Investigativer Parlamentarismus: Parlamentarische Untersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika [1 ed.] 9783428519668, 9783428119660

Das Recht der parlamentarischen Untersuchungen wird erstmals in einem umfassenden Rechtsvergleich mit den Vereinigten St

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Investigativer Parlamentarismus: Parlamentarische Untersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika [1 ed.]
 9783428519668, 9783428119660

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Beiträge zum Parlamentsrecht

Band 62

Investigativer Parlamentarismus Parlamentarische Untersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika

Von

Susann Bräcklein

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

SUSANN BRÄCKLEIN

Investigativer Parlamentarismus

Beiträge zum Parlamentsrecht Herausgegeben von

Ulrich Karpen, Heinrich Oberreuter, Wolfgang Zeh in Verbindung mit Peter Badura, Wolfgang Heyde, Joachim Linck Georg-Berndt Oschatz, Hans-Peter Schneider Uwe Thaysen

Band 62

Investigativer Parlamentarismus Parlamentarische Untersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika

Von

Susann Bräcklein

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6674 ISBN 3-428-11966-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Der Titel des Buches steht nicht ohne Absicht in der Nähe des mittlerweile gebräuchlichen Begriffs: investigativer Journalismus. Zum Sinnbild des investigativen Journalismus wurden Carl Bernstein und Bob Woodward, als sie in den 1970er Jahren die Watergate-Affäre aufdeckten. Watergate führte auch zu einer der größten Kongressuntersuchungen in der amerikanischen Geschichte. Was aber ist investigativer Journalismus? Und was investigativer Parlamentarismus? Was haben beide gemeinsam? Die Berufsorganisation Investigative Reporters and Editors und die School of Journalism der University of Missouri haben 1986 eine gemeinsame Umfrage bei den 500 auflagenstärksten Zeitungen und den 200 größten Fernsehstationen durchgeführt und eine Definition von investigativem Journalismus vorgelegt, welche die übergroße Mehrzahl der Befragten als zutreffend betrachteten: „It is reporting, through one’s own work product and initiative, matters of importance which some persons or organisations wish to keep secret.“ Diese Formulierung lässt sich auch für die Beschreibung des investigativen Prozesses parlamentarischer Untersuchungen heranziehen: In bestimmten Fällen kann sich das Parlament nicht damit abfinden, Informationen allein von der Exekutive vermittelt zu bekommen, sondern muss selbst und unmittelbar die Umstände ermitteln, die zu einem klärungsbedürftigen politischen Vorgang geführt haben. Häufig ist der Sachverhalt brisant und nimmt die öffentliche Aufmerksamkeit besonders in Anspruch. Das parlamentarische Aufklärungsinstrumentarium unterscheidet sich selbstverständlich vom journalistischen. Die investigative Aufklärungsarbeit wird in der Regel durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse geleistet; das Instrumentarium ist dem der judiziellen Ermittlung verwandt. Untersuchungsausschüsse können damit in Bereiche vorstoßen, die nicht ohne weiteres an das Licht der Öffentlichkeit gelangt wären. Nicht selten ergänzen sich journalistische und parlamentarische Aufklärung wechselseitig. Die Aufklärungsarbeit der Untersuchungsausschüsse des US-amerikanischen Kongresses übersteigt in Umfang und Reichweite die jedes anderen Parlaments der Welt. Deshalb wurde das US-amerikanische Untersuchungsrecht als Vergleichsobjekt im Verhältnis zum deutschen Untersuchungsrecht gewählt. Erste Ansätze zu dieser Arbeit entstanden anlässlich der Referententätigkeit im Bun-

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Vorwort

destag zur Zeit des Zustandekommens des Untersuchungsausschussgesetzes im Jahr 2001. Der Studienaufenthalt an der Georgetown University in Washington D.C. und die Assistenztätigkeit für Congressman Chris Bell 2003 bildeten den Grundstein für die Bearbeitung des US-amerikanischen Teils. Um das US-amerikanische Untersuchungsrecht umfang- und facettenreich behandeln zu können, ist der deutsche Teil auf eine zügige Darstellung angelegt. Die hierbei erarbeiteten Grundlinien ermöglichen es dem Leser, gegenwärtige und zukünftige Untersuchungen mühelos einzuflechten und so den Text jederzeit gedanklich zu aktualisieren. Das Manuskript wurde im Dezember 2004 abgeschlossen. Die neueren Entwicklungen bis hin zur TV-Übertragung aus dem Visa-Untersuchungsausschuss des Bundestages im Mai 2005 konnten nicht mehr berücksichtigt werden. Die Veröffentlichung realisierte sich aus beruflichen Gründen erst 2006. Dank gilt Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis für die Betreuung der Arbeit und die Erstellung des Erstgutachtens, Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Meyer für das Zweitgutachten. John Podesta, Chief of Staff von Präsident Clinton, jetzt Visiting Professor am Georgetown University Law Center hat mir in vielen Gesprächen wertvolle Hinweise zum politisch-praktischen Prozess gegeben; dies gilt auch für sein überaus informatives Seminar zu „Congressional Investigations.“ Zu danken ist auch Prof. Luis Fisher vom Congressional Research Service, der eine große Anzahl kongressioneller Untersuchungen unmittelbar begleitet hat und mir umfassend und bereitwillig Auskunft gab. Die Arbeit wurde durch ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung gefördert. Die Veröffentlichung wurde durch einen Druckkostenzuschuss des Bundestages unterstützt sowie durch einen Beitrag des Freundeskreises zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses „Gerti Hönings.“ Die mühevolle Lektoratsarbeit hat mit viel Geduld Petra Huber übernommen. Hierfür danke ich herzlich. Mein ganz persönlicher Dank gilt darüber hinaus zwei unermüdlichen Unterstützerinnen des Promotionsvorhabens: Gabriele Caliebe, Richterin am Bundesgerichtshof, und Margot von Renesse, ehemalige Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Mit beharrlichen Diskussionen, nützlichen Anregungen und ausdauernder Motivation haben sie das Projekt faktisch wie zwei Doktormütter begleitet. Berlin, April 2006

Susann Bräcklein

Inhaltsübersicht Erster Teil Einführung § 1 Einleitung .................... .......................................................................................... 19 § 2 Begriff und Funktion parlamentarischer Untersuchungen...................................... 31 § 3 Historische Wurzeln des parlamentarischen Untersuchungsrechts......................... 41 Zweiter Teil Das Untersuchungsrecht in der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten 1. Abschnitt Das Untersuchungsrecht des Deutschen Bundestages § 4 Parlamentarische Untersuchungen des Bundestages .............................................. 53 § 5 Einsetzung, Zusammensetzung und Verfahren des Untersuchungsausschusses ..................................................................................... 83 § 6 Befugnisse des Untersuchungsausschusses und ihre Grenzen................................ 87 § 7 Parlamentarische Hilfsdienste im Untersuchungsverfahren ................................... 99 § 8 Öffentlichkeit und Geheimhaltung ....................................................................... 104 § 9 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit....................................................... 108 2. Abschnitt Das Untersuchungsrecht des US-Kongresses § 10 Parlamentarische Untersuchungen des Kongresses .............................................. 113 § 11 Einsetzung, Zusammensetzung und Verfahren der Untersuchungsausschüsse............................................................................... 142 § 12 Untersuchungsbefugnisse und ihre Grenzen......................................................... 158 § 13 Parlamentarische Hilfsdienste im Untersuchungsverfahren ................................. 186 § 14 Öffentlichkeit und Geheimhaltung ....................................................................... 189 § 15 Besonderheiten der Ethikverfahren ...................................................................... 204 § 16 Besonderheiten des Amtsenthebungsverfahrens................................................... 217 § 17 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit....................................................... 220

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Inhaltsübersicht Dritter Teil Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

§ 18 Allgemeingültigkeit der ‚implied powers’-Theorie und immanente Untersuchungskompetenz ........................................................... 231 § 19 Untersuchungsausschüsse und innerparlamentarische Strukturen ........................ 284 § 20 Untersuchungsverfahren und Handhabung der Befugnisse .................................. 295 § 21 Rolle der Opposition ............................................................................................ 311 § 22 Öffentlichkeitsprinzip und Zugang audiovisueller Medien .................................. 317 § 23 Grenzen parlamentarischer Untersuchungen gegenüber der Exekutive................ 340 § 24 Effizienz der Untersuchungsverfahren und Reformüberlegungen........................ 353 § 25 Stärkung der ständigen Bundestagsausschüsse bei ad hoc-Untersuchungen ........ 359 § 26 Einsatz von Ermittlungsbeauftragten bei ad hoc-Untersuchungen ....................... 365 Zusammenfassung und Ausblick.................................................................................. 370 Quellenverzeichnis........... ............................................................................................ 373 Literaturverzeichnis........... ........................................................................................... 380 Sachverzeichnis................. ........................................................................................... 392

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einführung § 1 Einleitung................. ............................................................................................. 19 I. Rechtsvergleichende Fragestellung............................................................... 19 II. Methodische Herausforderungen .................................................................. 22 1. Rechtsetzung und Common Law ............................................................ 22 2. Vergleich politischer Systeme ................................................................ 23 3. Vergleichende Parlamentarismusforschung ............................................ 24 4. Parlamentsrecht und Parlamentsbrauch .................................................. 26 5. Verfassungsvergleich und vergleichende Regierungslehre ..................... 27 III. Gang der Untersuchung................................................................................. 28 § 2 Begriff und Funktion parlamentarischer Untersuchungen .............................. 31 I. Parlamentarische Untersuchungen als Informationsinstrumente................... 31 II. Parlamentarische Untersuchungen als Kontrollinstrumente.......................... 34 III. Parlamentarische Untersuchungen als Instrumente des politischen Kampfes...................................................................................... 36 IV. Restbestand begrifflicher Unklarheit............................................................. 39 § 3 Historische Wurzeln des parlamentarischen Untersuchungsrechts................. 41 I. England........... .............................................................................................. 41 II. Deutschland................................................................................................... 45 III. Vereinigte Staaten von Amerika ................................................................... 48 Zweiter Teil Das Untersuchungsrecht in der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten 1. Abschnitt Das Untersuchungsrecht des Deutschen Bundestages § 4 Parlamentarische Untersuchungen des Bundestages ........................................ 53 I. Das Ausschusssystem des Bundestages ........................................................ 54 II. Aufklärungsinstrumente des Bundestages..................................................... 56

10

Inhaltsverzeichnis 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

12.

Zitierrecht nach Art. 43 GG .................................................................... 56 Parlamentarisches Fragerecht ................................................................. 57 Öffentliche Anhörungen ......................................................................... 59 Untersuchungen des Verteidigungsausschusses...................................... 60 Untersuchungen des Wehrbeauftragten .................................................. 61 Untersuchungen im Rahmen der Kontrolle der Nachrichtendienste ....... 62 Untersuchungen des Petitionsausschusses .............................................. 63 Untersuchungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ............................................................................ 65 Untersuchungen des Präsidiums und des Präsidenten des Bundestages.. 68 Untersuchungen der Enquete-Kommissionen ......................................... 70 Der ad hoc-Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG........................... 71 a) Funktion, Gegenstand und inhaltliche Schranken .............................. 71 aa) Begrenzungen des Untersuchungsgegenstandes .......................... 71 (1) Das „öffentliche Interesse“.................................................... 72 (2) Das Untersuchungsrecht als staatsgerichtetes Kontrollrecht ......................................................................... 73 (3) § 1 Abs. 3 PUAG................................................................... 74 (4) Bewertung ............................................................................. 74 bb) Schutz der Grundrechte ............................................................... 76 cc) Die Lehre vom Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung...... 77 dd) Kompetenzen der Bundesländer .................................................. 79 b) Rechte der qualifizierten Minderheit ................................................. 80 c) Untersuchungsausschüsse seit 1951................................................... 81 Zusammenfassung .................................................................................. 81

§ 5 Einsetzung, Zusammensetzung und Verfahren des Untersuchungsausschusses ................................................................................... 83 I. Einsetzung..................................................................................................... 83 II. Zusammensetzung......................................................................................... 83 III. Verfahren........ .............................................................................................. 84 § 6 Befugnisse des Untersuchungsausschusses und ihre Grenzen .......................... 87 I. Vorbemerkung .............................................................................................. 87 II. Zeugenvernehmung....................................................................................... 87 1. Zeugniszwang ......................................................................................... 88 a) Ordnungsgeld und Ordnungshaft ....................................................... 88 b) Falschaussage und Meineid ............................................................... 89 2. Auskunftsverweigerung wegen der Gefahr der Selbstbelastung ............. 91 3. Auskunftsverweigerung wegen einer beruflichen Vertrauensbeziehung 93 III. Informatorische Anhörung ............................................................................ 94

Inhaltsverzeichnis IV. V. VI.

11

Herausgabe sächlicher Beweismittel............................................................. 95 Maßnahmen der Beweissicherung................................................................. 96 Berichterstattung und Debatte....................................................................... 97

§ 7 Parlamentarische Hilfsdienste im Untersuchungsverfahren ............................ 99 I. Ressourcen des Bundestages und der Bundestagsfraktionen......................... 99 II. Ermittlungsbeauftragung nach § 10 PUAG................................................. 101 § 8 Öffentlichkeit und Geheimhaltung ................................................................... 104 § 9 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit ................................................ 108 I. Der Staatsgerichtshof unter Geltung des Art. 34 WRV............................... 108 II. Rechtsschutz unter der Geltung des Art. 44 GG ......................................... 109 III. Gerichtliche Zuständigkeiten nach § 36 PUAG .......................................... 109 IV. Parallelität gerichtlicher und parlamentarischer Untersuchungsverfahren .. 110 2. Abschnitt Das Untersuchungsrecht des US-Kongresses § 10 Parlamentarische Untersuchungen des Kongresses ........................................ 112 I. Stellung des Kongresses im Regierungssystem........................................... 112 1. Gewaltenteilung im US-amerikanischen Regierungssystem................. 115 2. Aufgaben und Kompetenzen des Kongresses ....................................... 117 II. Die Untersuchungskompetenz des Kongresses ........................................... 118 1. Rechtliche Grundlage ........................................................................... 118 2. Funktion, Gegenstand und inhaltliche Schranken ................................. 119 a) Kontrolle der Exekutive................................................................... 121 aa) Oversight ................................................................................... 121 bb) Struktur der Exekutive............................................................... 124 b) Begrenzungen des Untersuchungsrechts.......................................... 127 aa) Begrenzungen des Untersuchungsgegenstandes ........................ 127 bb) Schutz der Grundrechte ............................................................. 128 cc) Executive privilege .................................................................... 132 dd) Kompetenzen der Gliedstaaten .................................................. 139 c) Kongressuntersuchungen und ‚informing function‘......................... 139 III. Zusammenfassung....................................................................................... 141 § 11 Einsetzung, Zusammensetzung und Verfahren der Untersuchungsausschüsse ............................................................................ 142 I. Parlamentarischer Informationsanspruch .................................................... 142 II. Das Ausschusssystem des Kongresses ........................................................ 143 III. Ad hoc-Untersuchungsverfahren................................................................. 153

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Inhaltsverzeichnis IV.

Untersuchungsaufkommen.......................................................................... 156

§ 12 Untersuchungsbefugnisse und ihre Grenzen .................................................... 158 I. McGrain v. Daugherty ................................................................................ 158 II. Contempt power.......................................................................................... 161 1. Inherent contempt ................................................................................. 162 2. Statutory criminal contempt.................................................................. 162 3. Statutory civil contempt........................................................................ 163 4. Meineid und Falschaussage .................................................................. 163 5. Obstruktion des parlamentarischen Verfahrens .................................... 164 III. Subpoena power.......................................................................................... 165 IV. Anhörung und Zeugenvernehmung............................................................. 166 1. Hearings ............................................................................................. 166 2. Depositions ........................................................................................... 168 3. Staff depositions ................................................................................... 169 V. Verfahrensrechte ......................................................................................... 174 1. Recht auf ein ordentliches Verfahren.................................................... 174 2. Aussageverweigerung bei Gefahr der Selbstbelastung ......................... 174 3. Recht auf Nichtäußerung ...................................................................... 175 4. Schutz vor unvernünftigen Untersuchungen ......................................... 176 5. Recht auf anwaltlichen Beistand........................................................... 176 6. Testimonial privileges........................................................................... 176 VI. Grants of immunity ..................................................................................... 179 VII. Independent counsel.................................................................................... 182 VIII. Berichterstattung und Debatte..................................................................... 185 § 13 Parlamentarische Hilfsdienste im Untersuchungsverfahren .......................... 186 § 14 Öffentlichkeit und Geheimhaltung ................................................................... 189 I. II. III.

Parlamentarisches Öffentlichkeitsprinzip.................................................... 189 Ausschluss der Öffentlichkeit und Geheimhaltung ..................................... 191 Berichterstattung in den Medien ................................................................. 195

§ 15 Besonderheiten der Ethikverfahren.................................................................. 204 I. Die Disziplinierungsgewalt des Kongresses gegenüber seinen Mitgliedern....................................................................................... 204 II. Entwicklung der Ethikverfahren ................................................................. 205 III. Verfahren der Ethikausschüsse ................................................................... 210 IV. Ethikverfahren als parteipolitische Waffen ................................................. 213 § 16 Besonderheiten des Amtsenthebungsverfahrens.............................................. 217

Inhaltsverzeichnis

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§ 17 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit ................................................ 220 I. Die Bundesgerichtsbarkeit .......................................................................... 220 II. Supreme Court und richterliches Prüfungsrecht.......................................... 220 1. Richterliches Prüfungsrecht .................................................................. 221 2. Beschränkungen des Prüfungsumfangs................................................. 221 a) Zulässigkeitsvoraussetzungen.......................................................... 222 b) Political question doctrine................................................................ 222 III. Gerichtliche Kontrolle parlamentarischer Untersuchungsmaßnahmen ....... 227 IV. Parallelität gerichtlicher und parlamentarischer Untersuchungsverfahren .. 229 Dritter Teil Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen § 18 Allgemeingültigkeit der ‚implied powers‘-Theorie und immanente Untersuchungskompetenz .................................................................................. 231 I. Fragestellung ............................................................................................. 231 II. Entwicklung der ‚implied powers‘-Theorie in den Vereinigten Staaten ..... 233 1. Ungeschriebene Verbandskompetenzen ............................................... 233 2. Ungeschriebene Organkompetenzen..................................................... 235 III. Ungeschriebene Kompetenzen in der Bundesrepublik................................ 237 1. Ungeschriebene Verbandskompetenzen ............................................... 237 2. Ungeschriebene Organkompetenzen..................................................... 239 a) Materielles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten........................... 239 b) Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung ................................... 240 c) Parlamentarisches Fragerecht ........................................................... 240 IV. Methodische und begriffliche Einordnung der ‚implied powers‘-Theorie .. 241 1. Verfassunginterpretation oder verfassungsexterne Rechtsquelle? ........ 241 2. Der Begriff „Kompetenz“ ..................................................................... 245 V. Immanente Untersuchungskompetenz des Bundestages nach der Methode der ‚implied powers‘-Theorie ........................................ 246 1. Meinungsstand...................................................................................... 246 a) Deutsches Schrifttum ....................................................................... 246 b) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts....................... 249 2. Begründung und Begrenzung der immanenten Untersuchungskompetenz ...................................................................... 251 a) Wortlaut der Verfassungsbestimmungen ......................................... 252 aa) Art. 44 GG ................................................................................. 253 bb) Art. 43 GG ................................................................................. 260 cc) Art. 45a und 45c GG.................................................................. 261 dd) Gesamtschau der Verfassungsbestimmungen ............................ 262 b) Das Prinzip der Gewaltenteilung ..................................................... 263

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Inhaltsverzeichnis

VI.

c) Die „Natur“ parlamentarischer Untersuchungsbefugnisse? ............. 268 d) Zweck-Mittel-Relation..................................................................... 269 aa) Zweck-Mittel-Relation auf der Herleitungsebene...................... 270 bb) Zweck-Mittel-Relation auf der Anwendungsebene ................... 271 cc) Zweck-Mittel-Relation im Außenverhältnis .............................. 273 dd) Zweck-Mittel-Relation im Innenverhältnis................................ 276 e) Immanente Untersuchungskompetenz und Minderheitenrecht ........ 280 3. Unterschiede im parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystem ................................................................................. 281 Ergebnis und Schlussfolgerungen ............................................................... 281

§ 19 Untersuchungsausschüsse und innerparlamentarische Strukturen............... 284 I. Ständige und ad hoc-Ausschüsse ................................................................ 284 II. Funktionale Spezialisierungen .................................................................... 286 1. Gesetzesvorbereitung und allgemeine Aufklärung ............................... 286 2. Regierungs- und Verwaltungskontrolle ................................................ 286 3. Kollegialenqueten ................................................................................. 290 III. Personelle Ressourcen................................................................................. 291 IV. Formale Ressourcen.................................................................................... 292 § 20 Untersuchungsverfahren und Handhabung der Befugnisse ........................... 295 I. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses .............................................. 295 II. Vorverfahren ............................................................................................. 296 III. Beweiserhebung.......................................................................................... 300 1. Auskunftspflicht und Selbstbelastungsfreiheit...................................... 301 a) Differenzierung................................................................................ 301 b) Konflikt zwischen Aufklärungs- und Schweigeinteresse ................. 302 c) Bewertung........................................................................................ 303 2. Anwendung von Zwangsmitteln ........................................................... 306 a) Eid im Untersuchungsverfahren....................................................... 306 b) Strafbarkeit der Falschaussage......................................................... 307 IV. Abschlussbericht und Sondervoten ............................................................. 308 V. Gerichtliche Überprüfung ........................................................................... 309 § 21 Rolle der Opposition .......................................................................................... 311 § 22 Öffentlichkeitsprinzip und Zugang audiovisueller Medien ............................ 317 I. Praxis des Öffentlichkeitsprinzips im Bundestag und im US-Kongress...... 318 1. Zugang elektronischer Medien.............................................................. 318 2. Geheimnisschutz................................................................................... 320 a) Staatliche Geheimnisse .................................................................... 320

Inhaltsverzeichnis

II. III.

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b) Private Geheimnisse ........................................................................ 321 Parlamentarisches Öffentlichkeitsprinzip im US-amerikanischen Recht .... 322 Parlamentarisches Öffentlichkeitsprinzip im deutschen Recht.................... 327 1. Grundsatz der parlamentarischen Öffentlichkeit................................... 327 2. Öffentlichkeit der Beweiserhebung....................................................... 328 3. Untersuchungsrechtliche und gerichtliche Öffentlichkeit ..................... 330 4. Öffentlichkeitsgrundsatz und Auskunftspflicht Privater ....................... 332 5. Gefahren für den Prozess der Wahrheitsfindung................................... 336 6. Gefahr des Verfälschens durch audiovisuelle Übertragungen............... 337 7. Öffnungsklausel nach § 13 Abs. 1 S. 1 PUAG ..................................... 338 8. Zusammenfassung und Schlussfolgerung ............................................. 339

§ 23 Grenzen parlamentarischer Untersuchungen gegenüber der Exekutive....... 340 I. Executive privilege...................................................................................... 340 II. Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.............................................. 344 III. Vergleich und Würdigung........................................................................... 345 1. Absolute Geheimhaltung ...................................................................... 345 2. Laufende und abgeschlossene Vorgänge .............................................. 345 3. Parallele zum richterlichen Beratungsgeheimnis .................................. 347 4. Zweck-Mittel-Relation.......................................................................... 348 5. Unterschiede im parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystem ................................................................................. 352 § 24 Effizienz der Untersuchungsverfahren und Reformüberlegungen................. 353 I. Effizienz.................... .................................................................................. 353 II. Reformbedarf... ........................................................................................... 354 III. Bisherige Reformüberlegungen................................................................... 355 IV. Reformüberlegungen auf Grund der rechtsvergleichenden Betrachtung..... 357 § 25 Stärkung der ständigen Bundestagsausschüsse bei ad hoc-Untersuchungen ..................................................................................... 359 § 26 Einsatz von Ermittlungsbeauftragten bei ad hoc-Untersuchungen................ 365

Zusammenfassung und Ausblick............................................................................... 370

Quellenverzeichnis...................................................................................................... 373 Literaturverzeichnis........... ........................................................................................ 380 Sachverzeichnis............................... ............................................................................ 392

Abkürzungsverzeichnis Die amerikanischen Abkürzungen folgen weitgehend The Bluebook, A Uniform System of Citation, 17. Auflage 2000; die Literaturangaben sind an die Zitierweise der deutschen Gepflogenheiten angepasst. Die deutschen Abkürzungen folgen dem üblichen Gebrauch. Die vollständigen Literaturangaben ergeben sich aus dem Quellen- und Literaturverzeichnis. Abg. Adm. Amd. Art. BT BT-Drs. BT-Prot. CBO cert. C.F.R. Ch. Cir. Cl. Comm. concurring Cong. Cong. Rec. Const. CQ CRS C-SPAN Ct. D D.C. DJT EOP F.2d Fed. F. Supp.

Abgeordneter, Mitglied des Bundestages Administrative Amendment, Zusatzartikel zur US-Verfassung Article, Artikel Bundestag Bundestagsdrucksache Stenographischer Bericht/Plenarprotokoll des Bundestages Congressional Budget Office certiorari Code of Federal Regulations Chapter Circuit (Circuit Court of Appeals) Clause Committee concurring opinion Congress Congressional Record Constitution; Constitutional Congressional Quarterly Congressional Research Service Cable-Satelite Public Affairs Network Court Democrat, Mitglied der Demokratischen Partei District of Columbia Deutscher Juristentag Executive Office of the President Federal Reporter, Urteile des United States Court of Appeals, in der offiziellen Sammlung (zweite Folge) Federal Federal Supplement, Urteile der Federal District Courts in der offiziellen Sammlung

Abkürzungsverzeichnis GAO GO-BT H. Rept. H. Res. Int’l J. L. Ed. LRA Ltd. MWG Nat’l No(s) P.L. PR Prot.HCh. Prot.PR. Prt. PUAG R Rep. Rept. Rev. S. S. Ct. S. Doc. Sec. (§) Sen. Sess. Sitz. S. Prt. S. Rept. S. Res. Stat. St.B.AH. St.B.BT. St.B.NV. Supp. U.S. U.S.C. U.S.C.A. USVerf. Vol. WRV

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General Accounting Office Geschäftsordnung des Bundestages House Report House Resolution International Journal Lawyer’s Edition Legislative Reorganization Act Limited Max Weber Gesamtausgabe National Number(s) Public Law Parlamentarischer Rat Protokoll des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee Protokoll des Parlamentarischen Rates Protocol Gesetz zur Regelung der Untersuchungsausschüsse Republican, Mitglied der Republikanischen Partei Repräsentant, Mitglied des Repräsentantenhauses Report Review Senate Supreme Court Senate Document Section Senator Session Sitzung Senate Protokol Senate Report Senate Resolution United States Statutes Stenographischer Bericht des Abgeordneten-Hauses Stenographischer Bericht des Bundestages Stenographischer Bericht der Nationalversammlung Supplement United States Reporter; Urteile des Supreme Court in der offiziellen Sammlung; United States United States Code United States Code Annotated Verfassung der Vereinigten Staaten Volume Weimarer Reichsverfassung

Erster Teil

Einführung § 1 Einleitung I. Rechtsvergleichende Fragestellung Die Diskussion um das parlamentarische Untersuchungsrecht und dessen rechtliche Ausgestaltung ist alt.1 Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes waren die Debatten vor allem von der Forderung getragen, Art. 44 GG zu modifizieren und ein Verfahrensgesetz zu schaffen, das die Rechtsverhältnisse klar und verbindlich regelt. Trotzdem scheiterten die – vor allem auf Grund der seit der 5. Wahlperiode geleisteten Vorarbeiten – eingebrachten Gesetzentwürfe.2 ———————— 1

Seit 1926 befassten sich insbesondere drei Deutsche Juristentage (DJT) mit diesem Thema: 34. DJT 1926, 45. DJT 1964, 64. DJT 1988. 2 1962 hatte die 1952 aus Abgeordneten der Landesparlamente und des Bundestages gegründete Interparlamentarische Arbeitsgruppe (IPA) eine Kommission gebildet, die sich mit der Reform des Rechts der Untersuchungsausschüsse befasste. Auf Grund dieser Vorarbeiten hatten Abgeordnete aller Fraktionen bereits im Dezember 1962 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes eingebracht (BT-Drs. V/2425), der jedoch in der Schlussabstimmung am 2.7.1969 die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlte. Der Entwurf eines Verfahrensgesetzes (Gesetzentwurf über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen, BT-Drs. V/4209), der auf die von der IPAVollversammlung am 12.11.1968 verabschiedeten Verfahrensgrundsätze für Untersuchungsausschüsse („IPA-Regeln“) zurückging, unterfiel am Ende der 5. WP der Diskontinuität. Die IPA-Regeln wurden bis zur Verabschiedung des PUAG regelmäßig mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Geschäftsordnung beschlossen. Weitere Reformbemühungen gingen von der 1970 eingesetzten Enquete-Kommission „Verfassungsreform“ (Zwischenbericht v. 21.9.1972, BT-Drs. V/3829, Schlussbericht v. 2.12.1976, BT-Drs. 7/5924) aus. Gesetzentwürfe erfolgten in der 8. WP (BT-Drs. 8/1180 und 8/1181), in der 10. WP (BT-Drs.10/6587 – sog. Schulte-Entwurf, benannt nach dem damaligen Vorsitzenden des Geschäftsordnungsausschusses, Manfred Schulte (SPD). Zu den Reformbestrebungen in der 11. WP zählten die Wiederauflage des in der 10. WP nicht beratenen Schulte-Entwurfs (BT-Drs. 11/1896) wie auch der Entwurf der SPD-Bundestagsfraktion (BT-Drs. 11/2025). Die beiden Gesetzentwürfe wurden nach intensiven Beratungen im Geschäftsordnungsausschuss kurz vor Ende der 11. WP im sog. Porzner-Entwurf (benannt nach dem Ausschussvorsitzenden Konrad Porzner

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1. Teil: Einführung

Infolge der veränderten Mehrheitsverhältnisse durch die Bundestagswahl 1998 und vor dem Hintergrund des 1999 eingesetzten Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des CDU-Parteispenden-Skandals (ParteispendenUntersuchungsausschuss) erhöhten sich auch die Chancen für ein Untersuchungsausschussgesetz. Während die früheren Debatten regelmäßig stark von dem Gedanken geprägt waren, Private vor Eingriffen durch parlamentarische Untersuchungen zu schützen,3 stand in der Diskussion um das Untersuchungsausschussgesetz nunmehr das Aufklärungsinteresse des Parlaments im Vordergrund. Deshalb bestimmten im Wesentlichen drei Problemkreise die Diskussion. Erstens, wie kann das Untersuchungsverfahren effizienter gestaltet werden? Zweitens, können Aussageverweigerungsrechte eingeschränkt oder die Auskunftsfreudigkeit von Zeugen auf andere Art und Weise stimuliert werden? Dieses Bedürfnis resultierte aus dem Umstand, dass eine Anzahl von Schlüsselzeugen im Parteispenden-Untersuchungsausschuss schwiegen und die Arbeit des Ausschusses erheblich beeinträchtigten.4 Drittens, sollten die Rechte der Minderheit in Bezug auf das Beweisantragsrecht gestärkt werden?5 Hinsichtlich dieser Fragen stieg auch das Interesse daran, einen Blick in fremde Rechtsordnungen zu werfen. Allerdings konnte dem Bedürfnis nach einer rechtsvergleichenden Untersuchung infolge des Zeit- und Reformdrucks nicht in gebührendem Umfang entsprochen werden. Das Untersuchungsausschussgesetz (PUAG) fand am 19. Juni 2001 einen erfolgreichen Abschluss und wurde einstimmig beschlossen.6 Rechtsprechung, Literatur und Praxis parlamentarischer Untersuchungsverfahren anderer Staaten konnten nicht vertieft ausgewertet werden.7 Diese Lücke will die vorliegende Arbeit im Hinblick auf die Vereinigten Staaten zu schließen versuchen. ———————— (SPD), Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drs. 11/8085) zusammengeführt, fand jedoch im Plenum nicht die erforderliche Zustimmung (11. WP, 234. Sitz. v. 31.10.1990, BT-Plenarprotokoll, S. 18686). Zu den Einzelheiten vgl. zusammenfassend: Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 90ff.; Masing, Parlamentarische Untersuchungen, S. 63ff. 3 Vgl. insbesondere die Diskussion auf dem 57. DJT, 1988, S. E 5ff. (Referat Schröder), M 7ff. (Referat Bickel), S. M 54ff. (Referat Schneider), S. M 99ff. (Diskussion). 4 Zu den Einzelheiten im Untersuchungsausschuss „Parteispenden“ vgl. Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, S. 65ff. 5 Diese Frage entschied das BVerfG in seinem Urteil v. 18.3.2002, indem es erklärte, dass den Beweisanträgen der einsetzungsberechtigten Minderheit Folge zu leisten sei, soweit das Antragsrecht nicht „sachwidrig oder missbräuchlich“ ausgeübt werde, BVerfGE 105, 197, 225. Das PUAG hatte bereits zuvor eine entsprechende Regelung im Gesetz vorgesehen. 6 Verkündet am 25.6.2001 (BGBl. I, Nr. 28, S. 1142). 7 Einen Überblick über das Untersuchungsrecht des Kongresses verschafften sich die Berichterstatter im federführenden Ausschuss im Herbst 2000, vgl. Bericht über eine Delegationsreise des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

§ 1 Einleitung

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Der Vergleich gerade mit dem Untersuchungsrecht der Vereinigten Staaten ist aus einer Vielzahl von Gründen von besonderem Interesse: Beide Staaten gründen sich konstitutiv auf das Demokratie- und das Gewaltenteilungsprinzip. Die Grundgesetzgebung erfolgte politisch-institutionell und ideologisch auch unter amerikanischem Einfluss.8 Die historischen Wurzeln des parlamentarischen Untersuchungsrechts der Bundesrepublik finden sich, wie die des Untersuchungsrechts in den Vereinigten Staaten, im englischen Parlamentarismus. Darüber hinaus ist die umfangreiche Untersuchungstätigkeit des USKongresses seit langem bekannt und verspricht auf Grund der umfangreichen Erfahrungen – mit Blick auf Reformüberlegungen des deutschen Rechts – ein lohnendes Vergleichsobjekt zu sein.9 Die letzte wissenschaftliche Arbeit zu diesem Thema stammt aus dem Jahr 1966 und muss als längst überholt gelten.10 Neuere verfahrensrechtliche Entwicklungen, die das parlamentarische Untersuchungsrecht in wesentlichen Punkten weiterentwickelt haben, wie bspw. die Ethikverfahren des US-Kongresses oder Skandale, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit besonders auf sich zogen, wie die Watergate oder die IranContra-Affäre, konnten dort nicht berücksichtigt werden. Gleichfalls könnte Grund zur Skepsis gegenüber dem vergleichenden Ansatz bestehen. Es könnte eingewandt werden, das Untersuchungsrecht beider Staaten lasse sich nicht vergleichen, weil sich die Regierungssysteme so maßgeblich voneinander unterschieden, dass es sich um einen Vergleich verschiedener, je einzigartiger Phänomene handele. In der modernen Typologie der Regierungsformen gelten die Vereinigten Staaten als Idealtyp des präsidentiellen, die Bundesrepublik als Vertreter des parlamentarischen Regierungssystems. Erkenntnistheoretisch argumentiert, lässt sich dem entgegenhalten, dass jedes „Ding“ erst durch die Unterscheidung von anderen „Dingen“ individuelle Identität bekommt, dass sich die Vorstellungswelt gerade durch Vergleiche bildet. Für den Systemvergleich kann ganz allgemein darauf hingewiesen werden, dass die sog. Grundtypen der Regierungssysteme gerade mit dieser Methode entwickelt wurden (siehe II.5.). Warum sollte der vergleichende Ansatz also für das parlamentarische Untersuchungsrecht beider Staaten gerade nicht taugen? Im Übrigen wird sich zeigen, dass die Frage des Regierungssystems für das zu ———————— zum Untersuchungsrecht und Untersuchungsverfahren in den USA v. 18.-22.9.2000, Ausschuss-Drs. 14-G-54. 8 Spevack, Amerikanische Einflüsse auf die Entstehung des Grundgesetzes, in: Kremp/Mielke, S. 3ff.; zum Einfluss der amerikanischen Verfassungsgerichtsbarkeit auf die Schaffung des BVerfG, vgl. Steinberger, Ausländische Einflüsse bei Entstehung des Grundgesetzes, in: 40 Jahre Grundgesetz, S. 41, 53, der das amerikanische Beispiel Pate stehen sieht. 9 Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 62, Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, S. 230. 10 Gascard, Untersuchungsrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 5ff.

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1. Teil: Einführung

vergleichende parlamentarische Untersuchungsrecht weniger rechtliche als praktische Unterschiede bewirkt. Denn der Grundsatz der Gewaltenteilung, als Bauprinzip der staatlichen Ordnung, hat – trotz unterschiedlicher konkreter Ausgestaltung – in beiden Staaten die gleichen Funktionen. II. Methodische Herausforderungen Rechtsvergleichung soll die unterschiedlichen Methoden aufzeigen, gleiche Probleme zu lösen. Sie soll grundlegende, institutionelle Gemeinsamkeiten beschreiben und den Blick auf die eigene Rechtsordnung erweitern. Sie ist von dem Grundprinzip der Funktionalität geprägt. Sie fragt danach, ob das Recht der verschiedenen Rechtsordnungen dieselbe Aufgabe erfüllt und danach, wie es den selben praktischen Lebenskonflikt jeweils zu lösen vermag. 1. Rechtsetzung und Common Law Die erste methodische Herausforderung besteht darin, dass das USamerikanische Recht dem angloamerikanischen Rechtskreis und das bundesdeutsche Recht dem kontinentaleuropäischen zuzuordnen ist. Das Recht der Vereinigten Staaten hat sich in den mehr als 200 Jahren seit der Unabhängigkeitserklärung von 1776 durchaus eigenständig entwickelt und sich vom englischen Vorbild in vielen Punkten gelöst. Im Unterschied zu England besitzen die USA eine geschriebene Verfassung, die dem Land eine bundesstaatliche Struktur verleiht, und einen Katalog von Grundrechten, an den Exekutive, Legislative und Judikative gebunden sind. Trotzdem war vor und nach Erlangung der Unabhängigkeit akzeptiert, dass im Grundsatz das Common Law maßgeblich sei, soweit es auf die örtlichen Verhältnisse passe.11 Der ursprünglich als wesentlich erkannte Unterschied zum kontinentaleuropäischen Recht, der in der Bindungswirkung präjudizieller Entscheidungen (Doctrine of Stare Decisis) gesehen wurde, muss heute praktisch „mit der Lupe gesucht werden“, so Ernst Rabel schon 1951.12 Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs werden im gleichen Maße von den unteren Gerichten anerkannt, wie die Entscheidungen des Supreme Court von den unterinstanzlichen Gerichten in den Vereinigten Staaten. Der entscheidende Unterschied zwischen Common und Civil Law, wie das kontinental-europäische Recht im angloamerikanischen Rechtskreis genannt wird, ist die Methode der Rechtsfindung und die Art der Gesetzgebung. Im Common Law geht der Richter an das Fallmaterial in der Tradition ‚reasoning from case to case‘ und von einzelnen Pre———————— 11

Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 233ff. mit Beispielen. Rabel, RabelZ 16 (1951), S. 340, 345; vgl. auch Blumenwitz, Einführung in das angloamerikanische Recht, S. 23ff. 12

§ 1 Einleitung

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cedents aus, erkennt in diesen Vorentscheidungen bestimmte Rules und beobachtet, wie diese Rules sich im Laufe der Entwicklung durch andere Precedents eingeschränkt, ausgedehnt oder ausdifferenziert und verfeinert und schließlich zu übergreifenden Principles entwickelt haben. Im Gegensatz dazu ist die kontinental-europäische Rechtsfindung nach wie vor von der gesetzespositivistischen Vorstellung geprägt, einen Rechtssatz mit Hilfe des Subsumtionsvorgangs auf einen streitigen Sachverhalt anzuwenden. Der zugrunde liegende Sachverhalt wird etwas stiefmütterlich behandelt und im Urteil auf eine „gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes“13 verkürzt. In der Regel findet der Richter im Civil Law das Recht als gesetzt vor, wendet dieses an und füllt abstrakte Rechtsbegriffe und Generalklauseln des Gesetzgebers aus. Das angloamerikanische Recht tendiert häufig dazu, den Mangel an Kodifikationstradition durch überdetaillierte und jede Eventualität antizipierende Regulierungen zu kompensieren. Die Auslegung des gesetzten Rechts unterscheidet sich im angloamerikanischen vom kontinentaleuropäischen Rechtskreis dadurch, dass das Statute Law nur eine Ergänzungsfunktion hat und damit eng auszulegen ist. Grammatikalische, historische, systematische und teleologische Auslegungsmethoden kennt der angloamerikanische Rechtskreis nicht. Dagegen nehmen richterliche Entscheidungen im Civil Law die Entstehungsgeschichte und die wissenschaftliche Diskussion des Rechtsstoffes stärker auf. Vor diesem Hintergrund kann es in der vorliegenden Arbeit nicht ausbleiben, Einzelfälle, aus denen sich Regeln im US-amerikanischen Untersuchungsrecht entwickelt haben, in ihrem Sach- und Wirkzusammenhang mit dem politischen Umfeld ausführlicher darzustellen. Dagegen nimmt in der Beschäftigung mit dem deutschen Recht die Auswertung des rechtswissenschaftlichen Schrifttums einen größeren Stellenwert ein. Angesichts der Reichweite des Querschnittsthemas muss sich die Arbeit auf eine exemplarische Darstellung beschränken. 2. Vergleich politischer Systeme Der o.g. praktische Lebenskonflikt, für den es gilt, länderspezifische Lösungsansätze zu vergleichen, ist ein politischer. Daraus ergibt sich eine weitere Schwierigkeit. Der unentbehrliche Wesenskern des Politischen ist Macht. Macht ist der „dynamische Unterbau sozio-politischer Einrichtungen.“14 Macht bestimmt das Verhältnis zwischen Machtträgern und Machtadressaten und die Beziehungen verschiedener Machtträger untereinander. Im demokratischkonstitutionellen Staat besteht das Wesen des Machtprozesses in dem Bemü———————— 13 14

§ 313 Abs. 2 ZPO. Loewenstein, Verfassungslehre, S. 4.

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hen, ein Gleichgewicht zwischen den im Wettbewerb befindlichen pluralistischen Kräften herzustellen. Die freie Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit soll den Geist dieses Bemühens tragen. Wird Macht nicht eingedämmt und unter Kontrolle gestellt, besteht die Gefahr, dass sie übersteigert wird und sich zur Tyrannei wandelt. Um dieses menschliche Phänomen der Macht zu bannen, müssen in den Machtprozess – durch eine Reihe feststehender und von der Zustimmung der Gemeinschaft getragener Regeln – Beschränkungen eingebaut werden, die für Machtträger und Machtadressaten gleichermaßen gelten. Dies hat sich als das „beste Mittel erwiesen, dem Missbrauch politischer Macht vorzubeugen.“15 Dieser Mechanismus, der entweder schriftlich in einer Verfassungsurkunde oder in anderen Gesetzen sowie in Sitten, Traditionen und politischer Kultur verankert ist, ist komplex. Das politische System oder das Regierungssystems im weiten Sinne, setzt sich nicht nur aus den einzelnen politischen Institutionen, Kompetenzen und rechtlich geregelten Verfahren der Entscheidungsfindung zusammen. Es ist auch von Wertvorstellungen geprägt, die den einzelnen Instituten ihren Sinn geben. Dabei ist der Begriff „Politisches System“ nicht gleichbedeutend mit Regierungssystem. Er wird entsprechend der Definition Loewensteins gebraucht: „die Staatsgesellschaft, die unter einer konkreten politischen, sozio-ökonomischen, ethischen oder religiösen Ideologie lebt, und dieser herrschenden Ideologie wiederum entsprechen spezifische Einrichtungen, die zu ihrer Verwirklichung bestimmt sind.“16 Die beiden im Mittelpunkt der Untersuchung stehenden Staaten beruhen auf den Grundprinzipien der Demokratie, der Freiheit und Gleichheit. Allerdings unterscheiden sich die konkreten politischen, sozio-ökonomischen, ethischen oder religiösen Gegebenheiten erheblich voneinander. Diese Unterschiede lassen sich nicht allein an Hand von Recht und Gesetz darstellen. Die vorliegende Arbeit kann nur Grundstrukturen des jeweiligen politischen Systems beschreiben, die sich im Fokus des Untersuchungsrechts abzeichnen. Die volle Bandbreite der Einflussfaktoren der beteiligten Machtträger bleibt ein Geheimnis menschlichen Verhaltens unter den jeweiligen konkreten Umständen. 3. Vergleichende Parlamentarismusforschung Ein weiteres methodisches Problem ergibt sich daraus, dass die vergleichende Parlamentarismusforschung noch „in den Kinderschuhen“ steckt.17 Dies zeigt schon das Problem, den Gegenstand der Forschung genau zu definieren. Was ist das Parlament? ———————— 15

Loewenstein, aaO., S. 11. Loewenstein, ebd. 17 Schüttemeyer, Vergleichende Parlamentarismusforschung, in: Berg-Schlosser/ Müller-Rommel, S. 207, 213. 16

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Würde man Parlamentarismus, wie im ursprünglichen engeren Sinne, als ein Regierungssystem verstehen, in dem die Regierung vom Vertrauen des Volkes abhängt,18 wäre der US-Kongress dem Gegenstand der Betrachtung entzogen. Vorzuziehen ist damit die Beschreibung Loewenbergs, der den Begriff Parlament 1972 definierte: „A legislature consists of a collection of members who are formally equal to each other in status and whose authority derives from the belief that they represent the other members of community.“19 Dieses den Repräsentations- und Gleichheitsgedanken in den Mittelpunkt stellende Begriffsverständnis geht damit viel weiter. Allerdings bedarf es einer Einschränkung auf demokratische Systeme, oder wie Brunner 1979 formulierte: „In der mittelbaren Demokratie stellt sich das Parlament im wesentlichen als die einzige, durch Wahlen direkt legitimierte Volksvertretung auf gesamtstaatlicher Ebene dar.“20 Die vorliegende Untersuchung bezieht sich auf den US-Kongress, einschließlich des Senats und des Deutschen Bundestages, ohne den Bundesrat einzubeziehen. Kongress, Senat und Bundestag sind Organe, deren statusgleiche Mitglieder in der Überzeugung das Volk zu repräsentieren, aus gesamtstaatlichen, demokratischen Wahlen hervorgegangen sind. Ein anderes Problem besteht darin, dass sich vergleichende Untersuchungen zur vergleichenden Parlamentarismusforschung in der Regel auf die Bestandsaufnahme oder darauf beschränken, Teilbereiche parlamentarischer Organisation zu beschreiben, ohne einen systematischen Vergleich anzustreben. Theoretische Konzepte, welche die Fülle der verfügbaren Informationen „in vergleichender Fragestellung operationalisieren und in komparativen Untersuchungen testen“,21 fehlen. Obwohl die Datenlage zu Kongress und Bundestag als gut bezeichnet werden kann, fehlt auch hier ein solches theoretisches Konzept.22 Auch die vorliegende Arbeit vermag dies – allerdings mit dem Hinweis auf immanente Grenzen derartiger theoretischer Konzeptionen – nicht zu leisten. Sie kann nur institutionelle Gemeinsamkeiten parlamentarischer Untersuchungen und funktionale Äquivalente in Kongress und Bundestag bzw. deren Interaktion mit anderen Akteuren des politischen Prozesses aufzeigen, diese schwerpunktmäßig behandeln sowie das, was die Unterschiede implizieren, auf die Tauglichkeit einer Übernahme in das deutsche System hin überprüfen.

———————— 18

Schüttemeyer, aaO., S. 209. Loewenberg, Comparitive Legislative Research, S. 7. 20 Brunner, Vergleichende Regierungslehre, S. 222. 21 Schüttemeyer, aaO. 22 Siehe z.B. Thaysen/Davidson, US-Kongress und Deutscher Bundestag: Eine Bestandaufnahme, S. 8ff. 19

1. Teil: Einführung

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4. Parlamentsrecht und Parlamentsbrauch Die Komplexität des Politischen setzt sich im Bereich des geschriebenen und ungeschriebenen Parlamentsrechts fort. Neben den geschriebenen Quellen des Parlamentsrechts auf der Ebene der Verfassung, des einfachen Gesetzes und der geschäftsordnungsrechtlichen Regeln sichern in beiden Staaten eine Fülle von ungeschriebenen Regeln und Bräuchen sowohl Kontinuität als auch Flexibilität des parlamentarischen Verfahrens. Sie bestimmen in großem Maße dessen Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit. Ungeschriebenes Parlamentsrecht und parlamentarisches Gewohnheitsrecht können nach dem Grad ihrer Verbindlichkeit unterschieden werden. Im Bundestag sind bspw. für die Anerkennung als parlamentarisches Gewohnheitsrecht Entscheidungen des Bundestagspräsidenten, die Auslegungsentscheidungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung und die Praxis des Ältestenrats von Bedeutung. Die Geschäftsordnung auszulegen und parlamentarische Prozesse fortzuentwickeln sind Funktionen, die auch in beiden Häusern des US-Kongresses auf verschiedene Gremien verteilt sind. Im Repräsentantenhaus ist dazu maßgeblich der Lenkungsausschuss (House Rules Committee) anzuführen, im Senat der Ausschuss für Regierungsangelegenheiten (Senate Committee on Governmental Affairs). Darüber hinaus haben Parlamentsbräuche in den gesammelten Präzedenzfallsammlungen Anerkennung und teilweise Eingang in die Geschäftsordnungen gefunden.23 Gerade wegen ihres rechtlich ungesicherten Status zwischen Recht und vorrechtlichen Normen sind ungeschriebene Regeln und parlamentarische Bräuche in besonderer Weise praxisnah, flexibel und konsensfähig. Sie ermöglichen praktische Kontinuität wo rechtliche, d.h. auf Dauer verbindliche Normen die parlamentarische Arbeit wesentlich erschweren würden. Diese Regeln lassen sich formlos ändern. Das Parlament kann leichter experimentieren und die praktische Bewährung ad hoc gefasster Beschlüsse abwarten, ohne sich äußerlich stark gebunden zu haben. Diese Besonderheiten spielen nicht nur bei der Frage der Effizienz parlamentarischer Untersuchungsverfahren in den USA und in der Bundesrepublik eine Rolle. Fragen der Parlamentspraxis, die im USKongress und im Deutschen Bundestag gleichermaßen von Bräuchen und Gewohnheiten durchwoben ist, sind stets auch Machtfragen. So ist die Einsetzung und Besetzung von Untersuchungsgremien gleichzeitig auch eine Entscheidung über politische Einflussmöglichkeiten. Auch hier gilt: Die Vielfalt der Einfluss———————— 23

Hierzu gehören: Hind’s Precedents (28.5.2004); Cannon’s Precedents, http://www.gpo.gov/ congress/house/precedents/cannons/srchcan.html> (28.5.2004); Deschler’s Precedents; http://www.gpo.gov/congress/house/precedents/deschler.html (24.8.2004); Riddicks’s Senate Procedure (28.5.2004).

§ 1 Einleitung

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faktoren, denen die beteiligten Machtträger unterliegen, wird nicht vollständig erhellt werden können. 5. Verfassungsvergleich und vergleichende Regierungslehre Der Verfassungsvergleich ist von Aristoteles über Montesquieu bis zu den Verfassern der Federalist Papers ein altes Thema des politischen Denkens. Der Vergleich idealisierter Herrschaftsformen erfolgte vorrangig an Hand von Verfassungsdokumenten oder Ideenmaterial. Für die Ergänzung des klassischen Institutionenvergleichs um eine informelle Politikdimension zeichnet der englische Publizist Bagehot verantwortlich, mit dem sich der Blick von der Verfassungsurkunde hin zum Regierungssystem wendete.24 Der seit 1933 in den Vereinigten Staaten lebende und lehrende deutsche Verfassungstheoretiker Loewenstein entwickelte darüber hinaus eine Typologie der Regierungssysteme an Hand der Beziehungen zwischen Verfassung und Verfassungswirklichkeit. Er stellte Großbritannien und die Vereinigten Staaten als prototypische Regierungssysteme gegenüber.25 Ab 1959 wurden seine methodischen Werke auch in deutscher Übersetzung veröffentlicht, was den Grundstein für den Verfassungsvergleich zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik legte. Die bereits bei Loewenstein anklingende Methode der „Vergleichenden Regierungslehre“ griff Fraenkel auf. In der ersten umfassenden Darstellung des amerikanischen Regierungssystems in deutscher Sprache stellte er die Modelle des parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystems gegenüber. Als Unterscheidungsmerkmale nannte er neben dem parlamentarischen Vertrauensbedürfnis der Regierung die Kompatiblität von Regierungsamt und Parlamentsmandat und die Art der Parteien.26 Das Bemühen um griffige idealtypische Kategorien wurde von Fraenkels Schüler, Steffani, weiterentwickelt. Er nannte für demokratische Regierungssysteme die Abberufbarkeit der Regierung als das zentrale Merkmal des parlamentarischen Regierungssystems.27 Die vorliegende Arbeit kann auf diesem Fundament aufbauen. Begrifflich werden die Regierungssysteme der Bundesrepublik und der Vereinigten Staaten den Prototypen – nach den von Fraenkel und Steffani entwickelten Kriterien der parlamentarischen Verantwortung und der Abberufbarkeit der Regierung – dem parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystem zugeordnet. Methodisch wird dagegen am klassischen traditionellen Verfassungsvergleich, dem ———————— 24

Bagehot, The English Constitution, 1867. Loewenstein, Verfassungslehre, Tübingen 1959; Verfassungsrecht und Verfassungspraxis der Vereinigten Staaten; Berlin/Göttingen/Heidelberg 1959; ders., Der britische Parlamentarismus: Entstehung und Gestalt, Reinbek 1964. 26 Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, Köln 1962. 27 Steffani, Parlamentarische und präsidientielle Demokratie, Opladen 1979. 25

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1. Teil: Einführung

Vergleich der Institutionen, wie sie sich aus den Verfassungsdokumenten und dem sonstigen positiven Recht ergeben, festgehalten. Die Verfassungswirklichkeit wird insofern berücksichtigt, als sie für die Auslegung der Verfassungsnormen relevant ist.

III. Gang der Untersuchung Im ersten Teil werden die Grundlagen für den Rechtsvergleich erarbeitet. Im anschließenden Kapitel wird eine Begriffsdefinition „Parlamentarische Untersuchungen“ erarbeitet, die dem Vergleich beider Systeme als Grundlage dient. Außerdem wird erörtert, warum ein Restbestand an begrifflicher Unklarheit hinzunehmen ist (§ 2). Danach werden die historischen Wurzeln des deutschen und US-amerikanischen Untersuchungsrechts umrissen (§ 3). Der zweite Teil der Arbeit umfasst die Länderberichte zum Untersuchungsrecht des Bundestages und des US-amerikanischen Kongresses. Hinsichtlich des Bundestages wird die Darstellung nicht auf den Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG als bundesdeutsche Besonderheit beschränkt, sondern auf weitere parlamentarische Aufklärungsinstrumente ausgedehnt. Zum einen wird das scharfe Instrument des Untersuchungsausschusses in das System der vorhandenen parlamentarischen Aufklärungsinstrumente eingliedert; zum anderen bildet dieser Ansatz eine gute Grundlage für das Verständnis des US-amerikanischen Parlamentsrechts und der Parlamentspraxis. Funktional konzentriert sich die formale Vielfalt der Aufklärungsinstrumente des Bundestages im Kongress in den Untersuchungsverfahren der ständigen Ausschüsse. Darüber hinaus lassen sich rechtliche und praktische Gemeinsamkeiten und systematische oder praktische Unterschiede im rechtsvergleichenden dritten Teil anschaulicher vortragen. Damit sich der Leser den Blick nicht durch die Systembegriffe des eigenen nationalen Rechts verstellen lässt, werden die englischen Begriffe im Landesbericht zu den Vereinigten Staaten weitestgehend beibehalten bzw. wird der Verwendung lebensnaher Begriffe gegenüber den juristisch festgefügten deutschen Begriffen der Vorrang gegeben. Die Problemlage soll an dieser Stelle nur beispielhaft an Hand der Untersuchungsbefugnisse des US-Kongresses verdeutlicht werden. Die Befugnisse zur Erhebung von Urkunds- und Personalbeweis sind in der Formulierung „to send for persons and papers“ zu erkennen. Diese Befugnis hatte schon der Kontinentalkongress in Anspruch genommen. Beide Informationsbegehren werden mit dem gleichen formalen Zwangsmittel, der ‚subpoena‘ eingefordert, ohne zwischen Zeugenvorladung und Aktenvorlage zu unterscheiden. Begrifflich wird auch nicht zwischen Zeugen und Sachverständigen unterschieden. Beide Auskunftspersonen sind ‚witness‘ und sagen aus

§ 1 Einleitung

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(‚testify‘).28 Der Versuch einer originalgetreuen Übersetzung würde also weniger zur Klarheit, denn zur Verwirrung führen. Über das Ziel der sprachlichen Anschaulichkeit hinaus führt dieser Ansatz zu einer Neubetrachtung des Untersuchungsrechts des Bundestages. Di Fabio konstatierte 1988 zutreffend, dass die „fast 7 Jahrzehnte währende Auslegungsmühe“ zur Frage, was „sinngemäße Anwendung“ der strafprozessualen Regeln in Art. 44 Abs. 2 GG bzw. dessen fast wortgleichem Vorläufer Art. 34 WRV bedeute, in Deutschland die Perspektive des Strafverfahrens prädeterminiert habe. Dem parlamentarischen Untersuchungsverfahren werde nicht nur die letztlich geringere öffentliche Bedeutung gegenüber dem Strafverfahren unterstellt, sondern auch der „Normzweck des Strafverfahrens zum Maßstab der Auslegung erhoben.“29 Er schreibt diese „falsche Weichenstellung“ dem einflussreichen Verfassungsrechtler Anschütz zu, der in der älteren Weimarer Debatte den Kern des Untersuchungsrechts in Abgrenzung zum Kern des Strafverfahrens definierte, indem er es für „sinnwidrig“ hielt, „würde man den Untersuchungsausschüssen gestatten, bei ihrer Tätigkeit Befugnisse anzuwenden, die sozusagen rein kriminalistisch konstruiert [sind], die ihrer ganzen Wesensart durch den Strafverfolgungszweck, dem sie dienen […] spezifisch bestimmt sind.“30 Obwohl sich diese Vorrangansicht in der heutigen Kommentarliteratur nicht mehr findet, ist das Untersuchungsverfahren praktisch von der strafverfahrensrechtlichen Terminologie und der Normstruktur der StPO bestimmt. Das Untersuchungsausschussgesetz vom 21. Juni 2001 lockert diesen Bezug zum Teil, allerdings nicht in terminologischer Sicht. Der vorliegende Blick auf die Aufklärungsinstrumente des Kongresses und des Bundestages im Zusammenhang stellt den Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG nicht isoliert in den Mittelpunkt der Betrachtungen und löst damit das parlamentarische Untersuchungsrecht in Grundlage, Gewichtung und Wirkweise vom Bezug des Strafprozesses. Der deutsche Länderbericht ist deshalb mit dem Ziel der Übersichtlichkeit auf eine schlanke Darstellung angelegt. Dies entspricht auch dem Grundanliegen der Arbeit, die amerikanischen Erfahrungen im Umgang mit dem Untersuchungsrecht auf ihre Brauchbarkeit im deutschen Parlamentsrecht und der Parlamentspraxis hin zu untersuchen. Für das Untersuchungsrecht, wie es sich in Art. 44 GG darstellt, sei bereits an dieser Stelle auf die seit der Verabschiedung des Untersuchungsausschussgesetzes vom 19. Juni 2001 verfassten Dissertationen von Plöd, Wiefelspütz, Platter und Wolf verwiesen. Diese Arbeiten befassen sich vertieft mit der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss, dem ———————— 28

Sachverständigenanhörungen werden häufig auch als ‚expert testimony‘ bezeichnet. Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 54ff. 30 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 34 WRV, Anm. 8b. 29

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1. Teil: Einführung

Zustandekommen und dem Rechtsschutzsystem des Untersuchungsausschussgesetzes. Der rechtsvergleichende dritte Teil zielt auf die Darstellung der typischen Konfliktfelder parlamentarischer Untersuchungen und der Bewertung jeweiliger Lösungsansätze. Darüber hinaus wird die Frage gestellt, ob das Untersuchungsrecht des Bundestages eine dem Parlament durch die Verfassung verliehene Ausnahmebefugnis ist oder – wie nach US-amerikanischem Verfassungsverständnis – eine immanente Parlamentskompetenz (§ 18). Die Beantwortung dieser Frage ist nicht nur von verfassungstheoretischem Interesse, sondern auch für die Frage relevant, welche Mittel der Bundestag ergreifen kann, würden – nach US-amerikanischem Vorbild – Untersuchungsverfahren stärker in die ständigen Ausschüsse verlagert. Aus der kritischen Auseinandersetzung mit der parlamentarischen Untersuchungspraxis in beiden Ländern werden Schlussfolgerungen für entsprechende Reformüberlegungen in der Bundesrepublik gezogen und auf ihre rechtlichen und praktischen Übertragungsmöglichkeiten auf den Bundestag hin untersucht. Allerdings bedarf es hier nicht nur der Schwerpunktsetzung. Die Frage der Zweckmäßigkeit kann vielfach nur mit Blick auf die Indikatoren, die eine Reformbedürftigkeit nahe legen, behandelt werden. Mit der Grundannahme eines strukturellen Informations- oder Kontrolldefizits des Bundestages gegenüber der Bundesregierung, welches weitgehend unbestritten ist,31 wird darüber hinaus die politische Absicht unterstellt, dieses Ungleichgewicht zu verringern. Schwerpunktmäßig werden die Stärkung der ständigen Ausschüsse des Bundestages im Zusammenhang mit ad hoc-Untersuchungsverfahren, die Unterstützung durch Ermittlungsführer sowie die unterschiedliche Parlamentspraxis hinsichtlich des Zugangs elektronischer Medien erörtert.

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Morlok, in: Dreier: GG, Art. 44, Rn. 11; Götz, Informationsungleichgewicht zwischen Regierung, Verwaltung und Parlament, Vierteljahreszeitschrift für Kommunikationsforschung 33 (1988), S. 633; vgl. Harfst/Schnapp, Parlamentarische Kontrolle, S. 11 m. w. Nachw. Zum Thema Informationssymmetrien zwischen Legislative und Exekutive im Bereich der Sozialforschung, vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, der das Arbeitsverhältnis zwischen „Experten“ in der Bürokratie und „Laien“ auf den Parlamentsbänken beschreibt, S. 854-855; zur Kontroll- und Innovationseffizienz in der Praxis, mit Fallstudien: Damkowski, in: Damkowski, S. 105.

§ 2 Begriff und Funktion parlamentarischer Untersuchungen Ziel des Rechtsvergleichs ist die Frage, ob das parlamentarische Untersuchungsrecht in den Vereinigten Staaten Vorbild einer Reform des Untersuchungsrechts in der Bundesrepublik sein kann. Dies bedarf zunächst einer Begriffsbestimmung von „Parlamentarische Untersuchungen“, die unabhängig vom parlamentarischen Funktionstyp im präsidentiellen Regierungssystem der Vereinigten Staaten und dem parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik Grundlage der Analyse sein kann. I. Parlamentarische Untersuchungen als Informationsinstrumente Im Jahre 1913 beschrieb Egon Zweig das parlamentarische Untersuchungsrecht wie folgt: „Das parlamentarische Enqueterecht ist die der Volksvertretung, sei es grundgesetzlich, sei es durch ihre Geschäftsordnung eingeräumte oder bloß kraft Gewohnheitsrecht zukommende Befugnis, Tatsachen und Vorgänge festzustellen und zu untersuchen, deren Kenntnis zur Ausübung der parlamentarischen Funktionen erforderlich ist.“1

Der aus dem französischen stammende Begriff „enquête“ bedeutet amtliche Untersuchung oder amtliche Ermittlung. Der Wortbedeutung lässt sich entnehmen, dass es sich um einen Vorgang der Informationsgewinnung handelt. Informationen sind Mitteilungen, Nachrichten, Daten, die dem Informierenden bekannt und dem Informationssuchenden grundsätzlich unbekannt sind. Der Begriff „amtlich“ deutet auf einen sozialen Zusammenhang zwischen Informationsberechtigten und Informationspflichtigen hin. Dieses Merkmal ist insoweit zu vernachlässigen, als das Parlament auf der Suche nach Informationen nicht privat handelt. Jede Untersuchung hat einen Zweck. Ganz abstrakt ist Erkenntnis Ziel der Informationsgewinnung. Im Unterschied zur maschinellen Datenverarbeitung, bei der Eingabedaten erfasst, nach vordefinierten Operationen bearbeitet und Ausgangsdaten erzeugt werden, beinhaltet der Informationsverarbeitungsprozess durch den Menschen einen Bewertungsvorgang, der Sinnes-, Verstandes———————— 1

Zweig, Die parlamentarische Enquete nach deutschem und österreichischem Recht, ZfP, 1913, S. 265f.

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1. Teil: Einführung

und Vernunftserkenntnisse erzeugt. Parlamentarische Untersuchungen sind nicht nur Vorgänge der Informationsgewinnung, sondern auch der Informationsbewertung. Maßstab der Informationsbewertung ist die Durchsetzung richtiger Staatsbetätigung, also die Sicherung oder zumindest Erhöhung der Sachrichtigkeit staatlicher Entscheidungen. Diese Bewertung steht dem Parlament als ein am staatlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess beteiligtes Staatsorgan bei der Ausübung der Staatsgewalt kraft eigener Kompetenz zu. Lässt sich der Begriff der parlamentarischen Untersuchung darüber hinaus durch die Hinzunahme des Merkmals „zur Ausübung der parlamentarischen Funktionen“ konkretisieren, wie Zweig dies vorschlägt? Nach allgemeiner Ansicht im deutschen Schrifttum werden parlamentarische Untersuchungen durch die Funktionen des Parlaments bestimmt. Danach kann das Parlament alle erforderlichen Sachverhalte im Rahmen der Gesetzgebung, der Einsetzung, Abberufung und Kontrolle der Regierung, der Sicherung und Aufrechterhaltung der innerparlamentarischen Ordnung wie auch der politisch integrativen Funktion untersuchen. Dieser Ansicht entsprechen die Hauptgruppen parlamentarischer Untersuchungen, die sich im politik- und rechtswissenschaftlichen Schrifttum herausgebildet haben, Gesetzgebungsenqueten, die vorrangig Gesetzgebungsakte oder politische Initiativen vorbereiten sollen, Kontrollenqueten, die der Kontrolle der Exekutive dienen, Kollegialenqueten, welche die innerparlamentarische Ordnung aufrechterhalten sollen, insbesondere Wahlund Abgeordnetenenqueten und politisch-propagandistische Enqueten bzw. Missstands- oder Skandalenqueten, deren Ziel es ist, allgemeines, öffentliches Interesse zu beanspruchen. Die Autoren sind einhellig der Auffassung, dass es sich bei dieser Funktionszuordnung um eine rein deskriptive handele, der keine normativen Grenzen zu entnehmen seien. Grund dafür ist, dass die Funktionen des Parlaments nicht trennscharf voneinander zu isolieren sind.2 Der Zielrichtung einer Untersuchung lässt sich somit kein Merkmal zur Konkretisierung des Begriffs parlamentarische Untersuchung entnehmen.3 Insbesondere für das parlamentarische Regierungssystem bedarf der Begriff eines weiteren Merkmals. Die Informationsgewinnung muss unabhängig von anderen Staatsorganen erfolgen. Grundsätzlich stellt die im parlamentarischen Regierungssystem vom Vertrauen des Parlaments getragene Regierung als „informierte Gewalt“ alle Informationen, derer das Parlament zur Erfüllung seiner

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Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 20ff., Stern, Staatsrecht, Bd. 1, S. 61ff., Morlok, in: Dreier: GG, Art. 44, Rn. 16. 3 Demzufolge erübrigt sich an dieser Stelle auch die Stellungnahme dazu, ob das Untersuchungsrecht nach Art. 44 GG ein spezifisches Kontrollrecht gegenüber der Exekutive ist, oder ein sachlich unbegrenztes allgemeines Informationsrecht (h.L.), siehe zu diesem Streit § 4.II.11.

§ 2 Begriff und Funktion parlamentarischer Untersuchungen

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Aufgaben bedarf, zur Verfügung.4 Aufgabe des Parlaments ist die Kontrolle der dem Parlament verantwortlichen Regierung und der übrigen Exekutive. Grundsätzlich dienen Fragerechte der Abgeordneten und Antwortpflichten gegenüber der Regierung der Wahrung dieser Kontrollfunktion. Unmittelbare Aufklärungsrechte, wie bspw. Akteneinsicht und Zeugenvernehmung gelten als nicht erforderlich. Ist das Vertrauensverhältnis zur Regierung gestört oder stellt sich die mittelbare Informationsbeschaffung als unzureichend oder ungeeignet dar, nimmt das Parlament das Recht zur Selbstinformation in Anspruch.5 Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach Art. 44 GG ist in diesem Fall das stärkste und schärfste Instrument zur Verwirklichung des parlamentarischen Informationsanspruchs. Es kann also zwischen Fremd- und Selbstinformation unterschieden werden.6 Erfolgt die Informationsvermittlung mittelbar durch Auskunft seitens der Regierung, d.h. kann die Regierung über Inhalt und Umfang der Unterrichtung selbst befinden, handelt es sich um Fremdinformation. Dies ist bei Stellungnahmen, Berichten und Antworten im Rahmen des parlamentarischen Fragerechts der Fall. Kann das Parlament selbst in Akten einsehen und Auskunftspersonen selbst hören, handelt es sich um Selbstinformation, wie bspw. bei Ausschuss-Hearings. Im präsidentiellen Regierungssystem, in dem die Exekutivspitze dem Parlament nicht direkt verantwortlich ist und Kongress und Präsident auf eigenen Legitimationen beruhen, erfolgen Untersuchungen des Kongresses in weit größerem Ausmaß unabhängig und unmittelbar von der Regierung. Für beide Regierungssysteme gilt aber, dass der Übergang zwischen Fremd- und Selbstinformation fließend ist. Denn auch das Verhältnis Parlament und Regierung in den Vereinigten Staaten unterscheidet sich von der Bundesrepublik im praktischen Bereich des Informationsaustausches nur graduell. Parlamentarische Untersuchungen sind damit Verfahren der Informationsgewinnung und Informationsbewertung unabhängig von anderen Staatsorganen. Darüber hinaus muss der Begriff in zwei Richtungen präzisiert werden. Informationen können auf informellen und auf formellen Wegen beschafft werden. Das Verfahren der Informationsgewinnung unterscheidet sich damit nach dem Grad der Formalisierung, dem Grad der „Verrechtlichung.“ Da es vorliegend um das Recht des Parlaments geht, unabhängig von anderen Staatsorganen Informationen zu beschaffen, kann es auch nur um die Informationsgewinnung ———————— 4

Zum Informationsanspruch des Abgeordneten vgl. BVerfGE 57, 1, 5; 67, 100, 129; Badura, Die Stellung des Abgeordneten nach dem Grundgesetz und den Abgeordnetengesetzen in Bund und Ländern, in: Schneider/Zeh, § 15 Rn. 40 (S. 489, 502); Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider/Zeh, § 52 Rn. 56 (S.1421, 1437). 5 Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44, Rn. 8. 6 Schneider, Opposition und Information – Der Altenvorlagenanspruch als parlamentarisches Minderheitenrecht, AöR 99 (1974) S. 628f.

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1. Teil: Einführung

in formalisierten Verfahren gehen, d.h. in Verfahren, in denen der Informierende dem Parlament gegenüber zur Auskunft rechtlich verpflichtet ist und diese Auskunftspflicht mit den Mitteln des Rechts durchsetzbar ist. Informelle Informationsbeschaffung ist nicht Gegenstand des parlamentarischen Untersuchungsrechts. Des Weiteren muss der Vorgang der Bewertung der gewonnenen Informationen im Parlament selbst bzw. aus dem Parlament heraus, jedenfalls aber in Wahrnehmung der parlamentarischen Informations- und Befassungskompetenz und nicht nur nebenbei erfolgen. Dazu zählt die Verarbeitung in parlamentarischen Verfahren und Prozessen genauso wie die Information der Öffentlichkeit über die Medien durch Parlamentarier. Dass beide Vorgänge, wenn auch nicht immer praktisch nachvollziehbar, aber doch theoretisch in einer logischen Verbindung miteinander stehen, erschließt sich aus dem Sinn und Zweck parlamentarischer Untersuchungen. Sie sollen Parlamentariern eine eigene Bewertung von Tatsachen und Vorgängen ermöglichen. Beruht die Bewertung des Parlaments auf der Bewertung eines anderen Staatsorgans, ohne dass das Parlament die Grundlage der Bewertung kennt, handelt es sich nicht mehr um eine parlamentarische Untersuchung. Parlamentarische Untersuchungen sind demnach formalisierte Verfahren, in denen das Parlament unabhängig von anderen Staatsorganen Informationen unmittelbar gewinnen, erzwingen und bewerten kann. Ohne sich in Widerspruch mit der Definition von Zweig zu setzen, kann auf den Hinweis, woraus sich dieses Recht ergibt, verzichtet werden. Ein Ziel der Arbeit ist es gerade zu zeigen, dass das parlamentarische Untersuchungsrecht den parlamentarischen Kompetenzen immanent ist, keiner speziellen Rechtsgrundlage bedarf und konkrete verfassungsrechtliche Normen Ausprägungen dieses allgemeinen Informationsrechts sind. II. Parlamentarische Untersuchungen als Kontrollinstrumente Es ist zu klären, wie sich der Begriff parlamentarische Untersuchung zum Begriff der parlamentarischen Kontrolle verhält. In Ergänzung zum klassischen Funktionskatalog Bagehots,7 der die Wahlfunktion, die Artikulationsfunktion bzw. Bildungs- oder Informationsfunktion und die legislative Funktion benennt, wird in neueren Arbeiten vor allem die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Exekutive genannt.8 Weder das Grundgesetz noch die amerikanische Verfassung enthalten eine ausdrücklich Kompetenz zur parlamentarischen Kontrolle. Trotzdem erkennt das Verfassungsverständnis in beiden Staa———————— 7

Kapitel IV. Vgl. dazu die Synopse der Funktionskataloge bei Schindler, Datenhandbuch, S. 2834-2847. 8

§ 2 Begriff und Funktion parlamentarischer Untersuchungen

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ten diese Aufgabe des Parlaments an, ohne sie genau zu definieren. Als Basis wird auf den Grundsatz der Gewaltenteilung verwiesen, der im System von Checks and Balances der USVerf. enthalten ist und in der Bundesrepublik „zu den tragenden Organisationsprinzipien des Grundgesetzes gehört, dessen Bedeutung in der politischen Machtverteilung, dem Ineinandergreifen der drei Gewalten und der daraus resultierenden Mäßigung der Staatsgewalt liegt“, so das Bundesverfassungsgericht in seiner Flick-Entscheidung.9 Krebs hat sich in seiner Arbeit „Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen“ eingehend mit dem Begriff „Kontrolle“ auseinandergesetzt. Überzeugend hat er darin u.a. dargelegt, dass parlamentarische Kontrolle keine eigenständige Parlamentsfunktion, sondern den Entscheidungs- und Mitwirkungskompetenzen des Parlaments immanent ist. Krebs beschreibt die Kontrollkompetenzen im Verhältnis zu den Entscheidungskompetenzen als akzessorisch.10 Folgt man seiner Argumentation, muss diese Annahme auch für das Untersuchungsrecht, als Voraussetzung und Bestandteil parlamentarischer Kontrolle, gelten. Ausgehend vom sprachlichen Ursprung des Wortes Kontrolle als Gegenrolle oder Gegenaufzeichnung, spannt Krebs den wortgeschichtlichen Bogen vom Zusammenhang mit staatlichen Finanzgebaren bei der Bestätigung der Richtigkeit von Geldbeständen bis hin zu dem Verständnis von als rechtliche, soziale oder anders begründete Macht zur Beeinflussung fremden Verhaltens.11 Er versteht unter Kontrolle die Beziehung zweier Faktoren oder Phänomene zueinander (Kontrollsubjekt und Kontrollobjekt bzw. Kontrollierender und Kontrollierter) und den Vorgang des Vergleiches eines Ist- und eines Sollzustandes mit einem Maßstab, gerichtet auf eine Beeinflussung. Mit dem Kriterium der Beeinflussung grenzt Krebs Kontrollieren vom reinen Beobachten ab. Mit dem Kriterium des Vergleichsvorgangs scheidet er Kontrolle von Entscheidung. Das Vergleichselement muss erhalten bleiben. Überwiegt das Moment der Einflussnahme, so verdrängt es den Vergleichsvorgang. Kontrolle würde dann zur Entscheidung. Damit ist Kontrolle nur gegenüber einem zur Entschließung und Entscheidung freien Entscheidungsträger möglich. Für den Begriff der parlamentarischen Kontrolle bedeutet dies, dass das Parlament Informationen benötigt, um den Ist- und Sollzustand staatlichen Entscheidens an Hand eines selbst definierten Kontrollmaßstabes, ausgerichtet an der Gesamtaufgabe „Staatsleitung“, vergleichen zu können. Darüber hinaus bedarf es eines Kompetenztitels, um Entscheidungsprozesse nicht nur beobachten, sondern gegebenenfalls beeinflussen zu können. Parlamentarische Untersu———————— 9

BVerfG 67, 100, 129. Krebs, Kontrolle, S. 143. 11 Krebs, aaO., S. 4. 10

1. Teil: Einführung

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chungen sind damit ein Unterfall parlamentarischer Kontrolle. Faktisch bedarf Kontrolle einer Informationsgrundlage; rechtlich bedarf die Informationsgewinnung einer Kompetenz, im Verhältnis zu anderen staatlichen Entscheidungsträgern Auskünfte beanspruchen zu können.12 Krebs kommt zu dem Schluss, dass parlamentarische Kontrolle keine eigenständige Parlamentsfunktion sei, sondern prinzipiell in jedem Entscheidungsund Mitwirkungsprozess stattfindet. Parlamentarische Kontrolle sei nicht nur der auf negative Kritik gerichtete Prozess, Missstände im staatlichen Bereich aufzudecken, sie zu beheben und Regierungsentscheidungen nachträglich – gegebenenfalls mit der ultima ratio des Misstrauensvotums – politisch zu sanktionieren. Bereits durch die Teilnahme am Gesetzgebungsprozess nehme das Parlament einen bedeutsamen Teil der Kontrollressourcen in Anspruch. Parlamentarische Kontrolle sei keine „nachherige Aufsicht über fremde Aufgaben“13, sondern bereits die Teilnahme am „organisatorisch ausdifferenzierten Gefüge“ der Staatsleitung als ein System vielfach verschränkter Entscheidungskompetenzen.14 Diese Begriffsbeschreibung von Kontrolle entspricht dem angloamerikanischen Verständnis mit seinen Gewaltenverschränkungen, ausgedrückt im Verfassungsprinzip von ‚checks and balances‘. Aus diesem Begriffsverständnis parlamentarischer Kontrolle folgt für die vorliegende Arbeit, dass sich die Begriffe Kontrolle und Untersuchung insoweit decken und synonym verwendet werden können, als von Regierung und Verwaltung Informationen begehrt und erzwungen werden können, also im Bereich der Intra-Organ-Kontrolle. Ist das Informationsrecht Voraussetzung und Bestandteil parlamentarischer Kontrolle, folgt für das Untersuchungsrecht darüber hinaus, dass dieses ebenfalls als eine den parlamentarischen Entscheidungskompetenzen akzessorische, d.h. implizierte Kompetenz anzusehen ist: „Kontrollkompetenzen folgen […] auch dann entsprechenden Entscheidungskompetenzen, wenn sie nicht gesondert zugewiesen sind.“15 III. Parlamentarische Untersuchungen als Instrumente des politischen Kampfes Parlamentarische Untersuchungen sind immer auch Instrumente, die das im politischen System angelegte Spannungsverhältnis zwischen Machtträgern herausfordern. Da im Untersuchungsverfahren, im Gegensatz zum gerichtlichen ———————— 12

Krebs, aaO., S. 4ff., 164ff. So aber Kewenig, Staatsrechtliche Probleme, S. 31. 14 Krebs, aaO., S. 164f. 15 Krebs, aaO., S. 143; ausführlich siehe § 18. 13

§ 2 Begriff und Funktion parlamentarischer Untersuchungen

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Verfahren, unbestreitbar (partei)politische Interessen eine Rolle spielen, wird die Eignung von Untersuchungsausschüssen, einen Beitrag zur Wahrheitsfindung zu leisten, häufig in Frage gestellt.16 Die sog. prozessuale Wahrheit, die im (straf)gerichtlichen Verfahren einen Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts am rechtlichen Tatbestand ausrichtet, gibt es im Untersuchungsverfahren nicht. Es fehlt an einem behaupteten, sanktionierbaren Rechtsverstoß, einem Angeklagten, einem Richter. In der Tat fördern Untersuchungsausschüsse meist eine ganze Anzahl von zum Teil sehr gegenläufigen „Wahrheiten“ zu Tage. Abgesehen von der philosophischen Dimension des Wahrheitsbegriffs17 und abgesehen auch davon, dass es nicht Ziel der Strafgerichtsbarkeit ist, absolute Wahrheiten zu Tage zu fördern, sondern mit den beschränkten Mitteln der Sachaufklärung zu klären, ob der Anklagevorwurf sich erhärtet, muss der Ansatz, den Wahrheitsfindungsprozess im gerichtlichen Verfahren als Maßstab parlamentarischer Untersuchungen zu fixieren, scheitern. Der Anspruch der Wahrheitsfindung im gerichtlichen Verfahren wird nach anderen Determinanten bestimmt, nämlich nach denen des rechtlichen Tatbestands. Beide Verfahren stimmen aber darin überein, dass sie ihre Überzeugungskraft aus den logischen Denkgesetzen, denen die Beweisführung folgt, schöpfen. Denn die „richterliche“ Kraft im parlamentarischen Untersuchungsverfahren ist die Öffentlichkeit – sie ist der Souverän, den zu überzeugen Teil jeder politischen Betätigung ist. Damit geht es auch im parlamentarischen Untersuchungsverfahren um Wahrheitsfindung. Die Mittel, die zur Wahrheitsfindung beitragen, haben im Untersuchungsverfahren einen stärker diskursiven Charakter, als im gerichtlichen Verfahren. Häufig muss noch um den Maßstab gerungen werden, an dem sich die Beweisführung ausrichtet – die „Richtigkeit“ politischer Entscheidungen. Wie es keine absolute Wahrheit gibt, gibt es auch keine absolute Richtigkeit. Das Untersuchungsverfahren folgt dem gleichen Sinn aller anderen politisch-parlamentarischer Verfahren, ob mit kontrollierendem oder gesetzgebendem Charakter. Es gilt die Richtigkeit politischer Entscheidungsprozesse zu sichern oder deren Unrichtigkeiten festzustellen, um Korrekturen für die Zukunft zu ermöglichen. Befriedigender erscheint damit der Ansatz, die „Diskussion um die Wahrheit“ zum Sinn und Zweck des Untersuchungsverfahrens zu ———————— 16

So z.B. der Beschluss des 6. Deutschen Richtertages von 1925, der den Vorrang eines parallelen Strafverfahrens gegenüber dem Untersuchungsverfahren forderte: „Von der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung einer reinlichen Rechtspflege durchdrungen, erhebt der Deutsche Richtertag lebhaften Widerspruch gegen die Tätigkeit der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse neben dem ordentlichen Strafverfahren. Eine solche Ausdehnung dient nicht der objektiven Wahrheitsfindung; sie bedeutet die parteiische Durchkreuzung der Wahrheitsermittlung durch die unparteiische Rechtspflege.“, DRiZ 1925, Beilage, S. 25. 17 So z.B. Häberle, Wahrheitsprobleme im Verfassungsstaat, S. 17ff., 90ff.

