tausend Gedanken parallel zu denken und an tausend Orten gleichzeitig zu sein. Ich war müde und erschöpft und konnte mich auf nichts mehr konzentrieren.“ (ebd.) Aus der Perspektive der Migration hat Barbra Breeze Anderson (2018: 62) ein Gedicht verfasst, in dem sie für das Ineinander von Orten ein Bild, bestehend aus alten und neuen Düften, geschaffen hat. Es geht in diesem Bild um die Sehnsucht nach den alten Düften, um sich zuhause zu fühlen und zugleich um die Hoffnung, „dass bald neue Düfte die alten Düfte von Zuhause werden“. Die geschilderten Versuche, transnationale Erfahrungen in künstlerische Medien zu transferieren, erinnern an das von Christoph Wulf (2006: 50ff.) geprägte Konzept der „mimetischen Annäherung“. In der mimetischen Annäherung an Wirklichkeiten werden Repräsentationen dieser Wirklichkeiten geschaffen. Im letzten Beispiel sind es die alten und neuen Düfte, die das Altbekannte und das Neue, Fremde repräsentieren. Diese Repräsentationen dienen nach Wulf (ebd.: 51) der Klärung der eigenen Beziehung zu dem,
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was ihnen zugrunde liegt. Wulf sieht vor allem Klärungsbedarf im Hinblick auf das Neue. Die skizzierten künstlerischen Versuche machen deutlich, dass ihre Schöpferinnen/Schöpfer auch ihre Beziehung zum Altbekannten aus der Perspektive des Neuen klären wollen. Im Perspektivenwechsel, den Luca praktiziert, im Hin und Her zwischen alten und neuen Düften vollziehen sich mimetische Bewegungen, die weder beim Altbekannten noch beim Neuen verweilen. Sie beinhalten vielmehr, „Annäherung und Abstand in einem, Verweilen in der Unentschiedenheit des Dazwischen, Tanz auf der Grenze […]“ (ebd.:52). Wohin diese Bewegungen führen, ist offen, viele soziokulturelle Konfigurationen sind denkbar, u. a. die Verwandlung der neuen Düfte in alte.
Bewegte Zugehörigkeiten und korrespondierende Selbste Migration „pluralisiert Verwurzelungen“ (Ernst 2013: 153); Migrantinnen/ Migranten schlagen da und dort verschieden starke Wurzeln, wurzeln tief, f lach, lockern oder verfestigen ihre Wurzeln (ebd.). Unterschiedliche Erinnerungsströme sind gleichzeitig präsent und werden zueinander in Beziehung gesetzt (Beck/Beck-Gernsheim 2011: 250). Der Alltag von Migrantinnen/Migranten vereint disparate Elemente, die nicht voneinander separiert werden können (Tschernokoshewa 2015: 67). Kulturelle Grenzen geraten in Bewegung. Die kulturellen Codes der Herkunftsgesellschaft und die der Migrationsgesellschaft haben keinen festen, unveränderbaren Kern; sie verändern sich in Beziehung zueinander (Wulf 2006: 142). Den pluralen Verwurzelungen korrespondieren Selbstkonzepte, die sich im Spannungsfeld zwischen Herkunfts- und Migrationsland bewegen und sich oft zusätzlich aus soziokulturellen Settings weiterer Territorien speisen, die im Zuge der Migration kennengelernt wurden oder mit denen Migrantinnen/Migranten medial verbunden sind. Audiovisuelle Medien wie Film und Fernsehen offerieren wechselnde soziokulturelle Kontexte, die statische Selbstkonzepte erschweren. Digitale Medien ermöglichen zusätzlich grenzüberschreitende Kommunikation und damit die aktiv gestaltete Begegnung und Auseinandersetzung mit Repräsentantinnen/Repräsentanten unterschiedlicher soziokultureller Codes. Sie bewirken durch ihren skopischen Charakter, dass sich Wirklichkeiten ineinanderschieben, was zur Artikulation, zum Nachdenken über und zur
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Re-Definition individueller Selbstkonzepte auffordert (Ernst 2013: 156; Bozdag 2013: 42). Es soll nicht verschwiegen werden, dass dieselben Wirkungen von Medien auch verunsichern und überfordern können, was zur Abschottung und Ablehnung von neuen Wirklichkeiten führen kann. In der Studie „Transnationale Lebensformen“ dominiert die Auseinandersetzung mit territorial unterschiedlich verankerten soziokulturellen Mustern. Die identifizierten Selbstkonzepte ähneln dem Typus der „Ethnozentrierten“, den Hepp, Bozdag und Suna (2011: 181ff.) in ihrer Studie über „Mediale Migranten“4 beschreiben, insofern, als das Erleben des Dazwischen im Vordergrund steht, allerdings weniger das Ethnische, ein weiteres Merkmal der Ethnozentrierten. Hepp, Bozdag und Suna unterscheiden vom Typus der Ethnozentrierten die Herkunfts- und Weltorientierten. Aspekte dieser Orientierungen kommen auch in den hier dargestellten Selbstkonzepten vor, aber sie verdichten sich nicht zu einem Typus. Die im Folgenden skizzierten Selbste repräsentieren keine abgeschlossenen Formen, sie stellen eher Facetten dar, die gewechselt werden und die sich manchmal überschneiden. Gemeinsam ist ihnen die Verankerung in dem gefühlten Dazwischen.
Flexible Selbste Ron, der seine Jugend in Kamerun verbracht hat, repräsentiert das f lexible Selbst in seinen alltäglichen Praktiken. Er wechselt z. B. zwischen verschiedenen Praktiken beim Autofahren, je nachdem, ob er sich in Kamerun, in Frankreich oder im Migrationsland auf hält. In Kamerun fahre er offensiv, hupe ständig, auch in Frankreich praktiziere er einen offensiven Fahrstil. Seinen Fahrstil im Migrationsland beschreibt er schmunzelnd so: „Hier weiß ich, man muss anständig fahren.“ „Je nach Situation“, sagt er, „kann ich plötzlich Afrikaner oder plötzlich Deutscher“ sein. Ron fühlt verschiedene Kultureinf lüsse in sich, die sich aus seiner Sicht ergänzen und seinen Handlungsspielraum erweitern.
4 D ie Studie „Mediale Migranten“ wurde 2008–2009 in Bremen und Berlin und im Umland dieser Städte durchgeführt. Einbezogen waren 100 russische, türkische und marokkanische Migranteninnen/Migrantinnen mehrerer Migrationsgenerationen.
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Subversive Selbste Vara entwirft dieses Selbstkonzept im Bild eines Blumenstraußes. Die Menschen sind in ihren Augen Blumen, viele verschiedene Blumen, die einen Strauß ergeben, den man schätzen sollte. Subversiv nenne ich dieses Selbstkonzept, weil es die nationalen und ethnischen Zu- und Einordnungen unterläuft. Manchmal nimmt dieser Entwurf für Vara physische Gestalt an. Sie schildert Abende, an denen sie von vielen verschiedenen Menschen Besuch bekommt: „Jeder kommt von woanders, wir reden nicht davon, was ist anders, wir sagen nicht, woher kommst du, uns ist egal. Wir reden, wir kochen, wir tanzen, wir diskutieren, wir bringen Ideen, wir machen Kunst – das ist Normalität.“ Vara schildert eine Normalität, in der sich Menschen jenseits von Eindeutigkeit, Homogenität und starren Trennlinien äußern und begegnen.
Zwischenkategoriale Selbste In diesem Selbstkonzept dominiert das Dazwischen mehr als in allen anderen Selbstkonzepten. Ethnische oder nationale Zugehörigkeiten werden zwar als Möglichkeit gesehen, aber sie stimmen nicht mit dem eigenen Selbstbild überein. Luca aus Serbien erklärt: „Ich habe zwar den deutschen Pass, ich kann jetzt nicht sagen ‚ich bin ein Deutscher‘, aber ich kann auch nicht sagen ‚ich bin ein Serbe‘.“ Er sucht nach Worten für das, was er ist, und findet schließlich die Formulierung „ein Mensch zwischen den Welten“. In zwischenkategorialen Selbstkonzepten f ließen Erfahrungen und Erlebnisse aus verschiedenen ethnischen Kontexten ein, aber sie werden nicht zu bestimmenden Faktoren des eigenen Selbstverständnisses. Mehr Gewicht erhalten Rollen jenseits ethnischer oder nationaler Verankerung wie die des Vaters, die berufliche Rolle oder schlicht die Rolle als Mensch in dieser Welt.
Hybride Selbste Der Begriff Hybridität in Bezug auf die Verfasstheit des Subjekts knüpft bei Homi K. Bhaba an (Babka/Posselt 2012: 9ff.), der auf die Konstruktion eines Dritten Raums abstellt. Der Dritte Raum entspringt einem „cultural mixing where the diasporic arrivals adopt aspects of the host culture und rework, reform and reconfigure this in production of a new hybrid culture and hyb-
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rid identities“ (Virinder/Kaur/Hutnyk 2005: 71). Hybridität ist mehr als Vielstimmigkeit, mehr als ein Nebeneinander von Subjektpositionen, mehr als ein Hin- und Hergerissen-Sein zwischen verschiedenen Zugehörigkeiten. Hybride Selbstkonzepte bedeuten den Erwerb eines Selbstverständnisses, in dem sich differente Elemente zu etwas Neuem verschmelzen. Die Visualisierung des 40-jährigen Mateusz, der als Kind mit seinen Eltern aus Polen ausgewandert ist, zeigt ein solches Selbstverständnis. In ihm sind verschiedene Kulturkreise präsent, die ineinander verschlungen ein Ganzes ergeben, das ihn dazu veranlasst, sich als „Kulturhybride“ zu bezeichnen. Es gibt ein paar Wolken auf dem Bild, aber die vergehen, wie er bemerkt: „Im Großen und Ganzen tut’s mir eigentlich ganz gut; deswegen habe ich ein lächelndes Gesicht“, kommentiert er sein Bild. Abbildung 2: Hybride Selbste (Mateusz, 40 Jahre)
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Gebrochene Selbste Selbstkonzepte müssen erarbeitet werden, im Kontext von Migration unter oft erschwerten Bedingungen, weil es für bewegte Zugehörigkeiten keine Modelle gibt. Frustrations- und Ambiguitätstoleranz sind notwendige Kompetenzen; soziale Unterstützung ist unverzichtbar. Die Möglichkeit des Scheiterns begleitet diesen Prozess. Arif, der mit Anfang 20 aus dem Libanon in das Migrationsland gekommen war, vergleicht sich heute mit einem „gebrochenen Vogel“. Eine chronische Krankheit hat seine Pläne durchkreuzt; es kam zur Trennung von seiner im Migrationsland lebenden Familie. Wir betrachten den von ihm am Ende des Interviews gezeichneten Vogel. Arif erklärt, der Vogel könne nicht mehr richtig f liegen, er könne nur noch stehen. „Wo würde denn dieser Vogel gerne hinf liegen?“ frage ich meinen Interviewpartner. Seine Antwort: „Hier am Himmel, hier bei uns, hier in Deutschland, hier in [Wohnort].“ Abbildung 3: Gebrochene Selbste (Arif, 56 Jahre)
Die Erarbeitung von Selbstkonzepten inmitten pluraler Verwurzelungen und möglicher Mehrfachzugehörigkeiten ist nicht nur aufgrund fehlender Modelle erschwert, sondern auch, weil diese Versuche auf „wirkungsmächtige Sortiermuster der ethnischen Unterscheidungen“ (Römhild 2011: 21) treffen. Schon die Frage „Woher kommst Du?“, die der Wahrnehmung äußerer Zeichen wie Hautfarbe, Kleidungs- und Essgewohnheiten entspringt, leitet diesen Sortierprozess zwischen dem Eigenen und dem Fremden ein.
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Es gibt Orte, an denen diese Sortierprozesse an Bedeutung verlieren, weil nur mehr schwer ethnische oder nationale Mehrheiten auszumachen sind. Erol Yildiz (2015: 32) nennt solche Orte Transtopien; sie kennen keine Eindeutigkeit. Lokales und bislang Entferntes vermischen sich. Migrantinnen/Migranten schätzen solche Orte des Übergangs, zu denen physikalische Räume wie Bahnhöfe, Shoppingmalls, öffentliche Plätze zählen, aber auch virtuelle Räume als grenzüberschreitende Räume, die differente Wirklichkeiten miteinander verkoppeln. Transtopien sind Keimzellen einer Kultur, in der transnationales Leben nicht am Rande der Mehrheitsgesellschaft angesiedelt ist (Römhild 2015: 38), sondern zur Normalität für die Mehrheit einer Gesellschaft wird. Sie künden davon, dass transnationale Lebensformen eine gesellschaftsbewegende Kraft besitzen.
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Teilhabe von geflüchteten Jugendlichen im Kontext digitaler Medien Digital unterwegs in transnationalen Welten Henrike Friedrichs-Liesenkötter, Jana Hüttmann, Freya-Maria Müller
„Längst sind Smartphones selbstverständliche Begleiter für alle Lebenslagen geworden. Gerade die ‚Alles-in-Einem‘-Funktion wird von den Jugendlichen hervorgehoben. Für sie ist das Handy Infozentrale, Navi, Unterhaltungsmedium und – vor allem – Kommunikationsstandleitung zu den Freunden“ (Calmbach et al. 2016: 176). Gleiches lässt sich in vielen Fällen auch über die Mediennutzung gef lüchteter Jugendlicher sagen, deren Smartphone eine zentrale Rolle mit einer „Alles-in-Einem“-Funktion einnimmt. Diese Funktion wird besonders virulent im Spannungsfeld zwischen Herkunfts- und Aufnahmegesellschaft, in dem sich die Jugendlichen, die nach Deutschland gef lohen sind, oftmals bewegen. Digitale Medien haben im Alltag in der Aufnahmegesellschaft für Jugendliche oftmals eine Brückenfunktion inne, die es ihnen ermöglicht, zu ihrem Herkunftskontext und gegebenenfalls dort verbliebenen Familienmitgliedern und Freund*innen Kontakt zu halten. Gleichzeitig bieten digitale Medien eine Orientierungsfunktion im Alltag in Deutschland und stellen damit, insbesondere das Medium Smartphone, Mittel transnationaler (Selbst-)Verortung für die Jugendlichen dar (vgl. Kutscher/Kreß 2018: 325). Gleichzeitig haben digitale Medien in immer mehr Alltags- und Lebensbereichen eine zentrale Bedeutung. Im Kontext von Digitalisierungsprozessen findet zunehmend ein größerer Teil des Lernens in schulischen wie außerschulischen Settings mit digitalen Medien statt (vgl. bspw. Cwielong/ Kommer 2019). Bundesweite bildungspolitische Bestrebungen in Form der
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2016 veröffentlichten KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ (vgl. KMK 2017) und der damit einhergehende im März 2019 verabschiedete DigitalPakt Schule zwischen Bund und Ländern fokussieren ein Lernen mit digitalen Medien und vor allem auch eine Förderung von (Medien-)Kompetenzen von Schüler*innen für das Aufwachsen in der digitalen Welt (vgl. BMBF 2019). Darüber hinaus bieten digitale Medien das Potenzial, Teilhabeprozesse zu fördern. Dem entgegen stehen jedoch Faktoren im Leben der gef lüchteten Jugendlichen, die einen negativen Einf luss auf Partizipationschancen haben können. So können ein unsicherer Aufenthaltsstatus von minderjährigen Gef lüchteten oder sprachliche Barrieren mediale Teilhabe einschränken (vgl. Bosse et al. 2018: 2). Hieraus resultiert die Frage, unter welchen Faktoren im Zuge von Digitalisierungsprozessen Teilhabe ermöglicht werden kann und wann im Zuge von Digitalisierung soziale Ungleichheiten reproduziert werden (vgl. Calmbach et al. 2016: 172). Dies gilt auf Grund der genannten Exklusionsrisiken besonders für gef lüchtete Jugendliche, die sich in außer- wie innerschulischen Bildungskontexten befinden. Aus den bisher vorliegenden Forschungen zu den Nutzungsmustern gef lüchteter Jugendlicher lassen sich erste Implikationen für pädagogische Kontexte und mediale Bildungs- und Lernsettings ableiten. Die Ergebnisse verweisen jedoch auch darauf, dass der Einsatz digitaler Medien in pädagogischen Kontexten widersprüchliche Bedeutungen von Unterstützung und Kontrolle beinhalten kann (vgl. Friedrichs-Liesenkötter/Schmitt 2017; Kutscher/Kreß 2015). Der Artikel stellt zunächst die Ergebnisse eines qualitativen Forschungsprojekts von Friedrichs-Liesenkötter zur Bedeutung digitaler Medien für gef lüchtete Jugendliche vor, hierbei wird vor allem auf das Thema Handlungsfähigkeit der Jugendlichen und die Rolle beteiligter Bildungsinstitutionen in diesem Kontext eingegangen (vgl. Friedrichs-Liesenkötter/Schmitt 2017; Friedrichs-Liesenkötter/Müller 2018). Hieran anknüpfend werden resultierende Möglichkeiten der Inklusion durch digitale Medien für die Zielgruppe thematisiert. Der Artikel schließt mit einer Darstellung eines aktuellen ethnografischen BMBF-Forschungsprojekts zu den Gelingensbedingungen für die Bildungsteilhabe Gef lüchteter im Kontext digitalisierter Bildungsarrangements (BIGEDIB), an dem zwei der Autorinnen beteiligt sind.
Teilhabe von geflüchteten Jugendlichen im Kontext digitaler Medien
Aktueller Forschungsstand In aktuellen Forschungen zu den digitalen Nutzungsmustern gef lüchteter Jugendlicher wird vermehrt zwischen drei Phasen ‒ vor der Flucht, während der Flucht und nach der Flucht ‒ unterschieden, in denen digitale Medien für die Jugendlichen von großer Relevanz sind. Verschiedene Studien zeigen, dass Handy und Smartphone als unerlässliche Kommunikationsin strumente vor und während der Flucht dienen (vgl. u. a. Gillespie et al. 2016; Kutscher/Kreß 2015). Forschungsvorhaben, die den Fokus auf die Phase nach der Flucht und Ankunft in einer neuen Gesellschaft richten, weisen auf eine ähnlich zentrale Bedeutung digitaler Medien hin. Insbesondere der Zugang zum Internet für die Jugendlichen ist in zentraler Weise mit Teilhabemöglichkeiten am Alltag und im Bildungsbereich verknüpft (vgl. Friedrichs-Liesenkötter/ Schmitt 2017). Die Internetnutzung vergleichen gef lüchtete Jugendliche in dieser Phase mit der Bedeutung von Nahrungsaufnahme und kategorisieren diese somit als überlebenswichtiges Grundbedürfnis (vgl. Kutscher/ Kreß 2015: 25). Die vorliegenden Forschungsarbeiten zeigen neben einer Vielzahl an jugendtypischen Nutzungsweisen digitaler Medien (vgl. Friedrichs-Liesenkötter/ Müller 2018) verschiedene f luchtspezifische Aspekte im Nutzungsverhalten auf (vgl. u. a. Friedrichs-Liesenkötter/Schmitt 2017). Ein zentrales Ergebnis verschiedener Studien (vgl. Richter/Kunst/Emmer 2016; Kutscher/Kreß 2015) ist auch, dass je nach Herkunft Unterschiede hinsichtlich des Mediennutzungsverhaltens bestehen. Beispielsweise unterscheiden sich die für die Kommunikation und Informationssuche verwendeten Social-Media-Dienste, aber auch die Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien. Dies ist zum einen auf die Infrastruktur des Herkunftslandes der Jugendlichen zurückzuführen, zum anderen stehen derartige Unterschiede auch in Bezug zu sozialem, kulturellem und ökonomischem Kapital der Nutzenden (vgl. Kutscher/Kreß 2015). Alam und Imran (2015) haben in diesem Kontext den Zusammenhang von sozialer Teilhabe („social inclusion“) und digitaler Spaltung („digital divide“) von Gef lüchteten im Umgang mit digitalen Anwendungen untersucht. Auch die Infrastruktur in den Institutionen wie etwa Clearing-Einrichtungen, die im Leben der Jugendlichen eine Rolle spielen, sind von zentraler Bedeutung für den tatsächlichen Einsatz und die Wirkungsmacht digitaler Medien. Denn nicht immer sind strukturelle Rahmenbedingungen für beispielsweise den Zugang zum Internet auf Grund
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mangelnder Medienausstattungen in Einrichtungen gegeben (vgl. Friedrichs-Liesenkötter/Schmitt 2017).
Ergebnisse einer eigenen Studie zur Bedeutung digitaler Medien für Jugendliche und pädagogische Fachkräfte Anknüpfungspotenzial für Überlegungen zur Bildungsteilhabe gef lüchteter Jugendlicher in digitalen Bildungssettings bieten die Ergebnisse eines qualitativen Forschungsprojekts von Friedrichs-Liesenkötter unter Mitarbeit von Müller, in welchem junge Gef lüchtete und Fachkräfte in qualitativen Interviews zur Bedeutung digitaler Medien für die Jugendlichen selbst und für die pädagogische Arbeit qualitativ interviewt wurden (vgl. Friedrichs-Liesenkötter/Schmitt 2017; Friedrichs-Liesenkötter/Müller 2018): Die Auswertung der Interviews erfolgte nach der Grounded Theory (vgl. Strauss/Corbin 1996). Im Folgenden sollen zunächst die Analyseergebnisse der Interviews mit jungen Gef lüchteten im Alter von 14 bis 23 Jahren im Fokus stehen, die aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Guinea, Ghana, der Demokratischen Republik Kongo, Bangladesch, Algerien und Albanien nach Deutschland migriert sind. Die Ergebnisse der Analyse zeigen wie auch andere Studien, dass primär „jugendtypische Nutzungsweisen“ (Kutscher/Kreß 2015: 2) ohne Bezug zum Flüchtlingsstatus der Jugendlichen vorliegen und sich die insgesamt hohe Bedeutung der Medien in der Lebensphase des Jugendalters (vgl. Gross 2015) abbildet. Zusätzlich legt die Analyse einen Blick auf die Besonderheiten, die für diese Zielgruppe bestehen und auf mögliche Unterschiede hinsichtlich der Mediennutzung zu in Deutschland aufgewachsenen Jugendlichen, die sich unter anderem in der Bedeutung sozialer Medien für die Teilnahme an transnationalen sozialen Netzwerken zur Kontakthaltung mit der Familie oder Freund*innen im Herkunftsland zeigen.
YouTube als Ressource für Identitätsarbeit YouTube ist bei den Interviewpartner*innen als Videoplattform und Allround-Medium mit einer großen Vielfalt von Inhalten besonders beliebt – so die Ergebnisse der Analyse eines Teilsamples der Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren, welche sich in der zentralen Jugendphase befinden. Hierbei liegt eine jugendtypische Nutzungsform vor, denn eine altersübergreifende
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und regelmäßige Nutzung von YouTube als beliebtestem Online-Angebot bildet auch die aktuelle repräsentative JIM-Studie zum Mediennutzungsverhalten 12- bis 19-Jähriger ab (vgl. mpfs 2018: 43). Der Großteil der Jugendlichen in Deutschland nutzt YouTube mehrmals wöchentlich und vornehmlich zum Anschauen von Musikvideos (vgl. ebd.: 48). Hier zeigt sich die zentrale Bedeutung von Musik in der Phase des Jugendalters, da diese einen Orientierungsrahmen für die eigene Identitätsfindung bietet (vgl. Friedemann/ Hoffmann 2013) und als Mood Management (vgl. Schramm 2005) bei Liebeskummer, Frust oder Langeweile dient. Bei der digitalen Mediennutzung gef lüchteter Jugendlicher wird dies um Musik aus den Herkunftsländern bzw. in der Muttersprache der Jugendlichen erweitert. Dabei zeigt sich zum einen eine Nutzung unter retrospektiven Gesichtspunkten, um die Erinnerung an das Heimatland wach zu halten, beispielsweise in Form von Gebeten, die an die Kindheit erinnern. So beschreibt die 14-jährige Alia, dass sie gezielt Videos mit kulturellen Inhalten aus ihrem Heimatland anschaut, wenn sie sich Videos anschaut, „die Gedanken von Syrien enthalten, die Geschichte der Heimat, also Sachen über die Heimat, [...] Äh wie die traditionellen Gerichte, Kleidungen, über meine Stadt in Syrien“. Gleichzeitig wird auch ein aktueller Bezug zum Heimatland deutlich, da die Kanäle bekannter YouTuber*innen genutzt werden, die aus dem Heimatland stammen oder die Muttersprache der Jugendlichen sprechen. Beispiele hierfür sind „Noor Stars“ oder „Hayla TV“, welche Mädchen Tipps zu den Themen Beauty, erste Liebe, Verlobung und Freundschaft geben (vgl. Noor Stars, Hayla TV). Mit guten Ratschlägen fungieren sie als ältere Schwestern, welche die Funktion von Rollenvorbildern in Bezug auf die Verortung der eigenen Geschlechtsidentität einnehmen (vgl. Döring 2015) und Anschlusspunkte zum Auf bau einer parasozialen Beziehung bieten (vgl. Rihl/Wegener 2017). Es lässt sich somit erkennen, dass digitale Medien wie YouTube genutzt werden, um ein Gefühl von Heimat herzustellen, diese gleichzeitig aber auch als Mittel zur Identitätsarbeit und zur Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft fungieren (vgl. Eggert 2018).
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Alltagsunterstützung und Orientierung Eine zentrale Rolle für die Ankunft in Deutschland zur Alltagsunterstützung und für den Erwerb der deutschen Sprache nimmt bei den Jugendlichen das Smartphone ein (vgl. Friedrichs-Liesenkötter/Schmitt 2017: 6f.). Dieses wird zum Zwecke der Übersetzung herangezogen, beispielsweise in Form von Google Translate. Auch YouTube spielt für den Deutscherwerb der gef lüchteten Jugendlichen eine Rolle, beispielsweise wenn die Jugendlichen sich über das Anhören deutschsprachiger Musik mit der deutschen Sprache vertraut machen. Jugendliche aus Syrien nennen den Kanal „Deiaa Abdullah“ (vgl. Deejah Abdullah), welcher Lernvideos mit unterschiedlichen Themen und Niveaus bereithält. Mit Blick auf das Alter der Jugendlichen zeigt sich, dass eher die Jugendlichen in der späteren Jugendphase explizite Deutsch-Lernapps verwenden, wie etwa der 23-jährige Roben aus Bangladesch berichtet. Für die jüngeren Jugendlichen des Samples (14–19 Jahre) lässt sich erkennen, dass die Bedeutung digitaler Medien als Lernmedien für die gef lüchteten Jugendlichen mit steigendem Kontakt zum sozialen Umfeld, meist im schulischen Kontext, abnimmt und durch diesen ersetzt wird. Zusätzlich berichten die Jugendlichen, dass auch wenn das Smartphone Übersetzungsmöglichkeiten zur Erleichterung der Teilnahme am Unterrichtsgeschehen bietet, die Nutzung der Geräte im Unterricht nur in Einzelfällen erlaubt wird, da Smartphone-Verbote an den Schulen bestehen. Ein weiterer Aspekt, bei dem digitale Medien zum Einsatz kommen, ist die Informationsgewinnung über Deutschland und somit die neue Lebenswelt der Jugendlichen. Um sich nach der Ankunft zu orientieren, nutzten die Jugendlichen und ihre Familien meist Medien in der eigenen Muttersprache oder beispielsweise WhatsApp- und Facebook-Gruppen, in denen sich Gef lüchtete aus dem Herkunftsland zusammengeschlossen haben. Inhalte sind unter anderem Gesetzesänderungen in Bezug auf das Asylverfahren, wie Hassan (17) berichtet: „Jedes Mal wenn es neues Gesetz gibt, es wurde auf Facebook darauf gepostet“. Weiter zeigt sich, dass institutionell bereitgestellte Apps von Bund oder Ländern, die sich explizit an Gef lüchtete richten wie die App „Ankommen“ des Bundes (vgl. BAMF 2019), bei den Jugendlichen meist unbekannt sind. Gleichzeitig schätzen die Jugendlichen, nachdem sie von der Interviewerin demonstriert wurden, die Inhalte für sich selbst als hilfreich und relevant ein und hätten sich eine Information über solche Angebote gewünscht.
