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German Pages 254 [256] Year 2023
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Hereditare – Jahrbuch für Erbrecht und Schenkungsrecht Band 12 (2022)
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Hereditare – Jahrbuch für Erbrecht und Schenkungsrecht herausgegeben von
Karlheinz Muscheler
Mohr Siebeck
IV Manuskripte bitte an: Prof. Dr. Katharina Uffmann Ruhr-Universität Bochum Juristische Fakultät Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht und Recht der Familienunternehmen Universitätsstr. 150 44801 Bochum [email protected] Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei eingereichten Manuskripten um unveröffentlichte Originalbeiträge handelt, die nicht an anderer Stelle zur Verfügung vorgelegt worden sind. Für Verlust oder Schädigung eingesandter Manuskripte übernehmen Herausgeber und Verlag keine Haftung. Manuskripte können auch per E-mail eingereicht werden. Bei Postsendungen ist eine digitale Version beizulegen. Zitiervorschlag: Autor, Hereditare 12 (2022), S. 1 ff.
ISBN 978-3-16-162148-2 / eISBN 978-3-16-162149-9 ISSN 2192-3795 / eISSN 2569-4049 (Hereditare) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Computersatz Staiger in Rottenburg/N. aus der Minion gesetzt, von Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.
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Inhalt T hekla Schleifenbaum Die trans- und postmortale Vorsorgevollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Rüdiger Pamp Missbrauch von Vorsorgevollmachten – das „abgeräumte Bankkonto“ . . . 37 Tanja Henking Patientenverfügungen – empirische Befunde und normative Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Wang Qiang Die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im sich wandelnden Erbrecht Chinas im Vergleich zum deutschen Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Christoph Karczewski Aktuelle Entwicklungen im Erbrecht und sonstigen Zivilrecht . . . . . . . . . . 147 Jan Hüchtebrock Diskussionszusammenfassung zu den Vorträgen des 12. Bochumer Erbrechtssymposiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
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Die trans- und postmortale Vorsorgevollmacht1 A. Begrifflichkeiten: Transmortal, Postmortal, Vorsorgevollmacht Transmortale und postmortale Vollmachten verbindet ihre Wirksamkeit nach dem Tod des Vollmachtgebers. Die transmortale Vollmacht gilt schon zu Lebzeiten des Erblassers und geht über dessen Tod hinaus. Die postmortale Vollmacht dagegen wird erst mit dem Todesfall wirksam, ist also unter der aufschiebenden Bedingung des Todes des Vollmachtgebers erteilt. Soweit eine trans- oder postmortale Vollmacht deutschem Recht unterliegt, darf ihre grundsätzliche Zulässigkeit als gesichert betrachtet werden.2 Einigkeit besteht, dass aufgrund einer solchen Vollmacht nicht der verstorbene Erblasser vertreten wird. Denn dessen Rechtsfähigkeit endet mit seinem Tod, § 1 BGB. Vielmehr wirkt jede transmortale und postmortale Vollmacht für und gegen die Erben.3 Die Wirkung solcher Vollmachten gegenüber dem Erben erstreckt sich nur auf Nachlassgegenstände, nicht auf das Eigenvermögen des Erben. Der klassische Anwendungsfall der transmortalen Vollmacht ist die General- und Vorsorgevollmacht. In der notariellen Praxis wird üblicherweise ausdrücklich geregelt, dass die Vollmacht über den Tod hinaus gültig bleiben soll. Schon die gesetzliche Regel ordnet in § 168 S. 1 BGB an, dass im Zweifel eine Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers nicht erlischt. Auch im Auftragsrecht bestimmen §§ 672, 674 BGB die grundsätzliche Fortgeltung über den Tod des Auftraggebers hinaus. Dennoch ist eine ausdrückliche Geltungserstreckung im Vollmachtstext auf die Zeit nach dem Tod empfehlenswert, wenn nicht sogar vonnöten. Die Bestimmungen der §§ 168 S. 1 i.V.m. 672 S. 1, 674 BGB sind schließlich nur Ausle 1
Der Beitrag basiert im Wesentlichen auf einem Vortrag, den die Autorin auf dem 12. Bochumer Erbrechtssymposium der Hereditare – Wissenschaftliche Gesellschaft für Erbrecht e.V. am 20. Mai 2022 hielt. 2 Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl. 2022, § 168 Rn. 4; OLG Zweibrücken, Urt. v. 1.3.1982 – 3 W 12/82, DNotZ 1983, 105; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 27.6.2018 – 20 W 179/17, RhNotZ 2018, 28. Im romanischen Rechtsraum ist dies gänzlich anders, vgl. die unterschiedlichen Länderdarstellungen www.the-vulnerable.eu (27.10.2022). 3 MüKoBGB/Schramm, 5. Aufl. 2006, § 168 Rn. 17; Staudinger/Schilken, BGB, 2. Aufl. 2019, § 168 Rn. 31; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 3568 f.
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gungsregeln. Aus den Umständen lässt sich bisweilen auch die Absicht des Vollmachtgebers folgern, die Vollmacht gerade mit seinem Tod tatsächlich erlöschen zu lassen. Einzelne Oberlandesgerichte kamen bereits auf die Idee, in Fällen, in denen eine Vollmacht explizit als Altersvorsorgevollmacht überschrieben war, diese als mit dem Tod erloschen anzusehen.4 Begründet wurde dies mit dem offensichtlichen Zweck der Altersvorsorgevollmacht, die besonderen Bedürfnisse des Vollmachtgebers im Zusammenhang mit altersbedingter Betreuungsbedüftigkeit zu decken. Diese Bedürfnisse entfallen offenkundig mit dem Tod. Daher wurde die Vollmacht so ausgelegt, dass ihre Gültigkeit mit Tod entfalle. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen sollte man mit der Bezeichnung oder Überschrift einer Vollmacht als „Altersvorsorgevollmacht“ und auch als „Vorsorgevollmacht“ vorsichtig sein. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese Bezeichnung in dem Sinne verstanden werden kann, dass die Vollmacht auch im Außenverhältnis erst und nur solange gelten soll, wie ein, wie auch immer bestimmter Vorsorgefall vorliegt. Das könnte auf den Willen des Vollmachtgebers hindeuten, die Gültigkeit der Vollmacht auf seine Lebenszeit zu begrenzen. Wenn Vollmachten nur für den Vorsorgefall erteilt werden, ist zu klären, welches Ereignis den Bedingungseintritt auslöst und wie dieser nachzuweisen ist. Wenn die Gültigkeit der Vollmacht an den Eintritt von Ereignissen wie Geschäftsunfähigkeit, Betreuungsbedürftigkeit oder Handlungsunfähigkeit geknüpft wird, ist sie im Rechtsverkehr faktisch unbrauchbar.5 Vor allem im Grundbuchverkehr ist wegen § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO auch der Bedingungseintritt durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen. Ärztliche Atteste und Diagnosen, die zweifelsfrei eine Geschäftsunfähigkeit bestätigen, sind erfahrungsgemäß schwer zu erwirken. Kaum jemals sind sie in grundbuchtauglicher Form zu erhalten. Überdies bestätigen sie den Bedingungseintritt in der Regel nur für den Tag der Ausstellung. Konsequenterweise wertet auch die Rechtsprechung eine aufschiebend auf den „Vorsorgefall“ bedingte Vollmacht als nicht ausreichend, um eine Betreuung zu vermeiden.6 Da der Bevollmächtigte im Rechtsverkehr stets den Bedingungseintritt nachweisen müsse, leide diese unter Akzeptanzproblemen und sei daher nicht gleichwertig mit einer Betreuung. Es ist daher zurecht inzwischen übliche Praxis, General- und Vorsorgevollmachten im Außenverhältnis nicht unter aufschiebende Bedingungen zu stellen. Vielmehr werden gewünschte Beschränkungen im Innenverhältnis, etwa 4
OLG Hamm, Urt. v. 17.9.2002 – 15 W 338/02, DNotZ 2003, 120 ff.; OLG München, Urt. v. 7.7.2014 – 34 Wx265/14, DNotZ 2014, 677 = NJW 2014, 3166. 5 Vgl. ausführlich Stascheit, RhNotZ 2020, 61 (79 ff.); BeckNotarHB/Reetz, 7. Aufl. 2019, § 16 Rn. 52; Zimmermann, Vorsorgevollmacht-Betreuungsverfügung-Patientenverfügung, 3. Aufl. 2017, Rn. 59. 6 KG, Urt. v. 19.11.2009 – 1 W 49/09, NJOZ 2010, 1682 (1684).
Die trans- und postmortale Vorsorgevollmacht 3
im Rahmen eines Auftrags oder als Anweisungen an den Bevollmächtigten, formuliert.7 Auslegungsprobleme über die Reichweite der im Außenverhältnis unbeschränkten Vollmacht sollten tunlichst vermieden werden. Die in der notariellen Praxis bevorzugte Terminologie der General- und Vorsorgevollmacht drückt diese Dichotomie von Generalvollmacht im Außenverhältnis und Vorsorgevollmacht im Innenverhältnis zutreffend aus. Bei postmortalen Vollmachten hingegen ist der Nachweis des Bedingungseintritts durch Vorlage einer Sterbeurkunde in aller Regel unproblematisch. Bei Sonderfällen, nach dem Verschollenheitsgesetz oder ausländischen Sterbeurkunden, kann auch das herausfordernd sein. Diese mögen in diesem Beitrag aber außer Betracht bleiben. Soweit die Einsatzmöglichkeiten von Vollmachten nach dem Tod des Vollmachtgebers betrachtet werden, ist die Unterscheidung zwischen trans- und postmortaler Vollmacht unerheblich.8 Es geht in beiden Fällen darum, aufgrund Vollmacht Stellvertretung der Erben im Blick auf die Vermögenswerte des Nachlasses zu ermöglichen. Im Folgenden werden deshalb trans- und postmortale Vollmachten unter dem Begriff Erblasservollmachten zusammengefasst.9
B. Vorteile und Grenzen einer Erblasservollmacht Die besonderen Vorteile einer Erblasservollmacht, sofern sie in beurkundeter oder zumindest in öffentlich beglaubigter Form (§ 29 GBO) erteilt wurde, zeigen sich insbesondere dann, wenn keine oder noch keine tauglichen Erbnachweise vorliegen.
I. Kein Erbnachweis nach § 35 GBO im Grundbuchverfahren? Jedenfalls im Grundsatz ermöglicht die Erblasservollmacht Verfügungen über Immobilien und Bankkonten. Sie kann aus Sicht der Erben das zeit- und kostenintensive Erbscheinsverfahren ersparen und sichert zeitnahe Handlungsmöglichkeit. Hintergrund ist § 22 Abs. 1 GBO. Dieser verlangt eine Grundbuchberichtigung auf die Erben eines eingetragenen Berechtigten. Erst danach können die 7 Vgl.
nur Grüneberg/Götz, BGB, 81. Aufl. 2022, Einf. v. § 1896 Rn. 4; WürzburgNotarHB/G. Müller, 5. Aufl. 2018, Teil 3 Kap. 3 Rn. 40; Kordel, in: Kersten/Bühling (Hrsg.), Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 26. Aufl. 2019, § 96 Rn. 83; BeckNotarHB/Reetz, 7. Aufl. 2019, § 16 Rn. 53; Kurze, in: Burandt/Rojahn (Hrsg.), ErbR, 3. Aufl. 2019, § 167 BGB Rn. 5; Renner, in: Müller/Renner (Hrsg.), Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis, 5. Aufl. 2018, Rn. 287. 8 Papenmeier, Transmotrale und postmortale Vollmachten als Gestaltungsmittel, 2013, 2; Vgl. auch Keim, DNotZ 2008, 175 (176 f.). 9 Der Terminus folgt einem Vorschlag von Schwander, RhNotZ 2019, 57 (58).
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Erben weitere Eintragungen bewilligen, so der Grundsatz. Dazu sind Erbnachweise gemäß § 35 GBO vorzulegen. Das ist üblicherweise ein Erbschein. Eine Ausnahme besteht gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 GBO nur, wenn die Erbfolge eindeutig durch notariell beurkundete Verfügung von Todes wegen nachgewiesen werden kann. Das ist jedoch nicht immer bei Vorliegen eines jedweden notariellen Testaments der Fall. Bei bedingten Erbeinsetzungen, wie etwa den beliebten Pflichtteilsstrafklauseln, wonach die Kinder nur dann Erben des Letztversterbenden werden, wenn sie nicht beim Tod dem Erstversterbenden den Pflichtteil geltend gemacht haben und andernfalls auch beim Tod des Letztversterbenden nur auf den Pflichtteil gesetzt sind, ergibt sich die Erbfolge nicht eindeutig aus dem notariellen Testament.10 Das Nicht-Geltendmachen ist auflösende Bedingung für die Erbeinsetzung. In dem Fall wird das Grundbuchamt die Erbfolge nicht durch die notarielle Urkunde als „nachgewiesen“ erachten. Vielmehr wird es einen Erbschein oder ein Europäischen Nachlasszeugnis verlangen (§ 35 Abs. 1 S. 3 GBO). Bisweilen genügt dem Grundbuchamt eine in öffentlicher Urkunde abgegebene Eidesstattliche Versicherung, dass der Pflichtteil nicht geltend gemacht wurde, um dennoch die Privilegierung des Erbfolgenachweises aufgrund öffentlicher Urkunden zu ermöglichen und einen Erbschein zu ersparen. Selbst wenn die Erbeinsetzung in der öffentlichen Urkunde eindeutig und ohne Bedingung erfolgt ist, bedarf es der Vorlage der Eröffnungsniederschrift des zuständigen Nachlassgerichts (§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO). Erst die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung ersetzt den Erbschein. Auch das kann, je nach Bearbeitungszeit bei den oft ausgelasteten Nachlassgerichten, einige Zeit in Anspruch nehmen. Damit besteht auch dann keine sofortige Handlungsfähigkeit nach dem Erbfall. Mit einer grundbuchtauglichen, unwiderrufenen Erblasservollmacht jedoch können Übertragungen von Grundbesitz und Aufhebungen von Rechten zeitnah und ohne Erbnachweis vorgenommen werden. Dies ergibt sich aus § 40 Abs. 1 GBO, wonach in diesen Fällen eine Voreintragung des Erben nicht erforderlich ist. So können beispielsweise mit formgültiger Erblasservollmacht einvernehmliche Erbauseinandersetzungen zeitnah und kostengünstig abgewickelt werden.
II. Sonstige Vorteile im Grundbuchverfahren? Ob aber eine Erblasservollmacht auch geeignet ist, beim praktisch relevanten Verkauf einer Nachlassimmobilie an einen Dritten, der zudem ein Finanzierungsgrundpfandrecht bestellen muss, den Voreintragungsgrundsatz zu überwinden, muss derzeit als ungeklärt bezeichnet werden, auch wenn neuere ober10
Demharter, Grundbuchordnung, 32. Aufl. 2021, § 35 Rn. 31 m.w.N.
Die trans- und postmortale Vorsorgevollmacht 5
gerichtliche Rechtsprechung einiger Regionen vielleicht als Lichtblick bezeichnet werden kann.11 Auch ist die Erblasservollmacht nicht geeignet, das Gebührenprivileg der Nr. 14110 Abs. 1 KV des GNotKG nutzbar zu machen. Nach dieser Bestimmung ist eine Grundbuchberichtigung auf den Erben binnen zwei Jahren nach dem Erbfall gebührenfrei. Dies gilt aber nicht, wenn ein Erbe als Bevollmächtigter sich selbst aufgrund Auflassung als Eigentümer eintragen lassen will. Das OLG München entschied, dass trotz ähnlicher Interessenlage das Gebührenprivileg nur für Grundbuchberichtigungen aufgrund Erbnachweis besteht.12 Dafür ist die Erblasservollmacht eher kontraproduktiv.
III. Überwindung von Beschränkungen in der Person des Erben Als interessant kann sich eine Erblasservollmacht auch bei einem minderjährigen Erben erweisen. Es ist einhellige Meinung, dass der Bevollmächtigte alle Befugnisse direkt vom Erblasser ableitet. Seine Rechtsmacht wird als gesondert und eigenständig betrachtet. Daher sind Genehmigungserfordernisse, die nur in der Person des Erben begründet liegen, nicht anwendbar.13 Wenn die Erblasservollmacht einer anderen volljährigen Person erteilt wird, die mit der vom Erblasser verliehenen Rechtsmacht mit Wirkung für und gegen den Erben Rechtsgeschäfte vornimmt, werden damit familiengerichtliche Zustimmungserfordernisse, vor allem bei Verfügungen über Grundbesitz (§§ 1821, 1822 BGB), obsolet. Ein Minderjähriger kann aber, wie § 165 BGB zeigt, auch selbst Bevollmächtigter sein. Zwar sind die vom minderjährigen Bevollmächtigten vorgenommenen Rechtsgeschäfte nur mit Zustimmung des Vermögenssorgeberechtigten wirksam, dies ändert sich aber mit Erreichen der Volljährigkeit. Die Vollmacht gilt weiter und erlischt nicht mit Erreichen der Volljährigkeit.14 Anders dürfte sich die Interessenlage beim Fall eines sonstigen Erben, für den ein amtlich bestellter Betreuer handelt, darstellen. Auch wenn ein durch Erblasservollmacht bevollmächtigter Dritter auch ohne betreuungsgerichtliche Genehmigungen für den betreuten Erben vertretungsberechtigt wäre, werden derartige Vollmachten üblicherweise von den Betreuern widerrufen. Denn die Betreuer verstehen es als im Interesse ihrer Betreuten liegend, nicht den Rechtswirkungen des Handelns Dritter ausgesetzt zu sein, die ohne ihre und die betreuungsgerichtliche Einbindung erfolgen. Der Erblasser muss folglich damit 11 Vgl. III. dieses Beitrags.
12 Vgl. OLG München, Urt. v. 4.8.2016 – 34 WX 110/16, FamRZ 2017, 328. 13
BGH NJW-RR 2015, 1097 Rn. 10; Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, Vor § 2197 Rn. 11 m.w.N.; Schon RGZ 106, 185 (186); Rachlitz/Vedder, notar 2019, 336 (340). 14 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 3167 m.w.N.
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rechnen, dass ein amtlicher Betreuer für den betreuten Erben die Erblasservollmacht, die einen Dritten bevollmächtigt, widerruft.
IV. Interessenwechsel aus Sicht der Erbengemeinschaft Aus Sicht der Erbengemeinschaft kann eine gut gemeinte Erblasservollmacht an einen von ihnen oder an einen Dritten Ungemach bringen. Denn die Rechtshandlungen des Bevollmächtigten sind grundsätzlich für und gegen die Erbengemeinschaft wirksam. Das mag nicht jedem Erben gefallen. Durch die Widerrufsmöglichkeit des einzelnen Erben jedoch werden deren Interessen als hinlänglich geschützt angesehen.15 Widerruft ein einzelner Miterbe einer Erbengemeinschaft die Vollmacht, so bleibt die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten hinsichtlich der anderen, nicht widerrufenden Erben unberührt. In dem Fall besteht zwar kein Anspruch auf Herausgabe der Vollmachtsurkunde, da sie gegenüber den anderen Erben weiterhin wirksam bleibt, allerdings kann der widerrufende Erbe die Anbringung eines entsprechenden Widerrufsvermerks auf der Urkunde und auf den erteilten Ausfertigungen verlangen. Jedoch führt die bei einer Erbengemeinschaft bestehende Notwendigkeit zum gemeinschaftlichen Handeln dazu, dass der Widerruf eines einzigen Erben die Vollmacht für die gesamte Erbengemeinschaft funktionslos werden lässt. Denn der Widerruf auch nur eines Erben hat den Verlust der Verfügungsbefugnis für Rechtsgeschäfte zur Folge, die der Zustimmung aller Erben bedürfen.16 Problematisch wird es, wenn der Erbe keine Kenntnis von der Erblasservollmacht hat. Dann fehlt ihm das für einen Widerruf erforderliche Erklärungsbewußtsein. Dass der Erbe den Widerruf oft zu spät erklärt, sei „im Hinblick auf den Zweck der postmortalen Vollmacht“ hinzunehmen.17 Der Bevollmächtigte hat nach der Rechtsprechung auch nicht die Pflicht, den Erben von der Existenz der Erblasservollmacht in Kenntnis zu setzen. Schon gar nicht muss er um dessen Zustimmung für seine Rechtsgeschäfte nachsuchen, solange er sich im Rahmen seines Auftrags und der Vollmacht bewegt.18 Hier zeigt sich wieder einmal, dass Aufträge zumindest bei weitreichenden Vollmachten durchaus schriftlich niedergelegt werden sollten, will man nicht die Unbill der Auslegung formfreier Aufträge in Kauf nehmen. Die Aussicht auf sofortige Handlungsfähigkeit, Zeit- und Kostenersparnis einer grundbuchtauglichen Erblasservollmacht wirkt für den Bevollmächtigten und/oder den Erben zunächst einmal bestechend. Dennoch sind viele Ein15 BGH,
Urt. v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, DNotZ 1995, 388 (391) = NJW 1995, 250 (253); Staudinger/Reimann, BGB, 15. Aufl. 2016, Vor § 2197 Rn. 92. 16 Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, Vor § 2197 Rn. 13 m.w.N.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 3572. 17 BGH, Urt. v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, DNotZ 1995, 388 (391) = NJW 1995, 250 (253). 18 BGH, Urt. v. 18.4.1969 – V ZR 179/65, DNotZ 1969, 481 ff. = NJW 1969, 1245 (1246).
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zelheiten umstritten. Durch divergierende Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und unterschiedliche Handhabung, vor allem der Grundbuchämter, bewegt man sich mit der Erblasservollmacht nicht immer auf von Rechtssicherheit geprägtem Gebiet.
C. Akzeptanzprobleme nach Fallgruppen I. Voreintragungsgrundsatz oder Befreiung analog § 40 GBO? Die Praxistauglichkeit der Erblasservollmacht als gebührensparendes Konstrukt erfährt eine besondere Herausforderung im Grundbuchverfahren bei Anwendung des sog. Voreintragungsgrundsatzes.
1. Hintergrund Der Voreintragungsgrundsatz des § 39 GBO besagt, dass eine Eintragung im Grundbuch nur dann erfolgen soll, wenn die Person, die von einem Recht betroffen ist, auch als Berechtigter im Grundbuch eingetragen ist. Zweck ist einerseits, dem Grundbuchamt die Legitimationsprüfung zu erleichtern und die Rechtsveränderungen Schritt für Schritt transparent zu machen.19 Andererseits soll der eingetragene Berechtigte dagegen abgesichert werden, dass ein anderer unbefugt über sein Recht verfügt.20 In dem Zeitpunkt, in dem Erblasservollmachten dem Grundbuchamt vorgelegt werden, ist noch der Erblasser im Grundbuch eingetragen. Die Bewilligungen jedoch erfolgen, auch wenn sie aufgrund Erblasservollmacht erklärt werden, mit Wirkung für und gegen den Erben. Dieser wird wiederum nur aufgrund eines Erbscheins als Berechtigter ins Grundbuch eingetragen. Soweit der Voreintragungsgrundsatz gilt, hilft also die Erblasservollmacht nicht weiter und ein grundbuchtauglicher Erbnachweis müsste vorgelegt werden. In der Praxis geht es bei dem Wunsch, den Voreintragungsgrundsatz zu überwinden immer um Gebührenersparnis. Denn die Zwischeneintragungen kosten zum einen, abgesehen von den Ausnahmefällen, Grundbuchgebühren. Zum anderen muss dafür auch ein grundbuchtauglicher Erbnachweis, in aller Regel also ein Erbschein vorgelegt werden. Dieser kann kostspielig sein. Beides sind Ausgaben, die die Verkäuferseite zu vermeiden sucht. § 40 Abs. 1 GBO sieht Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Danach ist es ausnahmsweise möglich, auch ohne Voreintragung des Erben „Übertragungen oder Aufhebungen von Rechten“ und „Eintragungen, die durch den Erblasser 19 BGH, Urt. v. 20.1.2006 – V ZR 214/04, NJW-RR 2006, 888 Rn. 18.
20 Vgl. KG Berlin, Urt. v. 22.10.2020 – 1 W 1357/20 – Rn. 5, MittBayNot 2021, 245, Rn. 5 m. Anm.
Becker.
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selbst oder einen Nachlasspfleger bewilligt wurden“, im Grundbuch zu vollziehen. Nach § 40 Abs. 2 GBO gilt dasselbe für Bewilligungen durch den Testamentsvollstrecker. Den Katalog dieser Ausnahmen hat der BGH und die nahezu einhellige Ansicht im Schrifttum in analoger Anwendung um den Fall einer Eigentumsvormerkung erweitert.21 Die Analogie von Auflassung und Auflassungsvormerkung sei gerechtfertigt, weil eine Vormerkung nur dazu diene, die endgültige Übertragung vorzubereiten und abzusichern. Der Zweck der Ausnahme sei, eine nur vorübergehende Eintragung zu ersparen und dies gelte ebenso für die den Eigentumsübergang vorbereitende Auflassungsvormerkung. Überdies hänge sie in ihrem rechtlichen Bestand von der Existenz des gesicherten Übertragungsanspruchs ab. Bei einem Kaufvertrag über eine Nachlassimmobilie kann danach sowohl die Auflassungsvormerkung als auch die Auflassung ohne Voreintragung des Erben allein aufgrund formgültiger Erblasservollmacht bewilligt werden. Umstritten ist, ob das auch gilt, wenn aber der Käufer den Kaufpreis fremdfinanzieren und deshalb den Nachlassgrundbesitz vor Eigentumsumschreibung mit einem Finanzierungsgrundpfandrecht belasten will. Die Neubestellung eines Grundpfandrechts ist eindeutig nicht vom Wortlaut der Ausnahmevorschrift des § 40 GBO erfasst.
2. Vielstimmigkeit in der Rechtsprechung der OLGs Die obergerichtliche Rechtsprechung ist bei der Frage, ob eine Grundbuchberichtigung auf den Erben vor Eintragung der Grundschuld notwendig ist, uneinheitlich. Trotz der alljährlich dazu erscheinenden Entscheidungen will sich ein klares Bild nicht abzeichnen. In manchen OLG-Bezirken wird die Grundschuld ohne Voreintragung des Erben erfolgen, in anderen nicht. Überregionale Rechtssicherheit besteht derzeit nicht. Kern der Meinungsverschiedenheit ist die Frage, ob bei einer vom Erblasser erteilten Vollmacht eine der Analogie fähige Vergleichbarkeit mit den vom Wortlaut des § 40 GBO erfassten Ausnahmen besteht oder nicht.
a) OLG Bremen, OLG Oldenburg: Keine Anwendung von § 40 GBO analog Das OLG Bremen hält in seiner Entscheidung aus November 202122 die Grundbuchberichtigung auf den Erben vor Eintragung der Finanzierungsgrundschuld für erforderlich. Die Bestellung einer Finanzierungsgrundschuld könne nicht 21 BGH, Urt. v. 5.7.2018 – V ZB 10/18, RhNotZ 2018, 670; Im Schrifttum Demharter, Grundbuch-
ordnung, 32. Aufl. 2021, § 40 Rn. 18; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 142c; Vgl. schon Milzer, DNotZ 2009, 325 (326) m.w.N. 22 OLG Bremen, Urt. v. 29.11.2021 – 3 W 22/21, zitiert nach juris.
Die trans- und postmortale Vorsorgevollmacht 9
mit der Übertragung eines Rechts gleichgesetzt werden. Auch die analoge Anwendung des § 40 GBO auf Auflassungsvormerkungen nach der Rechtsprechung des BGH sei auf Grundschulden nicht übertragbar, da diese Grundpfandrechte nicht akzessorisch seien und überdies nicht nur kurzzeitig eingetragen würden. Beim Scheitern der beabsichtigten Grundstücksübertragung bliebe die Grundschuld eingetragen, ohne dass die Berechtigung des Bewilligenden aus dem Grundbuch ersichtlich wäre. Das sei ein maßgeblicher Unterschied zu der Auflassungsvormerkung, die aufgrund ihrer Akzessorietät beim Scheitern der Übertragung als unrichtig zu löschen sei. Dass die Finanzierungsgrundschuld wirtschaftlich der Übertragung des Grundstücks diene und im sachlichen Zusammenhang mit dieser im Grundbuch eingetragen werde, rechtfertige insoweit auch unter Wertungsgesichtspunkten keine rechtliche Gleichstellung mit dieser. Eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 40 GBO komme daher nicht in Betracht. In der Ablehnung der Analogiefähigkeit und der Ansicht, § 40 GBO müsse als Spezialvorschrift eng am Wortlaut ausgelegt werden, sieht sich das OLG Bremen mit dem OLG Oldenburg in seiner Entscheidung vom März 2021 einig.23
b) OLG Köln, OLG Celle, OLG Stuttgart u.a.: Anderer Ansicht Die Oberlandesgerichte Köln24, Celle25, Stuttgart26 und Frankfurt a.M.27 sind schon länger anderer Ansicht. Sie hielten in Fällen, bei denen mit Erblasservollmacht eine Finanzierungsgrundschuld eingetragen werden sollte, die vorherige Grundbuchberichtigung auf den Erben für überflüssig. Begründet wurde dies mit einer ähnlichen Interessenlage bei der Bewilligung von Vormerkungen und Bestellung von Finanzierungsgrundpfandrechten und der Situation bei Testamentsvollstreckung. Infolgedessen wendeten sie die Ausnahmevorschrift des § 40 GBO entsprechend an. Zu diesem Ergebnis kommt auch das Kammergericht Berlin in einem Beschluss vom Oktober 2020.28 Der Gesetzgeber habe mit den Regelungen in § 40 Abs. 1 2. Alt. und Abs. 2 GBO, die nicht nur die Übertragung oder Aufhebung eines Rechts betreffen, Erleichterung für Fälle schaffen wollen, in denen die Person des Erben noch nicht feststehe, aber die Erklärungen des Verfügenden (Erblasser, Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker) für und gegen den Erben bindend seien. Der Gesetzgeber habe die Regelung nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Person des Erben unbekannt sei. Vielmehr seien auch solche erfasst, 23
OLG Oldenburg, Urt. v. 23.3.2021 – 12 W 38/21, RhNotZ 2021, 303. OLG Köln, Urt. v. 16.3.2018 – 2 Wx 123/18, RhNotZ 2018, 397. 25 OLG Celle, Urt. v. 16.8.2019 – 18 W 33/19, RhNotZ 2019, 633 ff. 26 OLG Stuttgart, Urt. v. 2.11.2018 – 8 W 312/18, MittBayNot 2019, 578 f. 27 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 27.6.2017 – 20 W 179/17, RhNotZ 2018, 28. 28 KG Berlin, Urt. v. 22.10.2020 – 1 W 1337/20, FGPrax 2021, 4. 24
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in denen eine andere Person als der zur Zeit der Eintragung berechtigte Erbe die Bewilligung mit Wirkung für und gegen die Erben unabhängig von deren Ermittlung und deren Willen abgeben könne.29 Dies sei auch bei einer Erblasservollmacht der Fall, weil auch ein Erwerber eines Nachlassgrundstücks, der dieses im Vertrauen auf eine notarielle Erblasservollmacht kaufen wolle, ein berechtigtes Interesse daran habe, den Vollzug des Vertrags betreiben zu können, ohne vorher die Erben ermittelt haben oder eintragen lassen zu müssen.30 Im Ergebnis ist es dem Bevollmächtigten mit Erblasservollmacht nach Ansicht des Kammergerichts in analoger Anwendung des § 40 Abs. 1 2. Alt., Abs. 2 GBO möglich, ohne vorherige Eintragung des Erben zu verfügen, und zwar auch durch Bestellung von Finanzierungsgrundpfandrechten. Dagegen soll derjenige, der aufgrund seiner Erbenstellung selbst verfügt, bei einer Belastung mit Grundpfandrechten ohne gleichzeitige Auflassung zuvor als Berechtigter eingetragen werden müssen. Insoweit macht nach Ansicht des KG das Handeln aufgrund Erblasservollmacht den entscheidenden Unterschied. Denn bei vom Erben bewilligten Grundschulden ohne gleichzeitigen Eigentumsübergang soll die Voreintragung des Erben gerade nicht entbehrlich sein.31 Damit hat die verkäuferfreundliche Ansicht der Entbehrlichkeit der Voreintragung beim Handeln aufgrund Erblasservollmacht eine weitere obergerichtliche Entscheidung hinzugewonnen. Im Schrifttum wurde schon länger eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 1 2. Alt., Abs. 2 GBO befürwortet mit der Erwägung, dass eine Erblasservollmacht ähnlich einer Nachlasspflegschaft zu behandeln sei.32 Es könne nicht angehen, dass ein Nachlasspfleger, der nur ausnahmsweise und subsidiär, wenn keine andere Person geeignet und bevollmächtigt ist, den Nachlass abzuwickeln, ins Amt komme, weitergehende Befugnisse habe als diejenige Person, die ihre Berechtigung direkt vom Erblasser ableite.33 Außerdem würde bei einer Finanzierungsgrundschuld der Erbe ebenso schnell wieder aus dem Grundbuch gelöscht wie bei einem Übertragungsvorgang. Daher sei auch sachlich eine analoge Anwendung des § 40 Abs. 1 Var. 1 GBO gerechtfertigt, der Kurzzeiteintragungen verhindern solle.34
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KG Berlin, a.a.O., Rn. 10. KG Berlin, a.a.O., Rn. 1. 31 KG Berlin, a.a.O., 1. Leitsatz der Entscheidung. 32 Milzer, DNotZ 2009, 325 (326 ff.); von Schwander, RhNotZ 2019, 57 (72); für eine Erweiterung des § 40 Abs. 2 Grundbuchordnung plädierte auch Findeklee, Zerb 2007, 173 f.; Ott, notar 2018, 189 (190). 33 von Schwander, RNotZ 2019, 57 (72). 34 Milzer, DNotZ 2009, 325 (326 ff.); Meikel/Böttcher, GBO, 12. Aufl. 2020, § 40 Rn. 28; Ott, notar 2018, 189 (190). 30
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Aus Verkäufersicht und mit Blick auf die Gebührenersparnisse stoßen diese Stimmen und Entscheidungen auf positive Resonanz. Ein Präjudiz ist dies allerdings nur für Grundbuchämter in den Zuständigkeitsbereichen der jeweiligen Oberlandesgerichte. In anderen Regionen, in denen noch keine ausdrückliche obergerichtliche Entscheidung vorliegt, bleibt es vielstimmig und sehr rechtsunsicher. Ob sich dort die Rechtspfleger von der obergerichtlichen Rechtsprechung außerhalb ihres Bereichs beeindrucken lassen, wird im Einzelfall zu klären sein und, für die streitbareren Geister, möglicherweise auch durchzufechten sein. Einem Käufer wird jedoch mit einer langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzung nicht geholfen sein. Daher sollte in den Fällen vielmehr im Vorfeld mit dem Grundbuchamt abgestimmt werden, ob die Erblasservollmacht auch aus dortiger Sicht ausreichend ist, um die Grundschuld zu bestellen. Andernfalls lockt man den Käufer in eine Falle.35
II. Erlöschen der Vollmacht durch Konfusion? Eine Erblasservollmacht an den Alleinerben als Bevollmächtigten über den Tod des Erblassers hinaus erscheint zunächst eine denkbar unproblematische Konstellation: Missbrauchs-, Widerrufs- und Abstimmungsrisiken bestehen keine; die wirtschaftlichen Folgen von Verfügungen treffen materiell-rechtlich stets dieselbe Person. Dennoch ist die Tauglichkeit von Erblasservollmachten für den Grundbuchvollzug bei Personenidentität von Erbe und Bevollmächtigtem nicht abschließend geklärt.
1. Bisher überwiegende Rechtsprechung Die wohl überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung in der Vergangenheit hielt die Vollmacht an den Alleinerben für erloschen. Begründet wurde dies mit konfusions- oder konsolidationsähnlichen Überlegungen. Argumentiert wird zum einen verfahrensrechtlich in dem Sinne, dass die Legitimationswirkung der Erblasservollmacht bei bekannter oder offengelegter Personenidentität von Bevollmächtigtem und Erben zerstört sei.36 Zum anderen seien auch ma35
Neben der vorherigen Klärung mit dem Grundbuchamt kann man noch weitere Gestaltungsüberlegungen anstellen, wie eine mögliche Abwicklung über Notaranderkonto oder eine Verpfändung der Auflassungsvormerkung. Allerdings ist zu bedenken, dass die Anderkontenabwicklung Gebühren auslöst und die finanzierende Bank mit dieser, inzwischen unüblich gewordenen Vorgehensweise einverstanden sein muss. Angesichts der dahinterstehenden Gebührensparsamkeit in Bezug auf die Grundbuchberichtigung, ist es praktisch fraglich, ob die Beteiligten in dem Fall die Kosten einer Anderkontoabwicklung nicht genauso scheuen. Zu Finanzierungsmöglichkeiten bei rechtlicher Unmöglichkeit einer Vorwegbeleihung vgl. Findeklee, ZErb 2007, 172 (173 f.); Milzer, DNotZ 2009, 325. 36 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 3572a.
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teriell-rechtlich durch die Alleinerbenstellung alle schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Erblasser und Alleinerben untergegangen und damit auch eine Vollmacht erloschen.37 Vor dem Hintergrund dieser fast einhellig ablehnenden Ansicht der Rechtsprechung wurde sogar die Frage gestellt, ob eine trans- oder postmortale Vollmacht an den bevollmächtigten Alleinerben wertlos sei.38 Insoweit gab es Anreize, den Tod des Vollmachtgebers lieber zu verschweigen, um nicht Zweifel an der Legitimationswirkung der Vollmacht aufkommen zu lassen.39 Eine solche Empfehlung ist unter Mitwirkung eines Notars freilich schwierig. Denn die notariellen Amtspflichten und die Redlichkeit verbieten es, verstorbene Personen wissentlich als Urkundsbeteiligte aufzuführen und damit eine unzutreffende Vorstellung im Rechtsverkehr entstehen zu lassen. Lange Zeit stach lediglich die Einzelstimme des Landgerichts Bremen heraus, welches das Konfusionsargument ausdrücklich ablehnte und die Erblasservollmacht des Alleinerben ohne Mitteilung sonstiger Besonderheiten als fortbestehend ansah.40 Der BGH erkannte als Ausnahme von der regelmäßigen Konfusion bei angeordneter Testamentsvollstreckung eine dem Alleinerben erteilte Erblasservollmacht als insoweit weiterhin wirksam an, wie der Alleinerbe durch Testamentsvollstreckung beschränkt war.41
2. Plädoyer für Fortgeltung im Schrifttum Im Schrifttum wird seit langem das erhebliche praktische Bedürfnis des Rechtsverkehrs und der Rechtssicherheit an der Fortgeltung der Erblasservollmacht auch in diesem Fall hervorgehoben. Zum einen benötige auch der Alleinerbe, gleichermaßen wie ein Nichterbe oder ein Miterbe, schnelle Handlungsmöglichkeiten durch Erblasservollmacht auch ohne Erbnachweis. Zum anderen sei auch oft für den Rechtsverkehr nicht erkennbar, ob es sich um den Alleinerben, einen Nicht- oder Miterben handele, vor allem, wenn kein Erbnachweis vorliege. Die Legitimationswirkung der Erblasservollmacht im Rechtsverkehr von diesem, nicht erkennbaren Umstand abhängig zu machen, gefährde die Rechtssicherheit.42 Dem Konfusionsargument wurde entgegengehalten, eine Konfu37 Konfusionsargument
im engeren Sinne: OLG München, Urt. v. 31.8.2016 – 34 Wx 273/16, DNotI-Report 2016, 163; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 27.6.2017 – 20 W 179/17, RhNotZ 2018, 28; OLG Hamm, Urt. v. 10.1.2013 – I-15 W 79/12, DNotZ 2013, 689 (690); Schon OLG Stuttgart, NJW 1948, 627. 38 Vgl. Herrler, DNotZ 2017, 508 ff. 39 Vgl. Keim, MittBayNot 2017, 111 (114) „… Schweigen ist Gold“. 40 LG Bremen, Rpfleger 1993, 235. 41 BGH NJW 1967, 2399; im Ergebnis auch so OLG München, Urt. v. 26.7.2012 – 34 Wx 248/12, MittBayNot 2013, 230, ohne jedoch eine Ausnahme vom Konfusionsargument zu akzeptieren. 42 Herrler, DNotZ 2017, 508 (523); Weidlich, ZEV 2016, 57 (63); Zimmer, NJW 2016, 3341 (3342); Keim, DNotZ 2013, 694; Lange, ZEV 2013, 343.
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sion liege begrifflich nicht vor. Denn eine erteilte Vertretungsmacht sei weder Forderung noch Verbindlichkeit. Daher mangele es an der konstruktiven Vereinigung von Anspruchsinhaberschaft und Schuldnerstellung als Merkmal der Konfusion.43 Hängen blieb der aus dem allgemeinen Stellvertretungsrecht gefolgerte Grundsatz, dass Vertretener und Vertreter unterschiedliche Personen zu sein haben (vgl. § 164 Abs. 1 S. 1 BGB). Zu dessen Überwindung werden Besonderheiten im Erbrecht herangezogen, insbesondere sei die Trennung von Nachlassvermögen und Eigenvermögen des Erben schon im Gesetz angelegt.44 Auch ist der Konfusionsgedanke in Bezug auf Forderungen kein Prinzip ohne Ausnahme. Dies zeigen die Vorschriften der §§ 1976, 1991 Abs. 2, 2143, 2175, 2377 BGB. Selbst über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus hat der BGH die Vereinigung von Forderung und Schuld nicht etwa als logisch zwingenden Erlöschensgrund angesehen. Vielmehr sei „vom Fortbestehen der Forderung auszugehen, wo dies nach der Interessenlage etwa mit Rücksicht auf Rechte Dritter an der Forderung geboten erscheint“.45
3. Neuere Entscheidungen des KG In diesem Streitstand sind zwei jüngere Entscheidungen des Kammergerichts vom 22. Oktober 202046 und vom 2. März 202147 bemerkenswert. Als erstes Obergericht schließt sich das Kammergericht der überwiegenden Ansicht in der Literatur an. Nach Ansicht des Kammergerichts genügt eine transmortale Erblasservollmacht zum Nachweis der Vertretungsmacht auch dann, wenn der Bevollmächtigte erklärt, Alleinerbe des Erblassers zu sein. Es bedürfe dazu keines Nachweises der Erbfolge in der Form des § 35 Abs. 1 GBO. Die Vollmacht erlösche nicht ohne weiteres durch Zusammenfallen von Vertreter und vertretener Person. Auch wenn es begrifflich ausgeschlossen sei, sich selbst zu vertreten, seien doch vom Erblasser abgeleitete Befugnisse als fortbestehend zu behandeln, wenn dies berechtigte Interessen geböten. Das sei der Fall, wenn die „Vollmacht dem Bevollmächtigten materiell- oder verfahrensrechtlich weitergehende Befugnisse und Handlungsmöglichkeiten eröffne und keine schutzwürdigen InHerrler, DNotZ 2017, 508 (520) m.w.N.; von Schwander, RhNotZ 2019, 57 (60); Vgl. Übersicht zu diversen Stellungnahmen für und gegen das Konfusionsargument Tschauer, Die postmortale Vollmacht, 2002, 109; Papenmeier, Transmortale und postmortale Vollmacht als Gestaltungsmittel, 2013, 47 ff. 44 Vgl. von Schwander, RhNotZ 2019, 57 (60 bei Fn. 29). 45 BGH, Urt. v. 14.6.1995 – IV ZR 212/94, DNotZ 1996, 642 (644); BGH, Urt. v. 18.4.2000 – III ZR 194/99, NJW-RR 2000, 1405 (1408); Rachlitz/Vedder, notar 2021, 322 (325); Zum „konfusen Konfusionsargument“ auch Merten, DÖV 2019, 41. 46 KG, Urt. v. 22.10.2020 – 1 W 1357/20, MDR 2021, 162. 47 KG, Urt. v. 2.3.2021 – 1 W 1503/20, www.dnoti.de (27.10.2022). 43
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teressen Dritter oder des Rechtsverkehrs“ entgegenstünden.48 Da eine fortwirkende Erblasservollmacht dem Erben im Grundbuchverfahren weitergehende Handlungsmöglichkeiten biete, sei sie anzuerkennen, so der Senat. Infolgedessen seien Rechtsnachfolgenachweise nach § 35 GBO und eine Voreintragung des Erben nach § 39 GBO entbehrlich. Auch müsse die Erbfolge dann nicht in der Form des § 35 GBO nachgewiesen werden, wenn die Vollmacht durch Personenidentität unwirksam würde. Die Legitimitätswirkung der Vollmachtsurkunde entfalle nur (§ 173 BGB), wenn der Bevollmächtigte tatsächlich Alleinerbe wäre. Das sei aber durch die bloße Mitteilung nicht belegt. Zweifeln am Fortbestand der Vollmacht müsse und dürfe das Grundbuchamt nur nachgehen, wenn das Erlöschen der Vollmacht Auswirkungen auf die gesetzlichen Voraussetzungen der Eintragung und der Wirksamkeit der Bewilligung haben könne. Genau das sei zu verneinen. Die Bewilligungserklärung sei dem Erben in jedem Fall zuzurechnen, entweder aus eigener Rechtsmacht oder als Vertretener gemäß §§ 164 Abs. 1, 167 Abs. 1 BGB. Eine dritte Möglichkeit bestehe nicht. Nachweise, die für die Eintragung nicht relevant seien, dürften nicht verlangt werden. Die Nachweisanforderungen im Grundbuchverfahren seien kein Selbstzweck, sondern sollten verlässliche Eintragungsgrundlagen und eine Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen sicherstellen. Dem sei mit der formgerechten Vollmachtsurkunde Genüge getan.49 Damit stellt sich der Senat ausdrücklich gegen die Entscheidungen des OLG Hamm von 2013 und des OLG München von 2016. Ob diese Rechtsprechung aus Berlin nun auch den Spuk der Entscheidungen des 34. Zivilsenats des OLG München aus den Jahren 2016 und 201750 beendet, wird sich weisen. Als abschließend geklärt kann man die Frage leider auch nach diesen Entscheidungen nicht betrachten. Jedoch eröffnen sie Raum für die Abwägung betroffener Interessen.51 Diese zwei Entscheidungen lassen sich immerhin zitieren, um das Grundbuchamt zu überzeugen, trotz möglicher Personenidentität von Erbe und Bevollmächtigtem vom Fortbestehen der Wirksamkeit der Erblasservollmacht auszugehen. In jedem Fall stärken sie die Verwendbarkeit von Erblasservollmachten im Rechtsverkehr. Als gefahrlose Gestaltungsempfehlung freilich darf das nicht verstanden werden. Außerhalb des Bereichs des KG Berlin bleibt es daher bei der Empfehlung, die Vorgehensweise aufgrund von Erblasservollmacht beim Alleinerben 48 KG, Urt. v. 2.3.2021 – 1 W 1503/20, Ziff. 4.
49 KG, Urt. v. 2.3.2021 – 1 W 1503/20, Ziff. 5 (6). 50
OLG München, Urt. v. 4.8.2016 – 34 Wx 110/16, FG Prax 2016, 205: Vertretungsmacht des Alleinerben bestand fort; OLG München, Urt. v. 31.8.2016 – 34 WX 273/16, MittbayNot 2017, 140: Legitimationswirkung der Erblasservollmacht sei entfallen, da der Beteiligte ausdrücklich als Alleinerbe aufgetreten sei; OLG München, Urt. v. 4.1.2017 – 34 Wx 382/16, 34 Wx 383/16, MittBayNot 2017, 142: Legitimationswirkung der Erblasservollmacht entfällt durch Vorlage des Testaments nebst Eröffnungsniederschrift, aus dem sich die Alleinerbenstellung ergibt. 51 Rachlitz/Vedder, notar 2021, 322 (325).
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mit dem zuständigen Grundbuchamt im Vorhinein abzustimmen, um Überraschungen zu vermeiden.
III. Konkurrenz zu Nachlassfürsorgeämtern Die Rechtsgeschäfte des Bevollmächtigten aufgrund Erblasservollmacht können in Konkurrenz stehen zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung, zu den Befugnissen eines vom Nachlassgericht eingesetzten Nachlassverwalters (§ 1981 BGB), Nachlasspflegers (§ 1961 BGB) oder eines Nachlassinsolvenzverwalters. Es ist fraglich, ob diese Rechtsinstrumente parallel zu einander bestehen können und wie sich das Verhältnis zwischen den widerstreitenden Befugnissen darstellt.
1. Testamentsvollstreckung und Erblasservollmacht Dass neben der Testamentsvollstreckung eine Erblasservollmacht möglich, wirksam und zulässig bleibt, ist allgemein anerkannt. In verschiedenen Fällen hatte sich die Rechtsprechung52 mit der Koexistenz von Erblasservollmacht und Testamentsvollstreckung auseinanderzusetzen. Beide Instrumente dienen unterschiedlichen Zwecken und können vom Erblasser parallel oder kumulativ zur Umsetzung seines Willens über den Tod hinaus eingesetzt werden. Fraglich bleibt, ob und inwiefern die Vollmacht die Testamentsvollstreckung beschränkt und umgekehrt, die Testamentsvollstreckung die Vollmacht. Wird dem Testamentsvollstrecker selbst zusätzlich zu seinem Amt eine Erblasservollmacht erteilt, besteht Einigkeit, dass der Testamentsvollstrecker bei dem jeweiligen Rechtsgeschäft offenzulegen hat, ob er aufgrund Erblasservollmacht handelt oder als Testamentsvollstrecker.53 Soweit er aufgrund Erblasservollmacht handelt, unterliegt er nicht den Beschränkungen des Testamentsvollstreckers. § 2205 S. 3 BGB gilt dann nicht. Als Bevollmächtigter könnte er auch unentgeltliche Verfügungen treffen, soweit dies nicht einen Missbrauch der Vollmacht darstellt.54 Die verstärkende Bevollmächtigung des Testamentsvollstreckers kann hilfreich sein, um die Zeit bis zur Eröffnung des Testaments und Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zu überbrücken und um teil- oder gänzlich unentgeltliche Verfügungen des Testamentsvollstreckers ausdrücklich zu ermöglichen. Auch wenn Bevollmächtigter der Erblasservollmacht nicht der Testamentsvollstrecker, sondern einer der Erben oder ein Dritter ist, gelten für den Bevoll52 Vgl. nur BGH, NJW 1967, 2399; OLG München, Urt. v. 26.7.2012 – 34 Wx 248/12, MittBayNot
2013, 230.
53 Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, Vor § 2197 Rn. 12 m.w.N. 54 BGH, NJW 1962, 1718.
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mächtigten nach einhelliger Ansicht nicht die Beschränkungen der §§ 2211 ff. BGB, und zwar auch dann nicht, wenn von dem Rechtsgeschäft Vermögenswerte betroffen sind, die eigentlich gemäß der letztwilligen Verfügung der Testamentsvollstreckung unterliegen. Grund ist, dass der durch Erblasservollmacht Bevollmächtigte seine Befugnisse direkt vom Erblasser ableitet. Der Bevollmächtigte kann damit für die Vermögensmasse des Nachlasses genauso handeln, wie der Erblasser selbst hätte handeln können. Selbst eine zeitliche Reihenfolge von Testament und Vollmacht soll unerheblich sein.55 Der Testamentsvollstrecker hat die Rechtsgeschäfte des Bevollmächtigten für und gegen den Nachlass gelten zu lassen. Auch wenn der Testamentsvollstrecker sein Amt antritt, wird der Umfang der Vollmacht des Bevollmächtigten nicht auf Befugnisse der Erben begrenzt.56 Allerdings gelten die Grundsätze der dinglichen Surrogation nach § 2041 BGB auch für Rechtsgeschäfte aufgrund Erblasservollmacht: Die Gegenstände, die aufgrund der Erblasservollmacht erworben werden, etwa ein erzielter Kaufpreis, erhalten aufgrund der dinglichen Surrogation die Eigenschaft als Nachlassgegenstand. Sie unterliegen damit, je nach Ausgestaltung der letztwilligen Verfügung, auch der Testamentsvollstreckung. Das Nebeneinander der Befugnisse kann zu widersprechenden Verfügungen von Testamentsvollstrecker und Bevollmächtigtem führen. Daher stellt sich die Frage, wer eine solche Erblasservollmacht widerrufen darf, der Erbe oder der Testamentsvollstrecker. Zum Widerruf der Erblasservollmacht ist grundsätzlich der Erbe, bei Erbengemeinschaften jeder Miterbe einzeln und für seine Person befugt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Vollmacht ein rechtsgeschäftlicher Auftrag zugrunde liegt oder nicht.57 Allerdings kann auch der Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner Verfügungsbefugnis des § 2205 BGB zum Widerruf befugt sein, es sei denn aus dem Testament ergibt sich Abweichendes.58 Dem Erblasser ist es unbenommen, in seinem Testament die Befugnisse des Testamentsvollstreckers zu beschränken. So kann er dem Testamentsvollstrecker etwa auferlegen, eine bestehende Erblasservollmacht nicht zu widerrufen. Bei einer Generalvollmacht und bei isolierter Vollmacht ohne Grundverhältnis soll es jedoch unzulässig sein, die Widerruflichkeit auszuschließen.59 Bei anderen Erblasservollmachten jedoch wird dies als Gestaltungsmittel zur Stärkung der Position des Bevoll55 BGH,
NJW 1962, 1718; OLG München, Urt. v. 15.11.2011 – 34 Wx 388/11, DNotZ 2012, 303; Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, Vor § 2197 Rn. 12. 56 Staudinger/Reimann, BGB, 15. Aufl. 2016, Vor § 2197 Rn. 80; MüKoBGB/Zimmermann, Vor § 2197 Rn. 15; von Schwander, RhNotZ 2019, 57 (64). 57 Allgemeine Meinung, vgl. Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, Vor § 2197 Rn. 13. 58 Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, Vor § 2197 Rn. 13. 59 BGH, Urt. v. 26.2.1988 – V ZR 231/86, NJW 1988 (2603); Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl. 2022, § 168 Rn. 6.
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mächtigten für zulässig angesehen mit der Folge, dass diese nur aus wichtigem Grund widerrufen werden können.60 Anhand der Verfügung von Todes wegen und/oder der Erblasservollmacht ist im Einzelfall auszulegen, ob der Erblasser die stärkere Position dem Testamentsvollstrecker oder dem Bevollmächtigten zugedacht hat. Bei einer üblichen General- und Vorsorgevollmacht, die vor allem auch für die lebzeitigen, altersbedingten Bedürfnisse des Erblassers erteilt wurde ohne weitere besondere Ausgestaltung des Innenverhältnisses, wird man zu dem Ergebnis kommen können, dass nach dem Erbfall dem Testamentsvollstrecker die stärkere Position zukommen soll. Unter diesem Vorzeichen wird der Testamentsvollstrecker nach § 2205 BGB auch zum Widerruf befugt sein. Bei postmortalen Erblasservollmachten, die womöglich im Hinblick auf ein bestimmtes Objekt erteilt wurden, kann die Auslegung anders aussehen. Entscheidend ist insoweit allein der Erblasserwille. Selbst aus der zeitlichen Abfolge von Vollmachtserteilung und Anordnung von Testamentsvollstreckung kann keine allgemein gültige Rangfolge abgeleitet werden. Vielmehr ist diese nach allgemeinen Auslegungsregeln im Einzelfall zu ermitteln. Die Lösung des Konflikts zwischen Testamentsvollstrecker und Bevollmächtigtem ist im Kern eine Frage des Innenverhältnisses zwischen beiden und muss dort gelöst werden.61 Auf das Außenverhältnis und die Wirksamkeit der Verfügungen beider hat dies keinen Einfluss, solange die Erblasservollmacht unwiderrufen ist. Der Rechtsverkehr darf sich insoweit auf die Fortgeltung der Vollmacht verlassen, wenn die Ausfertigung vorgelegt wird (§ 172 BGB). Das Innenverhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Bevollmächtigtem kann der Rechtsverkehr unberücksichtigt lassen. Die Grenze wird freilich bei offensichtlichem Missbrauch der Vollmacht, etwa im Zuge unentgeltlicher Verfügungen gezogen werden müssen.62
2. Nachlasspflegschaft und Erblasservollmacht Nach § 1960 Abs. 2 BGB kann vom Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft angeordnet werden, wenn ein besonderes Fürsorgebedürfnis für staatliches Handeln festgestellt wird. Dazu bedarf es eines besonderen Sicherungsanlasses zu einem Zeitpunkt, in dem die Person des Erben oder seine Annahme der Erbschaft ungewiss ist.63 Die Anordnung von Nachlasspflegschaft ist subsidiär und stellt eine Abweichung von der grundsätzlichen Zuständigkeit der Erben für die Abwicklung des Nachlasses dar. An einem staatlichen Fürsorgebedürfnis fehlt es und die Anordnung von Nachlasspflegschaft hat zu unterbleiben, wenn 60 Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, Vor § 2197 Rn. 13.
61 Weidlich, MittBayNot 2013, 196 (197); von Schwander, RhNotZ 2019, 57 (64). 62
BGH NJW 1962, 1718; Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, Vor § 2197 Rn. 12.
63 Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1960 Rn. 1.
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die Nachlassabwicklung durch Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung oder einen Bevollmächtigten vorgenommen werden kann und missbräuchliche Maßnahmen ausgeschlossen werden können.64 Damit müsste eine Erblasservollmacht grundsätzlich das besondere Fürsorgebedürfnis ausschließen. Das entspricht der Subsidiarität dieses Rechtsinstituts. Allerdings kann trotz des Vorliegens einer über den Tod hinaus geltenden Vollmacht Nachlasspflegschaft angeordnet werden.65 Ein Fürsorgebedürfnis kann trotz transmortaler Generalvollmacht bejaht werden, soweit eine Erbenermittlung erforderlich ist, die die Generalvollmacht nach Ansicht des BayObLG nicht umfasste.66 Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter der Erben, soweit die Anordnung der Pflegschaft reicht. Allerdings steht ihm, im Gegensatz zu Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter, keine verdrängende Vertretungsmacht zu.67 Aufgrund der strukturellen Subsidiarität der Nachlasspflegschaft gegenüber privatautonomen Gestaltungen wie einer Vollmacht kann es kein Konkurrenzverhältnis zwischen beiden geben. Soweit die Erblasservollmacht reicht, ist die Anordnung von Nachlasspflegschaft mangels Fürsorgebedürfnis unzulässig. Umgekehrt reicht dort, wo aufgrund eines festgestellten Fürsorgebedürfnisses Nachlasspflegschaft angeordnet wird, eine Vollmacht nicht aus. Eine Erblasservollmacht bleibt insoweit grundsätzlich bestehen. Im Rahmen seiner Bestellung soll jedoch der Nachlasspfleger zum Widerruf von Erblasservollmachten befugt sein.68
3. Nachlassinsolvenz bzw. -verwaltung und Erblasservollmacht Ein solches Nebeneinander ist bei Nachlassinsolvenz und Nachlassverwaltung nicht vorstellbar. Vielmehr kommen mit Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 1980 BGB) die insolvenzrechtlichen Vorschriften zur Anwendung (§§ 11 Nr. 2, 315 ff InsO). Dabei geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht vom Erben auf den Insolvenzverwalter über. Nach § 117 Abs. 1 InsO erlischt eine vom Schuldner erteilte Vollmacht. Zwar ist Schuldner des Nachlassinsolvenzverfahrens in dem Fall der Erbe, jedoch ist der Erblasser für die Anwendung der Vorschriften, die sich auf die Zeit vor dem Erbfall beziehen, als Schuldner anzusehen. Nach dem Erbfall gilt der Erbe als Schuldner. Da der Erblasser insoweit als 64 Grüneberg/Weidlich,
BGB, 81. Aufl. 2022, § 1960 Rn. 1; LG Stuttgart, Urt. v. 17.7.2009 – 1 T 61/09, ZEV 2009, 396 (397). 65 OLG München, Urt. v. 26.2.2010 – 31 Wx 16/10, NJW 2010, 2364 mit kritischer Anmerkung Everts, NJW 2010, 2318. 66 BayObLG, Urt. v. 22.6.2004 – 1 Z BR 37/04, BayObLGZ 2004, 159 (162) = FamRZ 2005, 239. 67 Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1960 Rn. 11. 68 von Schwander, RhNotZ 2019, 57 (66) mit Verweis auf OLG Karlsruhe, Urt. v. 2.5.2003 – 14 Wx 3/03, FamRZ 2004, 222.
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Schuldner für die Zeit vor dem Erbfall angesehen wird, erlöschen die vom ihm erteilten Vollmachten kraft Gesetzes mit Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Eines gesonderten Widerrufs bedarf es nicht. Auch bei Anordnung von Nachlassverwaltung geht der Erbe seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verlustig. Zwar verweist § 1984 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich auf §§ 81 und 82 InsO, nicht ausdrücklich auf § 117 InsO, dennoch entspricht es der allgemeinen Meinung, dass mit Anordnung von Nachlassverwaltung Erblasservollmachten ohne Widerruf erlöschen.69 Für eine dem Erben selbst erteilte Vollmacht ergibt sich der Verlust seiner Befugnisse schon aus dem Wortlaut des § 1984 Abs. 1 S. 1 BGB. Erst recht muss dies für die einem Dritten erteilte Erblasservollmacht gelten, da dieser nicht einmal Rechtsträger des Nachlasses ist. Auch aus der strukturellen Ähnlichkeit von Nachlassinsolvenz und Nachlassverwaltung lässt sich eine analoge Anwendung des § 117 InsO begründen. Die zugrundeliegende Idee ist, dass die Privilegierung der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass gegenüber den Gläubigern nur dann gerechtfertigt ist, wenn der eingesetzte Nachlassinsolvenzverwalter bzw. Nachlassverwalter das alleinige Verwaltungs- und Verfügungsrecht hat und konkurrierende Verfügungen von Bevollmächtigten, die den Nachlass zum Nachteil von Gläubigern schmälern könnten, unwirksam sind. Insoweit kann es bei Nachlassinsolvenz und Nachlassverwaltung strukturbedingt nicht zu Friktionen mit Erblasservollmachten kommen.
D. Verwendungsprobleme wegen besonderem Missbrauchspotential I. Postmortale Schenkungen aufgrund Vollmacht So sehr die weitreichenden Befugnisse aufgrund Erblasservollmacht für den Rechtsverkehr vorteilhaft erscheinen, können sie doch eine Gefahr für die Aushöhlung des Nachlasses darstellen. Vor allem bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften aufgrund Erblasservollmacht wird dies greifbar. Dabei stellt sich die Frage, ob der Bevollmächtigte aufgrund Erblasservollmacht zu unentgeltlichen Verfügungen befugt ist, ob er zuvor die Zustimmung des Erben einzuholen hat und wer insoweit sein Auftraggeber ist. Zu differenzieren ist, ob mit dem aufgrund Erblasservollmacht vorgenom menen Rechtsgeschäft ein vom Erblasser selbst begründetes Schenkungsver69 Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1984 Rn. 2; Staudinger/Dohle, BGB, 17 Aufl. 2020,
§ 1984 Rn. 4; Tschauer, Die postmortale Vollmacht, 2002, 113 ff.; Anders wohl Papenmeier, Transmortale und postmortale Vollmacht als Gestaltungsmittel, 2013, 104 f.
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sprechen nur vollzogen wird oder ob auch der schuldrechtliche Grund erst nach dem Tod des Erblassers gesetzt wird.
1. Reiner Vollzug eines vom Erblasser begründeten Anspruchs Hat der Erblasser selbst Schenkungsversprechen von Todes wegen abgegeben (§ 2301 BGB), etwa in Form der beliebten Sparverträge für die Enkel, erscheint es unproblematisch, wenn der Bevollmächtigte aufgrund Erblasservollmacht dieses Schenkungsversprechen erfüllt. Schuldrechtlich ist der Anspruch bereits durch den Erblasser selbst begründet worden. Lediglich der Vollzug erfolgt aufgrund Erblasservollmacht. Je enger die Vorgaben, wie etwa der bestimmte Sparvertrag für den genau bezeichneten Enkel, desto klarer ist die Umsetzung des Auftrags durch Ausfüllung der Erblasservollmacht. Mit dem Erbfall geht das Auftragsverhältnis auf den Erben über (§ 672 S. 1 BGB). Wenn sich aus dem Schenkungsversprechen und/oder der Erblasservollmacht ergibt, dass Zweck der Vollmacht gerade die Erfüllung dieser Schenkung ist, wird man dies womöglich sogar als Ausschluss der Widerruflichkeit auslegen können. Auch wenn die Widerruflichkeit nicht ausgeschlossen ist, kommt es nach der Rechtsprechung bis zum Widerruf der Erblasservollmacht allein auf den Willen des Erblassers an, sei es der ausdrückliche oder mutmaßliche, nicht aber auf den des Erben.70 Auch Anordnungen in letztwilligen Verfügungen können den Rechtsgrund für unentgeltliche Zuwendungen darstellen, wie Vermächtnisse oder Auflagen, die mittels Erblasservollmacht vom Bevollmächtigten vollzogen werden. In diesen Konstellationen erscheint es vertretbar, den Bevollmächtigten im Wissen um den Willen des Erblassers agieren zu lassen. Mit der Rechtsprechung des BGH ist es, solange der Bevollmächtigte sich an den Auftrag hält, nicht einmal mehr erforderlich, den Erben zu konsultieren und ihn um Zustimmung zu bitten.71 Da der Erbe durch die bereits vom Erblasser selbst begründeten erbrechtlichen Ansprüche gebunden ist, mag das angehen.
2. Schenkungsversprechen post mortem Gänzlich anders dürften jedoch Rechtsgeschäfte zu behandeln sein, bei denen der Bevollmächtigte selbst erst aufgrund Erblasservollmacht nach dem Tod des Erblassers die schuldrechtliche Causa setzt. Einigen Stimmen im Schrifttum verursacht diese Möglichkeit derart großes Unbehagen, dass man die Vertretungsmacht sogar im Außenverhältnis begrenzen will: Unabhängig von der jeweiligen Auslegung soll nach einer restriktiven 70 BGH,
ZEV 2009, 306 (307); MüKoBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 518 Rn. 16; Staudinger/Schilken, BGB, 2. Aufl. 2019, § 168 Rn. 32. 71 BGH, Urt. v. 18.4.1969 – V ZR 179/65, DNotZ 1969, 481 ff. = NJW 1969, 1245.
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Ansicht die Vertretungsmacht nach dem Tod des Erblassers beschränkt sein auf Eingehung von Verbindlichkeiten, die zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung erforderlich sind. Das Kriterium der Ordnungsgemäßheit habe sich dabei an den Erfordernissen der Nachlassgläubiger zu orientieren.72 Andere wollen erbrechtliche Schutzvorschriften zu beeinträchtigenden Schenkungen entsprechend auf postmortale Schenkungen aufgrund Erblasservollmacht anwenden.73 Das Ziel dieser Argumentation ist ein verständlicher Schutz des Erben und der Nachlassgläubiger vor den Machenschaften des durch Erblasservollmacht Bevollmächtigten. Übersehen wird bei diesen Überlegungen jedoch, dass dadurch die Verkehrsfähigkeit der Erblasservollmacht insgesamt leidet. Auch findet eine solche Begrenzung der Vertretungsmacht keine gesetzliche Grundlage. Die erbrechtlichen Vorschriften sind gerade keine des allgemeinen Vertretungsrechts und eine planwidrige Lücke, die eine Analogie rechtfertigen könnte, ist nicht erkennbar. Die einzige Grenze, die die Rechtsprechung im Einzelfall gezogen hat, ist die der unzulässigen Rechtsausübung oder des böslichen Zusammenwirkens von Bevollmächtigtem und Drittem im Sinne eines kollusiven Zusammenwirkens (§ 138 Abs. 1 BGB).74 Sicherlich kann im konkreten Einzelfall eine Verletzung des Innenverhältnisses Schadensersatzansprüche des Erben auslösen. Auch kann das Vertreterhandeln im Einzelfall wegen unzulässiger Rechtsausübung ausnahmsweise unwirksam sein. Daraus aber eine generelle Beschränkung der Vertretungsmacht bei Erblasservollmachten konstruieren zu wollen, ohne dass dies eine gesetzliche Grundlage hat, ginge zu weit. Das Problem der Vollmachtsüberschreitung ist im Übrigen kein Sonderfall der Erblasservollmacht. Auch im allgemeinen Vertretungsrecht sind Verletzungen des Innenverhältnisses zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem auszutragen. Sie führen in aller Regel nicht zur Unwirksamkeit des Vertreterhandelns im Außenverhältnis, ausgenommen bei missbräuchlichem Vertreterhandeln, wie kollusivem Zusammenwirken. Ein gewisses Störgefühl löst freilich die Rechtsprechung aus, wonach der Bevollmächtigte, solange er im Rahmen des Auftrags handelt, nicht einmal mehr den Erben informieren und schon gar nicht seine Zustimmung einholen muss.75 Das gilt vor allem bei einem durch den Bevollmächtigten als Insichgeschäft schuldrechtlich begründeten Schenkungsversprechen. Auch wenn aus grundsätzlichen Erwägungen im Außenverhältnis die Wirksamkeit nicht versagt werden kann, erscheint es angemessen, in diesen Fällen, den Erben als eigentlichen Geschäftsherrn anzusehen und auf dessen ausdrückMuscheler, Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung, 1994, § 14 IV 2d; MüKoBGB/ Küpper, 9. Aufl. 2022, § 1967 Rn. 14. 73 Wie §§ 2287, 2288, 2325, 2329 BGB, vgl. Sagmeister, MittBayNot 2013, 107 (112). 74 BGH, Urt. v. 18.4.1969 – V ZR 179/65, DNotZ 1969, 481 ff. = NJW 1969, 1245. 75 BGH, Urt. v. 18.4.1969 – V ZR 179/65, DNotZ 1969, 481 ff. = NJW 1969, 1245. 72
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lichen oder mutmaßlichen Willen abzustellen. Es erscheint insoweit zumutbar, den Bevollmächtigten als verpflichtet anzusehen, den Erben über eine geplante Schenkung aufgrund Erblasservollmacht zu informieren und dessen Zustimmung im Innenverhältnis einholen zu müssen.76 Im Außenverhältnis kann an der Legitimationswirkung der Erblasservollmacht und der darauf gegründeten Vertretungsmacht festgehalten werden. Die Interessen des Erben müssen im Innenverhältnis zum Bevollmächtigten gewahrt werden. Ein schützenswertes Interesse des Bevollmächtigten an einer vom Erblasser nicht selbst initiierten Schenkung erscheint demgegenüber nachrangig zu sein. Deshalb muss man einem Bevollmächtigten im Vorfeld von eigeninitiativen Schenkungen aufbürden können, sich der Zustimmung des Erben zu versichern. Das muss umso mehr gelten, wenn es um Schenkungen im Wege des Insichgeschäfts an den Bevollmächtigten selbst geht. Die Zustimmung des Erben im Innenverhältnis schützt insoweit den Bevollmächtigten auch vor gegen ihn gerichteten Schadensersatzansprüchen.
II. Erblasservollmachten bei Vor- und Nacherbschaft In der Gemengelage von Erblasservollmacht und Vor- und Nacherbschaft sind verschiedene Konstellationen denkbar, die unterschiedliche Rechtsprobleme aufwerfen können. Das Besondere bei einer Vor- und Nacherbschaft ist das gesetzliche Verhältnis zwischen Vor- und Nacherben für die Zeit der Vorerbschaft. Beide sind Erben des Erblassers, nur zeitlich hintereinander gestaffelt. Der Vorerbe unterliegt, je nach Ausgestaltung der letztwilligen Verfügung, mehr oder weniger weitreichenden Verfügungsbeschränkungen. Bestimmte Verfügungen kann er wirksam nur mit Zustimmung des Nacherben vornehmen. Der Nacherbe hat nach den erbrechtlichen Grundsätzen bis zum Nacherbfall keinen Zugriff auf den Nachlass und keinerlei Verfügungsmöglichkeit, sondern lediglich Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche. Nun stellt sich die Frage, ob und wie Erblasservollmachten diese erbrechtlichen Grundsätze überwinden oder konterkarieren können.
1. Erblasservollmacht zur Zeit der Vorerbschaft auch für Zustimmungserklärungen des Nacherben? Der Erblasser kann dem Vorerben oder einem Dritten eine Erblasservollmacht erteilen.77 Fraglich ist dann, ob der Bevollmächtigte dennoch oder gerade nicht den Beschränkungen der Vorerbschaft unterliegt. Wenn der Bevollmächtigte 76 Vgl. auch Staudinger/Kanzleiter, BGB, 18. Aufl. 2019, § 2301 Rn. 41. 77
Das mögliche Konfusionsproblem, wenn der Bevollmächtigte auch alleiniger Vorerbe ist, kann hier zusätzlich entstehen. Vgl. in diesem Beitrag oben Abschnitt C. II.
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den Beschränkungen des Vorerben unterliegt, ist zu klären, ob er mit der Erblasservollmacht auch den Nacherben vertreten könnte. Wenn dem so wäre, könnte er Zustimmungserklärungen für den Nacherben abgeben und auf diese Weise Verfügungen wirksam werden lassen kann, die dem Vorerben ohne Mitwirkung des Nacherben nicht gelingen könnten. Die jüngere Rechtsprechung der Oberlandesgerichte dazu ist bislang uneinheitlich. Im Jahre 2019 bezogen das OLG München78 und das OLG Stuttgart79 zu dieser Frage mit entgegengesetzten Ergebnissen Stellung. In beiden zugrundeliegenden Sachverhalten ging es um die Frage, ob der Vorerbe aufgrund der ihm erteilten Erblasservollmacht den Nacherben bei der Erklärung der Zustimmung nach §§ 2113, 2114 BGB zu Verfügungen über Nachlassgegenstände vertreten konnte. Das OLG München hielt das nicht für möglich. Einzige Ausnahme, bei der eine Vertretung nach Ansicht des OLG München doch zulässig sein kann, sei der Fall, dass der Nacherbe ausnahmsweise zu einer Zustimmung gegenüber dem Vorerben verpflichtet wäre. Dagegen befand das OLG Stuttgart, dass der Nacherbe durch Erblasservollmacht wirksam vertreten worden sei. Es betonte, dass der Bevollmächtigte insoweit nicht den Beschränkungen eines Vorerben unterliege. Rechtsprechung des BGH liegt, soweit ersichtlich, dazu noch nicht vor. Auch das Schrifttum gibt ein buntes Bild der Ansichten. Eine Ansicht im Schrifttum kann sich durch das OLG Stuttgart weitgehend bestätigt sehen. Auch danach soll eine Erblasservollmacht den Bevollmächtigten im Außenverhältnis zur Vertretung sowohl des Vor- als auch des Nacherben legitimieren, und zwar ohne Rücksicht auf bestehende Verfügungsbeschränkungen des Vorerben.80 Damit könnte der bevollmächtigte Vorerbe auch Zustimmungserklärungen des Nacherben abgeben. Andere Stimmen sind der Auffassung, der Bevollmächtigte könne nicht gleichzeitig den Vor- und den Nacherben vertreten.81 Wieder andere sind der Ansicht, bis zum Nacherbfall könne nur der Vorerbe mit Geltung der gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen vertreten werden.82 Nach einer weiteren Auffassung spaltet sich eine Erblasservollmacht bei Eintritt des Erbfalles in zwei separat widerrufliche Vollmachten, und zwar eine mit Wirkung für und gegen den Vorerben und eine andere mit Wirkung für und gegen den Nacherben.83 Die jeweils so aufgespaltene Erblasservollmacht soll jeweils nur die Befugnisse umfassen, die dem Vor- bzw. Nacherben zustehen. Da78
OLG München, Urt. v. 14.6.2019 – 34 Wx 237/18, BeckRS 2019, 11659. OLG Stuttgart, Urt. v. 29.5.2019 – 8 W 160/19, BeckRS 2019, 11670. 80 Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, § 2112 Rn. 4; Rachlitz/Vedder, notar 2019, 336 (340). 81 Kollmeyer, ZEV 2019, 533. 82 MüKoBGB/Lieder, 9. Aufl. 2022, § 2112 Rn. 18. 83 Rachlitz/Vedder, notar 2019, 336 (337 f.). 79
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her sei es auch nicht zulässig, mit der Erblasservollmacht, die nur für und gegen den Vorerben wirke, Zustimmungen für den Nacherben zu erklären. Andere Stimmen in der Literatur schlagen vor, die Vertretung des Nacherben bei Zustimmungserklärungen nach §§ 2113, 2114 BGB durch den Vorerben typischerweise, ohne Rücksicht auf den Einzelfall stets dem Verdikt des Missbrauchs der Vertretungsmacht zu unterwerfen.84 Die Verfügungsbeschränkungen des Vorerben werden dabei mit Weisungen des Vollmachtgebers gleichgesetzt. Für den Rechtsverkehr und den anderen Vertragsteil habe die Anwendung der Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht den Charme, dass auch jenseits der Gutglaubensregelung des § 2113 Abs. 3 BGB der gute Glauben an den Fortbestand der Erblasservollmacht geschützt sei, wenn er das missbräuchliche Verhalten des Bevollmächtigten weder kannte noch kennen musste. Dagegen spricht jedoch, dass das Unwerturteil des Vollmachtsmissbrauchs ein bösliches Verhalten des Bevollmächtigten voraussetzt, das den Interessen des Vollmachtgebers konkret entgegenläuft. Man kann nicht davon ausgehen, dass jede Zustimmung des Nacherben zu Verfügungen nach §§ 2113, 2114 BGB immer den Interessen des Nacherben zuwiderläuft. Wenn das so wäre, gäbe es nicht die gesetzlich vorgesehene Zustimmungsmöglichkeit. Außerdem sind aus der Praxis durchaus Fälle bekannt, in dem die Zustimmung des Nacherben, etwa aufgrund persönlicher Nähe zum Vorerben oder weil er seinerseits Schenkungen oder Ausgleichsleistungen aus dem Eigenvermögen des Vorerben erhält, durchaus interessengerecht sein kann. Zustimmungserklärungen aufgrund Erblasservollmacht in dieser Konstellation pauschal, ohne Rücksicht auf den Einzelfall, wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht für unwirksam zu erklären, erscheint nicht der richtige Weg zu sein.85 Im Interesse des Rechtsverkehrs, der sich auf Originale bzw. in Ausfertigung vorgelegte Vollmachten, welcher Art auch immer, verlassen können muss und zur Umsetzung der Rechtsscheinvorschriften der §§ 170 ff BGB sollten Einschränkungen, die nur aufgrund der speziellen Hintergründe des Bevollmächtigten erkennbar sind, nicht befürwortet werden. Andernfalls müsste der Vertragspartner, dem eine solche Vollmacht vorgelegt wird, sich jeweils vergewissern, ob bestimmte Tatsachen vorliegen oder eben nicht vorliegen, ob der Bevollmächtigte Alleinerbe, Vorerbe oder Testamentsvollstrecker ist. Im Grundbuchverfahren müssten solche Tatsachen, ggf. auch negative, zudem in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden. Damit würde die Erblasservollmacht für den Rechtsverkehr untauglich. Auch wenn man die Erblasservollmacht nur in Ausnahmefällen, wie bei den Zustimmungserklärungen für und gegen den Nacherben, aus rechtskonstruktiven Gründen zurückweisen wolle, würde dies
84 85
Litzenburger, FD-ErbR 2019, 418920 Praxishinweis Nr. 2. Ebenso im Ergebnis Rachlitz/Vedder, notar 2019, 336 (339).
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die Akzeptanz von Vollmachten im Rechtsverkehr insgesamt erschüttern.86 Mit Blick auf die Rechtsscheinträger nach §§ 170 ff. BGB, insbesondere die Ausfertigung der Vollmacht, sollten Beschränkungen der Rechtsstellung des Erben nicht auf die Außenwirksamkeit der Erblasservollmacht durchschlagen. Damit ist noch nicht entschieden, ob der mit Erblasservollmacht Bevollmächtigte im Innenverhältnis die Zustimmung für den Nacherben abgeben durfte. Diese Frage gehört ins Innenverhältnis zwischen Bevollmächtigtem und Erben. Zuwiderhandlungen im Innenverhältnis lösen Schadensersatzansprüche aus, berühren aber nicht die Wirksamkeit der Erklärungen im Außenverhältnis. Bei diesem Grundsatz sollte es auch in Bezug auf Erblasservollmachten bei Vor- und Nacherbschaft bleiben. Für die Praxis bestehen durch die divergierenden Entscheidungen und die Kakophonie der Literaturstimmen erhebliche Unsicherheiten. Deshalb wird es sich immer empfehlen, trotz einer dem Vorerben erteilten Erblasservollmacht den Nacherben selbst um Zustimmung zu ersuchen und sich gerade nicht allein auf die Erblasservollmacht zu verlassen. Gerade bei Immobilientransaktionen könnte der Grundbuchvollzug sonst schwierig werden. Dieser „sicherste Weg“ der allseitigen Mitwirkung wird freilich dann schwierig, wenn der Nacherbe noch nicht einmal geboren ist, wie etwa bei der beliebten Formulierung der „im Zeitpunkt des Todes des Vorerben lebenden Abkömmlinge“. In dem Fall wird bedauerlicherweise um die Bestellung eines Pflegers für die unbekannten Nacherben nach §§ 1913 ff. BGB kein Weg herumführen, will man die Zustimmung der Nacherben zu einer Verfügung des Vorerben erreichen. Denn in dem Fall dürfte es schon an einem vertretungsfähigen Rechtsträger mangeln. Dieses Problem gesellt sich dann zu dem Akzeptanzproblem der Erblasservollmacht noch als weiteres hinzu.
2. Erblasservollmacht an den Nacherben Der Erblasser kann aber auch dem Nacherben eine Erblasservollmacht erteilten. Der Nacherbe ist bis zum Zeitpunkt des Nacherbfalls nicht Erbe des Erblassers. Dies ist vielmehr bis zum Nacherbfall der Vorerbe, §§ 2100, 2137 BGB. Damit ist der bevollmächtigte Nacherbe so zu behandeln wie ein Dritter. Folglich kann er unproblematisch den Vorerben vertreten. Der Vorerbe hat keine erbrechtlichen Möglichkeiten, sich gegen die Rechtsgeschäfte des bevollmächtigten Nacherben zu schützen. Die Vorschriften der §§ 2128, 2129 BGB sichern ausdrücklich nur das Sicherungsbedürfnis des Nacherben gegenüber dem Vorerben. Das Problem des Vorerben, der sich durch Rechtsgeschäfte des bevollmächtigten Nacherben benachteiligt sieht, löst sich nur über das allgemeine Vollmachtsrecht. Daher muss man dem Vorerben ein jederzeitiges Widerrufsrecht der dem Nacherben 86 Vgl. die Bedenken bei Rachitz/Vedder, notar 2019, 337 (340).
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erteilten Erblasservollmacht zubilligen.87 Damit steht der Vorerbe gegenüber dem Bevollmächtigten nicht anders als ein Erbe, der die Erblasservollmacht grundsätzlich auch jederzeit widerrufen kann. Sofern die Vollmacht nicht zwischenzeitlich widerrufen ist, fallen mit Eintritt des Nacherbfalls Bevollmächtigung und Erbenstellung zusammen. Falls nur ein Nacherbe eingesetzt ist, führt dies wiederum zu dem umstrittenen T hemenkomplex des Erlöschens durch Konfusion bei Erblasservollmacht des alleinigen Erben. Allerdings bestehen dann keine Probleme mehr aus dem erbrechtlichen Verhältnis zwischen Vor- und Nacherbe. Diese sind mit Eintritt des Nacherbfalls erloschen.
3. Zwischenergebnis Es zeigt sich, dass eine Erblasservollmacht, mit dem der Bevollmächtigte seine Befugnisse vom Erblasser ableitet, das gesetzlich fein austarierte Verhältnis zwischen Vor- und Nacherben empfindlich stören kann. Jedenfalls für Immobilienverfügungen des Vorerben unter Zustimmung des Nacherben, der durch Erblasservollmacht vertreten werden soll, ist angesichts der Vielzahl an Meinungen in obergerichtlicher Rechtsprechung und im Schrifttum eine erhebliche Rechtsunsicherheit zu erkennen. Die Erblasservollmacht ist insoweit jedenfalls nicht als Allheilmittel zu betrachten.
E. Gestaltungshinweise I. Form Die Form der Erblasservollmacht muss, wenn sie für Grundstücksgeschäfte nutzbar sein soll, dem Formerfordernis des § 29 GBO genügen.
1. Beurkundungsform Bei notariell beurkundeten General- und Vorsorgevollmachten, die ausdrücklich über den Tod des Erblassers hinausgehen, ist dies unproblematisch erfüllt. Von der Urkunde können mehrere Ausfertigungen erteilt werden, auch zu einem späteren Zeitpunkt. Abhängig ist dies allein von den Anweisungen des Vollmachtgebers. Jede Ausfertigung vertritt gemäß § 47 BeurkG die Urschrift im Rechtsverkehr. Sie ist damit die Vollmachtsurkunde im Sinne des § 172 BGB.
87
So im Ergebnis auch von Schwander, RhNotZ 2019, 57 (68).
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2. Beglaubigungsform Auch nur öffentlich beglaubigte Vollmachten erfüllen das Formerfordernis des § 29 GBO. Allerdings scheiterten die Beteiligten mit einer nur beglaubigten Erblasservollmacht bei einem Grundbuchamt im OLG-Bezirk Celle.88 Das Grundbuchamt wies die beglaubigte Vollmacht zurück mit dem Hinweis, die Generalund Vorsorgevollmacht mit ausdrücklicher Befugnis zur Grundbesitzveräußerung müsse dem Formerfordernis des § 311b Abs. 1 BGB genügen und bedürfe damit der notariellen Beurkundung. Das OLG Celle setzte sich ausführlich mit der Frage auseinander, wann für eine General- und Vorsorgevollmacht das Formerfordernis des § 311b Abs. 1 BGB gilt. Mit der herrschenden Meinung und in Übereinstimmung mit § 167 Abs. 2 BGB lehnte das OLG Celle im Ergebnis die Beurkundungspflicht ab, sofern die Vollmacht jederzeit frei widerruflich sei. Nur wenn mit der Vollmacht bereits eine faktische Bindung eintrete, was bei entsprechender Absprache im Grundverhältnis denkbar sei, komme eine Beurkundungspflicht in Betracht. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Damit war die nur beglaubigte Vollmacht im Ergebnis und nach Durchlaufen der Rechtsmittelinstanz doch ausreichend. Neben diesen möglichen Nachweisproblemen über das Nicht-Vorhandensein einer besonderen Absprache im Grundverhältnis ist als weiterer Nachteil der nur beglaubigten gegenüber der beurkundeten Vollmacht zu bedenken, dass es bei der reinen Beglaubigung immer nur die eine im Original unterzeichnete Vollmachtsurkunde mit dem notariellen Beglaubigungsvermerk gibt. Die Erteilung von Ausfertigungen gemäß §§ 47, 48 BeurkG ist dabei nicht möglich. Wenn dieses eine Exemplar verloren geht oder bei einer Bank hinterlegt wird, hat der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde im Sinne des § 172 BGB mehr in den Händen. Beglaubigte Abschriften von dem Original sind dagegen keine Vollmachtsurkunden im Sinne des § 172 BGB. Mit der Beglaubigung wird nur bescheinigt, dass am Tag der Anfertigung der beglaubigten Kopie das Original vorlag. Ein weiterer Nachweis über das Vorliegen der Vollmacht zu einem späteren Zeitpunkt wird damit nicht erbracht.
3. Betreuungsbehördliche Form Nach § 6 des Betreuungsbehördengesetzes (BtBG) ist die Urkundsperson der Betreuungsbehörde befugt, Unterschriften oder Handzeichen unter Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen öffentlich zu beglaubigen. Dies gilt nicht für Unterschriften oder Handzeichen ohne dazugehörigen Text. Beglaubigungen sollen nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgenommen werden, wenn die Urkundsperson in der betreffenden Angelegenheit die Vertretung eines Be88
OLG Celle, Urt. v. 16.8.2019 – 18 W 33/19, RNotZ 2019, 633.
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teiligten innehat. Da die Aufgaben und Zuständigkeiten der Betreuungsbehörde mit dem Tod der betreuten Person enden, stellte sich immer wieder die Frage, wie nach dem Tod des Vollmachtgebers mit Vorsorgevollmachten, unter denen die Betreuungsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Unterschrift oder das Handzeichen beglaubigte, umzugehen sei. Auch dazu gab es entgegengesetzte Ansichten der Oberlandesgerichte. Das OLG Karlsruhe sah die Vorsorgevollmacht auch nach dem Tod des Beteiligten als (form)wirksam fortgeltend an, da die Beglaubigungskompetenz der Behörde auch Vorsorgevollmachten über den Tod hinaus erfasse.89 Das OLG Köln90 war dagegen im Jahre 2019 der Auffassung, dass die Form des § 29 GBO nach dem Tod des Vollmachtgebers nicht mit einer von der Betreuungsbehörde nach § 6 Abs. 2 BtBG beglaubigten Vollmacht gewahrt sei, weil die Zuständigkeit der Betreuungsbehörde mit dem Tod ende. Im Jahre 2020 entschied der BGH diesen Streit.91 Im Ergebnis schloss er sich der Ansicht des OLG Karlsruhe an und hob die Entscheidung des OLG Köln auf. Die Beglaubigungskompetenz der Betreuungsbehörde erfasse allerdings ausschließlich Vorsorgevollmachten. Eine allgemeine Zuständigkeit zur Beglaubigung sei nicht begründet worden. Eine Kompetenz der Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde, Unterschriften auf beliebigen Vollmachten, insbesondere Generalvollmachten, zu beglaubigen, bestehe nicht. Jedoch liege noch immer eine Vorsorgevollmacht i.S.v. § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG vor und damit die Beglaubigungskompetenz des beglaubigenden Organs, auch wenn diese über den Tod des Vollmachtgebers hinaus erteilt und im Außenverhältnis unbeschränkt sei. Beide Ausgestaltungen seien im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG zulässig. Bei einer Vorsorgevollmacht, die auch im Außenverhältnis auf den Eintritt des Vorsorgefalls aufschiebend bedingt und nicht transmortal erteilt sei, müsse der Eintritt der Bedingung bzw. das Nichtversterben des Vollmachtgebers in grundbuchtauglicher Form nachgewiesen werden. Dies sei praktisch kaum umzusetzen. Daher erfordere der gesetzgeberische Zweck eine im Außenverhältnis unbeschränkte und über den Tod hinaus erteilte Vollmacht. Aus diesem Grunde sei § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG dahingehend auszulegen, dass die Beglaubigungskompetenz der Urkundsperson der Betreuungsbehörde auch solche Vollmachten erfasse. Der BGH ergänzt jedoch, dass es in dem Zusammenhang zwingend erforderlich sei, dass sich die Beschränkung auf den Vorsorgefall im Innenverhältnis aus der Vollmachtsurkunde selbst ergebe. Im Ergebnis legt der BGH § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG in seiner derzeitigen Fassung weit aus und lässt auch eine im Außenverhältnis unbeschränkte, transmor89
OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.9.2015 – 11 Wx 71/15, www.dnoti.de (27.10.2022). OLG Köln, Urt. v. 30.10.2019 – 2 WX 327/19, RhNotZ 2020, 97. 91 BGH, Urt. v. 12.11.2020 – V ZB 148/19, ZNotP 2021, 382.
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tale Vorsorgevollmacht eines Urkundsbeamten der Betreuungsbehörde für das Grundbuchverfahren genügen. Jedoch wird sich diese Rechtslage mit der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts mit Wirkung zum 1.1.2023 ändern. Nach dem neuen § 7 Abs. 2 Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) „darf“ die Urkundsperson der Betreuungsbehörde nur noch Beglaubigungen unter Vollmachten vornehmen, die zu dem Zweck erteilt werden, die Bestellung eines Betreuers zu vermeiden. Damit soll, so die Gesetzesbegründung, die Wirksamkeit im Außenverhältnis gestärkt und insbesondere das Grundbuchverfahren künftig von der „Unbestimmtheit des Begriffs Vorsorgevollmacht“ entlastet werden.92 Ausdrücklich begrenzt der neue § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG die „Wirkung der Beglaubigung“ für Vollmachten auf die Lebzeiten des Vollmachtgebers.93 Materiell-rechtlich werden die betreuungsbehördlich beglaubigten Vollmachten zwar nicht mit dem Tod des Erblassers unwirksam, jedoch verlieren sie ihre Grundbuchtauglichkeit, weil sie der Form des § 29 GBO nach dem Tod des Erblassers nicht mehr entsprechen. Begründet wird dies mit der Erkenntnis, dass „der Zusammenhang zum Betreuungsrecht mit dem Tod des Vollmachtgebers“ ende.94 Damit bestätigt die Gesetzesbegründung im Kern die Argumentation des OLG Köln.95 Bei Erblasservollmachten, die nach dem 1.1.2023 von einer Betreuungsbehörde beglaubigt wurden, wird man bei Verwendung künftig zu klären haben, ob der Vollmachtgeber im entscheidenden Zeitpunkt noch lebte oder nicht. Allerdings soll nach der Gesetzesbegründung das Grundbuchamt dies nur dann prüfen, wenn „konkrete Anhaltspunkte“ für den Tod des Vollmachtgebers bestehen. Für nach dem 1.1.2023 von der Betreuungsbehörde beglaubigte Vollmachten wird sich also die Relevanz der BGH-Entscheidung aus dem Jahre 2020 zu transmortalen Vollmachten erledigen. Stattdessen werden neue Herausforderungen für die Grundbuchtauglichkeit aufkommen.
II. Postmortale Vollmacht im Testament? Eine echte postmortale Vollmacht soll erst nach seinem Tod wirksam werden. Grund dafür kann sein, dass ausschließlich die Nachlassabwicklung erleichtert oder ein eingesetzter Testamentsvollstrecker in seiner Position noch verstärkt werden soll. In dem Fall könnte der Erblasser auf die Idee kommen, diese post92 RegBegr. BT-Drcks. 19/24445, 349; Rachlitz/Vedder, notar 2021, 322 (326).
93 BGBl. I v. 12.5.2021, 882; Dazu Müller-Engels, DNotZ 2021, 84 (91); Horn, ZEV 2020, 748 (751);
Bosch/Siegel, notar 2021, 204 (206 f.).