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1. Teil: Einführung

erklären. Die Diskussion um die Wahrheit ist im demokratischen System ein gewichtiges Anliegen. Die Erhebung von Beweisen dient dazu, den Parlamentariern eine sachliche Diskussionsgrundlage zu verschaffen. Die Diskussion um die Richtigkeit staatlicher Entscheidungen ist von solchen Wichtigkeit, dass an eine Obstruktion des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens, sei es durch Falschinformation oder unberechtigte Nichtinformation, besondere Rechtsfolgen gegenüber unkooperativen Auskunftspersonen geknüpft sind. Sie sichern die Integrität des Verfahrens und die Sachlichkeit des Diskussionsprozesses. Als Instrumente des politischen Kampfes spielen Untersuchungsverfahren auf Grund der öffentlichen Aufmerksamkeit, die sie zu erregen vermögen, eine bedeutende Rolle für die Opposition. Im Kongress wie im Bundestag geht es den Akteuren im politischen-parlamentarischen Verfahren auch darum, die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen. Aus dem Umstand, dass im parlamentarischen System die Regierung von der Parlamentsmehrheit gestürzt werden kann folgt zwar nicht, dass die parlamentarische Kontrolle nur noch von der Minderheit wahrgenommen wird. Allerdings kommt der Parlamentsminderheit eine entscheidende Wächterfunktion zu. Die Regierung schuldet ihr Rede und Antwort und ist damit der Minderheit als Teil der Ganzheit des Parlaments verantwortlich. Die parlamentarische Minderheit ist in aller Regel auf die Mobilisierung der Öffentlichkeit und bei anfallenden Mehrheitsentscheidungen auf Einflussnahme beschränkt. Die wichtigen Entscheidungen über Gesetzgebung und Haushalt bedürfen der Parlamentsmehrheit. Wird die Kontrolle auf öffentliche Kritik beschränkt, liegt parlamentarische Kontrolle im wesentlichen bei der Opposition, wird Kontrolle hingegen auf die eigene sanktionierende Entscheidungsfähigkeit bezogen, ist die Kontrolle der Parlamentsmehrheit gemeint. „Sanktionierende“ Legislativgewalt bedarf einer Parlamentsmehrheit, wie bspw. der Erfolg einer Vertrauens- bzw. Misstrauensfrage. Im parlamentarischen Regierungssystem wird an die parlamentarische Kontrolle der Anspruch gerichtet, der gesamtparlamentarischen wie auch der oppositionellen, also vorwiegend auf die öffentliche Kritik gerichteten Kontrolle gerecht zu werden. Deshalb wird der Untersuchungsausschuss als das schärfste Kampfmittel bezeichnet, das der parlamentarischen Minderheit die Möglichkeit gibt, die Regierung vor die Öffentlichkeit zu zwingen. Dieser Anspruch wirksamer parlamentarischer Kontrolle wird, um dies hier vorwegzunehmen, im dualistisch geprägten präsidentiellen Regierungssystem nicht gestellt. Die Opposition im US-Kongress ist nicht mit der oppositionellen parlamentarischen Minderheit nach bundesdeutschem Verständnis gleichzusetzen. Die Frontlinie der politischen Auseinandersetzung im Kampf um die öffentliche Meinung folgt nicht zwingend dem parteipolitischen Kräfteverhältnis.

§ 2 Begriff und Funktion parlamentarischer Untersuchungen

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IV. Restbestand begrifflicher Unklarheit Zur begrifflichen Abgrenzung parlamentarischer Untersuchungsverfahren von anderen parlamentarischen Aufklärungsinstrumenten wurden folgende Merkmale herausgearbeitet: – Es handelt sich um Selbstinformationen des Parlaments unabhängig von anderen Staatsorganen. – Im Gegensatz zu kontinuierlichen Untersuchungen (z.B. wiederkehrende Berichtspflichten) gibt es für die ad hoc- Untersuchung einen besonderen Anlass. – Auskünfte können durch Zwangsmittel erlangt werden. Dogmatisch sind diese Merkmale allerdings von geringer Ergiebigkeit. Es verbleibt ein Restbestand begrifflicher Unklarheit, verbunden mit der Schwierigkeit parlamentarische Untersuchungen realiter eindeutig einzuordnen. Dieses Problem besteht in den beiden zu vergleichenden Staaten gleichermaßen. Die Gründe dafür decken sich teilweise. Unter ‚oversight‘ ist grundsätzlich jedes Aufsichts- oder Kontrollverfahren des Kongresses zu fassen. Tendenziell kann zwischen ‚investigative oversight‘ und ‚regular oversight‘ unterschieden werden. Unter ‚regular oversight‘, auch ,traditional‘ oder ‚ordinary oversight‘ genannt, ist die kontinuierliche Regierungs- und Verwaltungskontrolle zu verstehen. ‚investigative oversight‘, auch ‚full dress investigations‘, sind hingegen anlassbezogene Untersuchungen, in denen das Parlament einen Sachverhalt selbstständig ermittelt und in denen gegebenenfalls Zwangsmittel zum Einsatz kommen können. Sie entsprechen den ad hoc-Untersuchungen nach Art. 44 GG in der Bundesrepublik. Die Grenzen sind allerdings fließend und in der Praxis äußerst schwierig zu ziehen. Grund dafür ist, dass für investigative Untersuchungen nicht der Einsatz eines Sonderausschusses erforderlich ist, der ein formales Abgrenzungsmerkmal zur Verfügung stellen würde, sondern alle ständigen Ausschüsse des Kongresses gegebenenfalls über Zwangsmittel verfügen können. Damit können sich reguläre Untersuchungen in investigative verwandeln, während Untersuchungen, die als investigative beginnen, möglicherweise ohne Zwangsmittel auskommen. Diese Eigenheit ist eng verbunden mit dem strategisch-taktischen Element von Politik. Anlässe für parlamentarische Untersuchungen können nicht nur Vermutungen oder Behauptungen politischer Fehlleistungen sein. Sollen politische Programme besondere Aufmerksamkeit erlangen, kann versucht werden, die parlamentarischen Untersuchungen anhaftende öffentlichkeitswirksame Kraft zu nutzen. Zwangsmittel können ihre Kraft im Drohpotential erreichen, ohne dass es letztlich überhaupt zum Einsatz oder zur Einleitung einer anlassbezogenen, parlamentarischen Untersuchung kommt. Selbst die rechtswissen-

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1. Teil: Einführung

schaftliche Literatur in den USA ist daran gescheitert, den Begriffen ‚regular‘ und ‚investigative oversight‘ eine klare Struktur zu verleihen. In Deutschland besteht zudem das bereits angeführte Problem, dass der Begriff „parlamentarische Untersuchung“ im Sprachgebrauch in der Regel mit dem in Art. 44 GG genannten Begriff des Untersuchungsausschusses gleichgesetzt wird, obwohl bspw. auch die Sachverständigenanhörung nach § 70 GOBT eine Form der Selbstinformation des Parlaments ist. Auch die seit der Einführung des Instituts der Enquete-Kommission angenommene faktische Unterscheidung zwischen Gesetzgebungs- und Kontrollenqueten hat keinen normativen Anhaltspunkt und trägt nur scheinbar zur Klarheit der Begriffe bei. Hinzu kommt die jahrzehntelang tradierte strafprozessuale Prädetermination der Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG. Daraus folgt, dass „parlamentarische Untersuchungen“ mit den Merkmalen „Selbstinformation“, „Anlass“ und „Zwangsmittel“ weder theoretisch abschließend zu beschreiben noch parlamentspraktisch in Reinform erkennbar sind.

§ 3 Historische Wurzeln des parlamentarischen Untersuchungsrechts Die Ursprünge des Rechts des Parlaments, Sachverhalte unabhängig von anderen Staatsorganen aufzuklären liegen – wie die Ursprünge des Parlamentarismus überhaupt – im mittelalterlichen England. Hier finden sich auch die Wurzeln des Untersuchungsrechts deutscher und US-amerikanischer Prägung. Da die Einflüsse bis in die heutige Zeit erkennbar sind, soll ein kurzer Blick in die historische Entwicklung des Untersuchungsrechts der Arbeit vorangestellt werden. I. England Als Teilhaber an der politischen Macht manifestierten sich bereits im 14. Jahrhundert die Select Committees of Inquiry, die als Sonderausschüsse im Gegensatz zum ständigen Ausschuss (‚committee of the whole house‘) eingesetzt wurden. Sie dienten der Unterstützung des Parlaments und verfügten über die klassischen Beweiserhebungsrechte „to send for persons, papers and records.“1 Die Select Committees folgten dem Beispiel der königlichen Untersuchungskommissionen (Royal Commissions of Inquiry), deren Ursprünge bis ins 11./12. Jahrhundert zurückgehen. So ließ Wilhelm I. zwischen 1080-86 die gesamten Besitzverhältnisse im normannischen England durch die Doomsday Commission untersuchen, um sich einen Überblick über die königlichen Besteuerungsmöglichkeiten zu verschaffen. Die Untersuchung „Inquest of Sheriffs“ des Jahres 1176 hatte die Inspektion lokaler Autoritäten und Beamter zum Gegenstand.2 Im 16. Jahrhundert war es gängige Parlamentspraxis, besondere Ausschüsse zum Zwecke der Untersuchung von Zuständen oder zur Prüfung der Wählbar———————— 1 Zur Geschichte der Select Committees: Redlich, Recht und Technik des englischen Parlamentarismus, S. 469ff., der die erste parlamentarische Untersuchung „zur Prüfung der Rechnungen über die Verausgabung der letztbewilligten Subsidie“ auf das Jahr 1340 datiert; Gascard, Untersuchungsrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 5ff.; Ziemske, Untersuchungsrecht England, S. 31ff. 2 Clokie/Robinson, Royal commissions of inquiry; the significance of investigations in British politics, S. 28ff.

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1. Teil: Einführung

keit eines Abgeordneten einzusetzen.3 Mit dem Zuwachs an Macht und Kompetenz des englischen Parlaments wuchs auch der Wirkungskreis der Select Committees. Die Aufgabengebiete reichten von Wahl- und PrivilegienEnqueten4 bis zu Beschwerde-, Handels- und Religions-Enqueten.5 Erst durch die Übertragung der Redaktionsaufgaben an die ständigen Fachausschüsse (‚grand standing committees‘) im Jahre 1581 wurden die Select Committees zu reinen Untersuchungsausschüssen.6 Dies änderte sich mit dem Übergang des „politischen Schwergewichts“ auf das Parlament. Während des Kampfes gegen Charles I. und des Bürgerkrieges setzte das Long Parliament ab 1640 eine Reihe von Select Committees ein, die neben Untersuchungsaufgaben- auch Aufgaben der Gesetzesvollziehung übernahmen.7 Mit dem Wandel zur parlamentarischen Monarchie und der Herausbildung des Kabinettssystems wurden die Select Committees zunehmend zum Instrumentarium der parlamentarischen Kontrolle der Regierung. Die Mitglieder des Kabinetts handelten im Namen des Königs und waren ausschließlich der Krone verantwortlich. Die damit verbundene Skepsis des Parlaments gegenüber der königlichen Exekutive äußerte sich – bereits vor der Neuordnung des politischen Kräfteverhältnisses im Jahre 1688 – beispielhaft in der Untersuchung eines Select Committee des House of Commons im Jahre 1679 gegen den zuständigen Minister der Marine, Samuel Pepys, der sich für behauptete Geldverschwendung des Lord High Admiral verantworten sollte.8 Der Gebrauch der Select Committees konnte die Royal Commissions, die bis dahin über erhebliche Machtbefugnisse, insbesondere rechtsprechender Natur verfügten, zurückdrängen. Die Praxis der Royal Commissions beruhte auf der bereits zu Beginn der Parlamentsentwicklung erwachsenen Auffassung, dass das englische Parlament zugleich oberster Gerichtshof (‚high court of parliament‘) sei. 9 Darüber hinaus wurden mit der Bill of Rights im Jahre 1689 die quasi richterlichen Befugnisse der Royal Commissions ‚to hear und to determine‘ auf die Befugnis ‚to inquire‘ beschränkt. 1858 erhielten die Select Committees des Oberhauses – 1871 die des Unterhauses – die Befugnis, selbstständig unter Eid zu vernehmen, soweit ihnen dies die Einsetzungsresolution (‚order of reference‘) erlaubte. Die Vernehmung unter Eid war bis dahin dem Plenum als Ganzes vorbehalten gewesen. ———————— 3

Redlich, Recht des englischen Parlamentarismus, S. 469. Z.B. Select Committee aus dem Jahr 1553 zur „Prüfung der Wählbarkeit des Prebendary of Westminster, A. Novell“, Redlich, aaO., S. 469. 5 Ziemske, Untersuchungsrecht England, S. 31. 6 Gascard, Untersuchungsrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 6. 7 Redlich, aaO., S. 478. 8 Ziemske, aaO., S. 32. 9 Hatschek, Englisches Staatsrecht, S. 559; Redlich, aaO., S. 456f. 4

§ 3 Historische Wurzeln

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Ihren Rang neben den Royal Commissions konnten Select Committees als Untersuchungsgremien damit behaupten. Gleichzeitig mussten sie mit der Festigung des parlamentarischen Regierungssystems und des Parteienwesens den Verlust ihrer politisch-praktischen Bedeutung im Rahmen der Kontrolle der Exekutive erfahren. Liegt die Exekutive vollständig in den Händen der von der Parlamentsmehrheit getragenen Regierungspartei, ist die Opposition nicht mehr das Parlament als Ganzes. Der politischen Logik entsprechend hat die Regierung kein Interesse daran, in öffentlichen Beweisaufnahmen der Untersuchungsausschüsse kritisiert zu werden. Mit dem faktisch ersten Premierminister Sir Robert Walpole, der als „Meister der Bestechungskunst“ galt,10 begann zudem eine Entwicklung der ausgeprägten Parteilichkeit parlamentarischer Untersuchungen, die deren Ergiebigkeit zur Kontrolle des Regierungshandelns deutlich reduzierte.11 Walpole verstand es während seiner Amtszeit (17211742) in besonderem Maße, die Macht der Whigs durch Ämterpatronage zu konsolidieren und auszubauen. Zur Sicherung einer stabilen Mehrheit im Unterhaus dienten vor allem Pensionen aus dem Schatzamt (Secret Service Fund), dem Walpole selbst vorstand, und die sog. Placemen. Als Placemen wurden dabei jene Unterhausabgeordneten bezeichnet, die von der Krone ein oft nur mit unbedeutender Arbeit verbundenes, aber Geld und Ansehen bringendes Amt erhielten. Die Untersuchungstätigkeit von Parlamentsausschüssen verlagerte sich in diesem Zusammenhang auf allgemein gesellschaftliche Missstände und die Vorbereitung von Gesetzesvorhaben.12 Die öffentliche Kritik am klassischen Untersuchungsverfahren der Select Committees kulminierte mit dem Marconi-Skandal im Jahre 1912.13 Mitglieder der liberalen Regierung waren dem Vorwurf der Korruption bei der Vergabe von Aufträgen zur Errichtung einer Kette staatseigener Telegraphenstationen durch die englische Marconi-Company ausgesetzt. Der Abschlussbericht der Mehrheitsfraktion sprach die Regierungsmitglieder vom Vorwurf frei, der Minoritätsbericht der konservativen Partei bestätigte den Vorwurf. Das Bedürfnis ———————— 10

Hatschek, aaO., S. 565. Offiziell wurde der Titel Premierminister erst 1905 eingeführt. Walpole kam 1701 ins Parlament, wurde 1708 zum Kriegsminister ernannt und 1710 Schatzmeister der Flotte. Kurze Zeit später musste Walpole wegen der Wahlniederlage der Whigs zurücktreten, 1712 wurde er von den Tories wegen Korruption angeklagt und kurzzeitig inhaftiert. Nachdem 1714 Georg I. den englischen Thron bestieg, wurde Walpole 1715 ins Kabinett zurückgeholt, musste 1717 kurzzeitig wegen eines Konflikts unter den königlichen Beratern zurücktreten und kehrte 1721 ins Kabinett zurück. 11 Keeton, Trial and Tribunal, S. 29ff.; Clokie/Robinson, Royal commissions of inquiry, S. 8ff. 12 So fanden die Select Committees zur Vorbereitung der großen Sozialreformen des 19. Jahrhunderts außerparlamentarisch große Anerkennung, vgl. Ziemske, Untersuchungsrecht England, S. 32 m.w.Nachw. 13 Ziemske, aaO., S. 31ff.

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1. Teil: Einführung

nach Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Untersuchungen politischer Skandale beendete die Periode der Untersuchungsausschüsse auf ad hoc-Basis und leitete die Periode der sog. Tribunals of Inquiry ein. Auf der Grundlage des Tribunal of Inquiry Act aus dem Jahr 1921 konnten Untersuchungskommissionen eingesetzt werden, die ihrem Charakter nach als zwischen parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und Gerichten stehend beurteilt werden können. Mit quasi-judiziellen Befugnissen ausgestattet, hatten sie die Aufgabe, Missstände in Politik, Verwaltung und Wirtschaft zu untersuchen.14 Durch eine Anzahl von Untersuchungsverfahren unter dem Vorsitz von unabhängigen Kommissaren mit großer Reputation konnte das Vertrauen in die staatlichen Institutionen wiederhergestellt werden.15 Die Untersuchungsführer der Tribunale werden von der jeweiligen Regierung bestimmt. Ein Beispiel für die Untersuchung durch ein Tribunal aus jüngster Zeit ist die Kommission, die unter Leitung des Richters Brian Hutton die Umstände zu untersuchen hatte, die zum Tod des Regierungsbeamten David Kelly am 17. Juli 2003 führten.16 Infolge der Vernachlässigung der Minderheitenrechte verkümmerte das parlamentarische Untersuchungsrecht und konnte nur teilweise durch Verfahren, die auch der Opposition im Plenum durch verschiedene Debattemöglichkeiten und Fragestunden das Forum der öffentlich wirksamen Kritik eröffneten, kompensiert werden. Allerdings führte die Parlamentsreform im Jahre 1979 die sog. Departmental Select Committees des House of Commons ein und brachte so zumindest teilweise das Untersuchungsrecht zurück ins Parlament. Diese Kontrollausschüsse stehen weder im Zusammenhang mit den Tribunalen noch ersetzen oder ergänzen sie diese. Es handelt sich um ressortorientierte ständige Sonderausschüsse, die das wachsende Informationsgefälle zwischen Regierung und Parlament einebnen sollen.17 Theoretisch bestehen die drei Institute der Select Committees of Inquiry, der Departmental Select Committees wie auch der Untersuchungstribunale – ohne konkrete juristische Kompetenzabgrenzung – nebeneinander. Gascard begründet dieses Charakteristikum des englischen Verfassungsrechts damit, dass „es kaum ein Institut gibt, das, einmal eingeführt, leicht wieder aufgegeben wird, selbst wenn es lange obsolet geworden sein sollte.“

———————— 14

Gascard, Untersuchungsrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 22. Dazu ausführlich Ziemske, aaO., S. 34. 16 Süddeutsche Zeitung v. 23.8.2003; (5.7. 2004). 17 Ziemske, Untersuchungsrecht England, S. 48ff. 15

§ 3 Historische Wurzeln

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II. Deutschland Das Bild des parlamentarischen Untersuchungswesens in Deutschland wird primär durch die sog. ad hoc-Untersuchungsausschüsse, deren verfassungsrechtliche Grundlage Art. 44 GG ist, geprägt. Der Bundestag hat das Recht und, auf Antrag von einem Viertel seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der in „öffentlicher Verhandlung“ die erforderlichen Beweise erhebt. Diese Regelung geht in ihrem Ursprung auf die methodischen Vorarbeiten Max Webers zurück, der 1918 vom Staatsrechtler und späteren Innenminister der Weimarer Republik, Hugo Preuß, zu den Beratungen hinzugezogen wurde und einen Gesetzesvorschlag erarbeitet hatte. Webers Vorbild waren die englischen Select Committees.18 Um den in England mit dem Übergang zum parlamentarischen Regierungssystem politisch unbrauchbar gewordenen Untersuchungsgremien die Schwäche zu nehmen, trat Weber dafür ein, das Untersuchungsrecht unbedingt auch als Recht der Minderheit auszugestalten. Dieser Gedanke fand Eingang in den späteren Art. 34 WRV, den fast wortgleichen Vorläufer des Art. 44 GG. Gleichzeitig lagen Webers Überlegungen die Erfahrungen im deutschen Raum zugrunde. Das Untersuchungsrecht war schon vor 1918 bekannt und in den Territorialverfassungen vereinzelt geregelt. Erstmals werden 1816 Ausschüsse „zur Anstellung von Untersuchungen […] wo die Versammlung es dienlich findet“ in § 91 der Verfassung Sachsen-Weimar-Eisenach erwähnt. Dabei handelte es sich um eine Mischung von Frage- und Untersuchungsrecht. Ein klares Rechtsinstitut entwickelte sich daraus nicht. Die vorläufige Geschäftsordnung der Frankfurter Nationalversammlung enthielt in § 24 für alle Ausschüsse das Recht, „Zeugen und Sachverständige vorzufordern, zu vernehmen und vernehmen zu lassen oder mit Behörden in Verbindung zu treten.“19 § 99 der Paulskirchenverfassung regelte die selbstständige Befugnis des Parlaments zur „Erhebung von Thatsachen.“20 Allerdings erlangte auch das in den Territorialverfassungen nach der Revolution von 1848 geregelte Untersuchungsrecht – wie bspw. in Art. 82 der revidierten Verfassung der preußischen Landesverfassung vom 31. Mai 1850, wonach die Kammern die Befugnis hatten, „behufs ihrer Informationen Kommissionen zur Untersuchung von Tatsachen zu ernennen“ – mangels Ausführungsbestimmungen keinerlei praktische Bedeutung. Alle Versuche nach 1848, das Untersuchungsrecht rechtlich und praktisch zu etablieren, scheiterten sowohl in Preußen als auch im Kaiserreich an der monarchischen Exekutive. So erstickte Bismarck bspw. die Wahlenquete des Preußischen Abgeordnetenhau———————— 18

Weber, Parlament und Regierung, S. 351ff. St.B.NV. 9. Sitz. v. 29.5.1848, S. 3138f. 20 Verfassung v. 28.3.1849, Art. V., § 99. 19

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1. Teil: Einführung

ses 1863/64 im Keim. Dem Untersuchungsausschuss zur Überprüfung von Wahlmanipulationen der Regierung wurden jegliche selbstständigen Ermittlungsbefugnisse verweigert. Am 28. November 1863 wurde der Untersuchungsausschuss „behufs der Information des Hauses wegen der bei den letzten Wahlen der Abgeordneten vorgenommenen gesetzwidrigen Beeinflussung und noch fortwährenden Verfolgung der Wähler und Verkümmerung des verfassungsmäßigen Wahlrechts und der Wahlfreiheit preußischer Staatsbürger“ eingesetzt. Dem folgte der ministerielle Erlass vom 18. Dezember 1863, „alle mittelbaren und unmittelbaren Staatsbeamten Requisitionen irgendwelcher Art seitens der sog. Untersuchungskommission des Hauses der Abgeordneten keinerlei Folge zu geben.“.21 Das Abgeordnetenhaus seinerseits erklärte die Weisung für verfassungswidrig. Trotzdem waren die Beamten Disziplinarmaßnahmen ausgesetzt, was zu einem unüberbrückbaren Loyalitätskonflikt führte. Trotz der Behinderungen gelang es zwar dem Untersuchungsausschuss einige Bürger und Beamte als Zeugen zu vernehmen22 und einen Bericht zu erstellen.23 Ein vollständiges Bild der Vorgänge konnte dieser demzufolge jedoch nicht zeichnen. Zwischen 1871 und 1918 gab es keinen Untersuchungsausschuss mit Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung. Bis 1918 war das Untersuchungsrecht damit ein Frage- und Informationsrecht des Parlaments, das auf die Kooperation der Regierung angewiesen war. Ein eigenständiges Informations- und Kontrollinstitut konnte sich erst mit dem Zusammenbruch des Kaiserreiches und der Parlamentarisierung der Regierung entwickeln.24 Nach Webers Vorstellung musste das Parlament deshalb einerseits in die Lage versetzt werden, sich unabhängig von der Exekutive Informationen zu verschaffen. Dazu sollte der Reichstag das Recht haben, Untersuchungsausschüsse ad hoc einzusetzen, welche selbstständig Zeugen und Sachverständige anhören können. Darüber hinaus sollte durch „effektive Parlamentskontrolle“ und öffentliche Zeugenvernehmung die „Publizität der Exekutive“ erzwungen werden können.25 Den bekannten Gefahren möglicher Mehrheitswirtschaft stellte Weber damit das als Minderheitenrecht ausgestaltete „Gegengewicht der Publizität“ entgegen.26 Die Entwurfsfassung der WRV enthielt noch als Einsetzungskriterium, „wenn die Gesetzlichkeit und Lauterkeit von Regierungs- und Verwaltungs———————— 21

Zit. nach: Steffani, Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtages, S. 56. St.B.AH. 1863/64, Bd. 4, Anlagen, Nr. 95, S. 617ff., 654; 35. Sitz. v. 6.4.1865, S. 1004. 23 St.B.AH. 1863/64, Bd. 4, Anlagen, Nr. 85, S. 617ff. 24 Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44. Rn. 3. 25 Weber, aaO., S. 357. 26 Weber aaO., S. 355. 22

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maßnahmen angezweifelt wird“, was auf die verstärkte Kontrollfunktion von Untersuchungsausschüssen hindeutet. Dieser Halbsatz wurde während der Beratungen der Weimarer Nationalversammlung als zu unbestimmt gestrichen.27 Art. 34 Abs. 1 WRV enthält das Recht der Beweiserhebung und nimmt inhaltlich auf Art. 82 der Preußischen Verfassung Bezug, wonach EnqueteKommissionen die Befugnis zur selbstständigen Anhörung von Zeugen und Sachverständigen zustand.28 Darüber hinaus wurde das Recht auf Amtshilfe durch Aktenanforderung von Behörden in Abs. 2 geregelt. Für den Einsatz von Zwangsmitteln wurde eine eigene Rechtsgrundlage für erforderlich gehalten. Deshalb wurde während der Beratungen des Verfassungsausschusses der Verweis auf die Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung in Abs. 3 eingefügt, um zum Recht der Zeugeneinvernahme, das der Verfassungsausschuss mit Art. 34 Abs. 1 WRV als geregelt ansah, das Recht des Zeugniszwanges und der Zeugenvereidigung hinzuzufügen.29 Die endgültige Fassung von Art. 34 WRV lautete: (1) Der Reichstag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Diese Ausschüsse erheben in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich erachten. Die Öffentlichkeit kann vom Untersuchungsausschuß mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden. Die Geschäftsordnung regelt das Verfahren des Ausschusses und bestimmt die Zahl seiner Mitglieder. (2) Die Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebung Folge zu leisten; die Akten der Behörden sind ihnen auf Verlangen vorzulegen. (3) Auf die Erhebungen der Ausschüsse und der von ihnen ersuchten Behörden finden die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäße Anwendung, doch bleibt das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis unberührt.

Seinen neuen Standort fand das Untersuchungsrecht 1949 in Art. 44 GG. Dabei lehnt sich dieser eng an den Wortlaut seines Vorläufers Art. 34 WRV an. Darüber hinaus beeinflussten die Erfahrungen mit den Untersuchungsausschüssen der Weimarer Zeit von 1919 bis 1933 das Zustandekommen des endgültigen Wortlauts. Die parlamentarische Opposition hatte die Untersuchungsausschüsse weniger zur Kontrolle als zur agitatorischen Parteipolitik benutzt und damit die Arbeitsfähigkeit des Parlaments und der Regierung erheblich beeinträchtigt.30 Deshalb wurde in Art. 44 Abs. 1 GG das notwendige Einsetzungsquorum von einem Fünftel auf ein Viertel der Mitglieder des Bundestages er———————— 27 Vgl. § 52 des Preuß’schen Entwurfs zur Weimarer Reichsverfassung, in: Triepel, Quellensammlung zum Deutschen Reichsstaatsrecht, S. 14. 28 Vgl. v. Rönne/Zorn, Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie, S. 364. 29 Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Aktenstück Nr. 391, Bd. 336, S. 264ff. 30 Umfassend dazu Masing, Parlamentarische Untersuchungen, S. 44ff., Steffani, Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtages, S. 71ff.

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höht und das Beweiserhebungsrecht der Minderheit gestrichen. An Stelle der Vorschriften der Strafprozessordnung wurden in Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG im Interesse der Rechtssicherheit die Vorschriften des gesamten Strafprozesses für „sinngemäß“ anwendbar erklärt. In der rechtswissenschaftlichen Literatur ist ein Gesetz zur Regelung des Verfahrens der Untersuchungsausschüsse des Bundestages lange gefordert worden.31 Nach Jahrzehnten des Bemühens gelang es am 19. Juni 2001, das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Bundestages (PUAG) einstimmig zu beschließen.32 Das PUAG enthält Vorschriften für das Untersuchungsverfahren zwischen verschiedenen Trägern hoheitlicher Gewalt, für Außenbeziehungen, die mit Grundrechtseingriffen verbunden sind wie auch parlamentarisches Binnenrecht. Es ersetzt die sog. IPA-Regeln, einen Gesetzentwurf aus der 5. Wahlperiode, der von der Interparlamentarischen Arbeitsgruppe (IPA) erarbeitet wurde. Dieser erhielt zwar keine Mehrheit bei der Abstimmung, wurde aber regelmäßig mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Geschäftsgrundlage beschlossen.33 Das Untersuchungsrecht ist in den Verfassungen der deutschen Länder verankert. In den meisten Ländern wurde das Untersuchungsrecht durch ein Gesetz zur Regelung des Verfahrens vor den Untersuchungsausschüssen ergänzt.34 III. Vereinigte Staaten von Amerika Mit der Revolution der nordamerikanischen Kolonien (1776), der Staatsgründung (1791) und der Verfassungsgebung geht auch die Entwicklung des parlamentarischen Untersuchungsrechts in den Vereinigten Staaten einen vom englischen Mutterland losgelösten Weg. Trotz des sich verringernden Einflusses des englischen Parlamentsrechts und der Parlamentspraxis wird nach wie vor auf die englischen Wurzeln verwiesen: „The use of legislative committees to secure information follows the example of the people from whom our legislative system is derived. The British method has variations from that of the United States but fundamentally serves the same purpose – the enlightenment of Parliament for the better performance of its duties. There are standing committees to carry on the routine work, royal commissions to grapple with important social or economic problems, and special tribunals of inquiry for some alleged offense in government. Our Congress has since its beginning used the committee system to inform itself. It has been estimated that over 600 investigations have

———————— 31

Thaysen/Schüttemeyer, Bedarf das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse einer Reform?, S. 151ff. 32 BGBl. I., S. 1142; Zur Entstehungsgeschichte statt aller Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 90ff. 33 BT-Drs. V/4209. 34 Wiefelspütz, aaO., Untersuchungsausschussgesetz, S. 69 m.w.Nachw.

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been conducted since the First Congress. They are a necessary and appropriate attrib35 ute of the power to legislate.“

Weder das Untersuchungsrecht des Parlaments gegenüber der Regierung noch Befugnisse zwangsweiser Durchsetzung werden explizit in der Verfassung erwähnt. Das Untersuchungsrecht blieb nicht deshalb ungeregelt, weil es den Verfassungsvätern nicht bekannt war. Sie waren mit der englischen Parlamentsgeschichte wohlvertraut. Das Recht des Kongresses, Untersuchungen zur Erfüllung seiner ihm übertragenen Aufgaben zu führen, wurde vielmehr von Anfang an vorausgesetzt. Die ersten Untersuchungen des Kongresses folgten dem Vorbild der englischen Select Committees.36 Das Repräsentantenhaus setzte erstmalig 1792 einen solchen Untersuchungsausschuss ein, um zu klären, wie General St. Clair die Hälfte seine Truppen in einer Schlacht im damaligen Ohio-Gebiet verlieren konnte.37 Das Committee hatte das Recht „to call for such persons, papers and records, as may be necessary to assist their inquiries.“38 Allerdings machte es die Konzeption einer strikten Gewaltentrennung unmöglich, ein rechtlich abgrenzbares Instrument zu entwickeln. Exekutive Befugnisse werden dem Präsidenten zugewiesen (Art. II USVerf.). Legislative Aufgaben sind im Kongress gebündelt (Art. I USVerf.). Regierung und Parlament beruhen auf einer jeweils selbstständigen Legitimation und sind in ihrer Existenz nicht voneinander abhängig. Die Regierung kann das Parlament nicht auflösen, der Kongress die Regierung nicht abwählen. Es gibt kein dem Parlament verantwortliches Kabinett. Das Kabinettssystem lehnten die Väter der amerikanischen Verfassung ab, weil sie es für eine dem monarchischen Prinzip geschuldete und damit englische Besonderheit hielten.39 Zum anderen widersprach das Kabinettssystem der Idee eines starken und unabhängigen Präsidenten. Weder der Präsident noch seine Minister sollten dem Parlament direkt verantwortlich sein, um eine Instabilität des Regierungsapparats durch ad hoc-Mehrheiten im Parlament zu verhindern. Das Gewaltenteilungsprinzip der amerikanischen Verfassung wird allein durch ein komplexes System von Checks and Balances ergänzt, dem der Gedanke der wechselseitigen Einwirkung und das Prinzip der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung zugrunde liegen. Selbstständigen Untersuchungsbefug———————— 35

McGrain v. Daugherty, 273 U.S. 135, 175 (1927). Die Begriffe ‚select‘, ‚special‘ oder ‚ad hoc-committees‘ werden im Folgenden synonym verwendet. 37 Schlesinger, Congress Investigates, Vol. 1, S. 3ff. Die erste Senatsuntersuchung fällt in das Jahr 1818, die erste gemeinsame Untersuchung von Senat und Repräsentantenhaus in das Jahr 1861, vgl. Galloway, Investigations, S. 254. 38 3 Annals of Congress 490-494 (1792). 39 Hamilton, Federalist Papers No. 70, Wortlaut siehe S. 113. 36

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1. Teil: Einführung

nissen des Legislativorgans mussten deshalb verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen. Zwar hatte sich die Ansicht einer ausnahmslosen, strikten Gewaltentrennung bei Verfassungsgründung nicht durchsetzen können. Das amerikanische Regierungssystem ist von vielfältigen Gewaltenverschränkungen geprägt. Trotzdem musste die Ausübung exekutiver Befugnisse durch den Kongress, wie bspw. „to send for persons, papers and records“, oder deren zwangsweise Durchsetzung Grundzügen des Gewaltenteilungsprinzips widersprechen. Denn im Gegensatz zum englischen Parlament, das sich als oberster Gerichtshof (‚high court‘) verstand, konnten dem Kongress nicht ohne weiteres Untersuchungsbefugnisse zugestanden werden. Das Problem wurde durch die Lehre von den ‚implied powers‘ gelöst. Danach beinhaltet jede Zuweisung einer Pflicht auch das Recht auf die notwendigen Mittel zu ihrer Ausübung. Das Untersuchungsrecht gilt damit als in den Funktionen des Kongresses eingeschlossen („implied to the legislative functions“). Jede Gesetzgebungskompetenz, sei sie ausdrücklich, immanent oder resultierend, ermächtigt den Kongress zur selbstständigen Informationserhebung und Sachverhaltsaufklärung. Neben den Gesetzgebungskompetenzen sind die Mitwirkungsbefugnisse des Senats an der Besetzung höherer Beamtenposten durch den Präsidenten (Art. II. USVerf.), das Budgetrecht des Kongresses (‚power of purse‘)40 sowie das von England übernommene Verfahren der Amtsanklage (‚impeachment‘) zu erwähnen. Denn diese Verfahren setzten die Selbstinformation des Parlaments sachlogisch voraus. Die ‚implied powers‘Theorie ist 1927 durch den Supreme Court anlässlich des Teapot DomeSkandals bestätigt worden.41 Bis 1827 wurden Untersuchungen ausschließlich von ad hoc-Untersuchungsausschüssen (‚special investigating committees‘) geführt. Dies entsprach der Praxis der ersten Kongresse, über eine große Anzahl von flexibel einzusetzenden ad hoc-Ausschüssen zu verfügen. Schnell wurde allerdings erkannt, dass die jeweilige Einsetzungsprozedur und die nicht mehr zu überschauende Anzahl zu Hindernissen wurde. Der dritte Kongress verfügte noch über 350 ad hoc-Ausschüsse. Die Tendenz ging damit zu ständigen Ausschüssen (‚standing committees‘). Bis 1810 waren im Repräsentantenhaus 10 ständige Ausschüsse eingerichtet. Bis 1816 installierte der Senat 12 ständige Ausschüsse. Bis 1844 hatte sich die Anzahl der ‚standing committies‘ verdoppelt.

———————— 40

„No money shall be drawn from the Treasurey but in consequence of appropriations made by law.“, Art. I Sect. 9 Cl. 7. 41 McGrain v. Daugherty, 273 U.S. 135, 175 (1927). Zum Hintergrund der Affäre und der Gerichtsentscheidung siehe § 12 I., S. 158.

§ 3 Historische Wurzeln

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Zur Zeit des Bürgerkrieges verfügte das Repräsentantenhaus über 39, der Senat über 22 ständige Ausschüsse.42 Einem ständigen Ausschuss wurde für die Dauer einer Untersuchung die Befugnis „to send for persons and papers“ erstmalig 1828 übertragen.43 Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Autorisierung ständiger Ausschüsse mit der Durchführung vorübergehender Untersuchungsaufgaben auf Grund einer Resolution ständige Praxis geworden.44 Mit den Kongressreformen nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ‚special investigation committees‘ weiter zurückgedrängt. Die zwei Weltkriege wie auch die Zeit der Great Depression in den 1930er Jahre bedeuteten einen enormen Zuwachs an staatlicher Gestaltungsmacht, was den Kongress zu Reformen seiner inneren Struktur zwang. Die Empfehlungen der 1945 eingesetzten Gemeinsamen Kommission (Joint Committee on the Organization of Congress) fanden Eingang in die Kongressreform von 1946.45 Das Reformgesetz (Legislative Reorganisation Act, LRA) reorganisierte das Ausschusssystem, verbesserte den Zugang der Ausschüsse zu Informationen und die personelle Ausstattung der Ausschüsse. Erstmalig konnten alle Ausschüsse ständiges Personal eigenständig, d.h. ohne die bis dahin notwendige Zustimmung der Bewilligungsausschüsse einstellen.46 Darüber hinaus statuierte das Gesetz die Kontrolle der Gesetzesvollziehung im Sinne einer kontinuierlichen Überwachung (‚continuous watchfulness‘) und übertrug zu diesem Zweck durch Sect. 134c LRA allen ständigen Senatsausschüssen einschließlich der Unterausschüsse permanente Untersuchungsbefugnisse: „Each standing committee of the Senate, including any subcommittee of any such committee, is authorized to hold such hearings, […] to require by supoena or otherwise the attendance of such witnesses and the production of such correspondence, books, papers, and documents, to take such testimony […] as it deems advisable. Each such committee may make investigations into any matter within its jurisdiction.“47

———————— 42 Die Zahl der ständigen Ausschüsse stieg Anfang des 20. Jahrhundert weiter an. 1913 hatte das Repräsentantenhaus 61 und der Senat 74 ständige Ausschüsse. Meist waren der politische Einfluss und das mit dem Amt des Ausschussvorsitzenden verbundene Prestige für die Konstituierung neuer Ausschüsse ausschlaggebend. Um dem entgegenzuwirken, fasst das Repräsentantenhaus 1927 elf Ausschüsse zusammen. 1921 strich der Senat 40 Ausschüsse ersatzlos. 43 Dimock, Investigative Committees, S. 58. 44 Gascard, Untersuchungsrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 34. 45 Legislative Reorganization Act, 60 Stat. 832 (1946). 46 Bis zum Ende des 19. Jahrhundert war der Kongress eine Teilzeit-Institution, die den Mitgliedern kein eigenes Personal finanzierte. Deshalb war die Mitarbeiterzahl der Ausschüsse bis 1946 äußerst gering. 47 60 Stat., 828-829 (1946).

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1. Teil: Einführung

Das Repräsentantenhaus folgte diesem Beispiel in den 1950er Jahren und stattete zunächst den Bewilligungsausschuss (Committee on Appropriations) und den Ausschuss für Regierungsangelegenheiten (Committee on Government Operations) und später alle weiteren ständigen Ausschüsse mit Untersuchungsbefugnissen aus. Sect. 134c hatte sogar das Ziel, ‚special investigating committees‘ gänzlich zu unterbinden. Dieses Verbot hat sich aber in der Parlamentspraxis nicht durchsetzen können. Ad hoc-Untersuchungsausschüsse gibt es bis heute. In der Regel werden sie bei erwartungsgemäß großem Aufklärungsvolumen, bei Zuständigkeitsüberschneidungen zwischen verschiedenen ständigen Ausschüssen und vor allem bei Skandalen eingesetzt, welche die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit besonders in Anspruch nehmen oder nehmen sollen, wie bspw. das Watergate-Committee oder die Kommission zur Untersuchung der Terrorattacken vom 11. September 2001 (9/11-Commission)48. Die Übertragung von Zwangsbefugnissen erfolgt dann mit der Konstituierung eines Ausschusses durch Einsetzungsresolution der jeweiligen Kammer.

———————— 48 National Commission on Terrorist Attacks, H. Res. 4628, P.L. 107-306, Sect. 601 v. 27.11.2002, Hearings v. 31.3.2003-17.6.2004, Report: U.S. Government Printing Office, Washington D.C. 2004.

Zweiter Teil

Das Untersuchungsrecht in der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten 1. Abschnitt

Das Untersuchungsrecht des Deutschen Bundestages § 4 Parlamentarische Untersuchungen des Bundestages Dem Bundestag steht eine Reihe von Aufklärungsinstrumenten zur Verfügung. Formal unterscheiden sie sich danach, welchen Teilen des Parlaments sie zustehen – dem Plenum, dem Ausschuss, einzelnen Abgeordneten bzw. einer qualifizierten Minderheit – und danach, wie der Informationsanspruch rechtlich ausgestaltet ist – verfassungsrechtlich, einfachgesetzlich oder geschäftsordnungsrechtlich. Weiter können die Aufklärungsinstrumente danach unterschieden werden, ob sie auf Fremd- oder Selbstinformation gerichtet sind.1 So ist bspw. das parlamentarische Fragerecht ein Instrument der Fremdinformation, weil die Regierung Inhalt und Ausmaß der Unterrichtung bestimmt.2 Dazu gehören auch Stellungnahmen oder kontinuierliche Berichtspflichten der Bundesregierung. Dagegen sind (öffentliche) Ausschuss- oder Enqueteanhörungen, Zeugenvernehmung und Aktenvorlageanspruch im Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG Instrumente der Selbstinformation. Praktisch ist nicht immer nachvollziehbar, wo die Grenze zwischen Fremd- und Selbstinformation, also zwischen Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit der Informationsgewinnung, zu ziehen ist. ———————— 1

Zur Abgrenzung vgl. Schneider, Opposition und Information – Der Aktenvorlagenanspruch als parlamentarisches Minderheitenrecht, AöR 99 (1974), S. 628ff. 2 §§ 108, 116 Abs. 2 S. 3 GO-BT. Der Wortlaut von § 108 GO-BT geht, im Einklang mit seiner konstitutionalistischen Herkunft und den Stimmen der älteren verfassungsrechtlichen Literatur, vom Fehlen einer rechtlichen Antwortpflicht und von einem nur politischen Antwortzwang aus, während die neuere Literatur unter Berücksichtigung des Wandels zum parlamentarischen Regierungssystem und der bisherigen Praxis mittlerweile überwiegend von einer Antwortpflicht ausgeht. Zum Streitstand vgl. Weis, Parlamentarisches Fragerecht und Antwortpflicht der Regierung, DVBl. 1988, S. 268, 270f.

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

Die Aufklärungsinstrumente unterscheiden sich in ihrer Wirksamkeit graduell danach, mit welchen Mitteln Auskünfte erlangt werden können, insbesondere ob Personen zur Auskunft rechtlich verpflichtet sind, ob die Auskunftsverweigerung rechtliche Folgen hat und ob die Aussage gegebenenfalls erzwungen werden kann; außerdem unterscheiden sie sich danach, welchen Grad an Öffentlichkeit sie herzustellen vermögen, da hier das wesentliche Droh- und Sanktionspotential der parlamentarischen Minderheit liegt. Hierbei kann der Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG als das stärkste Aufklärungsinstrument bezeichnet werden, da bei Verweigerung von Auskünften Zwangsmittel angedroht und festgesetzt werden können und die Beweisaufnahme in öffentlicher Sitzung erfolgt. Dies ist der Grund dafür, dass das parlamentarische Untersuchungsrecht im Sprachgebrauch mit dem Recht des Parlaments, einen Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG einzusetzen und eine Untersuchung mit den dort aufgeführten und resultierenden Befugnissen durchzuführen, häufig gleichgesetzt wird. Dieses Recht wurde – im Gegensatz zu England und den Vereinigten Staaten, wo es von Anfang an als notwendiges Instrument zur Aufgabenerfüllung und damit als immanentes Recht des Parlaments verstanden wurde – im deutschen Raum seit jeher als eine von der Verfassung verliehene Ausnahmebefugnis behandelt.3 Dass dieser Ansicht erhebliche Zweifel entgegenzustellen sind, wird später ausführlich erörtert.4 An dieser Stelle sollen zunächst überblicksartig die weiteren Aufklärungsinstrumente dargestellt werden, die sich im Laufe der demokratischen Entwicklung des Parlamentarismus unter dem Grundgesetz herausgebildet haben, aber nicht mit der gleichen Wirksamkeit eines Untersuchungsausschusses nach Art. 44 GG operieren. Besonderes Interesse gilt den Instrumenten, die auf Selbstinformation gerichtet sind. An letzter Stelle wird der Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG erörtert. Vorab soll eine allgemeine Darstellung des Ausschusssystems des Bundestages erfolgen, welche vor allem dem Verständnis des im dritten Teil folgenden USamerikanischen Untersuchungsrechts nützt und funktionale Gemeinsamkeiten in den Blickpunkt rückt. I. Das Ausschusssystem des Bundestages Im Bundestag kann zwischen ständigen Ausschüssen (auch Fachausschüssen genannt), Sonderausschüssen und besonderen Ausschüssen unterschieden werden. Ständige Ausschüsse, auch sog. Fachausschüsse, werden für die Dauer einer Wahlperiode eingesetzt. Welche Ausschüsse eingesetzt werden, entscheidet der Bundestag selbst. Von der Verfassung wird der Bundestag nach Art. 45a GG ———————— 3 4

Gascard, Untersuchungsrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 62ff. Siehe § 18 .

§ 4 Parlamentarische Untersuchungen des Bundestages

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verpflichtet, einen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und einen Ausschuss für Verteidigung sowie nach Art. 45c GG einen Petitionsausschuss einzusetzen. Die Ausschüsse sind einerseits vorbereitende Beschlussorgane des Bundestages (§ 62 Abs. 1 S. 1 GO-BT)5. Sie haben die Pflicht, dem Bundestagsplenum bestimmte Beschlüsse zu empfehlen, die sich nur auf die ihnen überwiesenen Vorlagen oder auf mit diesen in unmittelbarem Sachzusammenhang stehende Fragen beziehen dürfen (§ 62 Abs. 1 S. 2 GO-BT). Darüber hinaus können sich die Ausschüsse gemäß § 62 Abs. 1 S. 3 GO-BT mit anderen Fragen aus ihrem Geschäftsbereich beschäftigen und sie zum Verhandlungsgegenstand machen (Selbstbefassungskompetenz). Die ständigen Fachausschüsse entsprechen in ihrem Arbeitsbereich regelmäßig der Aufgabenverteilung der Bundesministerien. In den Ausschüssen werden im Beisein der Regierungs- und der Bundesratsvertreter Gesetzentwürfe beraten und die Gegensätze zwischen Regierungsmehrheit und Opposition diskutiert. Über die Anzahl der Ausschüsse, deren Größe sowie über das System, nach dem die Zusammensetzung der Ausschüsse im Verhältnis zur Stärke der einzelnen Fraktionen zu berechnen ist, entscheidet der Ältestenrat zu Beginn einer Wahlperiode. Der Ältestenrat setzt sich aus dem Präsidenten, den Vizepräsidenten und 23 weiteren Abgeordneten zusammen, die von den Fraktionen entsprechend ihrer Mitgliederzahl benannt werden, darunter die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen. Er bestimmt über die Federführung zu einer Vorlage, die Tagesordnung im Plenum der laufenden Sitzungswoche sowie die Dauer der Aussprache für die entsprechenden Angelegenheiten. Der Ältestenrat entscheidet auch, welche Fraktion in den verschiedenen Ausschüssen den Vorsitz stellt. Dem Vorsitzenden obliegt die Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Ausschusssitzungen sowie die Durchführung der Ausschussbeschlüsse (§ 59 Abs. 1 GO-BT). Die Bestimmung ist kein reines Mehrheitsrecht. Grundsätzlich werden die Entscheidungen zu diesen Fragen durch interfraktionelle Vereinbarungen getroffen, von denen erwartet werden kann, dass sie die Billigung des ganzen Hauses finden. Der Lenkungsausschuss des Repräsentantenhauses (House Rules Committee) kann in diesem Bereich als funktionales Äquivalent betrachtet werden.6 Die Beratungen der Ausschüsse sind grundsätzlich nichtöffentlich (§ 69 Abs. 1 GO-BT). Der Ausschuss kann jedoch beschließen, für einen bestimmten Ver———————— 5

Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I S. 1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 12. Juli 2005 (BGBl. I S. 2512). 6 Zum Lenkungsausschuss des Repräsentantenhauses siehe S. 145.

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

handlungsgegenstand die Öffentlichkeit zuzulassen (§ 69 Abs. 1 S. 2 GO-BT). Die Schlussberatung überwiesener Vorlagen soll im Benehmen mit dem Ältestenrat und den mit beratenden Ausschüssen in öffentlicher Aussprache geführt werden (§ 69b GO-BT). Davon wird in der Praxis geringer Gebrauch gemacht. Auf Verlangen eines Viertels der Mitglieder des federführenden Ausschusses ist dieser verpflichtet, eine öffentliche Anhörung durchzuführen (§ 70 Abs. 1 S. 2 GO-BT). Im Rahmen der Selbstbefassungskompetenz (§ 62 Abs. 1 S. 3 GOBT) unterliegt das Recht, eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen und Interessenvertretern vorzunehmen, dem Mehrheitsprinzip (§ 70 Abs. 1 S. 1 GOBT). Sonderausschüsse können „für einzelne Angelegenheiten“ eingesetzt werden (§ 54 Abs. 1 GO-BT). Sie werden entweder auf ad hoc-Basis, wie der Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG, für die Dauer einer Untersuchung oder der gesamten Wahlperiode eingerichtet oder mit einem konkreten Arbeitsauftrag – meist einem Bericht – bis zu dessen Erledigung eingesetzt. Im Unterschied zu den regulären Ausschüssen, die zumindest dem Namen nach in jeder Wahlperiode auftauchen, sind die Sonderausschüsse gänzlich der Diskontinuität unterworfen. Sie haben ihre Berichte so rechtzeitig vorzulegen, dass der Bundestag sie vor dem Ende der Wahlperiode behandeln kann. Zu diesen Sonderausschüssen zählen auch die Enquete-Kommissionen, die zur „Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe“ eingesetzt werden. Im Unterschied zu den ständigen Ausschüssen können auch NichtParlamentarier Mitglieder der Enquete-Kommissionen sein. In der Regel sind dies Wissenschaftler und andere Experten. Im Unterschied zum Untersuchungsausschuss verfügen sie über ein Anhörungs-, aber nicht über ein Untersuchungsrecht verbunden mit Zwangsmitteln.

II. Aufklärungsinstrumente des Bundestages 1. Zitierrecht nach Art. 43 GG Der Bundestag und seine Ausschüsse können nach Art. 43 Abs. 1 GG die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung verlangen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist nicht die schlichte Anwesenheit, sondern Auskunft und Rechenschaft gemeint. Rechtshistorischer Hintergrund ist, dass mit zunehmender Konstitutionalisierung und der einhergehenden Erweiterung der Rechte der Volksvertretung im 19. Jahrhundert die bis dahin unter Ausschluss des Monarchen tagenden ständischen Versammlungen in Kontakt mit dem Regenten gebracht werden mussten. Den Teilnahmeanspruch der Regierung sicherte das Zutritts- und Rederecht der Minister bzw. der sie begleitenden

§ 4 Parlamentarische Untersuchungen des Bundestages

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„Staatsdiener.“7 Das steigende Bedürfnis nach Kontrolle der Regierung sollte durch die Herbeirufung befriedigt werden.8 Die Bedeutung dieses Rechts wuchs mit der Herausbildung der Verantwortlichkeit der Regierung. Dieses Kontrollinstrument läuft heute weitgehend ins Leere. Antragsberechtigt ist eine Fraktion oder fünf Prozent der anwesenden Mitglieder des Bundestages (§ 42 GO-BT). Über den Antrag entscheidet der Bundestag mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Da das Zitierrecht somit ein relatives Minderheitenrecht ist und die Inanspruchnahme vom „Zufall“ der im Plenum anwesenden Abgeordneten abhängt, kommt diesem Kontrollinstrument nur eine schwache bis gar keine Wirkung zu. Die die Regierung stützende Mehrheit hat regelmäßig kein Interesse an der Zitierung eines Regierungsmitglieds ins Plenum bzw. in den Ausschuss. Regierungsmitglieder oder Beauftragte erscheinen in der Regel auf Einladung, also freiwillig, im jeweiligen Fachausschuss und erteilen Auskunft. Inhalt und Ausmaß der Information wird von der Regierung allein bestimmt. Die Wirksamkeit des Herbeirufungsrechts als Instrument der Fremdinformation ist darüber hinaus beschränkt, weil es sich zum einen nur auf die Exekutivspitze bezieht und zum anderen die Ausschussberatungen nichtöffentlich sind. Zwar kann die Anwesenheit eines Mitgliedes der Bundesregierung im Ausschuss auch dann verlangt werden, wenn es in einer öffentlichen Sitzung gehört werden soll (§ 68 GO-BT). Allerdings ist dies allein Recht der Mehrheit. Im Gegensatz dazu findet das Zutrittsrecht der Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates bzw. ihrer Beauftragten, das ursprünglich als Ausgleich zum Herbeirufungsrecht eingeführt wurde, rege Anwendung. Beachtenswert ist, dass die Erweiterung in Art. 43 Abs. 2 GG auf die Ausschüsse des Bundestages dem Umstand Rechnung tragen sollte, dass der „wesentliche Teil der Beratungs- und Kontrollarbeit dort geschieht.“ Den Schritt, die Herbeirufung eines Regierungsmitglieds bzw. eines Beauftragten auf Antrag der (qualifizierten) Minderheit zu regeln, ging das Grundgesetz nicht. Damit kommt der ursprüngliche Kontrollgedanke des Zitierrechts im Wesentlichen nicht zum Tragen. 2. Parlamentarisches Fragerecht Eine Kompensation bietet das in der Geschäftsordnung geregelte parlamentarische Fragerecht. Das parlamentarische Fragerecht ist nicht explizit in der Verfassung geregelt. Der Verfassungsrang wird aber allgemein bejaht. Hin———————— 7

§ 169 der Verfassung Württembergs von 1819. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 43, Rn. 1 m.w.Nachw. Das Zitierrecht wurde erstmalig in § 122 Paulskirchenverfassung vorgesehen. Bestandteil einer in Kraft getretenen Verfassung wurde das Zitierrecht mit Art. 60 Abs. 2 der Preußischen Verfassung von 1850. 8

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

sichtlich der verfassungsrechtlichen Verankerung bestehen unterschiedliche Ansichten. Das Fragerecht wird entweder aus dem Zitierrecht (Art. 43 Abs. 1 GG)9 hergeleitet oder dem Abgeordnetenstatus (Art. 38 Abs. 1 GG) zugerechnet. Es wird auch als Ausfluss des parlamentarischen Regierungssystems, als Verfassungsgewohnheit oder als Annexkompetenz zu sonstigen Parlamentskompetenzen interpretiert bzw. aus dem Gedanken der Verfassungsorgantreue hergeleitet. Zunehmend wird aber auch – mit dem Verweis auf die umfassende Anerkennung – auf eine normative Zuschreibung des Fragerechts in der Verfassung verzichtet und die Fragerechte, die sich in der parlamentarischen Praxis herausgebildet haben, allgemein unter den Informations- und Kontrollrechten bzw. dem Begriff Interpellationsrecht zusammengefasst.10 So hat sich auch die Rechtsprechung nicht auf eine verfassungsrechtliche Verankerung festgelegt und lediglich die mit dem Fragerecht korrespondierende Antwortpflicht der Bundes- oder Landesregierung festgestellt.11 Grundsätzlich hat jeder Abgeordnete das Recht, unbeschränkt mündliche und schriftliche Fragen an die Regierung zu stellen. Das Verfahren wird überwiegend durch die Geschäftsordnung des Bundestages geregelt. Kurze Einzelfragen zur mündlichen oder schriftlichen Beantwortung kann jedes Mitglied des Bundestages an die Bundesregierung richten (§ 105 Abs. 1 i.V.m. Anlage 4 GO-BT). Erlaubt sind bis zu vier Fragen im Monat, die von der Bundesregierung schriftlich beantwortet werden. Ist die Regierung säumig, können diese Fragen auch in der Fragestunde vorgebracht werden. Fragestunde: In jeder Sitzungswoche findet eine Befragung der Bundesregierung statt, die bis zu drei Stunden dauern kann (§ 105 Abs. 2 i.V.m. Anlage 7 GO-BT). Jeder Abgeordnete darf bis zu zwei Fragen stellen, die in je zwei Unterfragen unterteilt werden können. Antwortet ein Mitglied oder Vertreter der Bundesregierung oder ein mit der Antwort beauftragter Parlamentarischer Staatssekretär mündlich, so darf der Fragesteller zwei Zusatzfragen anbringen. Aktuelle Stunde: Über ein bestimmt bezeichnetes Thema von allgemeinem aktuellem Interesse kann eine Debatte in Kurzbeiträgen von fünf Minuten und insgesamt höchstens einer Stunde durchgeführt werden (§ 106 i.V.m. Anlage 5 GO-BT). Entweder sie wird im Ältestenrat vereinbart. Oder die aktuelle Stunde findet statt, wenn sie von einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages verlangt wird. Vorlagen und eine Be———————— 9 So die herkömmliche Meinung von Stern, Staatsrecht, Bd. 2, S. 55 mit dem Verweis auf Anschütz, für Art. 33 WRV in Anm. 1. 10 Zeh, Parlamentarisches Verfahren, in: HdBStR, Bd. 2, § 43, Rn. 49. Zur umfangreichen Literatur siehe Jutzi, Parlamentarisches Fragerecht und gubernative Meinungsbildungspflicht, ZParl. 2003, S. 478, Fn 2-6. 11 BVerfGE 13, 123, 125; 67, 57, 1, 5; oder ThürVerfGH v. 4.4.2003.

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schlussfassung gibt es nicht. Die Redezeiten von Ministern oder Vertretern des Bundesrates werden nicht auf die Gesamtzeit angerechnet. Große Anfrage: Eine Große Anfrage an die Bundesregierung kann von Abgeordneten mit Fraktionsstärke (§ 76 GO-BT) nach § 100 GO-BT über den Präsidenten des Bundestages eingereicht werden. Sie ist in der Regel mit einer Begründung zu versehen. Der Präsident des Bundestages setzt die Bundesregierung über die Große Anfrage in Kenntnis und fordert zur Erklärung auf, ob und wann die Regierung antworten werde (§ 101 GO-BT). Nach Eingang der Antwort wird die Große Anfrage auf die Tagesordnung gesetzt. Tendenziell wird die Große Anfrage im Hinblick auf die mit ihr verbundene Debattemöglichkeit, auch wenn diese später nicht immer genutzt wird, für besonders bedeutsame Sachkomplexe gewählt. Die Beratung muss erfolgen, wenn sie von einer Fraktion oder von fünf von Hundert der Mitglieder des Bundestages verlangt wird. Kleine Anfrage: In einer Kleinen Anfrage kann von der Bundesregierung Auskunft über bestimmt bezeichnete Bereiche verlangt werden (§ 75 Abs. 3 GO-BT i.V.m. § 104 GO-BT). Die Fragen sind beim Präsidenten des Bundestages einzureichen. Sie dürfen keine unsachlichen Feststellungen oder Wertungen enthalten. Der Präsident fordert die Bundesregierung auf, die Fragen innerhalb von vierzehn Tagen schriftlich zu beantworten. Kleinen Anfragen fehlt im Gegensatz zu den Großen die Debattemöglichkeit. Sie können nicht als Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung gesetzt werden (§ 75 Abs. 3 GOBT). Das parlamentarische Fragerecht ist den Aufklärungsinstrumenten zuzuordnen, die auf Fremdinformation abzielen, denn die Bundesregierung bestimmt Inhalt und Ausmaß der Beantwortung. Die Informationsbeschaffung erfolgt seitens des Parlaments, also mittelbar. Unmittelbar und unabhängig von der Regierung erfolgen dagegen öffentliche Anhörungen nach § 70 GO-BT. 3. Öffentliche Anhörungen Jeder Ausschuss kann zur Information über einen Gegenstand seiner Beratung öffentliche Anhörungen von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen vornehmen (§ 70 GO-BT). Bei überwiesenen Vorlagen ist der federführende Ausschuss auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder dazu verpflichtet. Bei nicht überwiesenen Verhandlungsgegenständen im Rahmen der Selbstbefassungskompetenz nach § 62 Abs. 1 S. 3 GO-BT erfolgt eine Anhörung auf Beschluss des Ausschusses (§ 70 Abs. 1 S. 1 GO-BT). Die Beschlussfassung ist nur zulässig, wenn ein entsprechender Antrag auf der Tagesordnung des Ausschusses steht. Wird die Durchführung der Anhörung von einem Viertel der Ausschussmitglieder beantragt, müssen die von ihr benannten Auskunftspersonen gehört werden. Beschließt der Ausschuss eine Be-

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grenzung der Anzahl der anzuhörenden Personen, kann von dieser qualifizierten Minderheit nur der ihrem Stärkeverhältnis im Ausschuss entsprechende Anteil an der Gesamtzahl der anzuhörenden Auskunftspersonen benannt werden. Ein mitberatender Ausschuss kann im Einvernehmen mit dem federführenden Ausschuss eine Anhörung durchführen. Dem federführenden Ausschuss sind Ort und Termin sowie der zu hörende Personenkreis mitzuteilen. Mitglieder des federführenden Ausschusses haben während der Anhörung Fragerecht. Der Ausschuss kann in eine allgemeine Aussprache mit den Auskunftspersonen eintreten, soweit dies zur Klärung des Sachverhalts erforderlich ist. Hierbei ist die Redezeit zu begrenzen. Der Ausschuss kann einzelne seiner Mitglieder beauftragen, die Anhörung durchzuführen; dabei ist jede im Ausschuss vertretene Fraktion zu berücksichtigen. Nach der Auslegungsentscheidung 14/5 des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu § 70 GO-BT vom 17. Februar 2000 ist eine Ladung von Regierungsmitgliedern oder Mitgliedern der Bundesregierung als Sachverständige im Rahmen einer Anhörung grundsätzlich nicht erlaubt. Nur in berechtigten Ausnahmefällen könne ein Ausschuss ein Mitglied der Bundesregierung zu einer Anhörung als Auskunftsperson einladen. Ob das Mitglied der Bundesregierung oder des Bundesrates die Einladung annimmt, entscheide dieses selbst. Bleibt es fern, ziehe dies keine rechtlichen Konsequenzen nach sich. Ein Fernbleiben mache es folglich nicht zulässig, das betroffene Mitglied der Bundesregierung oder des Bundesrates gemäß Art. 43 Abs. 1 GG i.V.m. § 68 GO-BT in den Ausschuss zu zitieren. 4. Untersuchungen des Verteidigungsausschusses Der Verteidigungsausschuss ist das Gremium, das auf Seiten des Bundestages dem Bundesministerium der Verteidigung und dessen nachgeordnetem Bereich, also den Streitkräften und der Bundeswehrverwaltung, gegenübersteht. Grundsätzlich tagt der Verteidigungsausschuss nichtöffentlich. Wie der Auswärtige Ausschuss gehört der Verteidigungsausschuss zu den sog. geschlossenen Ausschüssen. Der Zutritt zu seinen Sitzungen ist auf die ordentlichen Mitglieder des Ausschusses, ihre Stellvertreter, den Wehrbeauftragten, die Fraktionsvorsitzenden und den Präsidenten des Deutschen Bundestages begrenzt. Die Verteilung der Sitzungsunterlagen einschließlich der Protokolle ist ebenfalls auf einen vom Ausschuss selbst festgelegten Empfängerkreis beschränkt. Der Verteidigungsausschuss ist der einzige im Grundgesetz aufgeführte Ausschuss, der sich abweichend von Art. 44 Abs. 1 als Untersuchungsausschuss einsetzen kann und dann die gleichen Rechte in Anspruch nehmen kann (Art. 45a Abs. 2 GG). Er bedarf keiner formellen Einsetzung durch das Plenum des Bundestages. Die Wahrnehmung dieser Rechte setzt eine förmliche Konstituierung als Untersuchungsausschuss voraus, die auf Grund eines einfachen

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Mehrheitsbeschlusses oder eines qualifizierten Minderheitsbeschlusses erfolgen kann (Art. 45a Abs. 2 S. 2 GG). Damit verfügt der Verteidigungsausschuss über ein Selbsteinsetzungsrecht und über die gleichen unmittelbaren Beweiserhebungsrechte und Zwangsmittel, wie ein Untersuchungsausschuss. Nach § 45a Abs. 3 GG findet Art. 44 Abs. 1 GG keine Anwendung. Die Beweiserhebungen sind nichtöffentlich. Darüber hinaus ist von Art. 45c Abs. 3 GG nach herrschender Ansicht auch umfasst, dass es dem Bundestagsplenum verwehrt ist, auf dem Gebiet der Verteidigung einen Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG einzusetzen.12 5. Untersuchungen des Wehrbeauftragten Im Zusammenhang mit der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte ist das Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages von Bedeutung. Das Amt des Wehrbeauftragten als Hilfsorgan des Bundestages ist seit 1956 in Art. 45b GG verankert und richtet sich insbesondere auf die Wahrung der Grundrechte der Soldaten und die Beachtung der Grundsätze der inneren Führung.13 Der Wehrbeauftragte arbeitet eng mit dem Verteidigungsausschuss zusammen und nimmt an den Beratungen regelmäßig teil. Er kann nach der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Wehrbeauftragtengesetzes (WBeauftrG) auf Weisung des Bundestages, des Verteidigungsausschusses oder auf Grund eigener Entscheidung tätig werden (§ 1 Abs. 3 WBeauftrG). Die Befugnisse leiten sich aus der politischen Kontrolltätigkeit des Bundestages ab und enthalten deshalb keine Gestaltungs- oder Weisungsrechte gegenüber der Exekutive. Sie umfassen ein allgemeines Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht, das Recht auf Anhörung von Zeugen und Sachverständigen und das Recht, Berichte anzufordern. Zwangsmittel stehen ihm nicht zur Verfügung. Darüber hinaus kann der Wehrbeauftragte Straf- und Disziplinarverfahren oder die Regelung einer Angelegenheit anregen und er hat das Recht auf Anwesenheit, werden diese Verfahren eingeleitet. Besonders in den Berichtspflichten, die bis in die Öffentlichkeit hineinwirken, besteht die Wirksamkeit der Aufklärungsmöglichkeiten des Wehrbeauftragten. Der Wehrbeauftragte erstellt einen jährlichen Gesamtbericht für den Bundestag und schriftliche oder mündliche Einzelberichte für den jeweiligen Auftraggeber oder nach eigenem Ermessen (§ 2 Abs. 2, 3 WBeauftrG).

———————— 12 13

Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. 2, Art. 45a GG, Rn. 35f. 7. Änderungsgesetz v. 19.3.1956 (BGBl. I, S. 111).

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6. Untersuchungen im Rahmen der Kontrolle der Nachrichtendienste Die Bundesregierung unterliegt hinsichtlich der Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes der Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK).14 Die Kontrollkommission gilt nicht als Unterorgan des Bundestages, obwohl sie nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (KontrollgremiumsgesetzPKGrG) nur aus Mitgliedern des Bundestages besteht. Die Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse bleiben unberührt (§ 1 Abs. 2 PKGrG, § 5 Abs.1 PKGrG). Damit betrifft das Geheimhaltungsinteresse auch den Ausschluss des Zutritts- und Rederechts nach Art. 43 Abs. 2 GG. Die politische Verantwortung der Bundesregierung für die Behörden bleibt unberührt (§ 3 PKGrG). Nach § 2 PKGrG unterrichtet die Bundesregierung das Parlamentarische Kontrollgremium umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Auf Verlangen des Parlamentarischen Kontrollgremiums hat die Bundesregierung auch über sonstige Vorgänge zu berichten. Jedes Mitglied hat die Möglichkeit, die Einberufung und die Unterrichtung der PKK zu verlangen (§ 5 Abs. 3 PKGrG). Ausdrückliche Aufklärungsbefugnisse regelt das Gesetz seit 1999.15 Nach § 2a PKGrG hat die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium auf Verlangen Einsicht in Akten und Dateien der Dienste zu geben, die Anhörung von Mitarbeitern der Dienste zu gestatten und Besuche bei den Diensten zu ermöglichen. Das Parlamentarische Kontrollgremium kann im Einzelfall einen Sachverständigen beauftragen, zur Wahrnehmung seiner Kontrollaufgaben Untersuchungen durchzuführen. Der Sachverständige hat dem Parlamentarischen Kontrollgremium über das Ergebnis seiner Untersuchungen zu berichten. Allerdings ist für die Einsetzung die Mehrheit von zwei Dritteln sowie die Anhörung der Bundesregierung erforderlich. Maßnahmen der Behörden des Bundes nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 GG16 unterliegen der ———————— 14

§ 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumsgesetz-PKGrG) v. 11.4.1978 (BGBl. I, S. 453), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses v. 26.6.2001 (BGBl. I, S.1254). 15 PArt. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien v. 17. Juni 1999 (BGBl. I, S. 1334). 16 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10Gesetz) v. 26.6.2001 (BGBl. I S.1254, ber. 2298).

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Kontrolle durch die an keine Weisungen gebundene G10-Kommission.17 Die Kommission besteht aus einem Vorsitzenden, drei Beisitzern sowie vier stellvertretenden Mitgliedern, die an den Sitzungen mit Rede- und Fragerecht teilnehmen können. Die Beratungen der G10-Kommission sind nichtöffentlich; die Mitglieder der Kommission sind nach ihrem Ausscheiden aus der Kommission zur Geheimhaltung verpflichtet. Anders als ständige Ausschüsse gibt sich die Kommission eine eigene Geschäftsordnung, die der Zustimmung der Parlamentarischen Kontrollkommission und der vorherigen Anhörung der Bundesregierung bedarf. Die G10-Kommission entscheidet von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen. Die Kontrollbefugnis der Kommission erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der durch Nachrichtendienste des Bundes erlangten personenbezogenen Daten, einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung Betroffener. Der Kommission und ihren Mitarbeitern ist dabei insbesondere Auskunft zu ihren Fragen zu erteilen, Einsicht in alle Unterlagen, besonders in die gespeicherten Daten und in die Datenverarbeitungsprogramme, die im Zusammenhang mit der Beschränkungsmaßnahme stehen, zu gewähren, wie auch jederzeit Zutritt zu allen Diensträumen. Die G10-Kommission wird monatlich vom zuständigen Bundesministerium über die von ihm angeordneten Beschränkungsmaßnahmen unterrichtet. Anordnungen, die die Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat das zuständige Bundesministerium unverzüglich aufzuheben. Damit hat die G10Kommission nicht nur Beobachtungs- und Ermittlungsbefugnisse, sondern auch Weisungsrechte. 7. Untersuchungen des Petitionsausschusses Nach Artikel 45c GG hat der Bundestag die Pflicht, einen Petitionsausschuss einzurichten, dem die Behandlung der nach Art. 17 GG an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden obliegt. In den 1960er Jahren wurde die schleppende Behandlung von Petitionen beklagt und diese Unzulänglichkeiten auf die „nur“ geschäftsordnungsrechtliche Ausgestaltung des Petitionsverfahrens zurückgeführt. Daraufhin wurde 1975 Art. 45c GG in das Grundgesetz eingefügt.18 Bei der Bearbeitung einer Petition verfügt das Parlament über ein grundgesetzliches Informationsrecht. Dieses Petitionsinformationsrecht ist nicht in der ———————— 17 Verfassungsschutzbehörden des Bundes, der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst im Rahmen seiner Aufgaben nach § 1 Abs. 2 des BNDGesetzes. 18 Zur Diskussion der knapp anderthalb Jahre dauernden Debatte vgl. Würtenberger, in: BK, Art. 45.