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Über Inhalte, die Freunde und Bekannte auf Facebook posten, erhalten viele der Jugendlichen Zugang zu Nachrichten aus ihren Heimatländern. Offizielle Nachrichtenkanäle wie Al Jazeera sind bekannt, werden aber nur teilweise genutzt. Gleichzeitig wird eine gewisse Skepsis der Jugendlichen gegenüber der Authentizität der Nachrichten aus den Heimatländern deutlich. Parallel dazu meiden einige der Jugendlichen ganz konkret Nachrichten, um sich nicht mit der Machtlosigkeit gegenüber der verheerenden Situation im Heimatkontext auseinandersetzen zu müssen. Hier wird deutlich, dass digitale Medien einen negativen Einf luss auf das Erleben von Handlungsmöglichkeiten der gef lüchteten Jugendlichen haben können und starke Belastungen bedeuten können. Nachrichten aus Deutschland werden von den Jugendlichen in den meisten Fällen nicht bewusst rezipiert. Hierbei spielt auch eine wichtige Rolle, dass die Jugendlichen das Geschehen im Heimatland als relevanter betrachten, da es sich als lebensbedrohlich für sie darstellte. Da in Deutschland hingegen keine akute Bedrohung besteht, entfällt die Notwendigkeit, sich über Nachrichten über Entwicklungen in Deutschland zu informieren: „In Deutschland gibt es nichts, es gibt keine Gefahr, die Gefahr ist in Syrien, deshalb schaue ich mir die Nachrichten in Syrien an“ (Hassan, 17).
Kontakt zur Familie und Freund*innen im Herkunftsland Ein dritter Bereich, der in der Nutzung digitaler Medien für die Jugendlichen von Bedeutung ist, ist der Kontakt zu Familienangehörigen oder den Freund*innen im Herkunftsland. Verstärkt trifft dies bei Jugendlichen zu, die unbegleitet und somit ohne ihre Familie nach Deutschland gekommen sind. Hierbei spielen das Smartphone und die darauf installierten Social-Media-Apps wie WhatsApp, Facebook Messenger oder imo die zentrale Rolle. Es wird auch deutlich, dass sowohl strukturelle Voraussetzungen, wie verfügbares WLAN in Clearing-Einrichtungen oder aber fehlendes Prepaid-Guthaben auf den Smartphones der Jugendlichen, als auch politische Rahmenbedingungen in den Herkunftsländern, wie z. B. das Vorgehen der Polizei, die gelegentlich Handys konfisziert oder von Rebell*innen, die den Zugang zum Internetcafé verhindern, diesen Kontakt der Jugendlichen zum Herkunftskontext begünstigen oder limitieren können. In einigen Fällen sind Kontaktdaten verloren gegangen und ist somit ein Kontakt zur Familie nicht möglich: „Weil ich nicht weisse da wo sind und ich habe auch kein telephone
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numer von ihr [...] Ja, ich wille gern mit ihnen sprechen aber ich habe kein kontakt und was solle ich machen?“ (Didier, 19) (Zitat aus schriftlicher Online-Kommunikation). Dem Bedürfnis nach familiären Kontakt kann also nicht nachgegangen werden, was zu einer Art Handlungsunfähigkeit führt, bei der der Jugendliche nicht weiß, was er noch tun kann. Während die Jugendphase zwar durch Autonomiebestreben und die Abkopplung vom Elternhaus geprägt ist (vgl. Hurrelmann/Quenzel 2016: 154 ff.), agieren Eltern in vielen Fällen für Jugendliche dennoch als paralleles „Sicherheitsnetz“ bei auftretenden Problemen (vgl. Walper/Lux/Witte 2018: 116 ff.). Dieses Sicherheitsnetz kann besonders unbegleitet gef lüchteten Jugendlichen nicht aus ihrem direkten Umfeld gegeben werden. Digitale Medien können hier durch die Herstellung von Kontakt dabei helfen, ein emotionales Sicherheitsnetz auf digitalem Wege bereit zu stellen. Gleichzeitig lässt sich aus den Interviews jedoch auch rekonstruieren, dass in Telefongesprächen mit Müttern Probleme oder Niederlagen der Jugendlichen bewusst ausgelassen werden, um die Eltern, vor allen Dingen die Mütter, nicht weiter zu belasten: „Ich kann nicht sagen, was hab ich hier Problem (lachen). Wenn ich so (unv.), mein Mutter ist auch traurig. Ich sag immer, Deutschland ist am besten [...]. Weil ich kann nicht sie traurig sein. [...] (Lachen) Ich sag immer, ich sag ihm nicht, ich hab mit meinem Betreuer Stress oder sowas, ich sag immer, kein Problem in Deutschland. Aber gibt es hier im Land viele Problem, ne“ (Farid, 16). Ein Autonomiebestreben wird hier also vielmehr zu einer Autonomieverpf lichtung, die sich die Jugendlichen teilweise selbst auferlegen und die den Erwartungsdruck und die familiäre Verantwortung, welchen sie sich ausgeliefert sehen, widerspiegelt. Dies zeigt sich auch daran, dass bestimmte Inhalte in der Kommunikation mit Familienangehörigen wie die politische Situation oder Morde im Herkunftsland gezielt nicht thematisiert werden. Begründet wird dies mit der Gefahr, abgehört zu werden und damit ein Risiko für die Angehörigen im Herkunftsland herzustellen.
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Digitale Medien als Mediatoren von Agency Die Analyse hat gezeigt, dass für die Interviewpartner*innen ebenso wie für in Deutschland aufgewachsene Jugendliche (vgl. mpfs 2018) digitale Medien und insbesondere Social Media wichtige Größen in der eigenen Identitätsarbeit darstellen. Insbesondere die Möglichkeit, die sich den Jugendlichen bietet, zwischen Angeboten auf Deutsch oder in der Muttersprache zu wählen oder diese komplementär zu nutzen, hilft bei der Identitätsarbeit in der transnationalen Welt, in der die Jugendlichen sich befinden. Das Smartphone ist in vielen Fällen der „Schlüssel“ dieser (transnationalen) Verortung (Kutscher/Kreß 2018: 325). Digitale Medien helfen den Jugendlichen in ihrer spezifischen Situation über Ländergrenzen hinweg dabei, wie Hugger (2009) für Jugendliche mit Migrationserfahrungen aus der Türkei zusammenfasst. So würden diese sich „[…] ihrer hybriden Identität mithilfe einer bestimmten Art von Online-Communities eine sozial-räumliche Rahmung […] geben, mit anderen Worten: mithilfe dieser Sozialräume im Internet ihre national-, ethnisch-, kulturell bezogene ‚Ortlosigkeit’ verorten können“ (ebd.: 283). Es bestehen somit explizit Nutzungsformen und -bedarfe, die aus der eigenen Flucht- bzw. Migrationserfahrung resultieren: So schaffen digitale Medien etwa über Sprachlernvideos oder -Apps und Posts mit Informationen zum Leben in Deutschland (bspw. hinsichtlich Abläufen bei Ämtern) Möglichkeiten der Stärkung von Handlungsmacht in einem neuen Lebensumfeld. Digitale Medien können also eine Stärkung der Wahrnehmung der eigenen Handlungsmacht der Jugendlichen und zudem eine Grundvoraussetzung für die Aufrechterhaltung des familiären Zusammenhalts über Ländergrenzen hinweg darstellen. Gleichzeitig unterstützen digitale Medien gef lüchtete Jugendliche beim Erlernen der deutschen Sprache und bei der Informationsgewinnung über ihr neues Lebensumfeld, aber auch über die aktuelle Situation ihres Herkunftslands. Besonders Letzteres kann durch Trigger und Erinnerungen an Erlebtes oder die Angst um Familienangehörige auch mit hohen Belastungen für die Jugendlichen einhergehen, was wiederum deren wahrgenommene Handlungsmacht verringern kann (vgl. Friedrichs-Liesenkötter/Schmitt 2017: 8). Kernergebnis der Studie ist, dass digitale Medien für die Jugendlichen im Sinne eines relationalen Agency-Verständnisses (vgl. Raitelhuber 2012; Scherr 2012) einerseits eine wichtige Rolle für das Erleben von eigenen Handlungsmöglichkeiten nach der Ankunft in Deutschland darstellen. Be-
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sonders Smartphones und der Zugang zu mobilem Internet wirken in der neuen Lebensumgebung als „social agents“ (Gell 1998: 17) und können Handlungsfähigkeiten der Jugendlichen steigern, wenn dafür adäquate strukturelle Rahmenbedingungen vorliegen wie etwa ein entsprechendes WLANNetz in Clearing-Einrichtungen (vgl. Friedrichs-Liesenkötter/Schmitt 2017). Andererseits bringen digitale Medien neben dem Erleben von Handlungsmöglichkeiten jedoch auch Einschränkungen eben dieser Handlungsmacht mit sich (vgl. Lucius-Hoene 2012: 41). Diese Diskrepanz stellt Bildungseinrichtungen vor die Aufgabe, insbesondere junge Gef lüchtete als Zielgruppe von Inklusionsbemühungen gezielt zu unterstützen.
Bildung und Inklusion im Kontext digitaler Medien Inklusion wird von den Autorinnen im Anschluss an Bosse et al. (2018: 1) im Rahmen eines weiten Inklusionsverständnisses, jenseits einer Verengung auf Menschen mit Behinderungen, als Ermöglichung von Teilhabe begriffen, womit eine Öffnung des Inklusionsdiskurses im Hinblick auf eine generelle Ungleichheitsperspektive und um die Dynamiken der sozialen Spaltung angestrebt wird. Inklusion wird somit nicht als „[...] Sonderproblem von [einzelnen] Gruppen, sondern nur als gesellschaftspolitische Aufgabe, inkludierende Verhältnisse zu schaffen, [...]“ (Kronauer 2013: 25) verstanden und stellt somit den Entwicklungsanspruch an die Gesellschaft dar, allen Menschen, unabhängig von Heterogenitätsfaktoren bzw. in Würdigung dieser, gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen (vgl. Bosse et al. 2018: 1). In ihrem aktuellen Positionspapier fordert auch die BITKOM (2018) die Heterogenität der Lernenden im Bildungssystem mittels digitaler Medien zu berücksichtigen. Explizit benennt sie Menschen mit Fluchterfahrung als eine Zielgruppe im Hinblick auf Chancengleichheit und betont die Potenziale digitaler Medien für Bildungsprozesse, unter anderem für den Spracherwerb. Im Rahmen der vorgestellten Studie wurden neben den Jugendlichen neun Interviews mit pädagogischen Fachkräften aus verschiedenen Feldern geführt. Auf die Analyseergebnisse soll im Folgenden mit Blick auf Inklusion kurz eingegangen werden: Zwei der befragten Pädagog*innen arbeiten im schulischen Kontext und benennen Potenziale zur Förderung von Inklusion durch den Einsatz digitaler Medien in der Schule. Für Lehrerin Kathrin, die an einer Hauptschule tätig ist, haben digitale Medien beispiels-
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weise im Hinblick auf Sprachförderung Potenzial, um die Teilhabe gef lüchteter Jugendlicher zu stärken: „Die gef lüchteten Kinder dürfen ihr Handy zum Übersetzen benutzen, die andern natürlich dürfen das gar nicht haben, während des Unterrichts.“ Sprache wird hierbei also als besonders relevantes Element von Selbstbestimmtheit und Teilhabeoptionen im Alltag verstanden (vgl. Kutscher/Kreß 2018: 328), aufgrund der geringen Deutschkenntnisse dürfen die gef lüchteten Schüler*innen das eigene Smartphone nutzen. Gleichzeitig zeigen sich hier auch Exklusionsrisiken, da eine ungleiche Behandlung der Schüler*innen mit Fluchterfahrung und „den anderen“, den Jugendlichen ohne Fluchterfahrung stattfindet, wie das Zitat von Kathrin aufzeigt. Zudem lässt sich erkennen, dass in Schulen auch strukturelle Rahmenbedingungen vorliegen, welche einen stärker von den Pädagog*innen intendierten, didaktisch geplanten Einsatz von digitalen Medien verhindern. So erklärt Schulsozialarbeiter Christian mit Blick auf ein Smartphone-Verbot an seiner Schule, dass er zwar grundsätzlich solche Lernapps befürworten würde, allerdings würde sich dies „ja in nem krassen Widerspruch begegnen, wenn man sagt: ‚In der Schule kein Handy‘ und dann Lernapp“. Auch Kathrin berichtet von einem solchen Smartphone-Verbot an ihrer Schule, das jedoch von den Lehrkräften bei Bedarf ausgehebelt werden kann. Hieran wird deutlich, dass der Einbezug digitaler Medien in die pädagogische Arbeit im Hinblick auf die Förderung von Teilhabemöglichkeiten gef lüchteter Jugendlicher zwar als wertvoll eingeschätzt wird, gleichzeitig Lehrkräfte in der praktischen Umsetzung aufgrund unterschiedlicher Faktoren, wie beispielsweise Smartphone-Verboten in der Schule, auch vor große Herausforderungen und Hürden stellt. Ein gezielter mediendidaktischer Einsatz zur Sprachförderung, etwa über Lernapps, die zumindest bei einem Teil der Schüler*innen ohnehin auf den Geräten vorhanden sein dürften, finden laut den beiden Pädagog*innen nicht statt, was mit Blick auf aktuelle Studien zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht (vgl. u. a. BITKOM 2019) auch nicht weiter verwundert. Somit erscheint es der Lehrerin Kathrin auch vollkommen „natürlich“, dass die Schüler*innen ohne Fluchterfahrung kein Smartphone im Unterricht nutzen dürfen. Dass ein Einsatz digitaler Endgeräte von Schüler*innen im Unterricht durchaus von bildungspolitischer und medienpädagogischer Seite im Sinne von Bring Your Own Device (BYOD) (vgl. Deutscher Bundestag 2018) diskutiert und eingefordert wird, wird in den Interviews nicht angesprochen.
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Neben Möglichkeiten des Spracherwerbs benennen die Fachkräfte, dass in schulischen und außerschulischen Bildungssettings durch den Einsatz digitaler Medien und über medienpädagogische Projekte sowohl der Erwerb von Medienkompetenz als auch Artikulations- und Partizipationsmöglichkeiten gef lüchteter Jugendlicher gezielt gefördert werden können (vgl. Friedrichs-Liesenkötter/Schmitt 2017: 5 ff.). Hierbei gilt es auch, den Schutz der eigenen Privatsphäre und der Daten der Jugendlichen durch z. B. Auf klärung über konkrete Risiken und Datenschutz zu berücksichtigen und in die pädagogische Arbeit miteinzubeziehen. Besondere Bedeutung hat dies für Jugendliche aus ressourcenärmeren Herkunftsmilieus (vgl. Kutscher/Otto 2014: 287 ff.) und somit auch für einen Großteil der gef lüchteten Jugendlichen. Das Herkunftsmilieu der Jugendlichen und fehlendes ökonomisches Kapital, ebenso wie fehlende strukturelle Rahmenbedingungen in Bildungseinrichtungen spielen eine wichtige Rolle bei der Nutzung digitaler Medien und können Handlungsfähigkeiten von Jugendlichen auch verringern: So zeigen Calmbach et al. (2016: 208) auf, dass im Kontext Schule digitale Ausstattung und digitales Kapital1 der Familie für die Teilhabe am Unterricht oftmals vorausgesetzt wird. Besonders für minderjährige unbegleitete Gef lüchtete kann dies eine Hürde für Teilhabeprozesse darstellen und bestehende soziale Ungleichheiten manifestieren. Hier kann eine Form digitaler Ungleichheit (Kutscher/Otto 2014) – im Sinne von ressourcenabhängigen sozial ungleichen Nutzungsweisen und -fähigkeiten digitaler Medien – entstehen, die mit institutionellen Rahmenbedingungen und Herkunft verschränkt ist (vgl. Kutscher/Kreß 2016). Mit Blick auf die Ergebnisse der vorliegenden Studie ist eine Sensibilisierung von sowohl Lehrkräften als auch Pädagog*innen im außerschulischen Kontext (Soziale Arbeit; Medienpädagog*innen) angesichts der besonderen Relevanz digitaler Medien für gef lüchtete Jugendliche als Instrument transnationaler Verortung und im Hinblick auf die Förderung von Medienkompetenz und damit das Erleben von eigener Handlungsfähigkeit und Teilhabe zentral. Entsprechend müssen die Themen Medienpädagogik und damit auch Mediendidaktik mit Blick auf die ‚Zielstellung Inklusion‘ stärker in der 1 D igitales Kapital meint hier die Ausstattung der Familie oder Einrichtung, in der der Jugendliche zu Hause ist. Lehrkräfte gehen davon aus, dass bestimmte Geräte im Haushalt vorhanden sind, Zugang für die Jugendlichen besteht und die Geräte bei Bedarf in den Schulunterricht mitgebracht werden können (z. B. Laptops) (vgl. Calmbach et al. 2016: 208).
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Aus- und Fortbildung von Pädagog*innen verankert werden. Hiermit einhergehend werden strukturelle Rahmenbedingungen benötigt, welche die Inklusion von gef lüchteten Heranwachsenden über einen gezielten Medien- einsatz (bspw. im Unterricht) und in inklusiven medienpädagogischen Projekten ermöglichen, also gemeinsamen Projekten mit in Deutschland aufgewachsenen Jugendlichen wie etwa Videoprojekte o. ä. (vgl. Behr 2017). Dass inklusive medienpädagogische Projekte nicht immer gelingen, wurde im Forschungsprojekt in einem Interview mit einer Medienpädagogin deutlich, die beschreibt, dass es schlichtweg aufgrund einer nicht adäquaten Projektstruktur nicht gelang, ein gemeinsames Videoprojekt mit gef lüchteten und nicht gef lüchteten Jugendlichen durchzuführen, aufgrund einer ungleichen Geschlechterzusammensetzung, einer schlechten Verkehrsanbindung und dem Umstand, dass die Jugendlichen sich vorab noch gar nicht kannten (vgl. Friedrichs-Liesenkötter/Schmitt 2017: 11).
Forschungsausblick Mit Blick auf die Förderung der Inklusion gef lüchteter Jugendlicher soll im Folgenden ein aktuelles Forschungsprojekt vorgestellt werden, an dem die Autorinnen Friedrichs-Liesenkötter und Hüttmann beteiligt sind. Anhand der vorliegenden Forschungsergebnisse wurde deutlich, dass digitale Medien in unterschiedlichen Dimensionen die Handlungsfähigkeit gef lüchteter Jugendlicher beeinf lussen. Hierbei bieten digitale Medien und damit auch Medienbildung Potenziale für die Inklusion dieser Zielgruppe. Denn „wo Individuen einen Zugang zu medialen Welten erlangen, haben sie prinzipiell auch Teil an den (Bildungs-)Optionen und Chancen, die diese Räume bieten“ (Jörissen/Marotzki 2010: 433). Während bisherige Studien zur Mediennutzung Gef lüchteter überwiegend die Mediennutzung von Gef lüchteten im Allgemeinen in den Blick genommen und keinen Fokus auf die junge Zielgruppe gelegt haben und darüber hinaus keine explizite Forschung zum Medieneinsatz in pädagogischen Institutionen und zur Rolle von digitalen Medien für Lern- und Bildungsprozesse bestand, wurde über die oben vorgestellte explorative Studie die Bedeutung digitaler Medien für junge Gef lüchtete und die Rolle digitaler Medien in Bildungssettings anhand der Interviews mit den Fachkräften explorativ untersucht (vgl. zudem zur Mediennutzung von jungen Gef lüchteten Kutscher/Kreß 2018). Einen
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noch stärker akzentuierten Blick auf die Bildungsteilhabe Gef lüchteter in verschiedenen Bildungsbereichen richtet ein aktuelles Forschungsprojekt der Universität zu Köln (Kutscher) und der Leuphana Universität Lüneburg (Friedrichs-Liesenkötter), in welchem mittels einer dreijährigen ethnografischen Studie die Gelingensbedingungen für die Bildungsteilhabe Gef lüchteter im Kontext digitalisierter Bildungsarrangements (BIGEDIB) untersucht werden (Förderung BMBF). Mittels einer interdisziplinären Perspektive werden die Rolle von digitalen Medien im formalen Bildungskontext Schule (Standort Lüneburg), im non-formalen Bildungskontext Kinder- und Jugendhilfe (Standort Köln) sowie deren Bezüge zu informellen Bildungs- und Aneignungsprozessen betrachtet (beide Standorte). Untersucht wird, welche Rolle digitale Medien in Bildungsarrangements spielen, wie sie zum Einsatz kommen sowie in welchem Verhältnis dabei private Nutzungsmuster sowohl der Jugendlichen als auch der Fachkräfte und institutionelle Medienarrangements in Bildungsprozessen zueinanderstehen. Hierbei sollen einerseits Diskrepanzen zwischen institutionellen Perspektiven und Voraussetzungen der Adressat*innen sichtbar gemacht sowie andererseits Ansatzpunkte für eine systematische und konzeptionelle Verknüpfung der ref lexiven Begleitung der Nutzung und des Einsatzes digitaler Medien zur Ermöglichung von Bildungsteilhabe für junge Gef lüchtete identifiziert werden. Die besondere Bedeutung digitaler Medien in Bildungssettings konkret zu erforschen und dabei insbesondere die Diskrepanz zwischen einer hohen individuellen Bedeutung digitaler Medien für gef lüchtete Jugendliche selbst und dem bisher wenig konzeptionalisierten Einbezug digitaler Medien in Bildungs- und Lernsettings durch pädagogische Fachkräfte in den Fokus der Untersuchung zu nehmen, ist eine zentrale Herausforderung des Forschungsvorhabens. In drei Erhebungsphasen werden insgesamt 20 gef lüchtete Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren als Akteur*innen im Feld begleitet und ihre Bildungserfahrungen im Kontext digitaler Medien rekonstruiert. Über Feldprotokolle und Artefaktanalysen sowie ethnografische Gespräche mit Jugendlichen und pädagogischen Fachkräften wie beispielsweise Schulleitungen, Lehrkräften und Leitungen von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen sollen einzelne Aspekte vertieft werden. Mit Blick auf den Bildungskontext Schule interessiert u. a., welche digitalen Medien Gef lüchtete in den schulischen Kontext, vor allem den Unterricht, einbringen (z. B. eigenes Smartphone), inwiefern medienbezogene Gespräche stattfinden (z. B. Anschlusskommunikation im Nachgang an ein Medienerlebnis), ob und wie
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Lehrkräfte digitale Medien zur Wissensvermittlung in den Unterricht integrieren und inwiefern auch eine ref lexive Auseinandersetzung über digitale Medien stattfindet (z. B. Unterrichtseinheit zum Schutz der Privatsphäre o. ä.). Als grundlegendes Forschungsparadigma wird die Grounded Theory genutzt (vgl. Strauss/ Corbin 1996), welche über eine ethnografische Forschung ausgestaltet wird (vgl. Unterkof ler 2016). Auf Basis der Analyse sollen generalisierbare Implikationen für eine nachhaltige, Bildungsteilhabe ermöglichende Verankerung digitalisierter Bildungsarrangements in den beiden Bildungskontexten – Schule und Kinder- und Jugendhilfe – abgeleitet werden. Damit widmet sich die Forschung den Herausforderungen, die Zuwanderung und Digitalisierungsprozesse auch in Zukunft an Bildungsinstitutionen stellen werden.
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Real und virtuell auf der Flucht Bewältigungsstrategien aus dem Darknet und deren Bedeutung für eine sozialraumorientierte (Digitale) Soziale Arbeit Karin E. Sauer, Marc Hasselbach
Potenziell traumatische Ereignisse (PTE) können dazu führen, dass Menschen in Krisengebieten mittels des Mediums ‚Darknet‘ die Flucht aus ihrem Land vorbereiten und realisieren. Im Darknet ist anonyme virtuelle Kommunikation gewährleistet und es können für die Flucht benötigte Dokumente und Dienstleistungen erworben werden. Auf und nach der Flucht kann es zu weiteren PTE durch reale und virtuelle rassistische oder sexualisierte Gewalt kommen. Um diesbezüglich Unterstützungsangebote zu schaffen, werden Aufgaben für eine (Digitale) Soziale Arbeit benannt, die im Sinne einer erweiterten sozialraumorientierten Sozialen Arbeit dringend gelöst werden müssen.
Einleitung In der globalen, digitalisierten Migrationsgesellschaft ist Soziale Arbeit zunehmend mit der Erweiterung von realen Sozialräumen um virtuelle soziale Räume und Vergemeinschaftungsformen konfrontiert. Die darin enthaltenen Thematisierungen sozialer Problemlagen und die darauf bezogenen Lösungsansätze weisen ein breites Spektrum unterschiedlicher Positionierungen auf. Dort, wo politische und sozialstrukturelle Rahmenbedingungen stark restriktiv auf die öffentliche reale und virtuelle Lebenswelt einwirken, bilden sich zwischen den Nutzer_innen digitaler Medien Kommunikati-
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onsformen heraus, die ihnen Freiräume und Handlungsmöglichkeiten verschaffen. Dies ist gerade in Krisenregionen der Fall, in denen potenziell traumatische Ereignisse (PTE) (vgl. Tinghög 2017) zum Alltag gehören, und Flucht zu einer Option der dort lebenden Personen wird. Im Kontext von Flucht reißen PTE nicht ab, und auch hier spielen Bewältigungsstrategien, die digital und mobil zugänglich sind, eine entscheidende Rolle, insbesondere diejenigen aus dem Darknet. Am Beispiel von Frauen aus Syrien, die das Darknet als anonymisierten Möglichkeitsraum nutzen, wird erörtert, welche Aufgaben eine menschenrechtsorientierte Soziale Arbeit umfassen müsste, wenn es um eine Umverteilung und Anerkennung von (teilweise illegalisierten) Ressourcen geht, um Zuf luchtsorte im Sinne von ‚sicheren Räumen‘ zu schaffen.