94 RegBegr. BT-Drcks. 19/24445, 350.
95
OLG Köln, Urt. v. 30.10.2019 – 2 WX 327/19, RhNotZ 2020, 97; Rachlitz/Vedder, notar 2021, 322 (326).
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mortale Vollmacht gleich in sein Testament aufzunehmen. Vorteil wäre, dass der Zusammenhang von postmortaler Vollmacht und Anordnungen im Testament offensichtlich wird. Das Dokument kann so nicht verloren oder vergessen werden. So könnte man denken. Unabhängig davon, ob die postmortale Vollmacht in einem eigenhändigen oder einem notariellen Testament enthalten ist, führt jedoch die Verbindung von beidem zu praktischen Problemen: Denn die Vollmachtsurkunde nach § 172 BGB kann im Rechtsverkehr nicht vorgelegt werden. Eigenhändige Testamente verbleiben nach ihrer Eröffnung in der Verwahrung des Nachlassgerichts. Den Beteiligten wird bei der Testamentseröffnung lediglich der „sie betreffende Inhalt der Verfügung von Todes wegen schriftlich bekannt“ gegeben (§ 348 Abs. 3 FamFG). In der Praxis wird oft eine beglaubigte Abschrift mit dem Eröffnungsprotokoll in Umlauf gebracht. Nach § 357 Abs. 1 FamFG hat derjenige, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, das Recht die Verfügung von Todes wegen beim Nachlassgericht einzusehen. Auch das Recht auf Ausfertigungen nach § 357 Abs. 2 FamFG bezieht sich ausschließlich auf Erbscheine, Testamentsvollstreckerzeugnisse und Zeugnisse über die fortgesetzte Gütergemeinschaft (Zeugnis nach § 354 FamFG i.V.m. § 1507 BGB). Eine Ausfertigung oder gar das Original des Testaments erhält man nicht. Bei notariellen Verfügungen von Todes wegen sieht das nicht anders aus. Denn gemäß § 47 BeurkG erteilt nur die Stelle eine Ausfertigung, die die Urschrift verwahrt. Da auch notariell beurkundete Verfügungen von Todes wegen in Urschrift beim Nachlass hinterlegt und bei Erbverträgen unverzüglich nach Erbfallmitteilung die Urschrift dem zuständigen Nachlassgericht überreicht wird, ist verwahrende Stelle das Nachlassgericht und nicht der Notar. Daher darf der Notar dann keine Ausfertigung mehr erteilen. Wenn aber von einer Vollmacht das privatschriftliche Original oder bei einer notariell beurkundeten die Ausfertigung nach § 47 BeurkG nicht vorgelegt werden kann, liegt das Problem im allgemeinen Vertretungsrecht des BGB. Gemäß § 167 Abs. 1 BGB kann zwar die Erklärung auch gegenüber dem Dritten, demgegenüber die Vertretung stattfinden soll, erfolgen. Das ist aber bei einer Vollmacht, die erst nach dem Tod des Vollmachtgebers wirksam werden soll, schwierig. Genauso dürfte eine öffentliche Bekanntmachung der Vollmacht (§ 171 Abs. 1 BGB) ausscheiden. Im Ergebnis ist das Vollmachtsdokument, sei es im Original bei privatschriftlichen Dokumenten oder in Ausfertigung bei notariellen Urkunden, im Rechtsverkehr vorzulegen. Daher sollte eine postmortale Vollmacht immer ein gesondertes, vom Testament getrenntes Dokument sein. Bei notariellen Verfügungen von Todes wegen sollten diese auch nicht als Anlage verbunden sein, sondern eine gesonderte Urkundennummer, seit 1.1.2022 Urkundsverzeichnisnummer, erhalten. Nur so ist es nach dem Tod des Erblassers möglich, Ausfertigungen der Vollmacht, ggf. mit einer beglaubigten Kopie der Sterbeurkunde als Nachweis
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des Bedingungseintritts, zu erteilen. Bei privatschriftlichen Testamenten sollte die postmortale Vollmacht ebenfalls getrennt und gesondert, aus Gründen der Grundbuchtauglichkeit dann aber jedenfalls in mindestens notariell beglaubigter Form erteilt werden. Mit einer postmortalen Erblasservollmacht, die im Rechtsverkehr nicht vorgelegt werden kann, wird es dem Erblasser nicht gelingen, die Nachlassabwicklung zu erleichtern. Deshalb ist von der scheinbaren Vereinfachung in einem einzigen Dokument mit dem Testament entschieden abzuraten.
III. Anwendbares Recht – Rechtswahl Besondere Herausforderungen stellen sich, wenn der Bevollmächtigte mit der Erblasservollmacht auch über ausländische Vermögenswerte des Erblassers verfügen können soll.
1. International privatrechtliche Grundsätze Nach Art. 8 Abs. 1 EGBGB ist eine Rechtswahl des anzuwendenden Rechts zulässig, und zwar sowohl bei Erteilung der Vollmacht als auch später durch Vereinbarung zwischen Vollmachtgeber, Bevollmächtigtem und vom Rechtsgeschäft betroffenen Dritten. Falls keine Rechtswahl getroffen ist, kommt es nach Art. 8 Abs. 2 bis Abs. 4 EGBGB darauf an, ob der Bevollmächtigte in Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit, als Arbeitnehmer des Vollmachtgebers handelt oder ob keiner dieser beiden Bereiche betroffen ist, wie das bei unseren Vorsorgevollmachten in aller Regel der Fall sein dürfte. Sind weder arbeitsrechtliche noch unternehmerische Bereiche von der Vollmachtsausübung betroffen, sind gemäß Art. 8 Abs. 4 EGBGB bei einer „auf Dauer angelegten Vollmacht“ die Sachvorschriften des Staates anzuwenden, in dem der Bevollmächtigte von der Vollmacht gewöhnlich Gebrauch macht. Das soll aber dann nicht gelten, wenn dies für den Dritten nicht erkennbar ist. Für Verfügungen über Grundstücke bestimmt schließlich Art. 8 Abs. 6 i.V.m. Art. 43 EGBGB, dass die Sachvorschriften des Belegenheitsortes Anwendung finden. Mit dieser Kaskade wären wir für das anwendbare Recht auf eine Erblasservollmacht, mit der auch über Immobilienvermögen im Ausland verfügt werden soll, bei dem Recht des jeweiligen Belegenheitsstaates. Wenn ein Erblasser Grundvermögen in verschiedenen Staaten hinterlässt, könnten die Anforderungen an die Vollmacht für jedes Objekt unterschiedlich sein. Die nationalen Bestimmungen für Vollmachten sind auch innerhalb Europas sehr unterschiedlich. So erkennt zum Beispiel das österreichische Recht eine Vollmacht nur an, wenn sie entweder vollständig handschriftlich vom Vollmachtgeber verfasst wurde oder notariell beurkundet ist. Einfache Schriftform, auch mit notarieller Unterschriftsbeglaubigung, reicht damit in der Regel nicht.
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Ähnlich ist es in der Schweiz und auch in Frankreich. Dort bedarf die Vollmacht überdies der Form, die für das zu tätigende Rechtsgeschäft verlangt wird, also das genaue Gegenteil von dem, was das deutsche Recht mit § 167 Abs. 2 BGB bestimmt. Vorsorgevollmachten, die mit Blick auf künftige Handlungsunfähigkeit erteilt werden, sind in Frankreich erst seit dem Gesetz vom 5. März 2007 zulässig als „mandat de protection future“. In jedem Fall müssen sie nach französischem Recht notariell errichtet oder eigenhändig handschriftlich verfasst werden.96 Auch die inhaltlichen Anforderungen unterscheiden sich in den einzelnen Rechtsordnungen. So erlischt zum Beispiel eine Vollmacht nach spanischem Recht zwingend und automatisch mit dem Tod des Vollmachtgebers. Außerdem kennt das spanische Recht, wie auch andere auf römischem Recht basierende Rechtsordnungen, das Institut der Generalvollmacht nicht. Deshalb müssen nach spanischem Recht alle Befugnisse detailliert aufgeführt werden. Das führt in der Praxis zu seitenlangen Aufzählungen von denkbaren Rechtshandlungen, wenn man weitreichende Handlungsbefugnisse erteilen möchte, die in die Nähe einer Generalvollmacht kommen. Das jeweilige Internationale Privatrecht des ausländischen Staates ist entscheidend für die Frage, ob die Erblasservollmacht formwirksam und inhaltlich für das angestrebte Rechtsgeschäft ausreichend ist. Auch die Bestimmungen des Internationalen Privatrechts sind von Staat zu Staat unterschiedlich. Das führt zu einer unübersichtlichen und unsicheren Rechtslage, bei der eine ausländische Erblasservollmacht in einem Staat anerkannt wird, in einem anderen nicht und im nächsten nur teilweise.
2. Vereinfachung seit 2009 durch Erwachsenenschutzabkommen (ESÜ) Durch das Haager Übereinkommen über den Internationalen Schutz Erwachsener (Erwachsenenschutzabkommen – ESÜ) wird für die Vertragsstaaten eine Verbesserung erreicht. Die deutschen Ausführungsbestimmungen finden sich im Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen (Erwachsenenschutzübereinkommens-Ausführungsgesetz – ErwSÜAG) vom 17. März 2007.97 Diese traten am 1.1.2009 in Kraft. Danach ist im Verhältnis der Vertragsstaaten für die Gültigkeit einer Vorsorgevollmacht das Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Vollmachtgebers bei Erteilung der Vollmacht maßgeblich. Spätere Änderungen von Aufenthalt oder Staatsangehörigkeit ändern das anwendbare Recht nicht mehr. Überdies hat der Vollmachtgeber die 96
Zu den Anforderungen der einzelnen Rechtsordnungen: www.the-vulnerable.eu (27.10.2022). 2007 I, 314; Am 1. Januar 2021 galt das Abkommen für Belgien, Estland, Finnland, Frankreich, Lettland, Monaco, Österreich, Portugal, Schweiz, Tschechische Republik, Zypern, Schottland. Vgl. www.hcch.net/en/instruments/conventions/status-table/?cid=71 (27.10.2022).
97 BGBl.
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Möglichkeit, das auf seine Vollmacht anwendbare Recht zu wählen, allerdings beschränkt auf (i) das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, (ii) das Recht eines Staates, in dem er früher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte sowie (iii) das Recht des Staates, in dem sein Vermögen belegen ist, im Hinblick auf das dort belegene Vermögen. Die Rechtswahl bedarf der Schriftform. Mit all diesen Bestimmungen wird im Verhältnis der Vertragsstaaten ein höheres Maß an Rechtssicherheit sowohl für den Vollmachtgeber als auch für den Bevollmächtigten erreicht. Deshalb empfiehlt sich in einer Erblasservollmacht ein Hinweis auf den derzeitigen gewöhnlichen Aufenthaltsort des Vollmachtgebers. Eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts ist freilich auch möglich. Allerdings löst die Rechtswahl bei beurkundeten Vollmachten seit der Reform des Kostenrechts eine erhebliche Erhöhung des Geschäftswertes aus. Deswegen sehen gebührensensible Notare von der standardmäßigen Aufnahme einer Rechtswahl ab. In den meisten Fällen dürfte das anwendbare deutsche Recht mit der Feststellung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland hinreichend feststehen, jedenfalls im Geltungsbereich des ESÜ. Damit dürfte ausreichend rechts sicher sein, dass das deutsche Recht zur Anwendung kommt. Im Verhältnis zu anderen Staaten gilt das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz Erwachsener nicht. Hier bleibt es bei den jeweiligen IPR-rechtlichen Vorschriften des Staates, in dem die Vollmacht verwendet werden soll. Ob eine in Deutschland erteilte Vorsorgevollmacht in dem Staat, in dem von ihr Gebrauch gemacht werden soll, auch tatsächlich anerkannt wird, kann zu einer Art Glücksspiel werden, erst recht, wenn die Vollmacht auch oder gerade nach dem Tod des Erblassers noch verwendet werden soll. Das lässt sich nur dadurch zu vermeiden, dass vor Erteilung der Erblasservollmacht genau ermittelt wird, in welchen Ländern sich welche Art von Vermögen, bewegliches oder unbewegliches Vermögen, befindet und welche Bestimmungen dort anwendbar sind. Nur so kann, z.B. unter Konsultation ausländischer Kollegen, eine Vollmacht errichtet werden, die all den möglicherweise zur Anwendung kommenden nationalen Rechtsvorschriften entspricht.
IV. Erblasservollmacht vs. Transaktionssicherheit Bei allem Verständnis für Kostensensibilität auf Verkäuferseite ist die Voreintragung des Erben aus notarieller Sicht aus Gründen der Transaktionssicherheit oft unabdingbar, vor allem bei Kaufverträgen mit Dritten.98 Ohne Voreintragung des Erben verliert der Käufer den ihm zugedachten Schutz vor möglicherweise in der Person des Erben liegenden Verfügungsbe98
Keim, MittBayNot 2021, 207 (215) m.w.N.; Weber, DNotZ 2018, 884 ff.
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schränkungen. Genau dieser Gutglaubensschutz ist Zweck der Voreintragung des Erben.
1. Schutz vor Verfügungsbeschränkungen des Erben Bei Verfügungen aufgrund Erblasservollmacht ist der Erbe der eigentliche Vertragspartner. Ist ein Erbe in seinen Verfügungen beschränkt, etwa durch ein eröffnetes Insolvenzverfahren, erlischt die Erblasservollmacht, ohne dass der Käufer dies weiß. Denn ihm sind regelmäßig weder die Insolvenzeröffnung noch die Person des Erben bekannt. Vollmachten erlöschen mit Insolvenzeröffnung kraft Gesetzes und ohne Rücksicht auf Gutgläubigkeit (§ 117 Abs. 1 InsO). Selbst wenn die Ausfertigung der Erblasservollmacht vorgelegt wird und damit nach allgemeinen Vertretungsregeln der gute Glaube an das Fortbestehen der Vollmacht gemäß § 172 BGB Schutz genießt, hilft dies dem Käufer nicht. Denn die Schutzwirkung des § 172 BGB entfällt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens.99 Seinem Wortlaut nach gilt § 117 InsO zwar nur für Vollmachten, die vom Insolvenzschuldner erteilt wurden, da jedoch der Erbe gemäß § 1922 BGB in die Stellung des ursprünglichen Vollmachtgebers einrückt, sprechen überzeugende Argumente dafür, die Vorschrift auch auf die Erblasservollmacht anzuwenden und diese unwirksam werden zu lassen.100 Der gute Glaube an das Nichtvorhandensein von Verfügungsbeschränkungen ist nur dann nach § 892 Abs. 1 S. 2 BGB geschützt, wenn der Erbe im Grundbuch eingetragen ist. Dann darf der Käufer, sofern kein Insolvenzvermerk eingetragen ist, von der Verfügungsbefugnis des eingetragenen Verkäufers ausgehen (§§ 81 Abs. 1 S. 2, 91 Abs. 2 InsO). Wenn Grundlage des guten Glaubens des Käufers aber nicht der Grundbuchstand ist, sondern die Vorlage einer Vollmachtsurkunde, ist er nicht geschützt.
2. Scheinargument: Schutz vor Scheineigentum Falls der Erblasser nur eingetragener, aber nicht tatsächlicher Eigentümer des Grundbesitzes, also Scheineigentümer, war, ermöglicht § 892 Abs. 1 BGB einem Erwerber den gutgläubigen Erwerb. Man kann erwägen, ob eine Voreintragung des Erben im Grundbuch nicht deshalb sinnvoll ist, um auch dem Käufer den gutgläubigen Erwerb vom Scheineigentümer zu ermöglichen. Kern der Frage ist, ob § 892 Abs. 1 BGB den Mangel an Rechtsinhaberschaft auch dann zu überwinden vermag, wenn nicht der verfügende Erbe im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, sondern der Erblasser. Da im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch die Buchposition als zu Unrecht eingetragener Eigentümer auf den Er 99 Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl. 2022, § 172 Rn. 4. 100
Rachlitz/Vedder, notar 2021, 322 (325); Becker, MittBayNot 2019, 315 (317).
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ben übergeht, muss auch die Wirkung des § 892 BGB auf den Erben übergehen. Mit dieser Begründung hält die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur einen gutgläubigen Erwerb vom Erben des eingetragenen Bucheigentümers für möglich.101 Die fehlende Voreintragung des Erben des Scheineigentümers ist insoweit für den Käufer aufgrund einer Erblasservollmacht unschädlich. Der Schutz des Käufers vor dem Scheineigentümer geht also auch bei Verfügungen aufgrund Erblasservollmacht nicht verloren. Dagegen lässt sich die fehlende Verfügungsbefugnis des Erben nicht überwinden. Aus diesem Grunde sollte bei der Gestaltung von Kaufverträgen mit Dritten aus notarieller Sicht der sicherste Weg gewählt und in aller Regel auf die Voreintragung des Erben hingewirkt werden.102 Bei Erbauseinandersetzungen oder Vorausvermächtnissen im Kreise der Erben, die sich untereinander mehr oder weniger kennen und das Risiko von Verfügungsbeschränkungen einschätzen können, kommen Verfügungen über Erblasservollmachten unter Verzicht auf die Voreintragung der Erben durchaus in Betracht. Als typisierte Standardabwicklung bei Rechtsgeschäften unter Dritten jedoch sollte dies nicht angewendet werden, zum einen wegen des Gutglaubensschutzes an die Verfügungsbefugnis der Erben und zum anderen wegen der uneinheitlichen Rechtsprechung.
F. Zusammenfassung Eine Vielzahl von Problemen prägt die Praxis beim Einsatz von Erblasservollmachten weiterhin. Die Vielstimmigkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung führt vor allem bei der Vollmacht des Alleinerben noch immer zu erheblicher Rechtsunsicherheit, ebenso beim Einsatz von Erblasservollmachten an den Vorerben zur Überwindung der Zustimmungserfordernisse des Nacherben. In Immobilienschäften mit Dritten gehen die Interessen auf Transaktionssicherheit in aller Regel den Wünschen nach Gebührenersparnissen der Verkäuferseite vor. Es gibt gute Gründe die Erblasservollmacht als ein hilfreiches Instrument, aber keineswegs als Allheilmittel anzusehen.
101
OLG Naumburg, Urt. v. 9.5.2000 – 11 U 235/99, NJOZ 2001, 1137 f.; OLG Schleswig, Urt. v. 30.3.2006 – 2 W 5/06, DNotZ 2006, 768 (769); OLG Dresden, Urt. v. 25.11.1993 – 8 u 193/03, OLG-NL 1994, 155 (156); MüKoBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, § 892 Rn. 18; Staudinger/Gursky, BGB, 13. Aufl. 2002, § 892 Rn. 46; Weber, DNotZ 2018, 884 (886); von Schwander, RhNotZ 2019, 57 (73) bei Fn. 196 mit Hinweis auf eine Entscheidung des KG, die sich gegen die Zurechnung der Eintragung des Erblassers zugunsten des Erben ausspreche. 102 Zur notariellen Amtspflicht, den sichersten Weg zu wählen, BGH, Urt. v. 30.9.2004 – III ZR 308/03, MittBayNot 2005, 168; BGH, Urt. v. 13.6.2002 – IX ZR 196/01, WM 2003, 88 (89).
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Missbrauch von Vorsorgevollmachten – das „abgeräumte Bankkonto“1 A. Einleitung I. Problemskizze Die Erteilung einer Vollmacht kann, gemessen an den möglichen lebenspraktischen Auswirkungen dieses Vorgangs, für die Betroffenen Segen und Fluch zugleich sein.2 Dem persönlichen Nutzen, den der Vollmachtgeber für den Fall alters- und/oder krankheitsbedingter Einschränkungen mit der Einschaltung einer oder mehrerer anderer Personen bezweckt, sowie der Bedeutung der Vollmachterteilung als Instrument einer über den Tod hinausreichenden Nachfolgeplanung3 stehen die Gefahren gegenüber, die mit der Eröffnung jedenfalls eines unkontrollierten Vermögenszugriffs Dritter verbunden sein können. Das der Vollmacht immanente Missbrauchsrisiko weist die Rechtsordnung grundsätzlich demjenigen zu, der es durch die Vollmachterteilung gesetzt hat, also dem Vertretenen bzw. im Nachlassfall seinen Rechtsnachfolgern, den Erben.4 Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht für Dritte, mit denen der Bevollmächtigte in geschäftlichen Kontakt tritt, im Regelfall keine Prüfungspflicht, ob und inwieweit der Vertreter im Innenverhältnis rechtlich verpflichtet ist, von einer nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen. Der Vertretene bzw. sein Rechtsnachfolger ist im Verhältnis zum Vertragspartner gegen einen Missbrauch der Vertretungsmacht lediglich im Ausnahmefall einer – massive Verdachtsmomente voraussetzenden – objektiven Evidenz des Missbrauchs geschützt,5 also wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch 1
Der Beitrag basiert im Wesentlichen auf einem Vortrag, den der Autor auf dem 12. Bochumer Erbrechtssymposium der Hereditare – Wissenschaftliche Gesellschaft für Erbrecht e.V. am 20. Mai 2022 hielt. 2 Zur T hematik vgl. bereits Pamp, ErbR 2009, 34 ff., 108 ff.; ders., ErbR 2013, 194 ff., 226 ff. 3 Bartsch, jurisPR-BKR 8/2009, Anm. 2; Roth, NJW-Spezial 2012, 615. 4 BGHZ 127, 239, 241. 5 BGHZ 127, 239, 241; s. auch BGH NJW 1995, 250 f., insoweit in BGHZ 127, 239 nicht abgedruckt; Dauber/Henning, in: Ellenberger/Bunte (Hrsg.), BankR-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 16 Rn. 27.
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macht, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel entstehen müssen, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliegt,6 mithin sich nach den Umständen des Falles die Notwendigkeit einer Rückfrage des Vertragspartners beim Vertretenen vor Vertragsschluss geradezu aufdrängt.7 Die erhebliche Praxisbedeutung der damit umrissenen Problematik findet statistisch in der zunehmenden Verbreitung von Vorsorgevollmachten8 als einem Mittel zur umfassenden Regelung der persönlichen sowie vermögensrechtlichen Angelegenheiten Ausdruck. Die – um die Löschungen bereinigte – Gesamtzahl der Eintragungen in dem von der Bundesnotarkammer geführten Zentralen Vorsorgeregister lag Ende 2021 bei über 5,3 Millionen Registrierungen; die Anzahl der jährlichen Neueintragungen belief sich zuletzt auf ca. 350.000 bis 390.000.9 Hinzu kommt die vermutlich große Zahl nicht registrierter (Vorsorge-) Vollmachten sowie der „einfachen“ Bank- oder Kontovollmachten. Nicht selten müssen daher Erben bei der Abwicklung eines Erbfalles feststellen, dass ein anderer – sei er Miterbe, Vermächtnisnehmer oder eine völlig außerhalb erbrechtlicher Beziehungen stehende Person – aufgrund einer vom Erblasser erteilten Vollmacht bereits über dessen Kontoguthaben oder andere Vermögenswerte verfügt hat. Bei dem Bemühen um nachträgliche Aufklärung dieser Vorgänge sehen die Erben sich oftmals mit dem Einwand des Bevollmächtigten konfrontiert, die betreffenden Beträge seinerzeit auf Wunsch des Erblassers von dessen Konto abgehoben, sie sodann dem Erblasser – oder auch auf dessen Veranlassung einer dritten Person – ausgehändigt zu haben und über den Verbleib des Geldes keine Angaben machen zu können. Oder der Bevollmächtigte beruft sich auf eine angebliche Schenkung durch den Erblasser, wonach der betreffende Vermögenswert kein Nachlassbestandteil mehr wäre.10 Dem Schenkungseinwand ausgesetzt sieht der Erbe sich ferner häufig, wenn Sparbücher des Erblassers oder vergleichbare Bankwerte sich nach dem Erbfall im Besitz eines Dritten befinden.11 In Betracht kommt schließlich der Einwand, bei den vom Konto abgehobenen Beträgen habe es sich um die zuvor mit dem Erblasser vereinbarte Vergütung für Leistungen des Bevollmächtigten gehan 6
BGH NJW 1995, 250 (251) m.w.N. BGH NJW 1966, 1911, NJW-RR 1992, 1135 (1136) m.w.N. 8 Siehe nur Grüneberg/Götz, BGB, 81. Aufl. 2022, Einf v § 1896 Rn. 4 ff. 9 Jahresbericht 2021, abrufbar unter www.vorsorgeregister.de/Jahresbericht und Statistik (20.7.2022). 10 Staudinger/Kanzleiter, BGB, 18. Aufl. 2019, § 2287 Rn. 28. Die schenkweise Zuwendung eines gesamten Kontoguthabens, für die unterschiedliche rechtliche Gestaltungsformen gewählt werden können, kann mittels einer vom Erblasser hierzu erteilten post- oder transmortalen Vollmacht vollzogen werden (§ 518 Abs. 2 BGB). Vgl. BGHZ 127, 239, 242. 11 Vgl. auch Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 4 Rn. 177 ff.; Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326 (331). 7
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delt, beispielsweise zur Verwaltung des Erblasservermögens oder auch für Versorgungs- und Pflegeleistungen.12 Nimmt der Erbe die Darstellung des Vertreters nicht hin, steht die Frage einer – erforderlichenfalls gerichtlichen – Geltendmachung von Zahlungs- bzw. Herausgabeansprüchen13 im Raume: – Der Anspruch auf Herausgabe des abgehobenen Geldes gegen den Bevollmächtigten kann sich, wenn keine Schenkung erfolgt war, aus § 667 BGB (Herausgabe des aus einem Auftrag Erlangten) bzw. aus § 687 Abs. 2 Satz 1, § 681 Satz 2, § 667 BGB (Herausgabe des aus unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag Erlangten) ergeben. – Bei fehlendem Nachweis der ordnungsgemäßen Verwendung und Unmöglichkeit der Herausgabe nach § 667 BGB kommt ein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1, 3, § 283 BGB in Betracht.14 – Durch missbräuchliche Überweisungen oder Barauszahlungen vom Konto des Vollmachtgebers erlangte Beträge sind nach Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) zurück zu gewähren. – Deliktsrechtlich sind in den vorgenannten Fallgestaltungen Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 Fall 1 StGB (Untreue in Gestalt des Missbrauchstatbestandes) bzw. § 246 StGB (Unterschlagung) denkbar.15 – Für den Anspruch auf Herausgabe des im Besitz des Vertreters befindlichen Sparbuchs kommen die dinglichen Herausgabeansprüche (in erster Linie § 985 BGB) sowie der Erbschaftsanspruch nach § 2018 BGB in Betracht. – Spezifisch erbrechtlich ist schließlich der nach § 2287 Abs. 2, § 195 BGB binnen drei Jahren nach dem Anfall der Erbschaft bestehende Herausgabeanspruch des (Vertrags-)Erben gegen einen vom Erblasser Beschenkten gemäß § 2287 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 812 ff. BGB, der allerdings an den Missbrauch nicht einer Vollmacht, sondern der Verfügungsfreiheit des Erblassers selbst anknüpft, nämlich eine von ihm in Benachteiligungsabsicht vorgenommene („bösliche“)16 Schenkung, mithin ein eigenes Fehlverhalten des Erblassers, weshalb er an dieser Stelle nur abrundend erwähnt wird. In den hier im Fokus stehenden Vollmachtsfällen kann die Geltendmachung des (Eigen-) Anspruchs des Vertragserben nach § 2287 Abs. 1 BGB allerdings hilfsweise Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 27; § 4 Rn. 26 f., 195 ff. 13 Zu den möglichen Anspruchsgrundlagen vgl. Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 4 Rn. 80 ff.; Muscheler, ZEV 2007, 184; Horn/Schabel, NJW 2012, 3473 (3476 ff). 14 BGH NJW 2006, 986, 987; NJW-RR 2008, 1373, 1374; OLG Hamm ZEV 2008, 600. 15 Horn/Schabel, NJW 2012, 3473 (3477) m.w.N.; OLG Hamm ZEV 2016, 280. 16 Staudinger/Kanzleiter, BGB, 18. Aufl. 2019, BGB § 2287 Rn. 1.
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in Betracht gezogen werden, sofern die beklagte Partei sich gegenüber dem Hauptantrag auf eine Erblasserschenkung beruft.17 Die Einschätzung des Ergebnisses eines etwaigen künftigen Rechtsstreits ist schwierig. Für die fraglichen Vorgänge stehen häufig keine unmittelbaren Beweismittel zur Verfügung. Auch die mittelbare Beweisführung durch Hilfstatsachen (Indizien) ist vielfach mit Unsicherheiten behaftet. So kann die Echtheit von Schriftstücken oder die Glaubwürdigkeit von Zeugen, die nicht selten dem Lager der einen oder der anderen Partei zumindest nahestehen, zweifelhaft sein. Das gilt umso mehr, als Zwistigkeiten der in Rede stehenden Art ihr durchweg erhebliches Streitpotential18 nicht selten aus schwierig gewordenen innerfamiliären Beziehungen schöpfen, bei denen der „Streit ums Konto“ vielfach nur Alibi-Funktion in Bezug auf anderweitige Konflikte der Beteiligten hat. Dabei darf freilich die „Schurkenrolle“ nicht leichthin einer Seite, insbesondere nicht ohne Weiteres dem Bevollmächtigten zugewiesen werden, der über Vermögenswerte des Erblassers verfügt hat. Beurteilungsmaßstab für das Handeln des Bevollmächtigten ist namentlich bei der Vorsorgevollmacht, aber auch ganz allgemein, ob es sich im Rahmen der Zweckbindung der Bevollmächtigung hält. Der Bevollmächtigte muss im wohlverstandenen Interesse des Vollmachtgebers handeln. Er darf und muss sich dabei an einen ihm etwa erteilten Auftrag und damit verbundene Weisungen halten. Diese Weisungen und das wohlverstandene Interesse des Betroffenen können auch Zuwendungen an andere Personen einschließen. Die Vollmacht ist deshalb nicht stets schon dann zweckwidrig verwendet, wenn der Bevollmächtigte Maßnahmen ergreift, die auch ihm selbst einen Vorteil verschaffen.19 Das gilt umso mehr, als eine dem Bevollmächtigten vom Erblasser erteilte Vollmacht, wie der Bundesgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25. Oktober 199420 betont hat, gerade den Sinn haben kann, es dem Vertreter beim Ableben des Vollmachtgebers zu ermöglichen, über dessen Konten und Depot wirksam gerade auch zu eigenen Gunsten – etwa in Vollziehung einer Schenkung unter Lebenden – zu verfügen.
II. Vollmachtsarten Die hiermit in den Blick genommenen Fragen stellen sich unabhängig davon, auf welcher Art von Vollmacht die Vertretungsmacht des Handelnden beruht. Für alle Vollmachtsarten gleichermaßen gilt, dass die dem Bevollmächtigten 17 Vgl. Goldkamp, jurisPR-FamR 12/2021 Anm. 8.
Roth, NJW-Spezial 2012, 615. BGH NJW-RR 2021, 1082 Rn. 26; vgl. auch BGH FamRZ 2018, 1188 Rn. 19 f. m.w.N. 20 BGHZ 127, 239, 242. 18 19
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im Außenverhältnis zum Rechtsverkehr verliehene Rechtsmacht von dem im Innenverhältnis zum Vollmachtgeber gesetzten rechtlichen Rahmen zu unterscheiden ist und sich aus diesem Auseinanderfallen von rechtlichem „Können“ sowie rechtlichem „Dürfen“ Missbrauchsmöglichkeiten ergeben.
1. Vorsorgevollmacht Der – geschäftsfähige – Erblasser kann eine sog. Vorsorgevollmacht erteilt haben, durch die der Vertreter bevollmächtigt wird, bei später eintretender Geschäfts- und/oder Einwilligungsunfähigkeit des Vollmachtgebers für diesen sämtliche oder bestimmte Aufgaben zu erledigen. Die Vorsorgevollmacht, mit deren Erteilung in der Regel bezweckt wird, die spätere gerichtliche Anordnung einer rechtlichen Betreuung zu vermeiden (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB),21 kann sich ihrem Umfang nach daher sowohl auf die Vermögens- als auch die Personensorge beziehen.22 Generell gilt, dass die Vorsorgevollmacht der Sache nach zwar auf den Verlust der Geschäfts- und Einwilligungsfähigkeit abzielt, der tatsächliche Eintritt dieses Vorsorgefalls aber – zumal für den Geschäftsgegner – regelmäßig schwer feststellbar bzw. überprüfbar ist.23 Zumeist wird daher die Erteilung einer nach außen unbedingten Vollmacht, verbunden mit der internen Anweisung, von ihr erst im Vorsorgefall Gebrauch zu machen, empfohlen.24 Ob die Vorsorgevollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers erlischt oder darüber hinaus bestehen bleibt, hängt zunächst von einer diesbezüglichen ausdrücklichen oder stillschweigenden Anordnung des Vertretenen ab. Fehlt sie, so gilt die Vollmacht jedenfalls dann, wenn das Grundverhältnis ein Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag ist, nach der Auslegungsregel des § 672 Satz 1 BGB i.V.m. § 168 Satz 1 BGB im Zweifel fort.25
2. Generalvollmacht Eine Generalvollmacht gibt dem Bevollmächtigten regelmäßig eine über Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) und Prokura (§ 48 HGB) hinausreichende umfassende Vertretungsmacht.26 Eine Vorsorgevollmacht ist zumindest im Außenver21
Zur Nachrangigkeit der rechtlichen Betreuung gegenüber einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht vgl. BGH FamRZ 2012, 969; s. auch BGH NJW-RR 2021, 1082 Rn. 25. 22 Grüneberg/Götz, BGB, 81. Aufl. 2022, Einf v § 1896 Rn. 4 ff.; Uhlenbruck, ZInsO 2009, 612. 23 Zu Haftungsfragen bei einer ihrem Wortlaut nach einschränkungslos an das Vorliegen eines ärztlichen Attests geknüpften Vollmacht zur Vertretung in Vermögensangelegenheiten vgl. OLG Koblenz WM 2007, 1785. 24 Grüneberg/Götz, BGB, 81. Aufl. 2022, 72. Aufl., Einf v § 1896 Rn. 5; vgl. auch OLG Köln BeckRS 2013, 01040. 25 Zimmermann, BKR 2007, 226 (226 f). 26 Dauber/Henning, in: Ellenberger/Bunte (Hrsg.), BankR-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 16 Rn. 1.
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hältnis in der Regel eine Generalvollmacht.27 Eine Generalvollmacht kann auch ggf. als Vorsorgevollmacht ausgelegt werden.28
3. Bankvollmacht und Kontovollmacht Bank- und Kontovollmacht unterscheiden sich begrifflich darin, ob die Vertretungsmacht die gesamte Geschäftsverbindung zwischen dem Vollmachtgeber und der betreffenden Bank (Bankvollmacht) oder nur ein vorhandenes Konto bzw. Depot (Kontovollmacht) umfasst.29 Die in der Praxis gebräuchlichen Vollmachtsformulare der Geldinstitute sehen in der Regel die Fortgeltung einer lebzeitig erteilten Konto- oder Depotvollmacht über den Tod des Erblassers hinaus vor (transmortale Vollmacht).30
III. Widerruf der Vollmacht Nach dem Grundsatz des § 168 Satz 2 BGB ist die einmal erteilte Vollmacht unabhängig vom Fortbestand des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses frei widerruflich. Mit dem Tode des Vollmachtgebers geht daher das Widerrufsrecht auf dessen Erben über. Diese können daher die vom Erblasser erteilte Vollmacht jederzeit ohne Begründung widerrufen, sofern das Widerrufsrecht nicht vertraglich wirksam ausgeschlossen wurde.31 Wird der Vollmachtgeber von mehreren Personen beerbt, kann nach herrschender Auffassung32 jeder der Miterben einzeln den Widerruf der Vollmacht – mit Wirkung nur für sich selbst – erklären. Das Vertretungsrecht des Bevollmächtigten hinsichtlich des oder der weiteren Miterben bleibt hiervon unberührt; der Bevollmächtigte kann insoweit von seiner Vollmacht jedoch fortan nur noch gemeinsam mit dem bzw. den wi27
Horn, ZEV 2016, 373.
28 Grüneberg/Götz, BGB, 81. Aufl. 2022, Einf v § 1896 Rn. 5.
Dauber/Henning, in: Ellenberger/Bunte (Hrsg.), BankR-Handbuch, 6. Aufl. 2022, Rn. 6, 8. Allerdings wird in den banküblichen Formularen ggf. auch die Konto-/Depotvollmacht auf „die gesamte Geschäftsverbindung“ bezogen. 30 Rotter/Placzek, Bankrecht, 2. Aufl. 2019, § 18 Rn. 12. 31 Zum Ausschluss des Widerrufsrechts vgl. BGH WM 2010, 1218 Rn. 16; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl. 2022, § 168 Rn. 6 m.w.N.; Dauber/Henning, in: Ellenberger/Bunte (Hrsg.), BankR-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 16 Rn. 15 m.w.N.; Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 2 Rn. 2. 32 Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, Einf v § 2197 Rn. 13; Dauber/Henning, in: Ellenberger/Bunte (Hrsg.), BankR-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 16 Rn. 51 m.w.N.; Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 2 Rn. 35. Nach anderer Ansicht handelt es sich bei der Ausübung des Widerrufsrechts um eine Maßnahme der Nachlassverwaltung i.S.v. § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB, die nur durch alle Miterben gemeinschaftlich erfolgen kann (Madaus, ZEV 2004, 448 (448 f.)) bzw. ist das Widerrufsrecht ein Nachlassgegenstand i.S.v. § 2040 Abs. 1 BGB, über den die Miterben nur gemeinsam verfügen können (vgl. Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 2 Rn. 38). 29
Missbrauch von Vorsorgevollmachten – das „abgeräumte Bankkonto“ 43
derrufenden Miterben Gebrauch machen. Selbst wenn der Widerruf rasch und unproblematisch erklärt werden kann, bleibt er freilich nicht selten ein „stumpfes Schwert“, weil er die Wirkungen vom Bevollmächtigten bis dahin wirksam getroffener Maßnahmen nicht rückwirkend beseitigt.
B. Auskunftsansprüche des Erben Um die Chancen möglicher Leistungsansprüche gegen den Bevollmächtigten zuverlässig beurteilen zu können, ist der Erbe auf die Beschaffung von Informationen angewiesen. Als Informationsquellen kommen dabei vor allem die Bank, bei der der Erblasser seine Konten geführt und Depots unterhalten hat, sowie der Vertreter selbst in Betracht.
I. Auskunftsansprüche gegen die Bank Als Rechtsnachfolger (§ 1922 BGB) des verstorbenen Kontoinhabers sind die Erben ebenso Vertragspartner der Bank, wie es zu seinen Lebzeiten der Erblasser war. Eine Informationspflicht der Bank ergibt sich deshalb insbesondere aus dem hinsichtlich des Girokontos des Erblassers bestehenden Girovertrag mit Kontokorrentabrede, einem Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertrags charakter iSv § 675 BGB, in den die Erben mit dem Erbfall eingerückt sind. Rechtsgrundlage ihres Auskunftsverlangens ist dann § 666 BGB. Nach dieser Vorschrift hat der Inhaber eines Girokontos gegen das kontoführende Kreditinstitut einen Auskunftsanspruch, der auch Vorgänge betrifft, über die das Kreditinstitut den Kunden – also insbesondere den Erblasser – bereits unterrichtet hat, und der nicht nur die Erteilung von Kontoauszügen,33 sondern auch zusätzliche Auskünfte umfasst, soweit sie zur Überprüfung der Richtigkeit einzelner Buchungen erforderlich sind. Einem durch die Erteilung der nochmaligen Auskunft auf Seiten des Kreditinstituts verursachten Aufwand wird dadurch Rechnung getragen, dass die Bank die Auskunft grundsätzlich nur Zug um Zug gegen Kostenerstattung erteilen muss.34 Ist Rechtsnachfolger des Kontoinhabers nicht nur eine Einzelperson, sondern eine Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB), so kann zum einen fraglich sein, ob jeder einzelne Miterbe einen individuellen, nur auf sich selbst bezogenen Informationsanspruch hat,35 oder der Auskunftsanspruch (der Erbengemeinschaft) 33
In Betracht kommt auch das Anfordern einer Umsatzaufstellung in Form einer Kontoverdichtung, vgl. Kollmeyer, NJW 2017, 1137. 34 BGH NJW 2001, 1486, 1488. 35 Dafür: Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326, 329 f. in Anlehnung an die die Bruchteilsgemeinschaft an einem Grundstück betreffende Entscheidung BGH NJW 1996, 656 f.; vgl. auch Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 55.
44 Rüdiger Pamp
nach § 2039 Satz 2 BGB zwar von jedem Miterben alleine geltend gemacht werden kann, jedoch nur mit der Maßgabe der Auskunfterteilung an alle Mitglieder der Gemeinschaft. Die Praxis behilft sich in dieser Frage wohl damit, dass auf das Auskunftsverlangen eines Miterben hin die Unterlagen von der Bank an alle Miterben gesandt werden,36 soweit diese sämtlich bekannt sind.37 Zum anderen stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn nicht alle Miterben mit der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs gegen die Bank einverstanden sind. Das ist vor allem denkbar, wenn einzelne Miterben verhindern wollen, dass sie persönlich betreffende frühere Verfügungen des Erblassers den anderen Beteiligten bekannt werden. Grundsätzlich geht auch das ursprünglich dem Erblasser zustehende Recht auf Geheimhaltung auf die Erbengemeinschaft über; diese wird „Geheimnisherr“.38 Indes wird man bezweifeln dürfen, ob dem Bankgeheimnis Rechtswirkung zwischen den Mitgliedern der Erbengemeinschaft untereinander zukommt. Schutzzweck des Bankgeheimnisses ist neben dem Recht der Bank, im Sinne eines „Berufs- und Geschäftsgeheimnisses“ im Kreditgewerbe eine betriebliche Geheimsphäre aufzubauen, der Schutz des Kunden gegenüber Dritten.39 Ausgehend von dieser zweifachen Schutzrichtung entfaltet das Bankgeheimnis des Erblassers aber keinerlei Schutzzweck innerhalb des – bei einer Erbengemeinschaft aus mehreren Personen bestehenden – „Geheimnisherrn“ selbst.40 Eine andere Betrachtung liefe in der praktischen Konsequenz auf die Annahme einer Verschwiegenheitspflicht der Bank im Verhältnis zum Kontoinhaber selbst hinaus, was mit Sinn und Zweck des Bankgeheimnisses unvereinbar erscheint. Anders könnte allenfalls dann zu entscheiden sein, wenn Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers, der die Erbengemeinschaft als Rechtsnachfolgerin bindet, bestünden.41 Denkbar ist zwar auch, dass die Bank sich auf das Bankgeheimnis eines etwaigen Zuwendungsempfängers – sei es ein Mitglied der Erbengemeinschaft selbst, sei es ein außenstehender Dritter – beruft, den sie im Rahmen der Auskunfterteilung über die das Konto des Erblassers betreffenden Verfügungen offenbaren müsste. Insoweit spricht aber vieles dafür, eine mögliche Kollision zwischen dem Auskunftsanspruch der Erbengemeinschaft und dem Bankgeheimnis des Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326, 329 f.; Kollmeyer, NJW 2017, 1137. Zur denkbaren Vorgehensweise, wenn einzelne Miterben unbekannt sind, Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 55, 57. 38 Bunte, in: Ellenberger/Bunte (Hrsg.), BankR-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 3 Rn. 8 m.w.N. 39 Pamp, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer (Hrsg.), AGB-Recht, 7. Aufl. 2020, Rn. 11; Bunte, in: Ellenberger/Bunte (Hrsg.), BankR-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 3 Rn. 7, 9 m.w.N. 40 Zutreffend Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326 (330). Im Ergebnis ebenso Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 57 ff. 41 Vgl. BGH NJW 1989, 1601 (1602). 36 37
Missbrauch von Vorsorgevollmachten – das „abgeräumte Bankkonto“ 45
Zuwendungsempfängers durch eine Interessenabwägung zugunsten der Erben zu lösen. In diesem Sinne hat der Bundesgerichtshof jedenfalls in Bezug auf den Auskunftsanspruch (§§ 675, 666 BGB) des Erben gegen die Bank, mittels dessen der Erbe seine eigene Auskunftspflicht gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten (§ 2314 Abs. 1 BGB) erfüllen will, entschieden.42 Diese Erwägungen könnten auf die hier in Rede stehende Konstellation zu übertragen sein.
II. Auskunftsansprüche gegen den Bevollmächtigten Die nachfolgenden Ausführungen gelten grundsätzlich unabhängig davon, ob der auf Auskunft in Anspruch Genommene seinerseits Miterbe ist oder nicht. Spezielle Auskunftsansprüche unter Miterben ergeben sich regelmäßig nur aufgrund besonderer Tatbestände wie Erbschaftsbesitz (§ 2027 BGB), häuslicher Gemeinschaft (§ 2028 BGB) oder ausgleichspflichtiger Zuwendungen (§ 2057 BGB); ein allgemeiner Auskunftsanspruch unter Miterben aus den §§ 2038, 242 BGB aufgrund der aus der Miterbenstellung folgenden Sonderbeziehung wird hingegen abgelehnt.43
1. Auskunftsanspruch nach §§ 662, 666 BGB bzw. § 675 Abs. 1, § 666 BGB In der Praxis steht als Mittel der Informationsbeschaffung der im Wege der Rechtsnachfolge auf den oder die Erben übergegangene Auskunftsanspruch des Erblassers gegen den Bevollmächtigten im Vordergrund, der sich aus §§ 662, 666 BGB ergeben kann, wenn der Vollmacht im Innenverhältnis ein Auftrag zugrunde lag. Handelte es sich bei diesem Grundverhältnis um eine – entgeltliche – Geschäftsbesorgung, findet § 666 BGB über die Verweisung in § 675 Abs. 1 BGB Anwendung.44 Die Vorschrift des § 666 begründet dabei zu Lasten des Auskunftsschuldners drei verschiedene, ihrem Inhalt nach voneinander zu unterscheidende Informationspflichten, nämlich – die Benachrichtigungspflicht („dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben“), § 666 Fall 1 BGB, – die eigentliche Auskunftspflicht („auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen“), § 666 Fall 2 BGB, sowie – die Rechenschaftspflicht („nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen“), § 666 Fall 3 BGB i.V.m. § 259 BGB.
BGH NJW 1989, 1601 (1602). Siehe auch Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 59. 43 Kollmeyer, NJW 2017, 1137 m.w.N.; Sarres, ZEV 2020, 464 (467). 44 Vgl. auch Horn/Schabel, NJW 2012, 3473 (3474). 42
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Das OLG München hat den Mitgliedern der Erbengemeinschaft nach einer Erblasserin, die dem Beklagten eine notariell beurkundete Generalvollmacht erteilt hatte, ohne nähere Differenzierung zwischen den drei einzelnen Tatbeständen des § 666 BGB einen Auskunftsanspruch nach dieser Vorschrift zuerkannt, der auch die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses nach § 260 Abs. 1 BGB umfasse.45 Das hat im Schrifttum mit der Begründung Kritik46 erfahren, die Anwendbarkeit von § 260 Abs. 1 BGB ergebe sich weder unmittelbar aus § 666 BGB noch sei die Pflicht zur Vorlage eines Bestandsverzeichnisses im konkreten Fall zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem vereinbart worden, ist aber auch auf Zustimmung47 gestoßen, dies mit dem Argument, jedenfalls ab Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers werde, wenn nur einer Person die Vorsorgevollmacht erteilt sei, von deren umfassender Zuständigkeit für alle anfallenden Erledigungen auszugehen sein, die man mit dem Innehaben eines Gesamtvermögensinbegriffs gleichstellen könne. In Bezug auf ein etwaiges Auftragsverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Vertreter stellt sich regelmäßig die Frage der Abgrenzung zu einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis. Ist der Bevollmächtigte – wie häufig eingewandt wird – bloß aus reiner Hilfsbereitschaft, d.h. gefälligkeitshalber für den Vollmachtgeber tätig geworden, scheidet ein Auskunftsanspruch der Erben nach § 666 BGB aus übergegangenem Recht des Erblassers aus; in Betracht kommt dann allenfalls ein – subsidiäres – Auskunftsverlangen nach § 242 BGB aus eigenem Recht48 des oder der Erben. Da sowohl Auftrag als auch Gefälligkeitsverhältnis durch die Merkmale der Fremdnützigkeit und der Unentgeltlichkeit gekennzeichnet werden,49 ist maßgebliches Unterscheidungskriterium der – beim Gefälligkeitsverhältnis fehlende – Rechtsbindungswille von Vollmachtgeber und Vertreter.50 Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, ist nicht nach dem – nicht in Erscheinung getretenen – inneren Willen des Leistenden zu beurteilen, sondern danach, ob der Leistungsempfänger unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Es kommt darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstellt. Eine vertragliche Bindung wird deshalb insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist,
45
OLG München ZEV 2018, 149 Rn. 28. Kollmeyer, ZEV 2018, 52. 47 Volmer, MittBayNot 2018, 438. 48 Vgl. auch Muscheler, ZEV 2007, 186. 49 Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl. 2022, Einf. v § 662 Rn. 4. 50 BGH NJW 2015, 2880 Rn. 8; BGH NJW-RR 1997, 1007; OLG Zweibrücken OLGR 2005, 132 (132 f.); Horn, ZEV 2016, 373. 46
Missbrauch von Vorsorgevollmachten – das „abgeräumte Bankkonto“ 47
– dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und – er sich auf die Zusage des Leistenden verlässt oder – wenn der Leistende an der Angelegenheit ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat.51 Ob durch Erklärungen oder ein sonstiges Verhalten ein Auftragsvertrag zustande kommt oder nur eine „Gefälligkeitshandlung“ vorliegt, hängt hiernach von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher im Prozess eine Sache tatrichterlicher Würdigung.52 Generell wird man dabei sagen können: Ist jemand mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit für einen anderen tätig und hat diese Tätigkeit eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, neigt die Rechtsprechung in der Regel dazu, von einem Rechtsbindungswillen der Beteiligten, d.h. von einem Auftragsverhältnis auszugehen.53 Hierfür finden sich in der Rechtsprechung zahlreiche Beispielsfälle zur Orientierung.54 Die veröffentlichten Entscheidungen zusammenfassend lässt sich sagen: Bei einer Vorsorgevollmacht ist mit Rücksicht auf die üblicherweise umfangreichen Befugnisse des Bevollmächtigten typischerweise von einem Rechtsbindungswillen, d.h. also einem Auftrag auszugehen. Hinzu kommt, dass mit Vorsorgevollmachten – vom Ausnahmefall der Einrichtung einer Kontrollbetreuung abgesehen – der bewusst gewählte Verzicht auf den Schutz einer betreuungsgerichtlichen Kontrolle des Bevollmächtigten einher geht und der Vollmachtgeber bei Eintritt des Vorsorgefalles typischerweise selbst zu einer Überprüfung nicht mehr in der Lage ist; auch dies spricht für einen Rechtsbindungswillen der Beteiligten.55 Etwaige Zweifel können durch die Aufnahme einer ausdrücklichen schriftlichen Anordnung in die Vorsorgevollmacht, wonach das Grundverhältnis sich nach den Vorschriften über den Auftrag richtet,56 vermieden werden. Das führt dann freilich unweigerlich zum Entstehen eines vollständig rechtsverbindlich durchgeregelten Innen- bzw. Grundverhältnisses mit entsprechenden Verantwortlichkeiten;57 darüber, ob dies sinnvoll bzw. erstrebenswert ist, bestehen in der kautelarjuristischen Praxis offenbar keine einheitlichen Auffassungen und Empfehlungen.58 51
BGH NJW 2015, 2880 Rn. 8. Siehe auch OLG Brandenburg ErbR 2019, 521 Rn. 31. BGH BeckRS 2012, 14989 Rn. 14–16; Horn/Schabel, NJW 2012, 3473. 53 Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326 (330). 54 BGH BeckRS 2012, 14989; OLG Brandenburg BeckRS 2012, 20726; OLG Brandenburg BeckRS 2009, 10120; OLG Brandenburg BeckRS 2008, 13148; OLG Naumburg NJOZ 2003, 655 (656); OLG Köln OLGR 1995, 51; OLG Köln BecKRS 2013, 01040; OLG Bremen ZEV 210, 480; OLG München BeckRS 2012, 14122; OLG Düsseldorf BeckRS 2009, 18495, siehe dazu auch BGH BeckRS 2009, 18376. 55 Horn, ZEV 2016, 373; Kollmeyer, NJW 2017, 1137 (1138). 56 Siehe etwa OLG München ZEV 2018, 149 Rn. 25. 57 Volmer, BayMittNot 2016, 386. 58 Vgl. Volmer, MittBayNot 2018, 438 f. 52
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Ist lediglich eine Bank- oder Kontovollmacht eingeräumt worden, neigt die Rechtsprechung grundsätzlich dazu, eher von einem Gefälligkeitsverhältnis auszugehen.59 Befinden sich auf den Konten allerdings wesentliche Vermögenswerte oder weist der Sachverhalt unter anderen Aspekten eine herausgehobene wirtschaftliche Dimension auf, tendieren die Gerichte indes auch hier zur Annahme eines Rechtsbildungswillens und damit eines Auftrags.60 Die Entscheidungen sind daher häufig einzelfallbezogen.61
a) Ausnahmefall: Das Verhältnis von Ehegatten untereinander Für die eheliche Lebensgemeinschaft gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Besonderheit, dass unter Eheleuten regelmäßig selbst dann kein Auftragsverhältnis iSv § 662 BGB besteht, wenn einer von ihnen die Wirtschaftsführung nahezu allein übernimmt und die verfügbaren Mittel im Wesentlichen aus den Einkünften oder dem Vermögen des anderen Ehegatten zufließen. Deshalb kann der andere Ehegatte von dem die Wirtschaftsführung wahrnehmenden Ehegatten weder nach Auftragsrecht noch auf Grund eines eigenständigen familienrechtlichen Anspruchs die Rückzahlung von Geldern verlangen, deren familienbezogene Verwendung dieser Ehegatte nicht belegen kann. Eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 667 BGB kommt hier nicht in Betracht.62 Auch nach diesem Grundsatz ist zwar die Annahme eines zwischen Ehegatten bestehenden (Vermögens-) Verwaltungsvertrags nicht ausgeschlossen; hieran sind aber keine geringen Anforderungen63 zu stellen. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat die vom Bundesgerichtshof zur Ehe angestellten Erwägungen in der Folgezeit verschiedentlich auf andere Lebenssituationen mit engem persönlichem Einschlag – etwa auf das Verhältnis zwischen der Großmutter und ihrem Enkel, der sie in sein Haus aufgenommen hat64 sowie auf eine ungefähr 20 Jahre lang bestehende nichteheliche Lebensgemeinschaft65 – übertragen. Das OLG Köln hat die Übertragung auf einen Sachverhalt, in dem der Sohn über viele Jahre hinweg sämtliche mit den Sparund Bankkonten zusammenhängenden Geschäfte seiner Mutter übernommen hatte, mit der er zeitweise im selben Haushalt lebte, abgelehnt,66 dagegen in einem späteren Urteil67 – allerdings ohne jegliche Auseinandersetzung sowohl mit der genannten früheren Entscheidung als auch der zwischenzeitlich ergan59 60 61 62 63 64 65 66 67
Horn, ZEV 2016, 373. Horn, ZEV 2016, 373. Horn, ZEV 2016, 373. BGH NJW 2000, 3199 (3200). BGH NJW 2000, 3199 (3200). OLG Naumburg BeckRS 2008, 11185. OLG Düsseldorf ZEV 2007, 184 (185); siehe auch OLG Zweibrücken OLGR 2005, 132 (133). OLG Köln OLGR 1995, 51. OLG Köln BecKRS 2013, 01040.
Missbrauch von Vorsorgevollmachten – das „abgeräumte Bankkonto“ 49
genen höchstrichterlichen Rechtsprechung – ein die Annahme eines Auftrags ausschließendes besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Mutter und Kind bejaht. Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber klargestellt, dass die für Eheleute geltenden Rechtsprechungsgrundsätze auf Fallgestaltungen mit sonstigem familiären oder personalen Einschlag nicht übertragbar sind.68
b) Verzicht auf den Auskunftsanspruch Der Vollmachtgeber kann grundsätzlich auf die Ansprüche aus § 666 BGB ausdrücklich oder konkludent verzichten;69 ein solcher Verzicht (§ 397 BGB) bindet auch die Erben.
aa) Konkludenter Verzicht Einen stillschweigenden Verzicht iSv § 397 BGB auf die Ansprüche aus § 666 BGB wird man mit Rücksicht auf die endgültigen Rechtswirkungen einer solchen Vereinbarung nur in engen Ausnahmefällen und bei Vorliegen ganz besonderer Umstände annehmen dürfen.70 Die Abgrenzung zu Fallgestaltungen, in denen die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen – nur – nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen ist (dazu nachfolgend unter cc), ist daher fließend. Die Anforderungen an die Annahme eines Verzichts sind jedoch höher als diejenigen an eine Treuwidrigkeit.71 Nach einem Urteil des OLG Brandenburg vom 2. April 201972 kann sich der Bevollmächtigte, der wegen Betruges zum Nachteil der Erblasserin (zu einer Geldstrafe) verurteilt worden ist, nach Treu und Glauben auf einen – angeblichen – stillschweigenden Verzicht der Erblasserin auf die Rechnungslegung nicht berufen.
bb) Ausdrücklicher Verzicht Will der Vollmachtgeber – insbesondere im Vorgriff auf den späteren Erbfall – Auskunfts- und Rechenschaftspflichten des Bevollmächtigten gegenüber den künftigen Erben ausschließen, ist zu einer ausdrücklichen Verzichtsvereinbarung zu raten, die umfassend oder auch inhaltlich (etwa der Höhe nach) beschränkt sein kann.73 Ein solcher Ausschluss kann individualvertraglich74 insBeckRS 2008, 17591 = ZErb 2009, 91; zustimmend Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326, 330 f. BGH NJW 2001, 1131; OLG München BeckRS 2012, 14122; OLG Hamm BeckRS 2012, 18422; Horn/Schabel, NJW 2012, 3473, 3475. 70 Staudinger/Martinek/Omlor, BGB, 16. Aufl. 2017, § 666 Rn. 18 m.w.N. 71 Zutreffend Horn/Schabel, NJW 2012, 3473 (3475). 72 OLG Brandenburg DNotZ 2020, 906 m. Anm. Volmer/Volmer. 73 Formulierungsvorschläge bei Horn/Schabel, NJW 2012, 3473 (3476). 74 Zur Frage, inwiefern ein anfänglicher Verzicht des Vollmachtgebers gegen § 138 BGB verstoßen kann vgl. Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Wider68
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besondere mit Wirkung nur für die Erben geregelt werden, wie der Bundesgerichtshof bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 198975 anerkannt hat.
c) Verstoß gegen Treu und Glauben Die Geltendmachung der Informationsansprüche aus § 666 BGB kann darüber hinaus im Einzelfall ausnahmsweise gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen und deshalb ausgeschlossen sein. Das ist in der Rechtsprechung seit langem grundsätzlich anerkannt76 und wird vor allem in Beziehungen mit familiärem oder sonstigem personalen Einschlag angenommen. In solchen Fallgestaltungen kann es das schützenswerte Vertrauen des Auftragnehmers begründen, er brauche sich nicht darauf einzurichten, künftig einmal im Detail Rede und Antwort stehen und Nachweise führen zu müssen, wenn der Geschäftsherr eine Rechnungslegung über einen längeren Zeitraum nicht verlangt hat. Beispielhaft ist hier auf drei Urteile des OLG Düsseldorf 77 sowie jeweils eine Entscheidung des OLG Hamm78 und des OLG Schleswig79 zu verweisen. Nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung kann der Bevollmächtigte gegenüber dem Auskunftsverlangen einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) dann nicht einwenden, wenn sich nachträglich berechtigte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und der Auftragsdurchführung ergeben. In einem solchen Fall können die Ansprüche aus § 666 BGB trotz jahrelangen Zuwartens des Berechtigten wieder geltend gemacht werden, und zwar auch mit Wirkung für die Vergangenheit; Letzteres wird zum Teil auch dahingehend formuliert, dass die Ansprüche wieder „aufleben“.80 Zahlreiche der veröffentlichten Entscheidungen beschäftigen sich in erster Linie mit der Frage, ob sich aus dem – späteren – Prozessverhalten des Bevollmächtigten begründete Zuverlässigkeitsbedenken ergeben, wozu die Rechtsprechung nur in besonders gelagerten Fällen tendiert. So sollen „einzelne Irrtümer und kleinere Unregelmäßigkeiten, welche die Redlichkeit des Beauftragten im ganzen nicht in Frage stellen“ nicht ausreichen.81 Dass der Prozessvortrag des Bevollmächtigten „in einigen Punkten Unstimmigkeiten ruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 176 f.; dazu, inwiefern ein formularmäßiger Verzicht gemäß § 307 BGB unwirksam sein kann vgl. Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 172 f. unter Hinweis auf BGH NJW 1994, 1861 (1862) betr. den Ausschluss der Benachrichtigungspflicht bei Vermögensverwaltungsverträgen. 75 BGH WM 1989, 1813 = NJW-RR 1990, 131. 76 Siehe BGHZ 39, 87 (92 f.) m.w.N. zur reichsgerichtlichen Rechtsprechung. 77 OLG Düsseldorf OLGR 1999, 6 = BeckRS 1998, 08321; ZEV 2007, 184 (185) m. Anm. Muscheler; BeckRS 2009, 18495. 78 OLG Hamm BeckRS 2012, 18422. 79 OLG Schleswig NJW-RR 2010, 1720; vgl. dazu Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326 (331). 80 Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326 (331). 81 OLG Düsseldorf BeckRS 2009, 18495.
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und Widersprüche“ aufweist, „die zumindest den Verdacht begründen, dass er den Rechtsstreit nicht in jedem Stadium des Verfahrens mit der gebotenen Offenheit und Sorgfalt geführt“82 habe, ist ebenfalls für nicht hinreichend erachtet worden. Das Gleiche gilt für den durch die schriftsätzlichen Erklärungen des Bevollmächtigten im Prozess erweckten Eindruck, er „mauere“, wobei sich die betreffenden Erklärungen „bei näherem Hinsehen […] jedoch als zwar einsilbig, aber richtig“ erwiesen hätten.83
d) Sonstige Einwände des Beauftragten Der auf Auskunft in Anspruch genommene Bevollmächtigte kann ferner den Erfüllungseinwand (§ 362 BGB) erheben oder sich darauf berufen, ihm sei die Erfüllung des Auskunftsbegehrens unmöglich. Für das eine wie das andere trägt er nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast.84 Die Sachverhalte, für die in der Literatur zudem der Verwirkungseinwand als denkbare Verteidigung des Auskunftsschuldners gegenüber dem Informationsanspruch des Vollmachtgebers bzw. dessen Erben erörtert wird, unterscheiden sich praktisch nicht wesentlich von den Fällen des sog. Treuwidrigkeitseinwands (s.o. unter II. 2. a) cc).85 Da auch für den Verwirkungseinwand der Schuldner darlegungs- und beweispflichtig ist, ergeben sich unter diesem Gesichtspunkt gleichfalls keine Unterschiede. Der Bevollmächtigte kann sich schließlich auf Verjährung des Auskunftsanspruchs berufen. Gemäß § 195 BGB gilt für den Anspruch aus § 666 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, die mit der Entstehung des Anspruchs beginnt (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Seiner Benachrichtigungspflicht (§ 666 Fall 1 BGB) muss der Beauftragte aus eigener Initiative nachkommen; sie ist nicht selbstständig einklagbar.86 Für die – regelmäßig im Vordergrund des Interesses stehenden – Ansprüche auf Auskunftserteilung (§ 666 Fall 2 BGB) sowie auf Ablegung von Rechenschaft (§ 666 Fall 3 BGB) gilt Folgendes: Der Auskunftsanspruch (§ 666 Fall 2 BGB) setzt ein Verlangen des Geschäftsherrn voraus. Es handelt sich um einen sogenannten verhaltenen Anspruch, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der Schuldner die Leistung nicht von sich aus erbringen muss bzw. nicht leisten darf, bevor der Gläubiger dies verlangt.87 Wie weit die zu erteilenden Auskünfte zurückreichen müssen, ist keine Frage der Verjährung der Forderung, sondern eine solche ihres Inhalts oder ihrer Ver82
OLG Düsseldorf, OLGR 1999 6 (9). OLG Schleswig NJW-RR 2010, 1720. 84 Zur Erfüllung vgl. auch Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 169. 85 Vgl. etwa OLG Brandenburg BeckRS 2012, 20726. 86 OLG Schleswig BeckRS 2011, 28866. 87 Zur Definition siehe BGHZ 229, 257 Rn. 22 m.w.N. 83
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wirkung.88 Insofern gilt nichts anderes als für den Anspruch nach § 666 Fall 3 BGB, der grundsätzlich erst nach Beendigung („Ausführung“) des Auftrags entsteht.89
2. Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB Lag im Verhältnis von Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem kein Auftrag iSv § 662 BGB vor, kommt als Grundlage eines Auskunftsverlangens des Erben regelmäßig nur der allgemeine Auskunftsanspruch aus § 242 BGB in Betracht. Die in der Rechtsprechung gebräuchliche Formel enthält fünf einzelne Voraussetzungen,90 von denen das Bestehen des vorbereitenden Auskunftsanspruchs nach Treu und Glauben abhängt: – – – – –
Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten, Ungewissheit des Anspruchstellers über seine Rechtsposition, Entschuldbarkeit der Ungewissheit, Keine anderweitige Informationsmöglichkeit, Auskunftserteilung für den Anspruchsgegner unschwer möglich und zumutbar.
Der allgemeine Auskunftsanspruch aus § 242 BGB verschafft dem Anspruchsteller eine gegenüber dem auf § 666 BGB gestützten Informationsbegehren deutlich schwächere Rechtsposition. Er ist subsidiär, besteht also nur dann, wenn die Auskunft nicht anderweit erteilt werden kann.91 Ferner gilt die Beschränkung, dass die Auskunft nur erteilt werden muss, wenn dies dem Anspruchsgegner unschwer möglich und zumutbar ist. Im Rahmen eines auf § 242 BGB gestützten Informationsbegehrens können daher vom Bevollmächtigten wesentlich weniger eigene Nachforschungen verlangt werden als nach § 666 BGB; in der Regel wird sich die Erfüllung des Anspruchs aus § 242 BGB daher auf die Mitteilung des aktuell vorhandenen Wissens des Anspruchsgegners beschränken.92
88
BGH NJW 2012, 917 (918 f). BGH NJW 2012, 58 (61). 90 Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 299 (303). 91 OLG Düsseldorf ZEV 2007, 184 (185). 92 Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 299 (305 f).; vgl. auch OLG Düsseldorf ZEV 2007, 184 (185): Unzumutbarkeit der nachträglichen Rechenschaftsablegung über einen Zeitraum von 10 Jahren. 89
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3. Ansprüche nach §§ 809, 810 BGB Eine insbesondere auch im vorliegenden Zusammenhang geringe praktische Rolle93 spielen die Besichtigungs- und Einsichtnahmemöglichkeiten nach §§ 809 f. BGB, auf die daher, ohne auf Einzelheiten näher einzugehen, hier nur hingewiesen werden kann.
C. Leistungsansprüche des Erben I. Klage des Erben auf Herausgabe vom Konto abgehobener Geldbeträge Für die hiermit zusammenhängenden Rechtsfragen ist der einem Urteil des Landgerichts Itzehoe aus dem Jahre 199894 zugrunde liegende Sachverhalt exemplarisch: Die Klägerin, Mitglied einer Erbengemeinschaft nach der verstorbenen Mutter der Parteien, nahm den Beklagten auf Zahlung an die Erbengemeinschaft (§ 2039 BGB iVm §§ 1922, 2032 BGB) in Anspruch. Der Beklagte hatte in einem Zeitraum von ca. sieben Wochen vor dem Tode der Mutter aufgrund einer zu seinen Gunsten bestehenden Kontovollmacht von den Sparkonten der Mutter unstreitig mehrfach Geldbeträge abgehoben, von denen er dem Vortrag der Klägerin zufolge insgesamt gut 26.000 DM nicht an die Mutter weitergeleitet hatte. Der Beklagte machte geltend, vor den einzelnen Barabhebungen entsprechende Anweisungen der Mutter der Parteien erhalten und dieser das Geld auch jeweils übergeben zu haben. Das LG Itzehoe gab der Zahlungsklage statt. Ob der Beklagte die in Rede stehenden Geldbeträge aufgrund konkreter Anweisungen der Mutter oder eigenmächtig von den Sparkonten abgehoben habe, mache für seine Verpflichtung zur Herausgabe an die Erbengemeinschaft keinen Unterschied. Entweder habe jeweils ein Auftrag der Mutter (§ 662 BGB) vorgelegen, so dass die Herausgabepflicht des Beklagten unmittelbar aus den §§ 662, 667 BGB folge, oder der Beklagte müsse für die Kontoabhebungen als Geschäftsführer ohne Auftrag einstehen; für diesen Fall ergebe sich die Anwendung von § 667 BGB über die Verweisung in § 677, § 681 Satz 2 BGB. Beweisrechtlich gilt in einem solchen Fall Folgendes: Für seine Behauptung, die unstreitig von ihm abgehobenen Geldbeträge jeweils der Mutter übergeben zu haben, trägt der Beklagte als Bevollmächtigter die Darlegungs- und Beweislast. Das gilt unabhängig davon, ob man insoweit auf den allgemeinen Gesichtspunkt der – grundsätzlich vom Schuldner zu beweisenden – Erfüllung 93
Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 299 (301) sowie dies., ErbR 2012 326 (327).
94 Vgl. LG Itzehoe ZErb 1999, 29.
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(§ 362 BGB) des Herausgabeanspruchs nach § 667 BGB abstellt oder auf die besonderen auftragsrechtlichen Verhältnisse: Auftragsrechtlich hat zunächst der Gläubiger im Rahmen des von ihm geltend gemachten Anspruchs aus § 667 BGB neben dem Bestehen eines Auftragsverhältnisses auch dessen Inhalt nebst etwaiger vom Vollmachtgeber erteilter Weisungen darzulegen und zu beweisen. Hinsichtlich der Weisungen kann den Bevollmächtigten allerdings eine sekundäre Darlegungslast treffen, weil die Erben insoweit außerhalb des Geschehensablaufs standen und dem Beauftragten nähere Angaben zuzumuten sind.95 Im Streitfall muss der Gläubiger ferner darlegen und beweisen, was der Bevollmächtigte aus der Geschäftsbesorgung erhalten bzw. erlangt hat.96 Hat der Gläubiger seiner diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast genügt oder ist – wie im Falle des Landgerichts Itzehoe – unstreitig, dass der Beauftragte die streitigen Beträge erlangt hat, obliegt sodann dem Bevollmächtigten die Darlegung und ggf. der Beweis für die auftragsgemäße Verwendung der erhaltenen bzw. erlangten Mittel.97 Die Beweisführung, abgehobene Geldbeträge dem Erblasser übergeben zu haben, wird den Bevollmächtigten als Herausgabeschuldner, sofern – wie üblich – keine Zeugen oder Quittungen zur Verfügung stehen, vor erhebliche Probleme stellen. Solche Situationen lassen in der Praxis häufig den Ruf laut werden, dem Beweispflichtigen müssten „Beweiserleichterungen“ gewährt werden. Mit Recht hat das Landgericht Itzehoe jedoch im Beispielsfall keinen Anlass gesehen, „dem Beklagten Beweiserleichterungen zuzugestehen oder die generelle Beweisregel umzukehren,“ weil der Beklagte sich die Übergabe der Geldbeträge durch die Mutter habe quittieren lassen oder Zeugen zur Geldübergabe habe hinzuziehen können. Daran ist richtig, dass ein Sachverhalt, in dem der Beweispflichtige es versäumt hat, sich tauglicher Beweisführungsmöglichkeiten zu versichern, von vornherein keinen Anlass für eine Beweiserleichterung bieten kann. Unabhängig davon können sich Beweiserleichterungen nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen98 aber auch ohnehin nicht allein aus den konkreten Umständen eines einzelnen Falles ergeben, sondern müssen grundsätzlich auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben, in denen aus zwingenden, typischerweise vorliegenden Gründen eine Abweichung von der generellen Beweislastverteilung geboten erscheint. Die im Zivilprozess häufig anzutreffende Situation, dass eine Partei für ihr Vorbringen im Einzelfall keinen neutralen Zeugen hat oder keine Urkunde vorlegen kann, mag aus Beweisführersicht misslich sein, kann aber, selbst wenn dies „unverschuldet“ ist, als solches regelmäßig 95
BGH NJW-RR 2008, 1373 Rn. 16. BGH NJW-RR 2004, 927; Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl. 2022, § 667 Rn. 10; Horn/Schabel, NJW 2012, 3473 (3476). 97 BGH NJW-RR 2008, 1373, 137; BeckRS 2012, 14989 Rn. 32 m.w.N. 98 Vgl. BGH ZEV 2010, 312 = WM 2010, 1084 = ErbR 2010, 230 m. Anm. Krüger/Tegelkamp; Laumen, NJW 2002, 3739 (3741 f.); ders., BGH-Report 2007, 267 f. 96
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noch kein Grund für eine Beweiserleichterung oder gar eine Beweislastumkehr sein, zumal ohnehin zunächst die sonstigen gerichtlichen Erkenntnismöglichkeiten (§§ 286, 445 ff. ZPO) auszuschöpfen sind, soweit deren Voraussetzungen vorliegen. In dem einer Entscheidung des OLG Schleswig99 zugrunde liegenden Fall machten die Kläger als Vermächtnisnehmer gegen den Beklagten als Alleinerben ihrer verstorbenen Tante Ansprüche auf Auszahlung der Vermächtnisse geltend. Der Beklagte rechnete mit angeblichen Gegenansprüchen auf, die sich u.a. aus Geldbeträgen ergaben, die die Klägerin von Konten der Erblasserin abgehoben hatte. Dass die Klägerin das Geld „im Auftrag“ der Erblasserin abheben sollte und es sich hierbei um eine Beauftragung im Rechtssinne handelte, stand außer Streit. Unstreitig war ferner, dass die Klägerin das Geld nicht der Erblasserin abgeliefert, sondern ihrem Bruder gegeben hatte. Der Beklagte (Erbe) hielt das für auftragswidrig und meinte, deshalb einen Herausgabeanspruch auf Ablieferung des Geldes zu haben. Diese Auffassung hat das OLG Schleswig für unzutreffend erachtet. Es stehe nicht der Verbleib des Geldes in Rede, das unstreitig an den Bruder der Klägerin geflossen sei. Streitig sei allein, ob die Klägerin hierdurch ihren Auftrag ordnungsgemäß erfüllt habe. Das aber richte sich nach dem Inhalt des Auftragsverhältnisses. Die Klägerin behaupte insoweit, mit der Weitergabe des Geldes an ihren Bruder beauftragt worden zu sein, während der Beklagte einen abweichenden Auftragsinhalt – Ablieferung bei der Erblasserin – behaupte. Für den Inhalt des Auftrags trage jedoch der Auftraggeber im Rahmen des Anspruchs aus § 667 BGB die Beweislast. Erst wenn insoweit Klarheit bestehe, habe der Beauftragte die bestimmungsgemäße Ausführung zu beweisen. Macht also der Bevollmächtigte einen vom Vortrag des klagenden Erben abweichenden Auftragsinhalt geltend, ist es zunächst am Erben, den von ihm behaupteten Inhalt des Auftragsverhältnisses zu beweisen. Gelingt ihm das nicht, wird der Herausgabeanspruch aus § 667 BGB schon hieran scheitern. Das muss folgerichtig auch dann gelten, wenn der Bevollmächtigte in Bezug auf den Inhalt des Auftrags einwendet, der Erblasser habe ihm das Geld schenken wollen und er – der Bevollmächtigte – habe die formlose Schenkungsabrede dadurch vollzogen (§ 518 Abs. 2 BGB), dass er unter Nutzung der ihm erteilten Vollmacht das Geld vom Konto des Erblassers abgehoben und vereinnahmt, mithin die versprochene Leistung an sich selbst bewirkt habe. Will der Erbe dies widerlegen, muss er – jedenfalls im Rahmen des Anspruchs aus § 667 BGB – einen abweichenden Auftragsinhalt darlegen und beweisen, was ihm nicht geringe Schwierigkeiten bereiten wird.100 Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Frage, ob und inwieweit sich der Umstand, dass der Bevollmächtigte wegen Treuwidrigkeit (§ 242 BGB) des 99
100
OLG Schleswig NJW-RR 2010, 1720 (1720 f.). Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326 (322).
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Auskunftsverlangens keine Auskunft schuldet, auf den Leistungsanspruch auswirken kann. Festzuhalten ist zunächst, dass aus der langjährigen Nichtgeltendmachung von Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen – gerade auch vor einem familiären Hintergrund – nicht automatisch auf einen Verzicht auf die sich bei genauer Abrechnung ergebenden Zahlungsansprüche geschlossen werden kann; der Bundesgerichtshof hat in einem solchen Fall diese Rechtsfolge allenfalls in Bezug auf unwesentliche „Spitzen“ von Zahlungsansprüchen für möglich erachtet.101 Eine andere Frage ist aber, ob sich der Ausschluss des Auskunftsanspruchs nach § 666 BGB wegen Treuwidrigkeit jedenfalls auf die Beweislastverteilung im Rahmen des Leistungsanspruchs gemäß § 667 BGB auswirken kann. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 18.11.1986102 offengelassen, ob die Grundsätze, wonach die nachträgliche Erhebung des Anspruchs auf Rechnungslegung unter Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen könne, wenn er jahrelang nicht geltend gemacht worden sei, „ohne weiteres auch auf den Herausgabeanspruch nach § 667 BGB übertragen“ werden könnten. Jedenfalls in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung103 ist wiederholt angenommen worden, der Beauftragte trage abweichend vom allgemeinen Grundsatz ausnahmsweise dann nicht die Darlegungs- und Beweislast für den Verbleib des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten, wenn er nach Treu und Glauben nicht mehr damit habe rechnen müssen, zu Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet zu sein. Ausgehend hiervon muss dann im Rahmen des Anspruchs § 667 BGB der Vollmachtgeber bzw. sein Rechtsnachfolger darlegen und beweisen, dass der Bevollmächtigte das in ihn gesetzte Vertrauen enttäuscht hat, der Beauftragte ist hingegen von der Darlegungs- und Beweislast für den Verbleib der für die Erblasserin entgegengenommenen oder verwalteten Beträge entbunden. Diese Betrachtungsweise dürfte konsequent sein. Dem Beauftragten ist mit der Befreiung allein von der Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht wenig gedient, wenn er im Rahmen des Leistungsanspruchs letztlich doch im Einzelnen darlegen und beweisen muss, wofür das Erlangte verwendet wird.104 Eine Rechtswohltat darf aber nicht mit der einen Hand gewährt und mit der anderen sogleich wieder entzogen werden. Sinn macht die Befreiung von der Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht vielmehr nur, wenn sie auch zumindest auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast einer Herausgabeklage nach § 667 BGB „durchschlägt“.
101
BGH NJW 2001, 1131. BGH NJW-RR 1987, 963 (964). 103 OLGR Düsseldorf 1999, 6 (9); ebenso OLG Schleswig NJW-RR 2010, 1720 (1721 f.); OLG Hamm BeckRS 2010, 18422; wohl auch OLG Hamm ZEV 2008, 600; siehe ferner Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326 (322); Horn/Schabel, NJW 2012, 3473 (3477). 104 Zustimmend Trimborn von Landenberg, Die Vollmacht vor und nach dem Erbfall: Widerruf, Auskünfte und Rechtsverfolgung, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 191. 102
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II. Klage des Erben auf Herausgabe des Sparbuchs Zu dieser Konstellation ist auf ein sehr instruktives, eingehend begründetes Urteil des OLG Koblenz aus dem Jahre 2003105 zu verweisen. Das Ergebnis entspricht der ganz überwiegenden Auffassung im Schrifttum, wonach der Besitzer eines Sparbuchs, der die Herausgabe wegen angeblicher Schenkung des Guthabens und Abtretung der Guthabenforderung verweigert, die Schenkung zu beweisen hat, da § 1006 BGB für Sparbücher und die sonstigen Legitimationspapiere des § 952 BGB nicht gilt.106 Allerdings ist in Sparbuch-Fällen stets zu bedenken, dass hier mit der Übergabe des Buches konkludent eine Abtretung der Sparforderung verbunden sein kann, was durch Auslegung zu ermitteln ist.107 Ferner kann, wenn für die Übergabe des Sparbuchs eine sonstige vernünftige Erklärung fehlt, der Besitz des Sparbuchs ein Beweisanzeichen für die Schenkung des Sparguthabens sein.108 Für den vom OLG Koblenz zu beurteilenden Sachverhalt waren diese Gesichtspunkte indes nicht von Belang, weil unstreitig keine Übergabe des Sparbuchs von der Erblasserin an die Beklagte erfolgt war, diese es vielmehr auch nach ihrem eigenen Vorbringen in der Wohnung an sich genommen hatte.
III. Erbschaftsklage nach §§ 2018 ff. BGB Hierzu ist vor allem auf ein Urteil des OLG Oldenburg aus dem Jahre 1998109 hinzuweisen, das im Schrifttum überwiegend Zustimmung110 gefunden, teilweise aber auch Kritik111 erfahren hat. § 2018 BGB setzt tatbestandlich voraus, dass jemand „auf Grund eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts etwas aus der Erbschaft erlangt hat (Erbschaftsbesitzer)“. Allgemeiner Auffassung zufolge trägt daher im Pro105 Vgl. OLG Koblenz ZErb 2003, 381; s. dazu Bartsch, Erbfolgebesteuerung, 2004, 190. 106
OLG Brandenburg ErbR 2019, 774; Staudinger/Chiusi, BGB, 16. Aufl. 2021, § 516 Rn. 350; MüKoBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 516 Rn. 51; Bartsch, in: Ott-Eulberg/Schebsta/Bartsch, Erbrecht und Banken, 3. Aufl. 2017, 246. 107 Vgl. Staudinger/Chiusi, BGB, 16. Aufl. 2021, § 518 Rn. 32 ff. m.w.N.; zum Sparguthaben vgl. auch Steiner, ZEV 2009, 68, 69. Anschaulich zur Problematik OLG Karlsruhe NJW-RR 2019, 494 m. krit. Anm. Schnauder, jurisPR-BKR 6/2019 Anm. 5. 108 Vgl. Staudinger/Chiusi, BGB, 16. Aufl. 2021, § 516 Rn. 350. Zum Sparbuch im Erbfall vgl. im Übrigen eingehend Bartsch, ZErb 2001, 124 ff., Bartsch/Bartsch, ZEV 2003, 17. 109 Vgl. OLG Oldenburg FamRZ 1998, 1468 = WM 1998, 2239; zustimmend Seeker, WuB I C 2. Sparkonto – 2.99, ablehnend Tiedtke, DB 1999, 2352. 110 Vgl. MüKoBGB/Helms, 9. Aufl. 2022, § 2018 Rn. 35; Schmalenbach, in: Damrau/Tanck (Hrsg.), Erbrecht, 4. Aufl. 2020, § 2018 Rn. 25; Schmitz, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting (Hrsg.), Handbuch der Beweislast, 4. Aufl. 2018, § 2019 Rn. 9; Seeker, WuB I C 2. Sparkonto – 2.99; ebenso Bartsch, in: Ott-Eulberg/Schebsta/Bartsch, Erbrecht und Banken 3. Aufl. 2017, 246. 111 Staudinger/Gursky, BGB, 13. Aufl. 2002, § 2018 Rn. 47; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, 1064; Tiedtke, DB 1999, 2352.
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zess der Erbe als Anspruchsteller grundsätzlich die Beweislast dafür, dass der Beklagte den streitigen Vermögenswert aufgrund einer Erbrechtsanmaßung erlangt hat.112 Der Erbe hat insbesondere den Beweis für die Zugehörigkeit des von ihm herausverlangten Gegenstandes zum Nachlass zu erbringen; im Gegensatz zur regelmäßig mit dem Anspruch aus § 2018 BGB konkurrierenden Vindikation (§ 985 BGB) muss er allerdings nicht nachweisen, dass der Beklagte den Gegenstand gegenwärtig noch in seinem Besitz hat.113 Bestreitet der Beklagte die Zugehörigkeit der herausverlangten Sache zum Nachlass etwa mit der Behauptung, vom Erblasser bereits zu dessen Lebzeiten (z.B. aufgrund Schenkung) Eigentum erworben zu haben, obliegt dem Erben daher der Beweis, dass der Beklagte die Sache als vermeintlicher Erbe erhalten hat. Demgegenüber hat vor allem Tiedtke114 argumentiert, zwar treffe der Ausgangspunkt des OLG Oldenburg zu, der Erbe müsse grundsätzlich nachweisen, dass die vom Erbschaftsbesitzer heraus verlangten Gegenstände zum Nachlass des Erblassers gehörten. Das gelte auch im Falle der Veräußerung der Erbschaftsgegenstände durch den Erbschaftsbesitzer für den Zahlungsanspruch in Höhe des Erlöses. Die Frage sei aber, ob den Klägern hier nicht die sog. allgemeine Rechtsfortdauervermutung115 zu Hilfe komme und danach umgekehrt der Beklagte beweisen müsse, dass die streitigen Vermögenswerte auf Grund einer Schenkung durch den Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls schon nicht mehr dem Erblasser gehört hätten. Die Vermutung, die zunächst für den Erblasser gesprochen habe, komme nach dem Erbfall den Erben zugute; diese träten insoweit in die Rechtsstellung des Erblassers ein.116 Diese Ansicht stellt also nicht auf eine vom aktuellen Besitz, sondern auf die von der früheren Berechtigung (des Erblassers) ausgehende Vermutungswirkung ab.117
112 Vgl.
MüKoBGB/Helms, 9. Aufl. 2022, § 2018 Rn. 35; Staudinger/Raff, BGB, 7. Aufl. 2020, § 2018 Rn. 119 ff.; Schmitz, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting (Hrsg.), Handbuch der Beweislast, 4. Aufl. 2018, § 2019 Rn. 1; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 1064. 113 Staudinger/Raff, BGB, 7. Aufl. 2020, § 2018 Rn. 136. 114 Tiedtke, DB 1999, 2352. 115 Vgl. oben Fn. 55. 116 Vgl. auch Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 1064, wonach mit Rücksicht auf § 1006 Abs. 2 BGB der Nachweis der Zugehörigkeit zum Nachlass erbracht sein soll, wenn der Erbe beweisen kann, dass der Erblasser einst Besitzer bzw. Berechtigter war; der Erbschaftsbesitzer trage dann die Darlegungs- und Beweislast für anspruchsvernichtende Tatsachen wie etwa eine von ihm geltend gemachte Schenkung durch den Erblasser. 117 Hiergegen ausdrücklich Schmitz, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting (Hrsg.), Handbuch der Beweislast, 4. Aufl. 2018, § 2019 Rn. 9.
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IV. Bereicherungsklage des Erben hinsichtlich abgehobener Geldbeträge Für diese Fallgestaltung ist vor allem auf das grundlegende Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.11.2006118 hinzuweisen: Die in einem Pflegeheim in Südafrika lebende Klägerin war Inhaberin von Konten bei deutschen Banken, für die sie der Beklagten, ihrer Tochter, formularmäßige Bankvollmachten erteilt hatte. Die Klägerin begehrte von der Beklagten u.a. Rückzahlung und Auskunft über den Verbleib von gut 164.000 €. Diesen Betrag hatte die Beklagte dadurch erlangt, indem sie die Guthaben der Sparkonten der Klägerin vollständig abgehoben hatte, nachdem sie zuvor die im Depot der Klägerin gehaltenen Wertpapiere veräußert und den Erlös auf den Sparkonten hatte gutschreiben lassen. Die Beklagte behauptete, das Geld sei ihr von der Klägerin geschenkt worden. Die Zahlungsklage der Mutter hatte in allen drei Instanzen Erfolg. Grundsätzlich gilt, dass der Bereicherungsgläubiger die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs aus § 812 Abs. 1 BGB und damit regelmäßig auch das Fehlen des Rechtsgrundes (Satz 1 BGB) oder das Ausbleiben eines mit der Leistung bezweckten Erfolges (Satz 2) als – negative –Anspruchsvoraussetzung zu beweisen hat.119 Er muss allerdings nicht sämtliche, auch nur theoretisch denkbaren Rechtsgründe ausräumen, sondern letztlich nur den vom Schuldner konkret geltend gemachten Rechtsgrund. Insoweit wird dem Schuldner eine sekundäre Darlegungslast auferlegt, in deren Rahmen er zum Rechtsgrund für das Behaltendürfen substantiiert vorzutragen hat. Dem Gläubiger obliegt es so-
BGHZ 169, 377 = NJW-RR 2007, 488 = ZEV 2007, 182 m. zust. Anm. Muscheler = BGH-Report 2007, 265 m. krit. Anm. Laumen; siehe auch Klessinger, ZErb 2007, 303; Hadding, WuB IV A § 812 BGB 3.07. Zur älteren BGH-Rechtsprechung vgl. BGH NJW 1986, 2107; BGH NJW 1999, 2887 = JZ 2000, 568 m. krit. Anm. Schiemann; siehe hierzu auch Wacke, ZZP 114 (2001), 77; Schmidt, JuS 2000, 189; Böhr, NJW 2001, 2059; ferner BAG, Urt. vom 18.05.1999 – 9 AZR 444/98, juris. 119 BGH NJW 2014, 2275 Rn. 11; Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl. 2022, § 812 Rn. 76 m.w.N. Dass der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs die Beweislast auch für das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“ trägt, wobei er sich indes darauf beschränken könne, die vom Schuldner behaupteten Rechtsgründe auszuräumen, wird in der Rechtsprechung des BGH teils ohne Differenzierung zwischen den einzelnen Bereicherungstatbeständen – vgl. BGH WM 1983, 14 („Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs“), BGH NJW-RR 1991, 223 („Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs“), BGH WM 1995, 189 („Gläubiger des Bereicherungsanspruchs“) – teils ausdrücklich mit Bezug auf die Leistungskondiktion ausgeführt: vgl. hierzu BGH NJW-RR 1992, 1214 („derjenige, der einen Bereicherungsanspruch aus Leistungskondiktion geltend macht“), BGH WM 1995, 20 („da sie einen Bereicherungsanspruch aus Leistungskondiktion geltend macht“). Dafür, dass der Kläger „grundsätzlich“ auch in den Fällen der Eingriffskondiktion die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs trägt, ausdrücklich BGH NJW-RR 2009, 1142, Rn. 19 unter Hinweis auf BGHZ 169, 377, 379 f. 118
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dann im Rahmen seiner eigenen Darlegungs- und Beweislast, (nur) den vom Schuldner vorgebrachten Behaltensgrund zu widerlegen.120 Ein diesbezügliches non liquet geht danach zu Lasten des Bereicherungsgläubigers. Macht der Bevollmächtigte in einem solchen Fall geltend, durch Abhebung des Geldes unter Ausnutzung der ihm erteilten Vollmacht eine mündliche Schenkungsabrede mit dem Erblasser vollzogen zu haben (§ 518 Abs. 2 BGB), wird es dem Erben als Gläubiger auf der Grundlage der regelmäßigen Beweislastverteilung schwerfallen, diese Darstellung zu widerlegen. Der Bundesgerichtshof hat freilich in seiner vorgenannten Entscheidung die Beweislast abweichend von der dargestellten Ausgangslage verteilt: Es sei nicht Sache der Mutter, d.h. der Klägerin, die von der Beklagten behauptete Schenkungsvereinbarung zu widerlegen. Vielmehr müsse der angeblich Beschenkte, d.h. die Beklagte, die streitige Schenkungsabrede beweisen. Das rechtfertige sich aus der gesetzlich vorgeschriebenen besonderen Form, deren die Schenkung von Gesetzes wegen bedürfe. Nach § 518 Abs. 1 BGB sei für einen wirksamen Schenkungsvertrag die notarielle Beurkundung des Schenkungsversprechens erforderlich. Die damit verbundene Beweis(sicherungs)funktion entfalte ihre Wirkung auch im Prozess, in dem etwas Erlangtes heraus verlangt oder Wertersatz begehrt werde. Wer die Heilung des Formmangels durch Schenkungsvollzug nach § 518 Abs. 2 BGB geltend mache, berufe sich auf einen Sachverhalt, der den Eintritt der nach § 125 Satz 1 BGB an sich gesetzlich vorgesehenen (Nichtigkeits-) Folge hindere. Ein Vollzug der Schenkung könne hier aber erst in dem Erwerb der Geldmittel infolge der Abhebung durch die Beklagte gesehen werden. Das bloße Vorhandensein einer Bankvollmacht besage jedoch nichts über den genauen Umfang der Berechtigung des Bevollmächtigten im Innenverhältnis zum Vollmachtgeber. Die Feststellung, die Abhebung des Geldes durch die Beklagte habe den Vollzug einer Schenkung seitens der Klägerin dargestellt, komme vielmehr nur in Betracht, wenn sich der Bezug zu einem die Klägerin nach außen verpflichtenden Rechtsgeschäft (Schenkung an die Beklagte) aus anderen Umständen ergebe. Es bedürfe der Zuordnung des an sich insoweit neutralen, aber in eine Rechtsposition der Klägerin eingreifenden Verhaltens der Beklagten zu einem Handeln der Klägerin, das seinerseits den Schluss zulasse, durch die Abhebung werde eine schenkweise versprochene Zuwendung mit Wissen und Wollen der Kontoinhaberin vollzogen. Eine solche Zuordnung sei regelmäßig nicht ohne Nachweis des Schenkungsversprechens möglich, wobei allerdings auch mittelbare Tatsachen beweiserheblich sein und Erfahrungssätze die freie Beweiswürdigung bestimmen könnten. Danach trägt also derjenige, der sich auf eine formlose Schenkung durch den Erblasser beruft, die er mittels einer ihm eingeräumten Vollmacht selbst vollzogen haben will, die Be120
BGH NJW 2011, 2130 Rn. 20.