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

Verfassung geregelt und wird überwiegend aus dem Grundrecht gemäß Art. 17 GG hergeleitet.19 Das Bundesverfassungsgericht verweist zudem auf Art. 45c GG, dem das Gericht unmittelbar die grundgesetzliche Verpflichtung der Exekutive zur Zusammenarbeit mit dem Parlament bei der Behandlung von Bitten und Beschwerden entnimmt.20 Die Befugnisse des Ausschusses zur Überprüfung von Beschwerden regelt nach Art. 45c GG ein Bundesgesetz, das sog. Befugnisgesetz (PetG).21 Zur Vorbereitung von Beschlüssen über Beschwerden haben die Bundesregierung und die Behörden des Bundes dem Petitionsausschuss auf dessen Verlangen Akten vorzulegen, Auskunft zu erteilen und Zutritt zu ihren Einrichtungen zu gestatten (§ 1 PetG). Für die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt das in dem Umfang, in dem sie der Aufsicht der Bundesregierung unterstehen. Aktenvorlage, Auskunft sowie der Zutritt zu Einrichtungen dürfen nur verweigert werden, wenn der Vorgang nach einem Gesetz geheimgehalten werden muss oder sonstige zwingende Geheimhaltungsgründe bestehen (§§ 2, 3 PetG). Über die Verweigerung entscheidet die zuständige oberste Aufsichtsbehörde des Bundes. Der Petitionsausschuss ist berechtigt, Petenten, Zeugen und Sachverständige anzuhören. Ihm stehen keine Zwangsmittel zur Verfügung. Der Petitionsausschuss kann die Ausübung seiner Befugnisse im Einzelfall auf eines oder mehrere seiner Mitglieder übertragen. Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, dem Petitionsausschuss und den von ihm beauftragten Mitgliedern Amtshilfe zu leisten. Die Aufgabenzuweisung ist auf die an den Bundestag gerichteten Petitionen beschränkt. Der Präsident überweist die Petitionen an den Petitionsausschuss (§ 109 Abs. 1 GO-BT). Dieser holt eine Stellungnahme der Fachausschüsse ein, wenn die Petitionen einen Gegenstand dortiger Beratung betreffen. Wenn Ersuchen um Aktenvorlage, Auskunft oder Zutritt an Behörden des Bundes, bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gerichtet werden, hat der Petitionsausschuss das zuständige Mitglied der Bundesregierung zu verständigen (§ 109 Abs. 2 GO-BT). Vor der Anhörung des Petenten, von Zeugen oder Sachverständigen ist das zuständige Mitglied der Bundesregierung rechtzeitig zu unterrichten (§ 109 Abs. 2 GO-BT). Sobald der der Petition zugrunde liegende Sachverhalt aufgeklärt und die Rechtslage beurteilt ist, legt der Petitionsausschuss dem Plenum des Bundestages eine Beschlussempfehlung für die abschließende Behandlung der Petition vor (§ 112 Abs. 1 GO-BT). Der Petitionsausschuss erstellt einen monatlichen Bericht über die behandelten Petitionen, der mit einer Beschlussempfehlung dem Bundestag ———————— 19

Bauer, in: Dreier, GG, Art. 45c, Rn. 20. BVerfGE 67, 100, 129. 21 Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages v. 19.7.1975 (BGBl. I, S. 1921). 20

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in einer Sammelübersicht vorgelegt wird. Darüber hinaus erstattet der Petitionsausschuss dem Bundestag jährlich einen schriftlichen Bericht über seine Tätigkeit. 8. Untersuchungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Im sog. 1. Ausschuss sind mehrere parlamentarische Funktionen gebündelt. Dem Ausschuss obliegt die Sicherung des Immunitätsrechts seiner Mitglieder, die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Wahlen zum Deutschen Bundestag sowie die Auslegung von Zweifelsfragen hinsichtlich der Geschäftsordnung. Ermittlungsbefugnisse stehen ihm dabei unterschiedlich stark zur Verfügung. Der Ausschuss hat 13 Mitglieder, die von den Fraktionen benannt werden. Der Wahlprüfungsausschuss im 1. Ausschuss hat neun Mitglieder, die vom Plenum gewählt werden. Zumeist fungieren die Mitglieder in Personalunion. Als Ausschuss für Geschäftsordnung hat sich der 1. Ausschuss mit Zweifelsfragen bei der Anwendung der geltenden Geschäftsordnung, insbesondere im Plenum oder in den Ausschüssen, zu befassen. Durch Auslegungsentscheidungen soll eine Konfliktlösung für künftige Streitfälle ermöglicht werden. Daneben berät der Ausschuss über Vorschläge und Änderungsanträge zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, um diese an neue Sachlagen anzupassen, sowie über alle Gesetzentwürfe und sonstigen Initiativen, die die Rechtsstellung der Abgeordneten oder den Status des Bundestages und seiner Organe und Gremien betreffen. Im Rahmen dieser Zuständigkeit besitzt er gemäß § 128 der GO-BT das Initiativrecht. Durch seine Federführung in Geschäftsordnungsangelegenheiten beeinflusst der Ausschuss die Arbeitsweise und den Arbeitsablauf im Deutschen Bundestag; er arbeitet mit dem Ältestenrat, der für die Planung und Steuerung der Tätigkeit des Bundestages zuständig ist, und den Geschäftsführungen der Bundestagsfraktionen zusammen. Diese Zusammenarbeit spiegelt sich auch in der Zusammensetzung des 1. Ausschusses wider. Mehrere Mitglieder gehören zugleich dem Ältestenrat an bzw. nehmen Aufgaben eines Parlamentarischen Geschäftsführers in ihrer Fraktion wahr. Die nach Art. 41 GG vorgesehene Überprüfung der Wahlen zum Deutschen Bundestag ist Aufgabe des Bundestages selbst. Sie erfolgt nach den Vorschriften des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG).22 Die Entscheidung des Bundestags über die Gültigkeit der Wahl wird durch den sog. 1. Ausschuss in seiner Funktion als Wahlprüfungsausschuss vorbereitet. Im Rahmen dieser Vorprüfung (§ 5 WPrüfG) kann der Ausschuss zur Aufklärung des Sachverhalts Stellung———————— 22

Wahlprüfungsgesetz v. 12.3.1951 (BGBl. I, S. 166), zuletzt geändert am 28.4.1995 (BGBl. I, S. 582).

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nahmen der zuständigen Kreis-, Landeswahlleiter und des Bundeswahlleiters einholen. Sachverständige können gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 WPrüfG gehört werden, was häufig erfolgt. Ebenso können Zeugen vernommen oder vereidigt werden, was bisher noch nicht erfolgt ist. Im Wege der Amtshilfe haben Gerichte und Verwaltungsbehörden Amtshilfe zu leisten (§ 5 Abs. 4 S. 1 WPrüfG). Obwohl dies praktisch noch nie vorgekommen ist, kann gemäß § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 WPrüfG eine mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattfinden. Der Ausschuss kann selbst Zeugen vernehmen und kann, wenn er dies für geboten hält gemäß § 7 Abs. 2 WPrüfG Zeugen vereidigen. Für das gesamte Verfahren gelten die Vorschriften der ZPO sinngemäß (§ 9 WPrüfG). Die geringe Bedeutung der mündlichen Verhandlung in öffentlicher Sitzung ist vor allem auf die materielle Prüfung zurückzuführen. Die Prüfung erfolgt in zwei Schritten, erstens im Hinblick auf Wahlfehler23 und zweitens auf die Mandatsrelevanz.24 Regelmäßig war dies in der Vergangenheit zu verneinen. Die Entscheidung ergeht als Beschluss und wird mit einer Beschlussempfehlung an das Plenum weitergeleitet. Der Beschluss hat die wesentlichen Tatsachen und Gründe, auf denen die Entscheidung beruht, anzugeben (§§ 11, 12 WPrüfG). Die Entscheidung des Bundestages unterliegen der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht (§ 16 WahlPrüfG). Während jeder Wahlberechtigte Wahleinspruch einlegen kann, setzt die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht für diesen Wahlberechtigten voraus, dass ihn mindestens 1000 Wahlberechtigte unterstützten (§ 49 BVerfGG). Bisher ist noch keine Aufhebung einer Wahl erfolgt.25 Das Immunitätsrecht bezweckt vornehmlich, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen (Art. 46 GG). Es schützt den Bundestag als Verfassungsorgan vor Übergriffen der Exekutive und Judikative auf allen Ebenen der staatlichen Verwaltung. Ein Abgeordneter kann wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden. Jede andere Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten ist genehmigungsbedürftig. Die Durchführung von Ermittlungsverfahren ist grundsätzlich durch die generelle Genehmigung in Gestalt des „Beschlusses des Deutschen Bundestages betreffend die Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages“ gestat———————— 23 Eingehend zur Wahlprüfung und zur Bestimmung von Wahlfehlern, auf die vorliegend nicht gesondert eingegangen werden soll, Meyer, Wahlrechtsgrundsätze und Wahlverfahren, in: HdBStR, Bd. 2, § 38, Rn. 59ff. 24 So BVerfGE 3, 370, 373. Das Gericht hält Wahlfehler für irrelevant, wenn sie keinen Einfluss auf die Mandatsverteilung haben können. 25 BVerfGE 97, 917 betraf die Mandatsprüfung und hatte somit nur Wirkung für die Zukunft.

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tet.26 Die zuständigen Staatsanwaltschaften müssen jedoch vor der Aufnahme der Ermittlungen dem Präsidenten des Bundestages ihre Absicht, ein Ermittlungsverfahren gegen ein Mitglied des Bundestages aufzunehmen, mitteilen. Zugleich müssen sie das betroffene Mitglied unterrichten, sofern dem nicht ausnahmsweise Gründe der Strafverfolgung entgegenstehen. 48 Stunden nach Eingang der „Mitteilung“ beim Bundestagspräsidenten darf mit den konkreten Ermittlungen begonnen werden. Der Präsident leitet die „Mitteilung“ unmittelbar dem 1. Ausschuss zu. Regelmäßig wird über die Beschlussempfehlung ohne Aussprache zu entschieden. Der Bundestag prüft allerdings in ständiger Übung die Gründe, die zur Erhebung einer Anklage, zum Erlass eines Strafbefehls oder zum Vollzug eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses führen, nur in Bezug auf die jeweiligen formalen Voraussetzungen. Der Ausschuss hat keine eigenen Ermittlungsbefugnisse. In der Regel erteilt der Ausschuss die beantragte Genehmigung, abgesehen von politischen Beleidigungen, die aber in der Praxis kaum noch eine Rolle spielen. Bei Bedarf werden ergänzende mündliche oder schriftliche Auskünfte angefordert. Insbesondere werden Mitarbeiter der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Erläuterung in den Ausschuss „gebeten“ – so der Ausdruck der parlamentarischen Praxis. Eine besondere Form der parlamentarischen Untersuchung hat sich aus der deutschen Wiedervereinigung ergeben: die Überprüfung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit oder politische Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik nach § 44c des Abgeordnetengesetzes (AbgG).27 Diese Kollegialenquete findet – auch ohne die Zustimmung des Mitglieds – statt, wenn der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für den Verdacht einer solchen Tätigkeit oder Verantwortung festgestellt hat (§ 44b Abs. 2 AbgG). Der Hauptfall ist allerdings die freiwillige Selbstanzeige. Für das Verfahren des Ausschusses hat der Bundestag Richtlinien erlassen (§ 44b Abs. 4 AbgG)28 und diese durch Absprachen zur Durchführung der Richtlinien gemäß § 44b AbgG ergänzt.29 Der 1. Ausschuss kann Akteneinsicht nehmen beim Bundesbeauf———————— 26

Anlage 6 zur GO-BT. Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages i.d.F. v. 20.1.1992 (BGBl. I, S. 67) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.2.1996 (BGBl. I, S. 326) zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes v. 22.8.2005 (BGBl. I., S. 2482) i.V.m. d. Bek. v. 18.10.2005 (BGBl. I, S. 3007). 28 BGBl. I 1992, S. 76; vgl. auch BT-Drs. 12/1324 und 12/1737. 29 BT-Drs 12/4613, S. 8 f. Die Richtlinien und Absprachen wurden vom 13. Deutschen Bundestag übernommen, BT-Prot. 13/1, S. 14 und Prot. G 2 der 2. Sitz. des 1. Ausschusses, S. 4, sowie zu Beginn der folgenden Wahlperioden, zuletzt für die 15. WP 27

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

tragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Die Feststellungen des Ausschusses werden als Drucksache des Bundestages veröffentlicht. Dem Ausschuss stehen nur beschränkte Beweismöglichkeiten zu. Auf den Zeugen- und Sachverständigenbeweis wurde verzichtet. Das Überprüfungsverfahren nach § 44b Abs. 2 AbgG wurde vom Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 21. Mai 1996 als mit dem Abgeordnetenstatus vereinbar angesehen.30 Die verfahrensmäßige Verkürzung der Erkenntnismöglichkeiten ist hingegen höchst kritisch anzusehen.31 9. Untersuchungen des Präsidiums und des Präsidenten des Bundestages Dem Präsidium und dem Präsidenten des Bundestages stehen Ermittlungsbefugnisse zu, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Mitglied des Bundestages seine Pflichten gemäß Art. 44a AbgG oder nach den Verhaltensregeln verletzt hat.32 § 44a AbgG soll die Ausübung des Mandats und die Unabhängigkeit des Abgeordneten sichern. Die Vorschrift regelt Fragen von Nebentätigkeit und möglicher Interessenverknüpfung, Anzeigepflichten (§ 44a Abs. 2 und 4 AbgG), die Unzulässigkeit der Annahme von Geld oder geldwerten Leistungen ohne angemessene Gegenleistung (§ 44a Abs. 2 AbgG) sowie die Rückführung unzulässiger Vermögensvorteile in den Haushalt des Bundes § 44a Abs. 3 AbgG. Nach § 44b AbgG ist der Bundestag verpflichtet, sich Verhaltensregeln zu geben, die insbesondere Bestimmungen enthalten müssen über 1. die Fälle einer Pflicht zur Anzeige von Tätigkeiten vor der Mitgliedschaft im Bundestag sowie von Tätigkeiten neben dem Mandat;

———————— in der 2. Sitz. des 1. Ausschusses am 14.11.2002 und in der 1. Sitz. des Deutschen Bundestages am 17.10.2002. 30 BVerfGE 94, 351. Das Gericht sah den Inhalt des vom Abgeordneten Gregor Gysi angefochtenen Berichts als nicht überprüfbar an. Es verwies auf den Rechtsgedanken des Art. 44 Abs. 4 GG. Feststellung, Würdigung und Beurteilung der Tatsachen durch das Parlament würden nicht der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen. In Abgrenzung zum Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG verzichte das Überprüfungsverfahren nach § 44b Abs. 2 AbgG gezielt auf die Beweismittel des Zeugen- und Sachverständigenbeweises. Es beschränke sich auf eine Überprüfung des Verdachts an Hand von Urkunden und Angaben des Betroffenen. 31 Überzeugend Meyer: in FS-BVerfG, S. 84, 104 ff., der die Verkürzung der Erkenntnismöglichkeiten als das „eigentliche gravamen des vorgesehenen Verfahrens“ bezeichnet und dies formal und inhaltlich für unzulässig hält. 32 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz – AbgG) vom 18.2.1977 (BGBl. I., S. 297) idF. v. 21.2.1996 (BGBl. I, S. 326), zuletzt geändert durch Artikel 1 d. Gesetzes v. 22.10.2005 (BGBl. I, S. 2482.

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2. die Fälle einer Pflicht zur Anzeige der Art und Höhe der Einkünfte neben dem Mandat oberhalb festgelegter Mindestbeträge; 3. die Pflicht zur Rechnungsführung und zur Anzeige von Spenden oberhalb festgelegter Mindestbeträge sowie Annahmeverbote und Ablieferungspflichten in den in den Verhaltensregeln näher bestimmten Fällen; 4. die Veröffentlichung von Angaben im Amtlichen Handbuch und im Internet; 5. das Verfahren sowie die Befugnisse und Pflichten des Präsidiums und des Präsidenten bei Entscheidungen nach § 44a Abs. 3 und 4.

Die Verhaltensregeln, die der Geschäftsordnung des Bundestages (GO-BT)33 als Anlage 1 beigefügt sind, bestimmen die Befugnisse des Präsidiums und des Präsidenten gemäß § 44a Abs. 3 und 4 wie folgt: Bestehen Anhaltspunkte für einen Regelverstoß, holt der Präsident gemäß § 7 Abs. 1 der Verhaltensregeln zunächst die Stellungnahme des betroffenen Mitglieds des Bundestages ein und leitet eine Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein. Er kann vom betreffenden Mitglied ergänzende Auskünfte zur Erläuterung und Aufklärung des Sachverhalts verlangen und den Vorsitzenden der jeweiligen Fraktion um Stellungnahme bitten. Das betreffende Mitglied wird ermahnt, wenn sich der Verdacht nach der Überzeugung des Präsidenten erhärtet und ein minder schwerer Fall bzw. leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Ansonsten teilt der Präsident das Ergebnis der Überprüfung dem Präsidium und dem jeweiligen Fraktionsvorsitzenden mit. Das Präsidium stellt nach Anhörung des betroffenen Mitglieds fest, ob ein Verstoß gegen die Verhaltensregeln vorliegt. Die Feststellung des Präsidiums, dass ein Mitglied des Bundestages seine Pflichten nach den Verhaltensregeln verletzt hat, wird unbeschadet weiterer Sanktionen nach § 44a des Abgeordnetengesetzes als Drucksache veröffentlicht.34 Auf Wunsch des Mitglieds des Bundestages wird die die Feststellung, dass eine Verletzung nicht vorliegt, gemäß § 7 Abs. 2 der Verhaltensregeln veröffentlicht. Das Präsidium kann gegen das Mitglied des Bundestages, das seine Anzeigepflicht verletzt hat, nach erneuter Anhörung ein Ordnungsgeld festsetzen. Gemäß § 7 Abs. 3 der Verhaltensregeln leitet der Präsident in den Fällen des § 44a Abs. 3 AbgG nach Anhörung des betroffenen Mitglieds eine Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein. Diese Prüfung bezieht sich auf das Vorliegen einer angemessenen Gegenleistung im Sinne des § 44a Abs. 2 Satz 3 AbgG. Der Präsident kann von dem Mitglied ergänzende Auskünfte zur Erläu———————— 33

Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I, S. 1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 12. Juli 2005 (BGBl. I, S. 2512). 34 Die Abdruckmöglichkeit bestand bereits vor der Änderung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 2005. Praktisch ist es bisher noch zu keinem einzigen Abdruck als Bundestagsdrucksache gekommen.

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

terung und Aufklärung des Sachverhalts verlangen und den jeweiligen Fraktionsvorsitzenden um Stellungnahme bitten. Erhärtet sich der Verdacht zur Überzeugung des Präsidenten, teilt er das Ergebnis der Überprüfung dem Präsidium und den Vorsitzenden der Fraktionen mit. Das Präsidium stellt nach Anhörung des betroffenen Mitglieds fest, ob ein Verstoß gegen § 44a Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes vorliegt. Der Präsident macht den Anspruch gemäß § 44a Abs. 3 AbgG des Abgeordnetengesetzes auf dem Wege eines Verwaltungsaktes geltend. Die Feststellung, dass ein Mitglied des Bundestages seine Pflichten nach dem Abgeordnetengesetz verletzt hat, wird als Drucksache veröffentlicht. Die Feststellung, dass eine Verletzung nicht vorliegt, wird auf Wunsch des Mitglieds des Bundestages veröffentlicht. Absatz 3 gilt entsprechend. Darüber hinaus stehen dem Präsidenten des Bundestages Aufklärungsinstrumente bei der Prüfung des Rechenschaftsberichts nach dem Parteiengesetz (PartG)35 zu. Bei konkreten Anhaltspunkten, die auf Unrichtigkeiten im Rechenschaftsbericht hinweisen, kann ein Wirtschaftsprüfer mit der Prüfung beauftragt werden, dem die betreffende Partei Zugang und Einsicht in die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen und Belege zu gewähren hat.36 10. Untersuchungen der Enquete-Kommissionen Enquete-Kommissionen sind seit der Einführung dieses Instituts in der 5. Wahlperiode ein gewichtiges Instrument der Selbstinformation des Bundestages geworden.37 Sie werden nach § 56 Abs. 1 GO-BT „zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe“ eingesetzt. Ein Viertel der Abgeordneten des Bundestages kann die Einsetzung erzwingen. Enquete-Kommissionen widmen sich einzelnen Themenbereichen, insbesondere solchen, die noch nicht Gegenstand eines Gesetzgebungsverfahrens sind. Die Mitgliederzahl wird von Fall zu Fall festgesetzt. Es besteht die Besonderheit, dass auch externe Mitglieder, insbesondere Wissenschafter und andere Sachverständige, im Einvernehmen mit den Fraktionen berufen werden können. Enquete-Kommissionen haben keine rechtliche Handhabe, um wahrheitsgemäße Auskünfte von Dritten zu erzwingen, und sind auf die freiwillige Unterrichtung und die Auslieferung von Unterlagen angewiesen.

———————— 35 PartG v. 31.1.1994, BGBl. I, S. 149, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 28.6 2002, BGBl. I, S. 2268. 36 § 23 Abs. 3 PartG. 37 Bis 1997 wurden insgesamt 26 Enquete-Kommissionen eingesetzt, Schindler, Datenhandbuch, S. 2251. In der 14. WP wurden vier und in der 15. WP drei EnqueteKommissionen eingesetzt (Stand: 1.6.2004).

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11. Der ad hoc-Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG a) Funktion, Gegenstand und inhaltliche Schranken Entsprechend der eingangs erwähnten im rechts- und politikwissenschaftlichen Schrifttum38 herausgebildeten Typologie parlamentarischer Untersuchungen lassen sich diese nach Funktion und Zielrichtung unterscheiden: – Kontroll- und Missstandsuntersuchungen, die das Handeln von Regierung und Verwaltung zum Gegenstand haben, – Missstandsuntersuchungen, die im öffentlichen Interesse nichtstaatliche Bereiche des öffentlichen Lebens in die Untersuchung einbeziehen und auch als Skandalenqueten bezeichnet werden,39 – Gesetzgebungsenqueten zur Vorbereitung von legislativen Vorhaben und – Kollegialenqueten, die parlamentsinterne Sachverhalte oder das Verhalten von Abgeordneten untersuchen.40 Die Mehrzahl der Untersuchungsausschüsse betrifft die Kontrolle der Exekutive. Zur Vorbereitung von Gesetzgebungsvorhaben wurde ausdrücklich in zwei Fällen ein Untersuchungsausschuss eingesetzt.41 Seit der Einführung des Instituts der Enquete-Kommissionen im Jahre 1969 sind Gesetzgebungsenqueten praktisch bedeutungslos geworden.42 aa) Begrenzungen des Untersuchungsgegenstandes Art. 44 GG enthält keine Begrenzung im Hinblick auf den zulässigen Gegenstand einer Untersuchung. Mit der Frage, ob das Untersuchungsrecht in seiner inhaltlichen Reichweite auch den privaten Bereich erfasst oder auf den staatlichen Bereich zu begrenzen sei, beschäftigt sich die rechtswissenschaftliche Literatur seit langem. Zum Ausgangspunkt wird die 1913 von Zweig entwickelte Korollartheorie genommen, wonach sich das Enqueterecht in seiner inhaltlichen Reichweite mit dem aus den Verfassungsbestimmungen abzuleitenden Zuständigkeitsbereich des Parlaments deckt: ———————— 38

Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 4. Böckenförde, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und kommunale Selbstverwaltung, AöR 109 (1978), S. 1, 11. 40 Ausgenommen davon ist die Wahlprüfung, die durch den Wahlprüfungsausschuss des Bundestages wahrgenommen wird. 41 Echte Gesetzgebungsenquete war der Untersuchungsausschuss zur Grubenkatastrophe „Zeche Dahlbusch“ 1950, BT-Drs. I/980 (ohne Bericht) oder „Bereinigung des Reichs- und Bundesrechts“, BT-Drs. II/3702. 42 § 56 GO-BT; zur Abgrenzung vgl. Schröder, Untersuchungsausschüsse und Enquete-Kommissionen, in: Redeker-FS, S. 173ff. 39

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages „Sie [die parlamentarische Enquete] erscheint als logisch und juristisch notwendiges Korollar der der Volksvertretung zugewiesenen Tätigkeit, als sachliche Vorbereitung und Ergänzung jener Formalakte, in welchen ein Parlament seine verfassungsmäßige Zuständigkeit verwirklicht.“43

Demgegenüber sah Lewald das Untersuchungsrecht als umfassendes Oberaufsichtsrecht des Parlaments.44 Die Gegenpositionen geben exemplarisch das unterschiedliche Verständnis der Aufgabenbereiche von Parlament und Krone im Übergang zur parlamentarischen Demokratie wieder. Im parlamentarisch-demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes hat sich der Gegensatz zwischen beiden Ansichten verringert. Die Korollartheorie hat formal noch Bestand. Für die Begründung und Beschränkung parlamentarischer Untersuchungen des Bundestages und seiner Unterorgane gilt der Kompetenzrahmen des Bundestages.45 Gleichzeitig hat die Ausweitung des parlamentarischen Zuständigkeitsbereiches eine „Universalbefassungskompetenz“ des Parlaments zur Folge, die inhaltlich der Ansicht einer Oberaufsicht entspricht.46 Demnach geht die herrschende Meinung von einem weiten Untersuchungsbereich aus.47 Danach seien auch Untersuchungen im nicht-staatlichen Bereich, sog. Gesellschafts- oder Missstandsenqueten, zulässig. Innerhalb der herrschenden Meinung haben sich verschiedene Ansätze entwickelt, das Untersuchungsrecht in seinem gegenständlichen Bereich einzuschränken. (1) Das „öffentliche Interesse“ Überwiegend wird das Kriterium des „öffentlichen Interesses“ als verfassungsrechtliche Grenze des Untersuchungsrechts angeführt. Eine Untersuchung sei nur dann zulässig, wenn ein „öffentliches Interesse“ bestehe. Das „öffentliche Interesse“ wird als immanente Grenze des Untersuchungsrechts verstanden. Eine präzise Begriffsdefinition fehlt. Meist wird dem öffentlichen Interesse die Privatsphäre gegenübergestellt und die Ermittlung rein privater Sachverhalte für unzulässig erachtet.48 ———————— 43

Zweig, Die parlamentarische Enquete nach deutschem und österreichischen Recht, ZfP 1913, S. 265, 267. 44 Lewald, Enqueterecht und Aufsichtsrecht. Eine verfassungsrechtliche Studie, AöR 44 (1923), S. 269, 291f. 45 Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44, Rn. 18. 46 Platter, Das parlamentarische Untersuchungsverfahren vor dem Verfassungsgericht, S. 35. 47 Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 30ff. m.w.Nachw. 48 Zum Meinungsstreit statt aller Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 31ff.; ders., NVwZ 2002, 10ff.; vgl. auch Platter, Das parlamentarische Untersuchungsrecht, S. 36ff.; Schneider, in: AK II, Art. 44, Rn. 11, schlägt vor, ganz auf den Begriff des „öffentlichen Interesses“ zu verzichten, AK II, Art. 44, Rn. 11.

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Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, das den Begriff erstmals verwendete, setzt das „öffentliche Interesse“ an der Aufklärung nicht voraus, dass auf Grund des Untersuchungsausschusses der Bundestag in die Lage versetzt wird, als Gesetzgeber tätig zu werden. Es reiche aus, dass lediglich Empfehlungen politischer Art angestrebt würden.49 (2) Das Untersuchungsrecht als staatsgerichtetes Kontrollrecht Kritik erfährt die herrschende Meinung mit systematischen Argumenten, die den Gegenstandsbereich der Untersuchung nach Art. 44 GG auf die Exekutivkontrolle beschränken, um Übergriffe auf die anderen Gewalten zu verhindern.50 Die Hauptvertreter der Ansicht, dass sog. privatgerichtete Untersuchungen unzulässig seien, sind Meyer und Masing. Meyer lehnt das Kriterium des öffentlichen Interesses als Begrenzung des Enqueterechts ab.51 Denn dem Parlament bleibe es überlassen, was es zum öffentlichen Interesse rechne. Privates Verhalten als solches unterliege nicht dem Enqueterecht des Deutschen Bundestages. Diese Kompetenz bestehe, unabhängig von den zusätzlichen Grenzen, die sich aus grundrechtlichen oder bundesstaatlichen Prinzipien ergeben, schon darum nicht, weil dem Parlament kein Kontrollrecht über den Privatbereich oder die Gesellschaft zustehe.52 Masing stellt die Korollartheorie nicht grundsätzlich in Frage insoweit sie die universale thematische Reichweite des Enqueterechts wie auch die Begrenzung auf die Kompetenzen des Parlaments beinhaltet. Allerdings hält er die Schlüsse für das Untersuchungsrecht nach Art. 44 GG für verfehlt. Die herrschende Meinung verweise nur auf die Kompetenzen des Parlaments, ohne diese bestimmen zu können oder deren Grenzen aufzuzeigen. Der Korollartheorie liege das konstitutionelle Parlamentsverständnis zugrunde, das „speziell umschriebene Mitwirkungsbefugnisse“ des Parlaments von der Krone ableitet; diese Befugnisse seien demnach schon im gedanklichen Ansatz begrenzt.53 Im parlamentarischen Regierungssystem trage das Parlament hingegen Gesamtverantwortung. Ein Erst-Recht-Schluss, dass sich damit auch die Zugriffsrechte ———————— 49

BVerfGE 77, 1, 44 (Neue Heimat). Masing, Parlamentarische Untersuchungen gegenüber Privaten?, in: Der Staat, 1988, S. 273. 51 Meyer, Rechtsgutachten, S. 24. 52 Meyer, Rechtsgutachten, S. 41; ders., Die Stellung der Parlamente, in: Schneider/Zeh, § 4 Rn. 86 (S. 117, 150). Meyer hielt privatgerichtete Enqueten für unzulässig, solange es kein gesetzlich gesichertes rechtsstaatliches Äquivalent dafür gebe, dass Private vom Staat in Anspruch genommen werden sollen. Offen ist die Frage, ob sich die Kritik mit Erlass des Untersuchungsausschussgesetzes vom 19. Juni 2001 erledigt hat. So aber die Interpretation von Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 42. 53 Masing, Parlamentarische Untersuchungen, S. 19 m.w.Nachw. 50

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

erweiterten, sei in jedem Fall unzulässig. Zur Einschränkung des Untersuchungsrechts auf die Exekutivkontrolle und damit zur Unzulässigkeit von Untersuchungen privater Sachverhalte kommt Masing – wie Meyer – über die Unterscheidung zwischen rechtlicher und staatlicher Verantwortung.54 Das Untersuchungsrecht diene speziell der Einforderung staatlicher Verantwortung. Private seien der Volksvertretung nicht rechenschaftspflichtig. Ihre Freiheit wird vom Grundgesetz als gegeben vorausgesetzt. Deshalb seien Private nur im Rahmen der rechtlichen Verantwortung in Bezug auf Rechtsverletzungen und gesetzliche Verpflichtungen dem Staat rechenschafts- und auskunftspflichtig. Das allgemeine Selbstinformationsrecht des Parlaments könne nicht zur Ausübung von Zwangsbefugnissen gegenüber „jedermann“ legitimieren.55 Durch die Verleihung von Zwangsbefugnissen unterscheide sich der Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG von der schlichten Enquete zur Selbstinformation und könne die Zwangsbefugnisse nur in seiner Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive und nicht gegenüber Privaten beanspruchen. Daraus folge die Unzulässigkeit sog. Gesellschafts- oder Missstandsenqueten im Rahmen des mit Zwangsbefugnissen ausgestatteten Untersuchungsverfahrens nach Art. 44 GG. (3) § 1 Abs. 3 PUAG Das Untersuchungsausschussgesetz vom 21. Juni 2001 äußerst sich in § 1 Abs. 3 PUAG zu diesem Punkt, entscheidet den Streit aber nicht. Der Untersuchungsausschuss ist danach im Rahmen der „verfassungsmäßigen Zuständigkeit“ des Bundestages zulässig. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung weist darauf hin, dass damit nicht auf das Kriterium des öffentlichen Interesses verzichtet worden sei.56 Allerdings unterlässt das Gesetz auch einen Definitionsversuch. (4) Bewertung Dieser alte Grundsatzstreit, der auch unter der Fragestellung geführt wird, ob das Untersuchungsrecht nach Art. 44 GG ein allgemeines, der „Selbstinformation“ des Parlaments dienendes – und damit sachlich unbeschränktes Instrument – sei oder ob es sich um ein spezifisches Kontrollinstrument handele, das auf den staatlichen Bereich begrenzt sei,57 bedarf hier keiner Entscheidung. ———————— 54

Masing, aaO., S. 19. Masing, aaO., S. 122. 56 BT-Drs. 14/5790. 57 Schröder, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, 57. DJT, S. M 54, 80; Partsch, Funktion, 55

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Im einleitenden § 2 wurde ausgeführt, dass parlamentarische Kontrolle immer auch die Untersuchung eines Ist-Zustandes beinhaltet und dass sich die Begriffe parlamentarische Kontrolle und parlamentarische Untersuchung insoweit decken, als das Intra-Organ-Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive betroffen ist. Jede Informationsbeschaffung hat gleichzeitig vergleichenden und damit kontrollierenden Charakter. Daraus folgt für den vorliegenden Streit, dass zwischen allgemeiner Selbstinformation und spezifischer Kontrolle der Exekutive keine klare Grenze gezogen werden kann. Beide Funktionen sind untrennbar miteinander verbunden. Sieht man darüber hinaus parlamentarische Kontrolle und damit auch parlamentarische Untersuchungen als Vorbedingung von Kontrolle, nicht als eigenständige, isolierbare Funktion des Parlaments an, die keiner ausdrücklichen Rechtsgrundlage in der Verfassung bedürfen, sondern den Entscheidungs- und Mitwirkungskompetenzen immanent sind – was an dieser Stelle nur kurz angerissen werden kann –, löst sich die Fragestellung aus der Verengung auf Art. 44 GG.58 Begründung und Begrenzung des Untersuchungsrechts sind materiell der jeweils in Anspruch genommenen parlamentarischen Kompetenz zu entnehmen. Ob es sich dabei um eine primär gesetzgebende (Art. 70ff. GG) oder primär kontrollierende Kompetenz (bspw. Art. 44, Art. 67 GG) handelt, spielt eine untergeordnete Rolle. Der abstrakten Bestimmung der Kompetenzen, wie Masing sie fordert, bedarf es nicht. Denn auch hier würde sich die Frage stellen, wie Gesetzgebung von parlamentarischer Kontrolle auf der Ebene der Informationsgewinnung zu unterscheiden ist. Jede gesetzgebende oder gesetzesvorbereitende Tätigkeit setzt Informationen voraus und wird in der Regel Elemente parlamentarischer Kontrolle enthalten. Jede gesetzgebende oder zumindest mitwirkende Kompetenz berechtigt damit zu parlamentarischen Untersuchungen. Zur Klarstellung: Akzessorietät der Kontroll- und damit auch der Untersuchungskompetenz bedeutet nicht zugleich auch die Identität mit der Entscheidungskompetenz. Die parlamentarische Aufklärungskompetenz beinhaltet nur die Befugnis, sich mit einem Gegenstand zu befassen; parlamentarische Entscheidungskompetenzen sind auf verbindliche Rechtsetzung gerichtet.59 Der Blick richtet sich vielmehr auf die Frage von Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit einzelner Untersuchungsmaßnahmen. Hier unterscheiden sich die gegenläufigen Ansichten nicht mehr. Die Ermittlung rein privater Sachverhalte ist unzulässig. Erklärt die Ansicht Masings zwar den Einsetzungsantrag als vorrangigen formalen Anhaltspunkt der Zulässigkeitsprüfung, stimmen beide ———————— Struktur und Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, 45. DJT., S. 12. 58 Ausführlich siehe § 18. 59 Siehe oben § 2 II.

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

Ansichten jedoch zumindest auf der Ebene der Anwendung konkreter Untersuchungsmaßnahmen insoweit überein, als an der Untersuchung rein privater Sachverhalte kein öffentliches Interesse bestehen kann. Aus der Besonderheit, dass der Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG auch Personen, die dem Staatsapparat nicht zuzurechnen sind, zur Auskunft zwingen kann, folgert Masing, dass ein Untersuchungsausschuss ausschließlich zur Kontrolle der Exekutive eingesetzt werden kann. Lassen sich aber Kontrolle und allgemeine Selbstinformation nicht trennen, schlägt diese Einschränkung dogmatisch fehl. Inhaltlich ist ihr aber insoweit zuzustimmen, als dass Personen, die dem Staatsapparat nicht zuzurechnen sind, quasi als Hilfspersonen dem parlamentarischen Untersuchungsauftrag zur Seite stehen. Für eine gesetzesvorbereitende oder allgemein gesellschaftliche Missstände aufklärende Untersuchung ohne jeden Bezug zur Kontrolltätigkeit des Parlaments gegenüber der Exekutive würde es zumindest gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen, „jedermann“ zur Auskunft zu zwingen. Dies gilt unabhängig davon, ob man dies dem formalen Einsetzungsantrag entnehmen kann oder nicht. Ein solcher Grundrechtseingriff wäre mit dem Argument der allgemeinen und abstrakten Gesetzgebungstätigkeit nicht zu rechtfertigen. Hier ist ein die Freiheit und Freiwilligkeit der Auskunftsperson überwiegendes, den Auskunftszwang einschließendes, parlamentarisches Informationsinteresse schwer vorstellbar. Sind hingegen Untersuchungen eines konkreten Einzelfalls nötig, kann nicht der freie Staatsbürger Gegenstand parlamentarischer Kontrolle sein, der nur im Rahmen rechtlicher Verantwortung rechenschaftspflichtig ist, sondern allein die Ausübung von Staatsgewalt. Weniger aus den Aufgaben des Parlaments heraus, als vielmehr aus Rechtspositionen Dritter ergeben sich die Begrenzungen des Untersuchungsrechts. Sie sind den Grundrechten sowie den Zuständigkeiten anderer Staatsgewalten zu entnehmen.60 bb) Schutz der Grundrechte Rechtliche Beschränkungen des Untersuchungsrechts ergeben sich daraus, dass nach Art. 1 Abs. 3 GG die Gesetzgebung und die vollziehende Gewalt an die Grundrechte gebunden sind. Der Bundestag und seine Ausschüsse üben hoheitliche Gewalt aus und müssen damit die Grenzen der Freiheitsrechte, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Ungeachtet seines Charakters als Hilfsorgan der Legislative wird der Untersuchungsausschuss bei der Sachverhaltsaufklärung in dem von § 1 Abs. 4 VwVfG gemeinten materiel-

———————— 60

So auch Platter, Das parlamentarische Untersuchungsverfahren, S. 36.

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len Sinne verwaltend tätig.61 Aus der Grundrechtsbindung ergeben sich Beschränkungen hinsichtlich der Zulässigkeit eines Untersuchungsgegenstandes und Einschränkungen des Beweiserhebungsrechts.62 Betroffen kann hier insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG sein, soweit Personen zur Aussage gezwungen werden sollen, das Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG, wenn es zu Maßnahmen der Beweissicherung kommt, oder die freie Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG, wenn Informationen erteilt werden sollen, die der Vertraulichkeit unterliegen. cc) Die Lehre vom Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung Weitere Beschränkungen werden dem Prinzip der Gewaltenteilung entnommen, welches auch Untersuchungsausschüsse zur „Rücksichtnahme auf die anderen Gewalten“ verpflichtet, um deren Funktionsfähigkeit nicht gravierend zu beeinträchtigen.63 Die Frage, wie weit das Untersuchungsrecht gegenüber der Exekutive reicht, berührt die Zulässigkeit der Untersuchungsgegenstände und die Reichweite einzelner Beweiserhebungsrechte. Nach herrschender Meinung erfolgt die Grenzziehung aus dem Kernbereichsverständnis. Danach wird jeder Gewalt ein Kernbereich zugestanden, der sie vor Übergriffen und Überlagerungen der Verantwortungsbereiche durch andere Staatsgewalten schützt.64 Das Bundesverfassungsgericht hat erstmalig anlässlich des Herausgabebegehrens von Regierungsunterlagen des Flick-Untersuchungsausschusses65 in einem obiter dictum den „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ als Schranke des Untersuchungsrechts für einzelne Beweiserhebungsrechte bezeichnet. Die „Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk“ setze notwendigerweise einen „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ voraus.66 Im Anschluss an die Formulierung von Scholz67 und zuvor Magiera68 umschreibt das Bundesverfassungsgericht den Kernbereich mit einem auch durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse grundsätzlich nicht aus———————— 61 VG Berlin, NVwZ-RR 2003, 708; OVG Berlin, JuS 1970, 296; OVG Münster, NVwZ 1987, 608. 62 BVerfGE 67, 100, 142. 63 Vgl. auch Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44, Rn. 25. 64 Statt aller. Stern, Staatsrecht, Bd. 1, S. 541ff. m.w.Nachw. 65 1. Untersuchungsausschuss der 10. Wahlperiode, BT-Drs. 10/34. 66 BVerfG 67, 100, 139 mit dem Verweis auf Scholz, Parlamentarischer Untersuchungsausschuss und Steuergeheimnis, AöR 105 (1980), S. 597, 598. 67 Scholz, aaO., S. 597f. 68 Magiera, Staatsleitung, S. 321, spricht vom „interne[n] Handlungsbereich.“

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forschbaren „Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich.“ Dazu gehöre „z.B. die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht.“ Grundsätzlich erstrecke sich die Kontrollkompetenz des Bundestages nur auf „bereits abgeschlossene Vorgänge“ und enthalte nicht die Befugnis, in „laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen“ einzugreifen. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geheimzuhaltende Tatsachen nicht mitzuteilen verpflichtet ist.69 Die überwiegende Ansicht hat – mit jeweils unterschiedlicher Begründung – die Entscheidung so interpretiert, dass das Untersuchungsrecht sich generell nicht auf den Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich beziehe, unabhängig davon, ob der Vorgang abgeschlossen sei oder nicht.70 Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Aufklärung kabinettsinterner Vorgänge die offene, freimütige und kontroverse Diskussion im Kabinett verhindere, eine Abwanderung der politischen Meinungsbildung in informelle Gesprächskreise zu befürchten sei und dass die Vertraulichkeit die Regierungstätigkeit vor der Ausforschung durch die Opposition bewahren würde.71 Dem konnte der Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen nicht folgen. Die positive Funktion von Geheimhaltung im staatlichen Bereich würde durch diese Ansicht überschätzt und die negativen Auswirkungen einer partiellen Durchbrechung des Beratungsgeheimnisses überzeichnet.72 Ohne die Existenz eines Kernbereiches grundsätzlich in Frage zu stellen, lehnte das Gericht die Auffassung ab, dass sich die Regierung pauschal auf einen Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung beziehen könne. Denn die gewaltengeteilte Kompetenzordnung könne nicht durch einen „allumfassenden Entscheidungsvorbehalt unterlaufen werden.“ Auch die Kompetenzwahrnehmung selbst unterliege der parlamentarischen Kontrolle: „Soll das Parlament seiner ihm von der Verfassung übertragenen Kontrollaufgabe gerecht werden, dann müssen seine Kontrollbefugnisse gerade auch jenen von der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungs- und Gesetzesinitiative und Gesetzesanwendung erfassen, der parlamentarischer Entscheidung verschlossen ist.“73

———————— 69

BVerfG 67, 100, 39. Busse, Der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung, DÖV 1989, S. 45, 49; NdsStGH, NVWZ 1996, S. 1208. 71 Busse, aaO., S. 45. 72 BremStGH, DVBl. 1989, S. 453, 456. 73 BremStGH, DVBl. 1989, S. 453, 454. So auch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 30. März 2004, BVerfGE 110, 199. 70

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Kritisch und inhaltlich völlig überzeugend ist die Ansicht von Morlok, der der Theorie vom Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mit großer Skepsis begegnet und sie nur in restriktiver Anwendung gelten lassen will. Das Kontrollrecht beziehe sich ganz wesentlich auf Verwaltung und Regierung. Das Zusammenspiel der Gewalten umfasse die legitimatorische Abhängigkeit der Regierung vom Vertrauen des Parlaments und damit auch ihre Kontrollunterworfenheit. Ein Bereich exekutiver Eigenverantwortung begegne daher systematischen Einwänden. Allein funktionelle Hemmnisse, die zur Arbeitsunfähigkeit des kontrollierenden Organs führten, könnten eine Verweigerung der Kontrolle rechtfertigen. Die Grenze leite sich aus dem Verbot ab, Handlungen oder Hoheitsakte vorzunehmen, die anderen Staatsorganen zugewiesen sind. Die besseren Gründe sprechen damit dafür, den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung nicht als gegenständliche Grenze des Enqueterechts anzusehen, sondern als Gesichtspunkt der Rücksichtnahme auf die Handlungsbedingungen der Exekutive, die gegebenenfalls durch Maßnahmen des Geheimnisschutzes zu sichern sind, nicht durch die Exemption von der Kontrolle.74 An späterer Stelle können der restriktiven Auslegung Argumente des Supreme Court hinzugefügt werden, der für den gleichen Streit in Fällen, die dem Bundesverfassungsgericht in vergleichbarer Art und Weise noch nicht zur Entscheidung vorlagen, eine differenzierte Argumentation entwickelt hat. Sie werden, wie schon die Ausführungen Morloks nahe legen, nicht unter dem Gesichtspunkt der gegenständlichen Beschränkung des Untersuchungsrechts, sondern im Zusammengang mit dem untersuchungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip behandelt. dd) Kompetenzen der Bundesländer Die verfassungsmäßige Zuständigkeit des Bundestages beschränkt sich nach der bundesstaatlichen Kompetenzordnung auf Bundesangelegenheiten.75 Ausgeschlossen sind danach solche Untersuchungen, die in den ausschließlichen Kompetenzbereich der Länder fallen. Insbesondere Untersuchungen, die das Verhalten einer Landesregierung oder der ihr nachgeordneten Behörden zum Gegenstand haben, sind damit unzulässig.76 Der Untersuchungsausschuss kann Informationen dazu nur mittelbar gewinnen – also im Zusammenhang mit einem anderen zulässigen Untersuchungsgegenstand.77 ———————— 74

Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44, Rn. 26. Simons, Das parlamentarische Untersuchungsrecht im Bundesstaat, S. 101f. 76 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 44, Rn. 16. 77 Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44, Rn. 22. Im Einzelnen ist dieser Bereich sehr umstritten. Siehe statt aller Platter, Das parlamentarische Untersuchungsverfahren, S. 42ff. 75

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

b) Rechte der qualifizierten Minderheit Der parlamentarischen Minderheit kommt für die Kontrolle der Exekutive im parlamentarischen Regierungssystem, in dem die Regierung von der Parlamentsmehrheit getragen wird, eine besondere Funktion zu. Die parlamentarische Kontrollfunktion wird zwar nicht allein von der Parlamentsminderheit übernommen. Die Sicherung von Minderheitenrechten im Untersuchungsverfahren gewährt aber zu einem wesentlichen Teil den Diskussionsprozess über die Richtigkeit politischer Entscheidungsprozesse. Über die Minderheitenrechte entwickeln sich die Untersuchungsausschüsse gerade zu politischen Kampfinstrumenten. Art. 44 Abs. 1 GG gewährt der qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages das Recht, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu erzwingen. Zu den Minderheitenrechten in der Beweisaufnahme macht Art. 44 GG keine Aussage. Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 18. März 2002 entschieden, indem es erklärte, dass den Beweisanträgen der einsetzungsberechtigten Minderheit Folge zu leisten sei, soweit das Antragsrecht nicht sachwidrig oder missbräuchlich ausgeübt werde.78 Der Umfang des Mitgestaltungsanspruchs geht allerdings nicht weiter als derjenige der Mehrheit, ist diesem aber grundsätzlich vom Gewicht her gleich zu erachten. Die Ablehnung eines Beweisantrags bedarf der Begründung. Das von der Minderheit angerufene Gericht hat sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Begründung der Mehrheit nachvollziehbar und der Wertungsrahmen insbesondere bei der Auslegung des Untersuchungsauftrags in vertretbarer Weise ausgefüllt worden ist. Das Untersuchungsausschussgesetz vom 21. Juni 2001 hatte bereits zuvor entsprechende Regelungen ins Gesetz aufgenommen und die Rechte der qualifizierten Minderheit über das Einsetzungsrecht hinaus auf die Beweiserhebung ausgedehnt (§§ 1, 2 Abs. 1, 17 Abs. 2 PUAG). Die qualifizierte Minderheit kann vom Vorsitzenden die Einberufung einer Sitzung verlangen (§ 8 PUAG). Zur Unterstützung der Untersuchung kann die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten beansprucht werden (§ 10 Abs. 1 PUAG). Die Heranziehung eines bestimmten Sachverständigen kann erzwungen werden (§ 28 i.V.m. 17 Abs. 2 PUAG). Die qualifizierte Minderheit kann der Reihenfolge der zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen widersprechen und dazu die Entscheidung des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof einholen. Wird das Ersuchen vom Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof abgelehnt, kann die Minderheit das Bundesverfassungsgericht anrufen (§ 18 Abs. 3 PUAG). Die qualifizierte Minderheit kann die Rechtmäßigkeit der Einstufung eines Beweismittels als Verschlusssache und Streitigkeiten über ———————— 78

BVerfGE 105, 197, 224.

§ 4 Parlamentarische Untersuchungen des Bundestages

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Rechts- und Amtshilfe vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs klären lassen (§ 18 Abs. 4 PUAG). Die Versagung einer Aussagegenehmigung kann sie vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen (§ 23 Abs. 2 PUAG). Beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs kann die qualifizierte Minderheit den Antrag stellen, zur Erzwingung der Herausgabe von Beweismitteln Haft gegen den Gewahrsamsinhaber anzuordnen (§ 29 Abs. 3 PUAG).79 c) Untersuchungsausschüsse seit 1951 Seit 1951 hat der Bundestag 22 Untersuchungsausschüsse eingerichtet. Der Verteidigungsausschuss hat sich in dieser Zeit zwölfmal als Untersuchungsausschuss eingesetzt.80 12. Zusammenfassung Die Aufklärungsinstrumente des Bundestages unterscheiden sich zunächst formal: Ihre rechtliche Ausgestaltung reicht von der Regelung in Geschäftsordnungsvorschriften (Parlamentarisches Fragerecht, Enquete-Kommission) über gesetzliche Vorschriften (Verfahren im Petitionsausschuss, Kontrolle der Nachrichtendienste) bis zur ausdrücklichen Verankerung in der Verfassung (Untersuchungsausschuss). Die Aufklärungsinstrumente unterscheiden weiter danach, wer zur Auskunft verpflichtet ist – Mitglieder des Staatsapparats oder Private –, welche Öffentlichkeitswirksamkeit sie erzeugen können und danach, ob sie durch die parlamentarische Minderheit in Anspruch genommen werden können. Hinsichtlich ihrer Wirksamkeit unterscheiden sie sich danach, welche Rechtsfolgen gegenüber der Auskunftsperson sie bei Auskunftsverweigerung herbeiführen können. Ihrer Stärke bzw. Wirksamkeit nach lassen sie sich in drei Ebenen einteilen. Auf erster Ebene stehen die Instrumente, mit denen Auskünfte allein auf freiwilliger Grundlage eingeholt werden können (Enquete-Kommission, öffentliche Anhörungen der Fachausschüsse). Auf zweiter Ebene sind die Instrumente angesiedelt, die explizit eine Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament konstituieren (Befugnisse des Petitionsausschusses). Auf dritter Ebene sind die Instrumente einzuordnen, die über eine Auskunftspflicht hinaus das Erscheinen der Auskunftsperson sowie die wahrheitsgemäße Aussage unter Androhung von Ordnungsmitteln oder Strafe bei Zuwiderhandlung einfordern können – und dies nicht nur gegenüber Personen, die dem Staatsapparat zuzurechnen sind, sondern auch gegenüber Bürgern, die in keinem öffentlichen Verantwor———————— 79

Dies gilt für Beschlagnahme und Untersuchungen entsprechend. Zu Hintergrund, Inhalt und Verfahren der einzelnen Untersuchungsausschüsse vgl. statt aller Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 8ff. 80

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

tungsverhältnis stehen. Hierzu zählt der Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG. In ihrem materiell zulässigen Gehalt, also der begehrten Information selbst, unterscheiden sich die Aufklärungsinstrumente nicht. Es liegt im Ermessen des jeweils berechtigten Untersuchungsgremiums, den Informationsbedarf festzustellen. Allen Aufklärungsinstrumenten wohnt das allgemeine Recht des Parlaments inne, Sachverhalte, die es für aufklärungsbedürftig hält, zu untersuchen.

§ 5 Einsetzung, Zusammensetzung und Verfahren des Untersuchungsausschusses I. Einsetzung Der Untersuchungsausschuss wird auf Grund eines Antrags von mindestens fünf von Hundert der Mitglieder des Bundestages durch einfachen Parlamentsbeschluss eingesetzt (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 PUAG). Die Einsetzung der sog. Minderheitsenquete hat unverzüglich zu erfolgen (§ 2 Abs. 1 PUAG). In diesem Fall darf der Einsetzungsbeschluss den Untersuchungsgegenstand nicht gegenüber dem Einsetzungsantrag ändern, es sei denn, die Antragsteller stimmen dem zu (§ 2 Abs. 2 PUAG).1 Der Untersuchungsausschuss ist seinerseits an den Untersuchungsauftrag gebunden. Eine Änderung oder Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes muss – mit Ausnahme von redaktionellen und sprachlichen Korrekturen – erneut vom Plenum des Bundestages beschlossen werden (§ 3 PUAG). Hält der Bundestag den Einsetzungsantrag für verfassungswidrig, so muss er ihn auf die Teile des Untersuchungsgegenstandes beschränken, die er nicht für verfassungsgemäß hält (§ 2 Abs. 3 PUAG). II. Zusammensetzung Die Zahl der ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder wird nach § 4 PUAG vom Bundestag im Einsetzungsbeschluss bestimmt. Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament und die Arbeitsfähigkeit des Untersuchungsausschusses sind zu berücksichtigen (§ 4 S. 2 PUAG). Als für die Sitzverteilung maßgebendes Berechnungsverfahren wird das Proportionalverfahren (St. Lague/Schepers) festgelegt, das im Vergleich zum Verfahren nach d’Hondt eine übermäßige Begünstigung großer Fraktionen vermeidet.2 Die Benennung der ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder erfolgt durch die Fraktionen (§ 5 PUAG, § 57 Abs. 2 GO-BT). Ob und wie lange ein Abgeordneter Mitglied eines Untersuchungsausschusses ist, unterliegt somit der alleinigen Disposition der Fraktionen. Inkompatibilitätsvorschriften gibt es nicht. ———————— 1 2

Differenzierend statt aller Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 177ff. BT-Drs. 14/5790, S. 14.

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Der Untersuchungsausschuss bestimmt aus seiner Mitte nach Vereinbarung im Ältestenrat ein Mitglied, das den Vorsitz führt (§ 6 Abs. 1 S. 2 PUAG). Die Fraktionen sind im Verhältnis ihrer Stärke zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 1 S. 1 PUAG i.V.m., § 12 GO-BT). Der Vorsitzende muss ein Mitglied des Bundestages und des Untersuchungsausschusses selbst sein. Damit wurde den im Interesse einer Verobjektivierung des Untersuchungsverfahrens vorgebrachten Vorschlägen, den Vorsitz einer „neutralen“ Person ohne Stimmrecht anzuvertrauen, eine Absage erteilt.3 Der Vorsitzende leitet das Untersuchungsverfahren und hat die den Vorsitzenden der ständigen Ausschüsse nach § 29 GO-BT obliegenden Aufgaben der Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Ausschusssitzungen sowie der Durchführung der Ausschussbeschlüsse. Bei der Wahrnehmung seines Amtes ist er zur Objektivität und Neutralität verpflichtet.4 Alle Sitzungsteilnehmer unterstehen seiner Ordnungsgewalt (§§ 8 PUAG, 59 Abs. 3 GO-BT). Der stellvertretende Vorsitzende wird nach den Vereinbarungen im Ältestenrat ein Mitglied des Untersuchungsausschusses, das einer anderen Fraktion als der Vorsitzende angehört und die gleichen Rechte und Pflichten wie der abwesende Vorsitzende hat (§ 7 Abs. 1 PUAG). III. Verfahren Das Verfahren kann in das Stadium der Vorermittlung, der öffentlichen Beweiserhebung und der Berichterstattung gegliedert werden. Im Gegensatz zum Strafverfahren, welches strenger zwischen staatsanwaltlichem Ermittlungsverfahren und Hauptverfahren trennt, sind die Grenzen zwischen den einzelnen Untersuchungsstadien im parlamentarischen Untersuchungsverfahren fließend. Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 GG werden ad hoc, also „nur für diesen Zweck“, eingesetzt. Dieser Zweck wird regelmäßig durch im Vorfeld öffentliche Aufmerksamkeit erregende Vorgänge, Unklarheiten oder die Behauptung politischer Fehlleistungen gesetzt. Da der Untersuchungsausschuss ein scharfes Instrument der parlamentarischen Minderheit ist, kann allein schon in der Androhung eines Einsetzungsantrages sein politischer Zweck erfüllt sein und sie kann Konsequenzen nach sich ziehen. Die Fraktionen, auf denen personell und sachlich im Wesentlichen die Hauptlast der Untersuchungstätigkeit liegt, müssen schon in diesem Stadium den Untersuchungsbedarf, den zeitlichen Rahmen und die personelle Ausstattung abschätzen. ———————— 3 Zur Diskussion Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 199f., der im Übrigen meint, dass das durch Art. 44 GG vorgegebene Spannungsverhältnis nicht durch „vermeintlich harmonisierende Kunstgriffe“ aufzulösen sei (S. 200). 4 Dach, Verwaltungs-, Aufsichts-, und Mitwirkungsgremien mit parlamentarischer Beteiligung, in: Schneider/Zeh, § 40 Rn. 41 (S. 1103, 1117).

§ 5 Einsetzung, Zusammensetzung und Verfahren

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Mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses wird ein Ausschusssekretariat eingerichtet. Mitarbeiter der Fraktionen beginnen mit der informellen Recherche, der Sichtung der Beweismittel, der Anforderung von Berichten und Stellungnahmen. Informatorische Befragungen erfolgen in nichtöffentlicher Sitzung. Gutachten zu rechtlichen Fragen können erforderlich sein. Die Beweisthemen werden konkretisiert und potentielle Zeugen ermittelt. Aktenvorlageersuchen werden auf Beschluss des Ausschusses über den Ausschussvorsitzenden vom Sekretariat des Ausschusses ausgefertigt. Die Ermittlungen können verzögert werden, wenn sich Aktenherausgabeverlangen gegenüber der Exekutive, insbesondere der Justiz, auf laufende Ermittlungsverfahren gegen potentielle Zeugen beziehen.5 Das Stadium der Vorermittlung ist das für die Sachaufklärung wichtigste Stadium, da es weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Allerdings kann schon in dieser Phase der Außendruck erhöht sein. Nach § 17 PUAG sind Beweise zu erheben, wenn sie von einem Viertel ihrer Mitglieder beantragt werden, es sei denn die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der im Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar. Diese Regelung stimmt mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Rechten der qualifizierten Minderheit vom 8. April 2002, die nach Erlass des Untersuchungsausschussgesetzes ergangen ist, inhaltlich überein.6 Im Zusammenhang mit dem Parteispendenuntersuchungsausschuss entschied das Gericht, dass „der nach Art. 44 Abs. 1 GG als einsetzungsberechtigt qualifizierten Ausschussminderheit“ Rechte auf Beweiserhebung im Ausschuss zustehen. Die Einsetzungsminderheit habe einen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Beweisanträge durch die Ausschussmehrheit; dies gelte auch für die potentielle Einsetzungsminderheit. Der Umfang des „Mitgestaltungsanspruches“ der Minderheit könne zwar nicht weiter reichen, als derjenige der Mehrheit, sei aber von seinem „Gewicht her gleich zu achten.“7 Den Beweisanträgen der „potentiell einsetzungsberechtigten Minderheit“ sei danach grundsätzlich Folge zu leisten, soweit das Antragsrecht nicht „missbräuchlich“ ausgeübt werde. Die Ausschussmehrheit könne einen Beweisantrag dann zurückweisen, wenn sie „nachvollziehbar darlegt, dass die Minderheit die ihr zustehenden Rechte sachwidrig“ ausübe. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die beantragte Beweiserhebung außerhalb des Untersuchungsauftrages liege, rechtswidrig sei, lediglich der Verzögerung diene oder offensichtlich missbräuchlich sei.8 § 17 Abs. 1 PUAG bietet in Verbindung mit dem Urteil ———————— 5 Bericht des 1. Untersuchungsausschusses der 14. Wahlperiode (Parteispenden), S. 126ff. 6 BVerfGE 105, 197. 7 BVerfGE 105, 197, 222. 8 BVerfGE 105, 197, 223.

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des Bundesverfassungsgerichtes eine klare rechtliche Grundlage für Streitigkeiten zwischen Ausschussmehrheit und Ausschussminderheit. Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen soll möglichst einvernehmlich festgelegt werden (§ 17 Abs. 3 PUAG). Können sich die Mitglieder des Untersuchungsausschusses nicht auf die Reihenfolge der Fragesteller einigen, richtet sich das Verfahren nach dem sog. Reißverschlussverfahren, wie es in § 28 Abs. 1 GO-BT für die Redner im Plenum festgelegt ist (§ 17 Abs. 3 S. 2 PUAG). Danach ist bei der Reihenfolge der Redner die Stärke der Fraktionen zu berücksichtigen und eine Abwechslung von Rede und Gegenrede zu beachten. Voraussetzung ist der Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses (§ 17 Abs. 3 PUAG). Lehnt der Untersuchungsausschuss die Erhebung bestimmter Beweismittel oder beantragte Zwangsmittel ab, kann ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses eine Entscheidung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs einholen (§ 17 Abs. 4 PUAG). Aus Art. 43 Abs. 2 S. 1 GG ergibt sich ein Recht der Bundesregierung und des Bundesrates, durch Beauftragte an der Ausschusstätigkeit teilzunehmen. Bei der Bundesregierung wird häufig ein eigener Arbeitsstab zur Begleitung der Ausschusstätigkeit gebildet, zumindest in dem Ressort, das in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand die Federführung hat, oder beim Bundeskanzleramt. Das Zutrittsrecht der Beauftragten ist bei Kontrolluntersuchungen nicht unproblematisch und ist häufig kritisiert worden.9 Der Beauftragte kann aber auf Grund des höherrangigen Verfassungsrechts nicht ausgeschlossen werden. Endstadium der Untersuchung ist die Anfertigung des Abschlussberichts und die Debatte im Plenum des Bundestages.

———————— 9

Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 203 m.w.Nachw.

§ 6 Befugnisse des Untersuchungsausschusses und ihre Grenzen I. Vorbemerkung Nach Art. 44 Abs. 1 GG erhebt der Untersuchungsausschuss die erforderlichen Beweise. Materielle Voraussetzungen an die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses enthält Art. 44 GG genauso wenig, wie konkrete Befugnisse zur Beweiserhebung. Das Beweiserhebungsrecht wird durch den Verweis auf die „sinngemäße Anwendung“ der Vorschriften des Strafprozesses nach Art. 44 Abs. 3 GG und seit 2001 durch das Untersuchungsausschussgesetz (PUAG) konkretisiert. Von praktischer Bedeutung ist vor allem der Urkunds- und Personalbeweis, also das Recht auf Aktenvorlage und Zeugenaussage. Die Grenzen der Beweiserhebung werden durch den Untersuchungsauftrag, die Grundrechte der Auskunftspersonen und das im Intra-Organ-Verhältnis zu berücksichtigende Gewaltenteilungsprinzip bestimmt, das die Funktionsfähigkeit der Exekutive bzw. den Schutz staatlicher Geheimnisse im öffentlichen Interesse sichern soll. II. Zeugenvernehmung Der Zeuge hat die Pflicht auf die Ladung vor dem Gremium zu erscheinen (§ 20 Abs. 1 PUAG) und wahrheitsgemäß auszusagen (§ 24 PUAG). Diese entfällt nur dann, wenn der Zeuge ein Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht hat (§ 22 PUAG). Nach allgemeiner Ansicht ist die Pflicht jedes Staatsbürgers, Zeugnis vor dem Untersuchungsausschuss abzulegen, nach deutscher Rechtstradition eine allgemeine Staatsbürgerpflicht.1 Der Untersuchungsausschuss hat in der Ladung das Beweisthema anzugeben, den Zeugen über seine Rechte zu belehren, auf die Folgen des Ausbleibens (§ 21 PUAG) sowie darauf hinzuweisen, dass die Auskunftsperson einen rechtlichen Beistand zur Vernehmung hinzuziehen kann (§ 20 Abs. 2 PUAG). Sollen Amtsträger vernommen werden, so ist die Aussagegenehmigung des Dienstherren einzuholen (§ 23 Abs. 1 PUAG i.V.m. § 54 der StPO). ———————— 1

Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 242 mit Verweis auf BVerfGE 76, 363, 383. Kritik siehe S. 274.

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Die Bundesregierung ist verpflichtet, die erforderliche Aussagegenehmigung zu erteilen (§ 23 Abs. 2 PUAG). Die Zeugen sind einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen (§ 24 Abs. 1 PUAG). Eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen ist zulässig, wenn es für den Untersuchungszweck geboten ist (§ 24 Abs. 2 PUAG). Vor der Vernehmung hat der Vorsitzende die Zeugen zur Wahrheit zu ermahnen, ihnen den Gegenstand der Vernehmung zu erläutern und sie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren (§ 24 Abs. 3 PUAG). Zu Beginn der Vernehmung ist Zeugen die Gelegenheit zu geben, das, was ihnen von dem Gegenstand ihrer Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang darzulegen (§ 24 Abs. 4 PUAG). Das Fragerecht steht dem Vorsitzenden vor den anderen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zu (§ 24 Abs. 5 PUAG). Der Vorsitzende kann ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen zurückweisen (§ 25 Abs. 1 PUAG). Zeugen können den Vorsitzenden dazu auffordern. Bei Zweifeln über die Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit ihrer Zurückweisung entscheidet der Untersuchungsausschuss auf Antrag seiner Mitglieder. Die Zurückweisung bedarf der Mehrheit mit zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder (§ 25 Abs. 2 PUAG). Den einzelnen Zeugen ist das Protokoll über ihre Vernehmung zuzustellen (§ 26 Abs. 1 PUAG). Der Untersuchungsausschuss stellt durch Beschluss fest, dass die Vernehmung der jeweiligen Zeugen abgeschlossen ist. Die Entscheidung darf erst dann ergehen, wenn nach Zustellung des Vernehmungsprotokolls eine Frist von zwei Wochen verstrichen ist (§ 26 Abs. 2 PUAG). 1. Zeugniszwang a) Ordnungsgeld und Ordnungshaft Erscheinen ordnungsgemäß geladene Zeugen ohne rechtzeitige und genügende Entschuldigung nicht, kann der Untersuchungsausschuss ihnen die durch ihr Ausbleiben verursachten Kosten auferlegen, gegen sie ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 € festsetzen und die zwangsweise Vorführung anordnen (§ 21 Abs. 1 PUAG). Wird das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund verweigert, kann der Untersuchungsausschuss dem Zeugen die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegen und ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 € festsetzen (§ 27 Abs. 1 PUAG). Auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses kann der Ermittlungsrichter zur Erzwingung des Zeugnisses Haft anordnen. Die Haft kann nicht über die Zeit der Beendigung des Untersuchungsverfahrens hinausreichen und darf sechs Monate nicht überschreiten (§ 27 Abs. 2 PUAG). Das Recht des Untersuchungsausschusses, die begehrte Aussage zu erzwingen, ist Teil des Untersuchungsrechts nach Art. 44 GG.

§ 6 Befugnisse des Untersuchungsausschusses

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b) Falschaussage und Meineid Art. 32 Abs. 2 WRV, wonach die Vorschriften der Strafprozessordnung sinngemäße Anwendung finden sollten, hatte der Verfassungsausschuss eingefügt, um dem Recht der Zeugeneinvernahme, das er mit Art. 34 Abs. 1 WRV als geregelt ansah, das Recht des Zeugniszwangs und der Zeugenvereidigung hinzuzufügen.2 Inhaltlich wurde diese Regelung in Art. 44 Abs. 2 GG übernommen. Seit In-Kraft-Treten des Grundgesetzes haben nur zwei Untersuchungsausschüsse des Bundestages Zeugen unter Eid vernommen.3 Seit 1969 ist kein Zeuge mehr von einem Untersuchungsausschuss des Bundestages vereidigt worden. Dieser Blick auf die zurückliegende Untersuchungspraxis wurde letztlich auch als Begründung für den Verzicht auf eine mögliche Vereidigung im PUAG vom 21. Juni 2001 angegeben.4 Im Parteispenden-Untersuchungsausschuss5 der 14. Wahlperiode lebte das Bedürfnis nach Vereidigung von Zeugen neu auf. 30 Anträge auf die Vereidigung von Zeugen fanden eine Mehrheit. Allerdings verweigerten vereinzelt Zeugen die Eidesleistung.6 Im Fall des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch wies das Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit Urteil vom 11. Juni 2003 (also weit nach Vorlage des Abschlussberichts) die Klage ab, mit der er sich gegen einen Ordnungsgeldbeschluss des Parteispenden-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 24.1.2002 gewandt hatte.7 Das Gericht folgte insbesondere nicht der Argumentation des Klägers, der Untersuchungsausschuss könne ———————— 2 Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Aktenstück Nr. 391; Bd. 336, S. 264ff. 3 2. Untersuchungsausschuss der 4. Wahlperiode und 1. Untersuchungsausschuss der 5. Wahlperiode. 4 So schon die Begründung der Enquete-Kommission Verfassungsreform BT-Drs. 7/5964: „[…] dass der Betroffene nicht in der besonderen Atmosphäre der Ausschussverhandlung mit ihrer Turbulenz und ihren vielfältigen Spannungen zur Eidesleistung gezwungen wird.“ Zum Untersuchungsausschussgesetz siehe die Diskussion im Ausschuss für Wahlprüfung, Geschäftsordnung und Immunität der Abgeordneten Wiefelspütz, Bachmaier (beide SPD), v. Stetten (CDU/CSU) und van Essen (FDP). Protokoll G 44 v. 19.1.2001. Siehe auch Wiefelspütz, Der Eid im Untersuchungsausschuss, ZRP 2002, 14, 17. Schaefer, Vereidigung im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, NJW 2002, 490, sieht im mangelnden Gebrauch der Vereidigungsmöglichkeit einen Beleg dafür, dass sich der Bundestag auf die prozessuale Zwitterstellung der zu Vernehmenden eingerichtet habe und deshalb auf das Instrument der Vereidiung verzichten könne. 5 Einsetzungsbeschluss und Untersuchungsauftrag v. 2.12.1999, BT-Drs. 13/2139; Erweiterung des Untersuchungsauftrags v. 18.2.2000, BT-Plenarprotokoll 14/76; Bericht, BT-Drs. 14/2686. 6 Detailliert Wiefelspütz, Der Eid im Untersuchungsausschuss, ZRP 2002, 14ff. 7 VG 2 A 36.02, PM 19/2003, VG Berlin, NVwZ-RR 2003, S. 708.

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grundsätzlich keine Eidesleistung bespruchen,8 zumindest nicht mehr seit Erlass des PUAG vom 19.6.2001, welches auf die Möglichkeit der Vereidigung von Zeugen völlig verzichtet. Zur Begründung verweist das VG Berlin auf die Entstehungsgeschichte des Vorläufers von Art. 44 GG – Art. 34 WRV, das die Zeugenvereidigung eingeschlossen hatte. Außerdem legt es dar, dass, würde man der Ansicht des Klägers folgen, bis zum Erlass des PUAG jegliche Falschaussage, auch die uneidliche, vor dem Untersuchungsausschuss sanktionslos hätte bleiben müssen. Diese Konsequenz könne von den Verfassungsgebern nicht beabsichtigt gewesen sein, denn § 153 StGB, der in seinem wesentlichen Gehalt 1943 geschaffen wurde, galt bereits zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Grundgesetzes.9 Der Untersuchungsausschuss habe im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft nicht nur vorbereitend, sondern abschließend eigene Ermittlungen durchzuführen und das Ergebnis in einem Abschlussbericht festzuhalten. Der Untersuchungsausschuss könne „die ihm aufgetragene Kontrollfunktion nur ausüben, wenn ihm selbst effektive Ermittlungsinstrumente zur Verfügung stehen, wozu auch die Vereidigung von Zeugen gehöre.“10 Ausgehend vom Verweis in Art. 44 Abs. 3 GG auf die Vorschriften des Strafprozesses prüft das Gericht, welche strafprozessualen Vorschriften nach dem Sinn und Zweck des Untersuchungsverfahrens heranzuziehen seien. Es unterscheidet die Zeugenvereidigung von anderen Zwangsmaßnahmen, wie Beugehaft (§ 70 Abs. 2 StPO) und Beschlagnahmen (§ 98 StPO), deren Anordnung dem Gericht vorbehalten sind: „[Den Untersuchungsausschuss] ebenso wie bei freiheitsentziehenden Maßnahmen oder Beschlagnahmen darauf zu verweisen, eine Zeugenvereidigung durch das Gericht herbeizuführen, würde zwar eine fachkundige und unabhängige Entscheidung über das Vereidigungsverbot nach § 30 StPO garantieren, hätte jedoch die missliche

———————— 8 So die Mindermeinung von Güther/Seiler, Vereidigung von Zeugen durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, NStZ 1993, 305, 306, die den Untersuchungsausschuss nicht zu einer zur Eidesabnahme befugten Stelle im Sinne der §§ 153ff. StPO zählen. Sinn der Vereidigungsvorschriften sei es, dem Gericht ein Verfahren zu ermöglichen, das für seine mit weitreichenden rechtlichen Konsequenzen verbundene Entscheidung eine verfestigte Überzeugung von der Richtigkeit der Zeugenaussage zu gewinnen. An dieser Notwendigkeit fehle es im Untersuchungsausschuss. Die Zulassung zum Richteramt sei konsequenterweise von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zu verlangen. Ebenso ablehend der Verfahrensbevollmächtige für den Hessischen Ministerpräsidenten vor dem VG Berlin, Hamm, Kein Vereidigungsrecht von Untersuchungsausschüssen, ZRP 2002, 11, 18, der versucht, seine Ansicht über eine systematische Auslegung von §§ 153 StGB zu begründen. 9 VG Berlin, NVwZ-RR 2003, 708, 710. 10 VG Berlin, aaO., S. 709 mit dem Verweis auf HessStGH, NVwZ-RR 1999, 483f. m.w.Nachw.