Potenziell traumatische Ereignisse (PTE) vor, während und nach der Flucht Individuelle Widerfahrnisse1 im Leben von Frauen in Syrien haben seit Kriegsbeginn 2011 dazu geführt, dass sie sich um Fluchtmöglichkeiten aus dem Land bemüht haben. Auslöser für die Entscheidung zur Flucht konnten folgende potenziell traumatische Ereignisse sein: unmittelbare Nähe zu Kämpfen, erzwungene Trennung bzw. Verlust von Familienmitgliedern oder nahestehenden Personen, Erleben von Folter, körperlicher sowie sexueller Gewalt oder anderer beängstigender Situationen, in denen eine Gefahr für das eigene Leben empfunden wurde (vgl. ebd.: 3). Die Machtverhältnisse, die diese Lebenssituationen bestimmen, beeinträchtigen die individuelle Handlungsfähigkeit massiv. Allein die ‚erlaubten‘ Kommunikationsmöglichkeiten können stark eingeschränkt sein: „In vielen arabischen Ländern ist der Zugang zum Internet beschränkt. Was Regierungen für politisch nicht genehm oder für unsittlich halten, sperren sie. In Syrien sind mittlerweile sogar YouTube, blogspot und Facebook verboten, genauso wie die Homepages arabischer Zeitungen, die kritisch über Syrien berichtet hatten, und Webseiten kurdischer und islamischer Parteien. Betreiber von Internetcafes sind gehalten, ihre Kunden auszuspionieren. Ar1 Vgl. Kalkstein (2018).
Real und virtuell auf der Flucht
tikel oder Kommentare dürfen seit dem Sommer nur noch mit vollständigem Namen und der E-Mail-Adresse des Verfassers online veröffentlicht werden“ (Kühntopp 2007). Diese Umstände können Menschen dazu bewegen, sich digital in geschützten Räumen austauschen zu wollen. Diese Räume sind im Darknet in Form von Chats, Foren oder Plattformen (ähnlich wie Facebook) verfügbar. Die Abgeschiedenheit bzw. die Nichtöffentlichkeit und die hohen Sicherheitsvorkehrungen bieten für Menschen bei PTE etwa für die Organisation einer Flucht einen erheblichen Vorteil. In Zeiten stetiger globaler Digitalisierung und der daraus resultierenden steigenden Smartphonenutzung ist der Zugang zum Darknet für alle vorhanden. Während der Flucht werden z. B. in Flüchtlingslagern Mobiltelefone benutzt, • um die unterbrochenen sozialen Kontakte zum Heimatort wieder aufzunehmen, • um mit der Unsicherheit des technologischen und sozialen Zugangs zu relevanten Informationen umzugehen, z. B. bezüglich der geplanten Fluchtroute, • um gefährliche Informationen zu filtern, insbesondere in Bezug auf die Überwachung durch den syrischen Staat (vgl. Wall: 2015). Nach der Flucht können syrische Frauen ebenfalls potenziell traumatischen Ereignissen ausgesetzt sein. Dazu zählen Diskriminierungserfahrungen und Kommunikationsschwierigkeiten im Zielland, wirtschaftliche Belastung, Verlust von Beziehungen in der Heimat, das Isoliert- und Ausgeschlossensein in der Region sowie die Tendenz zu sozialen Spannungen und familiären Konf likten (vgl. Tinghög 2017: 3). Dies kann in Verbindung stehen mit der speziellen Situation in Aufnahmeeinrichtungen in Deutschland, bei denen die Orientierung an den Menschenrechten nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist (vgl. Initiative Hochschullehrender zu Sozialer Arbeit in Gemeinschaftsunterkünften 2016). Auch in diesen Situationen werden Angebote aus dem Darknet als Bewältigungsstrategien genutzt, die im nächsten Kapitel beschrieben werden.
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Bewältigungsangebote aus dem Darknet im Kontext Flucht Das Darknet beschreibt in der Informatik ein Peer-to-Peer-Overlay-Netzwerk, dessen Teilnehmende ihre Verbindungen untereinander manuell herstellen. Es gibt somit kein einzelnes Darknet, sondern viele verschiedene Darknets, wobei sich Tor („The Onion Router“) als die führende Dark- net-Technologie durchgesetzt hat (vgl. Mey 2017). Die Daten werden meist stark verschlüsselt übertragen und gespeichert. Ein Darknet bietet daher ein hohes Maß an Sicherheit. Angriffsmöglichkeiten auf das Netzwerk sind gering, da der Zugriff darauf nicht ohne weiteres möglich ist, oder die Existenz des Netzwerks im Idealfall gar nicht bekannt ist. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von ‚normalem‘ Datenaustausch zwischen Privatpersonen über kleine Tauschbörsen-Netzwerke für Musik und Filme bis hin zur Vernetzung von Regimekritikerinnen und -kritikern, z. B. NGOs (vgl. ebd.). Die Zahl der Tor-Nutzerinnen und -Nutzer liegt seit Mitte 2014 bei etwa zwei Millionen pro Tag. Ab Mitte 2017 war die Zahl auf mehr als vier Millionen gestiegen, was vor allem auf einen rasanten Anstieg der Tor-Zugriffe aus Deutschland zurückging (vgl. Mey 2019). Über „.Onion“-Links ist u. a. das Darknet-Forum „The Dark Lair“ zugänglich. Dort tauschen sich Menschen über jegliche Belange aus. Es geht um Selbstdarstellungen von jungen Musliminnen, um Hobbies und Dinge des alltäglichen Lebens. Es sind Menschen aus Syrien, Pakistan, dem Irak, Nordirland, Deutschland, der Ukraine und unzähligen anderen Ländern in diesem Forum angemeldet. Sie alle vereint der Wille zur Abgeschiedenheit und Anonymität.
Dokumente und Dienstleistungen. Virtuelle Angebote für reale Überlebenschancen „Aufgrund der ganzen schlimmen Probleme, die unseren syrischen Brüdern und Schwestern in den letzten Tagen widerfahren sind, haben wir uns entschlossen: Jeder, der die syrische Nationalität besitzt, irgendwo auf der Welt, kann bei uns einen syrischen Pass bestellen – für –75% der Kosten inklusive Expressversand. Dies ist kein limitiertes Angebot, nur für unsere syrischen Brüder im menschlichen Geiste. Gott segne Syrien, Gott segne die Mensch-
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lichkeit. Willkommen bei FakeMarket und mach alle deine Träume wahr.“ (FakeMarket Team 20192) Auf dem Darknet Markplatz „Undermarket“ werden Asyldokumente und Pässe aus den USA, Australien, Großbritannien, Deutschland und Frankreich zum Kauf mittels Bitcoin angeboten. Hilfe beim Ausfüllen der Dokumente, Erstellen von biometrischen Fotos und unzählige andere Fluchthilfeprodukte werden als Servicedienstleistung von sogenannten ‚Agents‘ vor Ort im Heimatland ausgeführt und sind oftmals optional buchbar. Ein Bewertungs- und Rezensionssystem stellt sicher, dass die Dokumente bei den Käuferinnen und Käufern ankommen, echt sind und funktionieren. Die Informationen zu diesen versteckten Darknet Webseiten und die URLs werden auf Clearnet Plattformen wie Reddit.com oder Pastebin.com tagesaktuell getauscht und über Messengerdienste wie Whatsapp verbreitet. Schleuser werben auf Facebook mit teilweise unmöglichen Versprechungen, damit bei ihnen eine Schleusung gebucht wird. Wer in einem Flüchtlingslager, z. B. in der Türkei, in Griechenland oder Slowenien, von diesen Versprechungen liest, kann sie nicht ohne weiteres einschätzen oder überprüfen. Eine türkische Schleuserorganisation bietet beispielsweise die Route von Syrien nach Deutschland für 8.000 bis 9.000 Euro an. Die Kosten für einen deutschen Führerschein liegen aktuell bei 700 Euro, für einen deutschen Personalausweis mit Reisepass bei 3.500 Euro, mit digitalem Registereintrag in einer deutschen Behörde bei bis zu 5.000 Euro. Eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende (BüMA) kostet 1.500 Euro3. Da sich der Erwerb der genannten Dienstleistungen und Papiere nicht auf legalem Weg organisieren lässt, ist die Anonymität beim Tätigen der Geschäfte von hoher Bedeutung. Mittels eines kostenfreien Tor-Browsers ist es den f lüchtenden Menschen möglich, per Mobiltelefon ortsunabhängig Kontakt zu den genannten Darknet-Plattformen herzustellen. Anleitungen, wie der Tor-Browser sicher mobil genutzt werden sollte, sind auf entsprechenden Webseiten im Clearweb oder auch auf Youtube4 zu finden. Da die meisten Flüchtlinge ein Smartphone besitzen, können sie sich per GPS orientieren und die nächsten Etappen ihrer Flucht planen. 2 Darknet Plattform FakeMarket: http://zlal32teyptf4tvi.onion vom 20.01.2019. 3 UnderMarket: http://z57whuq7jaqgmh6d.onion/ vom 20.11.2018. 4 https://www.youtube.com/watch?v=YEledfpwQdA vom 28.01.2019.
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Anonyme virtuelle Kommunikation. Basis realer Vertrauensverhältnisse „Ein Teil des Lebens in einer freien Gesellschaft besteht darin, zu akzeptieren, […] dass nichts die freie Meinungsäußerung mehr behindert, als Angst zu haben, gestört oder beleidigt zu werden.“ (Bartlett 2015: S. 44) Wenn freie Meinungsäußerung als Grundrecht gefährdet ist, und die Möglichkeiten vertraulicher Kommunikation in Verhältnissen struktureller Gewalt nicht gegeben sind, muss ein Austausch mit Personen, denen man vertraut oder die man ins Vertrauen ziehen möchte, anonym erfolgen. Im Darknet bestehen dazu verschiedene Möglichkeiten: Facebook kooperiert z. B. inzwischen aktiv mit dem Tor-Netzwerk. Diese Kooperation hat bewirkt, dass die Domain „.Onion“ als Spezialdomain eingetragen wurde. Ebenso nutzen immer mehr Facebook-Mitglieder diese Möglichkeit, um der ansonsten allumfassenden Überwachung im Netz zu entgehen. Dadurch ist es Menschen, die auf der Flucht sind, möglich, über eine anonyme Darknet- adresse auf Facebook zu gelangen und nicht nachverfolgbar zu kommunizieren. Das Smartphone ist somit meist der wertvollste Besitz, denn es ist das einzige Medium, um Unterstützung von der Familie zu Hause zu erhalten oder mit Familienmitgliedern in Kontakt zu bleiben, die auf der Flucht an unterschiedlichen Orten verblieben sind. Der Aspekt der Vernetzung mit anderen Gef lüchteten, die ähnlichen Problemlagen gegenüberstehen, spielt ebenfalls eine Rolle. Menschenrechtsverletzungen, die im Kontext der Flucht erfahren wurden, können dokumentiert und ggf. geteilt werden, sodass sich Hilfsnetzwerke auf bauen können. Im Clearweb bekannte Solidargemeinschaften von und mit Gef lüchteten sind z. B. „The Voice Refugee Forum Germany“5 oder die Aktion „Freiheit statt Angst“6, die auch im Darknet sehr aktiv ist. In diesem Zusammenhang werden im Folgenden reale und virtuelle Praxen rassistischer und sexualisierter Gewalt aufgezeigt, die (nicht nur) syrische Frauen betreffen und den Handlungsbedarf einer menschenrechtsorientierten Sozialen Arbeit verdeutlichen.
5 http://www.thevoiceforum.org/taxonomy/term/7 vom 26.01.2019. 6 Darknet: nnksciarbrfsg3ud.onion Clearweb: https://freiheitstattangst.de/ vom 30.01.2019.
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Virtuelle (und reale) rassistische Gewalt In Darknet-Foren wie „Deutschland 2.0“ oder „White Europe“ werden Abneigungen gegenüber Flüchtlingen ungebremst kundgetan und nicht selten wird zu Übergriffen aufgerufen, z. B. „…Ach tu nicht so. Das ist doch keine kulturelle Bereicherung für Neudeutschland… schützt Eure Frauen und Kinder…“7. Auch auf den konventionellen Social-Media-Plattformen wie Facebook und Twitter werden solche Dynamiken wahrgenommen, aufgrund der rechtlichen Bestimmungen jedoch von speziellen „No Hate Speech Teams“ (vgl. Council of Europe 20188) bestmöglich gelöscht und somit der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht. Dennoch ist Hate Speech auch im Clearweb derart präsent, dass sich inzwischen deutschsprachige Gegenbewegungen formiert haben. So positioniert sich z. B. das Netzwerk „Organisierte Liebe“9 v.a. mittels Blogs, Twitter und Videobeiträgen gegen rechtspopulistische, sexistische und rassistische Inhalte im Netz. Hier wird davon ausgegangen, dass „‚das Internet […] lediglich ein Spiegel unserer Gesellschaft [ist]. Es ist so hasserfüllt oder freundlich, wie wir es sind.‘ – Kübra Gümüşay. […] ‚Erst wenn du digitalen Hass selbst erlebst, verstehst du, wie sehr er dich im analogen Leben berührt‘ – Juliane Löff ler.“
Sexualisierte Gewalt in unsicheren Räumen Zusätzlich zu der diskursiven Gewalt im Netz erleben syrische Frauen vor, während und nach ihrer Flucht nach Deutschland strukturelle (sexualisierte) Gewalt (vgl. Sauer & Teubert 2017). In Syrien wurde sexualisierte Kriegsgewalt insbesondere gegen Frauen und Mädchen systematisch eingesetzt. Sich danach sozial wieder zu integrieren, wurde ihnen durch weitere potenziell traumatische Ereignisse erschwert: „Die Tabuisierung sexualisierter Gewalt, einhergehend mit der Stigmatisierung und sozialen Ächtung der Überlebenden stellt ein großes Hindernis 7 Deutschland 2.0 (Darknet-Seite vom BKA geschlossen) vom 03.04.2016. 8 https://www.coe.int/en/web/no-hate-campaign/campaign-examples und https://no-hate- speech.de/de/ vom 26.01.2019. 9 http://organisierteliebe.de/ vom 26.01.2019.
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auf dem Weg zu Gerechtigkeit und angemessener Unterstützung dar. Dazu gehört auch die unzureichende Dokumentation von sexualisierter Kriegsgewalt.“ (ebd.: 9). Dies ist auch für auf der Flucht erfahrene direkte Gewalt zutreffend, die z. B. durch sexuelle Übergriffe von Schleusern, Security Personal, anderen Gef lüchteten oder Angehörigen ausgeübt wird. Dadurch, dass – auch in Deutschland – institutionelle Gewalt die realen Lebensräume der Frauen bestimmt, sind ihnen Zugänge zu Handlungsstrategien, um aus diesen Gewaltverhältnissen auszubrechen, erschwert, z. B. durch die in Aufnahmeeinrichtungen für Gef lüchtete bestehenden Auflagen und Abhängigkeitsverhältnisse (vgl. Initiative Hochschullehrender zu Sozialer Arbeit in Gemeinschaftsunterkünften 2016). Insgesamt kann festgehalten werden, dass in unsicheren realen und virtuellen Lebensräumen Risiken für Gewalterfahrungen steigen. Sichere virtuelle Räume, in denen gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung gezeigt werden können, sind über das Darknet erreichbar. Darüber hinaus besteht jedoch ein dringender Bedarf an niedrigschwelligen, vertrauenswürdigen Angeboten, die mobil und anonym zugänglich sind, sowohl virtuell als auch physisch. Hier ist eine erweiterte sozialraumorientierte Soziale Arbeit gefragt.
Aufgaben für eine (Digitale) Soziale Arbeit Für die Soziale Arbeit besteht die Notwendigkeit einer Erweiterung ihrer bislang fast ausschließlichen fallbezogenen Unterstützung physisch anwesender Personen. „Die Erschließung und Koordination von Ressourcen im geografischen Sozialraum sowie die fallunabhängige Verbesserung der sozialen Infrastruktur gehören zu den analogen Handlungsmodellen. Hinzu treten die virtuellen Sozialräume, in denen die Klientin beziehungsweise der Klient interagiert und Unterstützung zur virtuellen, aber auch physischen Alltagsbewältigung sucht. Der Begriff des Sozialraums erweitert sich in konzentrischen Bewegungen von der Person über den geografischen, virtuellen zum erweiterten Sozialraum. Soziale Arbeit steht vor der Aufgabe, die Unterstützung in allen
Real und virtuell auf der Flucht
Lebenswelten personal-interaktiv und technologiebasiert zu ermöglichen, so dass neben der professionell-personalen auch die professionell-maschinelle Interaktion Teil des Professionsverständnisses und der Theoriekonzepte werden muss“. (Geyer 2018: 461). Gemäß der Global Definition of Social Work des DBSH (2014) muss Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession an den gesellschaftlichen Strukturen ansetzen, um sozialer Ungleichheit grundsätzlich entgegenzuwirken. Dies erfordert im Kontext der globalen Migrationsgesellschaft10 passgenaue (digitale) Angebote für Gef lüchtete, die von verschiedenen Exklusionsmechanismen betroffen sind, wie am Beispiel gef lüchteter syrischer Frauen gezeigt11, idealerweise in Zusammenarbeit mit Akteurinnen und Akteuren solidarischer Netzwerke als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren einer Empowerment-Bewegung, die einen wichtigen Kontrapunkt zu den ebenfalls v. a. im Darknet verbreiteten rassistischen Tendenzen in Aufnahmeländern bildet. Daneben bedarf es (non-) und (in-)formeller Bildungsangebote zu globalen, europäischen, deutschen und lokalen Diskriminierungsverhältnissen und der Involviertheit in Strukturen globaler Ungleichheit und Gewalt. Dabei geht es um eine Stärkung des Bewusstseins für globale Solidarität in von Pluralität und Differenz geprägten Bedingungen, um dem in Europa erneut zunehmenden Zuspruch rassistisch-identitärer Positionen nicht hilflos gegenüberzustehen (vgl. http://www.aufruf-fuer-solidarische-bildung.de/ nach: Messerschmidt 2018: 3).
Fachkompetenzen Digitaler Sozialer Arbeit Codes – Codierung – Positionierung Um passgenaue digitale Angebote der Sozialen Arbeit bereitzustellen, ist spezielles Wissen um die Kommunikationsformen im Darknet erforderlich. Die Besonderheit für Fachkräfte der Sozialen Arbeit im digitalen Kontakt ist die vollständige digitale Anonymisierung der Kommunikation mittels Tor-Browser sowie speziellen Chat- und Messenger-Programmen aus technischer Sicht. Ebenso müssen Codes zur Kommunikation erlernt werden, 10 Vgl. hierzu Blank et al. (2018). 11 Zur intersektionalen Verschränkung von Exklusionsrisiken vgl. z. B. Riegel (2016).
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die als Reputationsmerkmal angesehen werden. Nur mit den richtigen Verhaltensweisen und dem passenden Kommunikationsstil wird ‚Externen‘ im Darknet vertraut und so in den abgeschlossenen Bereich Eintritt gewährt. Bisher gibt es keine formale oder non-formale Fort-/Weiter- oder Ausbildung im Bereich der Sozialen Arbeit im Kontext Darknet, jedoch müsste für die Entwicklung von Qualifizierungsmöglichkeiten Folgendes in Betracht gezogen werden: Ein Transfer von im Clearweb bereits vorhandenen Unterstützungsangeboten muss den Aspekt der Vertraulichkeit des Darknets berücksichtigen. Ein Hilfsangebot könnte in Form einer Website gestaltet werden, die mit den Sicherheits- und Anonymitätsstandards einer Darknetseite arbeitet und im Clearweb und im Darknet ‚gleich aussieht‘. Um die Adressatinnen und Adressaten f lächendeckend zu erreichen, sollte sie barrierefrei durch Alternativen bzgl. Schrift, Sprache und Visualisierung (z. B. auch Gebärden) nutzbar sein. Es bedarf professioneller Umgangsformen mit der teilweise extremen Härte von Bildmaterial im Darknet, das psychisch und emotional überdurchschnittlich belastend ist, etwa in Form von kollegialer Fallberatung und Supervision. Auch ist über eine grundsätzliche professionsethische Positionierung einer menschenrechtsorientierten Sozialen Arbeit nachzudenken, wenn sie in dem weitgehend rechtsfreien Raum des Darknet agiert. Da dieser soziale Raum ein existenzieller Bestandteil der Lebenswelt potenzieller Nutzerinnen und Nutzer Sozialer Arbeit ist, muss dieser unbedingt erschlossen werden, um dessen Ressourcen bezüglich nachhaltiger Bewältigungsstrategien sozialer Problemlagen zu erfassen und zu erweitern.
Erweiterung Sozialer Arbeit um solidarische Netzwerke Die Zusammenarbeit mit Akteurinnen und Akteuren solidarischer Netzwerke und Organisationen wie Greenpeace, Amnesty International oder auch Wikileaks12 ist strategisch bedeutsam. Diese Organisationen betreiben sehr erfolgreich Webseiten im Darknet, um schützenswerte Informationen zu sichern und/oder zu verbreiten. Soziale Organisationen dürfen sich Konzepten virtueller sozialer Räume auf der Basis von bestehenden und erfolgreichen Projekten wie Greenpeace- oder Amnesty-International-Präsenzen im Darknet nicht verschließen. 12 Vgl. wlupld3ptjvsgwqw.onio vom 30.01.2019.
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Vielmehr sollten sie Synergieeffekte schaffen mit bestehenden Angeboten Sozialer Arbeit, die bereits physische und virtuelle Bereiche verbinden. Beispielhaft kann die Fachstelle für professionelle Antidiskriminierungsarbeit adis e.V. genannt werden. Sie vereint Förderprojekte zu Demokratiebildung, Antidiskriminierungsberatung und Empowerment auf regionaler und Landesebene mit Möglichkeiten der Praxisentwicklung in Form von Fort- und Weiterbildungen sowie Publikationen. Verfügbar sind – u. a. online zu vereinbarende – Einzelfallberatungen z. B. für Gef lüchtete und Drittstaatenangehörige, Räume des Empowerments, etwa im Jugendanti- diskriminierungsprojekt TALK, in dem sich Jugendliche durch Kunst mit Diskriminierungserfahrungen auseinandersetzen können, Möglichkeiten zur politischen Einmischung durch Veranstaltungen z. B. in Form eines Studium Generale sowie Öffentlichkeitsarbeit13. Letztere verbindet sich zum Teil auch mit weiteren Aktionsbündnissen, wie der „Aktion Seebrücke“, die sowohl im Clearweb als auch im Darknet mittels eines downloadbaren „Action Kits“ Materialien für politische Aktionen zur Verfügung stellt14. Durch solche Angebote kann Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft an verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen ansetzen und auf eine gemeinsame Verantwortung für die Lösung sozialer Ungleichheiten hinwirken.
Solidarische Bildungsangebote schaffen Es gilt, ein Bewusstsein für soziale Ungleichheit und deren alltägliche Reproduktion im Kontext sexueller und rassistischer Gewaltverhältnisse herzustellen. Der Einbezug privilegierter, meist ‚westlich‘ sozialisierter Personen des globalen Nordens ist dabei ebenso wichtig, wie der Einbezug des ‚indigenen Wissens‘ (vgl. DBSH 2014) von als ‚orientalisch‘ geanderten15 Personen des globalen Südens. Es geht um eine Schärfung der Wahrnehmung bestehender Differenzkonstruktionen und Diskriminierungsverhältnisse. Bildungsformate, die dies berücksichtigen, sollten daher insbesondere im Rahmen von Angeboten zur Demokratiebildung für Jugendliche entsprechend auf bereitet und konkret erfahrbar gestaltet sein, wie etwa die multimedial verfügbaren Materialien der Bundeszentrale für politische Bildung, 13 Vgl. https://adis-ev.de/ vom 30.01.2019. 14 Clearweb: https://seebruecke.org/ Darknet (über die Seite der Aktion „Freiheit statt Angst“): http://nnksciarbrfsg3ud.onion/events/2274-20180902.htm vom 31.01.2019. 15 Zum Konzept des Othering vgl. z. B. Riegel (2016).
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die sich der Frage stellt, wie inklusive politische Bildung aussehen sollte, wenn sie einerseits die ansprechen will, die bisher nicht erreicht wurden, und andererseits zu vermeiden versucht, „‚Zielgruppen‘ mit Etiketten wie ‚Behinderte‘, ‚Migranten‘, ‚Politikferne‘, ‚sozioökonomisch Benachteiligte‘ zu versehen und mit Spezialdidaktiken eine Bildung in einem geschlossenen, ausschließenden Raum zu entwickeln“16. Eine Vielfalt an Formaten (non-)formaler Bildung, die meist barrierefrei zugänglich sind, wird angeboten, darunter Erklärfilme, Arbeitsblätter, Unterrichtsentwürfe, Planspiele, Infografiken, Comics, Quiz17. Ein aktuelles Beispiel zum Thema Flucht ist die Webvideoserie „Refugee Eleven“18, in der persönliche Geschichten von Personen mit aktuellen und weiter zurückliegenden Fluchterfahrungen gezeigt werden. Die Videos sind zusätzlich in Gebärdensprache und per Audiobeschreibung verfügbar. Astrid Messerschmidt (2018) vermittelt eindringlich die Notwendigkeit solcher Möglichkeiten des Wissenserwerbs, die sie in direkte Verbindung zu geteilter gesellschaftlicher Verantwortung setzt. „Die Zumutung des Wissens ist durch die digitalen Informationstechnologien gewachsen. Die Behauptung, nichts gewusst zu haben, hat sich erledigt, sie funktioniert nicht mehr und bietet keine Legitimation mehr. Unschuld im Sinne eines Unberührtseins von den Weltproblemen ist keine mögliche Option mehr. Jede_r kann wissen, was im Bürgerkriegsland Syrien geschieht und wie gefährlich es ist, dorthin zurückzukehren […]. Die Abwehr von Wissen schützt vor Verantwortung. Heute zeigt sich die Kontinuität dieser Abwehr in dem Mangel an Wissensvermittlung und Bewusstseinsbildung zu den Ursachen der großen weltweiten Fluchtbewegungen, die in ganz erheblichem Maße mit politischer Gewalt und daraus resultierenden Verarmungsprozessen zusammenhängen. Alles das kann jede und jeder wissen, zumal die Medien, die dieses Wissen transportieren, für alle zugänglich sind“ (ebd.: 2). In diesem Zusammenhang ist ein Einbezug von Wissensbeständen aus dem Darknet und deren kritische Ref lexion im sozialarbeitswissenschaftlichen 16 h ttps://www.bpb.de/lernen/projekte/inklusiv-politisch-bilden/227219/politische- bildung-fuer-alle vom 29.01.2019. 17 https://www.bpb.de/lernen/formate/ vom 29.01.2019. 18 http://refugee11.de/ vom 29.01.2019.