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weislast – auch – für das wirksame Schenkungsversprechen;121 ein diesbezügliches non liquet wirkt deshalb in einem solchen Fall gegen den Bereicherungsschuldner. Der Sache nach hat der Bundesgerichtshof damit aus der Beweislast für den Schenkungsvollzug durch Bewirken der Leistung (§ 518 Abs. 2 BGB) die Beweislast für das Vorliegen einer Schenkung überhaupt hergeleitet.122 Die Entscheidung hat in der Literatur Zustimmung,123 aber auch Kritik124 erfahren. Ihr Vorzug liegt darin, dass im Rahmen von § 812 Abs. 1 BGB an eine allgemeine Beweislastregel bei der Schenkung angeknüpft wird.125 Denn die Beweislast für den heilenden Schenkungsvollzug (§ 518 Abs. 2 BGB) trägt der durch die Heilung Begünstigte. Diese Regel wird durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Rahmen des Anspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die behauptete Schenkungsvereinbarung erweitert, wenn streitig ist, ob dem Vollzug überhaupt ein obligatorischer Schenkungsvertrag zugrunde lag.
V. Deliktische Ansprüche Unter dem Aspekt einer deliktischen Schadensersatzhaftung des Bevollmächtigten wegen von ihm abgehobener Geldbeträge scheidet § 823 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage regelmäßig aus, weil durch die Vornahme weisungswidriger Abhebungen vom Konto des Vollmachtgebers oder dadurch, dass der Bevollmächtigte, ohne hierzu materiell berechtigt zu sein, Geldbeträge auf sein eigenes Konto überweist, kein absolutes Recht iSv § 823 Abs. 1 BGB verletzt wird.126 In Betracht kommt allerdings eine Haftung des Bevollmächtigten nach § 823 Abs. 2 iVm § 266 Abs. 1 Fall 1 StGB (Missbrauchstatbestand), wenn der Vertreter die ihm in Gestalt der Vollmacht eingeräumte Berechtigung, über fremdes Vermögen zu verfügen, dazu missbraucht, auftragswidrig Geld vom Konto des Vollmachtgebers auf sein eigenes Konto zu überweisen.127 Dasselbe gilt für weisungswidrige Abhebungen vom Konto des Vertretenen, wobei letztlich auf sich beruhen kann, ob hierdurch der Missbrauchs- oder der Treubruchstatbestand des § 266 StGB verwirklicht wird. Daneben kann bei unberechtigten Barabhe121
Ebenso OLG Frankfurt BeckRS 2010, 28151; OLG Hamm BeckRS 2020, 27663; siehe auch Horn, ZErb 2012, 38, 39 f. 122 MüKoBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 518 Rn. 19; Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326 (333); Horn, ZEV 2016, 373 (376). 123 Vgl. MüKoBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 516 Rn. 53; Muscheler, ZEV 2007, 184; Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326 (333). 124 Laumen, BGH-Report 2007, 267 f.; vgl. auch Klessinger, ZErb 2007, 303; Hadding, WuB IV A. § 812 BGB 3.07. 125 Osterloh-Konrad, ErbR 2012, 326 (333). 126 Horn/Schabel, NJW 2012, 3473 (3477). 127 OLG Koblenz NStZ 2012, 330 (331); OLG Frankfurt BeckRS 2010, 28151 (ohne Differenzierung zwischen Missbrauchs- und Treubruchstatbestand); vgl. auch OLG Koblenz NJOZ 2002, 1280, 1285.
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bungen vom Konto des Bevollmächtigten auch der Tatbestand der Unterschlagung (§ 246 StGB) verwirklicht sein.128 Die Darlegungs- und Beweislast für die tatbestandlichen Voraussetzungen deliktischer Schadensersatzansprüche – im Falle der Schutzgesetzverletzung einschließlich der Tatbestandsmerkmale des betreffenden Schutzgesetzes – trägt der Geschädigte, also der Anspruchsteller. Dies schließt grundsätzlich auch die Darlegungs- und Beweislast für das Verschulden des Schädigers mit ein; dieser muss aber bei objektiv feststehendem Pflichtverstoß regelmäßig Umstände darlegen und ggf. beweisen, die gegen sein Verschulden sprechen.129
VI. Haftung der Bank Der Erbe, der aufgrund der dargestellten Beweisschwierigkeiten – oder auch, weil dem Bevollmächtigten inzwischen nichts mehr „zu holen“ ist – mit seinen Forderungen gegen den Vertreter ausfällt, wird erwägen, ob er sich möglicherweise bei der Bank, die den Zugriff auf die Konten des Erblassers aufgrund der vom Erblasser erteilten Vollmacht zugelassen hat, schadlos halten kann. Indes ist auch dieser Weg ein „steiniger“. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Vollmachtswiderruf ausgeführt, ist die Haftung der Bank auf Fälle eines objektiv evidenten Vollmachtsmissbrauchs beschränkt. Macht der Bevollmächtigte nach dem Tode des Vollmachtgebers von einer ihm erteilten post- oder transmortalen Vollmacht Gebrauch, hat die Bank nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die ihr erteilten Weisungen grundsätzlich unverzüglich und vorbehaltlos auszuführen, es sei denn der Bevollmächtigte nutzt die Vollmacht in ersichtlich verdächtiger Weise, so dass sich – auch aus Sicht der Bank – „massive Verdachtsmomente“ ergeben.130 Nur in solchen Fällen können sich Rückfrage- oder Wartepflichten für die Bank ergeben. Die objektive Evidenz ist insbesondere dann gegeben, wenn sich nach den konkreten Umständen die Notwendigkeit einer Rückfrage bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt.131 Allein aufgrund des Umstands, dass der wahre Erbe sich telefonisch bei der Bank gemeldet und – ohne Legitimation – auf seine Erbenstellung hingewiesen hatte, hat der Bundesgerichtshof eine Bank nicht für verpflichtet erachtet, die Ausführung von Weisungen des Vollmachtinhabers zurückzustellen.132 Erteilt allerdings der Kunde seinem Hausarzt – also nicht etwa einem Familienangehörigen – eine umfassende Kontovollmacht, die schon kurze Zeit nach der Kontoeröffnung und nur wenige Tage nach dem Eingang eines erheblichen Betrages 128 Vgl. im Einzelnen Horn/Schabel, NJW 2012, 3473 (3477).
129 Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl. 2022, § 823 Rn. 80 f. m.w.N. 130
BGHZ 127, 239, 241; BGH NJW-RR 1992, 1135; NJW 1994, 2082; NJW 1999, 2883; NJW 2004, 2517 (2518); NJW-RR 2004, 1637. 131 BGH NJW 1999, 2883. 132 Vgl. den Sachverhalt in BGHZ 127, 239.
Missbrauch von Vorsorgevollmachten – das „abgeräumte Bankkonto“ 63
von 150.000 DM auf dem Konto dazu benutzt wird, mit diesem Guthaben eigene Darlehensverbindlichkeiten des Bevollmächtigten bei der Bank zu tilgen, ist dieser Vorgang so auffällig, dass sich der Bank der Verdacht eines Vollmachtsmissbrauchs aufdrängen muss, zumal der eigennützige Einsatz der Vollmacht in der Regel Anlass zu „Aufmerksamkeit“ gibt.133
133
BGH NJW 1999, 2883.
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Tanja Henking
Patientenverfügungen – empirische Befunde und normative Überlegungen I. Einleitung Die Patientenverfügung findet sich seit nunmehr über zehn Jahren in § 1901a BGB1 gesetzlich verankert. Eingeführt mit dem Patientenverfügungsgesetz2 im Jahr 2009 soll sie der Selbstbestimmung am Lebensende dienen, in dem die verfügende Person selbst im Voraus festlegen kann, wie sie am Lebensende behandelt werden möchte oder nicht. Die Reichweite der Patientenverfügung beschränkt sich jedoch nicht auf bereits erkrankte Personen, bestimmte Krankheiten oder Krankheitsstadien. Im Gesetzgebungsverfahren hatte sich der recht weitreichende Stünker-Entwurf 3 durchgesetzt, der eine Reichweitenbeschränkung nicht kennt (§ 1901a Abs. 3 BGB). Der Bekanntheitsgrad einer Patientenverfügung in der Bevölkerung ist inzwischen hoch. Die letzte repräsentative Umfrage gibt diese im Jahr 2014 mit 94 % an4. Es ist anzunehmen, dass der Bekanntheitsgrad weiter zugenommen hat. Nicht zuletzt, weil im Rahmen der COVID-19-Pandemie intensivmedizinische Behandlungen und Patientenverfügungen zuweilen thematisiert wurden. Ratgeber zur Erstellung von Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen finden sich in Buchhandlungen; Formulare sind im Internet frei zugänglich. Geschätzt wird, dass inzwischen ca. 400 unterschiedliche Formulare zu Patientenverfügungen im Internet zur Verfügung stehen. Jede:r kann es mit einer einfachen Google-Recherche selbst ausprobieren, wie umfangreich die Trefferquote ausfällt. Trotz des hohen Bekanntheitsgrads ist wenig darüber bekannt, wie hoch der Wissensstands über bzw. zu Patientenverfügungen (Anforderungen/Voraussetzungen/Anwendung) in der Bevölkerung ist und was die einzelne Person in der Patientenverfügung konkret verfügt. Beiden Fragen wurde in eigenen empiri 1
Ab dem 1.1.2023 befindet sich die Patientenverfügung in § 1827 BGB. Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009, Bundesgesetzblatt 2009 Teil I Nr. 48. 3 Bt-Drs. 16/8442. 4 IfD Allensbach, Allensbacher Kurzbericht 2014, https://www.ifd-allensbach.de/fileadmin/ kurzberichte_dokumentationen/PD_2014_20.pdf [10.8.2022]. 2
66 Tanja Henking
schen Arbeiten nachgegangen. Über die wesentlichen Ergebnisse aus zwei Projekten5 wird an späterer Stelle informiert.
II. Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung und Beratung Mit Hilfe einer Patientenverfügung kann eine einwilligungsfähige Person festlegen, welche Behandlungsmaßnahmen sie wünscht und welche sie ablehnt. Sie verfügt dieses im Voraus für den Zustand späterer Einwilligungsunfähigkeit. § 1901a BGB kennt damit sowohl die ablehnende Erklärung wie auch die antizipierte Einwilligung in eine zukünftige Behandlung. Für die letztgenannte Konstellation gilt es jedoch auch die allgemeinen Regeln des Patientenrechtegesetzes zu beachten, wonach eine wirksame Einwilligung eine Aufklärung voraussetzt6. Eine Aufklärung oder eine Beratung schreibt das Gesetz nicht vor. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, dieses als eine Wirksamkeitsvoraussetzung aufzunehmen. Damit hat er die Anforderungen an eine Patientenverfügung niedrig gehalten, gleichwohl der Gesetzesbegründung selbst eine Empfehlung zur Inanspruchnahme einer Aufklärung respektive einer Beratung zu entnehmen ist7. Teilweise wird darauf hingewiesen, dass eine Aufklärung Selbstbestimmung oftmals überhaupt erst ermögliche,8 und der Verzicht auf dieses Erfordernis daher ein Defizit sei. Gleichwohl dieser Aussage zur Selbstbestimmung durchaus zugestimmt wird, wäre eine Aufklärungspflicht aus verschiedenen Gründen der falsche Weg9: Die Schwelle zur Erstellung würde zu hoch angesetzt, Selbstbestimmung erfordert nicht die Pflichtaufklärung, sondern lässt sich auch auf anderen Wegen ermöglichen. Menschen können klare Vorstellungen von ihrem Lebensende haben, sei es durch persönliche Überzeugungen oder persönliches Erleben. Außerdem können Ärztinnen und Ärzte sich auch ohne eine Pflicht in den Beratungsprozess einbringen. Die Bereitschaft hierzu fällt allerdings ebenso wie ihr Wissen dazu unterschiedlich aus. Es ist daher zu erwarten, dass mit einer Verpflichtung zur Wahrnehmung einer ärztlichen Beratung die Anzahl von Patientenverfügungen eher sinken würde. Dennoch wird man Personen raten, ärztliche wie auch rechtliche Beratung bei der Erstellung in Anspruch zu nehmen. Ärztliche, um Krankheitssituatio 5 Forschungsschwerpunkt
Autonomie im Gesundheitswesen (AuGe), gefördert vom Bayerischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst sowie MyPatH- Mythen zur Patientenverfügung, gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit. Beide Projekte leitet die Autorin gemeinsam mit Prof. Dr. Silke Neuderth, https://autonomie-im-gesundheitswesen.fhws.de/. 6 Vgl. Götz, in: Grüneberg § 1901a BGB, Rn. 13 mit Hinweis auf BT-Drs. 17/10488, S. 24. 7 BT-Drs. 16/8442, 14; BT-Drs. 16/13314, 19. 8 Spickhoff, in: Spickhoff § 1901b BGB, Rn. 1. 9 Vgl. auch Müller-Engels, in: BeckOK § 1901a, Rn. 22.
Patientenverfügungen – empirische Befunde und normative Überlegungen 67
nen, antizipierte Verläufe, Konsequenzen von ablehnenden Entscheidungen und Alternativen besser einschätzen und für sich abwägen zu können, und rechtliche Beratung, um besser über Inhalt, Form, Bestandteile, Konsequenzen, der Verknüpfung von Behandlungssituation und Maßnahme etc. Bescheid zu wissen. Erfahrungen aus der Beratung zeigen ebenso wie Selbstangaben von Bürgerinnen und Bürgern, dass sie sich schnell mit dem T hema und der Erstellung überfordert fühlen10. Insbesondere die oftmals empfohlene und sinnvolle Ergänzung der Patientenverfügung durch Wertvorstellungen bereitet einigen Personen in der Erstellung Probleme. Hier gilt es eine Art Übersetzungsarbeit zu leisten, um die Wertvorstellungen später als Auslegungs- und Interpretationshilfe einer Patientenverfügung auch nutzbar machen zu können11.
III. Selbstbestimmung am Lebensende und das Wissen um rechtliche Vorsorgeoptionen Bezogen auf Entscheidungen am Lebensende sind es vor allem zwei – rechtliche – Fallkonstellationen, die im Fokus stehen, die aus medizinischer Sicht aber nicht selten zusammentreffen werden: Fallkonstellationen der indirekten Sterbehilfe und Fallkonstellationen der Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch. Von indirekter Sterbehilfe ist bekanntermaßen dann die Rede, wenn eine medizinische Maßnahme zur Symptomlinderung eingesetzt wird, aber als unerwünschte Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigt. Dies können z.B. starke Schmerzen oder Atemnot sein, die mit entsprechenden Medikamenten gelindert werden. Im Vordergrund steht dabei nicht die Lebenszeitverkürzung, sondern die Reduktion der Symptomlast. Diese Maßnahme ist medizinisch indiziert und bei einem Menschen mit starken Symptomen eine adäquate Behandlungsmaßnahme und damit letztlich medizinisch (sowie ethisch und rechtlich) geboten. Dass diese Maßnahme Lebenszeitverkürzung bedeuten kann und der behandelnde Arzt auch um diese Möglichkeit weiß, wirft die Frage nach der strafrechtlichen Lösung dieses Problems auf. Die rechtliche Diskussion um die „richtige“ Lösung des Problems ist komplex, bei der über das zu findende Ergebnis Einigkeit zu herrschen scheint: Die Handlung ist nicht strafbar. Die wohl herrschende Meinung findet die Lösung über den rechtfertigenden Notstand oder in einer Kombination aus Notstands- und Einwilligungslösung12. Der BGH hatte Fleischmann/Henking/Neuderth, 2022b (in der Begutachtung). u.a. die Materialien aus dem Forschungsschwerpunkt AuGe: https://autonomie-imgesundheitswesen.fhws.de/index.php?id=3301 [10.8.2022]. 12 Fischer, Vor §§ 211–217, Rn. 57; Lackner/Kühl-Kühl, Vorbemerkung § 211, Rn. 7; MüKo-Schneider, Vorbemerkungen zu § 211, Rn.110 ff.; NK-Neumann, Vorbemerkungen zu § 211, Rn. 103;
10
11 Siehe
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die indirekte Sterbehilfe bereits im Jahr 1996 für zulässig erachtet13. Im Übrigen hat er im Jahr 2019 auch die Morphingabe einer Pflegekraft in einer Pflege einrichtung bei einem sterbenden Bewohner für zulässig erachtet14. Der Fall war zwar nicht als indirekte Sterbehilfe verhandelt worden, weil eine Verkürzung der Lebenszeit nicht angenommen wurde; im Zentrum standen Körperverletzung und § 228 StGB. Bemerkenswert an diesem Fall ist, dass die Morphingabe zwar medizinisch indiziert war, aber entgegen ärztlicher Anordnung erfolgte. Der Patient, der bereits beim Einzug ins Pflegeheim an einem fortgeschrittenen Darmkrebs litt, hatte zuvor in seiner Patientenverfügung festgelegt, dass er schmerzlindernde Medikation wünsche. Die andere Fallkonstellation – Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch – meint Fälle, in denen ein schwer kranker Mensch ohne weitere Behandlung versterben würde, die Krankheit in ihrem natürlichen Verlauf also zum Tode führen würde, ohne aber, dass bereits der Sterbeprozess unmittelbar bevorstünde15. Wenn in dieser Situation eine Behandlung abgebrochen, sie begrenzt oder auf sie verzichtet wird und dies auch im Interesse des Patienten ist, dann liegt eine weitere zulässige Form der Sterbehilfe vor16. Der BGH, der im Jahr 201017 die Abkehr von der passiven Sterbehilfe und der Abgrenzung passiv/aktiv einleitete, betonte in dieser Entscheidung die Vielschichtigkeit von ärztlichen Maßnahmen, die sich nicht stets eindeutig als aktiv oder passiv beschreiben lassen und stellte auf den normativen Sinngehalt der Maßnahme im Sinne eines Behandlungsabbruchs ab18. Die Entscheidung steht im engen Zusammenhang mit dem T hema Patientenverfügung. Nicht nur, dass ein Jahr vor der Entscheidung die gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung ins Gesetz gekommen und der Gesetzgeber damit die Bedeutung der Selbstbestimmung am Lebensende herausgestellt hat, der Fall ist auch ein Beispiel für die Ermittlung des Willens und die Möglichkeiten der heutigen Medizin, deren Nutzung aber ab einem bestimmten Zeitpunkt und unter bestimmten Voraussetzungen von manchen Personen nicht mehr gewünscht wird. Im konkreten Fall ging es um eine Person im Wachkoma, die mittels einer PEG-Sonde bereits seit vielen Jahren ernährt wurde und die zu einem früheren Zeitpunkt geäußerte hatte, diesen Zustand für sich abzulehnen. Es gab zwar keine schriftlich verfasste Patientenverfügung, dennoch war der Wille dieser Person bekannt. Der BGH hat bereits in der bereits erwähnten Kemptener Entscheidung die Anforderungen an die Ermittlung des (mutmaßlichen) Willens Schönke/Schröder-Eser/Sternberg-Lieben, Vorbemerkungen zu § 211, Rn. 26 (in Kombination mit Einwilligung). 13 BGHSt 42, 301, 305. 14 BGH, Urteil vom 30.1.2019, Az. 2 StR 325/17. 15 BGHSt 40, 257. 16 BGHSt 55, 91. 17 BGHSt 55, 91. 18 BGHSt 55, 91.
Patientenverfügungen – empirische Befunde und normative Überlegungen 69
konkretisiert19, was sich zum Teil heute in der Formulierung des § 1901a Abs.2 BGB wiederfindet. An die Ermittlung des mutmaßlichen Willens sind nach dieser Entscheidung zudem hohe Anforderungen zu stellen20. Überträgt man diesen Fall auf die Anforderungen an eine Patientenverfügung, so verlangt § 1901a BGB die Beschreibung einer Behandlungssituation. Diese Behandlungssituation muss möglichst konkret beschrieben werden. Vordrucke sehen beispielhafte Formulierungen vor, die insbesondere dann, wenn bereits eine konkrete Erkrankung im Raum steht, noch einmal individualisiert werden sollten. Die in nahezu allen Formularen vorzufindende Situationsbeschreibung „wenn ich mich im unmittelbaren Sterbeprozess befinde“ ist aus heutiger Sicht in Frage zu stellen, da es in diesen Fallkonstellationen keine Indikation zur (kurativen) Weiterbehandlung mehr geben dürfte. § 1901b BGB legt ein zweistufiges Vorgehen fest: Der behandelnde Arzt prüft zunächst die Indikation der Maßnahme. Er überprüft also, ob eine medizinische Maßnahme (noch) angezeigt ist. Erst wenn er eine Indikation sieht, stellt sich die Frage, welches Behandlungsziel erreichbar erscheint und ob dieses Behandlungsziel (noch) im Interesse des Patienten ist, womit der Patientenwille relevant wird. Der Begriff Indikation wird aus medizinethischer Perspektive bereits seit längerem diskutiert, was von der rechtswissenschaftlichen Literatur kaum aufgegriffen wird21. Vermutlich, weil der normative Anteil, der in der Indikationsstellung enthalten sein kann, noch unzureichend wahrgenommen wird. Die jüngste Stellungnahme der ZEKO zum Umgang mit „Medical Furtility“22 unterscheidet nach Wirkungslosigkeit einer Maßnahme (Anmerkung: was in dieser Form eher selten vorkommen dürfte) und einem sehr ungünstigen Schaden-Nutzen-Verhältnis. Bei der Entscheidungsfindung im letzteren Fall soll stets der Patient(enwille) Berücksichtigung finden. Man kann dieses als eine Stärkung der Patientenautonomie und der Position des Patienten im Entscheidungsprozess sehen, es verlagert aber auch ärztliche Entscheidungsfindung ein Stück weit auf den Patienten. Noch einmal übertragen auf den Fall des Wachkoma-Patienten: Der BGH stellte in einem Satz fest, dass der Hausarzt die Weiterversorgung über die PEG nicht mehr als indiziert angesehen habe (in der Begrifflichkeit der ZEKO: ungünstiges Schaden-Nutzen-Verhältnis). Hätte dieses für sich genommen einen Behandlungsabbruch rechtfertigen können? 19
BGHSt 40, 257 (2. Leitsatz, 2. Satz und 3. Leitsatz). BGHSt 40, 257 (2. Leitsatz, 1. Satz). 21 Dörries/Lipp (Hrsg.), Medizinische Indikation: Ärztliche, ethische und rechtliche Perspektiven. Grundlagen und Praxis, 2015. 22 Bundesärztekammer, Stellungnahme der Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Bundesärztekammer, Ärztliche Verantwortung an den Grenzen der Sinnhaftigkeit medizinischer Maßnahmen. Zum Umgang mit „Futility“, 2022, https://www.aerzteblatt.de/down. asp?id=29967 [10.08.2022]. 20
70 Tanja Henking
Es soll nun ein Blick in bestehende Patientenverfügungen geworfen werden. Eine eigene Erhebung erfolgte in 13 Pflegeeinrichtungen in Stadt und Landkreis Würzburg23. In die Auswertung wurden 265 Patientenverfügungen einbezogen (bei 843 ausgewerteten Bewohnendenakten), womit zum Erhebungszeitpunkt (2018) 20,4 % der Bewohnenden eine Patientenverfügung erstellt hatten, die auch in der Einrichtung verfügbar war. Für diese Personengruppe kann folgendes berichtet werden: Der fortgeschrittene Hirnabbauprozess wurde am häufigsten als Behandlungssituation beschrieben (234), wobei die irreversible Hirnschädigung noch einmal als eigene Behandlungssituation erfasst wurde (197) und die als eigene Kategorie an dritter Stelle steht, gefolgt vom unabwendbaren Sterbeprozess (194). Betrachtet man ausschließlich verfügte Maßnahmen, so ist die Symptomlinderung eine sehr häufig genannte Maßnahme (241), eine Reanimation wird als Maßnahme in 202 der untersuchten Patientenverfügungen genannt und sodann in 191 Fällen abgelehnt. Nach einer möglichst konkreten Beschreibung der Situation sind die Maßnahmen festzulegen, die bei Eintreten der beschriebenen Situationen (nicht) vorgenommen werden sollen. Die im Gesetzestext enthaltene Formulierung „bestimmte“ hatte den Bundesgerichtshof in den Jahren 201624, 201725 und 201826 in gleich drei grundlegenden Entscheidungen beschäftigt. Die größte Aufmerksamkeit hatte wohl die erste der drei Entscheidungen erfahren. Der BGH hatte in dieser Entscheidung erklärt, dass die Formulierung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wollen, nicht ausreichend bestimmt sei. Eine Formulierung, die wohl in vielen Patientenverfügungen enthalten war/ist. Die Maßnahmen seien laut BGH vielmehr einzeln zu benennen, wobei allerdings die Anforderungen an eine Patientenverfügung auch nicht überspannt werden dürften. In der Folgeentscheidung stellt der BGH27 sodann heraus, dass die Festlegung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, zwar nicht ausreichend sei, da diese Maßnahmen jeweils einzeln benannt werden müssten, etwas anderes jedoch gelten könne, wenn die Umstände, unter denen keine lebenserhaltenden Maßnahmen gewünscht werden, hinreichend konkret beschrieben sind und die Patientenverfügung zudem weitere Festlegungen enthält, die einen Rückschluss auf den Patientenwillen zulassen. Diesen Gedanken führt der BGH in einer für die Praxis wohl zu wenig beachteten Entscheidung fort, wonach sich im Einzelfall die erforderliche Konkretisierung bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben könne. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliege, sei 23
Klemmt/Neuderth/van Oortschot/Henking, DMW 2021, DOI 10.1055/a-1576–6894.
24 BGH, Beschl. v. 6.7.2016, Az. XII ZB 61/16.
25 BGH, Beschl. v. 8.2.2017, Az. XII ZB 604/15.
26 BGH, Beschl. v. 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18.
27 BGH, Beschl. v. 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18.
Patientenverfügungen – empirische Befunde und normative Überlegungen 71
sodann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln. Dieser Hinweis auf die Auslegung hat für die Praxis eine hohe Relevanz, weil sie bedeutet, sich dem Inhalt und dem in der Patientenverfügung festgehaltenen Willen durch weitere Aufklärung zu nähern. Diese Entscheidung enthält zudem einige Hinweise, die für die Erstellungspraxis hilfreich erscheinen: – „Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht.“28 – „Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt.“29 – „Nicht ausreichend sind jedoch allgemeine Anweisungen, wie die Auffor derung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein T herapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist.“30 Soweit der Gesetzestext im Übrigen vom Betreuer spricht, so dürfte es inzwischen der vorherrschenden Position entsprechen, dass nicht zwingend ein Betreuer bestellt sein muss, um einer Patientenverfügung Geltungskraft zu verleihen, sondern die Patientenverfügung aus sich heraus Bindungswirkung entfaltet und die Ärzte sie auch ohne bestehende rechtliche Betreuung zu beachten haben31. Wenn allerdings ein rechtlicher Betreuer vorhanden ist, zählt nicht nur die Umsetzung der Patientenverfügung zu seinen Aufgaben, sondern auch der Hinweis auf die Möglichkeit der Erstellung einer Patientenverfügung sowie die Unterstützung hierbei (§ 1901a Abs. 4 BGB). Allerdings gilt hier, wie überall: Wer berät, muss auch wissen, wozu und worüber er berät. Der Wissenstand sowie der Fortbildungsbedarf zu Patientenverfügungen und anderen Vorausplanungsinstrumenten ist in einer eigenen Erhebung (Online sowie Paper Pencel) unter Health Care Professionals im Raum Würzburg erfragt worden (n=363)32. Bei 72,5 % der Befragten wurden Vorsorgedokumente in Ausbildung/Studium „überhaupt nicht“ oder „eher nicht“ thematisiert. 76,9 % der Befragten arbeiten in der Patientenversorgung/in Pflegeeinrichtungen. Davon sind 39,8 % mehrfach pro Monat mit Entscheidungen auf Basis einer Patientenverfügung konfrontiert. 81,9 % der Befragten geben einen Fortbildungsbedarf zu Vorsorgedokumenten an. Grob gesagt lässt sich festhalten, dass einige Wissensdefizite und Fehlannahmen/Unsicherheiten zu Vorsorgedokumenten ausgemacht werden konnten. Informationsbedarf wurde u.a. 28 BGH, Beschl. v. 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18; Rn. 20. 29 BGH, Beschl. v. 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18; Rn. 20. 30 BGH, Beschl. v. 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18; Rn. 21. 31 32
Götz, in: Grüneberg 2022, § 1901a, Rn. 15. Fleischmann/Henking/Schuler/Neuderth, 2022a (in der Begutachtung).
72 Tanja Henking
identifiziert zur Rechtslage durch Patientenvertretung durch nahe Angehörige in einer Notfallsituation, zur Rolle und der Aufgabe des Betreuungsgerichts, zu den Rechten und Verantwortlichkeiten nicht-ärztlicher Gesundheitsfachkräfte bei eindeutig verfügtem Patientenwillen sowie zur rechtlichen Verbindlichkeit des in einer eindeutig lautenden Patientenverfügung verfügten Patientenwillens schon in der Akutphase einer Behandlung. Ergänzt durch eine Befragung (Online und Paper Pencl) unter Bürgerinnen und Bürgern (n=282), ebenfalls im Raum Würzburg, zeigte sich, dass sich 40 % unsicher beim Erstellen einer Patientenverfügung fühlen und für eine Beratung Ärzt:innen (52 %), Anwält:innen/Notar:innen (43,3 %) und Beratungsstellen (44,1 %) bevorzugen würden. Einen Informationsbedarf zu Vorsorgedokumenten sehen 91,8 % der Befragten. Bedarf besteht bei den Möglichkeiten der Erstellung von Vorsorgedokumenten für Menschen mit Demenzerkrankung, den ärztlichen Möglichkeiten der T herapiebegrenzung bei fehlender Patientenverfügung, der Zulässigkeit der Beendigung einer Beatmung bei fehlender Indikation sowie der Möglichkeit von Zustimmung und Ablehnung von Behandlungsmaßnahmen33. Ärzt:innen sowie Anwält:innen wird somit eine hohe Beratungskompetenz zugetraut. Damit dieser Anspruch auch eingelöst werden kann, wird es allerdings in beiden Feldern Fortbildungsbedarf geben müssen. Da Anwält:innen nicht in die Untersuchung eingeschlossen waren, wird zu vermuten sein, dass in Bezug auf Behandlungssituationen und Maßnahmen ein Fortbildungsbedarf bestehen wird. Hilfreich kann dabei die inzwischen mehrfach überarbeitete Broschüre34 des Bundesjustizministeriums sein, die mit vielen Fußnoten ergänzende Informationen liefert. Grundsätzlich gilt es ein Verständnis dafür zu entwickeln, welche Behandlungssituationen entstehen können und dass Maßnahme und Behandlungssituation miteinander verknüpft werden sollen. Überlegt werden muss ebenso, mit welchem Ziel bestimmte Maßnahmen (noch) gewollt werden oder nicht und auf welcher Entscheidungsbasis. So kann eine künstliche Ernährung einer Überbrückung dienen oder aber dauerhaft erfolgen. Es muss daher differenziert werden, um das oberste Ziel einer Patientenverfügung zu erreichen: die Selbstbestimmung und damit die Abbildung des wirklichen Willens eines Patienten in der Patientenverfügung. Da Erkrankungen, Lebens- und Behandlungssituation vielschichtig sein können, wird oftmals über das Schriftstück hinaus der Wille ermittelt werden müssen35. Der Gesetzgeber stellt dies im Wege der Betreuungsrechtsreform mit der erweiterten amtlichen Fleischmann/Henking/Neuderth, 2022b (in der Begutachtung). unter: https://www.bmj.de/DE/T hemen/VorsorgeUndPatientenrechte/Betreuungs recht/Betreuungsrecht_node.html [10.8.2022]. 35 Siehe auch die Materialien aus dem Forschungsschwerpunkt AuGe: https://autonomie-imgesundheitswesen.fhws.de/index.php?id=3301 [10.8.2022]. 33
34 Abrufbar
Patientenverfügungen – empirische Befunde und normative Überlegungen 73
Überschrift [Patientenverfügung, Behandlungswünsche, mutmaßlicher Wille] noch einmal heraus.
IV. Ausblick Konzentriert wurde sich in diesen Überlegungen auf Health Care Professionals und andere Beratungsberufe wie Rechtsanwält:innen. Umfassendere Konzepte wie das des Advance Care Plannings, das seine Ursprünge in der Onkologie und Palliativmedizin hat, sehen eigene Berater:innen vor. § 132g SGB V greift dieses Konzept insoweit auf als in Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen eine Fallbesprechung über die gesetzliche Krankenversicherung finanziert wird. Diese gesundheitliche Vorausplanung für die letzte Lebensphase stellt einen wichtigen Ansatz dar, um Menschen Sorgen und Ängste nehmen bzw. diese verringern zu können. Es zeigt sich zudem, dass einige Menschen in dieser Lebensphase auch das Bedürfnis nach Gesprächen über die Gestaltung dieser Zeit haben36. Von der Rechtswissenschaft wird ACP noch (zu) wenig begleitet. Es gilt auch hier wachsam zu bleiben und mögliche Fehlentwicklungen zu erkennen, die dem eigentlichen Ziel Selbstbestimmung am Lebensende entgegenstehen könnten. Die Erstellung einer Patientenverfügung ist eine höchstpersönliche Erklärung und Entscheidung. Zur Selbstbestimmung und Patientenautonomie gehört schließlich auch, diese antizipierte Entscheidung (noch) nicht zu treffen.
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Klemmt/Henking/Heizmann/Best/van Oorschott/Neuderth, Journal of Clinical Nursing 2020, DOI: 10.1111/jocn.15291.
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WANG Qiang*
Die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im sich wandelnden Erbrecht Chinas im Vergleich zum deutschen Erbrecht – Eine rechtswissenschaftliche, -dogmatische und -terminologische Untersuchung
A. Einleitung Am 28.05.2020 wurde das umfassende Zivilgesetzbuch der VR China (ZGB) nach dem mühsamen Gesetzgebungsverfahren endlich vom Nationalen Volkskongress (NVK), dem obersten legislativen Organ der Volksrepublik, verabschiedet.1 Mit seinem Inkrafttreten am 01.01.2021 wurden die entsprechenden, als lex specialis geltenden Einzelgesetze, im Kern die grundlegenden Bestandteile der Kodifikation, nach der Übergangsfrist bis 31.12.2020 (§ 1260 ZGB) außer Kraft gesetzt.2 Die sieben Bücher des ZGB sind in der Reihenfolge Allgemeiner Teil, Sachen-, Vertrags-, Persönlichkeits-, Ehe- und Familienrecht, Erbrecht und Deliktsrecht gegliedert. Dem sechsten Buch Erbrecht (ZGB-Erbrecht oder Erbrecht) liegt das bereits 35 Jahre alte Erbgesetz (ErbG)3 unter Ergänzung *
Dieses Forschungsprojekt wurde gefördert durch „Funding Project for Science and Research Innovation of CUPL (22ZFG82001)“, „Philosophy and Social Science Funding of the Chinese Ministry of Education (18JHQ067)“ and „Fundamental Research Funds for the Central Universities“. Der Autor ([email protected]; Promotion Mainz) ist Professor an der chinesischen Universität für Politik- und Rechtswissenschaft (CUPL) in Peking mit Forschungsschwerpunkten Rechtsvergleichung, -übersetzung und -linguistik sowie Vermögens-, Familien- Erb- und Deliktsrecht. Er ist außerdem Doktorandenbetreuer an dem College of Comparative Law und der akademische Leiter der Abteilung für Germanistik mit Schwerpunkt deutsches Recht. 1 Vgl. dazu Wang Qiang, Vom deutschen BGB bis zu Chinas neuem Zivilgesetzbuch – Eine Rezeptionsgeschichte des BGB in China, ZNR 42 (2020 Nr. 1/2), 77, 77–78. Im Folgenden werden chinesische Autoren bzw. Personen sowohl in Erst- als auch in Folgezitaten mit Nachnamen vor den Vornamen, andere Autoren nur mit dem Nachnamen zitiert. 2 Als die einzige Ausnahme wurde das vierte Buch des ZGB Persönlichkeitsrecht (fast) völlig neu verfasst. Dem ZGB vorausgehend war der Allgemeine Teil des Zivilrechts, der die aus 1986 stammenden Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der VR China (AGZ) ablöste, bereits am 15.3.2017 verabschiedet worden und am 1. 10.2017 in Kraft getreten; deutsche Übersetzung von Klages/Leibküchler/Pißler, ZChinR, Bd. 24 Nr. 3, 2017, 208, 208 f. 3 Das Erbgesetz der VR China, verabschiedet am 10.4.1985 und in Kraft seit 1.10.1985, beinhal-
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durch seine oberstgerichtliche Auslegung4 zugrunde. Bereits vor seiner Kodifikation war das Erbrecht der VR China anerkannterweise reformbedürftig gewesen5 und der Ruf aus Chinas akademischen Kreisen nach seiner gründlichen Revision zunehmend lauter geworden. Als repräsentative, wissenschaftlich fundierte Ergebnisse aus dieser Reforminitiative gelten zwei Vorschlagsentwürfe.6 Da in der Volksrepublik die Gesetzgebung qualitativ oft nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht und die von den zwei akademischen Entwürfen initiierten Verbesserungsvorschläge im ZGB wenig berücksichtigt worden waren, sind sie mit ihrem weiteren wissenschaftlichen Referenzwert auch nach dem Erlass des ZGB für die Auslegung in dem Beitrag relevant.7 Mit seinen konkreten Vorschriften etwa über die samaritanische Hilfe, Organspende, sexuelle Belästigung und den Schutz der menschlichen Würde trägt das ZGB den in der chinesischen Gesellschaft heiß thematisierten Problemen,
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tet nur 37 Paragraphen; deutsche Übersetzung von Manthe, Erbrechtsgesetz der VR China, WGO/MfOR 26/27 (1984/85), 378, 378 f.; englische Übersetzung von Schwartz, in: Schwartz (Hrsg.), T he Inheritance Law of the People’s Republic of China, 1989, 469 f.; französische Übersetzung von Senger, Revue de droit international et de droit comparé 64, 1987, 65, 65 f., 80 f. Ansichten des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen bei der Anwendung und der Umsetzung des Erbgesetzes der VR China (mit 64 Artikeln), in Kraft seit 11.9.1985; im Folgenden abgekürzt als Ansichten, oberstgerichtliche Ansichten oder Ansichten zum Erbgesetz und bei der Heranziehung ihrer einzelnen Vorschriften als ErbG-Ansichten; deutsche Übersetzung von Wang Qiang, in: Eberl-Borges/Wang Qiang (Hrsg.), Erbrecht in der VR China – Die aktuelle Entwicklung im Rahmen des Aufbaus der Privatrechtsordnung, 2015, 123 f. Mit den „Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zum Buch Erbrecht des ZGB (Teil 1)“ (im Folgenden abgekürzt als OVG-Erläuterungen), die parallel zum ZGB-Erbrecht verabschiedet wurden und vom 1.1.2021 an anwendbar sind, hat das OVG (Oberste Volksgericht) schlicht Teile der ErbG-Ansichten übernommen. In der vorliegenden Arbeit werden die ErbG-Ansichten noch herangezogen. Für einen inhaltlichen und qualitativen Überblick über das chinesische Erbrecht und dessen Reformbedürftigkeit siehe Eberl-Borges, in: Eberl-Borges/Wang Qiang (Hrsg.), Erbrecht in der VR China – Die aktuelle Entwicklung im Rahmen des Aufbaus der Privatrechtsordnung, 2015, 29 f., 34 f.; Wang Qiang, in: Eberl-Borges/Wang Qiang (Hrsg.), Erbrecht in der VR China – Die aktuelle Entwicklung im Rahmen des Aufbaus der Privatrechtsordnung, 2015, 61 f.; Wang Qiang, Beiträge der wissenschaftlichen Entwürfe zur Erbrechtsreform in der VR China – Eine juristische und rechtsterminologische Untersuchung, ZChinR 22 2015, 5, 5 f. Vorschlagsentwurf zur Erbrechtsrevision von Prof. Liang Huixing et al. und von Prof. Yang Lixin et al. mit jeweils 97 bzw. 99 Paragraphen. Siehe hierzu Liang Huixing et al. (Hrsg.), Vorschlagsentwurf eines Zivilgesetzbuchs der VR China – Buch 7: Erbrecht, 2013, 1 f.; im Folgenden abgekürzt als Liang-Entwurf; Yang Lixin et al. (Hrsg.), Vorschlagsentwurf zur Revision des „Erbgesetzes der VR China“, Northwest civil and commercial legal network (13.11.2020), abrufbar unter http://xbmsf.nwupl.cn/Article/ShowArticle.asp?ArticleID=703 (27.10.2022), im Folgenden abgekürzt als YANG-Entwurf; deutsche Übersetzung beider akademischer Vorschlagsentwürfe von Wang Qiang, in: Eberl-Borges/Wang Qiang (Hrsg.), Erbrecht in der VR China – Die aktuelle Entwicklung im Rahmen des Aufbaus der Privatrechtsordnung, 2015, 165 f., 195 f. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wäre zunächst die Aufstufung des Status des LIANGund des YANG-Entwurfs als nur akademischer Vorschlagsentwurf zum „formellen“ Gesetzesentwurf notwendig, damit sie überhaupt dem Volkskongress zur Überprüfung vorgelegt werden könnten. Erst nach dem Bestehen des gesetzgebungsmäßigen Vorverfahrens hätte ein derartiger Entwurf überhaupt die Chance, vom NVK beraten und angenommen zu werden.
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Sorgen und Bedürfnissen Rechnung. Insbesondere Chinas Erbrechtler setzten große Hoffnung auf das neue Erbrecht für eine qualitative Verbesserung. Im Gegensatz dazu ist die lang erhoffte gründliche Erbrechtsreform im Zuge der Kodifikation ausgeblieben: Umfangmäßig sind die Vorschriften von 37 um lediglich acht auf 45 vermehrt.8 Außer der Umlegung der Vorschrift über Annahme und Ausschlagung der Erbschaft oder des Vermächtnisses vom vierten Abschnitt des Erbgesetzes (§ 25) in den ersten Abschnitt des ZGB-Erbrechts (§ 1124) sowie der Integration der ErbG-Ansichten wie Ziffer 2 (über Erbfallszeit und Feststellung der Todesreihenfolge), Ziffer 52 (über den Erbschaftsübergang), Ziffer 61 (über den dem arbeitsunfähigen und bedürftigen Erben vorzubehaltenden Nachlass anteil) und Ziffer 62 (über Haftungsrang der gesetzlichen, testamentarisch eingesetzten Erben und Vermächtnisnehmer für Nachlassverbindlichkeiten) in das ZGB (§§ 1121, 1152, 1159 bzw. 1163), jedoch ohne inhaltliche Änderung, wurden die (in § 7 ErbG aufgezählten) Tatbestandsvoraussetzungen für Erbunwürdigkeit – um die Beeinflussung des Erblassers bei dessen testamentarischer Verfügung durch Betrug oder Erpressung9 – erweitert und ebenfalls als Vermächtnisunwürdigkeitsgründe und zudem die Verzeihung des Erblasser als Voraussetzung für die Wiedererlangung der Erbwürdigkeit (in § 1125 ZGB) hinzugefügt. Weitere nennenswerte Erneuerungen des Erbrechts stellen die Erweiterung des Kreises der Eintrittsberechtigten bei der Erbfolge nach Stämmen von den (bereits in § 11 ErbG problematisch bestimmten) Abkömmlingen der vorverstorbenen Kinder des Erblassers um die Kinder der vorverstorbenen Geschwister (als Erben der zweiten Ordnung) des Erblassers (§ 1128 ZGB), die Vermehrung der Testamentsformen um ein ausgedrucktes Testament (§ 1136 ZGB) und ein Testament per Videoaufnahme (§ 1137 ZGB), die dem Erblasser (durch § 1142 ZGB) gewährten größeren Testamentswiderrufsfreiheiten (gegenüber der des § 20 ErbG) und die Einführung der Rechtfigur des Nachlassverwalters in §§ 1145–1149 ZGB10 dar. Außer diesen überwiegend unwesentlichen Änderungen ist bei dem ZGBErbrecht insgesamt keine Verbesserung, weder in quantitativer, struktureller noch in qualitativer, rechtstechnischer Hinsicht, zu verzeichnen. Insbesondere problematisch bleibt die äußerst kursorische Behandlung der inhaltlich umfassenden, daher komplizierten, aber praktisch wichtigen Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten.11 Mit der quantitativen Insuffizienz hängen qualitative 8
Die 45 Paragraphen (§§ 1119–1163 ZGB) sind in vier Abschnitte geteilt: Allgemeine Vorschriften (§§ 1119–1125 ZGB), Gesetzliche Erbfolge (§§ 1126–1132 ZGB), Testamentarische Erbfolge und Vermächtnis (§§ 1133–1144 ZGB) und Nachlassabwicklung (§§ 1145–1163 ZGB). 9 Bereits in § 11 Abs. 1 Nr. 7 YANG-Entwurf und § 1940 Abs. 1 Nr. 5 LIANG-Entwurf vorgeschlagen. 10 Vgl. dazu §§ 2002–2005, 2017–2019, 2029 LIANG-Entwurf und §§ 72–75, 76, 78, 80, 81, 92–94 YANG-Entwurf. 11 Von den 45 Paragraphen des ZGB-Erbrechts regeln lediglich vier (1159, 1161–1163), die mit §§ 33–34 ErbG i.V.m. Ziffer 61–62 ErbG-Ansichten fast identisch sind, unmittelbar die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten. Die weiteren sieben Vorschriften §§ 1130, 1131, 1133, 1141,
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Regelungsmängel zusammen: Es fehlt in erster Linie eine substanzielle Definition der Nachlassverbindlichkeiten und deren Umfangs, wodurch die begriffliche Zuordnung bzw. Abgrenzung maßgeblich erschwert wird. Außerdem sind die bei der Begründung bzw. Erfüllung der Verbindlichkeiten relevanten Beteiligten, beispielsweise der Leistungspflichtige und endgültige Anspruchsgegner (e.g. der Erbe), der unmittelbare Anspruchsgegner (Testamentsvollstrecker, Nachlassinsolvenzverwalter, Erbe usw.) abgesehen von dem neu statuierten Nachlassverwalter mit seiner diesbezüglichen Pflicht (§ 1147 Nr. 4 ZGB) oder der Anspruchsberechtigte (e.g. Gläubiger der Erblasserschulden, der vom Erben eingegangenen Nachlasserbenschulden oder der Miterbe), aus den Rechtssätzen nicht ersichtlich, sodass auch die Wirkungen ihrer Rechtshandlungen noch unklarer werden. Darüber hinaus sind die Beschränkung der schuldrechtlichen Haftung (auf das Nachlassvermögen) oder deren Erweiterung (auf das Eigenvermögen des Erben) und die dazu gehörigen Operationsmechanismen kaum geregelt. Solche Regelungslücken verursachen per se weiter strukturelle Probleme, so u.a. die Verwechslung des Nachlassteilungsprozesses mit der Nachlassverbindlichkeitsregelung. Nichtsdestotrotz geht die vorliegende Arbeit darauf ein, ob und inwiefern die nachlassverbindlichkeitsrelevanten Regelungsmängel durch die vom ZGB-Erbrecht bzw. den zwei Vorschlagsentwürfen vorgebrachten Erneuerungsinitiativen behebbar sind, und inwiefern China damit zu einer besseren Erbrechtsordnung gelangen würde. Dazu eignet sich nichts besser als ein Vergleich mit dem ausgereiften deutschen BGB-Erbrecht, denn das deutsche Zivilrecht bleibt nach wie vor die wichtigste ausländische Erkenntnisquelle für die Weiterentwicklung von Chinas Zivilrechtsordnung.12 In Anbetracht der aktuellen Rechtslage in der 1149, 1153, 1158 ZGB (vergleichbar mit §§ 13, 14, 16, 19, 26, 31 ErbG ergänzt durch Ziffer 27, 28, 30, 31, 33, 34, 37 ErbG-Ansichten) beziehen sich eher im mittelbaren Sinne oder nur inhaltlich auf die Nachlassverbindlichkeiten. 12 Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Zivilrechtsordnung überhaupt in China eingeführt. Das Zivilgesetzbuch der Republik China, die erste chinesische Zivilrechtskodifikation, hatte nach dem sukzessiven Erlass seiner fünf Bücher zwischen 1929 und 1931 im ganzen China bis zum Jahr 1949 gegolten und gilt seitdem nur noch in Taiwan, der heutigen Republik China. Diesem gingen zwei Entwürfe des Zivilrechts voraus, die nicht in Kraft treten konnten: Einer von 1911 (aus der späten Kaiserzeit, der erste Zivilrechtsentwurf in Chinas Rechtsgeschichte), ein anderer von 1925; deutsche Übersetzung des Zivilgesetzbuchs der Republik China in: Bünger, Zivil- und Handelsgesetzbuch sowie Wechsel- und Scheckgesetz von China, 1934, 101 f. Der nicht einmal fünf Jahrzehnte dauernden Zivilgesetzgebung bis zur Gründung der VR China im Jahr 1949 schloss sich die Abschaffung aller bisherigen republikanischen Gesetze (darunter des Zivilgesetzes) an. Erst seit der Einführung der Öffnungs- und Reformpolitik Ende der 1970er Jahre hatte die insgesamt vom deutschen Zivilrecht stark geprägte Zivilgesetzgebung angefangen, sich im Festland in vollem Umfang fortzusetzen, die endlich in dem ZGB gipfeln. Für die Entstehungsgeschichte des chinesischen Zivilrechts sowie dessen überwiegende und kontinuierliche Ausrichtung nach dem deutschen BGB mit ausführlichen Hintergründen siehe etwa Wang Qiang, Vom deutschen BGB bis zu Chinas neuem Zivilgesetzbuch – Eine Rezeptionsgeschichte des BGB in China, ZNR 42 2020 Nr. 1/2, 77, 77 f.; Wang Qiang, Beiträge der späten Qing-Zeit zu
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Volksrepublik scheint eine solche Analyse und Auswertung umso notwendiger, da sie juristisch und rechtspraktisch durchaus ergiebig sein könnte. Sie vollzieht sich einerseits mit Rücksicht auf Chinas neueste Erbrechtsentwicklung andererseits im Vergleich mit dem deutschen Erbrecht, vornehmlich in regelungstechnischer, rechtsinhaltlicher, -systematischer und -begrifflicher Hinsicht. Damit setzt die vorliegende Arbeit sich gerade das Ziel, die einschlägigen Probleme zu beleuchten und die Lösungsansätze zu sondieren.
B. Grundsätze und Grundbegriffe I. Natur und Umfang des Nachlasses
Als die erste Grundlage der Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten gilt das Prinzip der Universalsukzession, nach welchem das Vermögen des Erblassers als Erbschaft einschließlich der Verbindlichkeiten mit dessen Tod von selbst auf den Erben übergeht. Im Gegensatz zum deutschen Erbrecht, das den Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge und der dazugehörigen Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten festlegt (§§ 1922 Abs. 1, 1967 Abs. 1 BGB), kommt er in Chinas Erbrechtsordnung nicht klar genug zum Ausdruck: § 1159 S. 1 ZGB verpflichtet lediglich den Erben, bei der Erbauseinandersetzung – anstatt beim Nachlasserben gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 ErbG – (auch) die (nur) dem Erblasser (zu Lebzeiten) obliegenden Steuern und Schulden zu begleichen. Erst die Literatur verdeutlicht diesen Grundsatz als dem Erbrecht zugrunde liegend.13 Anders als im gemeinsprachlichen Gebrauch beschränkt das deutsche Erbrecht das vom Erblasser hinterlassene Vermögen inhaltlich nicht auf das Aktiv vermögen, nämlich Vermögen im engeren Sinne. Vielmehr fallen Schulden, die noch zu Lebzeiten des Erblassers oder mit dem Erbfall entstehen oder durch die Erben begründet werden, ebenfalls unter den Begriff der Erbschaft. Solche Passiva sind die Nachlassverbindlichkeiten, für die der Erbe haftet (§ 1967 Abs. 1 BGB), während das Aktivvermögen nur die geldwerten Güter und Rechte des Erblassers, mit anderen Worten alle seine dinglichen und persönlichen VermöChinas moderner vermögensrechtlicher Terminologie – Eine rechts-, translations- und sprachwissenschaftliche Studie über den auf dem deutschen BGB basierenden Zivilgesetzbuch-Entwurf, 2012, 12 f., 26 f., u.a. auch für weitere Literaturhinweise. In der vorliegenden Arbeit beziehen sich die chinesische Rechtsliteratur, das chinesische Erbrecht, die chinesischen Juristen usw. in der Regel nur auf diejenigen der Volksrepublik. 13 Etwa unter der Bezeichnung „Gesamterbfolge“ (概括继承 ) oder „Gesamtübernahme“ (总括承受); siehe hierzu Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 892; Zhang Junhao, Grundtheorie der Zivilrechtswissenschaft, 1997, 958. Im Gegensatz dazu bestimmt das ZGB-Erbrecht die Gesamtrechtsnachfolge weiterhin nicht. Erst der YANG-Entwurf schlägt in § 5 unter der Überschrift „Gesamtübernahme“ (概括承受) ausdrücklich vor, dass beim Erbfalleintritt alle Erben gemeinschaftlich die an den Nachlass geknüpften Rechte und Pflichten als Ganzes übernehmen.
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gensrechte14 erfasst. Zusammenfassend beinhaltet die Erbschaft sowohl das Aktiv- als auch Passivvermögen des Erblassers. Die deutsche Rechtssprache verwendet für denselben Begriff des Erblasservermögens auch den Ausdruck Nachlass.15 Inhaltlich ergeben sich hieraus jedoch keine Unterschiede. Der Begriff Erbschaft wird häufig gebraucht, vor allem wenn die Beziehung des hinterlassenen Vermögens zum Erben betont wird, während das Wort Nachlass sich zumeist auf das Vermögen als solches, namentlich das Aktivvermögen, bezieht.16 Im Kontrast dazu verfügt die chinesische Rechtssprache nur über eine einzige Bezeichnung für das Erblasservermögen,17 die eine derartige begriffstechnische Unterscheidung mit positiver verwendungsbezogener Wirkung erschwert. Indem das chinesische Erbrecht die Legaldefinition von Nachlass als das von den natürlichen Personen beim Tod hinterlassene legale, persönliche Vermögen (§ 1122 Abs. 1 ZGB) beibehält, begrenzt es den Umfang des Nachlasses nach wie vor auf das Aktivvermögen ausschließlich der Schulden.18 Erst von der Lehrmeinung wird das Objekt des Erbrechts als Inbegriff von sowohl Nachlass im Sinne des Aktivvermögens als auch Verbindlichkeiten im Sinne des Passivvermögens betrachtet.19
14 Vorausgesetzt,
dass sie nicht höchstpersönlich sind, wie z.B. die Leibrente gemäß § 759 BGB oder der Nießbrauch nach § 1061 BGB; siehe hierzu Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 84–86; Kroiß, in: Kroiß/Ann/Mayer (Hrsg.), Erbrecht NK-BGB, 4. Aufl. 2014, § 1922 Rn. 7. 15 Z.B. in den Vorschriften der §§ 1960 f., 1967, 1975 BGB. 16 Vgl. Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 86. 17 Nämlich 遗产 (wörtlich: Hinterlassenschaft des Erblassers oder vom Erblasser hinterlassenes Vermögen). 18 Etwa in § 3 ErbG, § 7 Abs. 1 YANG-Entwurf und § 1941 Abs. 1 LIANG-Entwurf (mit sogar ausdrücklichem Ausschluss der Erblasserschulden als Nachlassgegenstand in Abs. 3), wobei § 1122 ZGB neben dem Verzicht auf die enumerative Aufzählung der Nachlassgegenstände – im Gegensatz zu § 3 ErbG (§ 7 Abs. 1 YANG-Entwurf) – noch die rechtsmäßige oder naturgemäße Vererbbarkeit der Erbschaft in Abs. 2 unterstreicht. Der Verzicht entspricht der von vielen chinesischen Juristen befürworteten Einführung der vom deutschen Erbrecht praktizierten Strategie, den genauen Inhalt der Erbschaft nicht per Gesetz, sondern im Wege von Auslegung und Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung und Literatur näher zu bestimmen; vgl. hierzu Zhang Junhao, Grundtheorie der Zivilrechtswissenschaft, 1997, 976; Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 899. Eine systematische Darstellung und Erläuterung der Erbrechtsobjekte im deutschen Erbrecht bei Kroiß, in: Kroiß/Ann/Mayer (Hrsg.), Erbrecht NK-BGB, 4. Aufl. 2014, § 1922 Rn. 7 f. 19 Eigentlich widersprüchlich, denn das Erbrechtsobjekt kann nichts anderes als der Nachlass sein. Die diese Ansicht befürwortenden Stimmen bei Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 899; Law Dictionary, herausgegeben von Editorial Committee for Law Dictionary, Institute of Law, CASS 2004, 799. Eine andere Auffassung, die sich angeblich auf den Regelungsinhalt der §§ 1159, 1161 und 1163 ZGB (ähnlich wie § 33 ErbG und Ziffer 62 ErbG-Ansichten) stütze aber der Legaldefinition wiederspricht, dass der Nachlass sowohl den sog. aktiven Nachlass (Aktivvermögen) als auch den sog. passiven Nachlass (Passivvermögen) umfasse und gleichzeitig selbst direkt als Erbrechtsobjekt gelte, findet sich u.a. bei Wei Zhenying, Civil Law, 2016, 624–625; Zhang Junhao, Grundtheorie der Zivilrechtswissenschaft, 1997, 955–956.
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II. Umfang und Inhalt der Nachlassverbindlichkeiten Wie bereits dargelegt stellt die Legitimationsgrundlage des Schuldübergangs vom Erblasser auf den Erben nicht ein Rechtsgeschäft zwischen ihnen als Altbzw. Neuschuldner unter Zustimmung des Gläubigers dar, sondern beinhaltet die gesetzlich angeordnete Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB).20 Eine weitere Erbenhaftungsgrundlage für die Nachlassverbindlichkeiten, die über die Erblasserschulden hinausgehen, beruht auf dem Verhältnis zwischen Schuld und Haftung, dessen Gebrauch der chinesischen Erbrechtssprache fremd ist: Schuld ist ein rechtliches, freiwilliges Leistensollen, das die Rechtsordnung jemandem (dem Erben z.B.) auferlegt. Als „ein objektives Unterworfensein unter die vom Staat verliehene rechtliche Macht des Schuldgläubigers“ stellt Haftung eher „ein privatrechtliches, nicht konkretisiertes Rechtsverhältnis“ dar, „das mit der Schuld im Rahmen eines umfassenderen Rechtsverhältnisses verbunden ist“.21 Die persönliche Haftung ist schuldneutral und umgekehrt die Schuld auch haftungsneutral.22 Haftet für eine Schuld nicht das ganze Vermögen, sondern ein bestimmter Teil davon, ist die Haftung beschränkt. Da es sich bei dem Leistensollen um ein solches aus dem Nachlass handelt und die Haftungsbeschränkung(smöglichkeit) nicht zur Schuldbeschränkung führt,23 umfassen die Nachlassverbindlichkeiten sämtliche Verbindlichkeiten, die in Bezug auf den Nachlass entstehen.24 Das Wesen der Nachlassverbindlichkeiten besteht darin, dass nicht der Nachlass selbst, sondern der Erbe zumindest mit den Nachlassgegenständen für sie haftet.25 Das deutsche Erbrecht bestimmt durch § 1967 BGB nicht nur, dass der Erbe als Schuldner in vollem Umfang an die Stelle des Erblassers tritt,26 sondern verdeutlicht ferner den Erben als den für die Nachlassverbindlichkeiten Leistungspflichtigen (Abs. 1), während in der Volksrepublik das Haftungssubjekt für die Nachlassschulden im neuen Erbrecht wie im alten Erbgesetz weiter undeutlich erscheint.27 Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3388. Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3378–3379. 22 Es gibt Schuld ohne Haftung (z.B. §§ 762 ff.; 656 Abs. 1; 1001, 1984 BGB) und gleichzeitig Haftung ohne Schuld (z.B. §§ 1113, 1191, 1199 BGB); vgl. hierzu Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3380–3381. 23 Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3389. 24 Vgl. Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 18 Rn. 4. Das Wort Schuld im Sinne vom rechtlichen Leistensollen wird im Alltag auch meist im Plural verwendet. Spricht § 1967 Abs. 2 BGB von „Schulden“, meint er die Erblasser-Passiva als Gesamtheit, während die Alternative Verbindlichkeit eher das einzelne Leistensollen und seine je spezifische causa hervorhebt; vgl. hierzu Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3391 vor allem Fn. 29. 25 Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3396. 26 MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 1. 27 Ausdrückliche Bestimmung des Erben als Haftungssubjekt für Nachlassverbindlichkeiten nur in § 2013 Abs. 2 LIANG-Entwurf. 20 21
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Drei Gruppen von Nachlassverbindlichkeiten regelt das deutsche Erbrecht: Erstens die „vom Erblasser herrührenden Schulden“ (§ 1967 Abs. 2 Alt. 1 BGB) als Erblasserschulden, zweitens die „den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten“ (§ 1967 Abs. 2 Alt. 2 BGB) als Erbfallschulden und als dritte Gruppe die sog. Nachlasserbenschulden. Während Chinas altes Erbrecht (in § 33 Abs. 1 S. 1 ErbG)28 den Umfang der Nachlassverbindlichkeiten eindeutig auf die vom Erblasser herrührenden Steuern und Schulden, die begrifflich nur den Erblasserschulden im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB zuordenbar sind, begrenzt, erweitert das neue Erbrecht in § 1159 S. 2 ZGB ihren Umfang noch um die Erbfallschuld, also den dem arbeits- und erwerbsunfähigen Erben vorzubehaltenden unentziehbaren Teil.29 Allerdings fehlt es nach wie vor an einer Legaldefinition der Nachlassschulden (im alten und neuen Erbrecht sowie in den Vorschlagsentwürfen) und insbesondere an deren klarer Kategorisierung, was auch nicht durch Auslegung im Schrifttum ausreichend substantiiert wird. In der Literatur30 wird beispielsweise zwischen Nachlassverbindlichkeiten im engeren und im weiteren Sinne differenziert. Die Ersteren beziehen sich nur auf die dem Erblasser zu Lebenszeiten obliegenden Schuld- und Steuerlasten, während die Letzteren auch die sog. Erbkosten für die Verwaltung, Erbauseinandersetzung, Durchführung der Testamentsvollstreckung und die Beerdigungskosten umfassen.31 Insgesamt werden in der Volksrepublik der Umfang der Nachlassverbindlichkeiten und die relevanten Begrifflichkeiten nach wie vor weder vereinheitlicht noch systematisiert. Als Konsequenz daraus werden, wie noch darzulegen ist, die klare und präzise Regelung der Erbenhaftung und die Festlegung der Reihenfolge der Nachlassschuldentilgung, die angesichts einer derartigen Rechtslage äußerst wichtig scheinen, erschwert.
1. Erblasserschulden Bei den Erblasserschulden handelt es sich um die Schulden, die vor oder bis zum Erbfall dem Erblasser oblagen. Sie umfassen alle bereits zu Lebzeiten durch den Erblasser begründeten und nicht mit dessen Tod erloschenen gesetzlichen, vertraglichen oder quasivertraglichen Verpflichtungen (etwa gegen den Erblasser gerichtete Delikts- oder Kaufpreisansprüche), die nicht höchstpersönlich und
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Ebenfalls in § 1159 S. 1 ZGB. Bereits statuiert in §§ 13 Abs. 2, 19 ErbG und übernommen vom ZGB-Erbrecht (§§ 1130 Abs. 2, 1141 ZGB); vgl. hierzu auch YANG-Entwurf (§ 83 Abs. 3) und LIANG-Entwurf (§ 2016 Abs. 3). 30 Liang Huixing et al. (Hrsg.), Vorschlagsentwurf eines Zivilgesetzbuchs der VR China – Buch 7: Erbrecht, 2013, 176–177. 31 In Anlehnung an § 2024 Abs. 1 LIANG-Entwurf werden die dort aufgeführten Erbkosten nicht als Nachlassverbindlichkeiten betrachtet, da sie vor den Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen sind. 29
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übergangsfähig sind.32 Damit bleibt die Identität der Schulden gewahrt, da es um Sukzession aber nicht Surrogation geht.33 In manchen Fällen, wenn der Erblasser vor Eintritt der zur Entstehung der Verbindlichkeiten notwendigen zusätzlichen Voraussetzungen gestorben ist, zählen diese immer noch als Erblasserschulden, obwohl sie schließlich in der Person des Erben aber nicht mehr des Erblassers entstanden sind: Beim Eintritt der Bedürftigkeit des Schenkers erst nach dem Tod des Beschenkten gebührt dem Schenker ein Rückforderungsanspruch aus § 528 BGB gegen den Erben des Beschenkten.34 Bürgt z.B. der Erblasser für den Hauptschuldner (§§ 765, 767 BGB) und wird die Bürgschaft erst nach dem Tod des Bürgen fällig, lastet auf dessen Erben ebenfalls eine Erblasserschuld.35 Bei ähnlichen, bereits vom Erblasser begonnenen aber nicht abgeschlossenen Dauerschuldverhältnissen oder bedingten und befristeten Rechtsgeschäften in der Schwebezeit kann es aber schwierig sein, eine Nachlassverbindlichkeit von einer Eigenschuld des Erben abzugrenzen.36 Ungeachtet dessen, dass Chinas erbrechtliche Erneuerungsinitiativen, wie noch auszuführen ist, die Ausdehnung des Umfangs der Nachlassverbindlichkeiten über die Erblasserschulden hinaus befürworten, bleibt in der Literatur eine solche inhaltliche und begriffliche Abgrenzung bzw. Präzisierung vergleichbar der des deutschen Erbrechts im Großen und Ganzen aus.37 Während die deutsche Erbrechtsordnung (§ 45 Abs. 1 S. 1 AO) die vom Erblasser zu zahlenden Steuern eindeutig den Erblasserschulden zuordnet,38 führt Chinas Erbrecht (§ 1159 S. 1 ZGB)39 sie als eine weitere Schuldkategorie neben den (sonstigen) Schulden des Erblassers aus. Der LIANG-Entwurf spezifiziert in § 2013 Abs. 1 die Nachlassverbindlichkeiten, in der Tat immer noch nur die Erblasserschulden, als die dem Erblasser zu Lebzeiten obliegenden Steuern, die ausschließlich aus der Bestreitung seiner eigenen Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1967 Rn. 4; Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3393. 33 Vgl. Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3388. 34 BGH NJW 1991, 2558. 35 BGH WM 1976, 808; OLG Frankfurt OLGZ 1971, 46. 36 Beispiel: Miete für den Zeitraum bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin gemäß § 569 BGB ist Erblasserschuld, danach Eigenschuld des Erben; vgl. hierzu Stein, in: Soergel/Stein/ Siebert, BGB, 13. Aufl. 2002, § 1967 Rn. 2 m.w.N.; BGH NJW 13, 933. Miete ist jedenfalls eine reine Nachlassverbindlichkeit, wenn das mit dem Erben gemäß § 564 S. 1 BGB fortgesetzte Mietverhältnis innerhalb der in § 564 S. 2 BGB bestimmten Frist beendet wird. In solchen Fällen kommt es darauf an, ob die in Rede stehende Verbindlichkeit zeitlich eindeutig zuordenbar ist. Falls nicht, soll entscheidend sein, ob der Schwerpunkt der Entstehung dem Erblasser oder schon dem Erben zuzuordnen ist, wenngleich dadurch einer Einzelfalljudikatur Vorschub geleistet wird; näheres bei Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1967 Rn. 4. 37 Siehe etwa Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 892; Wei Zhenying, Civil Law, 2016, 624–625; Liu Chunmao, Chinesisches Zivilrecht – Erben des Vermögens, 2008, 480 f.; Guo Mingrui/Fang Shaokun, Succession Law, 2007, 281 f. 38 Steuerrechtliche Zwangsgelder gehen aber nicht als Erblasserschulden auf den Erben über (§ 45 Abs. 1 S. 2 AO). 39 Auch in § 33 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 ErbG.
32 Vgl.
84 WANG Qiang
Lebenshaltungs- und Produktionskosten herrührenden Schulden und daneben seinen Anteil an den Familienschulden.40
2. Erbfallschulden a) Grundbegriff Als die zweite Gruppe der Nachlassverbindlichkeiten erfassen die Erbfallschulden die Verbindlichkeiten, die nicht schon in der Person des Erblassers, sondern erst mit oder nach dem Erbfall in der Person des Erben entstehen.41 Weil es sich dabei weder um die Schulden des Nachlasses noch um die des Nachlass- oder Nachlassinsolvenzverwalters oder der Nachlassgläubigergesamtheit handelt, bleibt nichts anderes übrig, als den Erben hier als Schuldner anzusehen.42 Insofern sind streng genommen die Erbfallschulden auch Eigenschulden des Erben.43 Obwohl das neue Erbrecht Chinas dieses Konzept der Erbenhaftung für die Nachlassverbindlichkeiten nach wie vor ausschließt (§§ 1161 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 ZGB) und den Umfang des Nachlasses weiterhin auf das Aktivvermögen begrenzt (§ 1122 Abs. 1 ZGB), bedarf es hinsichtlich der Grundbegrifflichkeit unbedingt der Klarstellung, dass der Erbe im Zuge der Universalsukzession in die Stellung des Haftungssubjekts für die Nachlassschulden rückt.
b) Erbfallschulden im deutschen Recht Selbst die beispielhafte Aufzählung der durch den Erbfall ausgelösten Erbfallschulden im engeren Sinne44 gemäß § 1967 Abs. 2 BGB ist unvollständig. Das sind z.B. Vermächtnisse (§ 2174 BGB),45 Pflichtteilsansprüche (§§ 2303 ff. 40
Der LIANG-Entwurf betrachtet (in § 2013 Abs. 2) den dem Erblasser obliegenden Anteil an den Familienschulden nicht spezifisch als Erblasserschulden, sondern nur als Nachlassverbindlichkeiten. Der Begriff der (gemeinsamen) Familienschulden ist allerdings sehr ungenau, denn er kann entweder die vom Erblasser gemeinsam mit anderen Familienangehörigen zur Vermehrung des Familienvermögens eingegangenen Verbindlichkeiten oder die ihm (etwa mit seinem Ehegatten gemeinsam) obliegenden Unterhaltspflichten oder beide beinhalten. Ungeachtet dessen kann man den Begriff nur den Erblasserschulden und nicht anders zuordnen; siehe hierzu Liang Huixing et al. (Hrsg.), Vorschlagsentwurf eines Zivilgesetzbuchs der VR China – Buch 7: Erbrecht, 2013, 176–177. 41 Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1967 Rn. 5; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 865. 42 Vgl. dazu Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3396. 43 Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1967 Rn. 5. 44 Vgl. dazu Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3394. 45 Einschließlich Schulden aus einem Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB; RG 93, 196); der vermächtnisähnlichen Ansprüche, e.g. Voraus des Ehegatten (§ 1932 BGB); Dreißigster (§ 1969 BGB); Ausbildungsanspruch der einseitigen Abkömmlinge nach § 1371 Abs. 4 BGB und Ansprüche aus dem Zugewinnausgleich gemäß § 1371 Abs. 2, 3 BGB; vgl. hierzu Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3394; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 10; MüKoBGB/Koch,
Die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im Erbrecht Chinas 85
BGB)46 und Auflagen (§§ 2192 ff. BGB)47. Unter die Erbfallschulden (im weiteren Sinne) fallen darüber hinaus die sog. Nachlasskosten-/Nachlassverwaltungsschulden oder Erbschaftsverwaltungskosten, die aus Anlass des Erbfalls und in Bezug auf den Nachlass entstehen,48 wie z.B. Kosten der Beerdigung oder Feuerbestattung des Erblassers (§ 1968 BGB), Kosten der Öffnung einer Verfügung von Todes wegen (§§ 2260, 2300 BGB), der Nachlasssicherung oder -pflegschaft (§§ 1960 ff. BGB), der Inventarerrichtung (§ 1993 BGB), der Nachlassverwaltung (§§ 1975, 1981 ff. BGB) und der Pflegschaft für einen Nacherben (§ 1913 S. 2 BGB).49 Kennzeichnend für die Nachlasskostenschulden – vor allem zur Abgrenzung von den noch ausführlich darzulegenden Nachlasserbenschulden – ist in erster Linie ihre Entstehung im Wege der Nachlassverwaltung oder -abwicklung durch die Nachlassverwalter.50 Hierzu gehören daher Verbindlichkeiten aus wirksamen Rechtshandlungen und Rechtsgeschäften des Nachlasspflegers, -verwalters, des Nachlassinsolvenzverwalters, Testamentsvollstreckers sowie deren Gebühren und Honorare51 und nicht zuletzt die Kosten für die Entgegennahme von Erklärungen über Annahme, Ablehnung oder Kündigung des Amts als Testamentsvollstrecker sowie die Erbenfeststellungs- (§ 1964 BGB) und Todeserklärungskosten (§ 34 Abs. 2 VerschG).
8. Aufl. 2019, § 1371 Rn. 32 f., 35 f., 52 f.; Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1967 Rn. 5. 46 Einschließlich der Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff. BGB und Ansprüche auf Auskunftserteilung (§ 2314 Abs. 2 BGB); vgl. hierzu MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 10; Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3394. 47 Dazu noch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Mutter des erbberechtigten nasciturus gemäß § 1963 BGB und; vgl. hierzu MüKoBGB/Küpper, § 1967 Rn. 10; Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3394. 48 Vgl. hierzu MüKoBGB/Küpper, § 1967 Rn. 10; Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3396; Frank/ Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 18 Rn. 4 u.a. auch für die unterschiedlichen Bezeichnungen. 49 Vgl. dazu Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3396. 50 Vgl. dazu Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, jura 2010, 117, 118; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 865; Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1967 Rn. 6. 51 Eine merkwürdige Art von Erbfallschulden bilden die Forderungen des Erben auf Ersatz von Aufwendungen für den Nachlass nach §§ 1978 Abs. 3, 1991 Abs. 1 BGB; §§ 324 Abs. 1 Nr. 1, 326 Abs. 2 InsO; vgl. hierzu Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3396. Ferner sind zu den Erbfallschulden die den Erben treffenden Verpflichtungen, unter Umständen Geschäfte des Erblassers, zu rechnen, die fortzuführen sind, bis an dessen Stelle ein anderer Geschäftsführer ernannt ist (§§ 673, 727 Abs. 2, 1894, 2218 BGB); vgl. hierzu MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 10.
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c) Erbfallschulden in Chinas Erbrecht Die von Chinas Erbrecht kaum wahrgenommene Erbfallschuld führt § 1159 ZGB (neben den vom Erblasser herrührenden Steuern und Schulden) lediglich als den im bestimmten Sinne mit dem Pflichtteil vergleichbaren, aber nicht identischen unentziehbaren Teil, nämlich den dem bedürftigen und arbeitsunfähigen Erben vorrangig (vor der Nachlassteilung) vorzubehaltenden Nachlassanteil (§ 1130 Abs. 2, 1141 ZGB) aus.52 Allerdings fehlt hier eine detaillierte, systematische Kategorisierung der Erbfallschulden, die wie im deutschen Erbrecht durch Auslegung im Schrifttum substantiiert ist. Das festländische Erbrecht neigt nach wie vor dazu, sich für den engeren Umfang der Nachlassverbindlichkeiten zu entscheiden, jedoch ohne eine klare begriffliche Abgrenzung als Regelungsgrundlage. Die sonstigen Verbindlichkeiten außer den vom Erblasser selbst verursachten Schulden und Steuerlasten (im Sinne der Erblasserschulden) werden insofern nicht als (Teil der) Nachlassschulden im weiteren Sinne betrachtet und ferner auch nicht den Erbfallschulden zugeordnet, obwohl sie wie per §§ 1159, 1130 und 1141 ZGB ebenso begleichungspflichtig sind. Im Folgenden werden die Schuldarten, die in Chinas Erbrecht geregelt, aber begrifflich nicht als Erbfallschulden und im strengeren Sinne auch nicht als Nachlassverbindlichkeiten erfasst sind, dargelegt.
aa) Unentziehbarer Teil So ist vor der Tilgung der Nachlassschulden,53 daher auch vor der Auseinandersetzung,54 einem arbeitsunfähigen und über keine Lebensunterhaltsquelle verfügenden Erben ein für seinen Lebensunterhalt notwendiger Anteil am Nachlass als gesetzlich unentziehbarer Teil (§ 1141 ZGB)55 vorzubehalten (§ 1159 S. 2 ZGB), wobei der Regelungsinhalt von §§ 1130 Abs. 2 und 1141 ZGB wiederum nicht ganz klar voneinander abgrenzbar wirkt.56 In Anbetracht der Kritik der Gelehrten57 an dem in der Verfügungspraxis häufig vom Erblasser umgangenen Institut schlägt der LIANG-Entwurf durch § 2016 Abs. 3 stattdessen eine durch52
Enumerativ zählt der YANG-Entwurf in § 83 Abs. 1 noch die Nachlassverwaltungs- und Testamentsvollstreckungskosten (Nr. 1) neben dem vertraglich (Nr. 3) oder testamentarisch (Nr. 4) begründeten Vermächtnisanspruch auf. 53 Deutlicher gemäß § 83 Abs. 3 YANG-Entwurf. 54 § 1159 S. 2 ZGB. 55 必留份; dem Vorschlag des § 48 YANG-Entwurf folgend, nun mit einer Legaldefinition unter derselben Überschrift. 56 Auch nach §§ 13 Abs. 2, 19 ErbG. 57 S. etwa Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 930; Guo Mingrui/Fang Shaokun, Succession Law, 2007, 147–150. Für den Unterschied des unentziehbaren Teils zum Pflichtteil siehe u.a. Wang Qiang, Beiträge der wissenschaftlichen Entwürfe zur Erbrechtsreform in der VR China – Eine juristische und rechtsterminologische Untersuchung, ZChinR 22 2015, 5, 21 f.
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setzbarere Sonderregelung vor, die dem Dreißigsten des § 1969 BGB stärker ähnelt. Demnach sind einem solchen Erben in einer schwächeren Position, dessen Lebensunterhalt durch die Nachlassschuldentilgung oder Erbauseinandersetzung gefährdet wird, vor der Nachlassabwicklung zunächst Lebenshaltungskosten für die Dauer von sechs Monaten vorzubehalten, anstatt in den ersten 30 Tagen nach dem Eintritt des Erbfalls wie beim Dreißigsten. Auch der Kreis der zum Dreißigsten berechtigten Familienangehörigen übersteigt bei weitem den der für den unentziehbaren Teil in Frage kommenden Erben. Der Erstere umfasst außer den eigentlichen Familienmitgliedern (Ehegatte, Lebenspartner gemäß § 11 LPartG,58 Verwandte und Verschwägerte) auch andere Personen, soweit sie vom Erblasser tatsächlich als zur Familiengemeinschaft gehörig betrachtet und behandelt wurden, wie Freunde, Pflegekinder und dergleichen. Auch der (anders- oder gleichgeschlechtliche) Partner, mit dem der Erblasser in nichtehelicher Lebensgemeinschaft gelebt hat, kann anspruchsberechtigt sein.59
bb) Erbenanspruch auf höheren Nachlassanteil Außer dem bedarfsabhängigen unentziehbaren Teil zur Unterhaltssicherung der Erben gewährt das volksrepublikanische Erbrecht den besonders verdienten Erben noch einen leistungsabhängigen Anspruch auf Nachlasszuteilung. So gebührt § 1130 Abs. 3 ZGB60 zufolge den Erben, die den Erblasser hauptsächlich unterhalten oder mit ihm zusammengelebt (und ihn dadurch versorgt) haben, bei der Nachlassverteilung eine größere Portion als der Erbteil.61 Ein ähnlicher Anspruch steht auch einem bedürftigen Erben zu (§ 1130 Abs. 2 ZGB)62. In beiden Fällen gilt im Grund genommen erst der über den (gesetzlichen) Erbteil hinausgehende Teil als Erbfallschuld. Die Quantifizierung des Anteils wird allerdings, wie in Chinas Rechtsordnung häufig der Fall, nicht weitergehend konkretisiert. Das deutsche Recht trägt in § 2057a BGB einen ähnlichen Rechtsgedanken, der sich aber nur auf Abkömmlinge des Erblassers bezieht und vornehmlich dazu dient, die relative Schlechterstellung der besonders verdienten 58
Obwohl das LPartG (Lebenspartnerschaftsgesetz) durch das Eheöffnungsgesetz (Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts) vom 1.10.2017 an Bedeutung verliert, werden die bestehenden Lebenspartnerschaften nicht von sich aus in Ehen umgewandelt und haben weiterhin Bestand, sodass die erbrechtliche Relevanz der Lebenspartnerschaften (noch) weiterhin hoch ist. 59 MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1969 Rn. 2. 60 Auch § 13 Abs. 3 ErbG. 61 Ebenso gemäß § 1956 Abs. 2 LIANG-Entwurf und § 63 Abs. 2 YANG-Entwurf. In dem Zusammenhang hat der YANG-Entwurf sogar in § 69 vorgeschlagen, demjenigen Erben, der den Erblasser in einem seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten überwiegenden Maße unterhalten hat, durch eine sog. Vereinbarung mit dem Erblasser über Erbschaft und Unterhalt seinen Anspruch auf den höheren Nachlassanteil vertraglich zu sichern. 62 Auch § 13 Abs. 2 ErbG.
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Abkömmlinge in der Auseinandersetzung zu verhindern.63 Im Unterschied dazu hat der Anspruch auf den über den Erbteil hinausgehenden Teil eher einen belohnenden Charakter für die größere Unterhaltsleistung64 an den Erblasser. Besonders auffällig an diesem Institut ist die doppelte Stellung des zum Mehranteil berechtigten Erben als einerseits Anspruchsberechtigter (gegen die anderen Miterben in Bezug auf den Mehranteil am Nachlass) und andererseits Leistungspflichtiger (genauso wie die anderen Miterben bezüglich sonstiger Nachlassverbindlichkeiten). Die Frage angesichts der Konstellation, ob der sowohl anspruchs- als auch erbberechtigte Erbe nach dem größeren Nachlassanteil oder nach dem (in der Regel gleichmäßigen) Erbteil für (weitere) Nachlassverbindlichkeiten haften soll, bleibt weiterhin offen. Eine Bejahung der Frage könnte die damit bezweckte Belohnung wieder wettmachen.
cc) Nachlassanspruch des Nichterben Selbst ein Nichterbe, der auf den Unterhalt durch den Erblasser angewiesen war oder den Erblasser in überwiegendem Umfang unterhalten hat, kann bei der Nachlassteilung neben den Erben auch einen angemessenen Nachlassanteil beanspruchen (§ 1131 ZGB).65 Einen solchen Anspruch muss der Nichterbe (nach Kenntniserlangung von der Erbauseinandersetzung) unverzüglich geltend machen, wenn sein diesbezügliches Rechtsinteresse verletzt wird, z.B. indem die Teilung des Nachlasses ohne dessen Zuteilung an ihn erfolgt. Ist ihm die Nachlassteilung unbekannt, gilt zu seinen Gunsten jedoch eine Klageausschlussfrist von maximal zwei Jahren nach der Nachlassteilung (Ziffer 21 OVG-Erläuterungen).66 Die faktische Unterhaltsgewährung erzeugt also eine Art gesetzliches Vermächtnis, das wiederum mit dem Dreißigsten im Sinne des § 1969 BGB vergleichbar ist. Der entweder bedarfs- oder leistungsabhängige Anspruch des 63 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2057a Rn. 1.
In Anlehnung an § 2057a BGB Abs. 1 besteht das Verdienst des Abkömmlings in dessen erheblichem Beitrag zur Vermehrung des Vermögens des Erblassers durch langzeitige Mitarbeit in dessen Haushalt, Beruf oder Geschäft oder durch erhebliche Geld- oder anderweitige Leistungen und in dessen langzeitiger Pflege des Erblassers. 65 Der in § 1311 ZGB vorgenommene Entfall der Arbeits- und Unterhaltsunfähigkeit des Erben von der Erfordernis für dessen Anspruchsberechtigung gegenüber § 14 ErbG (ebenso beibehalten in §§ 1957 LIANG-Entwurf, 61 Abs. 1 YANG-Entwurf) erfolgt eher um der Vereinfachung der Formulierung willen, denn die Abhängigkeit vom Unterhalt des Erblassers hängt in der Regel mit seiner eigenen Arbeits- und Unterhaltsunfähigkeit zusammen. 66 Identisch zu Ziffer 32 S. 1 ErbG-Ansichten. Den problematischen Wortlaut des § 14 ErbG, der die Anwendung in der Rechtspraxis verunsichert, dass dem Nichterben ein angemessener Nachlassanteil zugeteilt werden kann (anstatt muss), behält § 1131 ZGB (ebenfalls §§ 1957 LIANG-Entwurf und 61 Abs. 1 YANG-Entwurf) bei. Die Formulierung der Ziffer 32 ErbG-Ansichten bestätigt zumindest, auch wenn sie inhaltlich sehr unklar ist, dass es sich bei dem Recht der Nichterben um einen prozessual durchsetzbaren Anspruch, aber nicht um eine von der Willkür der Erben abhängige Kulanz handelt. 64
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Nichterben unterscheidet sich deutlich vom Unterhaltsanspruch, den das deutsche Familienrecht den geradlinigen Verwandten (§§ 1601, 1615 BGB), dem getrennt lebenden Ehegatten (§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 BGB) oder Lebenspartner (§§ 5 S. 2, 12 LPartG) des Erblassers,67 ferner dem vom Erblasser geschiedenen Ehegatten (§§ 1570 ff. BGB) oder (endgültig) getrennten Lebenspartner (§ 16 LPartG) anhand 1586b BGB68 und nicht zuletzt der Mutter des vom Erblasser gezeugten nichtehelichen Kindes (§§ 1592 Nr. 2, 1600d Abs. 1, 2 und 1601 ff. BGB) gewährt. Der von den Nichterben beanspruchte Nachlassanteil kann den Erbteil unter- oder sogar überschreiten,69 während der Unterhaltsanspruch sich an der Lebensstellung des Bedürftigen (§ 1610 BGB) oder den ehelichen Lebensverhältnissen (1578 BGB) bemisst. Anders als die nicht zum Erbenkreis gehörenden Nichterben sind oder waren die familienrechtlich Unterhaltsberechtigten überwiegend (außer der Mutter des nichtehelichen Kindes) selbst gesetzliche Erben (§§ 1924 ff., 1931, 1933 BGB, 10 LPartG). Außerdem sind in der Volksrepublik die gleichgeschlechtlichen Lebenspartner (nach der jetzigen Rechtslage) nicht erbberechtigt, während die nichtehelichen Kinder (und auch Adoptivkinder) schlechthin wie die Ehelichen gleichermaßen zu den gesetzlichen Erben erster Ordnung gehören (§ 1127 Abs. 3 ZGB)70.
dd) Ehegattenanspruch auf Voraus Abgesehen von den obigen Erbfallschulden bildet der extra einem überlebenden Ehegatten gebührende Voraus (§ 1153 Abs. 1 S. 1 ZGB), der einigermaßen mit dem einem deutschen Ehegatten gesetzlich gesicherten Voraus-Anspruch (§ 1932 BGB) oder Zugewinnausgleichsanspruch (§ 1371 BGB) vergleichbar ist, im strengeren Sinne auch eine Art Erbfallschuld. Das Voraus im Rahmen des chinesischen Erbrechts macht die Hälfte des im Gesamthandseigentum beider Ehegatten befindlichen Vermögens aus und ist vor der Nachlassteilung zuerst von ihrem gemeinschaftlichen Vermögen abzutrennen.71 Ausschlaggebend dafür, dass der erbrechtlich bestimmte Anspruch auf (eigentlich) güterrechtlichen
67 MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 6; MüKoBGB/Maurer, 8. Aufl. 2019, § 1578 Rn. 7. 68 MüKoBGB/Maurer, 8. Aufl. 2019, § 1586b Rn. 7. 69
Ziffer 20 OVG-Erläuterungen = Ziffer 31 ErbG-Ansichten. Identisch zu § 10 Abs. 3 ErbG. 71 Ebenso nach §§ 86 Abs. 1 YANG-Entwurf, 2005 Abs. 2 LIANG-Entwurf, wobei der Letztere verdeutlicht, dass es dem Nachlassverwalter obliege, das Vermögen des Erblassers (bei der Errichtung des Nachlassinventars) an der ersten Stelle vom Ehegattengesamtgut zu trennen. Der Entfall der ursprünglich in § 26 Abs. 1 S. 1 ErbG enthaltenen Definition des Ehegattengesamtguts als während des Fortbestands der Ehe (erworbenes) zugewonnenes Vermögen durch § 1153 Abs. 1 S. 1 ZGB rechtfertigt sich dadurch, dass das Ehe- und Familienrecht des ZGB nun diese Definition in § 1062, einer der die ehegüterrechtlichen Verhältnisse regelnden Vorschriften (§§ 1062–1065), integriert. 70
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Zugewinnausgleich72 als Erbfallschuld kategorisiert wird, ist ihre Entstehung mit dem Erbfall in der Person des Erben. Unerheblich ist aber, dass die nach der Ausscheidung verbleibende Hälfte erst als Nachlassgegenstand zählt, zu welcher auch der überlebende Ehegatte neben den Miterben erb- bzw. teilungsberechtigt ist (§ 1153 Abs. 1 S. 2 ZGB)73. Falls der Nachlassgegenstand vor der Eheschließung allein dem verstorbenen Ehegatten gehörte, ist der überlebende Ehegatte dann im Wege der gesetzlichen Erbfolge (§ 1127 Abs. 1 Nr. 1 ZGB)74 mit den Kindern bzw. Elternteilen des Erblassers als Erben der ersten Ordnung – ohne den Abzug der Hälfte des Nachlasswertes im Voraus – gemeinsam zu gleichen Anteilen erbberechtigt. § 1157 ZGB75 konsolidiert noch den einem überlebenden Ehegatten aus der Ehe zuteilgewordenen Nachlassanteil einschließlich des Voraus durch seine Betonung, dass die Wiederheirat des überlebenden Ehegatten keine nachteilige Wirkung auf sein Erbrecht hat.
ee) Vermächtnisanspruch Außer den bereits dargelegten Verbindlichkeiten gehören in der VR China der Nachlassanspruch, der anhand der Vereinbarung über Vermächtnisse und Unterhalt (§ 1158 ZGB)76 den Unterhaltspflichtigen zusteht, und der testamentarisch begründete Vermächtnisanspruch (§ 1133 Ab. 3 ZGB)77 ebenfalls zu Erbfallschulden, obwohl die chinesische Erbrechtssystematik die zwei Arten von Vermächtnisansprüchen nicht bzw. nicht eindeutig den Nachlassverbindlichkeiten, erst recht nicht den Erbfallschulden zuordnet. Als ein zweiseitig verpflichtender Vertrag ist Chinas eigenartiges Rechtsinstitut der Vereinbarung über Vermächtnisse und Unterhalt vergleichbar mit dem entgeltlichen Erbvertrag, wenngleich in seiner Rechtsnatur doch von dem deutschen Erbvertrag abweichend. Ein derartiger Vertrag wird, in Verbindung mit der testamentarischen Verfügung des Vermächtnisgebers, zwischen diesem und dem Unterhaltspflichtigen, der eine Organisation oder eine natürliche Person anders als der gesetzliche Erbe ist, abgeschlossen (§ 1158 ZGB)78. Anhand der Vereinbarung ist der Unterhaltspflichtige einerseits verpflichtet, den Erblasser zu Lebzeiten zu unterhalten und nach dessen Tod zu beerdigen, andererseits berechtigt, 72
Im Gegensatz zum Erbrecht wird der Zugewinnausgleich im Ehe- und Familienrecht des ZGB nach wie vor nicht güterrechtlich angeordnet. Die Regelung des § 1153 Abs. 1 ZGB gilt insoweit als die einzige, die den Zugewinnausglich in China behandelt. 73 Identisch zu § 26 Abs. 1 S. 2 ErbG. 74 Identisch zu § 10 Abs. 1 Nr. 1 ErbG. 75 Verbot der Verhinderung durch Organisationen neu eingefügt gegenüber § 30 ErbG. 76 Oder anhand der Vereinbarung über Erbschaft und Unterhalt wie vorgeschlagen durch § 69 YANG-Entwurf. 77 Vermächtnisnehmer erweitert um Organisationen gegenüber § 16 Ab. 3 ErbG. 78 Die in § 31 ErbG als Unterhaltspflichtige (und zugleich Anspruchsberechtigte) bestimmten kollektiven Organisationen erweitert nun § 1158 ZGB zu Organisationen.