§ 6 Befugnisse des Untersuchungsausschusses

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Folge, dass ein Organ über die Vereidigung zu entscheiden hätte, welches der Zeu11 genvernehmung gar nicht beigewohnt hätte.“

Im Übrigen sehe sich der Zeuge „lediglich“ der Verhängung eines Ordnungsgeldes ausgesetzt, die er einer gerichtlichen Überprüfung zuführen kann, ohne dass ihm – im Gegensatz zu freiheitsentziehenden Maßnahmen – bis dahin wesentliche Nachteile drohten. Der Zeuge stünde damit nicht schlechter als bei der Verweigerung der Aussage oder einzelner Auskünfte. Die rechtlichen Wirkungen des Verzichts auf die Vereidigung von Zeugen im Untersuchungsausschussgesetz vom 19. Juni 2001 sind umstritten. Die überwiegende Ansicht hält, wie das VG Berlin, die Möglichkeit der Vereidigung nach wie vor mit der Begründung für gegeben, dass sich das Recht der Zeugenvereidigung aus höherrangigem Verfassungsrecht, nämlich aus Art. 44 Abs. 1 und 2 GG ableite und der Verweis auf die sinngemäße Anwendung der Regeln über den Strafprozess erhalten geblieben sei.12 Eine andere Ansicht sieht dagegen den Verzicht als beschlossene Selbstbindung des Parlaments an.13 Folgt man der herrschenden Ansicht, ist die beeidete Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss weiterhin nach § 154 StGB strafbar. Die unbeeidete Falschaussage ist nach § 153 StGB strafbar. In Abs. 2 des § 153 StGB, der im Jahre 2001 neu eingefügt wurde, ist nunmehr auch der Untersuchungsausschuss als „zur eidlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zuständige Stelle“ aufgeführt. 2. Auskunftsverweigerung wegen der Gefahr der Selbstbelastung Zeugen können die Auskunft auf Fragen verweigern, deren Beantwortung ihnen oder Personen, die im Sinne des § 52 Abs. 1 StPO ihre Angehörigen sind, der Gefahr aussetzen würde, Gegenstand einer Untersuchung nach einem gesetzlich geordneten Verfahren zu werden (§ 22 Abs. 2 PUAG). Die Vorschrift ist § 55 StPO nachgebildet. Sie beruht auf dem Grundsatz, dass niemand gezwungen werden soll, gegen sich selbst auszusagen (nemo tenetur se ipse accusare). Zwang zur Selbstbezichtigung greift in die grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG sowie in das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG ein und berührt damit die Würde des Menschen nach Art. 1 Abs. 1 GG.14 § 55 StPO schützt den Aus———————— 11

VG Berlin, aaO., S. 709. VG Berlin, NVwZ-RR 2003, S. 708, 712; Glauben/Brocker, Recht der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, § 24 Rn. 5 (S. 314) m.w.Nachw. 13 Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 269, mit dem Verweis auf Zeh, Regelungsbedarf und Regelungschancen für das Verfahren parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, DÖV 1988, S. 701, 709. 14 BVerfGE 56, 37, 41. 12

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kunftspflichtigen vor dem Konflikt, sich einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder durch eine Falschaussage gegebenenfalls ein neues Delikt zu begehen bzw. wegen des Schweigens Zwangsmitteln ausgesetzt zu sein. § 22 Abs. 2 PUAG erweitert das nach § 55 StPO ausdrücklich nur auf die mögliche Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezogene Verweigerungsrecht auf alle gesetzlich geordneten Verfahren, wie bspw. beamtenrechtliche Disziplinarverfahren.15 Davon sollen auch berufsgerichtliche und ehrengerichtliche Verfahren betroffen sein.16 Die sichere Erwartung, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, ist nicht Voraussetzung. Es ist ausreichend, dass die Einleitung eines Strafverfahrens droht, weil der Zeuge bei wahrheitsgemäßer Aussage Tatsachen angeben müsste, die einen Anfangsverdacht begründen würden.17 Diese Gefahr besteht nicht mehr nach rechtskräftiger Verurteilung, nach der Einstellung des Strafverfahrens mit dem gleichzeitigen Verbrauch der Strafklage, bei rechtskräftiger Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens, bei rechtskräftigem Freispruch oder wenn die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Täters nicht mehr besteht.18 Das Auskunftsverweigerungsrecht bezieht sich auf die Beantwortung verfänglicher Fragen, hingegen nicht auf vollständige Zeugnisverweigerung. Die Einführung eines Betroffenenstatus, die mit der Rechtsstellung eines Beschuldigten im Strafverfahren vergleichbar für die Fälle gilt, in denen sich eine parlamentarische Untersuchung maßgeblich gegen eine Person wendet, hat der Bundesgesetzgeber mit der Begründung unterlassen, dass die Unterscheidung zwischen „Zeugen“, „betroffenen Zeugen“ und „Betroffenen“ schwer abzugrenzen und damit streitanfällig sei.19 Im Übrigen wird auf die unterschiedliche Struktur und Sinn und Zweck des Strafverfahrens hingewiesen.20 Dem ist beizupflichten. Der Zeuge im parlamentarischen Untersuchungsverfahren kann zwar einer politischen und persönlichen Betroffenheit begegnen, doch wird er nicht sanktionsbewehrt mit einem Vorwurf des Rechtsbruchs überzogen wie im Strafverfahren. Unter besonderen Umständen kann sich das Auskunftsverweigerungsrecht zu einem Zeugnisverweigerungsrecht in vollem Umfang verdichten. Das OVG ———————— 15

BT-Drs. 10/5575, S. 14. Im Gegensatz zu nichtstaatlichen Sanktionsverfahren, wie parteiinterne Schiedsverfahren oder vereinsinterne Ausschlussverfahren, vgl. Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 251. 17 Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 55 Rn. 6f. 18 Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 55 Rn. 9. 19 Die Begründung ist dem Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung v. 20.9.1990 anlässlich der Beratung des Gesetzentwurfes der SPDFraktion v. 18.3.1988 am 26.2.1988 entnommen, den sich der Gesetzgeber zu eigen gemacht hat, Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 238f., BT-Drs. 11/6587. 20 Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 239, m. w. Nachw. 16

§ 6 Befugnisse des Untersuchungsausschusses

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Münster hat im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss „Kommerzielle Koordinierung“ in der 12. Wahlperiode festgestellt, dass insbesondere bei Fragen, die ein Teilstück in einem „mosaikartigen Beweisgebäude“ betreffen und demzufolge mittelbar zu einer Belastung des Zeugen beitragen können, das Auskunftsverweigerungsrecht im Ergebnis einem umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht gleichkomme.21 Dieser Ausnahmefall ist von Untersuchungsausschüssen der Landtage, die keinen Betroffenenstatus kennen, und des Bundestages in der Vergangenheit in Einzelfällen anerkannt worden.22

3. Auskunftsverweigerung wegen einer beruflichen Vertrauensbeziehung Ein gesetzlicher Grund, das Zeugnis zu verweigern, liegt vor, wenn sich der Zeuge auf ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht berufen kann. Nach § 22 Abs. 1 PUAG gelten die §§ 53 und 54 der StPO entsprechend. Danach können Angehörige der dort genannten Berufsgruppen das Zeugnis verweigern. § 53 StPO schützt das Vertrauensverhältnis zwischen bestimmten Berufsangehörigen und denen, die ihre Hilfe und Sachkunde in Anspruch nehmen.23 Der Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts ist auf die bei der Berufsausübung anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen beschränkt. Der Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten ist auf den Kreis der in § 53 StPO aufgeführten Personengruppen beschränkt.24 Ärzte und Anwälte können aber durch die Person, die ihr Vertrauen in Anspruch genommen hat, von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden werden. Nach § 53 Abs. 1 Nr. 4 StPO sind Mitglieder des Bundestages, eines Landtages oder einer zweiten Kammer über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Für die Mitglieder des Bundestages bedeutet die Vorschrift das Gleiche wie Art. 47 GG. Die Vorschrift sichert das Amtsgeheimnis des Abgeordneten. Dieses dient dem Schutz der Handlungsfreiheit des Abgeordneten und dem Vertrauensverhältnis zwischen Abgeordneten und Bürgern. Der Abgeordnete entscheidet selbst darüber, ob er vollständig, teilweise oder gar keine Auskunft erteilen will.25 Liegt ———————— 21

OVG Münster, NJW 1990, 80. Vgl. BT-Drs. 11/7800, S. 31; vgl. § 18 Abs. 1 der IPA-Regeln. 23 Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 53 Rn. 1. 24 Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 53 Rn. 7. 25 Zum Streit, ob nur die Kommunikation geschützt sei, bei der sich der Abgeordnete auf dem Boden der Rechtsordnung bewege, vgl. Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 246. 22

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

ein Tatverdacht gegen einen Abgeordneten vor, so kann sich dieser nicht auf Art. 47 GG berufen. Allerdings entfällt bereits dann die Zeugeneigenschaft. Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 22 Abs. 1 PUAG tritt an die Stelle. Enge Mitarbeiter und Gehilfen von Abgeordneten unterliegen ebenso dem Schutz des Art. 47 GG. Im Fall der Beschlagnahme von Schriftstücken in den Räumen eines Mitarbeiters hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 30. Juli 2003 festgestellt, dass das Zeugnisverweigerungsrecht und das Beschlagnahmeverbot des Abgeordneten zugleich die „ungestörte parlamentarische Arbeit und die Repräsentationsmächtigkeit der Volksvertretung“ schütze. Art. 47 GG verstärke insofern das freie Mandat des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 GG und gewährleiste zugleich dem Bundestag als Verfassungsorgan einen „Funktionsschutz.“ Das Beschlagnahmeverbot müsse sich auch auf diejenigen Gegenstände beziehen, die Mitarbeiter unter dem „Direktionsrecht des Abgeordneten in den Räumen des Bundestags“ für diesen besitzen.26 Das Gleiche muss auch für Sachverhalte gelten, die der Abgeordnete seinen Mitarbeitern mündlich anvertraut bzw. Mitarbeitern von Dritten für den Abgeordneten anvertraut werden.

III. Informatorische Anhörung Der Untersuchungsausschuss führt im Stadium der Vorermittlungen informatorische Befragungen bzw. Anhörungen durch. Der Begriff ist dem Strafverfahren entliehen. Informatorisch ist eine Befragung im strafprozessualen Ermittlungsverfahren dann, wenn kein Anfangsverdacht vorliegt, der Befragte also kein Beschuldigter ist und damit keine Belehrungspflichten über das Recht, die Auskunft zu verweigern, vorliegen. Aussagen in solchen formlosen Befragungen können in der Hauptverhandlung nicht verwertet werden, wenn sich die Auskunftsperson in der Hauptverhandlung berechtigt auf ein Auskunftsverweigerungsrecht beruft. Im Untersuchungsverfahren, das den Beschuldigtenstatus nicht kennt, da es nicht auf die Prüfung eines Unrechtstatbestands ausgerichtet ist, unterscheiden sich informatorische Befragungen von der öffentlichen formalen Zeugenvernehmung, welche mit der Strafandrohung für Falschaussage und Meineid verbunden ist. Ausdrückliche Erwähnung findet der Begriff erstmals in der Vorschrift zum Ermittlungsbeauftragten gemäß § 10 PUAG. Der Ermittlungsbeauftragte kann Personen informatorisch anhören (§ 10 Abs. 3 S. 6 PUAG). Hier wurde deutlich gemacht, dass dem Ermittlungsbeauftragten keine Zwangsbe-

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BVerfGE 108, 251.

§ 6 Befugnisse des Untersuchungsausschusses

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fugnisse zustehen und die Lüge gegenüber dem Ermittlungsbeauftragten nicht strafbewehrt ist.27 IV. Herausgabe sächlicher Beweismittel Nach § 18 Abs. 1 PUAG sind die Bundesregierung, die Behörden des Bundes sowie die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen auf Ersuchen verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss sächliche Beweismittel, insbesondere Akten, die den Untersuchungsgegenstand betreffen, vorzulegen. Nach Abs. 2 trifft die Entscheidung über das Ersuchen der zuständige Bundesminister, soweit sie nicht durch Gesetz der Bundesregierung vorbehalten ist. Wird das Ersuchen abgelehnt, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der Ablehnung oder die Einstufung schriftlich zu unterrichten. Die Vorlage ist mit einer Erklärung der Vollständigkeit zu verbinden. Über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Ersuchens entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (§ 18 Abs. 3 PUAG). Gerichte und Verwaltungsbehörden sind nach § 18 Abs. 4 PUAG zur Rechts- und Amtshilfe, insbesondere zur Vorlage sächlicher Beweismittel verpflichtet. § 18 Abs. 4 PUAG ist eine Konkretisierung des Amtshilfegrundsatzes in Art. 35 GG bzw. Art. 44 Abs. 3 GG. Über Streitigkeiten entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (§ 18 Abs. 3 PUAG). Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass, jedenfalls soweit der Untersuchungsauftrag die Kontrolle der Regierung bezweckt, sich schon aus der Wortwahl die Befugnis ergibt, „in den Grenzen des seiner Tätigkeit zugrundeliegenden Parlamentsbeschlusses diejenigen Beweise zu erheben, die er für erforderlich hält.“ Darin sei auch das Recht eingeschlossen, die Vorlage von Akten zu verlangen.28 Das Recht auf Akteneinsicht gehöre zum „Wesenskern“ des Untersuchungsrechts.29 Diese Rechtsprechung wird in § 18 PUAG umgesetzt. Das Herausgabeverlangen von sächlichen Beweismitteln gegenüber privaten Dritten ist in § 29 PUAG geregelt. Danach hat jeder, der einen Gegenstand in Gewahrsam hat, der als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein kann, diesen auf Verlangen des Untersuchungsausschusses herauszugeben. Wird die Pflicht nicht freiwillig erfüllt, so kann sie mit Ordnungsgeld und Ord———————— 27

Zur Parallele der informatorischen Anhörung des Ermittlungsbeauftragten und den Anhörungen des Wehrbeauftragten und des Petitionsausschusses, siehe Rathje, Der Ermittungsbeauftragte, S. 134ff. 28 BVerfGE 67, 100, 128. 29 BVerfGE 67, 100, 128, 132.

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

nungshaft durchgesetzt werden (§ 29 Abs. 2 PUAG). Der Untersuchungsausschuss kann allein ein Ordnungsgeld anordnen. Die Anordnung von Ordnungshaft bleibt dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof vorbehalten (§ 29 Abs. 3 PUAG). Die Zwangsmittel können nicht gegenüber denjenigen angewendet werden, die nach § 22 Abs. 1 und 2 PUAG ein Zeugnis- bzw. Auskunftsverweigerungsrecht haben (§ 29 Abs. 2 und 3 PUAG). Allerdings kann die Beschlagnahme nach § 29 Abs. 3 PUAG in Betracht kommen, die auch gegenüber Gewahrsamsinhabern angewendet werden kann, die sich nach § 22 Abs. 1 und 2 PUAG auf ein Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht berufen können. Den Ausgleich zwischen den Ermittlungsinteressen des Untersuchungsausschusses und dem Interesse an Geheimhaltung des zur Herausgabe verpflichteten privaten Dritten findet § 30 PUAG. Danach hat der Untersuchungsausschuss zunächst die geheime Behandlung der herauszugebenden Unterlagen sicherzustellen (§ 30 Abs. 1 PUAG) und Beweismittel, die sich für die Untersuchung als unerheblich erweisen, dem Gewahrsamsinhaber unverzüglich zurückzugeben (§ 30 Abs. 2 PUAG). Der Untersuchungsausschuss kann die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades GEHEIM beschließen (§ 30 Abs. 3 S. 1 PUAG). Vor dem Beschluss ist die Person, die über das Beweismittel verfügungsberechtigt ist, zu hören. Widerspricht sie der Aufhebung des Geheimhaltungsgrades, so hat die Aufhebung zu unterbleiben, es sei denn der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof erklärt sie für zulässig (§ 30 Abs. 4 PUAG). V. Maßnahmen der Beweissicherung Das den Untersuchungsausschüssen des Bundestages durch Art. 44 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 Satz 1 GG eingeräumte Beweiserhebungsrecht umfasst in dem durch die Grundrechte gezogenen Rahmen auch die Befugnis zur zwangsweisen Beschaffung von Beweismitteln. Hierzu gehört die Beschlagnahme von Gegenständen, die nicht freiwillig herausgegeben werden, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Untersuchungsausschuss „Neue Heimat“ festgestellt hat, den der 10. Deutsche Bundestag auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP30 am 5. Juni 1986 eingesetzt hatte.31 Gegenstand der Entscheidung war u.a. die Frage, ob die vom Amtsgericht Frankfurt a.M. angeordnete und vom Landgericht Frankfurt a.M. bestätigte Beschlagnahme von Aufsichtsratsprotokollen mit Art. 44 Abs. 1 Satz 2 GG und den Grundrechten der Beschwerdeführer aus Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 3, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG vereinbar sei. Das Gericht entschied, dass der Untersuchungsaus———————— 30 31

BT-Drs. 10/5575. BT-Prot. 10/219, S. 16964.

§ 6 Befugnisse des Untersuchungsausschusses

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schuss grundsätzlich das Recht der Beweissicherung habe, denn die „Möglichkeit der Beschlagnahme von schriftlichen Unterlagen kann für eine effektive Untersuchungstätigkeit unentbehrlich sein.“32 Allerdings sei der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG insoweit verletzt, als eine „unbeschränkte Herausgabe der beschlagnahmten Aufsichtsratsprotokolle an den Untersuchungsausschuss angeordnet wurde“ und es damit zunächst allein diesem überlassen blieb zu entscheiden, welche der Unterlagen im Einzelnen für den vom Landgericht als Grundlage der Beschlagnahme herangezogenen Teil des parlamentarischen Untersuchungsauftrags von Bedeutung sein können. Die Beschlagnahme könne der Untersuchungsausschuss nicht selbst anordnen, sondern müsse sie beim zuständigen Gericht beantragen. Das Bundesverfassungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass das Grundgesetz, insbesondere in Art. 13 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 104 Abs. 2 GG, davon ausgeht, dass Richter auf Grund ihrer persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit und ihrer nur Recht und Gesetz unterworfenen Stellung die Wahrung der Rechte Betroffener im Einzelfall am besten und sichersten gewährleisten können. Die Beweiserhebung durch den Untersuchungsausschuss sei mit der richterlichen Tätigkeit nicht gleichzusetzen. Die Mitglieder des Ausschusses besitzen nicht die Stellung eines Richters; das Verfahren ist nicht auf eine Entscheidung, wie sie Gerichte zu treffen haben, angelegt. Hierdurch werde die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses nicht unzumutbar erschwert. 33 Diese Rechtsprechung setzt das Untersuchungsausschussgesetz in § 29 Abs. 3 PUAG um. Die Beschlagnahmeanordnung kann der Untersuchungsausschuss nicht selbst treffen, sondern nur der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof. VI. Berichterstattung und Debatte Nach Abschluss seiner Untersuchung hat der Untersuchungsausschuss dem Bundestag einen schriftlichen Bericht (Abschlussbericht) zu erstatten, der den Gang des Verfahrens, die ermittelten Tatsachen und das Ergebnis der Untersuchung wiedergibt (§ 33 Abs. 1 PUAG). Der Bundestag kann die Vorlage eines Zwischenberichts beschließen (§ 33 Abs. 4 PUAG). Einen Sachstandsbericht hat der Untersuchungsausschuss abzugeben, wenn abzusehen ist, dass die Untersuchung nicht vor Ende der Wahlperiode abgeschlossen werden kann (§ 33 Abs. 3 PUAG). Kommt der Untersuchungsausschuss nicht zu einem einstimmigen Bericht, sind Sondervoten aufzunehmen (§ 33 Abs. 2 PUAG). Das Recht, ein Sondervotum abzugeben, haben nicht nur die ordentlichen Mitglie———————— 32 33

BVerfGE 77, 1, 47. BVerfGE 77, 1, 50f.

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

der, sondern auch die stellvertretenden Mitglieder.34 Das Sondervotum kann sich auf den feststellenden Teil und den bewertenden Teil beziehen. Das Ausschusssekretariat fertigt den feststellenden Teil des Untersuchungsberichts im Gegensatz zum wertenden Teil, den die Mitglieder im Untersuchungsausschuss erstellen bzw. die Fraktionsmitarbeiter in der Arbeitsgruppe zum Untersuchungsausschuss vorbereiten. Der Abschlussbericht ist der gerichtlichen Überprüfung entzogen (Art. 44 Abs. 4 GG). Trotzdem muss der Untersuchungsausschuss, da er öffentliche Gewalt ausübt, nach Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechtsbindung beachten. In der Regel erschöpft sich der Inhalt des Berichts nicht auf den Rechtskreis des Parlaments, sondern bezieht sich auch auf Private. Grundrechtseingriffe, insbesondere in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht der informationellen Selbstbestimmung oder das Recht auf Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen können aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein und damit keine Verletzung des Grundrechts darstellen. Die Berichterstattung hat solche Inhalte zu vermeiden, die natürlichen oder juristischen Personen derart schwere Nachteile zufügen würden, dass zum Zweck der Berichterstattung in einem krassen Missverhältnis stehen würden.35 Nach § 32 Abs. 1 PUAG ist Personen, die durch die Veröffentlichung des Abschlussberichts in ihren Rechten erheblich beeinträchtigt werden könnten, vor Abschluss des Untersuchungsverfahrens Gelegenheit zu geben, zu den sie betreffenden Ausführungen, soweit sie nicht in der Sitzung der Beweisaufnahme erörtert worden sind, Stellung zu nehmen. Der Abschlussbericht wird im Plenum debattiert und zur Kenntnis genommen.

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BT-Drs. 14/5790, S. 20. Glauben/Brocker, Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, § 29 Rn. 12 (S. 385). 35

§ 7 Parlamentarische Hilfsdienste im Untersuchungsverfahren I. Ressourcen des Bundestages und der Bundestagsfraktionen Für die Informationsbeschaffung des Bundestages sind, neben den Abgeordneten selbst, die Mitarbeiter in den Abgeordnetenbüros, der Bundestagsfraktionen und der Bundestagsverwaltung, insbesondere des wissenschaftlichen Dienstes, und das Personal der ständigen Ausschüsse von Bedeutung. Für das Untersuchungsverfahren gelten einige Besonderheiten. Im weitesten Sinne kann auch der Bundesrechnungshof zu den parlamentarischen Hilfsdiensten gezählt werden, obwohl die Funktionen wesentlich geringer sind, als die des US-amerikanischen Pendants (General Accounting Office). Dem Bundesrechnungshof obliegt die Nachprüfung der Rechnungslegung nach Abschluss des Rechnungsjahres und damit zugleich die Überwachung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung der öffentlichen Hand.1 Er ist unabhängiges Organ der Finanzkontrolle und nur dem Gesetz unterworfen.2 Seine Mitglieder genießen richterliche Unabhängigkeit. Im Gegensatz zum US-Kongress ist die personelle Ausstattung des Bundestages wesentlich geringer.3 Im Jahr 2004 beschäftigte der Bundestag 2476 Mitarbeiter. Darin sind Bürokräfte, Sachbearbeiter und wissenschaftliches Personal eingeschlossen. Der Anteil der Mitarbeiter im höheren Dienst, also mit Fachoder Hochschulabschluss, betrug dabei 424, die des gehobenen Dienstes 490.4 Im Rahmen seiner Kostenpauschale kann der Bundestagsabgeordnete für 3551 € Mitarbeiter beschäftigen. 2004 betrug die Zahl der Mitarbeiter in Abgeordnetenbüros 3187, davon waren 962 wissenschaftliche Mitarbeiter.5 Die Ausschusssekretariate des Bundestages sind im Vergleich zum Kongress mit erheblich weniger Personal ausgestattet. In der Regel arbeiten in den Sekretariaten zwischen drei und sechs Personen mit wissenschaftlicher Analysefä———————— 1

Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG. Gesetz über den Bundesrechnungshof v. 11.7.1985, BGBl. I, S. 1445. 3 Zum Kongress siehe Datenmaterial S. 186. 4 Auskunft der Abteilung ZV 1 des Deutschen Bundestages v. 12.5.2004. 5 Stand Mai 2004, Auskunft des Referats ZA 2 (Personal) des Deutschen Bundestages v. 12.5.2004. 2

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

higkeit.6 Wird ein Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG eingesetzt, richtet die Verwaltung des Deutschen Bundestages gewöhnlich ein Ausschusssekretariat ein, um die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu unterstützen.7 Diese Sekretariate hatten in der Vergangenheit zwischen drei und fünf Mitarbeiter. Allerdings sind diese selbst nicht mit investigativen Aufgaben betraut, sondern betreuen das Verfahren und arbeiten beratend. Das Sekretariat besorgt die organisatorische und technische Durchführung sowie die Nachbereitung der Ausschusssitzungen, die Beschaffung frei zugänglicher Informationen zum Untersuchungsthema sowie die Aufbereitung und Auswertung der Untersuchungsergebnisse, die Anlage und Führung der Geschäfts- und Sachakten, die Erstellung von Ausschussprotokollen sowie die Korrespondenz. Der Leiter des Sekretariats ist üblicherweise Jurist und Beamter des höheren Dienstes und berät den Vorsitzenden in rechtlichen und verfahrenstechnischen Fragen. Im Sekretariat des Untersuchungsausschusses wird der feststellende Teil des Untersuchungsberichts gefertigt, im Gegensatz zum wertenden Teil, den die Mitglieder im Untersuchungsausschuss bzw. die Fraktionsmitarbeiter in der Arbeitsgruppe zum Untersuchungsausschuss selbst vorlegen. Dies ist ein weiterer Grund dafür, warum die Untersuchungstätigkeit stark parteipolitisch geprägt ist. Mehr als die Mitarbeiter in den Ausschusssekretariaten sind für die Untersuchungstätigkeit der ständigen Ausschüsse die Mitarbeiter der Bundestagsfraktionen von Bedeutung, die sich in den größeren Fraktionen in fachbezogenen Arbeitsgruppen zusammenschließen. Für einen überblicksartigen Vergleich mit den Ressourcen des US-Kongresses kann auf die Mitarbeiterzahlen der in der 14. und 15. Wahlperiode größten Fraktion im deutschen Bundestag Bezug genommen werden. Die SPD-Bundestagsfraktion beschäftigte in dieser Zeit zwischen 200 und 280 Mitarbeiter. Etwa ein Drittel davon kann als wissenschaftliches Personal bezeichnet werden. Der Personalbestand wird durch die Zuschüsse an die Fraktionen finanziert. 1996 betrug der Fraktionszuschuss für die SPDBundestagsfraktion ca. 40 Millionen DM, im Jahre 2000 ca. 43 Millionen DM. Der Personalkostenanteil hatte einen Umfang von etwa 80 Prozent.8 Die Aufklärung im Untersuchungsausschuss wird innerhalb der Fraktionen, je nach Größe der Fraktion, von Mitarbeitern bzw. Arbeitsgruppen unterstützt, die die Mitglieder im Untersuchungsausschuss auf die Zeugenvernehmungen vorbereiten sowie Zusammenfassungen und den bewertenden Teil im Abschlussbericht erstellen. Externe werden im Einzelfall zusätzlich beschäftigt. In der Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion zum 1. Untersuchungsaus-

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Harfst/Schnapp, Parlamentarische Kontrolle, S. 10ff. § 7 Abs. 1 S. 2 GO-BT. 8 Auskunft der Personalabteilung der SPD-Bundestagsfraktion v. 21.5.2004. 7

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schuss der 14. WP arbeiteten drei Referenten und ein Berater, zum 1. Untersuchungsausschuss der 15. Wahlperiode ein Referent und ein externer Berater.9 Untersuchungsausschüsse stehen in der Regel vor einem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfangreichen Untersuchungsauftrag. Im Mittelpunkt der Gesetzesberatungen zum Untersuchungsausschussgesetz stand deshalb, wie das Verfahren zügiger, effizienter und ergebnisorientierter ausgerichtet werden könne.10 Ursprünglich enthielt der Gesetzentwurf der Koalition aus diesem Grund eine Regelung zur Einsetzung eines vorbereitenden Unterausschusses. Der Vorschlag fand keine Mehrheit. Ein paritätisch besetzter Unterausschuss wurde als zu schwerfällig und unflexibel gewertet und zugunsten der Figur des Ermittlungsbeauftragten aufgegeben. II. Ermittlungsbeauftragung nach § 10 PUAG Das Untersuchungsausschussgesetz verschafft dem Untersuchungsausschuss die Möglichkeit, zu seiner Unterstützung „eine Untersuchung zu beschließen, die von einem Ermittlungsbeauftragten durchgeführt wird“ (§ 10 Abs. 1 PUAG).11 Dem Untersuchungsausschuss können so mühsame und zeitraubende Vorarbeiten und Vorstrukturierungen erspart bleiben, mit dem Effekt der Beschleunigung und Arbeitserleichterung.12 Der Ermittlungsbeauftragte soll den Untersuchungsausschuss in die Lage versetzen, sich auf die Kernelemente der Untersuchung zu konzentrieren. Seine Aufgabe ist es, Beweismaterial zu sichten und zu beschaffen sowie die zu beurteilenden Sachverhalte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufzubereiten.13 Die Ergebnisse seiner Tätigkeit stehen allen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zur Verfügung (§ 10 Abs. 3 S. 8 PUAG), was die Aufklärungsmöglichkeiten der Minderheit im Ausschuss verbessert.14 Darüber hinaus soll der Einsatz zu einer Objektivierung des Verfahrens führen. ———————— 9

Auskunft der Personalabteilung der SPD-Bundestagsfraktion v. 21.5.2004. Begründung der Beschlussempfehlung zum PUAG, BT-Drs. 14/5790, zu § 10, S. 15. 11 Zu den diskutierten Alternativvorschlägen bzw. den abweichenden Regelungen der Untersuchungsausschussgesetze der Länder siehe Rathje, Der Ermittlungsbeauftragte, S. 87ff. 12 Vorschlag von Morlok, Mehr Effektivität für Untersuchungsausschüsse, RuP 2000, S. 208, 212; zur Überlastung der Fraktionsmitarbeiter und der Notwendigkeit der Vorstrukturierung durch vorbereitende Gremien vgl. Diskussionsbeiträge Struck und Langer, in: Thaysen/Schüttemeyer, S. 62, 86. 13 BT-Drs. 14/5790, S. 15. 14 Dies wurde in der abschließenden Debatte besonders von den kleineren Fraktionen, die über keine großen Mitarbeiterstäbe verfügen, begrüßt, vgl. z.B. Abg. van Essen (FDP), 14. WP, 165. Sitz. v. 6.4.2001, BT-Prot. S. 16151f. 10

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

Der Untersuchungsausschuss kann jederzeit eine Untersuchung beschließen, die von einem Ermittlungsbeauftragten geführt wird. Auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder muss er die Einsetzung beschließen. Innerhalb von drei Wochen nach Beschlussfassung erfolgt die Wahl mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder (§ 10 Abs. 2 S. 1 PUAG).15 Kommt die Mehrheit nicht zu Stande, bestimmt der Vorsitzende im Einvernehmen mit der Stellvertretung und im Benehmen mit den Obleuten der Fraktionen im Untersuchungsausschuss innerhalb von weiteren drei Wochen die Person des Ermittlungsbeauftragten (§ 10 Abs. 2 S. 2 PUAG). Die Person des Ermittlungsbeauftragten soll von einer breiten Mehrheit im Ausschuss getragen werden und eine größtmögliche Akzeptanz besitzen. Dem trügen nach der Gesetzesbegründung das Zweidrittelerfordernis sowie der gesetzlich vorgegebene Einigungszwang Rechnung. Die Tätigkeit des Ermittlungsbeauftragten soll zeitlich auf höchstens sechs Monate begrenzt werden (§ 10 Abs. 1 S. 1 PUAG). Damit soll eine Verselbstständigung des Ermittlungsbeauftragten verhindert werden. Der Einsetzungsbeschluss muss danach eine zeitliche Befristung enthalten. Die Höchstgrenze von sechs Monaten kann unterschritten werden. Der Ermittlungsauftrag unterliegt keinen besonderen Anforderungen, insbesondere werden keine Bestimmtheitsanforderungen geregelt. Der Ermittlungsauftrag ist kein Beweisbeschluss, sondern geht diesem voraus. Regelmäßig wird es sich um einen zu beschreibenden oder zu benennenden Sachverhalt handeln, der Gegenstand der Ermittlungen werden soll. Der Ermittlungsbeauftragte hat das Recht auf Vorlage von Beweismitteln sowie entsprechend das Recht der Augenscheinnahme (§ 10 Abs. 3 S. 3 i.V.m. §§ 18, 19, 30 PUAG). Er kann Herausgabeansprüche sowohl gegenüber öffentlichen Stellen als auch privaten Herausgabepflichtigen geltend machen (§ 10 Abs. 4 S. 1 PUAG). Wird die Herausgabe von Beweismitteln verweigert, kann der Ermittlungsbeauftragte Herausgabeansprüche nicht selbst durchsetzen, sondern bedarf der Prüfung und Beschlussfassung des gesamten Ausschusses (§ 17 Abs. 1 i.V.m. § 30 PUAG). Über den Einsatz von Zwangsmitteln kann nur der Untersuchungsausschuss selbst beschließen (§ 29 PUAG). Der Ermittlungsbeauftragte kann Personen informatorisch anhören (§ 10 Abs. 3 S. 7 PUAG). Es geht im Wesentlichen darum, potentielle Zeugen und Sachverständige zu ermitteln. Es besteht keine Auskunfts-, Anwesenheits- oder strafbewährte Wahrheitspflicht der Anhörperson. Die Mittel der zwangsweisen Durchsetzung stehen nur dem Untersuchungsausschuss selbst zu. Der Untersuchungsausschuss kann ein Ordnungsgeld festsetzen oder die Anordnung von Erzwingungshaft beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs beantragen (§ 27 ———————— 15 Zu entsprechenden Regelungen der Beauftragung eines Sachverständigen im Kontrollgremiumsgesetz siehe § 4 II.6., S. 62, sowie Rathje, Der Ermittlungsauftragte, S. 104, der kritisch zur jeweils erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit steht.

§ 7 Parlamentarische Hilfsdienste

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Abs. 1 PUAG). Nach Abschluss seiner Untersuchung erstattet der Ermittlungsbeauftragte dem Untersuchungsausschuss über die Ergebnisse seiner Untersuchungen einen schriftlichen und mündlichen Bericht (§ 10 Abs. 3 S. 9 PUAG). Dieser Bericht enthält Vorschläge und Empfehlungen über die weitere Vorgehensweise.16 Der Ermittlungsbeauftragte ist bei der Erfüllung und im Rahmen seines Auftrags unabhängig. Andere Amts- und Dienstpflichten sind demzufolge ausgeschlossen. Angehörige der Verwaltung oder der Justiz können nur mit der Ermittlungsführung betraut werden, wenn sie für die Zeit der Ermittlungen von ihren dienstlichen Aufgaben und Pflichten freigestellt werden. Der Ermittlungsbeauftragte hat die im Verkehr nach außen gebührende Zurückhaltung zu wahren. Öffentliche Erklärungen gibt er nicht ab (§ 10 Abs. 3 S. 11 PUAG). Der Ermittlungsbeauftragte und dessen Hilfskräfte sind auch nach Auflösung des Ausschusses zur Verschwiegenheit verpflichtet, insofern ihnen Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrads „VS-Vertraulich“ und höher zugänglich gemacht worden sind (§ 16 Abs. 2 PUAG). Der Ermittlungsbeauftragte wird nach dem Höchstsatz für Sachverständige entschädigt. Ermittlungsbeauftragte können jederzeit mit der Einsetzungsmehrheit von zwei Dritteln abberufen werden (§ 10 Abs. 4 PUAG).

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Zu den Befugnissen des Ermittlungsbeauftragten siehe statt aller Rathje, Der Ermittlungsbeauftragte, S. 123ff.

§ 8 Öffentlichkeit und Geheimhaltung Der Bundestag verhandelt gemäß Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG öffentlich. Auf Antrag eines Zehntels seiner Mitglieder oder auf Antrag der Bundesregierung kann mit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Über den Antrag wird in nichtöffentlicher Sitzung entschieden. Für die Verhandlung der ständigen Ausschüsse fehlt eine Verfassungsvorschrift. Die ständigen Ausschüsse des Bundestags tagen nichtöffentlich (§ 69 Abs. 1 GO-BT). In der Literatur wird dies mit dem Argument begründet, dass die Nichtöffentlichkeit die Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft fördere. Ein Argument, das vielfach auf den Prüfstand gestellt worden ist, aber bis heute nicht zu einer Veränderung der Parlamentspraxis geführt hat. Rechtlich wird auf die sog. Parlamentsautonomie verwiesen, welche die Regelung des parlamentarischen Verfahrens in die Hände des Bundestages selbst legt. Der Ausschuss kann nach § 69 Abs. 1 S. 2 GO-BT beschließen, für einen bestimmten Verhandlungsgegenstand oder für Teile desselben die Öffentlichkeit zuzulassen. Die Öffentlichkeit einer Sitzung ist hergestellt, wenn der Presse und sonstigen Zuhörern im Rahmen der Raumverhältnisse der Zutritt gestattet wird (§ 69 Abs. 1 S. 3 GO-BT). Nach § 69a GO-BT sollen Ausschüsse im Benehmen mit dem Ältestenrat und im Einvernehmen mit den mitberatenden Ausschüssen als Schlussberatung der überwiesenen Vorlagen öffentliche Aussprachen durchführen, in denen die Beschlussempfehlung und der Bericht des federführenden Ausschusses beschlossen wird. Nach § 70 GO-BT kann ein Ausschuss öffentliche Anhörungen von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen vornehmen. Bei überwiesenen Vorlagen ist der federführende Ausschuss auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder dazu verpflichtet; bei nicht überwiesenen Verhandlungsgegenständen im Rahmen des § 62 Abs. 1 Satz 3 GO-BT erfolgt eine Anhörung auf Beschluss des federführenden Ausschusses, der die Sitzung im Einvernehmen mit den mitberatenden Ausschüssen einberuft. Sog. geschlossene Ausschüsse tagen ausschließlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Hierzu zählen der Verteidigungsausschuss, das Parlamentarische Kontrollgremium sowie die G-10-Kommission. Untersuchungsausschüsse, die nach Art. 44 GG eingesetzt werden, erheben ihre Beweise öffentlich. Darunter fällt in erster Linie die Zeugenvernehmung in öffentlicher Sitzung. Die Öffentlichkeit kann nach Art. 44 Abs. 1 S. 2 GG aus-

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geschlossen werden. Die Vorschrift wird durch § 14 PUAG konkretisiert, wenn von der Sachverhaltsaufklärung geheimhaltungsbedürftige Tatsachen betroffen sind. Nach § 14 PUAG schließt der Untersuchungsausschuss die Öffentlichkeit aus, wenn: – Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich von Zeugen oder Dritten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzen würde (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 PUAG); – Wenn eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit von einzelnen Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 PUAG); – ein Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 PUAG); – besondere Gründe des Wohls des Bundes oder eines Landes entgegenstehen, insbesondere wenn Nachteile für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder ihrer Beziehungen zu anderen Staaten zu besorgen sind (§ 14 Abs. 1 Nr. 5 PUAG). Den Antrag auf Ausschluss oder Beschränkung der Öffentlichkeit können die anwesenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses, des Bundesrates, der Bundesregierung und ihrer Beauftragten, Zeugen, Sachverständigen stellen (§ 13 Abs. 3 PUAG). Über den Ausschluss entscheidet der Untersuchungsausschuss. Der Vorsitzende muss die Entscheidung in öffentlicher Sitzung begründen. Daneben findet Anlage 3 zur GO-BT, die Geheimschutzordnung (GSO), Anwendung (§ 15 PUAG). Der Untersuchungsausschuss kann Beweismittel mit einem Geheimhaltungsgrad versehen. Verschlusssachen (VS) können danach in vier Stufen – „nur für den Dienstgebrauch“, „vertraulich“, „geheim“ oder „streng geheim“ – eingeordnet werden. Der Vorsitzende kann die Einstufung vorläufig vornehmen. Der Zugang ist ab dem Grad „VS-Vertraulich“ nur noch den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses, des Bundesrates und der Bundesregierung zugänglich und darüber hinaus den Ermittlungsbeauftragten, ihren Hilfskräften sowie den Mitarbeitern des Sekretariats und der Fraktionen, wenn sie vom Präsidenten des Bundestages dazu ermächtigt werden und zur Geheimhaltung förmlich verpflichtet sind (§ 16 Abs. 1 PUAG i.V.m. § 4 Nr. 3 Anlage 3 GO-BT). Personen, denen Verschlusssachen zugänglich gemacht worden sind, sind auch nach Auflösung des Untersuchungsausschusses zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 16 Abs. 2 PUAG). § 44c Abs. 2 und 3 AbgG, wonach gerichtliche oder außergerichtliche Aussagen nicht ohne Genehmigung des Präsidenten erfolgen können, gilt entsprechend. In der Anwendung der Geheimschutzordnung des Bundestages i.V.m. der nach § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB sanktionierten Verschwiegenheitspflicht sieht

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

das Bundesverfassungsgericht einen ausreichenden Schutzmechanismus. Es stellt klar, dass die Geheimschutzbestimmungen „Ausdruck der Tatsache“ sind, dass „das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung“ auszuüben vermöge.1 § 16 PUAG setzt diese Rechtsprechung um. Dass damit kein Privileg der Exekutive verbunden ist, Tatsachenmaterial gegenüber dem Bundestag zurückzuhalten, stellt das Bundesverfassungsgericht in seiner Flick-Entscheidung – hier noch zu Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG und zur sinngemäßen Anwendung des § 96 StPO – ausdrücklich klar. Das Wohl des Bundes oder eines Landes sei im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes „dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut.“ Die Berufung auf das Wohl des Bundes gegenüber dem Bundestag kann mithin in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn „beiderseits wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen“ getroffen werden.2 Das Untersuchungsausschussgesetz erklärt Ton- und Filmaufnahmen sowie Ton- und Bildübertragungen für unzulässig (§ 13 Abs. 1 S. 2 PUAG). Ausnahmen vom Verbot bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln sowie der Zustimmung der zu vernehmenden oder anzuhörenden Personen. Seit Geltung des PUAG wurden bisher keine Aufnahmen genehmigt. Lediglich zu Beginn und am Ende der Sitzungen wurden Bildaufnahmen gestattet. Die rechtliche Zulässigkeit des Ausschlusses wird in § 22 diskutiert. (Live-)Übertragungen in Wort und Bild können im Bundestag nur zu den Debatten im Plenum erfolgen; in öffentlichen Anhörungen der Fachausschüsse werden sie ausnahmsweise zugelassen. Direktübertragungen von Hörfunk und Fernsehen aus dem Plenarsaal werden von den Rundfunkanstalten in eigener Regie durchgeführt. Die übrigen Sitzungen werden in Regie des Bundestages aufgezeichnet, den Rundfunkanstalten zur Verfügung gestellt und in Ausschnitten übertragen. Von anfangs acht Prozent, erfolgen heute bis zu 16 Prozent der Übertragung von Plenarsitzungen live.3 Infolge des Anwachsens der Fernsehprogramme wurde erstmalig 1985 über die Einführung eines Parlamentskanals diskutiert, der die Plenardebatten ungekürzt und bundesweit übertragen sollte. Erst zehn Jahre später, am 26. April 1995, übertrug der Fernseh-Hauskanal des Bundestages erstmals live eine Plenarsitzung mit sieben automatischen Kameras. Vor allem bei der Übertragung von Fragestunden erlaubte die Kameraführung nun die Übertragung des Fragestellers und der Antwortenden, was bis dahin auf Grund der Standkameras nicht ———————— 1

BVerfGE 70, 324, 359. BVerfGE 67, 100, 125. 3 Schindler, Datenhandbuch, S. 3486. 2

§ 8 Öffentlichkeit und Geheimhaltung

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möglich gewesen war. Nachdem bereits Anfang der 1990er Jahre die Einführung eines Parlamentskanals nach dem Vorbild C-SPAN (Cable-Satelite Public Affairs Network) vorgeschlagen worden war, ging nach einem langwierigen Abstimmungsprozess der Sender PHOENIX am 7. April 1997 erstmalig auf Sendung.4 Der Sender PHOENIX ist kein Parlamentskanal wie der amerikanische Sender C-SPAN. Das Programm besteht zu 43 Prozent aus Ereignisberichterstattung, zu 36 Prozent aus Dokumentationen, zu 4 Prozent aus ‚call in‘Sendungen und nur zu vier Prozent aus Nachrichten. Debatten aus dem Bundestagsplenum werden direkt oder zeitversetzt, aber nicht immer vollständig übertragen. 2003 übertrug der Sender PHOENIX etwa 270 Stunden aus dem Bundestag.5

———————— 4 Seine rechtliche Grundlage findet der Sender PHOENIX im Staatsvertrag über den Rundfunk im Vereinten Deutschland v. 31.8.1991 in der Ergänzung vom 4.2.1997, vgl. Schindler, Datenhandbuch, S. 3499. 5 Auskunft des Referats Onlinedienst und Parlamentsfernsehen im Deutschen Bundestag v. 12.5.2004.

§ 9 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit I. Der Staatsgerichtshof unter Geltung des Art. 34 WRV Der Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren auf Reichsebene war rudimentär ausgestaltet. Verfassungsstreitigkeiten zwischen den Verfassungsorganen waren dem Staatsgerichtshof nur für Streitigkeiten innerhalb eines Landes – und dort auch nur subsidiär – zugewiesen, soweit in einem Land kein anderes Gericht dafür zuständig war.1 Der Staatsgerichtshof konnte sich deshalb nur mit dem Untersuchungsrecht auf Landesebene beschäftigen. Trotzdem hat der Staatsgerichtshof als Vorläufiger Verfassungsgerichtshof in den 1920er Jahren einige wesentliche Streitfragen im Zusammenhan mit dem parlamentarischen Aufklärungsrechten entschieden, die für die vorliegende Erörterung von Belang sind. Die Bürgerschaft der Stadt Bremen, deren Verfassung kein Untersuchungsrecht enthielt, hatte in Anlehnung an Art. 34 WRV durch einfaches Gesetz bestimmt, dass Untersuchungsausschüsse Beweiserhebungsbefugnisse haben sollten. Das Reichsgericht erklärte das Gesetz mit der Begründung für nichtig, dass ohne eine verfassungsrechtliche Grundlage Zwangsbefugnisse des Parlaments mit der Gewaltenteilung nicht vereinbar seien. Die verliehenen Befugnisse seien obrigkeitlicher, behördlicher Natur. Die Bremische Verfassung habe die Trennung der Gewalten beibehalten. An diese Grundsätze sei der Gesetzgeber gebunden. Behördliche Funktionen und Befugnisse könnten nicht mit einfacher Mehrheit per Gesetz beschlossen werden. Das Parlament könne diese Rechte nicht an Ausschüsse übertragen, weil es selbst nicht darüber verfüge.2 In einer weiteren Entscheidung bestätigte das Gericht die Ablehnung eines Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch die Mehrheit des Landtages in Württemberg wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebotes.3 ———————— 1

Art. 19 Abs.1 1. Alt. WRV, § 16 Nr. 3 StGHG. Zu den Zuständigkeiten des Staatsgerichtshofes vgl. Friesenhahn, HbDStR II, § 98, S. 523 ff. 2 Entscheidung vom 12.7.1921 (St. 4/21, RGZ 102, 425). Kritisch dazu Poetzsch, Zwei Urteile des Staatsgerichtshofes über Untersuchungsausschüsse, AöR 43 (1922), S. 210ff., der den Widerspruch aufzeigt, dass das Gericht einerseits das Enqueterecht grundsätzlich anerkennt, andererseits aber der Bürgerschaft die geforderten Beweiserhebungsbefugnisse verweigert, ebd. S. 233. 3 Entscheidung v. 12.1.1922, StGH 2/21, RGZ 104, 423.

§ 9 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit

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Außerdem entschied der Staatsgerichtshof über die Frage der Abänderung des von der Einsetzungsminderheit bestimmten Untersuchungsauftrages durch die Mehrheit. Das Gericht hielt auf Grund des expliziten Minderheitenrechts nur stilistische Änderungen und Präzisionen für zulässig.4 II. Rechtsschutz unter der Geltung des Art. 44 GG Ausdrücklich bestimmt Art. 44 Abs. 4 GG nur, dass die Beschlüsse des Untersuchungsausschusses der richterlichen Kontrolle entzogen sind. Nach herrschender Meinung ist damit nur der Abschlussbericht gemeint, der das Ergebnis der Untersuchung feststellt.5 Im Übrigen unterfallen alle anderen Beschlüsse uneingeschränkt Art. 19 Abs. 4 GG. Gegen alle hoheitlichen Maßnahmen mit Rechtswirkung gegenüber dem Einzelnen ist danach der Rechtsschutz eröffnet. Individualrechtsschutz ist damit gegen die Einsetzung und gegen die Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses möglich. Rechtsschutz kann im parlamentarischen Untersuchungsverfahren in verschiedenen Konstellationen erscheinen. Der Untersuchungsausschuss kann um Rechtsschutz nachsuchen, weil ihm die Regierung oder Private mündliche oder schriftliche Auskünfte verweigern. Die parlamentarische Einsetzungsminderheit kann Rechtsschutz gegen Entscheidungen des Untersuchungsausschusses nachsuchen. Darüber hinaus können Auskunftspersonen gegen Auskunftsbegehren oder angeordnete Zwangsmittel des Untersuchungsausschusses Rechtsschutz suchen.6 III. Gerichtliche Zuständigkeiten nach § 36 PUAG Für alle Streitigkeiten nach dem Untersuchungsausschussgesetz ist gemäß § 36 Abs. 1 PUAG der Bundesgerichtshof zuständig, soweit nicht Art. 93 GG und § 13 BVerfGG oder das PUAG selbst etwas Abweichendes bestimmen. Ausgenommen ist damit die Sonderzuweisung für Organstreitverfahren zur Überprüfung des Einsetzungsbeschlusses durch das Bundesverfassungsgericht.7 Nach § 2 Abs. 3 S. 2 PUAG bleibt das Recht der Antragstellenden, wegen (teilweiser) Ablehnung oder unzulässiger inhaltlicher Abänderung das Bundesverfassungsgericht anzurufen, unberührt. Hält der Bundesgerichtshof den Ein———————— 4

Entscheidung v. 18.7.1927, StGH 1/27, RGZ 116, Anh. S. 45. OVG Hamburg, NVwZ 1967, 610. 6 Ausführlich siehe Glauben/Brocker, Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, S. 344; Platter, Das parlamentarische Untersuchungsverfahren vor dem Verfassungsgericht, S. 153ff. 7 § 36 Abs. 1 PUAG i.V.m. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 BVerfGG. 5

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2. Teil, 1. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Bundestages

setzungsbeschluss für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.8 Sonderzuweisungen enthält das PUAG für die Anordnung der unter Richtervorbehalt stehenden Zwangsmaßnahmen. Hier ist der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof zuständig.9 Das Gleiche gilt für die Überprüfung der Ablehnung eines von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragten Zwangsmittels durch den Untersuchungsausschuss.10 Streitigkeiten über die Einstufung von Aktenmaterial mit einem Geheimhaltungsgrad sind nach § 18 Abs. 3 PUAG dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof zugewiesen. Ebenso erfolgt die Durchsetzung des Amtshilfeanspruchs nach § 18 Abs. 4 S. 4 PUAG durch den Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof. Gegen die Entscheidung des Ermittlungsrichters kann Beschwerde eingelegt werden, über die der Bundesgerichtshof entscheidet (§ 36 Abs. 3 PUAG). Der BGH ist – auch wenn das PUAG ausdrücklich dazu schweigt – für den Rechtsschutz betroffener Privatpersonen gegen vom Untersuchungsausschuss angeordnete Zwangsmaßnahmen zuständig.11 IV. Parallelität gerichtlicher und parlamentarischer Untersuchungsverfahren Der Sachverhalt einer parlamentarischen Untersuchung kann zuvor, gleichzeitig oder nachfolgend Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sein. Es besteht kein Vorrang des Strafverfahrens.12 Beide Verfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Das Strafverfahren hat rechtliche, das parlamentarische politische Verantwortung zum Gegenstand. Allerdings kann die Parallelität der Verfahren zu einer Reihe von Verflechtungen führen, insbesondere, wenn Beweismittel in beiden Verfahren benötigt werden. Die Parallelität erfordert somit gegenseitige Rücksichtnahme.13 Benötigt der Untersuchungsausschuss Informationen aus laufenden oder abgeschlossenen gerichtlichen Verfahren, so sind Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Rechts- und Amtshilfe bereits nach Art. 44 Abs. 3 GG gegenüber ———————— 8

§ 36 Abs. 2 PUAG. § 27 Abs. 2, 29 Abs. 2 S. 2 (Haft), § 29 Abs. 3 (Durchsuchung), § 29 Abs. 3 (Beschlagnahme) PUAG. 10 §§ 17 Abs. 4, 21 Abs. 1, 27 Abs. 1, 28 Abs. 6, 29 Abs. 2 S. 1 PUAG. 11 Dies muss der Generalklausel des § 36 Abs. 1 PUAG entnommen werden. Vgl. Platter, aaO., S. 162ff. 12 BVerfGE 67, 146, 100: „Der Aufklärung des Sachverhalts durch Untersuchungsausschüsse kommt keine geringere Bedeutung zu als der Tatsachenermittlung im Strafverfahren.“ 13 OLG Köln, NJW 1985, S. 336, Schulte/Achterberg, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, Art. 44, Rn 20. 9

§ 9 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit

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dem Untersuchungsausschuss verpflichtet. Dabei handelt es sich um eine Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes in Art. 35 Abs. 1 GG, wonach alle Behörden des Bundes und der Länder sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe leisten. Der Amtshilfegrundsatz findet sich darüber hinaus in § 18 Abs. 4 PUAG. Ist der Zugriff auf dieselben Beweismittel erforderlich, so kann es zur gegenseitigen Beeinträchtigung kommen. Insbesondere können sich aus der Öffentlichkeit der Beweisaufnahme im Untersuchungsverfahren Nachteile für die staatsanwaltschaftliche Ermittlung ergeben. Allerdings folgt aus dem Gewaltenteilungsprinzip auch die gegenseitige Rücksichtnahme und Kooperation.

2. Abschnitt

Das Untersuchungsrecht des US-Kongresses § 10 Parlamentarische Untersuchungen des Kongresses Das Recht des Kongresses parlamentarische Untersuchungen zu führen, ist im politischen System der Vereinigten Staaten von zentraler Bedeutung. Bis heute kann kein anderes Parlament der Welt mit der Untersuchungstätigkeit des US-amerikanischen Kongresses konkurrieren. Kein anderer Staat hat ein so ausdifferenziertes, flexibles System parlamentarischer Kontrolle wie die Vereinigten Staaten. Die Zahl der Untersuchungen nimmt ständig zu und ist quantitativ kaum noch zu erfassen. Fast jedes größere politische Ereignis führt zu parlamentarischen Untersuchungen. Der Blick auf die Grundstruktur des amerikanischen Regierungssystems und die Stellung des Kongresses im Verfassungsgefüge gibt einen ersten Aufschluss über die Gründe der ausgeprägten Untersuchungstätigkeit. Wer den Kongress verstehen will, so Steffani prägnant, müsse versuchen, sich ihn auf „drei verschiedenen, aber insgesamt eine Einheit bildenden Ebenen“ vorzustellen: Erstens, die verfassungsrechtliche Ebene, die seit 200 Jahren die Grundstruktur des Regierungssystems darstellt, zweitens die der einfachgesetzlichen Gesetzgebung, der Geschäftsordnungen und informellen Regelungen, in der sich der stete Wandel des Kongresses als politische Institution vollzieht, und drittens, die derjenigen Menschen, die den Kongress in einer bestimmten historischen Situation bilden.1

I. Stellung des Kongresses im Regierungssystem Das Regierungssystem der Vereinigten Staaten wird nach der modernen Typologie der Regierungsformen dem präsidentiellen zugeordnet bzw. als Präsidialsystem bezeichnet.2 Im Unterschied zur Verfassungsentwicklung in England, ———————— 1

Steffani, Der Kongress, in: Jäger/Welz, S. 110. Zur Entstehung des Begriffs v. Beyme, Das präsidentielle Regierungssystem der Vereinigten Staaten in der Lehre der Herrschaftsformen, S. 3ff. 2

§ 10 Parlamentarische Untersuchungen des Kongresses

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wo man sich um 1787 bereits auf dem Weg vom konstitutionellen zum parlamentarischen Regierungssystem befand, planten die Väter der amerikanischen Verfassung das Regierungssystem als präsidientielles mit einer strengen Gewaltentrennung zwischen Exekutive und Legislative. Beide Gewalten beruhen auf eigenständigen Legitimationen. Der Präsident wird – anders als im parlamentarischen Regierungssystem – nicht von der Parlamentsmehrheit bestellt. Er wird in indirekter Wahl durch ein Wahlmännergremium (‚electoral college‘) bei jeweils gleichzeitig stattfindenden Kongresswahlen gewählt.3 Der Präsident ist nicht vom Vertrauen der Kongressmehrheit abhängig. Dies gilt für die Minister (‚secretaries‘) gleichermaßen, welche allein dem Präsidenten verantwortlich sind. Es ist eher von einem Beratergremium, als von einem Kabinett kontinentaleuropäischer Prägung zu sprechen. Die Minister und der Präsident sind nicht als kollegialer Spruchkörper organisiert. Die Väter der amerikanischen Verfassung hielten eine starke („vigorous“, „energetic“) Exekutive für unverzichtbar.4 Sie lehnten es ab, den Präsidenten direkt oder indirekt dem Parlament verantwortlich zu machen, um ihn gegenüber den als negativ erkannten plebiszitär-demokratischen Einflüssen abzuschirmen. Innerhalb der Exekutive sollte Pluralität zurückgedrängt werden. Die Einführung des Prinzips parlamentarischer Verantwortlichkeit der Minister wurde, wie das Kabinettsprinzip selbst, abgelehnt bzw. auf Grund des monarchischen Prinzips für eine englische Besonderheit gehalten.5 Hamilton schrieb dazu in Federalist Paper 70 vom 18. März 1788: „In England, the king is a perpetual magistrate; and it is a maxim which has obtained for the sake of the public peace, that he is unaccountable for his administration, and his person sacred. Nothing, therefore, can be wiser in that kingdom, than to annex to the king a constitutional council, who may be responsible to the nation for the advice they give. Without this, there would be no responsibility, whatever in the executive department an idea inadmissible in a free government. But even there the king is not bound by the resolutions of his council, though they are answerable for the advice they give. […] But in a republic, where every magistrate ought to be personally responsible for his behavior in office, the reason which in the British Constitution dictates the propriety of a council, not only ceases to apply, but turns against the institution […] In the American republic, it would serve to destroy, or would greatly diminish, the intended and necessary responsibility of the Chief Magistrate himself […] that it is far more safe there should be a single object for the jealousy and watchfulness of the people; and, in a word, that all multiplication of the Executive is rather dangerous than friendly to liberty.“

Der Präsident hat keine Möglichkeit, durch Vertrauensfrage, Fraktionsdisziplin oder durch die Androhung einer Parlamentsauflösung das Parlament ———————— 3 Art. II Sect. 1, Cl. 1, 2 i.V.m. Art. I Sect. 2, Cl. 1, Sect. 3, Cl. 2 USVerf. Die Amtsdauer ist seit 1951 auf zwei Amtsperioden begrenzt, Amd. 12 USVerf. 4 Hamilton, Federalist Papers No. 23 v. 18.12.1787 und 70 v. v. 15.3.1788. 5 Siehe § 3 III.

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

politisch zu disziplinieren. Dem Präsidenten steht als Einziges das Suspensivveto nach Art. II, Sect. 7, Cl. 2 USVerf. gegenüber kongressionellen Gesetzen zur Verfügung. Es kann mit Zweitdrittelmehrheit in beiden Häusern überstimmt werden. Umgekehrt hat der Kongress keine Möglichkeit, dem Präsidenten das Misstrauen auszusprechen und ihn abzuberufen. Diese Konstellation hat eine ständige Rivalität im Kampf um Macht und Einfluss zur Folge. Dabei hat sich das parlamentarische Untersuchungsrecht zu einer der wichtigsten Waffen des Kongresses entwickelt. Weil es an einer verfassungsrechtlich-funktionalen Handlungseinheit zwischen Präsident und Kongress fehlt, kann es im amerikanischen Regierungssystem zur Situation des ‚divided government‘ kommen. Dies ist der Fall, wenn die Mehrheit mindestens eines der beiden Häuser des Kongresses nicht der parteipolitischen Richtung des Präsidenten angehört. Die Bezeichnung ‚government‘ ist nicht gleichbedeutend mit der Regierung – Regierungschef und Kabinett – im kontinentaleuropäischen Verständnis. Er umschließt den ‚executive branch‘ und ‚legislative branch‘ gleichermaßen. Unter Exekutive ist die ‚administration‘ unterhalb und einschließlich des Präsidenten zu verstehen. Der Begriff ‚government‘ bedeutet vielmehr die Regierung im funktionellen Sinne, also die Wahrnehmung aller staatsleitenden Aufgaben und politischen Richtungsbestimmungen.6 Mangels politischer Aktionseinheit zwischen Präsident und Kongress verfügt der Präsident nicht über gesicherte Mehrheiten. Hinzu kommt, dass ihm das formelle Recht der Gesetzesinitiative fehlt und er darauf angewiesen ist, sich im Senat und Repräsentantenhaus ad hoc-Mehrheiten zur Verabschiedung des Haushalts oder zur Gesetzgebung zu suchen. Dies mag dem Präsidenten im ‚unified government‘ auf Grund der programmatisch-ideologischen Gemeinsamkeiten leichter fallen, weil mindestens eines der Häuser über eine Mehrheit der parteipolitischen Ausrichtung des Präsidenten verfügt. Seit dem Zweiten Weltkrieg war die Konstellation des ‚unified government‘ selten. In der Regel stand einem republikanischen Präsidenten (Eisenhower, Nixon, Reagan, Bush sen.) ein demokratisch kontrollierter Kongress gegenüber. Unter Eisenhower ergab sich im 83. Kongress (1953-54) die Konstellation des ‚unified government‘, und wieder unter George W. Bush im 108. und 109. Kongress (20022004). Reagan konnte sich vom 97. bis 99. Kongress (1981-1986) auf einen republikanischen Senat stützen. Die demokratischen Präsidenten hatten vorrangig die Situation eines ‚unified government‘ (Kennedy, Johnson, Carter). Clinton war nach Truman (80. Kongress, 1947-48) der zweite demokratische Nach———————— 6 Für das parlamentarische Regierungssystem hat im deutschen Schrifttum Friesenhahn den Begriff der „Staatsleitung zur gesamten Hand“ eingeführt, vgl. Parlament und Regierung im modernen Staat, VVDStRL 16 (1958), S. 9, 37ff.

§ 10 Parlamentarische Untersuchungen des Kongresses

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kriegspräsident, der unter den Bedingungen des ‚divided government‘ arbeiten musste (104. Kongress, 1995-1996; 105. Kongress, 1997-1998).7 Die institutionelle Gewaltentrennung wird durch eine strenge personelle Trennung ergänzt. Die personelle Identität zwischen Legislative und Exekutive ist unmöglich (Art. I Sect. 6 Cl. 2 USVerf.) Mitglieder des Kongresses können nicht zugleich ein Exekutivamt (‚civil office‘) bekleiden. Die Teilnahme des Präsidenten oder von Regierungsmitgliedern an regulären Ausschusssitzungen ist ausgeschlossen.8 1. Gewaltenteilung im US-amerikanischen Regierungssystem Die Stellung des Kongresses wird wesentlich durch die Gewaltenteilungskonzeption der amerikanischen Verfassung bestimmt. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist – anders als im Grundgesetz (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) – nicht ausdrücklich in der Verfassung geregelt. Die institutionelle Trennung wird der Struktur und den Einleitungssätzen der ersten drei Verfassungsartikel entnommen: „All legislative Powers […] shall be vested in a Congress of the United States“ (Art. I Sect. 1 USVerf.); „executive Power shall be vested in a President of the United States of America“ (Art. II Sect. 1 USVerf.); „judicial Power of the United States shall be vested in one Supreme Court“ (Art. III Sect. 1 USVerf.).

In seinem Kern beruht der Staatsaufbau der Vereinigten Staaten auf der von Locke und Montesquieu entworfenen Gewaltentrennungslehre9: „Die politische Freiheit des Bürgers ist jene Ruhe des Gemüts, die aus dem Vertrauen erwächst, dass ein jeder zu seiner Sicherheit hat. Damit man diese Freiheit hat, muss die Regierung so eingerichtet sein, dass ein Bürger den anderen nicht zu fürchten braucht […] Wenn in derselben Person oder der gleichen obrigkeitlichen Körperschaft die gesetzgebende Gewalt mit der vollziehenden vereinigt ist, gibt es keine Freiheit; denn es steht zu befürchten, dass derselbe Monarch oder derselbe Senat ty-

———————— 7 Die Situation eines ‚divided government‘, in der die Partei des Präsidenten zwar über eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, aber nicht im Senat verfügt, hat es im 20. Jahrhundert nicht gegeben. 8 Der Präsident hat aber von Zeit zu Zeit den Kongress über die Lage der Nation zu berichten (Art. II Sect. 3 USVerf.). Diese mündliche Ansprache an die Nation vor beiden Häusern des Kongresses (sog. ,State of the Union Adress‘) ist seit der Präsidentschaft Woodrow Wilsons (1913-1921) zur Verfassungsgewohnheit geworden. 9 Gewaltenteilung wurde als eine der Ideen der Aufklärung, beschränkt auf die Trennung von Exekutive und Legislative, von John Locke in „Two treatises of government“ im Jahre 1690 entwickelt und als Strukturprinzip moderner Verfassungen gefordert. Montesquieu wies zudem in seinem Werk „Vom Geist der Gesetze“ aus dem Jahr 1748 der richterlichen Gewalt ihre eigene Rolle zu. Er wurde durch seine Vorstellungen von gegenseitiger Verschränkung und Mitbeteiligung der drei Gewalten in einem System kontrollierenden Gleichgewichts zum Urheber der liberalen Gewaltenteilungslehre.

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

rannische Gesetze macht, um sie tyrannisch zu vollziehen […] Es gibt ferner keine Freiheit, wenn die richterliche Gewalt nicht von der gesetzgebenden und vollziehenden getrennt ist […] Alles wäre verloren, wenn derselbe Mensch oder die gleiche Körperschaft der Großen, des Adels oder des Volkes diese drei Gewalten ausüben würde: die Macht, Gesetze zu geben, die öffentlichen Beschlüsse zu vollstrecken und die Verbrechen oder die Streitsachen der einzelnen zu richten.“10

Die politische Elite berief sich vor allem in den Jahrzehnten vor 1776 auf Montesquieus Argumente, um die Autonomie und Integrität der kolonialen Legislativversammlungen gegenüber den Machtansprüchen der Gouverneure zu behaupten.11 Allerdings waren die Gründer der Verfassung weit davon entfernt, eine totale Trennung der Gewalten, wie sie noch Adams vor Erlass der Bundesverfassung vorgeschlagen hatte, umzusetzen. Vielmehr waren sie darauf bedacht, die Regierungsgewalten zu verschränken, verschiedene Regierungsfunktionen verschiedenen Regierungsorganen zuzuweisen und zu vermeiden, dass die ausschließliche Betrauung eines Regierungsorgans mit der Wahrnehmung einer Regierungsgewalt die Ausübung unkontrollierter Herrschaftsbefugnisse ermöglicht. In diesem Sinne verstand auch Madison in Federalist Papers No. 47 die Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive nicht als strikte Trennung, sondern nur als Verbot einer Vereinigung der gesamten Staatsgewalt in einer Hand: „The accumulation of all powers legislative, executive and judiciary in the same hands, whether of one, a few or many, and whether hereditary, self appointed, or elective, may justly be pronounced the very definition of tyranny.“

Eine anteilige Ausübung durch jeweils mehrere Personen oder Organe schloss er nicht aus.12 Denn die Gewaltenteilung sollte nicht nur der Sicherung der Freiheit der Bürger, sondern auch der effizienten Regierungsarbeit dienen.13 Zwar waren die demokratischen Elemente des Staatswesens zur Zeit seiner Gründer noch unterentwickelt. Die Väter der amerikanischen Verfassung fürchteten die Demokratie und sahen in der Möglichkeit von ad hoc-Mehrheiten eine Gefahr für die Stabilität der Regierung. Die Gleichheit ihrer Bürger war für sie jedoch von überragender Bedeutung. Nur die Gewaltenteilung konnte die Freiheits- und Eigentumsinteressen der Bürger ausreichend schützen. Die gesamte ———————— 10

Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 214-226. So schrieb Madison in Federalist Papers No. 47 v. 30.1.1788: „[Montesquieu’s] meaning, as his own words import, and still more conclusively as illustrated by the example in his eye, can amount to no more than this, that where the whole power of one department is exercised by the same hands which possess the whole power of another department, the fundamental principles of a free constitution are subverted“ (Hervorhebungen im Original). 12 Madison, Federalist Papers No. 47 v. 30.1.1788, ebenso Jefferson, Writings, S. 123ff. 13 Fisher, President and Congress, S. 3ff. 11

§ 10 Parlamentarische Untersuchungen des Kongresses

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Autorität in der Nation zusammenzufassen, hätte eine Gefahr bedeutet. Hemmnisse und Gleichgewichte (‚checks and balances‘) sollten gerade als Schutzvorkehrungen gegenüber der Ochlokratie dienen. Allerdings konnten diese „Schutzvorkehrungen“ die umfassende Demokratisierung des amerikanischen Verfassungswesens nicht verhindern. Das Prinzip der indirekten Präsidentschaftswahlen durch die Volksvertretungen der Einzelstaaten ist heute obsolet und im Falle des Senats durch das 17. Amd. aufgehoben. Die Hemmung durch das Zwei-Kammer-System besteht zwar weiterhin. Dafür bietet die Kontinuität des Senats einen Ausgleich. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre im Gegensatz zur zweijährigen Amtszeit der Mitglieder des Repräsentantenhauses (Art. I Art. I Sect. 2 Cl. 2 USVerf.). Darüber hinaus geht der Senat nie aus Gesamtwahlen hervor. In zweijährigen Intervallen scheidet jeweils ein Drittel der Senatoren aus (Art. I Sect. 3 Cl. 2 USVerf.). Seitdem beide Häuser des Kongresses direkt und unmittelbar vom Volk gewählt werden, kann von einem Demokratiedefizit nicht mehr die Rede sein. 2. Aufgaben und Kompetenzen des Kongresses Erstmals in der Geschichte hat die amerikanische Bundesverfassung von 1787 die Idee der Volkssouveränität praktisch umgesetzt. Der Kongress besteht nach Art. I Sect. 1 USVerf. aus zwei Kammern, dem Senat und dem Repräsentantenhaus. Jeder Bundesstaat wird durch jeweils zwei Senatoren (insgesamt 100) vertreten. Das Repräsentantenhaus besteht aus 435 Abgeordneten, die nach Wahlkreisen gewählt werden. Der Kongress ist keine „Ratifizierungsmaschine für Regierungsvorlagen.“14 Verfassungsrechtlich steht das Recht der Gesetzesinitiative dem Kongress allein zu (Art. I Sect. 1 USVerf.). Senat und Repräsentantenhaus sind grundsätzlich gleichberechtigt. Die Gesetzgebungskompetenzen sind in Art. I Sect. 8 USVerf. in den 18 Klauseln enumerativ aufgezählt. Insbesondere die ‚necessary and proper clause‘ hat in der Vergangenheit als Generalklausel zur Ausweitung von Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes nach der ‚implied powers‘Lehre geführt. Die politisch wichtigste Kompetenz ist die der Haushaltsgesetzgebung (‚power to purse‘) nach Art. I Sect. 9 Cl. 7 USVerf. In der Regel verschafft sich der Kongress eine eigene Tatsachenkenntnis und ist nicht auf die Vermittlung der Regierung angewiesen, obwohl eine Vielzahl gesetzlicher Berichtspflichten bestehen. Die Informationsbeschaffung wird durch die Apparate der kongresseigenen Behörden sichergestellt. Eigene Erhebungen sind gerade im Kontakt mit den Interessengruppen im pluralistischen sozialen Gefüge von großer Bedeutung. ———————— 14

Shell, Das politische System, in: Adams/Lösche, Länderbericht USA, S. 213.

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Die Kompetenzen des Kongresses lassen sich in ‚legislative‘ und ‚nonlegislative‘ unterteilen.15 Zu den legislativen Entscheidungen gehören die von beiden Häusern des Kongresses verabschiedeten und vom Präsidenten unterschriebenen ‚acts‘ bzw. ‚federal statutes‘.16 Beschlüsse können mit Gesetzeskraft (‚joint resolution‘) verabschiedet werden; ‚concurrent resolutions‘ haben keine Gesetzeskraft. Zu den ‚non-legislative‘ Kompetenzen gehören bspw. das Recht der Amtsenthebung (‚impeachment‘) nach Art. I Sect. 2 Cl. 5 Sect. 2 USVerf., das Recht des Senats Personalentscheidungen des Präsidenten zu billigen oder zurückzuweisen (Art. II Sect. 2 Cl. 2 USVerf.), das Recht mit Zweidrittelmehrheit die Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen zu versagen (Art. II Sect. 2 Cl. 2 USVerf.) und vor allem das Aufsichtsrecht über die ordnungsgemäße und effiziente Ausführung der Gesetze durch die Exekutive (‚oversight‘). Die Verfassung enthält keine allgemeine Kompetenz zur Kontrolle der Exekutive durch den Kongress. Die Kontrolle des Kongresses wird als implizite Kompetenz der geschriebenen Kongresskompetenzen angesehen. Die Austragung politischer Konflikte erfolgt zumeist im Geflecht der parlamentarischen Untersuchungen und der Gesetzgebungsarbeit. Im Gegensatz zum Regierungssystem der Bundesrepublik, das den größten Teil der Gesetzesvorbereitung in die Hände der Exekutive legt und Konfliktpotential vorwegnehmen kann, beginnt das „intensive Gespräch“ zwischen den Gewalten in den Vereinigten Staaten erst in den Ausschüssen des Kongresses.17 II. Die Untersuchungskompetenz des Kongresses 1. Rechtliche Grundlage Das parlamentarische Untersuchungsrecht ist nicht in der USVerf. geregelt. Das selbstständige Beweiserhebungsrecht gilt als in den Kompetenzen des Kongresses sachlogisch eingeschlossen. Jede Kompetenz des Kongresses, sei sie ausdrücklich, immanent oder resultierend, ermächtigt den Kongress zur selbstständigen Informationserhebung und Sachverhaltsaufklärung. Jede Zuweisung einer Pflicht beinhaltet auch das Recht auf die notwendigen Mittel zu ihrer Ausübung. Dieser Gedanke wird unter der sog. Theorie der ‚implied powers‘ zusammengefasst. Inhaltlich knüpft die Lehre an die ausdrücklichen und immanenten Kompetenzen des Kongresses sowie an das dem Gewaltenteilungsprinzip immanente parlamentarische Kontrollverständnis (‚checks and ———————— 15

So auch Steffani, Der Kongreß, in: Jäger/Welz, S. 115. Gesetzentwürfe (‚bills‘) können danach unterschieden werden, ob sie sich an einen unbestimmten Personenenkreis (‚public bills‘) oder einen abgrenzbaren Personenkreis (‚private bills‘) richten. 17 Steffani, Parlamentarische und präsidentielle Demokratie, S. 183. 16

§ 10 Parlamentarische Untersuchungen des Kongresses

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balances‘) an. Eine textliche Anbindung erfährt die Theorie in der ‚necessary and proper clause‘ nach Art. I Sect. 8 Cl. 18 USVerf.: „The Congress shall have Power […] to make all Laws which shall be necessary and proper for carrying into Execution the foregoing Powers, and all other Powers vested by this Constitution in the Government of the United States, or in any Department or Office thereof.“

Für das Verständnis des parlamentarischen Untersuchungsrechts als ‚implied power‘ wird auf die Wirksamkeit und Effizienz von Informationsansprüchen zur Erfüllung ausdrücklicher oder mitgeschriebener Legislativkompetenzen abgestellt, die Zwangsmittel erforderlich machen können. Der Supreme Court entschied in McGrain v. Daugherty im Jahre 1927, dass dem Kongress nicht nur das Recht „to send for persons and papers“ zustehe, sondern dass auch dessen effiziente Durchsetzung von der Kompetenz umfasst sei: „[…] in the absence of information […] where the legislative body does not itself possess the requisite information […] which not infrequently is true – recourse must be had to others who do possess it [and] that the constitutional provisions which commit the legislative function to the two houses are intended to include this attribute to the end that the function may be effectively exercised.“18

2. Funktion, Gegenstand und inhaltliche Schranken Parlamentarische Untersuchungen haben auch in den USA die einleitend in § 2 genannten Funktionen19: Sie sind Instrumente der Selbstinformation zur Gesetzesvorbereitung, umfassen den Bereich der kontinuierlichen Überwachung der Regierungs- und Verwaltungsarbeit (‚congressional oversight‘), insbesondere auch Untersuchungen vermuteter Fehltritte oder Gesetzesverletzungen der Exekutive (Kontrollenqueten), untersuchen Sachverhalte der innerparlamentarischen Ordnung (Kollegialenqueten) und dienen der ‚informing function‘20 des Parlaments – also politisch-propagandistischen Zwecken.21 Über die Schwierigkeit einer klaren Trennung der Parlamentsfunktionen hinaus, ist selbst die Bestimmung der primären Zielrichtung einer Untersuchung im Kongress ausgesprochen schwierig. Neben der Natur der Sache, dass es zu Überschneidungen der Zielrichtung kommt und insbesondere alle Untersuchungen tendenziell von politisch-propagandistischen Zwecken begleitet werden, sind terminologische Inkonsistenz und ein rechtlich nahezu unbe———————— 18

McGrain v. Daugherty, 273 U.S. 135, 173 (1927). § 2 III., S. 39ff. 20 „[T]o inform, to influence, to mould public opinion“, Galloway, The Investigative Function of Congress, S. 233f.; vgl. auch Fraenkel, Diktatur des Parlaments?, ZfP 1954, S. 99. 21 Siehe unten IV. 19

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

schränkter Gegenstandsbereich parlamentarischer Untersuchungen als Gründe zu nennen. Thematisch lassen sich am ehesten die Verfahren der Ethikausschüsse von Repräsentantenhaus und Senat isolieren, in denen ein großer Teil parlamentarischer Untersuchungsverfahren stattfindet. Diese können als Kollegialenqueten bezeichnet werden, da sie materiell der Sicherung der innerparlamentarischen Ordnung und dem Ansehen des Parlaments dienen. Vor allem haben sie die Aufgabe, die Offenlegungspflichten im Ethics in Government Act aus dem Jahre 1978 zu überwachen, Beschwerden von Kongressmitgliedern entgegenzunehmen, Untersuchungen zu führen, Schuldsprüche vorzubereiten und dem Plenum Bericht zu erstatten. Untersuchungen, die geplante oder laufende Gesetzgebungsverfahren vorbereiten, werden in den ständigen Ausschüssen geführt. Hearings unterscheiden nicht danach, ob die Anhörpersonen (‚witness‘) Sachverständige oder Zeugen (‚witness‘) sind. Sachverständige, die an der Gesetzesvorbereitung mitarbeiten, werden grundsätzlich nicht vereidigt. Zur Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen kann es im Rahmen von Untersuchungen kommen, die Missstände in der Verwaltung und persönliches Fehlverhalten aufklären sollen. Persönliches Fehlverhalten von Amtsträgern war immer wieder Gegenstand von Kongressuntersuchungen. Beispielhaft waren in der US-amerikanischen Geschichte die Untersuchungen des Beute-Systems unter der Präsidentschaft A. Jacksons (1829-1836) und U.S. Grants (1876-1896), die Untersuchungen zum Patronagesystem während der Präsidentschaften von Polk (1846-1849) und Buchanan (1850-1860) und die Untersuchungen von Bestechungs- und Korruptionsfällen während der Harding-Administration (1921-1923); hier erregten die Untersuchungen der Affäre um Teapot Dome22 (1923-24) besondere Aufmerksamkeit. Beispiele aus jüngerer Zeit, die hier noch vereinzelt Erwähnung finden werden, sind die Untersuchungen zur Frage des Versagens der Geheimdienste bei den Terrorangriffen am 11. September 2001 (9/11-Commission)23 sowie die Untersuchung von Foltervorwürfen gegenüber Angehörigen der US-Armee im Irakkrieg 2003.24 In ihrem gegenständlichen Bereich umfassen parlamentarische Untersuchungen allerdings bei weitem nicht nur Einzelfälle politischen oder persönlichen Fehlverhaltens, sondern den gesamten Bereich der kontinuierlichen Regie———————— 22

Siehe § 12 I. sowie McGrain v. Daugherty, 273 U.S. 135 (1927). National Commission on Terrorist Attacks, H. Res. 4628, P.L. 107-306, Sect. 601 v. 27.11.2002, Hearings v. 31.3.2003-17.6.2004, Report: U.S. Government Printing Office, Washington D.C. 2004. 24 Bspw. am 7.5.2004, 11.5.2004, Senate Committee on Armed Services . 23

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rungs- und Verwaltungskontrolle (‚congressional oversight‘) sowie der anlassbezogenen Kontrolle (‚investigative oversight‘). a) Kontrolle der Exekutive Eine theoretische Unterscheidung zwischen Untersuchungsverfahren mit der primären Zielrichtung der Gesetzgebung, der kontinuierlichen Verwaltungskontrolle oder der investigativen Untersuchung (unter Einsatz von Zwangsmitteln) – wie sie tendenziell z.B. im deutschen Untersuchungsrecht des Bundestages zwischen Enquete-Kommission nach § 69 GO-BT und Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG erkennbar ist – kann im Kongress nur schwer bis gar nicht ausgemacht werden. Zunächst bereitet die dogmatische Unterscheidung der Parlamentsfunktionen „Gesetzgebung“ und „Kontrolle“ Schwierigkeiten. Wie einleitend – unter Bezugnahme auf Krebs – beschrieben, kann parlamentarische Kontrolle nicht als eine eigenständige Parlamentsfunktion gesehen werden. Sie ist den parlamentarischen Mitwirkungs- und Entscheidungsprozessen immanent; parlamentarische Kontrolle ist den parlamentarischen Entscheidungsbefugnissen akzessorisch.25 Dies gilt für die parlamentarische Kontrolle in den USA, wie sie im Begriff ‚checks and balances‘ Eingang gefunden hat, gleichermaßen. Zudem ist auf der anderen Seite – will man dies überhaupt gegenüberstellen – der Begriff „Gesetzgebung“ nicht klar definiert. Der Kongress kann grundsätzlich alle Hoheitsakte vornehmen, deren Wahrnehmung ihm nicht von der Verfassung ausdrücklich oder durch sinnvolle Auslegung verboten, insbesondere einer anderen Staatsgewalt zugewiesen ist. Die Unterscheidung zwischen ‚legislative‘ und ‚non-legislative‘ Kompetenzen hat nur ordnende, keine dogmatische Bedeutung. aa) Oversight Der Begriff ‚oversight‘ kommt dem der „parlamentarischen Kontrolle“ im Deutschen inhaltlich am nächsten. Dabei ist er sehr viel weiter gefasst als sein deutsches Pendant, da die Kontrollkompetenzen weitreichender als die des Bundestages sind. Der Wortsinn des Begriffs ‚oversight‘ bedeutet in der Übersetzung eher Überwachung als Aufsicht. Er beschreibt das gesamte Spektrum der Exekutivkontrolle durch den Kongress. Davon ist jegliches formalisierte Verfahren des Informationsaustausches zwischen den Kongressausschüssen und Teilen der Exekutive erfasst. Dazu gehören Anhörungen und Zeugenvernehmung, Akteneinsicht, das Einfordern von Aktenmaterial oder kontinuierliche Berichtspflichten anderer Behörden. Im Gegensatz zum bundesdeutschen System, in dem die Rechts- und Fachaufsicht über die den Obersten Bundesbe———————— 25

Siehe oben § 2 II., S. 34.