Real und virtuell auf der Flucht
Fachdiskurs angezeigt. Es gilt, angemessene Strategien der Positionierung innerhalb der Diskurse im Darknet, Clearweb und in realen Kommunikationsformen zwischen Adressatinnen und Adressaten, Akteurinnen und Akteuren sowie Fachkräften zu erarbeiten. Für die Zukunft einer Sozialen Arbeit in sich erweiternden Handlungsfeldern ist eine solche professionsethisch begründete Positionierung unabdingbar, um mit einem menschenrechtsorientierten Selbstverständnis professionell agieren zu können.
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Empowerment through the Method of Digital Storytelling Viktória Mihalkó, Balazs Nagy, Dávid Bán
Introduction The authors of this article are members of the Anthropolis Anthropological Public Benefit Association (in Hungary), which intends to promote a global perspective within institutional education and social discourse by organizing media campaigns, awareness-raising festivals and the production of documentaries. The organization has been organizing workshops and projects employing digital storytelling (DST) over the last eight years for diverse target groups. They focused on people with special needs, migrants, and marginalized young people in order to promote the development of important competences1 such as: communication skills (active listening, timing, positivity, working in a group), writing skills (ability to express and interpret concepts, creative writing, writing in one’s mother tongue), creative skills, digital competences, learning to learn, social and civic competences, sense of initiative and entrepreneurship, cultural awareness and expression. In this paper, we first give a short introduction on the methodology of DST and its application in terms of empowerment in section two and three, before we present some of Anthropolis’ former projects as case studies in section four, where DST assisted in the empowerment of individuals and communities. There, the method played a critical role in deepening self-awareness, creative sharing of experiences, effective communication of emo1 E ight Key Competences. see Recommendation 2006/962/EC of the European Parliament. More information can be found at http://europa.eu/legislation_summaries/education_ training_youth/lifelong_learning/c11090_en.htm
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tions, and the evaluation or redefinition of relationships between individuals, families, communities and society in general.
About the Methodology of Digital Storytelling Storytelling has always been an integral part of human history; it structures language, it helps individuals to assign meaning to their reality, and it makes communication and exchange amongst humans possible. Hence, storytelling is a practice shared by all cultures and their traditions. Autobiographical storytelling, for instance, helps individuals to develop greater self-awareness as well as an understanding of their life experiences, thereby enabling an exchange between themselves and others. Digital stories are usually developed through a group learning process designed to support a range of skill levels and interests. Historically, digital storytelling has emphasized the first-person voice and its role as a purely personal artistic expression. However, the approach has also been used in various other contexts, such as education, community, health and social services, human rights, environment, and grassroots activism. The stories become a tool for empowering people and help them in finding a voice. DST can be applied both in formal and non-formal learning. It provides participants with an opportunity to work partly individually or in a group setting, where they can ref lect on specific experiences. This means that individuals can discuss whether these experiences were major moments of accomplishment, life-changing experiences, learning moments, or they can address injustices and socially constructed stigma. Through the method of DST, stories of individual experiences can be processed. The result of this process is a short film made for both the storyteller and the audience using the voice of the narrator, personal images, and other tools of multimedia (e.g. photographs, audio, music, sound effects and animations). What is more important than the result is the process of creation itself. The steps of the DST process include: • Introduction, Briefing Preparation for the workshop and introduction to digital storytelling through short films.
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• Icebreakers Short icebreaking games are adapted for each group and facilitate the introduction of participants and the creation of a friendly, relaxed atmosphere. • Storytelling Circle This playful phase helps to form a supportive and confidential circle with the participants where the inherent process and work of storytelling can take place. The aim of the storytelling circle is to help the participants to sketch or draft the story they want to tell. This story they can elaborate on later and then record it. • Script and Storyboard The storytellers write up the narrative of their own stories according to the previously given outlines and criteria. They can ask for assistance from the trainers of the workshop. Based on the story, they also prepare the script and storyboard of their film. • Voice and Image Recording The storyteller reads out his or her story, which will be recorded digitally. This constitutes the narrative basis of the film. At the same stage, the photographs and/or other images used in the film are arranged. • Technical Skills This stage gives a short, basic introduction to digital editing (of images and sound), and the participants can become familiar with the editing software. • Editing The participants edit their own digital story. They edit their voice and match the photographs, create subtitles and credits, transform pictures and frames if necessary and finish up their own project. • Sharing Both the presentation of their own films and watching the films of other group members is an important experience for all of the participants. The participants can evaluate and ref lect on their own experiences and ideas. The created short films are archived and may become accessible for the public, depending on the authors’ permission.
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DST and Empowerment DST provides an opportunity for individually tailored development through experimental learning. DST workshops provide a secure space and environment for the participants to learn and to make use of one method in order to critically ref lect on major past or present events of their lives and their relationships. Creating digital stories helps young individuals to understand how certain events of their past shaped them into the people they are now. Thus, the created films are also the tools of the learning process. Another important element of this method is to continuously motivate participants to ref lect on their own life within a wider social and historical context. This process can enhance the storyteller’s understanding of their own identity and build self-confidence. In this regard, DST is particularly useful for young participants in order to come to terms with their transition into adulthood, because during this period both individual and community related aspects of their identity undergo change. Another crucial part of DST is the sharing of the participants’ stories at the end of the workshops. Listening to the story of another person does inevitably create a connection between the individuals. They can see the effect of their own story on the other participants and they can also experience the effect of sharing their often very personal stories or future plans with others. Every little step of this process contributes to the development of the participant’s self-awareness and self-expression and bears the same importance during the process as the product itself. Apart from increasing the participants’ self-expression and creativity, DST can also improve skills which facilitate the growth of self-confidence, such as communication skills, story writing, working in a group, or learning new IT skills. Although developing these skills is not the focus of the DST process, practicing them can contribute to the personal growth of the participants. The method of DST can also be applied within the field of career counselling or talent management. While young participants are going through the process of storytelling, they can develop and/or discover hidden skills. For example, they cannot help but think about their life goals and long-term plans during this process. Consequently, this method can also give young people the opportunity to assess whether or not their imagined career choice
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is really suitable for them. This, in turn, can help them to feel in charge of their own future. Finally, DST, as a method, can be used to uncover larger topics within a global context. It can be utilized to introduce global challenges to young audiences, for example. As DST can assist the deeper elaboration of various topics while developing self-expression in individuals, it is an appropriate method to initiate processes of social change. The workshops give participants the opportunity to think about the world from different angles and to think about the future. Creating and sharing a personal story is not only an authentic learning experience, but also a process of community building. This explains why DST can be applied in order to raise awareness and educate young people about global challenges. It prompts them to look further than their immediate environment and express their own thoughts and feelings. In this case, DST can serve as both a platform of inspiration and action.
Case Studies of Past Projects The programs of Anthropolis, which are presented in this section, show that DST supports the participants’ growth of self-awareness, provides a new tool for self-expression, and enhances self-confidence through the acquisition of new skills. Through the revision of their personal past-present-future axis and by processing related personal stories, it assists young people in understanding the extent of knowledge they already possess as well as their future plans. Last but not least, DST can support the discovery of greater issues within a global context.
Empowerment of Refugees and Migrants while Adjusting to New Life Challenges – IntegrArt The IntegrArt project aimed to change the attitude of members from the majority society towards refugees and migrants in their host countries. The participants of the project assumed that art and various forms of artistic self-expression could create a new approach to re-think and re-evaluate the general opinion and treatment of refugees, might strengthen the identity of refugees and asylum seekers, and could assist the integration of migrants by empowe-
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ring them to present their own values. In this context, DST became a form of self-expression, which promoted the creation of long-lasting artistic value. Working together with Hungarian and international partners, Anthropolis aimed to reduce prejudice and fear of refugees and asylum seekers within a society by means of DST. All partner organizations of this project (NGOs from the UK, Germany, Italy, Turkey, and Hungary) shared the same experience about fear, which can be seen as the most typical European reaction of societies towards refugees. Most societies feared that accepting refugees into their country would result in less jobs and poorer working conditions. Marginalization and discrimination created a situation where refugees and asylum seekers had to face serious difficulties in the target countries. It was observed that several obstacles can hinder inclusion – from insufficient legal representation to difficulties in basic communication. (This project ran from 2012 to 2013. Since then, due to the repressive politics of the Hungarian state towards refugees and the resulting change in the legal environment, running a similar project with the aim of improving social inclusion and acceptance of refugees would be practically impossible in Hungary.) The project activities implementing the DST method were designed for two separate groups for practical reasons: those storytellers who had not yet gained a refugee status could only leave their designated refugee camp near Budapest in special cases. This group had to be visited by the trainers of Anthropolis, who organized and adapted the steps of the process to these special circumstances. (This camp has since been closed due to the change of political climate described above.) The groups also varied in terms of their significantly different life situation, physical environment, legal status, and the resulting mental state of its members. The storytellers of the two groups also had differing relationships with their social environment, since they had different experiences with the various (formal and informal) representatives of their host country, and thus had different motivation for participating in the process. The design of the DST process and its steps had to consider these differences. The storytellers of the first group had a clear legal status and their mental status was not inf luenced by formal threat during their stay in Hungary. They lived there voluntarily and could move around freely, their integration was underway, and they barely had any difficulties with communication. They had either left their countries of origin due to financial reasons or for
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an adventure, and they were not traumatized at all, or only slightly by the separation. These circumstances resulted in an essentially different self-image compared to those in the second group. The members of the second group were limited in their movement, waiting for the evaluation of their refugee status, not yet in the stage of integration, and also suffered from unprocessed, recently acquired and deeply traumatizing experiences. These differences fundamentally affected the relationship between trainers and storytellers in terms of the participants’ attitude towards their trainers, posing a new challenge for the latter. While working with the first group did not require greater adaptation from the trainers than usual in a DST workshop, accommodating the second group required more attention and preparation. Working with refugees and asylum-seekers was a new experience for the team of Anthropolis. The trainers had to redesign the training methods they had been using so far in order to enter a newly discovered field of this method. The method can only be successful if it is adjusted to the special needs of the participants, especially when working with a vulnerable and sensitive group such as refugees and asylum-seekers, who are facing marginalization, isolation and insecurity. The process of DST is designed to provide them with an opportunity to recall their memories and express their feelings in a secure and supportive environment. This is a time-consuming process, but time, especially in the preparatory phase, is crucial in these cases. These preparations have to be made with the assistance of experienced and culturally aware social workers with expertise in this particular field, who already have personal connections with the participants. In this project, not the lack of IT skills constituted the major problem, but the language barriers. If storytelling is done in an intermediary language, the facilitator has to play a more active and intervening role, which might result in a digital story not only assisted but dominated by the concept of the facilitator. Working with refugees also requires a high level of f lexibility from the trainers. Participants in a refugee camp may form the most diverse group in a linguistic, social, and cultural context for the trainers. Also, the motivation of the participants to tell their personal stories was special; initially, they were not motivated by telling and sharing their stories digitally, but simply wished to break the monotony of everyday life in the camp. Furthermore, the participant’s perception of the trainer may deviate from what is usually the case. The vulnerable storyteller, who is unfamiliar
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with the local socio-cultural patterns and therefore orientates themselves with difficulty within the local social relationships he or she depends on, may see the DST trainer as a possible helper. Attributing the role of the helper to the trainer may raise false expectations in them, which may later lead to disappointment or hostile feelings towards the trainer, who is also a member of the majority society. For this very reason, it is particularly important to clarify expectations, aims, and expected results of this process between the participants (storytellers, trainers, and assistants). Due to the circumstances of this project, the relationship between the trainers and the participants was closer, more intimate, and even more fragile than in a usual DST training. The actual physical circumstances always affect the process of the DST training. The closed camp is a particular environment, where only the trainer is free to leave the camp at any time he or she wants to. The trainer has to keep in mind that he or she belongs to the majority society, which the refugees might have had bad experiences with. DST is a great way to empower refugees, so it can be really effective as part of a structured social work system of organizations helping refugees. DST trainers are responsible for protecting the interests of the storytellers (participants) in all cases, but in the case of asylum-seekers this responsibility is even more serious. This may involve revising the storyteller’s decision about the publication of their story if the trainer considers full public access to be harmful for the storyteller or to pose a danger for them that they may not be aware of due to their lack of cultural or legal background knowledge.
Empowerment of Romani Youth Facing Social Exclusion – Towards Peace The Towards Peace project used intercultural and international dialogue as the principal method to address topics such as the destructive impact of regional, national, and international wars as well as the emergence of current conf licts due to racism, extremism, and discrimination. The discourse was initiated by evoking shared memories rooted in the past – the memory of wars and the value of peace. The project brought together eight partners in order to ref lect upon the various aspects of war and conf lict which European countries experienced over the last hundred years. In doing so, the project aimed to move the com-
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mon consciousness “towards” a more united Europe and shared European identity. Anthropolis joined the Towards Peace project together with the Monogram Foundation from Hungary to deepen the understanding of methodologies used for conf lict resolution in different social and geographical environments. The expectation of these organizations was to enrich experiences during the implementation of meetings, workshops, and training programs which combined artistic, pedagogical, and digital work with perspectives on different pathways of peace education. The Hungarian partners used DST as a core method. DST workshops were held twice in Besence, Baranya County of Hungary. The county lies in southern Hungary on the border of Croatia. Its capital is one of the five largest cities in Hungary, although more than two thirds of the municipalities are small villages with a population of under 500. The villages have a traditionally high proportion of Roma people, who have been deprived of marketable education or access to decent work. Only a few people from the village of Besence have had the opportunity to travel even within the county borders. Travelling to the schools located in larger municipalities is arranged for the children by the village municipality. First, in the summer of 2014, local Roma youth, adult learners from the partner countries of Lithuania and Northern Ireland, as well as students from the Faculty of Music and Visual Arts of the University of Pécs worked together in order to create films under the guidance of Anthropolis. In line with the topic of the project, the theme of the workshop was “Me as a minority”. The opportunity to hold a second workshop with children aged seven to twelve came in the summer of 2015. The theme of the second DST workshop was “Peace”. We chose Besence as the location of the sessions, because we wanted to think together with the local Roma community about the concepts of “conf lict” and “peace” as well as their context in contemporary Hungary. It was essential that DST balanced the learning experience by helping the participants with empowerment, discovering their strengths, and encouraging them to open up to listen and accept the stories of others. The learning process provoked emotions, but at the same time helped the participants to cope with various feelings as well as to develop sensitivity and awareness when dealing with the emotions of other participants. DST was originally meant to be applied to tell personal, individual stories. However, in this case it was important that people worked in groups.
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Therefore, in the second part of the storytelling circle, everyone (local Roma youth and foreign participants) shared a true and personal story which was connected with the given topic: “Me as a minority”. Most of the time, storytellers give their own voices to the story, but there are certain cases when the storyteller asks another person to record the story for them (because he or she is not comfortable in doing so) or the trainer suggests it because of safety reasons. In a group setting, it is also possible for more than one person or even all of the group members to be involved in the voice recording by sharing the text. Some DST films are too personal to be presented to a wider audience, but the rest (which accounts for the majority) should be made available for people to see. The method helped to develop individual and collective skills of the participants through the abovementioned process. These skills included the use of various technologies, communicational strategies, coping strategies, and creative skills. The collaboration between the various groups of the Towards Peace project was inspiring for all participants and was beneficial for the outcome of the creative work. Although it was difficult to recruit the young participants (due to low interest, reluctant parents, and other programs during the summer holidays), it was surprisingly easy to keep them engaged in the learning process. According to their testimonies, having visitors from the capital city and from foreign countries, who came with the intention of teaming up with them, meant a lot to them. They enjoyed the playful elements of the program, such as the icebreakers or the creation of cartoons or clay-animated segments for illustrating their stories. Despite the age difference, they felt to be treated equally by their partners and that their opinion mattered. Consequently, they believed that they would be able to present the films they had created to their families and friends with pride. By the end of the program, the young local participants were considerably more open minded and more interested in the “strangers” who arrived at the village. Moreover, using the “common language” became important to them. They also shared a lot of their experiences with local peers and many have since visited the location of the program. They also shared their films among friends and enjoyed positive feedback. All of this contributed to strengthen their self-esteem and their relationships with local friends. They also developed new relationships with the partici-
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pants from the partnering countries, which they were able to maintain online after the project had ended.
Empowerment of Young Adults Towards Sustainable Development Goals – YIPPEE The Youth in Progress and Partnership for Equality and Exchange (YIPPEE) – an ongoing project – aims to explore opportunities for access to personalized training services for youngsters, thereby decreasing the level of inequality among young people. Anthropolis, as coordinator, and its partners from Benin, Italy, UK and Romania use the digital storytelling method to develop greater self-awareness and related skills, to promote active participation in social and cultural life, and to increase employability among youth with disadvantaged backgrounds. The project consists of four components: a “train the trainers” DST workshop for 15 youth workers, a youth exchange program for 20 young people from the partner countries, a capacity building activity for 20 young Beninese, and follow-up activities on national levels. In the final stage, each country’s group has to design and enact local actions to promote the UN Sustainable Development Goals (SDGs) and communicate with each other on social media in order to share their efforts and offer mutual support. This phase of the project builds on the lessons of the DST workshops and turns them into action. The capacity building activity was designed to share the methodology of DST with youth helpers and other professionals who can use the method in their everyday work, particularly with vulnerable young people. The youth workers and experts of the DST methodology training can choose a life event of their own life which they might like address during the seven-day training. The participants also learn about the UN SDGs which they can promote during their own work within the youth groups they encounter during their work. One of these dissemination events was organized in a children’s home in Hungary, where one of the participants held a workshop for vulnerable young people introducing them to the world of storytelling and sharing community and individual experiences. The participation of the children’s carers ensured the possibility of a long-term cooperation. The young participants were very enthusiastic during the half-day workshop. In three groups they
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worked on topics chosen by the participants themselves: “friendship”, “summer experience”, and “misunderstanding”. Because several young people among the participants were living with conduct disorders or an attention deficit disorder, the workshop was tailored to their individual needs (e.g. a longer introduction phase or more frequent breaks). After creating the storyboard in small groups, the illustrations were also created in teams using various techniques (drawings, clay, Lego, etc.). After the recording of audio narratives and the digitization of images, the youth workers, the trainers, and the young participants agreed to screen the films (completed by the trainers) at a meeting a few weeks later, where the process of the filmmaking would also be discussed. The trained youth workers could further enhance their experience with the DST method during the “youth exchange” initiative in Romania, where one youth worker and five young people (at least two of them disadvantaged) from each of the partner countries participated. The concept of this program was designed around the deeper understanding of the UN SDGs and the elaboration and later dissemination of six goals chosen by the partners in relation to education, career orientation, and employment. None of the selected Hungarian participants participated in a European project before the youth exchange initiative, and they had little or no opportunity to travel beforehand. For this reason, many of them found making contact with other participants during the first couple of days difficult, because they had inhibitions about their language proficiency. Overall, the youth exchange program facilitated thinking, planning, and solving problems together in teams by creating an intercultural environment. Both the youth worker and the five young participants gave very positive feedback on the methodology of DST. The youth worker found inspiration to combine elements of drama pedagogy with storytelling in order to create a more personal, awareness raising workshop. This may also affect the participants’ emotions within the framework of alternative theater programs, where young participants ref lect on their own life through working on social problems and phenomena by using SDGs to interpret social problems. The young participants from the children’s home wanted to use the method in order to share their experiences during the youth exchange program with their peers. Also, they wanted to invite them to think together about the topics of social inequality and injustice, which they considered particularly relevant to their own life. This was realized during a dissemination event which took
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place in a childcare home in western Hungary; carers and young people between the ages of 16 and 25 participated in the event. Two of them shared their intercultural experiences about cooperating with the other participants, the advantages of European cooperation, the difficulties they faced and how they were able to overcome them, and finally why they would recommend that the others also participated in similar programs. Then they watched the films created during the youth exchange program and held a discussion about the SDGs which were previously unknown to their young audience. The films triggered a very vivid debate about social problems present in every corner of the world, such as poverty, and what the individual can do to fight poverty and assist those in need. The participants of the screening and debate came to the conclusion that even if one is in a difficult situation, they can still find ways to help others in need. The report of the two young people involved in the planning of the program was very inspiring. The young adults participating in the dissemination event later engaged in a discussion about the importance of speaking foreign languages, because this allows the individuals to participate in similar programs, exchange experiences about studying, working, or building social relationships. The intimate and personal nature of the DST process allowed the participants to ref lect and express the complex synthesis of emotion and thought, particularly in relation to identity, perspective, and experience. In the context of SDGs, DST allowed young people to express their personal beliefs and ideas on what a specific SDG means to them and how they think this goal could be achieved.
Empowerment of People with Disabilities – DeTales The first DST project was a major challenge for Anthropolis. It was realized within the framework of the project DeTales – Digital Education Through Adult Learners EU-Enlargement Stories. During this international program, the members learned about the DST methodology, gained first-hand experience and later developed pilot workshops and the Hungarian language handbook presenting the methodology. Later published methodological guides could be based more on the experience of completed workshops and could give more advice on how to manage various groups of participants and challenges.
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However, these were not yet available at the time of the DeTales project; therefore, all three pilot workshops within the project required different levels of expertise. The group of participants had to be selected according to the criteria of the international project: the area of culture and education had to be reached to provide multiplicator trainings, and another workshop had to be arranged for a very well-defined group of end users. The work with this group posed a considerable professional and emotional challenge for the trainers. The members of the target group had to be disadvantaged people living outside of the capital city, lacking both education and motivation, with a low level of not only digital but general literacy. The chosen group of participants were members of the Club for the Hard of Hearing from a small town of 6000 citizens called Solt, approximately 100 kilometers away from Budapest. The sessions of the DST workshop were scheduled as regular club events during the time frame of two months, but the sessions had to be adapted to the special needs of the participants. Due to the hearing difficulties of the group members, the sessions could not be too long or intensive, which means that the work progressed much slower than originally planned. At the first meeting, where we introduced the key concepts and aims of the DST methodology, we could not yet present successful Hungarian projects and all the sample short films were from abroad. For this very reason, we assumed that we could not motivate the future participants. This had given us reason to worry since also, at the very first meeting, some of the participants declared that they neither had the time nor the will to talk about themselves or even the photographs. Later on, however, when the actual work began, they slowly became more invested in the process. The initial resistance slowly disappeared during the DST process and the participants became gradually involved in storytelling. During the regular meetings, the participants were browsing through the photos and managed to write up their stories with intensive assistance from the trainers through long conversations. Their lack of literacy skills posed a great challenge for the participants, but it also posed a dilemma for the trainers since they had to decide how much they could inf luence the writing, phrasing, or refining of the developing stories. The assisting trainer and the storyteller had to find a common basis and continue a discourse during their work together. This was the very reason why we had to involve more assistants in addition to the planned trainers for this project. The group consisted of eight members and each of them required intensive assistance, but
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we also had to keep the amount of help to the absolute minimum in order to respect the participants’ ideas and generated stories. Instead of developing the stories individually, sometimes the trainers had to apply structured interviews (Lambert 2009:23). As the digital literacy level of the group was relatively low and they were also lacking technical resources, the trainers had to play a more active role in the editing of the films than compared to the “traditional” DST workshops. The films created during the many weeks of regular meetings dealt with truly personal and introspective stories or conf licts. The screening of the films was a major event in the life of the club. The participants considered this occasion a festival and made preparations for it. The presentation also proved that finding, expressing, and shaping the stories is a process that can have a therapeutic effect on the participants. It was also proven that this process can only be successful if the participants invest intensive work and thinking by dealing with the arising difficulties of emotional processing and learning. As became clear on the basis of the numerous following workshops arranged by Anthropolis, successful DST workshops require the right amount of time, since the processes cannot be expedited. Consequently, the necessary amount of assistance has to be provided continuously. This certainly makes the application of DST workshops within the framework of formal educational settings or even within the private sector very difficult at times; in order to make the workshops successful, however, the shortening of the time frame has to be considered very carefully. The major takeaway of the workshop in Solt was that DST can stimulate people with a low or medium level of motivation, and the results of the intensively invested work can lead to emotional experiences for the participants. During the process of several weeks, there were no dropouts and the participants became more open towards the group or even made previously postponed or secretly planned major life decisions due to the effect of their experiences. As the follow-up of the group showed, the DST workshop – similarly to art therapy sessions – could raise the participants’ level of self-confidence, self-evaluation, and self-autonomy while developing their ability of self-empathy (Szemán 2015:14).
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Viktória Mihalkó, Balazs Nagy, Dávid Bán
Summary There are several methods of DST used in multiple ways around the world. There is easy-to-use software such as mobile phone applications to assist us in making our own short films. Over the last eight years, Anthropolis assisted in the creation of several hundred digital stories. However, during each workshop we had to realize that despite the easily accessible technical solutions, the most difficult part of creation is finding and phrasing one’s personal story. The methodology developed by Joe Lambert gives a strict framework to storytelling, in which brevity and being personal is essential. In many cases we found that these criteria make the process more difficult, even for those otherwise experienced in storytelling. At the same time, however, these are the keys to create something more than a simple short film, namely a personal confession or self-portrayal. As already mentioned, DST is not a therapy per se, but it does have certain therapeutic effects; it may tear open old wounds, reveal untold stories, and it can become a part of the grieving process. Although the DST workshops alone – particularly those without the presence of a trained therapist – are not appropriate for therapeutic purposes, they may have a therapeutic effect or may be a part of a therapeutic process. However, we found that during each workshop, if the participants are willing to invest energy and go through the process of DST with a deep and open emotional involvement, the results may empower them, both as individuals and as a group. It was obvious in all cases that the process, meaning attendance as well as individual struggles while developing the story and also being able to brief ly recall it, is the crucial part, not necessarily the films themselves. Creating a focused and dramaturgically well-arced personal story can be a challenge both for highly qualified storytellers as well as those with disadvantages in education, self-expression or social integration. Drawing from our experiences, we believe that if energy and honesty are invested when participating in the workshops, this will definitely support the empowerment of the participants. This empowerment can be experienced during the screening phase of the workshop or even later when the films are shown to or commented on by third parties. However, it is important to note that the rights to the films do belong to the makers, and only they can decide about their publication. The selected films created during the workshops of the Anthropolis Association – with the permission of publication by the
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makers – are accessible on the websites www.storycenter.hu and www.storycenter.info.
References Chikamso, Apeh (2017): Empowering Youth Participation in Governance Through Digital Space, 31.10.2017. Lambert, Joe (2009): Digital Storytelling: Capturing lives, creating community, Berkeley, California: Digital Diner Press. Szemán Dénes (2015): A digitális történetmesélés (DST) alkalmazási lehetőségei a modernkori rabszolgaság következtében traumatizált emberekkel folytatott segítői munka keretein belül, Budapest: Anthropolis Egyesület.