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das ihm – als Gegenleistung – vom Vermächtnisgeber hinterlassene Vermögen zu übernehmen (§ 1158 ZGB)79. Dank der (zusätzlichen) vertraglichen Bindungskraft der Vereinbarung über Vermächtnisse und Unterhalt hat der dem Unterhaltspflichtigen zustehende Anspruch auf Nachlass Vorrang gegenüber einem rein testamentarisch begründeten Vermächtnisanspruch, der als Nachlassschuld wiederum den sonstigen testamentarischen Ansprüchen vorgeht.80 An dieser Stelle ist auch die große Unterscheidung zwischen dem chinesischen und deutschen Vermächtnisrecht hervorzuheben. Ein maßgeblicher Unterschied besteht im Vermächtnisnehmerkreis. Gemäß dem BGB kann jede natürliche Person, darunter auch ein gesetzlicher Erbe (durch ein Vorausvermächtnis aus § 2150 BGB) Vermächtnisnehmer werden. In der VR China dagegen dürfen die mit dem Vermächtnis bedachten natürlichen Personen nur Nichterben sein (§ 1133 Ab. 3 ZGB), sodass sich die rechtliche Auseinandersetzung mit der Sonderstellung des Vorausvermächtnisnehmers – als sowohl (zum Vermächtnis und Erbteil) berechtigter Nachlassgläubiger wie auch (für sonstige Nachlassverbindlichkeiten) haftungspflichtiger Nachlassschuldner – erübrigt. Ferner ist das Institut des Untervermächtnisses, wonach jeder Vermächtnisnehmer (etwa als Hauptvermächtnisnehmer) (§ 2147 BGB), und zwar auch der Untervermächtnisnehmer, (weiter) mit einem Vermächtnis belastet werden kann (§§ 2186–2188, 2191 BGB), in der VR China unbekannt. Außer dem rechtssystematischen ist der regelungsqualitative Unterschied unübersehbar. Die in Chinas Erbrechtsordnung nicht eindeutig definierte Natur des Vermächtnisanspruchs und Stellung des Erben als der (endgültige) Anspruchsgegner – im Kern der Haftungspflichtige – ohne die notwendigen Operationsmechanismen als Stütze führen letztlich dazu, dass dem Vermächtnis als Erbfallschuld und ferner als Nachlassverbindlichkeit eine klare und systematische Anspruchs- bzw. Regelungsgrundlage fehlt.81 Diese Regelungslücke hat nun das neue Erbrecht, u.a. ohne die vom LIANG- und vor allem YANG-Entwurf vorgeschlagene bessere Vermächtnisregelung in sich zu integrieren, keineswegs optimiert. Dies wird die zukünftige Vermächtnisrechtsanwendung auch im Zusammenhang mit der Nachlassschuldentilgung weiter belasten. 79
Auch gemäß § 31 ErbG; § 66 Abs. 1, 2 YANG-Entwurf; § 1997 LIANG-Entwurf. Näheres zur Vereinbarung über Vermächtnisse und Unterhalt auch im Vergleich mit dem deutschen Erbvertrag bei Wang Q iang, Das Vermächtnis als erbrechtliche Verfügung in der VR China – ein rechtswissenschaftlicher und -terminologischer Vergleich mit dem deutschen Pendant, ZVglRWiss 116 2017, 485, 516 f. 80 Vgl. § 83 Abs. 1 Nr. 3–4 YANG-Entwurf; Wang Qiang, Das Vermächtnis als erbrechtliche Verfügung in der VR China – ein rechtswissenschaftlicher und -terminologischer Vergleich mit dem deutschen Pendant, ZVglRWiss 116 2017, 485, 521. 81 Näheres zum volksrepublikanischen Vermächtnisrecht sowie seinem rechtsinhaltlichen und regelungsqualitativen Unterschied vom deutschen Pendant bei Wang Qiang, Das Vermächtnis als erbrechtliche Verfügung in der VR China – ein rechtswissenschaftlicher und -terminologischer Vergleich mit dem deutschen Pendant, ZVglRWiss 116 2017, 485, 485 f., 508 f., 511 f.
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3. Nachlasserbenschulden Die Nachlasserbenschulden oder auch Nachlasseigenschulden82 beziehen sich u.a. auf alle Verpflichtungen des Vorerben (§§ 2100 ff. BGB), des vorläufigen Erben (§§ 1942 ff., 1953 BGB), eines Miterben und des endgültigen Erben vor Nachlassordnung (§§ 1975, 1990 ff. BGB), die sie in ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses Dritten gegenüber eingehen, ohne ihre Haftung ausdrücklich oder konkludent auf den Nachlass zu beschränken, etwa bei der Fortführung eines bisherigen Unternehmens, der Führung eines Rechtsstreits oder anlässlich der Reparatur eines Nachlassgegenstandes.83 Obwohl diese Kategorie der Nachlassverbindlichkeiten im deutschen Erbrecht gesetzlich nicht unmittelbar als solche angeordnet wird, nimmt sie dort eine eigenständige Doppelstellung als Nachlassverbindlichkeit und Eigenschuld ein:84 Für ihre Erfüllung haften grundsätzlich sowohl der Nachlass als auch das Erben(eigen)vermögen, genauer gesagt, haftet der Erbe mit sowohl dem Erblasser- wie auch seinem Privatvermögen, da er selbst die verpflichtenden Verträge abgeschlossen hat.85 Als unabdingbare Voraussetzung für die Begründung der Nachlasserbenschulden gilt die ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses, i. e. Ordnungsmäßigkeit und Nachlassbezug der verwaltungsrelevanten Verpflichtungsgeschäfte.86 Für die außerhalb der Grenze der ordnungsmäßigen Verwaltung einZu der Bezeichnung siehe u.a. Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, jura 2010, 117, 118. 83 Siehe dazu Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 18 Rn. 4; Olzen, Die Erbenhaftung, jura 2001, 520, 521; Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1967 Rn. 7; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 15, 39 f. u.a. auch für weitere Beispiele mit Präzisierung und Abgrenzung. Der Definition liegt inzwischen allgemein anerkannte Rechtsprechung zugrunde, z.B. RGZ 90, 91; RGZ 112, 129; RGZ 146, 343; KG OLGE 24, 81; KG OLGE 26, 292; BGHZ 32, 60; BGHZ 38, 187; BGHZ 71, 180; BGH WM 1973, 361. 84 In der Tat geht es bei der Doppelstellung eher um ein einheitliches Schuldverhältnis mit doppeltem oder zweifachem Haftungsgegenstand im Fall der Haftungssonderung; vgl. hierzu Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1976 Rn. 8; Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3404. Die Beschreibung steht in Einklang mit der heute in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten h.M. etwa bei BGHZ 32, 60; BGHZ 38, 187 (193); BGHZ 71, 180 (187); BGH NJW 2013, 933; BGH NJW 2013, 3446; Staudinger/Dutta, BGB, 5. Aufl. 2016, § 1967 Rn. 5–7; Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3397; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 15; Leipold, Erbrecht, 21. Aufl. 2016, Rn. 703; Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl. 2018, Rn. 658. 85 Siehe dazu u.a. Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, jura 2010, 117, 118; Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 18 Rn. 4; Olzen, Die Erbenhaftung, jura 2001, 520, 521; Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3397; Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1967 Rn. 5. Bei der Haftung des Erben mit dessen Privatvermögen handelt es sich um eine Regelmäßige, da der Erbe im eigenen Namen handelt, während die Haftung mit dem Nachlass eher regelwidrig ist, weil eine bloße Innenhaftung des Nachlasses gegenüber dem Erben aus § 1978 Abs. 3 in eine Außenhaftung verwandelt wird; vgl. hierzu Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3397. 86 Vgl. dazu MüKoBGB/Gergen, 8. Aufl. 2020, § 2038 Rn. 14–16. Selbst bei ordnungsgemäßer Verwaltung wird keine Nachlassverbindlichkeit begründet, wenn der oder die Miterben ohne die interne Kompetenzordnung der Erbengemeinschaft, also ohne die Zustimmung bzw. Voll82
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gegangenen rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten haftet der Erbe (unter den entsprechenden Voraussetzungen des § 179 BGB) immer noch persönlich, wie für seine reinen Eigenschulden, auch wenn er eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass mit dem Vertragspartner vereinbart hat.87 Bei schuldhafter Verletzung einer Nachlassverbindlichkeit bildet die daraus entstehende Schadenersatzpflicht ebenfalls eine Nachlasserbenschuld.88 Streitig bleibt jedoch, ob die Verbindlichkeiten aus dem vom Erblasser begründeten und seinen Tod überdauernden Mietverhältnis eine Nachlasserbenschuld begründen, wenn der Erbe das Mietverhältnis einstweilig fortsetzt, ohne vom Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.89 Prinzipiell ist die Erbenhaftung für Nachlasserbenschulden unbeschränkbar und der Gläubiger kann in beide Vermögensmassen unbeschränkt vollstrecken.90 Jedoch kann der Erbe die Haftung für seine rechtsgeschäftlichen Handlungen auf den Nachlass beschränken und seiner persönlichen Verpflichtung entgehen, entweder ausdrücklich, indem er (unter ordnungsmäßiger Nachlassverwaltung) bei der Eingehung der Verbindlichkeit eine Haftungsbeschränkungsabrede mit dem Vertragspartner trifft, oder durch sein konkludentes Verhalten, das auf eine Beschränkung schließen lässt91. Hat der Erbe derartige Nachlasserbenschulden bereits aus seinem eigenen Vermögen beglichen, kann er seine Aufwendungen gemäß § 1978 Abs. 3 BGB aus dem Nachlass ersetzt verlangen.92 Weder Chinas neues Erbrecht noch die Vorschlagsentwürfe haben die Nachlasserbenschulden als eine Nachlassverbindlichkeitskategorie berücksichtigt. Diese Rechtsfigur mit der Systematisierung der Besonderheiten der Erbenhaftung in den rechtsgeschäftlichen Grenzfällen, die durch die zweifachen, voneinander abzugrenzenden Vermögensmassen gekennzeichnet sind, und ferner der Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung, ist von großer rechtstheoretischer und praktischer Bedeutung. Allerdings wird sie bislang in der Literatur auch nicht thematisiert.93 macht aller übrigen Erben oder jedenfalls der Erbenmehrheit (§§ 2038 Abs. 2, 745 Abs. 1 BGB) handelten und § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB auch nicht in Anspruch nehmen konnten; vgl. hierzu Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3398; MüKoBGB/Gergen, 8. Aufl. 2020, § 2038 Rn. 52. 87 Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3397, 3399; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 23. 88 Staudinger/Dutta, BGB, 5. Aufl. 2016, § 1967 Rn. 53; Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3400. 89 Vgl. dazu Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3400; KG NJW 2006, 2561. 90 Vgl. dazu Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1967 Rn. 7; Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, jura 2010, 117, 118; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 866. 91 Vgl. MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 23. 92 Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, JURA Heft 2 2010, 117, 118. 93 Siehe etwa Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 962 f.; Wei Zhenying, Civil Law, 2016, 630 f.; Liu Chunmao, Chinesisches Zivilrecht – Erben des Vermögens, 2008, 490 f.; Guo Mingrui/Fang Shaokun, Succession Law, 2007, 292 f.
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C. Grundsatz der Erbenhaftung Aus § 1967 Abs. 1 BGB folgt, dass der deutsche Erbe grundsätzlich unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen beim Erbschaftserwerb, d.h. Nachlass und Eigenvermögen, für die Nachlassverbindlichkeiten haftet (siehe bereits oben). Dies rechtfertigt sich dadurch, dass der Erbe im Wege der Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB) zugleich als Schuldner in vollem Umfang an die Stelle des Erblassers tritt94 und beide Vermögensmassen dadurch in eine Einheitliche verschmelzen.95 Bei der Ausgestaltung der Erbenhaftung muss das Gesetz gegenläufige Interessen berücksichtigen: Die Nachlassgläubiger wollen möglichst die Haftungsmasse für ihre Forderungen auf das Eigenvermögen des Erben erweitern, um der Nachlassminderung, die durch Verbrauch des Erben oder Zugriff von dessen Eigengläubigern zu ihren Lasten erfolgt, vorzubeugen.96 Die Eigengläubiger des Erben, d.h. diejenigen, die Forderungen gegen ihn persönlich vor oder nach dem Erbfall erworben haben,97 erstreben Befriedigung aus dem Nachlass als zusätzlicher Haftungsmasse. Der Erbe möchte an sich überhaupt nicht haften, allenfalls nur mit dem ererbten Vermögen.98 Zum Ausgleich dieser Interessen sind in der okzidentalen Rechtsgeschichte drei Konzeptionen denkbar, für die es jeweils Vorläufer gab.99 Das BGB-Erbrecht folgte in der Grundentscheidung dem römischen Recht und geht von einer vorläufig persönlichen unbeschränkten, aber auf den Nachlass beschränkbaren Haftung des Erben aus.100 94 MüKoBGB/Küpper, § 1967 Rn. 1.
Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, jura 2010, 117, 117; Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3487. 96 Vgl. dazu Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, Vorbemerkung zu §§ 1967– 2017 Rn. 2; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 861. 97 Vgl. dazu Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3405–3406. 98 Vgl. dazu Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 861. 99 Eine im germanischen Recht durchgesetzte gegenständlich beschränkte Haftung (Haftung cum viribus heredatis) geht dahin, die Haftung des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern. von vornherein gegenständlich auf den Nachlass zu beschränken. Dieses Konzept ist nur angemessen, wenn zugleich eine strikte gegenständliche Trennung der Vermögensmassen gewährleistet ist. Bei der rechnerisch auf den Nachlass beschränkten Haftung haftet der Erbe den Nachlassgläubigern zwar auch mit seinem Eigenvermögen, aber nur in Höhe des Nachlasswertes. Hier entfällt das Erfordernis einer strikten Trennung der Vermögensmassen zugunsten des Erfordernisses einer umfassenden Bewertung des Nachlasses. Die dritte Möglichkeit, die sich im römischen Recht unter Justinian durchgesetzt hatte, ist die zunächst unbeschränkte Haftung des Erben bei gleichzeitiger Verschmelzung des Nachlasses und des Eigenvermögens zu einer einheitlichen Vermögensmasse (confusio bonorum) mit der Möglichkeit, eine Haftungsbeschränkung durch Absonderung des Nachlasses (separatio bonorum) herbeizuführen; näheres dazu bei Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, Vorbemerkung zu §§ 1967–2017 Rn. 3; Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3485–3491. MüKoBGB/Küpper, Vorbemerkungen zu Titel 2. Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten Rn. 4. 100 Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, Vorbemerkung zu §§ 1967–2017 Rn. 5; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, Vorbemerkungen zu Titel 2. Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten Rn. 2. 95
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Insofern gewährt das deutsche Erbrecht einerseits den Gläubigern Zugriff auf das Gesamtvermögen des Erben bis zur Haftungsbeschränkung, gestattet andererseits aber dem Erben, die verschmolzenen Vermögensmassen wieder voneinander zu trennen und damit seine Haftung entweder vorläufig (§§ 1990, 1991; 1992; 2059; 2000; 2014, 2015 BGB) oder endgültig (§§ 1973; 1974; 1989, 2000 S. 3, 2013 Abs. 1 S. 2; 1975, 1990, 1992 BGB)101 auf den Nachlass zu beschränken. Anders als das deutsche Erbrecht legt das Chinesische der Erbenhaftung die sog. beschränkte und bedingte Gesamterbfolge102 zugrunde. Der Haftungsgrundsatz hängt jedoch mit den Regelungsmängeln am Erbrecht zusammen: Zunächst beruht das Erbrecht Chinas ebenfalls auf dem Prinzip der Universalsukzession, i. e. der gesamten Nachfolge des oder der Erben in die zu Lebzeiten des Erblassers entstehenden sämtlichen Vermögensrechte und Pflichten. Dies wird allerdings nicht gesetzlich, sondern lediglich im Schrifttum thematisiert.103 Ferner bleibt das Rechtsverhältnis der Erben zum ererbten Vermögen weiterhin nicht endgültig geklärt. Während die AGZ das Erbrecht ohne weitere Klarstellung zumindest noch den Eigentumsrechten zuordnen,104 lässt weder der Allgemeine Teil (z.B. § 124) noch das Erbrecht des ZGB die Natur des dem Erben (seit Erbfall) zustehenden Rechts am Nachlass aus sich erkennen. Hinzu kommt, dass das volksrepublikanische Erbrecht den Nachlassumfang auf das Aktivvermögen begrenzt.105 Als Folge erschwert das eine systematische Zuordnung der Erbenhaftungsbeschränkung zu einer der drei typischen Konzeptionen, die alle wiederum einerseits eine klare Abgrenzung der Haftungsmasse(n) andererseits die klargestellte Natur des den Erben infolge des Erbfalls eindeutig gebührenden Eigentumsrechts am Nachlass voraussetzen. Insoweit ähnelt die Beschränkung der Haftung (für die Erblasserschulden) auf den tatsächlichen Nachlasswert gemäß § 1161 Abs. 1 S. 1 ZGB106 nur einigermaßen dem Prinzip der rechnerisch beschränkten Haftung (Haftung pro viribus heredatis). Jedoch ist dieser Haftungsgrundsatz nicht vom neuen Erbrecht konsolidiert worden. Vielmehr wird er durch die Aufzählung der vor der Nachlassteilung zu begleichenden Erblasser- und Erbfallschulden (§ 1159 ZGB) und die BestimFür den Überblick über die einschlägigen Vorschriften vgl. zunächst Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3530. 102 Vgl. Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 892, 902; Wei Zhenying, Civil Law, 2016, 596 f.; Liu Chunmao, Chinesisches Zivilrecht – Erben des Vermögens, 2008, 459 f.; Guo Mingrui/Fang Shaokun, Succession Law, 2007, 197 f. 103 Siehe dazu etwa § 5 YANG-Entwurf; Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 892; Zhang Junhao, Grundtheorie der Zivilrechtswissenschaft, 1997, 958; Wei Zhenying, Civil Law, 2016, 569. 104 Nur ersichtlich aus der in Abschnitt 5 des Allgemeinen Teils des ZGB nicht mehr enthaltenen Titelüberschrift von Abschnitt 5 Titel 1 der AGZ als „Vermögenseigentumsrecht“ oder „auf Vermögenseigentumsrecht bezogenes Vermögensrecht“ (财产所有权和与财产所有权有关 的财产权). 105 Etwa in § 1122 ZGB, § 7 Abs. 1 YANG-Entwurf und § 1941 LIANG-Entwurf. 106 Vgl. § 33 Abs. 1 S. 1 ErbG. 101
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mung der nach der Erbauseinandersetzung fortzusetzenden Beschränkung der Haftung für die Erblasserschulden auf den tatsächlichen Wert des erworbenen Nachlassgenstandes (§ 1161 ZGB) eher unklarer und verwirrender. Der als beschränkte Erbfolge bezeichnete Grundsatz der Erbenhaftung, auch wenn er von den widersprüchlichen Regelungsgrundlagen eingeschränkt ist, wird erst durch die beiden akademischen Entwürfe verdeutlicht: Ein Erbe haftet nur bis zur Höhe des tatsächlichen Wertes des von ihm (bereits) angenommenen Nachlasses für die Nachlassverbindlichkeiten.107
D. Beschränkung der Erbenhaftung Die Erbenhaftung lässt sich generell in verschiedene Phasen teilen, was beim chinesischen Erbrecht nicht so klar oder systematisch wie beim deutschen Erbrecht zur Geltung kommt. Da die Beschränkung der Haftung eng mit der Erbenhaftung zusammenhängt, wird sie nicht nur in die Vorläufige und Endgültige unterschieden, sondern zugleich auch, soweit möglich, phasenmäßig betrachtet.
I. Vorläufige Haftungsbeschränkung 1. Haftungsbeschränkung zwischen Erbfall und Erbschaftsannahme Die erste Phase bezieht sich auf die Zeit zwischen Erbfall und Annahme der Erbschaft. Das Prinzip des Vonselbsterwerbs in Anlehnung an § 1942 Abs. 1 BGB macht den Erben zeitgleich mit dem Erbfall zum Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten. Bis zum Zeitpunkt der endgültigen Ausschlagung oder Annahme der Erbschaft gilt der Begünstigte als vorläufiger Erbe (§§ 1958, 1959 BGB).108 Durch § 1958 BGB, der den vorläufigen Erben davor schützt, schon vor der Erbschaftsannahme mit Prozessen der Nachlassgläubiger überzogen zu werden, wird seine Haftung für Erblasser- und Erbfallschulden auf den Nachlass beschränkt.109 Im Übrigen haftet der vorläufige Erbe für die Nachlasserbenschul107
§ 2014 LIANG-Entwurf „Beschränkung der Haftung der Erben bei der Begleichung [der Nachlassverbindlichkeiten]“; § 77 YANG-Entwurf „Bedingte und beschränkte Erbfolge“. 108 MüKoBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 1958 Rn. 1–2; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 812. 109 MüKoBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 1958 Rn. 9; Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 18 Rn. 28. Auf die Zwangsvollstreckung bezieht sich § 1958 aber nicht. Vor der Annahme der Erbschaft ist eine Zwangsvollstreckung wegen eines gegen den Nachlass gerichteten Anspruchs nur in den Nachlass zulässig und wegen der Eigenschulden des Erben in den Nachlass einfach ausgeschlossen (§ 778 ZPO). Eine vor dem Tod des Erblassers bereits gegen ihn begonnene Zwangsvollstreckung wird in seinen Nachlass fortgesetzt (§ 779 Abs. 1 ZPO). Hatte die Zwangsvollstreckung beim Erbfalleintritt noch nicht begonnen, lag aber schon ein Vollstreckungstitel gegen den Erblasser vor, so darf sie nur in den Nachlass begonnen werden, wenn ein Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter gemäß § 1961 BGB (auf Antrag des Gläubigers) bestellt und gegen diesen die Vollstreckungsklausel umge-
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den wie der Endgültige, unbeschränkt mit dem Erblasser- und Eigenvermögen, bis er die Haftungsbeschränkung herbeiführt (§§ 1959, 1978 BGB).110 Die Rechtsstellung des vorläufigen Erben, erst recht dessen Haftung oder Haftungsbeschränkung, bleibt in Chinas Erbrecht nach wie vor komplett außer Acht. In Anlehnung an § 1944 Abs. 1 und 2 BGB beträgt die Ausschlagungsfrist sechs Wochen ab der Kenntniserlangung von dem Anfall und dem Grund der Berufung durch den Erben oder ab der Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht. Während das ZGB-Erbrecht (§ 1124) genauso wie das Erbgesetz (§ 25) für die Erbschaftsausschlagung keine spezifische Frist, sondern nur noch einen Zeitraum ab dem Erbfall bis zur Nachlassabwicklung vorsieht,111 übersieht es schlechthin – im Gegensatz zum deutschen Erbrecht (§§ 1954 ff. BGB) – die Anfechtbarkeit der Annahme oder Ausschlagung unter einer Anfechtungsfrist.112
2. Aufschiebende Haftungsbeschränkung nach der Erbschaftsannahme Nach der Erbschaftsannahme113 steht dem deutschen Erben zunächst die sog. Dreimonatseinrede des § 2014 BGB zu, nämlich innerhalb der ersten drei Monate jedoch nicht über die Inventarerrichtung hinaus, die Berichtigung der Nachlassschulden zu verweigern. Dieser vorläufige Schutz ermöglicht es dem Erben, sich den für die Entscheidung über die Herbeiführung einer Haftungsbeschränkung erforderlichen Kenntnisstand zu verschaffen.114 Dem noch beschränkbar haftenden Erben (§ 2016 Abs. 1 BGB), der einen zugelassenen Antrag auf Erlassung des Aufgebots der Nachlassgläubiger innerhalb eines Jahres nach der Erbschaftsannahme gestellt hat, bietet das deutsche Erbrecht zudem ein Leistungsverweigerungsrecht über die Dreimonatsfrist des § 2014 BGB hinaus, bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahrens (§ 2015 Abs. 1 BGB). Die sog. Aufgebotseinrede dient speziell der Gewährleistung der gleichmäßigen Befriedigung der Nachlassgläubiger, indem sie dem Erben die Möglichkeit gibt, schrieben oder erwirkt ist; vgl. hierzu MüKoBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 1958 Rn. 7; Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3509. Solche prozessualen Schutzmaßnahem zugunsten des vorläufigen Erben sind in Chinas Zivilprozessgesetz nicht vorgesehen. 110 Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 813–814. 111 In § 2008 Abs. 1 LIANG-Entwurf und § 12 Abs. 1 S. 1 YANG-Entwurf wird die Ausschlagungsfrist auf zwei bzw. drei Monate ab der Kenntniserlangung vom Erbfall festgelegt. 112 Mehr zum vorläufigen Erben bei Wang Qiang, in: Muscheler (Hrsg.), Jahrbuch für Erbrecht und Schenkungsrecht, 2018, 208 f. 113 In Anlehnung an § 2017 BGB darf der vor der Erbschaftsannahme bestellte Nachlasspfleger die Einreden aus §§ 2014, 2015 BGB bereits mit seiner Bestellung erheben. 114 Die Dreimonatseinrede steht außer dem Erben noch dem Nachlasspfleger, Nachlassverwalter sowie dem verwaltenden Testamentsvollstrecker mit Verwaltungsrecht zu; vgl. hierzu Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, Vorbemerkung zu §§ 1967–2017 Rn. 1, 12; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 2014 Rn. 2.
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unbekannte Gläubiger vor der Vordrängung und Vorabbefriedigung der anderen Gläubiger zu schützen.115 Rechtstechnisch sind die Einreden der §§ 2014, 2015 BGB lediglich dilatorisch und verzögernd,116 die dem endgültigen Erben ermöglichen, sich über die Höhe bestehender Verbindlichkeiten und den Nachlassbestand hinreichend zu informieren, um dann über die Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung zu entscheiden.117 Sie schützen bloß den Erben vor einer Verurteilung, bürden aber den Nachlassgläubigern die Nachteile der Nichterfüllung der Nachlassschulden nicht auf.118
3. Phase bis zur Ausübung des Beschränkungsrechts Die dritte Phase ist durch den Ablauf der Schonfristen der §§ 2014, 2015 BGB nach der Erbschaftsannahme gekennzeichnet. Jedoch hat der Erbe in der Phase das Recht zur Haftungsbeschränkung noch nicht verloren. Wegen des noch ausübbaren und auszuübenden Beschränkungsrechts kommt es zu einer Art Schwebezustand. Der Gegenstand der Schwebe ist nicht, ob und womit der Erbe haftet, sondern nur, mit welchem Teil seines Vermögens er haftet.119 In dieser Phase können die Nachlassgläubiger (bis zur vollen Befriedigung) sowohl in den Nachlass wie auch in das Eigenvermögen des Erben vollstrecken (§ 781 ZPO), solange weder Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet (§ 1975 BGB) noch die Einrede aus §§ 1990, 1992 BGB erhoben ist. In der Schwebephase bleiben die durch Erbfall eingetretene Konfusion und Konsolidation bestehen (§ 1976 BGB), sodass ein Nachlassgläubiger seine Forderung gegen eine nicht zum Nachlass gehörende Forderung des Erben ohne dessen Zustimmung aufrechnen kann (§ 1977 BGB). Darüber hinaus vermag der Erbeneigengläubiger (bis zur vollen Befriedigung) in den Nachlass zu vollstrecken (§ 784 Abs. 2 ZPO) und mit der ihm gegen den Erben zustehenden Forderung gegen eine Nachlassforderung aufzurechnen (§ 1977 Abs. 2 BGB).120 In der chinesischen Erbrechtsordnung bleiben nicht nur die Möglichkeiten der aufschiebenden Haftungsbeschränkung in der Phase nach der Erbschaftsannahme, sondern auch der Schwebezustand infolge des noch nicht ausgeübten Beschränkungsrechts nach wie vor unberücksichtigt. Dies hat zur Folge, dass 115 MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 2015 Rn. 1; Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl.
2019, § 2015 Rn. 1. Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 2015 Rn. 1; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 868. 117 Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, Vorbemerkung zu §§ 2014–2017 Rn. 2; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 868. 118 Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 868. 119 Vgl. Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3516–3517. 120 Vgl. Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3516. 116
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die Festlegung des Ausmaßes der Erbenhaftung und derer Beschränkung in den beiden Phasen maßgeblich erschwert wird.
II. Endgültige Haftungsbeschränkung 1. Haftungsbeschränkung im Wege des Aufgebotsverfahrens Außer den Möglichkeiten, der Haftung für die Nachlassschulden vorläufig zu entgehen, kann der Erbe seine Haftung dafür endgültig beschränken. Im Gegensatz zu der nur vorläufig haftungsbeschränkenden Aufgebotseinrede des § 2015 BGB steht dem deutschen Erben noch das gerichtliche Aufgebotsverfahren aus §§ 1970–1974 BGB zur Verfügung, um die endgültige Haftungsbeschränkung zu bewirken.121 Damit kann der Erbe sich Aufschluss über die Höhe der Nachlassverbindlichkeiten verschaffen und seine Entscheidung über entweder die Selbstverwaltung des Nachlasses und die Inventarerrichtung oder die Ergreifung der notwendigen Maßnahmen (Nachlassverwaltung oder -insolvenzverfahren) leichter treffen. Ferner hat das Verfahren eine Ausschlussfunktion, sodass die Gläubiger bei Nichtanmeldung Nachteile hinnehmen müssen.122 Nach Abschluss des Aufgebotsverfahrens kann der Erbe den bis dahin nicht benannten Gläubigern die Erschöpfungs-/Ausschlusseinrede aus § 1973 BGB entgegenhalten, ohne dass ihre Forderung erlischt,123 und haftet dann nur mit dem nach Befriedigung der benannten Gläubiger verbleibenden Nachlassüberschuss (§ 1973 Abs. 1 S. 1 BGB)124 und zwar gemäß dem Bereicherungsrecht (§ 1973 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 812 ff. BGB). Allerdings genießen die ausgeschlossenen Gläubiger ihrerseits immer noch Vorrang vor den Pflichtteils- und Vermächtnisberechtigten sowie den Auflagenbegünstigten (§ 1973 Abs. 1 S. 2 BGB), solange sie ihre Forderungen nicht erst nach der Berichtigung dieser Verbindlichkeiten geltend machen. Meldet ein Nachlassgläubiger seine Forderung erst später als fünf Jahre nach dem Erbfall, so steht er im Wege der Fiktion125 (d.h. auch ohne Durchführung des Aufgebotsverfahrens) einem ausgeschlossenen Gläubiger gleich (§ 1974 Abs. 1 S. 1 BGB). Die dadurch entstehende Verschweigungseinrede kann der Erbe gegen den Nachlassgläubiger geltend machen und dieser muss sich dann mit dem Restnachlass begnügen. Zuständig für das Aufgebotsverfahren ist die Nachlassabteilung des Amtsgerichts (§ 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 7 GVG) und zum Antrag auf Einleitung des Verfahrens berechtigt ist jeder Erbe (Allein-, Mit-, Vorund Nacherbe, § 455 Abs. 1 FamFG), Nachlasspfleger, -verwalter und der verOlzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 896; Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, jura 2010, 117, 119. 122 Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1970 Rn. 1. 123 Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1973 Rn. 1. 124 Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1970 Rn. 1; Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 18 Rn. 7. 125 MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1970 Rn. 3. 121
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waltende Testamentsvollstrecker (§ 455 Abs. 2 FamFG), ferner der Ehegatte bei Gütergemeinschaft (§ 462 FamFG) und neben dem Erben der Erbschaftskäufer (§ 463 FamFG). Das Antragsrecht ist nicht befristet.126 Im Gegensatz zu dem flüchtig erneuerten Erbrecht der VR China,127 in welchem der Schutz der Interessen der Nachlassgläubiger trotz der Einführung der Rechtsfigur des Nachlassverwalters in §§ 1145–1149 ZGB wenig thematisiert wird, schlagen nur die beiden akademischen Entwürfe diesbezüglich ausführliche Maßnahmen vor. So legt der LIANG-Entwurf mit § 2017 den Erben und dem Nachlassverwalter die Pflicht auf, durch Einreichung des Nachlassinventars binnen drei Monaten nach Kenntniserlangung vom Erbfalleintritt das Gericht zu ersuchen, die Nachlassgläubiger zur Forderungsanmeldung aufzufordern und das Aufgebotsverfahren selbst muss mindestens drei Monate dauern.128 Bei Verstoß gegen dieses Gebot sind die Erben und der Nachlassverwalter verpflichtet, den Nachlassgläubigern den ihnen dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 2019 LIANG-Entwurf). Andererseits steht den Nachlassgläubigern, die ihre Forderungen nicht fristgemäß angemeldet haben, nur ein Anspruch auf den nach der Verbindlichkeitsberichtigung noch verbleibenden Restnachlass zu, was an § 1973 Abs. 1 BGB erinnert.129 Innerhalb der Dauer des Aufgebotsverfahrens dürfen die Erben und der Nachlassverwalter, ähnlich wie gemäß § 2015 Abs. 1 BGB, den von jedem Gläubiger erhobenen Leistungsanspruch verweigern.130 Nach Ablauf der Aufgebotsfrist müssen die Erben und der Nachlassverwalter gemäß der Summe oder Quote der angemeldeten Forderungen die Nachlassgläubiger aus dem Nachlass befriedigen. Andererseits kann ein Gläubiger mit dinglichen Sicherungsrechten am Nachlass auch seine Sicherungsrechte geltend machen.131
2. Haftungsbeschränkung im Wege des amtlichen Verfahrens Die vierte Phase der Haftung wird eingeleitet, indem der Erbe das Beschränkungsrecht ausübt. Das Gesetz verlangt für die endgültige Haftungsbeschränkung in dem Fall ein gerichtliches Verfahren, wodurch die an sich mit dem Erbfall eintretende Verschmelzung von Eigenvermögen und Nachlass wieder aufgehoben wird, um die Nachlassgläubiger ausschließlich aus dem Letzteren befriedigen zu dürfen. Dahingehend stellt das deutsche Erbrecht dem Erben 126 MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1970 Rn. 3. 127
128 129 130 131
§ 1163 ZGB (identisch zu Ziffer 62 ErbG-Ansichten) gibt nur der Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten Priorität. Nach § 92 YANG-Entwurf sind das Antragsrecht und das Aufgebotsverfahren auf lediglich zehn Tage bzw. mindestens sechs Monate befristet. LIANG-Entwurf: § 2020; YANG-Entwurf: § 93 Abs. 3. LIANG-Entwurf: § 2017 Abs. 3. LIANG-Entwurf: § 2018 Abs. 1.
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neben den Besonderheiten bei Minderjährigen (§ 1629a BGB) systematischer Weise die Nachlassverwaltung, die Nachlassinsolvenz und die Dürftigkeitseinrede aus §§ 1975 ff., 1990 ff. BGB und §§ 315 ff. InsO zur Verfügung. Bei der Anordnung der Nachlassverwaltung und der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens handelt es sich um eine Maßnahme der amtlichen Nachlassabsonderung (separatio bonorum), die dem Erben die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass entzieht und sie dann einem gerichtlich bestellten Nachlassabwickler überträgt (§§ 1984 Abs. 1, 1985 Abs. 1 BGB, 80 InsO).132 Ferner gilt der Nachlass- oder der Nachlassinsolvenzverwalter anhand der in deutscher Literatur und Rechtsprechung133 durchgedrungenen Auffassung vielmehr als ein amtlich bestelltes Organ zur Verwaltung einer fremden Vermögensmasse (Amtstheorie), aber nicht als ein gesetzlicher Vertreter des Erben (Vertreter theorie). Trotz der Einführung des Nachlassverwalters in §§ 1145–1149 ZGB erfolgt in der Volksrepublik noch keine wesentliche Klarstellung von dessen Rechtsnatur und Funktionen. Zwar wird die Figur in der Literatur134 überwiegend als Vertreter des Erben oder des Vermächtnisnehmers (im Hinblick auf den Nachlass- bzw. Vermächtnisgegenstand) betrachtet, also entsprechend der Vertretertheorie und im Gegensatz zu seinem deutschen Pendant, findet der wichtige Grundsatz der Erbenhaftungsbeschränkung durch Nachlassverwaltung oder -insolvenz in der Erbrechtsordnung keine Berücksichtigung.135
a) Nachlassverwaltung aa) Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Anordnung Die Nachlassverwaltung kommt in Betracht, wenn der Erbe annehmen darf, dass die Aktiva die Nachlassverbindlichkeiten übersteigen, ohne aber insoweit Gewissheit zu haben. Sie dient dem dreifachen Zweck, dem Erben die Liquidation des Nachlasses abzunehmen, sein Eigenvermögen vor den Nachlassgläubigern zu schützen und gleichzeitig die Vollstreckung in den Nachlass durch seine Erbeneigengläubiger abzuwehren.136 Dem Erben dient die Nachlassverwaltung, Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 871–872; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1975 Rn. 1; Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1975 Rn. 1. 133 Siehe etwa MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1985 Rn. 2; Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1985 Rn. 2; Staudinger/Marotzke, BGB, 5. Aufl. 2016, § 1985 Rn. 2 f.; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 872; RGZ 135, 305 (307); RGZ 150, 189 (190); KG FamRZ 2006, 559; OLG Hamm NJW-RR 2010, 1595 (1596); BGHZ 38, 281 (284); OLG Braunschweig OLGZ 1988, 392. 134 Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 961; Wei Zhenying, Civil Law, 2016, 635; Liu Chunmao, Chinesisches Zivilrecht – Erben des Vermögens, 2008, 496 f.; Guo Mingrui/Fang Shaokun, Succession Law, 2007, 299 f. 135 Vgl. Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 961. 136 Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 873. 132
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weil sie zum einen Verwaltung des nach wie vor dem Erben gehörenden Vermögens ist und zum anderen die Haftungsbeschränkung zugunsten des Erben bewirkt und legitimiert. Den Nachlassgläubigern (in ihrer Gesamtheit) dient die Nachlassverwaltung ebenfalls, denn zum einen bedeutet sie die Verwaltung eines Vermögens, das primär den Nachlassgläubigern zugutekommen soll, zum anderen bewirkt und legitimiert sie die Haftungsbeschränkung zu Lasten der Erbeneigengläubiger.137 Im Rahmen des deutschen Erbrechts erfolgt die Anordnung der Nachlassverwaltung durch das Amtsgericht als Nachlassgericht (§ 72 FGG) ausschließlich auf Antrag des Erben (§ 1981 Abs. 1 BGB) oder der Nachlassgläubiger, falls ihre Befriedigung aus dem Nachlass durch das Verhalten oder die Vermögenslage des Erben gefährdet wird (§ 1981 Abs. 2 BGB). Des Weiteren wird vorausgesetzt, dass der Nachlasswert mindestens die Nachlassverwaltungskosten deckt (§§ 1982, 1988 Abs. 2 BGB) und noch kein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wurde (§ 1988 Abs. 1 BGB). Infolge der Anordnung der Nachlassverwaltung verliert der Erbe die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass (§ 1984 Abs. 1 BGB). An seine Stelle tritt der Nachlassverwalter, der den Nachlass in Besitz nimmt, verwaltet und die Nachlassschulden daraus berichtigt (§ 1985 Abs. 1 BGB). Er darf allerdings die Nachlassschulden erst tilgen, wenn die Nachlassmasse zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger genügt. Andernfalls muss er das Nachlassinsolvenzverfahren beantragen (§§ 1985 Abs. 2 S. 2, 1980 Abs. 1 S. 1 BGB). Im Zuge seiner Reformbestrebungen sieht das ZGB-Erbrecht ein ausführliches Auswahlverfahren des Nachlassverwalters vor, indem es mit § 1145 die Vorschläge der akademischen Entwürfe in sich integriert: Ist beim Eintritt des Erbfalls ein testamentarisch bestellter Testamentsvollstrecker vorhanden (§ 1133 Abs. 1 ZGB), so fungiert dieser als Nachlassverwalter (S. 1),138 sonst wird im Wege der Versammlung der Miterben einer von ihnen zum Verwalter ernannt (S. 2).139 Erfolgt die Ernennung aus den Miterben nicht, so üben sie gemeinsam das Amt des Nachlassverwalters aus (S. 3).140 Im Fall der Erblosigkeit oder der Erbausschlagung durch alle Erben wird die Behörde für Zivilangelegenheiten oder das Dorfbewohnerkomitee am lebzeitigen Wohnort des Erblassers das Amt übernehmen (S. 4). Erst wenn die Einigung über die Ernennung des Nachlassverwalters aussichtslos ist, können die materiell Interessierten dessen gerichtliche Bestellung beantragen (§ 1146 ZGB), womit das neue Erbrecht die Nachlassgläubiger zum Schutz ihrer Interessen endlich als Antragsberechtigte verdeutlicht.141 Die sachliche Voraussetzung der Antragstellung zwecks der Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3545. YANG-Entwurf: § 72 Abs. 1 S. 2; LIANG-Entwurf: § 2002 Abs. 2. 139 YANG-Entwurf: § 72 Abs. 1 S. 1; LIANG-Entwurf: § 2002 Abs. 1 S. 1. 140 Vgl. YANG-Entwurf: § 72 Abs. 2; LIANG-Entwurf: § 2002 Abs. 1 S. 2. 141 Eine gerichtliche Bestellung des Nachlassverwalters auf Antrag kommt gemäß § 2002 Abs. 3 137 138
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Befriedigung der Nachlassgläubiger, der eigentlich § 1981 Abs. 2 S. 1 BGB zugrundeliegt, führt das Regelwerk im Gegensatz zu den beiden Vorschlagsentwürfen142 allerdings unverständlicher Weise nicht mehr aus. Ferner hat es das Antragsrecht der Nachlassgläubiger ebenfalls nicht befristet, wie z.B. auf zwei Jahre seit der Erbschaftsannahme gemäß § 1981 Abs. 2 S. 2 BGB. Während das ZGB-Erbrecht die Möglichkeiten der Ernennung des Nachlassverwalters detailliert regelt, übersieht es die grundlegende Wirkung der Nachlassverwaltung, dass erst mit deren Anordnung die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten beschränkt wird und dessen Privatvermögen dem Zugriff der Nachlassgläubiger entzogen wird (§ 1975 BGB), vollständig. Entsprechende Rechtssätze fehlen auch in Bezug auf die weiteren Rechtsfolgen der Nachlassverwaltungsanordnung, die unabdingbar mit der Haftungsbeschränkung einhergehen, wie etwa der Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch den Erben (§ 1984 Abs. 1 S. 1 BGB) und ihr Übergang auf den Nachlassverwalter143 oder die Möglichkeit der Geltendmachung eines gegen den Nachlass gerichteten Anspruchs nur gegenüber dem Nachlassverwalter (§ 1984 Abs. 1 S. 3 BGB). Auch die Rechtsfolgen der Aufrechnung im Rahmen der Nachlassverwaltung regelt das deutsche Erbrecht umfassend. Die vor der Anordnung der Nachlassverwaltung von einem Nachlassgläubiger angestrebte Aufrechnung mit seiner Forderung gegen eine nicht zum Nachlass gehörende Forderung des Erben gilt nach der Anordnung gemäß § 1977 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt, sofern der Erbe der Aufrechnung nicht zugestimmt hat. Einer nach der Anordnung der Nachlassverwaltung erklärten Aufrechnung durch einen Nachlassgläubiger steht dann § 1984 Abs. 1 S. 3 BGB entgegen.144 Dies trägt dem Schutz des Erben vor einer Befriedigung der Nachlassgläubiger aus seinem eigenen Vermögen Rechnung.145 Die Folgen der Aufrechnung, die ein Erbeneigengläubiger vor der der Nachlassverwaltungsanordnung (ohne Erbenzustimmung) mit einer ihm gegen den Erben zustehenden Forderung gegen eine ihn betreffende (dem Erben zustehende) Nachlassforderung betrieb, beseitigt § 1977 Abs. 2 BGB ebenfalls rückwirkend. Aus der Sicht der Nachlassgläubiger ist es ebenso wichtig, dass mit der Verwaltungsanordnung die von den Eigengläubigern in den Nachlass betriebenen Zwangsvollstreckungen und Arreste ausgeschlossen sind (§ 1984 Abs. 2 Nr. 2 des LIANG-Entwurfs auch in Betracht, wenn kein Erbe vorhanden oder der Verbleib der Erben unbekannt ist. 142 D.h., wenn die Erben nachweislich mit ihren Handlungen die Interessen der anderen zur Nachlassübernahme Berechtigten, der Nachlassgläubiger oder sonstiger materiell Interessierter gefährdet haben oder gefährden werden (LIANG-Entwurf: § 2002 Abs. 3 Nr. 3; YANG-Entwurf: § 72 Abs. 3). 143 Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1975 Rn. 2; § 1985 Rn. 7. 144 MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1977 Rn. 3; Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1948 Rn. 1. 145 Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1977 Rn. 1–3; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 883.
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BGB), um die Nachlassgläubiger vor einer Verkürzung des ihnen haftenden Nachlasses zu schützen. Im Gegensatz zum deutschen Erbrecht bleibt in Chinas Erbrechtsordnung die (die Erben und Nachlassgläubiger gleichermaßen) schützende Wirkung der Nachlassverwaltung auf die Rechtsfolgen der Aufrechnung weitestgehend unberücksichtigt. Solche Regelungslücken bezüglich der Haftungsbeschränkung im Wege der Nachlassverwaltung könnten bei der einschlägigen Anwendung wiederum für Unklarheiten und Unsicherheiten sorgen.
bb) Erbenhaftung für die Nachlassverwaltung bis zu ihrer Anordnung Zwischen dem Erben und den Nachlassgläubigern bzw. dem Nachlassverwalter entstehen im Rahmen der Nachlassverwaltung gesetzliche Schuldverhältnisse.146 Dahingehend haftet der deutsche Erbe den Nachlassgläubigern für die bisherige Nachlassverwaltung vom Anfall bis zur Erbschaftsannahme wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag (§§ 1978 Abs. 1 S. 2, 677 ff. BGB). Nach seiner Erbschaftsannahme ist der Erbe so verantwortlich, wie wenn er die Verwaltung des Nachlasses als Beauftragter der Nachlassgläubiger führen würde (§§ 1978 Abs. 1 S. 1, 662 ff. BGB). Die daraus entstandenen Ansprüche stehen an sich den Nachlassgläubigern zu, zählen gemäß § 1978 Abs. 2 BGB im Wege der Fiktion zum Nachlass und sind deshalb vom Nachlassverwalter aber nicht von den Nachlassgläubigern gegen den Erben geltend zu machen.147 In der VR China regelt das neue Erbrecht die Erbenhaftung für die Nachlassverwaltung bis zu ihrer Übernahme durch den Nachlassverwalter nur durch die Pflicht der vorläufigen Erbschaftsverwahrung148. Als Grundsatz dafür gelten die ordnungsgemäße Verwahrung durch die Personen, die beim Erbfall Nachlass besessen (darunter die Erben), und das Verbot, den Nachlassgegenstand zu unterschlagen oder mit Gewalt an sich zu nehmen (§ 1151 ZGB)149.150 War der Erb-
Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 880. Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 881; Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1978 Rn. 7. 148 Als Überschrift von § 71 YANG-Entwurf. 149 Vgl. § 24 ErbG; § 71 Abs. 1 YANG-Entwurf. 150 Da das chinesische Recht dem der deutschen Universalsukzession ähnlichen Prinzip der Gesamterbfolge folgt, kann man an der Stelle in Frage stellen, ob die vom YANG-Entwurf vorgeschlagene Erbschaftsverwahrung, die wie im anglo-amerikanischen Recht zwischengeschaltet ist, überhaupt notwendig ist. M. E. bringt sie sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich. Sie dient dem besseren Schutz des Nachlassvermögens und regelt die Übergangsphase im Hinblick auf dessen Verbleib präziser, bis der Nachlassverwalter bzw. Testamentsvollstrecker den Nachlass übernimmt. Andererseits kann dadurch mehr Streit, vor allem Streit unter den Erben, entstehen, da später bei der Übergabe des Nachlassgegenstands (an den Nachlassverwalter) und bei der Erbauseinandersetzung der verwahrende Erbe den verwahrten Gegenstand direkt und als erster für sich beanspruchen und damit einen zusätzlichen Vorteil erlangen kann. Schließlich hat diese Regelung keine Auswirkung auf die sachenrecht146 147
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lasser zu Lebzeiten selbst im Besitz des Erbschaftsvermögens, kann der Erbe oder der Geschäftsführer ohne Auftrag, der vom Tod des Erblassers erfährt, der vorläufige Verwahrer sein.151 Sie sind jedoch verpflichtet, den Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter über den Eintritt des Erbfalls zu informieren (§ 1150 S. 1 ZGB)152, und ihm auf sein Verlangen die Nachlassgegenstände zu übergeben.153 Hat der Nachlassbesitzer im Notfall zur Wertsicherung über den Nachlass verfügt, so muss er dies dem Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter unverzüglich mitteilen und ihnen den dadurch erzielten Erlös übergeben.154
cc) Rechtsstellung des Nachlassverwalters Die Pflichten und Aufgaben des deutschen Nachlassverwalters bestehen vornehmlich in der Nachlassverwaltung und Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Nachlass (§ 1985 Abs. 1 BGB Abs. 1). Außerdem haftet der Verwalter dem Erben für Schäden aus schuldhafter Pflichtverletzung (§§ 1833 Abs. 1, 1915 Abs. 1, 1975 BGB) und ebenso den Nachlassgläubigern für die Nachlassverwaltung (§ 1985 Abs. 2 S. 1 BGB). Diesbezügliche Schadensersatzansprüche gelten §§ 1985 Abs. 2 S. 2, 1978 Abs. 2 BGB zufolge als zum Nachlass gehörend. Mit Rücksicht auf die Vorschläge der akademischen Entwürfe führt Chinas neues Erbrecht nun in § 1147 die Pflichten des Nachlassverwalters – als seine Hauptreformmaßnahme – detailliert aus: Bestandsaufnahme des Nachlasses und Inventarerrichtung (Nr. 1),155 Berichtserstattung über die Erbschaftslage an die Erben (Nr. 2), Ergreifung notwendiger Maßnahmen zur Vorbeugung des Nachlassschadens bzw. -untergangs (Nr. 3),156 Eintreibung und Berichtigung der dem Erblasser gebührenden Forderungen bzw. obliegenden Verbindlichkeiten (Nr. 4),157 Teilung des Nachlasses anhand des Testaments oder der Rechtsvorschriften (Nr. 5)158 und nicht zuletzt Vornahme sonstiger für die Nachlassverwaltung erforderlicher Handlungen (Nr. 6). Ähnlich wie der deutsche Nachlassverwalter, dem ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung für seine Amtsführung aus § 1987 BGB zusteht,159 kann
liche Zuordnung des Erbes nach dem Eintritt des Erbfalls und vor der Erbauseinandersetzung, weil die Erbschaft in der Regel dann sowieso auf das Gesamthandseigentum der Erben übergeht. 151 § 71 Abs. 2 S. 1 YANG-Entwurf. 152 § 1150 ZGB ist identisch zu § 24 ErbG. 153 § 71 Abs. 2 S. 2 YANG-Entwurf. 154 § 71 Abs. 3 YANG-Entwurf. 155 § 74 Nr. 1 YANG-Entwurf Nr. 3; § 2005 Abs. 1 LIANG-Entwurf. 156 Vgl. § 74 Nr. 6 YANG-Entwurf. 157 Vgl. § 74 Nr. 4 YANG-Entwurf. 158 § 74 Nr. 5 YANG-Entwurf. 159 Mehr zur detaillierteren Regelung der Vergütung und des Aufwendungsersatzes für den Nachlassverwalter, die den Grundsatz des § 1987 BGB substantiiert, bei MüKoBGB/Küpper, § 1987 Rn. 2–5.
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der Nachlassverwalter in China laut § 1149 ZGB entweder nach gesetzlichen Bestimmungen oder nach Vereinbarungen vergütet werden. In diesem Zusammenhang haben die beiden Vorschlagsentwürfe mit verschiedenen Schwerpunktsetzungen nicht nur die Pflichten, sondern auch die Rechte des Nachlassverwalters, die in der Volksrepublik bisher nur teilweise in der Literatur behandelt waren,160 systematisiert. Führt beispielsweise ein Nichterbe oder der Testamentsvollstrecker die Nachlassverwaltung aus, gebührt ihm eine Vergütung, die seiner Verwaltungstätigkeit entspricht, und die Vergütung ist als Teil der Erbenkosten, also unter Erbfallschulden fallenden Nachlasskosten-/Nachlassverwaltungsschulden vorrangig zu begleichen.161 Außerdem ist es dem Nachlassverwalter, der kein Erbe oder nicht gerichtlich bestellt ist, gestattet, die Nachlassverwaltung nach seinem freien Willen zu kündigen.162 Andererseits kann der Nachlassverwalter, wenn er sein Amt nachlässig oder gar nicht ausübt, entweder von den Erben oder auf Ersuchen der materiell Interessierten, beispielsweise der Erben, der Vermächtnisnehmer oder der Nachlassgläubiger, vom Gericht abberufen werden.163 Ohne diese Vorschläge in sich zu integrieren, versucht nun das ZGB-Erbrecht noch (durch § 1148), die Haftungspflichten des Nachlassverwalters klarzustellen, wonach der Verwalter die Schäden, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig dem Erben, dem Vermächtnisnehmer oder den Nachlassgläubigern zufügt, verantworten muss.
dd) Beendigung des Nachlassverwaltungsverfahrens Die Nachlassverwaltung endet grundsätzlich mit ihrer Aufhebung durch das Nachlassgericht. Allerdings, bereits vor der Befriedigung der Nachlassgläubiger muss der Nachlassverwalter sorgfältig prüfen, ob das Nachlassvermögen zur Befriedigung aller Nachlassgläubiger ausreicht.164 Ist das nicht der Fall, muss er in Anlehnung an §§ 1985 Abs. 2, 1980 Abs. 1 BGB das Nachlassinsolvenzverfahren beantragen. Bei Verletzung dieser Antragspflicht haftet der Verwalter den Nachlassgläubigern für den daraus entstandenen Schaden nach §§ 1980, 1985 Abs. 2 BGB. Bleibt nach der Tilgung sämtlicher Nachlassschulden noch Vermögen übrig, hat der Nachlassverwalter dies dem Erben auszugeben (§ 1986 160
161 162 163
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Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 960–963; Wei Zhenying, Civil Law, 2016, 633–638; Liu Chunmao, Chinesisches Zivilrecht – Erben des Vermögens, 2008, 493 f.; Guo Mingrui/Fang Shaokun, Succession Law, 2007, 293 f. § 2003 LIANG-Entwurf. § 75 Abs. 1 YANG-Entwurf. § 75 Abs. 2 YANG-Entwurf. Er hat einerseits zu prüfen, welche Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind und noch entstehen können, andererseits, welche Vermögensgegenstände zum Nachlass gehören und welcher Erlös aus deren Verwertung erzielbar ist; vgl. hierzu Leipold, Erbrecht, 21. Aufl. 2016, Rn. 709.
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Abs. 1 BGB).165 Nach dem Ausantworten des Restvermögens, und ferner, wenn keine kostendeckende166 Vermögensmasse vorhanden ist (§ 1988 Abs. 2 BGB), oder wenn das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird (§ 1988 Abs. 1 BGB), wird die Nachlassverwaltung vom Nachlassgericht aufgehoben.167 Auch nach der Aufhebung bzw. Beendigung der Nachlassverwaltung haftet der Erbe gegenüber den späteren Nachlassgläubigern analog § 1990 Abs. 1 BGB nur noch beschränkt, d.h. mit dem Restnachlass.168 Trotz der Einführung des Instituts des Nachlassverwalters lässt Chinas neues Erbrecht die Beendigung des Nachlassverwaltungsverfahrens mit den einschlägigen Voraussetzungen und Wirkungen, die z.B. so systematisch wie im deutschen Erbrecht geregelt ist, völlig außer Acht.
b) Nachlassinsolvenz Mit der Nachlassinsolvenz wird in der Tat die nächste haftungsbeschränkende Stufe, die mit der Vermögenslage des beschränkt haftenden Erben zusammenhängt, eingeleitet. Der Ansatz mit seiner Verfahrensweise ist äußerst wichtig, wird jedoch in Chinas neuer Erbrechtsordnung kaum thematisiert. Damit übersieht das Erbrecht der Volksrepublik die Frage von grundlegender Bedeutung in der Rechtspraxis, wie die Gläubiger mit einer überschuldeten Nachlassmasse zu befriedigen. Die Beantragung der Nachlassverwaltung beruht auf der Annahme des Erben, dass die Nachlassaktiva die -verbindlichkeiten übersteigen. Im Unterschied dazu setzt die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses voraus (§ 320 InsO). Außer der Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass, wie die Nachlassverwaltung (§ 1975 Hs. 2 BGB), bewirkt das Verfahren in erster Linie die gleichmäßige oder anteilige Befriedigung sämtlicher Nachlassgläubiger.169 Die Durchführung des Nachlassinsolvenzverfahrens richtet sich hauptsächlich nach der Insolvenzordnung, wozu ein vergleichbares Gesetzeswerk in der VR
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Damit fällt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Nachlasses auch an den Erben zurück; vgl. hierzu Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1988 Rn. 7. 166 Als Kosten kommt hier insbesondere der Anspruch des Nachlassverwalters auf Vergütung (§§ 1987, 1982) in Betracht; vgl. hierzu Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1988 Rn. 4. 167 Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, jura 2010, 117, 119; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 885–886. 168 MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1975 Rn. 7; Leipold, Erbrecht, 21. Aufl. 2016, Rn. 710; Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl. 2018, Rn. 690; Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, jura 2010, 117, 119. 169 Vgl. Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 887.
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China noch fehlt.170 Antragsberechtigt sind jeder Erbe, der Nachlassverwalter, der Testamentsvollstrecker und jeder Nachlassgläubiger (§ 317 InsO). Der Erbe ist verpflichtet, die Verfahrenseröffnung zu beantragen, sobald er von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erlangt (§ 1980 Abs. 1 S. 1 BGB), sonst macht er sich ggf. gegenüber den Gläubigern schadensersatzpflichtig (§ 1980 Abs. 1 S. 2 BGB). Wie bei der Antragstellung auf Nachlassverwaltung kann der Antrag schon vor der Erbschaftsannahme erfolgen, spätestens jedoch zwei Jahre danach (§§ 316 Abs. 1, 319 InsO). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt, wenn keine verfahrenskostendeckende Insolvenzmasse vorhanden ist (§ 26 Abs. 1 InsO). Mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens durch Beschluss gehen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass auf einen vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO), der das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen171 sofort in Besitz und Verwaltung nimmt und dann verwertet (§§ 148 Abs. 1, 159 InsO). Der Nachlass wird vom Insolvenzverwalter an die Gläubiger verteilt (§ 187 Abs. 3 InsO). Zunächst sind die Aus- und Absonderungsberechtigten gemäß §§ 47 ff. InsO zu befriedigen, sofern sie ihre Vorrechte bereits geltend gemacht haben. Anschließend werden die Masseverbindlichkeiten berichtigt (§§ 324, 54 ff. InsO), wobei die Insolvenzverfahrenskosten und die Forderungen der Massegläubiger, die aus ihren Rechtsgeschäften mit dem Insolvenzverwalter herrühren, wiederum Vorrang genießen (§§ 53, 55 InsO). Letztranggig sind Verbindlichkeiten, zuerst aus Pflichtteilsrechten und dann aus Vermächtnissen und Auflagen (§ 327 InsO), da diese Ansprüche ohne Einsatz eigenen Vermögens erworben wurden.172 Reicht der Nachlass zur Befriedigung aller gleichrangigen Gläubiger nicht aus, werden ihre Forderungen anteilig erfüllt. Nach Abschluss des Nachlassinsolvenzverfahrens, also Verteilung der Masse und Aufhebungsbeschluss, ist der Erbe gegen Forderungen der nicht oder nicht vollständig befriedigten Nachlassgläubiger durch die Erschöpfungseinrede aus §§ 1989, 1973 BGB geschützt und kann ihnen, § 1975 BGB zufolge, die Erfüllung aus seinem Privatvermögen verweigern. Ohne die Möglichkeiten der Befriedigung der Nachlassgläubiger bei überschuldeter Nachlassmasse in Betracht zu ziehen, erzielt das ZGB-Erbrecht hinsichtlich dessen (§§ 1959 und 1961 ZGB) kaum einen Fortschritt gegenüber dem alten Erbgesetz, welches die Begleichung der Erblasserschulden nur mit dem sehr 170
Im Gegensatz zur deutschen Insolvenzordnung regelt das chinesische Unternehmensinsolvenzgesetz (verabschiedet am 27.8.2006 und in Kraft seit 1.6.2007) nur das Insolvenzverfahren über das Vermögen der juristischen Personen in Form von Unternehmen aber nicht über das Vermögen der natürlichen Personen; siehe etwa §§ 1, 11 InsO. 171 In Anlehnung an §§ 35 InsO umfasst die Insolvenzmasse alle Nachlassgegenstände, die der Zwangsvollstreckung unterliegen, also nicht die unpfändbaren Gegenstände gemäß §§ 811 ff. ZPO. 172 Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 891.
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ungenauen Grundsatz aus § 33 Abs. 1 ErbG behandelt. Erst der YANG-Entwurf trägt zumindest in analoger Weise der Rechtslage Rechnung, indem er mit § 83 Abs. 1 den Rang der Nachlassverbindlichkeiten eindeutig festlegt: Nach der Absonderung des unentziehbaren Teils aus dem Nachlass an den dazu berechtigten Erben an der ersten Stelle173 werden zunächst die Nachlassverwaltungs- und Testamentsvollstreckungskosten,174 im Anschluss die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten berichtigt; daraufhin werden die den Unterhaltspflichtigen anhand der Vereinbarung über Vermächtnisse und Unterhalt zustehenden Erbschaftsansprüche und erst danach die Vermächtnisansprüche befriedigt. Für den Fall, dass der Nachlasswert den zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger erforderlichen Betrag unterschreitet, ordnet der YANG-Entwurf (in § 83 Abs. 2) ähnlich wie das deutsche Recht auch die anteilige Erfüllung gleichrangiger Forderungen an. Hinsichtlich der Nachlassinsolvenz hat der YANG-Entwurf noch in § 81 zudem das sog. Nachlassliquidationsverfahren vorgeschlagen, um die Insolvenz abzuwickeln, obwohl das vorgeschlagene Verfahren sich weder inhaltlich noch funktionell von dem zur Forderungsanmeldung einzuleitenden Aufgebotsverfahren (§ 92) unterscheidet und die Regelung der beschränkten Erbenhaftung nicht erweitert oder konsolidiert hat.
c) Dürftigkeits- und Überschwerungseinrede Wenn der Nachlasswert so gering ist, dass er nicht einmal die Kosten des Nachlassverwaltungs- und Nachlassinsolvenzverfahrens deckt (§ 1990 Abs. 1 S. 1 BGB), und daher die Befriedigung der Nachlassgläubiger außer Frage steht,175 verzichtet das Gesetz auf eine staatliche Abwicklung und im Endeffekt auf die Trennung der beiden Vermögensmassen als Voraussetzung der weiteren Stufe der Haftungsbeschränkung.176 Die zur Umsetzung des Verzichts dienende Dürftigkeitseinrede des § 1990 BGB bietet dem Erben die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung, indem er, ohne das Nachlassverwaltungs- oder Nachlassinsolvenzverfahren einleiten zu müssen, die Befriedigung der Nachlassgläubiger insoweit verweigern kann, als der Nachlass bei weitem nicht ausreicht.177 Dem173
§ 83 Abs. 3 YANG-Entwurf; ebenso gemäß § 2016 Abs. 3 LIANG-Entwurf. Ebenso nach § 2024 Abs. 1 LIANG-Entwurf. In Anlehnung an § 2024 Abs. 2 LIANG-Entwurf fallen die Kosten infolge des Verschuldens der Erben und Nachlassverwalter den schuldhaft handelnden Erben und Nachlassverwaltern selbst zur Last und werden nicht aus dem Nachlass beglichen. 175 Oder wenn der Nachlass durch die Verfahrenskosten weitgehend aufgebraucht wird und die Nachlassgläubiger somit benachteiligt würden. Als Folge wird die Nachlassverwaltung gemäß § 1988 Abs. 2 BGB aufgehoben; vgl. hierzu Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, jura 2010, 117, 120. 176 Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 893. 177 Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1990 Rn. 1; Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 18 Rn. 23. 174
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entsprechend muss der Erbe immer noch den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung herausgeben (§ 1990 Abs. 1 S. 2 BGB) und ihn vorher ordnungsgemäß verwalten.178 Die Haftung des Erben für die bisherige Nachlassverwaltung und der Ersatz seiner diesbezüg lichen Aufwendungen richten sich wie bei der Nachlassverwaltung und -insolvenz nach §§ 1991 Abs. 1, 1978, 1979 BGB. Den aus der Verletzung seiner Pflicht resultierenden Schaden können die Nachlassgläubiger gegen den Erben geltend machen,179 ohne dass er sich auf die Dürftigkeitseinrede berufen kann. Sofern die Überschuldung eines Nachlasses auf Vermächtnissen und Auflagen beruht, hat der Erbe ebenfalls die Möglichkeit, sich auf die beschränkte Haftung zu berufen. Die Überschwerungseinrede des § 1992 S. 1 BGB steht dem Erben auch dann zu, wenn der Nachlass im Übrigen nicht dürftig, also eine verfahrenskostendeckende Masse im Sinne von § 1990 BGB durchaus vorhanden ist. Chinas neues Erbrecht kennt weder die Dürftigkeits- noch die Überschwerungseinrede. Erst aus der vom YANG-Entwurf (in § 83 Abs. 2) angeordneten anteiligen Erfüllung gleichrangiger Forderungen mangels ausreichender Nachlassmasse und dem ebenfalls von ihm (durch § 83 Abs. 1) festgelegten ersten Rang der Nachlassverwaltungs- und Testamentsvollstreckungskosten sowie letzten Rang der Vermächtnisansprüche ergeben sich die Prinzipien ähnlich der beiden Einreden.
E. Verlust des Haftungsbeschränkungsrechts I. Fünfte Haftungsphase
Die fünfte Haftungsphase, also die Phase nach der Ergreifung der Haftungsbeschränkungsmaßnahmen, ist nicht einheitlich beschreibbar. Die Rechtslage variiert je nach Art der gewählten Maßnahme. Der Einsatz der Beschränkungsmaßnahmen hat teils endgültige Wirkung, sodass das Beschränkungsrecht nie wieder verloren gehen kann, teils aber nur vorübergehende Wirkung.180 In der VR China wird diese Haftungsphase nicht thematisiert. Dem Erben kann beispielsweise durch die Errichtung eines korrekten Inventars keine Inventarfrist mehr gesetzt werden. Dank eines solchen Beschränkungsmittels vermag er nicht wieder in unbeschränkbare Haftung zu verfallen. Ebenso kann nach dem Gläubigerausschluss anhand §§ 1973, 1974 BGB das Beschränkungsrecht durch Versäumung der Inventarfrist und Inventaruntreue nicht wieder verloren gehen (§ 2013 Abs. 1 S. 2 BGB). Jedoch ist es unter bestimmten Voraussetzungen, wie etwa Verweigerung der eidesstattlichen Ver178 Vgl. Schreiber, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, jura 2010, 117, 120. 179
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BGH NJW-RR 1989, 1226; Leipold, Erbrecht, 21. Aufl. 2016, Rn. 715. Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3523.
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sicherung für die Vollständigkeit der Inventarangaben nach § 2006 Abs. 3 BGB oder Versäumung des prozessualen Vorbehalts gemäß § 780 ZPO, wiederum möglich, auch bei bereits vorangegangener Beschränkung aufgrund der Erschöpfungseinrede (§ 1989 BGB), der Ausschlusseinrede (§ 1973 BGB) und der Verschweigungseinrede (§ 1974 BGB) das Beschränkungsrecht zu verlieren.181 Ferner kann bei der Beendigung der Nachlassverwaltung oder bei Ablehnung der Nachlassinsolvenz (durch das Insolvenzgericht) mangels Masse (§ 26 Abs. 1 InsO) eine Inventarfrist gesetzt werden, die die Haftungsbeschränkung aufhebt.182
II. Inventarerrichtung und die sechste Haftungsphase 1. Inventarerrichtung In der sechsten Haftungsphase kann der Erbe sein Recht verlieren, haftungsbeschränkende Maßnahmen durchzuführen. Mit anderen Worten kann die beschränkte Haftung sich wieder in eine Unbeschränkbare verwandeln.183 Anders als in vielen Rechtsordnungen ist die Errichtung des „Nachlassverzeichnisses“184 gemäß dem deutschen Erbrecht (§§ 1993 ff. BGB) kein Mittel der Haftungsbeschränkung, sondern eine Bestandsaufnahme des Nachlasses (§ 2001 BGB). Die rechtzeitige Inventarisierung begründet die widerlegliche Vermutung im Verhältnis zwischen dem Erben und den Nachlassgläubigern, dass zur Zeit des Erbfalls keine weiteren Nachlassgegenstände als die Angegebenen vorhanden waren (§ 2009 BGB), und ist insoweit vorteilhaft für den Erben. Die Nachlassgläubiger können dadurch die als Haftungs- bzw. Vollstreckungsobjekte in Betracht kommenden Gegenstände besser überblicken.185 Der Erbe haftet jedoch unbeschränkt mit seinem Privatvermögen für alle Nachlassschulden, wenn er die auf Antrag eines Nachlassgläubigers vom Nachlassgericht bestimmte Inventarfrist verpasst (§ 1994 Abs. 1 S. 2 BGB) oder absichtlich falsche Angaben bei der Inventarisierung macht (§ 2005 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Inventar beinhaltet eine vollständige Übersicht über die Nachlassgegenstände und -verbindlichkeiten, eine Beschreibung der Nachlassgegenstände und eine Angabe von deren Werten (§ 2001 BGB). Der Erbe kann das Inventar nur unter amtlicher Mitwirkung einer zuständigen Behörde oder eines zuständigen Beamten oder Notars errichten (§ 2002 BGB) und allein ein öffentlich beglaubigtes privates Inventar reicht noch nicht aus.186 Das Inventar ist auf AnMuscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3523. Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3523. 183 Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3525. 184 MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1993 Rn. 2. 185 Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 1993 Rn. 1. 186 MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 2002 Rn. 1. 181 182
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trag des Erben von einem nachlassgerichtlich beauftragten Notar aufzunehmen und dann von dem Notar bei dem Nachlassgericht einzureichen (§ 2003 BGB). Die Vollständigkeit des Inventars muss der Erbe auf Verlangen eines Nachlassgläubigers eidesstattlich versichern (§ 2006 Abs. 1 BGB). Verweigert er die Abgabe der Versicherung, haftet er dem Gläubiger unbeschränkt (§ 2006 Abs. 3 S. 1 BGB). In der VR China wird die Regelung der Inventarisierung des Nachlasses trotz deren Bestimmung als eine Pflicht des Nachlassverwalters (§§ 1147 Nr. 1 ZGB) nicht systematisiert.187 Erst die beiden akademischen Entwürfe versuchen, diese Lücke zu schließen. Die von der chinesischen Rechtsordnung – in Anlehnung an die Deutsche – der Inventarerrichtung zugeschriebene Funktion als unabdingbare Voraussetzung der Haftungsbeschränkung hält z.B. der YANG-Entwurf fest: Erst nach der Errichtung des Nachlassinventars unter Beglaubigung kann der Erbe seine Haftung für die Steuerschulden des Erblassers und die Nachlassschulden auf den tatsächlichen Nachlasswert begrenzen (§ 77 Abs. 1). Ist ein Nachlassverwalter vorhanden, muss er binnen sechs Monaten nach Amtsantritt ein Nachlassinventar errichten und beglaubigen lassen, sonst müssen die Erben selbst binnen der gleichen Frist ab Kenntniserlangung vom Erbfalleintritt derselben Pflicht nachkommen.188 Was den letzteren Fall (Errichtung durch den Erben ohne amtliche Mitwirkung und Beglaubigung) betrifft, ist die formale Forderung bezüglich der Errichtung des Inventars weniger streng als im deutschen Erbrecht. Ein materiell Interessierter, der die Glaubwürdigkeit des Nachlassinventars triftig in Frage stellt, kann dessen Überprüfung durch eine Fachinstitution verlangen. Allerdings fallen ihm die Kosten der Nachprüfung zur Last, falls sein Einwand gegen die Glaubwürdigkeit des Inventars nicht zutrifft.189 Ähnlich wie gemäß § 2005 BGB entfällt für einen chinesischen Erben die Haftungsbeschränkung für sämtliche Nachlassverbindlichkeiten, wenn im Inventar wichtige Nachlassgegenstände (vermutlich fahrlässig) verborgen, absichtlich nicht oder unter den nicht vorhandenen Verbindlichkeiten eingetragen oder die Rechte der Nachlassgläubiger durch die Nachlassverfügung verletzt wurden.190 Davon abgesehen verpflichtet der LIANG-Entwurf durch § 2005 Abs. 2 den Nachlassverwalter noch, bei der Inventarisierung das Vermögen des Erblassers vom gemeinschaftlichen Vermögen der Ehegatten, vom gemeinschaftlichen Familienvermögen und Vermögen der Anderen zu trennen. 187
In der Literatur wird die Bestandsaufnahme bzw. Inventarisierung nur als eine dem Nachlassverwalter obliegende Pflicht am Rand erwähnt; vgl. hierzu Ma Junju/YuYanman, Grund theorie des Zivilrechts, 2016, 961–962; wie Zhenying, Civil Law, 2016, 635–637; Liu Chunmao, Chinesisches Zivilrecht – Erben des Vermögens, 2008, 494–496. 188 § 78 YANG-Entwurf. Nach § 2017 Abs. 1 S. 1 LIANG-Entwurf müssen die Erben und der Nachlassverwalter binnen drei Monaten nach Kenntniserlangung vom Erbfalleintritt das Inventar errichten. 189 § 79 YANG-Entwurf. 190 § 80 YANG-Entwurf.
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2. Haftungslage in der sechsten Phase Die Verletzung der auf Inventarisierung bezogenen Pflichten macht eine wichtige aber nicht die einzige Voraussetzung für den Verlust des Haftungsbeschränkungsrechts aus. Die im Rahmen des deutschen Rechts systematisch geregelte Haftung bzw. Haftungsbeschränkung in der sechsten Phase lässt sich folgendermaßen zusammenfassen. Zunächst tritt der Verlust des Beschränkungsrechts gegenüber allen Gläubigern bei Versäumung der Inventarfrist (§ 1994 Abs. 1 S. 2 BGB) und bei Inventaruntreue (§ 2005 Abs. 1 S. 1 BGB) ein. Den einzelnen Gläubigern gegenüber wirkt er bei Verweigerung der eidesstattlichen Versicherung zur Bekräftigung des Inventars (§ 2006 Abs. 3 S. 1 BGB), bei Versäumung des prozessualen Vorbehalts (§ 780 ZPO) und bei vertragsmäßigem Verzicht auf das Beschränkungsrecht.191 Zweitens erlischt das Beschränkungsrecht des Erben dagegen nicht durch Zeitablauf, oder durch faktische Vermischung der beiden Vermögensmassen von Nachlass und Eigenvermögen, durch ordnungswidrige Nachlassverwaltung,192 durch nicht rechtzeitige Beantragung von Nachlassinsolvenz,193 durch generellen Verzicht auf das Beschränkungsrecht,194 durch gerichtliches Aberkennungsurteil (weder erforderlich noch hinreichend) oder durch (eigentlich unmögliche) Annahme der Erbschaft unter der Erklärung unbeschränkter Haftung.195 Drittens bietet die Errichtung eines wahrheitsgemäßen Inventars dem Erben endgültigen Schutz gegen den Verlust des Beschränkungsrechts, dagegen die Geltendmachung der Einreden aus §§ 1990, 1992, 2059 BGB, die Anordnung/Beendigung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung/Ablehnung des Nachlassinsolvenzverfahrens aber keinen.196 Im Gegensatz dazu bewirken die Ausschlusseinrede aus § 1973 BGB, die Verschweigungseinrede aus § 1974, die Erschöpfungseinrede aus § 1989 BGB und die Einreden aus §§ 2013 Abs. 1 S. 2 und 2000 S. 3 BGB eine endgültige Beschränkung (gegenüber einzelnen Gläubigern).197 Zuletzt stellt das deutsche Erbrecht durch § 2013 BGB noch die Folgen des Verlustes des Rechts zur Haftungsbeschränkung klar: Ist die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten endgültig unbeschränkt, sind die Beschränkungsmöglichkeiten gemäß §§ 1973 bis 1975, 1989, 1990, 1992 BGB ausgeschlossen (§§ 2013 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB) und der Erbe ist nicht berechtigt, die Nachlassverwaltung zu beantragen, wohl aber steht ihm das Antragsrecht für die Nachlassinsolvenz zu (§ 316 Abs. 1 Alt. 2 InsO). In der VR China wird der 191 192 193 194
195 196 197
Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3526. Vielmehr gelten die § 1978 ff. BGB. Vielmehr mit Schadensersatzpflicht als Rechtsfolge nach § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB. Der dem Nachlassgericht gegenüber zu erklären ist und alle Gläubiger begünstigen sollte. Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3527. Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3523 ff. Muscheler, Erbrecht, 2010, Rn. 3528.
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Verlust des Haftungsbeschränkungsrechts mit entsprechenden Folgen ähnlich wie das Haftungsbeschränkungsrecht hingegen gar nicht thematisiert.
F. Miterbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten I. Besonderheiten der Miterbenhaftung
Die Komplexität der Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten zeigt sich einerseits an der von sich aus schon sehr komplizierten Haftungslage des Alleinerben und ferner den Besonderheiten der Miterbenhaftung, andererseits daneben an der Differenzierung der Miterbenhaftung in diejenige vor und nach der Erbauseinandersetzung. Mit Rücksicht darauf verschafft das deutsche Erbrecht diesen Aspekten eine systematische und gründliche Regelung. In der Volksrepublik unterbleibt insgesamt eine solche, zumindest eine so klare Haftungsordnung, was den einschlägigen Regelungslücken geschuldet ist. Dies hat zur Folge, dass die Nachlassteilung nicht dazu dient, die auf Miterbenhaftung bezogenen Bestimmungen zu systematisieren, sondern vielmehr, wenn überhaupt, aber unzutreffender Weise, eine Phasenteilung der Erbenhaftung zu kennzeichnen. Bezüglich der Miterbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten sind zwei wichtige Fragen voneinander zu trennen: Einmal die auf Schuld bezogene, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Nachlassgläubiger materiell-rechtlich ein Anspruch gegen einen einzelnen Miterben zusteht, zum anderen die auf Haftung bezogene, also, ob ein Miterbe im Fall des Bestehens eines solchen Anspruchs nur mit seinem Anteil am Nachlass oder auch mit seinem Eigenvermögen haftet.198 Die Haftung der Miterben ist ebenso wie die des Alleinerben vom Interessenstreit geprägt: Den Nachlassgläubigern ist an einer möglichst breiten Vollstreckungsgrundlage gelegen, während das Bestreben der Miterben dahin geht, außer der Haftungsbeschränkung auf das Nachlassvermögen maximal in einem Umfang zu haften, der ihrer jeweiligen quotalen Beteiligung am Nachlass entspricht.199 Um dieser Konfliktlösung willen ist zwischen der Haftungslage vor und nach der Nachlassteilung zu unterscheiden.
II. Grundsatz der gesamthänderischen Haftung Die deutsche erbrechtliche Haftungsordnung gemäß §§ 1967–2017 BGB orientiert sich in erster Linie an dem Alleinerben, ergänzt durch die Sondervorschriften der §§ 2058–2063 BGB unmittelbar in Bezug auf die Miterbenhaftung.200 § 2058 BGB legt nicht nur das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 19 Rn. 35. Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 1014. 200 Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 863. 198 199
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(§ 421 BGB) der Miterben (nach außen) für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten klipp und klar fest, sondern unterstreicht es soweit, dass jeder Miterbe jederzeit, also nicht nur vor, sondern auch nach der Nachlassteilung, als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden kann.201 Diesen wichtigen Grundsatz der Miterbenhaftung lässt Chinas neues wie altes Erbrecht vollständig außer Acht. Da Chinas Erbrechtsordnung die Nachlassteilung vor der (vollständigen) Tilgung der Nachlassschulden nicht verbietet, wird die Situation in der Literatur202 insoweit thematisiert, dass nach der Nachlassteilung noch unbeglichene Nachlassschulden bleiben können. Der dahingehend in der Lehrmeinung gestellten jedoch nicht gründlich geklärten Frage, ob die Miterben nach der Nachlassteilung noch weiter gesamtschuldnerisch für die Nachlassschulden haften, bietet auch § 1161 Abs. 1 S. 1 ZGB, gemäß welchem jeder Miterbe (nach der Nachlassteilung) (weiter) bis zum tatsächlichen Wert des von ihm erworbenen Nachlassanteils für die Nachlassverbindlichkeiten haftet, keine eindeutige Antwort. Der Wortlaut des § 1161 Abs. 1 S. 2 ZGB, dass die Erben die über den von ihnen erworbenen Erbteil hinausgehenden, noch offenen Erblasserschulden freiwillig zurückerstatten dürfen, anstatt sie zu begleichen, sorgt eher weiter für begriffliche und definitorische Ungewissheit. Diesen Grundsatz der Miterbenhaftung versuchen erst die beiden akademischen Entwürfe zu verdeutlichen. Während der LIANG-Entwurf in Anlehnung an das deutsche Vorbild mit § 2013 Abs. 2 die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben für die Nachlassschulden ausdrücklich festlegt, jedoch ohne es klarzustellen, ob derselbe Haftungsgrundsatz auch nach der Nachlassteilung weiter gilt,203 nimmt der YANG-Entwurf durch § 90 Abs. 1 sie endlich in Angriff: Für die nach der Erbauseinandersetzung noch offenen Nachlassverbindlichkeiten haften die Miterben (weiter) gesamtschuldnerisch. Diese Regelungsleistung wird aber durch den ähnlichen Wortlaut des § 90 Abs. 2, den erworbenen Nachlassanteil (oder Teil davon) (zur Tilgung der Nachlassschulden) zurückzuerstatten, anstatt die noch unbezahlten Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen, wiederum abgeschwächt.
III. Haftungslage vor Nachlassteilung In Anlehnung an § 2058 BGB müssen die deutschen Miterben als Gesamtschuldner für Nachlassverbindlichkeiten einstehen, sodass dem Nachlassgläubiger zwei Möglichkeiten zur Durchsetzung seines Anspruchs zustehen: Er kann nach Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 2058 Rn. 1–2; Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 19 Rn. 35; MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2058 Rn. 1–3, 6. 202 Ma Junju/Yu Yanman, Grundtheorie des Zivilrechts, 2016, 968–969; Wei Zhenying, Civil Law, 2016, 638–639; Liu Chunmao, Chinesisches Zivilrecht – Erben des Vermögens, 2008, 496–497. 203 Liang Huixing et al. (Hrsg.), Vorschlagsentwurf eines Zivilgesetzbuchs der VR China – Buch 7: Erbrecht, 2013, 176–177. 201
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§ 2059 Abs. 2 BGB eine sog. Gesamthandsklage gegen sämtliche Mitglieder der Miterbengemeinschaft erheben und Befriedigung aus dem ungeteilten Nachlass verlangen.204 Außerdem kann er die Gesamtschuldklage wählen und sie gemäß §§ 2058, 421 BGB gegen einzelne Miterben richten. Gesamtschuld- und Gesamthandsklage können wahlweise oder auch nebeneinander erhoben werden.205 Jedoch gewährt § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB den Miterben die Einrede der vorläufigen Erbteilhaftung,206 indem er jedem in Anspruch genommenen Miterben gestattet, bis zur Nachlassteilung die Haftung gegenständlich auf seinen Erbteil zu beschränken,207 ohne sein sonstiges Vermögen noch einsetzen zu müssen. Selbst wenn das Recht zur Haftungsbeschränkung einem Miterben nicht mehr zusteht, haftet er § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB zufolge nur in Höhe des seinem Erbteil entsprechenden Teils der Verbindlichkeiten unbeschränkt. Die in dem alten chinesischen Erbgesetz enthaltene einzige Bestimmung der Erbenhaftung für die Erblasserschulden bis zur Höhe des tatsächlichen Nachlasswertes (§ 33 Abs. 1 S. 1 ErbG) bietet weder unmittelbar einen klaren Grundsatz der Miterbenhaftung, erst recht keinen, der die Miterbenhaftung vor der Nachlassteilung regelt, noch ein Mittel zur Haftungsbeschränkung für die einzelnen Miterben. Kaum geschlossen wird diese Regelungslücke durch das ZGB-Erbrecht, das mit § 1159 S. 1 ZGB dieselbe Haftung vor der Auseinandersetzung sowie mit § 1161 Abs. 1 S. 1 ZGB die Haftung danach bis zum tatsächlichen Wert des einem (Mit)Erben zugeteilten Nachlasses bekräftigt. Auch dieselbe Haftung gemäß § 2014 Abs. 1 Hs. 1 LIANG-Entwurf für die Nachlassschulden bringt die vor der Nachlassteilung gesamthandanteilig beschränkbare Haftung der Miterben wenig deutlich zum Ausdruck. Damit fehlt den chinesischen Miterben der wichtige Anhaltspunkt, dass sie bis zur Höhe ihrer jeweiligen quotalen Beteiligung am Nachlass haften, u.a. auch vor der Erbauseinandersetzung. Im deutschen Recht ist die entsprechende materiell-rechtliche Regelung noch von der Prozessrechtlichen substantiiert. Vor der Nachlassteilung kann der Nachlassgläubiger, insbesondere der Eigengläubiger eines Miterben, nur durch Pfändung des dem Miterben (allein) gebührenden Anteils am Nachlass aber nicht seines Anteils an den einzelnen Nachlassgegenständen vollstrecken (§§ 2033 Abs. 2, 719 Abs. 1 BGB, 859 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO).208 Der verklagte 204
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208
Aufgrund der beschränkbaren Erbenhaftung könnte die Gesamthandsklage anhand § 747 ZPO für einen Nachlassgläubiger aussichtsreicher sein; vgl. hierzu Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 1017. Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 2058 Rn. 3. Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 19 Rn. 36. Das Recht unterliegt der Voraussetzung, dass der Erbe es nicht wegen Inventarverfehlungen gemäß § 1994 Abs. 1 S. 2 BGB verwirkt hat; vgl. hierzu Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 1015. Die Einrede ist im Prozess vom betroffenen Erben gemäß § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB unbedingt zu erheben, sonst verliert er das Recht zur Haftungsbeschränkung; vgl. hierzu MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2059 Rn. 14. Ahrens, in: Prütting/Gehrlein (Hrsg.), ZPO Kommentar, 11. Aufl. 2019, § 859 Rn. 1–3.
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Miterbe kann, indem er sich auf § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB beruft, aufgrund der ihm im Urteil vorbehaltenen Haftungsbeschränkung (§ 780 ZPO) die Zwangsvollstreckung in sein Eigenvermögen verhindern, dies u.a. mittels der Vollstreckungsabwehrklage (§§ 781, 785, 767 ZPO).209 Während ein Alleinerbe seine Haftung nur durch Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens auf den Nachlass beschränken kann, haftet ein Miterbe, auch ohne haftungsrechtliche Maßnahmen ergreifen zu müssen, bereits vorläufig, also bis zur Teilung des Nachlasses, auf seinen Anteil beschränkt. Der Regelung des § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB liegt die Überlegung zugrunde, dass bei einer Miterbengemeinschaft (§ 2032 BGB) das Nachlassvermögen von vornherein verselbständigt ist, während beim Alleinerben das Nachlass- und Eigenvermögen erst voneinander zu trennen sind. Ansonsten haben die Miterben grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung wie die Alleinerben,210 außer dass die Nachlassverwaltung nur gemeinschaftlich von den Ersteren zu beantragen ist (§ 2062 Hs. 1 BGB). In der VR China sind die gesamtschuldnerisch orientierte Miterbenhaftung und Maßnahmen zu deren Beschränkung, die ähnlich wie diejenigen in der deutschen Haftungsordnung wirken, weder materiell-rechtlich noch prozessrechtlich angeordnet. Auch wenn man die im Allgemeinen Teil des ZGB erstmalig legal definierte gesamtschuldnerische Haftung, dass der Anspruchsberechtigte Teil der oder alle gesamtschuldnerisch Haftungspflichtigen für die Haftung in Anspruch nehmen kann (§ 178 Abs. 1), in Betracht zieht, fehlt im neuen Erbrecht der eindeutigen gesamtschuldnerischen Miterbenhaftung für Nachlassschulden zumindest noch eine Verweisung auf diese allgemeine Bestimmung.211 Der in § 1161 Abs. 1 S. 1 ZGB vorgesehene, erst nach der Nachlassteilung eindeutig geltende Grundsatz der auf den erworbenen Nachlassanteil begrenzten Haftung für die Erblasserschulden wirkt wiederum nicht homolog im Rahmen der gesamthänderischen Haftungsordnung. Außerdem sind in der VR China das Verfügungsverbot über den Anteil eines Gesamthänders am Gesamthandsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen gemäß § 719 Abs. 1 BGB sowie das Verfügungs- und Pfändungsverbot über die Letzteren im Sinne der §§ 2033 Abs. 2 BGB und 859 ZPO, die so spezifisch und gründlich ausgestaltet sind, nicht nur der Erbrechts-, sondern auch der allgemeinen Rechtsordnung gegenüber ein Desiderat in regelungsqualitativer Hinsicht.
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Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 1015.
211
Weiterhin verschafft das Vertragsrecht des ZGB dem Begriff der Gesamtschuld endlich eine im Vertragsgesetz fehlende Legaldefinition mit § 518 S. 2 ZGB: Im Fall der Schuldnermehrheit (zwei oder mehr als zwei Schuldner) kann der Gläubiger Teil der Schuldner oder alle Schuldner für die Erfüllung der ganzen Schuld in Anspruch nehmen. Auch eine Verweisung auf diese allgemeine vertragsrechtliche Bestimmung lässt sich im ZGB-Erbrecht vermissen.
210 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2059 Rn. 13.
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IV. Haftungslage nach Nachlassteilung 1. Allgemeines Die Teilung des Nachlasses bildet nicht nur eine zeitliche, sondern vielmehr eine rechtliche Zäsur. Maßgeblich dabei ist der reale Vollzug der Teilung aber nicht die nur verpflichtende Einigung über den Teilungsplan.212 Der Vollzug setzt folgende Wirkungen voraus: (1) unmittelbar verfügende Aufteilung von Gesamthandsrechten der Erbengemeinschaft auf die einzelnen Miterben, die den Nachlass als praktisch aufgelöst erscheinen lässt;213 (2) Überführung eines so erheblichen Teils der Gesamthandsgegenstände in die Eigenvermögen der Miterben, dass die Erbengemeinschaft aus wirtschaftlicher Sicht als Ganzes aufgelöst erscheint;214 (3) die dingliche Auseinandersetzung und die Verteilung des Sondervermögens in einem solchen Umfang, der das verbleibende Gesamthandsvermögen bei objektiver Betrachtung nicht mehr als „der Nachlass“ erscheinen lässt.215 Da vor der Erbauseinandersetzung die den Miterben zur Haftungsbeschränkung (auf ihre Gesamthandsanteile) zustehende Einrede nur Bedeutung für die Haftung aber nicht für die Schuld hat, hindert der Einwand nicht die Verpflichtung und Verurteilung der Miterben als Gesamtschuldner.216 Auch nach der Teilung des Nachlasses haftet ein Miterbe im Rahmen der deutschen Haftungsordnung (§§ 2058, 421 BGB) grundsätzlich weiter als Gesamtschuldner. Jedoch tritt §§ 2058–2060 BGB zufolge vom Zeitpunkt der Nachlassteilung an eine schärfere Haftung für die Miterben ein, nämlich auch mit ihrem Eigenvermögen, falls die Tilgung sämtlicher Nachlassschulden nicht vorher erfolgte. Die Regelung scheint zwar hart, ist aber gerecht. Sie rechtfertigt sich aus folgenden Gründen:217 (1) Die mit der Erbauseinandersetzung einhergehende Auflösung der Miterbengemeinschaft führt nicht zwangsläufig zur Auflösung der gesamtschuldnerischen Haftungsgemeinschaft. (2) Nach der Teilung fehlt nunmehr den Gläubigern der Nachlass als selbständiges Zugriffsobjekt oder unmittelbare Haftungsmasse für ihre Forderungen, da der jedem Miterben zuteilgewordene Nachlassanteil mit seinem Eigenvermögen verschmolzen ist. Dies bedeutet ferner, dass jeder Miterbe im Normalfall auch mit seinem Privatvermögen für die gesamten (nicht getilgten) Nachlassverbindlichkeiten haften muss. (3) Mit der
212 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2059 Rn. 4; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 1018. 213 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2059 Rn. 4. 214
Die Verteilung einzelner, auch wertvoller Nachlassgegenstände stellt dagegen noch nicht ohne weiteres die Nachlassteilung dar; vgl. MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2059 Rn. 4; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 1018. 215 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2059 Rn. 4. 216 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2059 Rn. 14. 217 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2058 Rn. 6; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 1018; Frank/ Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 19 Rn. 38.
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schärferen Haftung ist ein Sanktionsgedanke verbunden, denn einerseits sind die Miterben verpflichtet, die Gläubiger möglichst früh vor der Nachlassteilung zu befriedigen, andererseits sollten die Gläubiger nicht unter ihrer Zuwiderhandlung gegen diese Pflicht leiden. (4) Schließlich soll die verschärfte Haftung den Miterben Anreiz bieten, Nachlassschulden vor der Teilung zu begleichen (§ 2046 Abs. 1 BGB), anstatt pomadig zuzuwarten.218 In der Volksrepublik berücksichtigt das neue Erbrecht ebenfalls die weitere Haftung der Miterben für die Erblasserschulden nach der Nachlassteilung. Obwohl dieser Haftungsgrundsatz nur am Rand der Anordnung der Haftungsbeschränkung durch § 1161 Abs. 1 S. 1 ZGB zur Geltung kommt, stellt die Regelung zumindest gegenüber dem Erbgesetz, welches den Grundsatz ganz außer Acht ließ, bereits einen (kleinen) Fortschritt dar. Jedoch hat das ZGB-Erbrecht die regelungstechnisch wirksamere, ausdrückliche Bestimmung der fortzusetzenden gesamtschuldnerischen Miterbenhaftung für die nach der Teilung noch offenen Nachlassschulden durch § 90 YANG-Entwurf nicht in sich integriert. Damit verfehlt es letztendlich, diese Regelungslücke an Chinas Erbenhaftungsordnung zu schließen.
2. Rechtsfolgen Für einen deutschen Miterben entfällt nach der Erbauseinandersetzung die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass im Sinne des § 2059 Abs. 1 BGB, da der Nachlass nicht mehr existiert. Allerdings kann in Sonderfällen auch nach der Nachlassteilung eine Haftungsbeschränkung herbeigeführt werden. An erster Stelle ist jedoch die Nachlassverwaltung auszuschließen, denn § 2062 Hs. 2 BGB zufolge kommt sie nur bis zur Teilung in Betracht. Diese Bestimmung ist kurz aber wichtig, da hiermit der Geltungsdauer der Nachlassverwaltung und der damit verbundenen Möglichkeit der Haftungsbeschränkung eine klare Grenze gesetzt wird. Allerdings fehlt sie in der chinesischen Haftungsordnung. Im Gegensatz zur Nachlassverwaltung ist die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nach der Nachlassteilung noch möglich (§ 316 Abs. 2 InsO). Erhebt ein Miterbe dann die Unzulänglichkeitseinreden im Wege der Berufung auf §§ 1990, 1992 BGB, haftet er nur mit den ihm bei der Auseinandersetzung zuteilgewordenen Gegenständen.219 Grundsätzlich haften die Miterben auch nach dem Vollzug der Erbauseinandersetzung gesamtschuldnerisch. Jedoch ergeben sich weitere Möglichkeiten der Einwände gegen die persönliche Haftung in voller Höhe aus den in §§ 2060, 2061 BGB enumerativ aufgeführten Sonderfällen, in denen entweder der betroffene Gläubiger Obliegenheiten verletzt hat, etwa durch Nichtanmeldung sei218 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2058 Rn. 6. 219
Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 1019; Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 19 Rn. 38.