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

hörden nachgeordneten Behörden der Exekutive selbst obliegt, übt der Kongress diese Aufsicht, korrespondierend mit Auskunftspflichten seitens der Exekutive, in großem Umfang selbst aus. Zu ‚oversight‘ gehören alle Aufsichtsrechte und -verfahren, die der Kontrolle des Gesetzesvollzugs, der Effizienz und der Evaluation dienen.26 Der Legislative Reorganization Act aus dem Jahre 1946 statuierte die parlamentarische Kontrolle der exekutiven Gesetzesanwendung im Sinne einer „continuous watchfulness.“27 Das Gesetz berücksichtigte insbesondere die gewachsene Bedeutung der ständigen Ausschüsse bei der Exekutivkontrolle und erlaubte den Ausschüssen, eigenes Personal – neben dem persönlichen Personalbestand der Kongressmitglieder – einzustellen. Der Legislative Reorganization Act von 1970 (LRA) konkretisierte die Aufgabe der kontinuierlichen Verwaltungskontrolle weiter und formulierte die Oversight-Funktion neu. Den ständigen Ausschüssen beider Häuser wurde innerhalb ihrer Zuständigkeit die kontinuierliche Verwaltungskontrolle aufgetragen: „[Committees] shall review and study, on a continuing basis, the application, administration, and execution of those laws or parts of law the subject matter of which is within the jurisdiction.“28

In der Regel handelt es sich hierbei um allgemeine Untersuchungen zur Sachverhaltsermittlung ohne die Anwendung von Zwangsmitteln. Die wichtigsten Aufsichtsverfahren sind: das Verfahren zur Haushaltsaufstellung (‚budget process‘), die Einrichtung und die Zuständigkeitsverteilung der obersten Bundesbehörden (‚authorization process‘), die Ernennung der Obersten Bundesrichter, Bundesbeamten und Offiziere (‚appropriations process‘) sowie die Ernennung der Beamten durch den Präsidenten mit Zustimmung des Senats (‚confirmation process‘). Der Congressional Budget Act von 1974 hat die Kontrollkompetenz (‚authority for oversight‘) von Repräsentantenhaus und Senat weiter ausgedehnt. Die ständigen Ausschüsse wurden ermächtigt, Verwaltungsbehörden selbst oder durch Beauftragung einer Kongressbehörde zu kontrollieren und die Ausführung von Regierungsprogrammen zu evaluieren.29 Das Gesetz stärkte die Rechte der kongresseigenen Rechnungsprüfbehörde (General Accounting Office, GAO), gegenüber der Exekutive finanz- oder haushaltsrelevante Informationen zu beanspruchen. Der Kopf der Behörde (Comptroller General) wurde ermächtigt, nicht nur im Auftrag eines Kongressausschusses Untersuchungen einzulei———————— 26 Zur Entwicklung des Oversight-Systems siehe die umfassende Studie von Aberbach, Keeping a watchful eye, S. 29ff. 27 Legislative Reorganization Act, 60 Stat. 832 (1946). 28 84 Stat. 1156 (1970). 29 88 Stat. 325 (1974).

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ten, sondern auch aus Eigeninitiative.30 Das Gesetz richtete die Haushaltsausschüsse beider Häuser und die kongresseigene Behörde zur Haushaltserstellung (Office of Management and Budget, OMB) ein.31 Durch Sect. 134a des LRA von 1970 wurden den ständigen Ausschüssen permanente Untersuchungsbefugnisse zugestanden, mit dem Ziel, die Ausbreitung der ad hoc-Untersuchungsausschüsse zu verhindern und die Untersuchungstätigkeit auf die ständigen Ausschüsse zu verlagern: „Each standing committee of the Senate, including any subcommittee of any such committee, is authorized to hold such hearings, […] to require by supoena or otherwise the attendance of such witnesses and the production of such correspondence, books, papers, and documents, to take such testimony […] as it deems advisable. Each such committee may make investigations into any matter within its jurisdiction.“32

Vor dieser gesetzlichen Regelung war es noch möglich, zwischen Zeugenvernehmungen im Rahmen der Kontrollaufgabe und Anhörungen zur Gesetzesvorbereitung (‚hearings‘) zu unterscheiden. Denn äußerlich war zumindest der Einsetzungsresolution eines Untersuchungsausschusses oder der Resolution, die einem Ausschuss spezielle Untersuchungsbefugnisse übertrug, als solche erkennbar. Die eidliche Zeugeneinvernahme innerhalb des Einsetzungsresultion oder der befugnisbegründenden Resolution war dann ‚investigative oversight‘. Heute ist dies nicht mehr möglich. Die Begriffe ‚congressional oversight‘, ‚regular oversight‘ oder ‚traditional oversight‘ und ‚investigative oversight‘ werden häufig synonym verwendet. Die laufende Gesetzgebungsarbeit erfolgt grundsätzlich in ‚legislative hearings‘, die ständige Exekutivkontrolle in ‚oversight hearings‘. Diese Zusätze sind allerdings nicht immer vorhanden. Allgemeine oder kontinuierliche Untersuchungsmaßnahmen, die häufig mit den Bezeichnungen ‚routine‘, ‚ordinary‘ oder ‚general‘ versehen sind, können von besonderen, den investigativen Untersuchungen (‚investigation‘ oder ‚investigative hearing‘), unterschieden werden. Ihnen haftet die Vorstellung des Besonderen, meist der Möglichkeit zwangsweiser Befugnisse an.33 Wird ein Sonderausschuss oder ein Unterausschuss mit einer Untersuchung beauftragt und werden ihm zu deren Durchführung Zwangsmittel an die Hand gegeben, handelt es sich von Beginn an um eine investigative Untersuchung. Allerdings kann eine als investigativ begonnene Untersuchung auch ganz ohne die Anwendung oder Androhung von ———————— 30

„[…] to review and evaluate the results of Government programs and activities“, 88 Stat. 326 (1974). 31 88 Stat. 327-329 (1974). 32 60 Stat, 828-829 (1946). 33 Es findet sich auch der Begriff ‚full dress investigation‘ im Gegensatz zu ‚ordinary‘ oder ‚routine oversight‘.

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Zwangsmitteln auskommen und nur das Besondere im öffentlichen Interesse im Vordergrund stehen. Eine Anhörung (‚hearing‘) kann demnach Vernehmung, also Teil einer investigativen Untersuchung, sein, sie kann aber auch im Rahmen der Gesetzesvorbereitung (‚legislative hearing‘), der Haushaltserstellung oder der kontinuierlichen Verwaltungskontrolle (‚oversight hearing‘) erfolgen. Die Begriffe sind normativ gar nicht und in der Praxis nur schwer voneinander zu trennen. In allen Ausschüssen des Kongresses findet ‚oversight‘ statt. Hier wird im Wesentlichen die Arbeitslast der Gesetzgebung und der parlamentarischen Kontrolle bewältigt. Zentrum der öffentlichkeitswirksamen Kontrolle sind damit nicht die Plenarsitzungen – wie im Bundestag34 – sondern die Sitzungen und Anhörungen der Fachausschüsse, wie dies House Rule X (2) zum Ausdruck bringt: (a) The various standing committees shall have general oversight responsibilities […] in order to assist the House in its analysis, appraisal, and evaluation of the application, administration, execution, and effectiveness of Federal laws; and conditions and circumstances that may indicate the necessity or desirability of enacting new or additional legislation; and its formulation, consideration, and enactment of changes in Federal laws, and of such additional legislation as may be necessary or appropriate. (b) In order to determine whether laws and programs addressing subjects within the jurisdiction of a committee are being implemented and carried out in accordance with the intent of Congress and whether they should be continued, curtailed, or eliminated, each standing committee […] shall review and study on a continuing basis the application, administration, execution, and effectiveness of laws and programs addressing subjects within its jurisdiction; the organization and operation of Federal agencies and entities having responsibilities for the administration and execution of laws and programs addressing subjects within its jurisdiction; any conditions or circumstances that may indicate the necessity or desirability of enacting new or additional legislation addressing subjects within its jurisdiction.“

bb) Struktur der Exekutive Die komplexe und komplizierte Struktur der Exekutive ist ein wesentlicher Faktor, der die Untersuchungstätigkeit der Kongressausschüsse quantitativ und qualitativ bestimmt. Nach Art. II der USVerf. liegt die gesetzesvollziehende Gewalt beim Präsidenten. Allerdings fehlen dem Präsidenten als Chef der Exekutive die notwendigen Instrumente, um eine effiziente und kohärente Verwaltung zu garantieren. Die notwendige Organisations- und Personalhoheit steht nicht dem Präsidenten allein zu. Das Recht, ,departments‘ und Ämter einzurichten, liegt beim Kongress; Umstrukturierungen und Neuverteilung der Arbeits———————— 34

Siehe § 4 II.2., S. 57ff.

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bereiche bedürfen dessen Zustimmung. Die Bestellung des Spitzenpersonals unterliegt der Zustimmung des Senats. Der Präsident kann zwar leitende Beamte ohne Zustimmung des Kongresses entlassen. Hingegen bewilligt der Kongress die jährlichen Gelder, über die nicht nur die Bundesprogramme finanziert werden, sondern auch das Verwaltungspersonal. Diese „doppelte Legitimation“ zahlreicher Verwaltungsträger führt zu einer „doppelten Verantwortlichkeit.“35 Die Bundesverwaltung ist „Diener zweier Herren“ und „praktisch der Kampfplatz, auf dem institutionelle Konflikte der Gewaltenteilung ausgetragen werden.“36 Die Exekutive gliedert sich im amerikanischen Regierungssystem in vier Einheiten: den Präsidenten, einschließlich des Exekutive Office of the President (EOP), die Ministerien (‚executive departments‘), die selbstständigen Verwaltungsträger innerhalb der Ministerialbürokratie als integrierte[, eingegliederte] Verwaltungseinheiten (‚independent executive agencies‘) und die unabhängigen Regulierungsbehörden (‚independent regulatory agencies‘). Das exekutive Establishment des Präsidenten ist im EOP und dem dazugehörigen persönlichen Mitarbeiterstab im White House Office institutionalisiert. Das EOP – üblicherweise White House genannt – umfasst eine Anzahl von auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen Verwaltungseinheiten der Politiksteuerung.37 Diese Verwaltungseinheiten bilden das Machtzentrum des Präsidenten. Von hier aus wird vorwiegend durch ‚executive orders‘ die Gesetzesausführung überwacht, Berichte der Verwaltungsspitzen angefordert, der Normerlass vorbereitet und die Haushaltsentwürfe mit dem Office of Management and Budget (OMB) abgestimmt. Das White House Office ist für den Präsidenten der Apparat des bedingungslosen Vertrauens. Die Mitarbeiter im White House Office arbeiten ohne gesetzliche Festlegungen, sie werden ohne Zustimmung des Senats eingestellt und sind unmittelbare Quelle von Rat und politischem Einfluss des Präsidenten. In parlamentarischen Untersuchungen werden Mitarbeiter des White House Office für gewöhnlich nicht vernommen. Konkrete Ministerien gibt die Verfassung nicht vor. Die organisatorische Struktur der Ministerien unterscheidet sich nach den Präferenzen des jeweiligen Präsidenten. Im Gegensatz zum Kabinettssystem kontinentaleuropäischer Prägung sind die Minister (‚department secretaries‘) dem Parlament nicht direkt verantwortlich. Ihre Verantwortlichkeit besteht allein gegenüber dem Präsiden———————— 35

Sattar, Formale und Informale Politik, S. 57. Shell, Das politische System, in: Adams/Lösche, Länderbericht USA, S. 237. 37 Dazu gehört das Office of Management and Budget, National Security Council, Council of Economic Advisers, Office of Science and Technology Policy, Council on Environmental Quality, Office of Administration, Domestic Policy Council, Office of Drug Control Policy, Office of Trade Representatives, National Science and Technology Council. 36

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

ten, der sie beruft und jederzeit einzeln oder kollektiv entlassen kann. Sie sind lediglich „Gehilfen“ des Präsidenten bei der Ausführung der Regierungsgeschäfte. Das Kabinett ist ein Beratergremium des Präsidenten, dessen Beschlüssen keine Verbindlichkeit zukommt. Der Kongress kann aus verschiedenen Gründen die Einrichtung unabhängiger Verwaltungsbehörden, die sich in die Bundesverwaltung eingliedern, für sinnvoll erachten. Die Einrichtung von „integrierten und selbstständigen“ Bundesbehörden (‚independent executive agency‘) sowie deren finanzielle Ausstattung setzt legislatives Handeln des Kongresses voraus und stärkt damit den Einfluss des Parlaments. Das Organisationsgesetz (‚enabling act‘) bestimmt dann Aufbau sowie Art und Umfang der Kompetenzen, die grundsätzlich der Behörde selbst zugewiesen werden und mit präsidentiellen Ernennungs- und Überwachungskompetenzen verbunden sind. Der Kongress kann auch beamtenrechtliche oder verfahrensrechtliche Gesetze erlassen, soweit nicht die präsidentielle Ernennungskompetenz betroffen ist. Prominentes Beispiel ist die Environmental Protection Agency (EPA) oder das Office of Homeland Security, welches durch Verordnung des Präsidenten in ein ,department‘ umgewandelt wurde. Die unabhängigen Regulierungsbehörden (‚independent regulatory agencies‘) stehen dagegen außerhalb der Ministerialbürokratie.38 Verschiedene politischer Beweggründe können zu ihrer Eingerichtung führen. Meist strebt der Kongress gerade die Unabhängigkeit der Behörde gegenüber dem Präsidenten an. Die unabhängigen Regulierungsbehörden üben Exekutivfunktionen aus, zählen aber nicht zu den ‚executive agencies‘. Sie stehen nicht unter der starken Kontrolle des Präsidenten, nehmen aber die präsidentiellen Kompetenzen in Anspruch und sind an diese gebunden. Die personelle Verwaltungsspitze wird wie innerhalb der Ministerialbürokratie vom Präsidenten mit Zustimmung des Senats für eine festgelegte Amtsperiode ernannt. Die ‚independent regulatory agencies‘ werden von Kollegialorganen (‚commissions‘) geleitet. Der Vorsitzende wird vom Präsidenten bestimmt. Anders als bei den Ministerien kann der Präsident einen ‚commissioner‘ nicht ohne Grund entlassen. Je nach Sachlage muss er seine Gründe (‚for cause‘) spezifizieren. Im Organisationsgesetz beschreibt der Kongress den Aufgabenbereich. Was das Verwaltungsverfahren oder die Beamtenstruktur unterhalb der Verwaltungsspitze betrifft, unterscheiden sich diese Behörden nur wenig von den ,departments‘. Der Senat entscheidet auf Vorschlag des Präsidenten über die Besetzung der Leitungsebene der ‚departments‘ und ‚agencies‘. Bei Regierungsübernahme sind ungefähr 300 Führungspositionen in 14 Ministerien sowie 300 Positionen ———————— 38

Die erste Regulierungsbehörde war im Jahre 1887 die Interstate Commerce Commission.

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in den unabhängigen Behörden (‚agencies‘) zu besetzen. Daneben sind ca. 2500 politische Berufungen für den Senior Executive Service und bestimmte Vertrauenspositionen (‚schedule C‘) durch die Behördenchefs vorzunehmen. Das Besetzungsverfahren bei Regierungsübernahme (‚transition‘) ist zeitraubend und beinhaltet üblicherweise stundenlange Hearings vor dem Bewilligungsausschuss (Senate Appropriations Committee), in denen die entsprechenden Kandidaten vorgestellt werden und sich den Fragen der Abgeordneten stellen. Das Personal unterhalb der Verwaltungsspitze besteht aus Beamten (‚civil servants‘). Der öffentliche Dienst (‚civil service‘) baut auf Eignung auf und gewährt eine Art Kündigungsschutz nach einer Bewährungszeit, der allerdings nicht absolut ist. Der Supreme Court hat das Innehaben solcher Stellen als verfassungsrechtlich geschützte Position einer staatlichen Leistung (‚entitlement‘) anerkannt, deren Kündigung den Erfordernissen eines ordentlichen Verfahrens (‚due process‘) des 5. Amd. USVerf. gerecht werden muss.39 Die amerikanische Bundesverwaltung ist extrem fragmentiert. Sie ist das Produkt der unterschiedlichen Strategien von Kongress, Interessengruppen und des Präsidenten bei der Ernennung. Das Ernennungssystem reflektiert das Problem der politischen Kontrolle durch den Kongress und den Versuch des Präsidenten, sich der Loyalität der Verwaltung zu versichern. Die amerikanische Bundesverwaltung ist deshalb von einer universellen Schwerfälligkeit und Heterogenität gekennzeichnet und wird vielfach als ineffizient beurteilt.40 Diese Umstände bewirken, dass der parlamentarische Kontrollbedarf entsprechend hoch ist. b) Begrenzungen des Untersuchungsrechts aa) Begrenzungen des Untersuchungsgegenstandes Grundsätzlich gibt es keine materielle Begrenzung des Untersuchungsrechts auf bestimmte Untersuchungsgegenstände. Die weitgehende Befugnis des ———————— 39

Cleveland Board of Education v. Loudermill, 470 U.S. 532 (1985). Das 5. Amd. USVerf. setzt fest: „[No person shall] be deprived of life, liberty, or property, without due process of law.“ Alle staatliche Gewalt muss also bei Eingriffen in Leben, Freiheit und Eigentum ein ordentliches Verfahren einhalten. Die Entscheidung geht auf die Leitentscheidung zum Schutz staatlicher Leistungen Goldberg v. Kelly, 397 U.S. 254 (1970) zurück. Die Kläger hatten gegen den Entzug von Sozialleistungen geklagt, die die Behörde ohne vorherige Anhörung eingestellt hatte. Allein die Sicherung der formellen Anhörungsrechte sah das Gericht nicht als ausreichend an. Auch die Würde des Leistungsempfängers sei bei der Einstellung bzw. deren Aufschiebung zu berücksichtigen: „For qualified recipients, welfare provides the means to obtain essential food, clothing, housing, and medicare“, ebd. S. 264. 40 Sattar, Formale und Informale Politik, S. 57.

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Kongresses, in allen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Lebens und auch des Wirtschaftssystems Untersuchungen zu führen, ist vom Supreme Court wiederholt bestätigt worden: „The power of the Congress to conduct investigations is inherent in the legislative process. That power is broad. It encompasses inquiries concerning the administration of existing laws as well as proposed or possibly needed statutes. It includes surveys of defects in our social, economic or political system for the purpose of enabling the Congress to remedy them. It comprehends probes into departments of the Federal Government to expose corruption, inefficiency or waste.“41

Allerdings hat der Supreme Court bereits 1881 in Kilbourn v. Thompson darauf hingewiesen, dass das Untersuchungsrecht des Kongresses zwar weit, aber nicht völlig unbegrenzt sei. Eine Untersuchung muss einer legislativen Aufgabe folgen: „in aid of a legislative function.“ Das Repräsentantenhaus hatte danach seine Befugnisse überschritten („had exceeded its powers in authorizing the inquiry“), als es den Verlust der Vereinigten Staaten als Gläubiger der in Konkurs befindlichen Jay Cooke Company zum Gegenstand einer Untersuchung machte. Das Gericht verwies auf den Rechtsweg im Konkursverfahren: „judicial relief in the bankruptcy proceeding.“42 In McGrain v. Daugherty bestätigte das Gericht 1927 diese Rechtsprechung, indem es dem Kongress keine generelle Befugnis zugestand, private Lebensverhältnisse zu untersuchen. „The two houses of Congress in their separate relations have not only such powers as are expressly granted them by the Constitution, but also such auxiliary powers as are necessary and appropriate to make the express powers effective, but neither is in43 vested with ‚general‘ power to inquire into private affairs and compel disclosures.“

Diese zwei Leitentscheidungen waren Grundlage der Einschränkungen bzw. Konkretisierung des Untersuchungsrechts durch den Supreme Court hinsichtlich der ausufernden Kongressuntersuchungen der McCarthy-Ära. bb) Schutz der Grundrechte Bereits 1938 hatte das Repräsentantenhaus einen Sonderausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe (House Committee on Unamerican Activities, HUAC) eingesetzt. Anfänglich noch mit nazistischen Umtrieben beschäftigt, lenkte der Ausschuss seine Untersuchungen in den 1940er Jahren auf Sympathisanten marxistisch-kommunistischer Ideologien. 1945 wurde das ———————— 41 Watkins v. United States, 354 U.S. 178, 187 (1957); Barenblatt v. United States, 360 U.S. 109, 189 (1959). 42 Kilbourn v. Thompson, 103 US 168 (1881). 43 McGrain v. Daugherty, 273 US 135 (1927); Hintergrund waren die Untersuchungen des Senatsausschusses zur Amtsführung des Attorney General Marry R. McGrain im Teapot Dome-Skandal, siehe S. 158.

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HUAC in einen ständigen Ausschuss umgewandelt. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte der Ausschuss 1947, als die behauptete kommunistische Unterwanderung Hollywoods zum Gegenstand der Untersuchungen wurde. Parallel zu den antikommunistischen Loyalitäts-Enqueten des Kongresses wurde auch das materielle Recht diesem politischen Ziel angepasst. Der sog. Simth-Act von 1940 sah neben der Ausweisung subversiver Ausländer Haftstrafen von bis zu 10 Jahren für die Befürworter eines gewaltsamen Umsturzes und die Mitgliedschaft in entsprechenden Organisationen vor. Diese Gesetzgebung wurde 1951 vom Supreme Court als verfassungsgemäß beurteilt.44 Die Rechtsprechung ermöglichte einen großzügigen staatlichen Auslegungsspielraum im Hinblick auf das Vorliegen einer Verschwörung (‚conspiracy‘). Insoweit wurde auch die Praxis legitimiert, nicht konkrete Straftaten, sondern politische Überzeugungen zu verfolgen. 1947 wurde ein umfassendes „Loyalitätsprogramm“ gestartet, das die Überprüfung von drei Millionen Bundesbediensteten und die Entlassung von ca. 3000 zur Folge hatte. 1952 wurde gegen das Veto des Präsidenten Truman der sog. McCarran-Walter-Act45 verabschiedet, der den Zugriff auf kommunistische Organisationen weiter verschärfte, indem er die Registrierung beim Justizministerium und die Offenlegung von Finanzen und Mitgliederlisten vorschrieb. US-Bürgern konnte der Reisepass, Ausländern die Einreise verweigert werden. Für den Fall eines vom Präsidenten verkündeten Notstandes erhielt der Attorney General die Befugnis, Verdächtige präventiv in Haft nehmen zu lassen. Diese Situation wurde durch den Wahlsieg der Republikaner am 4. November 1952 noch verschärft, denn damit betrat ein engagierter „Kommunistenhasser“ die politische Bühne und verlieh diesem Kapitel amerikanischer Geschichte seinen Namen: Senator Joseph R. McCarthy (R-WI). McCarthy erhielt 1953 nicht nur den Vorsitz des Permanent Subcommittee on Investigations (PSI),46 sondern zugleich auch den Vorsitz des Mutterausschusses Committee on Go———————— 44

Dennis v. United States 341 U.S. 494 (1951). Der Immigration and Nationality Act v. 11.6.1952, in Kraft getreten am 24.12.1952, wurde als McCarran-Walter-Act bekannt, benannt nach Sen. Patrick A. McCarran (DNV), dem Vorsitzenden des Senate Judiciary Committee’s Internal Security Subcommittee, und Repr. Francis E. Walter (D-PA), der Ende der 1950er Jahre den Vorsitz im House Committee on Unamerican Activities übernahm. Das Gesetz führte nicht nur Quotenregelungen hinsichtlich der Einreise von Ausländern nach Rasse und nationaler Herkunft ein. Es enthielt erstmals auch Ausweisungsvorschriften auf Grund von ‚subversion‘. Einige Vorschriften des McCarran-Walter-Act wurden insbesondere in den 1990er Jahren wieder zurückgenommen, allerdings mit dem sog. USA Patriot Act (H. Res. 3162 v. 24.10.2001, P.L. 107-56, 115 Stat. 272) zum Teil wieder eingeführt. Ausführlich vgl. Campi, The McCarran-Walter Act: A Contradictory Legacy on Race, Quotas, and Ideology, Juni 2004 (24.8.2004). 46 Siehe § 11 II., S. 149. 45

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

vernment Operations.47 Er brachte innerhalb eines Jahres alle Untersuchungen, die sich nicht mit der kommunistischen Unterwanderung beschäftigten, zum Stillstand. Er wurde durch seine scharfen Ermittlungs- und Vernehmungsmethoden bekannt, die immer wieder als „Hexenjagd“ bezeichnet worden sind.48 1954 setzte der Versuch McCarthys, die U.S. Army und den amerikanischen Geheimdienst in seine Untersuchungen einzubeziehen (Army-McCarthyHearings), seiner Karriere und in der Folge auch den gefürchteten LoyalitätsEnqueten ein Ende. Der Supreme Court schaltete sich erst Mitte der 1950er Jahre unter Chief Justice Earl Warren ein. Richtungsweisend war in diesem Zusammenhang die Entscheidung Watkins v. United States aus dem Jahre 1957.49 Der Beschwerdeführer wurde in einer Untersuchung des HUAC vernommen. Die Einsetzungsresolution des HUAC hatte alle denkbaren sog. unamerikanischen Aktivitäten zum Untersuchungsgegenstand gemacht: „The Committee on Un-American Activities, as a whole or by subcommittee, is authorized to make from time to time investigations of (1) the extent, character, and objects of Un-American propaganda activities in the United States, (2) the diffusion within the United States of subversive and un-American propaganda that is instigated from foreign countries or of a domestic origin and attacks the principle of the form of government as guaranteed by our Constitution, and (3) all other questions in relation there to that would aid Congress in any necessary remedial legislation.“50

Watkins beantwortete in seiner Vernehmung Fragen zu seiner früheren Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei, verweigerte hingegen die Auskunft auf Fragen zu Aktivitäten anderer, ihm bekannter Personen mit der Begründung, dass dies nicht vom Untersuchungsumfang gedeckt sein könne und für die Ausschussarbeit nicht von Belang sei.51 Der Supreme Court gab dem Beschwerdeführer Recht und hob die Verurteilung wegen Missachtung des Ausschusses nach Sect. 192 U.S.C., welcher die Aussageverweigerung „[to] any question pertinent to the question under inquiry“ unter Strafe stellt, mit der Begründung auf, dass der Kongress keine generelle Befugnis habe, private Sachverhalte zu untersuchen: ———————— 47 Ursprünglich Committee on Expenditures in the Executive Departments, seit 1952 Committee on Government Operations, seit 1977 Committee on Governmental Affairs. 48 Umfassend zu den Untersuchungen der McCarthy-Ära vgl. Schlesinger, Congress investigates, Vol. 5, S. 3ff. 49 354 U.S. 178 (1957). 50 99 Cong. Rec. 16-19. Die Formulierung wurde offensichtlich der sog. DicksteinResolution entnommen, die 1934 den Untersuchungsauftrag des sog. McCormackCommittee (benannt nach dem Repr. John W. McCormack (D-MA)). Sie wurde für alle Formen von Nazipropaganda, die die USA aus anderen Staaten erreichte, eingerichtet, H. Res. 198, 73rd Cong., 78 Cong. Rec. 4934, 4949. 51 „[T]hose questions were outside of the proper scope of the Committee’s activities and not relevant to its work“, Watkins v. United States, 354 U.S. 178.

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„There is no general authority to expose the private affairs of individuals without justification in terms of the function of the Congress […] nor is the Congress a law enforcement or trial agency. These are functions of the executive and judicial departments of government. No inquiry is an end in itself, it must be related to, and in furtherance of, a legitimate task to the Congress […] A congressional investigation into individual affairs is invalid if unrelated to any legislative purpose, because it is beyond the powers conferred upon Congress by the Constitution.“52

Eine Kongressuntersuchung sei dann ungültig, wenn kein legitimes Interesse nachgewiesen werden könne. Es könne nicht einfach angenommen werden, dass für jede Kongressuntersuchung ein öffentliches Interesse bestehe, das jedes private Interesse überwiege. Es gebe keine Untersuchung nur um der Untersuchung willen: „It cannot simply be assumed that every congressional investigation is justified by a public need that overbalances any private rights affected, since to do so would be to abdicate the responsibility placed by the Constitution upon the judiciary to insure that Congress does not unjustifiably encroach upon an individual’s right of privacy nor abridge his liberty of speech, press, religion or assembly […] There is no congressional power to expose for the sake of exposure where the predominant result can be only an invasion of the private rights of individuals.“53

Die Einsetzungsresolution des HUAC wurde an Hand dieser Voraussetzung für zu unbestimmt erachtet. Im Übrigen hielt das Gericht auch die Fragestellung selbst für zu unbestimmt und nicht mit dem Prinzip des ‚due process‘ des 5. Amd. der USVerf. vereinbar.54 Fragen müssten so eindeutig und klar gestellt werden, wie dies nach der ‚due process clause‘ bei der Konfrontation mit einem Verbrechen der Fall wäre: „Due process requires that a witness before a congressional investigating committee should not be compelled to decide, at peril of criminal prosecution, whether to answer questions propounded to him without first knowing the ,question under inquiry‘ with the same degree of explicitness and clarity that the Due Process Clause requires in the expression of any element of a criminal offense.“55

Diese Entscheidung zeigt nicht nur die Grenzen hinsichtlich der Grundrechte der Auskunftsperson auf, sondern verweist auch auf das Prinzip der Gewaltenteilung, indem es, wie in Kilbourn v. Thompson, auf der Notwendigkeit einer legislativen Funktion als Voraussetzung für die Ausübung von Zwangsbefugnissen besteht.

———————— 52 Watkins v. United States, 354 U.S. 178, 185ff., 198 (1957), mit dem Verweis auf Kilbourn v. Thompson, 103 U.S. 168. 53 Watkins v. United States, 354 U.S. 178, 200ff. (1957). 54 Wortlaut 5. Amd. USVerf: „[No person shall] be deprived of life, liberty, or property, without due process of law.“ 55 Watkins v. United States, 354 U.S. 178, 208f. (1957), mit dem Verweis auf Sinclair v. United States, 279 U.S. 263.

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

cc) Executive privilege Richten sich Auskunftsanfragen des Kongresses an die Exekutive, kann der Präsident als Kopf der Exekutive das Informationsbegehren mit der Begründung zurückweisen, dass die Information dem Vorrecht der Exekutive, dem ‚executive privilege‘ (auch ‚presidential claim of executive privilege‘), unterliege und der Geheimhaltung bedürfe. Wie das Untersuchungsrecht selbst ist auch das Exekutivprivileg nicht ausdrücklich in der Verfassung geregelt. Es wird als Annex bzw. ‚implied power‘ zu den in der Verfassung erwähnten Kompetenzen des Präsidenten auf der Grundlage des Gewaltenteilungsprinzips verstanden. Insbesondere wird auf die Funktion des Präsidenten als Oberbefehlshaber (‚commander in chief‘)56 und die Befugnisse für die auswärtigen Angelegenheiten (‚foreign relations‘)57 verwiesen: „[T]he authority of the Executive Department to protect the nation against publication of information whose disclosure would endanger the national security stems from two interrelated sources: the constitutional power of the President over the conduct of foreign affairs and his authority as Commander-in-Chief.“58

Das Vorrecht der Exekutive wurde zunächst in Zivilprozessen, in welche die Exekutive verwickelt war, geltend gemacht. Die Praxis der Exekutive, Informationen gegenüber dem Kongress zurückzuhalten, kann allerdings bis zur Präsidentschaft George Washingtons (1789-1797) zurückverfolgt werden. 1796 verweigerte Washington das Aktenvorlagebegehren des Repräsentantenhauses hinsichtlich der Verhandlungen des Jay’s Treaty59 mit England. Der Beschluss des Repräsentantenhauses60 schloss die Herausgabe der Unterlagen aus, die laufende Verhandlungen beträfen.61 Zur Begründung seiner Ablehnung führte Washington u.a aus, dass das Repräsentantenhaus im Gegensatz zum Senat keine Rolle bei der Ratifikation von Verträgen spiele.62 ———————— 56

Art. II Sect. 2 Cl. 1. Art. II Sect. 2 Cl. 2, 3. 58 New York Times v. United States, 403 U.S. 713 (1971). 59 John Jay war Präsident der Vereinigten Staaten (1778-1779) und bekleidete von 1789 bis 1794 als erster das Amt des Vorsitzenden Richters des Obersten Gerichtshofes. 1794 wurde er von Präsident George Washington beauftragt, einen neuen Staatsvertrag mit den Briten auszuhandeln (Jay’s Treaty), der viele Amerikaner enttäuschte, aber schließlich 1795 vom Kongress angenommen und von Präsident Washington unterzeichnet wurde. 60 Beschluss des Repräsentantenhauses in Annals of Congress, 1796, S. 759ff. 61 „[…] excepting such of said papers as any existing negotiations may render improper to be disclosed“, ebd. S. 759. 62 Antwort Präsident Washingtons, in: Mengel, Auskunftsverweigerung der Exekutive und Informationsanspruch des Kongresses in den Vereinigten Staaten, JöR 33 (1984), S. 367, 371. 57

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Der Begriff ‚executive privilege‘ tauchte zuerst 1954 in einer Anordnung von Präsident Dwight D. Eisenhower (1953-1961) im Zusammenhang mit einer Senatsuntersuchung unter dem Vorsitz von Sen. McCarthy gegen die U.S. Army auf. Eisenhower hatte in seinem Schreiben an den Verteidigungsminister den grundsätzlichen Informationsanspruch des Kongresses anerkannt, jedoch eine weitreichende Einschränkung angeordnet, die sich aus dem beigefügten Gutachten des Justizministers Attorney General Herbert Brownell ergab und bis zur Reagan-Administration fortwirken sollte. Die Preisgabe von Kommunikationsinhalten zwischen Angestellten des Ministeriums wurde, wie auch das Erscheinen vor einem Kongressausschuss, untersagt: 63 „Because it is essential to efficient und effective administration that employees of the executive branch be in a position to be completely candid in advising each other on official matters, and because it is not in the public interest that any of their conversations or communications be disclosed, you will instruct employees […] that in all of their appearance before the subcommittee of the Senate Committee on Government Operation regarding the inquiry now before it they are not to testify to any such conversations or communications or to produce any such document or reproductions.“

Die Anweisung wurde mit allgemeiner Zustimmung aufgenommen, um die Aktivitäten McCarthys zu bremsen.64 Der Rechtsberater des Verteidigungsministeriums John Adams war vor das Untersuchungskomitee geladen worden, um zu einem Gespräch im Justizministerium zwischen ihm, Attorney General Borwell und seinem Vize William P. Rogers auszusagen. Adams erschien, berichtete, dass ein solches Gespräch stattgefunden habe, weigerte sich hingegen, über dessen Inhalt Auskunft zu geben. Er bezog sich auf die Anordnung des Präsidenten und begründete das Vorrecht der Exekutive mit Präzedenzfällen aus der Geschichte des Kongresses. Danach seien Gespräche auf höchster Ebene Geheimnisse des Kabinetts (‚secrets of the cabinet‘), die, weil es sich um unmittelbare Meinungsbildung handele, weit größeren Schutzes bedürften als die Kommunikation zwischen Tausenden von Regierungsangestellten. Das Vertraulichkeitsprivileg wurde in der Folge als ‚confidentiality of high-level communications‘ in der Untersuchungspraxis des Kongresses anerkannt. Gleichzeitig entwickelte sich das ‚executive privilege‘ zum willkommenen Mittel für die Administration, Informationen vor dem Kongress und der Öffentlichkeit geheim zu halten. Insbesondere die Kennedy- (1961-1963) und die Johnson-Administration (1963-1969) hatten großes Geschick im Umgang mit dem ‚executive privilege‘ entwickelt, so dass dem Kongress das volle Ausmaß der Krise in Vietnam lange Zeit weitgehend verborgen blieb.65 ———————— 63

100 Cong. Rec. 6621. Washington Post v. 18.5.1954, S. 14, New York Times v. 18.5.1954, S. 28. 65 Obwohl Kennedy in seinem Wahlkampf noch mehr Transparenz zugesagt hatte, wies er z.B. seinen Verteidigungsminister McNamara mit Schreiben v. 8.2.1962 an, gewisse Auskünfte nicht an einen Senatsausschuss herauszugeben, Comm. Prints, Hear64

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

Senator Moss (D-UT), Vorsitzender des Special Government Information Subcommittee of the Committee on Government Operations, der schon Kennedy in einem Schreiben an sein Wahlverprechen einer transparenten Exekutive erinnert hatte,66 forderte 1965 auch Präsident Johnson auf, sich zu einer restriktiven Praxis des ‚executive privilege‘ zu bekennen: „I hope you will reaffirm the principle that ‚executive privilege‘ can be invoked by you alone and will not be used without you specific approval.“67 In seiner Antwort bekannte sich Johnson dazu, die Praxis unter Kennedy beizubehalten: „Thus, claim of ‚executive privilege‘ will continue to be made only by the President.“68 Dieser Vorgang stellte einen Präzedenzfall im Parlamentsbrauch dar, wonach das ‚executive privilege‘ nur vom Kopf der Exekutive, dem Präsidenten, und nicht von anderen Angehörigen der Exekutive geltend zu machen sei. Diese Zusicherung erteilte 1969 auch Präsident Richard M. Nixon (1969-1974): „I believe and I have stated earlier, that the scope of executive privilege must be very narrowly construed. Under this Administration, executive privilege will not be asserted without specific Presidential Approval.“69 Die von Nixon angekündigte Praxis unterschied sich deutlich von der tatsächlichen seiner Amtszeit. Nixon nahm das ‚executive privilege‘ weithaus häufiger als all seine Vorgänger in Anspruch. Bis heute hat der Supreme Court nicht über die Rechtmäßigkeit einer Auskunftsverweigerung des Präsidenten gegenüber dem Kongress auf Grund des ‚executive privilege‘ entschieden. Allerdings gibt der Fall United States v. Nixon Hinweise darauf, wie der oberste Gerichtshof im Falle eines parlamentarischen Auskunftsverlangens entscheiden könnte. Allerdings ging es hier um das Verhältnis Präsident-Judikative und nicht um die Beziehung PräsidentKongress.70 Hintergrund war die sog. Watergate-Affäre: ———————— ings des Senate Committee on Armed Forces, 87th Cong. 2d Sess., S. 508f. Er ordnete an, dass jedes Auskunftsverlangen des Kongresses gesondert zu beurteilen sei: „The principle which is at stake here cannot be automatically applied to every request for information. Each case must be judged on its merits.“ 66 Abgedruckt in: Hearings on Executive Privilege: Withholding of Information by the Executive’des Executive Subcommittee on Separation of Powers, 92d Cong., 1st Sess. 1971. Zu den Fällen, in denen sich Kennedy auf das ‚executive privilege‘ berufen hat, siehe Mengel, aaO., S. 367, 381. 67 Schreiben v. 31.3.1965, Hearings on Executive Privilege, aaO., Anhang, S. 34. 68 Schreiben v. 2.4.1965, Hearings on Executive Privilege, aaO., Anhang, S. 35. 69 Schreiben v. 28.1.1969, Hearings on Executive Privilege, aaO., Anhang, S. 35f.: „I want to take the opportunity to assure you and your committee that this Administration is dedicated to insuring a free flow of information to be a reality in every way possible. This Administration has already given a positive emphasis to freedom of information.“ 70 Umfassend zu den Untersuchungen zur Watergate-Affäre vgl. Schlesinger, Congress investigates, Vol. 5, S. 197ff.

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Vor den Kongress- und Präsidentschaftswahlen im November 1972 brachen Unbekannte am 17. Juni 1972 in das Hauptquartier der Demokraten im Washingtoner Watergate Hotel ein, um dort Telefone mit Abhörmikrophonen zu installieren. Sie wurden von der Polizei überrascht und vor Gericht gestellt. Die Einbrecher wurden am 30. Januar 1973 wegen Verschwörung (‚conspiracy‘), Hausfriedensbruch (‚burglary‘) und unbefugten Abhörens (‚wiretapping‘) verurteilt. Sie hatten sich für schuldig erklärt, die Aussage hingegen verweigert. Die Verbindung eines Täters, James W. McCord, zum Wahlkampfteam des Präsidenten (Committee to Re-elect the President) ließ Spekulationen darüber laut werden, dass das Weiße Haus in den Einbruch involviert gewesen sei. Das Weiße Haus wies die Vorwürfe zurück. Nixon gelang die Wiederwahl. Während der Gerichtsverhandlung identifizierte sich McCord als Mitglied des CIA. Er gab an, auf Anweisung des Weißen Hauses gehandelt und ein Schweigegeld bekommen zu haben. Der Senat setzte einen Sonderausschuss ein, um die behaupteten Verbindungen zu untersuchen (Watergate-Committee) und begann Stabsmitglieder vorzuladen und zu vernehmen.71 Am 12. März 1973 äußerte sich Präsident Nixon öffentlich in einer schriftlichen Erklärung zu den Grundlagen und seinem Verständnis des ‚executive privilege‘.72 Er begründete dies mit dem Vorrecht des Präsidenten, die Verhältnisse innerhalb der Exekutive nach Art. II USVerf. selbst bestimmen zu können und bezog sich ergänzend auf die anerkannten Präzedenzfälle. Verwaltungsbeamten innerhalb der ‚departments‘ oder ‚agencies‘ wurde die Aussage vor einem Kongressausschuss nur dann genehmigt, wenn die Aussage den Dienst nicht beeinträchtige73 und der Beamte glaube, dass keine Gründe vorlägen, die das ‚executive privilege‘ begründen würden.74 Aktiven oder ehemaligen White House-Mitarbeitern wurde hingegen die Aussage generell untersagt.75 Insgesamt wird Nixon während dieses Sommers 1973 das ‚executive privilege‘ formal achtmal geltend machen, um Informationen gegenüber dem Kongress zurückzuhalten, bis hin zur Verweigerung der Tonbänder, die die Verwicklung des Weißen Hauses in den Watergate-Einbruch klären sollten. ———————— 71 Senate Select Committee on Presidential Campaign Activities, S. Res. 60, 93rd Cong, 7.2.1973. 72 Statement by President Richard M. Nixon on Executive Privilege v. 12.3.1973, zit. in: Schlesinger, Congress investigates, Vol. 5, S. 221. Weekly Compilation of Presidential Documents, Richard Nixon 1973, Vol. 9, Nr. 11, S. 254-55. 73 „[T]hat the performance of the duties of his office will not be seriously impaired“, zit. in: Schlesinger, aaO., S. 223. 74 „If the offical believes, that the request raises a substantial question as to the need for invoking executive privilege.“ 75 „[Member] or former member of the President’s personal staff shall follow the well-established precedents and decline a request for a formal appearance before a committee of Congress“, zit. in: Schlesinger, aaO., S. 223.

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

Am 19. April 1973 erklärte Attorney General Kleindienst, dass die Anordnung vom März nicht nur für die Mitarbeiter des Weißen Hauses gelte, sondern für alle 500.000 Bundesbeamten. Nixons Verweis auf die lange Geschichte der Präzedenzfälle und die Gewaltenteilung wiederholte sein Rechtsberater, John Dean, anlässlich der Zeugenvernehmung eines Mitarbeiters, Peter Flanagan, durch den Untersuchungsausschuss. Trotzdem entschied sich Dean kurze Zeit später, selbst vor dem Watergate-Committee auszusagen und wurde dadurch zum Schlüsselzeugen gegen Nixon.76 Er argumentierte genau entgegengesetzt. Die Präzedenzfälle würden keine „blanket immunity“ vorsehen.77 Am 30. April entschied sich Nixon, zwei seiner mächtigsten Berater zum Rücktritt zu bewegen: R. B. Haldeman (Stabschef im Weißen Haus) und John Ehrlichman (Berater für innere Angelegenheiten).78 Den Rechtsberater im Weißen Haus John Dean entließ er. Er ernannte Elliot Richardson zum neuen Attorney General und gab ihm die Befugnis, einen Sonderanwalt für die weiteren Ermittlungen in der Watergate-Affäre einzusetzen. Dieser ‚special counsel‘ (oder ‚special prosecutor‘) sollte nicht den Anweisungen des Department of Justice unterstellt sein, um die Unabhängigkeit und Objektivität seiner Untersuchung zu gewährleisten. Am 18. Mai ernannte Richardson Archibald Cox für diesen Posten. Einen Tag zuvor hatten die Anhörungen im Senatsausschuss begonnen, in denen neben Dean viele andere ehemalige Schlüsselpersonen der Nixon-Administration ein verheerendes Zeugnis über die Regierungszeit Nixons ablegten. Die Anhörungen wurden im nationalen Fernsehen übertragen. Sie ergaben, dass Nixons Präsidentschaft von Anfang an mit schmutzigen Tricks verbunden gewesen war. Schon 1970 hatte Nixon damit begonnen, unter dem Deckmantel der „Nationalen Sicherheit“ eine eigene Spionagetruppe aufzubauen, die sog. White House Plumbers. Die „Klempner“ hatten die Aufgabe, Kritiker, vor allem Kriegsgegner auszuspionieren, politisch auszuschalten und undichte Stellen im Regierungsapparat „abzudichten“. Am 16. Juli sagte Nixons Sekretär Alexander Butterfield vor dem Watergate-Committee aus. Fast beiläufig erwähnte er, dass ein Tonbandsystem im Weißen Haus automatisch alles aufzeichne, was im Oval Office, dem Büro des Präsidenten, gesprochen werde – eine Praxis, die schon Präsident Franklin D. Roosevelt (1933-45) betrieben hatte.79 Diese Tonbandaufnahmen könnten zeigen, ob Nixon oder Dean die Wahrheit über das umstrittene Treffen im Weißen Haus sagten. Die Bänder wurden daraufhin sowohl von Cox als auch vom Senatsausschuss als Beweisstücke verlangt. Nixon verweigerte die Herausgabe ———————— 76 Dies zeigt auch die Instabilität der Präzedenzfälle im Kongress. Sie sind kein bindendes Recht, sondern eine Interpretations- und Argumentationshilfe. 77 Washington Post v. 26.3.1973, S. A23. 78 Beide wurden kurze Zeit später zu Gefängnisstrafen verurteilt. 79 Washington Post, President Taped Talks, Phone Calls v. 17.7.1973, S. A01.

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mit der Begründung, dass Gespräche mit seinen Beratern vertraulich seien und berief sich auf das ‚executive privilege‘. Da sich Sonderermittler Cox, Attorney General Richardson und dessen Stellvertreter weigerten, der Anweisung des Präsidenten Folge zu leisten,, das Herausgabeverlangen fallen zu lassen, entließ Nixon am 20. Oktober 1973, dem sog. Saturday Night Massacre, kurzerhand alle drei. Während Nixon weiterhin die Übergabe der Bänder verweigerte, stimmte er der Übergabe von Abschriften einer großen Zahl von Tonbändern zu. Sie bestätigten zum größten Teil die Aussagen Deans und führten zu weiteren Enthüllungen. Die im April 1974 veröffentlichen Passagen aus Tonbändern ergaben, dass der Chef des republikanischen Wahlkampfkommittees, der ehemalige Attorney General, John Mitchell, den Einbruch in Auftrag gegeben hatte. Nixon selbst schien die Anweisung gegeben zu haben, die Affäre zu vertuschen, die Einbrecher mit hohen Geldsummen zum Schweigen und das FBI dazu zu bringen, seine Ermittlungen einzustellen. Das zähe Ringen um die Tonbandaufnahmen entschied der Supreme Court in United States v. Nixon einstimmig am 24. Juli 1974. Das Gericht verpflichtete den Präsidenten unter Zurückweisung des ‚executive privilege‘ zur Herausgabe der Tonbänder an Cox’ Nachfolger, den Sonderanwalt Leon Jaworski. In dieser Grundsatzentscheidung findet das ‚executive privilege‘ erstmals gerichtliche Anerkennung. Der Supreme Court leitete das Exekutivprivileg aus den verfassungsrechtlichen Grundprinzipien der Gewaltenteilung und der Eigenverantwortung jeder Gewalt ab („supremacy of each branch within its own assigned area of constitutional duties“).80 Bei der Kommunikation des Präsidenten mit seinen Beratern sei eine solche Privilegierung grundsätzlich zu vermuten („presumptivley privileged“).81 Dieses Recht sei aber nicht absolut: „Neither the doctrine of separation of powers nor the generalized need for confidentiality of high-level communications, without more, can sustain an absolute, unqualified Presidential privilege of immunity from judicial process under all circumstances.“82 Es bedeute nicht, dass – in diesem Fall Gesprächsmitschnitte – jeglichem Zugriff eines anderen staatlichen Ermittlungsverfahrens verwehrt seien. Gewichtige Gründe könnten das Privileg überwiegen. Dazu gehöre auch der Erfolg eines Strafverfahrens. Das öffentliche Interesse an Geheimhaltung müsse gegen die entgegenstehenden Ermittlungsinteressen abgewogen werden.83 Die Herausgabe von Gesprächsmitschnitten an eine Strafverfolgungsbehörde würde das Vertraulichkeitsprivileg des Präsidenten insbesondere dann ———————— 80

United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 703 (1974). United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 708 (1974) mit dem Verweis auf Nixon v. Sirica, 159 U.S. App. D. C. 487 F.2d 700, 717 (1973). 82 United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 703-707 (1974). 83 United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 714-716 (1974). 81

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

nicht verletzen, wenn ein gerichtliches in camera-Verfahren zuvor den Anspruch auf Vertraulichkeit der Kommunikation prüfe.84 Die Herausgabe der Gesprächsmitschnitte wurde im Fall United States v. Nixon nicht von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss verlangt, sondern vom mit Anklagebefugnis ausgestatteten Watergate Special Prosecutor, also einem Teil der Judikative. Es spricht allerdings viel dafür, die in der Entscheidung entwickelten Grundsätze zu Inhalt und Umfang des ‚executive privilege’ auf parlamentarische Untersuchungsverfahren entsprechend anzuwenden. Jedoch ist ungeklärt, in welchem Fall das parlamentarische Aufklärungsinteresse gegenüber dem anerkannten Interesse an Geheimhaltung der Exekutive überwiegen könnte.85 In der Watergate-Affäre hatte der zuständige Kongressausschuss in einem Parallelverfahren ebenfalls auf Herausgabe der Tonaufnahmen geklagt. Die Klage des Senatsausschusses wurde vor dem Federal Appellate Court for the District of Columbia mit der Begründung abgewiesen, dass das angeforderte Material nicht das entscheidende, sondern eines von vielen Beweismitteln sei und damit die grundsätzliche Vertraulichkeit von Gesprächen des Präsidenten mit seinen Beratern nicht überwiegen könne. Die Klage auf die Feststellung der Rechtmäßigkeit des Herausgabeverlangens wurde mangels Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen. Das Gericht verwies den Senatsausschuss auf die Zugangsmöglichkeit im Rahmen des Impeachment-Verfahrens.86 Das Impeachment-Verfahren hatte der Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses bereits im April 1974 – mit dem formalen Beginn der Voruntersuchungen – eingeleitet. Über den ersten Gesetzesartikel wurde am 27. Juli 1974 mit 28 gegen 10 Stimmen abgestimmt, wenige Tage, nachdem der Oberste Gerichtshof gegen Nixons Einwand die Herausgabe der Tonbandmitschnitte angeordnet hatte. Drei weitere Artikel zur Behinderung der Justiz bei den Ermittlungen zum ursprünglichen Watergate-Einbruch sowie zu den Untersuchungen über die illegale Verwendung von Wahlkampfgeldern wurden mit Mehrheit verabschiedet. Mit Erscheinen einer Tonbandaufnahme vom 23. Juli 1972, die bestätigte, dass Nixon und ———————— 84 United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 707-713 (1974). 1977 erklärte der Supreme Court auch das Verfahren für zulässig, mit dem eine unabhängige Verwaltungseinheit mit der Prüfung von Informationsmaterial auf dessen Geheimhaltungsbedürfigkeit betraut wurde. Der Kongress hatte nach dem Rücktritt Präsident Nixons die General Services Administration (GSA) per Gesetz mit der Prüfung der in Nixons Haus in Kalifornien gefundenen ca. 42 Millionen Seiten und 880 Tonbandmitschnitte beauftragt (Presidential Recordings and Materials Preservation Act of 1974, 36 CFR 1275), Nixon v. Administrator of General Services, 433 U.S. 425 (1977). 85 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Argumenten erfolgt – unter Einbeziehung der Argumente zur Kernbereichslehre – in § 23. 86 Senate Select Committee on Presidential Campaign Activities v. Nixon 498 F.2d 725 (D.C. Cir. 1974).

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sein Stabschef Haldeman den Plan zur Vertuschung der Ermittlungen durch fiktive Gründe der nationalen Sicherheit geschmiedet hatten, verlor Nixon auch die letzten zehn Kongressabgeordneten, die zuvor im Ausschuss gegen den Amtsenthebungsartikel gestimmt hatten. Die republikanischen Senatoren kündigten ihrerseits Nixon eine Mehrheit für den Schuldspruch an. Der Amtsenthebung kam Nixon mit seinem Rücktritt am 8. August 1974 zuvor. dd) Kompetenzen der Gliedstaaten Weitere gegenständliche Schranken sind dem föderalen Prinzip zu entnehmen. Der ‚implied powers‘-Lehre konsequent folgend, muss der Untersuchung eine Kompetenz des Kongresses im Unterschied zu den Kompetenzen der Gliedstaaten zugrunde liegen. c) Kongressuntersuchungen und ‚informing function‘ Bagehot hat in Kapitel IV seines Buches „The English Constitution“ neben der Wahlfunktion, der Artikulationsfunktion und der legislativen Funktion auch die informierende Funktion als Aufgabe des Parlaments beschrieben: „[…] eine in ihrer gegenwärtigen Form zwar ganz moderne, jedoch in einzigartiger Weise einer mittelalterlichen gleichende Funktion. In der Vergangenheit war es das Amt des House of Commons, den Souverän zu informieren, wenn etwas nicht stimmte.“87 Diese Funktion wird – wenn auch in abgewandelter sprachlicher Form – als Öffentlichkeits- oder Bildungs- oder Kommunikationsfunktion allgemein anerkannt oder unter dem Begriff der Kontrollfunktion, die in ihrer Wirksamkeit wesentlich durch das Kriterium der Transparenz bestimmt wird, zusammengefasst. 88 Ebenso orientierte sich Max Webers Vorstellung von der Publizität parlamentarischer Untersuchungen Anfang des 20. Jahrhunderts am englischen Vorbild: „Die Integrität des englischen Beamtentums, der hohe Stand der politischen Erziehung des englischen Volkes, beruhen wesentlich darauf, […] daß in der Art, wie die Komiteeverhandlungen von der englischen Presse und deren Leserkreis verfolgt werden, der beste Maßstab für den politischen Reifegrad gegeben ist.“89

Parlamentarische Untersuchungen in den USA werden sehr ausgeprägt von dieser informierenden Funktion bestimmt. Um Beispiele, in denen Versäumnisse der Regierung oder Missstände in der Verwaltung dem Souverän, der ameri———————— 87

Bagehot, The English Constitution, S. 138. Loewenberg, Parlamentarismus im politischen System der Bundesrepublik; Steffani, Parlamentarische und präsidientielle Demokratie, S. 61. 89 Weber, Parlament und Regierung, aaO., S. 353. 88

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

kanischen Bevölkerung, vorgeführt wurden, zu finden, muss der Blick nicht bis zu den Skandalen um den Teapot Dome,90 Watergate91 oder Iran-Contra92 zurückgehen. Beispiele jüngeren Datums sind die Kommission zu den Terrorangriffen am 11. September 2001 (9/11-Commission), die ihre Arbeit im Januar 2003 aufnahm und in ständigen (öffentlichen) Anhörungen behauptete Verfehlungen der Exekutive, insbesondere der Geheimdienste, untersucht hat,93 oder die Untersuchungen des Senate Committee on Armed Services zu den Foltervorwürfen gegenüber Angehörigen der US-Armee hinsichtlich ihrer irakischen Gefangenen im Mai 2004, die von einem internationalen Publikum live im Fernsehen verfolgt werden konnten.94 Wie Gesetzgebungsenqueten zu politisch-propagandistischen Zwecken verwandt wurden, zeigt ein Blick auf die Präsidentschaft Franklin D. Roosevelts (1933-1945). Roosevelt beherrschte die Massenmedien seiner Zeit. Er verfügte über eine „hochentwickelte Empfindlichkeit“ für die öffentliche und veröffentlichte Meinung95 und verstand es mit Hilfe von Untersuchungen der Kongressausschüsse, der Presidential Commissions und der Departmental Committees, strukturelle Missstände in der Sozialund Wirtschaftsgesetzgebung aufzuzeigen, um seine zunächst als revolutionär empfundene Reformpolitik durchsetzen zu können.96 Bis heute werden Untersuchungen zu Missständen im wirtschaftlichen Bereich, die nach der Rechtsprechung des Supreme Court unzulässig wären, da es sich um private Bereiche (‚private affairs‘) handelt, als Gesetzgebungsenqueten deklariert. Auch die Gesetzgebungsvorbereitung ist häufig nur Nebenzweck. Hauptzweck ist der Kampf um die öffentliche Meinung (‚moulding public opinion‘). Deshalb sind auch parlamentarische Untersuchungen bezogen auf gesetzwidrige Aktivitäten von Interessenverbänden, Monopolbildungen oder kriminelle Verstrickung in der Wirtschaft keine Seltenheit.97

———————— 90

Zu den Einzelheiten siehe § 12 I., S. 158. Zu den Einzelheiten siehe § 10 II.2.b), S. 216. 92 Zu den Einzelheiten siehe § 12 VI., S. 180. 93 National Commission on Terrorist Attacks, H. Res. 4628, P.L. 107-306, Sect. 601 v. 27.11.2002, Hearings v. 31.3.2003-17.6.2004, Report: U.S. Government Printing Office, Washington D.C. 2004. 94 Bspw. am 7.5.2004, 11.5.2004, US Senate Committee on Armed Services (24.7.2004). 95 Junker, Weltwirtschaftskrise, in: Adams/Lösche, Länderbericht USA, S. 121, 126. 96 Fraenkel, Diktatur des Parlaments?, ZfP 1954, S. 99, 117; McGeary, in: Johnsen, S. 75ff. 97 Zu den Untersuchungen des ständigen Unteruntersuchungsausschusse beim Senate Permanent Subcommittee on Investigations siehe § 11 II. 91

§ 10 Parlamentarische Untersuchungen des Kongresses

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III. Zusammenfassung Als Ernst Fraenkel 1960 das „fast unbegrenzte Recht“ des Kongresses, Investigationen beliebigen Inhalts in die Wege zu leiten, konstatierte und dessen „Inspektionsgewalt“ mit der in der vorkommunistischen chinesischen „Fünfgewaltenteilungslehre“ anerkannten „Kontroll-Yuan“ verglich,98 waren die Untersuchungen zu Watergate, Iran-Contra oder Whitewater noch in weiter Ferne. Doch waren die antikommunistischen Loyalitätsenqueten der 1940er und 1950er Jahre, insbesondere die Untersuchungen des House Committee on Unamerican Activities (HUAC),99 hinreichend, um das Bild Fraenkels zu bestätigen. Die Gründe für die ausgeprägte Untersuchungstätigkeit des Kongresses können an dieser Stelle zusammengefasst werden: Bei der Gesetzgebung verschafft sich der Kongress in der Regel – durch die kongresseigenen Behörden oder Ausschussanhörungen in großem Umfang – eine eigene Informationsbasis. Da keine funktionale Handlungseinheit zwischen Kongressmehrheit und Präsidentenamt besteht, beginnt das intensive Gespräch zwischen den Gewalten meist erst in den Ausschussberatungen. Außerdem besteht eine ständige Rivalität zwischen Kongress und Präsidentenamt. Im Bereich der parlamentarischen Kontrolle ist der Kontrollaufwand und damit auch der Untersuchungsbedarf hoch, weil die Exekutive extrem fragmentiert ist und die Behördenchefs dem Präsidenten verantwortlich sind, aber vom Kongress finanziert werden. Hinzu kommt, dass jeder Fachausschuss des Kongresses generell über die gleichen Untersuchungsbefugnisse, einschließlich Zwangsbefugnisse verfügt. Außerdem sind alle Ausschüsse öffentlich; den Untersuchungsbefugnissen kommt damit große Bedeutung für die Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu.

———————— 98

Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, S. 230. Das HUAC wurde 1938 als Select Committee vom Repräsentantenhaus beschlossen, um zunächst nationalsozialistische Umtriebe zu untersuchen. 1945 wurde das HUAC in einen ständigen Ausschuss umgewandelt und widmete sich in seinen Untersuchungen der behaupteten kommunistischen Unterwanderung der Vereinigten Staaten. 99

§ 11 Einsetzung, Zusammensetzung und Verfahren der Untersuchungsausschüsse I. Parlamentarischer Informationsanspruch Ursprünglich waren an den Beginn einer parlamentarischen Untersuchung keine formellen Voraussetzungen gestellt. Den ersten Untersuchungen des Continental Congress lag keine Verfahrens- oder Geschäftsordnung zugrunde, wie Informationen gegenüber der Exekutive einzufordern seien. Den Geschäftsordnungen des Kongresses von 1789 und 1794 sind keine Verfahrensvorschriften für Untersuchungen zu entnehmen.1 Jedes Mitglied des Kongresses konnte sein Auskunftsverlangen gegenüber der Exekutive selbst geltend machen. Um eine Überlastung der Exekutive zu vermeiden, konkretisierte das Repräsentantenhaus 1820 seine Geschäftsordnung dahingehend, dass Auskunftsansprüche von einem Mitglied des Repräsentantenhauses zu beantragen sind und dass nach Ablauf eines Tages das Begehren als stattgegeben gelte, wenn kein Mitglied des Repräsentantenhauses Einspruch einlege. 1879 wurde diese Regelung auf Empfehlung des Lenkungsausschusses (House Rules Committee) dahingehend ersetzt, dass der Antrag auf eine Resolution bei dem zuständigen Ausschuss gestellt werden muss, der dann darüber befindet. Ursprünglich mit dem Argument verabschiedet, dass so Mehrfachanfragen vermieden werden könnten, ist dieser Umstand auch Grund dafür, dass das parlamentarische Untersuchungsrecht in den Vereinigten Staaten kein explizites Minderheitenrecht ist.2 Die ständigen Ausschüsse unterliegen dem Mehrheitsprinzip. Den Ausschussvorsitzenden stellt – im Unterschied zum Deutschen Bundestag – immer die Mehrheit. Der Abgeordnete hat sein Informationsbegehren bzw. den Untersuchungsantrag (‚resolution of inquiry‘) an die Spitze der jeweiligen Behörde zu adressieren und dem zuständigen Ausschuss zuzuleiten.3 Der Ausschuss hat innerhalb von 14 Tagen Stellung zu nehmen und dem Plenum zu berichten. Der Bericht enthält in der Regel auch einen Vorschlag, ob ein Sonderausschuss eingerichtet oder die Untersuchung einem Unterausschuss übertragen werden soll. Der Aus———————— 1

1 Journal of the House of Representatives 8-14 (1826). Zur Debatte siehe 9 Cong. Rec. 1018 (1879). 3 House Rule XIII (7). 2

§ 11 Einsetzung, Zusammensetzung und Verfahren

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schuss kann die Einsetzungsresolution mit entsprechenden Änderungen zur Abstimmung stellen4 oder sie mit der Begründung zurückweisen, dass andere Untersuchungsgremien sich bereits mit dem Gegenstand beschäftigten5 oder dass die Behörde dem Auskunftsbegehren bereits entsprochen habe.6 Resolution und Bericht werden im Plenum nicht mehr als eine Stunde debattiert. Über die Resolution wird abgestimmt, und das Verfahren an den zuständigen Ausschuss überwiesen. Berichtet der Ausschuss nicht, hat das antragende Mitglied die Möglichkeit des ‚discharge‘.7 Die Resolution wird direkt im Plenum debattiert und zur Abstimmung gestellt.8 Das weitere Verfahren liegt allein in der Hand des Untersuchungsausschusses. Inhalt und Umfang der Untersuchung werden durch die Einsetzungsresolution bestimmt.9 Hier wird der Untersuchungsgegenstand festgelegt, die Zeitspanne sowie die finanzielle und personelle Ausstattung. Übernimmt die Untersuchung ein ständiger Ausschuss, gilt dessen Geschäftsordnung. II. Das Ausschusssystem des Kongresses Im Kongress kann zwischen drei Ausschusstypen unterschieden werden, die Untersuchungen führen können: ständige Ausschüsse (‚standing committees‘), Sonderausschüsse (‚special‘ oder ‚select committees‘) und gemeinsame Ausschüsse (‚joint committees‘). Ständige Ausschüsse werden zu Beginn einer Wahlperiode (‚term‘) für deren Dauer eingesetzt. Die Verfassung enthält keine Vorschriften zu Größe und Anzahl der Ausschüsse. Zu Beginn jeder Wahlperiode bestimmen die gewählten Führer der Mehrheitspartei – gewöhnlich in Abstimmung mit der Minderheitenführung – in Repräsentantenhaus und Senat Zahl und Größe der ständigen Ausschüsse sowie die Anzahl der Ausschusssitze für ihre Parteimitglieder. Das Ergebnis findet Eingang in die Geschäftsordnungen, die sich jeder Ausschuss bis spätestens zum 1. März der ersten Wahlperiode eines neuen Kongresses zu geben hat und die im Parlamentsprotokoll (‚congressional record‘) veröffentlicht werden müssen.10 Erst dann erlangen die Ausschüsse eigene ———————— 4

Z.B. in der Billy Carter-Untersuchung, H. Rept. 96-1213, 96th Cong. (1980). H. Rept. 96-778, 96th Cong. (1980) (Abscam) mit dem Verweis auf ein laufendes Ermittlungsverfahren des Department of Justice. 6 Z.B. die Untersuchungen zur Energiekrise, H. Rept. 96-261, 96th Cong. (1979). 7 House Rule XXI (7). 8 117 Cong. Rec. 24936 (1971). 9 Siehe auch „Authority and Rules of Senate Special Investigatory Committees on Rules and Administration“, S. Doc. 105-16, 105th Congress (1998). 10 Senate Rule XXVI. 5

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

Rechtspersönlichkeit. Die Geschäftsordnungen der Ausschüsse können in ihrem Regelungsgehalt nicht weiter gehen als die des gesamten Hauses.11 Innerhalb der Kongressparteien haben sich fraktionsähnliche Strukturen herausgebildet, deren Organisations- und Arbeitsstil sich sowohl zwischen Repräsentantenhaus und Senat als auch zwischen Demokraten und Republikanern angenähert hat. Trotzdem unterscheiden sie sich von der Fraktionsstruktur nach deutschem Verständnis. Republican Conference und Democratic Caucus sind eher Verwaltungs- als politische Entscheidungsgremien. Zu Beginn jedes Kongresses wählen sie ihre Führung (‚leadership‘). Dies ist eine Art Sprecher- oder Vorsitzendenamt für Abstimmungs- un Koordinationsaufgaben. Die Fraktionsführung hat weniger Einfluss auf die einzelnen Abgeordneten als die Fraktionsvorstände der Bundestagsfraktionen. Die Führung beeinflusst zwar das Abstimmungsverhalten und die parlamentarischen Abläufe. Diese sind allerdings im Kongress nicht streng parteipolitisch ausgerichtet. Zur Abstimmung politischer und legislativer Entscheidungen wurden bei Republikanern und Demokraten Ende der 1970 Jahre, als eine große Anzahl junger Abgeordneter in den Kongress einzog und mehr Mitspracherechte forderte, die Politik- und Organisationsausschüsse gebildet (‚policy‘ und ‚steering committees‘). Trotzdem ist nur eine kleine Anzahl von Abgeordneten in diese Entscheidungsprozesse einbezogen. Die Zahl der Mitglieder ist nicht konstant. Bspw. hatte im 108. Kongress das republikanische Policy Committee des Repräsentantenhauses 46 Mitglieder, das demokratische 28 Mitglieder. Die Besetzung der ständigen Ausschüsse erfolgt durch die Steering Committees der Kongressparteien. Den Vorsitz hat der Leader bzw. der Speaker of the House, der gleichzeitig Führer der Mehrheitsfraktion ist. Die Sitzverteilung in den ständigen Ausschüssen entspricht in der Regel dem Stärkeverhältnis der Parteien in beiden Kammern. Der Ausschussvorsitzende (‚chairman‘) gehört der Mehrheitsfraktion an. Wiedergewählte Abgeordnete können regelmäßig ihren Ausschusssitz und den Ausschussvorsitz behalten. Neu gewählte Abgeordnete leiten ihre Wunschliste der präferierten Ausschüsse der jeweiligen ‚leadership‘ zu. Die Entscheidung der ‚steering committees‘ muss durch die Gesamtfraktion (‚caucus‘ bei der Fraktion der Demokraten) bzw. bei der Fraktion der Republikaner durch die Entscheidung das Executive Committee on Committees beschlossen und der Gesamtfraktion ‚conference‘ bestätigt werden. Im Senat erfolgt die Ausschussbesetzung ähnlich. Diese – durch die Kongressreformen der 1970er Jahre eingeführte Bestätigung durch das fraktionsführungsähnliche Gremium – hat das Ancient- bzw. Senioritätsprinzip (‚seniority rule‘), wonach dem dienstältesten Mitglied der Ausschussvorsitz automatisch zufällt, ———————— 11 „[Every Committee] must adopt […] and publish in the Congressional Record written rules to govern its proceedings not inconsistent with the Rules of the Senate“, Senate Rule XXVI (2).

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zwar nicht obsolet gemacht, aber deutlich aufgeweicht. Üblicherweise werden die Personalentscheidungen vom Plenum bestätigt.12 Die ständigen Ausschüsse können nach ihrem Ermessen Unterausschüsse (‚subcommittees‘) für Teilbereiche der Gesetzgebung oder der parlamentarischen Kontrolle bilden. Unterausschüsse erarbeiten Gesetzesvorlagen oder können mit Untersuchungen beauftragt werden. Sie arbeiten nach der Geschäftsordnung des Mutterausschusses. Die Mitglieder der Unterausschüsse werden von den Mitgliedern des Mutterausschusses gewählt. In der Regel werden sie vom Mehrheitsführer, dem Ausschussvorsitzenden und dem Minderheitenführer (‚ranking member‘) vorgeschlagen. Jeder ständige Ausschuss des Hauses mit mehr als 20 Mitgliedern ist verpflichtet, zur parlamentarischen Kontrolle (‚oversight‘) ein Subcommittee einzurichten.13 Der Sprecher des Repräsentantenhauses hat eine besonders starke Machtposition. Er führt die Mehrheitsfraktion an, ist Vorsitzender des Organisationsausschusses (‚steering committee‘) seiner Kongresspartei und füllt die Funktion des Parlamentspräsidenten aus.14 Gleichzeitig ist er Verbindungsmann zum Präsidenten. Mit dem Legislative Reorganisation Act von 1974 erhielt der Speaker noch mehr Machtbefugnisse. Insbesondere erhielt er stärkeren Einfluss auf den Lenkungsausschuss (‚rules committee‘), dessen Mitglieder er allein benennen kann. Der Lenkungsausschuss hat weitergehende Funktionen als der Geschäftsordnungsausschuss im Bundestag. Er steuert das gesamte parlamentarische Verfahren. Ihm kommt die Weitergabe von Gesetzentwürfen an die Fachausschüsse zu, er bestimmt Tagesordnung, Redezeit und Verfahren im Plenum. Er kann Vorlagen in der Möglichkeit der Änderungsanträge beschränken und damit Initiativen „beerdigen“ oder Änderungsanträge unbeschränkt zulassen. Neben der Benennung der Mitglieder des Lenkungsausschusses kann der Speaker selbstständig Sonderausschüsse oder Arbeitsgruppen (‚task forces‘) ad hoc einsetzen und deren Mitglieder bestimmen. Sonderausschüsse treten in zwei Formen auf: ad hoc oder permanent. Ad hoc-Ausschüsse werden nach Abschluss eines temporären Untersuchungsauftrages zur Gesetzesvorbereitung oder zur Konsensbildung im Vermittlungsaus———————— 12

Davidson/Oleszek, Congress and its Members, S. 174-183. „Each committee […] having more than 20 members shall establish an oversight subcommittee, or require its subcommittees to conduct oversight in their respective jurisdictions, to assist in carrying out its responsibilities under this clause. The establishment of an oversight subcommittee does not limit the responsibility of a subcommittee with legislative jurisdiction in carrying out its oversight responsibilities.“ House Rule X (2)(b)(2); bspw. Subcommittee on Oversight and Investigations (House Committee on Commerce), Subcommittee on Oversight and Investigations (House Committee on Financial Services), Subcommittee on Oversight (House Committee on Ways and Means). 14 Patterson, Parteien und Ausschüsse im Kongress, in: Thaysen/Davidson, S. 239. 13

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

schuss aufgelöst, wie bspw. das Watergate Committee. Arbeitsweise und Befugnisse bestimmen sich nach der Einsetzungsresolution bzw. der Geschäftsordnung, die sich der Ausschuss nach Einsetzung zu geben hat (‚rules and procedures‘). Im Gegensatz zu den ständigen Ausschüssen werden Sonderausschüsse nicht in den Geschäftsordnungen der Kammern erwähnt. Die Benennung der Ausschussmitglieder erfolgt durch den Führer der Mehrheitsfraktion (Speaker of the House) bzw. im Senat vom Präsidenten oder dessen Stellvertreter (‚president pro tempore‘). Die Mitglieder der Minderheit werden auf Vorschlag des Minderheitenführers benannt. Dieses Verfahren sichert Einfluss und eine gewisse Flexiblität bei personellen Rivalitäten um einen Sitz im Untersuchungsausschuss. Permanente Sonderausschüsse werden für die Dauer einer Legislaturperiode für spezielle Politik- oder Kontrollbereiche eingesetzt und arbeiten wie ständige Ausschüsse für die Dauer der Periode. Die Arbeitsweise bestimmt sich nach der Geschäftsordnung des jeweiligen Hauses. Die Grenzen sind nicht klar auszumachen. Eine Vielzahl ständiger Ausschüsse oder Unterausschüsse und permanenter Sonderausschüsse begannen ursprünglich als ad hoc-Sonderausschüsse. Ad hoc-Untersuchungsausschüsse werden heute regelmäßig dann eingesetzt, wenn der Untersuchungsgegenstand politisch brisant, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit groß und/oder der Untersuchungsumfang hoch ist. Ebenso können Zuständigkeitsüberschneidungen die Einsetzung eines ad hoc-Untersuchungsausschusses erforderlich machen. Ihrem Inhalt und ihrer rechtlichen Struktur nach entsprechen sie den deutschen Untersuchungsausschüssen nach Art. 44 GG. Die Bedeutung von ad hoc-Untersuchungsausschüssen im Rahmen von investigativen Untersuchungen ist in den letzten fünfzig Jahren leicht zurückgegangen. Das liegt an der Verlagerung der parlamentarischen Untersuchungstätigkeit auf die ständigen Ausschüsse, die rechtlich durch den Legislative Reorganization Act von 1946 befördert wurde. Das Ziel des Gesetzes, die Sonderausschüsse gänzlich zurückzudrängen,15 konnte nicht erreicht werden, wie bspw. die Untersuchungen im Senate Watergate-Committee16 von 1973-74 gegen Präsident Richard M. Nixon oder das Select Committee on the Iran-Contra Affairs17 belegen. Aus einer Vielzahl politischer, insbesondere geheimdienstlicher Gründe kann die Einsetzung eines Sonderausschusses geeigneter sein als die Untersuchung in einem ständigen ———————— 15 „[T]hat the practice of creating special investigating committees be abandoned on the ground that they lack legislative authority and that the jurisdiction of the new standing committee would be so comprehensively defined as to cover every conceivable subject of legislation“, zit. in: Galloway, The Investigative Function of Congress, S. 632f. 16 S. Res. 60, 93rd Cong., 1973-74. 17 H. Res. 12, 100th Cong., 1987, S. Res. 23, 100th Cong., 1987.