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Fremdes und fremdes Eigenes im Film Migration – Medien – Minderheiten Peter Holzwarth „Die meisten unter uns sind in ihrer kulturellen Formation durch mehrere Herkünfte und Verbindungen bestimmt. Wir sind kulturelle Mischlinge. Die kulturelle Identität der heutigen Individuen ist eine Patchwork-Identität.“ (Welsch 2012: 30) „Glück macht keine guten Geschichten.“ (Stamm: 2015: 68) „Du erzählst deine Geschichte und lässt damit den anderen seine Geschichte entdecken. Wir brauchen die Geschichten der anderen, um unsere eigene Geschichte hören zu können. Wenn wir denn hinhören wollen.“ (Fraefel 2018) Migration, Flucht und Minderheiten sind häufige Themen in Spielfilmen. Möglicherweise auch deshalb, weil sich das Verlassen des eigenen Landes und der Neubeginn in der Fremde spannend erzählen lassen. Die Art und Weise der medialen Darstellung ist immer von ökonomischen und narrativen Selektions- und Konstruktionsmustern gerahmt. Geschichten brauchen für die Entwicklung von Spannung und Dramatik eine Hauptperson mit einem Problem. Der Narrationsexperte Mark Savickas betonte diesen Aspekt
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im Rahmen eines Interviews: „If everything goes right you have no story.”1 Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass Migration und Minderheitenstatus immer als Problemgeschichte erzählt werden müssen. Die filmische Repräsentation von Migrationsphänomenen enthält riskante Chancen: Einerseits besteht die Möglichkeit, ein differenziertes Bild zu zeichnen und Prozesse verstehbar zu machen, andererseits auch die Gefahr, Minderheiten bzw. Menschen mit Migrationshintergrund stereotyp darzustellen und sie auf das Merkmal der Fremdheit und Andersartigkeit zu reduzieren. Mediale Darstellungen haben auch deshalb eine zentrale gesellschaftliche Bedeutung, weil viele Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft über keinen oder nur wenig direkten Kontakt zu Minderheiten und Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrung verfügen (vgl. Bonfadelli 2007: 15). Dadurch spielen äußere mediale Bilder bei der Konstruktion von inneren Vorstellungen und Konzepten eine wichtige Rolle. Filmschaffende tragen eine sehr hohe gesellschaftliche Verantwortung. Anhand von drei filmischen Fallbeispielen werden verschiedene Aspekte von Chancen und Risiken der medialen Repräsentation dargestellt.2
„Aufbruch ins Ungewisse“: Identifikationspotenziale durch Verfremdung Der Spielfilm „Auf bruch ins Ungewisse“ (Kai Wessel, Deutschland 2018) erzählt die Fluchtgeschichte einer deutschen Familie von der Bundesrepublik über Namibia nach Südafrika. In einer nicht allzu fernen Zukunft haben rechte Regimes in Europa die Macht übernommen. Ein kritischer Anwalt, der staatliche Verfolgung fürchten muss, beschließt, zusammen mit seiner Frau Sarah, seiner Tochter Nora und seinem Sohn Niki zu f liehen. Südafrika gilt als das einzige Land, das noch europäische Flüchtlinge aufnimmt. Die Familie erlebt genau das, was derzeit vielen Gef lüchteten aus Afrika oder Asien passiert: Kentern in einem überfüllten Schlauchboot, Verlust von Familienangehörigen – möglicherweise durch Ertrinken, Warten in prekären Verhältnissen in einem Flüchtlingscamp, drohende Abschiebung ins 1 Mark Savickas im Interview mit Marc Schreiber: https://youtu.be/CTmGsSSKxcc (1.2.2019) 2 D er Beitrag basiert auf zwei Fallbeispielen aus Holzwarth 2018a. Er wurde überarbeitetet und erweitert.
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Ursprungsland, Entzweiung der Familie durch erhöhten Stress und Hoffnungslosigkeit. Der Film zeigt Bilder, die uns aus den Nachrichten bekannt sind: Leichen am Strand, Helferinnen und Helfer, die erschöpfte Gef lüchtete in Empfang nehmen, betreuen und registrieren. Anders ist jedoch die Verteilung der Rollen: Weiße Leichen liegen am Strand, weiße Gef lüchtete werden von schwarzen Helfern in Obhut genommen. Beamte, die die Fluchtgeschichten kritisch rekonstruieren und über Bleiberecht oder Abschiebung entscheiden, haben eine schwarze Hautfarbe. Der Film hat das Potenzial, mit der Umkehrung der bekannten Rollen eine erhöhte Identifikation und eine verstärkte Empathie bei den Zuschauern zu entwickeln. Zuschauende könnten mit hoher emotionaler Beteiligung erfahren, wie es wäre, selbst in der Rolle von Flüchtenden zu sein bzw. zum Opfer eines politischen Systems ohne Demokratie und Menschenrechte zu werden. Die Frage, ob es dem Film gelingt, wird im Feuilleton unterschiedlich beantwortet. Im Spiegel war folgende Einschätzung zu lesen: „Der Trick mit dem Perspektivwechsel geht auf. Die historische, geografische oder kulturelle Distanz, die uns Fluchtgeschichten sonst so angenehm vom Leib hält, fehlt. Wir sitzen in einem Boot“ (Haeming 2018). Ein Journalist der Zeit kommt zu einer gegensätzlichen Einschätzung: „Indem die Filmemacher ihren Figuren das herkömmliche TV-Drama-Sprachkorsett verpassen, verniedlichen sie die Erfahrungen der realen Geflüchteten unserer Zeit. Gleichzeitig verhindern sie dadurch, dass man als Zuschauerin tatsächlich Empathie für die fiktive Geflüchtetenfamilie entwickelt“ (Martens 2018). Es ist davon auszugehen, dass verschiedene Zuschauerinnen und Zuschauer unterschiedliche Lesarten zu diesem Film entwickeln und dass bei der Rezeption je nach Kontext und Subjektivität unterschiedliche Grade von Identifikation erlebt werden (vgl. Holzwarth 2018b). Die Autoren der beiden genannten Zitate machen nicht deutlich, auf welcher Basis ihre Einschätzungen beruhen. Vom Film selbst und der persönlichen Rezeptionserfahrung des Autors allein lassen sie sich m. E. nicht ableiten. Eine seriöse
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Antwort würden empirische Zuschauerbefragungen liefern.3 Es ist jedoch zu beachten, dass Filmrezensionen im Feuilleton keine empirischen Studien sein können und sein wollen. Die Tatsache, dass rechte Gruppierungen in Deutschland versucht haben, die Kommunikation über den Film im Internet gezielt zu beeinf lussen, deutet darauf hin, dass in rechten Kreisen eine Angst bestand, der Film könnte Verständnis für Gef lüchtete wecken und ein negatives Bild in Bezug auf rechte Gruppierungen erzeugen (Gensing 2018). Mit einer ähnlichen Umkehrung der Verhältnisse spielt der Katastrophenfilm „The day after tomorrow“ (Roland Emerich, USA 2004). Die Bewohner der Erde erleben massive Klimaveränderungen. Eine extreme Abkühlung der Temperaturen macht die Menschen, die auf dem Territorium der USA leben zu Flüchtlingen. Nach einiger Zeit öffnet Mexiko die Grenzen und lässt Klimaf lüchtlinge in den wärmeren Süden einwandern. Der ehemalige Vizepräsident Becker hält eine Ansprache aus dem US-Konsulat in Mexiko: „For years, we operated under the belief that we could continue consuming our planet’s natural resources, without consequence. We were wrong. I was wrong. The fact that my first address to you comes from a consulate on foreign soil is a testament to our changed reality. Not only Americans, but people all around the globe have become guests in the nations we once called ‘the third world’. In our time of need they have taken us in and sheltered us, and I am deeply grateful for their hospitality.” Sowohl „Auf bruch ins Ungewisse“ als auch „The day after tomorrow“ weisen sehr aktuelle intertextuelle Bezüge zu politischen Themen auf: das Erstarken politisch rechter Kräfte in Europa, Erfolge von rechten Parteien wie AfD, politische Verfolgung von Andersdenkenden als Fluchtursache, Klimawandel als Fluchtursache, Abgrenzung der USA gegenüber der Einwanderung aus Mexiko und Lateinamerika, Trumps Wahlversprechen, eine Mauer zu Mexiko zu bauen.
3 I m Seminar „Medienbildung im Kontext von Flucht und Migration“ an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg (2018) war eine Gruppe von Studierenden davon überzeugt, dass die Strategie des Filmes bei ihnen starke Identifikation ermöglicht hat. 2019 wurde diese Erfahrung von einer weiteren Gruppe von Studierenden bestätigt.
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Noch ein drittes Filmbeispiel soll hinzugezogen werden: Der Migrationsfilm „Almanya – Willkommen in Deutschland“ arbeitet mit einer anderen Umkehrungs- bzw. Verfremdungsstrategie, um Identifikation mit den Protagonisten zu ermöglichen. Die Erfahrung des Nichtverstehens einer neuen Sprache wird den Zuschauenden filmisch dadurch erfahrbar gemacht, dass die Menschen in Deutschland eine Fantasiesprache sprechen und die Eingewanderten Deutsch. Zuschauer, die Deutsch verstehen, sind also in der gleichen Situation wie die neu angekommenen Einwanderer – sie können die Deutschen nicht verstehen. Es wäre interessant, die verschiedenen Strategien der Verfremdung in Filmen unter dem Aspekt der Identifikationspotenziale systematisch zu untersuchen.
„Almanya – Willkommen in Deutschland“: Mehrfachzugehörigkeit als narratives (Selbst-)Deutungsangebot Der Film „Almanya – Willkommen in Deutschland“ (Yasemin Şamdereli, Deutschland 2011) erzählt aus der Perspektive der Gegenwart die Migrationsgeschichte einer Familie. Es wird zum Thema gemacht, wie Identitätskonstruktionen im Kontext von Migration verhandelt wurden bzw. werden und inwieweit Mehrfachzugehörigkeit als Konzept eine Rolle spielt. Der 6-jährige Chenk hat eine Mutter aus Deutschland und einen Vater mit Wurzeln in der Türkei. In einer familiären Situation beim Essen ruft er seine Frage nach Zugehörigkeit in die Runde. Zuvor hat er im Sportunterricht beim Fußballspielen eine verunsichernde Erfahrung in Bezug auf kulturelle Fremdzuschreibungen gemacht. Chenk (6-jähriger Sohn): Was sind wir denn jetzt, Türken oder Deutsche? Mutter: Deutsche / Vater: Türken (beide sprechen gleichzeitig) [...] Canan (22-jährige Cousine von Chenk): Chenk, man kann auch beides sein. So wie du! Chenk: Nein, das geht nicht! Entweder die eine Mannschaft oder die andere! (00:12:23 bis 00:12:44) https://www.youtube.com/watch?v=2lyaGZhLGUU (27.12.2018)
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Chenks Cousine Canan bietet hier eine alternative Lösung zur Entweder-oder-Zuordnung an, die für Chenk im Widerspruch zu der bereits erwähnten Situation in der Schule steht. Mecheril (2003) hat das Konzept der Mehrfachzugehörigkeit geprägt: Menschen können mehrere Zugehörigkeitskontexte für sich beanspruchen und leben. Auch das Konzept Transnationalismus bzw. transnationale Migration geht von der Möglichkeit mehrerer kultureller Verortungen aus. Transmigrantinnen und Transmigranten „sprechen oft zwei Sprachen, fühlen sich mehreren Heimaten zugehörig, bewegen sich zwischen verschiedenen Kulturen und verfolgen oft politische, wirtschaftliche und kulturelle Interessen, die eine Präsenz in zwei oder mehreren Ländern bedingen“ (Lüthi 2005: 2). Es ist zu bedenken, dass bei Identifikationsprozessen immer zwei Ebenen miteinander verhandelt werden müssen: Als was sehe ich mich? bzw. Wie definiere ich mich? und Als was sehen mich die anderen? bzw. Wie definieren mich die anderen? (vgl. Holzwarth 2007). Je nachdem, wie die Machtverhältnisse gelagert sind, und je nachdem, welche Ressourcen und Kapitalsorten (Bourdieu 1982) zur Verfügung stehen, kommt es zu anderen Antworten. Die Frage nach dem Sowohl-als-auch und dem Entweder-oder hat nach wie vor eine hohe gesellschaftliche Relevanz – sowohl bei den Sendern von Selbstnarrationen als auch bei den Empfängern. Filme wie „Almanya – Willkommen in Deutschland“ können einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen mit Migrationshintergrund alternative Deutungsmuster für ihre Identitätsnarrationen angeboten bekommen, so wie im Film Chenk ein Deutungsangebot von seiner Cousine erhält. Auch den Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft wird eine Alternative zu „Entweder-Türke-oder-Deutscher“ angeboten. Menschen ohne direkte eigene Migrationserfahrung könnten inspiriert werden, ihre kulturellen Zugehörigkeiten zu entdecken: Das Konzept der Mehrfachzugehörigkeit ist auch für Bereiche jenseits von sprachlicher und ethnischer Vielfalt anwendbar (siehe Zitat von Welsch ganz zu Beginn des Textes). Der Film „Almanya – Willkommen in Deutschland“ wurde dafür gelobt, dass er Migration zum Thema macht, ohne eine einseitige Problemperspektive zu betonen: „Im Tagesspiegel und in der Süddeutschen Zeitung lautete das Fazit, man könne dem Film zwar Verklärung und Ausweichen vor gelegentlich vorhandenen Problemen wie Ehrenmorden und Radikalislamismus vorwerfen, aber
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es sei wohltuend, mal statt eines schwierigen Problemfilms eine Komödie über normale, gut integrierte Einwanderer zu sehen. Dieser Blick, ‚ein beglückender und befreiender‘, sei im Kino neu, so Jan Schulz-Ojala im Tagesspiegel. Der Film sei deshalb gut besucht, ‚weil er einen Nerv trifft; weil er eine Sehnsucht mit einer Erfahrung kombiniert‘ “ http://de.wikipedia.org/wiki/Almanya_%E2%80%93_Willkommen_in_ Deutschland#cite_note-Ts-39 vom 27.12.2018. Chenks Problem der Zugehörigkeit, „Was sind wir denn jetzt, Türken oder Deutsche?“, könnte zwar als typisches Migrationsproblem gedeutet werden, der Film bietet jedoch positive Antworten auf diese Frage.
„Nellys Abenteuer“: Antiziganismusvorwürfe „Nellys Abenteuer“ (Dominik Wessley, BRD 2016) ist ein Kinderfilm (Altersfreigabe: 6 Jahre). Die Heldin Nelly ist 13 Jahre alt und stammt aus Deutschland. Sie reist mit ihren Eltern nach Rumänien in den Urlaub, ohne zu wissen, dass die Eltern einen Umzug dorthin planen. Sie wird von einem Roma-Mann namens Hokus entführt und freundet sich mit Roxana und Tibi, zwei Teenager aus einer Roma-Community, an.4 Gemeinsam gelingt es ihnen, die negativen Wirkungen eines Staudammprojektes zu verhindern und den skrupellosen deutschen Bauunternehmer, der die Entführung beauftragt hat, zu Fall zu bringen. Der Film hat sehr kontroverse Reaktionen hervorgerufen. Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, kritisierte die Reproduktion von historisch bekannten antiziganistischen Klischees und Vorurteilen. Roma in Rumänien werden in diesem Film teilweise als warmherzige helfende Menschen dargestellt, aber auch als Kleinkriminelle, Kindesentführer, Bettler, Trickbetrüger und triebhafte Menschen (vgl. Brunßen 2017). Nicht nur in Rumänien leben Roma als diskriminierte Minderheit, sondern u. a. auch in Deutschland. Dadurch hat die mediale Repräsenta4 I n verschiedenen Ländern werden unterschiedliche Bezeichnungen und Selbstbezeichnungen für unterschiedliche Gruppen verwendet, z. B. „Roma“, „Sinti und Roma“, „Ashkali“, „Ägypter“, „Manouches“, „Zigeuner“, „Tsigani“ (vgl. Bauerdick 2013; Mappes-Niediek 2013). Im Folgenden wird der Begriff „Roma“ verwendet.
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tion von Roma auch eine Relevanz für die seit unterschiedlichen Zeiten in Deutschland lebenden Roma-Populationen: „Gerade weil auch aktuell immer wieder in der medialen Berichterstattung das Bild von Sinti und Roma mit einer auf der Abstammung beruhenden Kriminalität verbunden und so ein Zerrbild produziert werde, seien die Zuschauer des Films bereits disponiert für die Aufnahme und Bestätigung solcher Stereotypen, erklärte Markus End als Vorsitzender der Gesellschaft für Antiziganismusforschung. Die Teilnehmer des Fachgespräches stimmten darin überein, dass die Ethik des Filmemachens über oder mit Sinti und Roma neu diskutiert werden müsse, und zwar gleichermaßen an den Filmhochschulen und Akademien wie in den Einrichtungen der Filmförderung. [...] Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht nach dem Fachgespräch seine Kritik am Film wie an der Filmförderung in Deutschland weitgehend bestätigt. Es bleibe unverständlich, dass ein solcher Film die einschlägigen Gremien der Filmförderung durchlaufen konnte, ohne dass die Produktion und Reproduktion von Stereotypen bemerkt wurde. Ein ähnlicher Film über antisemitische Stereotypen und Ressentiments im Kontext einer Reise nach Israel wäre – so will ich voraussetzen – auf jeder Jurysitzung sofort abgelehnt worden, so Romani Rose“ http://zentralrat.sintiundroma.de/zentralrat-deutscher-sinti-und-roma- appelliert-an-kika-und-swr-antiziganistischen-kinderfilm-nicht-senden/ vom 01.02.2019. Im Rahmen der SRF-Fernsehsendung „Nellys Abenteuer. Diskussion zum Film“ (12.11.2017) diskutiert Romani Rose unter anderem auch mit Jens Becker, dem Autor des Filmes. Dieser verteidigt sich gegen den Vorwurf, antiziganistische Vorurteile produziert und reproduziert zu haben. Er betont die Verständigungsbotschaft des Filmes: „Und da jetzt etwas Antiziganistisches herauszulesen – du lieber Gott. Also jetzt ganz ehrlich, ich versteh nicht, wo sie da irgendeine Differenz sehen oder so. Also ganz im Gegenteil, das ist eigentlich genau die Botschaft des Films, dass hier verschiedene Leute mit verschiedenen kulturellen Hintergründen einfach aufgrund einer menschlichen gemeinsamen tollen Erfahrung zusammenkommen [...]“. Auch positive Repräsentationen von Roma können stark mit Klischees verbunden sein. Das Lied „Zigeunerjunge“ von Alexandra von 1967 kann in diesem Kontext gedeutet werden. Es wird das romantische Bild eines fah-
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renden Volkes gezeichnet, das von Freiheit und Musikalität geprägt ist. Viele Roma leben seit Generationen an einem festen Ort und viele Roma haben kein romantisches Leben. Die Kopftuch-Anleitung „Roxanas Folklore-Look zum Nachmachen!“ auf der Homepage des Films (http://nellysabenteuer. de/img/NELLY_Kopftuch.jpg vom 01.02.2019) kann als gut gemeinte Idee zur ästhetischen Alltagsaneignung gedeutet werden oder aber als folkloristisch-romantisierende Reduktion.5 Joachim von Gottberg äußerte sich zu den antiziganistischen Vorwürfen und übte Kritik an der Kritik: „Insgesamt verfolgt der Film erkennbar die Absicht, für Verständigung und Freundschaft als Kontrastprogramm zu Vorurteilen zu werben. Man kann vielleicht bezweifeln, dass dies in der Wirkung auch gelingt, aber es ist schon schwer, diese Absicht des Films nicht zu erkennen. Ihm Rassismus zu unterstellen, was zumindest in Teilen der Debatte geschehen ist, halte ich für absurd und völlig übertrieben“ (https:// de.wikipedia.org/wiki/Nellys_Abenteuer (Abruf: 1.2.2019)). Es ist fraglich, ob man die Rezeption bzw. Wirkung eines Filmes am Material selbst ableiten kann.6 Allenfalls lassen sich potenzielle Wirkungen ref lektieren und auf der Basis von Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten formulieren. Um fundierte Aussagen über Wirkungen und Aneignungsweisen machen zu können, müssten Rezipienten des Filmes befragt werden (vgl. Diskurse um die Wirkung des Filmes „Auf bruch ins Ungewisse“). Die Medienforscherin Maya Götz hat im Rahmen einer Rezeptionsstudie „Nellys Abenteuer“ zusammen mit Kindern zwischen acht und elf Jahren angeschaut (n=72) und diese danach zu ihren Eindrücken befragt (Götz/Holler 2017). Vor der Filmvisionierung wurde das Vorwissen der Kinder erhoben (Präkonzepte). Götz betont die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung von Erwachsenen und Kindern. Sie kommt zum Ergebnis, dass 90 Prozent der Befragten den Begriff Roma nicht kannten, zwei Drittel konnten mit dem Begriff Zigeuner nichts anfangen. Ein Drittel der Kinder hatte sehr nega5 B runßen spricht im Rahmen einer Analyse zu „Nellys Abenteuer“ von „positivem Antiziganismus“. „‚Positiver‘ Antiziganismus: Neben negativen Stereotypen wird dem Publikum auch die Romantisierung des ‚lustigen Zigeunerlebens‘ mit Tanz, ‚traditioneller‘ Musik und Kleidung sowie Kartentricks vor Augen geführt. Diese Darstellungen vermeintlicher ‚Traditionen‘ stellen keinen Bruch mit den negativen Stereotypisierungen dar, sondern komplettieren diese: Wer tagsüber lustig und sorglos vor sich hin lebt, muss am Abend stehlen, um etwas zu essen zu haben“ (Brunßen 2017: 18). 6 Zu Kritik an einseitigen Medienwirkungsvorstellungen vgl. Holzwarth 2018b: 228f.
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tive antiziganistische Bilder assoziiert. Die Befragten denken bei Roma an Bewohner von Rumänien, nicht an eine Minderheit in Rumänien bzw. in Deutschland: „Kinder haben vor der Rezeption keine Vorstellungen von dem Begriff Roma als ethnische Minderheit. Nach der Rezeption gehen sie davon aus, dass Roma die Einwohner*innen Rumäniens sind oder haben auch weiterhin keinen inneren Begriff von dem Wort. Dies bedeutet, dass alle möglicherweise stattfindenden Stereotypisierungen sich auf das Bild der Kinder von Rumän*innen beziehen“ (ebd.: 20). Es ist zu bedenken, dass Stereotype und Vorurteile nicht nur auf der Ebene von konkreten Begriffen und Konzepten assoziiert werden (z. B. Roma, Sinti, Zigeuner), sondern vor allem auch auf der visuellen Ebene (z. B. dunkle Hautfarbe, bunte Kleidung, lange Röcke, Zöpfe, Kopftücher, Ohrringe, Schnurrbärte, Goldzähne).7 Diesem Umstand wird die Studie gerecht, indem beispielsweise Statements wie das folgende präsentiert werden: „Kinder, die so aussehen wie Tibi und Roxana, gehen immer klauen.“ 75 Prozent lehnen die Aussage ab, 9 Prozent stimmen zu und 17 Prozent antworten „weiß nicht“ (Götz/Holler 2017: 46). Die Autorinnen konstatieren: „Eine kognitiv bewusste Verallgemeinerung des Phänotyps des Antagonisten Hokus oder des Aussehens der bzw. des Protagonist*in Tibi und Roxana auf das Verhalten ähnlich aussehender Menschen findet nicht statt“ (ebd.: 49). Insgesamt resümieren die Forscherinnen, dass sich bis auf eine Ausnahme „fast keine“ antiziganistischen Tendenzen zeigen (ebd.: 3). Sie konstatieren jedoch pädagogischen Handlungsbedarf in Bezug auf negative Bilder über Roma allgemein und in Bezug auf das Thema Roma in der Bundesrepublik (ebd.: 3, 19, 28).8 Rose gibt in der Fernsehdiskussion zu bedenken, dass Kinder Filme oft zusammen mit Erwachsenen schauen, und er äußert die Befürchtung, dass diese das fehlende Wissen der Kinder im Sinne antiziganistischer Lesarten ergänzen. 7 A m 22. und 23. 2. 2018 wurde in Berlin die Tagung „Antiziganismus und Film“ veranstaltet. Am 15. und 16. 11. 2018 fand an der Universität Heidelberg die Tagung „Visuelle Dimensionen des Antiziganismus“ statt (Forschungsstelle Antiziganismus). 8 D as pädagogische Begleitheft (http://www.nellysabenteuer.de/img/NELLYS%20ABENTEUER_Filmheft.pdf vom 01.02.2019) regt Schülerinnen und Schüler unter anderem dazu an, sich mit dem Thema Roma intensiver zu beschäftigen: „Tragt zusammen: Was erfahren wir in NELLYS ABENTEUER über das Leben der Roma in Rumänien?“ und „Besprecht gemeinsam in der Klasse: Welche Vorurteile räumt NELLYS ABENTEUER aus? Welche Vorurteile werden bekräftigt?“ (ebd.: 6).
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Claas Danielsen, Geschäftsführer der Mitteldeutschen Medienförderung, verteidigt die Produktion: „Der Film sei als Komödie angelegt, die mit verschiedenen Klischees über Sinti und Roma genauso wie über Deutsche spiele. Diese würden im Laufe des Films aufgebrochen.“ (https://www. welt.de/kultur/article169598074/Roma-als-Kleinkriminelle-Gruene-kritisieren-Kinderfilm.html vom 01.02.2019) Es stellt sich die Frage, ob das Präsentieren von Klischees und Vorurteilen dann legitim ist, wenn von allen beteiligten sozialen Gruppen Vorurteile gezeigt werden (z. B. Roma und Deutsche) – also eine Art Ausgeglichenheit hergestellt wird.9 Oder ist die Darstellung von Vorurteilen dann legitim, wenn diese später im Verlauf des Filmes aufgebrochen werden? Meines Erachtens gibt es keine verallgemeinerbare Antwort. Verschiedene soziale Gruppen haben historisch unterschiedliche Diskriminierungserfahrungen gemacht und sie verfügen über unterschiedliche Partizipationschancen bzw. gesellschaftliche Macht. Daher kann es nie eine Ausgeglichenheit geben. Auch wenn ein Film die Dekonstruktion von Vorurteilen intendiert, kann nie mit Sicherheit festgestellt werden, ob alle Rezipientengruppen sie nachvollziehen können oder wollen. Klischeebilder können Humor ermöglichen, sie können aber den Zuschauenden auch zur Orientierung dienen, da auf vermeintlich bekanntes Wissen zurückgegriffen werden kann (vgl. Schweinitz 2006). Viele Filme arbeiten mit Klischeebildern über Männer und Frauen, über soziale Milieus oder über Nationalitäten. Klischeebilder können bewusst bedient oder dekonstruiert werden. Es ist zu bedenken, dass Klischeebilder im Film sehr problematische Auswirkungen für dargestellte Personengruppen haben können. Es wäre spannend gewesen, auch Kinder und Jugendliche aus Roma-Communities zu ihrer Rezeption des Filmes zu befragen. Auch Analysen auf der Ebene der Filmästhetik wären interessant: Wie werden Klischees filmsprachlich zum Ausdruck gebracht? (z. B. Perspektiven, Musik etc.) (vgl. Brunßen 2017: 18). Generell macht es Sinn, bei Filmen folgende Unterscheidungen vorzunehmen:10 9 K aya Yanar – ein deutscher Komiker mit Wurzeln in der Türkei arbeitet mit dem Prinzip der Ausgeglichenheit. Er spielt und karikiert Figuren mit türkischem, italienischem, polnischem und indischem Migrationshintergrund. Auch Deutsche werden parodiert. 10 D iese Differenzierung beruht auf der Visionierung zahlreicher Filme, in denen Klischees und Vorurteile über Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung eine Rolle spielen (vgl. Holzwarth 2013a; 2013b). Eine systematische Analyse steht noch aus.