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ner Forderung im Aufgebotsverfahren mit Ausschluss von der (vorrangigen) Befriedigung als Folge (§§ 2060 Nr. 1, 1970, 1973 BGB), verspätete Geltendmachung der Forderung erst fünf Jahre nach dem Erbfall (§§ 2060 Nr. 2, 1974 Abs. 1 BGB) sowie Versäumung der Frist zur Forderungsanmeldung von sechs Monaten nach einem öffentlichen Aufgebot (§ 2061 BGB), oder das Nachlassinsolvenzverfahren durch Verteilung der Masse oder einen Insolvenzplan beendigt wurde (§ 2060 Nr. 3 BGB). Da der Gläubiger in diesen Fällen den Vorteil einer gesamtschuldnerischen Haftung des Miterben verwirkt hat, haftet der Miterbe nach der Auseinandersetzung dementsprechend lediglich beschränkt, d.h. in Höhe des auf ihn entfallenden Anteils der Schuld. Insofern wandelt sich seine gesamtschuldnerische Haftung in eine Teilschuld nach Maßgabe seiner Erbquote um (§ 2060 BGB).220 Der chinesischen Erbrechtsordnung fehlt es an ähnlichen, eindeutigen Rechtssätzen. Zwar hält § 1161 Abs. 1 S. 1 ZGB die Begrenzung der Miterbenhaftung für die Erblasserschulden auf die jeweiligen Nachlassanteile fest, dies reicht zur endgültigen Klärung der Haftungslage jedoch noch nicht aus. Mit der Haftungsbeschränkung auf die von den Erben erworbenen Nachlassanteile hat der Rechtssatz nicht klargestellt, dass jeder Miterbe nach der Auseinandersetzung, wenn überhaupt beschränkt, doch anteilsmäßig, d.h. nach Maßgabe seiner Erbquote haften sollte. Die von § 83 Abs. 2 YANG-Entwurf bei der Überschuldung des Nachlasses den Miterben auferlegte Pflicht zur anteiligen Befriedigung gleichrangiger Gläubiger hätte an der Stelle in Erweiterung auf zumindest die Haftungspflicht, die ähnlich wie gemäß § 2060 Abs. 1 BGB aber nach der Nachlassteilung doch allgemein eingreift, integriert werden sollen. Angesichts dessen fehlt ein prinzipieller Anhaltspunkt bei der Erbenhaftung für Nachlassschulden, insoweit, dass rein die Nachlassteilung die Miterben nicht von der Haftung befreit.
V. Innenverhältnis unter den Miterben 1. Innenverhältnis vor der Teilung Vor der Auseinandersetzung schulden die Miterben einander Mitwirkung an der Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten, was im Rahmen der deutschen Erbenhaftungsordnung in erster Linie aus §§ 2038 Abs. 1 S. 2, 2046 Abs. 1 BGB hervorgeht. Eine solche Mitwirkungspflicht ergibt sich auch aus dem Gesamtschuldrecht (§§ 2058, 426 Abs. 1 S. 1). Hat aber ein Miterbe den Nachlassgläubiger vor der Teilung der Erbengemeinschaft über die Höhe seiner Erbquote (nach 220
Diese Beschränkung wird unmittelbar Urteilsinhalt und ist nicht erst bei der Zwangsvollstreckung geltend zu machen. Vgl. dazu Hoeren, in: Schulze (Hrsg.), HK-BGB, 10. Aufl. 2019, § 2061 Rn. 1; Olzen, Erbrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 1019; Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl. 2018, § 19 Rn. 38.
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§ 2059 Abs. 1 BGB) hinaus aus seinem Privatvermögen befriedigt, geht er selbst das Risiko ein, ungenügenden Ausgleich zu erlangen. Seinen Ausgleichsansprüchen gegen die übrigen Miterben aus § 426 Abs. 1 BGB können diese den (vorläufigen) Einwand des § 2059 Abs. 1 BGB entgegensetzen. Der dem Miterben aus § 426 Abs. 2 BGB zustehende Rückgriffsanspruch geht nicht über die Maßgabe des § 426 Abs. 1 BGB hinaus. Andere Ausgleichsansprüche, insbesondere die aufgrund der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. der Kondiktion, scheitern aus denselben Gründen. Angesichts der Rechtslage muss dem Miterben ein Ersatz anspruch gegen die Erbengemeinschaft auf Leistung aus dem ungeteilten Nachlass zugebilligt werden. Insoweit kann er anstelle des Nachlassgläubigers (§ 426 Abs. 2 BGB) alleine Nachlassverwaltung beantragen221 und seine Forderung im Nachlassinsolvenzverfahren (vorrangig) geltend machen (§ 326 Abs. 2 InsO).222
2. Innenverhältnis nach der Teilung Ein deutscher Miterbe, der den Nachlassgläubiger nach der Auseinandersetzung befriedigt, kann in Anlehnung an §§ 2038 Abs. 2, 748 BGB von den übrigen Miterben anteilig nach dem Verhältnis der Erbteile, anstatt nach Kopfteilen im Sinne des § 426 Abs. 1 BGB, Erstattung verlangen, solange der Erblasser bzw. die Miterben den Innenausgleich nicht anders als nach Erbquoten vereinbart haben.223 Außerdem gebührt dem den Nachlassgläubiger befriedigenden Erben der Anspruch gegen seine Miterben aus § 426 Abs. 1 BGB in Verbindung mit der Gläubigerforderung, die im Umfang des zu erstattenden Betrages auf ihn übergeht (§ 426 Abs. 2 BGB).224 Dem Ausgleichsanspruch von Miterben aus § 426 Abs. 1 BGB kann ein beanspruchter Miterbe die Haftungsbeschränkung entgegensetzen, auch wenn er nach außen den anderen Nachlassgläubigern unbeschränkt haftet (§ 2063 Abs. 2 BGB).225 Nach der Auseinandersetzung226 sind für den Innenausgleich zwischen den Miterben infolge der Nachlassschuldentilgung die Erbquoten, aber nicht die Teilungsquoten maßgeblich, insbesondere falls eine Ausgleichungspflicht in Anlehnung an §§ 2050 ff. BGB bereits unter den Miterben bestand.227 Dieses Prinzip im Rahmen der deutschen Erbrechtsordnung ist wichtig und begründet sich daraus, dass die im Sinne der §§ 2050 ff. BGB ausgleichungspflichtigen Miterben gerade um der Ausgleichung willen bei der Teilung eventuell 221 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2062 Rn. 5.
222 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2058 Rn. 33.
223 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2058 Rn. 34. 224 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2058 Rn. 36.
225 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2058 Rn. 34. 226 U.a.
auch vor der Auseinandersetzung; vgl. hierzu MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2055 Rn. 9. 227 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2058 Rn. 35.
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einen kleineren als den seiner Erbquote entsprechenden Betrag erhalten. Die Heranziehung der infolge dessen geringeren Teilungsquote als Maßgabe für die interne Verteilung der Nachlassverbindlichkeiten würde entgegen dem Normzweck der §§ 2050 ff. BGB diese zu deprivilegierenden Miterben wiederum privilegieren. Für die Ausnahmefälle, dass der dem ausgleichungspflichtigen Miterben wegen seiner Ausgleichungspflicht zuteilgewordene Betrag den seiner Erbquote entsprechenden Teil der Nachlassverbindlichkeit noch unterschreitet, verlangt § 2056 BGB, dass der Miterbe im Innenverhältnis nur bis zur Höhe des an ihn verteilten Betrags regresspflichtig ist.228 Ein bei der Ausgleichung im Rahmen der Auseinandersetzung (nach §§ 2050 ff. BGB) bereits durch Vorempfänge völlig abgefundener Miterbe kann im Innenverhältnis Freistellung bzw. bei schon erfolgter Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten volle Erstattung fordern.229
3. Innenverhältnis der Miterben gemäß Chinas Rechtsordnung In der chinesischen Erbrechtsordnung ist das Innenverhältnis unter den Miterben hinsichtlich der Nachlassverbindlichkeiten nicht geregelt, erst recht nicht dasjenige mit der Erbauseinandersetzung als zeitlicher und rechtlicher Zäsur. Weiterhin nicht vorgesehen ist die Verweisung auf die gesamtschuldnerische Bestimmung des Vertragsrechts (§ 519 ZGB) oder die des Allgemeinen Teils (§ 178 ZGB). Gemäß § 178 ZGB bestimmen sich die Haftungsquoten der gesamtschuldnerischen Haftungspflichtigen nach der Höhe ihrer Haftung (S. 2 Hs. 1); bei schwer festlegbarer Haftungshöhe haften sie gleichmäßig (S. 2 Hs. 2), und der Haftungspflichtige, der eine Haftung über seine Haftungsquote hinaus übernommen hat, ist gegen die übrigen gesamthänderisch Haftungspflichtigen regressberechtigt (S. 3). § 519 ZGB zufolge sind die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, solange die Anteile schwer festlegbar sind (Abs. 1). Der Gesamtschuldner, der mehr als den ihm an der Gesamtschuld obliegenden Anteil beglichen hat, kann für den über den Anteil hinausgehenden Teil der Verbindlichkeit Regress von den übrigen leistungspflichtigen Gesamtschuldnern fordern,230 und die Forderung des Gläubigers, die der (übermäßig) beglichenen Schuld entspricht, geht auf den Gesamtschuldner über, soweit die Interessen des Gläubigers hierdurch nicht verletzt werden (Abs. 2 S. 1). Die von den beiden akademischen Entwürfen initiierte gegenseitige Haftung für die Zahlungsfähigkeit der Schuldner der den Miterben zugewiesenen Forderun228 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2058 Rn. 35.
229 MüKoBGB/Ann, 8. Aufl. 2020, § 2055 Rn. 9, 10; § 2059 Rn. 16. 230
Der Wortlaut des Gesetzestextes in dem Zusammenhang, „im Rahmen der von den übrigen Gesamtschuldnern. nicht beglichenen Anteile Regress von ihnen fordern“, ist kaum verständlich oder notwendig.
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gen231 geht allerdings eher dahin, die Teilungsgerechtigkeit zu gewährleisten, anstatt die auf ihnen – im Außenverhältnis gegenüber den Gläubigern – lastenden Nachlassschulden im Innenverhältnis auszugleichen. Als Folge fehlender Regeln zum Innenverhältnis unter den Miterben sieht Chinas Gesetzgeber sich gezwungen, Bestimmungen, die eigentlich für andere Aspekte, etwa die Wirkung der Auseinandersetzung, vorgesehen sind, als zusätzliche Maßregeln dafür heranzuziehen. So sieht z.B. § 1163 ZGB Folgendes vor: Sind (im Fall der beschränkten Erbfolge)232 sowohl gesetzliche als auch testamentarische Erben und Vermächtnisnehmer vorhanden, haften an der ersten Stelle die gesetzlichen Erben mit der ihnen zugewiesenen Erbschaft für die Erblasserschulden. Übersteigen die Erblasserschulden den Wert des gesetzlich geerbten Nachlasses, müssen die testamentarisch eingesetzten Erben bzw. bedachten Vermächtnisnehmer die (noch nicht getilgten) Schulden mit dem ihnen zuteilgewordenen Nachlassvermögen anteilig begleichen.233 Diese Bestimmung, die eigentlich die Teilungswirkung als den unmittelbaren Regelungsgegenstand vorsieht, dient in der Praxis wiederum dazu, die Reihenfolge der gesetzlichen Erben, der testamentarisch eingesetzten Erben bzw. bedachten Vermächtnisnehmer bei ihrer Haftung für die Erblasserschulden sowie die Maßgabe der Schuldverteilung festzulegen. Erst der LIANG-Entwurf räumt in § 2016 Abs. 1 S. 1 der Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten, und zwar im Rahmen der Nachlassabwicklung, den Vorrang ein. Damit schließt sich der akademische Gesetzesentwurf dem Gedanken des deutschen bzw. schweizerischen Erbrechts an, die verspätet nach der Teilung erfolgte Nachlassschuldentilgung mit verschärfter Haftung zu sanktionieren,234 und legt des Weiteren – im Unterschied zu § 1163 ZGB oder § 90 Abs. 2 YANG-Entwurf – nicht den Rang der Miterbenhaftung, sondern der Nachlassverteilung fest: Der nach der Schuldbegleichung 231
In Anlehnung an § 89 Abs. 3 YANG-Entwurf und § 2026 Abs. 1 LIANG-Entwurf haftet jeder Miterbe bis zur Höhe des ihm zuteilgewordenen Nachlasswertes und gemäß seiner Erbquote gegenüber den anderen Miterben für die Zahlungsfähigkeit, die die Schuldner der diesen Miterben (bei der Teilung) zugewiesenen Forderungen im Zeitpunkt der Teilung haben. Bezüglich der (bei der Erbauseinandersetzung noch) nicht fälligen oder mit einer aufschiebenden Bedingung verbundenen Forderungen trifft gemäß § 89 Abs. 4 YANG-Entwurf und § 2026 Abs. 2 LIANG-Entwurf jeden Miterben ferner die Gewährleistungspflicht, dass die Schuldner dieser Forderungen bei deren Erfüllung zahlungsfähig sind. An der Stelle haben die beiden Vorschlagsentwürfe sich dem Zivilgesetzbuch der Republik China (§ 1169), dem japanischen Zivilgesetzbuch (§ 912) und dem schweizerischen Zivilgesetzbuch (Art. 637 Abs. 2) viel entlehnt. 232 Die Formulierung des § 90 Abs. 2 YANG-Entwurf, die noch an der Stelle ausdrücklich auf die beschränkte Erbfolge hinweist, hat § 1163 ZGB ausgelassen. 233 Die sich an der Stelle tatsächlich erübrigende Vorschrift des § 90 Abs. 2 S. 3 des YANG-Entwurfs, dass wenn nur testamentarisch eingesetzte Erben und Vermächtnisnehmer vorhanden sind, sie die von ihnen erlangte Erbschaft anteilsmäßig zurückerstatten müssen, um die Verbindlichkeiten zu begleichen, hat das ZGB zutreffend ausgelassen. 234 Liang Huixing et al. (Hrsg.), Vorschlagsentwurf eines Zivilgesetzbuchs der VR China – Buch 7: Erbrecht, 2013, 182–183.
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überhaupt verbleibende Nachlass ist gemäß der testamentarischen Anordnung und erst der danach weiter verbleibende Rest dann gemäß den gesetzlichen Erbquoten zu verteilen (§ 2016 Abs. 1 S. 2, 3 LIANG-Entwurf). Die Maßgabe der Miterbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen des LIANG-Entwurfs, die im ZGB-Erbrecht nicht deutlich zum Ausdruck kommt, ergibt sich teilweise aus §§ 2013 Abs. 2 (für gesamtschuldnerische Haftung) und 2014 Abs. 1 (für Haftungsbegrenzung auf den erworbenen Nachlass).
G. Rangfolge der Nachlassschuldentilgung Als Ausgleich für den Mangel an einer systematischen, gründlichen Regelung des Haftungsobjekts und -subjekts sowie der Haftungsmaßgabe und -beschränkung als solider Grundlage legt der Gesetzgeber des Erbrechts der VR China zunehmend großen Wert auf die Reihenfolge der Nachlassschuldentilgung. So muss zuallererst der einem überlebenden Ehegatten gebührende Anspruch auf die Hälfte des gemeinschaftlichen Ehevermögens erfüllt werden (§ 1153 ZGB)235. Obwohl die Forderung eigenschaftlich unter Erbfallschulden fällt, gebührt ihr eine Sonderstellung aufgrund ihrer vorherigen Entstehung in der Ehe dank der Leistung des überlebenden Ehegatten. Dabei wird wieder in Bezug auf das gemeinschaftliche Ehevermögen als Erbschaft236 eine Frage offen gelassen, nämlich ob der anspruchsberechtigte Ehegatte gemäß dem sämtlichen geerbten Vermögen oder nur nach seinem Anteil an der Hälfte des Gesamtguts für die Nachlassverbindlichkeiten haften soll. M. E. sollte der Letztere eingreifen, denn erst die nach der Ausscheidung verbleibende Hälfte zählt als Nachlass des Erblassers (§ 1153 ZGB)237 und deswegen auch als Haftungsmasse für Nachlassverbindlichkeiten. Anders und viel komplizierter verhält es sich im deutschen Recht. In Anlehnung an § 1371 Abs. 1 BGB erhält der überlebende Ehegatte zusätzlich zu seinem gesetzlichen Erbteil (§ 1931 BGB) ein Viertel der Erbschaft als sog. großen Pflichtteil. § 1371 Abs. 1 BGB ist allerdings nach der in Deutschland herrschenden Meinung keine erb- sondern güterrechtliche Regelung: Nicht aus erbsondern allein aus güterrechtlichen Erwägungen heraus geht der Rechtssatz dahin, die erbrechtliche Stellung des Ehegatten zu verstärken.238 Schließlich 235
Ähnlich wie § 26 Abs. 1 ErbG. abgesehen von seinem Erbteil an dem allein dem Erblasser gehörenden Vermögen, wie z.B. Sonder- und Vorbehaltsgut; vgl. § 1416 BGB; MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2311 Rn. 5. Diesen Faktor hat Chinas Erbrecht bei der Bestimmung des Ehegattenerbrechts (in etwa §§ 1153 ZGB) nicht in Betracht gezogen, jedenfalls die grundlegende Zusammensetzung der Erbschaft aus dem Eigenvermögen des Erblassers und dem Gesamtgut offensichtlich außer Acht gelassen. 237 Ebenso nach 86 Abs. 1 Hs. 2 YANG-Entwurf. 238 MüKoBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 1371 Rn. 1.
236 D.h.
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schützt die Vorschrift den überlebenden Ehegatten davor, sich nach dem Tod des Erblassers noch als Nachlassgläubiger oder -schuldner mit den Miterben, meistens gemeinsamen Kindern (§§ 1924, 1931 BGB), auseinandersetzen zu müssen.239 Insoweit sollte der Ehegattenanspruch auf den „großen Pflichtteil“ – insbesondere von der Wirkung her – ähnlich wie der dem chinesischen Ehegatten per Erbrecht gewährte, güterrechtliche Anspruch auf Zugewinnausgleich, vor (sonstigen) Nachlassschulden erfüllt werden. Eine andere Stellung nimmt der Anspruch auf Zugewinnausgleich ein, wenn der überlebende Ehegatte in Anlehnung an § 1371 Abs. 2 und 3 BGB für den „kleinen Pflichtteil“ optiert. Diese Ausgleichsforderung gilt als eine Erblasserschuld (§ 1967 Abs. 2 BGB) und ist vorrangig gegenüber Pflichtteilsansprüchen, nachlassabhängigen Vermächtnissen und Erbschaftssteuerschulden.240 Den Anspruch hat sich der überlebende Ehegatte bereits während der Ehe „verdient“, sodass er wie eine bereits unter Lebenden entstandene Ausgleichsforderung beglichen werden müsste.241 An der zweiten Stelle ist der unentziehbare Teil ausgleichspflichtig (§§ 1130 Abs. 2, 1141 ZGB)242, denn der Anteil ist bereits vor der Nachlassabwicklung243 bzw. -teilung (§ 1159 S. 2 ZGB) den arbeits- und unterhaltsunfähigen Erben vorzubehalten, auch wenn der Nachlass den Verbindlichkeiten nicht genügt.244 Der anspruchsberechtigte Erbe sollte m.E. zumindest hinsichtlich des Erbanteils, der gerade sein Unterhaltsbedürfnis deckt, von der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten befreit werden, denn sonst würde ihm die mit dem Anspruch bezweckte Möglichkeit der Unterhaltssicherung wieder entzogen. Übertrifft der ihm zuteilgewordene Anteil (darunter der gesetzliche Erbteil) den unterhaltssichernden Anteil, sollte er dann mit dem darüber hinausgehenden Teil haftungspflichtig sein. Im deutschen Erbrecht ist der Pflichtteil als Erbfallschuld nachrangig gegenüber den Erblasserschulden, die vererbbar, nicht aufschiebend bedingt oder zweifelhaft sind (§ 2313 BGB),245 und gegenüber einem Teil der Erbfallschulden, wie z.B. Kosten der Bestattung und der Grabstätte (§ 1968 BGB), Kosten der Nachlassverwaltung und Testamentsvollstreckung, solange die Kosten für den Pflichtteilsberechtigten vorteilhaft waren und sind.246 Ist der Nachlass beim Erbfall überschuldet, scheidet der Pflichtteilsanspruch aus.247 239 MüKoBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 1371 Rn. 1.
240 MüKoBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 1371 Rn. 45.
241 MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2311 Rn. 19. 242
Identisch zu § 13 Abs. 2, 19 ErbG; vgl. §§ 83 Abs. 3 YANG-Entwurf, 2016 Abs. 3 LIANG-Entwurf. 243 § 83 Abs. 3 YANG-Entwurf. 244 Vgl. 83 Abs. 3 YANG-Entwurf mit dem deutlichen Hinweis darauf. 245 MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2311 Rn. 15. 246 Einzelheiten zu den gegenüber dem Pflichtteil vorrangigen Erbfallschulden im deutschen Recht bei MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2311 Rn. 19–20. 247 MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2311 Rn. 13.
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Dank seines gemischten Charakters aus gesetzlicher Erzwingbarkeit und dem Bedürfnis des Erben als Qualifikationsmaßstab ähnelt der unentziehbare Teil und unterscheidet sich doch vom in der VR China noch nicht gesetzlich bestimmten Pflichtteil.248 Er dient ausschließlich der Unterhaltssicherung des bedürftigen Erben und sollte auch nicht durch die Tilgung der Erblasserschulden gefährdet werden. Gerade deswegen ist die Forderung nicht nur gegenüber den Erblasserschulden, sondern auch im Fall der Nachlassinsolvenz – anders als im deutschen Erbrecht – privilegiert.249 Des Weiteren wird in der Volksrepublik versucht, die weitere Rangfolge sonstiger Nachlassverbindlichkeiten festzulegen: So sind ähnlich wie im Rahmen des deutschen Rechts (§§ 324 ff. InsO) die Kosten der Beerdigung, der Nachlassverwaltung, Erbauseinandersetzung und Testamentsvollstreckung vor den Erblasserschulden zu begleichen.250 Im deutschen Recht gehen die Pflichtteilsansprüche wiederum den Forderungen, die auf einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen (etwa Vermächtnis, Auflage) beruhen, vor, um auszuschließen, dass der Erblasser die Pflichtteilsrechte noch durch seine letztwilligen Verfügungen beeinträchtigt.251 Daher stehen angesichts ihres Vermächtnischarakters die Ansprüche der Familienangehörigen auf den Dreißigsten (§ 1969 BGB), der mit dem Erbfall entstehende Unterhaltsanspruch der werdenden Mutter (§ 1963 BGB) und die Ansprüche von Stiefkindern gegen überlebenden Ehegatten auf eine angemessene Ausbildung aus § 1371 Abs. 4 BGB252 im Rang hinter den Pflichtteilsansprüchen. Ähnlich hält Chinas Erbrecht den Nachrang des Vermächtnisanspruchs gegenüber den Erblasserschulden, insofern auch gegenüber dem unentziehbaren Anspruch fest (§ 1162 ZGB)253, wobei die vertraglich begründete Vermächtnisforderung (des Unterhaltspflichtigen aus der Vereinbarung über Vermächtnisse und Unterhalt) wiederum Vorrang vor der rein testamentarisch Angeordneten genießt.254 Nichtsdestoweniger sind die beiden letztwilligen Vermächtnisansprüche vorrangig gegenüber den Forderungen des Erben auf höheren Nachlassanteil (§ 1130 Abs. 3 ZGB)255 bzw. des Nichterben auf angemessene Nachlasszutei248
Während der LIANG-Entwurf (in § 1961 Abs. 2) dem Ehegatten, den Kindern, Eltern, Geschwistern und Großeltern des Erblassers das Pflichtteilsrecht gewährt, zählt der YANG-Entwurf (durch § 49 Abs. 1 S. 1) lediglich den Ehegatten, die Abkömmlinge und Eltern zu den Pflichtteilserben, also völlig identisch mit denjenigen seines deutschen Vorbilds (§ 2303 BGB). Das ZGB-Erbrecht hat den Pflichtteil allerdings nicht integriert. 249 § 83 Abs. 3 YANG-Entwurf. 250 §§ 2024 Abs. 1 LIANG-Entwurf, 83 Abs. 1 Nr. 1, 2 YANG-Entwurf. 251 MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2311 Rn. 13, 20. 252 MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2311 Rn. 20. 253 Identisch zu § 34 ErbG. 254 § 83 Abs. 1 Nr. 3, 4 YANG-Entwurf. 255 Identisch zu § 13 Abs. 3 ErbG; vgl. hierzu §§ 1956 Abs. 2 LIANG-Entwurf, 63 Abs. 2 YANG-Entwurf.
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lung (§ 1131 ZGB)256. Dies rechtfertigt sich nicht zuletzt aus dem vom ZGB (durch § 1163)257 verdeutlichten Grundsatz, dass gesetzliche Erben vor den testamentarisch eingesetzten Erben bzw. bedachten Vermächtnisnehmern für die Erblasserschulden haften müssen, woraus der Vorrang der letztwillig begründeten Vermächtnisansprüche gegenüber den gesetzlich Bestimmten ableitbar ist. Die dem Erben und Nichterben zustehenden Ansprüche auf höheren bzw. angemessenen Anteil bei der Nachlassverteilung haben gerade die Eigenschaft des gesetzlichen Vermächtnisses, also ähnlich dem Dreißigsten des § 1969 BGB. Sie sind dann bei der Nachlasszuteilung vorrangig, vorher aber eben nachrangig hinter den Vermächtnisansprüchen zu befriedigen.
H. Schlussbetrachtung Der Erbenhaftungsordnung der VR China liegt nach wie vor die sog. beschränkte Erbfolge zugrunde. Damit ist dem Gesetzgeber anscheinend daran gelegen, dem unbeschränkten aber wiederum beschränkbaren Haftungsmodell des deutschen Erbrechts, und vor allem den damit verbundenen Regelungskomplexen aus dem Weg zu gehen. Jedoch gelingt es Chinas Erbrecht offensichtlich nicht, zahlreiche praxisbezogene Probleme zu lösen, indem es die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten zu sehr vereinfacht und damit zu wenig detailliert reguliert. Dies verursacht erhebliche Rechts- und Rechtsanwendungsunsicherheit. Das Erbrecht Chinas ist angesichts dessen drastisch veränderter Wirtschafts-, Gesellschaftsund demographischer Situation zweifelsohne reformbedürftig. Entgegen der in es gesetzten Hoffnung auf ein progressives und umfassendes Regelwerk scheint das unwesentlich erneuerte Erbrecht als Teil der Zivilrechtskodifikation nicht in der Lage zu sein, das unzeitgemäße Regelwerk, vor allem dessen Regelung der Erbenhaftung, systematisch und gründlich zu verbessern. Auch wenn auf eine Legaldefinition der Nachlassverbindlichkeiten (etwa wie § 1967 BGB) verzichtet wird, sollte der Gesetzestext zumindest explizieren, dass eigentlich alle Schulden, die den Nachlass unmittelbar oder mittelbar belasten, unter Nachlassverbindlichkeiten fallen. Begrenzt das Erbrecht den Umfang der Nachlassverbindlichkeiten (im engeren Sinne) weiterhin auf die Erblasserschulden inklusive Steuern und Schulden (§§ 1159, 1161 ZGB), sollte es die tatsächlich geregelten Erbfallschulden258 und ggf. Nachlasserbenschulden zumindest als ebenfalls ausgleichungspflichtige Schulden in Bezug auf den Nachlass, also als Nachlassverbindlichkeiten im weiteren Sinne verdeutlichen und ferner 256
Formulierungsmäßig vereinfacht aber inhaltlich gleich wie § 14 ErbG; vgl. dazu §§ 1957 LIANG-Entwurf, 61 Abs. 1 YANG-Entwurf. 257 Vgl. § 90 Abs. 2 YANG-Entwurf. 258 Z.B. den Ehegattenerbrechtsanspruch, unentziehbaren Teil, Vermächtnisanspruch und Nachlassanspruch des verdienten Erben oder Nichterben.
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WANG Qiang
systematisieren. Vor diesem Hintergrund sind hinsichtlich der verschiedenen Schuldverhältnisse die grundlegendsten Elemente, also die Anspruchsberechtigten oder/und -gegner, Anspruchsgegenstände und Anspruchsgrundlagen,259 in aller Kürze, die jeweiligen Gläubiger, Schuldner und Haftungsmassen klarzustellen, darunter der Nachlassverwalter als unmittelbarer Anspruchsgegner (§ 1147 Nr. 4 ZGB) von den Erben als Leistungspflichtigen und endgültigen Anspruchsgegnern zu differenzieren. Zugleich ist es unentbehrlich, je nach der Art der Verbindlichkeit, sowohl das Außenverhältnis des/(der) (Mit)erben zum Nachlassgläubiger als auch das gesamtschuldnerische Innenverhältnis unter den Miterben zu berücksichtigen. Während das zweiseitige Verhältnis bei den Erblasserschulden sich relativ einfach gestaltet, verhält es sich bezüglich der Erbfallschulden komplizierter: Allein in personeller Hinsicht fallen unter die Nachlassgläubiger auch Vermächtnisgläubiger, Nichterbe sowie der Anspruchsberechtigte, der eben selbst Miterbe/Anspruchsgegner ist. Dies und alles Weitere sind ihrem Wesen nach im Rahmen der Nachlassverbindlichkeiten abzuklären. Die Nachlassteilung ist eine Zäsur, aber nicht maßgeblich für die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten. Insoweit ist es einerseits wichtig, die weitere Erbenhaftung nach der Auseinandersetzung festzulegen (§ 1161 ZGB), andererseits aber noch wichtiger, die vorherige und nachherige Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten zu vereinheitlichen und systematisieren, auch wenn dies unter rechtfertigbarer Verschärfung der Letzteren wie z.B. gemäß §§ 2046, 2058 ff. BGB geschieht. Legt der Gesetzgeber weiterhin die beschränkte Erbfolge der Erbenhaftung zugrunde, sollte er die konkreten Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung, etwa Nachlassverwaltung und Aufgebotsverfahren, als entsprechende Maßnahmen festlegen, und zudem deren Voraussetzungen, Inhalte, Dauer, Rechtsfolgen und insbesondere Wirkungen auf die Erbenhaftung dementsprechend systematisieren. Es reicht jedoch zur Verbesserung der Erbenhaftungsregelung nicht aus, dass der volksrepublikanische Gesetzgeber sie lediglich den systembedingten Änderungen unterzieht, etwa, indem er sich der ausdifferenzierten Bestimmungen des ausländischen, vornehmlich deutschen Erbrechts als Vorlage bedient. Wie dargelegt, hängt eine angemessene Regulierung der Erbenhaftung in der Wechselwirkung auch von der Regelungsqualität anderer Teile des Erbrechts260 und ferner des gesamten Zivilgesetzbuchs ab. Insoweit ist es unentbehrlich, an präziseren Begriffsdefinitionen, an der Genauigkeit der Regelungen und nicht zuletzt an einer stärkeren Regelungskohärenz zu arbeiten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung der Grundsätze, die Grundbegrifflichkeiten, die 259
Etwa Vermächtnisnehmer als Anspruchsberechtigter und Erben als (endgültiger) Anspruchsgegner im Rahmen des letztwillig angeordneten Vermächtnisses. 260 Z.B. gilt der Vermächtnisanspruch als eine Art von Erbfallschuld im Rahmen des Vermächtnisrechts.
Die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im Erbrecht Chinas
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klare Systematik und vollständige Erfassung der praxisrelevanten Aspekte, usw. Erst im Rahmen eines gründlich, systematisch ausgearbeiteten, soliden Regelwerkes können dessen themenspezifische Regelungen als integrale, juristisch fundierte und praxistauglichere Bausteine synergieeffektiv funktionieren.
I. Tabellarische Veranschaulichung der Untersuchungsergebnisse Die im Laufe der Abhandlung untersuchten wichtigen Aspekte der Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen des Erbrechts der VR China lassen sich folgendermaßen im Vergleich mit denjenigen des deutschen Erbrechts tabellarisch veranschaulichen: Tabelle 1: Wesentliche Aspekte der Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen des Erbrechts der VR in vergleichender Darstellung mit dem deutschen Erbrecht. Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Grundsatz der Haftung
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten)
beschränkte Erbfolge (§§ 1159 S. 1, 1161 Abs. 1 S. 1 ZGB; § 33 Abs. 1 S. 1 ErbG)
deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO) (persönlich) unbeschränkt aber (auf den Nachlass) beschränkbar (§§ 1967 Abs. 1, 1922; §§ 1958, 1959, 1978; §§ 2014 ff. BGB; §§ 1970–1974 BGB; §§ 1975 ff., 1981 ff. BGB, 80 InsO; §§ 1980 BGB, 316 ff. InsO; §§ 1990, 1992, 1978, 1979 BGB)
weder systematisch geregelt noch weiter geteilt oder phasenmäßig strukturiert wichtigster und fast einziger Grundsatz der Haftungsbeschränkung: Gesamtrechtslage bezüglich der Haftungsbeschränkung
(1) Haftung (für die Erblasserschulden) beschränkt auf den tatsächlichen Wert des von jedem Erben erworbenen Nachlassgegenstandes (§§ 1159, 1161 Abs. 1 S. 1 ZGB; § 33 Abs. 1 S. 1 ErbG) (2) Befreiung von der Haftung durch Erbverzicht (§ 1161 Abs. 2 ZGB; § 33 Abs. 2 ErbG)
systematisch geregelt, geteilt in vorläufige und endgültige Beschränkung und des Weiteren phasenmäßig strukturiert
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WANG Qiang Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten)
deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO) geteilt in drei Phasen Phase 1. zwischen Erbfall und Erbschaftsannahme Haftung als vorläufiger Erbe (§§ 1958, 1959 BGB)
I. vorläufige Haftungs weitgehend unberücksichtigt beschränkung
Haftung für Erblasser- und Erbfallschulden beschränkt auf den Nachlass Haftung für die Nachlasserben schulden unbeschränkt mit dem Erblasser- und Eigenvermögen bis Herbeiführung der Haftungsbeschränkung (§§ 1959, 1978 BGB) Phase 2. nach der Erbschafts annahme aufschiebende Haftungsbeschränkung durch Dreimonatseinrede (§ 2014 BGB) oder Aufgebotseinrede (§ 2015 Abs. 1 BGB) Phase 3. bis zur Ausübung des Beschränkungsrechts behandelt und geregelt als Schwebezustand (§§ 1975–1977, 781, 784 ZPO)
Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung
II. endgültige Haftungsbeschränkung im Rahmen des Erbrechts der VR China gesetzlich nicht geregelt, nur vorgeschlagen in den akademischen Entwürfen (§§ 2017, 2019, 2020 LIANG-Entwurf, 92 YANG-Entwurf) (1) Antragspflichtig: Erben, Nachlassverwalter
im Rahmen des deutschen Erbrechts gesetzlich klar und systematisch geregelt (§§ 1970–1974 BGB) Antragsberechtigt: Erben, Nachlassverwalter, Nachlasspfleger, und Testamentsvollstrecker;
Die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im Erbrecht Chinas Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten) (2) Frist des Antragsrechts: drei Monate/zehn Tage (nach Kenntnis erlangung vom Erbfalleintritt) (3) Mindestdauer des Aufgebots verfahrens: drei oder sechs Monate Rechtsfolgen:
Aufgebotsverfahren
(1) Schadensersatzpflicht gegenüber Nachlassgläubigern bei Verletzung der Antragspflicht (2) Anspruch der ausgeschlossenen Gläubiger nur auf den nach der Schuldberichtigung verbleibenden Restnachlass (3) während des Verfahrens berechtigt, Leistungsanspruch des Gläu bigers zu verweigern (4) nach der Aufgebotsfrist summen- oder quotenmäßige Befriedigung der Forderungen aus dem Nachlass im alten Erbgesetz nicht geregelt
Nachlassverwaltung
Antragsberechtigt: materiell Interessierte (beim Gericht) (§ 1146 ZGB) in §§ 1145–1149 ZGB nur Auswahlverfahren, Pflichten (Schadens ersatzpflicht bei Pflichtverletzung) und Vergütung des Nachlassverwalters detailliert angeordnet, aber die Erbenhaftung beschränkende Funktion der Nachlassverwaltung eben nicht verdeutlicht
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deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO) Antragsrecht: unbefristet Nach Abschluss des Aufgebotsverfahrens Erschöpfungs-/Ausschluss einrede des Erben (§ 1973 BGB) oder bei Nichtanmeldung der Forderung binnen fünf Jahren nach dem Erbfall Verschweigungseinrede (§ 1974 BGB) gegen ausgeschlossene Gläubiger weitere Rechtsfolgen: (1) Haftung nur mit dem nach Befriedigung der benannten Gläubiger verbleibenden Nachlassüberschuss (§ 1973 Abs. 1 S. 1 BGB) (2) Haftung gemäß dem Bereicherungsrecht (§§ 1973 Abs.2 S. 1, 812 ff. BGB) (3) ausgeschlossene Gläubiger immer noch vorrangig gegenüber Pflichtteils- und Vermächtnisberechtigten sowie Auflagenbegünstigten (§ 1973 Abs. 1 S. 2 BGB) gesetzlich klar, systematisch und funktionsgerecht geregelt (§§ 1981 ff. BGB) Antragsberechtigt: Erben oder Nachlassgläubiger (§ 1981 Abs. 1 BGB) Voraussetzungen der Anordnung (durch Gericht):
(1) Gefährdung der Forderungsbefriedigung aus dem Nachlass durch Verhalten oder Vermögenslage des unberücksichtigte wichtige Aspekte: Erben (§ 1981 Abs. 2 BGB) (1) Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Nachlassverwaltung
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WANG Qiang Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten)
deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO)
(2) Erbenhaftung für die Nachlass- (2) Deckung der Nachlassverwalverwaltung bis zu ihrer Übernahme tungskosten durch den Nachlassdurch den Nachlassverwalter wert (§§ 1982, 1988 Abs. 2 BGB) (3) Wirkungen der Beendigung des Nachlassverwaltungsverfahrens
(3) keine Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 1988 Abs. 1 BGB) Rechtsfolgen der Anordnung der Nachlassverwaltung: (1) Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch den Erben (§ 1984 Abs. 1 S. 1 BGB) und ihr Übergang auf den Nachlassverwalter und Nachlassschuldberichtigung aus dem Nachlass auch durch ihn (§ 1985 Abs. 1 BGB) (2) Ausgleich für den Verlust: Geltendmachung eines gegen den Nachlass gerichteten Anspruchs nur gegenüber dem Nachlassverwalter (anstatt gegenüber dem Erben) (§ 1984 Abs. 1 S. 3 BGB) (3) Nachlassschuldberichtigung durch den Verwalter nur zulässig, wenn die Nachlassmasse zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger genügt, sonst Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens durch ihn (§§ 1985 Abs. 2 S. 2, 1980 Abs. 1 S. 1 BGB); Schadensersatzpflicht des Verwalters gegenüber Nachlassgläubigern bei Verletzung der Prüfungspflicht Haftung des Erben gegenüber den Nachlassgläubigern für die Nachlassverwaltung bis zu ihrer Anordnung: (1) vom Anfall bis zur Erbschaftsannahme wie Geschäftsführer ohne Auftrag (§§ 1978 Abs. 1 S. 2, 677 ff. BGB)
Die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im Erbrecht Chinas Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
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deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO) (2) von Erbschaftsannahme wie ein vom Nachlassgläubiger Beauftragter (§§ 1978 Abs. 1 S. 1, 662 ff. BGB) (3) Geltendmachung beider Ansprüche nur durch Nachlassverwalter (§ 1978 Abs. 2 BGB) Wirkungen der Beendigung des Nachlassverwaltungsverfahrens: (1) Ausgabe des nach Tilgung aller Nachlassschulden verbleibenden Vermögens an den Erben (§ 1986 Abs. 1 BGB) (2) Aufhebung der Nachlassverwaltung vom Nachlassgericht nach dem Ausantworten des Restvermögens (§ 1988 BGB) (3) Haftung des Erben gegenüber den späteren Nachlassgläubigern nach der Beendigung der Nachlassverwaltung: beschränkt auf den Restnachlass (analog § 1990 Abs. 1 BGB) gesetzlich klar, systematisch und funktionsgerecht geregelt (§§ 1980 BGB, 315 ff., 47 ff., 80 ff. InsO) Antragsberechtigt: Erben, Nachlassverwalter, Nachlassgläubiger und Testamentsvollstrecker (§ 317 InsO) Voraussetzungen der Eröffnung:
Nachlassinsolvenz
gesetzlich nicht geregelt, nur im YANG-Entwurf (§§ 81, 83) kurz behandelt
(1) drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses (§ 320 InsO)
(1) Festlegung des Rangs der Nachlassverbindlichkeiten (§ 83 Abs. 1 YANG-Entwurf)
(2) Beantragung der Verfahrenser öffnung bei Kenntniserlangung davon (§ 1980 Abs. 1 BGB)
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WANG Qiang Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Nachlassinsolvenz
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten) (2) bei Überschuldung des Nachlasses anteilige Erfüllung gleichran giger Forderungen (§ 83 Abs. 2 YANG-Entwurf) (3) Nachlassliquidationsverfahren bei der Nachlassinsolvenz (§ 81 YANG-Entwurf)
deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO) (3) Antragstellung vor oder spätestens zwei Jahre nach der Erbschaftsannahme (§§ 316 Abs. 1, 319 InsO) Rechtsfolgen der Eröffnung: (1) Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass auf Insolvenzverwalter (§§ 80 Abs. 1, 148 Abs. 1, 159 InsO) (2) Befriedigung der Aus- und Ab sonderungsberechtigten (§§ 47 ff. InsO) und dann Berichtigung der Masseverbindlichkeiten (§§ 324, 54 ff. InsO) (3) Nachlassverteilung an die Gläubiger (§ 187 Abs. 3 InsO); letztrangig dabei: Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten Vermächtnisse und Auflagen (§ 327 InsO) (4) Reicht der Nachlass zur Befriedigung aller gleichrangigen Gläubiger nicht aus, anteilige Erfüllung ihrer Forderungen (5) Erschöpfungseinrede des Erben nach Abschluss des Nachlassinsolvenzverfahrens gegen nicht oder nicht vollständig befriedigte Nachlassgläubiger (§§ 1989, 1973 BGB) und Verweigerung der Erfüllung aus seinem Privatvermögen (§ 1975 BGB) gesetzlich klar, systematisch und f unktionsgerecht geregelt (§§ 1990 ff. BGB) Dürftigkeitseinrede: Voraussetzung: nicht einmal die Deckung der Kosten des Nachlassverwaltungs- und Nachlassinsol venzverfahrens durch den Nachlasswert (§ 1990 Abs. 1 S. 1 BGB)
Die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im Erbrecht Chinas Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten)
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deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO) Rechtsfolgen:
gesetzlich nicht geregelt Dürftigkeits- und Überschwerungseinrede
nur einigermaßen ableitbar aus dem in § 83 Abs. 2 YANG-Entwurf vorgesehenen Prinzip und Rang der Nachlassschuldentilgung
(1) Verweigerung der Befriedigung der Nachlassgläubiger durch den Erben ohne Nachlassverwaltungsoder Nachlassinsolvenzverfahren, als der Nachlass nicht ausreicht (2) Herausgabe des Nachlasses zur Befriedigung der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung (§ 1990 Abs. 1 S. 2 BGB) und ordnungsmäßige Verwaltung vorher Überschwerungseinrede: Voraussetzung: Überschuldung des Nachlasses durch Vermächtnisse und Auflagen, auch wenn der Nachlass im Übrigen die Verfahrenskosten deckt (§§ 1992 S. 1, 1990 BGB) Rechtsfolge: Beschränkte Haftung des Erben wie durch Dürftigkeitseinrede (§§ 1991 Abs. 1, 1978, 1979 BGB)
Inventarerrichtung
gesetzlich nicht geregelt, vorgeschlagen im YANG-Entwurf (§§ 77–80) z.B. Inventarisierungsfrist, -form, -zweck und Inventarisierung als Voraussetzung für Haftungsbeschränkung des Erben auf den tatsächlichen Nachlasswert (§ 77 Abs. 1 YANG-Entwurf) und unbeschränkte Haftung wegen unvollständigen oder falschen Inventars (§ 80 YANG-Entwurf)
gesetzlich klar, systematisch und funktionsgerecht geregelt (§§ 1993 ff. BGB) z.B. systematisch und klar geregelt: (1) Inventarisierungspflicht (§§ 1993, 1994 Abs. 1 S. 2, 2005 Abs. 1 S. 1 BGB), inventarisierungsrelevante Fristen (§§ 1994 ff. BGB), Inventarinhalt (§ 2001 BGB), Form und Prozess der Inventarisierung (§§ 2002, 2003, 2006 BGB) (2) unbeschränkte Haftung des Erben als Folge der nicht frist-, form-, inhalts- oder wahrheitsgemäßen Inventarisierung (§§ 1994, 2005, 2006 BGB) 2006 BGB)
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wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten) im Rahmen der Rechtsordnung der VR China
deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO)
im Rahmen des deutschen Rechts gesetzlich klar, systematisch und funktionsgerecht geregelt (§§ 2058 ff., 421 BGB, 780 ff. ZPO) Haftungsprinzip: gesamthände rische Haftung der Miterben für gemeinschaftliche Nachlassschulden (§§ 2058, 421, 426 BGB)
Prinzip der Haftung im ZGB- Erbrecht insgesamt weiter unklar (§§ 1159, 1161 Abs. 1 S. 1 ZGB) vorgesehen
Miterbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten
keine Verweisung im ZGB-Erbrecht auf die gesamthänderische Haftung gemäß § 178 des Allgemeinen Teils des ZGB oder auf gesamtschuldnerische Haftung nach § 518 ZGB-Vertragsrecht gesamtschuldnerische Haftung der Miterben für die Nachlassschulden vor und auch (im verschärften Maße) nach der Auseinandersetzung nur vorgeschlagen in den akademischen Entwürfen (§§ 2013 Abs. 2, 2016 LIANG-Entwurf, 90 Abs. 1 YANG-Entwurf)
Haftung vor Nachlassteilung: (1) zwei Möglichkeiten für die Gläubiger zur Durchsetzung der Forderung: Alt. 1: Gesamthandsklage gegen sämtliche Mitglieder der Miterben gemeinschaft (§ 2058 BGB) Alt. 2: Gesamtschuldklage gegen einzelne Miterben (§§ 2058, 421 BGB) (2) Einrede der vorläufigen Erbteilhaftung für Miterben: Haftung gegenständlich auf seinen Erbteil zu beschränken (§ 2059 Abs. 1 S. 1 BGB) (3) Pfändung der Gesamthandanteile nur gegen den einem Miterben (allein) gebührenden Anteil am Nachlass, aber nicht gegen seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen (§§ 2033 Abs. 2, 719 Abs. 1 BGB, 859 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO) (4) Vollstreckungsabwehrklage für den verklagten Miterben zur Verhinderung der Zwangsvollstreckung in sein Eigenvermögen (§§ 2059 Abs. 1 S. 1 BGB, 780, 781, 785, 767 ZPO)
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wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten)
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deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO) Haftung nach Nachlassteilung: (1) grundsätzlich weiter gesamt schuldnerische Haftung (§§ 2058, 421 BGB) (2) vom Zeitpunkt der Nachlassteilung an: verschärfte Haftung für die Miterben mit ihrem Eigenver mögen möglich (§§ 2058–2060 BGB) (3) bei Verwirkung des Anspruchs auf gesamtschuldnerische Haftung durch den Gläubiger: Haftung des Miterben nur nach seiner Erbquote (§§ 2060, 2061, 1973, 1974 BGB) Die Erb- aber nicht die Teilungsquoten sind maßgeblich für den Innenausgleich zwischen den Miterben infolge der Nachlassschuldentilgung, insbesondere bei einer Ausgleichungspflicht gemäß §§ 2050 ff. BGB.
Umfang, Inhalt und Arten der Nachlassver bindlichkeiten
Erblasserschulden
im Rahmen des Erbrechts der VR China
im Rahmen des deutschen Erbrechts
legal definiert als vom Erblasser herrührende Steuern und Schulden (§ 1159 S. 1 ZGB)
legal definiert als vom Erblasser herrührende Schulden (§ 1967 Abs. 2 Alt. 1 BGB)
keine Spezifizierung oder Präzisierung im Schrifttum
ausführlich und systematisch behandelt im Schrifttum
spezifiziert nur im Vorschlagsentwurf (§ 2013 Abs. 1 LIANG-Entwurf) als die dem Erblasser zu Lebzeiten obliegenden Steuern, die ausschließlich zur Bestreitung seiner eigenen Lebenshaltungs- und Produktionskosten hergerührten Schulden sowie sein Anteil an den Familienschulden
z.B. definiert als alle bereits zu Leb zeiten durch den Erblasser begrün deten und nicht mit dessen Tod erloschenen gesetzlichen, vertraglichen oder quasivertraglichen, Verpflich tungen, die nicht höchstpersönlich und übergangsfähig sind, einschließlich Grenzfällen, in denen der Erblasser vor Eintritt der zur Entstehung der Verbindlichkeiten notwendigen zusätzlichen Voraussetzung gestorben ist (etwa gemäß §§ 528; 765, 767 BGB)
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deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO)
im Rahmen des Erbrechts der VR China
im Rahmen des deutschen Erbrechts
gesetzlich nicht erfasst
Erbfallschulden Gesamtrechtslage und Überblick
gesetzlich (teilweise) definiert und aufgezählt als die den Erben als Erb lasserschulden treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere diese aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen (§ 1967 Abs. 2 BGB)
kaum Spezifizierung oder Präzisierung im Schrifttum
ausführlich und systematisch behandelt im Schrifttum
nur komplementär genannt in § 1159 ZGB, aber nicht systematisch als Erbfallschulden kategorisiert, erst nicht definiert
präziser definiert, z.B. als die mit oder nach dem Erbfall in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten inhaltlich systematisiert als:
genannt in § 1159 S. 2 ZGB als unentziehbarer Teil (§§ 1130 Abs. 2, 1141 ZGB; identisch zu §§ 13 Abs. 2, 19 ErbG) allerdings ohne ihn ausdrücklich als Erbfallschuld zu kategorisieren, erst nicht als Erbfallschuld im engeren und weiteren Sinne zu systematisieren, und ferner ohne die weiteren gesetzlich geregelten Erbfallschulden, z.B. Ehegattenerbrechtsanspruch (§ 1153 Abs. 1 Hs. 1 ZGB; ähnlich wie § 26 Abs. 1 Hs. 1 ErbG), Vermächtnisanspruch (§§ 1158, 1133 Abs. 3 ZGB; mit § 31 ErbG als Grundlage und fast identisch zu § 16 Abs. 3 ErbG) und Nachlass anspruch des verdienten Erben (§ 1130 Abs. 3 ZGB; identisch zu § 13 Abs. 3 ErbG) oder des Nicht erben (§ 1131 ZGB i.V.m. Ziffer 19, 20 OVG-Erläuterungen; identisch zu § 14 ErbG i.V.m. Ziffer 30, 31
Erbfallschulden im engeren Sinne (teilweise aufgezählt in § 1967 Abs. 2 BGB): z.B. Vermächtnisse (§ 2174 BGB), Pflichtteilsansprüche (§§ 2303 ff. BGB) und Auflagen (§§ 2192 ff. BGB) & Erbfallschulden im weiteren Sinne, darunter die anlässlich des Erbfalls und in Bezug auf den Nachlass entstehenden Nachlasskostenschulden: z.B. Kosten der Beerdigung oder Feuerbestattung des Erblassers (§ 1968 BGB), Kosten der Öffnung einer Verfügung von Todes wegen (§§ 2260, 2300 BGB), der Nachlasssicherung oder -pflegschaft (§§ 1960 ff. BGB), der Inventarerrichtung (§ 1993 BGB), der Nachlassverwaltung (§§ 1975, 1981 ff. BGB) und der Pflegschaft für einen Nacherben (§ 1913 S. 2 BGB)
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deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO)
ErbG-Ansichten), als Erbfallschulden oder überhaupt als Nachlassverbindlichkeiten aufzuzählen oder zu behandeln
verschiedene Arten der Erbfallschulden
Erbfallschulden im Rahmen des Erbrechts der VR China
vergleichbare Erbfallschulden im Rahmen des deutschen Erbrechts
Ehegattenanspruch auf Voraus/ Ehegattenerbrechtsanspruch (§ 1153 S. 1 ZGB; grundsätzlich identisch zu § 26 Abs. 1 ErbG)
Voraus des überlebenden Ehegatten (§ 1932 BGB)
(1) Anspruchsberechtigter: überlebender Ehegatte (2) Anspruchsumfang: 1/2 des gemeinschaftlichen Ehevermögens261 (3) Umsetzung: vor Nachlassteilung vom gemeinschaftlichen Ehever mögen auszuscheiden (§ 1153 S. 1 Hs. 1 ZGB) (4) Rechtsfolge: nach der Ausscheidung verbleibende 1/2 des Gesamtguts als Nachlassgegenstand, wozu der überlebende Ehegatte neben den Miterben ebenfalls erb- bzw. teilungsberechtigt ist (§ 1153 S. 1 Hs. 2 ZGB) (5) Besonderheiten (für chinesisches Erbrecht): anspruchs- und erbberechtigter Ehegatte gleichzeitig als Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten (6) Fragwürdig: Haftung des Ehegatten als Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten gemäß dem sämtlichen geerbten Vermögen oder nur anteilsmäßig an der Hälfte des Gesamtguts?
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neben Verwandten der zweiten Ordnung oder Großeltern Anspruch auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und Hochzeitsgeschenke (§§ 1932 Abs. 1 S. 1, 1924 BGB) neben Verwandten der ersten Ordnung Anspruch auf diese Gegenstände zur Führung angemessenen Haushalts (§§ 1932 Abs. 1 S. 2, 1925 BGB) Natur als Nachlassschuld: Vermächtnisanspruch (§ 1932 Abs. 2 BGB) großer Pflichtteil (= erhöhter Zugewinnausgleich) 1/4 der Erbschaft zusätzlich zum gesetzlichen Erbteil des überlebenden Ehegatten (§§ 1371 Abs. 1, 1931 BGB) kleiner Pflichtteil (gesetzlicher) Pflichtteil neben dem Zugewinnausgleich (§§ 1371 Abs. 2 und 3, 1931, 1373 ff., 2303 Abs. 2 BGB)
Laut § 26 Abs. 1 Hs. 1 ErbG: Hälfte des im Gesamthandeigentum beider Ehegatten befind lichen und während des Fortbestands der Ehe zugewonnenen Vermögens.
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Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten)
deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO) Dreißigster (§ 1969 BGB)
unentziehbarer Teil (§§ 1141, 1159 S. 2 ZGB; § 19 ErbG, wozu § 1141 ZGB identisch ist) (1) Natur als Nachlassschuld: gesetzlich vorgeschrieben, bedarfsabhängig und zwecks der Unterhaltssicherung, auch bei Nachlassinsolvenz privilegiert (2) Anspruchsberechtigte: (nur) arbeits- und unterhaltsunfähige Erben (3) Anspruchsumfang: (zumindest) für den Lebensunterhalt notwendiger Anteil am Nachlass, aber ungenau und nicht näher festgelegt (4) Umsetzung: vor der Nachlassabwicklung bzw. -teilung dem Erben vorzubehalten (5) Fragwürdig: (weitere) Haftung des anspruchsberechtigten Erben für Nachlassverbindlichkeiten oder Befreiung davon und in welchem Umfang?
(1) Natur als Nachlassschuld: Vermächtnis (§ 1969 Abs. 2 BGB) (2) Anspruchsberechtigte:262 Fami lienmitglieder (Ehegatte, Lebens partner nach § 11 LPartG, Verwandte und Verschwägerte) sowie andere vom Erblasser tatsächlich als zur Familiengemeinschaft gehörig behandelten Personen, wie Freunde, Pflegekinder und dergleichen (3) Anspruchsumfang: Unterhalt sowie Benutzung der Wohnung und Haushaltsgegenstände in demselben vom Erblasser gewährten Umfang in den ersten 30 Tagen nach dem Eintritt des Erbfalls Pflichtteil (§§ 2303 ff. BGB) (1) Natur als Nachlassschuld: gesetzlich vorgeschrieben (§ 2303 BGB)263 und bedarfsunabhängig (2) Anspruchsberechtigte: Abkömmlinge, Ehegatte und Eltern des Erblassers (3) Anspruchsumfang: 1/2 des jeweiligen Wertes des gesetzlichen Erbteils (§§ 1924, 1925, 1931 BGB)
Nachlassanspruch des Nichterben (§ 1131 ZGB i.V.m. Ziffer 19, 20, 21 OVG-Erläuterungen; § 14 ErbG i.V.m. Ziffer 30, 31, 32 ErbGAnsichten) 262
→ Hinsichtlich der Funktion der Unterhaltsgewährung vergleichbar mit dem Dreißigsten des § 1969 BGB (s.o.)
Laut Gesetzestext (§ 1969 Abs. 1 S. 1BGB): Familienangehörigen des Erblassers, die zur Zeit des Todes des Erblassers zu dessen Hausstand gehören und von ihm Unterhalt bezogen haben. 263 Außer in den Fällen des § 2333 BGB, die die Pflichtteilsentziehung rechtfertigen.
Die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im Erbrecht Chinas Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten) (1) Natur als Nachlassschuld: eine Art gesetzliches Vermächtnis, gesetzlich vorgeschrieben, aber nicht eindeutig formuliert und zwar als Kann- anstatt als Soll-Vorschrift (§ 1131 ZGB), entweder bedarfsabhängig (Alt. 1) oder leistungsabhängig (Alt. 2) (2) Anspruchsberechtigte: Nichterbe, der ohne Arbeits- und Unterhaltsfähigkeit vom Unterhalt des Erblassers abhängiger war und ist (Alt. 1) oder den Erblasser in überwiegendem Umfang unterhielt (Alt. 2)
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deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO) (1) unterschiedlich von dem Unterhaltsanspruch des geradlinigen Verwandten (§§ 1601, 1615 BGB), des getrenntlebenden Ehegatten (§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 BGB) oder des Lebenspartners (§§ 5 S. 2, 12 LPartG) des Erblassers, ferner von dem Unterhaltsanspruch des vom Erblasser geschiedenen Ehegatten (§§ 1570 ff. BGB) oder getrennten Lebenspartners (§ 16 LPartG) anhand 1586b BGB und der Mutter des vom Erblasser gezeugten nichtehelichen Kindes (§§ 1592 Nr. 2, 1600d Abs. 1, 2, 1601 ff. BGB)
(3) Anspruchsumfang: angemessener Nachlassanteil, höher oder niedriger als der gesetzliche Erbteil (Ziffer 20 OVG-Erläuterungen = Ziffer 31 ErbG-Ansichten)
(2) Höhe des Unterhaltsanspruchs abhängig von der Lebensstellung des Bedürftigen (§ 1610 BGB) oder den ehelichen Lebensverhältnissen (1578 BGB)
(4) Umsetzung: Anspruch bei der Nachlassteilung vom anspruchsberechtigten Nichterben geltend zu machen, unterliegt einer Klageausschlussfrist von zwei Jahren nach der Auseinandersetzung (Ziffer 21 OVG-Erläuterungen = Ziffer 32 S. 1 ErbG-Ansichten)
(3) Unterhaltsanspruchsberechtigte selbst überwiegend gesetzliche Erben (§§ 1924 ff., 1931, 1933 BGB, 10 LPartG)
Anspruch des Erben auf höheren Nachlassanteil (§ 1130 Abs. 3 ZGB; identisch zu § 13 Abs. 3 ErbG) (1) Natur als Nachlassschuld: eine Art gesetzliches Vermächtnis, aber wieder nicht eindeutig formuliert als Kann- anstatt als Soll-Vorschrift, leistungsabhängig, Belohnung für die größere Unterhaltsleistung
Ausgleichungsanspruch eines bkömmlings bei besonderen A Leistungen (§ 2057a BGB) (1) Natur als Nachlassschuld: Maßnahme zur Verhinderung der Schlechterstellung der besonders verdienten Abkömmlinge in der Auseinandersetzung
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WANG Qiang Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten)
deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO)
(2) Anspruchsberechtigte: Erben, (2) Anspruchsberechtigte: die den Erblasser hauptsächlich Abkömmlinge unterhalten oder durch Zusammen(3) Anspruchsgrundlage: leben mit ihm versorgt haben (3) Anspruchsumfang: Anteil höher als der gesetzliche Erbteil, nicht genau quantifiziert (4) Umsetzung: bei der Nachlassteilung geltend zu machen (5) Besonderheiten (für chinesisches Erbrecht): anspruchs- und erbberechtigter Erbe gleichzeitig als Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten (6) Fragwürdig: (weitere) Haftung des anspruchsberechtigten Erben für Nachlassverbindlichkeiten nach dem größeren Nachlassanteil oder dem gesetzlichen Erbteil? Vermächtnisanspruch aus der Vereinbarung über Vermächtnisse und Unterhalt (§ 1158 ZGB; ähnlich wie § 31 ErbG nur unter Erweiterung der kollek tiven Organisationen als Unterhaltspflichtige zu Organisation) (1) Natur als Nachlassschuld: Anspruch (mit vertraglicher Bindungskraft) aufgrund eines zweiseitig verpflichtenden Vertrags (zwischen Vermächtnisnehmer und -geber) in Verbindung mit der testamentarischen Verfügung des Vermächtnisgebers
Alt. 1: erheblicher Beitrag zur Vermehrung des Vermögens des Erb lassers durch langzeitige Mitarbeit in dessen Haushalt, Beruf oder Geschäft oder durch erhebliche Geld- oder anderweitige Leistungen Alt. 2: langzeitige Pflege des Erb lassers (§ 2057a Abs. 1 BGB) (4) Anspruchsumfang: Anspruch auf eine Ausgleichung bei der Auseinandersetzung unter den Abkömmlingen
Anspruch aus dem entgeltlichen Erbvertrag (§§ 1941, 2274 ff. BGB) (1) Natur als Nachlassschuld: Anspruch aufgrund einer Verfügung von Todes wegen (2) Natur des entgeltlichen Erbvertrags: a. immer noch letztwillige, daher einseitig verpflichtende Verfügung mit stärkerer Bindungskraft als ein normales Testament
Die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im Erbrecht Chinas Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten) (2) Bestandteile der Vereinbarung:
deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO)
a. Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen, den Erblasser zu Leb zeiten zu unterhalten und nach dessen Tod zu beerdigen
b. ein einheitliches, mit einem anderen Vertrag zusammengesetztes Rechtsgeschäft, das (nur) den Vertragspartner des Erblassers zu einer Leistung264 (als Entgelt für die letztwillige Verfügung) verpflichtet
b. Verpflichtung des Vermächtnisgebers (Erblassers), den Unterhaltspflichtigen durch Verfügung von Todes wegen als Vermächtnisnehmer zu bedenken
c. zwischen der Leistung und der letztwilligen Verfügung keine synallagmatische Verknüpfung im Sinne eines gegenseitigen Vertrags (§§ 320 ff. BGB)
c. in Verbindung mit einer testa mentarischen Verfügung des Erb lassers, die den Unterhaltspflichtigen als Vermächtnisnehmer einsetzt
d. Gegenstand derartiger Verfügungen in Erbeinsetzung, Vermächtnis oder in einer Auflage (2278 Abs. 2 BGB)
(3) Anspruchsberechtigte: nur Nichterbe (§ 1158 ZGB)
(3) Anspruchsberechtigte, oder genauer, Bedachte: Erbe oder Nichterbe
(4) Anspruchsumfang: Teil des Nachlasses oder Gesamtnachlass, häufiger Gesamtnachlass Vermächtnisanspruch (§ 1133 Abs. 3 ZGB; identisch zu § 16 Ab. 3 ErbG) (1) Natur als Nachlassschuld: Anspruch aufgrund einer testamentarischen Verfügung (2) Anspruchsberechtigte: nur Nichterbe, Vorausvermächtnis unbekannt (3) Anspruchsgegner: nur Erbe, aber gesetzlich nicht geregelt und begrifflich insgesamt unklar, Untervermächtnis, Ersatz- und Nachvermächtnisnehmer unbekannt
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In der Regel an den Erblasser.
(4) Anspruchsumfang: in der Regel Teil des Nachlasses Vermächtnisanspruch (§§ 1939, 2147 ff. BGB) (1) Natur als Nachlassschuld: Anspruch aufgrund einer testamentarischen Verfügung (2) Anspruchsberechtigte: Nichterbe oder Erbe (z.B. durch Vorausvermächtnis gemäß § 2150 BGB) (3) Anspruchsgegner: gesetzlich geregelt (§ 2147 BGB) und begrifflich klar, Erbe oder Vermächtnisnehmer (z.B. durch Untervermächtnis gemäß §§ 2186 ff. BGB), daher auch Nichterbe
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WANG Qiang Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten) (4) Anspruchsumfang: Teil des Nachlasses oder Gesamtnachlass, häufiger Gesamtnachlass im buchstäblichen Sinne des Universalvermächtnisses infolge der fast unbeschränkten Testierfreit des Erb lassers im Rahmen des Erbrechts der VR China
deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO) (4) Anspruchsumfang: in der Regel nur Teil des Nachlasses, Universalvermächtnis im buchstäblichen Sinne kaum möglich, Testierfreit des Erblassers eingeschränkt vor allem dank des Pflichtteilsrechts (§§ 2303 ff. BGB) im Rahmen des deutschen Erbrechts gesetzlich nicht unmittelbar als Nachlasserbenschulden erwähnt, aber mit einer eigenständigen Doppelstellung als Nachlassverbindlichkeit und Eigenschuld im ganzen Erbrecht
beinhalten z.B. alle Verpflichtungen des Vorerben (§§ 2100 ff. BGB), des vorläufigen Erben (§§ 1942 ff., 1953 BGB), eines Miterben und des endgültigen Erben vor Nachlassordnung (§§ 1975, 1990 ff. BGB), die sie vollständiges Außerachtlassen der in ordnungsmäßiger Verwaltung des Rechtsfigur mit der SystematisieNachlasses Dritten gegenüber einrung der Besonderheiten der Erben- gehen, ohne ihre Haftung ausdrückhaftung in den rechtsgeschäftlichen lich oder konkludent auf den NachGrenzfällen, gekennzeichnet durch lass zu beschränken die zweifachen, voneinander abzugrenzenden Vermögensmassen Voraussetzung zur Begründung: Ordnungsmäßigkeit und Nachlass bezug der verwaltungsrelevanten Verpflichtungsgeschäfte weder gesetzlich geregelt noch im Schrifttum als eine Kategorie der Nachlassverbindlichkeit thematisiert
Nachlasserbenschulden
im Schrifttum substantiell, systematisch behandelt, mit Rücksicht auf die juristisch wichtigen Aspekte
Die Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten im Erbrecht Chinas Rechtsordnung
wichtige Aspekte der Erbenhaftung
(vorgeschlagene) Rangfolge der B erichtigung der Nachlassverbindlichkeiten
Erbrecht der VR China (ZGB-Erbrecht/ErbG und ZGB; OVG-Erläuterungen/ ErbG-Ansichten)
im Rahmen des Erbrechts der VR China
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deutsches Erbrecht (BGB-Erbrecht und BGB, InsO, ZPO) im Rahmen des deutschen Erbrechts (nur mit Rücksicht auf die mit den chinesischen Nachlassschulden vergleichbaren Verbindlichkeiten) 1. Ehegattenanspruch auf großen Pflichtteil oder auf Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 1, 2, 3 BGB)
1. Ehegattenanspruch auf Voraus/ Ehegattenerbrechtsanspruch (§ 1153 S. 1 ZGB) 2. Anspruch auf unentziehbaren Teil (§§ 1141, 1159 S. 2 ZGB) 3. Kosten der Beerdigung, der Nachlassverwaltung (§ 1149 ZGB) und der Testamentsvollstreckung 4. vom Erblasser herrührende Steuern und Schulden (§§ 1159 S. 1, 1161 Abs. 1 ZGB) 5. Vermächtnisanspruch aus der Vereinbarung über Vermächtnisse und Unterhalt (§ 1158 ZGB) 6. testamentarisch begründeter Vermächtnisanspruch (§ 1133 Abs. 3 ZGB) 7. Nachlassanspruch des Nichterben (§ 1131 ZGB) und Erbenanspruch auf höheren Nachlassanteil (§ 1130 Abs. 2, Abs. 3 ZGB) ohne feststellbare Rangfolge 8. Nachlasserbenschulden 9. Erbauseinandersetzung
2. Kosten der Beerdigung (§ 1968 BGB), Nachlass- und Nachlassinsolvenzverwaltung (§ 1987 BGB), Testamentsvollstreckung (§ 2221 BGB), der Inventarerrichtung usw. 3. Erblasserschulden einschließlich verschiedener bereits gegen den Erblasser begründeter Unterhaltsansprüche (§ 1967 Abs. 2 BGB) 4. Ehegattenanspruch auf „kleinen Pflichtteil“ (§ 1371 Abs. 2, 3 BGB), Ehegattenanspruch auf Voraus (§ 1932 BGB), Anspruch auf Dreißigsten (§ 1969 BGB), Ausbildungsanspruch der einseitigen Abkömmlinge (§ 1371 Abs. 4 BGB) 5. zuerst (sonstige) Pflichtteilsansprüche (§§ 2303 ff. BGB), dann Vermächtnisansprüche (§§ 1939, 2147 ff. BGB) und Auflagenansprüche (§ 327 InsO) 6. Nachlasserbenschulden 7. Ausgleichungsanspruch eines Abkömmlings bei besonderen Leistungen (§ 2057a BGB) 8. Anspruch aus dem entgeltlichen Erbvertrag (§§ 1941, 2274 ff. BGB) 9. Erbauseinandersetzung
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Christoph Karczewski
Aktuelle Entwicklungen im Erbrecht und sonstigen Zivilrecht A. Pflichtteilsrecht I. Auskunftspflicht, § 2314 Abs. 1 BGB1 1. BGH vom 29. September 2021 – IV ZR 328/202 Die Klägerin als Pflichtteilsberechtigte nimmt den Beklagten als Erben im Wege der Stufenklage auf Wertermittlung (Klagantrag zu 1) sowie auf Zahlung eines Betrages in nach erfolgter Wertermittlung noch zu bestimmender Höhe (Klagantrag zu 2) in Anspruch. Der Beklagte ist der testamentarische Erbe des 2017 verstorbenen Erblassers Kurt Gerhard V., die Klägerin dessen einzige Tochter. Die 2014 verstorbene Gisela Rosemarie V. war Eigentümerin des Hausgrundstücks Hauptstraße 71 in B. Sie wurde beerbt von dem Erblasser zu 1/2 sowie drei weiteren Miterben zu je 1/6. Der Beklagte und die weiteren Miterben veräußerten das Grundstück mit Kaufvertrag vom 14. November 2017 für 65.000 €. In einem Gutachten für eine – im Ergebnis erfolglos verlaufene – Teilungsversteigerung vom 7. März 2016 wurde der Grundstückswert mit 245.000 € ermittelt. In einer Bewertung seitens der Volksbank für den Beklagten vom 24. Juli 2017 wurde der Grundstückswert mit 58.000 € bemessen. Ein weiteres im Auftrag der Klägerin erstattetes Gutachten vom 24. Juli 2018 gab den Wert des Grundstücks mit 120.000 € bis 175.000 € an. Der Beklagte zahlte an die Klägerin insgesamt 33.364,63 € auf den Pflichtteil. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe unabhängig von der Veräußerung des Grundstücks ein Anspruch auf Ermittlung des Wertes zum Zeitpunkt des Erbfalles zu. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, den Wert der im Miteigentum des Erblassers stehenden Immobilie durch Vorlage eines Wertgutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu ermitteln. Ferner hat es den Beklagten verurteilt, nach erfolgter Wertermittlung an die Klägerin einen Betrag in noch zu bestimmender Höhe nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin für den Fall, dass das Berufungsgericht den Wertermittlungsanspruch verneint, beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 19.284,75 € nebst Zinsen zu verurteilen. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, der Klägerin 270,25 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 16. August 2018 zu zahlen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Begehren mit Ausnahme der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten weiter. Keim, ZEV 2018, 501; Lange, ZEV 2020, 253–262; Heinze, ErbR 2020, 446–452; Außner, ZEV 2020, 743–748; zur Wertermittlung ferner Horn, ZEV 2018, 627. 2 ZEV 2021, 762 m. Anm. Lange.
1 Vgl.
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Christoph Karczewski
Die Revision ist im Wesentlichen begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Wertermittlung des Miterbenanteils des Erblassers an dem streitgegenständlichen Grundstück zu. Gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird. Der Anspruch dient nicht dazu, für den Pflichtteilsberechtigten und den Erben verbindlich den Wert des Nachlassgegenstandes im Zeitpunkt des Erbfalles gemäß § 2311 BGB festzulegen, sondern soll dem Pflichtteilsberechtigten die Beurteilung des Risikos eines Rechtsstreits über den Pflichtteil erleichtern. Der Pflichtteilsberechtigte hat jedenfalls dann ein schutzwürdiges Interesse an einer derartigen Wertermittlung, wenn die vom Erben vorgelegten Unterlagen und Auskünfte nicht ausreichen, sich ein Bild über den Wert des Nachlassgegenstandes zu machen. Ob ein derartiger nach dem Wortlaut von § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB einschränkungsloser Anspruch in Ausnahmefällen nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB oder wegen Verstoßes gegen das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB ausscheidet, wenn bereits mehrere Sachverständigengutachten zu dem Wert des Nachlassgegenstandes eingeholt wurden und zu demselben Ergebnis kamen, kann offenbleiben. Ein derartiger Fall liegt hier jedenfalls nicht vor. Die eingeholten Sachverständigengutachten variieren in ihren Werten zwischen 58.000 € und 245.000 €. Die Veräußerung des Grundstücks erfolgte für 65.000 €. Angesichts dieser stark differierenden Angaben kann der Klägerin ein schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung des Wertermittlungsanspruchs nicht abgesprochen werden. Dem Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Wertermittlung steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Nachlassgegenstand vom Erben – wie hier seitens des Beklagten hinsichtlich des Grundstücks geschehen – nach dem Erbfall veräußert wurde. Dies rechtfertigt sich daraus, dass dem Pflichtteilsberechtigten anderenfalls der Nachweis verwehrt bzw. zumindest erschwert würde, dass der Veräußerungserlös nicht dem tatsächlichen Verkehrswert entspricht. Gegen eine Versagung des Wertermittlungsanspruchs in Fällen der nachträglichen Veräußerung eines Nachlassgegenstandes spricht ferner, dass ausweislich der Regelung in § 2314 Abs. 2 BGB die Kosten für die Auskunftserteilung und Wertermittlung nach Absatz 1 dem Nachlass zur Last fallen, während der Pflichtteilsberechtigte, der im Rahmen von § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB einen anderen Verkehrswert als den tatsächlichen Veräußerungserlös behauptet, insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist und damit auch die entsprechenden für die Wertermittlung erforderlichen Kosten zu tragen hat. Nichts anderes ergibt sich im Streitfall, wenn man der vereinzelt im Schrifttum vertretenen Auffassung folgt, nach Veräußerung eines Nachlassgegenstandes komme grundsätzlich kein Wertermittlungsanspruch mehr in Betracht, es sei denn, es lägen außergewöhnliche Umstände vor, zu denen konkrete Anhaltspunkte dafür zählen sollen, dass der erzielte Verkaufserlös nicht dem tatsächlichen Wert entspricht. Derartige Umstände liegen hier – anders als das Berufungsgericht meint – angesichts der unterschiedlichen Wertan-
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gaben in den Gutachten und dem davon abweichenden erzielten Kaufpreis sowie der von der Klägerin geäußerten Vermutung einer unter dem Verkehrswert erfolgten Veräußerung des Grundstücks vor. Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des Senats zur Wertbemessung gemäß § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen. Hiernach werden bei der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalles zugrunde gelegt. Der Pflichtteilsberechtigte ist wirtschaftlich so zu stellen, als sei der Nachlass beim Tod des Erblassers in Geld umgesetzt worden. Abzustellen ist auf den so genannten gemeinen Wert, der dem Verkaufswert im Zeitpunkt des Erbfalles entspricht. Da derartige Schätzungen mit Unsicherheiten verbunden sind, entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass sich die Bewertung von Nachlassgegenständen, die bald nach dem Erbfall veräußert worden sind, von außergewöhnlichen Verhältnissen abgesehen, grundsätzlich an dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis orientieren muss. Diese Rechtsprechung bezieht sich indessen nicht auf die erste Stufe der Pflichtteilsklage hinsichtlich Auskunft und Wertermittlung gemäß § 2314 Abs. 1 BGB, sondern auf die konkrete Berechnung des Pflichtteilsanspruchs auf der dritten Stufe im Rahmen von § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Wertermittlungsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB dient dagegen – wie oben dargelegt – gerade nicht der verbindlichen Festlegung des Wertes des Nachlassgegenstandes im Rahmen von § 2311 BGB, sondern der vorläufigen Unterrichtung des Pflichtteilsberechtigten zur Berechnung seines Anspruchs und der Beurteilung des Risikos eines Rechtsstreits. Im Übrigen ist in der Senatsrechtsprechung auch im Rahmen von § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB anerkannt, dass eine Bindung an den tatsächlich erzielten Verkaufspreis dann nicht mehr in Betracht kommt, wenn der darlegungs- und beweispflichtige Pflichtteilsberechtigte Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, nach welchen der Verkaufserlös nicht dem tatsächlichen Verkehrswert im Zeitpunkt des Erbfalles entspricht. Der Klägerin steht allerdings nicht der von ihr geltend gemachte und vom Landgericht tenorierte Anspruch auf Ermittlung des Wertes der Immobilie durch Vorlage eines Wertgutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu. Die Qualifikation des Sachverständigen ist in § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB nicht geregelt. Maßgebend ist alleine, dass der Wert des Nachlassgegenstandes durch einen unparteiischen Sachverständigen ermittelt wird, unabhängig davon, ob er öffentlich bestellt und vereidigt ist oder nicht. Ferner hat die Klägerin keinen Anspruch auf Ermittlung des Wertes des Grundstücks als solchem. Dieses stand im Eigentum einer Erbengemeinschaft, an der der Erblasser mit einem Anteil von 1/2 beteiligt war. Nur dieser Anteil des Erblassers an der Erbengemeinschaft fällt in den Anlass, so dass sich auch der Wertermittlungsanspruch nur hierauf erstrecken kann. Insoweit hat die Berufung des Beklagten Erfolg und war der weitergehende Klagantrag zu 1 abzuweisen. Der Rechtsstreit ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang unter Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils an das Landgericht zurückzuver-
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weisen. Dieses hat im Rahmen der Stufenklage zu Unrecht nicht nur dem Wert ermittlungsanspruch stattgegeben, sondern den Beklagten bereits auf der zweiten Stufe zur Zahlung verurteilt. Eine derartige Verurteilung kommt indessen erst nach Einholung des Wertermittlungsgutachtens in Betracht. Da das Berufungsgericht aus diesem Grund bei richtiger Sachbehandlung das Urteil des Landgerichts insoweit hätte aufheben und die Sache an das Landgericht zurückverweisen müssen, ist dies vom Senat nachzuholen.
2. BGH vom 1. Dezember 2021 – IV ZR 189/20 Der Kläger macht im Wege der Stufenklage einen Pflichtteilsanspruch gegen den Beklagten als Alleinerben des am 10. November 2010 verstorbenen Erblassers, des Vaters der Parteien, geltend und nimmt den Beklagten auf der zweiten Stufe auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung in Anspruch. Der Beklagte erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 4. März 2014 Auskunft über den Nachlassbestand durch Übersendung einer „Erklärung des Erben […] über den Nachlass nach [Erblasser]“ vom 23. Februar 2014. Durch rechtskräftiges Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts wurde der Beklagte im Wege der Stufenklage verurteilt, Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, das im Einzelnen alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen, alle beim Erbfall vorhandenen Verbindlichkeiten und alle vom Erblasser zu seinen Lebzeiten getätigten ergänzungspflichtigen Schenkungen, insbesondere von zwei näher bezeichneten Grundstücken, umfasst. Nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 25. November 2016 ein auf seine Veranlassung erstelltes notarielles Nachlassverzeichnis vom 11. Oktober 2016 vorgelegt hatte, hat der Kläger auf der zweiten Stufe beantragt, den Beklagten zu verurteilen, vor der zuständigen Stelle die Richtigkeit der Angaben im notariellen Verzeichnis an Eides statt zu versichern. Durch weiteres Teilurteil hat das Landgericht die Klage auf der zweiten Stufe abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht unter Abweisung der Klage auf der zweiten Stufe im Übrigen und Zurückweisung der weitergehenden Berufung das erstinstanzliche Teilurteil abgeändert und den Beklagten verurteilt, an Eides statt zu versichern, dass der Aktiv- und Passivbestand des Nachlasses des Erblassers einschließlich der Schenkungen in seinen letzten zehn Lebensjahren und der ausgleichspflichtigen Zuwendungen in dem notariellen Nachlassverzeichnis vom 11. Oktober 2016, soweit die Angaben im Verzeichnis als solche des Beklagten gekennzeichnet sind, so vollständig als möglich und nach bestem Wissen angegeben ist, als er dazu imstande war. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Abgabe einer sämtliche Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis umfassenden eidesstattlichen Versicherung weiter, während der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Teilurteils erstrebt.
Die Revision des Klägers hat Erfolg, diejenige des Beklagten ist weitgehend unbegründet. Die Revision des Klägers ist begründet. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB sei bei Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses im Sinne des § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB auf die Angaben beschränkt, die als solche des Erben gekennzeichnet sind. Vielmehr steht dem Pflichtteilsberechtigten ein unbeschränkter Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu. Etwaige vom Erben für erforderlich gehaltene Berichtigungen oder Ergänzungen des notariellen Verzeichnisses
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sind bei der Fassung der Formel der eidesstattlichen Versicherung zu berücksichtigen (vgl. § 261 Abs. 1 BGB). Ob der Pflichtteilsberechtigte vom Erben unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auch dann verlangen kann, wenn die Vollständigkeit der Angaben in einem notariellen Nachlassverzeichnis (§ 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB) an Eides statt versichert werden soll, ist umstritten. Eine Auffassung geht davon aus, dass ein notarielles Nachlassverzeichnis nicht Gegenstand einer eidesstattlichen Versicherung sein könne, weil es in der Regel keine eigenen Erklärungen des Auskunftsverpflichteten, die zu versichern wären, enthalte. Nach der überwiegenden Auffassung kann hingegen auch bei Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestehen. Deren Gegenstand seien aber nur die Angaben, die der Notar in dem Verzeichnis als solche des auskunftspflichtigen Erben gekennzeichnet hat und nicht das Verzeichnis insgesamt. Dagegen hat der Erbe nach einer dritten Auffassung eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, die sämtliche Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis umfasst. Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB ist der Erbe auch dann zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn die Auskunft nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt worden ist. Eine Beschränkung der Versicherung an Eides statt auf die Angaben, die im Verzeichnis als solche des Erben gekennzeichnet sind, erfolgt nicht. Hält der Erbe Ergänzungen oder Berichtigungen des notariellen Verzeichnisses für erforderlich, ist die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anzupassen (vgl. § 261 Abs. 1 BGB). Für eine unbeschränkte eidesstattliche Versicherung sprechen bereits der Wortlaut und die Systematik der §§ 2314 Abs. 1, 260 Abs. 1 und 2 BGB. Nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte „auch“ verlangen, dass „das Verzeichnis“ durch einen Notar aufgenommen wird. Aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ergibt sich, dass es sich hierbei um ein Bestandsverzeichnis im Sinne des § 260 Abs. 1 BGB handelt. Denn nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Nach § 260 Abs. 1 BGB ist dieser Auskunftsanspruch dadurch zu erfüllen, dass der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten ein Verzeichnis des Bestandes vorlegt. Dies wird durch § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB bestätigt. Danach kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm „nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses der Nachlassgegenstände“ zugezogen wird. Indem § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB im Anschluss hieran „das Verzeichnis“ nennt, nimmt er auf das zuvor in § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB genannte Verzeichnis im Sinne des § 260 Abs. 1 BGB Bezug. Mit Blick darauf ist ein ausdrücklicher Verweis in § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB auf § 260 BGB nicht erforderlich.
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Nach § 260 Abs. 2 BGB ist der Verpflichtete zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist. Dabei unterscheidet der Wortlaut des § 260 Abs. 2 BGB nicht danach, wer das Verzeichnis aufgestellt hat, sondern ist im Passiv formuliert, sodass auch das vom Notar erstellte Nachlassverzeichnis vom Wortlaut erfasst wird. Erforderlich ist allerdings die Feststellung, dass der Verpflichtete die vorgelegte Auskunft als eigene Erklärung abgeben will. Nach diesen Grundsätzen handelt es sich um eine eigene Auskunft des Erben, wenn er – wie hier der Beklagte – das vom Notar erstellte Verzeichnis zur Erfüllung des gegen ihn nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB bestehenden Auskunftsanspruchs vorlegt und sich dieses dadurch zu eigen macht. Die Entstehungsgeschichte des § 2314 Abs. 1 BGB steht – anders als der Beklagte meint – einer Verpflichtung zur Abgabe einer unbeschränkten eidesstattlichen Versicherung nicht entgegen (wird im Einzelnen ausgeführt). Maßgebend für die Verpflichtung des Erben zur Abgabe einer unbeschränkten eidesstattlichen Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB ist der Sinn und Zweck des notariellen Nachlassverzeichnisses und der Gesamtregelung des § 2314 Abs. 1 BGB. § 2314 BGB soll es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Hierbei soll ein notarielles Nachlassverzeichnis eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten. Dementsprechend muss der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das private und das notarielle Verzeichnis inhaltlich wesensgleich sind. Die Erstellung und Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses betrifft lediglich die für die Erfüllung der Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB vorgegebene Form der Auskunftserteilung. Schuldner des Verzeichnisses ist jeweils der Erbe. Bestünde keine Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, würde der Sinn und Zweck des notariellen Nachlassverzeichnisses in sein Gegenteil verkehrt. Das notarielle Nachlassverzeichnis würde seiner Bedeutung als größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft gegenüber dem privaten Nachlassverzeichnis weitgehend entkleidet, wenn die eidesstattliche Versicherung als Kontrollinstrument fehlte. Die Abgabe der Versicherung an Eides statt ist die einzige im Gesetz vorgesehene abschließende und erschöpfende Sanktion zur Sicherstellung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist. Ohne Mitwirkung des Erben kann der Notar das Verzeichnis nicht aufnehmen. Er – und damit auch der Pflichtteilsberechtigte – ist vielmehr darauf angewiesen, dass ihm der Erbe die für die Aufnahme des Verzeichnisses erforderlichen Informationen übermittelt. Er muss
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zunächst von den Angaben des Erben ausgehen, auch wenn er sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen darf, sondern diejenigen Nachforschungen zur Ermittlung des Nachlassbestandes anzustellen hat, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde. Es ist nicht geboten, die eidesstattliche Versicherung auf solche Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis zu beschränken, die als solche des Erben gekennzeichnet sind. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dem Erben eine unbeschränkte eidesstattliche Versicherung nicht unzumutbar. Hält der Erbe Ergänzungen oder Berichtigungen des notariellen Verzeichnisses für erforderlich, ist die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anzupassen (vgl. § 261 Abs. 1 BGB). Zwar erstellt der Notar aufgrund eigenständiger Ermittlungen das notarielle Nachlassverzeichnis und muss durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet. Der Erbe ist aber als Auskunftspflichtiger verpflichtet, eigenes Wissen nicht zurückzuhalten und sich anhand der für ihn erreichbaren Erkenntnisquellen bis zur Grenze der Unzumutbarkeit eigenes Wissen zu verschaffen und solches – notfalls mit Unterstützung durch Hilfspersonen – zu vervollständigen. Dies ist dem Erben auch zumutbar, da er sich – wie aufgezeigt – über sein eigenes Wissen hinaus die zur Auskunftserteilung notwendigen Kenntnisse so weit wie möglich zu verschaffen hat. Auf dieser Grundlage kann der Erbe sodann im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung erklären, dass der Nachlass in dem notariellen Verzeichnis – gegebenenfalls – unter Maßgabe der – von ihm konkret zu bezeichnenden – Berichtigungen und Ergänzungen so vollständig als möglich und nach bestem Wissen angegeben ist, als er dazu imstande sei. Zudem wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Auskunftsverpflichtete nicht zur Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung gezwungen werden darf. Das Gesetz lässt für entsprechend flexible Fassungen der an Eides statt zu versichernden Formel in § 261 Abs. 1 BGB genügend Raum. Die eine eingeschränkte eidesstattliche Versicherung befürwortende Ansicht berücksichtigt im Übrigen nicht, dass es sich bei der Kennzeichnung von Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis als solche des Erben ebenfalls um eine Feststellung des Notars handelt und nicht ausgeschlossen ist, dass der Erbe insoweit nach Vorlage des notariellen Verzeichnisses ebenfalls eine Berichtigung oder Ergänzung für erforderlich hält. Dementsprechend macht der Beklagte vorliegend geltend, die auf seinen Angaben beruhende Position im notariellen Nachlassverzeichnis zu Schenkungen des Erblassers an den Kläger innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall sei nach seinen späteren Erkenntnissen falsch. Die Revision des Beklagten hat nur in geringem Umfang Erfolg. Ohne Erfolg rügt der Beklagte, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die vorliegende Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt im Sinne des § 260 Abs. 2 BGB gegeben worden sei. Ob eine Auskunft mit der erforderlichen Sorg-
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falt erteilt worden ist oder nicht, ist im wesentlichen Tatfrage. In der Revisionsinstanz kann nur geprüft werden, ob die Erwägungen des Berufungsgerichts von Rechtsirrtum beeinflusst sind oder ob von der Revision erhobene Verfahrensrügen durchgreifen. Danach ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht bei der Auskunftserteilung durch das notarielle Nachlassverzeichnis von mangelnder Sorgfalt des Beklagten ausgegangen ist, weil dieser in dem zunächst von ihm selbst aufgestellten Nachlassverzeichnis vom 23. Februar 2014 ein Bankkonto des Erblassers bei der B. Bank nicht angegeben hatte. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Angabe dieses Bankkontos im notariellen Nachlassverzeichnis nicht auf Erklärungen des Beklagten gegenüber dem Notar beruht. Ob der Verpflichtete die Auskunft mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt hat, ist – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat – aufgrund seines gesamten Verhaltens im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung zu beurteilen. Dazu kann auch eine anfängliche Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der später berichtigten Auskunft verwertet werden. Es müssen greifbare Tatsachen festgestellt werden, die bei vernünftiger Betrachtung den Verdacht mangelnder Sorgfalt, also eines Verschuldens erwecken. Nach diesen Grundsätzen kann – anders als der Beklagte meint – auch aufgrund des früheren Verhaltens des Erben, insbesondere im Hinblick auf eine frühere unvollständige oder unrichtige Auskunft, der Verdacht begründet sein, dass das schließlich vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis nicht sorgfältig aufgestellt wurde. Mit Erfolg rügt der Beklagte jedoch, er sei zu Unrecht verpflichtet worden, die Richtigkeit einer Angabe im notariellen Nachlassverzeichnis eidesstattlich zu versichern, die er nachträglich als falsch erkannt habe. Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerhaft entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen (Art. 103 Abs. 1 GG). a) Das notarielle Nachlassverzeichnis vom 11. Oktober 2016 führt unter E. 2. b) auf, „Ausweislich einer schriftlichen Erklärung des Erben vom 11. August 2014“ habe der Erblasser an den Kläger innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall Schenkungen in Höhe von 218.187 € getätigt. Der Beklagte macht zutreffend geltend, er habe bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass diese im notariellen Nachlassverzeichnis aufgeführten Schenkungen tatsächlich unberechtigte Abhebungen des Klägers von Konten des Erblassers und keine Schenkungen seien. Dieses Vorbringen ist entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hätte aufgrund des konkreten Vortrags zu der vom Beklagten für falsch gehaltenen Angabe im notariellen Verzeichnis, die nach der angegriffenen Entscheidung von der eidesstattlichen Versicherung erfasst wird, die Formel der Versicherung nach § 261 Abs. 1 BGB unter Aufnahme der vom Beklagten für erforderlich gehaltenen Berichtigung anpassen müssen. Denn der Auskunftsverpflichtete darf – wie der Beklagte zu Recht annimmt – nicht zur Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung gezwungen werden.
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3. OLG Karlsruhe vom 16. Februar 2021 – 9 W 58/203 Der Gläubiger und die beiden Schuldnerinnen sind Geschwister. Die Schuldnerinnen sind aufgrund einer letztwilligen Verfügung Miterben zu je 1/2 nach dem Tod der am 17.05.2018 verstorbenen Mutter. Der Gläubiger hat im Erkenntnisverfahren vor dem Landgericht Pflichtteilsansprüche geltend gemacht. Im Rahmen einer Stufenklage hat das Landgericht durch Teil urteil vom 28.06.2019 die Schuldnerinnen verurteilt, Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses der verstorbenen Mutter durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses. Mit Schreiben vom 02.08.2019 beauftragten die Schuldnerinnen den Notar mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses. Der Notar nahm diesen Auftrag an und teilte mit einer E-Mail vom 02.12.2019 mit, er könne das Nachlassverzeichnis leider erst im nächsten Jahr anfertigen, da ihm im Dezember die terminliche Flexibilität fehle. Am 29.07.2020 führte der Notar einen ersten Termin durch, bei dem der Gläubiger, die Schuldnerin Ziffer 2 und der Prozessbevollmächtigte der beiden Schuldnerinnen anwesend waren. In diesem Termin und in der Folgezeit erteilten die Schuldnerinnen sämtliche von dem Notar für die Anfertigung des Verzeichnisses angeforderten Auskünfte und übersandten die von diesem angeforderten Unterlagen, insbesondere Kontoauszüge der Erblasserin und vom Notar angeforderte Vollmachten für weitere Ermittlungen. Der Notar hat das Nachlassverzeichnis bis zur Entscheidung des Senats nicht erstellt; die Schuldnerinnen haben seit dem Notartermin vom 29.07.2020 keine Nachricht über die weitere vom Notar beabsichtigte Verfahrensweise erhalten. Der Gläubiger hat beim Landgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes beantragt. Das Landgericht hat den Vollstreckungsantrag des Gläubigers zurückgewiesen. Die zulässige sofortige Beschwerde des Gläubigers ist begründet. Gegen die Schuldnerinnen ist ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 €, ersatzweise Zwangshaft, festzusetzen.