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Ausschuss. Heute stehen die Untersuchungen in ‚select committees‘ selbstständig neben Untersuchungen in ständigen Ausschüssen. Gemeinsame Ausschüsse (‚joint committees‘) treten regelmäßig als Sonderausschüsse auf. Dazu gehört auch der Vermittlungsausschuss (‚conference committee‘), der ad hoc eingesetzt wird und den Konsens zwischen Senat und Repräsentantenhaus bei bestimmten Gesetzesvorlagen herbeiführen soll. Gemeinsame Ausschüsse können auch gemeinsame Untersuchungen führen. Sie werden durch gemeinsame Resolution (‚joint resolution‘) eingesetzt, wenn beide Häuser ein Interesse an einer Untersuchung zum gleichen Gegenstand haben. Die Zahl der Kongressausschüsse unterlag in den letzten 150 Jahren erheblichen Schwankungen. Tendenziell stieg sie an. Dem versuchte man durch „Umorganisation“ und Ausschussreformen zu begegnen. Die Kongressreform von 1946 verringerte die Zahl der ständigen Ausschüsse. In der Folge wuchsen die Unterausschüsse an, was hauptsächlich mit dem gestiegenen gesetzgeberischen Handlungsbedarf nach dem Zweiten Weltkrieg, der steigenden Komplexität politischer Fragen, der Ausweitung der Bundesbürokratie sowie der kongressinternen Nachfrage nach Mitsprache, Einfluss und Posten zu begründen ist.18 Dem versuchte wiederum die Kongressreform von 1970 entgegenzuwirken, im Zuge derer die Anzahl der Ausschüsse reduziert wurde, denen ein Abgeordneter angehören durfte. Die Zahl der zulässigen Unterausschüsse eines ständigen Ausschusses wurde auf fünf beschränkt. Im 108. Kongress verfügte das Repräsentantenhaus über 19 ständige Ausschüsse (einschließlich 60 Unterausschüsse) und zwei Sonderausschüsse, der Senat über 16 ständige Ausschüsse (einschließlich 68 Unterausschüsse) und vier permanente Sonderausschüsse. Hinzu kommen vier gemeinsame Ausschüsse von Senat und Repräsentantenhaus. Der nach wie vor starken Nachfrage der Mitglieder nach einer großen Anzahl von Sitzen wird durch fraktionsinterne Begrenzung und Klassifizierungen der Ausschüsse begegnet (‚party rules‘).19 Die Zuständigkeitsbereiche der Ausschüsse werden in der Geschäftsordnung des jeweiligen Hauses festgelegt.20 Die Vorschriften sind im 19. and 20. Jahrhundert durch Präzedenzfälle entwickelt und im Legislative Reorganization Act von 1946 kodifiziert worden. Grundsätzlich werden Gesetzgebungsvorhaben dem sachnächsten Ausschuss nach dem Prinzip „the subject matter which pre-

———————— 18

Patterson, Parteien und Ausschüsse im Kongress, in: Thaysen/Davidson, S. 249. So kann bspw. jeder Senator einen Sitz in höchstens zwei Ausschüssen der Klasse ‚A‘ beanspruchen sowie einen Sitz im Ausschuss der Klasse ‚B‘. Ausschüsse der Klasse ‚C‘ sind unreglementiert. 20 House Rule X (1) und Senate Rule XXV. 19

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dominates“21 überwiesen. Die Entscheidung über die Überweisung von Vorlagen erfolgt nach einem komplizierten System informeller Absprachen – Memoranda und Vereinbarungen – die regelmäßig im Parlamentsprotokoll (‚congressional record‘) veröffentlicht werden. Im Repräsentantenhaus hat der Sprecher einen großen Einfluss, weil die Überweisung von seinem Einverständnis abhängt. Gegenstände parlamentarischer Kontrolle werden durch den Kontrollplan (‚oversight plan‘) bestimmt, den sich jeder Ausschuss mit Aufnahme seiner Tätigkeit zur Arbeitsgrundlage gibt.22 Diese Pläne enthalten insbesondere eine Aufstellung der auf ihre Gesetzesausführung zu überwachenden Behörden und Programme. Die Ausschussvorsitzenden achten besonders darauf, dass Untersuchungen im zuständigen Ausschuss Priorität haben. Zuständigkeitskonflikte können sich bei der Frage der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, dessen Besetzung oder der Führung einer Untersuchung bzw. bei der Übertragung eines Untersuchungsgegenstandes auf einen Ausschuss ergeben. Grundsätzlich kann kein Ausschuss die Untersuchung eines anderen Ausschusses hinsichtlich des gleichen Untersuchungsgegenstandes verhindern, solange der untersuchende Ausschuss seine Betroffenheit geltend machen kann. Da Untersuchungen häufig von politischen Interessen bestimmt werden und insbesondere ad hoc-Untersuchungsausschüsse einzelnen Abgeordneten die Vergrößerung ihres Bekanntheitsgrades versprechen, spielt bei der Einsetzung und Besetzung die ‚leadership‘ im jeweiligen Haus eine große Rolle. Das Klima der Entscheidungsfindung wie auch der Art und Weise der Exekutivkontrolle unterscheidet sich zwischen den einzelnen Kongressausschüssen erheblich. Obwohl sich Geschäftsordnungs- und Verfahrensregeln ähneln, folgt die Interaktion zwischen den Mitgliedern, die Konsensbildung wie auch die parteipolitische Konfrontation der politischen Kultur eines jeden Ausschusses gesondert.23 Die Ausschüsse im Repräsentantenhaus sind regelmäßig stärker parteipolitisch geprägt als im Senat, die einen individualistischen Charakter haben. Darüber hinaus verfügt der Senat nicht über ein dem Lenkungsausschuss (House Rules Committee) vergleichbares Gremium. Der Lenkungsausschuss fungiert als Arm der Führung der Mehrheitspartei und bestimmt die Agenda der Ausschüsse.24 ———————— 21 Senate Rule XVII. In Zweifelsfragen entscheidet der ‚presiding officer‘, der Vizepräsident, der dem Senat vorsteht. Im Repräsentantenhaus entscheidet der Speaker, House Rule I (5). 22 Zum Begriff ‚oversight‘ siehe § 10 I. 23 Patterson, Parteien und Ausschüsse im Kongress, in: Thaysen/Davidson, S. 255ff. 24 House Rule I (4) und (5), X (3)(i) Kontrolle des Kongresshaushalts bzw. der Ausschussausgaben.

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Eine weitere herausgehobene Bedeutung im Kontrollprozess haben unter den ständigen Ausschüssen die Bewilligungsausschüsse (‚appropriation committees‘). Kernelement der Macht des Kongresses und damit auch der Kontrolle der Exekutive ist die Haushaltsgesetzgebung. Während der Prozess der Haushaltsbewilligung in europäischen Parlamenten fast ausschließlich in der Hand der jeweiligen Regierung liegt, hat sich der Kongress dieses Recht bis heute bewahrt. Die Haushaltsbewilligung erfolgt unabhängig vom Präsidenten. Der Präsident kann allerdings Vorschläge machen. Das 1921 gegründete Budget Office, heute Office of Management and Budget (OMB), erarbeitet einen kohärenten Vorschlag für den Präsidenten, den dieser Anfang des Jahres dem Kongress zum Beschluss vorlegt. Der Haushaltsprozess gliedert sich in zwei Phasen. Die Aufstellung der einzelnen Posten (‚authorization‘) erfolgt in den jeweiligen Fachausschüssen. Die Zuweisung der tatsächlichen Summe (‚appropriation‘) erfolgt im Bewilligungsausschuss.25 In den öffentlichen Anhörungen der Fachausschüsse müssen die Leiter der Departments (‚secretaries‘) ihre finanziellen Bedürfnisse in der Regel rechtfertigen. Der vom Plenum bestätigte Haushalt wird dem Bewilligungsausschuss des Senats zugeleitet, der wiederum Anhörungen von Vertretern der Exekutive vornehmen und Änderungen vorschlagen kann. Die Art der Geldvergabe ermöglicht dem Kongress die detaillierte Kontrolle über die Inhalte der bewilligten Programme und den Zugriff auf alle relevanten (und irrelevanten) Informationen der Exekutive. Untersuchungen bzw. Untersuchungsbefugnisse können durch Resolution an Unterausschüsse (‚subcommittees‘) übertragen werden. Es gelten die Regeln der jeweiligen Kammer bzw. des Mutterausschusses. Eine Ausnahme bildet der beim ständigen Senatsausschuss für Regierungsangelegenheiten (Senate Committee on Governmental Affairs) eingerichtete permanente Untersuchungsausschuss (Permanent Subcommittee on Investigation, PSI), der mit permanenten Untersuchungs- und Zwangsbefugnissen ausgestattet ist. Ursprünglich wurde dieser am 28. Januar 1948 durch S. Res. 189 als ständiger Unterausschuss des damaligen Ausschusses für Regierungsangelegenheiten26 eingerichtet. Dessen ———————— 25

Die seit 1837 bestehende Unterscheidung zwischen Autorisierungs- und Bewilligungsgesetzen prägt bis heute die Arbeitsweise der Ausschüsse. Während die ständigen Fachausschüsse Autorisierungsgesetze erarbeiten, erarbeitet der Bewilligungsausschuss, der in der Regel so viele Unterausschüsse hat, wie Fachausschüsse des Hauses vorhanden sind, das Bewilligungsgesetz. Autorisierungsgesetze verfolgen eine bestimmte politische Zielrichtung, ein politisches Programm. Bewilligungsgesetze sind zwar an die Zielsetzung und das Ausgabenvolumen gebunden, können jedoch unter der Höchstgrenze bleiben oder überhaupt auf eine Bewilligung verzichten und damit in gleicher Weise auch politische Sachfragen beeinflussen. Vgl. Steffani, Der Kongress, in: Jäger/Welz, S. 120f. 26 Committee on Expenditures in the Executive Departments, seit 1952 Government Operations, ab 1977 Governmental Affairs.

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des Kongresses

Vorläufer war das sog. Truman Committee,27 das von 1941-1948 die USamerikanische Rüstungsproduktion kontrollierte. Es erlangte besondere Bekanntheit durch den von 1953-54 amtierenden Vorsitzenden Sen. Joseph R. McCarthy (R-WI).28 Abgesehen von den Loyalitäts-Enqueten der 1940/50er Jahre war die Zuständigkeit des PSI bis 1957 vorwiegend auf Verschwendung (‚waste‘), Ineffizienz (‚inefficiency‘) oder Gesetzesverletzungen und Unregelmäßigkeiten innerhalb der Regierung (‚impropriety and illegality in government operations‘) beschränkt. 1963 beschäftigte es sich in den sog. Valachi-Hearings mit den internen Strukturen der italienischen Mafia.29 Die Zuständigkeiten (‚jurisdiction‘) wurden konstant ausgebaut und sind heute so weit gefasst, dass sie zu Untersuchungen nahezu aller Unregelmäßigkeiten und Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Vorschriften in fast allen staatlichen oder wirtschaftlichen Bereichen mit nationalen Bezug ermächtigen: (1) The efficiency and economy of operations of all branches of the Government; (2) The compliance or noncompliance of corporations, companies, or individual or other entities with the rules, regulations, and laws governing the various governmental agencies and their relationships with the public; (3) The determination of whether any changes are required in the laws of the United States in order to protect public interests against the occurrence of improper practices or activities by labor or management groups; (4) Syndicated or organized crime which may operate in or otherwise utilize the facilities of interstate and international commerce; (5) All other aspects of crime and lawlessness within the United States which have an impact upon or affect the national health, welfare, and safety; (6) The effectiveness of present national security methods; (7) The efficiency, economy and effectiveness of all agencies and departments of the Government involved in the control and management of energy shortages.“30

Davon sind bspw. Untersuchungen im Bereich der Wirtschaftskriminalität erfasst, wie die Untersuchungen im Enron-Skandal im Jahr 2002, bis zu Ermittlungen im Bereich der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit unter der Inanspruchnahme der ‚informing function‘ des Kongresses.31 ———————— 27

Special Committee to Investigate the National Defense Program (79A-F30), eingesetzt am 1.3.1941, benannt nach dessen Vorsitzenden und späteren Präsidenten Sen. Harry S. Truman (D-WO). 28 Siehe § 10 V.2., S. 129. 29 Senate Special Committee to Investigate Organized Crime in Interstate Commerce (1950-51), S. Res. v. 3.5.1950, S. Rept. 82-725 v. 31.8.1951. 30 http://govt-aff.senate.gov/_files/psijurisdict.htm (24.10.2004). 31 Hier können bspw. die Untersuchungen zum sog. Enron-Skandal genannt werden. S. Prt. 107-83, Enron’s Credit Rating: Enron’s Bankers’ Contacts with Moody’s and

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Eine weitere Sonderform zur Sachverhaltsaufklärung ist die Arbeitsgruppe (‚task force‘). Die Fraktionsführungen beider Kammern haben in der Vergangenheit verschiedene Formen von Arbeitsgruppen, besetzt mit Mitgliedern beider politischer Richtungen, eingesetzt, die in der Regel Reforminitiativen vorbereiten, aber auch investigative Untersuchungen durchführen. Task Forces sind flexibel einsetzbar, denn sie benötigen nicht die Bestätigung des Gesamtplenums. Sie sind der Ausnahmefall und als Institution nicht unumstritten, insbesondere, wenn es um die Übertragung vom Zwangsbefugnissen geht.32 Regelmäßig sind sie wie ‚subcommittees‘ an einen Mutterausschuss angebunden. Eine solche, eigenständige interfraktionelle Arbeitsgruppe war die im November 1991 vom Repräsentantenhaus beim Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten (Committee on Foreign Relations) eingesetzte sog. October Surprise Task Force.33 Diese untersuchte bis 1993 Anschuldigungen im Zusammenhang mit der bis 1981 andauernden Geiselnahme von US-Amerikanern im Iran. Dem von 1981-1989 amtierenden Präsidenten Ronald W. Reagan und seinem Vizepräsidenten George H. Bush wurde vorgeworfen, vor der Präsidentschaftswahl 1980, in der Reagan gegen den amtierenden Präsidenten James E. „Jimmy“ Carter (1977-1981) antrat, mit Regierungsvertretern des Iran verhandelt zu haben, die seit 1979 in Teheran festgehaltenen 52 amerikanischen Geiseln, um deren Freilassung sich Carter nachdrücklich bemüht hatte, erst nach der Wahl freizulassen. Im Oktober 1980 errang Ronald Reagan den Wahlsieg. Am 19. Januar 1981 wurde die Vereinbarung mit der iranischen Regierung zur Freilassung der iranischen Geiseln unterzeichnet. Wenige Minuten nach der Amtseinführung (‚inauguration‘) Reagans wurden die Geiseln am 20. Januar 1981 freigelassen. Die Task Force beendete ihre Arbeit am 13. Januar 1993 mit dem Ergebnis, dass keine überzeugenden Beweise (‚no credible evidence‘) für die Vorwürfe gegen Reagan oder Bush gefunden werden konnten.34 Bis heute gehören die Ergebnisse der Untersuchung zu den umstrittensten.35 Obwohl die Einsetzung der Task Force insbesondere deshalb umstritten war, weil die Er———————— Government Officials, 3.1.2003, Senate Committee on Governmental Affairs, Comm. Prints, 107th Cong. 32 Vgl. Rep. Solomon (D-NY): „My major concern centers on the fact that task forces are not subject to House rules and procedures, including sunshine rules for meetings and hearings, protections for minority members, and the rights of witnesses“ (Cong. Rec. v. 12.9.1991, H6511). 33 H. Res. 258 v. 11.3.1991. Vgl. die Debatte v. 12.9.1991, (Cong. Rec. H6511) und 4.11.1991 (Cong. Rec. H9118). Die Einsetzung einer Task Force wurde im Repräsentantenhaus zunächst auf Grund der zu erwartenden Kosten (Debatte v. 18.11.1991, Cong. Rec. H10397) und von Zweifeln an der Geeignetheit des Instruments abgelehnt. 34 Joint Report of the Task Force To Investigate Certain Allegations Concerning the Holding of American Hostages by Iran in 1980, H. Rept. 102-1102 v. 13.1.1993. 35 Parry, Trick or Treason, S. 10ff.

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eignisse 11 Jahre zurücklagen, erfolgte die Berichterstattung ohne Sondervoten, so dass von einer unparteiischen Untersuchung (‚bipartisan‘) gesprochen werden kann. Eine besondere Form des ‚joint committee‘ stellt bspw. der gemeinsame Untersuchungsausschuss von Senat und House zur Untersuchung der Terrorattacken vom 11. September 2001 dar (sog. 9/11-Commission).36 Nachdem ein gemeinsamer Ausschuss von Senat und Repräsentantenhaus, besetzt mit Mitgliedern der Geheimdienstausschüsse, bereits mögliche Verfehlungen der Geheimdienste im Vorfeld der Terrorangriffen nach allgemeiner Ansicht nicht zufriedenstellend untersucht hatte,37 wurde mit der Verabschiedung des Haushalts der Geheimdienste für das Jahr 2003 im November 2002 die sog. National Commission zum gleichen Untersuchungsgegenstand eingerichtet.38 Den Vorsitzenden der 9/11-Commission hatte der Präsident zu bestimmen. Die restlichen neun Mitglieder wurden durch die Führer der Mehrheits- und Minderheitsfraktionen von Senat und Repräsentantenhaus benannt. Ein demokratisches Mitglied war vom Senat für den stellvertretenden Vorsitz vom Senat zu bestimmen. Diesen Tribunalen nach englischem Vorbild wird auf Grund ihrer gemischten Zusammensetzung eine hohe Glaubwürdigkeit zugesprochen, da sie mit dem Ziel der Unparteilichkeit ermitteln.39 Durch die gemischte Besetzung mit Abgeordneten und sonstigen Mitgliedern sind diese Untersuchungsgremien kaum noch von den Regierungskommissionen (‚presidential commissions‘) zu unterscheiden, die im Auftrag des Präsidenten in der Vergangenheit – häufig parallel zu Parlamentsausschüssen – Sachverhalte aufzuklären hatten. So war bspw. die Warren-Commission, die unter Leitung von Chief Justice Earl Warren die Umstände der Ermordung von Präsident John F. Kennedy (1961-1963) aufzuklären hatte, mit Mitgliedern verschiedener politischer Institutionen besetzt.40 Dass die Regierungskommissionen nicht ausschließlich dem „Reinwaschen“ der Regierung dienen, sondern auch eine kritische Haltung einnehmen können, belegt die im Dezember 1986 eingesetzte Tower-Commission, die unter Leitung des ehemaligen US-Senators John Tower (R-TX) in der Iran-Contra———————— 36

H. Res. 4777, 107th Cong. Joint Inquiry into Intelligence Community Activities before and after the Terrorist Attacks of 11.9.2001, S. Rept. 107-351, H. Rept. 107-792, 107th Cong. (2001). 38 National Commission on Terrorist Attacks, H. Res. 4628, P.L. 107-306, Sect. 601 v. 27.11.2002, Hearings v. 31.3.2003-17.6.2004, Report: U.S. Government Printing Office, Washington D.C. 2004. 39 Ziemske, Untersuchungsrecht England, S. 43. 40 Executive Order 11130 v. 29.11.1963; Bericht v. 26.9.1964 (Report of the President’s Commission on the Assassination of President Kennedy). 37

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Affäre ermittelte. Der Untersuchungsausschuss des US-Kongresses trug über 300 000 Dokumente zusammen und führte über 500 Anhörungen durch; 28 Zeugen sagten in 40-tägigen öffentlichen Anhörungen aus. In ihrem Bericht vom Februar 1987 rügte die Kommission US-Präsident Reagan und seine Berater wegen mangelnder Kontrolle über den Nationalen Sicherheitsrat und erklärte, dass der Präsident die letzte Verantwortung für die Umsetzung der Politik seiner Regierung trage.41 Beweise dafür, dass Reagan von der Umleitung der Gelder an die Contra-Rebellen gewusst habe, konnten nicht gefunden werden. III. Ad hoc-Untersuchungsverfahren Wie in der Bundesrepublik kann das Untersuchungsverfahren in drei Stadien gegliedert werden: die Voruntersuchung, die öffentliche Beweisaufnahme (‚hearing‘) und die Abschlussphase mit Berichterstattung (‚report‘) und Debatte (‚debate‘). Inhalt und Umfang einer Untersuchung werden durch die Einsetzungsresolution bestimmt, soweit es sich um einen Sonderausschuss oder ‚select committee‘ handelt.42 Hier wird der Untersuchungsgegenstand, die Zeitspanne sowie die finanzielle und personelle Ausstattung festgelegt. Handelt es sich um eine investigative Untersuchung, werden die notwendigen Zwangsbefugnisse übertragen. Die Geschäftsordnungen beider Häuser bestimmen, dass sich der Untersuchungsausschuss eine eigene Geschäftsordnung (‚rules and procedures‘) zu geben hat.43 Sie ist innerhalb von 30 Tagen im Parlamentsprotokoll (‚congressional record‘) zu veröffentlichen.44 Der Untersuchungsausschuss gilt als formell fehlerhaft zu Stande gekommen, wenn dem Veröffentlichungserfordernis nicht entsprochen wird. Die Anklage eines Zeugen wegen Meineids kann hieran scheitern.45 Die Geschäftsordnung muss den durch die Einsetzungsresolution vorgegebenen Rahmen einhalten.46 Die folgenden Verhandlungen zwischen Mehrheit und Minderheit über die Geschäftsordnung, die regelmäßig sehr detaillierte Vorschriften über Anwesenheitsquorum, Anwendung von Zwangsmitteln, Aus———————— 41

Report of the President’s Special Review Board v. 26.2.1987. Vgl. die beispielhafte Mustersammlung von Einsetzungsresolutionen und Geschäftsordnungen: „Authority and Rules of Senate Special Investigatory Committees on Rules and Administration, 1997“, S. Doc. 105-16, 105th Cong., 1st Sess. (1998). 43 House Rule XI (2)(a)(1), Senate Rule XXVI (2). 44 House Rule XI (2)(a)(2), Senate Rule XXV. 45 United States v. Reinecke, 524 F.2d 435 (D.C. 1975). 46 Einen großen Spielraum verspricht bspw. die Formulierung „full and complete investigation and study“, House Select Committee on the Iran-Contra Affair, H. Res. 12, 100th Cong. (1987). 42

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schusspersonal sowie Berichtspflichten enthält, können einige Wochen in Anspruch nehmen. Auch dies ist ein Grund, warum ad hoc-Sonderausschüsse in ihrer Bedeutung zurückgegangen sind. Übernimmt dagegen ein ständiger Ausschuss die Untersuchung, gilt seine Geschäftsordnung. Der ad hoc-Ausschuss konstituiert sich mit seiner ersten Sitzung als Untersuchungsausschuss. Der Vorsitzende steht dem Ausschuss vor, bestimmt die Tagesordnung und übt das Hausrecht aus. Er nimmt den Zeugen den Eid ab, kann dies aber auch an ein anderes Mitglied delegieren. Die Mehrheit bestimmt einen Untersuchungsführer (‚head counsel‘ oder ‚general counsel‘), der kein Parlamentarier ist. In aller Regel handelt es sich um Juristen, wobei nicht selten aus renommierten Anwaltskanzleien rekrutiert wird. Bei umfassenden Untersuchungen wird reichlich Hilfspersonal mit Ermittlungserfahrung eingestellt. Üblicherweise wird zur Unterstützung jeweils ein Arbeitsstab der Mehrheit und der Minderheit (‚majority‘ und ‚minority staff‘) gebildet. Im Rahmen von Vorermittlungen werden die Beweismittel gesichtet und beschafft. Die Beweiserhebung ist als Mehrheitsrecht ausgestaltet. Die Minderheit kann aber Zeugen vorschlagen. Mit der Mehrheit der Ausschussmitglieder, die der Minderheit oder der Mehrheit angehören können, kann der Ausschuss verpflichtet werden, diejenigen Zeugen zu vernehmen, die die Minderheit laden möchte. Aber auch ohne diese Regelung ist es parlamentarische Übung, dass diese Wünsche nicht übergangen werden. Dies könnte immer die Glaubwürdigkeit des Untersuchungsverfahrens in der öffentlichen Wahrnehmung gefährden. Auf Grund des natürlichen Spannungsverhältnisses zwischen Kongress und Exekutive ist das Faktum, dass die parlamentarische Minderheit rechtlich schwächer ausgestattet ist als die Mehrheit, nie ernsthaft kritisiert worden. Hinzu kommt, dass das Schwergewicht politischer Tätigkeit im Kongress nicht wie im Bundestag auf den Fraktionen, sondern auf Einzelpersonen liegt, die sich in erster Linie ihrem Wahldistrikt verpflichtet fühlen. Bei starker Dominanz der Ausschussmehrheit über die Ausschussminderheit haben Kongressabgeordnete immer noch die Möglichkeit der Informationsbeschaffung über die kongresseigenen Behörden, wie bspw. die Rechnungsprüfbehörde (General Accounting Office), um das Mehrheitsprinzip im Ausschuss zu umgehen. Jede Anhörung ist mindestens eine Woche vor dem Anhörungstermin im Daily Digest bekannt zu geben. Die Sitzungen der Ausschüsse und der Unterausschüsse sind im Repräsentantenhaus und im Senat seit der Verabschiedung der sog. Sunshine Rules im Jahre 1973 der Öffentlichkeit zugänglich.47 Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn die Mehrheit der Mitglieder ———————— 47

Von 1950 bis 1975 waren dies lediglich zwei Fünftel, vgl. Patterson, Parteien und Ausschüsse im Kongress, in: Thaysen/Davidson, S. 254.

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davon überzeugt ist, dass eine öffentliche Sitzung die freimütige Erörterung der politischen Meinungsverschiedenheiten oder einen Kompromiss erschweren würde. Die Beweisaufnahme in parlamentarischen Untersuchungen erfolgt in aller Regel in öffentlichen Anhörungen (‚hearings‘), die große Bedeutung für die politisch-integrative Funktion im Sinne der ‚informing function‘ haben. Die Befragungszeit soll nach der Geschäftsordnung gleichmäßig zwischen Mehrheit und Minderheit aufgeteilt werden.48 Jedem Mitglied stehen mindestens fünf Minuten Fragezeit zur Verfügung. Die Geschäftsordnung des Untersuchungsausschusses kann auch Mitarbeitern Fragerechte einräumen.49 Untersuchungen im Repräsentantenhaus, das von einer strengeren Parteidisziplin geprägt ist als der Senat und dessen Mitglieder sich alle zwei Jahre zur Wiederwahl stellen müssen, sind stärker parteipolitisch geprägt als Untersuchungen im individualistisch ausgerichteten Senat, dessen Mitglieder sich alle sechs Jahre zur Wahl stellen. Dieser Umstand beeinflusst sowohl die Wahl des Untersuchungsgremiums als auch die Besetzung von Untersuchungsausschüssen.50 Die ermittelten Tatsachen werden im Abschlussbericht dargestellt. Er wird mit den Stimmen der Mehrheit verabschiedet, dem jeweiligen Haus vorgelegt und dort debattiert. Sondervoten sind möglich, aber praktisch nicht die Regel. Kongressabgeordnete wissen um die mangelnde Überzeugungskraft einer Untersuchung, die in einem streitigen Abschlussbericht endet. Deshalb versuchen die Arbeitsstäbe von Mehrheit und Minderheiten, den Bericht gemeinsam zu verfassen.

———————— 48 „A committee may adopt a rule or motion permitting a specified number of its members to question a witness for longer than five minutes. The time for extended questioning of a witness under this subdivision shall be equal for the majority party and the minority party and may not exceed one hour in the aggregate.“ House Rule XI (2)(j)(B). 49 House Rule XI (2)(j)(C). 50 Siehe § 11 II., S. 143.

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IV. Untersuchungsaufkommen Statistisch sind die Untersuchungsverfahren nicht mehr zu erfassen. Es kann von einer ständigen und ununterbrochenen Untersuchungstätigkeit des Kongresses gesprochen werden. Quantitative Aussagen können erstens nur tendenziell, zweitens auf Grund mangelnder Unterscheidbarkeit von ‚investigative‘ und ‚regular oversight‘ nur für alle Verfahren der Fremd- und Selbstinformation und drittens nur für die „sichtbaren“ Untersuchungsmaßnahmen im Kongress, wie bspw. Anhörungen und Berichterstattungen, getroffen werden. Tendenziell vergrößert sich das Untersuchungsaufkommen in den Perioden starker (innen-)politischer Auseinandersetzung, insbesondere in den Phasen des ‚divided governments‘, in dem sich das Amt des Präsidenten und die Kongressmehrheit parteipolitisch unterscheiden. Die Untersuchungsaktivität wird aber auch von anderen politischen Faktoren beeinflusst. Wahljahre führen bspw. zu einem Rückgang aller Ausschussaktivitäten. 1998 kam der Kongress nur an 117 Sitzungstagen zusammen, was die geringste Zahl seit 1976 ist. Zwei unveröffentlichte Studien des CRS, die 1998/1999 im Auftrag des Senate Committee on Government Reform and Oversight zu ‚oversight activity‘ in Auftrag gegeben wurden, unternehmen den Versuch einer quantitativen Erfassung ausgewählter Senatsausschüsse mit traditionell hohem Untersuchungsaufkommen.51 Untersucht wurden das Government Reform and Oversight Committee52 sowie das Commerce Committee und das Education and Workforce Committee. In den Studien wird ‚oversight‘ weit ausgelegt und im Sinne jeglicher kontrollierenden Kommunikation der Kongressausschüsse mit Teilen der Exekutive interpretiert: Hierunter fallen Anhörungen, die Anfertigung von Berichten über Aktenmaterial oder Zeugenaussagen. Die genannten drei Ausschüsse haben in der Zeit von 1995-1998 insgesamt 1600 Hearings gehalten. Der Vergleich mit zurückliegenden Wahlperioden kommt zu dem Ergebnis, dass die Untersuchungsaktivität in Zeiten des ‚divided government‘ ‚oversight‘ intensiver ausgeübt wird.53 So hat die Untersuchungsaktivität vom 97. Kongress (1981-1982) bis zum 105. Kongress (1997-98) ständig abgenommen, mit Ausnahme des 100. Kongresses (1987-1988), der von den politischen Spannungen zwischen dem republikanischen Präsidenten Ronald Reagan und dem demokratisch dominierten Kongress geprägt war. Die Untersuchungstätigkeit des demokratischen 103. Kongresses (1993-1994) war gering. Dies änderte sich ———————— 51 Rosenberg, Preliminary Assessment of Oversight Activity in the 104th and 105th Congress, 25.11.1998; ders., Selected Committee Oversight Trends, 97th-105th Congress, 12.4.1999 (unveröff.). 52 Das Senate Committee on Government Reform und dessen Oversight Subcommittee ist auf Grund seiner traditionell nahezu unbeschränkten Kontrollzuständigkeit von besonderer Bedeutung. 53 CQ Daily Monitor v. 29.10.1998, S. 38.

§ 11 Einsetzung, Zusammensetzung und Verfahren

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schlagartig im republikanisch dominierten 104. (1995-1996) und 105. Kongress (1997-1998), denen der demokratische Präsident William J. „Bill“ Clinton (1993-2001) gegenüberstand und in denen sich das Untersuchungsaufkommen nahezu verdoppelte. In diese Zeit fallen die Whitewater-Untersuchungen sowie das Impeachment-Verfahren gegen Präsident Clinton.

§ 12 Untersuchungsbefugnisse und ihre Grenzen I. McGrain v. Daugherty Bereits die ersten Kongresse nahmen das Recht „to send for persons and papers“, also die Befugnis, mündliche Auskünfte einzufordern oder schriftliche Dokumentationen einzusehen, in Anspruch. Dass die Ausübung und Vollstreckung von Untersuchungsbefugnissen auch mit den Mitteln des Zwangs erlangt werden kann, wurde vom Supreme Court ausdrücklich erst 1927 in der Entscheidung McGrain v. Daugherty anerkannt. Das Recht, die Informationsrechte ausüben und durchsetzen zu können, sah das Gericht als essentielle Annexkompetenz zur Legislativkompetenz an.1 Hintergrund dieser Entscheidung war der Teapot Dome-Skandal.2 In der Affäre ging es um die illegale Verpachtung staatseigener Ölfelder in Salt Creek im Bundesstaat Ohio, genannt Teapot Dome. Drahtzieher war Innenminister Albert Fall. Er erlangte mit Zustimmung des Präsidenten Warren G. Harding (1921-1923) die Verlagerung der Verwaltung der Ölfelder vom Marineministerium in die Zuständigkeit des Innenministeriums.3 Anfang 1922 wurden dem Kongress Unregelmäßigkeiten bekannt. Das Senate Committee on Public Land and Surveys begann im April seine Untersuchungen4 und fand heraus, dass es im Dezember 1921 buchstäblich zum Kuhhandel gekommen war. Fall hatte ohne öffentliche Ausschreibung das Teapot Dome-Areal an den Eigentümer des Ölkonzerns Mammoth Oil, Harry Sinclair, verpachtet. Sinclair zeigte sich großzügig und ließ dem Hobby-Rancher Fall dafür Kühe, Schweine, einen englischen Rassehengst und 133.000 $ zukommen. In einem gleichartigen Geschäft verpachtete Fall die kalifornischen Ölfelder an den Eigentümer der Panamerican Oil, Edward Doheny. Insgesamt erwarb Fall eine halbe Million $, Doheny und Sinclair konnten potentielle Ölfördererlöse in Höhe von schätzungsweise 300 Millionen $ für sich verzeichnen. Fall wurde wegen Bestechlichkeit verurteilt und erhielt neun Monate Freiheitsstrafe. Die Strafverfahren wegen Bestechung gegen Doheny und Sinclair ———————— 1

McGrain v. Daugherty, 273 U.S. 135, 173 (1927). Umfassend Schlesinger, Congress investigates, Vol. 4, S. 3ff. 3 Presidential Executive Order 3474. 4 S. Res. 282, 29.4.1922, ergänzt durch Resolution 294 v. 4.5.1922. 2

§ 12 Untersuchungsbefugnisse und ihre Grenzen

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verliefen erfolglos. Sinclair wurde zwar verurteilt, aber nicht wegen Bestechung, sondern weil er die Untersuchungen des Senats behindert hatte. Sinclair war zu den Vernehmungen des Ausschusses erschienen, weigerte sich allerdings auszusagen. Er bestritt die Kompetenz des Senatsausschusses, ihn zur Aussage zwingen zu können. Das Recht auf Aussageverweigerung zum Schutz vor Selbstinkriminierung machte er nicht geltend, weil er seiner Ansicht nach nichts zu verbergen hatte, was ihn der strafrechtlichen Verfolgung aussetzen könnte. Seiner Ansicht, der Kongress könne keine Zwangsmittel anwenden, widersprach der Supreme Court in Sinclair v. United States und bestätigte die Zwangsbefugnis des Ausschusses. Das Gericht bezog sich auf die Argumentation im Präzendenzfall McGrain v. Daugherty, dessen Sachverhalt ebenfalls aus der Teapot Dome-Affäre resultiert war und bereits 1927 entschieden worden war. Attorney General Harry M. Daugerthy wurde in der Kongressuntersuchung zum Teapot Dome-Skandal vorgeworfen, aus persönlichen Gründen nicht gegen die in die Affäre verwickelten Personen vorgegangen zu sein. Harry M. Daugerthy trat am 24. März 1924 vom Amt zurück. Die Entscheidung des Supreme Court betraf dessen Bruder Manny S. Daugerthy, Präsident der Midland National Bank of Washington Court, Ohio. Dieser weigerte sich, vor dem Senatsausschuss zu erscheinen. Daugerthy wurde auf Grund des Untersuchungsberichts, welcher dem Senat empfohlen hatte, den widerspenstigen Zeugen in Arrest zu nehmen, inhaftiert.5 Dagegen legte er Rechtsmittel ein. Der Supreme Court entschied, dass das Recht, Untersuchungen zu führen und Untersuchungsmaßnahmen zu vollstrecken, essentiell zu den Kompetenzen des Legislativorgans gehöre: „[…] that the power of inquiry – with process to enforce it – is an essential and appropriate auxiliary to the legislative function.“ 6

Denn ein Legislativorgan könne nicht richtig oder effizient entscheiden, wenn es nicht über ausreichende Informationen verfüge: „A legislative body cannot legislate wisely or effectively in the absence of information respecting the conditions which the legislation is intended to affect or change; and where the legislative body does not itself possess the requisite information – which not infrequently is true – recourse must be had to others who do possess it.“7

Allein die Bitte um Informationen könne vergeblich sein, so dass, wenn Informationen unvollständig oder ungenau zur Verfügung gestellt werden, Zwang angebracht sein kann: „Experience has taught that mere requests for such information often are unavailing, and also that information which is volunteered is not always accurate or complete; so

———————— 5

S. Rept. 475, 68th Cong. (1922). McGrain v. Daugherty, 273 U.S. 135, 173 (1927). 7 McGrain v. Daugherty, 273 U.S. 135, 175 (1927). 6

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

some means of compulsion are essential to obtain what is needed […] that the constitutional provisions which commit the legislative function to the two houses are intended to include this attribute to the end that the function may be effectively exercised.“8

Dass die Ausübung des Untersuchungsrechts den Einsatz von Zwangsmitteln einschließt, ist wiederholt durch den Supreme Court bestätigt worden.9 Die Geschäftsordnungen von Senat und Repräsentantenhaus regeln die Untersuchungsbefugnis im Grundsatz: Senate Rule XXVI (1): Each standing committee, including any subcommittee of any such committee, is authorized to hold such hearings, to sit and act at such times and places during the sessions, recesses, and adjourned periods of the Senate, to require by subpoena or otherwise the attendance of such witnesses and the production of such correspondence, books, papers, and documents, to take such testimony and to make such expenditures out of the contingent fund of the Senate as may be authorized by resolutions of the Senate. Each such committee may make investigations into any matter within its jurisdiction, may report such hearings as may be had by it, and may employ stenographic assistance at a cost not exceeding the amount prescribed by the Committee on Rules and Administration. House Rule XI (2)(m)(1): For the purpose of carrying out any of its functions and duties […] a committee or subcommittee is authorized […] (A) to sit and act at such times and places within the United States, whether the House is in session, has recessed, or has adjourned, and to hold such hearings as it considers necessary; and (B) to require, by subpoena or otherwise, the attendance and testimony of such witnesses and the production of such books, records, correspondence, memoranda, papers, and documents as it considers necessary.

Das US-amerikanische Recht unterscheidet nicht so klar wie das deutsche zwischen der Androhung eines Ordnungsmittels, um den Untersuchungszweck zu erreichen (z.B. Beugehaft), und der Androhung einer Bestrafung auf Grund mangelnder Kooperation bzw. wegen Obstruktion des parlamentarischen Verfahrens. Die Sanktionsmöglichkeiten vermischen kompulsiven und repressiven Charakter. Dies hat seinen Ursprung im Common Law. Die Grenzen der Beweiserhebung werden durch die den Untersuchungsauftrag bestimmende Einsetzungsresolution, die Geschäftsordnung der Kammer wie auch die Geschäftsordnung, die sich der Untersuchungsausschuss gibt und auf deren Befolgung sich der Zeuge im gerichtlichen Verfahren berufen kann, sowie durch die Grundrechte gezogen.10 Über diese Rechte hinaus, die grundsätzlich jedem Zeugen zur Verfügung stehen, bestehen Einschränkungen, die den Schutz staat———————— 8

McGrain v. Daugherty, 273 U.S. 135, 175 (1927). Watkins v. United States, 354 U.S. 178 (1957); Barenblatt v. United States, 360 U.S. 109 (1950); Eastland v. United States Servicemen’s Fund, 421 U.S. 491 (1975); Nixon v. Administrator of General Services, 433 U.S. 425 (1977), United States v. A.T.T., 551 F.2d 384 (D.C. Cir. 1976) und 567 F.2d 1212 (D.C. Cir. 1977). 10 United States v. Rumley, 345 U.S. 41, 44 (1957); Watkins v. United States, 354, 178 (1957). 9

§ 12 Untersuchungsbefugnisse und ihre Grenzen

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licher Geheimnisse bzw. die Funktionsfähigkeit der Exekutive im öffentlichen Interesse sichern sollen. II. Contempt power In der Begründung McGrain v. Daugherty hat sich das Gericht maßgeblich auf die Entscheidung des Supreme Court Anderson v. Dunn aus dem Jahr 1821 bezogen, welche die Inhaftierung durch den Kongress ausdrücklich anerkennt. Anderson hatte versucht, ein Mitglied des Kongresses zu bestechen. Das Repräsentantenhaus wies den Sergeant-at-Arms Dunn an, Anderson zwangsweise dem Repräsentantenhaus vorzuführen, so dass der Speaker ihn mit dem Vorwurf der Missachtung des Parlaments konfrontieren könne. Das ursprünglich dem Gericht vorbehaltene Recht, Personen, die die Würde und Hoheit des Gerichts missachten, in Haft zu halten oder zu Haft zu verurteilen, hat der Kongress schon früh in Fortsetzung der englischen Parlamentspraxis für sich behauptet; es wurde bereits vom Kontinentalkongress angewandt. In Anderson v. Dunn hat der Supreme Court dieses Recht als für den legislativen Prozess notwendig anerkannt. Zwar sei eine Zwangsbefugnis des Parlaments nicht in der Verfassung erwähnt, doch ohne eine solche könne sich das Repräsentantenhaus nicht gegen „Mißachtung, Verschwörung und Willkür“ („indignity and interruption“, rudeness, caprice, or even conspiracy“ zur Wehr setzen. 11 Der Begriff ‚contempt‘ – von lat. contemptus – bedeutet Mißachtung, Geringschätzung, aber auch ungebührliches Verhalten vor Gericht. Im Gegensatz zum Römischen Recht, in dem contumacia – lat. Widerspenstigkeit – den Ungehorsam gegenüber der gerichtlichen Ladung bedeutete, was unter bestimmten Bedingungen ein Versäumnisurteil gegenüber der nicht erschienenen Prozesspartei nach sich ziehen konnte,12 ist ‚contempt‘ im Common Law deutlich weiter gefasst. Der ‚contempt‘-Vorwurf bezieht sich nicht nur auf die Missachtung gerichtlicher Anordnungen, wie vorsätzliches Nichterscheinen oder unberechtigte Aussageverweigerung, sondern auch auf ungebührliches Verhalten außerhalb des Gerichtssaals, bspw. durch Äußerungen in der Öffentlichkeit, die geeignet sein könnten, den Ablauf eines Verfahrens zu obstruieren. Das Gleiche gilt für die Missachtung oder Beleidigung des Parlaments (‚contempt of parliament‘), als einer ursprünglich gerichtsähnlichen Institution wie auch für die Obstruktion des parlamentarischen Verfahrens. Die beiden Häuser des Englischen Parlaments entscheiden bis heute in eigener Vollmacht, was als ‚contempt‘ zu werten ist, und verteidigen die Verfahren der Legislativgewalt ———————— 11

Anderson v. Dunn, 19 U.S. (6 Wheat.) 204, 227 (1821). Lat. in contumacia: in Abwesenheit verurteilen oder die Pflicht des Beschuldigten vor Gericht zu erscheinen bzw. das Recht, bei Widerstand vorzuführen. 12

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selbst. Dazu gehört auch, wenn ein vorgeladener Zeuge nicht erscheint bzw. vor einem Ausschuss einen Meineid leistet.13 Der Kongress hat verschiedene Möglichkeiten, einen mit Zwangsandrohung (‚subpoena‘) geladenen, widerspenstigen Zeugen wegen Ungebühr vor dem Parlament zur Verantwortung zu ziehen bzw. diese Maßnahme in der Ladung anzudrohen. Der Kongress kann die Aussage durch Haftandrohung erzwingen oder die Aussageverweigerung mit Haft bestrafen. Das Gleiche gilt für Akteninhaber. Es bestehen drei Methoden des ‚contempt‘. House und Senate können einen Zeugen unter Haftandrohung von ‚inherent contempt‘ oder ‚criminal statutory contempt‘ laden. Der Senat hat eine dritte Option: ‚statutory civil contempt‘. 1. Inherent contempt Auf Antrag des Untersuchungsausschusses wird der nicht aussagebereite Zeuge vom Sergeant-at-Arms des jeweiligen Hauses vorgeführt und vor dem gesamten Plenum mit dem ‚contempt‘-Vorwurf konfrontiert. Die Entscheidung des Plenums kann die Haft – längstens bis zum Ende der Legislaturperiode – zur Erzwingung der Aussage anordnen oder die Nichtaussage mit einer genau zu bemessenden Freiheitsstrafe im Capitol Jail bestrafen. Insofern ist ‚inherent contempt‘ echte Strafgewalt. Dem Zeugen steht nur das Rechtsmittel der Haftprüfung vor dem zuständigen Bundesgericht zur Verfügung (‚writ of habeas corpus‘). Berufung kann gegen diese Entscheidung vor dem Federal Appellate Court eingelegt werden. Die Revision erfolgt vor dem Supreme Court.14 Auf Grund des Zeitaufwandes hat ‚inherent contempt‘ fast völlig an Bedeutung verloren. Seit über sechzig Jahren wurde ‚inherent contempt‘ nicht mehr vollstreckt. 2. Statutory criminal contempt 1857 wurde per Gesetz das Recht des Kongresses geregelt, einen widerspenstigen Zeugen mit Geld- oder Haftstrafe zu belegen. Heute in Sect. 192 und 194 U.S.C. kodifiziert, kann der Zeuge, der nicht erscheint oder erscheint und die Aussage verweigert, mit einer Geldstrafe bis zu 1000 $ pro Tag oder einer Haftstrafe bis zu einem Jahr belegt werden. Die Anklage wird von der Bundesanwaltschaft (U.S. Attorney des District of Columbia) nach Übergabe durch den Senat oder das Repräsentantenhaus erhoben. Zunächst beschließt der Untersuchungsausschuss die Einleitung des Verfahrens. Die Entscheidung ———————— 13

Hatschek, Englisches Staatsrecht, S. 369, 414. Der Supreme Court kann frei darüber entscheiden, ob er sich der Sache annehmen will. Es handelt sich um ein echtes Annahmeverfahren. 14

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muss vom gesamten Plenum des Repräsentantenhauses oder Senates bestätigt werden. Befindet sich der Kongress nicht in einer Sitzungswoche (‚in recess‘) oder hat er sich vertagt, entscheidet der amtierende Speaker des Repräsentantenhauseses bzw. das präsidierende Senatsmitglied. Die Entscheidung wird vom Büro des Präsidenten des Senats bzw. dem Speaker of the House ausgefertigt und an die Bundesanwaltschaft übergeben. Sobald über die Einleitung des Strafverfahrens abgestimmt ist, kann der Beschuldigte der Anklage nicht mehr dadurch entgehen, dass er der Vorladung folgt und aussagt oder die angeforderten Akten übergibt. Damit handelt es sich nicht mehr um eine Maßnahme der Aussageerzwingung, sondern um eine Bestrafung. Nur der Kongress selbst kann seinen Antrag zurücknehmen. Im Strafverfahren selbst hat der Beschuldigte alle Rechte, die ihm auch in anderen Strafverfahren zustehen.15 Gegen das Urteil kann Berufung vor dem Federal Appellate Court eingelegt werden. Dessen Entscheidung ist vor dem Supreme Court reversibel. 3. Statutory civil contempt Eine weitere Alternative wurde per Gesetz für den Senat geregelt.16 Die vom Senat ausgestellte Vorladung kann mit einer zusätzlichen Zwangsandrohung durch das Bundesgericht, dem United States District Court for the District of Columbia, verbunden werden, wenn zu befürchten ist, dass sich der Zeuge oder Herausgabepflichtige weigert, dem Informationsbegehren nachzukommen. ‚Civil contempt‘ kann nicht gegen Mitglieder der Exekutive, sondern nur gegen Private angewandt werden. Dabei handelt es sich um eine echte Zwangsmaßnahme ohne Strafe. Sie ist neben den Verfahren zu ‚inherent‘ und ‚criminal statutory contempt‘ möglich. 4. Meineid und Falschaussage Der Zeuge, der vor dem Untersuchungsausschuss vorsätzlich unter Eid falsch aussagt, kann wegen Meineids (‚perjury‘) nach Sect. 1621 U.S.C. bestraft werden: „[…] whoever having taken an oath before a competent tribunal, officer, or person, in any case in which a law of the United States authorizes an oath to be administered, that he will testify, declare, depose, or certify truly, or that any written testimony, declaration, deposition, or certificate by him subscribed, is true, willfully and contrary to such oath states or subscribes any material matter which he does not believe

———————— 15 Sinclair v. United States, 279 U.S. 263; Watkins v. United States, 354 U.S. 178 (1957). 16 2 U.S.C. 288d, 28 U.S.C. 1364.

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to be true; […] is guilty of perjury and shall, except as otherwise expressly provided by law, be fined under this title or imprisoned not more than five years, or both.“ 17

Das Gleiche gilt für falsche Versicherungen an Eides statt (‚affidavits‘). Meineid wird als Verbrechen (‚felony‘) eingestuft. Der Nachweis des Vorsatzes ist im Einzelfall schwer zu erbringen. Der Kongressausschuss muss darüber hinaus ein kompetentes Tribunal sein. Kompetent ist der Ausschuss, wenn er sowohl formell rechtmäßig eingerichtet worden ist als auch die Zeugenvernehmung formell und materiell rechtmäßig ist. Werden Einsetzungsvorschriften der Geschäftsordnung nicht beachtet, kann der Ausschuss fehlerhaft zu Stande gekommen sein. Darüber hinaus muss das in der Geschäftsordnung vorgesehene Quorum im Zeitpunkt der Vernehmung anwesend gewesen sein.18 Das notwendige Quorum für eine Zeugenvernehmung liegt heute im Repräsentantenhaus bei zwei Mitgliedern und im Senat bei einem Mitglied, kann aber bei Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erhöht werden. Das Quorum muss nicht nur zu Beginn der Vernehmung, sondern nachweislich im Zeitpunkt der Falschaussage vorhanden sein.19 Der Zeuge muss anders als im ‚contempt‘Verfahren das mangelnde Quorum nicht rügen und kann sich erst im Strafverfahren darauf berufen. Uneidliche Falschaussagen vor einem Gericht oder einer Behörde der Vereinigten Staaten können nach Sect. 1001 U.S.C. mit einer Geldstrafe von bis zu 10.000 $ oder einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden.20 Dies gilt auch für Falschaussagen vor Kongressausschüssen.21

5. Obstruktion des parlamentarischen Verfahrens Die unzulässige Beeinflussung und Behinderung einer parlamentarischen Untersuchung durch Bestechung, Drohung oder Gewalt steht nach Sect. 1505 ———————— 17

22 U.S.C. 1621. House Rule XI (2)(h)(1), Senate Rule XXVI (7)(a)(2). 19 Christoffel v. United States, 338 U.S. 84 (1949). 20 „Except as otherwise provided in this section, whoever, in any matter within the jurisdiction of the executive, legislative, or judicial branch of the Government of the United States, knowingly and willfully (1) falsifies, conceals, or covers up by any trick, scheme, or device a material fact; (2) makes any materially false, fictitious, or fraudulent statement or representation; or (3) makes or uses any false writing or document knowing the same to contain any materially false, fictitious, or fraudulent statement or entry; shall be fined under this title or imprisoned not more than 5 years, or both.“, 18 U.S.C. 1001. 21 United States v. Bramlett, 348 U.S. 503, 509 (1955); United States v. Pointdexter, 951 F.2d 369, 386-88 (D.C. Cir. 1991). 18

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U.S.C. unter Strafe.22 Für schlichte Falschaussagen gilt die Vorschrift nicht, sondern nur gegebenenfalls für die Anstiftung eines Zeugen zur Falschaussage. III. Subpoena power Alle Ausschüsse des Senats und des Repräsentantenhauses sind ermächtigt, Zeugenvorladung (‚subpoena ad testificadum‘) und Aktenherausgabe (‚subpoena duces tecum‘) anzuordnen.23 Die Regeln über die Zeugenvorladung gelten für Sachverständige entsprechend. ‚Select committees‘ muss diese Befugnis gesondert durch eine Resolution des gesamten Hauses übertragen werden. Grundsätzlich befindet der Untersuchungsausschuss als Ganzes über die zwangsweise Vorladung eines Zeugen.24 Dazu muss der Ausschuss hälftig besetzt sein. Die Befugnis kann auf den Vorsitzenden allein übertragen werden. Die vorherige Konsultation des ‚ranking member‘25 gehört zur parlamentarischen Übung. Die Vorladung soll vom Vorsitzenden oder einem von ihm bestimmten Mitglied unterzeichnet sein. Sie wird über das Büro des U.S. Marshall zugestellt. Bei einem Aktenherausgabeverlangen gegenüber der Exekutive wird meist nicht unmittelbar zum scharfen Schwert der ‚subpoena‘ gegriffen. Anfragen oder Aufforderungen an die Verwaltungsspitzen werden meist als ‚request‘ mit dem Verweis „soweit das öffentliche Interesse nicht betroffen ist“ versehen. Um die Auskunftsfreudigkeit von Mitgliedern der Exekutive zu steigern, wird, als Alternative zur Haft, bei einer Weigerung häufig eine öffentliche Anhörung anberaumt, die den Zeugen oder Akteninhaber nach den Gründen befragt, warum er die Auskunft verweigere. Infolge der Öffentlichkeit kann dies ein ebenso wirksames Mittel sein, die begehrte Information letztlich zu erhalten. Ein wirkungsvolles Mittel gegenüber Mitgliedern der Exekutive ist die Drohung, dass Teile der Bewilligungssumme zurückgehalten oder gestrichen werden können, wenn die gewünschte Information nicht erteilt werde. Die Entscheidung über die Vollstreckung einer ‚subpoena‘, also die Festsetzung des Zwangsmittels, erfolgt durch das gesamte Plenum, wenn die Ge———————— 22 „Obstruction of proceedings before departments, agencies, and committees: Whoever corruptly, or by threats or force, or by any threatening letter or communication influences, obstructs, or impedes or endeavors to influence, obstruct […] the due and proper exercise of the power of inquiry under which any inquiry or investigation is being had by either House, or any committee of either House or any joint committee of the Congress shall be fined under this title or imprisoned not more than five years, or both.“, 18 U.S.C. 1505. 23 Senate Rule XXVI (1), House Rule XI (2)(m)(1). 24 House Rule XI (2)(m)(3)(A). 25 Dies ist der von der Minderheit im Ausschuss gewählte Sprecher, dem eine Reihe von Konsultations- und Stellvertreteraufgaben zukommt.

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schäftsordnung nichts anderes vorschreibt. Die Möglichkeiten, einer Vorladung zu widersprechen, sind begrenzt. Der Supreme Court hat entschieden, dass Gerichte grundsätzlich nicht in den Prozess der Kongressuntersuchungen eingreifen dürfen.26 IV. Anhörung und Zeugenvernehmung Hearings der Kongressausschüsse können Expertenanhörungen, Anhörungen von Beamten zu Gesetzgebungsvorhaben oder Bundesprogrammen auf freiwilliger Basis sowie Zeugenvernehmungen unter Androhung von Zwangsmitteln (‚subpoena‘) sein. In der Parlamentspraxis kann eine Unterscheidung nur vage an Hand der Begriffe ‚legislative hearing‘ oder ‚investigative hearing‘ getroffen werden. Allerdings sind diese Zusätze nicht immer vorhanden. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt die Vernehmung im Rahmen der Vorermittlung (‚deposition‘), die zum Teil auch von Mitarbeitern erfolgen kann (‚staff deposition‘). Als Alternative zur mündlichen Vernehmung eines Zeugen, kommt die Versicherung an Eides statt in Betracht (‚affidavit‘). 1. Hearings Die Zeugenvernehmung erfolgt in der Regel in öffentlicher Sitzung. Jede Anhörung ist eine Woche zuvor im Daily Digest, einem täglich erscheinenden Sonderheft des ‚congressional record‘, bekannt zu geben.27 Der Ablauf wird von den allgemeinen Geschäftsordnungsvorschriften beider Häuser sowie der Geschäftsordnung, die sich der Untersuchungsausschuss nach seiner Einsetzung zu geben hat, bestimmt.28 Beide Häuser überlassen es den Geschäftsordnungen der Ausschüsse, das notwendige Quorum zu regeln. Im Repräsentantenhaus müssen mindestens zwei Mitglieder anwesend sein; der Senat erlaubt Vernehmungen unter Anwesenheit nur eines Senators.29 Grundsätzlich wählt der Ausschussvorsitzende die Zeugen aus und bestimmt die Reihenfolge der Vernehmung. Das Beweiserhebungsrecht ist Recht der Mehrheit. Die Minderheit ist allerdings nicht unbeteiligt. Gewöhnlich setzt sich der Ausschussvorsitzende mit dem ranghöchsten Mitglied der Minderheit (‚ranking member‘) ins Benehmen. Die Minderheit kann in Untersuchungen des Repräsentantenhauses Beweisanträge stellen, über die die Mehrheit der anwesenden Mitglieder entscheidet.30 Im Senat kann die Minderheit eigene ———————— 26

Eastland v. United States Servicemen’s Fund, 421 491 (1975). House Rule XI (2)(g)(3), Senate Rule XXVI (4). 28 House Rule XI (2), Senate Rule XXVI (2). 29 House Rule XI (2)(h)(1), Senate Rule XXVI (7)(a)(2). 30 House Rule XI (2)(j)(C). 27

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Zeugen ihrer Wahl benennen. Begrifflich wird nicht wie nach deutschem Verständnis zwischen Zeugen, Sachverständigen oder rechenschaftspflichtigen Amtsträgern, die in die Ausschusssitzung zitiert werden, unterschieden. Alle Auskunftspersonen sind Zeugen (‚witnesses‘) und sagen aus (‚testify‘). Der Ausschussvorsitzende oder – in dessen Abwesenheit – das ‚ranking member‘ eröffnet die Sitzung gewöhnlich mit einem Eingangsstatement. Dem Zeugen wird der Untersuchungsgegenstand erläutert. Gewöhnlich wird dem Zeugen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Ein Recht auf ein Eingangsstatement hat er nicht. Praktisch ist dies aber die Regel. Einen Beschuldigten- oder Betroffenenstatus kennt das US-amerikanische Untersuchungsrecht nicht. Der Zeuge hat das Recht auf anwaltlichen Beistand.31 Dieser kann sich allerdings nicht selbst zu Wort melden, sondern bleibt während der Vernehmung auf die Konsultation des Zeugen beschränkt. Der Ausschussvorsitzende kann die Beratung durch den Anwalt während der Anhörung einschränken oder sogar völlig unterbinden.32 Das Kreuzverhör ist unzulässig. Dem Zeugen wird vor der Vernehmung eine Kopie der Geschäftsordnung übergeben.33 In investigativen Untersuchungen wird der Zeuge vereidigt. Der Eid wird von dem Vorsitzenden oder einem von ihm bestimmten Mitglied des Ausschusses abgenommen.34 Falschaussagen vor dem Kongress werden wie Falschaussagen vor Gericht behandelt. Sie können eine Klage wegen Meineids (‚perjury‘) nach sich ziehen. Allerdings ist die Vereidigung die Ausnahme. Die meisten Vernehmungen kommen ohne Vereidigung aus. Jedem Ausschussmitglied stehen mindestens fünf Minuten zu, den Zeugen zu befragen.35 Die weitere Befragung wird hälftig zwischen Mehrheit und Minderheit im Ausschuss aufgeteilt und soll insgesamt nicht mehr als eine Stunde dauern.36 Das Fragerecht kann in der Geschäftsordnung des Untersuchungsausschusses auch Mitarbeitern übertragen werden.37 Der Zeuge hat die Rechte, die ihm auch vor Gericht zustehen. Beruft sich der Zeuge nicht auf sein Aussageverweigerungsrecht, kann er die Aussage mit ———————— 31 House Rule XI (2)(k)(3). Anders ist dies nur im Grand Jury-Verfahren des Amtsenthebungsverfahrens. 32 „[T]he chairman may punish breaches of order and decorum, and of professional ethics on the part of counsel, by censure or exclusion from the hearings, and the committee may cite the offender for contempt“, House Rule XI (2)(k)(4). 33 House Rule XI (2)(k)(2). 34 „The chairman of the committee, or a member designated by the chairman, may administer oaths to witnesses“, House Rule XI (2)(m)(1)(C). 35 House Rule XI (2)(j)(1)(2)(A). 36 House Rule XI (2)(j)(2)(B). 37 House Rule XI (2)(j)(2)(C).

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der Begründung verweigern, der Untersuchungsausschuss sei aus verfassungsrechtlichen Gründen formell oder materiell nicht zur Fragestellung berechtigt.38 Er kann einwenden, dass das notwendige Quorum im Ausschuss nicht anwesend sei, dass das Untersuchungsthema zu weit gefasst sei oder dass die Frage keine Relevanz hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes habe. Der Untersuchungsausschuss kann dem Zeugen daraufhin erklären, warum er die Frage für berechtigt und notwendig für die Erfüllung des Untersuchungszwecks hält. Dabei muss die Erklärung so präzise sein wie die rechtsstaatlich erforderliche Formulierung eines Straftatbestandes, um dem in Watkins v. United States aufgestellten Bestimmtheitserfordernis zu genügen.39 Der beweisrechtliche Zusammenhang wird allerdings nicht mit der gleichen Strenge wie im Strafverfahren gefordert. Diese Erklärung ist insbesondere für die gerichtliche Überprüfung der Untersuchungsmaßnahme bzw. der Aussageverweigerung von Bedeutung. Der Zeuge hat kein Recht, eine nichtöffentliche Sitzung zu beantragen. Nach der Vernehmung wird dem Zeugen das Protokoll übergeben. 2. Depositions Bei umfangreicheren Untersuchungen, häufig bei denen eines Sonderausschusses, können zusätzliche Befugnisse übertragen werden, die den ständigen Ausschüssen nach der Geschäftsordnung des Muttergremiums nicht zustehen oder durch Resolution gesondert autorisiert werden müssen. Dazu gehört die ‚deposition‘40, die protokollierte Vernehmung von Zeugen in nichtöffentlicher Sitzung – gegebenenfalls mit Vereidigung, was sie von informatorischen Befragungen oder von Interviews unterscheidet. ‚Depositions‘ sind ein Instrument, dass dem amerikanischen Zivilprozessrecht mit seinem Grundsatz des ‚pre-trial discovery‘ entspringt: „The deposition testimony is given under oath or affirmation and a transcript is made authenticated.“41 Grundsätzlich liegt im amerikanischen Zivilrecht die Ermittlung des Sachverhalts in den Händen der streitenden Parteien. Diese können ohne Mitwirkung des Gerichts den Gegner oder Dritte in Anwesenheit eines gerichtlichen Protokollbeamten, der auch die Vereidigung durchführt, zu allem vernehmen, was Bezug zum Prozessgegenstand hat und diese Beweise in die Hauptverhandlung einführen. Auch das parlamentarische Untersuchungsverfahren verlegt die Beweisbeschaffung in das Stadium der Vorermittlungen. ‚Depositions‘ können die Vernehmung des Zeugen in öffentlicher Sitzung vorbereiten, aber ———————— 38

Watkins v. United States, 354 U.S. 178 (1957). Siehe § 10 II.2.b)bb), S. 130. 40 Von lat. deponere – niederlegen, anvertrauen. 41 Black’s Law Dictionary, S. 440. Vgl. auch Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, S. 44. 39

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auch vermeiden helfen. Sie sind grundsätzlich vertraulich. Der befragte Zeuge (‚deponent‘) mag auskunftsfreudiger sein als in einem öffentlichen Hearing. Gleichzeitig können zu erwartende Diffamierungen oder Diskreditierungen der Auskunftsperson oder dritter Personen so vermieden werden. Zeugenvernehmungen in ‚depositions‘ sind vor allem auch im internationalen Umfeld leichter zu besorgen. Hinzu kommt das im amerikanischen (Straf-)Recht verbreitete Prinzip der Absprachen (‚plea bargainings‘). Diese sind im amerikanischen Strafprozess die Regel, genauso wie die Vorbereitung des Zeugen auf eine Vernehmung (‚witness coaching‘). Dies ist nicht ohne Einfluss auf die Vorermittlungen im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, obwohl es nicht um den Vorwurf einer Straftat geht. Trotzdem werden Vorermittlungen dazu genutzt, Verhandlungspositionen auszuloten und Schriftstücke auf dem Verhandlungswege zu erlangen, ohne Zwangsmittel einsetzen zu müssen oder Immunitätsfragen zu erörtern. Mitglieder der Exekutive (‚public officials‘) werden regelmäßig nicht in ‚depositions‘ gehört, sondern in öffentlichen Hearings. 3. Staff depositions Die Zunahme des Untersuchungsaufkommens und die zeitliche Beanspruchung der Kongressabgeordneten haben dazu geführt, dass Untersuchungsgremien zusätzlich qualifiziertes Personal, bestehend aus Rechtsanwälten, Staatsanwälten, Buchprüfern oder Beamten von „Tauschbehörden“, wie dem Federal Bureau of Investigation, zur Verfügung gestellt wird; zudem wird vermehrt die Befugnis zur ‚deposition‘ an Mitarbeiter übertragen (‚staff depositions‘). Diese können in Anwesenheit nur eines Abgeordneten, unter Umständen auch gänzlich ohne Abgeordnete, erfolgen. Es ist nicht festzustellen, wann ‚depositions‘ bzw. ‚staff depositions‘ erstmalig in Kongressuntersuchungen zur Anwendung gekommen sind. Im Bericht des House Rules Committee an das Committee on Government Reform and Oversight aus dem Jahre 1997 werden „at least 10 major investigations“ genannt, in denen die Befugnis zu ‚staff depositions‘ übertragen wurde.42 Die erste Untersuchung war wohl die des House Judiciary Committee zu den Beziehungen des Bruders von Präsident Jimmy Carter mit Libyen im Jahre 1980, in der 35 Vernehmungen in ‚staff depositions‘ erfolgten. In den Untersuchungen des von Senat und Repräsentantenhaus gebildeten Select Committee on Secret Military Assistance to Iran and the Nicaraguan Opposition wurden von 1987-88 insgesamt 250 ‚deponents‘ unter Eid vernommen. Die ‚depositions‘ erfolgten aber in Anwesenheit mindestens eines Kongressmitglieds.43 ———————— 42 43

H. Rept. 105-139, 105th Cong. 12 (1997). S. Rept. 100-216, 100th Cong. 685 (1987).

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

In den letzten 20 Jahren haben ‚staff depositions‘ stark zugenommen. Sie gehören heute zum essentiellen Bestand des amerikanischen Untersuchungswesens. Bei den Ausschüssen mit traditionell großem Untersuchungsaufkommen wird mittlerweile zwischen Professional und Investigative Staff unterschieden.44 Kritiker der ‚staff depositions‘ sind der Ansicht, dass sie den traditionellen Untersuchungsprozess „umlaufen“ können („circumvent the traditional committee process“). Außerdem bestehe die Gefahr eines ‚cold record‘, d.h. die Zeugenaussagen werde ohne die persönliche Präsenz der Auskunftsperson beurteilt und könne deshalb den Beweiswert reduzieren.45 Dem wird entgegnet, dass ein maßgeblicher Zeuge im Zweifel nochmals in öffentlicher Anhörung vernommen werden kann. Die Rechtsgrundlage für ‚staff depositions‘ ist ungeklärt. Weder die Geschäftsordnung des Repräsentantenhauses noch des Senats enthält explizit eine Befugnis zu ‚staff depositions‘.46 Die Befugnis wurde in der Vergangenheit durch die einsetzende oder eine nachträgliche Resolution des Repräsentantenhauses47 bzw. des Senats48 übertragen.49 Resolutionen, die nur eine ,deposition‘ ———————— 44

House Rule X (9)(a)(2)(B). H. Rept. 105-139, S. 20-26 (minority view). 46 H. Rept. 104-472, S. 10 (House Rules Committee). 47 „[…] authority for depositions to be taken by Member or staff attorney“, House Committee on Government Reform and Oversight, „investigation allegations of misconduct in political fundraising during 1996 election campaign“ (White House Travel Office Matter); H. Res. 167, 105th Cong. (1997); „authority for depositions to be taken by Member and staff of the Task Force Members of the House Committee on Foreign Affairs to Investigate Certain Allegations Concerning the Holding of American Hostages by Iran in 1980“, H. Res. 258, 102d Cong.; „authorize the taking of affidavits and depositions by counsel to [the] committee pursuant to notice subpoena“, Judge Alcee Hastings Impeachment, H. Res. 320, 100th Cong.; „to authorize the taking of affidavits and of depositions by [committee] counsel“, House Judiciary Committee, in impeachment proceedings concerning Judge Walter Nixon, H. Res. 562 100th Cong.; „deposition authority for House Select Committee on Assassinations, permitting the committee and its subcommittees to take testimony on oath anywhere within the United States or in any other country and to authorize designated counsel for the select committee to obtain statements from any witness who is placed under oath by an authority who is authorized to administer oaths in accordance with the applicable laws of the United States or of any State, H. Res. 222, 95th Cong.; „deposition authority for House Judiciary Committee in impeachment proceedings concerning President Richard Nixon, permitting the committee to require by subpoena or otherwise the attendance and testimony of any person including at a taking of a deposition by counsel for the committee“, H. Res. 803, 93rd Cong. 48 Z.B. Senate Select Committee on Secret Military Assistance to Iran and the Nicaraguan Opposition (Iran-Contra), S. Res. 23, 100th Cong. (1987); Committee on Banking, Housing and Urban Affairs (Whitewater I), S. Res. 229, 103rd Cong.; Special Committee to Investigate Whitewater Development Corporation and Related Matters (Whitewater II), S. Res. 120, 104th Cong. (1995). 45

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autorisieren, Mitarbeiter hingegen unerwähnt lassen, wurden zumeist als Befugnis zu ‚staff depositions‘ interpretiert.50 Die Vorladung zu einer ‚deposition‘ kann mit einer ‚subpoena‘-Androhung verbunden werden. Einzelheiten regelt der Untersuchungsausschuss in der zu Beginn der Untersuchung zu verabschiedenden Geschäftsordnung (‚rules and procedures‘).51 In der Parlamentspraxis werden ‚staff depositions‘ als zusätzliche Aufklärungsinstrumente gewertet, die gerade bei komplexen und schwierigen Untersuchungen erforderlich sein können.52 Da eine ausdrückliche Rechtsgrundlage oder Durchführungsbestimmung für ‚deposition‘ und ‚staff deposition‘ fehlt und die Geschäftsordnungen nur ständigen Ausschüssen Befugnisse, wie bspw. die ‚subpoena power‘, verleihen, wird zur Begründung des Rechts, ‚depositions‘ oder ‚staff depositions‘ durchzuführen, auf das allgemeine Recht des Kongresses verwiesen, Untersuchungen unter Einsatz von Zwangsmitteln durchzuführen. Dieses Recht überlasse nicht nur die Wahl des geeigneten Untersuchungsgremiums der jeweiligen Kammer oder die Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes, sondern auch die geeignete Art und Weise der Untersuchung dem Ermessen des jeweiligen Untersuchungsgremiums. Ergänzend wird auf die in Art. I Sect. 5 USVerf. abgesicherte Geschäftsordnungsautonomie verwiesen: „Each House may determine the Rules of its Proceedings.“53 Unterstützt wird diese Ansicht durch die einzige einschlägige Geschäftsordnungsvorschrift des Repräsentantenhauses, wonach die Beweismittel durch die aufgezählten Methoden oder anderweitig beschafft werden können: „For the purpose of carrying out any of its functions and duties […], a committee or subcommittee is authorized […] to require, by subpoena or otherwise, the attendance and testimony of such witnesses and the production of such book, records, correspondence, memoranda, papers, and documents as it considers necessary.“54

———————— 49

Eine Sammlung spezieller Untersuchungsbefugnisse, einschließlich der Resolutionen, in denen die Befugnis zu ‚staff depositions‘ ausdrücklich übertragen worden ist, findet sich in: Authority and Rules of Senate Special Investigatory Committee and Other Senate Entities, 1973-97, S. Doc. 105-16 (1997). 50 S. Res. 400, 94th Cong. (establishing Senate Select Committee on Intelligence); S. Res. 21 94th Cong. (Senate Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, sog. Church Committee); S. Res. 60, 93rd Cong. (Senate Select Committee on Presidential Campaign Activities); S. Res. 338, 88th Cong. (establishing Senate Select Committee on Ethics). 51 Zur Diskussion über Durchführungsvorschriften von ,depositions‘ vgl. Grabow, Congressional investigations: law and practice, S. 234. 52 H. Rept. 105-109, 105th Cong. (1997), S. 12. 53 Ebd. 54 House Rule XI (2)(m)(1)(B).

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Eine Entsprechung für die Untersuchungsausschüsse des Senats gibt es nicht. Allerdings regelt der 1978 für Zivilstreitigkeiten innerhalb der Zuständigkeit des District Court for the District of Columbia eingeführte Sect. 1365 des United States Code (U.S.C.) das Verfahren bei Klagen des Senats auf Vollstreckung einer Vorladung (‚subpoena‘) und schließt darin ausdrücklich die Vorladungen zu einer ‚deposition‘ ein.55 Dies sagt aber noch nichts darüber aus, ob diese Befugnis auch auf Mitarbeiter übertragen werden kann, die über keine demokratische Legitimation verfügen bzw. die Vernehmung ohne die Anwesenheit von Mitgliedern des Untersuchungsgremiums erfolgen kann. Unstreitig ist lediglich, dass Mitarbeiter Interviews, d.h. informelle Gespräche führen können,56 und gegebenenfalls in Hearings Fragen an den Zeugen richten können, wenn entweder die Einsetzungsresolution oder die Verfahrensordnung des Untersuchungsausschusses (‚rules and procedures‘) dies vorsehen. Der Ausschuss muss aber gesondert darüber befinden: „A committee may adopt a rule or motion permitting committee staff for its majority 57 and minority party members to question a witness for equal specified periods.“

Hinsichtlich des Status von Kongressmitarbeitern hat der Supreme Court entschieden, dass die verfassungsrechtlichen Immunitätsvorschriften zur ‚speech and debate clause‘58 auch für Abgeordnetenmitarbeiter gelten müssen. Die „day-to-day work“ der Abgeordneten stünde in solch enger Verbindung mit ihren Hilfskräften, dass die Hilfspersonen als alter ego bezeichnet werden müsse und ihre Arbeit wie die des Abgeordneten selbst zu behandeln sei.59 Hintergrund des Falles war die Veröffentlichung geheimen Aktenmaterials des Verteidigungsministeriums (sog. Pentagon Papers),60 zu dem der Mitarbeiter eines Senators im Ausschuss vernommen werden sollte. Allerdings ging es um die Frage, ob der verfassungsrechtliche Immunitätsgrundsatz den Mitarbeiter eines Kongressabgeordneten gleichermaßen umfasst – also um eine Schutzvorschrift zugunsten des Parlamentariers. Deshalb lässt sich das Argument nicht auf die Wahrnehmung von Ermittlungs- und Zwangsbefugnissen durch Mitarbeiter, die in Rechte Dritter eingreifen, übertragen. ———————— 55

„The United States District Court for the District of Columbia shall have original jurisdiction, without regard to the amount in controversy, over any civil action brought by the Senate or any authorized committee or subcommittee of the Senate to enforce, to secure a declaratory judgment concerning the validity of, or to prevent a threatened refusal or failure to comply with, any subpoena or order issued by the Senate or committee or subcommittee of the Senate“, 28 U.S.C. 1365. 56 United States v. Weissman, 899 F.2d 1111 (11th Cir.1990). 57 House Rule XI (2)(j)(2)(C). 58 „The Senators and Representatives […] for any Speech or Debate in either House, they shall not be questioned in any other Place“, Art. I, Sect. 6 Cl. 1 USVerf. 59 Gravel v. United States, 408 U.S. 606 (1972). 60 Ausführlich siehe S. 192.

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Lässt man die Frage der Rechtsgrundlage offen bzw. sieht sie als Ausfluss der parlamentarischen Gestaltungsfreiheit in Bezug auf das Untersuchungsverfahren, fragt sich – vor allem aus Sicht des betroffenen Zeugen –, ob angedrohte Zwangsmittel im Zusammenhang mit einer ‚(staff) deposition‘ angewandt und vollstreckt werden können. Der Supreme Court hatte diese Frage bisher nicht zu entscheiden. 1949 hatte er nur über die Strafbarkeit eines Zeugen zu entscheiden, der vor einem Untersuchungsausschuss zu einem Zeitpunkt falsch aussagt hatte, in dem nicht das nach der Geschäftsordnung erforderliche Quorum anwesend war. Zu klären war, ob es sich nach Sect. 2501 des Perjury Statute of the District of Columbia61 um eine zur Eidesabnahme berechtigte Stelle (‚competent tribunal‘) handelte, was im Ende verneint wurde.62 Diese Vorschrift des materiellen Strafrechts erwähnt als einzige Norm ‚depositions‘ als mögliches Forum, in dem eine Falschaussage erfolgen kann. Zunächst ist darin die Anerkennung von ‚depositions‘ als Form der Beweisbeschaffung nicht nur in zivilrechtlichen Streitigkeiten, sondern auch im parlamentarischen Untersuchungsverfahren enthalten. Darüber hinaus ist der Entscheidung zu entnehmen, dass für die Strafbarkeit nicht die Form der Zeugenvernehmung entscheidend ist, sondern allein die Frage, ob die Aussage vor einem zur Eidesabnahme kompetenten Forum (‚competent tribunal‘) erfolgt, letztlich, was der Kongress selbst in seiner Geschäftsordnung als kompetentes Forum definiert. Ob die Definitionsmacht unter Bezug auf die verfassungsrechtlich verankerte Geschäftsordnungsautonomie (Art. I, Sect. 5, Cl. 2 USVerf.) so weit reicht, dass der Kongress ‚staff depositions‘ als zur Eidesabnahme berechtigtes Forum regeln kann und damit die Ausübung des parlamentarischen Untersuchungsrechts durch Nichtparlamentarier möglich machen könnte, ist ungeklärt. Die rechtswissenschaftliche Literatur schweigt hierzu. Die parlamentarische Praxis umgeht das Problem, indem sie die Anbindung von Ermittlungspersonal an die demokratisch legitimierte Entscheidungsebene sicherstellt. In einer Vielzahl ausgehandelter ‚rules and procedures‘ von Sonderausschüssen finden sich Regelungen, die verhindern sollen, dass Vernehmungen durch Mitarbeiter die Vollstreckung der ‚subpoena‘ nach sich ziehen bzw. die Auskunftsperson in eine ‚contempt‘-Situation geraten könnte.63 Verweigert der Zeuge die Aussage, soll die Bestätigung eines Ausschussmitglieds eingeholt werden, die den Ein———————— 61

Wortlaut Sect. 2501 siehe § 12 II.4. Christoffel v. United States 338 U.S. 84 (1949). 63 Z.B. lautet Rule 6.2 der Rules of the Subcommittee to Investigate the Activities of Individuals Representing the Interest of Foreign Government of the Senate Judiciary Committee, 96th Cong. (1980): „The subcommittee shall not initiate procedures leading to criminal or civil enforcement proceedings in the event a witness fails to appear at a deposition unless the deposition notice was accompanied by a subcommittee subpoena.“ 62

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spruch überstimmt. Die Sanktionen bei Ausbleiben oder Falschaussage sollen bei ‚depositions‘ unterbleiben, es sei denn, die Sanktionsdrohung war mit einer vom Untersuchungsausschuss abgestimmten Zwangsandrohung verbunden.64 Dies hat sich zur parlamentarischen Übung entwickelt. V. Verfahrensrechte 1. Recht auf ein ordentliches Verfahren Die Verfahrensrechte der Auskunftspersonen leiten sich vorwiegend aus der ‚due process clause‘ des 5. Amd. ab: „No person shall be held to answer for a capital, or otherwise infamous crime […] nor shall any person be subject for the same offence to be twice put in jeopardy of life or limb; nor shall be compelled in any criminal case to be a witness against himself, nor be deprived of life, liberty, or property, without due process of law […].“

Die Vorschrift beinhaltet nicht nur Verfahrensgarantien. Sie konstituiert im Wesentlichen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.65 Der Supreme Court hat die ‚due process clause‘ auch als inhaltliche Schranke staatlicher Regelungsmacht verstanden (‚substantive due process‘). Bis zu Beginn der 1960er Jahre wurde zwischen subjektiven Rechten und staatlich verliehenen Privilegien (‚rights and privileges‘) unterschieden. Privilegien unterlagen keinen Eingriffsgrenzen. Dem staatlichen Ermessen war keine Grenze gesetzt. Hingegen konnten subjektive Rechte nur mit guten Gründen eingeschränkt werden. Nach der modernen Rechtsprechung und der ‚doctrine of unconstitutional conditions‘ besteht diese strikte Trennung nicht mehr; an Eingriffe in Leben, Freiheit und Eigentum werden strengere Anforderungen an die Rechtfertigung gestellt.66 Alle staatliche Gewalt muss danach bei Grundrechtseingriffen ein ordentliches Verfahren einhalten. 2. Aussageverweigerung bei Gefahr der Selbstbelastung Der Zeuge hat das im 5. Amd. verbürgte Recht, die Aussage zu verweigern, wenn er sich selbst belasten oder der Strafverfolgung aussetzen würde. Es handelt sich um ein persönliches Freiheitsrecht. Es kann nicht im Namen einer juristischen Person, deren Informationen der Zeuge nicht preisgeben will, geltend gemacht werden.67 Der Zeuge muss sich erkennbar auf das Recht berufen; ———————— 64

Ebd. Vgl. Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 225. 66 Vgl. Brugger, aaO., S. 225ff. 67 McPhaul v. United States, 364 U.S. 372, 380 (1960). 65

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schlichtes Schweigen genügt nicht.68 Die Berufung muss ausdrücklich auf eine gestellte Frage erfolgen. Der Zeuge verliert sein Aussageverweigerungsrecht, wenn er sich nicht darauf beruft oder wenn er auf das Recht verzichtet. Ob sich ein Zeuge auf sein Auskunftsverweigerungsrecht beruft, stellt sich in der Regel in den Vorermittlungen heraus. Hier werden auch gegebenenfalls die Verhandlungen über die Gewährung von Immunität geführt. Es besteht auch die Gefahr, dass sich die Geltendmachung des 5. Amd. gegen den Zeugen selbst richtet, denn diese kann in der Öffentlichkeit als eine Art Schuldeingeständnis verstanden werden. Nach anwaltlicher Standesregel werden Zeugen, die sich auf das 5. Amd. berufen werden, nicht geladen. Amtsträger berufen sich regelmäßig nicht auf das 5. Amd., weil sie dann Vertrauenseinbußen und Reputationsverlust befürchten müssen. 3. Recht auf Nichtäußerung Aus dem 1. Amd. ergibt sich auch das Recht, sich nicht äußern zu müssen: „Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press.“

Obwohl sich das 1. Amd. ausdrücklich nur auf die Gesetzgebung bezieht, die Einschränkungen der Meinungs-, Presse- oder Vereinigungsfreiheit zum Gegenstand hat, hat der Supreme Court dem 1. Amd. Begrenzungen des parlamentarischen Untersuchungsrechts entnommen. In der Grundsatzentscheidung Barenblatt v. United States, in der der Beschwerdeführer die Auskunft gegenüber dem House Committee on Unamerican Activities (HUAC) verweigerte, entschied das Gericht, dass aus der Meinungsäußerungsfreiheit des 1. Amd. auch die Umkehrung, das Recht auf Nichtäußerung, zu schließen sei (negative Meinungsfreiheit). Es schütze auch davor, Informationen über gesellschaftliche Beziehungen offenbaren zu müssen: „Undeniably, the First Amendment […] protects an individual from being compelled to disclose his associational relationships.“69 Der Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre (‚invasion of privacy‘) sei aber nicht absolut und gegen das öffentliche Interesse an der Untersuchung abzuwägen, weil es nicht mit dem Schutz vor Selbstbelastung (,self-incrimination‘) gleichzusetzen sei: „However, the protections of the First Amendment, unlike a proper claim of the privilege against self-incrimination under the Fifth Amendment, do not afford a witness the right to resist inquiry in all circumstances. Where First Amendment rights are asserted to bar governmental interrogation resolution of the issue always involves

———————— 68 69

Quinn v. United States, 349 U.S. 155, 164 (1955). Barenblatt v. United States, 360 U.S. 109, 126-127 (1959).