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1. Filme mit Klischees und Vorurteilen über eine soziale Gruppe mit offensichtlicher Abwertungsintention 2. Filme mit Klischees und Vorurteilen über eine soziale Gruppe ohne offensichtliche Abwertungsintention 3. Filme mit Klischees und Vorurteilen über eine soziale Gruppe, die im späteren Verlauf dekonstruiert werden 4. Filme, die über alle vorkommenden sozialen Gruppen Klischees und Vorurteile zeigen 5. Filme, die Menschen kritisieren oder parodieren, die Klischees und Vorurteile über eine soziale Gruppe haben und äußern 6. Filme, in denen Menschen, die Klischees und Vorurteile über eine soziale Gruppe haben und äußern, positiv dargestellt werden bzw. in denen sie belohnt werden 7. Filme, die ein ausgewogenes und differenziertes Bild über alle vorkommenden sozialen Gruppen zeichnen wollen Filme können nach diesen Kriterien beurteilt werden. Dieser Typologie folgend könnte „Nellys Abenteuer“ den Punkten 2, 3 und 4 zugeordnet werden.
Resümee und Ausblick Die drei Fallbeispiele machen deutlich, dass mediale Repräsentationen in Spielfilmen sowohl Chancen als auch Risiken bedeuten können. „Auf bruch ins Ungewisse“ bietet ein Potenzial für Perspektivenwechsel, Identifikation und Empathie für Menschen auf der Flucht. „Almanya – Willkommen in Deutschland“ eröffnet Menschen mit und ohne Migrationserfahrung die Möglichkeit, Zugehörigkeiten jenseits von „Entweder-oder“ wahrzunehmen und anzuerkennen. Bei Filmen wie „Nellys Abenteuer“ kann eine gutgemeinte Verständigungsbotschaft angenommen werden. Die Reproduktion von historisch tradierten Negativbildern fällt jedoch als Risikofaktor ins Gewicht. Es ist zentral, potenziell problematische mediale Konstruktionen in pädagogischen und anderen gesellschaftlichen Kontexten immer wieder zum Thema zu machen (Sensibilisierung von Pädagoginnen und Pädagogen, Sensibilisierung im Kontext von Filmproduktion und Filmförderung). Die Wirkung von Filmen kann nicht allein am Material abgeleitet werden – es
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braucht seriöse Rezeptionsstudien, die nach Möglichkeit auch das soziale und ökonomische Milieu der Zielgruppe berücksichtigen. Ohne empirische Daten können über die Wirkung eines Filmes lediglich Vermutungen im Sinne von Hypothesen angestellt werden.11 Dieser Umstand macht die Diskussion sehr schwierig, da selten mit empirischen Daten argumentiert werden kann. Medienethische Ref lexivität stellt eine zentrale pädagogische Kompetenz dar. Diese kann auch im Umgang mit Filmen und Fernsehen angeeignet werden (vgl. Holzwarth & Maurer 2019). Auch ein differenziertes und ausgewogenes Konzept von Medienwirkung ist wichtig für produktive Diskussionen (z. B. der dynamisch transaktionale Ansatz von Früh & Schönbach, vgl. Früh 2008 u. Holzwarth 2018b). Es wurde deutlich, dass Filme große Lernpotenziale bieten können. In pädagogischen Kontexten kann das Medium Film nicht nur rezeptiv genutzt werden (Filme betrachten), sondern auch aktiv im Sinne eines Mediums der Selbstrepräsentation und des kreativen Selbstausdrucks (Filme selbst produzieren). Auch vulnerable Gruppen wie Gef lüchtete oder Roma sollten die Chance bekommen, sich selbst und ihre Welt mit der Kamera anzueignen. Medienpädagogische Projekte für Menschen mit Migrationserfahrung bieten – gewollt oder ungewollt – immer eine bestimmte Speaking Position (de Block & Buckingham 2007). Teilnehmende sollten im Rahmen von Projekten nicht auf den Identitätsaspekt „Migranten“, „Gef lüchtete“ oder „Roma“ reduziert werden. Um eine Festlegung auf bestimmte Rollen zu vermeiden, bietet es sich an, eine möglichst große Auswahl an möglichen Identitätsentwürfen zuzulassen. Auch beim Betrachten von Filmen macht es Sinn, Filme auszuwählen, die im Sinne von Mehrfachzugehörigkeit alternative Identifikationsmöglichkeiten aufzeigen.
11 A nalytisch können folgende Dimensionen unterschieden werden: der Film an sich als empirisches Datenmaterial, subjektive Deutungen der Autorin bzw. des Autors, der über den Film schreibt, die filmische Analyse – unabhängig von anderen Deutungen –, veröffentlichte Filmkritiken und Rezensionen, Rezeptionsstudien (empirische Daten zur Deutung/ Aneignung durch eine konkrete Publikumsgruppe).
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You Have Just Crossed the Border in Ireland Mobile Alerts on Uncertainty and Political Stagnation Aisling O’Beirn
Friday, December 7, 2018 I’ve just crossed the border, travelling due south. It is as good a time as any to embark on writing this text. I confess I’ve been putting it off given the context. I write this piece, a collection of thoughts and observations, in an attempt to better understand the fraught implications of borders as frontiers or political constructs. As a starting point I use, the now topical frontier to hand to a Belfast resident, the border in Ireland. This particular border provides a complicated but perhaps poignant frame for frontier ruminations. I can’t claim particular expertise on the border, especially given the ongoing complicating factor of Brexit which has thrown this ‘EU frontier to be’ into very sharp focus over the last number of years. Hence my knowledge is personal and experiential rather than academic. I cross this land border1 frequently and will continue to do post Brexit. I don’t normally pro-actively acknowledge my border crossings, given its contested nature. I didn’t particularly notice the moment of transition today. 1 T he border in Ireland arose out of the partition of Ireland in 1921, the very source of the current / recent conflict, and has since gone from being manned and eventually militarised to all but invisible and frictionless since the Good Friday Agreement of 1998. The Good Friday Agreement (GFA), also known as The Belfast Agreement, is a legally binding agreement between the British and Irish governments and most of the main political parties in Northern Ireland, detailing how Northern Ireland should be governed. The GFA is considered by many as a major political step in the Northern Ireland peace process of the 1990s. The Democratic Unionist Party (DUP) was the only major party to oppose the GFA. The agreement was signed on 10 April 1998, and the electorate on both sides of the Irish border
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This has been my experience since the border gradually became demilitarised and seemingly porous post the 1994 ceasefires2 and the subsequent signing of the Good Friday Agreement (GFA). I’m alerted to my crossing, not by anything remarkable, spectacular or declaratory in the landscape, but by a small piece of portable technology lodged in my pocket. My phone pings to herald a routine text which, in ‘welcoming me to Ireland’, announces that I have crossed an ‘international’ frontier’. On first glance the message is seemingly fiscal rather than territorial. Whilst ‘in Ireland’ I can use my ‘plan minutes, texts and data allowance at no extra cost.’ Prior to the dropping of data roaming charges across the EU in 2017, crossing the border could be a costly expedition if you needed to use your phone.3 The time recorded is 16.25 pm. My whereabouts and movements have been clocked, longitudinally and latitudinally, to the millisecond by GPS technology even if not by me. The visible constructed rawness of watchtowers might be long gone but in the digital era there is no need for the panopticon to take architectural form. I should be more cognisant of this, after all seamless border crossing is denied to so many millions in crisis globally, as the current European context so sharply illustrates. According to UN Refugee Agency statistics, between 1, January and December 6, 2018, over 107.192 people f leeing persecution, war and civil strife risked their lives getting to Europe by sea, whilst over 2113 people were feared drowned in making the treacherous crossing.4 The level of risk people are willing to take is a measure of how borders articulate and reinforce historic and contemporary territoralisations of inequity. As the EU outsources patrolling of international waters in the Mediterranean Sea for search and rescue operations to the Libyan coastguard more lives are put at increasing risk. Human Rights ratified it in a referendum on 22 May 1998. The agreement came into force on 2 December 1999. “Belfast Agreement” (1998). 2 T he protracted conflict over disputed British rule in Northern Ireland, which republicans reject and loyalists support, boiled over from civil unrest to armed conflict in 1968 until following a peace process the main paramilitary protagonists declared ceasefires. The Irish Republican Army (IRA) declared a ceasefire on Wednesday 31 August 1994 whilst The Combined Loyalist Military Command declared a ceasefire on the 13 October 1994. By and large these ceasefires have held although there have been some serious breaches over the years. 3 D ata roaming charges were dropped when travelling to another EU country after 15 June 2017 (European Commission 2018a). 4 UNHCR (2018).
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Watch point out that far from rescuing people the Libyan Coastguard have actually aggressively interfered in rescue attempts by NGOs (Non Governmental Organisations).5 This is happening now at one of the EUs southern ‘frontiers’. Whilst there is freedom of movement within the EU zone for its citizens the experiences at the EU’s edge tell a different story for the ‘Sans Papiers’ who have been forced to risk everything in order to survive. Borders are by no means benign and their enforcement can articulate and shape shift depending on who controls them. Hence a seemingly banal, but not innocuous, automated text notification that pinged its way into my consciousness in the north west of Europe acts as an alarm bell, to be cognisant of what a border means in both practical and symbolic terms no matter where it is located. This goes for the border in Ireland too. The text alert prompts me to consider my localised backdrop of potentially seismic political change, coupled with stultifying political stagnation. To give some context, Ireland is a small rock located in the north east Atlantic, teetering on the western edge of the European continental land mass. Despite being an island, with a total population North and South of about six million, it has a land border between the Republic of Ireland and Northern Ireland.6 There are 26 counties in the Republic of Ireland and six counties in Northern Ireland. Currently this border is classified as an internal European border and brings with it a porosity and f luidity that renders it all but invisible for EU citizens on a day to day basis. However the border wasn’t always so seemingly f luid. Prior to the ceasefires and the subsequent signing of the GFA, the border had a very visible, tangible and militarised infrastructure. There was no mistaking a threshold being crossed prior to the peace process. Delays, checks and searches were inevitable facts of border life during the recent conf lict. Even the British Governments own inquiry ‘The land 5 Human Rights Watch (2017). 6 T he current border in Ireland is a consequence of the era of British rule in Ireland. The Easter Rising in 1916 saw the proclamation of an Irish Republic by Republican groups seeking an end to British rule in Ireland. The Rising and its aftermath eventually led to the Anglo-Irish Treaty of 1922 resulted in the partition of Ireland. This took the political form of a twenty-six-county Irish Free State, now officially called the Republic of Ireland. The remaining sic counties formed what is now called Northern Ireland which is under the jurisdiction of Britain. Northern Ireland had a devolved power sharing local executive between 1998 until its collapse in Jan 2017. Civil servants are charged with day to day administrative duties whilst this political limbo continues indefinitely.
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border between Northern Ireland and Ireland’ (2017) , notes the benefits of a seemingly invisible border and the dangers that reintroduction of military checkpoints and infrastructure could potentially have given the fraught history of Ireland’s partition and the subsequent civil unrest caused by the border’s presence. The inquiry further notes that there are over 200 ‘formal’ crossings with a similar amount of informal crossings.7 Many crossingstake the form of minor roads, pathways and gaps in fences traverse its winding, 499 km (310 mile) length. It would be safe to say that most people, regardless of view on the constitutional issue, welcomed the softening and subsequent ‘invisibility’ of the border... Twenty years on from the GFA the border’s current status remains a geopolitical articulation of an absence of conf lict, even in a stagnating political context with no local government, where the causes of the conf lict remain unsurprisingly difficult to address. In June 2016, eighteen years on from the GFA the British electorate voted for Brexit, Britain’s exit from the EU. Fifty-two percent voted leave, and forty-eight percent voted remain. Northern Ireland and Scotland voted remain by fifty-six percent and sixty-five percent, respectively, but Northern Ireland, as part of Britain, will have to leave regardless. To compound the complexity, in January 2017 the Northern Ireland Executive collapsed. Northern Ireland now holds the longest record of a jurisdiction without government. At time of writing, the period with no local government passed the 700 day mark, whilst Members of the Local Assembly (MLA) still get paid. The fact that someone has created a website counting these ungoverned days, whilst simultaneously providing a live tally of raising MLA pay cost is testimony to the level of political frustration and stagnation.8 Nonetheless Britain is set to leave the European Union, on March 29, 2019 and the border will become a land frontier between Britain and the EU. The border therefore remains a major stumbling block in negotiations between the UK and the EU as they seek to establish the terms of any post Brexit deal. The question persists as to how to retain a frictionless and ‘invisible’ border on the island, should Britain diverge from regulatory alignment with the EU. Failure to maintain 7 UK Parliament Northern Ireland Affairs Committee (2017). 8 “ How Long Has Northern Ireland Had No Government”, https://howlonghasnorthern irelandnothadagovernment.com accessed 27 Dec 2018. The Stormont Assembly reconvened after 3 years, on the 12th Jan 2020. http://www.niassembly.gov.uk and BBC News online (2020)
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a frictionless border serves to undermine the GFA and to potentially destabilise the relative peace that now exists. A ‘backstop’ in any final Brexit deal is supposed to guarantee against the possibility of a hard border if no other solutions are found but many Brexiteers and Unionists are resistant to the idea. Brexiteers see such a proviso as leaving them partially in the EU with regard to regulations which might prohibit the UK in forging of future international trade deals, whilst for some unionists it represents an undermining of the union between the UK and Northern Ireland. This throws into sharp and urgent focus the constitutional conundrum regarding Northern Ireland where practical, legislative, and economic concerns become as pertinent, if not more so, than traditional historical or ideological positions. Whilst a deal containing a backstop has been reached by the ‘EU 27’, it seems increasingly doubtful whether the deal will make it through a British Parliament vote.9 British Prime Minister Theresa May’s decision to postpone a meaningful vote on the deal until the new year, much to the chagrin and frustration of a sizable number of her cabinet as well as the Labour opposition, is an indication of how little faith even she has in the deal she negotiated being passed. Hence, with the potential for a hard Brexit if Britain crashes out of the EU with no deal, it is possible to envision how ramifications from Brexit might be felt more profoundly on the island of Ireland than anywhere else. With each additional day of Brexit uncertainty and chaos, it becomes apparent that the contradictions posed by the borders’ very existence present in increasingly unexpected and even intimately private contexts.
Still Friday, December 7, approx. 17.30pm As part of my journey I change bus in Dublin Airport to make a connection for another bus. Even though I am not f lying I often break this journey here and I am then mindful of a type of invisible and taboo bordering that happened to countless women from every part of the island who have had to use this airport to travel to England for a termination. However, that is all about to change as of the January 1, 2019 when a new form of bordering, with the land border on the island of Ireland will occur for women north of the border. On 9 S ince time of writing there was another British General election which resulted in a Tory majority. Brexit is now set for January 31, 2020.
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May 25, 2018 the electorate in the Republic of Ireland voted to repeal the 8th Amendment of the Irish Constitution Act, 1983.10 This amendment gave equal right to life for the pregnant woman and the unborn, with the consequences that women in Ireland had no access to abortion health care even in cases of incest, rape or fatal foetal abnormality. The stringent legal constraints on the medical profession being able to provide reproductive healthcare lead to the tragic and preventable death of Savita Halappanavar on October 28, 2012 at University Hospital Galway due to complications of a septic miscarriage at 17 weeks’ gestation. Had she been able to have a termination when complications set in she would probably have survived. Her death led to renewed and widespread calls by pro-choice campaigners to have the amendment repealed.11 Many artists were at the forefront in campaigning for Repeal of the 8th.12 Meanwhile north of the border the United Kingdom’s Abortion Act of 196713 was never extended to Northern Ireland, meaning that women there (who if born in NI. are entitled to hold both British and / or Irish citizenship under the GFA) have lesser rights than their counterparts in England, Scotland or Wales. In fact procurement of an abortion in Northern Ireland, even in cases of rape, incest or fatal foetal abnormality can result in a prison life sentence.14 As a result both parts of the island effectively exported reproductive health care needs, with women being either forced to take matters into their own hands, at huge risk, or travel to Britain to access safe terminations. However as of January 1, 2019 women will be able to access terminations in the Republic of Ireland as the Health (Regulation of Termination of Pregnancy) Act 2018 comes into effect.15 It is expected that women north of the border will travel south rather than to England or Scotland as is currently the case.16 Campaigners from both sides of the border, many veterans from the repeal the 8th campaign, have now turned their attention north, rallying under the slogan ‘The North is Next’. Their activism spans streets and digital 10 “8th Amendment of the Irish Constitution Act, 1983”. 11 Howard (2018). 12 E VA (2018). 13 “Abortion Act 1967”. 14 A bortion was finally decriminalised in Northern Ireland on October 22, 2019 (Amnesty International UK 2019). 15 “Health (Regulation of Termination of Pregnancy) Act 2018”. 16 Bardon (2018).
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platforms.17 Thus the ‘invisible’ border manifests in more than the territorial, geographical sense. Born out conf lict and legislatively enshrined its effects are often articulated back through these same avenues, yet it is also now also poised to become a bodily frontier.
Monday, December 10, 2018 Returning over the border, without a surveying phone notification this time, I surmise on proposals that technology could solve the problem of retaining a frictionless border. Digital dreaming. Even were such technology to exist what would be the consequences of more insidious, daily digital surveillance? It was only in 2017 that tariffs were lifted on mobile phone networks within the EU.18 Prior to that roaming either side of the border incurred international rates. This meant very expensive and patchy coverage for border denizens where a phone was needed for each jurisdiction to avoid being thwarted daily, in the form of poor signals and cross border tariffs. If a simple text reminder to pick up a pint of milk on the way home has the potential to cost dearly what of spurious ambitions to use technology to keep the border frictionless for free movement and trade post Brexit?
Sunday, December 23, 2018 Southbound again, time of crossing according to my phone 15.21. This time I gear up to actively witness the digital register of my border crossing. I glance at my phone with heightened consciousness of it as an implement of digital frontier surveillance. In bracing myself for the alert I also attune to other articulations of the border’s presence. Road signs change from English only to bilingual (Irish and English) whilst notifications of distance and speed switch from miles to kilometres. These linguistic and spatial transitions speak of the border’s esoteric immeasurability, where Einstein’s relativity seems
17 Davey (2018). 18 A s of 15 June 2017 people within the EU pay domestic roaming charges (European Commission 2018b).
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potentially useful tool. Could the quality of ones measure be dictated by time actually spent at the border? Garrett Carr, writer and cartographer, has been deliberating about the border long before it became fashionable. He really has the measure of it, having walked its entire length, all 310 miles (498.897 km). In 2016, prior to Brexit, Carr spent quality face to face time getting to know the border intimately. He took it in sequential sections even camping out to avoid breaking momentum. He chronicles his adventures and the often lonely, pedestrian and invisible nature in his book ‘The Rule of The Land, Walking Ireland’s Border’ (2017). Carr reminds us how much of the border is actually rural. An unmeasurable and movable feast, he doggedly clung to its contours, following hedgerow, lane and ‘boirín’ (tr. small lane or road) often without meeting anyone. He even diligently retraced his steps if he realised he had gone astray. Waterways, when encountered, were traversed aboard a canoe in the company of artist Paddy Bloomer. Much of the time Carr used ordinance survey maps and word of mouth to keep himself on track but he was not adverse to employing GPS technology where needed and where signal permitted. Chance encounters with people en-route form an important aspect of the book, giving weight to his rigorous and close reading of this landscape as one that is lived. In dedicating focused time to encounter the border at such close proximity Carr was well situated to map its nuances. His maps, with hand drawn icons, highlight both ancient and recent fortifications along with sites of historic and modern demonstrations. He also charts more joyous landmarks in the form of dancing platforms, simple vernacular structures erected at key junctures to elevate dancers who come from miles around to meet and dance. His account is not sensational, rather it is personal, acutely attuned to nuance, subtly and humour. It draws on a rich vein of historical, oral and literary tradition. His inquiring and informative wanderings call to mind some of Irelands’ other wandering archetypes. The figure of the ‘Spailpín’ (tr. migratory farm labourer: scamp) comes to mind, whose relationship to the land, so intimate, seasonal and fiscal. The Spailpin’s plight was immortalised in verse in ‘An Spailpin Fanach’ (The Roving Journeyman), and clearly articulats the relationship between land and the fraught political and economic context of the time.19 The Hedge School Master was also a wan19 S pailpín is translated as “migratory farm labourer: scamp” in Foclóir Póca, English-Irish, Irish-English Dictionary, Baile Atha Cliath, An Gúm, 1992, ceathrú cló, cead cló 1986, 475.
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derer of the bye roads of Ireland, teaching seasonally, en route in clandestine outdoor ‘Hedge Schools’ during Penal times.20 In sharing his baggage of knowledge and lore this roving teacher was schooled by the landscape, able to fashion a safe and secluded seat of learning from any given typography. So too with Carr whose keen observations of border minutia exposes the terrain as more than a strip of contested land.
Thursday, January 3, 2019, southbound, phone alert 14.01 I don’t check my phone’s border register immediately as I’m driving. Driving makes the crossing less passive and more focused. I need to keep an eye on the road before the frontier calls on me to attend to its fiscal demands. Just over the border, I stop to fill up on cheaper diesel and to get change in Euros for the EU subsidised toll roads ahead. The ATM offers services in Irish or English with the option of charging Euros or Sterling as though I am aware of the vagaries of the currency markets at all times. The border, despite its rurality and supposed invisible has a manifestly ephemeral presence, continually asserting itself in monetary, cultural and linguistic terms. This is something that Concubhar Ó Liatháin, a native Irish speaker and journalist based in Co. Cork who lived for many years in Belfast, is all too aware of. His insights on the digital border come partially from his Irish language activism. In endeavours to lobby for Irish language commentary on televised sporting events by Radio Teilifis Éireann (RTÉ Ireland’s national broadcaster) to be available north of the border, similarly to the Republic, he hit the digital buffers. Even though RTÉ can be received either side of the border It is interesting to note that WorldCat the academic online search engine, translated the title of McKean’s review, ‘Spailpín Fanach’ as ‘The roving journeyman’. The agricultural reference has been dropped, and the core meaning migratory labourer retained (McKean 1992). 20 T he Penal Laws were put in place in 18th Cent Ireland by the British Government and were all-encompassing and draconian in nature, affecting nearly every aspect of life from language, land, religious, educational, and employment rights. Their effect was to exclude the ‘native’ Catholic Irish from all forms of public life, leaving the population disenfranchised and disgruntled. This legislation forms the backdrop to the Hedge Schools that were once found secreted all over Ireland. The operation and historical context of these surreptitious schools form the subject of Dowling (1968).
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the Irish language commentary options are not automatically available in the north. In ‘The Digital Border and the Euros’21 Ó Liathain, gearing up for the Euros soccer tournament, notes that the Irish language commentary option, much to his chagrin, is only available on the southern side of the border unless viewed via the internet or a Saorview (free view) box. In setting up a Saorview box in Belfast’s Culturlann (Irish language cultural centre in West Belfast) for people to come together and watch the Republic of Ireland V Sweden game, Ó’ Liathain plugs in for 90 minutes of digital border resistance, countering sporting, cultural and linguistic partition. There is a certain sense of humour and tenacity needed to navigate and point up these sometimes less than obvious but day to day blockages. The task has been taken with gusto by a digital entity who goes under the twitter handle ‘@BorderIrish’.22 Despite being a ‘newbee’ to the twittersphere (Febuary 2018) it is a prolific and at first glance a witty tweeter with a growing following whose profile gives a sense of disgruntled wryness. @BorderIrish introduces itself declaring “ I am the border between Ireland and Northern Ireland. I’m seamless & frictionless already, thanks. Bit scared of physical infrastructure.” (February 2019). Another tweet fills us in on its back story. “ I actually started out as a temporary but indefinite customs arrangement 97 years ago.” (December 5, 2018) Its daily ascorbic tweets, challenging politicians whilst bantering with an increasingly worried public, guarantee media interest.23 Its fuel is uncertainty. Its weapon of choice humour, steeped in language and local knowledge. Nuance and turn of phrase are everything especially within the confines of 140 characters. This digital entity has drawn the attention and ire of a range of protagonists across the political spectrum. Its reach has extended internationally, reportedly being followed by the British Home Office as well as a number of EU figures. It has become a social media superstar. Once the initial novelty of a tweeting border as a form of political commentary has been digested it is worth looking beyond the witticisms to be cognisant of its contradictions. In donning the handle @ BorderIrish the entity becomes a digital oxymoron. On the one hand it can be seen as partitionist by recognising and giving the border legitimacy. On the other hand @BorderIrish digitally yearns for an erstwhile form of invisibility 21 Ó’ Liatháin (2016). 22 “@BorderIrish Twitter Account”, https://twitter.com/BorderIrish accessed 19 Jan 2019. 23 Ritchie (2018); Geets (2018).
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brought about by the GFA, which serves to give the border increased visibility. In so doing does it become a patsy of, or a mechanism for addressing colonialism and its legacy? Perhaps humour and technology are useful tools to address frontier absurdity.