Die Verpflichtung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung kann auch dann nach § 888 I ZPO vollstreckt werden, wenn zur Vornahme der Handlung die Mitwirkung eines Dritten – hier des Notars – notwendig ist. Die Schuldnerinnen sind nach dem Teilurteil des Landgerichts mit der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verpflichtet, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Soweit dieser Erfolg von der Tätigkeit des Notars abhängt, sind die Schuldnerinnen verpflichtet, alle in Betracht kommenden Maßnahmen zu ergreifen, um auf den Notar einzuwirken und diesen zu einer Erledigung des Auftrags anzuhalten. Dieser Verpflichtung sind die Schuldnerinnen nicht ausreichend nachgekommen. Für die verzögerte Bearbeitung durch den Notar sind keine Gründe erkennbar, die sich aus der Sache ergeben würden. … Nachdem der Notar im Sommer 2019 den Auftrag zur Erstellung des Verzeichnisses angenommen hatte, oblag es ihm, seine Zeit für die Bearbeitung und Erledigung des Auftrags einzuplanen. Eine Überlastung durch andere Aufträge rechtfertigt die Untätigkeit des Notars grundsätzlich nicht. Denn ein Notar ist nicht verpflichtet, beliebig viele Aufträge anzunehmen, die zu einer Überlastung führen können. Ein Notar kann Beurkundungsaufträge ablehnen, wenn er andere Amtsgeschäfte sonst nicht in angemessener Zeit erledigen kann. Nach der Annahme des Auftrags von den Schuldnerinnen hätte der Notar gegebenenfalls andere Aufträge 3
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ablehnen können oder ablehnen müssen, wenn er sich nur dadurch die notwendige Zeit zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses verschaffen konnte. Nach der Erfahrung des Senats tragen verschiedene Umstände dazu bei, dass sich bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht selten Verzögerungen ergeben. Dabei spielt eine Rolle, dass in der Rechtsprechung gerade in den letzten Jahren erhebliche Anforderungen an die Feststellungen des Notars und an seine Ermittlungstätigkeit aufgestellt worden sind. Es kommt hinzu, dass die Erstellung des Nachlassverzeichnisses in den Notariaten vielfach wohl keine Routinetätigkeit ist, die von Mitarbeitern vorbereitet wird, sondern eine Tätigkeit, die erheblichen eigenen Zeitaufwand des Notars erfordert. Auch der Umstand, dass die Erstellung des Verzeichnisses für den Notar in der Regel wohl keine lukrative Tätigkeit sein dürfte (vgl. § 115 GNotKG und Nr. 23500 der Anlage 1 GNotKG) kann zu Verzögerungen im Bereich des Notars beitragen. Der Senat hält es auch kaum für zielführend, den Auftrag an den Notar zu kündigen und einen anderen Notar zu beauftragen. Aufgrund des relativ geringen Gebühreninteresses dürfte der Notar kaum Einwendungen gegen eine Kündigung haben. Mit einem Zeitgewinn wäre kaum zu rechnen, wenn ein anderer Notar sich in die Angelegenheit zunächst neu einarbeiten müsste. Allerdings stehen den Schuldnerinnen mehrere formelle Möglichkeiten zur Verfügung, um auf die Tätigkeit des Notars einzuwirken. Da die Schuldnerinnen alles in ihren Kräften tun müssen, um für eine Erstellung des Nachlassverzeichnisses zu sorgen, sind sie verpflichtet die folgenden Maßnahmen – nach Auffassung des Senats gleichzeitig und kumulativ – zu ergreifen: – Unter den gegebenen Umständen ist eine Beschwerde gemäß § 15 Abs. 2 BNotO erforderlich. Eine solche Beschwerde ist nicht nur bei einer ausdrücklichen Verweigerung des Notars möglich, sondern auch bei Untätigkeit wie im vorliegenden Fall. – Die Schuldnerinnen sind im Verhältnis zum Gläubiger verpflichtet, sich im Wege einer Dienstaufsichtsbeschwerde an den zuständigen Präsidenten des Landgerichts zu wenden (vgl. § 93 Abs. 1 BNotO). – Die Schuldnerinnen sind verpflichtet, sich mit einer Beschwerde an die Notarkammer zu wenden (§ 67 Abs. 1 Satz 2 BNotO), die neben der Aufsicht durch die Justizverwaltung für eine ordnungsgemäße Tätigkeit des Notars sorgen kann. Für die Verhängung eines Zwangsgeldes reicht es aus, dass die Schuldnerinnen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats die in Betracht kommenden und gebotenen Möglichkeiten zur Einwirkung auf den Notar (siehe oben) nicht genutzt haben. Auf ein eigenes Verschulden der Schuldnerinnen kommt es hingegen nicht an. Ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 € – ersatzweise drei Tage Zwangshaft – erscheint ausreichend.
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4. OLG Köln vom 25. Februar 2021 – 24 W 50/20 und 51/20 4 a) Ein notarielles Verzeichnis, bei dessen Aufnahme das geltend gemachte Zuziehungsrecht missachtet wurde, hat keine Erfüllungswirkung. b) Der Notar muss dem Verbleib erheblicher Zahlungseingänge nachgehen, wenn zwischen den eingegangenen Beträgen und den im Nachlassverzeichnis angegebenen Kontenständen beim Erbfall eine beachtliche Differenz besteht. c) Eine Ermittlungstätigkeit des Notars, nur Überweisungen mit dem Zweck „Schenkung“ festzustellen, ist unzureichend. Auffällige Überweisungen lassen sich vielmehr an der Höhe des Überweisungsbetrages, an der zeitlichen Nähe zur Auflösung anderer Vermögenswerte oder auch an Zweifeln an dem angeblich zu Grunde liegenden Kausalgeschäft erkennen.
5. OLG Hamm vom 9. März 2021 – I-10 U 90/20 5 a) Wenn anhand des notariellen Nachlassverzeichnisses nicht erkennbar ist, dass der Notar zur Ermittlung des fiktiven Nachlasses eigene Ermittlungen angestellt hat, kann dies der Erfüllungswirkung des vorgelegten Verzeichnisses entgegenstehen. b) Es drängt sich jedenfalls auf, seitens des das Nachlassverzeichnis aufnehmenden Notars Einsicht in die vollständigen Kontoauszüge des Erblassers für einen Zeitraum von 10 Jahren zu nehmen und daraus ggf. die Verfügungen zusammenzustellen, die einen bestimmten Betrag übersteigen und möglicherweise Schenkungen darstellen können. Der auskunftspflichtige Erbe ist nicht berechtigt, die Übernahme der für die Beschaffung der Kontoauszüge anfallenden Kosten abzulehnen. c) Die Auskunftspflicht nach § 2314 BGB in Bezug auf den fiktiven Nachlass ist nicht von der Höhe der Zuwendung abhängig, sondern allein von ihrer abstrakten Pflichtteilsrelevanz. Dabei darf der Erbe die rechtliche Würdigung nicht vorab vornehmen, sondern muss dem Pflichtteilsberechtigten die Umstände offenlegen, damit dieser sie nachvollziehen und überprüfen kann. Auch wenn es sich letztlich um eine bei der Pflichtteilsberechnung nicht zu berücksichtigende Anstandsschenkung handelt (§ 2330 BGB), ist sie bei der Auskunft anzugeben; denn der Pflichtteilsberechtigte soll selbst über den Charakter der Schenkung befinden können.
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ErbR 2021, 709 m. Anm. Horn. ZEV 2021, 576.
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6. OLG Celle vom 25. März 2021 – 6 U 74/20 6 Zwar darf nicht aus den Augen verloren werden, dass § 2314 BGB es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen soll, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Die Pflichten des Erben und des Notars werden sich aber in vielen Fällen nur im konkreten Einzelfall bestimmen lassen. Allgemein gilt, dass die Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses sich danach richtet, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich ist. Danach erscheint es dem Senat vertretbar und angemessen, dass der Notar die Pflicht zur Durchsicht von Kontounterlagen auf den Erben delegiert, jedenfalls solange nicht der Pflichtteilsberechtigte bestimmte Auffälligkeiten benennen kann, die den Notar zu eigener Ermittlung insoweit veranlassen können. Es lässt sich aber nicht in allgemeingültiger Weise sagen, dass der Notar zur Durchsicht von Kontounterlagen in keinem Fall verpflichtet sein könnte. Im Sinne einer Faustformel wird sich sagen lassen, dass die Pflichten des Notars umso weiter reichen, je konkreter die Hinweise des Pflichtteilsberechtigten auf pflichtteilsrelevante Vorgänge sind oder je mehr solche Hinweise sich aus Unterlagen oder dem Notar bekannten Umständen ergeben. Rechtliche Würdigungen soll und darf aber der Erbe ebenso wie der Notar nicht vorwegnehmen.
7. OLG München vom 9. August 2021 – 33 W 775/217 Die Klagepartei beantragte mit Schriftsatz vom 08.02.2021 ein Zwangsgeld gegen die Beklagte gemäß § 888 ZPO zu verhängen, weil ihrer Meinung nach das notarielle Nachlassverzeichnis des Notars nicht ordnungsgemäß und vollständig erteilt worden sei, im Übrigen sei sie zur Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses nicht hinzugezogen worden. Das Landgericht hat ein Zwangsgeld gegen die Beklagte verhängt. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache einen teilweisen Erfolg.
Soweit das Landgericht die angefochtene Entscheidung darauf stützt, die Beklagte habe der Klagepartei die Anwesenheit bei Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses nicht gestattet, handelt es sich nach Auffassung des Senats nicht um einen Gesichtspunkt, der bei der Verhängung des Zwangsgeldes im vorliegenden Fall Berücksichtigung finden durfte. Vorliegend fehlt es bereits an einem entsprechend titulierten Anspruch, der der Klägerin das Recht zur Anwesenheit bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses einräumen würde. Maßgeblich für die Pflichten, die der beklagten Partei im Rahmen der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses obliegen, ist der Tenor des Teilanerkenntnisurteils. Darin ist die Beklagte verurteilt worden, Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines notariellen Be 6 7
ErbR 2021, 597. ZEV 2021, 580.
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standsverzeichnisses zu erteilen. Das sich grundsätzlich aus § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebende Anwesenheitsrecht des Gläubigers bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses ist nicht Gegenstand dieser Verurteilung. Nachdem die Klagepartei es vorliegend unterlassen hat, ihren Auskunftsanspruch dergestalt geltend zu machen, dass ihr das Anwesenheitsrecht bei Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses gestattet wird, hat sie insoweit keinen im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbaren Anspruch. Soweit das Gesetz dem Gläubiger gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Anwesenheitsrecht zubilligt, setzt dessen Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung voraus, dass es Gegenstand der Verurteilung zur Auskunft ist. Zwar handelt es sich bei dem Anwesenheitsrecht lediglich um einen unselbständigen Nebenanspruch, der nicht ohne den Auskunftsanspruch geltend gemacht werden kann. Seine Geltendmachung/Durchsetzung im Rahmen der Zwangsvollstreckung setzt jedoch voraus, dass er tituliert ist. Nachdem dies vorliegend nicht der Fall ist, bestand für die Klagepartei kein Anwesenheitsrecht bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses. Deswegen konnte dies auch nicht zur Grundlage eines Zwangsgeldbeschlusses gegen die beklagte Partei gemacht werden. Grundlage des Zwangsgeldbeschlusses in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang ist jedoch die unvollständige Auskunft hinsichtlich der Konten des Erblassers bei der S. Sparkasse. Der BGH hat in der Vergangenheit entschieden, dass durch die Errichtung eines Oder-Kontos der Mitkontoinhaber als Beschenkter bereits zu Lebzeiten den hälftigen Anteil des Sparguthabens erwirbt. Insbesondere bestehe die Möglichkeit, dass der Erblasser mit der Errichtung eines Oder-Kontos sicherstellen möchte, dass der Überlebende im Todesfall problemlos das gesamte Sparguthaben erhält (BGH a.a.O.). Unter Berücksichtigung in dieser Rechtsprechung, die der Senat teilt, besteht die Möglichkeit, dass der Erblasser die ihm aus der Veräußerung der Immobilie zufließenden Beträge mit Hilfe des Oder-Kontos der Beklagten zuwenden wollte. Da es sich insoweit auch um ausgleichungspflichtige, pflichtteilsrelevante Schenkungen handeln könnte, setzt die Erfüllung des Anspruchs auf Erstellung und Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses insoweit voraus, dass in diesem dargestellt wird, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Beklagte Leistungen (insbesondere Zahlungen, Barabhebungen etc.) aus dem Oder-Konto erhalten hat. Nachdem das notarielle Nachlassverzeichnis vom 19.03.2019 diese Angaben nicht enthält, war die Beklagte im Wege des Zwangsgeldes bzw. ersatzweise der Zwangshaft zur Erteilung der entsprechenden Auskünfte anzuhalten.
8. BGH vom 23. September 2021 – I ZB 20/21 Die Schuldnerin ist mit Urteil des Landgerichts verurteilt worden, den in einer Erbengemeinschaft verbundenen Gläubigerinnen Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am 3. Juli 2016 verstorbenen Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes durch Vorlage eines Ver-
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zeichnisses nach § 260 BGB und zwar in privatschriftlicher Form gem. § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB. Auf die Berufung der Schuldnerin und die Anschlussberufung der Gläubigerinnen hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts unter Zurückweisung der Berufung der Schuldnerin im Übrigen und Aufhebung des Tenors zu 2 und 3 abgeändert und die Schuldnerin gemäß Ziffer 1 a des Tenors verurteilt, den Gläubigerinnen Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am 03.07.2016 verstorbenen Prof. Dr. Dr. h.c. H. G. zum Zeitpunkt seines Todes durch Vorlage eines Verzeichnisses nach § 260 BGB und zwar in privatschriftlicher Form gem. § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB. Das Verzeichnis muss insbesondere sämtliche beim Erbfall vorhandenen Aktiva, wie insbesondere Immobilien, Sachen, Gesellschaftsbeteiligungen und Forderungen, sowie sämtliche Passiva des Nachlasses, also Nachlassverbindlichkeiten wie Erblasserund Erbfallschulden enthalten und zwar unabhängig von der internationalen Belegenheit der Aktiv- und Passivpositionen. Ferner sind in dem Nachlassverzeichnis sämtliche vom Erblasser innerhalb von 10 Jahren vor dessen Todestag (§ 2325 BGB) getätigten lebzeitigen Zuwendungen aufzuführen, also insbesondere Schenkungen, gemischte Schenkungen und im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte Zuwendungen, Erlass von Forderungen (§ 397 BGB), Lebensversicherungen und sonstige Verträge zugunsten Dritter, und zwar unter Benennung des Datums des Zuwendungsvollzugs (Eigentumsübergang). Unabhängig von einer Frist ist im Nachlassverzeichnis auch Auskunft über Zuwendungen des Erblassers zu erteilen, sofern der Erblasser sich Nutzungsrechte wie z.B. einen Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht vorbehalten, den Gegenstand tatsächlich genutzt hat, Widerrufs- oder Rückübertragungsrechte vereinbart oder Zuwendungen an seinen Ehegatten gewährt hat. Die Beklagte hat auch Auskunft zu erteilen über den ehelichen Güterstand des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes, ggf. unter Beifügung einer Vertragsurkunde. Die Schuldnerin ist an Demenz erkrankt und selbst nicht in der Lage, die geschuldete Auskunft zu erteilen. Sie hat ihrer Tochter E. -M. G. und Dr. R. K. (nachfolgend: die Bevollmächtigten) eine Generalvollmacht erteilt, die diese zur gemeinsamen Vertretung berechtigt. Noch vor Erlass des Berufungsurteils haben die Gläubigerinnen beim Landgericht beantragt, zur Erzwingung der in Ziffer 1 des Tenors des landgerichtlichen Urteils niedergelegten Auskunftsverpflichtung gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, oder Zwangshaft festzusetzen. Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Mit der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde haben die Gläubigerinnen beantragt, zur Erzwingung der in Ziffer 1 des Tenors des landgerichtlichen Urteils, abgeändert durch das Berufungsurteil, niedergelegten Auskunftsverpflichtung gegen die Schuldnerin und hilfsweise gegen die Bevollmächtigten ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, oder Zwangshaft festzusetzen. Auf die sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Landgerichts abgeändert und gegen die Schuldnerin zur Erfüllung der Verpflichtung aus Ziffer 1 Satz 1 bis 4 des Tenors des landgerichtlichen Urteils ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 € festgesetzt und die sofortige Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen (OLG Hamburg, NJW-RR 2021, 572). Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Gläubigerinnen beantragen, erstrebt die Schuldnerin die Zurückweisung der Zwangsmittelanträge. Für den Fall, dass der Antrag auf Zurückweisung der Rechtsbeschwerde keinen Erfolg hat, haben die Gläubigerinnen hilfsweise Anschlussrechtsbeschwerde erhoben, mit der sie ihren Hilfsantrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln gegen die Bevollmächtigten weiterverfolgen.
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin ist zulässig und begründet. Die Zwangsvollstreckung findet im Streitfall nach § 888 ZPO statt, weil sie auf die Vornahme einer unvertretbaren Handlung gerichtet ist. Der Zwangsmittelantrag ist zulässig. Die Schuldnerin ist zwar prozessunfähig, sie wird aber gemäß § 51 Abs. 3 ZPO von den Bevollmächtigten vertreten. Ein nicht prozessfähiger Schuldner
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wird gemäß § 51 Abs. 1 ZPO grundsätzlich durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten. Gemäß § 51 Abs. 3 ZPO kann er allerdings auch durch eine natürliche Person vertreten werden, die er schriftlich mit seiner gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt hat und deren Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen. Nach § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB ist eine Betreuung nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten eines Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs. 3 BGB bezeichneten Personen gehört, oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Gemäß § 51 Abs. 3 ZPO steht ein Vorsorgebevollmächtigter daher einem gesetzlichen Vertreter des Betroffenen gleich, wenn die Vorsorgevollmacht die gerichtliche Vertretung umfasst, und wird die fehlende Prozessfähigkeit im Wege der gesetzlichen Vertretung durch den Vorsorgebevollmächtigten ersetzt. Das Beschwerdegericht hat die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, weil es zu Unrecht angenommen hat, der im Streitfall zu vollstreckende Titel sei das Urteil des Landgerichts (wird ausgeführt). Nach diesen Maßstäben hat die Zwangsvollstreckung im Streitfall aus dem Berufungsurteil zu erfolgen. Danach kann dem Antrag auf Zwangsmittel nicht mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung stattgegeben werden. Eine eigene Sachentscheidung gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO steht dem Rechtsbeschwerdegericht nicht offen, weil es an Feststellungen insbesondere dazu fehlt, ob das zu vollstreckende Berufungsurteil mit einer Vollstreckungsklausel versehen war. Die Anschlussrechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist hinsichtlich der von den Gläubigerinnen begehrten Festsetzung von Ersatzzwangshaft oder Zwangshaft gegen die Schuldnerin sowie (hilfsweise) gegen die Bevollmächtigten der Schuldnerin zulässig, jedoch insoweit unbegründet. Die Festsetzung von Ersatzzwangshaft oder Zwangshaft gegen die Schuldnerin kommt im Streitfall nicht in Betracht. Bei der Zwangsvollstreckung zur Erwirkung einer unvertretbaren Handlung gemäß § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf gegen eine prozessunfähige natürliche Person, die mangels hinreichender Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht in der Lage ist, einen natürlichen Willen zur Vornahme der von ihr geschuldeten Handlung zu bilden, keine Zwangshaft verhängt werden. Es fehlt hier an einem Willen, der mit Zwangshaft gebeugt werden könnte. Dieses Ergebnis ist in Rechtsprechung und Literatur nicht umstritten. Ob die Verhängung von Zwangshaft gegen eine prozessunfähige natürliche Person, die hinreichend einsichtig und steuerungsfähig und zur Vornahme der zu erwirkenden Handlung in der Lage ist, in Betracht kommt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Im Streitfall kommt die Verhängung von Ersatzzwangshaft oder Zwangshaft gegen die prozessunfähige Schuldnerin nicht in Betracht, da sie nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, die geschuldete Auskunft zu erteilen.
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Die Festsetzung von Ersatzzwangshaft oder Zwangshaft gegen die Bevollmächtigten der Schuldnerin scheidet ebenfalls aus. Bei der gegen eine prozessunfähige natürliche Person gerichteten Zwangsvollstreckung zur Erwirkung einer unvertretbaren Handlung gemäß § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf gegen den Bevollmächtigten des Schuldners keine Zwangshaft verhängt werden. Bevollmächtigte stehen gesetzlichen Vertretern, gegen die nach dem Vorstehenden bei der Vollstreckung unvertretbarer Handlungen gegen prozessunfähige Schuldner Zwangshaft verhängt werden kann, insoweit nicht gleich. Einem Bevollmächtigten steht es frei, von einer tatsächlich bestehenden Vertretungsmacht keinen Gebrauch zu machen. Eine Vollmacht verleiht dem Bevollmächtigten keine Eigenschaft, deren Rechtsfolgen er sich nicht entziehen kann, sondern gibt ihm eine Rechtsvollmacht, deren Gebrauch oder Nichtgebrauch in seiner Wahl steht. So ist etwa ein Vorsorgebevollmächtigter anders als ein gerichtlich bestellter Betreuer nicht verpflichtet, für einen nicht prozessfähigen Schuldner die Vermögensauskunft und die eidesstattliche Versicherung nach § 802c ZPO abzugeben, so dass er weder zur Abgabe dieser Erklärungen gemäß §§ 802c, 802f ZPO förmlich geladen noch gegen ihn eine Erzwingungshaft gemäß § 802g Abs. 1 ZPO angeordnet werden darf. Danach ist der angegriffene Beschluss auf die Rechtsbeschwerde unter Zurückweisung der Anschlussrechtsbeschwerde aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Für das wiedereröffnete Beschwerdeverfahren wird auf Folgendes hingewiesen: Der Vollstreckungsantrag der Gläubigerinnen dürfte dahingehend auszulegen sein, dass sie die Zwangsvollstreckung zur Erfüllung der gemäß Ziffer 1 a des Tenors des Berufungsurteils bestehenden Pflicht zur Auskunftserteilung betreiben möchten. Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Auskunftserteilung weder dauerhaft auf Grund der Demenz der Schuldnerin noch derzeit auf Grund des Umfangs der geschuldeten Auskunft unmöglich ist. Die Verhängung von Zwangsmitteln nach § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass eine Handlung erzwungen werden soll, die ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Daraus ergibt sich, dass die objektive oder subjektive Unmöglichkeit der Handlung die Anordnung eines Zwangsmittels ausschließt. Die Auskunftserteilung ist nicht auf Grund der Demenz der Schuldnerin unmöglich, da die Bevollmächtigten die Auskunft für sie erteilen können. Bei der Erteilung einer Auskunft nach § 2314 Abs. 1 Satz 1, § 260 BGB handelt es sich – wie auch bei anderen Auskünften – um eine höchstpersönliche Wissenserklärung, die der Schuldner grundsätzlich selbst abzugeben hat. Sofern der Schuldner geschäftsunfähig ist und die Auskunft daher nicht selbst erteilen kann, hat dies grundsätzlich sein gesetzlicher Vertreter zu übernehmen. Für den Fall, dass eine geschäftsunfähige natürliche Person einen Dritten zur Auskunftserteilung ermächtigt hat, kann jedoch auch dieser die Auskunft erteilen, so dass insoweit gemäß § 1896 Abs. 2
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Satz 2 BGB keine Betreuung einzurichten ist. Die Vertretung eines Geschäftsunfähigen bei der Erteilung der Auskunft nach § 2314 Abs. 1 Satz 1, § 260 BGB durch einen Bevollmächtigten zuzulassen, entspricht dem mit § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB und § 51 Abs. 3 ZPO verfolgten Zweck, das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Selbstbestimmungsrecht zu schützen, das sich in der Erteilung von Vorsorgevollmachten zur Vermeidung einer Betreuung ausdrückt. Die Auskunftserteilung ist auch nicht derzeit auf Grund des Umfangs der geschuldeten Auskunft unmöglich. Danach ist nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht angenommen hat, 1 ½ Jahre seien ausreichend gewesen, um die Auskunft zu erteilen. Das Beschwerdegericht hat den Vortrag der Schuldnerin, auf den die Rechtsbeschwerde in der Rechtsbeschwerdebegründung verwiesen hat, nicht übergangen. Wenn die Rechtsbeschwerde meint, 1 ½ Jahre seien keine ausreichende Zeit, um die vermögensrechtlichen Vorgänge während der 72-jährigen Ehe zwischen der Schuldnerin und dem Erblasser aufzuklären und zu diesem Zweck mehr als 30.000 Leitzordner zu sichten und mikroverfilmte Unterlagen aufzuarbeiten, wofür die Schuldnerin den ehemaligen Chefbuchhalter des Erblassers neu eingestellt habe, der sich zusätzlich im Büro tätigen Hilfsperso nals bediene, dann versucht sie lediglich, die Würdigung des Beschwerdegerichts durch ihre eigene zu ersetzen, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Das Zwangsgeld ist mit Recht gegen die Schuldnerin selbst festgesetzt worden. Gegen wen ein Zwangsgeld nach § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verhängen ist, wenn der Schuldner eine prozessunfähige natürliche Person ist, ist umstritten. Der Senat erkennt dahin, dass bei der Zwangsvollstreckung zur Erwirkung einer nicht vertretbaren Handlung nach § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO gegen eine prozessunfähige natürliche Person ein Zwangsgeld stets gegen den Schuldner festzusetzen ist. Die Person, gegen die ein Zwangsmittel nach § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verhängen ist, ist der im Vollstreckungstitel genannte Schuldner selbst. Dies folgt daraus, dass gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Zwangsvollstreckung nur gegen die in dem Urteil oder der Klausel namentlich bezeichnete Person durchgeführt werden darf. Gegen andere Personen darf die Zwangsvollstreckung selbst dann nicht erfolgen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass diese nach materiellem Recht zu der gemäß dem Titel geschuldeten Handlung verpflichtet sind. Im Rahmen der Verhängung von Zwangsmitteln nach § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO können Ausnahmen von diesem Grundsatz nur insoweit zugelassen werden, wie dies unumgänglich ist, um die Verhängung eines Zwangsmittels überhaupt zu ermöglichen und so eine effektive Zwangsvollstreckung zu gewährleisten. Das kommt allein in Bezug auf die Verhängung von Zwangshaft gegen den gesetzlichen Vertreter in Betracht, soweit die Zwangshaft gegen einen Prozessunfähigen selbst nicht verhängt werden kann. Die Verhängung von Zwangsgeld kann jedoch ohne Weiteres auch gegen einen Prozessunfähigen erfolgen, so dass es insoweit mangels einer planwidrigen Regelungslücke in § 888 ZPO bei dem Grundsatz bleibt, dass die Zwangsvollstreckung nur gegen den im Titel genannten Schuldner stattfin-
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det. Da der Schuldnerin die Erfüllung der Handlungspflicht trotz ihrer Demenz nicht unmöglich ist, weil an ihrer Stelle ihre Bevollmächtigten handeln können, ist die Festsetzung eines Zwangsgelds entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weder sinnlos und willkürlich noch wird das Zwangsgeld unter Verstoß gegen die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG um seiner selbst willen verhängt, weil von vornherein feststünde, dass damit ein irgendwie außerhalb des öffentlichen Zwangs verbleibender Erfolg nicht erreichbar wäre. Das Beschwerdegericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die Schuldnerin im Fall der Verhängung eines Zwangsgelds gegebenenfalls bei den Bevollmächtigten Rückgriff nehmen kann, so dass mit dem Zwangsgeld mittelbar auch auf die Bevollmächtigten eingewirkt werden kann.
II. Anrechnung, § 2315 BGB, und Ausgleichung, § 2316 BGB BGH vom 24. März 2021 – IV ZR 269/20 8 Die Parteien sind zwei der drei Kinder der am 4. Februar 2017 verwitwet verstorbenen Erblasserin. Diese hatte in ihrem notariellen Testament vom 31. August 2015 unter § 2 den Beklagten als Alleinerben eingesetzt. Weiter heißt es dort: „Zur Begründung weise ich darauf hin, dass mein Sohn [Beklagter] seit dem Jahr 2007 meine Pflege und Betreuung übernommen hat. Hierzu führe ich im Einzelnen aus: Ich bin seit spätestens Oktober 2007 pflegebedürftig und bedarf der häuslichen Pflege. Diese Pflege wird ausschließlich allein von meinem Sohn [Beklagter] durchgeführt, […] Er verwaltet darüber hinaus auch das Mehrfamilienhaus und kümmert sich allein um die Grabpflege des Grabes meines verstorbenen Ehemannes. Aus den vorgenannten Gründen sollen die beiden anderen Kinder lediglich ihren Pflichtteil erhalten, wobei ich darauf hinweise, dass mein Sohn [Kläger] zur Anrechnung auf den Pflichtteil bereits 10.000 € am 18.11.2010 erhalten hat. …“ Der Nettonachlass belief sich auf 337.249,29 €. Auf die vom Kläger geltend gemachte Pflichtteilsforderung zahlte der Beklagte 14.541,55 € und lehnte eine weitere Zahlung unter Hinweis auf einen ihm zustehenden Ausgleichsanspruch aus § 2057a BGB ab. Er hatte Pflegeleistungen für die Erblasserin erbracht. II. Mit seiner Klage hat der Kläger eine Pflichtteilszahlung von weiteren 41.666,66 € verlangt. Das Landgericht hat ihm unter Abweisung der Klage im Übrigen 31.666,66 € nebst Zinsen zugesprochen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor; der Rechtssache kommt insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO). Die vom Berufungsgericht für grundsätzlich gehaltene Frage eines Ausschlusses der Ausgleichungspflicht 8
ZEV 2021, 449 m. Anm. Horn = ErbR 2021, 781 m. Anm. Keim.
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nach § 2057a BGB durch letztwillige Verfügung ist weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum umstritten. Nach einhelliger Ansicht der Literatur kann der Erblasser eine solche Ausgleichung durch Verfügung von Todes wegen einschränken oder ausschließen. Hiervon abweichende Rechtsprechung ist nicht erkennbar. Der Senat hat dazu nur entschieden, dass gemäß § 2057a BGB auch der zum Alleinerben eingesetzte Abkömmling Ausgleichung seiner besonderen Leistungen gegenüber Pflichtteilsansprüchen anderer Abkömmlinge geltend machen kann. Diese Entscheidungen betrafen dagegen keinen Ausschluss des Ausgleichungsanspruchs durch letztwillige Verfügung. Das Rechtsmittel des Beklagten hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der allgemeinen Ansicht davon ausgegangen ist, der Erblasser könne einen Ausgleichungsanspruch aus § 2057a BGB durch letztwillige Verfügung ausschließen. Entgegen der Ansicht der Revision begründet § 2057a BGB, den § 2316 Abs. 1 BGB in das Pflichtteilsrecht überträgt, kein Recht des besondere Leistungen erbringenden Abkömmlings am Nachlass oder einen Anspruch gegenüber dem Erblasser, in das oder den dieser nicht eingreifen dürfte. § 2057a BGB gehört vielmehr zu den die Auseinandersetzung unter Miterben betreffenden Regelungen nach den §§ 2050 ff. BGB, wie bereits die Stellung dieser Norm im Gesetz zeigt. Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift gerade die Fälle erfassen, in denen mangels letztwilliger Verfügung gesetzliche Erbfolge eintritt und daher ein Kind, das solche Leistungen erbracht hat, keinen Ausgleich erhält. Wie der Gesetzgeber im Rahmen der Überarbeitung des § 2057a BGB durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24. September 2009 ausgeführt hat, gehen die §§ 2050 ff. und § 2057a BGB von der Vermutung aus, der Erblasser habe in den dort geregelten Fällen die Ausgleichung gewollt. Für eine solche Vermutung ist aber kein Raum, wenn sich der Erblasser durch eine Verfügung von Todes wegen eindeutig geäußert und das Erbe nicht der gesetzlichen Erbfolge entsprechend aufgeteilt hat. Soweit § 2316 Abs. 1 BGB für die Berechnung des Pflichtteils auf § 2057a BGB verweist, gilt nichts anderes. Der Zweck des § 2316 BGB ist darauf gerichtet sicherzustellen, dass unter Abkömmlingen der Berechnung des Pflichtteils der gesetzliche Erbteil in der Gestalt zugrunde gelegt wird, die er im Falle der gesetzlichen Erbfolge unter Berücksichtigung der „Einwerfungsposten“ nach den für die Ausgleichungspflicht geltenden Grundsätzen erhält. Damit knüpft § 2316 Abs. 1 BGB an die nach § 2057a BGB ausgleichspflichtigen Leistungen an, so dass auch ein Ausschluss der Ausgleichung durch den Erblasser grundsätzlich auch dort wirkt. Allein der hier nicht einschlägige § 2316 Abs. 3 BGB beschränkt das Recht des Erblassers, die in § 2316 Abs. 1 BGB genannten Zuwendungen und Leistungen von der Berücksichtigung auszuschließen. Entgegen der Ansicht der Revision ist es auch nicht sittenwidrig, dass die Erblasserin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts einen Anspruch des Beklagten auf Ausgleichung gemäß §§ 2316, 2057a BGB ausgeschlossen hat. Die Schranke des
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§ 138 Abs. 1 BGB kann eine erbrechtliche Zurücksetzung nächster Angehöriger in dem Bereich unterhalb der Schwelle des Pflichtteilsrechts nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen abwehren. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Vielmehr hat der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts anstelle eines Anspruchs aus § 2057a BGB einen anderen Ausgleich für seine Leistungen erhalten, indem er als Alleinerbe eingesetzt wurde. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Erblasserin in ihrem Testament vom 31. August 2015 einen Ausgleichungsanspruch des Beklagten für seine Leistungen aus §§ 2316, 2057a BGB ausgeschlossen hat. Die Aufgabe der Testamentsauslegung ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Seine Auslegung kann mit der Revision nur angegriffen werden, wenn sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt. Bei der Testamentsauslegung ist vor allem der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Dieser Aufgabe kann der Richter nur dann voll gerecht werden, wenn er sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt. Der Wortsinn der benutzten Ausdrücke muss gewissermaßen „hinterfragt“ werden, wenn dem wirklichen Willen des Erblassers Rechnung getragen werden soll. Wenn der (mögliche) Wille des Erblassers in dem Testament aber auch nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen ist, ist der unterstellte, aber nicht formgerecht erklärte Wille des Erblassers daher unbeachtlich. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Erblasserin einen Ausgleichungsanspruch des Beklagten für seine erbrachten Leistungen ausschließen wollte und dieser Wille in ihrem Testament auch zum Ausdruck kam. Entgegen der Ansicht der Revision hat es dem Umstand, dass die Erblasserin die Einsetzung des Beklagten als Alleinerben unter Ausschluss ihrer anderen beiden Kinder ausdrücklich mit dessen Pflege- und anderen Leistungen für sie begründet hat, entnehmen können, dass damit die Leistungen mit der Erbschaft abschließend kompensiert werden sollten und ein darüber noch hinausgehender Ausgleichungsanspruch ausgeschlossen sein sollte. Bei seiner Auslegung des Testaments hat das Berufungsgericht entgegen der Revisionsrüge nicht das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt. Der Inhalt der früheren Testamente der Erblasserin aus den Jahren 2004 und 2005, in denen sie laut Beklagtenvortrag zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch nicht pflegebedürftig gewesen sei, eine Beteiligung des Klägers und ihrer Tochter am Nachlass vorgesehen habe, entspricht gerade der Annahme des Berufungsgerichts, dass die danach erfolgten Pflegeleistungen des Beklagten durch dessen Alleinerbeneinsetzung im späteren Testament entgolten werden sollten. Ebenso wenig hat die Revision Erfolg, soweit sie sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts wendet, dem Beklagten stehe kein Recht auf Kürzung des Klageanspruchs aus § 2318 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Das Berufungsgericht ist davon aus-
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gegangen, dass der Ausschluss des Ausgleichungsanspruchs aus § 2057a BGB durch die Erblasserin ein Vermächtnis – zugunsten der anderen Abkömmlinge – darstellen könnte. Dies zugrunde legend hat es zutreffend angenommen, ein gegen einen solchen Vermächtnisanspruch des Klägers gerichtetes Kürzungsrecht des beklagten Erben aus § 2318 Abs. 1 Satz 1 BGB sei hier gemäß § 2318 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, da der Kläger nur seinen Pflichtteil geltend macht. Einem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer gegenüber ist die Kürzung seines Vermächtnisses gemäß § 2318 Abs. 2 BGB soweit zulässig, dass ihm der Pflichtteil verbleibt. Entgegen der Ansicht der Revision gilt nach dieser zwingenden Vorschrift (§ 2324 BGB) auch nichts anderes, wenn das Vermächtnis des Pflichtteilsberechtigten in einem Ausschluss des Ausgleichungsanspruchs nach §§ 2316, 2057a BGB besteht.
B. Testament und Erbvertrag I. Auslegung testamentarischer Bestimmungen 1. OLG Hamburg vom 1. September 2020 – 2 W 35/209 Die Beteiligten streiten um die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Die Beteiligten zu 1 und 2 sowie der im Jahr 2006 verstorbene Dr. T. sind/waren die Kinder des im Jahr 1977 verstorbenen Ehemannes der Erblasserin aus dessen erster Ehe. Die Beteiligten zu 3 und 7 sind die Kinder von Dr. T…, der Beteiligte zu 8) ist der durch Testament der Erblasserin vom 8.2.2007 eingesetzte Testamentsvollstrecker. Mit gemeinschaftlichem notariellen Testament vom 18.8.1970 setzten sich die Erblasserin und ihr Ehemann gegenseitig zu Alleinerben und die Kinder des Ehemannes zu gleichen Teilen zu Erben des Längstlebenden ein. Weiter enthält das Testament in § 2 folgende Bestimmung: „Für den Fall, dass ich, der Erschienene zu 1 [Ehemann] vor meiner Ehefrau versterbe und meine oben angegebenen Kinder von ihr den Pflichtteil fordern sollten, so soll hierfür folgendes gelten: Die Kinder, die den Pflichtteil nicht verlangen, sollen aus dem Nachlass des Erstversterbenden ein Vermächtnis erhalten, das für jedes Kind so groß sein soll, wie dessen Erbanteil bei gesetzlicher Erbfolge und Übernahme der Pflichtteilslast auf die Kinder sein würde. Die Vermächtnisse sollen zwar sofort beim Tode des Erstversterbenden anfallen, aber erst beim Tode des Letztlebenden ausgezahlt werden.“ Nach dem Tod des Ehemannes der Erblasserin machten alle drei Kinder des Ehemannes Pflichtteilsansprüche gegen die Erblasserin geltend. Durch notarielles Testament vom 8.2.2007, ergänzt durch notarielles Testament vom 15.7.2008, setzte die Erblasserin die Beteiligten zu 1, 4, 5, 6 und 8 mit unterschiedlichen Quoten als Miterben ein und bestimmte den Beteiligten zu 8) zugleich zu ihrem Testamentsvollstrecker. Am 1.7.2019 verstarb die Erblasserin. Der Beteiligte zu 8 beantragte am 20.9.2019 die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Die Beteiligten zu 1, 2 und 7 erhoben hiergegen Einwendungen. Mit Beschluss vom 6.3.2020 9
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hat das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrages auf Erteilung eines Testamentsvoll streckerzeugnisses erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 hatten Erfolg. Die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments ist durch die Pflichtteilsforderung aller drei Kinder nach dem ersten Erbfall nicht entfallen, da das gemeinschaftliche Testament keine Pflichtteilsstrafklausel, d.h. eine Regelung über den Wegfall der Schlusserbschaft bei Pflichtteilsforderung nach dem 1. Erbfall enthält. Das Testament sieht lediglich eine Begünstigung der den Pflichtteil nicht fordernden Schlusserben vor. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts war eine solche Regelung auch nicht wegen des fehlenden Pflichtteilsrechts der Kinder im Verhältnis zu ihrer Stiefmutter, der Erblasserin, entbehrlich. Denn das insoweit fehlende Pflichtteilsrecht der Kinder änderte nichts an ihrer testamentarischen Einsetzung als Schlusserben. Um dieses Erbrecht zu beseitigen, hätte es einer Strafklausel bedurft. Zwar kommt die streitgegenständliche Testamentsklausel in ihrer Formulierung derjenigen der „Jastrow’schen Klausel“ sehr nahe, jedoch ohne den entscheidenden Strafteil der Klausel. Die getroffene Regelung ist ohne Hinzufügung eines Strafteils auch nicht sinnlos. Vielmehr motiviert sie die Schlusserben dazu, von einer Pflichtteilsforderung nach dem ersten Erbteil abzusehen, indem sie für diesen Fall mit einem Vermächtnis in erheblicher Größe bedacht werden. Durch die aufgeschobene Fälligkeit des Vermächtnisses wird zugleich eine Belastung der überlebenden Ehefrau zu ihren Lebzeiten vermieden. Richtig ist allerdings, dass die vorstehend beschriebenen Wirkungen der Klausel wegfallen, wenn sämtliche Schlusserben den Pflichtteil fordern, da die Vermächtnisse dann entfallen und die Schlusserben im Ergebnis wiederum gleiche Anteile des Vermögens erhalten sowie – in Höhe der Pflichtteile – einen Teil des Vermögens bereits nach dem ersten Erbfall. Dies allein genügt jedoch nicht, um in die Klausel eine darin nicht enthaltene Strafregelung hineinzuinterpretieren. Die entgegengesetzte T hese, den Erblassern sei es wichtig gewesen, die Schlusserben durch eine effektive, sämtliche Fallgestaltungen abdeckende Strafregelung von einer Pflichtteilsforderung abzubringen, ist lediglich eine Vermutung, die sich weder auf den Testamentswortlaut noch auf Umstände außerhalb des Testaments stützen kann. Ihr ist die – ebenfalls plausible – Vermutung entgegenzustellen, dass es dem Ehemann der Erblasserin wichtig gewesen sein dürfte, das von ihm erarbeitete Vermögen letztlich seinen Kindern zukommen zu lassen. Zu diesem Zweck könnte er bereit gewesen sein, Abstriche hinsichtlich der Effektivität der testamentarischen Regelung bzgl. des Schutzes seiner Ehefrau vor Pflichtteilsforderungen hinzunehmen. Entscheidend ist darüber hinaus, dass die in § 2 des Testaments angeordnete Vermächtnisregelung ihren Sinn verlieren würde, wenn man sie um eine Strafkomponente im Sinne der „Jastrow’schen Klausel“ erweitern würde. Sinn der Jastrow’schen Klausel ist es, den Umfang des Nachlasses nach dem zweiten
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Erbfall und damit die Höhe der Pflichtteilsansprüche für den zweiten Erbfall zu reduzieren, indem bereits für den 1. Erbfall Vermächtnisse ausgebracht werden, die aber erst im zweiten Erbfall auszuzahlen sind und deshalb die Liquidität des überlebenden Ehepartners nicht beeinträchtigen. Dieser Sinn entfällt, wenn es sich bei den Schlusserben – wie im vorliegenden Fall – um Stiefkinder handelt, die im zweiten Erbfall ohnehin kein Pflichtteilsrecht haben. Geht man von einer Klausel mit Strafregelung aus, wären die Vermächtnisse bedeutungslos, während sie bei wörtlichem Verständnis der Klausel (außer in dem hier eingetretenen Fall der gemeinsamen Pflichtteilsforderung) als Begünstigung derjenigen Kinder sinnvoll sind, die auf eine Pflichtteilsforderung verzichten.
2. OLG München vom 5. November 2020 – 31 Wx 415/1710 Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann schlossen 1979 einen Ehe- und Erbvertrag, der in Ziffer. IV („Erbvertrag“) auszugsweise wie folgt lautet: In erbvertragsmäßiger Form, d.h. in einseitig unwiderruflicher Weise, treffen die Vertragsteile folgende gemeinsame Verfügung von Todeswegen: 1) Die Eheleute […] setzen sich hiermit gegenseitig zu Alleinerben ein, ohne Rücksicht darauf, ob und wieviele Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind. 2) Für den Fall des Todes des Längstlebenden von Ihnen und/oder für den Fall ihres gleichzeitigen Ablebens bestimmen sie zu Erben zu gleichen Anteilen a) Die Tochter der Ehefrau […] b) Die Tochter des Ehemannes aus zweiter Ehe (= Beteiligte zu 2) c) Die Tochter des Ehemannes aus zweiter Ehe (= Beteiligte zu 1). Ersatzerben werden heute nicht bestimmt. [….] Die Tochter der Ehefrau ist ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vorverstorben. Die Erblasserin hat mehrere notarielle Testamente errichtet. In dem letzterrichteten (11.5.2009) hat sie den Beteiligten zu 3 zu ihrem Alleinerben bestimmt. Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragten am 11.08.2016 vor dem Nachlassgericht einen Erbschein, der eine Erbquote zu ihren Gunsten von je 1/2 ausweist. Das Nachlassgericht hat die Tatsachen für die Feststellung des beantragten Erbscheins für festgestellt erachtet.
Die Beschwerde hat bereits deswegen in der Sache Erfolg, da der von den Beteiligten zu 1 und 2 erstrebte Erbschein (Miterbinnen von jeweils ½) nicht die materielle Erbfolge abbildet. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die Erblasserin die in dem Erbvertrag getroffenen Erbeinsetzung im Hinblick auf § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB deswegen nicht mehr abändern konnte, da der Erbteil der bedachten Tochter der Erblasserin, die infolge Vorversterbens weggefallen ist, den Beteiligten zu 1 und 2 angewachsen ist und diese Anwachsung von der Bindungswirkung im Sinne der § 2278 BGB i.V.m. § 2289 Abs. 1 S. 2 10
ErbR 2021, 141 m. Anm. Lamberz = ZEV 2021, 250 m. Anm. Keim.
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BGB erfasst wird. Es erscheint bereits fraglich, ob die nach § 2094 BGB eintretende Anwachsung eines Erbteils infolge Wegfalls eines Bedachten überhaupt eine vertragsmäßige Verfügung im Sinne des § 2278 Abs. 2 BGB darstellt. Die Frage, ob die infolge Wegfalls eines Bedachten nach § 2094 BGB eintretende Anwachsung unter § 2278 BGB fällt und sich insofern als vertragsmäßig darstellt, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da die individuelle Auslegung der im Erbvertrag getroffenen Anordnungen vorliegend zu dem Ergebnis führt, dass die Erblasserin nach Wegfall ihrer Tochter zu einer neuen letztwilligen Verfügung in Bezug auf diesen Erbteil befugt sein sollte. Vor deren Hintergrund (Beteiligte zu 1 und 2 sind Kinder des Ehemannes aus seiner zweiten Ehe; die vorverstorbene Bedachte war eine Tochter der Erblasserin aus ihrer erster Ehe) ist die Anordnung der Vertragsmäßigkeit insofern auslegungsbedürftig, da in einer solchen Konstellation das Interesse der jeweiligen Ehepartner in der Regel primär darauf gerichtet ist, dass der eine Ehepartner an seiner letztwilligen Verfügung zugunsten der Abkömmlinge des anderen Ehepartners gebunden ist, nicht aber an seine Verfügung zugunsten des eigenen Kindes. Unter Zugrundelegung dieser Wertung ist der Senat der Überzeugung, dass die Willensrichtung der Ehegatten im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags allein darauf gerichtet war, dass der überlebende Ehegatte die Erbenstellung der jeweiligen Abkömmlinge des erstversterbenden Ehegatten nach dessen Ableben nicht mehr entziehen kann, jedoch nicht an einer unveränderlichen Selbstbindung in Bezug auf seine eigenen Abkömmlinge. Demgemäß war die Erblasserin nicht daran gehindert, in Bezug auf den ihrer Tochter ursprünglich zugedachten Erbteil neu zu testieren, hingegen war sie in Bezug auf die den Beteiligten zu 1 und 2 zugedachten Erbteile an ihrer Erbeinsetzung in dem Erbvertrag gebunden, da das Interesse des Ehemanns der Erblasserin darauf gerichtet war, diesen als seine Kinder ihre zugedachten Erbteile zu sichern. Demgemäß führt die Neutestierung der Erblasserin zu einer Erbenstellung der Beteiligten zu je 1/3.
3. OLG Düsseldorf vom 25. November 2020 – I-3 Wx 198/2011 Verfügen Ehegatten, die Kinder aus Vorehen hatten, in einem gemeinschaftlichen Testament, mit welchem sie einander zu Alleinerben einsetzen, „Erst nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Elternteil sollen die Kinder uns zu ungefähr gleichen Teilen beerben.“, so kann die Auslegung ergeben, dass mit Kinder lediglich die im Haushalt lebenden Kinder der Ehefrau gemeint sein sollten und nicht auch das Kind des vorverstorbenen Ehemannes, zu dem zur Zeit der Errichtung des Testaments kein Kontakt bestand.
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4. OLG Düsseldorf vom 11. Dezember 2020 – I-3 Wx 215/1912 Der Erblasser und seine 2017 vorverstorbene Ehefrau hatten weder gemeinsame Kinder, noch je für sich Abkömmlinge. Die Beteiligten sind Erben zweiter Ordnung. Unter dem 11. Oktober 2011 errichteten der 1926 geborene Erblasser und seine 1930 geborene Ehefrau privatschriftlich ein gemeinschaftliches Testament im wesentlichen des Inhalts: „Wir bestimmen gegenseitig, daß der Überlebende der Alleinerbe des Verstorbenen sein soll. Nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten sollen unsere gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Teilen die Erben sein.“ Die Beteiligten zu 4 und 5 haben einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, der alle Beteiligten (zu verschiedenen Quoten) als Miterben ausweist, und hierzu die Ansicht vertreten, gemeint hätten die Eheleute mit dem zweiten Satz ihrer letztwilligen Verfügung die beiderseitigen/jeweiligen gesetzlichen Erben, mithin seien diese als Schlusserben, die beiden Stämme zu gleichen Teilen, eingesetzt. Das Nachlassgericht hat den Antrag zurückgewiesen.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die von den Antragstellerinnen erstrebte Auslegung des zweiten Satzes des gemeinschaftlichen Testaments kann nicht erreicht werden, ohne dass dies die Wirksamkeit des ersten Satzes, also der gegenseitigen Erbeinsetzung als Anordnung zur Erbfolge nach dem Erstversterbenden, beeinträchtigen würde. Die Möglichkeiten der Auslegung beschränken sich von vornherein auf diejenigen der sogenannten erläuternden Auslegung. Eine ergänzende („hypothetische“) Auslegung würde voraussetzen, dass die Ehegatten die Erwartung gehegt hätten, es werde (zum Testatzeitpunkt:) künftig zu gemeinsamen Abkömmlingen kommen (so dass die Frage gestellt werden könnte, was beim Ausbleiben des Erwarteten gelten sollte); eine derartige Vorstellung ist aber bezüglich leiblicher Abkömmlinge angesichts des Lebensalters der Eheleute im Jahre 2011 nach menschlichem Ermessen auszuschließen, und dass seinerzeit Adoptionen als möglich erschienen, ist von keinem Beteiligten vorgetragen. Eine „einfache“ Auslegung in dem von den Antragstellerinnen befürworteten Sinne der beiderseitigen gesetzlichen Erben als testamentarisch bestimmten Schlusserben erfordert, dass die – beide! – Eheleute ein vom üblichen Sprachgebrauch vollständig abweichendes Verständnis zweier alltäglicher Begriffe gehabt und niedergelegt hätten, nämlich zum einen die Gleichsetzung von „Abkömmlingen“ mit „Verwandten“, zum anderen die Verwendung von „gemeinsam“ als „von jeder der beiden Seiten kommend zusammengenommen“, damit gerade „jeweilig“ und eben nicht gemeinsam. Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Eheleute als Laien danach erkundigt hatten, wie sie als Verheiratete ohne Einschaltung eines Notars so testieren konnten, dass sich hernach auch beide Beteiligten dem Grundsatz nach an die Anordnungen „zu halten“ hätten, und dabei auf das gemeinschaftliche Testament mit wechselbezüglichen Verfügungen stießen. Trafen sie in diesem Rahmen auf die gängigen Muster, die eine gegenseitige Beru12
ErbR 2021, 319; vgl. auch OLG Oldenburg vom 11. September 2019 – 3 U 24/18 zum Begriff der „gemeinschaftlichen Abkömmlinge“.
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fung der Ehegatten und die Berufung ihrer Kinder als Schlusserben vorsehen, lag das laienhafte Missverständnis nahe, so habe ein gemeinschaftliches Testament eben auszusehen. Die vorstehend dargestellte Sichtweise verböte sich allerdings, wenn sich feststellen ließe, die Ehegatten hätten sich schon 2011 festlegen wollen, wer denn „letztlich“ erben sollte, nämlich ihre „Familien“, und hierbei die beiden Stämme gleichmäßig bedenken wollen. Wiederum sind weder für das Eine, noch gar für das Andere Anhaltspunkte zutage getreten.
5. OLG Düsseldorf vom 12. Januar 2021 – I-3 Wx 132/2013 Die Erblasserin war unverheiratet und ohne Abkömmlinge. Sie hatte eine ältere Halbschwester, die zwei Kinder hatte: die Beteiligte zu 1 sowie einen 2011 verstorbenen Sohn Erwin, die Beteiligte zu 2 ist eine von dessen zwei Töchtern. Am 1. Juli 1997 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament. In ihm setzte sie zu § 1 ihre Nichte: die Beteiligte zu 1 und ihren Neffen Erwin zu gleichen Teilen als Miterben ein; nachdem in § 2 einzig Grabpflegeanordnungen getroffen worden waren, hieß es unter § 3, weiter habe die Erblasserin nichts zu bestimmen. Die Beteiligte zu 1 betrachtet sich nach dem Vorversterben des Neffen Erwin als Alleinerbin nach der Erblasserin und hat einen unter dem 31. Juli 2019 beurkundeten dahingehenden Erbscheinsantrag gestellt, die Beteiligte zu 2 meint, für den Neffen seien nunmehr dessen Abkömmlinge zu Miterben berufen, und tritt dem Antrag entgegen. Durch die angefochtene Entscheidung hat das Amtsgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 für gerechtfertigt erachtet.
Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel ist unbegründet. Dem besagten Antrag wäre – nur – dann der Erfolg zu versagen, wenn die Beteiligte zu 2 und deren Schwester als Großnichten nach dem Vorversterben ihres Vaters, des Neffen der Erblasserin, statt seiner zu Miterbinnen berufen wären, also die Erblasserin die Anwachsung nach § 2094 Abs. 3 BGB ausgeschlossen hätte. Da hierbei die Zweifelsregel des § 2069 BGB weder unmittelbar noch entsprechend eingreift, weil es sich bei den im Testament bedachten Erben nicht um Abkömmlinge der Erblasserin handelte, kommt es darauf an, ob sich nach allgemeinen erbrechtlichen Auslegungsregeln ein Wille der Erblasserin zum „Nachrücken“ der Kinder des Neffen feststellen lässt. Das wiederum hängt nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen davon ab, ob der Neffe von der Erblasserin um seiner Person willen oder als Erster seines Stammes berufen wurde; falls sich letzteres ergäbe, erwüchse aus dem sogenannten Andeutungserfordernis keine zusätzliche Auslegungshürde, denn in diesem Fall könnte man in der Benennung des Erben selbst die notwendige Andeutung sehen. Indes kann sich, ungeachtet der von der Beteiligten zu 2 unterbreiteten Ermittlungsangebote, auch der Senat nicht davon überzeugen, die Erblasserin habe ihren Neffen Erwin als Ersten seines Stammes berufen wollen. … Mit anderen Worten deutet die Wahl von Nichte und Neffe als benannten Miterben einerseits an der Stelle der Benennung der Halbschwester der Erblasserin, andererseits als einzigen Abkömmlingen im Stamme der Halbschwester, 13
ErbR 2021, 423.
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bei Lichte betrachtet, gerade dagegen, Nichte und Neffe seien ihrerseits als erste ihres eigenen (!) Stammes berufen worden, und für eine Individualberufung, mag sie auch auf den Wunsch der Schwester erfolgt sein. Mit alledem steht § 3 des Testaments in Übereinstimmung. Aus ihm ergibt sich, dass die Erblasserin bei einem „Ausfall“ eines Miterben die Anwachsung beim anderen nach § 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB entweder wünschte oder dieser Rechtsfolge mit Gleichgültigkeit gegenüberstand, jedenfalls keinen Ersatzerben berufen wollte.
6. Hierzu auch KG vom 22. Juni 2020 – 19 W 91/1914 Die verwitwete und kinderlose Erblasserin hat mit ihrem 1982 vorverstorbenen Ehemann ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem es heißt: „Ich, und meine Ehefrau setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Ableben des letzten Ehepartners sind alleinige Erben unseres gesamten Besitzes a) […] b) […].“ Die Erblasserin hat 2008 eine weitere Verfügung von Todes wegen errichtet, in der es heißt: „Mein letzter Wille, Ich, verfüge, dass nach meinem Ableben, Frau [
] wohnhaft [
] meine Beerdigung übernimmt und meinen Hausstand auflöst, in [
].“ Die Miterbin war die Schwester der Erblasserin und ist 2005 vorverstorben. Sie hatte keine Abkömmlinge. Als ihre testamentarische Alleinerbin hatte diese die Erblasserin eingesetzt. Die Beteiligte zu 2 ist die Cousine der Erblasserin und ihrer Schwester und – soweit ersichtlich – einzige gesetzliche Erbin. Der Beteiligte zu 1 ist das Patenkind des vorverstorbenen Ehemannes und war mit diesem bzw. der Erblasserin jedoch nicht verwandt. Der Beteiligte zu 1 hat mit Erbscheinsverhandlung vom 12.2.2019 beantragt, ihm einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben der Erblasserin ausweist. Die Beteiligte zu 2 ist dem entgegengetreten. Das Nachlassgericht hat mit Beschl. v. 8.4.2019 das Vorliegen der zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet.
Der Beteiligte zu 1 ist nach dem gemeinschaftlichen Testament 1977 Alleinerbe und nicht lediglich nach einem Bruchteil von 1/3 Erbe geworden. Im Testament ist zwar bestimmt, dass der Beteiligte zu 1 nach dem Ableben des letzten Ehepartners Erbe zu 1/3 und die Schwester der Erblasserin zu 2/3 werden sollte. Fällt wie hier durch das Vorversterben der Schwester im Jahr 2005 der Fall ein testamentarisch eingesetzter Erbe vor dem Erbfall weg, wächst gemäß § 2094 Abs. 1 S. 1 BGB dessen Erbteil den übrigen Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile an, es sei denn, der Erblasser hätte für diesen Fall einen Ersatzerben (§ 2096 BGB) als Erben eingesetzt. Gemäß § 2099 BGB geht das Recht der Ersatzerben der Anwachsung vor. Die für die Einsetzung von Abkömmlingen geltende Auslegungsregel des § 2069 BGB kann nicht – auch nicht analog – angewandt werden, wenn der Erblasser eine Person eingesetzt hat, die nicht zu seinen Abkömmlingen gehört. In einem solchen Fall ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln, ob in der 14
ErbR 2021, 417.
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Einsetzung des Erben zugleich die Kundgabe des Willens gesehen werden kann, die Abkömmlinge des Bedachten zu Ersatzerben zu berufen. Im Testament 1977 ist ein Ersatzerbe für die vorverstorbene Schwester der Erblasserin nicht ausdrücklich bestimmt. Er ergibt sich auch nicht aus der Zweifelsregel des § 2069 BGB, weil mit der Schwester der Erblasserin kein Abkömmling bedacht worden ist und eine analoge Anwendung des § 2069 BGB wie vorstehend ausgeführt auf Fälle der Verwandtschaft in der Seitenlinie nicht möglich ist, weil dies dem Umstand zuwiderliefe, dass es sich bei dieser Auslegungsregel um die Ausprägung einer allgemeinen Lebenserfahrung handelt und es bei anderen Verwandten als Abkömmlingen an dieser Erfahrungsgrundlage fehlt. In Fällen sonstiger Verwandtschaft erfordert die Annahme einer Ersatzberufung der Abkömmlinge des Zuwendungsempfängers daher eine zusätzliche Begründung auf der Grundlage des durch ergänzende Auslegung zu ermittelnden Erblasserwillens. Diese Auslegung setzt indes voraus, dass das Testament eine planwidrige Regelungslücke aufweist. Eine ergänzende Auslegung im vorstehend behandelten Sinne erfordert zusätzlich, dass sich aus sonstigen letztwilligen Bestimmungen oder auch aus außerhalb des Testaments liegenden Umständen – für den Zeitpunkt der Testamentserrichtung – ergibt, dass die Zuwendung dem Bedachten als Erstem seines Stammes und nicht nur ihm persönlich gegolten hat. Die Ansicht, die erforderliche Andeutung im Testament sei schon in der Tatsache der Berufung dieser Person zum Erben gesehen werden, führt zu einer Rechtsunsicherheit und verstößt gegen die Formvorschriften der §§ 2247, 2267 BGB. Letztlich bedarf es zu dieser Frage in der vorliegenden Sache keiner abschließenden Entscheidung. Die Frage, ob die Einsetzung der Schwester der Erblasserin als Erbin dieser persönlich oder als erste ihres Stammes gegolten hat, stellt sich schon deshalb nicht, weil die Beteiligte zu 2 als deren Cousine nicht ihr Abkömmling ist und damit nicht zum „Stamm“ der Schwester der Erblasserin gehört. Es kommt daher nicht entscheidend darauf an, ob die Beteiligte zu 2 in den letzten Jahren ein enges Verhältnis zur Erblasserin hatte und diese versorgt und gepflegt hat. Darüber hinaus bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Umstände bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorgelegen haben. Es liegen schließlich nicht die Voraussetzungen des § 2088 BGB vor. Nach Abs. 1 und 2 der Vorschrift tritt in Ansehung des übrigen Teils gesetzliche Erbfolge ein, wenn der Erblasser die Einsetzung eines Erben auf einen Bruchteil bzw. mehrere Erben unter Beschränkung eines jeden auf einen Bruchteil eingesetzt hat und dieser Bruchteil bzw. Bruchteile das Ganze nicht erschöpft. Das ist hier unzweifelhaft nicht der Fall, weil mit der Einsetzung des Beteiligten zu 1 zu einem Drittel und der Schwester der Erblasserin zu 2/3 über den gesamten Nachlass verfügt hat.
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7. OLG Brandenburg vom 31. März 2021 – 3 W 38/2115 Die Eheleute haben mit Testament vom 11.02.2018 dahingehend verfügt, dass die Beteiligten zu 3 und 4, ihre Enkelkinder, nach ihrem Tod ihr Haus und Grundstück „erhalten“ sollen, hingegen der Beteiligten zu 2, ihrer Tochter, und unter bestimmten Voraussetzungen auch deren Bruder daselbst lediglich ein Wohnrecht auf Lebenszeit eingeräumt werden sollte.
Dieser letztwilligen Verfügung lässt sich noch mit hinreichender Klarheit entnehmen, dass die Eheleute sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben des gemeinsamen Nachlasses eingesetzt haben. Es trifft zwar grundsätzlich zu, dass im Falle der Erbeinsetzung gemeinsamer Abkömmlinge als Schlusserben und fehlender ausdrücklicher Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten die Verwendung der Begriffe „nach unserem Tod“ und „wir“ keine hinreichende Andeutung für einen Willen zur Erbeinsetzung des Überlebenden abgibt, weil ein derartiger Wille in auf diese Weise formulierten Testamenten nicht einmal „anklingt“. Anders liegt es jedoch in dem Fall, dass die testierte Schlusserbeneinsetzung ohne die für den ersten Erbfall erfolgte Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten rechtlich ausschiede. Denn in diesem Fall deutet sich die von den Ehegatten gewollte gegenseitige Erbeinsetzung in der Einsetzung der Schlusserben an. So liegt der Fall auch hier. Die Einsetzung der gemeinsamen Enkelkinder als Schlusserben des im jeweils hälftigen Eigentum stehenden unbeweglichen Nachlasses der Eheleute würde rechtlich nicht eintreten können, wenn diese sich nicht auch gegenseitig als Alleinerben ihres gemeinsamen Nachlasses eingesetzt hätten. In diesem Fall erbte nämlich nach dem ersten Erbfall die Beteiligte zu 2 nach gesetzlichem Erbrecht 50 % des Nachlasses des erstverstorbenen Ehegatten, so dass die als Schlusserben bedachten Enkelkinder nicht mehr je zur Hälfte erben könnten. Damit erschließt sich aus dem Inhalt der vorliegenden testamentarischen Verfügung mit ausreichender Klarheit, dass die Beteiligte zu 1 den Erblasser nach dem Willen der Ehegatten allein beerben sollte.
8. OLG Düsseldorf vom 28. April 2021 – I-3 Wx 193/2016 Die Ehefrau des Erblassers ist am 15. Juni 2010 vorverstorben. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind ihre Nichten. Die Beteiligten zu 3 bis 13 sind Verwandte des Erblassers. Mit handschriftlichem Testament vom 26. März 2007 testierten der Erblasser und seine Ehefrau wie folgt: „Gemeinschaftliches Testament … setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende, den Überlebenden zum alleinigen Erben ein. …
15 16
ErbR 2021, 685. ErbR 2021, 793 m. Anm. Horn.
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Im Falle eines gemeinsamen Ablebens, setzen wir als Erben ein: 60 % des Gesamtwertes: Britta …, … 40 % des Gesamtwertes: Katja …, … (Unterschriften des Erblassers und seiner Ehefrau) Düsseldorf, den 26.03.2007“ Mit Erbscheinsantrag haben die Beteiligten zu 1 und 2 Erteilung eines Erbscheins beantragt, der die Beteiligte zu 1 als Erbin zu 6/10 die Beteiligte zu 2 als Erbin zu 4/10 ausweist. Mit Beschluss vom 24. Februar 2020 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist begründet.
Formulierungen, die auf ein „gleichzeitiges“ Versterben abstellen, erfassen zunächst Fallkonstellationen, in denen Eheleute zeitgleich, also etwa aufgrund eines Unfalls, versterben. Darüber hinaus sollen auch Fälle erfasst sein, in denen der Überlebende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist. Eine andere Auslegung für den Fall, dass die Testierenden tatsächlich eine Schlusserbeneinsetzung gewünscht haben, bedarf im Hinblick auf die Formvorschrift des § 2247 BGB zumindest einer Andeutung im Testament. Nach einer neueren Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2019, 2317) kommt in der Formulierung „für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens“ der Wille der Testierenden hinsichtlich einer Schlusserbeneinsetzung auch nicht andeutungsweise zum Ausdruck. Demgegenüber erscheinen Formulierungen, die auf das beiderseitige Versterben abstellen, im Allgemeinen als zeitlich neutral. Sie können unter Würdigung des gesamten Testamentsinhalts sowie der Beweggründe und Begleitumstände so auszulegen sein, dass sie auch das Versterben beider Eheleute ohne Rücksicht auf den zeitlichen Abstand erfassen. Gleiches hat im Hinblick auf die hier gewählte Formulierung „Im Falle eines gemeinsamen Ablebens“ zu gelten. Denn diese Formulierung stellt gerade nicht auf ein gleichzeitiges Versterben ab, sondern kann ebenso gut im Sinne von „wenn wir beide verstorben sind“ verstanden werden. Anders als das Adjektiv „gleichzeitig“ enthält „gemeinsam“ keine zeitliche Komponente. Nach allgemeinem Sprachverständnis hat „gemeinsam“ vielmehr die Bedeutung von „zusammen“, „miteinander“ oder „gemeinschaftlich“. Gemeint sein kann daher auch der „gemeinsame“ Zustand nach dem Versterben beider Ehegatten. Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme lässt sich auch der Wille der Erblasser feststellen, die Beteiligten zu 1 und 2 zu Schlusserbinnen einzusetzen (wird ausgeführt).
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9. KG vom 9. April 2021 – 6 W 1/2117 Die 2019 verwitwet und kinderlos verstorbene Erblasserin hat durch das eigenhändig geschriebene und unterschriebene Testament vom 16.9.2007 die Beteiligte zu 1 zu ihrer Testamentsvollstreckerin eingesetzt und verfügt, dass aus ihrem Barvermögen und dem Erlös aus dem Verkauf ihrer Immobilien in Berlin ihre noch lebenden drei Brüder je 22 % ihres Nachlasses erhalten sollen, der Bruder ihres vorverstorbenen Mannes ebenfalls 22 % und die Witwe ihres vierten vorverstorbenen Bruders 12 %. Für den Fall des Vorversterbens des Bruders ihres Mannes hat sie bestimmt, dass seine Witwe – die Beteiligte zu 2 – 10 % erhalten soll und die dann verbleibenden 12 % zu jeweils 1/3 an ihre drei Brüder verteilt werden sollen. Nach Errichtung des Testamentes sind der in den USA lebende Bruder F. am 2.11.2016 – dieser unter Hinterlassung von drei Söhnen, den Beteiligten zu 3 bis 5 – und der in Berlin lebende Bruder M. am 2.12.2016 kinderlos verstorben. Die Witwe des vorverstorbenen vierten Bruders der Erblasserin ist am 23.2.2019 kinderlos und der Bruder ihres Ehemannes am 6.6.2019 ebenfalls kinderlos verstorben. Die Beteiligte zu 1 hat nach Erhalt des Testamentsvollstreckerzeugnisses vom 23.1.2020 aufgrund notarieller Urkunde vom 20.2.2020 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach der überlebende Bruder N. Miterbe zu 90 % und die Witwe des Bruders ihres Mannes – die Beteiligte zu 2 – Miterbin zu 10 % geworden seien. Das Nachlassgericht hat durch den angefochtenen Beschluss dem Hauptantrag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg.
Die Auslegung des Testamentes ergibt, dass die von der Erblasserin ihren drei Brüdern gemachte Zuwendung nicht persönlich, sondern, wie bei gesetzlicher Erbfolge, als Ersten ihres Stammes gelten sollte. Nach § 2069 BGB ist im Zweifel anzunehmen, dass in dem Fall, in dem der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht hat, der nach der Errichtung des Testamentes wegfällt, dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden. Diese Auslegungsregel ist bei der Einsetzung anderer Personen zwar nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Ohne Bestimmung eines Ersatzerben – wie hier hinsichtlich der eingesetzten Brüder – ist daher durch individuelle Auslegung des Testaments gemäß § 133 BGB zu ermitteln, ob in der Einsetzung des Erben zugleich die Kundgabe des Willens gesehen werden kann, die Abkömmlinge des Bedachten zu Ersatzerben einzusetzen. Lassen die sonstigen Testamentsbestimmungen oder Umstände außerhalb des Testamentes erkennen, dass der Erblasser die Zuwendung nicht gerade nur der von ihm bezeichneten Person hat machen, sondern für den ganzen Stamm hat gelten lassen wollen, also die Person nur als erste ihres Stamms benannt hat, so ist auch beim Fehlen der Voraussetzungen des § 2069 BGB eine stillschweigende Ersatzberufung anzunehmen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Erblasser entweder an das Vorversterben des eingesetzten Erben nicht gedacht hat, oder wenn er dies zwar bedacht, das Einrücken der Kinder aber für selbstverständlich hielt. Ist der Bedachte eine dem Erblasser nahestehende Person, legt die Lebenserfahrung daher die Prüfung nahe, ob der Erblasser eine Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge des Bedachten gewollt hat oder gewollt ha17
ZEV 2021, 756 = ErbR 2021, 800 m. Anm. Wendt; ders. ErbR 2021, 754.
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ben würde. Entscheidend ist, ob die Zuwendung dem Bedachten als Ersten seines Stammes oder seiner Familie oder nur ihm persönlich, z.B. wegen der persönlichen Beziehung und Nähe, gegolten hat. Letzteres kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Erblasser alle noch lebenden Geschwister bedacht hat, ohne sich davon leiten zu lassen, zu welchem seiner Geschwister er ein gutes oder weniger gutes Verhältnis hat. Auch im vorliegenden Testament hat die Erblasserin ihre noch lebenden Geschwister bedacht. Indem sie jedem von ihnen einen gleichen prozentualen Anteil von 22 % zugewiesen hat, hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie sich bei deren Einsetzung nicht davon leiten ließ, wie gut oder weniger gut das Verhältnis zu dem einzelnen Bruder war, wie oft dieser sie besucht hat, und ob und in welcher Intensität Kontakt zu deren Kindern bestand, sondern dass sie alle gleich behandeln wollte wie bei der gesetzlichen Erbfolge. Dem steht nicht entgegen, dass sie den Bruder ihres vorverstorbenen Mannes ihren eigenen Brüdern gleichgestellt hat. Für diese Auslegung spricht auch das Alter der eingesetzten Brüder, die der gleichen Generation wie sie angehörten und zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits erwachsene Kinder hatten, wie das Geburtsjahr 1960 des Beteiligten zu 3 zeigt. Danach war es nicht unwahrscheinlich, dass einer oder mehrere ihrer Brüder nicht lange vor oder nach ihr versterben. Dabei deutet nichts darauf hin, dass sie die Begünstigung des einen oder anderen Bruders von dem Zufall abhängig machen wollte, ob er vor oder nach ihr verstirbt. Aus dem Umstand, dass sie gleichwohl hinsichtlich ihrer Brüder keine Ersatzerbfolge angeordnet hat, wohl aber hinsichtlich ihres Schwagers, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass sie hinsichtlich ihrer Brüder keine Ersatzerbfolge gewollt habe (wird ausgeführt). Auch die Einsetzung der mit ihr nicht verwandten Witwe ihres vorverstorbenen Bruders steht dieser Auslegung nicht entgegen (wird ausgeführt). Die Einsetzung zeigt vielmehr, dass sie ihren Nachlass mangels eigener Nachkommen im Grundsatz auf die Familien ihrer eigenen Geschwister und die ihres vorverstorbenen Mannes verteilen wollte.
II. Formwirksamkeit von Testamenten, §§ 2247, 2267 BGB18 1. OLG Frankfurt/M. vom 30. Juli 2020 – 20 W 79/1919 Die Beteiligte zu 3 ist die Tochter aus erster Ehe des 2017 verstorbenen Erblassers. In zweiter Ehe war der Erblasser mit Frau X (im Folgenden: Ehefrau des Erblassers) verheiratet, die bereits verstarb. Der Erblasser und seine Ehefrau erstellten ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament, das von ihnen beiden unterzeichnet wurde. In dem Testament setzten sie sich gegenseitig zu „unbeschränkten Alleinerben“ ein. Weiter heißt es darin:
18 Vgl. Reinert, ErbR 2021, 296–301. 19
ZEV 2021, 443 m. Anm. Fervers; nicht rechtskräftig, Az. des BGH: IV ZB 30/20.
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„Unser gemeinsam erarbeitetes Kapital ist in zwei Ländern angelegt in Deutschland und in Italien mit in etwa gleicher Wertigkeit. Deswegen geben wir eine genaue Anweisung für die Nach/Schlußerben. Wir haben zwei Häuser mit Grundstück, eines in Stadt1/D und ein Ferienhaus in Stadt2/I. […] Für diese beiden Erbteile verfügen wir im vollen Einverständnis miteinander über die Nacherben. Nach dem Tod beider Partner soll das Erbe wie vorgesehen weiter gegeben werden an: Erbteil Stadt1 an [die Beteiligte zu 3] Erbteil Stadt2/I fällt an eine Erbengemeinschaft aus 5 befreundeten Familien […] Namen und Adressen für den Erbteil Italia sind im PC-Ausdruck angehängt und persönlich unterschrieben.“ Es existiert eine entsprechende ausgedruckte „ANLAGE Gemeinschafts-TESTAMENT – NAMENSL ISTE der ERBENGEMEINSCHAFT“. Diese enthält fünf durch durchlaufende Querstriche getrennte Felder, in denen jeweils ein Paar mit Namen und Kontaktdaten genannt ist, in zwei Fällen mit weiteren Namen, mutmaßlich Kinder der Paare. Drei der Paare sind in Italien ansässig, zwei in Deutschland, eines davon sind die Beteiligten zu 1 und 2, die im dritten der fünf Felder aufgeführt sind, ohne weitere Namen. Die Liste ist von dem Erblasser und seiner Ehefrau unterzeichnet, darunter wiederum die Angabe „Stadt1, den 10. März 2011“. Nach dem Tod seiner Ehefrau veräußerte der Erblasser das Haus in Italien und löste die dortigen Konten auf. Zu seinem Nachlass gehören keine Vermögenswerte in Italien mehr. Am 17.06.2014 ließ er ein notarielles Testament beurkunden, in dem er die Beteiligte zu 3 als Alleinerbin einsetzte. Am 20.04./19.06.2018 haben die Beteiligten zu 1 und 2 einen (Teil-)Erbschein als Erben des Erblassers zu je 1/20 beantragt. Die Beteiligte zu 3 hat dem Erbschein widersprochen. Mit Beschluss vom 20.02.2019 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Das Amtsgericht hat ausgeführt, die Erbeinsetzung der „5 befreundeten Familien“ in dem Testament vom 10.03.2011 sei formwirksam erfolgt.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 ist zulässig und begründet. Die Beteiligten zu 1 und 2 können ihren Antrag auf Erteilung eines Erbscheins nicht auf das Testament vom 10.03.2011 stützen. In diesem Testament sind sie nicht wirksam zu Erben eingesetzt worden. Der Erblasserwille muss in der letztwilligen Verfügung auch formwirksam erklärt werden. Dies setzt voraus, dass eine Erbeinsetzung in einem Testament zumindest angedeutet ist, sonst ermangelt sie der gesetzlich vorgeschriebenen Form und ist daher gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Die Person des Bedachten muss dem Testament hinreichend zu entnehmen sein und sich im Wege der Auslegung zweifelsfrei ermitteln lassen. Diesem Erfordernis kann nicht lediglich durch Bezugnahme auf eine andere, der Testamentsform nicht entsprechende Urkunde Genüge getan werden, damit ist die vorgeschriebene Form nicht eingehalten. Vorliegend ist die für eine Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 erforderliche Form nicht eingehalten. Zwar genügt das eigenhändige gemeinschaftliche Testament für sich genommen der Form des §§ 2247 Abs. 1, 2267 Satz 1 BGB. Aus ihm ist aber nicht hinreichend zu entnehmen, auch nicht im Wege der Auslegung, dass die Beteiligten zu 1 und 2 Erben sein sollen. Die Zugehörigkeit der Beteiligten zu 1 und 2 zu einer Gruppe von Erben ist vielmehr
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nur der Anlage zum Testament zu entnehmen. Die Anlage entspricht aber nicht der Testamentsform. Klar liegen in dieser Konstellation des „testamentum mysticum“ die Fälle, in denen der eigenhändig niedergeschriebene Wortlaut des Testaments für sich allein keinen Anhalt dafür gibt, welche Personen oder auch nur welcher Personenkreis Erben sein sollen, wenn also die Person der Erben ausschließlich der nicht formgerechten Anlage zu entnehmen ist, die nicht nur eine Erläuterung zur Bestimmung der Erben darstellt, sondern diese erst originär bezeichnet. Dann ist die Erbeinsetzung wegen Formmangels nichtig. Schwieriger sind Fälle, in denen der Wortlaut des Testaments selbst eine Eingrenzung der Personen vornimmt. In dem von den Beteiligten zu 1 und 2 herangezogenen Fall (OLG Hamm NJW 2003, 2391) hat das dortige Gericht die Formulierung im Testament, dass „die in beigefügter Liste aufgeführten lebenden Verwandten“ Erben werden sollten, als ausreichend angesehen. Maßstab für die Grenze der Auslegung ist nach Auffassung des Senats in diesen Fällen, ob für einen mit den Verhältnissen vertrauten Dritten aus dem Text des Testaments erkennbar ist, welche Personen dort gemeint sind. Der Senat würde sich deshalb der Entscheidung des OLG Hamm, abgesehen davon, dass dort auch eine nichtverwandte Person auf der Liste stand, nur für den Fall anschließen wollen, dass die Liste eine vollständige Aufstellung der „lebenden Verwandten“ enthielt, ohne dass einzelne „lebende Verwandte“ ausgegrenzt wurden, indem sie nicht auf die Liste gesetzt wurden. Das Testament im vorliegenden Fall genügt den oben formulierten Anforderungen des Senats nicht. Der Begriff der „5 befreundeten Familien“ lässt nicht erkennen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 zu diesem Kreis gehören sollen. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht vorgebracht, dass mit der Bezeichnung „5 befreundete Familien“ ein für einen Dritten erkennbarer feststehender, abgegrenzter Kreis von Personen gemeint gewesen sei, wie dies etwa der Fall wäre, wenn sich genau diese fünf Familien mit dem Erblasser und seiner Ehefrau regelmäßig gemeinsam getroffen hätten oder sie regelmäßig alle gemeinsam in Urlaub gefahren wären.
2. OLG Rostock vom 31. August 2020 – 3 W 84/1920 Da eine absolute Gewissheit der Echtheit eines Testaments im naturwissenschaftlichen Sinne fast nie zu erreichen und die theoretische Möglichkeit des Gegenteils der Tatsache, die festgestellt werden soll, kaum auszuschließen ist, genügt für die richterliche Überzeugung nach herrschender Rechtsprechung insoweit ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt. Eine solche Gewissheit liegt auch in Amtsverfahren – wie dem Erbscheinsverfahren – vor, wenn diese einen Grad erreicht hat, „der den Zweifeln Einhalt gebietet“, ohne sie völlig ausschließen zu können. 20
ErbR 2021, 433 m. Anm. Reinert.
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Hier: Zweifel an der Qualifikation der öffentlich bestellten Sachverständigen hat der Senat nicht. Soweit diese letztlich zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Testamentsunterschrift mit überwiegender Wahrscheinlichkeit und der Testamentstext mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Hand der Erblasserin stammt, entspricht dies nach der von ihr mit dem Gutachten eingereichten Bewertungsskala einem Wahrscheinlichkeitsquotienten von 90 % bis 95 % bzw. 95 % bis 99 %. Der Senat folgt insoweit u.a. der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, wonach bei einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (90 %) oder bei einer hohen Wahrscheinlichkeit (95 %) der Beweis der Urheberschaft des Testaments (noch) als geführt angesehen werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.05.2013 – I-3 Wx 47/12 –, zit. n. juris, Rn. 13).
3. OLG Düsseldorf vom 9. April 2021 – I-3 Wx 61/2021 Die Beteiligte zu 1 ist die Ehefrau des Erblassers. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Kinder des Erblassers und der Beteiligten zu 1. Der Erblasser hatte, teils gemeinsam mit der Beteiligten zu 1, mehrere Verfügungen von Todes wegen errichtet. Zuletzt errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 am 15. Oktober einen notariellen Erbvertrag (UR Nr. 5424 für 2001), der von dem Beteiligten zu 4 als Notar beurkundet wurde. Am selben Tag setzten die Eheleute ein von beiden unterzeichnetes handschriftliches Schreiben auf, das wie folgt lautet: „Nachtrag zu dem Erbvertrag vom 15/10.01. (UR Nr. 5423 für 2001) Ordnet jeder von uns Testamentsvollstreckung an. Testamentsvollstrecker soll Notar … (der Beteiligte zu 4) sein.“ Der Beteiligte zu 4 hat Erteilung eines Testamentsvolltreckerzeugnisses beantragt. Das Nachlassgericht den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde des Notars hatte Erfolg.
Der Wirksamkeit des „Nachtrags“ stehen §§ 7, 27 BeurkG iVm § 125 BGB nicht entgegen. Danach ist der Notar insoweit von der Mitwirkung an der Beurkundung einer letztwilligen Verfügung ausgeschlossen, als er darin zum Testamentsvollstrecker des Erblassers ernannt wird. Ein Verstoß gegen die genannten Vorschriften führt zur Unwirksamkeit des betroffenen Teils der Beurkundung, mithin der Ernennung zum Testamentsvollstrecker, und zu einer gem. § 125 BGB formnichtigen Willenserklärung. Hier hat der Beteiligte zu 4 als Notar in Bezug auf den privatschriftlichen „Nachtrag“ keine Beurkundungstätigkeit entfaltet, § 2232 BGB. Er hat weder eine mündliche Erklärung des Erblassers betreffend die Ernennung zum Testamentsvollstrecker beurkundet (Var. 1), noch liegt eine Urkundstätigkeit nach § 2232 S. 1 Var. 2 BGB vor, wonach eine letztwillige Verfügung im Wege eines öffentlichen Testaments/Erbvertrages (§ 2276 Abs. 1 S. 2 BGB) auch in der Weise errichtet werden kann, dass der Erblasser dem Notar ein – offenes oder 21
ErbR 2021, 680 m. Anm. Schönenberg-Wessel.
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verschlossenes – Schriftstück mit dem Hinweis übergibt, es handele sich dabei um seinen letzten Willen und der Notar diesen Vorgang beurkundet, § 30 BeurkG. Der Senat vermag auch in der hier vorliegenden Vorgehensweise keine Umgehung der §§ 7, 27 BeurkG zu erkennen. Eine Urkundstätigkeit, etwa durch Beurkundung einer Erklärung des Erblassers, dass der Testamentsvollstrecker durch gesonderte handschriftliche Niederschrift bestimmt werde, hat der Notar nicht entfaltet. Die handschriftliche Erklärung des Erblassers und der Beteiligten zu 1 nimmt zwar in ihrer Überschrift auf den notariellen Erbvertrag Bezug, umgekehrt enthält die notarielle Urkunde jedoch keine Bezugnahme auf eine zu erwartende privatschriftliche Erklärung, so dass der Notar insoweit nicht tätig geworden ist. Es ist auch durch Verbindung des Erbvertrages und des Nachtrages nach § 44 BeurkG keine Urkundstätigkeit begründet worden. § 44 BeurkG stellt eine beurkundungsrechtliche Sollvorschrift dar, die eine Verbindung mehrerer Blätter einer (einzigen) Urkunde (Satz 1) oder beigefügter Dokumente (Satz 2) durch Schnur und Prägesiegel vorsieht; hängen Urkunden mit anderen Urkunden inhaltlich zusammen, sind sie hingegen nicht gem. § 44 BeurkG zu verbinden. Solche Urkunden können allerdings nach § 18 Abs. 2 DONot mit der Haupturkunde verwahrt oder dieser angeheftet werden, § 30 DONot. Eine solche Verbindung führt nicht dazu, dass sodann eine einheitliche Urkunde vorliegt und sich die Urkundstätigkeit des Notars dann auch die der Haupturkunde angeklebte oder angeheftete und ihr verwahrte Urkunde erstreckt.
III. Widerruf, Ausschlagung und Anfechtung22 1. OLG Frankfurt vom 6. Februar 2021 – 21 W 167/2023 Die Beteiligte zu 1 ist die Ehefrau, die Beteiligten zu 3 und 4 sind die Kinder des Erblassers. Der Beteiligte zu 2 ist der Sohn des Beteiligten zu 4. Der Erblasser hatte am 16.12.1989 mit der Beteiligten zu 1 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Weitere Verfügungen wurden nicht getroffen. Nach dem Tod des Erblassers erklärten die Beteiligten zu 1 und 4 am 01.03.2019 jeweils mit notarieller Urkunde des Notars A die Ausschlagung der Erbschaft. Die Beteiligte zu 1 gab dabei als weitere Erben die Beteiligten zu 3 und 4, der Beteiligte zu 4 die Beteiligte zu 3 an. Ziel der Ausschlagungserklärung der Beteiligten zu 1 war, dass die Beteiligte zu 3 Alleinerbin nach dem Erblasser werden sollte. Mit weiterer notarieller Urkunde des Notars A vom selben Tage beantragte die Beteiligte zu 3 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist. Nach einem Hinweis des Gerichts, dass der Beteiligte zu 2 in die Erbfolge einrücken würde, beantragte die Beteiligte zu 3 zunächst die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der sie und den Beteiligten zu 2 als Erben zu jeweils ½ ausweist. Im Folgenden änderte sie den Antrag auf einen Teilerbscheinsantrag, der sie als Erbin zu ½ ausweist. Der Erbschein wurde am 05.11.2019 erteilt. Der Beteiligte zu 2 beantragte ebenfalls die Erteilung eines Teilerbscheins, der am 18.02.2020 erteilt wurde. Die Beteiligte zu 1 erklärte am 26.06.2020 die Anfechtung der Ausschlagungser22
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Keim, ZEV 2020, 393–402; vgl. auch ders. ErbR 2021, 1012–1015. ErbR 2021, 611 = ZEV 2021, 507 m. Anm. Kollmeyer.
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klärung vom 01.03.2019 und beantragte, die Einziehung der erteilten Erbscheine. Sie kündigte einen Erbscheinsantrag an, der sie als Alleinerbin ausweist. Sie machte geltend, Hintergrund der Erbausschlagung sei gewesen, dass der Grundbesitz erheblich belastet und die Beteiligte zu 3 mit ihrem Ehemann in der Lage gewesen wäre, diese Verbindlichkeiten abzutragen, während der Beteiligte zu 4 in finanziellen Schwierigkeiten gesteckt habe. Sie hätte daher mit ihrer Erbausschlagung erreichen wollen, dass die Beteiligte zu 3 Alleinerbin werde, nachdem auch der Beteiligte zu 4 die Erbschaft ausgeschlagen habe.
Das Nachlassgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Der zulässigen Beschwerde bleibt der Erfolg versagt. Die Anfechtungserklärung der Beteiligten zu 1 greift nicht durch, da ein Anfechtungsgrund nicht vorliegt. Insoweit kann es dahinstehen, ob die Anfechtung auch wegen Ablaufs der Anfechtungsfrist nicht mehr möglich war. Zwar kann ein Anfechtungsgrund auch dann vorliegen, wenn sich der Anfechtende über die Person, bei der die Erbschaft aufgrund der Anfechtung anfällt, in einem Irrtum befindet. Denn auch in diesem Fall handelt es sich um einen beachtlichen Rechtsfolgenirrtum, der als Inhaltsirrtum grundsätzlich zur Anfechtung der Ausschlagungserklärung berechtigt. Im Rahmen des § 119 BGB wird ein zur Anfechtung berechtigender Inhaltsirrtum bei einem Rechtsfolgenirrtum grundsätzlich in Betracht gezogen. Dies dann, wenn der Erklärende über Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten Rechtswirkungen erzeugt, sondern solche, die sich davon unterscheiden. Ein derartiger Rechtsirrtum berechtigt nach der Rechtsprechung des BGH aber nur dann zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt. Dagegen ist der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein unbeachtlicher Motivirrtum. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt nach Ansicht des Senats bei einer sog. „lenkenden Ausschlagung“ auch der Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben einen beachtlichen Rechtsfolgenirrtum als Inhaltsirrtum dar. Mit der Ausschlagung wird nicht nur der Wegfall des Ausschlagenden gemäß § 1953 Abs. 1 BGB bewirkt, sondern gemäß § 1953 Abs. 2 BGB fällt zugleich die Erbschaft dem Nächstberufenen an. Der Anfall der Erbschaft bei dem Nächstberufenen ist somit unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung. Der Erklärende kann nach Auffassung des Senats die Ausschlagung wegen Inhaltsirrtums daher dann anfechten, wenn das Verfehlen des Lenkungsziels darauf beruht, dass die Erbschaft unmittelbar bei einer anderen Person als beabsichtigt eintritt 24. Diese Frage ist in der Literatur und Rechtsprechung zwar umstritten, wobei im Ausgangspunkt überwiegend von einem unbeachtlichen Motivirrtum ausgegangen wird; allerdings bei besonderen Fallkonstellationen – etwa bei Irrtum 24
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.03.2019 – 3 Wx 166/17, juris Rn. 26, 28; aA KG Berlin, Beschluss vom 11.07.2019 – 19 W 50/19, juris Rn. 26, 27.
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über die Anwachsung bei einem Miterben – mit der Modifikation, dass hier ein beachtlicher Rechtsfolgenirrtum angenommen wird. Vorliegend kann dieser Meinungsstreit jedoch dahinstehen, da die Beteiligte zu 1 sich bei ihrer Ausschlagungserklärung schon nicht über die Person des nächstberufenen Erben geirrt hat. Denn ihr war bewusst, dass durch ihre Ausschlagung die Beteiligten zu 3 und 4 Erben werden, wie dies auch in der Ausschlagungserklärung zutreffend angegeben wurde. Diese Rechtsfolge war von der Beteiligten zu 1 gewollt und beabsichtigt. Die Beteiligte zu 1 hat sich allein darüber geirrt, dass mit der weiteren, von dem Beteiligten zu 4 anschließend erklärten Ausschlagung der zunächst bei dem Beteiligten zu 4 angefallene hälftige Erbteil dann nicht bei der Beteiligten zu 3, sondern als Abkömmling des ausschlagenden Beteiligten zu 4 bei dem Beteiligten zu 2 anfällt. Diesem Irrtum könnte nach dem Inhalt seiner Ausschlagungserklärung auch der Beteiligte zu 4 unterlegen sein, der dort als nächstberufenen Erben ausschließlich die Beteiligte zu 3 angegeben hatte. Dann hätte zwar möglicherweise der Beteiligte zu 4 seine Ausschlagungserklärung anfechten können. Für die Beteiligte zu 1 handelt es sich aber nicht um eine unmittelbare Rechtsfolge ihrer Ausschlagungserklärung sondern um eine für sie mittelbare Folge der Ausschlagungserklärung des Beteiligten zu 4. Eine solche mittelbare Rechtsfolge führt nicht zu einem beachtlichen Rechtsfolgenirrtum sondern stellt nur einen unbeachtlichen Motivirrtum dar.