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a balancing by the courts of the competing private and public interests at stake in the particular circumstances shown.“70

Entscheidend ist damit das begründete und gewichtige Interesse des Kongresses an der begehrten Information. 4. Schutz vor unvernünftigen Untersuchungen Das 4. Amd. schützt vor „unvernünftig umfangreichen“ Durchsuchungen oder Beschlagnahmen: „The right of the people to be secure in their persons, houses, papers, and effects, against unreasonable searches and seizures, shall not be violated.“ Der Supreme Court hat die Anwendung dieses Rechtsprinzips auch für parlamentarische Untersuchungen anerkannt. Ist der Beweisbeschluss zu unbestimmt oder zu weit gefasst und haben die angeforderten Akten nichts mit dem Untersuchungszweck zu tun, kann das 4. Amd. Grund zur Verweigerung der Herausgabe geben.71 5. Recht auf anwaltlichen Beistand Das 6. Amd. garantiert dem Einzelnen das Recht im Strafverfahren einen Anwalt beizuziehen: „[T]he accused shall […] have the Assistance of Counsel for his defence.“ Dies gilt für Zeugen in Kongressuntersuchungen entsprechend.72 Der Zeuge kann sich von seinem Anwalt bei den Vorermittlungen und den Beweisaufnahmen begleiten und beraten lassen. Allerdings kann der Rechtsbeistand nicht für den Zeugen plädieren oder sich zur Sache äußern. Der Zeuge muss seine Rechte selbst wahrnehmen. Einige Ausschüsse verbieten ausdrücklich die Vorbereitung des Zeugen (‚witness coaching‘).73 Rechtsanwälte haben das Standesrecht und die Hausordnung zu beachten. Bei Zuwiderhandlung können sie vom Ausschussvorsitzenden von der Sitzung ausgeschlossen oder wegen ‚contempt‘ bestraft werden.74 Das Kreuzverhör ist unzulässig. 6. Testimonial privileges Der Kongress erkennt Zeugnisverweigerungsrechte zum Schutz familiärer Vertrauensbeziehungen zugunsten Angehöriger, zum Schutz beruflicher Ver———————— 70

Ebd. McPaul v. United States, 364 U.S. 372 (1960). 72 House Rule XI (2)(k)(3). 73 Z.B. Senate Permanent Subcommittee on Investigation, Rule 7. 74 House Rule XI (2)(k)(4). 71

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trauensbeziehungen (‚attorney-client privilege‘) und zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (‚work-product privilege‘) an.75 Die Anwendung des dem Common Law entnommenen ‚attorney-client privilege‘, wonach die Korrespondenz zwischen Anwalt und Mandant geheim ist, gilt auch für Kongressuntersuchungen.76 Im Wesentlichen wird es dem Recht auf Privatsphäre des 4. Amd. bzw. dem materiellen Rechtsstaatsprinzip, der ‚due process clause‘ im 5. Amd., entnommen. So konnten sich bspw. in den Iran-Contra-Untersuchungen General Richard Secord und Colonel Oliver North in Einzelfragen erfolgreich auf das ‚attorney-client privilege‘ berufen und die Antwort verweigern.77 Der Supreme Court hat in Upjohn Co. v. United States das ‚attorney-client privilege‘ ausdrücklich anerkannt. Das Gericht hat es als „rooted in the idea that encouraging full and frank communication between attorneys and clients“ beschrieben und das Recht nicht als reines Verfahrensrecht angesehen: „[A]ttorneys and clients must be able to predict with some degree of certainty whether particular discussions will be protected.“78 Allerdings ist die Korrespondenz zwischen Mandant und Anwalt der Kongressuntersuchung nicht völlig verschlossen. Der Untersuchungsausschuss kann die Berufung auf das Anwaltsprivileg zurückweisen, wenn es auch in einem gerichtlichen Verfahren keine Geltung beanspruchen könnte. In einigen seltenen Fällen haben sich Kongressuntersuchungen über das Privileg mit der Begründung hinweggesetzt, dass das Zeugnisverweigerungsrecht Verbrechen oder illegale Handlungen decken könne. So wurde im 19. Jahrhundert der Rechtsanwalt Charles W. Wolley inhaftiert, weil er keine Auskunft dazu geben wollte, auf welche Weise eine Reihe von Senatoren im Impeachment-Verfahren gegen Präsident Andrew Johnson (1865-1869) bestochen worden waren.79 Auch Beispiele aus jüngerer Zeit zeigen, dass das Anwaltsprivileg keine absolute Geltung beanspruchen kann. So wurde es bspw. durch das House Energy and Commerce Committee anlässlich der Untersuchungen eines weltweiten Uran-Kartells im Jahre 1977 auf Grund einer Folgenabwägung zurückgewie———————— 75 Rules of Procedure for Senate Investigating Committees, 83rd Cong. 2nd Sess., S. 27 (Comm. Print 1955). 76 Chud, In defense of the government Attorney-Client Privilege, 84 Cornell Law Review 1999, S. 1682ff. 77 Joint Hearings Before the House Select Committee to Investigate Covert Arms Transactions with Iran and the Senate Select Committee on Secret Military Assistance to Iran and the Nicaraguan Opposition, 100th Cong., 1st Sess. (1987), S. 199 (Secord); N.Y. Times v. 10.7.1987, S. A8 (North). 78 449 U.S. 383, 393 (1981). 79 Millet, The Applicability of Evidentiary Privileges For Confidential Communications Before Congress, 21 John Marshall Law Review 1988, S. 309, 312-313.

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sen. Die Begründung orientierte sich an einer „weighing [of] the legislative need against any possible injury.“80 1986 ließ das Subcommittee on Asian and Pacific Affairs beim House Committee on International Affairs Ralph und Joseph Bernstein in Haft nehmen, weil sich beide auf die Vertraulichkeit der beanspruchten Unterlagen auf Grund des ‚attorney-client privilege‘ beriefen. Der Kongress wies das Zeugnisverweigerungsrecht zurück, da die Konsultation mit dem U.S. Attorney ergeben hatte, dass das erhobene Zeugnisverweigerungsrecht mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Gerichtsverfahren keinen Bestand haben würde.81 Das Privileg gilt auch für das Vertrauensverhältnis anderer Berufsgruppen, wie z.B. Ärzte oder Geistliche.82. Missverständlicherweise taucht das Zeugnisverweigerungsrecht auch unter dem Begriff ‚work-product privilege‘ auf, obwohl davon im Wesentlichen Geschäftsgeheimnisse betroffen sind. Jedenfalls sind vom ‚work-product privilege‘ die „Arbeitsergebnisse“ von Berufsgruppen, deren Tätigkeit von einer besonderen Vertrauensbeziehung geprägt ist, umfasst. Von besonderer Bedeutung ist hier das ‚work-product privilege‘ zugunsten von Journalisten.83 Allerdings gilt auch hier: Hat das Aussageverweigerungsrecht keinen Bestand in einem strafrechtlichen Verfahren, kann es auch im Untersuchungsverfahren vom überwiegenden Aufklärungsinteresse des Kongresses verdrängt werden. Diese Situation kann eintreten, wenn wegen Geheimnisverrats ermittelt wird. Praktisch ist dies auf Grund der überragenden Bedeutung der Pressefreiheit sehr selten. Der Einwand verfassungswidriger Vorzensur verleiht Journalisten eine starke Position in gerichtlichen Streitigkeiten.84 Auf Grund der Abwägungsentscheidung („privacy interests against the importance of the governmental interests“)85 sind Zeugnisverweigerungsrechte immer sehr streitanfällig.86 Das ‚work-product privilege‘ zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist gesetzlich in Sect. 1905 des Uniform Trade Secret Act (UTSA)87 geregelt, der ———————— 80

Hearings, Subcommission on Oversight and Investigation, International Uranium Cartel, H. Rept. 2, 84th Cong. (1954), S. 27f. 81 132 Cong. Rec. 3028-3062 (1986). 82 Vgl. zu den Einzelheiten S. Rept.104-191. 83 Mangan, Contempt for the Fourth Estate: No Reporter’s Privilege Before a Congressional Investigation, 83 Georgetown Law Journal 1994, S. 129ff. 84 Zur Verfassungswidrigkeit der Vorzensur siehe unten § 14 II., S. 191. 85 Senate Select Committee on Ethics v. Packwood, 845 F. Supp. 17, 19 (D.D.C. 1994); Nixon v. Administrator of General Services, 433 U.S. 425 (1977). 86 So bspw. in den Untersuchungen des Whitewater-Select Committee, S. Rept. 104191, 104th Cong., 1st Sess. (1995). 87 18 U.S.C. 1905.

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deren Veröffentlichung unter Strafe stellt.88 Aus der Rechtsprechung zum Freedom of Information Act, der u.a. die Geheimhaltung personenbezogener Daten regelt,89 schließt der Kongress, dass die Geheimhaltung gegenüber privaten Dritten nicht gleichzeitig die Geheimhaltung gegenüber dem Kongress umfasst und dass Schutzvorkehrungen zum Geheimschutz ausreichend sind.90 VI. Grants of immunity Beruft sich der Zeuge auf sein Recht nach dem 5. Amd., die Aussage zu verweigern, kann der Untersuchungsausschuss nach Sect. 6002 U.S.C. mit der Mehrheit von zwei Dritteln beim Federal District Court die Immunität des Zeugen vor Strafverfolgung beantragen und den Zeugen damit zur Aussage zwingen. Das gleiche Recht hat die Mehrheit eines der beiden Häuser des Kongresses: „Whenever a witness refuses, on the basis of his privilege against self-incrimination, to testify or provide other information in a proceeding before or ancillary to […] either House of Congress, a joint committee of the two Houses, or a committee or a subcommittee of either House, and the person presiding over the proceeding communicates to the witness an order issued under this title, the witness may not refuse to comply with the order on the basis of his privilege against self-incrimination […] but no testimony or other information compelled under the order (or any information directly or indirectly derived from such testimony or other information) may be used against the witness in any criminal case, except a prosecution for perjury, giving a false statement, or otherwise failing to comply with the order.“91

Obwohl die Immunität nicht mit Straffreiheit gleichzusetzen ist, sondern ein Beweisverwertungsverbot ist, reicht sie sehr weit. Sie schließt die Zeugenaussage oder andere Informationen, die auf Grund der gerichtlichen Anordnung zu liefern sind, wie auch jede andere direkt oder indirekt hiervon abgeleitete Information ein. Sie schließt nicht jede Strafverfolgung aus. Ausgenommen sind die Strafverfahren wegen Meineids, Falschaussage und Missachtung des Gerichts. Das Gericht prüft nur die formellen Voraussetzungen des Kongressantrages und trifft eine Entscheidung, ob die Immunitätsgewährung angemessen ist. Der Attorney General muss spätestens zehn Tage nach Antragstellung unterrichtet werden. Die gerichtliche Entscheidung kann bis zu 20 Tage nach Antragstellung hinausgeschoben werden, um gegebenenfalls in einem späteren Strafverfahren darlegen zu können, dass das Ermittlungsergebnis nicht auf der Aussage vor dem Kongress direkt beruht oder indirekt abzuleiten ist. ———————— 88

CNA Financial Corp. v. Donovan, 830 F.2d 1132, 1144-52 (D.C. Cir. 1987). Murphy v. Department of the Army, 612 F.2d 1151, 1155-58 (D.C. Cir. 1979). 90 Zu der daraus folgenden Problematik im praktischen Umgang siehe § 20 II. 91 18 U.S.C. Sect. 6002. 89

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Verfassungsrechtlich wird die Befugnis, Immunität zu gewähren, nicht beanstandet, da sie ein Äquivalent zum Schutz vor Selbstbelastung durch das 5. Amd. ist. Es schützt den Grundrechtsträger nicht vor der Pflicht zur Aussage, sondern gegebenenfalls vor der resultierenden Strafverfolgung. In der Praxis kommt die Gewährung von Immunität recht selten vor. Trotzdem wird sie als unabdingbare Voraussetzung für eine effektive Ermittlungstätigkeit der Kongressuntersuchung verstanden.92 Die Immunitätsgewährung beschränkt sich auf Verfahren, die durch die Art des Themas oder die betroffenen Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit erfahren. Als wirksames Instrument erwies sich die Immunitätsgewährung bspw. in den Untersuchungen der Iran-Contra-Affäre. Der Skandal ereignete sich während der Regierungszeit Ronald W. Reagans (1981-1989), dessen wichtiges außenpolitisches Aktionsfeld Mittelamerika, insbesondere Nicaragua war. Hier hatte 1979 eine von der sandinistischen Befreiungsfront geführte Volkserhebung das Regime des Diktators Somoza hinweggefegt. Reagan ging nach seiner Wahl sofort auf Distanz, zumal sich die Zusammenarbeit zwischen Nicaragua und der Sowjetunion anbahnte und im Nachbarland El Salvador der Bürgerkrieg ausgebrochen war. Das Geheimnis, wie die US-Regierung ohne eine ausdrückliche Mittelbewilligung des Kongresses die Contras in Nicaragua unterstützen konnte, lüftete sich in den IranContra-Untersuchungen des Kongresses der Jahre 1987/88. Der Stärkung der kongressionellen Kontrollinstrumente, einschließlich der Einrichtung der Ausschüsse zur Kontrolle der Geheimdienste in den 1970er Jahren, hatte die Reagan-Administration einen weitreichenden Ausbau der Geheimdienste „im Kampf gegen das Reich des Bösen“ entgegengesetzt.93 Die Haushaltsmittel stiegen um 15 Prozent, die Mitarbeiterzahl verdoppelte sich fast. Präsident Reagan wollte weder auf geheimdienstliche Aktivitäten verzichten, noch diese dem Kongress offenbaren, denn der Kongress hatte jede militärische Einmischung abgelehnt und 1982 die Regierung mit dem Boland-Amendment94 auf rein humanitäre Hilfe festgelegt. Das hinderte Reagan nicht daran, die CIA unter Direktor William Casey mit der Unterstützung der nicaraguanischen „Contras“ zu beauftragen, die von Honduras und Costa Rica aus gegen die Sandinisten operierten. Der Öffentlichkeit blieb zunächst verborgen, wie die Regierung die Finanzierung der Contras ohne die Mittelbewilligung durch den Kongress bewerkstelligte. Erst nach und nach kam ans Licht, dass ein Mitglied ———————— 92 Leon, Congressional Investigation: Are Partisan Politics Underminding our Vital Institutions, 4 Suffolk University Law Review 1998, S. 825ff. 93 Heideking, Geschichte der USA, S. 464. 94 Das Boland-Amendment v. 8.12.1982 war ein Zusatz zum War Powers Act von 1973 und verbot militärische Unterstützung „for the purpose of overthrowing the Government of Nicaragua.“

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des National Security Council, Oberstleutnant Oliver North, Profite aus geheimen Waffenlieferungen an den Iran sowie andere, von befreundeten Regierungen „gespendete“ Gelder am Kongress vorbei an die Contra-Rebellen geleitet hatte. Die Untersuchungsausschüsse von Repräsentantenhaus und Senat enthüllten die ganze Tragweite des Iran-Contra-Skandals.95 Sie deckten eine Vielzahl illegaler Aktivitäten auf, in die außer North andere hohe Beamte der ReaganAdministration, wie Sicherheitsberater Robert McFarlane und dessen Nachfolger John Poindexter, verwickelt waren. 1988/89 wurden mehrere Mitarbeiter des Präsidenten angeklagt und verurteilt. Dem Präsidenten selbst konnte keine direkte Einflussnahme auf den Entscheidungsprozess nachgewiesen werden.96 Eine der Hauptinformationsquellen war North, der sich erst zur Aussage vor dem Untersuchungsausschuss bereit erklärte, als ihm Immunität zugesichert wurde. Trotzdem stieß die Immunitätsgewährung im Fall North auf Kritik.97 Im März 1986 war North wegen 16 Verbrechen angeklagt und wurde 1989 wegen Vorteilsnahme (‚accepting illegal gratuity‘), Obstruktion des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens (‚aiding and abetting in the obstruction of a congressional inquiry‘) und Urkundsunterdrückung (‚destruction of documents‘) verurteilt. Er bekam eine dreijährige Freiheitsstrafe, eine Geldstrafe von 150.000 $ und 1.200 Stunden sozialer Arbeit auferlegt. Am 20. Juli 1990 musste das Verfahren gegen North mit der Frage, ob die immunisierte Aussage das Ergebnis des Strafverfahrens beeinflusst hatte, wieder aufgenommen werden. Das Urteil wurde im September 1991 aufgehoben, weil North im Strafverfahren die Zeugenaussage seines Vorgesetzten Pointdexter dazu benutzt hatte, um sein Gedächtnis aufzufrischen. Die Prüfung einer Immunitätsgewährung erfordert also hohen juristischen Sachverstand. Seitens der Kongressuntersuchung und des Attorney General muss vermieden werden, dass der Zeuge so viel wie möglich in seine Aussage aufnimmt, um seinen Schutz vor möglicher Strafverfolgung zu erweitern. Dies erklärt die Zurückhaltung bei der Gewährung von Immunität.

———————— 95

Select Committee on Secret Military Assistance to Iran and the Nicaraguan Opposition (1987-88), S. Res. 23, 100th Cong., 133 Cong. Rec. 782 (1987), 133 Cong. Rec. 1888, 6412, 10935 (1987), Hearings v. 5.-3.8.1987, S. Rept. v. 17.11.1987. Dem Sonderausschuss gingen Untersuchungen in den Ausschüssen zur Kontrolle der Geheimdienste (Select Committee on Intelligence) voraus, H. Res. 12, 100th Cong. 96 Heideking, aaO., S. 466. 97 Wright, Congressional Use of Immunity Grants After Iran-Contra, 80 Minnesota Law Review 1995, S. 407ff.

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

VII. Independent counsel Obwohl das Instrument des Independent Counsel seit 1999 nicht mehr zur Verfügung steht, soll eine kurze Erörterung erfolgen. Denn insbesondere bei der Einführung des Ermittlungsbeauftragten in § 10 PUAG bestand die Befürchtung, dass es sich um eine dem ‚independent counsel‘ vergleichbare Institution handeln könnte und dass die negative Kritik, insbesondere durch den zu weltweiter Berühmtheit gelangten Kenneth Starr, auch den Ermittlungsbeauftragten im Untersuchungsausschussgesetz drohen könnte.98 Der Watergate-Skandal hatte dem Kongress und der amerikanischen Bevölkerung die Gefahren einer unkontrollierten Exekutivspitze vor Augen geführt. Obwohl die Aufdeckung der Watergate-Affäre oft auch als Beweis für das Funktionieren des amerikanischen Systems von Checks and Balances gewertet wurde, war die sog. Postwatergate-Ära von einer Vielzahl neuer Gesetze und institutioneller Reformen geprägt, die das verlorene Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen zurückerobern sollten. Dazu zählten die weitgehenden Neuregelungen im Bereich der Wahlkampffinanzierung, da sich das alte Regelwerk über die Jahre als ungenügend erwiesen hatte, die Verabschiedung des Freedom of Information Act vom 4. Juli 1967 (FOIA),99 wonach jeder Bürger Einblick in behördliche Unterlagen beanspruchen kann, und der Ethics in Government Act aus dem Jahr 1978, der Regierungsangehörige zur Offenlegung ihrer Finanzen zwingt.100 Darüber hinaus setzten Senat und Repräsentantenhaus ständige Ausschüsse zur Überwachung der Geheimdienste ein mit dem Recht der Mittelzuweisung und Gesetzgebung für den CIA. Auf Grund der Erfahrungen des sog. Saturday Night Massacre, in dem Präsident Nixon den Sonderermittler Archibald Cox entließ und den Justizminister zum Rücktritt bewegte, weil sie seinem Wunsch, die Ermittlungen einzustellen, nicht gefolgt waren, wurde die Einrichtung einer unabhängigen Ermittlungsbehörde in Fragen der „Regierungskriminalität“ für erforderlich erachtet. Sie sollte vorrangig in den Verfahren ermitteln, in denen hohe Mitglieder der Exekutive (‚high officials‘) involviert schienen. Durch den Independent Counsel Act von 1978, der Teil des Reformpakets Ethics in Government Act war, entstand das Büro des Special Prosecutor, zu———————— 98

Vgl. Schröder, Die hilflosen Aufklärer, NJW 2000, S. 3332, 3333. 5 U.S.C. 552; vgl. Wald, The Freedom of Information Act: A Short Case Study in Perils and Payback of Legislating Democratic Values, 33 Emory Law Journal 1984, S. 649ff.; Rehbinder, Die Informationspflicht der Behörden im Recht der Vereinigten Staaten, Berlin 1970. 100 Der Begriff „Regierungsangehörige“ umfasst Mitglieder der Exekutive wie der Legislative gleichermaßen. Im US-amerikanischen Sprachgebrauch steht ‚government‘ nicht allein für die richtlinienbestimmende und vollziehende Gewalt, vergleichbar der Bundesregierung, sondern für die beiden ‚branches‘. 99

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ständig für Anschuldigungen gegen amtierende oder ausgeschiedene hochrangige Vertreter der Administration oder der Wahlkampfkampagnen. Der Sonderanwalt war vom Justizdepartment, damit also gleichzeitig von der Bundesanwaltschaft, getrennt, hatte dem Kongress zu berichten und verfügte über die Befugnis, Anklage zu erheben. Der Sonderanwalt wurde durch ein Gremium von Richtern des United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit (Division for the Purpose of Appointing Independent Counsel, kurz: Special Division) ernannt. Vor Einsetzung hatte der Attorney General seine Stellungnahme abzugeben, ob ein ausreichender Tatverdacht dafür vorliege (‚sufficient to constitute grounds‘), dass eine der dem Gesetz unterfallenden Personen gegen „federal criminal law“ verstoßen habe (28 U.S.C. 599). Der Kongress hatte zwar die Aufsicht über das Büro des Sonderanwalts, allerdings keine Handhabe, dessen Amtsführung zu kontrollieren (28 U.S.C. 595). Der Sonderanwalt war befugt, ohne Zeitlimit und ohne Begrenzung der finanziellen Ausgaben zu ermitteln. Nur auf Grund schwerster Verfehlungen hätte der Sonderermittler vom einsetzenden Richtergremium auf Antrag des Kongresses entfernt werden können. Dieser Fall war seit Bestehen des Amtes nie eingetreten. Die Sonderbefugnisse und Privilegien sollten diesem Amt die Unabhängigkeit von der jeweiligen politischen Führung ermöglichen, die gerade bei Ermittlungen innerhalb der Regierung für notwendig erachtet wurde. Am 26. Oktober 1978 unterzeichnete Präsident Carter den Ethics in Government Act, der das Institut des Sonderanwalts gegen ‚high level executive branch officials‘ einschloss. Im Zuge der Änderungen des Ethics in Government Act von 1982 wurde das Amt in Office of Independent Counsel umbenannt.101 Für den Kongress war die Institution des ‚independent counsel‘ insoweit von Interesse, als dieser zur Herausgabe von Ermittlungsergebnissen zwar erst nach Abschluss der Untersuchungen verpflichtet war, aber zur jährlichen Berichterstattung. Die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes wurde 1988 vom Supreme Court in Morrison v. Olson bestätigt.102 Der ‚independent counsel‘ wurde zweimal unter Carter und in der ReaganAdministration zwischen 1983 und 1988 mehrere Male gegen ‚high officials‘ eingesetzt. 1986 beantragte Attorney General Edwin Meese im Zuge der IranContra-Untersuchungen die Einsetzung des ‚independent counsel‘ Lawrence Walsh, der insgesamt vierzehn Anklagen, sieben Geständnisse und vier Verurteilungen erlangte, wobei die Verurteilungen von North und Pointdexter wieder aufgehoben wurden.103 Nachdem der Sonderanwalt Lawrence Walsh fast fünf Jahre im Zusammenhang mit dem Iran-Contra-Skandal ermittelt hatte, wurden ———————— 101 96 Stat. 2039 v. 3.11.1983; Reauthorization Act 1987 (101 Stat. 1293) v. 15.12.1987. 102 Morrison v. Olson 487 U.S. 654 (1988). 103 Siehe § 12 VI., S. 179.

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

Zweifel an der Effizienz des Instituts geäußert. Am 12. Dezember 1992 verfehlte das alle fünf Jahre zu reauthorisierende Gesetz die notwendige Mehrheit. Die Verfahren wurden von der Public Integrity Section des Department of Justice übernommen. Im Zuge der Whitewater-Untersuchungen setzte der Attorney General, Janet Reno, Robert Fiske als Ermittler ein. Die Republikaner im Kongress plädierten für eine Wiedereinführung des ‚independent counsel‘. Präsident Clinton unterzeichnete die Reauthorisierung des Independent Counsel Law Act 1994.104 Zwischen 1994 und 1998 wurden verschiedene Sonderanwälte für die Ermittlungen in den Whitewater-Untersuchungen eingesetzt. 1998 trat Kenneth Starr sein Amt an, der dem Institut letztlich international zu einem zweifelhaften Ruf verhalf. Als Clinton im Frühjahr 1999 hinsichtlich der Zeugenladung Starrs gegen Schlüsselzeugen aus dem Weißen Haus und Agenten des Secret Service das ‚executive privilege‘ erhob, wurde im Frühjahr 1999 das Grand Jury Verfahren im Rahmen des ‚impeachments‘ vor dem Senat eröffnet. Für einige Mitarbeiter verzichtete Clinton auf das Privileg und sie sagten vor der Grand Jury aus. Gerade die Unabhängigkeit von Budgetbegrenzungen und zeitlichen Vorgaben führte zur öffentlichen Kritik an diesem Amtes, welche in der Ermittlung in der sog. Lewinsky-Affäre kulminierte. Ursprünglich war der Ermittlungsführer Kenneth Starr mit der Untersuchung der angeblichen Verwicklungen des Präsidentenehepaares in den Immobilienskandal im Bundesstaat Arkansas beauftragt worden (Whitewater-Untersuchungen). Im Laufe des Verfahrens wurde der Untersuchungsauftrag insbesondere auf die Frage ausgeweitet, ob der Präsident Clinton über die Beziehung zu einer Praktikantin gelogen hatte. Den ausufernden Untersuchungen haftete in der Öffentlichkeit die Wahrnehmung an, der republikanischen Kongressmehrheit ginge es allein um die unverhältnismäßige Ausweitung dieses Skandals. Der Abschlussbericht der Untersuchungen wurde durch die republikanische Mehrheit im Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses sofort nachdem ihn Starr eingereicht hatte, veröffentlicht, obwohl er persönliche und intime Details zu den beteiligten Personen enthielt. Auf Grund dieser unrühmlichen Ermittlungen wurde 1998 auf eine Verlängerung des Gesetzes verzichtet.105 Seine Geltungskraft verlor es am 30. Juni 1999.

———————— 104

PL 103-270. Gegen die Aufgabe dieses Instititus vgl. Walsh, The Need for Renewal of the Independent Counsel Act, 86 Georgetown Law Journal 1998, S. 2379ff.; ders., The Future of the Independent Counsel Law, Wisconsin Law Review 1998, S. 1379ff. 105

§ 12 Untersuchungsbefugnisse und ihre Grenzen

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VIII. Berichterstattung und Debatte Ständige Ausschüsse sind nach Abschluss der Ermittlungen, Sonderausschüsse nach Beendigung ihrer Tätigkeit zur Berichterstattung gegenüber dem Plenum verpflichtet. Berichte (‚reports‘) können ein Minderheitsvotum enthalten, woran sich in der Regel ablesen lässt, ob es sich um eine parteiische (‚partisan‘) oder unparteiische (‚bipartisan‘) Untersuchung gehandelt hat. Sondervoten sind nicht die Regel. Ihnen wird überwiegend die Überzeugungskraft in der Öffentlichkeit abgesprochen. Der Abschlussbericht wird im Plenum debattiert.

§ 13 Parlamentarische Hilfsdienste im Untersuchungsverfahren Die Arbeit der Ausschüsse im Sinne einer kontinuierlichen Verwaltungskontrolle, insbesondere von Regierungsprogrammen und der Durchführung politischer Maßnahmen, erfordert eine Reihe spezialisierter Mitarbeiter in den Ausschusssekretariaten, den Abgeordnetenbüros und den kongresseigenen Behörden. Letztere werden regelmäßig zur umfassenden Berichterstattung aufgefordert. Die Verwendung der Haushaltsmittel wird kontinuierlich geprüft. Während ein Abgeordneter im Repräsentantenhaus mit einem Jahresbudget von ca. 600.000 $ ausgestattet ist und bis zu 18 Mitarbeiter vollzeitig beschäftigen kann,1 sind es für jeden Senator 1,6-2,6 Millionen $ (1999).2 1997 beschäftigte ein Senatsbüro im Durchschnitt 34, ein Abgeordneter im Repräsentantenhaus 14 Mitarbeiter, von denen jeweils zwei Drittel in Washington und ein Drittel im Büro des Heimatstaates beschäftigt sind. Für die Untersuchungstätigkeit des Kongresses sind die Mitarbeiterzahlen in den Abgeordnetenbüros nur bedingt aussagekräftig, denn für die inhaltliche Unterstützung ist vor allem das Ausschusspersonal von großer Bedeutung. In den Kongressausschüssen arbeiten durchschnittlich 52 Mitarbeiter, einschließlich des technischen Personals. 1989 verfügte bspw. das Foreign Affairs Committee im Senat über 98, das Foreign Relations Committee im Repräsentantenhaus über 58 Mitarbeiter.3 Werden investigative Untersuchungen durch ständige Ausschüsse geführt, können je nach Gegenstand und Umfang der Untersuchung zusätzliche Mitarbeiter mit Ermittlungserfahrungen hinzugezogen oder von anderen Behörden, bspw. dem FBI, „ausgeliehen“ werden. Dies ist im Rahmen von ad hocUntersuchungsausschüssen die Regel. Zumeist wird ein Untersuchungsführer (‚head counsel‘) bestimmt, der die Ermittlungen koordiniert und von der Ausschussmehrheit ausgewählt wird. Der Ausschussvorsitzende stellt die Mitarbeiter des Ausschusses ein und übt die Aufsicht aus. Gewöhnlich gibt es einen Mitarbeiterstab der jeweiligen Partei (‚majority staff‘, ‚minority staff‘). Die ———————— 1

Martel, Vom guten Parlamentarier, S. 87. Der Betrag für Senatoren berechnet sich proportional zur Bevölkerungszahl des Heimatstaates. 3 Ornstein/Mann/Malbin, Vital Statistics on Congress, S. 147-149. 2

§ 13 Parlamentarische Hilfsdienste

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Mitarbeiter der Minderheitenfraktion werden durch das höchste Mitglied im Ausschuss (‚ranking member‘) bestimmt. Der Proporz im Ausschuss spiegelt sich in der Anzahl der Mitarbeiter bzw. der Mittel wieder. Die Mitarbeiter haben in investigativen Untersuchungen meist einen juristischen Hintergrund und werden nicht selten aus renommierten Anwaltskanzleien rekrutiert. Sie spielen in den Vernehmungen innerhalb der Voruntersuchungen, manchmal aber auch in der öffentlichen Zeugenvernehmung eine aktive Rolle. Die Geschäftsordnung des untersuchenden Ausschusses kann vorsehen, dass Mitarbeitern das Fragerecht erteilt wird.4 Dass häufig eine große Zahl von externen Rechtsanwälten im Untersuchungsverfahren hinzugezogen wird, liegt nicht nur an der unbedingt erforderlichen juristischen Qualifikation, die bei Ausschussmitarbeitern oder Abgeordnetenmitarbeitern nicht zwingend gegeben ist. Darüber hinaus steigt die Glaubwürdigkeit der Ermittlung in der Öffentlichkeit mit der Glaubwürdigkeit des Untersuchungsführers. Es wird davon ausgegangen, dass angesehene Anwälte um ihre Reputation besorgt seien und sich nicht so zwingend parteipolitisch instrumentalisieren ließen, zumindest aber um Objektivität bemüht seien. Für die Rechtsvertretung von Zeugen, die der Exekutive zuzurechnen sind, ist zwingend eine Mandatierung eines „externen“ Rechtsanwalts erforderlich. Sie kann also nicht durch Rechtsberater des Weißen Hauses erfolgen. Nur ein externer Rechtsanwalt kann das ‚attorney-client privilege‘ in Anspruch nehmen. Ansonsten könnte es zu Überlagerungen mit der öffentlichen Auskunftspflicht von Rechtsanwälten aus dem Weißen Haus gegenüber dem Kongress kommen. Im Übrigen könnte dem Zeugen die verbotene Verwendung von Regierungsgeldern – zur privaten Strafverteidigung – vorgeworfen werden. Parlamentarische Untersuchungen werden in beiden Häusern zumeist vom Büro des entsprechenden Generalinspekteurs (‚general counsel‘) rechtlich und tatsächlich unterstützt. Diese Institution wurde in den 1970er Jahren eingerichtet. Die Angestellten verfügen in der Regel über eine Anwaltszulassung und vertreten den Kongress in gerichtlichen Streitigkeiten. Sie erstellen Gutachten zu rechtlichen Fragen und erarbeiten Geschäftsordungsregeln bei der Einsetzung von ad hoc-Untersuchungsausschüssen (‚rules and procedures‘). Sie bereiten regelmäßig die Ausfertigung zwangsweiser Zeugenvorladungen vor, damit Haftsituationen vermieden werden können. Im Repräsentantenhaus ist das Büro des ‚general counsel‘ dem Sprecher, der gleichzeitig Mehrheitsführer und Parlamentspräsident ist, unterstellt. Trotzdem soll das Büro eine unparteiische Institution sein. Die Informationsbeschaffung wird zu einem Großteil durch die Expertise und Apparate der kongresseigenen Behörden sichergestellt. Dazu gehört die ———————— 4

§ 12 IV.3., S. 170.

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

Library of Congress (LOC) einschließlich des Wissenschaftlichen Dienstes (Congressional Research Service, CRS), das Rechnungsprüfungsamt (General Accounting Office, GAO), das Government Printing Office (GPO) wie auch das Congressional Budget Office (CBO) zur Vorbereitung des komplizierten Haushaltsverfahrens. Das seit 1921 existierende General Accounting Office (GAO) spielt bei parlamentarischen Untersuchungen eine große Rolle. Als Arm des Kongresses hat es die Aufgabe, das Finanzgebaren der Exekutive zu überwachen. Es wird vom Comptroller General geleitet, der vom Präsidenten – mit Zustimmung des Senats – auf 15 Jahre ernannt wird und nur durch ‚joint resolution‘ des Kongresses abgesetzt werden kann. Im Unterschied zum Bundesrechungshof kommt dem GAO nicht nur die nachträgliche Rechnungsprüfung, sondern auch die Analyse der Effizienz von Regierungsprogrammen und deren Durchführung zu. Regelmäßig macht die Behörde alternative Vorschläge mit einem hohen Grad an Unabhängigkeit und Objektivität. Auch der Congressional Research Service (CRS) hat eine überragende Bedeutung bei der Informationsbeschaffung des Kongresses. Der CRS umfasst ca. 2000 Mitarbeiter, zu denen ca. 700 Mitarbeiter der Library of Congress (LOC) gehören. Die LOC ist nicht nur eine Leihbibliothek. 60 Prozent der Mitarbeiter besitzen Analyse- und Recherchekompetenz und einem Hochschulabschluss. Die Mitarbeiter des CRS sind langjährige Beobachter des politischparlamentarischen Systems und der entsprechenden Politikbereiche und erreichen mit einer Publikationsdichte, die der eines deutschen Hochschulprofessors entspricht, nicht selten nationalen Expertenrang. Die Juristen des CRS verfügen häufig über eine Anwaltszulassung und können den Kongress in rechtlichen Streitigkeiten vertreten. Für die Untersuchungstätigkeit ist der juristische Sachverstand der CRS-Mitarbeiter, die vor allem in parlamentarischen Untersuchungsverfahren in der Lage sind, unerfahrene Mitarbeiter in kurzer Zeit zu schulen, unabdingbar.

§ 14 Öffentlichkeit und Geheimhaltung I. Parlamentarisches Öffentlichkeitsprinzip Die US-amerikanische Verfassung äußert sich nicht zur Frage der Öffentlichkeit im Kongress. Der Kongress wird lediglich dazu verpflichtet, ein fortlaufendes Verhandlungsprotokoll (‚congressional record‘), zu führen, das von Zeit zu Zeit zu veröffentlichen ist (Art. I Sect. 5 USVerf.).1 Für den Kongress bestand das Problem in der Vergangenheit weniger darin, die Öffentlichkeit von den Beratungen fern zu halten, als die öffentliche Meinung für das Geschehen im Kongress zu gewinnen. Die Öffnung fast aller Kongressausschüsse und Plenardebatten für Rundfunkübertragungen durch die sog. Sunshine-Rules als Teil des Gesetzes zur Neuorganisation der Legislative in den 1970er Jahren trug erheblich zur Verringerung dieses Defizits bei. Der Senat hatte schon seit 1948 vereinzelt Übertragungen zugelassen. Die Untersuchungen der 1950er Jahre, vor allem des Sonderausschusses zur Untersuchung von Kriminalität (Special Committee to Investigate Crime)2 sowie die Army-McCarthy-Hearings3, erregten besonderes öffentliches Interesse. Ebenso lockten die öffentlichen Zeugenvernehmungen der Warren-Commission, die in den 1960 Jahren den Tod des demokratischen Präsidenten John F. Kennedy untersuchte, Millionen Zuschauer vor die Bildschirme.4 Die Ausnahme zur Regel zu erklären klären, erforderte hingegen noch gewisse Zeit, was von einer wechselnden Diskussion begleitet war.5 Während die Sprecher des Repräsentantenhauses Samuel T. Rayburn (D-US, 1949-1953, 1955-1962) und John W. McCormack (D-US, 1963-1971) noch völlig gegen Fernsehen im Kongress waren, brachte die 1970er-Kongress———————— 1

Ausgenommen sind nur solche Teile, die nach Ermessen des Kongresses der Geheimhaltung erfordern. 2 Senate Special Committee to Investigate Organized Crime in Interstate Commerce, sog. Kefauver-Committee, benannt nach dessen Vorsitzenden Carey E. Kefauver (DTN), S. Res. v. 3.5.1950, S. Rept. 82-725 v. 31.8.1951. 3 Permanent Subcommittee on Investigations, Hearings v. 22.4. bis 17.6.1954, S. Rept. v. 31.8.1954. 4 Executive Order No. 11130 v. 29.11.1963. 5 Zur Debatte Tidmarch, Mandatsträger und Medienmacher, in: Thaysen/Davidson, S. 487.

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

reform einen deutlichen Wandel. Die Diskussion um die Medienöffentlichkeit wurde vor allem vom Streit beherrscht, wer die Kontrolle über die Kameras in den Sitzungssälen haben sollte, die Medienanstalten selbst oder die Abgeordneten. Der Sorge vor der „allgegenwärtigen“ Kamera und unerwünschten Kameraschwenks in alle Bereiche eines Sitzungssaales Rechnung tragend, entschied man sich, die Kameraführung den Mitarbeitern des Kongresses zu überlassen.6 Kurze Zeit später bot sich die bemerkenswerte Möglichkeit, die Anhörungen in den Untersuchungen des Watergate-Committee sowie die Debatten im Amtsenthebungsverfahren zu übertragen. Die Anhörungen des Watergate-Committee im Senat waren bis März 1973 geschlossen. Undichte Stellen im Kongress führten dazu, dass Informationen an die Medien geleitet wurden. Daraufhin entschloss sich der Ausschuss am 28. März 1973 dazu, die Anhörungen für die Folgezeit der Öffentlichkeit – und damit auch dem Fernsehen – zugänglich zu machen. 1986 entschloss sich auch der Senat nach einer Versuchsphase, die Plenar- und Ausschusssitzungen live in Bild und Ton zu übertragen. Heute gehört es zur Selbstverständlichkeit, dass Plenar- und Ausschusssitzungen im Fernsehen übertragen werden. Hearings mit Standkameras aufzunehmen und live im Sender C-SPAN oder im Internet zu übertragen, ist ständige Parlamentspraxis. Der Kongress verfügt über eine Vielzahl von Fernsehund Tonstudios, in denen Videofilme und Tonbänder über politische Inhalte und zum Verfahren der politischen Institutionen angefertigt und an Radio- und Fernsehstationen verteilt werden. Die Geschäftsordnungen beider Kongresskammern weisen das Öffentlichkeitsprinzip, einschließlich der Übertragung durch Hörfunk und Fernsehen, ausdrücklich an: House Rule XI (2): Each meeting for the transaction of business, including the markup of legislation, by a standing committee or subcommittee thereof […] shall be open to the public, in-cluding to radio, television, and still photography coverage […] Each hearing conducted by a committee or subcommittee […] shall be open to the public, including to radio, television, and still photography coverage. Senate Rule XXVI (5): Each meeting of a committee, or any subcommittee thereof, including meetings to conduct hearings, shall be open to the public […] Whenever any hearing conducted by any such committee or subcommittee is open to the public, that hearing may be broadcast by radio or television, or both, under such rules as the committee or subcommittee may adopt.

Dies gilt nicht nur für Anhörungen bzw. Zeugenvernehmungen, sondern regelmäßig auch für alle anderen Sitzungen (‚meetings‘). Die Mehrheit kann den Ausschluss der Öffentlichkeit beschließen. Allerdings haben sich die Kongressabgeordneten so an die Medienpräsenz gewöhnt, dass der Ausschluss die Ausnahme ist. Hinzu kommt der starke rechtliche Schutz der politischen Berichter———————— 6

Tidmarch, aaO., S. 488.

§ 14 Öffentlichkeit und Geheimhaltung

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stattung, der den Ausschluss elektronischer Medien mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit letztlich gleichsetzen würde. II. Ausschluss der Öffentlichkeit und Geheimhaltung Die Öffentlichkeit kann aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes oder aus Geheimhaltungsgründen ausgeschlossen werden, die sich aus der Geschäftsordnung oder aus gesetzlichen Regelungen zum Schutz öffentlicher oder geschäftlicher Geheimnisse ergeben. Einige Ausschüsse tagen per se nichtöffentlich.7 Im sicherheitsrelevanten Bereich sind insbesondere die Anhörungen der Verteidigungsausschüsse (House Armed Service Committee, Senate Armed Service Committee) oder der Ausschüsse zur Kontrolle der Geheimdienste (House Permanent Select Committee on Intelligence, Senate Select Committee on Intelligence) zu nennen.8 Außerdem sind die Anhörungen und Untersuchungsmaterialien der Ethikausschüsse im Stadium der Vorermittlung der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Untersuchungsergebnisse werden nur ex post freigegeben und nur dann, wenn das beklagte Mitglied für schuldig befunden wurde und der Ausschuss der Kammer einen Abschluss- und Empfehlungsbericht vorzulegen hat. Darüber hinaus können Regierungsunterlagen als geheim (‚classified‘) eingestuft und nur bestimmten Abgeordneten zugänglich gemacht werden. Voraussetzung für einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall ist die Mehrheitsentscheidung unter Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Der Ausschuss tagt dann in geschlossener Sitzung (‚closed‘ oder ‚executive session‘). Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen, wenn ein Beweismittel oder eine Aussage geeignet ist, eine Person zu diffamieren oder herabzusetzen oder wenn die Gefahr besteht, dass ein Dritter durch die Aussage mit einem Strafvorwurf konfrontiert werden könnte: „Whenever it is asserted that the evidence or testimony at an investigative hearing may tend to defame, degrade, or incriminate any person […] such testimony or evidence shall be presented in executive session if, in the presence of the number of members required under the rules of the committee for the purpose of taking testimony, the committee determines by vote of a majority of those present that such evidence or testimony may tend to defame, degrade, or incriminate any person.“9

Die Geschäftsordnung des Senats fasst die Geheimhaltungsgründe zum Teil genauer und enger. Die Öffentlichkeit kann hier ausgeschlossen werden, wenn ———————— 7

‚Executive session‘ (Repräsentantenhaus), ‚closed session‘ (Senat). Als Ausnahme können die Anhörungen im Senate Committee on Armed Services zu den Foltervorwürfen der US-Armee im Mai 2004 gelten, die in großem Umfang von den Medien ausgestrahlt wurden (24.5. 2004). 9 House Rule XI (2)(k)(5). 8

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das Beweismaterial im Interesse der nationalen Verteidigung oder aus diplomatischen Gründen geheimzuhalten ist,10 wenn die Identität eines Informanten oder eines Polizeibeamten offengelegt würde oder die Veröffentlichung von Informationen aus einem laufenden Straf- oder Ermittlungsverfahren, dessen Gefährdung bedeuten würde,11 sollten private Geschäfts- und Finanzgeheimnisse veröffentlicht werden.12 Darüber hinaus kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn nur Themen des Ausschusspersonals auf der Tagesordnung stehen.13 In Anbetracht der großen Bedeutung der Pressefreiheit, sind die Anforderungen an die Geheimhaltung staatlicher Informationen vor der Öffentlichkeit besonders hoch, wie der Fall der sog. Pentagon Papers zeigt. Hier ist der Rechtsprechung ein ähnlich restriktiver Kurs wie zur Frage des ‚executive privilege‘ zu entnehmen.14 Der New York Times und der Washington Post wurde von einem Mitarbeiter des Weißen Hauses und Gegner des Vietnamkrieges als geheim klassifiziertes Aktenmaterial zugespielt („History of U.S. Decision-Making Process on Viet Nam Policy“). Es enthielt Informationen über die strategische Kriegsführung im Vietnamkrieg und belegte, dass die Johnson-Regierung (1963-1969) der Bevölkerung bewusst die Wahrheit über das Ausmaß der Verwicklungen in Vietnam verschwiegen hatte. Der Versuch der Nixon-Administration, die Veröffentlichung dieser Studie des US-Verteidigungsministeriums durch eine einstweilige Verfügung zu stoppen, scheiterte in einem umstrittenen Eilverfahren vor dem Supreme Court. Die Regierung berief sich in dem Verfahren New York Times v. United States darauf, dass die Veröffentlichung die nationale Sicherheit gefährden würde. Dies käme einer Vorzensur gleich, meinte der Supreme Court, welcher die Vermutung der Verfassungswidrigkeit anhänge. Die Regierung habe jedenfalls nicht deutlich gemacht, welcher Schaden für die nationale Sicherheit bei Veröffentlichung des Materials entstehen würde. Der bloße Hinweis, dass es sich um geheimes Material handele, genüge nicht, einen ———————— 10 „[W]ill disclose matters necessary to be kept secret in the interests of national defense or the confidential conduct of the foreign relations of the United States“, Senate Rule XXVI (5)(b)(1). 11 „[W]ill disclose the identity of any informer or law enforcement agent or will disclose any information relating to the investigation or prosecution of a criminal offense that is required to be kept secret in the interests of effective law enforcement“, Senate Rule XXVI (5)(b)(4). 12 „[W]ill disclose information relating to the trade secrets of financial or commercial information pertaining specifically to a given person“, Senate Rule XXVI (5)(b)(5). 13 „[W]ill relate solely to matters of committee staff personel or internal staff management or procedure“, Senate Rule XXVI (5)(b)(2). 14 Siehe oben § 10 II.2.b)cc), S. 133.

§ 14 Öffentlichkeit und Geheimhaltung

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solch drastischen Schritt wie den der Vorzensur zu rechtfertigen.15 Das Urteil zeigt den zentralen Stellenwert des 1. Amd. Nicht einmal im Kriegszustand war es möglich, die Veröffentlichung gestohlener geheimer Dokumente zu verhindern. Die USVerf. enthält keine ausdrückliche Grundrechtsvorschrift zum Schutz des Persönlichkeitsrechts bzw. der Privatsphäre. Das Recht wird aus der ‚due process clause‘ des 5. Amd. USVerf. hergeleitet: „[No person shall] be deprived of life, liberty, or property, without due process of law.“ Alle staatliche Gewalt muss bei Eingriffen in Leben, Freiheit und Eigentum ein ordentliches Verfahren einhalten. Über die Beachtung von Verfahrensrechten (‚procedural due process‘) dient die Vorschrift der Rechtsprechung als Quelle neuer, grundrechtsgleicher Rechte wie Ehe und Familie die nicht textlich in der Verfassung erwähnt sind (‚substantive due process‘). In der Leitentscheidung Griswold v. Connecticut aus dem Jahre 1965 hat der Supreme Court erstmals das Recht auf Privatsphäre anerkannt.16 Darüber hinaus wird in der wissenschaftlichen Diskussion für das Recht, keine Auskunft über private Informationen zu geben – insbesondere das Recht am eigenen Wort und Bild – auf das 1. Amd. Bezug genommen, mit der Begründung, dass die Redefreiheit gleichzeitig auch das Recht zu schweigen, und damit das Recht auf Privatheit, beinhalte.17 Dies geht auf Samuel D. Warren und den späteren Richter am Supreme Court Luis D. Brandeis zurück, welche 1890 ‚privacy‘ als „right to be let alone“ aus dem Common Law herleiteten.18 Nach der Geschäftsordnung des Senats kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn eine Person durch die Aussage dem Vorwurf einer Straftat oder anderen Fehlverhaltens ausgesetzt würde, das berufliche Ansehen beschädigt oder sie in anderer Weise der öffentlichen Missachtung ausgesetzt würde oder wenn es sich um eindeutig ungerechtfertigtes Eindringen in die Privatsphäre handeln würde: ———————— 15

New York Times v. United States, 403 U.S. 713 (1971). 381 U.S. 479 (1965). Hintergrund des Falles war ein Staatengesetz, das die Benutzung von Verhütungsmitteln verbot. Mitarbeiter einer Familienberatungsstelle hatten Ehepaare über Verhütungsmittel beraten und wurden deshalb angeklagt. Der Supreme Court sah darin einen Verstoß gegen das Recht auf Privatsphäre und Selbstbestimmung in Bezug auf die Zeugung von Kindern. Die zeitlich nachfolgenden Gerichtsentscheidungen weiteten diesen Grundgedanken aus, z.B. Roe v. Wade, 410 U.S. 113 (1973) (zum Recht auf Abtreibung), Moore v. City of East Cleveland, 431 U.S. 494, 503f. (1977) (Schutz von Familie als ‚liberty‘), bzw. lehnten seine Ausweitung ab, z.B. Bowers v. Hardwick, 478 U.S. 186 (1986) (zum Recht auf sexuelle Selbstbestimmung für jedermann in der häuslichen Privatsphäre, Homosexualität). 17 Prosser, Privacy, 48 California Law Review 1960, S. 383f. 18 Brandeis/Warren, The Right to Privacy, Harvard Law Review 4 (1890), S. 193, 195. 16

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

„[…] will tend to charge an individual with crime or misconduct, to disgrace or injure the professional standing of an individual, or otherwise to expose an individual to public contempt or obloquy, or will represent a clearly unwarranted invasion of the privacy of an individual.“19

Den Betroffenen soll die Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden: „[T]he committee shall afford such person an opportunity voluntarily to appear as a witness.“20 Erfolgt die Zeugenvernehmung unter Ausschluss der Öffentlichkeit, kann der Ausschuss danach trotzdem mit Mehrheitsentscheid das Beweismaterial veröffentlichen, wenn Persönlichkeitsbeeinträchtigungen nicht zu befürchten sind: „Evidence or testimony taken in executive session, and proceedings conducted in executive session, may be released or used in public sessions only when authorized by the committee, a majority being present.“21

Entsprechend dem Grundsatz von ‚pre-trial discovery‘ im amerikanischen Strafverfahren verlegt auch das parlamentarische Untersuchungsverfahren die Befragung von potentiellen Zeugen maßgeblich in das Stadium der Vorermittlungen, in nicht-öffentliche ‚depositions‘. Abgeordnete und Mitarbeiter sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. An den Geheimnisverrat sind Strafandrohungen geknüpft. Gegen Abgeordnete, die gegen Geheimschutzvorschriften verstoßen, können Ethikverfahren eingeleiten werden.22 In den sog. geschlossenen Ausschüssen, bspw. zur Kontrolle der Nachrichtendienste, ist es außerdem üblich, dass das Mitglied, das vertrauliche Mitteilungen weitergibt, den Ausschuss verlassen muss. Die Ausschüsse zur Kontrolle der Nachrichtendienste haben darüber hinaus die Möglichkeit, klassifizierte (‚classified‘) Informationen auch wieder zu deklassifizieren. Der Präsident hat zwar ein Widerspruchsrecht. Praktisch ist dies bisher noch nicht zur Anwendung gekommen, weil immer eine Verständigung zwischen Kongressausschuss und Präsident erzielt werden konnte. Hinsichtlich der Gefahr der öffentlichen Beschädigung und Diskreditierung von Privatpersonen ist darauf hinzuweisen, dass dieser Gefährdung grundsätzlich keine Einrichtungen der Selbstkontrolle der Medien gegenüberstehen. Es ———————— 19

Senate Rule XXVI (5)(b)(3). House Rule XXI (2)(k)(5)(A). 21 House Rule XI (2)(k)(7). 22 Die Verschwiegenheitspflicht ist eine Ausprägung des Amtseides auf die Verfassung, den jeder Kongressabgeordnete nach Art. VI Sect. 3 USVerf. zu leisten hat: „Senators and Representatives […] shall be bound by Oath or Affirmation, to support this Constitution.“ Zuwiderhandlungen können als Verstoß gegen die Ethikvorschriften disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen. Die Verschwiegenheitspflicht ist die wichtigste Einschränkung der ‚speech and debate clause‘ in Art. 1 Sect. 6 Cl. 1 USVerf.: „[F]or any Speech or Debate in either House [Senators and Representatives] shall not be questioned in any other Place.“ 20

§ 14 Öffentlichkeit und Geheimhaltung

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gibt kaum rechtliche Kontrollmöglichkeiten und nur rudimentär informelle Regeln. Es existieren verschiedene Abkommen zwischen Justiz, Anwaltschaft und Presse, welche im Einzelnen jedoch nicht durchsetzbar und damit nur beschränkt wirksam sind.23 Exekutive Einheiten, insbesondere das Weiße Haus, schützen sich dadurch, dass sie prioritäre Informationen an ausgewählte und von ihnen als zuverlässig eingeschätzte Presseorgane geben. Der Versuch der Exekutive, Aktenherausgaben oder Zeugenaussagen mit dem Hinweis auf gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften zu verhindern, hat die Gerichte mehrfach beschäftigt. So wurde die Anwendbarkeit von Sect. 552 des Freedom of Information Act (FOIA)24 – der die Herausgabe amtlicher Dokumente an amerikanische Bürger dann ausschließt, wenn die Geheimhaltung persönlicher Daten betroffen ist – auf parlamentarische Untersuchungen mit der Begründung abgelehnt, dass die Geheimhaltung gegenüber privaten Dritten nicht gleichzeitig die Geheimhaltung gegenüber dem Kongress umfasse.25 Darauf hat der Kongress 1984 durch eine Klarstellung in Sect. 552(d) reagiert.26 Diese Richtlinie wendet der Kongress auch auf die Veröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen an, die nach Sect. 1905 des Uniform Trade Secret Act (UTSA)27 unter Strafe steht. Die Regelung gelte vor allem der Geheimhaltung gegenüber privaten Dritten, nicht gegenüber dem Kongress selbst. III. Berichterstattung in den Medien Grundsätzlich bestimmt jeder Ausschuss oder Unterausschuss selbst in seiner Geschäftsordnung über die Umsetzung der Zugangsregel, also über die Art und Weise der Rundfunk- und Fernsehübertragungen. So sieht z.B. das Permanent Subcommittee on Investigations (PSI) des Ausschusses für Regierungsangelegenheiten im Senat vor, dass eine Entscheidung über den Wunsch eines Zeugen zu ergehen hat, der während seiner Aussage aus bestimmten Gründen, wie Ablenkung, Belästigung, persönliche Sicherheit oder Unbehagen, die Kamera nicht auf sich gerichtet haben will: „A witness may request, on grounds of distraction, harassment, personal safety or physical discomfort, that during the testimony, television, motion picture, and other

———————— 23

Erickson, Fair Trial and Free Press: The Practical Dilemma, 29 Stanford Law Review 1977, S. 478, 492; Standards for Criminal Justice der American Bar Association, Fair Trial and Free Press (27.8.2004). 24 5 U.S.C. 552 v. 4.7.1974. 25 Murphy v. Department of the Army, 612 F.2d 1151, 1155-58 (D.C. Cir. 1979). Im Einzelnen ist die Anwendung höchst umstritten. Siehe auch § 20 II. 26 „This section is not authority to withhold information from Congress“, 5 U.S.C. 552(d). 27 18 U.S.C. 1905.

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cameras and lights shall not be directed at him. Such requests shall be ruled on by the Subcommittee Members present at the hearing.“28

Allerdings enthalten die Geschäftsordnungen von Repräsentantenhaus und Senat einige detaillierte Vorschriften über die Art und Weise der Übertragung.29 Die Geschäftsordnung des Repräsentantenhauses bestimmt, dass Anstand und Würde des Verfahrens sowie aller Beteiligten einschließlich der anwesenden Zuschauer bei der Übertragung gewahrt werden müssen: „with acceptable standards of dignity, propriety, and decorum.“30 Die Öffentlichkeit soll durch eine genaue und objektive Bild- und Tonberichterstattung adäquat über die Verfahren und Gegenstände der Kongressarbeit informiert werden: „[…] for the education, enlightenment, and information of the general public, on the basis of accurate and impartial news coverage, regarding the operations, procedures, and practices of the House as a legislative and representative body, and regarding the measures, public issues, and other matters before the House and its committees, the consideration thereof, and the action taken thereon.“31

Die Berichterstattung darf nicht zu gewerblicher Werbung oder zu parteipolitischen Zwecken verwandt werden: „In addition, it is the intent of this clause that radio and television tapes and television film of any coverage under this clause may not be used, or made available for use, as partisan political campaign material to promote or oppose the candidacy of any person for elective public office.“32

Der Ausschussvorsitzende kann die Aufnahmegeräte im Interesse des Verfahrens oder aus Kapazitätsgründen beschränken oder die Bildung eines sog. Pools anweisen. In diesem Fall wird nur ein Kamerateam zugelassen und verpflichtet, die Aufnahmen anderen Sendern zur Verfügung zu stellen: „[F]or legitimate space or safety considerations, in which case pool coverage shall be authorized.“33 Erfolgt eine Live-Übertragung, darf diese nicht von gewerblicher Werbung unterbrochen werden: „If audio or visual coverage of the hearing or meeting is to be presented to the public as live coverage, that coverage shall be conducted and presented without commercial sponsorship.“34

———————— 28 108th Congress Rules of procedure for the Senate Permanent Subcommittee on investigation of the committeee on governmental affairs v. 26.2.2003, Congressional Record – Senate, S. 2833. 29 House Rule XI (4), Senate Rule XXVI (5). 30 House Rule XI (4)(a)(1). 31 House Rule XI (4)(b)(1). 32 House Rule XI (4)(a)(2)(b). 33 House Rule XI (4)(e). 34 House Rule XI (4)(f)(1).

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Darüber hinaus werden Regeln über die Platzierung der Aufnahmegeräte und den Einsatz von Scheinwerfern getroffen. Kameras können nur von fixen Punkten aufnehmen und demzufolge nicht durch den Raum schwenken, um Reaktionen der Zuschauer oder Randgespräche in Szene zu setzen: „Television cameras shall operate from fixed positions but may not be placed in positions that obstruct unnecessarily the coverage of the hearing or meeting by the other 35 media.“

Flutlicht oder andere Effekte erzeugende technische Hilfsmittel sind nicht zulässig: „[F]loodlights, spotlights, strobelights, and flashguns may not be used in providing 36 any method of coverage of the hearing or meeting.“

Bildreporter dürfen sich nicht zwischen den Zeugentisch und die Ausschussmitgliedern oder in anderer Weise positionieren, die die Vernehmung beeinträchtigen könnte: „Photographers may not position themselves between the witness table and the members of the committee at any time during the course of a hearing or meeting […] may not place themselves in positions that obstruct unnecessarily the coverage of the hearing.“37

Ein mit ‚subpoena‘ geladener Zeuge kann behaupten, dass die Gefahr der Diffamierung bestehe und beantragen, die Öffentlichkeit auszuschließen. Der Untersuchungsausschuss kann feststellen, dass aus seiner Sicht die Gefahr einer Vorführung oder Diffamierung des Zeugen nicht besteht, und die Fortsetzung in öffentlicher Sitzung mit Mehrheit beschließen.38 Der freiwillig erscheinende Zeuge kann den Ausschluss der Öffentlichkeit nur anregen. Sog. ‚public officials‘ können sich in Kongressuntersuchungen auf den Schutz nur sehr eingeschränkt auf das Persönlichkeitsrecht berufen. Dies folgt der Rechtsprechung des Supreme Court zum 1. Amd. USVerf., welcher auch der Schutz vor Verleumdungen entnommen wird.39 Das Gericht schätzt in der Leitentscheidung New York Times v. Sullivan den Wert der offenen und kritischen politischen Auseinandersetzung so hoch ein, dass sich Amtsträger auf den Schutz der allgemeinen Gesetze über Beleidigungen und Verleumdung nur eingeschränkt berufen können.40 Die Debatte über öffentliche Angelegenheiten müsse uneingeschränkt, robust und weit offen („uninhibited, robust, and wide———————— 35

House Rule XI (4)(f)(1). House Rule XI (4)(f)(6)(B). 37 House Rule XI (4)(f)(8). 38 „[T]he committee shall proceed to receive such testimony in open session only if the committee, a majority being present, determines that such evidence or testimony will not tend to defame, degrade, or incriminate any person.“, House Rule XI (2)(k)(4)(B). 39 Beauharnais v. Illinois, 343 U.S. 250 (1952). 40 376 U.S. 254 (1964). 36

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open“) sein. Sie kann sehr wohl „hitzige, beißende und manchmal unangenehm scharfe Attacken auf die Regierung und die Vertreter öffentlicher Gewalt umfassen“ („include vehement, caustic, and sometimes unpleasantly sharp attacks on government and public officials“).41 Die Äußerungen können auch irrtümlich erfolgen, da sie häufig dem unmittelbaren Wahrheitsbeweis nicht zugänglich sind.42 Die Beeinträchtigung des beruflichen Ansehens eines Vertreters öffentlicher Gewalt erfordere keine Restriktion der Meinungsfreiheit, da ‚public officials‘ naturgemäß Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung seien: „Injury to official reputation affords no more warrant for repressing speech that would otherwise be free than does factual error […] where judicial officers are involved […] [P]ublic officials are subject to public scrutiny and [c]riticism of their official conduct does not lose its constitutional protection merely because it is effective criticism and hence diminishes their official reputation […] [N]either factual error nor defamatory content could penetrate the protective circle of the First Amendment.“43

Dies sei gerade die „lesson“ aus der großen Debatte um den Sedition Act von 1798 gewesen.44 Nur dann, wenn sie beweisen können, dass eine gegen sie persönlich gerichtete Behauptung unwahr ist und dass der Täter dies gewusst ———————— 41 „The general proposition, that freedom of expression upon public questions is secured by the First Amendment has long been settled by our decisions […][W]e consider this case against the background of a profound national commitment to the principle that debate on public issues should be uninhibited, robust, and wide-open, and that it may well include vehement, caustic, and sometimes unpleasantly sharp attacks on government and public officials.“, New York Times Co v. Sullivan, 376 U.S. 254, 270 (1964). In dem Fall ging es um ein Inserat, in dem der Polizei von Montgomery verschiedene Ungesetzlichkeiten gegenüber schwarzen Bürgerrechtlern und ihren Sympathisanten vorgeworfen wurde. Die Anschuldigungen waren teilweise nicht korrekt. 42 „That erroneous statement is inevitable in free debate, and that it must be protected if the freedoms of expression are to have the ,breathing space‘ that they need […] to survive,“ (Auslassungen im Original), New York Times Co v. Sullivan, 376 U.S. 254, 272 (1964). 43 New York Times Co v. Sullivan, 376 U.S. 254, 272-273 (1964). 44 Die politischen Auseinandersetzungen in Flugschriften, Zeitungen und den weit verbreiteten Predigten hatten der öffentlichen Diskussion im Vorfeld der amerikanischen Revolution eine besondere Dynamik verliehen. Nahezu alle Revolutionsführer traten zugleich als Autoren auf. Obwohl 1791 die Rede- und Pressefreiheit nach dem Vorbild von Art. 12 der Virginia Bill of Rights v. 12.6.1776 im 1. Amd. zur Bundesverfassung aufgenommen wurde, entzündete sich eine große politische Auseinandersetzung um die Frage, welche Kritik an der Regierung erlaubt sei. Der Sedition Act, ein Teil der drei Alien und Sedition Acts von 1798, der vom zweiten Präsidenten John Adams und seinen Parteifreuden, den Federalists, durch den Kongress gepeitscht wurde, verbot unter Androhung von Geld- und Gefängnisstrafen die Veröffentlichung von „any false, scandalous or malicious writing“ gegen die Regierung und richtete sich damit direkt gegen die Parteipresse der Democrat-Republicans unter Thomas Jefferson. Das Gesetz war bis zum Ende der Legislaturperiode befristet und erledigte sich mit den Neuwahlen von 1801. Der Supreme Court erklärte es 1964 in der Entscheidung New York Times Co v. Sullivan , aaO., nachträglich für verfassungswidrig.

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oder sich rücksichtslos über die Möglichkeit der Unwahrheit hinweggesetzt hat, können ‚public officials‘ gegen abfällige Äußerungen vorgehen.45 Dieser sog. New York Times-Standard wird auch auf den Schutz am eigenen Wort und Bild angewendet, der aus dem Recht auf ‚privacy‘ resultiert, das vorwiegend aus dem 1. Amd. USVerf. abgeleitet wird.46 Diese Einschränkung des Ehrenschutzes wurden vom Supreme Court in einzelnen Fällen auf sonstige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (‚public figures‘) ausgedehnt.47 Allerdings hat das Gericht versucht, den Bereich einzugrenzen: „Public figures […] are those who occupy positions of such persuasive power and influence that they are deemed public figures for all purposes or have thrust themselves to the forefront of particular public controversies in order to influence the resolution of the issues involved, and are public figures with respect to comment on those issues.“48

Ausgenommen sind danach Privatpersonen, die ohne eigenes Zutun in das Licht der Öffentlichkeit gezogen werden.49 Bei Privatpersonen findet die Beweislastumkehr, wie sie in der Entscheidung New York Times v. Sullivan zu Lasten von ‚public officials‘ getroffen worden ist, keine Anwendung. Es besteht der volle Schutz vor Diffamierungen und Verleumdungen, auch wenn sie in die Debatte um eine öffentliche Angelegenheit („in a matter of public interest“) involviert sind. 50 In Kongressverfahren werden Personen, die in keinem ———————— 45 Der Supreme Court entschied in New York Times v. Sullivan, 376 U.S. 254 (1964), dass ein Ehrverletzungsdelikt nur dann vorliege, wenn die Amtsträger den Redakteuren der Zeitung aktuell böswillige Verleumdungsabsicht (‚actual malice‘) oder grobe Fahrlässigkeit nachweisen können. Diese liege nur dann vor, wenn sie mit Wissen von der Unrichtigkeit oder unter leichtfertiger Nichtberücksichtigung der Frage, ob die Meldung richtig oder falsch sei, erfolgt sei. Zur Begründung verwies der Supreme Court darauf, dass der strikte Wahrheitsbeweis bei Massenmedien deshalb in den Hintergrund trete, weil bei unklaren Sachverhalten sonst von vornherein auf eine Veröffentlichung verzichtet würde, um möglichen Schadenseratzforderungen zu entgehen. Vgl. Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 172 m.w.Nachw. 46 „The language of the political arena […]. is often vituperative, abusive, and inexact.“, Watts v. United States, 394 U.S. 705, 708 (1971). 47 Hustler v. Falwell, 485 U.S. 46 (1988). Danach muss auch ein hasserfüllter und offenbar satirischer Angriff auf politische Gegner von diesen erduldet werden. Dem seinerseits stark polarisierenden rechtskonservativen Moralprediger Falwell wurde vom Hustler Magazin in scharfer und geschmackloser Weise eine inzestuöse Beziehung unterstellt. Der Supreme Court hielt die Behauptung für so offensichtlich parodistisch überzogen, dass dem „free flow of ideas and opinions“ der Vorrang zu geben sei. Es sei nicht erkennbar gewesen, dass es sich um eine bewusste Lüge oder extreme Fahrlässigkeit gehandelt habe. 48 Gertz v. Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323, 345 (1974); Time, Inc. v. Firestone, 434 U.S. 424 U.S. 448 (1976). 49 Gertz v. Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323 (1974). 50 Philadelphia Newspapers v. Inc. v. Hepps, 475 U.S. 767 (1986).

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öffentlichen Verantwortungsverhältnis stehen, deshalb regelmäßig in den Vorermittlungen (‚depositions‘ oder ‚staff depositions‘) befragt, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen. Die öffentliche Zeugenvernehmung von Privatleuten ist, insbesondere vor dem Hintergrund der Untersuchungen von Sen. McCarthy, heute die Ausnahme. Da auch in ‚depositions‘ die Wahrheitspflicht gilt und die Eidesleistung verlangt werden kann, ist diese Form der Vernehmung ein wirksames Aufklärungsinstrument im schonenden Umgang mit den Persönlichkeitsrechten der Zeugen. Zu einer Klarzustellung, in welchen Fällen es sich um ‚public officials‘ handelt, d.h. in welcher Hierachie-Stufe diese Personen angesiedelt sein müssen, hat der Supreme Court keine Veranlassung gesehen: „[…] to determine how far down into the lower ranks of government employees the ,public official‘ designation would extend for purposes of this rule, or otherwise to specify categories of persons who would or would not be included. No precise lines need be drawn “51

Ausgehend von Sinn und Zweck der öffentlichen Debatte sei maßgeblich die Bedeutung des Amtes, der Einfluss und die Verantwortlichkeit der betreffenden Person: „Where a position in government has such apparent importance that the public has an independent interest in the qualifications and performance of the person who holds it […] There is, first, a strong interest in debate on public issues, and, second, a strong interest in debate about those persons who are in a position significantly to influence the resolution of those issues. Criticism of government is at the very center of the constitutionally protected area of free discussion. Criticism of those responsible for government operations must be free, lest criticism of government itself be penalized. It is clear, therefore, that the ,public official‘ designation applies at the very least to those among the hierarchy of government employees who have, or appear to the public to have, substantial responsibility for or control over the conduct of governmental affairs.“52

Die Einschränkungen gelten auch für Personen, die sich für öffentliche Ämter bewerben.53 Da ‚public officials‘ nur sehr eingeschränkt ein Recht am eigenen Wort und am eigenen Bild geltend machen können, wird häufig versucht, den Ausschluss ———————— 51

Rosenblatt v. Baer, 383 U.S. 75, 85 (1966). Rosenblatt v. Baer, 383 U.S. 75, 85 (1966). 53 „The principal activity of a candidate in our political system, his ‚office‘ so to speak, consists in putting before the voters every conceivable aspect of his public and private life that he thinks may lead the electorate to gain a good impression of him. A candidate who, for example, seeks to further his cause through the prominent display of his wife and children can hardly argue that his qualities as a husband or father remain of ‚purely private‘ concern. And the candidate who vaunts his spotless record and sterling integrity cannot convincingly cry ‚Foul‘ when an opponent or an industrious reporter attempts to demonstrate the contrary“, Monitor Patriot Co. v. Roy, 401 U.S. 265, 274 275 (1971). 52

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der (medialen) Öffentlichkeit auf dem Verhandlungsweg mit dem betreffenden Kongressausschuss zu erreichen. Dies gelingt vor allem Mitgliedern des Weißen Hauses, weil der Kongressausschuss befürchten muss, dass begehrte Informationen unter Berufung auf das ‚executive privilege‘ zurückgehalten werden, im Streitfall lange Gerichtsverfahren nach sich ziehen können und möglicherweise erfolglos verlaufen, da sich die Justiz in Zurückhaltung übt. So konnte bspw. die Vernehmung von Präsident George W. Bush vor der 9/11Commission am 29. April 2003 unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Weißen Haus stattfinden, obwohl dafür kein rechtliches Erfordernis ersichtlich war. Darüber hinaus erreichten die Verhandlungen, dass die Vernehmung von Präsident Bush in Begleitung seines Rechtsberaters, White House Counsel Alberto R. Gonzales, und des Vizepräsidenten Richard B. „Dick“ Cheney (R-WY) erfolgten. Tonbandmitschnitte wurden ebenso wie die Vereidigung oder die Protokollierung oder sonstige Veröffentlichungen abgelehnt. Besondere Aufmerksamkeit erlangen Zeugenvernehmungen in anlassbezogenen Untersuchungen, wie bspw. die öffentlichen Anhörungen der 9/11Commission und des Senate Committee on Armed Services zur Kriegsführung der USA im Irak zeigten. Heute sind solche Vernehmungen live über die Internetseite des Senders C-SPAN zu verfolgen und haben großen Informationswert für das interessierte Publikum erlangt. Bereits im Jahre 1976 zeigte eine Untersuchung, dass über 35 Prozent der Berichterstattungen über den Kongress besonderes Interesse an Zeugenvernehmungen in Anhörungen haben.54 Den Zugang elektronischer Medien zu Kongressuntersuchungen auf Grund möglicher Skandalisierungstendenzen einzuschränken, wird nicht diskutiert. Die öffentliche Kritik bezieht sich vielmehr auf einzelne Abgeordnete oder einzelne Untersuchungsmethoden. Dieser Form der Kritik wird eine größere Wirkung auf Verhaltensänderungen der Beteiligten zugeschrieben als dem Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Taktik, parlamentarische Untersuchungen parteipolitisch zu nutzen, führt nicht immer zum Erfolg. Häufig bleibt unklar, wem die Stimme der Öffentlichkeit zum Vorteil gereichen wird. Dies zeigten die WhitewaterUntersuchungen und das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Clinton 1998. Wie McCarthy 1953/54 diskreditierten sich auch die republikanischen Anklageführer im Kongress gegen den demokratischen Präsidenten. Die schrillen Vernehmungs- und Veröffentlichungsmethoden des Sonderanklägers Kenneth Starr und das Verhalten der republikanischen Kongressmehrheit in Verbindung mit der Veröffentlichung des Starr-Reports, der intime Details beinhaltete, durch den Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses am 11. September 1998 gingen in der öffentlichen Wahrnehmung zu Lasten der republikanischen ———————— 54

Robinson/Appel, Network News and Coverage, S. 410.