Wednesday, January 16, 2019 This feels more like crossing a frontier. It is palpably geological. My destination is still within the EU but I’m leaving the rock by plane to cross a bodies of water so my phone remains switched off for now. Below me the earth itself has been both wrenched apart and forcibly squeezed to the surface to make geological frontiers, rendering them somewhat more real or legitimate. Flying over the liquidity of the Irish sea, the English channel and the sublime snow clad Alps reiterates this. As an EU passport holder I have to admit the ease of taking a f light to cross these terrestrial obstacles. Imagine attempting this by foot, or ‘Sans Papier’ and relying on nothing but your own bodily steam. I recall those that have succumbed to that most treacherous of Mediterranean crossings between the north Africa and the south of Europe. Ireland’s border is only one of many very problematic frontiers. I stop to take this in, peering out at the Alps below in all their bristling, sculptural chunkiness. On landing my phone registeres its new whereabouts at 12.10 CET, the day after Thresa May’s historic Brexit deal defeat, voted down by 432 votes to 20 in the British Houses of Parliament,. The backstop with attendant regulatorily alignment obligations and possible consequences for future UK unity continue to be key sticking points for the right. Potential damage to the economy and remaining public infrastructure by a Tory Brexit is a major concern for the left.24 Unsurprisingly such a massive defeat sparked Labour leader Jeremy Corbyn to table a vote of no confidence, which May survived by 19 votes (with 10 from the DUP),25 signalling a still deeply uncertain future. 24 BBC News online (2019b). 25 T he Democratic Unionist Party (DUP) is a conservative, pro-union, pro-Brexit, political party founded in 1971 by the Rev. Ian Paisley. It is the largest party in Northern Ireland by a thin margin. The DUP fields candidates in Northern Ireland and Westminster. At time of writing they have a controversial supply-and-demand deal with the Tory party in West-
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Questions regarding Brexit inveigle their way into nearly every conversation. Will Britain simply crash out of the EU with no deal after two years of Brexit fruitlessly occupying the British Government at the expense of political urgencies such as welfare, housing, health and education? I return over the now partially fogged out Alps, across a blanketed English Channel and a cloud clad Irish sea. The political vacuum in N. Ireland seems even more acute with news that a man was shot dead and a woman seriously injured in Warrenpoint26 whilst a homeless man is found deceased in a doorway in Belfast city centre.27 The next day a car bomb explodes in Derry28 further raising fears that a hard boarder could herald the return of armed conf lict. Meanwhile a humanitarian vessel Sea-Watch 3 rescues 47 people from an inf latable vessel during a storm in the Mediterranean. SeaWatch 3 is then prevented from leaving or landing by the Italian authorities. The crew also face criminal investigation despite rescuing people in distress at sea.29 On January 28, 2019 a man was stabbed to death in East Belfast sparking rumours of a loyalist feud.30 I read more and more with little chance of reconciling this inconclusive text. Ten days on the rescued migrants remain stranded in an enforced limbo of uncertainty in the Bay of Santa Panagia, with an embargo on any unauthorised vessels ‘navigating, anchoring or stopping’ in the bay.31 Simultaneously the British Government, in another bid to get the Brexit deal through parliament, supports Tory MP Sir Graham Brady’s proposal for ‘alternative arrangements’ to the backstop by 16 votes despite the EU’s repeated declarations that the deal can’t be renegotiated.32 Whatever unfolds regarding Brexit, it has succeeded in opening a political Pandora’s box where offering hierarchies of citizenship are proffered as solutions to problems that are the result of the very acts of ranking, bordering and excluding in the first place, whether it be by the UK, the EU or other minster. They have publicly stated that they will not support the current EU deal being put to parliament on Tues 11 Dec 26 BBC News online (2019e). 27 BBC News online (2019c). 28 The Guardian Online (2019). 29 BBC News Online (2019d). 30 Irish News Online (2019). 31 ANSA (2019). 32 BBC News Online (2019a).
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political entities. Given this context there is little comfort in a recent British Government issued assurance to EU citizens. If you’re an EU citizen, you and your family will be able to apply to the EU Settlement Scheme to continue living in the UK after 30 June 2021. If your application is successful, you’ll get either settled or pre-settled status […] You may be able to stay in the UK without applying – for example, if you’re an Irish citizen or have indefinite leave to remain (ILR).33 Unsurprisingly then my sometimes-dystopian speculations about the potential consequences of Brexit for the island of Ireland or Brexit’s role in the global political landscape, leave me feeling even more deeply unqualified to speak on the topic yet I realise that my knowledge of this border is an experiential rather than an academic one. It is a lived account, as are the experiences of others’ whose border encounters I draw on.
33 O n December 27, 2018 the British Government made an announcement regarding the future status of EU citizens in Britain. https://www.gov.uk/settled-status-eu-citizens- families accessed 28 Jan 2019.
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Biometrische Maß-Nahmen als spektraler Trend zum digitalen Grenzmanagement Andreas Oberprantacher The paradigmatic image of the world today is undoubtedly one of bodies, squeezed between pallets inside a truck. The picture is taken by an X-ray camera on a border between nation-states. It exposes those that are invisible, the people without papers on the wrong side of the border. The X-ray image shows the naked, white bodies on a black background – a silhouette of human beings. Shahram Khosravi, „Illegal“ Traveller
Nebelschwaden Ein Gespenst geht um: „Illegale“. Es ist ein Gespenst, das, wie momentan kein anderes, von Regierungen verschiedener Couleur und insbesondere von populistischen und nativistischen Bewegungen geschickt bemüht, ja beschworen wird, um die Achtung von Grund- und Menschenrechten zu relativieren und zugleich Ressentiment und Aggression im Namen „unserer Sicherheit“ oder „unserer Identität“ zu schüren. Als Parole dient dieses ominöse Wort, das medial zirkuliert und zugleich nebulös bleibt, zumeist dazu, rechtliche Ansprüche, aber auch das politische und ökonomische Begehren von Menschen zu diskreditieren, welche durch nationalstaatliche Bestimmungen gemeinhin als „Fremde“, d. h. als „Unzugehörige“ identifiziert, marginalisiert und drangsaliert werden. Der Name „Illegale“ ist inso-
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fern ein „frei f lottierendes“ Reizwort, welches gebraucht wird, um diffuse Ängste kollektiv zu verdichten und zu ventilieren, als es sich einer Definition entzieht und folglich geradezu nach Belieben und Bedarf „besetzt“, sprich imaginiert werden kann. Anders gesagt, es handelt sich um ein paradigmatisches Grenzphänomen, das signalisiert, wie eine um Transparenz bemühte Gegenwart von Phantomen und Phantasmen heimgesucht wird und wie widersprüchlich der Diskurs von „unveräußerlichen“ Rechten angesichts unzähliger Entrechteter auch heute wieder ist (Arendt 2011: 601-626; Gündoğdu 2015). Folgender Beitrag widmet sich diesem umstrittenen Grenzphänomen, welches nicht allein jene Grenze quert, die man zwischen Flucht und Migration zu ziehen versucht, sondern auch noch eine Serie weiterer markanter Grenzverläufe betrifft (Autonomie/Heteronomie, Politik/Ökonomie und insbesondere Erscheinen/Verschwinden), indem die Lust an Grenz-Kontrollen selbst zum Thema gemacht werden. Genauer gesagt, wird dieser Text argumentieren, dass die Beschwörung von „Illegalen“, so wie sie von Regierungen, aber auch von einer Vielzahl von Bewegungen betrieben wird, nachhaltig dazu beigetragen hat, Grenzkontrollen zu verschieben und zu verlagern, d. h. anders als entlang von zwischenstaatlichen Grenzlinien durchzuführen. Grenzkontrollen, so die pointierte These, an der sich die weitere Argumentation orientieren wird, finden nicht unbedingt dort statt, wo sie für gewöhnlich erwartet werden – etwa an der Nahtstelle von Staaten als miteinander verwobene territoriale Entitäten –, sondern häufig anderswo: Als biometrische Maßnahmen haben sich Grenzkontrollen von ihrer Bindung an stationäre Grenzanlagen tendenziell gelöst. Sie „entbinden“ sich in dem Maße, wie Datenpakete mit „sensiblen Informationen“ zwischen diversen Relaisstationen eines transnationalen Grenzmanagements f luktuieren, um so „Illegaler“ habhaft zu werden, die zwischenstaatliche Grenzen geographisch bereits passiert haben, aber informatisch nachweisbar, d. h. hypothetisch greif bar bleiben. Wenngleich Grenzkontrollen immer schon eine intime Angelegenheit waren, zumal es ja so oder anders um das Verlangen geht, sich einer Autorität gegenüber erkennen zu geben, seinen eigenen Namen zu sagen, das Gesicht zu zeigen, sich evtl. sogar zu entblößen, so stellen biometrische Maßnahmen als integraler Bestandteil eines zunehmend digitalen Grenzmanagements doch eine Transformation dar, zumal nun nicht mehr Menschen einen räumlich wie zeitlich begrenzten Checkpoint passie-
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ren müssen, um sozusagen von einer Seite der Grenze zur anderen zu gelangen, sondern selbst zum (quasi unbegrenzten) Checkpoint werden. Um diese These etwas detaillierter zu formulieren, werde ich meine Argumentation wie folgt entwickeln: Zunächst einmal werde ich ausgehend von Michel Foucaults frühen Gedanken, dass „Sichtbarkeit [...] eine Falle“ (Foucault 1994: 257) sei, den er im Kontext seiner Kritik am Panoptismus fasst, zu zeigen versuchen, dass sich Grenzen im Prinzip als (techno-mediale) Schau-Plätze erörtern lassen, an denen vermittels diverser Apparaturen Bewegungen registriert werden. So werden etwa befremdlich, verdächtig, ungewohnt erscheinende Personen an den Grenzen von Medienagenturen regelrecht „in den Blick genommen“, während bildgebende Verfahren wiederum einen strategischen „Über-Blick“ zum turbulenten Grenzgeschehen versprechen und gewaltsame Grenzsicherungsmethoden konsequent dem „Blickfeld“ kritischer Initiativen und Assoziationen entzogen werden. In einem zweiten Moment werde ich kurz illustrieren, wie Grenzkontrollen insofern zu einer zunehmend intimen Angelegenheit geworden sind, als es im Vergleich zu jenem Schein der Person (2004), der von Valentin Groebner an der Schwelle von spätem Mittelalter und früher Neuzeit anhand der Geschichte von Passierscheinen nachgezeichnet wurde, nun vermehrt auf die Vermessung von Menschen als individuierbare Menge biologischer Datensätze, ja als digitalisierbare („pseudo-biolumineszente“) Wesen ankommt. Schließlich werde ich auf Gegen-Maßnahmen zu sprechen kommen, welche exemplarisch zu demonstrieren vermögen, dass diese spektrale Tendenz zum digitalen Grenzmanagement, welche sich gerade im Umgang mit „Illegalen“ bemerkbar macht, nicht ein zwingendes Schicksal ist und dass gegenwärtigen biometrischen Sichtbarkeitsfallen das eine oder andere Schnippchen geschlagen werden kann.
Grenzen als (kontrollierte) Schau-Plätze Wie Foucault in seiner wegweisenden Studie Überwachen und Strafen (1975), die selbst so etwas wie eine Wende seines Denkens hin zu einer Kritik von Macht-Wissen-Relationen markiert, schreibt, hat die „Durchsetzung der Disziplin [...] die Einrichtung des zwingenden Blicks [erfordert]: eine An- lage, in der die Techniken des Sehens Machteffekte herbeiführen und in der umgekehrt die Zwangsmittel die Gezwungenen deutlich sichtbar machen.
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Langsam bauen sich im Laufe des klassischen Zeitalters jene ‚Observatorien‘ der menschlichen Vielfältigkeit auf, denen die Wissenschaftsgeschichte so wenig Aufmerksamkeit gewidmet hat.“ (Foucault 1994: 221) Laut Foucault hat dies zur Folge, dass sich sozusagen „eine lichtscheue Kunst des Lichtes und der Sichtbarkeit [...] unbemerkt in den Unterwerfungstechniken und Ausnutzungsverfahren ein neues Wissen über den Menschen angebahnt [hat].“ (Ebd.) Bekanntlich dachte Foucault in diesem Zusammenhang primär an das Panopticon als „Diagramm eines auf seine ideale Form reduzierten Machtmechanismus“ (Foucault 1994: 264), so wie er von Jeremy Bentham im Rahmen seiner programmatischen Schrift Panopticon: or, the Inspection-House (17871791; siehe Bentham 2013) konzipiert wurde. Verglichen mit dem nationalen „Kerker-Archipel“ (Foucault 1994: 383) der Disziplinargesellschaf ten, welche, wie Foucault an anderer Stelle zu verstehen gibt (siehe Foucault 2003), historisch betrachtet bereits passé sind, sind die gegenwärtigen Kontrollgesellschaf ten mit ihren trans-nationalen „Lager-Archipelen“, die von pseudourbanen Flüchtlingslagern zu extraurbanen Asylquartieren qua „Straflager“ für unbegleitete Minderjährige reichen, jedoch nicht unbedingt an der Bewachung eingesperrter Un-Disziplinierter, sprich „delinquenter Subjekte“ interessiert. Gilles Deleuze zufolge verhält es sich vielmehr so, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer „allgemeinen Krise aller Einschließungsmilieus“ (Deleuze 1993: 255) kam, was wiederum zur Folge hatte, dass ein (relativ immobiles) System der Disziplinierungsmechanismen allmählich durch ein (relativ mobiles) Gefüge von Kontrollmaßnahmen ersetzt wurde, sodass es diesem historischen Wandel entsprechend effektiv Sinn macht, von Kontrollgesellschaften – und nicht etwa von Disziplinargesellschaften – zu sprechen. Während die Disziplin „von langer Dauer, unendlich und diskontinuierlich war“, so Deleuze, ist die Kontrolle „kurzfristig und auf schnellen Umsatz gerichtet, aber auch kontinuierlich und unbegrenzt“ (Deleuze 1993: 260). Diese Transformation ist laut Deleuzes Argumentation insofern von zunehmend globaler Bedeutung, als nun der „Mensch [...] nicht mehr der eingeschlossene, sondern der verschuldete Mensch [ist]. Allerdings hat der Kapitalismus als Konstante beibehalten, daß drei Viertel der Menschheit in äußerem Elend leben: zu arm zur Verschuldung und zu zahlreich zur Einsperrung. Die Kontrolle wird also nicht nur mit der Auflösung der Grenzen konfrontiert sein, sondern auch mit dem Explo-
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dieren von Slums und Ghettos.“ (Deleuze 1993: 260; vgl. Lazzarato 2012; Davis 2011; Wacquant 2008) Wiewohl sich die Vermutung Deleuzes, was die „Auflösung der Grenzen“ betrifft, insofern als etwas zu schematisch bzw. zu reduktionistisch erwiesen hat, als die viel zitierte „Auflösung“ (zwischenstaatlicher Grenzanlagen) vielerorts eher so etwas wie eine Re-Konfiguration und Multiplikation von Grenzregimen darstellt (siehe Papadopoulos/Stephenson/Tsianos 2008; Mezzadra/Neilson 2013), welche sich nunmehr zumeist durch Managementdiskurse rechtfertigen und Controllinginstrumente anwenden, so spricht doch Mehrerlei für die von ihm konstatierte Dominanz von relativ mobilen (Grenz-)Kontrollen. Zugleich sollte aber auch bedacht werden, dass die Transformation von Disziplinar- zu Kontrollmaßnahmen bzw. von nationalen Kerker- zu transnationalen Lagerarchipelen mit einer Veränderung optischer Apparate korrespondiert. Was einst als Überwachungsmaßnahme in geschlossenen Anstalten mit zentralisierten Blickwinkeln gedacht war, hat sich spätestens seit der Erfindung der Closed-Circuit Television (CCTVs) umfassend verändert: Es dominieren mittlerweile miteinander gekoppelte Apparaturen, die sozusagen um sich blicken, sich umherverteilen, aber auch sonst Daten erheben, ohne dass es eines (hypothetischen) Mittelpunkts bedürfte, welcher die diversen „Sehstrahlen“ vereinigte, bündelte. Kontrollmaßnahmen finden also zunehmend vernetzt und versetzt statt. Diese Transformation ist speziell für ein Verständnis gegenwärtiger Grenzkontrollen relevant, zumal die ikonischen Bilder des turbulenten Geschehens an so genannten hotspots – angefangen von Gummibooten via rettende (typisch: „weiße“, männliche) Helfer bis zu den dramatischen „Massenanstürmen“ von bordercrossers auf Zäune oder Barrikaden – zeigen, wie die „ungeregelten“ und „undokumentierten“ Bewegungen von den Blick-Apparaturen der gesandten Medienagenturen als standardisierte Video-Stills in Umlauf gebracht werden, um so handhabbare wie konsumierbare Grenz-Dokumente zu erzeugen. Oder, wie es Brigitta Kuster angesichts der typischen Darstellung mediterraner Überfahrten und Untergänge formuliert: „Das gegenwärtige europäische Grenzregime ist sicherlich ein solches staging, das in ganz besonderem Maße Dinge zusammen zeichnet, um sie regulierbar und kontrollierbar zu machen: die Visualisierung der Dynamik von
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Dingen und Körpern in der Migration und die Unveränderbarkeit ihrer Spuren über die Mobilisierung von Identität. Die dabei hervorgebrachte visuelle Kultur verbindet Visualisierungen und Darstellungsakte aus dem Blickwinkel von Polizei und geltendem Recht mit der Despotie der Identifizierung“ (Kuster 2018, 39f.; siehe auch Demos 2013). Ein besonders augenscheinliches Beispiel, wie selbst humanitäre Dokumentarfilme mit einem künstlerischen Anspruch eine überhebliche Kameraführung beim Filmen des Grenzgeschehens wiederholen, ist Ai Weiweis Filmprojekt Human Flow (2017). Es ist charakteristisch für die ästhetische Haltung dieses Films, dass er gleich zu Beginn mittels einer Kameradrohne – wie sie ansonsten von Grenzschutzbehörden verwendet werden – den Blick „von oben herab“ auf ein mit Menschen voll beladenes Schlauchboot richtet. Wie Georges Didi-Huberman in einer kritischen Rezension betont, ist diese Szene (so wie auch viele andere Szenen) typisch für die konstitutive Widersprüchlichkeit des Films: Ai Weiwei und sein Kamerateam möchten eine humane Über-Sicht des Grenzgeschehens bieten, über-sehen allerdings, wie die Kamera Menschen aus einer Perspektive filmisch in den Blick nimmt, welche im Prinzip jene autoritäre der Grenzschutzbehörden unkritisch nachvollzieht bzw. anerkennt (siehe Didi-Huberman 2018). Abgesehen von all den Medienagenturen, die sichtlich darauf abfahren, Grenzen als einen Schau-Platz zu vereinnahmen, ja zu kommodifizieren, indem sie Serien von Bildern in Umlauf bringen, die immer wieder auf mehr oder weniger dieselben Ereignisse und Geschehnisse fokussieren, gibt es auch noch eine Menge von vergleichsweise verdeckt operierenden Blick-Apparaturen. Es sind all jene mikro- und makroskopischen bildgebenden Verfahren, die von Seiten der verschiedensten Grenzschutzbehörden aufgebracht und eingesetzt werden, um mittels Satellitenbildern, Langstreckendrohnen, Radaranlagen, Bewegungsmeldern, Irisscannern, biometrischen Systemen etc. Grenzzonen detailliert zu rastern. Dies geschieht insbesondere, indem allerhand Informationen zu klandestinen Routen, Passagen und Querungen gesammelt und verlinkt werden, sodass ein mehrteiliges und vielschichtiges Bild der „stürmischen“ Lage an Grenzen entsteht. Anschauliche Coverbilder, wie etwa jenes, das für Frontex’ Annual Risk Analysis des Jahres 2015 gewählt wurde,1 geben plakativ zu verstehen, dass sich diese transnationale 1 https://frontex.europa.eu/assets/Publications/Risk_Analysis/Annual_Risk_Analysis_2015.pdf
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Regierungsagentur der Europäischen Union auf die kybernetische Kunst der Steuerung beruft, und zwar durch gouvernementale Beiboote, welche im Auftrag der EU diverse Grenzkampagnen absolvieren: angefangen von Patrouillen-Missionen quer durchs Mittelmeer über Push-Back-Operationen bis zu Schulungsprogrammen für (europäische und nicht-europäische) Grenzschutzbehörden. Wobei Frontex mehrfach verlautbaren hat lassen, dass es eigentlich kein Ziel sein könne, Grenzen absolut dicht zu machen und sich wie eine Festung zu verbarrikadieren. Es komme stattdessen darauf an, lautet eine bezeichnende Phrase, die f lows der „Illegalen“ zu kartieren und zu visualisieren, sodass sie sich – mal diskret, mal brutal – managen, d. h. hemmen, umleiten oder kanalisieren lassen. Die Verwendung von bildgebenden Verfahren knüpft dabei an den Diskurs des Risiko-Managements an (siehe Power 2007), zumal mittels diverser Geräte – sei es an Land, in der Luft oder im Wasser – informative Bilder erzeugt werden, die sich, bildlich gesprochen, dazu eignen, dem angeblichen Risiko wieder „Herr zu werden“, zumindest visuell. Wie Rogier van Reekum und Willem Schinkel betonen, abstrahieren solche Visualisierungsversuche aber prinzipiell „from the realities of borderlands. Visualizations do, nonetheless, constitute sites where states decide what counts as border crossings, and they concur with, draw plausibility from, and feed into popular imaginaries of the border-as- a-geographical-line. [...] Visualizing border crossings is therefore also a way of managing populations – a work that needs affirmative visualizations of that which cannot be simply ‘seen’: the crossing of a line.“ (van Reekum/Schinkel 2016: 29f.) Ferner sollte auch nicht vergessen werden, dass die gouvernementale ebenso wie die alltägliche Lust, das Geschehen an Grenzen durch konventionelle und inter-operable Bilder zu kontrollieren, ja zu bannen (see Bigos Begriff des ban-opticons: Bigo 2008), immer wieder von Versuchen f lankiert wird, Verletzungen von Menschen- und Grundrechten zu kaschieren (bzw. mit „niedlichen“ Fotos zu verdecken2) oder zumindest so zu retuschieren, dass sie in einem „anderen Licht“ erscheinen mögen und gemäß den Vorgaben der
2 T ypische PR-Aktionen von Frontex sehen wie diese aus: https://twitter.com/frontex/status/ 890569624248627200
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Regierungslinie nachvollzogen werden können.3 Und schließlich muss auch noch bedacht werden, dass es nach wie vor etliche Bereiche gibt, die mehr oder weniger im Schatten liegen, weil sie entweder zu Sperrzonen deklariert wurden, ohne Spezialgenehmigung unzugänglich sind oder einer strikten Nachrichtensperre unterliegen. Zwar ist es nicht unbedingt so, dass von Schubhaftanstalten oder, euphemistisch gewandt, „Ausreisezentren“ gar keine Bilder existieren würden, aber es handelt sich zumeist um solche, die durch Regierungsprogramme gerahmt wurden und, zumindest auf den ersten Blick, kaum mehr erkennen lassen, als dass sie herrschenden Interessen gegenüber dienlich und förderlich, sprich angemessen sind.