2. OLG Düsseldorf vom 20. November 2020 – I-3 Wx 166/2025 Ist der potentielle Erbe aufgrund der von ihm in Erfahrung gebrachten Umstände (u.a. vermüllte Wohnung, umherliegende Rechnungen und Mahnungen, keine werthaltigen Gegenstände in der Wohnung, Informationen des Nachlassgerichts über offene Nachlassverbindlichkeiten und Bezahlung der Bestattung durch die öffentliche Hand) und der aus seiner Sicht abschließend, weil ohne sich ihm eröffnende Anhaltspunkte für weitere taugliche Informationsquellen, erfolgten Klärung der Vermögensverhältnisse, zu der Vorstellung gelangt, im Nachlass befänden sich ausschließlich Verbindlichkeiten des Erblassers, so hat er sich bei seiner hierauf basierenden Erklärung der Erbausschlagung nicht lediglich von Spekulationen, sondern von der Überzeugung einer Überschuldung leiten lassen, was ihm für den Fall, dass sich – wie hier – im Nachhinein die Werthaltigkeit des Nachlasses herausstellt, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen, die Möglichkeit eröffnet, seine Erbausschlagungserklärung wegen Eigenschaftsirrtums anzufechten.
25
ErbR 2021, 218.
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3. Vgl. demgegenüber aber auch OLG Düsseldorf vom 9. Dezember 2020 – I-3 Wx 13/2026 Stützt sich die Anfechtung – wie hier – auf einen Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache gemäß § 119 Abs. 2 BGB, ist als „Sache“ im Sinne dieser Vorschrift die Erbschaft anzusehen, d.h. der dem Erben angefallene Nachlass oder Nachlassteil. Insoweit ist nahezu einhellig anerkannt, dass die Überschuldung der Erbschaft eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellt, die zur Anfechtung berechtigen kann, indes nur, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, also bezüglich des Bestandes an Aktiva oder Passiva, beruht. Der Senat hat in der Vergangenheit den Standpunkt vertreten, hieraus folge zugleich, dass nicht zur Anfechtung berechtigt ist, wer ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses einer Fehlvorstellung über dessen Größe unterlag; mit anderen Worten sich derjenige nicht auf einen Anfechtungsgrund berufen kann, der nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt war, die Erbschaft wolle er annehmen oder ausschlagen, sondern seine Entscheidung auf spekulativer – bewusst ungesicherter – Grundlage getroffen hatte. Wer bewusst bestimmte Umstände als lediglich möglich betrachtet und dieses Vorstellungsbild handlungsleitend sein lässt, der verhält sich aufgrund Hoffnungen oder Befürchtungen, die das Motiv seines Handelns bilden. Ein bloßer Irrtum im Motiv berechtigt jedoch weder im allgemeinen, noch speziell im Zusammenhang der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft zur Anfechtung. Dies findet allgemein seine Rechtfertigung im Gesichtspunkt der Rechtssicherheit; im besagten erbrechtlichen Zusammenhang ist zudem der Gefahr zu begegnen, durch eine zu großzügige Berücksichtigung reiner Motivirrtümer faktisch eine im Gesetz nicht vorgesehene weitere Form der Haftungsbeschränkung eines Erben zu schaffen, nämlich eine sozusagen einstweilige Ausschlagung bis zur abschließenden Klärung der Vermögensverhältnisse (entwickeln sich die Erkenntnisse negativ, belässt der Erbprätendent es bei der erklärten Ausschlagung, entwickeln sie sich günstig, ficht er seine Ausschlagung an).
4. OLG Düsseldorf vom 12. März 2021 – I-3 Wx 151/2027 Ergeben die Feststellungen des Nachlassgerichts (hier nach Anhörung eines Beteiligten durch das Beschwerdegericht), dass der vorgelegten Kopie ein vom Erblasser eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt zugrunde liegt und lässt sich nicht feststellen, dass 26 27
ErbR 2021, 323; hierzu auch Reinert, ErbR 2021, 756. ErbR 2021, 600.
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der Erblasser das Original des Testaments mit Widerrufsabsicht vernichtet hat, so bleibt das Rechtsmittel gegen die den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge zurückweisende Entscheidung des Nachlassgerichts ohne Erfolg.
IV. Testierfähigkeit, § 2229 BGB 1. KG vom 29. Mai 2020 – 19 W 4/20 28 a) Die von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen zur Frage der Testierfähigkeit im Zeitpunkt der Testamentserrichtung sind erst abzuschließen, wenn weitere Maßnahmen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht erwarten lassen. b) Nach Erhebung von Anknüpfungstatsachen, die als Momentaufnahmen eine Testierunfähigkeit zu bestimmten Zeitpunkten stützen (Betreuungsgutachten, Zeugenaussagen etc.), bedarf es der Einholung eines Sachverständigengutachtens, ob auf dieser Grundlage Testierunfähigkeit über den gesamten Zeitraum der möglichen Testamentserrichtung positiv festgestellt werden kann. c) Durch fachärztliche Begutachtung ist ferner zu klären, ob und mit welchen Auswirkungen eine psychische Erkrankung Schwankungen unterworfen gewesen sein kann. d) Angaben von behandelnden Ärzten ohne psychopathologische Spezialausbildung ergeben allein keine zuverlässige Tatsachengrundlage für die Annahme einer dauerhaften Testierunfähigkeit in dem relevanten Zeitraum. e) Es begründet einen Verfahrensmangel, wenn ohne nähere Abklärung vorgetragener oder sonst amtswegig heranzuziehender Umstände über einen Zeitpunkt oder Zeitrahmen für die Testamentserrichtung allein aufgrund eines graphologischen Gutachtens ohne Wahrscheinlichkeitsangaben entschieden wird.
2. OLG Celle vom 7. Januar 2021 – 6 U 22/20 29 a) Zur Feststellung der Testierunfähigkeit eines unter Betreuung stehenden Erblassers. b) Ungeachtet der nach wie vor fehlenden Wertung des Gesetzgebers, dass Zuwendungen des Betreuten an den Betreuer als sittenwidrig anzusehen sind, kann ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines „Seniorenbetreuers“ sittenwidrig sein, wenn – wie vorliegend – eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen 28 29
ErbR 2021, 430. ZEV 2021, 386 m. Anm. Centner.
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älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen. c) Dass als Folge der Nichtigkeit des Testaments der Fiskus erben wird (§ 1936 Satz 1 BGB), verändert den Maßstab bei der Anwendung von § 138 BGB nicht zu Gunsten der eingesetzten Erben.
V. Rücktritt vom Erbvertrag BGH vom 27. Januar 2021 – XII ZB 450/20 30 Vor ihrer Heirat schlossen die 1940 geborene Betroffene und der Beteiligte zu 3 im Jahre 2006 einen notariellen Erbvertrag, in dem sie sich durch vertraglich angeordnete Verfügungen jeweils mit Vermächtnissen bedachten und den notariell zu beurkundenden Rücktritt vorbehielten. Anfang 2015 erteilte die Betroffene ihren beiden Kindern, den Beteiligten zu 1 und 2, eine umfassende Vorsorgevollmacht. In notarieller Urkunde vom 15. April 2020 erklärte der Beteiligte zu 3 den Rücktritt vom Erbvertrag. Die Urkunde wurde der Betroffenen und der Beteiligten zu 1 zugestellt. Wegen Bedenken hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen hat der Beteiligte zu 3 beim Amtsgericht die Bestellung eines Betreuers für die Betroffene zur Entgegennahme der Rücktrittserklärung angeregt. Das Amtsgericht hat die Einrichtung einer Betreuung abgelehnt. Das Landgericht hat die Beschwerde des Beteiligten zu 3 zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
Das Landgericht hat den Beteiligten zu 3 mit Recht als beschwerdeberechtigt angesehen. Die Beschwerdeberechtigung des Ehemanns der Betroffenen folgt hier unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG jedenfalls aus § 59 Abs. 1 FamFG. …Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht die Einrichtung einer Betreuung mit Blick auf die den Kindern der Betroffenen erteilte umfassende Vorsorgevollmacht wegen Fehlens der Erforderlichkeit im Sinne des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB abgelehnt hat. Gemäß § 2296 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgt der – nach § 2296 Abs. 1 BGB nur höchstpersönlich mögliche – Rücktritt vom Erbvertrag, den sich die Vertragschließenden vorliegend gemäß § 2293 BGB vorbehalten haben, durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragschließenden. Als empfangsbedürftige Willenserklärung bedarf der Rücktritt bei Abgabe in Abwesenheit des Erklärungsgegners gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB des Zugangs bei diesem, um wirksam zu werden. Dass der andere Vertragschließende geschäftsunfähig geworden ist, schließt den vertraglich vorbehaltenen Rücktritt vom Erbvertrag ihm gegenüber – und damit auch die Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung zur Entgegennahme der Rücktrittserklärung – nicht aus. Jedenfalls für den Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen gemäß §§ 2271 Abs. 1 Satz 1, 2296 BGB wird in der Literatur allerdings vereinzelt vertreten, er sei gegenüber einem Geschäftsunfähigen nicht möglich. Begründet wird dies zum einen damit, der testierunfähige Widerrufsgegner 30
ZEV 2021, 245 m. Anm. Reimann = ErbR 2021, 410 m. Anm. Horn.
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habe dann keine Möglichkeit, auf den Widerruf mit einer neuen Verfügung von Todes wegen zu reagieren, so dass seine Situation insoweit der in § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB entspreche, wonach das Recht zum Widerruf mit dem Tode des anderen Ehegatten erlischt. Zum anderen komme die Bestellung eines Betreuers zur Entgegennahme des Widerrufs für den Testierunfähigen regelmäßig nicht in Betracht, so dass dem Geschäftsunfähigen der Widerruf nicht zugehen könne. Demgegenüber sind die Rechtsprechung und der weit überwiegende Teil der Literatur der Meinung, dass die Geschäftsunfähigkeit bzw. Testierunfähigkeit des anderen Ehegatten bzw. Vertragschließenden weder einem Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen noch dem Rücktritt vom Erbvertrag entgegenstehen. Jedenfalls für die hier maßgebliche Frage, ob das in einem Erbvertrag vorbehaltene Rücktrittsrecht schon mit Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragschließenden erlischt, ist die letztgenannte Auffassung zutreffend. Der Gesetzgeber hat in § 2298 Abs. 2 Satz 2 BGB den Tod des anderen Vertragschließenden als eindeutige und unschwer zu bestimmende zeitliche Zäsur festgelegt, bis zu der das Rücktrittsrecht auszuüben ist. Tatsächliche Unsicherheiten, wie sie bei der Anknüpfung etwa an die Testier- oder Geschäftsunfähigkeit unvermeidbar wären, sind auf diese Weise ausgeschlossen. Es ist zwar zutreffend, dass dem testierunfähig gewordenen anderen Vertragschließenden wegen § 2229 Abs. 4 BGB die Möglichkeit genommen ist, auf die mit dem Rücktritt veränderte erbrechtliche Lage mittels letztwilliger Verfügungen zu reagieren, obwohl ihm diese Möglichkeit eröffnet sein soll. Diese Konsequenz ist dem Gesetz andererseits aber auch nicht fremd, wie § 2298 Abs. 2 Satz 3 BGB belegt, wonach der Überlebende selbst nach dem Tod des anderen Vertragschließenden seine Verfügung durch Testament aufheben kann, wenn er das ihm durch den Erbvertrag Zugewendete ausschlägt. Zudem ist bei Testierunfähigkeit des anderen Vertragschließenden – anders als bei dessen Tod – der Erbfall noch nicht eingetreten. Letztlich verwirklicht sich für den Rücktrittsgegner das allgemeine Risiko, einer veränderten Situation aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Testierunfähigkeit erbrechtlich nicht mehr Rechnung tragen zu können. Ist der Rücktritt im Erbvertrag – wie hier – vorbehalten, ist er auf die Gefahr, dass sich sein Vertragspartner durch einseitige Erklärung von den getroffenen Regelungen lösen kann, zudem ausdrücklich hingewiesen worden. Der Rücktritt des Beteiligten zu 3 vom Erbvertrag kann vorliegend wirksam gegenüber der Beteiligten zu 1 als Vorsorgebevollmächtigter erklärt werden, so dass es keiner Betreuerbestellung bedarf. Vereinzelt wird die Möglichkeit einer Bevollmächtigung für die insoweit parallele Fragestellung des Widerrufs von wechselbezüglichen Verfügungen, für dessen Vornahme § 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB auf § 2296 BGB verweist, abgelehnt. Die weit überwiegende Auffassung nimmt hingegen an, dass der Rücktritt vom Erbvertrag – bzw. der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen – bei Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragschlie-
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ßenden – bzw. anderen Ehegatten – gegenüber einem von diesem wirksam Bevollmächtigten erfolgen kann. Nach richtiger Ansicht kann der Rücktritt vom Erbvertrag gemäß § 2296 Abs. 2 Satz 1 BGB bei Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragschließenden jedenfalls grundsätzlich wirksam gegenüber dessen Vorsorgebevollmächtigtem erfolgen. Gesetzliche Vorgaben stehen einer wirksamen Entgegennahme des Rücktritts vom Erbvertrag durch einen rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Vertreter des anderen, zwischenzeitlich geschäftsunfähig gewordenen Vertragschließenden nicht entgegen. Ein entsprechender Ausschluss folgt zum einen nicht aus § 131 Abs. 1 BGB. Zwar wird nach dieser Bestimmung eine Willenserklärung, die einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben wird, nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Mit dieser Regelung ist jedoch nicht die gesetzgeberische Anordnung verbunden, dass Willenserklärungen, die rechtlich einem Geschäftsunfähigen gelten, nicht auch an dessen rechtsgeschäftlichen Vertreter gerichtet werden können. Vielmehr gilt insoweit § 164 Abs. 3 BGB, wonach eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung, die dessen Vertreter gegenüber erfolgt, unmittelbar für und gegen den Vertretenen wirkt. Zum anderen wird eine rechtsgeschäftliche Stellvertretung bei der Entgegennahme des Rücktritts vom Erbvertrag nicht dadurch gehindert, dass dieser nach § 2296 Abs. 2 Satz 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragschließenden zu erfolgen hat. Denn anders als bei der Abgabe der Rücktrittserklärung, die gemäß § 2296 Abs. 1 BGB nicht durch einen Vertreter erfolgen kann, handelt es sich bei der Entgegennahme nicht um eine höchstpersönliche Angelegenheit. Dem kann auch nicht mit Erfolg die prozessuale Regelung des § 51 Abs. 3 ZPO entgegengehalten werden, die den Vorsorgebevollmächtigten eines prozessunfähigen Volljährigen einem gesetzlichen Vertreter gleichstellt. Auch wenn es an einer vergleichbaren Bestimmung im materiellen Recht fehlt, erlaubt das ersichtlich nicht den Gegenschluss, dass es dort eines gesetzlichen Vertreters bedarf. Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit § 51 Abs. 3 ZPO allein die streitige Frage klären, ob derjenige, der eine wirksame Vorsorgevollmacht erteilt hat, dennoch nach Eintritt der Geschäftsunfähigkeit für das gerichtliche Verfahren mit Blick auf § 1902 BGB einen Betreuer als gesetzlichen Vertreter benötigt, und auch die prozessuale Anerkennung der Vorsorgevollmacht sicherstellen. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass mit der gewillkürten Stellvertretung im Rahmen des § 2296 Abs. 2 Satz 1 BGB allgemein ein höheres Risiko für einen noch testierfähigen Vertretenen verbunden sein kann als mit einer gesetzlichen Vertretung durch einen Betreuer. Denkbar sind dann nämlich insbesondere die Fälle, in denen gerade der zurücktretende andere Vertragschließende zugleich vom Verbot der Selbstkontrahierung befreiter Bevollmächtigter ist, der Vertretene keine Kenntnis vom Rücktritt erhält und so vereitelt wird, dass er etwa durch letztwillige Verfügungen auf den Rücktritt reagiert. Unabhängig davon, ob die Vollmacht den Vertreter dann tatsächlich zur wirksamen Entgegennahme der Erklärung ermächtigt und der Vertreter unter
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anderem das Risiko eingeht, dass es an einer wirksamen Erklärung des Rücktritts fehlt, steht ein solcher Fall vorliegend nicht in Rede. Trotz des mit einer Bevollmächtigung allgemein einhergehenden Missbrauchsrisikos ist es der Wille des Gesetzgebers, durch die rechtliche Anerkennung der Vorsorgevollmacht das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen zu stärken.
VI. Beeinträchtigende Schenkungen, § 2287 BGB BGH vom 10. März 2021 – IV ZR 8/2031 Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung an die aus ihr und zwei weiteren Personen bestehende Erbengemeinschaft nach dem am 24. Februar 2013 verstorbenen Erblasser wegen Überweisungen aus dessen Vermögen an die Beklagte. Der Erblasser und seine vor ihm verstorbene Ehefrau hatten sich in einem notariellen gemeinschaftlichen Testament vom Oktober 1997 gegenseitig als Alleinerben und als Schlusserben die Klägerin, eine Nichte der Ehefrau, weiterhin Inge H. und Josepha P. sowie u.a. die Tochter der Letztgenannten, Marianne Z., als Ersatzschlusserbin eingesetzt. Die Eheleute hatten ausdrücklich bestimmt, dass „die in diesem Testament niedergelegten Verfügungen […] wechselbezüglich“ seien und „nur gemeinschaftlich geändert oder durch Widerruf beseitigt werden“ könnten. Die Beklagte, eine Nachbarin des Erblassers, überwies aufgrund einer Bankvollmacht im März 2010 von einem Konto des Erblassers einen Betrag von 106.527,23 € mit dem Verwendungszweck „Schenkung“ und im Oktober 2010 von dem Sparkonto des Erblassers einen weiteren Betrag von 50.000 € mit dem Verwendungszweck „Übertrag Sparbuch“ auf ihr eigenes Konto. In einer notariellen Urkunde vom 3. Februar 2011 erklärte der Erblasser unter anderem, seit 2009 habe er der Beklagten, die sich regelmäßig um ihn kümmere und zu der er seit Jahrzehnten ein nachbarschaftliches und später freundschaftliches Verhältnis habe, mehrfach größere Geldbeträge geschenkt. Sie habe in seinem vollen Einverständnis aufgrund der erteilten Vollmacht Bankgeschäfte getätigt. Die entsprechenden Beträge habe er der Beklagten geschenkt. Alle Abhebungen und Schenkungen seien aus seiner Sicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte schulde keine Auskunft und Rückzahlung. Am 11. Juli 2011 überwies die Beklagte einen weiteren Betrag in Höhe von 50.000 € vom Sparbuch des Erblassers auf ihr Konto mit dem Verwendungszweck „für Betreuungsaufgaben“. Die Klägerin verlangt mit der Klage, soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung, die Rückzahlung der vorgenannten Beträge an die Erbengemeinschaft. Sie trägt vor, wirksame Schenkungsverträge hätten nicht vorgelegen; der Erblasser habe von den Überweisungen keine Kenntnis gehabt. Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter, soweit sie zur Zahlung von mehr als 710 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt im angefochtenen Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin für die Erbengemeinschaft gemäß § 2287 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Erstattung der vor dem Tod des Erblassers von der Beklagten an sich selbst überwiesenen Geldbeträge geltend machen könne. Im Ergebnis noch zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass im Streitfall nur eine entsprechende 31
ZEV 2021, 445 m. Anm. Joachim.
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Anwendung von § 2287 Abs. 1 BGB in Betracht kommt: Zwar wäre die Norm – wenn man wie das Berufungsgericht einen Erbvertrag zugrunde legt – unmittelbar anwendbar. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, das insoweit auch keine Feststellungen getroffen hat, handelt es sich hier aber – wie das Landgericht auf der Grundlage der Urkunde zu Recht annimmt – um wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament; in diesem Fall findet § 2287 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung. Das Berufungsgericht übersieht aber, dass der Herausgabeanspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht zum Nachlass gehört. Wenn mehrere Vertragserben bzw. bindend eingesetzte Schlusserben vorhanden sind, steht dieser Anspruch nicht den Erben gemeinschaftlich zu, sondern jedem von ihnen persönlich, und zwar zu einem seiner Erbquote entsprechenden Bruchteil. Abweichend davon hat das Berufungsgericht angenommen, der Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB falle in den Nachlass. Für den Fall, dass die von der Beklagten behaupteten Schenkungen wirksam sein sollten, hat es ihre Verurteilung zur Zahlung an die Erbengemeinschaft auf einen Anspruch aus dieser Vorschrift aufgrund der Klage nur einer Miterbin – der Klägerin – gestützt. Mit dieser Begründung kann die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung der noch streitgegenständlichen Beträge keinen Bestand haben. Die Entscheidung erweist sich nicht im Sinne von § 561 ZPO aus anderen Gründen deshalb als richtig, weil das Berufungsgericht ausgeführt hat, soweit die Schenkungen unwirksam gewesen sein sollten, folge der Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB. Es fehlt schon an Feststellungen dazu, ob die in Rede stehenden Überweisungen ohne Rechtsgrund erfolgten. Diese Feststellungen wird das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung nachzuholen haben. Wenn es wirksame Schenkungen annimmt, wird es ausgehend davon gegebenenfalls die weiteren Voraussetzungen des § 2287 Abs. 1 BGB erneut zu prüfen haben.
C. Erbengemeinschaft I. Verwaltung, §§ 2038, 2039 BGB 1. BGH vom 7. Oktober 2020 – IV ZR 69/2032 Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 2 auf anteilige Kostenerstattung für die Erteilung eines Erbscheins in Anspruch. Der am 25. Februar 2015 verstorbene Vater der Parteien wurde im Wege der gesetzlichen Erbfolge von seiner Ehefrau zu 1/2, den Parteien des Revisionsverfahrens sowie einem weiteren Bruder, dem früheren Beklagten zu 1, zu je 1/6 beerbt. Zum Nachlass gehört auch ein Hausgrundstück in D. Die Klägerin beantragte bei dem zuständigen Nachlassgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein, der ihr am 7. Dezember 2015 erteilt wurde. Am 17. Dezember 2015 wurden die Mitglieder der Erbengemeinschaft nach dem Vater der Parteien 32
ZEV 2021, 25 = ErbR 2021, 127 m. Anm. Wendt.
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als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Das Nachlassgericht stellte der Klägerin für die Erteilung des Erbscheins einen Betrag in Höhe von 1.870 € in Rechnung, den sie beglich. Am 9. Dezember 2018 verstarb die Mutter der Parteien, die aufgrund testamentarischer Erbfolge durch den Beklagten beerbt wurde. Die Klägerin hat den Beklagten und seinen Bruder auf anteilige Erstattung der Kosten für die Erteilung des Erbscheins in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 1.246,67 € sowie seinen Bruder zur Zahlung von 311,67 € jeweils nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage gegen den Beklagten abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Begehren weiter, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Revision hat keinen Erfolg. Rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht entschieden, dass der Klägerin gegen den Beklagten kein Anspruch aus Gesamtschuldnerausgleich, aus § 2038 Abs. 1 BGB oder aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 BGB auf Erstattung der anteiligen Kosten für die Beantragung des Erbscheins zusteht. Lediglich im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass die Klägerin ebenfalls keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Herausgabe der Bereicherung gemäß § 684 Satz 1 BGB i.V.m. § 812 BGB hat. Liegen – wie hier – die Voraussetzungen des § 683 BGB nicht vor, so ist der Geschäftsherr verpflichtet, dem Geschäftsführer alles, was er durch die Geschäftsführung erlangt, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. In der Beantragung des Erbscheins durch die Klägerin für die Erbengemeinschaft liegt ein jedenfalls auch fremdes Geschäft. In diesen Fällen wird regelmäßig ein ausreichender Fremdgeschäftsführungswille vermutet. Unzutreffend vertritt das Berufungsgericht sodann allerdings die Auffassung, ein Anspruch aus § 684 Satz 1 BGB i.V.m. § 812 BGB komme wegen des Vorrangs des § 2038 BGB nicht in Betracht, weil dieser einen Ausgleich der Miterben für eigenmächtige Maßnahmen nach allgemeinen Vorschriften ausschließe. Eine derartige Sperrwirkung des § 2038 BGB für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag besteht nicht. § 2038 BGB regelt ausschließlich die Verwaltung des Nachlasses. Diese steht den Erben grundsätzlich gemeinschaftlich zu (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ferner ist jeder Miterbe den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind; die zur Erhaltung notwendigen Maßnahmen kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen (§ 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB). § 2038 Abs. 2 BGB verweist hierzu auf Vorschriften des Gemeinschaftsrechts. Nicht ausgeschlossen wird von der Regelung über die Verwaltung des Nachlasses in § 2038 BGB ein auf anderen Rechtsgrundlagen beruhender Anspruch eines Miterben gegen die übrigen auf Aufwendungsersatz oder Herausgabe einer Bereicherung. Entsprechend findet nach ständiger Rechtsprechung des Senats und einhelliger Auffassung im Schrifttum das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag neben § 2038 BGB Anwendung. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein Miterbe, dem lediglich ein Minderheitsanteil zusteht,
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ein Geschäft für die Erbengemeinschaft außerhalb seiner Befugnis zur Notverwaltung gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB durchführt. Auch in der Sache wäre eine Verdrängung der Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag und die ungerechtfertigte Bereicherung durch § 2038 BGB nicht gerechtfertigt. Diese Vorschrift betrifft ausschließlich die Meinungsbildung der Erbengemeinschaft über die Verwaltung des Nachlasses durch einstimmige Entscheidungen, Mehrheitsbeschlüsse oder Notverwaltungsmaßnahmen eines einzelnen Miterben. Nicht vorgegeben wird durch § 2038 BGB demgegenüber, ob einem Miterben, der Maßnahmen auch für die Erbengemeinschaft trifft, ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen oder Herausgabe der bei den anderen Miterben eingetretenen Bereicherung zusteht. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich indessen aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Soweit die Klägerin den Erbschein zum Zweck der Berichtigung des Grundbuchs beantragt hat, fehlt es schon an einer herauszugebenden Bereicherung des Beklagten. Die Befreiung von einer Verbindlichkeit durch die Übernahme der Kosten für die Beantragung des Erbscheins durch die Klägerin kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil diese den Erbschein allein beantragt hat und daher ausschließliche Kostenschuldnerin gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG ist. Zwar können, worauf die Revision zu Recht hinweist, im Rahmen des § 684 Satz 1 BGB auch ersparte Aufwendungen des Geschäftsherrn in Ansatz gebracht werden. Der Beklagte hat aber durch die Beantragung des Erbscheins seitens der Klägerin keine Aufwendungen erspart, die ihm ohne die Tätigkeit der Klägerin zwingend ebenfalls entstanden wären. Seine Miterbenstellung ergibt sich gemäß § 1922 BGB bereits mit dem Erbfall aus dem Gesetz und setzt nicht konstitutiv die Beantragung eines Erbscheins voraus. Die Erbengemeinschaft ist mit dem Erbfall auch unmittelbar Eigentümerin des Grundstücks in D. geworden. Zwar wurde das Grundbuch hierdurch unrichtig, da in diesem noch der Erblasser als Eigentümer eingetragen war. Insoweit wäre eine Grundbuchberichtigung durchzuführen gewesen, für die gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO grundsätzlich ein Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis erforderlich ist. Die Klägerin durfte hier aber nicht gegen den erklärten Willen der übrigen Miterben mit Kostenlast für diese einen Erbschein beantragen, um bereits 2015, im Jahr des Erbfalls, eine Grundbuchberichtigung durchzuführen. Hierzu waren die übrigen Miterben auch nicht aufgrund grundbuchrechtlicher Vorgaben verpflichtet. Ist das Grundbuch hinsichtlich der Eintragung des Eigentümers durch Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs unrichtig geworden, so soll das Grundbuchamt gemäß § 82 Satz 1 GBO dem Eigentümer oder dem Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Grundstücks zusteht, die Verpflichtung auferlegen, den Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs zu stellen und die zur Berichtigung des Grundbuchs notwendigen Unterlagen zu beschaffen. Das Grundbuchamt soll diese Maßnahme gemäß § 82 Satz 2 GBO zurückstellen,
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solange berechtigte Gründe vorliegen. Als Zurückstellungsgrund kommt etwa eine beabsichtigte Verfügung über das Grundstück, bei der die Voreintragung nach § 40 GBO entbehrlich ist, z.B. die Veräußerung des Grundstücks an einen Dritten oder im Rahmen der Erbauseinandersetzung an einen Miterben, in Betracht. Zu denken ist ferner an eine beabsichtigte Zwangsversteigerung zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, die nach § 181 Abs. 2 Satz 1 ZVG ebenfalls ohne vorherige Eintragung der Erbengemeinschaft im Grundbuch möglich ist. Ein Zurückstellungsgrund liegt auch vor, wenn die Beschaffung der zur Berichtigung erforderlichen Unterlagen unverhältnismäßige Schwierigkeiten bereitet. Ferner ist es nicht geboten, sofort nach Bekanntwerden der Erben ein Verfahren nach § 82 GBO einzuleiten. Vielmehr soll das Grundbuchamt für einen gewissen Zeitraum vom Vorliegen berechtigter Gründe nach § 82 Satz 2 GBO ausgehen, da den Erben zunächst Zeit gegeben werden soll, den Nachlass abzuwickeln und sich darüber klar zu werden, was mit dem Grundstück geschehen soll. Auf dieser Grundlage wird angenommen, es sei in Anbetracht der Parallelregelung in Nr. 14110 Kostenverzeichnis GNotKG, nach der für die Zeit von zwei Jahren ab dem Erbfall keine Gebühren für die Eintragung erhoben werden, nicht gerechtfertigt, vor Ablauf dieser Zeit ein Zwangsberichtigungsverfahren gemäß § 82 GBO einzuleiten. Hier hat das Grundbuchamt nach dem Erbfall kein Zwangsberichtigungsverfahren durchgeführt. Vielmehr hat die Klägerin Ende 2015, noch im Jahr des Erbfalles, einen Erbschein beantragt, der dann nach seiner Erteilung zur Eintragung der Erbengemeinschaft im Grundbuch führte. Die Klägerin war indessen auf der Grundlage der obigen Ausführungen nicht berechtigt, auf Kosten der Erbengemeinschaft außerhalb eines vom Grundbuchamt selbst eingeleiteten Zwangsberichtigungsverfahrens und gegen den Willen der Mehrheit der Erbengemeinschaft einen Erbschein zur Grundbuchberichtigung zu beantragen. Sie hat nicht vorgetragen, warum ein derartiger Erbschein einschließlich der nachfolgenden Grundbucheintragung hier noch im Jahre des Erbfalles zugunsten der Erbengemeinschaft zwingend erforderlich gewesen wäre. Durch ihr Vorgehen hat sie die Voraussetzungen eines Verfahrens gemäß § 82 GBO, bei dem die übrigen Miterben gegebenenfalls Zurückstellungsgründe nach § 82 Satz 2 GBO hätten vortragen können, verhindert. Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, durch den Erbschein werde auch im Übrigen das Tätigwerden der Erbengemeinschaft im Rechtsverkehr wegen der Gutglaubenswirkung des § 2366 BGB erleichtert. Insoweit ist nicht erkennbar und wird auch von der Klägerin nicht vorgetragen, dass trotz des entgegenstehenden Willens der Mehrheit der Erbengemeinschaft bereits im Jahr 2015 die Erteilung eines Erbscheins zwingend erforderlich gewesen wäre, zumal die Zusammensetzung der Erbengemeinschaft einschließlich der Erbanteile unstreitig und auch im Rechtsverkehr, etwa gegenüber Kreditinstituten, nicht in jedem Fall ein Erbschein zum Nachweis der Rechtsnachfolge zwingend erforder-
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lich ist. Entgegen der Auffassung der Revision sind die Kosten der Beantragung eines Erbscheins auch keine Nachlasserbenschulden, für die der gesamte Nachlass haftet. Vielmehr handelt es sich hierbei ausschließlich um Eigenverbindlichkeiten des Erben. Die Erbscheinserteilung erfolgt nur im subjektiven Interesse der Person, die sich für erbberechtigt hält und zu deren Gunsten die beantragte Erbscheinserteilung bewilligt wurde.
2. BGH vom 4. November 2020 – VII ZB 69/1833 Der Antragsgegner wendet sich gegen eine vom Antragsteller erwirkte Vollstreckungsklausel zu einem Zuschlagsbeschluss vom 24. Mai 2012, mit dem der Antragsgegner ein zum Nachlass seines verstorbenen Vaters gehörendes Grundstück ersteigert hat. Die Zwangsversteigerung des zum Nachlass des verstorbenen Vaters gehörenden Grundstücks erfolgte zur Aufhebung der Erbengemeinschaft. Diese besteht aus dem Antragsgegner, seinem Bruder und dessen Sohn, dem Antragsteller. Nach Abschluss des auf den Zuschlag folgenden Verteilungsverfahrens stellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 28. August 2012 fest, dass der Erbengemeinschaft gegen den Antragsgegner noch eine Forderung in Höhe von 152.306,60 € zusteht. Über diese Forderung der Erbengemeinschaft hat das Amtsgericht dem Antragsteller am 2. September 2014 eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses mit folgender Vollstreckungsklausel erteilt: „Vorstehende Ausfertigung wird dem ehemaligen Miteigentümer D. W. (Anmerkung: Antragsteller) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gegen den Ersteher Dr. H. W. (Anmerkung: Antragsgegner) … wegen folgender Forderung erteilt: 152.306,60 € den ehemaligen Miteigentümern Dr. H. W., D. W. und Di. W. zustehender unverteilt gebliebener Erlösüberschuss.“ Gegen die Erteilung dieser Vollstreckungsklausel hat der Antragsgegner Erinnerung eingelegt und beantragt, die Vollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung für unzulässig zu erklären. Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner sein Begehren weiter.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat zu Recht die von dem Antragssteller beantragte Vollstreckungsklausel zum Zuschlagsbeschluss (§ 724 ZPO, § 132 Abs. 2 ZVG) erteilt. Der Antragsteller ist nach § 2039 Satz 1 BGB befugt, die Erteilung einer Vollstreckungsklausel zu beantragen, die als Vollstreckungsgläubiger ausschließlich ihn ausweist. Die inhaltlichen Anforderungen einer zugunsten eines Miterben im Rahmen eines Zuschlagsbeschlusses zu erteilenden Vollstreckungsklausel sind erfüllt. Der Antragsteller ist antragsbefugt. Gehört ein Anspruch zum Nachlass, kann jeder Miterbe von dem Verpflichteten die Leistung an alle Erben fordern (§ 2039 Satz 1 BGB). § 2039 33
ZEV 2021, 42 = ErbR 2021, 205 m. Anm. Reinert.
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Satz 1 BGB soll gewährleisten, dass jeder Miterbe die durch Untätigkeit einzelner Miterben drohenden Nachteile abwenden kann, ohne selbst einen unberechtigten Sondervorteil zu haben und ohne erst umständlich auf Zustimmung der übrigen Miterben klagen zu müssen. Auf dieser Grundlage ist es allgemeine Meinung, dass jeder Miterbe, der allein oder zusammen mit den weiteren Miterben einen Titel über einen zum Nachlass gehörenden Anspruch erwirkt hat, die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangen kann, wenn gesichert ist, dass die Zwangsvollstreckung allen Miterben zugutekommt. Dem Antragsteller ist zu Recht eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt worden, die als Vollstreckungsgläubiger ausschließlich ihn ausweist. Nach dem Sinn und Zweck von § 2039 Satz 1 BGB soll es jedem Miterben möglich sein, unabhängig von den weiteren Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch einzufordern, einzuklagen und im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Letzteres würde erheblich erschwert beziehungsweise verhindert, könnte ein Miterbe nur eine vollstreckbare Ausfertigung erlangen, die nicht ausschließlich ihn, sondern alle Miterben als Vollstreckungsgläubiger ausweisen würde. Werden in einer vollstreckbaren Ausfertigung mehrere Personen als Vollstreckungsgläubiger bezeichnet, so ist der Vollstreckungsantrag (s. für die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher § 753 ZPO) grundsätzlich durch alle als Vollstreckungsgläubiger bezeichneten Personen gemeinsam zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus dem Titel zugrundeliegenden Rechtsverhältnis materiell-rechtlich ergibt, dass jeder Vollstreckungsgläubiger die Leistung an alle fordern kann. Nach dem Prinzip der Formalisierung der Zwangsvollstreckung ist es aber grundsätzlich nicht die Aufgabe des Vollstreckungsorgans, materiell-rechtliche Prüfungen vorzunehmen. Die Vollstreckungsorgane haben deshalb eine titulierte Forderung nicht dahingehend zu bewerten, ob es sich um einen von einem Miterben geltend gemachten Nachlassanspruch handelt und deshalb die Voraussetzungen des § 2039 Satz 1 BGB erfüllt sind. Das Vollstreckungsorgan kann daher auf den Vollstreckungsantrag eines von mehreren Vollstreckungsgläubigern nur tätig werden, wenn sich aus dem Titel unabhängig von einer materiell-rechtlichen Prüfung eindeutig das Recht dieses Vollstreckungsgläubigers ergibt, losgelöst von den anderen den titulierten Anspruch zu vollstrecken. Die Rechte des Vollstreckungsschuldners werden nicht dadurch in unangemessener Weise eingeschränkt, dass jeder Miterbe, der Titelgläubiger ist, eine vollstreckbare Ausfertigung verlangen kann, die nur ihn als Vollstreckungsgläubiger ausweist. In diesem Fall kann zwar aufgrund mehrerer vollstreckbarer Ausfertigungen in das Vermögen des Schuldners vollstreckt werden, wobei es hier dahingestellt bleiben kann, ob es sich um weitere vollstreckbare Ausfertigungen nach § 733 ZPO handelt. Der Schuldner ist aber dadurch hinreichend geschützt, dass er im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1, § 775 Nr. 1, § 776 Satz 1 ZPO und im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 769, 775 Nr. 2 ZPO geltend machen kann, der
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titulierte Anspruch sei bereits durch eine erfolgreiche Vollstreckung eines anderen Miterben ganz oder teilweise erfüllt. Der Antragsteller ist deshalb grundsätzlich berechtigt, den Anspruch der Erben gegen den Antragsgegner auf Zahlung von 152.306,60 € durchzusetzen und zu diesem Zweck eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels zu verlangen, die nur ihn als Vollstreckungsgläubiger bezeichnet. Voraussetzung ist aber, dass die beabsichtigte Zwangsvollstreckung zugunsten aller Miterben durchgeführt wird, der Erlös der Zwangsvollstreckung also allen Miterben zugutekommt. Das ist durch die vom Amtsgericht erteilte Klausel gewährleistet. Grundsätzlich bedarf es bei der Erteilung einer Vollstreckungsklausel zugunsten eines Miterben keines besonderen Hinweises darauf, dass Leistungen an alle Miterben erfolgen müssen. Denn dies hat sich bereits aus dem Titel selbst zu ergeben, mit dem die Vollstreckungsklausel eine Einheit bildet (§ 725 ZPO). Soll dagegen, wie hier, wegen einer Forderung gegen den Ersteher vollstreckt werden, die sich aus einem Teilungsplan im Rahmen der Zwangsversteigerung eines Grundstücks ergibt (§ 132 Abs. 1 ZVG), erfolgt die Zwangsvollstreckung nach § 132 Abs. 2 Satz 1 ZVG nicht aufgrund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Teilungsplans, sondern einer vollstreckbaren Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses. Da der Zuschlagsbeschluss die sich aus dem Teilungsplan ergebende Forderung gegen den Ersteher nicht beinhalten kann, bestimmt § 132 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz ZVG, dass in der Vollstreckungsklausel der Berechtigte sowie der Betrag der Forderung anzugeben ist. Sind Berechtigte alle in der Gesamthand verbundenen Miterben, müssen alle Miterben in der Vollstreckungsklausel als Berechtigte angegeben werden. Diesen Anforderungen genügt die zugunsten des Antragstellers erteilte vollstreckbare Ausfertigung zum Zuschlagsbeschluss vom 24. Mai 2012. Die Vollstreckungsklausel nennt als Berechtigte die „ehemaligen Miteigentümer Dr. H. W., D. W. und Di. W.“ und bezeichnet die Forderung mit 152.306,60 € als „unverteilt gebliebener Erlösüberschuss“. Damit ist hinreichend deutlich, dass der Antragsteller keine ihm allein zustehende Forderung vollstreckt, sondern zwei weitere Personen Inhaber einer deshalb unteilbaren Forderung sind. Der Klausel lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass die drei berechtigten Personen gesamthänderisch als Erbengemeinschaft verbunden sind. Damit ermöglicht die Klausel keinen rechtlichen Schluss auf § 2039 Satz 1 BGB und damit der Befugnis des Antragstellers, die Leistung nur zugunsten aller Miterben fordern zu können. Das ist aber unschädlich, da sich jedenfalls aus § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB die entsprechende Rechtsfolge ergibt. § 432 BGB enthält Regelungen für den Fall, dass eine unteilbare Leistung mehreren Gläubigern, die nicht Gesamtgläubiger sind, gemeinschaftlich zusteht. In diesem Fall kann der Schuldner – wie im Anwendungsbereich von § 2039 BGB – nur an alle Gläubiger gemeinschaftlich leisten und jeder Gläubiger die Leistung nur an alle fordern.
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D. Vor- und Nacherbschaft Nacherbenvermerk im Grundbuch OLG Braunschweig vom 13. Mai 2020 – 3 W 74/2034 a) Ein Nacherbenanwartschaftsrecht ist grundsätzlich übertragbar und vererblich; ob ein entgegenstehender Wille des Erblassers vorgelegen hat und er eine Ersatznacherbschaft angeordnet hat, ist durch Auslegung der letztwilligen Verfügung nach den allgemeinen Auslegungsregeln zu ermitteln, namentlich durch die erläuternde Auslegung, hilfsweise durch die ergänzende Auslegung (Anschluss BGH, Urt. v. 23. Januar 1963 – V ZR 82/61, NJW 1963, S. 1150 [1151 Ziff. III.2]). b) Erst wenn sich nach den allgemeinen Auslegungsregeln kein eindeutiges Ergebnis ergibt, ist auf die nachrangigen gesetzlichen Auslegungsregelungen des § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB und des § 2069 BGB zurückzugreifen (Anschluss OLG Hamm, Bes. v. 3. April 2013 – I-15 W 107/13, juris, Rn. 16 und BayObLG, Bes. v. 30. September 1993 – 1Z BR 9/93, NJW-RR 1994, S. 460). c) Wenn ein vom Erblasser als Nacherbe bedachter Abkömmling nach Testamentserrichtung wegfällt, ist gemäß § 2069 BGB zwar im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden. Dies gilt aber nicht, wenn ein als Nacherbe eingesetzter Abkömmling aus freien Stücken als Erbe wegfällt und dafür etwas erhält, etwa dann, wenn er sein Nacherbenanwartschaftsrecht veräußert (Fortführung BGH, Urt. vom 29. Juni 1960 – V ZR 64/59, NJW 1960, S. 1899).
E. Testamentsvollstreckung35 I. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, §§ 2205, 2208, 2216 ff. BGB 1. BGH vom 19. März 2021 – V ZR 158/1936 Verkauft der Testamentsvollstrecker ein Nachlassgrundstück, kann ihm die Kenntnis der Erben über Mängel der Kaufsache oder andere offenbarungspflichtige Umstände nicht nach den für juristische Personen und öffentliche Körperschaften geltenden Grundsätzen über die „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustausches“ zugerechnet werden. …Unabhängig davon, ist die genannte Rechtsprechung auf das Verhältnis von Testamentsvollstrecker und Er34
NJW-RR 2020, 1082.
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ZEV 2021, 382.
35 Vgl. Reimann, ErbR 2017, 186–194; sowie Wendt, ZNotP 2017, 394–409.
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ben auch deshalb nicht übertragbar, weil es sich grundlegend von der Struktur eines arbeitsteilig organisierten Unternehmens unterscheidet. Der Erbe ist nicht kraft Erbenstellung in die Organisation des Testamentsvollstreckers eingegliedert. Er ist nicht dessen Mitarbeiter und steht auch nicht in dessen Lager. Die Testamentsvollstreckung beschränkt vielmehr die Erbenstellung (§ 2211 Abs. 1 BGB). Der Testamentsvollstrecker hat die letztwillige Verfügung des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB). Er muss dabei nach seinem Ermessen selbständig und unter Umständen gegen den Willen der Erben entscheiden.
F. Prozessuale und verfahrensrechtliche Fragen I. Nachlasspflegschaft und Erbenermittlung 1. OLG Braunschweig vom 28. August 2020 – 11 U 65/1937 Entgegen der von dem Kläger vertretenen Ansicht, war es im Rahmen der Erbenermittlung durch das Nachlassgericht nicht zwingend geboten, eine Anfrage an das Heirats-, Sterbe- und Geburtsregister der Standesämter S., F. am M. und D. zu richten. Wie und über welchen Zeitraum das Nachlassgericht ermittelt, beurteilt dies vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen. § 1964 BGB schreibt dem Nachlassgericht nicht vor, dass es stets Anfragen an alle Standesämter zu richten hat, in deren Einzugsbereich sich der Erblasser während seines Lebens für einige Zeit aufgehalten hat. Hier durfte das Nachlassgericht nach den Umständen des konkreten Einzelfalls davon ausgehen, dass der Erblasser keine weiteren Erben neben den von dem Nachlassgericht bereits ermittelten Angehörigen hatte. Der Erblasser selbst hat angegeben, neben einer vorverstorbenen Tochter keine weiteren Abkömmlinge zu besitzen. Auch die Anfragen bei den bekannten Angehörigen haben keine Hinweise auf den Kläger erbracht. Im vorliegenden Fall musste das Nachlassgericht angesichts der Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls auch nicht davon ausgehen, dass die Einschaltung eines professionellen Erbenermittlers Hinweise auf einen weiteren Erben bringen würde und war insofern auch nicht verpflichtet, einen solchen einzuschalten. Im vorliegenden Fall sind eine Reihe von Erben ermittelt worden, die die Erbschaft jedoch ausgeschlagen haben, während es keinen einzigen Hinweis auf den Kläger als weiteren Erben gegeben hat, sondern der Erblasser das Vorhandensein weiterer Abkömmlinge selbst ausdrücklich verneint hat. In einem solchen Fall müssen weder das Gericht noch der Nachlasspfleger weitere Ermittlungen unter Einschaltung eines professionellen Erbenermittlers quasi „ins Blaue hinein“ durchführen, sondern dürfen davon ausgehen, dass alle Erben des Erblassers die Erbschaft ausgeschlagen haben. Der Kläger kann sich auch nicht auf den Beweis des ersten Anscheins derge37
ZEV 2021, 167 m. Anm. Lange; nicht rechtskräftig, Az. des BGH: III ZR 229/20.
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stalt berufen, dass die unterbliebene Anfrage beim Standesamt D. und die Hinweise des Erbenermittlungsbüros M. auf gesetzliche Erben dafür sprechen würden, dass der zuständige Amtsträger nicht unter Zuhilfenahme der ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel sorgfältig ermittelt habe. Alleine die Tatsache, dass bei einer Anfrage beim Standesamt D. sich u.U. Hinweise auf den Kläger ergeben hätten, lässt nicht den Schluss zu, dass das Nachlassgericht zu einer solchen Anfrage bei pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessen verpflichtet gewesen ist. Maßstab hierfür ist nicht eine Betrachtung ex post, sondern eine Betrachtung ex ante. Hiernach hatte das Nachlassgericht aber keinen Anlass bei dem vorgenannten Standesamt nachzufragen, weil es davon ausgehen musste, alle in Betracht kommenden Erben bereits ermittelt zu haben.
2. OLG München vom 5. Oktober 2020 – 33 U 4381/2038 Die durch den Nachlasspfleger vertretenen Kläger, die unbekannten Erben des am 14.07.2012 verstorbenen Erblassers, begehren von der Beklagten, einer gewerblichen Erbenermittlerin, u.a. Auskunft und Herausgabe von Unterlagen.
Im Ergebnis zu Recht hat das Erstgericht einen Auskunfts- und Herausgabeanspruch der Kläger verneint, da zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis im Sinn von § 662 BGB weder nach dem eigenen Vortrag der Kläger noch sonst ersichtlich begründet worden ist, so dass für die Beklagte keine rechtsverbindliche Ermittlungspflicht und damit auch keine Auskunfts-, Rechenschafts- und Herausgabepflicht besteht. Eine der zentralen Aufgaben des Nachlasspflegers ist es, die Erben zu ermitteln. Nach eigener Erfolglosigkeit kann dabei auch die Einschaltung eines gewerbsmäßigen Erbenermittlers pflichtgemäß sein, wobei der Erbenermittler immer nur einen Teilbereich der Aufgaben des Nachlasspflegers, der immer „Herr des Verfahrens“ bleiben muss, wahrnehmen kann, wenn er dazu nach dessen Vorgaben ermächtigt worden ist. Die Frage, ob eine Erklärung als (rechtsverbindliche) Willenserklärung zu werten ist, beurteilt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben. Unter den gegebenen Umständen des vorliegenden Einzelfalls wurde ein Vertragsverhältnis in Form eines Auftrages zwischen den Parteien nicht begründet. Mit Schreiben vom 10.02.2017 (Anlage zur Klageschrift) hat sich der Nachlasspfleger an die Beklagte gewandt, seine Bestellung angezeigt und Unterlagen übersandt „mit der Bitte um Aufnahme der Erbenermittlung“. Die Beklagte hat sich hierauf mit Schreiben vom 17.02.2017 (Anlage zur Klageschrift) für den ihr „erteilten Ermittlungsauftrag“ bedankt, der „Übernahme des Auftrages zur Ermittlung der Erben“ zugestimmt und bestätigt, dass ihm, dem Nachlasspfleger, wie auch dem Nachlassgericht „keinerlei Kosten und Gebühren entstehen“ würden. Es wurde angekündigt, den Erben, sofern man diese ermittle, einen Vorschlag für die Honorierung zu 38
ZEV 2021, 380.
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unterbreiten, bei Zustimmung durch die Erben mit diesen eine entsprechende Gebührenvereinbarung abzuschließen und den Nachlasspfleger und das Nachlassgericht „laufend über den Stand der Erbenermittlung durch Übersendung von Sachstandsberichten in Kenntnis“ zu setzen. Diese führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Parteien einen Auftragsvertrag (§ 662 BGB) nicht geschlossen haben: Dass der Nachlasspfleger der Beklagten gegenüber ein Angebot auf Abschluss eines Auftragsvertrages abgegeben hätte, ist schon nicht ersichtlich. Denn ausweislich des Schreibens vom 10.02.2017 hat er die hiesige Erbenermittlung lediglich an die Beklagte herangetragen, sie eingeschaltet „mit der Bitte um Aufnahme der Erbenermittlung“. Dass der Nachlasspfleger die Beklagte zur Ermittlung der Erben (rechtsverbindlich) verpflichten wollte, kann weder dem Wortlaut des Schreibens noch der Interessenlage – liegt es doch im Interesse der Kläger, den Nachlass mit keiner etwaigen Forderung von professionellen Erbenermittlern auf Aufwendungsersatz (§ 670 BGB) oder Vorschuss (§ 669 BGB) zu belasten – entnommen werden. Unabhängig davon hat der Senat zumindest auch Zweifel, ob der Nachlasspfleger bei Abfassung des Schreibens vom 10.02.2017 im Namen der Kläger gehandelt hat. Auch das Schreiben der Beklagten vom 17.02.2017 kann nicht als Angebot auf Abschluss eines Auftragsvertrages gewertet werden. Zwar bestätigt die Beklagte in ihrem Schreiben vom 17.02.2017 „die Übernahme des Auftrages zur Ermittlung der Erben“. Dies allein genügt jedoch nach den oben aufgezeigten Grundsätzen für die Annahme eines für beide Seiten verbindlichen Vertragsschlusses nicht. Denn dass die Beklagte mit den Klägern im Zeitpunkt der Aufnahme der Ermittlungen ein Vertragsverhältnis eingehen wollte, ist vorliegend nicht ersichtlich. Vielmehr war der Beklagten – ausweislich ihres Schreibens –daran gelegen, die Erben auf eigenes Risiko zu ermitteln, um dann später mit diesen eine Honorarvereinbarung abzuschließen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Nachlasspfleger der Beklagten mit Schreiben vom 17.02.2017 „Auftrag und Vollmacht“ erteilt hatte, „die Erbenermittlung durchzuführen“. Denn dieses Schreiben verpflichtete die Beklagte nicht zur Erbenermittlung, sondern bevollmächtigte diese lediglich, „zum Zwecke der Ermittlung der Erben“ „Erkundigungen bei Meldebehörden und Standesämtern sowie bei sonstigen Behörden, Gerichten, Ämtern, Archiven und Pfarrämtern durchzuführen“ und „Personenstandsbücher einzusehen“. Auch die Zusage der Beklagten ihn, den Nachlasspfleger, wie auch das Nachlassgericht laufend über den Stand der Erbenermittlung – durch Übersendung von Sachstandsberichten – in Kenntnis zu setzen, belegt kein Angebot auf Abschluss eines Auftragsvertrages gemäß § 662 BGB. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtfertigt einen Auskunfts-/Herausgabeanspruch nicht. Vorliegend hätte es dem Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben oblegen, auf einer klaren vertraglichen Grundlage und sei es in Form eines Rechtsverhältnisses eigener Art eine Verpflichtung der Beklagten zur Auskunft über ihre Ermittlungstätigkeit und Herausgabe etwaiger Ermittlungsunterlagen zu begründen. Tut er
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dies nicht, aus welchen Gründen auch immer, stehen ihm auch keine durchsetzbaren Auskunfts- und Herausgabeansprüche zu.
3. BGH vom 17. März 2021 – XII ZB 415/1939 Die Beteiligte zu 1 wendet sich gegen die Erweiterung einer Abwesenheitspflegschaft für die 1965 geborene Betroffene, deren Aufenthalt nicht bekannt ist. Die Betroffene ist eine von zwei Töchtern des im April 2018 verstorbenen Erblassers. Die frühere Beteiligte zu 1 war die Ehefrau des Erblassers und die Mutter der Betroffenen. Mit notariellem „Erbvertrag“ vom 29. Oktober 2013 setzte der Erblasser die frühere Beteiligte zu 1 als Alleinerbin ein. Die frühere Beteiligte zu 1 setzte den Erblasser und ihre weitere Tochter, die jetzige Beteiligte zu 1, zu gleichen Teilen als ihre alleinigen Erben ein. Auf Anregung des Nachlassgerichts wurde durch Beschluss vom 10. August 2018 eine Abwesenheitspflegschaft für die Betroffene mit dem Aufgabenkreis „Vertretung […] im Testamentseröffnungsverfahren“ angeordnet und der Beteiligte zu 2, ein Rechtsanwalt, zum Abwesenheitspfleger bestellt. Auf dessen Anregung ist die Abwesenheitspflegschaft durch Beschluss vom 20. September 2018 um den Aufgabenkreis Geltendmachung von Auskunftsansprüchen gegenüber „den Miterben“ sowie zur „Geltendmachung und späteren Hinterlegung eines Pflichtteils“ erweitert worden. Die dagegen von der früheren Beteiligten zu 1 eingelegte Beschwerde hat das Landgericht wegen fehlender Beschwerdebefugnis verworfen. Die frühere Beteiligte zu 1 ist nach Zustellung des Beschwerdebeschlusses verstorben. Die jetzige Beteiligte zu 1 führt das Verfahren als deren Erbin fort. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt sie die Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse.
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der früheren Beteiligten zu 1 die Beschwerdeberechtigung im Verfahren der Erstbeschwerde fehlte. Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Vorschrift erfordert eine Beeinträchtigung eigener Rechte, welche von bloßen rechtlichen Interessen zu unterscheiden sind. Eine Rechtsbeeinträchtigung kann dementsprechend bei Bestellung eines Abwesenheitspflegers nur in der Person eintreten, für die der Pfleger bestellt worden ist. Bei nicht vom Verfahren betroffenen Dritten sind hingegen in diesem Zusammenhang allenfalls bloße rechtliche Interessen berührt, was für eine Beschwerdeberechtigung nicht ausreicht. Das gilt insbesondere auch dann, wenn der abwesende Betroffene durch den vom Gericht bestellten Pfleger in die Lage versetzt wird, Ansprüche gegen Dritte geltend zu machen. Denn die dadurch begründete rechtliche Handlungsfähigkeit einer anderen Person für den Betroffenen berührt nur dessen eigene Rechtssphäre, sie greift aber nicht in Rechte Dritter ein. Gemessen an diesen Maßstäben war die Erstbeschwerde der früheren Beteiligten zu 1 mangels eigener Rechtsbeeinträchtigung unzulässig. Die Interessen der früheren Beteiligten zu 1 waren zwar aufgrund ihrer Erbenstellung nach dem Tod des Erblassers insoweit berührt, als sie die – sicherungsweise – Geltendmachung eines der Betroffenen zustehenden Pflichtteilsanspruchs durch den vom Amtsgericht bestellten Abwesenheitspfleger zu erwarten hatte. Daraus könnte sich aber allen39
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falls ein mittelbares rechtliches Interesse ergeben, welches für eine Rechtsbeeinträchtigung nicht ausreicht. Ob der Anspruch als solcher von der Beteiligten zu 1 bestritten oder aber entsprechend der vom Landgericht angestellten Hilfserwägung anerkannt worden ist, ist dafür nicht erheblich. Die Rechtsbeschwerde beruft sich ohne Erfolg darauf, dass die Entscheidung über die Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit allein dem Pflichtteilsberechtigten überlassen bleibt. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Pflichtteilsanspruch von einem Vertreter geltend gemacht werden kann und inwiefern die Geltendmachung des Anspruchs der höchstpersönlichen Entscheidung des Anspruchsberechtigten vorbehalten bleibt, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht erheblich. Denn dabei handelt es sich nicht um eine Frage der Beschwerdebefugnis als Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels, sondern von dessen Begründetheit.
4. BGH vom 20. April 2021 – XI ZR 511/1940 a) Die Übersendung einer notariell beglaubigten Ablichtung seines Personalausweises durch den Nachlasspfleger der unbekannten Erben ermöglicht nicht, eine gemäß § 12 Abs. 1 und 3, § 13 GWG entsprechende Identitätsprüfung (hier: durch eine Bank) vorzunehmen. Zwar ist ein Personalausweis ein Dokument, anhand dessen gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GwG die Überprüfung der Identität erfolgen kann. Dies setzt allerdings voraus, dass dem Verpflichteten der Ausweis im Original von der zu identifizierenden Person vorgelegt wird. b) Die Übersendung einer notariell beglaubigten Kopie des Personalausweises stellt kein sonstiges Verfahren im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG dar. c) Die Bestallungsurkunde des Nachlasspflegers (§ 1791 BGB i.V.m. § 1915 Abs. 1 Satz 1, § 1960 Abs. 2 BGB) ist kein amtlicher Ausweis im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG.
5. OLG Celle vom 21. April 2021 – 6 W 60/2141 Die Erblasserin wurde am 24. Februar 2021 in der von ihr gemieteten Wohnung in B. tot aufgefunden. Unter dem 12. März 2021 wies das Zentrale Testamentsregister auf eine Tochter der Erblasserin hin, T. D., geb. am 22. November 1983 in B. Auf Nachfrage des Amtsgerichts teilten, wie sich aus einem kurzen Aktenvermerk vom 17. März 2021 ergibt, Standesamt und Einwohnermeldeamt B. mit, dass die Tochter dort nicht gemeldet sei. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht festgestellt, dass ein anderer Erbe als das Land Niedersachsen nicht vorhanden sei.
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ZEV 2021, 438 m. Anm. Litzenburger. ZEV 2021, 511 = ErbR 2021, 806 m. Anm. Lauk.
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Mit der gegebenen Begründung durfte das Amtsgericht die Feststellung nach § 1964, § 1936 Satz 1 BGB nicht treffen. Nach § 1964 Abs. 1 BGB hat das Nachlassgericht festzustellen, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, wenn der Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist ermittelt wird. Zutreffend ist die dem angefochtenen Beschluss zugrunde gelegte Annahme, dass Reichweite und Umfang der Ermittlungen im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts stehen. Damit ist für den konkreten Einzelfall zu bestimmen, welche Ermittlungen geboten sind. Den vorliegend zu stellenden Anforderungen genügt der Beschluss nicht (§ 26, § 342 Abs. 1 Nr. 4 FamFG). Dabei war die Notwendigkeit der Ermittlungen nicht deswegen von vornherein in der vom Amtsgericht angenommen Weise reduziert, weil – möglicherweise – der Nachlass geringwertig oder überschuldet war. Aus § 1965 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich, dass eine Erbenermittlungspflicht nicht schon dann nicht besteht, wenn der Nachlass geringwertig oder überschuldet ist. Feststellungen dazu hat das Amtsgericht nicht getroffen. Allein der Umstand, dass die Erblasserin in einer verschmutzten Wohnung aufgefunden worden war, reicht nicht aus; Verwahrlosung bedeutet nicht ohne Weiteres, dass der Nachlass geringwertig oder überschuldet sein muss. Und weiter bedeutet Überschuldung nicht ohne Weiteres, dass Erben sicher die Erbschaft ausschlagen werden. Der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf, dass bekannt ist, dass die Erblasserin eine Tochter haben soll, von der der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort bekannt sind. Nicht nur, dass ohnehin sehr selten sein dürfte, dass jemand ohne gesetzliche Erben verstirbt (vgl. §§ 1928, 1929 BGB), bedeutet die Kenntnis von der Existenz eines nahen Angehörigen, dass das Amtsgericht weitere Ermittlungen anstellen musste. Jedenfalls als Faustformel wird gesagt werden können, dass mindestens Anfragen an Sterberegister, Eheregister und Geburtenregister der feststellbaren Lebensmittelpunkte eines Erblassers gerichtet werden müssen.
6. BGH vom 29. Juni 2021 – IV ZB 16/2042 Das Nachlassgericht ordnete mit Beschluss vom 14. Juni 2018 die Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben des Erblassers an und setzte den Beteiligten zu 1 als berufsmäßigen Nachlasspfleger ein. Mit Antrag vom 14. Mai 2019 verlangte der Beteiligte zu 1 für den Zeitraum vom 14. Juni 2018 bis 14. Mai 2019 die Festsetzung einer Vergütung nebst Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 2.972,89 € brutto. Dabei rechnete er 23,517 Stunden zu einem Stundensatz von 80 € ab und beantragte für einen Betrag von 2.238,79 € die Entnahme aus dem Nachlass. Für weitere 14,733 Stunden legte er einen Stundensatz von 33,50 € mit der Begründung zugrunde, dass insoweit ein Nachlass zur Begleichung der Vergütung nach Abzug des zuerst genannten Betrages nicht mehr vorhanden sei. Das Nachlassgericht hat Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von 1.671,61 € gegen die Staatskasse festgesetzt und den darüberhinausgehenden Antrag abgelehnt; für die Vergütung hat es 38,25 Stunden zu einem Stundensatz
42
ZEV 2021, 567.
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von 33,50 € zugrunde gelegt. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Eine Mittellosigkeit des Nachlasses im Sinne von § 1915 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB, die eine Vergütung des Nachlasspflegers nach den in § 1915 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB geregelten Grundsätzen für seine gesamte Tätigkeit ausschlösse, kann auf dieser Grundlage nicht angenommen werden. Die Frage, wie sich der Vergütungsanspruch des berufsmäßigen Nachlasspflegers berechnet, wenn der Nachlass nicht zur Begleichung der gesamten Vergütung ausreicht (sogenannter teilmittelloser Nachlass), wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt (wird im Einzelnen ausgeführt). Die Vergütung des Nachlasspflegers richtet sich nach § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB, soweit der Nachlass zur Deckung der Vergütung ausreicht. Allein der vom Nachlass nicht gedeckte Teil der Vergütung ist nach den Sätzen für unbemittelte Nachlässe zu bemessen. Mittellos ist ein Nachlass erst dann, wenn keine Mittel für die Vergütung mehr vorhanden sind. Er gilt nicht gemäß § 1836d Nr. 1 BGB bereits insgesamt als mittellos, wenn die Vergütung oder der Aufwendungsersatz nur zum Teil daraus aufgebracht werden können. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist der für die Vormundschaft geltende § 1836d Nr. 1 BGB auf die Frage, ob der Nachlass im Sinne von § 1915 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB mittellos ist, nicht anzuwenden. Gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB finden die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften auf die Pflegschaft entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Die Unanwendbarkeit auf die Pflegschaft kann sich nicht nur unmittelbar aus dem Wortlaut einer Regelung, sondern auch aus dem Charakter der in Frage stehenden Art der Pflegschaft sowie aus Sinn und Zweck der einzelnen Vorschriften ergeben. Das ist hier der Fall. § 1836d BGB steht in systematischem Zusammenhang mit § 1836c BGB, der den Umfang regelt, in dem der Mündel eigene Mittel zur Deckung der Vergütung des Vormunds einzusetzen hat. „Mittellosigkeit“ im Sinne von § 1836d BGB ist daher dahin zu verstehen, dass es dem Mündel oder dem Betreuten (§ 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB) sozialrechtlich nicht zugemutet werden soll, für die Kosten der Vormundschaft oder Betreuung aufzukommen, wenn dadurch seine eigene angemessene Lebensgestaltung in Frage gestellt würde; deshalb hat der Staat im Falle der Mittellosigkeit in die Haftung einzutreten, § 1835 Abs. 4 Satz 1, § 1836a BGB a.F. und § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG. Diese Erwägungen zur Schonung des Vermögens und der finanziellen Leistungsfähigkeit einer Person können nicht auf einen Nachlass übertragen werden. Beim Nachlass gibt es, anders als beim Mündel, kein Schonvermögen, sondern er ist vollständig für die Vergütung des Nachlasspflegers einzusetzen und kann dadurch restlos aufgezehrt werden. Auch der Zweck des § 1836d BGB spricht gegen dessen Anwendung auf den Begriff der Mittellosigkeit in § 1915 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB. § 1836d BGB regelt eine „fiktive
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Mittellosigkeit“, bei der ein Betroffener immer dann als mittellos gilt, wenn er die dem Vormund oder Betreuer zu zahlende Vergütung nicht in einem Betrag begleichen kann. Die Regelung hat den Zweck, dass der Vormund oder Betreuer bei teilweiser Leistungsfähigkeit nicht darauf verwiesen wird, seinen Vergütungsanspruch – mit im Einzelnen ungewissen Erfolgsaussichten – teilweise gegen den Betroffenen und teilweise gegen die Staatskasse geltend zu machen; er kann vielmehr für den gesamten Vergütungsanspruch die Staatskasse in Anspruch nehmen, wenn das einzusetzende Einkommen oder Vermögen des Mündels oder Betreuten zur Befriedigung des gesamten Anspruchs nicht ausreicht. Eine Beschränkung der Höhe einer Vergütung, die nicht gegen die Staatskasse, sondern gegen den noch bemittelten Nachlass geltend gemacht wird, wird von dieser Zwecksetzung nicht erfasst. Die im Interesse des Vormunds geschaffene Regelung des § 1836d BGB wirkte sich andernfalls zweckwidrig zum Nachteil des Nachlasspflegers aus. Dies entspricht auch der Entstehungsgeschichte von § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB. Aus der Begründung der Vorschrift, die erst auf Empfehlung des Rechtsausschusses in den Gesetzentwurf kam, geht jedoch nicht hervor, dass diese Mittellosigkeit auch unter denselben Voraussetzungen fingiert werden kann, die – wie oben dargelegt – einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse begründen. Vielmehr heißt es dort, dass § 3 Abs. 1 VBVG anzuwenden ist, „soweit“ ein Nachlass masselos ist (BT-Drucks. 15/4874 S. 27), d.h. in dem Maße, wie es ihm an Mitteln fehlt. Das entspricht der Annahme eines bemittelten Nachlasses bis zu seiner Erschöpfung. Die Regelung zur fiktiven Mittellosigkeit in § 1836d BGB dient bei einer Anwendung auf die Nachlasspflegschaft nicht dem Zweck, den Nachlasspfleger, der eine Reduzierung seiner Vergütungshöhe vermeiden will, zur umgehenden Abrechnung zu veranlassen, sobald die Erschöpfung des Nachlasses bevorsteht, um die dann regelmäßig gebotene Aufhebung der Nachlasspflegschaft zu beschleunigen und so weitere Kosten zu vermeiden. Diesem Zweck dient vielmehr die Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Vergütungsansprüche in § 2 Satz 1 VBVG. Eine darüberhinausgehende Notwendigkeit zur Abrechnung in einem noch kürzeren Zeitraum, um eine spätere Festsetzung der Gesamtvergütung zu einem niedrigeren Stundensatz zu vermeiden, widerspräche der in § 2 VBVG getroffenen Regelung. Bei einem teilmittellosen Nachlass ist auch nicht deswegen die gesamte Vergütung zu den – regelmäßig niedrigeren – Stundensätzen des § 3 Abs. 1 VBVG gegen die Staatskasse festzusetzen, um dieser eine möglichst weitgehende Erfüllung ihres Regressanspruchs nach § 1836e BGB aus dem noch vorhandenen Nachlass zu ermöglichen. Es gibt im Gesetz keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Regressanspruch der Staatskasse in dieser Weise auf Kosten des Nachlasspflegers geschützt werden sollte. Vielmehr sollte insbesondere für den Nachlasspfleger durch die Regelung in § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB, die dem Pfleger eine von § 3 Abs. 1 VBVG abweichende, in der Regel höhere Vergütung gewährt, eine unangemessen niedrige Vergütung verhindert werden.
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Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 74 Abs. 2 FamFG). Eine (teilweise) Vergütung des Beteiligten zu 1 gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB kann nicht deswegen abgelehnt werden, weil er nach Ansicht des Beschwerdegerichts nicht zu seinen für die Pflegschaft nutzbaren Fachkenntnissen sowie zu Umfang und Schwierigkeit der Pflegschaft vorgetragen hat. Das Festsetzungsverfahren ist ein Amtsverfahren, in dem das Gericht die zur Festsetzung einer angemessenen Vergütung erforderlichen Tatsachen von Amts wegen (§ 26 FamFG) zu ermitteln hat.
7. Erbscheinsverfahren und Testamentseröffnung a) BGH vom 17. September 2020 – V ZB 8/2043 Die Beteiligten zu 1 und 2 sind eingetragene Eigentümer eines Grundstücks. In Abteilung III des Grundbuchs ist zugunsten des Vaters der Beteiligten zu 3 und 4 eine Grundschuld über den Betrag von 219.000 € eingetragen. Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 6. Februar 2018 bewilligten die Beteiligten zu 3 und 4 deren Löschung. Die Beteiligten beantragten die Löschung des Grundpfandrechts und legten hierzu die Kopie eines mit Beschluss vom 21. Oktober 2016 eingezogenen Erbscheins des Amtsgerichts Düsseldorf vom 11. Mai 2016 vor, wonach der Vater der Beteiligten zu 3 und 4 von ihrer Mutter beerbt wurde und Testamentsvollstreckung angeordnet ist, sowie einen gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts Gießen vom 15. November 2016, wonach die Beteiligten zu 3 und 4 Miterbinnen je zur Hälfte nach ihrer Mutter sind. Das Grundbuchamt hat eine Zwischenverfügung erlassen mit dem Inhalt, dass zur Grundbuchberichtigung ein Erbnachweis nach dem Vater der Beteiligten zu 3 und 4 erforderlich sei.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Grundbuchamt hat die Löschung der Grundschuld zu Recht verweigert. Die Löschung eines Grundpfandrechts erfordert entweder die Bewilligung des von der Löschung Betroffenen (§ 19 GBO) und die Zustimmung des Eigentümers des Grundstücks (§ 27 Satz 1 GBO) oder den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1, § 27 Satz 2 GBO). An beidem fehlt es. Auf der Grundlage der Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 3 und 4 und der von den Beteiligten zu 1 und 2 als Grundstückseigentümer erklärten Zustimmung könnte die Grundschuld nur gelöscht werden, wenn die Beteiligten mit den eingereichten Unterlagen den Übergang der Grundschuld auf die Beteiligten zu 3 und 4 im Wege der Erbfolge nach ihrem Vater als im Grundbuch eingetragenem Berechtigten nachgewiesen hätten. Dies ist nicht der Fall. Der Nachweis der Erbfolge kann nach § 35 Abs. 1 GBO nur durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden oder, wenn sie auf einer Verfügung von Todes wegen beruht, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, durch Vorlage der Verfügung und der Niederschrift über deren Eröffnung. Mit den von den Beteiligten eingereichten Erbscheinen ist die Erbfolge nach dem Vater der Beteiligten zu 3 und 4 nicht 43
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nachgewiesen. Der Erbschein des Amtsgerichts Gießen bekundet nur die Erbfolge nach ihrer Mutter, und mit dem eingezogenen Erbschein des Amtsgerichts Düsseldorf, der die Erfolge nach dem Vater bekundet, kann der für § 35 GBO erforderliche Nachweis der Erbfolge nicht geführt werden. Mit einem eingezogenen Erbschein kann der Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 Abs. 1 GBO nicht geführt werden. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass der Besitz einer Urschrift oder Ausfertigung des Erbscheins im Hinblick auf § 2361 BGB besondere Bedeutung hat. Nach dieser Vorschrift hat das Nachlassgericht einen erteilten Erbschein, dessen Unrichtigkeit sich ergibt, einzuziehen. Mit seiner Einziehung wird der Erbschein nach § 2361 Satz 2 BGB kraftlos. Die Einziehung wird durch das Nachlassgericht beschlossen (§ 38 FamFG) und in der Weise durchgeführt, dass sämtliche erteilten Ausfertigungen und – sofern ausnahmsweise ausgehändigt – die Urschrift zurückgefordert und ggf. unbrauchbar gemacht werden. Kann der Erbschein nicht sofort zurückerlangt werden, so hat ihn das Nachlassgericht gemäß § 353 Abs. 1 Satz 1 FamFG durch Beschluss für kraftlos zu erklären. Der Zweck dieser Regelungen besteht darin, die von einem unrichtigen Erbschein aufgrund des öffentlichen Glaubens (vgl. § 2366 BGB) für den Rechtsverkehr ausgehenden Gefahren in einem förmlich festgelegten Verfahren zu beseitigen. Hiermit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn – noch dazu im besonders formalisierten Grundbuchverfahren – ein eingezogener Erbschein als tauglicher Nachweis für die darin bekundete Erbfolge angesehen würde. Vielmehr hat das Grundbuchamt, dem bekannt ist, dass der Erbschein eingezogen oder für kraftlos erklärt wurde, den gestellten Antrag zurückzuweisen oder – wie vorliegend geschehen – einen anderen Erbschein zu verlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grunde der Erbschein eingezogen wurde. Das folgt schon aus der funktionellen Aufgabenverteilung zwischen Nachlassgericht und Grundbuchamt. Dieses hat den Erbschein allein darauf zu prüfen, ob er von der sachlich zuständigen Behörde erteilt worden ist und ob er das Erbrecht formell und unzweideutig bezeugt; auf seine inhaltliche Richtigkeit ist der Erbschein – von eventuellen, hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – nicht zu überprüfen, die Verantwortung hierfür liegt allein bei dem Nachlassgericht
b) BGH vom 8. September 2021 – IV ZB 17/20 Die Beteiligten sind die Söhne der Erblasserin. Mit notariellem gemeinschaftlichen Testament vom 20. Oktober 1982 hatten sich die Erblasserin und ihr Ehemann, der 1984 verstarb, gegenseitig als Alleinerben sowie die Beteiligten als Erben zu gleichen Teilen nach dem Überlebenden eingesetzt. Sie hatten außerdem angeordnet, dass der Überlebende über das ererbte und sein eigenes Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen könne. Die Erblasserin errichtete am 17. Dezember 2015 ein weiteres notarielles Testament. Danach sollte es grundsätzlich bei der hälftigen Erbeinsetzung der Beteiligten gemäß dem Testament vom 20. Oktober 1982 verbleiben, wobei detaillierte Regelungen zur Erbauseinandersetzung, insbesondere im Hinblick auf das vom Beteiligten zu 2 bewohnte Hausgrundstück, erfolgten. Nach dem Tod
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der Erblasserin wurden 2018 beide Testamente eröffnet. Der Beteiligte zu 1 hat gestützt auf das Testament vom 20. Oktober 1982 die Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt beantragt, dass er und der Beteiligte zu 2 aufgrund gewillkürter Erbfolge Erben zu je 1/2 seien. Er hat behauptet, die Erblasserin sei am 17. Dezember 2015 nicht testierfähig gewesen. Das Nachlassgericht hat die für die Erteilung des Erbscheins zugunsten der Beteiligten als Erben zu je 1/2 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, ohne in seinem Beschluss festzustellen, auf welchem Testament die Erbfolge beruht. Dagegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde mit dem Antrag erhoben zu beschließen, dass der Erbschein aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 20. Oktober 1982 erteilt werde. Daraufhin hat das Nachlassgericht den Beschluss dahingehend ergänzt, dass im Erbschein der Eintritt der Erbfolge „aufgrund testamentarischer Verfügung“ festzustellen sei. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1, mit der er seinen Erbscheinsantrag in der Fassung der Beschwerde weiterverfolgt.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass aus einem Erbschein nicht hervorgeht, auf welcher letztwilligen Verfügung er beruht; der Beteiligte zu 1 kann daher einen Erbschein mit dem Inhalt, den er mit der Rechtsbeschwerde erstrebt, nicht erlangen. Im Erbschein ist der Berufungsgrund auch dann grundsätzlich nicht anzugeben, wenn dies beantragt wird. Gemäß § 2353 BGB ist dem Erben auf seinen Antrag hin ein Zeugnis über sein Erbrecht, d.h. darüber, dass der im Erbschein so Bezeichnete Erbe ist, und (gegebenenfalls) über die Größe des Erbteils zu erteilen; außerdem sind Anordnungen zu nennen, die den Erben beschränken, vgl. § 2365 BGB. Eine Angabe des Berufungsgrundes sieht der Gesetzeswortlaut dagegen nicht vor. Er ist daher grundsätzlich nicht in den Erbschein aufzunehmen. Nur ausnahmsweise kann er anzugeben sein, etwa wenn dies bei mehrfachem Berufungsgrund (§§ 1951, 2088 BGB) zur Bezeichnung des Umfanges des Erbrechts notwendig ist. Dieser beschränkte Inhalt entspricht dem Zweck des Erbscheins, den Erben durch die Richtigkeitsvermutung (§ 2365 BGB) zu legitimieren und den guten Glauben an seine Rechtsstellung zu schützen (§ 2366 BGB). Der gesetzliche Inhalt des Erbscheins ist strikt dahin begrenzt, dass er das Erbrecht des berufenen Erben und etwaige Einschränkungen desselben zu bezeugen hat. Den Beteiligten steht kein Recht zu, eine Ergänzung des Erbscheins zu fordern, die über den gesetzlichen Rahmen des Erbscheins hinausgeht und an dessen Rechtswirkungen nicht Teil hat. Ein dennoch angegebener Berufungsgrund nimmt nicht an der Vermutungswirkung der §§ 2365 ff. BGB teil. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde erfordert daher auch eine Bindung an den Erbscheinsantrag keine Angabe des darin genannten Berufungsgrunds im Erbschein. § 352 FamFG regelt den Inhalt des Antrags, nicht den Inhalt des Erbscheins. Soweit die herrschende Meinung davon ausgeht, dass dem Erbschein kein anderer als der beantragte Inhalt gegeben werden darf, betrifft dies nur den gesetzlich bestimmten Inhalt des Erbscheins. Die danach erforderlichen Angaben müssen dem Antrag entsprechen oder er ist abzulehnen. Auch § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO macht die An-
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gabe des Berufungsgrundes im Erbschein nicht erforderlich. Nach dieser Vorschrift wird durch den Erbschein die Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt nachgewiesen. Darüberhinausgehende Nachweise zu Rechtsverhältnissen, die sich aus der zugrundeliegenden letztwilligen Verfügung ergeben, werden damit nicht erbracht. Es kann offenbleiben, ob das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass ein Antragsteller seinen Erbscheinsantrag nicht mit Bindungswirkung für das Nachlassgericht auf eines von mehreren Testamenten, aus denen sich die Erbfolge ergeben könnte, beschränken kann. Es hat bereits deshalb im Ergebnis zu Recht die erforderlichen Tatsachen für die Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligten zu 1 und 2 als Erben zu je 1/2 ausweist, für festgestellt erachtet, weil die Beteiligten aufgrund des Testaments vom 20. Oktober 1982 Erben geworden sind. Ein anderer Berufungsgrund kommt nicht in Betracht, ohne dass es auf die Wirksamkeit des Testaments vom 17. Dezember 2015 ankäme. Die Erblasserin und ihr Ehemann haben in ihrem gemeinschaftlichen Testament vom 20. Oktober 1982 die Beteiligten als Erben des Überlebenden zu gleichen Teilen eingesetzt. Diese Verfügung hat die Erblasserin nicht aufgehoben oder durch eine andere ersetzt. Im Testament vom 17. Dezember 2015 heißt es vielmehr unter Ziffer III., dass es bei der hälftigen Erbeinsetzung grundsätzlich verbleiben solle und die Erblasserin diese ausdrücklich wiederhole. Nach dem klaren Wortlaut der Testamente beruht daher die Erbenstellung der Beteiligten, die in dem zu erlassenden Erbschein bezeugt werden wird, weiterhin auf der früheren Verfügung. Die sonstigen Anordnungen in dem späteren Testament sind dagegen nicht Gegenstand des Erbscheins.
G. Materiell-Rechtliche Sonderfragen I. Digitaler Nachlass44 BGH vom 27. August 2020 – III ZB 30/20 Die Parteien streiten über den Zugang zum Benutzerkonto eines sogenannten sozialen Netzwerks, das die Beklagte betreibt. Die Gläubigerin hat beansprucht, Zugang zu dem bei der Schuldnerin unterhaltenen Konto ihrer verstorbenen minderjährigen Tochter und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu erhalten. Das Landgericht hat die Schuldnerin am 17. Dezember 2015 verurteilt, der Erbengemeinschaft Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren. Auf die Berufung der Schuldnerin hat das Kammergericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Gläubigerin hat der Senat mit Urteil vom 12. Juli 2018 das Urteil des Kammergerichts aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen (III ZR 183/17, BGHZ 219, 243). Die Schuldnerin hierzu Raude, ZEV 2017, 433–439; Uhrenbacher, ZEV 2018, 248–252; Naczinsky, ZEV 2021, 233–236.
44 Vgl.
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hat am 30. August 2018 der Gläubigerin einen USB-Stick übermittelt, der eine PDF-Datei mit mehr als 14.000 Seiten enthält, die nach den Angaben der Schuldnerin eine Kopie der ausgelesenen Daten aus dem von der Verstorbenen bei der Schuldnerin geführten Konto enthält. Zwischen den Parteien ist streitig, ob hierdurch die Verpflichtung der Schuldnerin aus dem Urteil des Landgerichts vom 17. Dezember 2015 erfüllt ist und inwieweit die auf dem USB-Stick enthaltenen Daten strukturiert angeordnet sind. Auf Antrag der Gläubigerin hat das Landgericht wegen Nichterfüllung der Verpflichtung aus seinem Urteil vom 17. Dezember 2015 gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld von 10.000 € festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Kammergericht den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines Zwangsmittels gegen die Schuldnerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Kammergericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Gläubigerin die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Gläubigerin ist begründet. Die Voraussetzungen zur Festsetzung eines Zwangsmittels gemäß § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen vor. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts hat die Schuldnerin mit der am 30. August 2018 erfolgten Übermittlung eines USB-Sticks an die Gläubigerin ihre Verpflichtung aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 17. Dezember 2015, der Erbengemeinschaft Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, nicht erfüllt. Der Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto beinhaltet die Möglichkeit der Gläubigerin, vom Konto und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen zu können, wie dies die Erblasserin konnte. Das bedeutet, dass sich die Gläubigerin in dem Benutzerkonto – mit Ausnahme einer aktiven Nutzung – so „bewegen“ können muss wie zuvor die Erblasserin selbst. Eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich bereits aus dem Tenor des Vollstreckungstitels, jedenfalls aber aus dessen Entscheidungsgründen und den Entscheidungsgründen des Senatsurteils vom 12. Juli 2018. Vorliegend ergibt bereits die Auslegung des Tenors des Vollstreckungstitels, dass der Gläubigerin durch die Schuldnerin nicht nur Zugang zu den im Benutzerkonto vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit einzuräumen ist, vom Benutzerkonto selbst und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen zu können, wie dies die Erblasserin konnte. Die im Tenor ausgesprochene Verpflichtung der Schuldnerin, der Gläubigerin, „Zugang“ zu dem vollständigen Benutzerkonto zu gewähren, weist schon sprachlich darauf hin, dass die Gläubigerin in das im Herrschaftsbereich der Schuldnerin befindliche Konto „hineingehen“ können muss und ihr nicht lediglich dessen Inhalte zu übermitteln sind. Aus den Entscheidungsgründen des Urteils des Landgerichts vom 17. Dezember 2015 und des Senatsurteils vom 12. Juli 2018 ergibt sich ebenfalls, dass der Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto, zu dessen Gewährung die Schuldnerin verurteilt worden ist, auch die Möglichkeit der Gläubigerin beinhaltet, vom Benutzerkonto und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen zu können, wie dies die Erblasserin konnte. Die Gläubigerin muss sich in dem
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Benutzerkonto – mit Ausnahme einer aktiven Nutzung – so „bewegen“ können wie zuvor die Erblasserin selbst (wird im Einzelnen ausgeführt). Der Senat hat ausgeführt, das Vertragsverhältnis sei mit seinen Rechten und Pflichten mit dem Tod der Erblasserin auf die Erben übergegangen, die hierdurch in dieses eingetreten seien und deshalb als Vertragspartner und neue Kontoberechtigte einen Primärleistungsanspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto der Erblasserin sowie den darin enthaltenen digitalen Inhalten hätten. Aus dieser Stellung der Erben und dem auf sie übergegangenen Hauptleistungsanspruch der Erblasserin aus dem mit der Beklagten bestehenden Vertragsverhältnis folgt ohne weiteres, dass den Erben auf dieselbe Art und Weise Zugang zu dem Benutzerkonto zu gewähren ist wie zuvor der Erblasserin. Einen Unterschied zwischen den diesbezüglichen Rechten der Erben und der Erblasserin gibt es – mit Ausnahme der aktiven Nutzung – nicht. Die Schuldnerin hat ihre Verpflichtung aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 17. Dezember 2015, der Gläubigerin Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, nicht erfüllt. Sie hat der Gläubigerin nicht die Möglichkeit eingeräumt, vom Benutzerkonto und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen zu können, d.h. sich in dem Benutzerkonto – mit Ausnahme einer aktiven Nutzung – so „bewegen“ zu können wie zuvor die Erblasserin selbst. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung räumt ein, mit der Überlassung des USB-Sticks der Gläubigerin keinen „direkten“ Zugang zum Benutzerkonto gewährt zu haben. Letzteres ist indes – wie ausgeführt – zur Erfüllung der titulierten Forderung der Gläubigerin erforderlich. Ob dieser Verpflichtung überhaupt mittels der Übergabe eines USB-Sticks nachgekommen werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denkbar wäre das allenfalls, wenn durch die auf dem Stick befindlichen Dateien das Benutzerkonto vollständig und originalgetreu abgebildet werden würde einschließlich nicht nur der Darstellung seiner Inhalte, sondern auch der Eröffnung aller seiner Funktionalitäten – mit Ausnahme derer, die seine aktive Weiternutzung betreffen – und der (deutschen) Sprache, in der das Benutzerkonto zu Lebzeiten der Erblasserin vertragsgemäß geführt wurde. Die Schuldnerin hat einen solchen Inhalt des von ihr übergebenen USB-Sticks, auf dem sich unstreitig nur eine einzige PDF-Datei befindet, nicht vorgetragen. Im Übrigen ergibt sich ein fehlendes originalgetreues Abbild von dem Benutzerkonto bereits daraus, dass die Inhalte der vorgenannten PDF-Datei – im Unterschied zu dem Benutzerkonto selbst – zum Teil in englischer Sprache gehalten sind. Der angefochtene Beschluss erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO). Es kann weder von einer Unmöglichkeit noch von einer Unzumutbarkeit oder Unverhältnismäßigkeit der Erfüllung der titulierten Verpflichtung der Schuldnerin ausgegangen werden. Dabei kann unterstellt werden, dass es derzeit zu den Benutzerkonten des Netzwerks der Beklagten keinen „read only“-Zugang gibt, d.h. einen auf die übliche Weise mittels der Zugangs-
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daten erfolgenden Zugang zu dem Benutzerkonto, der lediglich die aktive Nutzung des Kontos nicht zulässt. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung trägt in diesem Zusammenhang nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit vor, dass es technisch nicht möglich ist, einen „read only“-Zugang in vorgenanntem Sinne einzurichten. Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an. Denn die Einrichtung eines „read only“-Zugangs ist nur eine von mehreren Handlungen, mittels derer die Schuldnerin ihre Verpflichtung aus dem Vollstreckungstitel erfüllen kann. Dies kann etwa auch durch die Aufhebung des Gedenkzustandes erfolgen, durch den der Gläubigerin derzeit der Zugang zu dem Benutzerkonto verwehrt wird. Soweit ihr hierdurch ein über den titulierten Anspruch hinausgehender Zugang gewährt werden würde, der es ihr faktisch ermöglichen würde, das Benutzerkonto auch aktiv weiter zu nutzen, ist dies vollstreckungsrechtlich unbedenklich. Die Gläubigerin wäre zu einer solchen weitergehenden Nutzung des Kontos nicht aufgrund des Vollstreckungstitels berechtigt. Ist die Schuldnerin der Auffassung, dass die Gläubigerin zu einer derartigen Nutzung auch materiell-rechtlich nicht berechtigt ist, kann sie von ihr Unterlassung verlangen. Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Gläubigerin im Falle der vollumfänglichen Zugangsgewährung das Benutzerkonto aktiv weiternutzen würde. Weder hat sie dies angekündigt noch ist ein Interesse ihrerseits hieran ersichtlich. Der Schuldnerin ist die Erfüllung ihrer Verpflichtung aus dem Vollstreckungstitel im Wege der Aufhebung des Gedenkzustandes auch nicht aus den von ihr angeführten Gründen unzumutbar. Denn sie könnte das Benutzerkonto umbenennen und hierdurch oder auf andere Weise gegenüber den Nutzern des Netzwerks kenntlich machen, dass das Konto nicht mehr von der Erblasserin, sondern von deren Erben genutzt wird und daher etwaige automatisch generierte Meldungen nicht von der Erblasserin stammen oder durch deren Kontonutzung angestoßen worden sind.
II. Haftung des Erben BGH vom 21. Oktober 2020 – VIII ZR 261/1845 Die Klägerin ist ein Energie- und Wasserversorgungsunternehmen. Sie nimmt den Beklagten wegen der Lieferung von Gas, Strom und Wasser in Anspruch. Eigentümer dieses Anwesens war der Vater des Beklagten. Dieser verstarb 2008 und wurde vom Beklagten und seinen zwei Brüdern zu jeweils einem Drittel beerbt. Im Dezember 2010 unterzeichnete ein Bruder des Beklagten eine sogenannte Anmeldekarte der Klägerin zum Bezug von Strom, Gas und Wasser für die oben genannte Verbrauchsstelle. In der Rubrik „Mieter/Eigentümer“ trug er „Erbengemeinschaft K. S., zu Händen A. S. “ ein. Den Antrag der Erben auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wies das Amtsgericht mangels Masse ab. Die Klägerin macht die Vergütung für die Energie- und Wasserlieferungen im Zeitraum 2011 bis November 2013 geltend. Ihre auf Zahlung von 12.975,29 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat vor dem Landgericht Erfolg 45
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gehabt. Es hat dem Beklagten, der die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 Abs. 1 BGB) sowie die Verschweigungseinrede (§ 1974 Abs. 1 BGB) erhoben hat, die Geltendmachung der beschränkten Haftung auf den Nachlass vorbehalten (§ 780 Abs. 1 ZPO). Die Berufung der Klägerin, mit welcher diese eine Verurteilung ohne Vorbehalt anstrebte, wurde als unzulässig verworfen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin dieses Begehren weiter.
Die Revision hat Erfolg. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klägerin durch den zugunsten des Beklagten ausgesprochenen Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung (§ 780 Abs. 1 ZPO) beschwert (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Denn ein solcher Vorbehalt ist zugleich mit der Feststellung verbunden, dass das Gericht vom Vorliegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) ausgeht. Im Falle der Rechtskraft des den Vorbehalt aussprechenden Urteils wäre das nachfolgende Gericht bei Erhebung einer – auf diesen Vorbehalt gestützten – Vollstreckungsabwehrklage des Beklagten an diese Beurteilung gebunden. Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte die Beschränkung seiner Haftung (auf den Nachlass) nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. Hat der Erbe die Beschränkung seiner Haftung schon im Erkenntnisverfahren geltend gemacht, steht es dem Prozessgericht frei, deren materielle Voraussetzungen zu prüfen und zum Beispiel die Verurteilung auf Leistung aus dem Nachlass zu beschränken oder – wenn etwa die Erschöpfung des Nachlasses im Sinne von § 1990 Abs. 1 BGB feststeht – die Klage abzuweisen. Das Gericht kann sich aber auch in diesen Fällen, in denen sich der Erbe die Einrede seiner beschränkten Haftung nicht lediglich vorbehalten will, sondern diese bereits im Erkenntnisverfahren erhebt und behauptet, deren Voraussetzungen seien erfüllt, – wie hier – in der Regel damit begnügen, allein den Vorbehalt in das Urteil aufzunehmen, und es dem Beklagten überlassen, gegen die Zwangsvollstreckung die Klage aus §§ 785, 767 Abs. 1 ZPO zu erheben. Hieraus folgt jedoch nicht, dass im Erkenntnisverfahren der Vorbehalt allein aufgrund der bloßen Einrede des Beklagten ausgesprochen wird. Wie bereits aus dem Wortlaut des § 780 Abs. 1 ZPO folgt, setzt dies vielmehr zusätzlich voraus, dass der Erbe als Prozesspartei wegen einer (reinen) Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) in Anspruch genommen wird. Handelt es sich dagegen (auch) um eine Eigenverbindlichkeit des Erben – in Form einer durch ein Handeln des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses begründeten Nachlasserbenschuld oder einer reinen Eigenverbindlichkeit –, haftet der Erbe (auch) mit seinem Privatvermögen und kann seine Haftung nach den §§ 1973 ff. BGB oder §§ 1989 ff. BGB schon aus diesem Grund nicht auf den Nachlass beschränken. Demzufolge kommt in diesen Fällen der Vorbehalt einer beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht. Danach muss das Gericht, auch wenn es die Frage der eigentlichen Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass nicht weiter klärt, vor dem Ausspruch des Vorbehalts prüfen, ob eine reine Nachlassverbindlichkeit vorliegt.