Mensch-Schein: biometrische Anmassungen Es macht also Sinn, Grenzen als Gebilde denken zu lernen, welche sich aus verschiedenen, ergänzenden und stützenden, teils aber auch widersprechenden und divergierenden Bildern speisen, ja bilden. Wobei Nicholas Mirzoeff zufolge beachtet werden sollte, dass das beherrschende Verlangen, eine Übersicht („overview“) des Geschehens zu erlangen oder zu erhalten, im Prinzip ein autoritäres Verlangen ist, zumal Autorität bevorzugt durch Beaufsichtigung und Beobachtung erwirkt, sprich durch visuelle Kontrollen erreicht wird, wie die Geschichte der Plantagensklaverei als Geschichte einer visualisierten Kontrolle („visualized surveillance“) von Versklavten durch overseers – parallel zum Konzept des Panoptikums – zu erkennen gibt (siehe Mirzoeff 2011: 50, 48-76). Die changierende Lust an Grenzkontrollen hat insofern einen bedeutenden Anteil an der sukzessiven Etablierung und momentanen Proliferation von visuellen Kontrollen, als sie maßgeblich dazu beigetragen hat, Prozesse der Identifizierung durch Kulturen der Visualisierung zu bewältigen. Die „Verdoppelung der Person“, von der Groebners Buch Der Schein der Person handelt, ist im Lichte der Geschichte der Grenzkontrollen keine genuin moderne Erscheinung. In dem Maße, wie „sich die Geschichte des Identifizierens in Europa buchstäblich auf der Haut beginnen [ließe]“ (Groebner 2004: 70), da sichtbare Körperzeichen – wie z. B. Narben – bereits seit der 3 E in Beispiel von message control durch das österreichische Innenministerium ist die folgende „Reportage“: https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=37657670323756484A324D3D
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Antike als Beweismittel zur Feststellung bzw. Zuschreibung von Identität dienten, zeigt sich, dass die Epidermis schon seit geraumer Zeit „der Ort eines besonderen Visualisierungsvertrags [ist]: Sie ist jene Oberf läche, die über die besondere Natur einer Person Auskunft gibt. Wenn man sie nur genau liest.“ (Ebd.) Die frühneuzeitliche Erfindung von Identitätsurkunden wie litterae passus, passaporti, passeports, passzettel und bassborten, welche die Identität von Reisenden garantieren, sprich: mittels eines amtlichen Schreibens verbürgen sollten, markiert einen ersten Umbruch der Visualisierungsstrategien, da es seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zunehmend zur Pf licht für immer mehr Menschen wurde, eine beglaubigte Bescheinigung der eigenen Identität bei sich zu führen, um sich so Behörden gegenüber sichtlich identifizieren zu können. Allerdings, so Groebner, boten eben diese Identitätsurkunden auch die Gelegenheit der Fälschung, sodass sie „eher ein Versprechen auf Kontrolle und komplette Registrierung als deren funktionierende Instrumente [waren]. Noch häufiger wurden sie als Mittel benutzt, eben diese Kontrollen zu unterlaufen.“ (Groebner 2004: 157) Dieser Umbruch lässt sich u. a. daran erkennen, dass das „hochmittelalterliche Wort schîn“, welches Groebner zufolge zunächst einmal „für Sichtbarkeit, Leuchten, Offenbar-werden, für Gestalt, Bild, sichtbaren Beweis [stand]“ (ebd.), so ab 1500 zwei verschiedene Bedeutungen miteinander kombinierte: Einerseits bedeutete es „Urkunde, Bescheinigung, Ausweis“ (ebd.), andererseits aber auch „Trug, Simulation, Unwirklichkeit“ (ebd.). Wie Groebner ferner argumentiert, ist die große Erzählung, wonach „Identifikation [...] administrative Ordnung [schafft]“ (Groebner 2004: 163), insofern eine verführerische – aber letzten Endes irreführende – „Fabel“ (ebd.), als die wiederholten Versuche, jemanden zweifelsfrei zu identifizieren, ein Versprechen darstellten, das der bürokratische Apparat des Staates kaum zu halten vermochte. Selbst im 19. Jahrhundert war ein erheblicher Teil jener geschätzten Millionen von Menschen, die durch europäische Ländereien zogen und die sozialen, politischen und ökonomischen Verhältnisse nachhaltig verschoben, weiterhin „ohne die vorgeschriebenen Papiere“ (Groebner 2004: 165) am Weg. Der Zwang, sich selbst auf Verlangen einer Autorität erkennen zu geben, indem man ein Identitätsdokument bei sich führt und vorzeigt, welches neben ein paar Details zur Person auch noch eine Photographie der eigenen Gesichtszüge enthält, ist, genau genommen, relativ jungen Datums. Analog zu Nietzsches Studie zur Geburt der Musik, könnte im Fall des modernen Reisepasswesens argumentiert werden, dass
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dieses „aus dem Geiste des Krieges“, d. h. erst mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges entstanden sei, aber schon wenige Jahre später zum Standard avancierte. Während die neuzeitlichen Reisedokumente zumeist schriftliche Informationen enthielten, welche die Identität der Reisenden deutlich beschrieben und doch, wie Sprache nun mal so ist, mehrdeutig blieben, wurden die Reisepässe des frühen 20. Jahrhunderts um eine Photographie ergänzt, die als Abbild einer Person deren Erscheinung mittels Stempel und weiteren Sicherheitsmerkmalen amtlich bestätigte, ihre Identität offiziell bescheinigte. Zwischen Identitätsurkunden und Grenzkontrollen besteht also ein geschichtsmächtiger Zusammenhang, zumal sich beide wechselseitig bedingen und durchdringen. Verhält es sich so, wie von Groebner skizziert wird, dass die Anfänge des modernen Reisepasswesens in technischer Hinsicht noch relativ bescheiden waren und nur zögerlich schriftliche Personenangaben mit photographischen Passbildern verschränkt wurden, dann zeigt sich, dass seit Beginn des 21. Jahrhunderts eine multimediale Transformation stattfindet, deren Konsequenzen sich momentan bestenfalls erahnen lassen. Die Ereignisse rund um den Terroranschlag 9/11 haben sich insofern als ideale Gelegenheit für all jene Kräfte und Interessen erwiesen, die weit mehr als bisher in Kontrollinstrumente investieren wollten, als eine Stimmung der Verunsicherung gekonnt genutzt wurde, um vermehrt mit biometrischen Maßnahmen zu experimentieren, welche den menschlichen Körper als digitalisierbaren Organismus erfassen und die bisherigen Identitätsurkunden tendenziell redundant machen. So erinnert David Lyon beispielsweise an wiederholte Episoden, als Silicon-Valley-basierte Firmen wie etwa Oracle gleich nach 9/11 der Regierung der Vereinigten Staaten ihre Dienste anboten, um mittels datenbankgestützter ID-Systeme Identitäten effizienter als bisher zu managen und in weiterer Folge Grenzkontrollen zu professionalisieren (siehe Lyon 2003: 72). Zwar kann argumentiert werden, dass die Aussicht auf enorme Gewinne z.T. wilde Blüten getrieben hat, etwa wenn die Idee geboren wurde, es wären ja auch ID-Implantate denkbar (ebd.), und dass terroristische Anschläge sich kaum durch biometrische Maßnahmen vermeiden lassen werden, viel bedeutender ist allerdings, dass durch die Entwicklung neuer Visualisierungsstrategien zur Feststellung von Identität insbesondere Grenzkontrollen rekonfiguriert wurden. Auch von biometrischen Maßnahmen kann zunächst einmal gesagt werden, dass sie keine Erfindung des 21. Jahrhunderts sind. Als Wort war
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„Biometrie“ bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebräuchlich, wobei, Ironie der Geschichte, zunächst „die Kunst, durch verständige, genau berechnete Eintheilung und Benutzung der Zeit das menschliche Wohlbefinden zu begründen, sich und sein Glück hoch empor zu bringen, Gesundheit, innern Frieden, Kenntnisse und Reichthum zu erlangen, und sich hohen und dauernden Lebensgenuss zu verschaffen“ (zit. nach Allgemeines Repertorium der neuesten in- und ausländischen Literatur für 1825: 331), gemeint war. Und als Verfahren, den Menschen als biologischen Organismus zu vermessen, lässt sich die Biometrie ebenfalls ins 19. Jahrhundert zurückdatieren, wenn bedacht wird, dass sich ausgehend von den Studien Francis Galtons und den Methoden Alphones Bertillons sukzessive ein – speziell von Rassismus und Sexismus geprägtes – Wissen vom Menschen zu formieren begann, das Eugenik, Forensik, Physiognomie, Anthropometrie, Daktyloskopie, Photographie, Differenzialpsychologie etc. sukzessive zu dem integrierte, was heute die Biometrie als komplexes Wissensgebiet kennzeichnet. Informatik und Digitalisierung haben die herkömmlichen Vermessungsmethoden sprichwörtlich revolutioniert, da bis zur Verwendung von Datenbanken und interoperablen Systemen eines der gravierendsten Probleme bei der Umsetzung biometrischer Maßnahmen darin bestand, die ermittelten Messergebnisse zu speichern, zusammenzufügen, zu verwalten, zu bearbeiten und nach Bedarf zu verwerten bzw. weiterzuleiten. Gegenwärtige Grenzkontrollsysteme wie IDENT in den Vereinigten Staaten oder EasyPASS in Deutschland oder die Datenbank EURODAC zur Registrierung und Verwaltung von Asylverfahren durch EU-Mitgliedsstaaten sowie das BIMS- und PRIMES-System der UNHCR für Gef lüchtete illustrieren, dass das digitale Grenzmanagement sowohl auf staatlicher als auch auf transnationaler Ebene die Identitätsurkunden des 20. Jahrhunderts zunehmend ersetzt – oder zumindest verändert –, indem Apparate installiert werden, die für Identifikation durch biometrische Verifizierungen sorgen sollen (siehe Wichum 2017). So haben insbesondere biometrische Visualisierungsstrategien wie Gesichtserkennungsverfahren, die mittlerweile ja auch spielerisch via Smartphones oder Digitalkameras vermarktet und geübt werden, nachhaltig dazu beigetragen, das menschliche Selbstverständnis nach Maßgabe einer, um es mit Eugene Thacker (2004: 28) zu sagen, biomedialen Kultur der Transparenz zu modellieren. Anders gesagt, biometrische Maßnahmen, die sich bevorzugt auf menschliche Gesichter bzw. Gesichtspartien konzentrieren und dabei versprechen, diese trotz
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oder gerade wegen ihrer Diversität und Variabilität korrekt zu identifizieren, während punktuell registrierte Merkmale mittels Algorithmen so codiert und durch Datenbanken miteinander verglichen werden, dass sie einer einzelnen Person zugeordnet bzw. zugerechnet werden können, sind mittlerweile ein bestimmendes Moment zunehmend invasiver (Grenz-) Kontrollen. Einmal abgesehen davon, dass Flüchtlingscamps nicht selten als Stützpunkte dienen, um, wie im Fall der Plattform IrisGuard, die Funktionalität von biometrischen Produktpaletten vorab zu testen, indem vulnerable Menschengruppen von IT-Firmen durch Beistand der UNHCR als vorbildliche, da unfreiwillige, Testsubjekte gewählt werden, zeigt sich auch sonst, dass solche Maßnahmen dazu verwendet werden, um Grenzkontrollen anders als entlang von zwischenstaatlichen Grenzlinien durchzuführen. Oder, wie es Lyon im Gespräch mit Zygmunt Bauman rund um die Thematik einer sich verf lüssigenden Überwachung formuliert: „Although the paraphernalia of checkpoints or Customs and Immigration offices may be at border crossings, the use of remote databases and telecommunications networks means that the crucial – and consequential – checking happens extraterritorially or at least in multiple locations whose actual whereabouts is immaterial (almost in both senses!). But another meaning of the border being everywhere is that it doesn’t matter either where the ‘undesirable’ migrant is. You can be apprehended anywhere.“ (Lyon in Bauman/ Lyon 2013: 116)
Von der Kunst, opak zu werden Die Dis-Lokation bzw. Mobilisierung von Grenzkontrollen, welche durch bildgebende Verfahren – wie biometrischen Maßnahmen – befördert wird, bedeutet einerseits, dass sich ein digitales Grenzmanagement zu entfalten beginnt und immer mehr Bereiche des zwischenmenschlichen Alltags „kolonisiert“. Andererseits hat diese Tendenz auch zur Folge, dass Grenzen mittlerweile hautnah erlebt werden. In dem Maße, wie sich Grenzkontrollen auf menschliche Körper in Bewegung spezialisieren und diese als individuierbare Sammlung biologischer Daten begreifen, d. h. durch verschiedene Apparate scannen, zeigt sich nämlich, dass der Mensch nunmehr vorrangig
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als pseudo-biolumineszentes Wesen in Betracht gezogen und als organischer checkpoint behandelt wird. Während jene, die sich ihrer staatsbürgerlichen Rechte relativ sicher sein können, diese Grenzkontrollen zumeist als eine mehr oder weniger lästige, da intime (und im Prinzip sogar penetrante) Angelegenheit empfinden, aber ansonsten unbeschadet passieren, verhält es sich bei denen, die als „Illegale“ stigmatisiert und rechtlich diskreditiert werden, anders. Ihnen rücken die gegenwärtigen Visualisierungsstrategien insofern ganz anders auf die Pelle, als sie die Eventualität, bei alltäglichen Erledigungen unversehens kontrolliert werden zu können und infolge einer Verifizierung ihrer biometrischer Daten durch Datenbanken wie EURODAC als „rechtswidrig auf hältige Fremde“ oder als „Dublin-Fälle“ klassifiziert zu werden, als omnipräsente Angst erleben (siehe Khosravi 2010: 71; vgl. Kuster/Tsianos 2013). Anders gesagt, die Gefahr, plötzlich in eine biometrische Sichtbarkeitsfalle zu tappen, erzeugt bei Menschen, die in weiterer Folge evtl. in Schubhaft genommen und abgeschoben werden können, eine Stimmung der Angst, die ihr alltägliches Dasein häufig dominiert und sie auch dann zu knebeln droht, wenn sie sich bereits seit Jahren relativ unbehelligt „zwischen uns“ befinden. Wird bedacht, dass diese um sich greifende Stimmung der Angst einer der wohl bedrückendsten Effekte gegenwärtiger biometrischer Maßnahmen ist, die „Illegale“ durch raffinierte Visualisierungsstrategien zu immobilisieren versuchen, dann ist auch nachvollziehbar, wieso es mittlerweile problematisch wäre, Erscheinen und Verschwinden einander direkt gegenüberzustellen. Erscheinen kann selbst zum Verschwinden bringen, wie das beispielsweise bei Menschen geschieht, für welche eine biometrische Durchleuchtung bedeutet, dass sie ohne adäquate Bescheinigung ihrer rechtlichen Existenz des Landes verwiesen werden bzw. existenziell ruiniert werden können. Zugleich kommt es aber auch darauf an, nochmals in Erinnerung zu rufen, dass die lukrative Lust an Grenzkontrollen kaum zu halten vermag, was von Produktankündigungen oder während der alljährlichen Border Security Expos prahlerisch versprochen wird: Umfassende und vollständige Grenzkontrollen sind auch heute – düstere, gouvernementale – Phantasien. Allerdings können sie auch als solche dramatische Folgen haben. Um exemplarisch zu illustrieren, dass diese spektrale Tendenz zum digitalen Grenzmanagement kein zwingendes Schicksal ist, soll gegen Ende dieses Beitrages zumindest ein Projekt skizziert werden, das exemplarisch zeigt, wie wichtig es ist, entgegen dem Imperativ der Transparenz wieder
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das zu fordern und zu kultivieren, was in Erinnerung an Édouard Glissant als Recht auf Opazität bezeichnet werden kann (siehe z. B. Glissant 2006: 189194). Das Projekt Face Cages (2013–2016), welches von Zach Blas initiiert und gemeinsam mit Micha Cárdenas, Elle Mehrmand und Paul Mpagi Sepuya realisiert wurde, steht dabei stellvertretend für eine von vielen Gegen-Maßnahmen, welche sich dem Druck biometrischer Verfahren experimentell entziehen bzw. diesen kritisch ref lektieren, indem sie sich der Kunst, opak zu werden, zuwenden. Im Fall dieses Projekts war es Blas ein Anliegen, den Druck der Biometrie demonstrativ vor Augen zu führen, indem er zunächst sein eigenes Gesicht und das der drei anderen biometrisch scannen ließ, um anhand der gewonnen biometrischen Diagramme 3D-Modelle zu erzeugen, welche durch einen 3D-Printer gedruckt und schließlich physisch als „Gesichtskäfige“ (face cages) getragen werden konnten. Wie Blas selbst argumentiert, versinnbildlicht sein kooperatives Projekt Face Cages „a dramatization of the abstract violence of the biometric diagram [... by constructing] three-dimensional metal objects, evoking a material resonance with handcuffs, prison bars, and torture devices used during the Medieval period and slavery in the United States. [...] The computational biometric diagram, a supposedly perfect measuring and accounting of the face, once materialized as a physical object, transforms into a cage that does not easily fit the human head, that is extremely painful to wear. These cages exaggerate and perform the irreconcilability of the biometric diagram with the materiality of the human face itself – and the violence that occurs when the two are forced to coincide.“ (Blas o. J.) Biometrische Maßnahmen werden von Blas prinzipiell als gewaltsame Vermessungen (menschlicher Körperpartien) entlarvt, indem er durch diverse Installationen und Performances nachempfindbar und vorstellbar macht, wie schmerzlich es ist, wenn solche Gesichtsmasken, die aus biometrischen Datensätzen generiert wurden, als Maß aller Dinge und zwischenmenschlicher Verhältnisse gehandelt werden. Denn die biometrischen Apparate, welche momentan benützt werden, um biologische Daten systematisch zu erfassen, reproduzieren selbst herrschende Raster der Wahrnehmung: Es zeigt sich nämlich, dass biometrische Maßnahmen einerseits gezielt gegen Menschen gerichtet sind, die „anders“ erscheinen; andererseits scheitern biometrische Maßnahmen oft just an der Erscheinung von Menschen, deren
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Gesichtszüge (oder Fingerabdrücke) als a-typisch gelten. Biometrische Maßnahmen sind also bloß scheinbar indifferent – tatsächlich re-produzieren sie Differenzen in dem Maße, wie die algorithmischen Kalküle, die zur Berechnung von Daten angewandt werden, eben jene Modi der Diskriminierung bedienen bzw. bestätigen, die historisch von Rassismus via Sexismus bis Ableismus reichen und nun eine informatische Qualität erhalten. Blas’ Projekte, zu denen neben Face Cages auch Facial Weaponization Suite (2011–14) gehört, bilden kreative Gegen-Maßnahmen, die das Imperativ der Transparenz und die dazu gehörigen biometrischen Verfahren nicht frontal attackieren. Es handelt sich, wenn schon, um Schritte zur Seite, die zunächst einmal zu denken geben sollen bzw. zu einem Denken anregen können, das sich vom Bann der biometrischen Apparate spielerisch emanzipiert und zugleich für eine andere Sensibilität engagiert. Es ist eine Sensibilität, die Blas als Kunst, sich un-scheinbar zu machen, charakterisiert und wie folgt umschreibt: „opacity is an aesthetico-political practice that enables revolt and envisions alternatives through speculative proposition and practical experimentation [...]. Informatic opacity, then, is not about simply being unseen, disappearing, or invisible, but rather about creating autonomous visibilities, which are trainings in difference and transformation. While such practices might remain utopic speculations or small-scale realizations, art makes the impossibility of informatic opacity feasible, practical, and fantastic, and its aesthetics omit something other than light that collectivizes and builds solidarity.“ (Blas 2016, 49-51) Oder, um es mit etwas anderen Worten zu sagen, angesichts einer immer zudringlicheren Apparatur, die Menschen informatisch scannt, sortiert, selektiert, um unzählige, die – wie „Illegale“ – als unangemessen oder unangepasst identifiziert werden, so oder anders zu entsorgen, könnte es darauf ankommen, eine neuerliche Ästhetik des Widerstands zu formulieren – eine, die zwischen Erscheinen und Verschwinden Breschen schlägt und dem Schwindenden, Flackernden und Nebulösen ihr Recht gesteht.
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Literatur Allgemeines Repertorium der neuesten in- und ausländischen Literatur für 1825. Hrsg. von einer Gesellschaft Gelehrter und besorgt von Christian Daniel Beck. Dritter Band. Leipzig: Carl Cnobloch, 1825. Arendt, Hannah (2011): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaf t. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaf t. 14. Auf lage. München/Zürich: Piper. Bauman, Zygmunt/Lyon, David (2013): Liquid Surveillance: A Conversation. Cambridge/Malden: Polity. Bentham, Jeremy (2013): Das Panoptikum. Übers. von Andreas Leopold Hofbauer. Hrsg. von Christian Welzbacher. Berlin: Matthes & Seitz. Bigo, Didier (2008): „Globalized (in)security: The Field and the Ban-Opticon.“, in: Didier Bigo/Anastassia Tsoukala (Hg.), Terror, Insecurity and Liberty: Illiberal Practices of Liberal Regimes Af ter 9/11, London/New York: Routledge, S. 10-48. Blas, Zach (o. J.): Face Cages, 2013-16, http://www.zachblas.info/works/face -cages/ Blas, Zach (2016): „ ‚Informatic Opacity‘ “, in: The Black Chamber: Surveillance, Paranoia, Invisibility & the Internet. Catalogue of the Exhibition curated by Eva & Franco Mattes and Bani Brusadin, Brescia: Link Editions. Davis, Mike (2011): Planet der Slums. Übers. von Ingrid Scherf. 2. Auflage. Berlin: Assoziation A. Deleuze, Gilles (1993): „Postskriptum über die Kontrollgesellschaften.“, in: Unterhandlungen 1972-1990, übers. von Gustav Roßler, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 254-262. Demos, T.J. (2013): The Migrant Image: The Art and Politics of Documentary During Global Crisis. Durham/London: Duke University Press. Didi-Huberman, Georges (2018): „From a High Vantage Point.“, in: Eurozine 12 October 2018, https://www.eurozine.com/high-vantage-point/ Foucault, Michel (1994): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Übers. von Walter Seitter. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Foucault, Michel (2003): „Die Disziplinargesellschaft in der Krise (Konferenz).“, übers. von Hermann Kocyba, in: Schrif ten in vier Bänden. Dits et Ecrits. Band III: 1976-1979, hg. von Daniel Defert und François Ewald unter Mitarbeit von Jacques Lagrange. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 671674.
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Glissant, Édouard (2006): Poetics of Relation. Übers. von Betsy Wing, Ann Arbor: The University of Michigan Press. Groebner, Valentin (2004): Der Schein der Person. Steckbrief, Ausweis und Kon trolle im Mittelalter. München: C. H. Beck. Gündoğdu, Ayten (2015): Rightlessness in an Age of Rights: Hannah Arendt and the Contemporary Struggles of Migrants. Oxford/New York: Oxford University Press. Khosravi, Shahram (2010). „Illegal“ Traveller: An Auto-Ethnography of Borders. Basingstoke/New York: Palgrave Macmillan. Kuster, Brigitta/Tsianos, Vassilis S. (2013): „Erase them! Eurodac und die digitale Deportabilität.“, in: eipcp 01 (2013), http://eipcp.net/transversal/0313/kuster-tsianos/de/ Kuster, Brigitta (2018): Grenze filmen. Eine kulturwissenschaf tliche Analyse audiovisueller Produktionen an den Grenzen Europas. Bielefeld: transcript. Lazzarato, Maurizio (2012). Die Fabrik des verschuldeten Menschen. Ein Essay über das neoliberale Leben. Übers. von Stephan Geene, Berlin: b_books. Lyon, David (2003): Surveillance af ter September 11. Cambridge/Malden: Polity Press. Mezzadra, Sandro/Neilson, Brett (2013): Border as Method, or, the Multiplication of Labor. Durham/London: Duke University Press. Mirzoeff, Nicholas (2011): The Right to Look: A Counterhistory of Visuality. Durham/London: Duke University Press. Papadopoulos, Dimitris/Stephenson, Niamh/Tsianos, Vassilis (2008): Escape Routes: Control and Subversion in the 21st Century. Ann Arbor: Pluto Press. Power, Michael (2007): Organized Uncertainty: Designing a World of Risk Management. Oxford/New York: Oxford University Press. Reekum, Rogier van/Schinkel, Willem (2016): „Drawing Lines, Enacting Migration: Visual Prostheses of Bordering Europe.“, in: Public Culture 29.1, S. 27-51. Thacker, Eugene (2004): Biomedia. Minneapolis/London: University of Minnesota Press. Wacquant, Loïc (2008): Urban Outcasts: A Comparative Sociology of Advanced Marginality. Cambridge/Malden: Polity Press. Wichum, Ricky (2017): Biometrie. Zur Soziologie der Identifikation. Paderborn: Wilhelm Fink.
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Autorinnen und Autoren
Dávid Bán, PhD, cultural anthropologist, urban researcher. Research area: human use of the public places, sustainable architecture. Working areas: global education, project coordination, development teaching materials, trainings and technical assistance on Digital Storytelling workshops at Anthropolis Association in Budapest. Manuela Bojadžijev, Dr., ist Professorin für Globalisierte Kulturen an der Leuphana Universität Lüneburg und Vizedirektorin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität. Forschungsschwerpunkte: globalisierte und digitale Kulturen, Transformationsprozesse von Mobilität und Migration, Rassismus, Veränderungen von Arbeit und Alltag durch Digitalisierung und Logistik in urbanen Räumen. Jasmin Donlic, Dr., Universitätsassistent am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Universität Klagenfurt, Arbeitsbereich Allgemeine Erziehungswissenschaft und Diversitätsbewusste Bildung; Forschungsschwerpunkte: Inter-/transkulturelle Bildung im Kontext von Migration und Inklusion, Mehrsprachigkeit an Schulen und jugendliche Identitätsbildung in regionalen transnationalen Räumen. Henrike Friedrichs-Liesenkötter, Dr., Juniorprofessorin für Bildungswissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg, Arbeitsbereiche: Bildung mit digitalen Medien; Forschungsschwerpunkte: Medien und (Medien-)Bildung, Migration und Flucht im Kontext digitaler Medien und Aufwachsen mit digitalen Medien.
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Jahrbuch Migration und Gesellschaft 2019/2020
Marc Hasselbach, Master in Medien- & Bildungsmanagement, ist geschäftsführender Gesellschafter der Unkonvention UG Ravensburg. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind Digitale Kommunikation und Digitale Soziale Arbeit. Peter Holzwarth, Dr., Dozent für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Themenschwerpunkte: Medienpädagogik, interkulturelle Medienarbeit, Migrationsforschung, Migration im Film, Filmbildung, aktive Medienarbeit, Medienethik, Fotografie, Visual Literacy, visuelle Forschungsmethoden, Globales Lernen, Life Skills und Medien. Jana Hüttmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bildungswissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg. Forschungsschwerpunkte: (Bildungs-)Teilhabe, Migration und Flucht im Kontext digitaler Medien, Bildung und Diversität. Viktória Mihalkó, MA in Cultural and Visual Anthropology, History, Museology and Pedagogy. Working areas: project management and trainings on Global Education and Sustainability, Digital Storytelling and prevention of human trafficking and slavery, co-authoring teaching materials at Anthropolis Association in Budapest. Freya-Maria Müller, ehm. wissenschaftliche Mitarbeiterin an der der Universität Bielefeld University. Forschungsschwerpunkte: Digitale Medien und jugendliche Gef lüchtete. Balazs Nagy, MA in Psychology, Film-theory, Pedagogy and psychodrama therapist. Working areas: project management and training on Global Education and Sustainability, Digital Storytelling, co-author of teaching materials at Anthropolis Association in Budapest. Aisling O’ Beirn is an artist based in Belfast and lecturer in Fine Art at Ulster University. She has exhibited nationally and internationally. Her sculptural work explores space as a physical structure and political entity by making and animating forms relating to observed and theoretical structures being studied by contemporary scientists.
Autorinnen und Autoren
Andreas Oberprantacher, Dr., assoziierter Professor am Institut für Philosophie der Universität Innsbruck, stellvertretender Sprecher des Doktoratskollegs „Dynamiken von Ungleichheit und Differenz im Zeitalter der Globalisierung“, Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Sozialphilosophie und Politische Philosophie, Ästhetik, Technik- und Medienphilosophie. Hans Karl Peterlini, Dr., Universitätsprofessor am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Universität Klagenfurt, Arbeitsbereiche Allgemeine Erziehungswissenschaft und Diversitätsbewusste Bildung sowie Friedensforschung und Friedensbildung; Forschungsschwerpunkte: Personale und gesellschaftliche Lernprozesse in Schule und Lebenswelt, Erfahrungen des Zusammenlebens in der Migrationsgesellschaft sowie zwischen Mehrheiten und Minderheiten. Karin Elinor Sauer, Dr. rer. soc., ist Professorin für Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Villingen-Schwenningen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft, Dis_ability Studies und Community Music. Christina Schachtner, Dr. Dr., em. Universitätsprofessorin am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Klagenfurt. Forschungsschwerpunkte: Selbstinszenierungen im virtuellen Raum, Erzählen im Zeitalter des Internets, Soziale Bewegungen und Digitalisierung, Kinder und Medien, Transkulturalität und Mediatisierung, Migration und Medien. Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren an der Shanghai International Studies University, an der University of London, an der University of Western Sydney, am Massachusetts Institute of Technology. Kristin Westphal, Dr., Universitätsprofessorin an der Universität Koblenz, Bildungswissenschaften. Zentrum für zeitgenössisches Theater und Performancekunst Studiengang Darstellendes Spiel. Schwerpunkte: Pädagogische Anthropologie und Phänomenologie; Ästhetik und Bildung. Erziehen und Bilden in der Kindheit. Forschung zur Kulturellen Bildung. Mitherausgeberin der Reihen: Räume der Pädagogik (Beltz Juventa) und Tanz. Theater. Performance. (Athena).
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Soziologie Naika Foroutan
Die postmigrantische Gesellschaft Ein Versprechen der pluralen Demokratie 2019, 280 S., kart., 18 SW-Abbildungen 19,99 € (DE), 978-3-8376-4263-6 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4263-0 EPUB: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4263-6
Maria Björkman (Hg.)
Der Mann und die Prostata Kulturelle, medizinische und gesellschaftliche Perspektiven 2019, 162 S., kart., 10 SW-Abbildungen 19,99 € (DE), 978-3-8376-4866-9 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4866-3
Franz Schultheis
Unternehmen Bourdieu Ein Erfahrungsbericht 2019, 106 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-4786-0 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4786-4 EPUB: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4786-0
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Soziologie Sybille Bauriedl, Anke Strüver (Hg.)
Smart City – Kritische Perspektiven auf die Digitalisierung in Städten 2018, 364 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-4336-7 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4336-1 EPUB: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4336-7
Weert Canzler, Andreas Knie, Lisa Ruhrort, Christian Scherf
Erloschene Liebe? Das Auto in der Verkehrswende Soziologische Deutungen 2018, 174 S., kart. 19,99 € (DE), 978-3-8376-4568-2 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4568-6 EPUB: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4568-2
Juliane Karakayali, Bernd Kasparek (Hg.)
movements. Journal for Critical Migration and Border Regime Studies Jg. 4, Heft 2/2018 2019, 246 S., kart. 24,99 € (DE), 978-3-8376-4474-6
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