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Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht diese fehlende Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung einer Beschwer der Klägerin durch den Ausspruch des Vorbehalts nach § 780 Abs. 1 ZPO im Erkenntnisverfahren nicht entgegen. Denn bereits die Rechtskraftwirkungen des Vorbehalts sind für die Klägerin vorliegend nachteilig und begründen für sie eine Beschwer. Das über die Vollstreckungsabwehrklage entscheidende Gericht wäre an einen rechtskräftig ausgesprochenen Vorbehalt, der in diesem Verfahren eine Vorfrage darstellt, gebunden. Damit geht einher, dass die Klägerin, die eine Verurteilung ohne Vorbehalt erstrebt, da sie der Ansicht ist, bei ihren Forderungen handele es sich (auch) um Eigenverbindlichkeiten des Beklagten, so dass dieser seine Haftung von vornherein nicht auf den Nachlass beschränken könne, nach den Grundsätzen der sogenannten Tatsachenpräklusion mit (erneutem) Vorbringen zur Art der Forderungen im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage ausgeschlossen wäre. Die Bindung des über die Vollstreckungsabwehrklage entscheidenden Gerichts an den Vorbehalt sowie der Ausschluss der Klägerin mit erneutem Vortrag zum Nichtvorliegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit (Tatsachenpräklusion) folgt aus der Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO) des den Vorbehalt aussprechenden Urteils. Infolge dieser Unangreifbarkeit des Vorbehalts ist das Gericht daran gehindert, die Art der Verbindlichkeit (nochmals) zu prüfen und gleichsam über diesen „Umweg“ die Rechtmäßigkeit des Rechtsfolgenausspruchs (Vorbehalt) in Frage zu stellen. Würde im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage das Vorliegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit verneint werden, würde das Gericht der Sache nach entscheiden, dass dem Beklagten der Vorbehalt zu Unrecht zugesprochen wurde. Dies ist ihm nach Vorstehendem verwehrt. Gegen eine nochmalige Prüfung der Art der Verbindlichkeit im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage spricht auch die durch § 780 Abs. 1 ZPO bewirkte Funktionsteilung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. Die Verlagerung der Prüfung der materiellen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkungen nach den §§ 1973 ff. BGB beziehungsweise §§ 1989 ff. BGB in das Vollstreckungsverfahren dient der Entlastung des Erkenntnisverfahrens von der regelmäßig zeitaufwändigen Klärung des Umfangs der Haftung des Erben, insbesondere der Zusammensetzung des Nachlasses. Demgegenüber ist die vorgeschaltete Klärung der Art der Verbindlichkeit als eine vom Erblasser herrührende Schuld im Sinne des § 1967 Abs. 2 Alt. 1 BGB typischerweise eine Sache des Erkenntnisverfahrens. Von der aufgezeigten Präjudizialität des Vorbehaltsausspruchs nach § 780 Abs. 1 ZPO abgesehen, liegt eine Beschwer der Klägerin auch darin, dass es ihr selbst ebenfalls nach den Grundsätzen der sogenannten Tatsachenpräklusion verwehrt wäre, im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage (erneut) Einwände gegen die Einordnung der Schuld als reine Nachlassverbindlichkeit geltend zu machen. Somit sind die Parteien mit dem Vortrag solcher Tatsachen, die im maßgebenden Zeitpunkt des Vorprozesses schon vorhanden waren und mit denen das
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Ziel verfolgt wird, das „kontradiktorische Gegenteil“ der früher festgestellten oder abgelehnten Rechtsfolge auszusprechen, insoweit ausgeschlossen, als diese Tatsachen bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebensvorgang gehören. Demnach könnte die Klägerin im Falle der Rechtskraft die im Erkenntnisverfahren schon vorhandenen Tatsachen, welche aus ihrer Sicht der Einordnung der Schuld als reine Nachlassverbindlichkeit entgegenstehen, im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage nicht (nochmals) vorbringen. Zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht kann sich das Berufungsgericht nicht auf Entscheidungen des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur fehlenden Beschwer durch einen im Urteil ausgesprochenen Vorbehalt stützen. Diese betrafen Fälle des § 780 Abs. 2 ZPO und damit die – vorliegend nicht relevanten – Besonderheiten des Fiskalerbrechts (siehe BGH, Urteile vom 17. Februar 2017 – V ZR 147/16, NJW-RR 2017, 1040 Rn. 15; vom 14. Dezember 2018 – V ZR 309/17, NJW 2019, 988 Rn. 5 und 11 f.). Die Frage des Vorliegens einer Beschwer im hier gegebenen Fall des § 780 Abs. 1 ZPO wurde (demgegenüber) ausdrücklich offengelassen. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird bei der Prüfung der Frage, um welche Art von Verbindlichkeit es sich bei den streitgegenständlichen Forderungen in Bezug auf den Beklagten – dessen grundsätzliche Inanspruchnahme infolge seiner Berufungsrücknahme rechtskräftig feststeht – handelt, zu berücksichtigen haben, dass dessen persönliche Haftung ein eigenes Verhalten als Haftungsgrundlage voraussetzt; für Verbindlichkeiten aus der Verwaltung des Nachlasses, die ohne sein Zutun entstehen, haftet der Erbe demgegenüber nur als Träger des Nachlasses.
III. Trans- und postmortale Vollmacht KG vom 2. März 2021 – 1 W 1503/2046 Die Eintragung ist von demjenigen zu bewilligen, der Eigentümer des Grundstücks ist. Die Beteiligte zu 1 erklärte die Bewilligung namens der Erben. Verweist der Erklärende – wie hier – auf eine transmortale Vollmacht, gibt er die Erklärung im Namen der Erben des Vollmachtgebers ab. Ist der Handelnde Alleinerbe, gibt er die Erklärung (nur) im eigenen Namen ab. Ist er Miterbe, gibt er die Erklärung auch im eigenen Namen ab (§ 2040 Abs. 1 BGB ). Dem steht nicht entgegen, dass die Beteiligte zu 1 erklärt hatte, Alleinerbin zu sein. Eine transmortale Vollmacht des eingetragenen Berechtigten genügt zum Nachweis der (Vertretungs-) Macht des Bevollmächtigten auch dann, wenn dieser erklärt, Alleinerbe des Vollmachtgebers zu sein; es bedarf keines Nachweises der Erbfolge in der Form des § 35 Abs. 1 GBO. Zum einen erlischt die Vollmacht nicht ohne 46
ZEV 2021, 332 = ErbR 2021, 705 m. Anm. Wendt; hierzu auch Wendt, ErbR 2021, 657.
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weiteres, wenn der Vertretene und der Vertreter in einer Person zusammenfallen. Es mag begrifflich ausgeschlossen sein, sich selbst zu vertreten. Dennoch ist die vom Erblasser abgeleitete Befugnis als fortbestehend zu behandeln, wenn dies berechtigte Interessen gebieten. Das ist der Fall, soweit die Vollmacht dem Bevollmächtigten materiell- oder verfahrensrechtlich weitergehende Befugnisse und Handlungsmöglichkeiten eröffnet, als sie dem Alleinerben zur Verfügung stehen, und keine schutzwürdigen Interessen Dritter oder des Rechtsverkehrs gegen das Fortbestehen der Vollmacht sprechen. So ist anerkannt, dass der (sich selbst vertretende) Alleinerbe auf Grund einer Vollmacht des Erblassers handeln kann, wenn er der Beschränkung durch einen Testamentsvollstrecker (§ 2211 Abs. 1, § 2205 BGB ) unterliegt. Gleiches soll wegen der gesamthänderischen Bindung für den bevollmächtigten Miterben gelten. Die fortwirkende Vollmacht eröffnet dem Erben im Grundbuchverfahren weitergehende Handlungsmöglichkeiten, da ein Nachweis der Rechtsnachfolge (§ 35 Abs. 1 BGB ) und entsprechend § 40 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 GBO eine Voreintragung (§ 39 Abs. 1 GBO ) in jedem Fall entbehrlich sind. Zum anderen muss die Erbfolge selbst dann nicht in der Form des § 35 Abs. 1 GBO nachgewiesen werden, wenn die Vollmacht durch die Personenidentität von Vertretenem und Vertreter unwirksam würde. Die Legitimationswirkung der Vollmachtsurkunde (§ 172 BGB ) kann nur entfallen (§ 173 BGB ), wenn die Beteiligte zu 1 tatsächlich Alleinerbin ist. Das belegt ihre bloße Mitteilung nicht.
IV. Grabpflegekosten BGH vom 26. Mai 2021 – IV ZR 174/2047 Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil geltend. Die 2017 verstorbene Erblasserin war ledig und hatte keine leiblichen Kinder. Den Kläger hatte sie 1981 als ehelichen Abkömmling durch Adoption angenommen. Die Erblasserin hinterließ ein eigenhändiges Testament ohne Datum, welches am 10. April 2017 durch das Nachlassgericht eröffnet wurde, mit folgendem Inhalt: „Ich Margot T. geb. am 25.7.1931 Mein letzter Wille! Christine T h. möchte ich als Verwalter meiner Persönlichen Sachen Übergeben. Wenn alles Verkauft ist, bekommen alle 10 % + 5 % die ich jetzt Namentlich schreibe. Der Rest ist für die Beerdigung und, 20 Jahre Pflege des Grabes. Eure Margot.“
47
ZEV 2021, 521 m. Anm. Horn = ErbR 2021, 777 m. Anm. Potthast.
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Dieser Text befindet sich rechtsseitig auf dem Testament. Auf der linken Seite heißt es: „Eberhardt G. 10 % Denise G. Dieter G. 10 % Carolien M. 10 % B. Heike G. 5 % Marie-Christin 5 % Christine 10 % Jenal Ö. H. R. 5 % und die Wohnung Der Brilli geht nach B. an Heidi R. .“ Die Beklagte zu 6 wurde durch Beschluss des Nachlassgerichts zur Testamentsvollstreckerin ernannt und ihr ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt. Sie erstellte ein Nachlassverzeichnis und holte Angebote für die Kosten einer zwanzigjährigen Grabpflege ein. Nach einem Angebot belaufen sich die Kosten auf 11.682,83 €, nach einem weiteren auf 7.329,57 €. Der Aktivnachlass betrug nach dem Vorbringen des Klägers in der Revisionsinstanz 16.102,74 €. Nachlassverbindlichkeiten bestanden ohne die Grabpflegekosten in Höhe von 6.337,55 €. Der Kläger forderte die Beklagte zu 6 zur Zahlung von 3.559,77 € auf, was diese ablehnte und dem Kläger lediglich 809,44 € überwies. Der Kläger hat sich erstinstanzlich darauf berufen, ihm stehe ein Zusatzpflichtteil in Höhe von 3.559,77 € zu, woraus sich abzüglich der gezahlten 809,44 € ein Betrag in Höhe von 2.750,33 € ergebe. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine Klage erweitert und zuletzt in der Hauptsache einen Betrag von 6.335,56 € geltend gemacht. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger, ausgehend von einem Bruttonachlass von 16.102,74 €, sein Begehren teilweise weiter, nämlich auf Zahlung eines Betrages von 3.209,04 € nebst Zinsen gegen die Beklagten zu 1–6, darüber hinaus auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte zu 6 sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Die Revision hat Erfolg. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Klage nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger nicht alle Miterben verklagt hat. Ein Nachlassgläubiger hat bis zur Teilung des Nachlasses die Wahl, ob er die Miterben als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB) in Anspruch nimmt, oder ob er von ihnen (lediglich) die Befriedigung aus dem ungeteilten Nachlass in Form der Gesamthandsklage (§ 2059 Abs. 2 BGB) verlangt. Hier hat der Kläger keine Gesamthandsklage erhoben, bei der er sämtliche Miterben hätte in Anspruch nehmen müssen, sondern er begehrt ausweislich der eindeutigen Formulierung im Antrag eine gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten gemäß § 2058 BGB. In diesem Fall ist es nicht erforderlich, dass sämtliche Miterben verklagt werden. Vielmehr kann sich die Klage – wie hier – auch nur gegen einzelne Miterben als Gesamtschuldner richten (vgl. § 421 BGB). Gemäß § 2213 Abs. 1 Satz 3 BGB kann ein Pflichtteilsanspruch ferner, auch wenn dem Testamentsvollstrecker – wie hier der Beklagten zu 6 – die Verwaltung des Nachlasses zusteht, nur gegen die Erben geltend gemacht werden. Diese Klage kann indessen – wie hier durch den Antrag zu 2 geschehen – mit einem Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker auf Dul-
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dung der Zwangsvollstreckung verbunden werden, um gemäß § 748 Abs. 3 ZPO eine Vollstreckung in den der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlass zu ermöglichen. Dem Kläger steht gegen die Beklagten – auf der Grundlage des Revisionsvorbringens und vorbehaltlich der von den Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung – ein Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 Satz 1 BGB in Höhe von 3.209,04 € zu. Ausweislich der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts sollten die von der Erblasserin in ihrem Testament eingesetzten Personen ihre alleinigen Erben sein, auch wenn sich deren Erbeinsetzung rechnerisch zusammen nur auf eine Quote von 55 % bezog. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Willen der Erblasserin eine Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung nur zu 55 % und im Übrigen gesetzliche Erbfolge hätten eintreten sollen. Ausgehend hiervon ergibt sich für den Kläger, der im Testament mit 5 % des Erbes bedacht wurde, eine Erbquote von 9,09 % und damit ein Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 Satz 1 BGB von 40,91 %. Der Geltendmachung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB steht nicht entgegen, dass der Kläger die Erbschaft nicht ausgeschlagen hat. Dies ist bei § 2305 BGB im Gegensatz zu § 2306 BGB nicht erforderlich. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch an, der Anspruch des Klägers auf den Zusatzpflichtteil sei durch die außergerichtliche Zahlung der Beklagten zu 6 in Höhe von 809,44 € erfüllt worden. Die Kosten für die Grabpflege sind im Rahmen der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs gemäß § 2311 BGB nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Zwar trägt gemäß § 1968 BGB der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Hiervon erfasst werden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte findet. Kosten der Instandhaltung und Pflege der Grabstätte und des Grabmals zählen nicht mehr zu den Kosten der Beerdigung, sondern entspringen allenfalls einer sittlichen Verpflichtung des Erben. Auch die Möglichkeit, erbschaftsteuerlich Grabpflegekosten abzusetzen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG), vermag an dieser fehlenden rechtlichen Verpflichtung des Erben zur Grabpflege nichts zu ändern, da die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen nichts über die zivilrechtliche Verpflichtung des Erben zur Kostentragung besagt. Ferner ist eine möglicherweise bestehende öffentlich-rechtliche Pflicht von Erben oder Angehörigen zur Grabpflege unabhängig von der rein zivilrechtlichen Frage des Bestehens einer Nachlassverbindlichkeit zu beurteilen. Die Instandhaltungspflicht für eine Grabstätte trifft nach den einschlägigen Friedhofssatzungen den Grabnutzungsberechtigten oder den Totenfürsorgeberechtigten, der nicht zwingend personenidentisch mit dem Erben sein muss.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vermag auch die Anordnung im Testament der Erblasserin, den Rest ihres Vermögens für die Beerdigung sowie zwanzig Jahre Grabpflege zu verwenden, keine dem Kläger als Pflichtteilsberechtigten entgegenzuhaltende Nachlassverbindlichkeit zu begründen. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören gemäß § 1967 Abs. 2 BGB außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen. Eine Nachlassverbindlichkeit kann zwar durch eine Erwähnung der Grabpflege in der letztwilligen Verfügung begründet werden, wenn bereits der Erblasser zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag geschlossen hatte, der sodann die Erben als dessen Rechtsnachfolger gemäß § 1922 BGB bindet. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da die Erblasserin zu ihren Lebzeiten keinen derartigen Vertrag geschlossen hatte. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht demgegenüber an, die testamentarische Anordnung, dass der Rest des Vermögens für eine zwanzigjährige Grabpflege zu verwenden sei, begründe bereits eine Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld, die im Rahmen der Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB zu berücksichtigen sei. Die Bestimmung eines Erblassers in einer letztwilligen Verfügung hinsichtlich Art und Umfang der nach seinem Tod durchzuführenden Grabpflege ist als Auflage gemäß §§ 1940, 2192 BGB oder – je nach Ausgestaltung – als Zweckvermächtnis gemäß §§ 1939, 2156 BGB anzusehen. Hier liegt eine derartige Auflage vor, da die Erblasserin den Erben insgesamt aufgegeben hat, dass nach dem Verkauf ihrer Sachen sowie Auszahlung der prozentual vorgesehenen Beträge an die Erben der Rest für die Beerdigung und die Grabpflege auszugeben ist. Im Verhältnis der Erben untereinander sowie zu außenstehenden Dritten stellt eine Auflage, wie sich auch aus § 1967 Abs. 2 BGB ergibt, eine Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erbfallschuld dar. Demgegenüber führt eine auf einer Auflage beruhende Nachlassverbindlichkeit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteils- oder Zusatzpflichtteilsanspruchs. Nach einhelliger Auffassung ist der Pflichtteilsanspruch gegenüber den Ansprüchen aus Auflagen und Vermächtnissen vorrangig. Dieser Vorrang ergibt sich auch aus der gesetzlichen Regelung des § 1991 Abs. 4 BGB. Hiernach sind Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen durch den Erben so zu berichtigen, wie sie im Falle des Insolvenzverfahrens zur Berichtigung kommen würden. Nach § 327 Abs. 1 InsO werden Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten vor Verbindlichkeiten aus den vom Erblasser angeordneten Vermächtnissen und Auflagen erfüllt. Dem Erblasser soll es verwehrt sein, den Pflichtteilsanspruch durch freigiebige Vermächtnisanordnungen oder Auflagen zu schmälern oder sogar auszuhöhlen. Dieser Vorrang des Pflichtteilsanspruchs gilt auch dann, wenn der Erblasser – wie hier – Grabpflege in Form einer Auflage angeordnet hat. Auch in einem
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solchen Fall können die Grabpflegekosten bei der Berechnung des Nachlasswertes für den Pflichtteilsanspruch nicht in Abzug gebracht werden. Für die Berechnung des Anspruchs gilt auf dieser Grundlage: Der Kläger ist als Miterbe zu 9,09 % durch die Anordnung der Grabpflege mit einer Auflage beschwert. Bei der Berechnung des Wertes des Zusatzpflichtteils bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 BGB bezeichneten Art außer Betracht (§ 2305 Satz 2 BGB). Der Berechtigte muss also die seinen Erbteil betreffenden Beschränkungen und Beschwerungen stets voll tragen, wenn er nicht ausschlägt. Lediglich für den Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 BGB bleiben die Beschränkungen und Beschwerungen außer Betracht. Der Pflichtteilsrestanspruch bemisst sich mithin aus der Differenz zwischen der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und dem hinterlassenen Erbteil ohne Abzug der Belastungen und Beschränkungen. Hieraus ergibt sich auf der Grundlage des Revisionsvorbringens folgende Berechnung: Bruttonachlass
16.102,74 €.M
abzüglich Nachlassverbindlichkeiten (6.337,55 € + 9.506,20 € Grabpflegekosten)
15.843,75 €.M
Differenz davon 9,09 % Erbteil des Klägers
258,99 €.M 23,54 €.M
Zusatzpflichtteil ohne Auflage (40,91 % aus 16.102,74 € – 6.337,55 € = 9.765,19 €)
3.994,94 €.M
Gesamt
4.018,48 €.M
abzüglich erhaltener Verbleiben
809,44 €.M 3.209,04 €.M
Eine eigene Entscheidung ist dem Senat gleichwohl verwehrt, da der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif ist. Die Beklagten haben hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch die Aufrechnung erklärt und hierzu behauptet, der Kläger habe einen ihm zur Aufbewahrung übergebenen Nerzmantel der Erblasserin mit einem Wert von 700 € bis 1.000 € nicht zurückgegeben (wird ausgeführt).
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H. Internationales Privatrecht, insbesondere EuErbVO I. OLG Hamm vom 10. Juli 2020 – 10 W 108/1848 Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers i.S.d. Art. 4 EuErbVO ist neben dem objektiven Moment des tatsächlichen Aufenthalts auch das subjektive Element, nämlich der Aufenthalts- und Bleibewille, erforderlich. Eine im Rahmen der Trennung der Eheleute bedingte Wohnsitznahme in der im Eigentum stehenden, in Spanien gelegenen Immobilie reicht nicht aus, wenn sie lediglich der Praktikabilität geschuldet war und der Erblasser krankheitsbedingt vor seinem Tod nicht nach Deutschland zurückkehren konnte.
II. EuGH vom 16. Juli 2020 – C – 80/1949 E. E. ist litauischer Staatsangehöriger. Seine Mutter, die ebenfalls die litauische Staatsangehörigkeit besaß, hatte den deutschen Staatsangehörigen K.-D. E. geheiratet und zog mit E. E. zu ihm nach Deutschland. Am 4. Juli 2013 errichtete sie vor einer Notarin in Litauen ein Testament, in dem sie ihren Sohn als Alleinerben einsetzte. Beim Tod der Mutter von E. E., der sich in Deutschland ereignete, war eine Immobilie, nämlich eine Wohnung in Kaunas (Litauen), auf die Erblasserin eingetragen. Am 17. Juli 2017 wandte sich E. E. an eine Notarin in Kaunas und beantragte die Eröffnung des Nachlassverfahrens und die Ausstellung eines Nachlasszeugnisses. Am 1. August 2017 lehnte die Notarin die Ausstellung des Nachlasszeugnisses mit der Begründung ab, dass der gewöhnliche Aufenthalt der Erblasserin im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 650/2012 als in Deutschland belegen anzusehen sei. E. E. erhob gegen diese Ablehnung Klage. Unter diesen Umständen hat der Oberster Gerichtshof Litauens beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen (wird ausgeführt). Mit seiner ersten und seiner fünften Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 650/2012 dahin auszulegen ist, dass ein „Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug“ vorliegt, wenn der Erblasser die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats hatte und im Zeitpunkt seines Todes seinen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hatte, aber seine Verbindung zu dem erstgenannten Mitgliedstaat nicht abgebrochen hatte, und ob in diesem Fall der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Sinne dieser Verordnung in einem einzigen Mitgliedstaat liegen muss.
Die Verordnung zielt ausweislich ihres 67. Erwägungsgrundes auf eine zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitendem Bezug ab. Um festzustellen, ob eine Erbsache einen grenzüberschreitenden Bezug hat und daher in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 650/2012 fällt, ist erstens der Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes zu ermitteln und zweitens zu bestimmen, ob der gewöhnliche Aufenthalt aufgrund dessen, dass sich ein anderer erbrechtlicher Anknüpfungspunkt in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem der Erblasser zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, befindet, in einem anderen 48 49
ZEV 2020, 636. ZEV 2020, 628 = ErbR 2020, 711 m. Anm. Mankowski.
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Mitgliedstaat verortet werden kann. Hierzu ist festzustellen, dass der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes“ im Sinne der Verordnung Nr. 650/2012 zwar in keiner Bestimmung definiert wird, jedoch die Erwägungsgründe 23 und 24 nützliche Hinweise enthalten. Nach dem 23. Erwägungsgrund dieser Verordnung obliegt es der mit der Erbsache befassten Behörde, den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zu bestimmen, wobei diese Behörde sowohl den Umstand, dass der allgemeine Anknüpfungspunkt der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes ist, als auch sämtliche Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes zu beachten hat und dabei alle relevanten Tatsachen zu berücksichtigen hat, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte eine besonders enge und feste Verbindung zwischen dem Nachlass und dem betreffenden Staat erkennen lassen. Insoweit sind im 24. Erwägungsgrund der Verordnung verschiedene Fälle aufgeführt, in denen es sich als komplex erweisen kann, den gewöhnlichen Aufenthalt zu bestimmen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines Staates oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in diesem Staat, so könnte – wie es im letzten Satz dieses Erwägungsgrundes heißt – seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein, wenn sich der Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrechterhalten hat. Daraus folgt, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers von der mit der Erbsache befassten Behörde anhand einer Gesamtbeurteilung der Umstände des Einzelfalls in einem einzigen Mitgliedstaat festzulegen ist. Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 42 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat und wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, würde eine Auslegung der Verordnung Nr. 650/2012, wonach der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes in mehreren Mitgliedstaaten festgelegt werden könnte, zu einer Nachlassspaltung führen, da der gewöhnliche Aufenthalt das Kriterium für die Anwendung der allgemeinen Vorschriften der Art. 4 und 21 dieser Verordnung darstellt, nach denen sich sowohl die Zuständigkeit der Gerichte für den gesamten Nachlass als auch das nach der Verordnung auf den gesamten Nachlass anwendbare Recht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt richten. Eine solche Auslegung wäre daher mit den Zielen dieser Verordnung unvereinbar. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der Nachlass einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist, weil sich ein anderer erbrechtlicher Anknüpfungspunkt in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem der Erblasser zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, befindet. Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof
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entschieden hat, dass ein Erbfall grenzüberschreitenden Bezug hat, wenn der Nachlass Vermögen umfasst, das in verschiedenen Mitgliedstaaten – und insbesondere in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem der Erblasser zuletzt seinen Aufenthalt hatte – belegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2018, Oberle, C-20/17, EU:C:2018:485, Rn. 32). Außerdem sind in der Verordnung Nr. 650/2012 beispielhaft andere Umstände angeführt, die auf das Vorliegen eines Nachlasses unter Beteiligung mehrerer Mitgliedstaaten hindeuten können.
III. OLG Frankfurt/M. vom 14. September 2020 – 21 W 59/2050 1. Sind langjährige berufliche und soziale Bindungen des Erblassers an seinen neuen tatsächlichen Aufenthaltsort vorhanden, muss der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts nach Art. 21 EuErbVO am Ort des tatsächlichen Aufenthalts nicht zwingend entgegenstehen, dass von dem Erblasser eine Rückkehr in sein früheres Heimatland beabsichtigt und ins Werk gesetzt worden war. 2. Umfasst der Nachlass eines Erblassers mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in der Volksrepublik China auch inländisches Grundvermögen, ist die von dem IPR der Volksrepublik China hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens angeordnete Anwendung des Erbrechts am inländischen Belegenheitsort zugleich gemäß Art. 34 Abs. 1 EuErbVO als Nachlassspaltung beachtlich. 3. Haben die Eheleute in dem gesetzlichen Güterstand einer Errungenschaftsgemeinschaft nach dem Ehegüterrecht der Volksrepublik China gelebt, kann der überlebende Ehegatte bei Anwendung deutschen Erbstatus einen nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten Erbteil weder aufgrund einer international-privatrechtlichen Substitution des ausländischen Güterstands zur inländischen Zugewinngemeinschaft noch aufgrund einer international-privatrechtlichen Anpassung beanspruchen, sondern bleibt grundsätzlich auf den gemäß § 1931 Abs. 1 BGB nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil beschränkt.
IV. OLG München vom 8. Dezember 2020 – 31 Wx 248/2051 Maßgeblich für die Erbfolge ist das iranische Recht, da der Erblasser ausschließlich iranischer Staatsangehöriger war (Art. 8 Abs. 3 des Deutsch-Iranischen Niederlassungsabkommens vom 17.02.1929). Danach erhalten männliche Kinder einen doppelt so hohen Anteil am Nachlass als weibliche Kinder. Der Beteiligten zu 3 steht danach als Tochter des Erblassers nur die Hälfte des Anteils der Beteiligten zu 1 und 2 zu. Das iranische Recht bleibt allerdings nach Art. 6 EGBGB in dieser Hinsicht unangewendet, denn dieses Ergebnis der Anwendung iranischen Erb50
51
ErbR 2021, 47. ZEV 2021, 177.
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rechts auf den hier zu entscheidenden Fall ist mit dem im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht vereinbar. Nach Art. 6 EGBGB ist die Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Die Anwendung der Vorbehaltsklausel des Art. 6 EGBGB setzt voraus, dass nicht nur abstrakt die ausländische Regel selbst, sondern das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts im konkreten Fall in so starkem Widerspruch zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und denen in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint. Darüber hinaus muss der zu beurteilende Tatbestand einen hinreichenden Inlandsbezug aufweisen; die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte genügt dafür nicht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beteiligte zu 3 erhält nach den maßgeblichen iranischen Rechtsvorschriften als Tochter des Erblassers eine Erbquote von 7/40, während die Beteiligten zu 1 und 2 als Söhne bei ansonsten gleichem Sachverhalt eine Erbquote von 14/40 beanspruchen können. Dies ist nicht vereinbar mit dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz, dass niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt werden darf. Es besteht zudem ein stark ausgeprägter Inlandsbezug. Der Erblasser hat u.a. ein Grundstück in München, ein Bankkonto bei der Deutschen Bank in Deutschland sowie Geschäftsanteile an einer Papierfabrik im Inland hinterlassen. Es handelte sich hierbei um die wesentlichen Vermögenswerte des Erblassers. Ferner besaßen sowohl die Beteiligten zu 1 und 2, als auch die Beteiligte zu 4 zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers neben der iranischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Auch nach Ansicht des Senats ist nicht feststellbar, dass der Erblasser die Schlechterstellung der Beteiligten zu 3 beabsichtigte. Die gesetzliche Diskriminierung eines aus deutscher Sicht Erbberechtigten kann trotz Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zwar hinzunehmen sein, wenn diese Erbfolge dem festgestellten Willen des Erblassers entspricht, da eine inhaltsgleiche gewillkürte Erbfolge auch im deutschen Recht den Schutz des Art. 14 GG (Testierfreiheit) genießen würde. Dies setzt aber die positive Feststellung eines entsprechenden Erblasserwillens voraus. Zutreffend hat das Nachlassgericht hierzu allerdings ausgeführt, dass sich ein solcher Wille des Erblassers im vorliegenden Fall nicht feststellen lässt. In der letztwilligen Verfügung vom 27.06.1963 über die Geschäftsanteile an der Papierfabrik hat der Erblasser seine 3 Kinder gleichmäßig bedacht. Hieraus lässt sich aber nicht entnehmen, dass er für den restlichen Nachlass eine Ungleichbehandlung beabsichtigte. Es ist auch weder hieraus noch sonst ersichtlich, dass dem Erblasser die Anwendbarkeit iranischen Rechts für die Erbfolge sowie die im iranischen Recht geregelte unterschiedliche Behandlung von weiblichen und männlichen Nachkommen bekannt bzw. bewusst war und er diese Ungleichbehandlung auch für seine Kinder wollte.
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Demnach steht fest, dass der Erbschein vom 16.07.1970 materiell unrichtig ist und zu Recht eingezogen wurde. Es bleibt Aufgabe des Nachlassgerichts, im Falle der Beantragung eines neuen Erbscheins die durch die Nichtanwendung der konkreten Norm entstehende Regelungslücke zu schließen. Ohne Bindung für das Nachlassgericht weist der Senat allerdings darauf hin, dass die im Hinweis vom 10.10.2019 erwogene Lösung, die Erbquote der Ehefrau von 1/8 unverändert zu lassen und die Erbquoten der Beteiligten zu 1 bis 3 auf je 7/24 festzusetzen, dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs bzw. der weitgehenden Schonung des fremden Rechts jedenfalls entspricht.
V. OLG Stuttgart vom 15. Dezember 2020 – 8 W 342/2052 1. Anhängige Einwände im Sinne des Art. 67 Abs. 1 Satz 3 lit. a EuErbVO, die dazu führen, dass ein Europäisches Nachlasszeugnis nicht ausgestellt werden kann, sind nur solche, die anderweitig, also in einem anderen Verfahren anhängig sind. Demgegenüber sind Einwände, die ein Berechtigter unmittelbar gegenüber der Ausstellungsbehörde geltend macht, im Rahmen des Erteilungsverfahrens zu würdigen. Sie stehen nicht per se der Erteilung des Zeugnisses entgegen. 2. „Anhängigkeit“ im Sinne des Art. 67 Abs. 1 Satz 3 lit. a EuErbVO bedeutet Einreichung einer Klage, mithin die Anhängigkeit eines Rechtsstreits in Bezug auf den zu bescheinigenden Sachverhalt. 3. Das Ausstellungsverfahren für das Europäische Nachlasszeugnis richtet sich grundsätzlich nach dem jeweiligen mitgliedsstaatlichen Verfahrensrecht. Die EuErbVO steht einer unterschiedlichen Prüfungstiefe durch die „Ausstellungsbehörde“ nicht entgegen. 4. In der Bundesrepublik Deutschland verweisen die §§ 33 ff. des zur Durchführung der EuErbVO erlassenen Internationalen Erbrechtsverfahrensgesetzes (IntErbRVG) auf das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) und damit unter anderem auf § 26 FamFG. Die Prüfungskompetenzen von Nachlassgericht und Beschwerdegericht decken sich.
VI. OLG Frankfurt vom 9. Februar 2021 – 21 W 151/2053 Der Beteiligte zu 1 ist der vorläufige Insolvenzverwalter, der Beteiligte zu 2 der Nachlasspfleger hinsichtlich des Nachlasses des Erblassers. Der Erblasser war verheiratet und kinderlos. Die Ehefrau, die von dem Erblasser getrennt lebte, hatte die Erbschaft ausgeschlagen. Der Beteiligte zu 2 wurde mit Beschluss vom 20.03.2019 zum Nachlasspfleger bestellt. Der Beteiligte zu 2 beantragte am 03.08.2019 bei dem Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens 52 53
ZEV 2021, 320; hierzu auch Marx, ErbR 2021, 491. ErbR 2021, 451 m. Anm. Mankowski = ZEV 2021, 322.
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über den Nachlass des Erblassers. Der Beteiligte zu 1 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 13.11.2019 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und ihm die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Erblassers übertragen. Am 02.04.2020 beantragte der Beteiligte zu 1 die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das seine Stellung als vorläufiger Nachlassinsolvenzverwalter bescheinigt. Das Europäische Nachlasszeugnis sei als Legitimationsnachweis gegenüber der kroatischen Bank erforderlich, welche die Auskunft von einem entsprechenden Nachweis abhängig gemacht habe. Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 27.07.2020 den Antrag zurückgewiesen.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dem vorläufigen – starken – Insolvenzverwalter ist auf entsprechenden Antrag hin ein Europäisches Nachlasszeugnis zu erteilen, mit dem der Nachweis der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über den Nachlass geführt wird. Da die Führung eines solchen Nachweises durch die EuInsVO nicht geregelt ist, ist ein – etwaiger – Vorrang der EuInsVO, der die Erteilung des Europäisches Nachlasszeugnis ausschließen würde, nicht gegeben. Der Insolvenzverwalter über den Nachlass ist als Nachlassverwalter i.S.d. Art. 63 EuErbVO anzusehen. Dem Nachlassinsolvenzverwalter kann die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses nicht mit der Begründung verweigert werden, durch den gemäß Art. 76 EuErbVO bestimmten Vorrang der EuInsVO sei der Anwendungsbereich der EuErbVO für ein die Befugnisse eines nach insolvenzrechtlichen Regelungen bestimmten Verwalters über den Nachlass nicht eröffnet. Soweit über Art. 76 EuErbVO zunächst ein Vorrang der EuInsVO vor der EuErbVO eingeräumt wird, so steht dies der Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zum Nachweis der sich aus den nach deutschen, insolvenzrechtlichen Vorschriften ergebenden Befugnissen des Insolvenzverwalters über den Nachlass nicht entgegen. Denn die Führung eines solchen Nachweises ist in der EuInsVO schon nicht geregelt. Nach Art. 76 EuErbVO lässt diese Verordnung die Anwendung der EuInsVO unberührt. Daraus wird abgeleitet, dass für Nachlassinsolvenzverfahren die EuInsVO gilt und diese somit Vorrang genieße. Daraus ergibt sich aber lediglich, dass sich das Nachlassinsolvenzverfahren nach den Vorschriften der EuInsVO und entsprechend der – nationalen – InsO richtet. Die EuInsVO sieht aber anders als die EuErbVO für einen Nachlassverwalter keinen Nachweis über die Befugnisse des Insolvenzverwalters vor. Sieht aber die EuInsVO keinen Nachweis über den Umfang der Befugnisse vor, ist nicht ersichtlich, wieso dieser Nachweis für den Nachlassinsolvenzverwalter nicht mittels des Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden kann. Einen solchen Nachweis für den nach deutschem Recht bestellten Nachlassinsolvenzverwalter mit dem Europäisches Nachlasszeugnis zu führen, ist sachgerecht. Dabei dient die Nachlassverwaltung der Abwicklung eines zureichenden, die Nachlassinsolvenz der Abwicklung eines überschuldeten Nachlasses. Für den nach deutschem Recht bestellten Nachlassinsolvenzverwalter stellt sich daher in der Praxis die Schwierigkeit, dass dessen Rechtsstellung im Ausland unbekannt ist und insoweit auch nicht ohne weiteres anerkannt wird. Zur Durchsetzung seiner Handlungsbefugnisse
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wäre er daher auf zeitraubende Rechtsstreitigkeiten angewiesen. Dies ist bereits deshalb nicht sachgerecht, weil es sich bei einem Insolvenzverfahren grundsätzlich um ein eilbedürftiges Verfahren handelt. Der Nachlassinsolvenzverwalter nach deutschem Recht ist als Nachlassverwalter i.S.d. Art. 63 EuErbVO anzusehen. Nach Art. 65 Abs. 1 EuErbVO wird das Zeugnis auf Antrag jeder in Art. 63 Abs. 1 genannten Person (dem Antragsteller) ausgestellt. Gemäß Art. 63 Abs. 1 EuErbVO ist das Europäische Nachlasszeugnis zur Verwendung durch Erben, durch Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass und durch Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter bestimmt, die sich in einem anderen Mitgliedstaat auf ihre Rechtsstellung berufen oder ihre Rechte als Erben oder Vermächtnisnehmer oder ihre Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ausüben müssen. Die in der EuErbVO verwendeten Begriffe, hier der Begriff des „Nachlassverwalters“, sind verordnungsautonom auszulegen. Daher kann der Begriff des Nachlassverwalters im Sinne der EuErbVO nicht ohne weiteres mit dem Begriff des Nachlassverwalters im Sinne des § 1975 BGB gleichgesetzt werden. Danach ist nach Auffassung des Senats erforderlich aber auch ausreichend, dass es sich um solche Personen handeln muss, die zur Verfügung über den Nachlass oder einzelne Nachlassgegenstände sowie zur Einziehung von Nachlassforderungen berechtigt sind. Nach dem Wortlaut des Art. 63 Abs. 2 c EUErbVO dient das Europäische Nachlasszeugnis ausdrücklich dem Zweck der Führung eines Nachweises über die Befugnisse eines – testamentarisch oder gerichtlich bestellten – Verwalters über das Nachlassvermögen. Sowohl der Sinn und Zweck des Art. 63 EuErbVO als auch die Berücksichtigung der Wirkungen des Zeugnisses – insbesondere aus der Gutglaubensfunktion gemäß Art. 69 Abs. 3 und 4 EuErbVO – sprechen für die Einbeziehung des Insolvenzverwalters über den Nachlass in den Kreis der nach Art. 63 EuErbVO Antragsberechtigten.
VII. BGH vom 24. Februar 2021 – IV ZB 33/2054 Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligten zu 1 und 2 oder die Beteiligten zu 3 bis 6 Miterben der am 22. Mai 2017 verstorbenen deutschen Staatsangehörigen … (im Folgenden: Erblasserin) geworden sind. Die Erblasserin sowie ihr am 19. Juni 2003 vorverstorbener Ehemann, österreichischer Staatsangehöriger, hatten ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt seit 1995 in Bad Reichenhall. Am 25. März 1996 errichteten sie in zwei getrennten, aber im Wesentlichen wortgleichen eigenhändig ge- und unterschriebenen Urkunden zwei mit „Gemeinschaftliches Testament“ überschriebene Schriftstücke folgenden Wortlauts:
2021, 313 m. Anm. Leitzen = ErbR 2021, 516 m. Anm. Mankowski; hierzu auch Windeknecht, ZEV 2021, 284 ff.
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„Ich, Frau Dr. H.B. … bin deutsche Staatsangehörige und habe keine Kinder. Ich, Herr Prof. E.G. … bin österreichischer Staatsangehöriger und habe als einzigen Abkömmling meine am … geborene Tochter …, die ihrerseits verheiratet und österreichische Staatsangehörige ist. Wir sind miteinander seit 30.V.95 verheiratet … … I. Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. II. Nach dem Tod des Zweiten von uns sollen gemeinsame Schlusserben a) Frau G.G. … b) Herr U.G. … c) Frau B.G. … d) Frau S.H. … (Beteiligte zu 3 bis 6) zu gleichen Teilen sein. III. Die hier getroffene Verfügung von Todes wegen (Erbeinsetzung, Schlusserbeneinsetzung u. Vermächtnisanordnung) sind wechselseitig verbindlich. Sie können zu unserer beider Lebzeiten nur gemeinschaftlich aufgehoben werden. Nach dem Tod eines von uns beiden ist der überlebende Ehegatte nicht mehr berechtigt, die Erbeinsetzungen und Vermächtnisanordnung abzuändern. …“ Die am 10. Oktober 2017 nachverstorbene Beteiligte zu 4 ist die Schwester der Erblasserin, die Beteiligten zu 3, 5 und 6 sind die Kinder der Beteiligten zu 4. Mit Testament vom 7. November 2013 verfügte die Erblasserin, dass sie ihr „Haus und Inventar“ sowie ihr „Barvermögen“ den Beteiligten zu 1 und 2 vererbe. Bereits mit einem auf den 1. November 2011 datierten Testament hatte sie angeordnet, dass die Beteiligte zu 1 nach ihrem Ableben 30.000 € und diverse Möbelstücke erhalten solle. In einem weiteren eigenhändig ge- und unterschriebenen Schreiben der Erblasserin vom 4. Dezember 2013 heißt es unter anderem: „Sollte meine Schwester oder mein Neffe sowie Nichten von meinen Konten Geld abgehoben haben, müssen sie diese an den Erben zurückbezahlt werden. Ich hatte ihnen nie erlaubt Geld abzuheben. Dieses Geld gehört zur Erbmasse…“ Die Beteiligten zu 1 und 2 haben nach dem Tod der Erblasserin die Erteilung eines Erbscheins des Inhalts beantragt, dass sie Erben zu je 1/2 geworden sind. Das Nachlassgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 19. April 2018 zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 und 2, mit der sie ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgen.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass den Beteiligten zu 1 und 2 kein Anspruch auf Erteilung eines Erbscheins zusteht, der ihre Erbfolge zu je 1/2 ausweist. Die Erbfolge der Erblasserin richtet sich vielmehr nach dem wirksamen gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996, dessen
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Bindungswirkung gemäß §§ 2270 Abs. 2, 2271 Abs. 2 BGB den späteren Verfügungen der Erblasserin zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2 entgegensteht. Das Beschwerdegericht hat zunächst rechtsfehlerfrei entschieden, dass das zwischen der Erblasserin und ihrem Ehemann am 25. März 1996 errichtete gemeinschaftliche Testament einen Erbvertrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1 b) EuErbVO darstellt. Die EuErbVO ist anwendbar, da es sich um einen Nachlass mit grenzüberschreitendem Bezug handelt, der sich hier aus der österreichischen Staatsangehörigkeit des Ehemannes der deutschen Erblasserin ergibt. Gemäß Art. 3 Abs. 1 b) EuErbVO ist ein Erbvertrag eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. Hierunter fällt auch das gemeinschaftliche Testament nach deutschem Recht, das wechselbezügliche Verfügungen im Sinne von § 2270 BGB enthält. Demgegenüber liegt hier kein gemeinschaftliches Testament nach Art. 3 Abs. 1 c) EuErbVO vor, da es an der nach dieser Regelung erforderlichen Errichtung der letztwilligen Verfügung in einer einzigen Urkunde fehlt. Da die Erblasserin am 22. Mai 2017 verstorben ist, findet gemäß Art. 83 Abs. 1 EuErbVO diese Verordnung auf ihre Rechtsnachfolge Anwendung. Die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 3 EuErbVO bestimmt, dass eine – wie hier – vor dem 17. August 2015 errichtete Verfügung von Todes wegen zulässig sowie materiell und formell wirksam ist, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, oder in dem Mitgliedstaat, dessen Behörde mit der Erbsache befasst ist, zulässig sowie materiell und formell wirksam ist. Auf dieser Grundlage hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde zu Recht nicht angegriffen entschieden, dass das gemeinschaftliche Testament der Eheleute vom 25. März 1996 zulässig (Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 EuErbVO i.V.m. Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 1 EuErbVO) sowie formell (Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 i.V.m. Art. 27 EuErbVO) und materiell wirksam ist (Art. 83 Abs. 3 Alt. 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2 EuErbVO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht ferner rechtsfehlerfrei entschieden, dass auf die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 25. März 1996 deutsches Recht Anwendung findet. Zutreffend ist es zunächst davon ausgegangen, dass die Frage, ob auf die Bindungswirkung deutsches oder österreichisches Recht Anwendung findet, hier nicht offenbleiben kann, da bindende Verfügungen von Todes wegen nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Beschwerdegerichts nach österreichischem Erbrecht allein in Erbverträgen möglich sind, die besonderer notarieller Form bedürfen, welche hier nicht gewahrt ist. Nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO können die Parteien für die Zulässigkeit, die materielle Wirk-
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samkeit und die Bindungswirkung ihres Erbvertrages einschließlich der Voraus setzungen für seine Auflösung das Recht wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Art. 22 EuErbVO unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können. Die Vorschrift des Art. 25 Abs. 3 EuErbVO findet hier über Art. 83 Abs. 2 EuErbVO Anwendung. Hatte hiernach der Erblasser das auf seine Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vor dem 17. August 2015 gewählt, so ist diese Rechtswahl wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam ist. Gemäß Art. 22 Abs. 2 EuErbVO muss die Rechtswahl ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben. Eine ausdrückliche Rechtswahl haben die Erblasserin und ihr Ehemann noch den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Beschwerdegerichts in dem gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996 nicht getroffen. Das Beschwerdegericht hat jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Erblasserin und ihr Ehemann konkludent deutsches Recht für die Frage der Bindungswirkung gewählt haben. Die Frage, ob das Vorliegen einer konkludenten Rechtswahl unionsautonom oder unter Rückgriff auf das hypothetische Rechtswahlstatut – hier auf das deutsche Recht – zu entscheiden ist, ist nach der Lösung des Beschwerdegerichts entscheidungserheblich, da dieses angenommen hat, dass nach deutschem Recht von einer konkludenten Wahl deutschen Rechts nicht auszugehen sei, weil nicht genügend Anhaltspunkte bestünden, um bei den an dem gemeinschaftlichen Testament Beteiligten ein nach deutschem Recht für eine konkludente Rechtswahl erforderliches Erklärungsbewusstsein anzunehmen. Die Frage, worauf bei der Rechtswahl für die Bindungswirkung abzustellen ist, ist streitig. Teilweise wird vertreten, insoweit sei auf das hypothetisch gewählte Recht abzustellen. Die überwiegende Auffassung nimmt demgegenüber – wie auch das Beschwerdegericht – an, dass die Frage, ob eine konkludente Rechtswahl vorliegt, unionsautonom zu bestimmen ist. Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Für eine unionsautonome Auslegung der konkludenten Rechtswahl spricht schon der Wortlaut des Art. 22 Abs. 2 Alt. 2 EuErbVO. Hiernach muss sich die Rechtswahl aus den Bestimmungen einer Verfügung von Todes wegen ergeben. Damit hat der Unionsgesetzgeber bereits selbst eine Bestimmung des Begriffs der konkludenten Rechtswahl vorgegeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung – wie hier – nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (EuGH, Urteil vom
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1. März 2018, C-558/16, EU:C:2018:138, ZEV 2018, 205 Rn. 32 zur Qualifikation des § 1371 BGB). Eine derartige Verweisung auf nationales Recht lässt sich auch der Entstehungsgeschichte nicht entnehmen. Für eine unionsautonome Auslegung sprechen ferner in systematischer Hinsicht die Erwägungsgründe 39 und 40 der EuErbVO. Nach Erwägungsgrund 39 sollte eine Rechtswahl ausdrücklich in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben. Eine Rechtswahl könne als sich durch eine Verfügung von Todes wegen ergebend angesehen werden, wenn z.B. der Erblasser in seiner Verfügung Bezug auf spezifische Bestimmungen des Rechts des Staates, dem er angehöre, genommen habe oder das Recht dieses Staates in anderer Weise erwähnt habe. Der EU-Verordnungsgeber hat damit selbst Kriterien für eine unionsautonome Rechtswahl aufgestellt. Diese wären überflüssig, wenn es für die Frage der konkludenten Rechtswahl nicht auf eine unionsautonome Auslegung, sondern auf eine solche nach dem hypothetisch gewählten nationalen Recht ankäme. Hierfür spricht auch Satz 1 von Erwägungsgrund 40. Hiernach sollte eine Rechtswahl nach dieser Verordnung auch dann wirksam sein, wenn das gewählte Recht keine Rechtswahl in Erbsachen vorsieht. Für eine unionsautonome Auslegung spricht nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ferner die Anwendung einheitlicher Kriterien zur Bestimmung, ob im jeweils zu beurteilenden Fall die Voraussetzungen für eine konkludente Rechtswahl vorliegen oder nicht. Das Abstellen auf das hypothetisch gewählte Recht hätte demgegenüber – worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zu Recht hinweist – zur Folge, dass in vergleichbaren Fallkonstellationen gegebenenfalls unterschiedliche Anforderungen an eine konkludente Rechtswahl zu stellen wären mit der Folge einer uneinheitlichen Beurteilung, wann im Rahmen von Art. 22 Abs. 2 EuErbVO eine konkludente Rechtswahl vorliegt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Übergangsbestimmungen des Art. 83 EuErbVO von dem Ziel geprägt sind die Wirksamkeit – früherer – Verfügungen von Todes wegen soweit irgend möglich aufrechtzuerhalten, sie aber gegebenenfalls auch zu heilen. Ausgehend von einer unionsautonomen Auslegung der konkludenten Rechtswahl hat das Beschwerdegericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Erblasserin und ihr Ehemann in dem gemeinschaftlichen Testament vom 25. März 1996 deutsches Recht gewählt haben. Für die konkludente Wahl einer bestimmten nationalen Rechtsordnung kann es insbesondere sprechen, wenn der Erblasser Begriffe oder Rechtsinstitute verwendet, die gerade in dieser Rechtsordnung spezifisch sind (vgl. Satz 2 Erwägungsgrund 39 zur EuErbVO. Hier haben die Erblasserin und ihr Ehemann unter anderem den Begriff der Schlusserben verwendet, der im deutschen Recht anerkannt ist, nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts im österreichischen Recht hingegen keine Verwendung findet. Außerdem haben die Ehegatten bestimmt, dass ihre Verfügung von Todes wegen wechselseitig verbindlich sein soll und zu ihren
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Lebzeiten nur gemeinschaftlich aufgehoben werden kann, während nach dem Tod eines Ehegatten der überlebende Ehegatte nicht mehr berechtigt ist, die Erbeinsetzungen und Vermächtnisanordnungen abzuändern.
VIII. OLG Köln vom 22. April 2021 – I-24 U 77/2055 Mit der Klage nimmt der Kläger die Beklagten auf Auskunft über den Bestand und den Wert des Nachlasses nach dem Tod des 2018 verstorbenen britischen Staatsangehörigen B (im Folgenden: Erblasser) in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1 folgt aus § 2314 Abs. 1 BGB. Die Beklagte zu 1 ist ausweislich des Testaments vom 13.03.2015 Alleinerbin des Erblassers geworden. Der 1974 geborene Kläger ist pflichtteilsberechtigt gemäß §§ 2303 Abs. 1, 1754 Abs. 1, 1755 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 12 § 2 Abs. 2, 3, § 3 Abs. 1 AdoptG und von der Erbfolge ausgeschlossen. Die geschuldete Auskunft hat die Beklagte zu 1 noch nicht erteilt. Nach den im unstreitigen Teil des Tatbestands der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei dem Kläger um den Adoptivsohn des Erb lassers. Anders als das Landgericht meint, steht einem Anspruch des Klägers aus § 2314 Abs. 1 BGB auch nicht entgegen, dass der Erblasser in dem streitbefangenen Testament für die Rechtsfolge von Todes wegen in sein gesamtes Vermögen das englische Recht als Teilrecht seines Heimatstaates gewählt hat. Dies gilt allerdings nicht schon deshalb, weil der Erblasser seit dem Jahre 1965 in Deutschland gelebt hat und vor seinem Tod seit über drei Jahrzehnten keine Verbindung mehr nach England hatte. Gemäß Art. 22 Abs. 1 EuErbVO stand es ihm frei, für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates zu wählen, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl angehörte. Dass das streitbefangene Testament vom 13.03.2015 stammt, während die EuErbVO erst seit dem 17.08.2015 gilt, steht der Anwendung der vorgenannten Vorschrift nicht entgegen. Da der Erblasser im Jahre 2018 verstorben ist, greift Art. 83 Abs. 4 EuErbVO ein. Danach gilt im Hinblick auf die nach dem Stichtag eintretenden Erbfälle als Rechtswahl im Sinne von Art. 22 EuErbVO dasjenige Recht, dessen Anwendung der Erblasser vor dem Stichtag im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen nach dem nach Art. 22 EuErbVO wählbaren Recht angeordnet hat. Die Anwendung englischen Rechts scheidet aber deshalb aus, weil sie im konkreten Fall mit dem deutschen ordre public offensichtlich unvereinbar ist, Art. 35 EuErbVO. Der dem Senat bekannte Umstand, dass die englische Rechtsordnung nahen Verwandten keinerlei Pflichtteils- oder Noterbrechte am Nachlass zugesteht, führt vorliegend zu einem mit dem deutschen ordre public unvereinbaren 55
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Ergebnis. Gemäß Art. 35 EuErbVO setzt sich damit deutsches Recht gegenüber diesem „Rechtsvakuum“ durch. Art. 35 EuErbVO untersagt ebenso wie Art. 6 S. 1 EGBGB die Anwendung einer Rechtsnorm eines anderen Staates, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Allerdings führt nicht jede Anwendung ausländischen Rechts, die bei einem Inlandsfall grundrechtswidrig wäre, bereits zur offensichtlichen Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts. Entscheidend ist vielmehr, ob das jeweilige Grundrecht für den konkreten Sachverhalt Geltung beansprucht, was wesentlich vom Inlandsbezug des Einzelfalls abhängt. Gemessen an diesen Kriterien hält der Senat vorliegend einen offensichtlichen Verstoß gegen den deutschen ordre public für gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, NJW 2005, 1561, 1563 ff., Rn. 64 ff.) gewährleistet die Erbrechtsgarantie in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG den Kindern des Erblassers eine grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung an dessen Nachlass. Zur Begründung wird angeführt, dass das Grundgesetz mit der gesonderten Erwähnung des Erbrechts neben dem Eigentumsschutz in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zum Ausdruck bringe, dass die Erbrechtsgarantie eine eigenständige, über die Gewährleistung der Testierfreiheit des Erblassers hinausgehende Bedeutung hat. Zu den von ihr erfassten traditionellen Kernelementen des deutschen Erbrechts gehöre auch das Recht der Kinder des Erblassers auf eine dem Grundsatz nach unentziehbare und bedarfsunabhängige Teilhabe am Nachlass. Mit dieser verfassungsrechtlich verbürgten Nachlassverteilung ist die Anwendung englischen Rechts im vorliegenden Fall offensichtlich unvereinbar. Das englische Erbrecht kennt keinen Pflichtteil. Kinder des Verstorbenen können für den Fall, dass sie nicht ausreichend bedacht wurden, bei Gericht einzig eine „angemessene finanzielle Regelung“ nach dem „Inheritance (Provisions for Family und Dependants) Act 1975“ beantragen. Als angemessen gilt dabei eine Vermögensbeteiligung grundsätzlich nur dann, wenn sie vernünftigerweise und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für den Unterhalt des Antragstellers getätigt worden wäre. Erwachsenen Kindern steht danach regelmäßig kein Anspruch auf eine Teilhabe am Nachlass zu. Das aber verstößt gegen die im Grundgesetz verankerte Erbrechtsgarantie, nach der eine Teilhabe der Kinder am Nachlass der Eltern nicht von deren Bedürftigkeit abhängig gemacht werden darf. Das englische Recht rückt das Nachlassrecht in die Nähe des Unterhaltsrechts und ist schon deshalb nicht mit der im deutschen Recht verankerten Auffassung von einer gerechten Nachlassverteilung in Einklang zu bringen. Hinzu kommt, dass Sektion 1 des Inheritance Act 1975 für die dort genannten Personen nur dann einen Anspruch auf eine angemessene finanzielle Beteiligung am Nachlass vorsieht, wenn der Erblasser im Zeitpunkt des Todes seinen Wohnsitz in England oder Wales hatte. Damit knüpft das englische Recht an Voraussetzungen an, die nach
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dem deutschem Recht im Rahmen der Nachlassverteilung gerade keine Rolle spielen sollen. Nach deutschem Rechtsverständnis sind vielmehr die grundsätzlich unauflösbare Beziehung zwischen Eltern und Kinder und die daraus erwachsene Familiensolidarität ausschlaggebend für eine Teilhabe der Kinder am Nachlass ihrer Eltern; der Wohnort spielt dabei keine Rolle. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Inheritance Act 1975 die Entscheidung darüber, ob der Antragsteller eine finanzielle Zuwendung erhält und, wenn ja, in welcher Höhe, in das Ermessen des Gerichts stellt. Auch dies widerspricht der nach deutschem Rechtsverständnis gebotenen und in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verankerten Garantie einer bedarfsunabhängigen wirtschaftlichen Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass ihrer Eltern. Die in der Literatur vertretene Auffassung, dass ein Verstoß gegen den deutschen ordre public jedenfalls dann ausscheidet, wenn das Fehlen des Pflichtteilsanspruchs durch Ersatzmechanismen abgemildert werde, etwa durch Noterbrechte oder Unterhaltsansprüche, überzeugt nicht. Abgesehen davon, dass Gründe dafür, den Anspruch auf den Pflichtteil von der Bedürftigkeit abhängig zu machen, nicht genannt werden, bleibt unberücksichtigt, dass die Teilhabe der Kinder am Nachlass der Eltern im deutschen Recht seit langem Tradition hat. Dem wollte der Grundgesetzgeber durch die Gewährleistung in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG mit der grundsätzlichen Anerkennung eines Pflichtteilsrechts der Kinder Geltung verschaffen. Unbeachtet bleibt aber auch, dass das Pflichtteilsrecht daneben an die familienrechtlichen Beziehungen zwischen dem Erblasser und seinen Kindern anknüpft. Gerade in den Fällen einer Entfremdung zwischen dem Erblasser und seinen Kindern oder gar der Zerrüttung setzt es der Testierfreiheit des Erblassers und der damit für ihn eröffneten Möglichkeit, ein Kind durch Enterbung zu „bestrafen“, Grenzen. Dem Pflichtteilsrecht kommt die Funktion zu, die Fortsetzung des ideellen und wirtschaftlichen Zusammenhangs von Vermögen und Familie – unabhängig von einem konkreten Bedarf des Kindes – über den Tod des Vermögensinhabers hinaus zu ermöglichen. Auf diese Weise sollen die Kinder des Erblassers davor geschützt werden, dass sich die Familienbeziehungen überhaupt nicht oder nur unzulänglich in der Verteilung des Nachlasses widerspiegeln. Mit diesem grundlegenden deutschen Werteverständnis von einer gerechten Nachlassverteilung ist das englische Recht unvereinbar. Soweit die ältere Rechtsprechung noch angenommen hat, dass das Bestehen eines familiären Pflichtteils- und Noterbrechts nicht zum deutschen ordre public zählt, hält der Senat dies auf der Grundlage des von dem Bundesverfassungsgericht in der vorgenannten Entscheidung dargelegten Verständnisses von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht mehr für vertretbar. Soweit es einer ausreichenden Inlandsbeziehung des Einzelfalls bedarf, damit die Anwendung ausländischen Rechts, die bei einem Inlandsfall grundrechtswidrig wäre, zur offensichtlichen Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts führt und damit zum Verstoß gegen den ordre public, ist ein
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solcher Inlandsbezug vorliegend gegeben. Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und hat keine Beziehungen zu Großbritannien. Der Erblasser hatte bis zu seinem Tod mehr als 50 Jahre ununterbrochen seinen Wohnsitz in Deutschland, eine erkennbare Verbindung nach England unterhielt er mehr als drei Jahrzehnte vor seinem Tod nicht mehr. Die Anwendung englischen Recht scheidet damit aus. Dem Kläger ist vielmehr der durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Anspruch auf den Pflichtteil gemäß § 2303 ff. BGB zu gewähren. Entsteht durch die Nichtanwendung des ausländischen Rechts eine ausfüllungsbedürftige Lücke, so ist diese zwar primär nach Maßgabe und entsprechend den Wertungen des durch EuErbVO zur Anwendung berufenen Rechts zu füllen; ein Rückgriff auf die lex fori kommt nur subsidiär in Betracht – nämlich dann, wenn sich auch durch eine modifizierte Anwendung der lex causae und der ihr zugrundeliegenden Wertungen kein praktikables Ergebnis erzielen lässt. So liegt der Fall aber auch hier: Da das vom Erblasser gewählte englische Recht überhaupt kein Pflichtteilsrecht kennt und auch die Regelungen des Inheritance Act 1975 keinen den Anforderungen des Art. 14 GG genügenden Ausgleich schaffen können, muss zur Gewährleistung einer dem deutschen ordre public entsprechenden Regelung auf die Vorschriften des deutschen Pflichtteilsrechts zurückgegriffen werden. Vgl. hierzu aber auch OGH vom 25. Mai 2021 – 2 Ob 214/20i 56 Es verstößt im Allgemeinen nicht gegen den österreichischen ordre public, wenn das von der EuErbVO berufene Erbrecht – hier englisches Recht – keine vom Bedarf unabhängigen Pflichtteilsansprüche von Nachkommen vorsieht. Ob dies auch zutrifft, wenn der Sachverhalt eine besonders enge Beziehung zum Inland aufweist, bleibt offen.
IX. EuGH vom 1. Juli 2021 – C-301/20 57 1. Art. 70 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses ist dahin auszulegen, dass die beglaubigte Abschrift eines Europäischen Nachlasszeugnisses, die mit dem Vermerk „unbefristet“ versehen ist, für die Dauer von sechs Monaten ab dem Ausstellungsdatum gültig ist und ihre Wirkungen im Sinne von Art. 69 dieser Verordnung entfaltet, wenn sie bei ihrer erstmaligen Vorlage gültig war.
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ZEV 2021, 722. ZEV 2021, 581 m. Anm. Zander.
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2. Art. 65 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 69 Abs. 3 der Verordnung Nr. 650/2012 ist dahin auszulegen, dass sich die Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses gegenüber allen dort namentlich genannten Personen entfalten, auch wenn sie seine Ausstellung nicht selbst beantragt haben.
X. EuGH vom 9. September 2021 – C-422/2058 In einem vorangegangenen Verfahren hatte die Beteiligte zu 1, die Ehefrau des Erblassers, mit notariell beurkundetem Antrag vom 23. März 2017 bei dem Amtsgericht D. auf der Grundlage eines Testaments vom 14. Juni 1990 die Erteilung eines Alleinerbscheins und eines Europäischen Nachlasszeugnisses beantragt (Bl. 1 ff. der Akte 80 VI 556/17 AG Düren). Das eingereichte Testament ist handschriftlich in deutscher Sprache errichtet und hat folgenden Wortlaut: „Testament der Eheleute A B, geb. xx.xx.1948, und A, C, geb. D, geb. xx.xx.1944. Mit diesem Testament setzen sich die Eheleute A B und C gegenseitig zum Alleinerben ein. E, den 14.06.1990 – Unterschrift Ehemann – Unterschrift Ehefrau“ Dem damaligen Antrag war der Beteiligte zu 2, der Bruder des Erblassers, entgegengetreten; insbesondere hatte er ausdrücklich die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts gerügt. Mit Beschluss vom 20. Dezember 2017 hatte der Nachlassrichter des Amtsgerichts Düren die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 hatte der Senat mit Beschluss vom 4. Juli 2018 den Beschluss des Amtsgerichts Düren vom 20. Dezember 2017 aufgehoben und das Amtsgericht D. für unzuständig erklärt. Nach Art. 4 EUErbVO sind für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedsstaates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Unter Zugrundelegung der Angaben der Antragstellerin hatte der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland, sondern in Spanien. Denn er hat sich lediglich noch zu einer Heilbehandlung im Jahre 2015 einige Wochen lang in Deutschland aufgehalten, ansonsten die übrige Zeit in Spanien, wo die Eheleute eine Immobilie hatten. In der Folge erwirkte die Beteiligte zu 1 einen Beschluss des Ermittlungsgerichts No. 3 in Estepona (Spanien) vom 29. April 2019. Darin heißt es in deutscher Übersetzung unter anderem: „Verfügungsteil Auf Antrag der betreibenden Partei verfüge ich, auf die Entscheidung in diesem Verfahren zu verzichten, da die Gerichte des Staates Deutschland besser in der Lage sind, über den Nachlass zu entscheiden, und aufgrund der praktischen Umstände, wie dem gewöhnlichen Wohnsitz der betreffenden Partei in dieser Sache und dem Standort des wesentlichen Teils des Nachlasses.“ Mit notariellem Schreiben vom 29. August 2019 hat die Beteiligte zu 1 bei dem Amtsgericht Düren unter erneuter Vorlage des am 23. März 2017 notariell beurkundeten Antrages die Erteilung eines Alleinerbscheins sowie eines Europäischen Nachlasszeugnisses beantragt. Nachgereicht hat sie den vorgenannten Beschluss des spanischen Gerichts. Dem Antrag ist wiederum der Beteiligte zu 2 entgegengetreten. Mit Beschluss vom 19. Februar 2020 hat das Amtsgericht Düren die Tatsachen, die zur Begründung des Antrages erforderlich sind, für festgestellt er58
ZEV 2021, 710 m. Anm. Zimmermann = ErbR 2021, 942 m. Anm. Mankowski; Auf Vorlagebeschluss des OLG Köln vom 28. August 2020 – 2 Wx 107/20, ZEV 2021, 40.
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achtet. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat die Sache dem EuGH zur Beantwortung von drei Fragen vorgelegt. Dieser hat ausgeführt:
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Buchst. a der Erbrechtsverordnung dahin auszulegen ist, dass es für eine Unzuständigkeitserklärung im Sinne von Art. 6 Buchst. a dieser Verordnung zugunsten der Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht der Erblasser gewählt hat, erforderlich ist, dass sich das zuvor angerufene Gericht ausdrücklich für unzuständig erklärt hat. Art. 7 Buchst. a der Erbrechtsverordnung betrifft die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats, dessen Recht gewählt wurde, und sieht vor, dass diese Gerichte dann zuständig sind, wenn sich zu ihren Gunsten ein zuvor angerufenes Gericht nach Art. 6 Buchst. a der genannten Verordnung für unzuständig erklärt hat. Weder der Wortlaut von Art. 6 noch derjenige von Art. 7 der Erbrechtsverordnung enthalten irgendeine Bezugnahme darauf, in welcher Form das zuvor angerufene Gericht sich für unzuständig erklären muss, und mithin darauf, dass eine dahin gehende ausdrückliche Erklärung seitens des zuvor angerufenen Gerichts notwendig wäre; indessen muss sich nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit die Unzuständigkeitserklärung eindeutig aus der Erklärung des zuvor angerufenen Gerichts ergeben, damit ein Zuständigkeitskonflikt zwischen diesem Gericht und demjenigen, das nach Art. 7 Buchst. a dieser Verordnung zuständig wäre, vermieden wird. Eine ausdrückliche Unzuständigkeitserklärung ist daher nicht erforderlich, sofern sich wie im Ausgangsverfahren aus dem Verzicht des zuvor angerufenen Gerichts im Sinne von Art. 6 Buchst. a der Erbrechtsverordnung auf den Erlass einer Entscheidung eindeutig ergibt, dass sich dieses Gericht zugunsten der Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht der Erblasser gewählt hat, für unzuständig erklärt hat, die seines Erachtens in einer bestimmten Erbsache besser entscheiden können. Eine solche Auslegung steht im Einklang mit dem Ziel, den Zugang zu den Gerichten zu erleichtern, das u.a. durch den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen gewährleistet wird. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 7 Buchst. a der Erbrechtsverordnung dahin auszulegen ist, dass es für eine Unzuständigkeitserklärung im Sinne von Art. 6 Buchst. a dieser Verordnung zugunsten der Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht der Erblasser gewählt hat, nicht erforderlich ist, dass sich das zuvor angerufene Gericht ausdrücklich für unzuständig erklärt hat. Diese Absicht muss indessen eindeutig aus der Entscheidung, die es in dieser Hinsicht erlassen hat, hervorgehen. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Buchst. a und Art. 7 Buchst. a der Erbrechtsverordnung dahin auszulegen sind, dass das Gericht des Mitgliedstaats, das infolge einer Unzuständigkeitserklärung angerufen wird, befugt ist, zu prüfen, ob die in diesen Bestimmungen aufgestellten Voraussetzungen für die Unzuständigkeitserklärung des zuvor angerufenen Gerichts erfüllt waren. Genauer gesagt fragt sich das vorlegende Gericht, ob das
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zweitbefasste Gericht prüfen darf, ob die drei nach Art. 6 Buchst. a der Erbrechtsverordnung für eine Unzuständigkeitserklärung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt waren, nämlich ob erstens der Erblasser nach Art. 22 der Erbrechtsverordnung das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht wirksam gewählt hat, ob zweitens einer der Verfahrensbeteiligten vor dem zuvor angerufenen Gericht einen Antrag auf Unzuständigkeitserklärung gestellt hat und ob drittens das zuvor angerufene Gericht zutreffend angenommen hat, dass die Gerichte des Mitgliedstaats des gewählten Rechts in der Erbsache besser entscheiden können. Nach Art. 7 Buchst. a der Erbrechtsverordnung sind die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht nach Art. 22 dieser Verordnung gewählt wurde, für die Entscheidungen in einer Erbsache zuständig, wenn sich ein zuvor angerufenes Gericht nach Art. 6 Buchst. a der genannten Verordnung in derselben Sache für unzuständig erklärt hat. Folglich werden diese Gerichte allein infolge des Vorliegens einer Unzuständigkeitserklärung im Sinne von Art. 6 Buchst. a dieser Verordnung zuständig. Es ist auch hervorzuheben, dass eine Unzuständigkeitserklärung eine „Entscheidung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. g der Erbrechtsverordnung darstellt, so dass die Bestimmungen des Kapitels IV dieser Verordnung über die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von „Entscheidungen“, d.h. die Art. 39 bis 58 der Verordnung, anwendbar sind. Nach Art. 39 der Erbrechtsverordnung werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Art. 41 dieser Verordnung stellt klar, dass solche Entscheidungen keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden dürfen. Daher bindet eine Entscheidung, mit der das Gericht eines Mitgliedstaats sich für unzuständig erklärt hat, die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten sowohl hinsichtlich des Zuständigkeitsverzichts dieses Gerichts nach Art. 6 der Erbrechtsverordnung als auch hinsichtlich der Feststellung, dass die in dieser Bestimmung aufgeführten Voraussetzungen erfüllt waren. Im Übrigen ermöglicht es die in Rn. 44 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung, einen negativen Kompetenzkonflikt zu vermeiden, der, wie im Wesentlichen auch der Generalanwalt in Nr. 60 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Gefahr einer Rechtsverweigerung in sich bergen könnte. Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 6 Buchst. a, Art. 7 Buchst. a und Art. 39 der Erbrechtsverordnung dahin auszulegen sind, dass das Gericht des Mitgliedstaats, das infolge einer Unzuständigkeitserklärung angerufen wird, nicht befugt ist, zu prüfen, ob die in diesen Bestimmungen aufgestellten Voraussetzungen für die Unzuständigkeitserklärung des zuvor angerufenen Gerichts erfüllt waren. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Art. 6 Buchst. a und Art. 7 Buchst. a der Erbrechtsverordnung vorgesehenen Zuständigkeitsvorschriften auch dann anwendbar sind, wenn der Erblasser in seinem vor dem 17. August 2015 errichteten Testament nicht das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht gewählt hat und sich die Bestimmung die-
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ses Rechts nur aus Art. 83 Abs. 4 dieser Verordnung ergibt. Nach Art. 83 Abs. 4 der Erbrechtsverordnung gilt, wenn eine Verfügung von Todes wegen vor dem 17. August 2015 nach dem Recht errichtet wurde, welches der Erblasser gemäß dieser Verordnung hätte wählen können, dieses Recht als das auf die Rechtsfolge von Todes wegen anzuwendende gewählte Recht. Wie die Europäische Kommission in ihren Erklärungen vor dem Gerichtshof hervorgehoben hat und wie sich aus dem vorliegenden Urteil ergibt, besteht das Ziel von Art. 6 Buchst. a und Art. 7 Buchst. a der Erbrechtsverordnung u.a. darin, einen Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht herzustellen. Der Gerichtshof hat nämlich im Urteil vom 21. Juni 2018, Oberle (C-20/17, EU:C:2018:485, Rn. 50 und 52), entschieden, dass die Bestimmungen dieser Verordnung, wie ihr 27. Erwägungsgrund betont, so angelegt sind, dass sichergestellt wird, dass die mit der Erbsache befasste Behörde in den meisten Situationen ihr eigenes Recht anwenden kann; damit wird darauf hingewirkt, die Kohärenz zwischen den Bestimmungen über die Zuständigkeit und denen über das in diesem Bereich anwendbare Recht sicherzustellen. Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 6 Buchst. a und Art. 7 Buchst. a der Erbrechtsverordnung dahin auszulegen sind, dass die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Zuständigkeitsvorschriften auch dann anwendbar sind, wenn der Erblasser in seinem vor dem 17. August 2015 errichteten Testament nicht das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht gewählt hat und sich die Bestimmung dieses Rechts nur aus Art. 83 Abs. 4 dieser Verordnung ergibt.
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Diskussionszusammenfassung zu den Vorträgen des 12. Bochumer Erbrechtssymposiums Diskussion zum Vortrag von Frau Dr. T hekla Schleifenbaum Die Diskussion, die sich an den Vortrag von Frau Dr. Schleifenbaum anschloss, eröffnete Herr Dr. Metzler, der eine Frage bezüglich des postmortalen Vollzugs von Schenkungen hatte. Metzler nahm hierbei Bezug auf die zwei von Schleifenbaum geschilderten Auffassungen im Falle des Schenkungsversprechens post mortem. Er wollte wissen, ob diese erstgenannte Auffassung, die die Vertretungsmacht bei postmortalen Schenkungen einschränken will, im Hinblick auf die ordnungsgemäße Nachlassabwicklung oder im Hinblick auf § 2287 BGB den existenten Willen des Erblassers berücksichtigen würde. Denn wenn man annehmen würde, dass der Erblasserwille darauf schließen ließe, dem künftig zu Beschenkenden eine Schenkung machen zu wollen, dieser Wille aber weder ein Schenkungsversprechen darstellt – ein Schenkungsvertrag folglich ausscheidet – noch in die Form eines Vermächtnisses gegossen werden kann, sondern schlicht als Wille existiert und der Bevollmächtigte postmortal diese Schenkung dem Willen des Erblassers entsprechend vollzieht, dann müsse aus seiner Sicht die Auffassung davon abrücken, dass die Vertretungsmacht eingeschränkt werde. Schleifenbaum erwiderte darauf, dass wenn dieser Wille in irgendeiner Weise nachweisbar wäre, es aber weder einer schenkungsrechtlichen noch erbrechtlichen Kategorie zuzuordnen ist, man durchaus darüber nachdenken könne, ob man es als Auftragsverhältnis an den Bevollmächtigten verstehen könne. Aus Ihrer Sicht gäbe es dann kein Problem mehr, außer dass dann der Auftrag, diesen Willen zu vollziehen, an den Inhaber der Erblasservollmacht gerichtet wäre. Mit Verweis auf die Monographie von Prof. Dr. Muscheler „Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung“ wies sie schließlich darauf hin, dass es ebenso Stimmen in der Literatur gäbe, die solche Schenkungen nicht von einer Vollmacht gedeckt sehen und als unwirksam betrachten. Ihrer Meinung nach müsse hier jedoch der Vorrang der Legitimationswirkung der Ausfertigung greifen, sodass wenn der Inhaber einer Erblasservollmacht sich aufgrund eines Auftrags dazu berufen fühlt und vor allem auch eine Vollmacht vorlegen kann, es kein Problem gäbe. Muscheler untermauerte daraufhin seine Ansicht, dass eine solche Vollmacht oftmals nicht wirksam sein kann, mit einem Beispiel. Denn der mit einem Bankkonto ausgestattete Erblasser, der eine unwider-
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rufliche Bankvollmacht auf den Namen seiner Lebensgefährtin unterschreibt, sodass diese nach seinem Tod auf das Konto zugreifen kann, hat zwar gewiss einen Schenkungswillen, vor dem Hintergrund, dass dieser Wille jedoch kausal an den Tod des Erblassers knüpft, ist es jedoch als ein Schenkungsversprechen von Todeswegen gemäß § 2301 Abs. 1 BGB zu qualifizieren. Folglich sei doch das Erbrecht anwendbar, da es nach dem Verständnis des BGH auch nicht zu Lebzeiten vollzogen ist. Für die vermeintliche Schenkung gelte daher Vermächtnisrecht, da es sich in Wahrheit um ein solches Vermächtnis handele. An dieses sind jedoch spezielle Formerfordernisse zu stellen, die durch in aller Regel vorgedruckte Formulare der Bank nicht erfüllt werden und daher nicht wirksam angeordnet seien. Muscheler versteht die von Metzler geschilderten Fälle folglich eher erbrechtlich. Metzler entgegnete daraufhin jedoch noch einmal, dass er ein anderes Szenario vor Augen hatte. Vielmehr ging es ihm darum, dass der Erblasser zu Lebzeiten dem Bevollmächtigten seinen konkreten Schenkungswillen mitteilte, er aber nicht dazu kam gegenüber der Person die beschenkt werden sollte einen Schenkungsvertrag zustande zu bringen, sodass das Schenkungsversprechen den Beschenkenden gar nicht mehr erreichte und ausschließlich dem Bevollmächtigten gegenüber geäußert wurde. Ein Vermächtnis gibt es allerdings auch nicht, denn der Erblasser hatte nicht erst einen postmortalen Vollzug der Schenkung im Auge, sondern kam schlicht nicht dazu diese Schenkung zu Lebzeiten selbst zu realisieren. Die Realisierung erfolgte daher erst postmortal durch den Bevollmächtigten. Fraglich bleibt mit Blick auf die obige Ansicht, ob der Bevollmächtigte mit Vertretungsmacht handelte, oder ob die streitige Auffassung auch hier davon ausginge, dass die Vertretungsmacht eingeschränkt werden müsse, obwohl hier dem Erblasserwillen entsprochen wird. Für diese Konstellation sah Muscheler jedoch überhaupt keine Probleme. Ein lebzeitiges Schenkungsversprechen könne – auch laut BGH – durchaus erst nach dem Tod angenommen werden und von einem Bevollmächtigten überbracht werden. Aus seiner Sicht ist der Überbringer des Schenkungsversprechens wahrscheinlich sogar nur Bote, jedenfalls sei die Schenkung aber wirksam. Muscheler stellte anschließend eine eigene Frage an die Referentin Schleifenbaum, die die Erteilung einer Vollmacht für den Nacherben zum Gegenstand hatte. Schließlich wollte er wissen, ob diese an den Nacherben gerichtete Vollmacht während der Zeit der Vorerbschaft durch den Vorerben wirklich widerrufen werden könne? Nehme man schließlich an, dies sei möglich und man würde den Widerruf der Vollmacht als eine Verwaltungsmaßnahme bei der Verwaltung des Nachlasses verstehen, dürfte der Vorerbe diesen gemäß § 2310 BGB nur durchführen, wenn es sich um eine ordnungsgemäße Nachlassverwaltung handele. Zwar könne der Vorerbe die Vollmacht also an sich widerrufen, wenn sie nicht unwiderruflich ausgestaltet ist, da er als Vorerbe zu dieser Zeit am Steuer sitzt, allerdings stellt sich die Frage, ob er das mit Blick auf § 2310 BGB auch wirklich im Innenverhältnis zum Nacherben dürfe. § 2310 BGB sagt schließlich
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im Falle der Nacherbfolge, dass wenn diese eintritt, der Vorerbe dazu verpflichtet ist, die Erbschaft in einem Zustand zu übertragen, der einer ordnungsge mäßen Nachlassverwaltung entspricht. Schleifenbaum hielt diesen Gedankengang, dass der Vorerbe gegebenenfalls gebunden sei, für sehr interessant, da der Erblasser dem Nacherben mit der Vollmacht schließlich das Gerüst an die Hand gegeben hat, zu tun, was er gerade für ordnungsgemäß befindet. Gleichwohl dürfe man dem Vorerben die Widerruflichkeit nicht nehmen, da er anderenfalls gänzlich ungeschützt gegenüber allen Handlungen des Nacherben wäre. Die gesetzlichen Schutzmechanismen decken schließlich nur den umgekehrten Fall ab und schützen den Nacherben vor Verfügungen des Vorerben. Würde man dem Vorerben nun die Möglichkeit des Widerrufs nehmen, wäre dieser vollends schutzlos dem Verhalten des Nacherben ausgeliefert. Aus ihrer Sicht müsse der Nacherbe daher diese Verwaltungsmaßnahme gegen sich dulden, sofern man keine weiteren Anhaltspunkte habe, außer den bloßen Umstand der Vor- und Nacherbschaft. Als nächstes fragte Frau Rechtsanwältin Hartnacke wie die Bindungswirkung der Vorsorgevollmacht zu qualifizieren sei, wenn es sich um eine betreuungsbehördlich beglaubigte Vorsorgevollmacht handelt, in der Schenkungen nur in den Grenzen des Betreuungsrechts zulässig sein sollen, es allerdings ein lebzeitiges Schenkungsversprechen gab, Schenkungen doch vorzunehmen, und es sich um eine entgeltliche Betreuung handelte. Schleifenbaum machte im Zuge dessen darauf Aufmerksam, dass es ab dem 01.01.2023 diese Rechtsfrage jedenfalls für das Grundbuchrecht einfach(er) zu beantworten sein wird, da für dieses ab dann die Mitwirkung des Erben erforderlich ist und man mit der betreuungsbehördlich bevollmächtigten Vollmacht mit Blick auf die Formerfordernisse beim Grundbuchrecht nichts mehr anfangen könne. Die Vorsorgevollmacht habe dann insoweit keinerlei Bindung mehr. Abschließend wollte Herr Rechtsanwalt Padberg die Rechtsaufassung der Kollegin Schleifenbaum hinsichtlich der rechtspraktischen Vorgehensweise zu länderübergreifend gültigen, konkret ging es um deutsch spanischen Rechtsverkehr, Vollmachten hören. Denn für den Fall, dass Mandanten die Absicht haben ein Apartment oder ähnlich formgebundenes im spanischen Ausland zu kaufen oder zu verkaufen, für dieses Geschäft jedoch nicht persönlich anwesend sein wollen, möchten sie eine – auch nach spanischem Recht – wirksame Vollmacht erstellt bekommen. Hierfür wählt der Kollege Padberg eine ausdrückliche Rechtswahl zum spanischen Recht, da die Urkunde schließlich auch beim spanischen Notar sowie Grundbuchamt keine Unstimmigkeiten aufwerfen soll und niemandem damit gedient sei, wenn das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Vollmachtgebers gelte. Auch Schleifenbaum hält diese Vorgehensweise für die richtige und weist auch darauf hin, dass sie im Zweifel einer Abweichung der Sprachfassungen (bei zweisprachigen Vollmachten) stets auf die spanische Sprachfassung verweist. Beide sind sich im Ergebnis daher einig und mahnen,
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dass man aufpassen müsse für welche Richtigkeit man mit seinem Notarsiegel einstehen wolle, denn das Siegel unter einer spanischen Übersetzung könne schnell suggerieren, dass man auch die Richtigkeit der Übersetzung garantiere.
Diskussion zum Vortrag von Herrn Rüdiger Pamp Die erste Frage nach dem Vortrag von Herrn Pamp war eine allgemeinere und zielte auf die aktuellen Bestrebungen des Gesetzgebers hinsichtlich Gefälligkeitsverhältnissen zwischen Ehegatten ab. Mit dem Hinweis, dass perspektivisch hier eine gesetzliche Regelung folgen soll, wurde von Frau Rechtsanwältin Wiesemann gefragt, wann eine solche konkret zu erwarten sei. Pamp machte hierauf auf die bereits weit fortgeschrittene Gesetzgebung aufmerksam und gab an, dass bereits ab dem 01.01.2023 ein für einen begrenzten Zeitraum von 6 Monaten sogenanntes Notvertretungsrecht zwischen Ehegatten gelten wird (§ 1358 neu gef. m. W. v. 01.01.2023 durch Gesetz v. 04.05.2021 – BGBl. I S. 882). Muscheler wies allerdings darauf hin, dass dieses Notvertretungsrecht ausschließlich die Gesundheitsvorsorge betreffen werde und nicht den Gegenstand des aktuellen Vortrags, nämlich Bankkonten, mitregele. Sodann meldete sich Prof. Dr. Frieser zu Wort und griff aus den vielen Fallgruppen des Vortrags die vermutlich praxisrelevanteste, die Kombination des Abräumens verbunden mit dem späteren Schenkungsargument, heraus um nochmals auf die Frage der Beweislastverteilung und die damit einhergehenden Beweiserleichterungen einzugehen. Frieser stellte sich die Frage, welche Beweiserleichterungen für das beschriebene Szenario greifen würden. Pamp gab daraufhin schnell zu, dass die Beweiserleichterungen durchaus ein wunder Punkt seien, denn es gäbe leider Fälle, bei denen man unrechtmäßiges Verhalten zwar erkennen, aber schlichtweg nicht beweisen könne, sodass in der Praxis schnell der Ruf nach Beweiserleichterung laut werde. Er halte diese allerdings rechtsdogmatisch für bedenklich, denn Beweiserleichterungen kann und darf es nur geben, wenn es sich um Situationen handelt, die typischerweise eine Schieflage bei der Beweisführung zu Folge haben. Allein der Umstand, dass jemand voraussichtlich verliert, weil er schlicht keine Zeugen beibringen kann, oder keiner eine Urkunde errichtet hat, dürfe nicht den Ruf nach Beweiserleichterungen auslösen, oder jedenfalls nicht erfolgreich sein. Pamp resümierte, dass es Beweiserleichterungen geben könne, man hierzu allerdings stets einen Sachverhalt benötige, der typischerweise ein beweisrechtliches Ungleichgewicht herbeiführe.
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Diskussion zum Vortrag von Frau Prof. Dr. Tanja Henking, LL.M. Den Auftakt nach dem Vortrag von Frau Prof Dr. Tanja Henking machte Metzler. Er fragte aufbauend auf den § 1901b BGB, der das Gespräch zwischen behandelndem Arzt und Patienten wiederum zur Feststellung des Patientenwillens kodifiziert, in welchem Verhältnis § 1901b S. 2 BGB zu den behandlungsvertraglichen Aufklärungspflichten aus § 630e BGB steht. Denn nach § 1901b S. 2 BGB würde es ausdrücklich heißen, dass der Arzt, der die Indikation der ärztlichen Maßnahmen geprüft hat, zusammen mit dem Berater diese Maßnahmen unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die nach § 1901a BGB zu treffende Entscheidung erörtert, um dem Betreuer wiederum die Prüfung nach § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB, ob die Festlegung aus der Patientenverfügung auf die aktuellen Lebens- und Behandlungssituationen des Patienten zutreffen, zu erleichtern. § 630e BGB enthält jedoch einen viel detaillierteren Katalog an Aufklärungspflichten, insbesondere in § 630e Abs. 1 S. 2 BGB, sodass man sich fragen könne, ob diese eigentlich bei diesem Gespräch berücksichtigt werden müssen. Wirft man einen Blick auf § 630d und § 630e BGB stelle sich aus Sicht von Metzler nämlich das Problem, dass dies eigentlich nicht der Fall sei, da nach § 630d Abs. 1 S. 2 BGB keine Einwilligung einzuholen ist, wenn die Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB die Maßnahme gestattet und eine Aufklärung nach § 630e Abs. 4 BGB nicht mehr erforderlich ist. Eine möglicherweise ärztliche Maßnahme, die nach der Patientenverfügung durchgeführt werden soll, würde so auch tatsächlich durchgeführt werden und das ohne, dass der Patient oder der Betreuer entsprechend über die Risiken dieser Maßnahme jemals aufgeklärt worden seien. Henking hielt dies für eine sehr interessante Überlegung, war aber der Meinung, dass § 1901b BGB keinen äquivalenten Aufklärungsanspruch zum Patientenrechtegesetz kodifiziere. Dieser würde vielmehr der Logik dienen, abzuklopfen, ob die Indikation und das potentiell erreichbare T herapieziel mit dem Patientenwillen in Übereinstimmung zu bringen seien. § 1901 BGB hat aber etwas anderes Tückisches, da im Gesetzeswortlaut von einem „Gespräch“ die Rede ist, nach dem Gesetzbegründungsverfahren aber nach wie vor die Schweigepflicht uneingeschränkt gelten solle. T heoretisch würde das daher auf eine Art einseitige Informationsabfrage hinauslaufen, die praktisch so nicht funktionieren könne, da das Umfeld zur Feststellung des Patientenwillens selbstverständlich auch Informationen zur weiteren Einordnung benötige. In der Praxis würde dies daher durchaus gegenteilig gehandhabt werden. Metzler zog daraufhin das Fazit, dass aus seiner Sicht die beiden Normen dennoch nicht ganz aufeinander abgestimmt seien, da es in der Konstellation, dass eine bestimmte Maßnahme nach der Patientenverfügung durchgeführt werden soll, möglicherweise schon lex lata mindestens aber de lege ferenda doch geboten sei, den Betreuer über die Folgen dieser Maßnahmen aufzuklären. Henking er-
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griff daraufhin noch einmal zustimmend das Wort, da sie ebenso der Meinung sei, dass die Betreuungsaufklärung am Ende zentral sei, wies aber darauf hin, dass sich das Problem in der Praxis vermutlich doch leichter lösen lasse. Frau Rechtsanwältin Meier sah das Problem sodann auch gelöst, denn ihres Erachtens nach muss man die ärztlichen Pflichten aus dem Patientenrechtegesetz zur Aufklärung des Patienten – die, wenn der Patient selbst nicht mehr einwilligungsfähig ist, entweder gegenüber dem Betreuer oder dem Vorsorgebevollmächtigten zu erfolgen hat – von der gemeinsamen Berufspflicht von Betreuer/ Vorsorgebevollmächtigten sowie Arzt nach § 1901b BGB trennen. Letzteres stelle eine Erörterungspflicht dar, die, nachdem der Arzt wiederum in eigener Autonomie geprüft hat ob eine Indikation für eine bestimmte Maßnahme gegeben ist, den Patientenwillen in einem dialogischen Prozess erörtern solle. Sodann fragte Schleifenbaum, nach den Erkenntnissen der Referentin Henking in Bezug auf den Umstand – den ihr manche Urkundsbeteiligte berichteten –, dass Ärzte teilweise versuchen würden, Formmängel oder gar inhaltliche Mängel an der Patientenverfügung festzustellen, wenn sie mit dem Inhalt nicht einverstanden seien. Empirisch untersucht sei sowas laut Henking allerdings nicht. Zwar würde sie aktuell durch Interviewstudien im Rahmen eines aktuellen Projekts stückweise diesem auf den Grund gehen (wollen), da sie auch der Meinung sei, dass der juristisch beste Vertrag nicht helfe, wenn es insgeheim Vorbehalte gegen das Instrument gäbe, aber aktuell würde diese Behauptung auf keiner empirischen Studie fußen. Es gäbe nur bereits aus ärztlicher Feder Untersuchungen zu Patientenverfügungen, die belegen, dass diese in großen Teilen gar nicht dem wirklichen Willen des Patienten wiederspiegeln würden. Vor allem die Verwendung von allgemein gehaltenen Standardformularen würden teilweise etwas anmuten, da man sich stets und nicht ganz unbegründet die Frage stellen könne, ob das Dokument wirklich in Gänze gelesen wurde und ob die Folgen eines solchen Dokuments beim Ausfüllen präsent seien. Allerdings sagte Henking auch, dass sie die Erfahrung gemacht hat, dass je jünger die Ärzteschaft ist, desto größer die Akzeptanz gegenüber Patientenverfügungen sei, da diese – so vermutet sie – bereits im Studium erstmals Konfrontationsgegenstand ist. Abschließend stellte Dr. Guido Perkams anknüpfend an das Tatbestandsmerkmal der Bestimmtheit in § 1901a BGB die Frage, worauf sich dieses denn wirklich bezieht. Nach seinem Verständnis ziele es schließlich auf die Art und Weise des ärztlichen Eingriffs ab, sodass die dazugehörige Situation nach dem Gesetzeswortlaut des § 1901a BGB stets die eines einwilligungsunfähigen Volljährigen sei. Folglich stünde man dann vor der Frage, ob die Patientenverfügung überhaupt wirksam sei, oder ob man diese durch Auslegung retten könne, wenn die Patientenverfügung genauer umrissen sei und eine Situation beschreibt, wann sie nur greifen soll. Henking sah die Auslegung dann zwar durchaus als mögliche Hilfe an, gab aber von vornherein zu bedenken, dass sich aus ihrer
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Sicht beides gegenseitig bedinge. Zwar müsse die ärztliche Maßnahme bestimmt sein, aber diese würde ja im leeren Raum stehen, wenn die damit verbundene Situation nicht ausreichend umschrieben sei.
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Autorenverzeichnis Dr. T hekla Schleifenbaum Notarin Rüdiger Pamp Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tanja Henking, LL.M. Professorin für Medizinrecht und Strafrecht Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt Prof. Dr. Christoph Karczewski Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. WANG Qiang China University of Political Science and Law (CUPL) Jan Hüchtebrock Wissenschaftlicher Mitarbeiter Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht und Recht der Familienunternehmen, Prof. Dr. Katharina Uffmann Ruhr-Universität Bochum