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Partei. Resultat oder Begleiterscheinung des Clinton-Impeachments war, das der republikanische Speaker Newton L. „Newt“ Gingrich (R-GA) im September 1999 zurücktrat. Die Bedeutung der Presse ist in den letzten 50 Jahren zugunsten der elektronischen Medien zurückgegangen. Die meisten Städte verfügen nicht mehr über mehrere Zeitungen. Das Fernsehen und das Internet sind heute die größten Verbreitungsräume für die Berichterstattung über den Kongress. Gleichzeitig besteht ein Vorrang des Privatfernsehens. Im Unterschied zu Deutschland gibt es in den Vereinigten Staaten kein geschütztes „duales System“ des Nebeneinanders von öffentlichem und privatem Rundfunk. Allerdings haben sich nichtkommerzielle Rundfunkanstalten wie NPR (National Public Radio) oder der Fernsehsender C-SPAN durchgesetzt. Für die Berichterstattung über den Kongress ist der Kabelkanal C-SPAN (Cable-Satelite Public Affairs Network) von besonderer Bedeutung, der seit 1979 aus dem Repräsentantenhaus und seit 1986 permanent aus dem Senat sendet und mittlerweile über drei Programmkanäle und ein Radioprogramm verfügt.55 Hier werden die meisten Live-Übertragungen aus dem Kongress, insbesondere den Ausschüssen aufgenommen, gesendet und in ca. 2000 lokale Kabelnetze verteilt. Die Übertragungen über C-SPAN haben einen besonderen Stellenwert erlangt, weil sie als ausgewiesen unparteiisch angesehen werden und der Berichterstattung über Aktionen im Kongress und seinen Ausschüssen eine hohe Qualität bescheinigt wird.56 Die komplizierten Abläufe werden in ‚call in shows‘ verständlich gemacht, in denen die jeweilige Fraktionsführung erklärt, was in der entsprechenden Woche passiert ist oder passieren wird. Die Zahl der beim Kongress registrierten Reporter steigt ständig. 1983 betrug sie bereits 1200.57 Das bedeutet nicht, dass die Sitzungen überfüllt sind. Fernseh-, Zeitungs- und Zeitschriftenkorrespondenten ziehen häufig LiveÜbertragungen im Parlamentskanal oder C-SPAN der persönlichen Anwesenheit vor. Darüber hinaus ist die spezielle Berichterstattung über den Kongress im Congressional Quarterly und dem National Journal, welche auch online verfügbar sind, zu erwähnen.58 Sie informieren über Anhörungstermine und Anhörungsergebnisse, bieten Berichterstattung von hoher Qualität und Tiefe und sind besonders für Journalisten, Akademiker und Lobbyisten ‚inside the ———————— 55 C-SPAN wurde von der Kabelindustrie als Non-Profit-Unternehmen gegründet, um aus dem Kongress zu berichten. Er wird nicht von der Regierung finanziert und sendet keine kommerzielle Werbung. 56 „[A]fter 20 years has proven its worth over and over again“, Mann/Ornstein, Congress, the press, and the public, S. 9. 57 Tidmarch, Mandatsträger und Medienmacher, in: Thaysen/Davidson, S. 483. 58 (24.7.2004), (24.7.2004).

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loop‘59 von großer Bedeutung. Kein anderes Parlament der Welt bietet einen so weiten Zugang zu legislativen Inhalten wie der Kongress. Die „legislativen Datenbanken“ geben in großem Umfang Einblick in aktuelle und vergangene parlamentarische Untersuchungsverfahren.60

———————— 59

‚Loop‘ bezeichnet umgangssprachlich den politisch besonders informierten und interessierten Kreis derer, die aus beruflichen Gründen eine starke Assoziation mit dem Kongress und der Exekutive unterhalten. 60 (24.5.2004).

§ 15 Besonderheiten der Ethikverfahren Der Begriff Ethik (,ethics‘) wird im amerikanischen Englisch nicht im Sinne moralischer Standards und einer nicht zu normierenden Kategorie wie das deutsche „Ethos“ verwendet, sondern im rationaleren Sinne eines Kanons von Verhaltensregeln.1 I. Die Disziplinierungsgewalt des Kongresses gegenüber seinen Mitgliedern Der Kongress nimmt das seit dem 16. Jahrhundert vom englischen Parlament wahrgenommene Recht in Anspruch, Mitglieder wegen ‚breach of privilege‘, gegebenenfalls auch wegen schlechten außerparlamentarischen Verhaltens, zur Rechenschaft zu ziehen. Dem Parlament steht nach Art. I Sect. 5 USVerf. eine unbeschränkte Disziplinierungsgewalt gegenüber seinen Mitgliedern zu: „Each House shall be the Judge of the Elections, Returns, and Qualifications of its own Members […] Each House may determine the Rules of its Proceedings, punish its Members for disorderly Behavior, and, with the Concurrence of two thirds, expel a Member.“

Als Begründung für disziplinarische Maßnahmen genügt es, dass ein Verhalten als verwerflich erachtet wird, das den Kongress in Verruf bringt, d.h. es muss sich nicht notwendig um einen Gesetzesbruch handeln.2 Dies ist Ausfluss des Amtseides, den alle Kongressabgeordneten nach Art. VI Sect. 3 USVerf. vor Aufnahme ihrer Parlamentstätigkeit „durch Eid oder Gelöbnis“ ablegen: „Senators and Representatives […] and all executive and judicial Officers shall be bound by Oath or Affirmation, to support this Constitution.“

Abgeordnete können wegen ordnungswidrigen Verhaltens bestraft und mit Zwei-Drittel-Mehrheit ausgeschlossen werden (‚exlusion‘). Gründe für eine Ausschließung nennt die Verfassung nicht und überbelässt es dem Kongress, ———————— 1

Zur „Ethik-Infrastruktur“ in den USA siehe auch die politikwissenschaftliche Untersuchung von Behnke, Ethik in Politik und Verwaltung, S. 140ff., die dem ausführlichen Bericht über die Ethikregeln und deren praktische Anwendung eine Analyse des Vertrauens in die politischen Institutionen nach dem Principal-Agent-Modell hinzufügt, S. 239ff. 2 Martel, Vom guten Parlamentarier, S. 107.

§ 15 Besonderheiten der Ethikverfahren

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über Art und Umfang der Bestrafung selbst zu entscheiden. Der Supreme Court bestätigte den weiten Ermessensspielraum (‚unbridled discretion‘).3 Den Ausschluß als härteste Strafe behält sich der Kongress für ganz besonders schwerwiegende Verfehlungen vor, da es sich um einen schweren Eingriff in die Souveränität des Wahlvolkes handelt.4 Die prominenteste Bestrafung ist der öffentliche Tadel (‚censure‘). Als formale Art der Missbilligung kann der Tadel mit einfacher Mehrheit des jeweiligen Hauses durch ‚censure resolution‘ verabschiedet werden. Die Resolution wird im Plenum verlesen; der Betroffene muss dabei vor das Plenum treten. Eine Verwirkung von Rechten ist damit nicht verbunden. Der Tadel kann nicht nur bei Verstößen gegen die Ethikvorschriften erteilt werden, sondern betrifft jedes Verhalten eines Abgeordneten, das unvereinbar mit der Vertrauensstellung und seinen Pflichten ist.5 Eine schwächere Form der Missbilligung ist der Verweis (‚reprimand‘).6 Die Strafe wurde erstmals 1990 vom Senat anlässlich einer verwerflichen sexuellen Beziehung zwischen einem Abgeordneten und einem Pagen erteilt, weil der Tadel als zu streng empfunden wurde. Daneben kommen Geldstrafen (‚fine‘) oder die Aberkennung von Privilegien in Betracht. Bei einem Tadel ist mit der Aberkennung des Ausschussvorsitzes (‚chairman‘) zu rechnen. II. Entwicklung der Ethikverfahren Obwohl die Kompetenz zur Disziplinierung seiner Mitglieder weitreichend ist, verzichtete der Kongress lange auf formale Verhaltensregeln und Mechanismen der Durchsetzung und vertraute auf die Urteilskraft der Wählerschaft. Die Notwendigkeit, formale Verhaltensregeln und Verfahren zu deren Durchsetzung zu entwickeln, wurde, solange der Staat eine untergeordnete Rolle im ———————— 3

United States v. Brewster, 409 U.S. 501, 519 (1972). Ausschließungen sind im Senat 32 mal erwogen, 15 mal vollzogen worden. Im Repräsentantenhaus kam es zu vier Ausschließungen, wobei drei in der Zeit des Bürgerkrieges (1861-64) als Strafe für Illoyalitäten gegenüber der Union verhängt wurden. Der einzige Fall einer Ausschließung im 20. Jahrhundert war der des Rep. Michael J. Myers (D-PA) im Zusammenhang mit der Abscam-Affäre im Jahre 1980. Im Rahmen eines Antikorruptionsprojekts der Regierung mit dem Namen Abscam („Abdul Scam“) wurden sieben Kongressmitglieder vom Federal Bureau of Investigation (FBI) der Bestechung überführt. Verdeckte Ermittler des FBI traten als reiche Araber mit dem Vorschlag vor die Abgeordneten, in ihren Wahldistrikten investieren zu wollen. Im Gegenzug dazu sollten die Abgeordneten Aufenthaltsbewilligungen durch Einzelgesetze (‚private bills‘) beschaffen oder ihren Einfluss bei der Vergabe von Bundessubventionen geltend machen. Die sieben Abgeordneten, die in diesem Sinne aktiv wurden, wurden gerichtlich verurteilt, legten ihr Mandat nieder oder verloren – bis auf Michael Myers – die Wiederwahl im Herbst 1980. Myers musste vom Kongress ausgeschlossen werden, H. Res. 794 v. 2.10.1980. 5 In re Chapmann, 166 U.S. 661 (1897). 6 Martel, Vom guten Parlamentarier, S. 197. 4

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Leben der Bürger spielte, nicht erkannt. Die politische Macht galt als begrenzt. Gelegentlich aufgedeckte Fälle der Korruption boten wenig Grund zur Sorge. Untersuchungen im Bereich der Verhaltensnormen wurden durch ad hocUntersuchungsausschüsse oder vom Gesamtplenum geführt. Dies änderte sich jeweils nach den beiden Weltkriegen und nach der Zeit der sog. Great Depression in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Der öffentliche Sektor expandierte. Der politische Einfluss auf die wirtschaftlichen Verhältnisse wuchs. Obwohl die Exekutive nach wie vor die politische Landschaft bestimmte, erhöhte sich auch die Gestaltungsmacht des Kongresses. Mit der Kongressreform von 1946 versuchte der Kongress das Defizit an Ressourcen gegenüber der Exekutive zu kompensieren. Erstmals wurde Abgeordneten und Ausschüssen ermöglicht, eigenes Personal einzustellen. Dies führte auch zu einer größeren Sensibilität hinsichtlich der Frage möglicher Interessenkonflikte von Abgeordneten bzw. deren Mitarbeitern. Untersuchungsausschüsse fanden schon in den 1930er und 1940er Jahren eine Vielzahl von Unregelmäßigkeiten in verschiedenen Verwaltungszweigen bis hin zu Beziehungen zum organisierten Verbrechen.7 1951 deckten Kongressuntersuchungen ein „Netz an Einflussnahme“ im Umfeld der Reconstruction and Finance Corporation auf.8 Zudem entspann sich eine öffentliche Diskussion um zulässige Nebeneinkünfte von Abgeordneten.9 Die Untersuchungstätigkeit des Kongresses brachte vielfach ans Tageslicht, dass gerade Kongressabgeordnete versucht hatten, auf die Verwaltung unzulässigen Einfluss zu nehmen. In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck eines doppelten Standards für Verwaltung und Kongress.10 Die Bemühungen um einen Ethikkodex blieben erfolglos, weil mit dem Wahlsieg von Präsident Dwight D. Eisenhower 1952 der Öffentlichkeit das Ende der Korruption gekommen zu sein schien.

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Senate Special Committee to Investigate Organized Crime in Interstate Commerce (1951), S. Rept. 82-725. 8 Die 1932 gegründete Reconstruction and Finance Corporation hatte die Aufgabe, in Schwierigkeiten geratene Banken finanziell zu unterstützen. Während des Zweiten Weltkrieges und der Koreakrise vergab sie Darlehen an die Verteidigungsindustrie und war an der Liquidierung von Kriegsgütern beteiligt. Die Kongressuntersuchungen brachten zu Tage, dass die Kreditvergabe jeweils gegen „Provisionszahlungen“ an Staatsbedienstete, sog. five percenters, erfolgte. Selbst die Steuerbehörde stellte sich als korrupt heraus. 9 Vgl. Amer, History of Congressional Ethics Enforcement, S. 3. 10 1959 waren 200 Anwälte im Kongress, von denen keiner seine Praxis aufgegeben hatte, obwohl der Senat den Anwärter für das Amt des State Secretary, Dean Acheson, 1959 nur unter der Voraussetzung bestätigen wollte, dass dieser aus seiner Anwaltspraxis austrete, Newsweek v. 20.4.1959, S. 36.

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Die Kritik verstärkte sich jedoch wieder anlässlich des Nepotismus-Skandals von 1958.11 Der Auslöser, der zum Erlass des Ethikkodex (Code of Ethics for Government Service)12 führte, war die sog. Sherman Adams-Affäre im Sommer 1958.13 Sie versetzte vor allem die republikanischen Abgeordneten vor den anstehenden Kongresswahlen in Unruhe und hatte damit eine schnelle Verabschiedung des Ethikkodex zur Folge.14 Grundlage des Kodex war der Bericht des Douglas-Subcommittee.15 Der Ausschuss erkannte die Notwendigkeit ethischer Regeln für den Staatsdienst an, lehnte formale Verhaltensrichtlinien für Abgeordnete hingegen ab. Die Idee eines speziellen Ethikkodex wurde befürwortet.16 Der Ethikkodex wurde von Senat und Repräsentantenhaus schließlich als ‚concurrent resolution‘ verabschiedet. Diese Art der Resolution ist rechtlich nicht bindend und gewöhnlich nur bis zum Ende der Wahlperiode gültig. Trotz fehlender Rechtskraft wird bis heute von den Abgeordneten erwartet, dass sie den „58er-Kodex“ einhalten. Die Ethikausschüsse haben sich wiederholt auf dessen Bestimmungen bezogen.17 Die 1960er Jahre leiteten die Formalisierung des Ethik-Verfahrens im Kongress ein und führten zur Etablierung der Ethikausschüsse. Anlass für den Senat war erneut eine Korruptionsaffäre. Diesmal wurde gegen einen Mitarbeiter des Senats, Robert Baker, ermittelt, der seit 1955 Sekretär der demokratischen Mehrheit und rechte Hand des Mehrheitsführers und späteren Präsidenten Lyndon B. Johnson (D-TX) war (sog. Bobby Baker-Case).18 Die 16-monatigen Untersuchungen hatten nicht nur Bakers geschäftliche und finanzielle Interes———————— 11

Es stellte sich heraus, dass 57 Mitglieder des Repräsentantenhauses und 13 Senatoren Verwandte auf ihren staatlichen Gehaltslisten hatten. Für die Justiz und die Verwaltung hatte der Kongress bereits 1883 und 1887 entsprechende Anstellungsverbote erlassen. 12 H. Res. 175 v. 11.5.1958. 13 Sherman A. Adams war die rechte Hand (‚chief of staff‘) von Präsident Dwight D. Eisenhower im Weißen Haus. Ihm wurde vorgeworfen, von Bernard Goldfine, einem Geschäftsmann, wertvolle Geschenke entgegengenommen zu haben. Adams gestand dies letztlich in seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses (House Special Subcommittee on Legislative Oversight) im Juni 1958, U.S. News & World Report v. 27.6.1958, S. 78-91. 14 H. Res. 175, 85th Cong. (1958). Diese sog. 10 Gebote waren schon 1951 von Repr. Charles E. Bennet (D-FL) erfolglos vorgeschlagen worden, H. Res. 125-132, 92d Cong. (1951). 15 Benannt nach dem Vorsitzenden Sen. Paul Douglas (D-IL). Der 1951 eingesetzte Ausschuss hatte die Aufgabe erhalten, Ethikdefizite festzustellen und den Vorschlag Sen. William Fulbrights (D-AR) zu überprüfen, eine aus verdienten Bürgern zusammengesetzte Ethikkommission für alle Bundesbehörden zu kreieren, S. Res. 21, 82d Cong. (1951). 16 S. Rept. 933, 82d Cong., 1st Sess. (1951). 17 Martel, Vom guten Parlamentarier, S. 157. 18 CQ Almanac (1963), S. 1104-1106.

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sen zum Gegenstand, sondern auch die aller anderen Angestellten, um die Hintergründe, die zu Bakers Verfehlungen führen konnten, zu beleuchten. Die Untersuchung war stark parteipolitisch geprägt. Zeugen, die die Minderheit vorschlug, wurden regelmäßig nicht vorgeladen, Baker erschien vor dem Senatsausschuss, verweigerte aber die Aussage.19 Die Affäre belastete das Ansehen des Senats schwer und mündete in eine breite Reformdiskussion. Offenlegungsvorschriften fanden trotzdem keine Mehrheit im Senat. Statt dessen beschloss der Senat im Juli 1964, einen sechsköpfigen Ethikausschuss (Senate Select Committee on Standards and Conduct)20 zu bilden, der als eine Anlaufstelle für jegliche Beschwerden gegen Senatoren und Senatsmitarbeiter ohne Überweisung durch den Gesamtsenat dienen sollte.21 Durch die paritätische Besetzung sollte die starke Parteilichkeit, wie sie sich gerade im Falle Baker gezeigt hatte, verhindern werden. Das Repräsentantenhaus ergriff die gleiche Maßnahme im April 1967 und errichtete einen eigenen Ethikausschuss (House Committee on Standards of Official Conduct).22 Wiederum war es eine Affäre, die dem Ansehen des Kongresses Schaden zufügte und den Abgeordneten einen Schrecken vor den Kongresswahlen 1966 einjagte – die sog. Powell-Affäre.23 Die Ethikausschüsse ———————— 19

Die Vorwürfe, Baker habe seine Position zur Förderung seiner privaten Geschäftsinteressen missbraucht, indem er seinen Einfluss nebenberuflich als Anwalt an seine Mandanten „verkauft“ und erhebliche Beträge angeblicher Wahlkampfspenden einbehalten habe, stellten sich während der Untersuchungen des Senate Rules Committee als begründet heraus. Der Ausschuss befand Baker grober Verfehlungen für schuldig, hatte aber keine Jurisdiktion mehr, da Baker aus dem Angestelltenverhältnis ausgeschieden war. Baker musste sich noch vor Gericht wg. Steuerhinterziehung, Diebstahls und betrügerischer Verschwörung gegen den Staat (‚conspiracy to defraud the government‘) verantworten und wurde zu 29 Monaten Gefängnis verurteilt. 20 Der Ausschuss wurde 1977 in Senate Select Committee on Ethics umbenannt. 21 S. Res. 338, 88th Congress (1964). 22 H. Res. 418, 90th Congress (1967). 1966 hatte zwar nur der Vorschlag einer temporären Studienkommission mit dem Ziel, einen Ehrenkodex zu erarbeiten, eine Mehrheit gefunden. Allerdings entstand bereits ein Jahr später daraus der ständige Ethikausschuss des Repräsentantenhauses. Grundlage waren die Empfehlungen der 1965 von beiden Häusern eingesetzten Reformkommission, die im Bericht vom Juli 1966 die Errichtung eines Ethikausschusses vorschlagen hatte, Joint Committee on the Organization of Congress, Organization of Congress, S. Res. 1013, 89th Cong. (1966), H. Rept. 89-2012 (1966), S. Res. 2, 89th Cong. (1966), S. Rept. 89-1414. 23 Der seit 1961 amtierende Vorsitzende des House Committee on Education and Labor, Adam C. Powell (D-NY) hatte sich eine Anzahl von Beschwerden wegen Nepotismus und Missbrauch öffentlicher Gelder zugezogen sowie eine Verleumdungsklage in seinem Wahldistrikt, die sich auf Vorwürfe wegen Missachtung des Gerichts ausdehnte. Das Special Subcommittee on Contracts of the Committee on House Administration führte eine Untersuchung über die Ausgaben des Committee on Education and Labor. Der Bericht bestätigte, dass illegale Zahlungen an Powells Ehefrau angewiesen worden waren, H. Rept. 2349, 89th Cong., 6-7 (1966). Powell wurde im November 1966 wiedergewählt. Die demokratische Fraktion beschloss, Powell den Ausschussvorsitz für die

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beider Häuser hatten mit ihrer Einsetzung die Aufgabe erhalten, Ethikkodizes zu erarbeiten, deren Einhaltung sicherzustellen, Verstöße zu untersuchen und adäquate Sanktionen zu empfehlen. Die Entwürfe zu den Ethikregeln legten sie im März 1968 vor.24 Der Ehrenkodex wurde im April 1968 beschlossen.25 Der Institutionalisierung durch die Ethik-Reformen und der Einrichtung der Ethikausschüsse folgte eine Phase extremer Zurückhaltung. Bis Mitte der 1970er Jahre wurden die Instrumente nicht entsprechend genutzt. Die Watergate-Affäre wie auch eine Anzahl anderer Skandale führten zu öffentlicher Kritik und der Forderung nach Verschärfung der Ethikregeln und stärkerer Formalisierung des Verfahrens im Kongress.26 Der Reformstau wurde anläss———————— Dauer der Wahlperiode zu entziehen. Das Plenum verabschiedete eine Resolution, in der der Speaker mit der Einsetzung eines Sonderausschusses (Special Subcommittee) beauftragte wurde, der die Amtstauglichkeit von Powell prüfen sollte. Bis zum Abschluss der Untersuchung wurde Powell die Aufnahme in den Kongress verweigert, H. Res. 1 90th Cong. (1967), 113 Cong. Rec. 26-27. Powell erschien vor dem Special Subcommittee beim Rechtsausschuss und verkündete, er werde ausschließlich Aussagen zu Alter, Staatsangehörigkeit und Wohnort machen. Auf seine Klage gegen die Vorenthaltung des Kongresssitzes entschied der Supreme Court, dass der Kongress ein sitzendes Mitglied ausschließen könne, hingegen einem rechtmäßig gewählten Abgeordneten (‚memberelect‘) die Aufnahme in den Kongress nicht vorenthalten könne, Powell v. McCormack, 395 U.S. 486 (1969). Das Gericht klärte in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen Ausschließung (‚expulsion‘) und Verweigerung der Einsitznahme (‚exclusion‘). Powell musste als Abgeordneter vereidigt werden. Dem Repräsentantenhaus blieb nur, eine Geldstrafe in Höhe von 25.000 $ zu verhängen, vgl. CQ Congressional Ethics, S. 12ff. 24 S. Res. 266, 90th Cong. (1968), H. Res. 1099, 90th Cong. (1968). Die inhaltlichen Regelungen waren auf die ethischen Problemstellungen bezogen, mit denen sich das jeweilige Haus in der Vergangenheit zu beschäftigen hatte. Der Senat regelte vorwiegend die Nebenaktivitäten seiner Mitarbeiter, die Verwendung von Wahlkampfspenden sowie Offenlegungspflichten hinsichtlich der finanziellen Verhältnisse von Senatoren und Mitarbeitern. Der Ethikausschuss des Repräsentantenhauses schlug einen AchtPunkte-Ehrenkodex vor (heute Rule 23 des Code of Official Conduct des Repräsentantenhauses). Darin war insbesondere die allgemeine Bestimmung enthalten, sich jederzeit so zu benehmen, dass kein schlechtes Licht auf das Repräsentantenhaus falle, keine weiteren Vergütungen für die Amtsausübung anzunehmen und keine Honorare, die höher als allgemein üblich sind. Die Abgeordneten wurden angewiesen, Wahlkampfspenden und privates Vermögen zu trennen. Zusätzlich zum Ehrenkodex wurden finanzielle Offenlegungspflichten geregelt. 25 CQ Weekly Report, 5.4.1968, S. 692. 26 So musste 1976 eine Gruppe von 18 Abgeordneten, darunter die Vorsitzenden der Ethikkommissionen, zugeben, dass sie Einladungen von Rüstungsfirmen zu Vergnügungsreisen angenommen hatten. Verfahren vor den Ethikausschüssen wurden nicht eingeleitet, CQ Almanac (1976), S. 23-30. Dagegen sorgte der Fall „Wayne Hays“ für öffentliche Aufmerksamkeit. Dem Vorsitzenden des House Administration Committee Wayne Hays (D-OH) wurde vorgeworfen, einer völlig unqualifizierten Sekretariatskraft eine Anstellung im Austausch für sexuelle Gefälligkeiten gegeben zu haben. Hays gestand die „persönliche Beziehung.“ 25 Abgeordnete verlangten die Untersuchung durch den Ethikausschuss. Selbst das Justizdepartment und das FBI ermittelten. Die stark

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lich der Debatte um die Gehaltsanpassungen im öffentlichen Sektor aufgelöst.27 Die neuen Ethikregeln enthielten im wesentlichen umfassende Verschärfungen der finanziellen Offenlegungspflichten, Beschränkungen von Nebeneinkommen, Beschränkung oder Verbot gewisser Nebentätigkeiten und Beschränkung der Annahme von Geschenken von Lobbyisten sowie das Verbot jeglicher privater Finanzierung öffentlicher Aktivitäten (‚prohibition of inofficial office account‘). Bereits ein Jahr nachdem neue Ethikkodizes verabschiedet worden waren, beschloss der Kongress 1978 gemeinsam mit dem Präsidenten Carter den Ethics in Government Act. Er stellte strengere Regelungen für austretende Beamte und Angestellte (‚post-employment regulations‘) auf, machte die Verpflichtung zur Offenlegung der finanziellen Verhältnisse nicht nur für Mandatsund Amtsträger, sondern auch für Kandidaten verbindlich und erklärte die Verletzung von Offenlegungspflichten zu einem rechtlichen Vergehen mit juristischen Folgen.28 Weiterhin wurde ein spezielles Office of Government Ethics für die Verwaltung und die Administration geschaffen. Die 1990er Jahren waren von einer starken Zunahme der Ethikverfahren geprägt. III. Verfahren der Ethikausschüsse Das Verfahren der Ethikausschüsse unterscheidet sich in einigen Punkten von Untersuchungsverfahren der anderen ständigen Ausschüsse. Um das Verfahren zu entpolitisieren, sind die Ethikausschüsse im Gegensatz zu anderen ständigen Ausschüssen paritätisch besetzt. Im Repräsentantenhaus umfassen sie fünf Mitglieder je Fraktion, im Senat je drei. Im Gegensatz zu den anderen ———————— parteipolitisch geprägten Kongressuntersuchungen fanden erst ein Ende, als Hays am 1. September 1976 sein Mandat niederlegte, Washington Post, Closed Session Romance on the Hill v. 23.5.1976. 27 Das gesamte Segment der Bundesbehörden war seit 1969 bei den Lohnanpassungen nahezu leer ausgegangen. Die Löhne des privaten Sektors waren dagegen um fast 70 Prozent und die Lebenshaltungskosten um 60 Prozent gestiegen. Ursache dafür war die Bindung der oberen Besoldungsstufen der drei Gewalten aneinander und die Zurückhaltung des Kongresses, sich seine eigenen Löhne zu erhöhen. Um dem Kongress die Entscheidung in eigener Angelegenheit abzunehmen und trotzdem das Problem der gebotenen Gehaltsanpassung zu lösen, wurde dem Bericht der seit 1967 arbeitenden unabhängigen Expertenkommission (‚President’s Commission on Executive, Legislative and Judicial Salaries‘) gefolgt, die 1976 „im Gegenzug“ zu signifikanten Gehaltserhöhungen umfassende finanzielle Offenlegungspflichten und Beschränkungen der Nebeneinnahmen vorschlug. Die Annahme des Berichts, einschließlich der enthaltenen Verknüpfung von Ethikreformen und Gehaltserhöhung durch den Präsidenten und den Kongress erfolgte im Frühjahr 1977, H. Res. 287, 123 Cong. Rec. 5933-36, 5941-5942; S. Res. 110; 123 Cong. Rec. 10061-10066. 28 Es wurden offiziell zivilrechtliche Sanktionen wie Geldstrafen bis zu 5.000 $ eingeführt, CQ Almanac (1978), S. 836.

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Ausschüssen des Kongresses verfügen sie nicht über einen separaten Minderheiten- und Mehrheitenarbeitsstab (‚majority staff‘, ‚minority staff‘), sondern über einen fachlich qualifizierten, permanenten Mitarbeiterpool. Diese Mitarbeiter können nicht aus politischen Gründen, insbesondere nicht bei einem Wechsel des Ausschussvorsitzenden entlassen werden.29Ausschussmitarbeiter oder beigezogene Mitarbeiter der beteiligten Kongressabgeordneten (‚shared staff‘) werden zur unparteiischen Wahrnehmung ihrer Aufgaben verpflichtet.30 Das Verfahren ähnelt einem Gerichtsverfahren. Die Ethikausschüsse handeln zuerst als Untersuchungs-, dann als Anklagebehörde und zuletzt als Urteilsjury. Die Ethikuntersuchungen im Repräsentantenhaus werden von Beschwerden (‚complaints‘) der Mitglieder eingeleitet. Außenstehende sind seit den Reformen im Jahre 1997 nicht mehr klageberechtigt. Sie müssen sich einen Unterstützer im Kongress suchen, der schriftlich seine Überzeugung bekundet, dass „die Informationen in gutem Glauben eingereicht worden sind und eine Überprüfung durch den Ethikausschuss rechtfertigen.“31 Der Ausschuss kann aber auch selbstständig Untersuchungen einleiten, bspw. wenn Vorwürfe in der Medienberichterstattung auftauchen.32 Dem Betroffenen wird die Möglichkeit der Stellungnahme gewährt, bevor der Ausschuss entscheidet, ob er die Beschwerde zurückweist oder eine Voruntersuchung einleitet. Die Voruntersuchungen werden einem vier- oder sechsköpfigen Unterausschuss (‚investigatory subcommittee‘) übertragen, dessen Mitglieder von den beiden Vorsitzenden des Ausschusses ernannt werden.33 Die Mitglieder sind entweder Mitglieder des Ausschusses oder stammen aus einem speziell dafür gebildeten Abgeordnetenstamm (‚ethics pool‘). Die Mitgliedschaft im Ethikausschuss gehört nicht zu den beliebtesten, weil Abgeordnete naturgemäß Vorbehalte haben, gegen Kollegen zu ermitteln. Die Voruntersuchungen finden regelmäßig unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt (‚executive sessions‘), um öffentliche Vorverurteilungen zu verhindern.34 Zeugen können unter Strafandrohung (‚subpoena‘) vorgeladen und unter Eid vernommen werden.35 Der Unterausschuss wird auf Grund eigener Untersuchungsbefugnisse tätig. Der Ausschuss hat die Möglichkeit, externe Ermittler (‚special counsel‘) als neutralen Fact Finder für die Untersuchung beizuziehen.36 Dies geschieht meist bei ———————— 29

Senate Ethics Committee Rule 16 (c). „[S]hall perform all official duties in a nonpartisan manner“, House Committee on Standards Rule 6. 31 House Committee on Standards Rule 15(a), 15(b). 32 House Committee on Standards Rule 18(a). 33 House Committee on Standards Rule 19. 34 House Committee on Standards Rule 20(a). 35 House Committee on Standards Rule 20(b). 36 House Committee on Standards Rule 6(f)(g)(h). 30

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komplexen oder politisch heiklen Fällen und wird als effizientes Instrument anerkannt. Der Unterausschuss erstattet dem Ethikausschuss einen Bericht und beschließt, findet er gute Gründe für die Annahme einer Verletzung des Ethikkodex oder anderer Verhaltensregeln, eine Anklageschrift (‚statement of alleged violation‘), die an den Ethikausschuss weitergeleitet wird.37 Die Anklageschrift wird dem Betroffenen zugestellt, dem 30 Tage für eine Stellungnahme zustehen (‚respondent’s answer‘).38 Die Mitglieder des Ethikausschusses bilden einen schiedsrichterlichen Unterausschuss (‚adjudicatory subcommittee‘), der in disziplinarischer Anhörung (‚adjudicatory hearings‘) prüft, ob sich die vom Untersuchungsausschuss festgestellten Anklagepunkte mit klaren und überzeugenden Beweisen belegen lassen.39 Diese Anhörungen sind grundsätzlich öffentlich. Die Öffentlichkeit kann im Einzelfall ausgeschlossen werden.40 Können die Anklagepunkte bewiesen werden, bestimmt der Ausschuss, welches Strafmaß er dem Plenum vorschlägt. Der Ausschuss kann jede Sanktion empfehlen, die er für angemessen (‚appropriate‘) hält.41 Die Beschlussempfehlung wird mit einem ausführlichen Bericht dem Repräsentantenhaus übermittelt, welches den Vorschlag debattiert und endgültig über die Strafe entscheidet. Die Ethikuntersuchungen im Senat sind denen im Repräsentantenhaus vergleichbar. Jeder Bürger hat das Recht, direkt eine Beschwerde einzureichen. Im Senat sind sogar anonyme Beschuldigungen zugelassen.42 Mitglieder und Mitarbeiter der Ethikausschüsse sind angehalten, allen Informationen über Regelund Gesetzesverletzungen nachzugehen.43 Jede Information über Missverhalten und formelle Beschwerden (‚complaints‘) führt hier zu einer Voruntersuchung (‚preliminary inquiry‘).44 Die Voruntersuchung kann so lange dauern und so breit angelegt sein, wie es notwendig ist, um festzustellen, ob substantielle und glaubwürdige Beweise (‚substantial and credible evidence‘) für die behauptete Verletzung der Verhaltensnormen vorliegen.45 Handelt es sich um geringfügige Vergehen, kann der Ethikausschuss einen vertraulichen Tadel aussprechen, der nicht als Disziplinierung gewertet wird.46 ———————— 37

House Committee on Standards Rule 20. House Committee on Standards Rule 22. 39 House Committee on Standards Rule 20, 23(c). 40 House Committee on Standards Rule 23(e). 41 House Committee on Standards Rule 24(e)(6). 42 Senate Ethics Committee Rule 2(b)(2). 43 Senate Ethics Committee Rule 2(a). 44 Senate Ethics Committee Rule 3. 45 Senate Ethics Committee Rule 3(c)(1). 46 Senate Ethics Committee Rule 3(g). 38

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Stellt der Ausschuss mit absoluter Mehrheit von vier Stimmen fest, dass eine schwerwiegende Verletzung vorliegt, wird eine Hauptuntersuchung eingeleitet (‚adjudicatory review‘).47 Diese Untersuchung soll von einem externen Untersuchungsführer, einem Sonderermittler (‚outside counsel‘), geleitet werden.48 Der Betroffene hat das Recht auf eine Anhörung.49 Im Gegensatz zum Ethikausschuss des Repräsentantenhauses, kann der des Senats selbst die Strafmaßnahme verhängen. Allerdings muss der Strafentscheid einstimmig erfolgen. Eine Berufung des Betroffenen vor den gesamten Senat ist möglich.50 IV. Ethikverfahren als parteipolitische Waffen Diese Ausführungen sollen nicht den Eindruck erwecken, dass die Ethikausschüsse ein Gremium permanenter Bestrafung und Disziplinierung sind. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt heute in der beratenden Tätigkeit der Abgeordneten, die komplizierten und detaillierten Ethikvorschriften richtig anzuwenden. Diese Tätigkeit wird durch das 1990 geschaffene Office of Advice and Education unterstützt.51 Allerdings ist seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre der Versuch deutlich erkennbar, die Ethikausschüsse als parteipolitische Waffen zu nutzen. Das setzte sich in den 1990er Jahren fort und gipfelte letztlich im Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident William J. „Bill“ Clinton 1998. Diese Periode wird allgemein als Zeit der ‚personal destruction‘ bezeichnet. Diese Entwicklung begann mit den Untersuchungen gegen den demokratischen Abgeordneten Jim Wright (D-TX), der seit 1987 Sprecher des Repräsentantenhauses war und damit Ziel der republikanischen Angriffe, vor allem seitens des damaligen republikanischen Einpeitschers (‚whip‘) und späteren Sprechers des Repräsentantenhauses, Newton L. „Newt“ Gingrich (R-GA). Wright wurden unlautere finanzielle Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines Buches sowie unzulässige Beeinflussung der Regulierungskommission zur Überwachung der Sparkassen vorgeworfen. Die Untersuchungen des Ethikausschusses führten zur Veröffentlichung der Anklageschrift am 17. April 1989. Wright wurde der Vorwurf eröffnet, die Veröffentlichung seines Buches unter Umgehung der Regeln über die Begrenzung von Honoraren und Nebeneinkommen betrieben zu haben und Geldbeträge unrechtmäßig entgegengenommen zu haben, da ein Freund der Ehefrau Wrights ein Gehalt ge———————— 47

Senate Ethics Committee Rule 4. Senate Ethics Committee Rule 4(b). 49 Senate Ethics Committee Rule 4(d). 50 Senate Ethics Committee Rule 4(g)(2)(iii). 51 Ethics Reform Act 1989 (P.L. 101-194); Ethics Government Act 1978 (P.L. 95521). 48

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zahlt hatte. Ohne den Schuldspruch abzuwarten, trat Wright am 6. Juni von seinem Amt als Sprecher zurück und legte sein Mandat am 30. Juni 1989 nieder. Wright hatte in seiner letzten Rede vor allem kritisiert, dass sämtliche Mitglieder des Ausschusses auf allen Stufen des Prozesses involviert waren und damit – anders als im Gerichtsverfahren – dieselben Personen das Urteil sprechen würden, die zuvor ermittelt hatten und somit kein faires Verfahren gesichert sei.52 Darauf reagierte das Repräsentantenhaus und reformierte sein Ethikverfahren mit dem Ethics Reform Act von 1989.53 Ein Unterausschuss vergleichbar der Anklagejury wurde eingeführt. Der Unterausschuss hatte gleichzeitig den Vorteil, dass Diskretion im untersuchenden Unterausschuss von sechs Mitgliedern eher gewährleistet war als im Gesamtausschuss von zwölf Mitgliedern. Außerdem wurden die Arbeitslast und die zeitliche Inanspruchnahme der Ausschussmitglieder verringert. Seit seinen Angriffen gegen Wright befand sich Gingrich auf der Vergeltungsliste der Demokraten. Bereits 1989 hatten die Demokraten erfolglos versucht, Ethikklagen zu forcieren. Hinzu kamen die verschärften Bedingungen eines ‚divided government‘, das abrupt zu einem Wandel der politischen Rahmenbedingungen führte. Dem 1993 gewählten demokratischen Präsidenten William J. Clinton hatten die Wähler 1994 einen republikanisch dominierten Kongress zur Seite gestellt – den ersten seit der Präsidentschaft Eisenhowers. Der vom Führer der republikanischen Mehrheit, Newt Gingrich, bestimmte Kurs gegenseitiger Blockade führte u.a. zum sog. ‚government shutdown‘ oder ‚gridlock‘.54 Den Republikanern stand mit den Kongressuntersuchungen eine gewaltige Kraft zur Verfügung. 1994 hatte das Senate Banking Committee bereits mit Untersuchungen angeblicher Immobilienspekulationen des Ehepaares Clinton in den 1970er Jahren begonnen (Whitewater-Investigations).55 Im ———————— 52

135 Cong Rec. 10439. P.L. 101-194. Wie 1968 handelte es sich wieder um ein Paket aus Gehaltserhöhung und Ethikreform. 54 Dies bedeutet den Stillstand essentieller Regierungsaufgaben, die nicht ohne die Zustimmung des Kongresses erfolgen können. 1995/96 hatten die parteipolitischen Auseinandersetzungen die Blockade des vorläufigen Haushaltsgesetzes und die Schließung von ‚not-essential‘-Behörden zur Folge, vgl. Dreyer, Die Bilanz der Ära Clinton in der Innen- und Verfassungspolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 2000 (44), S. 6, 9; Rozell/Wilcox, The Clinton Scandal and the Future of American Government, S. 5ff., Mann, President Clinton and the Democratic Congress, S. 9. Sunquist, Back to Gridlock? Governance in the Clinton Years, Washington D.C. 1995. 55 Senate Committee on Banking, Housing, and Urban Affairs, S. Res. 229 (1994), 103rd Cong., 140 Cong. Rec. 7196 [sog. Whitewater I], Senate Committee on Banking, Housing, and Urban Affairs, S. Res. 120, 104th Cong. 141 Cong. Rec. S. 6784 [sog. Whitewater II]. 53

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Mai 1995 wurde im Senat ein Sonderausschuss eingerichtet, um die Vorgänge noch intensiver zu untersuchen.56 Die Ethikklage gegen Gingrich vom 7. September 1994 betraf behauptete Unregelmäßigkeiten bei der Finanzierung einer Vorlesungsreihe.57 Der Ethikausschuss vertagte die Untersuchung des Vorgangs in die nächste Wahlperiode. Nach den Kongresswahlen im November 1994 wurde Gingrich Sprecher des Repräsentantenhauses und damit wiederum Ziel der Attacken der Demokraten. Die nächste Beschwerde eines demokratischen Abgeordneten ging beim Ethikausschuss im März 1995 ein. Gleichzeitig verlangte man nach einem unabhängigen Sonderermittler, wie ihn Gingrich gegen Wright gefordert hatte. Die republikanische Vorsitzende des Ethikausschusses, Nancy L. Johnson (R-CT), erweckte den Eindruck starke Parteinahme. Sie weigerte sich während des gesamten Jahres 1995, eine Voruntersuchung einzuleiten. Am 22. Dezember 1995 stellte der Ausschuss einen ehemaligen Staatsanwalt aus der Public Integrity Section des Justizdepartments ein, um die Ermittlungen voranzutreiben, den parteipolitischen Streit zu entschärfen und dem Verfahren mehr Objektivität und Neutralität zu verleihen. Sofort nach Einsetzung des Ermittlungsführers begann der Streit um den Umfang des Untersuchungsauftrages. Die Republikaner setzten sich zunächst mit ihrer Ansicht, den Untersuchungsauftrag auf die konkreten Anschuldigungen und konkreten Tatbestände zu beschränken, durch. Die Vorsitzende schien ihre Autorität weiter dazu zu benutzen, das Verfahren zu verschleppen. Das ranghöchste Mitglied der Demokraten im Ethikausschuss, James A. „Jim“ McDermott (D-WA), begann öffentliche Kritik zu üben und zog sich den Vorwurf der gezielten Indiskretion zu. Allerdings erwies es sich in dieser Phase als äußerst günstig, dass ein Teil der Untersuchung bereits an den Ermittlungsbeauftragten und den Unteruntersuchungsausschuss abgegeben worden war. Im September 1996 konnte der Ermittlungsführer den Ausschuss davon überzeugen, sein Mandat auf genau abgegrenzte Bereiche auszudehnen. ———————— 56

Special Committee to Investigate Whitewater Development Corporation and Related Matters (1995-1996), mit dem Untersuchungsauftrag „to conduct extensive hearings on specified matters relating to the President’s and Mrs. Clinton’s investment in Whitewater Development Corporation“, S. Res. 120, 104th Cong., Hearings v. 18.7.1995-8.1.1996, S. Rept. 104-280 v. 17.6.1996. Insgesamt wurden 274 Zeugen während der Vorermittlungen informatorisch befragt, 136 Zeugenvernehmungen erfolgten in 60 Tagen öffentlicher Anhörungen. 57 Gingrich wurde vorgeworfen, keine Bildungsvorträge, sondern politische Reden gehalten und damit Gelder steuerbefreiter Organisationen dafür genutzt zu haben, seine politischen Ziele zur Geltung zu bringen. Darüber hinaus bestand der Verdacht, Gingrich habe sich einen großzügigen Vorschuss in Höhe von 4,5 Millionen $ für ein Buch von seinem Verleger Rupert Murdoch zahlen lassen, für den zur gleichen Zeit eine Gesetzesvorlage im Kongress zur Debatte stand, an deren Ausgang dieser ein großes Interesse hatte.

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

Die Novemberwahlen 1996 konnten die Republikaner für sich entscheiden.58 Gingrich wurde erneut als Speaker nominiert. Am 21. Dezember 1996 gestand Gingrich plötzlich seine Schuld ein, legte ein schriftliches Geständnis ab und gab zu, es fälschlicherweise unterlassen zu haben, sich über die Finanzierung ausreichend ins Bild gesetzt zu haben. Das Geständnis war Teil eines ‚deals‘ mit dem Ethikausschuss, dera Gingrich vom öffentlichen Tadel (‚censure‘) verschonte, was ihn nachträglich auch das Sprecheramt gekostet hätte. Gingrich wurde am 7. Januar 1997 das zweite Mal zum Speaker gewählt. Am 17. Januar 1997 erfolgte die Live-Übertragung der Anhörung vor dem Ethikausschuss. Die Vernehmung wurde im Wesentlichen vom Ermittlungsführer selbst geführt. Der Ausschuss nahm den Vorschlag des Unterausschusses an, Gingrich einen Verweis (‚reprimand‘) zu erteilen. Zudem wurde ihm eine Geldbuße von 300.000 $ auferlegt, die den Kostenanteil der Untersuchung abdecken sollte, der infolge der Falschaussage Gingrichs entstanden war.59 Das Verfahren gegen Gingrich setzte zwar der Phase persönlicher Demontage im Rahmen der Ethikverfahren ein vorläufiges Ende. Allerdings setzte sich die parteipolitische Auseinandersetzung im Rahmen einer Kollegialenquete fort, nämlich im Amtsenthebungsverfahren gegen den demokratischen Präsidenten Clinton.

———————— 58

Sie verloren allerdings 19 Sitze und erzielten das schlechteste Ergebnis seit 34 Jah-

ren. 59 Die Empfehlungen des Ethikausschusses wurden am 21. Januar 1997 vom Repräsentantenhaus mit 395 zu 29 Stimmen bestätigt. Im November 1998 trat Gingrich von seinem Amt als Speaker zurück.

§ 16 Besonderheiten des Amtsenthebungsverfahrens Ein weiterer Sonderfall eines parlamentarischen Untersuchungsverfahrens ist das Verfahren der Amtsenthebung (‚impeachment‘). Art. I Sect. 2 Cl. 5 USVerf. ermöglicht dem Repräsentantenhaus gegen Bundesbeamte der Exekutive, einschließlich des Präsidenten sowie von Bundesrichtern, wegen Verfassungsoder Gesetzesverletzung ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten und Anklage zu erheben, wenn ihnen Verbrechen oder schwere Verfehlungen nachzuweisen sind: „The House of Representatives […] shall have the sole Power of Impeachment.“ Die Entscheidung trifft nach Art. I Sect. 3 Cl. 6 USVerf. der Senat: „The President, Vice President and all Civil Officers of the United States, shall be removed from Office on Impeachment for and Conviction of, Treason, Bribery, or other high Crimes and Misdemeanors.“

Die Vorberatungen erfolgen im Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses, der gegebenenfalls Anhörungen durchführt, die Anklagepunkte formuliert und dem Plenum eine Beschlussempfehlung gibt. Nach der Debatte im Plenum erfolgt die Abstimmung zu den einzelnen Anklagepunkten mit einfacher Mehrheit. Die Anklagevertretung im Senat übernehmen die ‚house manager‘. Sie werden in der Regel vom Sprecher des Repräsentantenhauses ernannt. Der Senat entscheidet im Grand Jury-Verfahren. Im Unterschied zu üblichen Senatsverhandlungen hat den Vorsitz nicht der Vizepräsident, sondern der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes (Chief Justice). Das Verfahren ist gerichtsähnlich. Beide Seiten benennen Zeugen und vernehmen diese, gegebenenfalls im Kreuzverhör. Zeugen haben während ihrer Aussage keinen Anspruch auf anwaltlichen Beistand. Die Vernehmung vor der Grand Jury im Senat erfolgt unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Danach folgt die Debatte, in der jedem Senator fünfzehn Minuten Redezeit zusteht. Der Schuldspruch bedarf der Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden Senatoren. Über jeden Anklagepunkt wird einzeln abgestimmt. Neben einem Schuldspruch kann auch die Aberkennung der Befähigung, ein Ehrenamt, eine Vertrauensstellung oder ein besoldetes Amt im Dienste der Vereinigten Staaten auszuüben oder zu bekleiden mit einfacher Mehrheit erfolgen. Die Herausbildung des Kabinettssystems in England hatte – unter der Beibehaltung eines rechtlich nicht dem Parlament verantwortlichen Königs – zuerst zu einem rechtlich und schließlich zu einem politisch verantwortlichen Kabinett

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

geführt. Die Einführung des Misstrauensvotums (‚vote of censure‘) führte nicht mehr zur Bestrafung, sondern zum Rücktritt des betreffenden Ministers. Der Nachweis des Verfassungs- oder Rechtsbruchs entfiel und wurde durch „Zweckmäßigkeitserwägungen“ ersetzt, die vom Vertrauen in die politische Führung geleitet waren. Trotz seiner abnehmenden Bedeutung im England des 17. Jahrhunderts und seiner letztendlichen Aufgabe zugunsten des Misstrauensvotums im 18. Jahrhundert wurde die Möglichkeit der Amtsenthebung im Wesentlichen deshalb in die USVerf. aufgenommen, um eine rechtliche Bindung des Staatsoberhauptes herzustellen.1 Obwohl die Väter der amerikanischen Verfassung es ablehnten, den Präsidenten direkt oder indirekt dem Parlament verantwortlich zu machen, wurde ein verfassungsrechtliches Bedürfnis darin gesehen, eine „geeignete Bindung“ an das Volk und eine „geeignete Verantwortlichkeit“ der Exekutive sicherzustellen: „The ingredients which constitute safety in the republican sense are, first a due dependence on the people, secondly a due responsibility.“2 Die Bindung an die öffentliche Meinung wurde durch die Wahl des Präsidenten unabhängig von der Wahl des Parlaments als gewährleistet angesehen und die Abschirmung gegen die „Massendemokratie“ durch ein indirektes Wahlsystem sichergestellt (Art. II Sect. 2 USVerf.). Das Amtsanklageverfahren sollte die geeignete rechtliche Verantwortlichkeit gewährleisten. Insoweit unterschieden die Verfassungsväter, insbesondere A. Hamilton, zwischen der Unterwerfung des Staatsoberhaupts unter das Gesetz und unter den Gesetzgeber.3 Keiner der Fälle, in denen ein Präsident Gegenstand eines Amtsenthebungsverfahrens war, führte je zu einem Schuldspruch. Im Fall des 10. US-Präsidenten John Tyler (1843) lehnte das Repräsentantenhaus bereits die Anklageerhebung ab. Das Verfahren gegen Andrew Johnson im Jahre 1868, dem Verfassungsbruch im Zusammenhang mit Personalentscheidungen vorgeworfen wurde, scheiterte an einer Stimme im Senat. Richard Nixon entging dem Amtsanklageverfahren im Zusammenhang mit dem Watergate-Skandal, welches der Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses empfahl, durch seinen Rücktritt am

———————— 1 Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, S. 243ff., der auf die besondere historische Situation des konstituierenden Konvents in Philadelphia hinweist. Er legt dar, dass nicht zwingend von einer Verkennung der englischen Praxis auszugehen sei, sondern dass sich die Verdrängung der Ministeranklage durch das Tadelsvotum in den Jahrzehnten nach der Verfassungskrise von 1783-84 erst endgültig durchgesetzt habe und sich die englische Entwicklung in den Augen der amerikanischen Zeitgenossen als „höchst verworrene Situation“ darstellen musste, S. 249. 2 Hamilton, Federalist Paper No. 70 v. 15.3.1788. 3 Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, S. 246.

§ 16 Besonderheiten des Amtsenthebungsverfahrens

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8. August 1974. Infolgedessen wurde das Amtsenthebungsverfahren als „überholt“ erachtet.4 Gegenstand einer großen politischen Debatte wurde das Amtsenthebungsverfahren anlässlich der Anklage gegen den demokratischen Präsidenten Bill Clinton, der sich im Zusammenhang mit der sog. Lewinsky-Affäre vor der Grand Jury verantworten musste. Im Dezember 1998 beschloss der Rechtsausschuss des republikanisch dominierten Repräsentantenhauses die Anklageerhebung wegen Meineids in zwei Fällen, wegen Behinderung der Justiz sowie wegen Amtsmissbrauchs.5 Das Plenum schloss sich der Empfehlung mehrheitlich an und erhob am 19. Dezember 1998 Anklage mit dem Vorwurf, der Präsident habe das gerichtliche Verfahren bewusst obstruiert: „[President Clinton had] willfully corrupted and manipulated the judicial process.“6 Am 14. Januar 1999 begann die Hauptverhandlung. Die Argumente setzten sich mit der Definition von „high crimes and misdemeanors“ auseinander. Keiner der Anklagepunkte erreichte im Senat die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Senat wies die Anklage am 12. Februar 1999 zurück. Das Amtsanklageverfahren ist – wie die Fälle Clinton oder Johnson zeigen – trotz seiner gerichtsähnlichen Struktur, die Ähnlichkeiten mit einem Straf- oder Disziplinarverfahren deutscher Prägung hat, ein Instrument der politischen Kontrolle. Obwohl es nach seiner verfassungsrechtlichen Ausgestaltung nicht der Kontrolle der Amtsführung, sondern der Rechtskontrolle des Präsidenten dienen soll, lässt sich die Bedeutung offensichtlich nicht auf diese Funktion beschränken.7 Das Amtsenthebungsverfahren ist als Instrument der politischen Kontrolle genutzt worden. Dass sich diese Entwicklung fortsetzt, ist zu bezweifeln. Das Impeachment-Verfahren ist im letzten Fall Clinton in die öffentliche Kritik geraten und hat sich als Instrument, das Vertrauen in die Exekutive zu erschüttern, als unbrauchbar erwiesen. Von einer Tendenz, die die Einführung eines Misstrauensvotums in das US-amerikanische Verfassungsleben bewirken könnte, kann jedoch nicht die Rede sein. Dem stehen Traditionsbewusstsein und Verfassungskonservatismus entgegen.

———————— 4

Hübner, Das politische System der USA, S. 106. H. Res. 611, 105th Cong. (1998). 6 U.S. House, Committee on the Judiciary, Impeachment of William Jefferson Clinton, President of the United States (1998), H. Res. 581 v. 8.10.1998; H. Rept. 105-830 (1998), General Debatte v. 19.12.1998 on H. Res. 611 (impeaching William Jefferson Clinton). 7 Rotunda, Symposium of Judicial Discipline and Impeachment, 76 Kentucky Law Journal, 1988, S. 707. 5

§ 17 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit I. Die Bundesgerichtsbarkeit Die Bundesgerichtsbarkeit besteht aus dem Supreme Court, dem einzigen von der Verfassung selbst eingerichteten nationalen Gericht (Art. III Sect. 1 USVerf.), den statuatorisch festgelegten erstinstanzlichen U.S. District Courts und den zweitinstanzlichen Courts of Appeals.1 Jeder Einzelstaat muss mindestens über ein Bezirksgericht verfügen. Insgesamt bestehen 91 Bezirksgerichte (U.S. District Courts). Richter entscheiden als Einzelrichter. Es bestehen 13 Circuits. Gewöhnlich entscheiden die Appellationsgerichte in Kammern aus je drei Circuit Judges. II. Supreme Court und richterliches Prüfungsrecht Der Supreme Court besteht aus einer Kammer mit neun Richtern, dem Chief Justice und acht weiteren Associate Justices. Sie werden gemäß Art. III Sect. 2 USVerf. vom Präsidenten mit Zustimmung des Senats ernannt. Die Ernennung erfolgt auf Lebenszeit. Richter sind gemäß Art. II Sect. 2 Cl. 2 USVerf. nur auf Grund schwerwiegender Vergehen und Verbrechen aus ihrem Amt zu entfernen (‚impeachment‘). Der vom Präsidenten Nominierte wird von einem Unterausschuss des Rechtsausschusses (Senate Judiciary Committee) einer eingehenden mündlichen Befragung – in der Regel mit Fernsehöffentlichkeit – unterzogen. Da viele Rechtsfragen verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich nicht oder nur sehr grundsätzlich geregelt sind, kommt der richterlichen Interpretation ein großer Spielraum und damit auch der Ernennung der Richter eine große Bedeutung zu. Die Richter sind nicht selten 30 Jahre und länger im Amt. Der Präsident hat damit die Möglichkeit, über seine Amtszeit hinaus Entscheidungsträger mit großem Einfluss in seinem Sinne auf Exekutive und Legislative zu installieren.2

———————— 1

Judiciary Act v. 1789, 1 Stat. 73. Siehe zur Richterberufung Rau, Selbst entwickelte Grenzen der Rechtsprechung des United States Supreme Court und des Bundesverfassungsgerichts, S. 50ff. 2

§ 17 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit

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1. Richterliches Prüfungsrecht Der Supreme Court war als Rechtsmittelgericht gedacht und erfüllt diese Funktion bis heute.3 Allerdings haben mehr als die Hälfte der Fälle, die der Supreme Court entscheidet, ihren Schwerpunkt im Verfassungsrecht, so dass das Gericht im öffentlichen Bewusstsein die Funktion eines Verfassungsgerichts ausübt.4 Die Bundesverfassung enthält keine ausdrückliche Kompetenz des Supreme Court, als Verfassungsgericht zu fungieren. Das richterliche Prüfungsrecht von Legislativ- und Exekutivakten wurde durch Chief Justice John Marshall (Chief Justice 1801-1835) im Fall Madison v. Marbury (1803) entwickelt.5 Der Republikaner Thomas Jefferson gewann 1800 die Präsidentschaftswahlen. Nach seiner Amtseinführung weigerte er sich, die „Mitternachtsernennung“ von William Marbury zum Bundesrichter durch seinen Vorgänger John Adams zu vollziehen, da die Ernennungsurkunde nicht mehr rechtzeitig vor dem Amtswechsel ausgehändigt worden war. Marbury klagte 1803 auf Grund des Judiciary Act von 1789 auf Ernennung. Der Marshall-Court bestätigte weder das erstinstanzliche Urteil noch wies er die Klage zurück. Das Gericht erklärte den Judiciary Act für verfassungswidrig (‚null and void‘) und rief das richterliche Prüfungsrecht über die Verfassungsmäßigkeit legislativer und exekutiver Akte ins Leben. Die Befugnis dazu leitete er aus Art. VI Cl. 2 USVerf. ab: „This Constitution, and the Laws of the United States […] shall be the supreme Law of the Land.“ Die Judikative sei als Hüterin der Verfassung befähigt, im Zweifelsfall die Verfassungsmäßigkeit von Normen und Handlungen der anderen Staatsgewalten zu überprüfen. 2. Beschränkungen des Prüfungsumfangs Das richterliche Prüfungsrecht wird durch das Gebot der verfassungsgerichtlichen Zurückhaltung ergänzt (‚judicial self-restraint‘).6 Der Supreme Court hat ———————— 3

Die Funktion als Appellationszuständigkeit ist in 28 U.S.C. 1254 und 1257 geregelt. Wieland, Der Zugang des Bürgers zum Bundesverfassungsgericht und zum U.S. Supreme Court, Der Staat, 1990, S. 333, 343. 5 5 U.S. 137 (1803). 6 Der Begriff ‚judicial self-restraint‘ hat weder terminologisch noch systematisch im US-amerikanischem Recht klare Konturen. Es handelt sich nicht um ein allgemein anerkanntes verfassungsrechtliches Konzept. Zum Teil wird die Idee als allgmeine Rechtsfigur verstanden, zum Teil als Argumentationshilfe, die Nichtentscheidungen oder reduzierte Kontrolldichte legitimieren helfen soll. Vgl. Rau, Selbst entwickelte Grenzen der Rechtsprechung des United States Supreme Court und des Bundesverfassungsgerichts, S. 125ff. Dem Begriff ‚judicial self-restraint‘ wird auch das Prinzip der verfassungskonformen Auslegung entnommen: „[I]t is a cardinal principle […] that this Court will first ascertain whether a construction of the statute is fairly possible by which the question 4

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

neben den in der Verfassung beschriebenen weitere prozessuale und materielle Zulässigkeitskriterien entwickelt, wonach eine Streitigkeit zur Entscheidung angenommen werden kann. a) Zulässigkeitsvoraussetzungen Die Zuständigkeit der Bundesgerichte erstreckt sich nach Art. III Sect. 2 USVerf. nur auf „Cases“ und „Controversy.“ Angelegenheiten müssen „definite and concrete“ sein. Es muss sich um eine ernsthafte und entscheidungsbedürftige Streitigkeit („real earnest and vital controversy“) handeln.7 Die abstrakte Normenkontrolle ist damit ausgeschlossen, genauso wie gutachterliche Stellungnahmen (‚advisory opinions‘). Klagebefugt ist, wer eine Verfassungsverletzung durch staatliches Handeln geltend machen kann (‚standing‘) oder wem ein direkter und unmittelbarer persönlicher Schaden droht (‚ripeness‘).8 Liegen die genannten Voraussetzungen nicht mehr vor, kann die Klage als erledigt zurückgewiesen werden (‚moot‘).9 Grundsätzlich müssen die Zulässigkeitsvoraussetzungen in allen Prozessstadien vorliegen und nicht durch Änderung des Parteiverhaltens, der Gesetzeslage oder durch Zeitablauf aufgehoben worden sein.10 Ausnahmen gelten, wenn Wiederholungsgefahr besteht11 oder die Verletzung anhält, wie z.B. bei einer gerichtlich angeordneten Strafhaft, die inzwischen abgelaufen ist.12 b) Political question doctrine Über Zulässigkeitskriterien hinaus hat der Supreme Court seine Prüfungskompetenz begrenzt, indem das Gericht es ablehnt, Sachurteile in Streitigkeiten zu fällen, die sich in qualifizierter Weise als solche politischer Natur erweisen ———————— may be avoided.“ Vgl. Crowell v. Benson, 285 U.S. 22, 62 (1932); United States v. Rumely, 345 U.S. 41, 45 (1953). Zur Diskussion um „judicial self-restraint“ im deutschen Schrifttum vgl. Schuppert, Self-restraints der Rechtsprechung, DVBl. 1988, 1191ff. 7 Ashlander v. Tennessee Valley Authority 297 U.S. 288 (1936). 8 Der Kläger muss in eigenen Rechten verletzt sein. Dazu gehören nicht nur Grundrechte, gesetzlich geschützte oder im Common Law abgesicherte subjektive Rechte, sondern auch umfassende Interessen, wie z.B. ökologische Interessen, die je nach Schutzrichtung der gesetzlichen Regelung zu rechtlich geschützten Positionen erstarken können. Vgl. Brugger, Einführung, S. 20f. und. Rau, aaO., S. 55ff. 9 De Funis v. Odegaard, 416 U.S. 312 (1974). 10 Vgl. Brugger, Einführung, S. 19. 11 Z.B. die Verweigerung des Wahlrechts, obwohl schon gewählt worden ist, Moore v. Ogilvie, 394 U.S. 814 (1969). 12 Sibron v. New York, 392 U.S. 40 (1958).

§ 17 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit

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(‚political question doctrine‘).13 Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit setzt voraus, dass die Verfassung einen Maßstab des Rechts zu erkennen gibt, der anders ist, als die Bestimmung von Politikzielen, die den politisch verantwortlichen Organen und nicht dem Verfassungsgericht obliegen.14 Schon in Madison v. Marbury ist dieser Grundgedanke zu erkennen: „The province of the court is, solely, to decide on the rights of individuals, not to inquire how the executive, or executive officers, perform duties in which they have a discretion. Questions, in their nature political, or which are, by the constitution and laws, submitted to the executive can never be made in this court.“15 Seit der Entscheidung Luther v. Borden aus dem Jahre 1849 ist anerkannt, dass es sich bei Streitigkeiten um die ‚guarantee clause‘ um eine beschränkt nachprüfbare ‚political question‘ handelt.16 Art. IV Sect. 4 USVerf. garantiert einem jeden Staat der Union die republikanische Regierungsform und schützt ihn vor feindlichen Einfällen und auch vor inneren Unruhen: „The United States shall guarantee to every State in this Union a Republican Form of Government, and shall protect each of them against Invasion; and on Application of the Legislature, or of the Executive (when the Legislature cannot be convened) against domestic Violence.“ 1840 hatten sich Bürger unter der Führung von Thomas Dorr entschieden, gegen die als „unrepublikanisch“ empfundene Verfassungsordnung von Rhode Island vorzugehen (Dorr-Rebellion). Die amtierende Regierung stützte sich auf eine königliche Charter aus dem Jahre 1663, erklärte den Aufständigen den Krieg und schlug den Aufstand nieder. Der Kläger klagte gegen eine Durchsuchung in seinem Haus durch die repressiv vorgehende Regierung und berief sich auf Art. IV Sect. 4 USVerf. Der Supreme Court weigerte sich, diesen Fall als einen Streit um „political rights and political questions“ zu entscheiden, denn die Entscheidungskompetenz über die rechtmäßige Regierung von Rhode Island liege beim Kongress.17 Die Leitentscheidung des 20. Jahrhunderts ist Baker v. Carr aus dem Jahre 1962. Wähler hatten sich gegen die Wahlkreiseinteilung für die Wahl des Staatsparlaments im Bundesstaat Tennessee gewandt. Der Supreme Court nahm die Sache an und entschied, dass die Kontroverse keine ‚political question‘ darstelle. Das Begehren der Kläger sei nicht auf die ‚quarantee clause‘, sondern

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Vgl. Scharpf, Grenzen der richterlichen Verantwortung: die political-questionDoktrin in der Rechtsprechung des amerikanischen Supreme Court; ders., Judicial Review And The Political Question Doctrine: A Functional Analysis, 75 Yale Law Journal (1966), S. 517ff. 14 Ebd. 15 5 U.S. (1 Cranc) 137, 170 (1803). 16 7 How. (48 U.S.) 1 (1849). 17 7 How. (48 U.S.) 1, 42 (1849).

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

auf die ‚equal protection clause des 14. Amd. gestützt.18 Die Entscheidung hat einen Kriterienkatalog für den Umfang der ‚political question doctrine‘ entworfen: „Prominent on the surface of any case held to involve a political question is found a [1] textually demonstrable constitutional commitment of the issue to a coordinate political department; or a lack of judicially discoverable and manageable standards for resolving it; [2] or the impossibility of deciding without an initial policy determination of a kind clearly for nonjudicial discretion; [3] or the impossibility of a court's undertaking independent resolution without expressing lack of the respect due coordinate branches of government; [4] or an unusual need for unquestioning adherence to a political decision already made; [5] or the potentiality of embarrassment from multifarious pronouncements by various departments on one question.“19

Jedenfalls – so die Entscheidung – handelt es sich nicht um eine politische Streitigkeit, wenn der Kläger Schutz seiner politischen Rechte erlangen will.20 Der Supreme Court urteilt regelmäßig über eine Vielzahl solcher Grundrechtsbereiche. Aber auch auch im Staatsorganisationsrecht ist die Bedeutung der ‚political question doctrine‘ zurückgegangen.21 Seit Baker v. Carr ist die ‚political question doctrine‘ nur noch einmal angewendet worden, um die Nichtannahme zu begründen.22 Das Gericht macht sich zunehmend die ‚equal protection clausel‘ zunutze, um Standards wie ‚one person, one vote‘ zu entwickeln.23 Die Felder, in denen der Supreme Court nach wie vor dazu neigt, von ‚political questions‘ auszugehen, sind: die auswärtige Gewalt, der Verteidigungsbereich, interne Parteistreitigkeiten, der Mitgliederstatus im Kongress, Fragen der Amtsenthebung und nicht zuletzt Auseinandersetzungen zwischen Legislative und Exekutive im Rahmen der parlamentarischen Untersuchungsverfahren. Diese Vorbehalte haben regelmäßig Einfluss auf die Streitgeneigtheit der beteiligten Akteure. Diese Unsicherheiten mögen auch ausschlaggebend dafür gewesen sein, warum im Impeachment-Verfahren gegen Präsident Clinton keine gerichtlichen Schritte angestrengt wurden. Nach überwiegender Ansicht ist die materielle ———————— 18 „No State shall […] deny to any person within its jurisdiction the equal protection of the laws.“ 19 Baker v. Carr, 369 U.S. 186, 217 (1962). 20 „[P]rotection of a political right does not mean it presents a political question […] [It] is little more than a play upon words“, Baker v. Carr, 369 U.S. 186, 202 (1962). 21 Rau, aaO., S. 92ff., der ein Gespräch mit dem Richter Scalia zitiert, welcher meinte: „Wir brauchen die political question doctrine nicht.“ (S. 93). 22 Gilligan v. Morgen, 413 U.S. 1 (1973). 23 So auch in Bush v. Gore, 531 U.S. 98 (2000): „The right to vote is protected […] Equal protection applies as well to the manner of its exercise. Having once granted the right to vote on equal terms, the State may not, by later arbitrary and disparate treatment, value one person's vote over that of another.“ Weitere Fälle zur Anwendung der ‚equal protection clause‘ vgl. Rau, aaO., S. 101 ff.

§ 17 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit

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Feststellung des Senats, ob es sich um einen Fall von ‚high crimes and misdemeanors‘ handele, nicht gerichtlich überprüfbar. Von einer wenigstens prozeduralen Kontrolle ging Justice Souter im gerichtlichen Verfahren vor dem Supreme Court im Amtsenthebungsverfahren gegen den Bundesrichter Walter L. Nixon aus.24 Auflösungstendenzen der ‚political question doctrine‘ sind auch in den anderen genannten Bereichen zu beobachten. In der Entscheidung zum Beschluss des Repräsentantenhauses, dem umstrittenen Abgeordneten Adam C. Powell (D-NY)25 wegen finanzieller und anderer Unregelmäßigkeiten den Kongresssitz vorzuenthalten, hat der Supreme Court über die Frage der Justiziabilität einer Kongressentscheidung in eigener Sache geurteilt. Das Gericht lehnte das Vorliegen einer ‚political question‘ ab: Zwar habe der Kongress das Recht, nach Art. I Sect. 2 und 5 USVerf. über die Wählbarkeit eines Abgeordneten zu entscheiden.26 Der Supreme Court war allerdings nicht der Ansicht, dass es sich dabei um ein „textually demonstrable constitutional commitment of the issue to a coordinate political department“ – das erste Baker-Kriterium – und damit um eine ‚political question‘ handele. Die Verfassungsvorschrift sei für den Kongress abschließend. Über die dort genannten Kriterien des passiven Wahlrechts hinaus könne der Kongress keine Entscheidung treffen.27 In der Sache entschied der Supreme Court, dass der Kongress ein derzeitiges Mitglied nach Art. I Sect. 5 USVerf. ausschließen könne (‚expulsion‘), hingegen einem rechtmäßig gewählten Abgeordneten (‚member-elect‘) die Aufnahme in den Kongress nicht vorenthalten könne (‚exclusion‘). Im Bereich der Militärorganisation und der nationalen Sicherheit ist die Entscheidung um die Herausgabe der Tonbandaufnahmen in United States v. Nixon zu nennen. Der Supreme Court wies das Argument der Nixon-Verteidiger zurück, das Gericht könne nicht entscheiden, weil es sich um eine Streitigkeit innerhalb der Exekutive handele. Die Begründung erfolgte unter Verweis auf Madison v. Marbury: „It is emphatically the province and duty of the judicial department to say what the law is.“28 ———————— 24

Nixon v. United States, 506 U.S. 224, 239 (1973) (conc. Justice Souter). Zum Hintergrund des Falles siehe Fn. 23, S. 208. 26 Art. I Sect. 2 und 5 nennen die Voraussetzungen des passiven Wahlrechts: Der Bewerber muss 25 Jahre alt sein, mindestens sieben Jahre Bürger der Vereinigten Staaten und zur Zeit seiner Wahl Einwohner desjenigen Staates, in dem er gewählt wird. 27 Powell v. McCormack, 395 U.S. 486, 501-506 (1969). 28 United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 696 (1973). Allerdings ist nicht zu verkennen, dass auch in dieser Entscheidung das Gericht um Zurückhaltung bemüht war, da es einen Vertraulichkeitsanspruch für die Kommunikation zwischen Präsident und seinen Beratern grundsätzlich erkannte: „presumptivly privilege for Presidential communication.“, ebd., S. 708. 25

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

Zu den Fragen, in denen der Supreme Court mit dem Verweis auf den politischen Charakter des Streits seine Rechtsprechungskompetenz regelmäßig verneint, zählt die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer „Kriegsführung ohne Kriegserklärung“, wie sie bspw. im Vietnam-Konflikt erfolgte.29 Anders ist dies, wenn ein Bereich der nationalen Sicherheit mit einer möglichen Grundrechtsverletzung zusammenfällt, wie bspw. im Fall der Pentagon Papers, den der Supreme Court letztlich zugunsten der New York Times entschied. Ein Veröffentlichungsverbot für die erlangte geheime Studie über die Kriegsführung in Vietnam käme einer Vorzensur gleich. 30 Auch im jüngsten Streit um das knappe Wahlergebnis bei der Präsidentschaftswahl vom 7. November 2000 hat der Supreme Court darauf verzichtet, sich auf diese Beschränkung nach der ‚political question doctrine‘ zu berufen. Das wochenlange Ringen um die Nachzählung von 9000 unberücksichtigen Stimmen im Bundesstaat Florida beendete der Supreme Court mit seinem Urteil vom 12. Dezember 2000. Das Gericht stoppte die vom Florida Supreme Court angeordnete Handauszählung in allen Counties.31 Sieben der neun Richter beanstandeten die uneinheitlichen Auszählrichtlinien, die einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in Art. II Sect. 1 Cl. 2 USVerf. bedeuteten: „Each State shall appoint […] a Number of Electors, equal to the whole Number of Senators and Representatives to which the State may be entitled in the Congress.“ Eine erneute Nachzählung auf der Grundlage einheitlicher Kriterien war nach Ansicht einer 5:4-Mehrheit der Richter wegen des Ablaufs der Benennungsfrist für die Wahlmänner aber nicht mehr möglich. Die Argumentation der Mindermeinung berief sich darauf, dass es sich nach Art. II Sect. 1 Cl. 2 USVerf. um eine Sache der Einzelstaaten handele: „[E]ach State shall appoint […].“ Daneben wurde ein Argument aus dem Gedanken der ‚political question doctrine‘ vorgebracht: Das Gericht habe den Grundsatz der Zurückhaltung, der bei Entscheidungen zu beachten ist, die einem anderen Teil der Staatsgewalt – hier dem Kongress – übertragen sind, verletzt. Nach Art. II Sect. 1 Cl. 4 USVerf bestimmt der Kongress den Zeitpunkt für die Benennung und das Datum für die Zusammenkunft der Wahlmänner: „The Congress may determine the Time of chosing the Electors, and the Day on which they shall give their Votes.“ Das US-Wahlgesetz sieht lediglich vor, dass das Wahlergebnis eines Bundesstaats, dessen Wahlmänner nicht bis sechs Tage vor dem Zu———————— 29

Vgl., Rau, aaO., S. 80. New York Times v. United States, 403 U.S. 713 (1971). Anderer Ansicht war der dissentierende Richter Harlan, für den der Bereich der richterlichen Kontrolle in auswärtigen Angelegenheiten äußert eng bemessen ist: „It is plain to me that the scope of the judicial function in passing upon the activities of the Executive Branch of the Government in the field of foreign affairs is very narrowly restricted.“, ebd., S. 756. Siehe oben S. 192f. 31 Bush v. Gore, 531 U.S. 98 (2000). 30

§ 17 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit

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sammentritt des Wahlmännergremiums eindeutig benannt wurden, vom Kongress überprüft und gegebenenfalls abgeändert werden kann.32 Damit lasse das Wahlgesetz sogar ausdrücklich eine spätere Benennung zu – so Justice Souter – und stelle diese unter den Vorbehalt des Kongresses: „That provision sets certain conditions for treating a State's certification of Presidential electors as conclusive in the event that a dispute over recognizing those electors must be resolved in the Congress under 3 U.S.C. 15.“33 Dementsprechend habe die Entscheidung des Supreme Court die Zuständigkeit des Kongresses nicht ausreichend gewürdigt. III. Gerichtliche Kontrolle parlamentarischer Untersuchungsmaßnahmen Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses selbst ist gerichtlich nicht überprüfbar. Die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit einer Untersuchung ist deshalb nur im Rahmen der Kontrolle von Einzelmaßnahmen eines Untersuchungsausschusses möglich. Ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren gegen Anordnungen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gibt es nicht. Es besteht allein die Möglichkeit der Haftprüfung durch einen Richter (‚writ of habeas corpus‘). Streitigkeiten um die Herausgabe von Akten oder die Vorladung von Mitgliedern der Exekutive wurden in der Vergangenheit mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Verhandlungs- und nicht die judizielle Lösung voranzutreiben sei: „[The court] encouraged negotiations in order to avoid the problems inherent in [the judiciary] formulating and applying standards for measuring the relative needs of the [executive and legislative branches].“34

Feststellungsklagen wird mit dieser Begründung leicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen.35 Entscheidungen können so lange vertagt werden, bis der Streitvermeidung durch eine Verhandlungslösung Genüge getan ist: „[In a dispute] concerning the respective powers of the Legislative and Executive Branch […] should be delayed until all possibilities for settlement have been ex-

———————— 32

3 U.S.C. 5, 15. Bush v. Gore, 531 U.S. 98 (2000) (diss. Justice Souter). 34 United States v. AT & T, 567 F.2d 121, 130 (D.C. Cir. 1977). 35 So auch hinsichtlich des Herausgabeverlangens der Nixon-Tonbänder durch den untersuchenden Senatsausschuss (vgl. Fn. 86). Das Gericht wies das Herausgabeverlangen u.a. mit der Begründung zurück, dass der Rechts- und Verhandlungsweg nicht ausgeschöpft worden sei. Die begehrten Beweismittel seien nicht die einzigen, bzw. dem Senatsausschuss auch über andere Wege, bspw. den Special Counsel, zugänglich. Die daraufhin erhobene Feststellungsklage wurde mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen, Senate Select Committee on Presidential Campaign Activities v. Nixon 498 F.2d 725 (D.C. Cir. 1974). 33

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

hausted […] Compromise and cooperation, rather than confrontation, should be the aim of the parties.“36

Gewöhnlich schwindet in diesem Zusammenhang auch das politische Interesse am Ausgang des Verfahrens und Streitigkeiten werden regelmäßig auf dem Verhandlungswege gelöst.37 Die Zurückhaltung des Supreme Court erwies sich in der Zeit der Kommunistenverfolgung der 1940er und 1950er Jahre als fatal.38 Erst Mitte der 1950er Jahre griff der Supreme Court unter Chief Justice Earl Warren in die ausufernde Untersuchungstätigkeit der Kongressausschüsse ein, insbesondere durch die Entscheidung Watkins v. United States und erklärte den Untersuchungsauftrag des House Committee on Unamerican Activities (HUAC) für zu unbestimmt.39 Aus der ‚due process clause‘ des 5. Amd.40 und dem der ‚equal protection clause‘ des 14. Amd.41 zugrunde liegenden Fairnessgedanken entwickelte der Warren-Court (1953-1969) weitere fundamentale, grundrechtsgleiche Verfahrensrechte. Zwar erfolgte dies maßgeblich an Hand des Strafverfahrens. Die Grundsätze wurden aber in der Folge auch auf parlamentarische Untersuchungen angewandt. Hier sind bspw. die sog. Miranda-Rechte zu nennen, die Belehrungspflichten in Verbindung mit der Konfrontation mit einem Vergehen oder Verbrechen festschreiben.42 Zur Durchsetzung von Zwangsmitteln, der Vollstreckung einer ‚subpoena‘ oder der Anklage wegen Falschaussage oder Meineids wird die Justiz als Vollzugsbehörde eingeschaltet. In den Vereinigten Staaten sind alle Funktionen der Justiz, sofern es sich um Angelegenheiten handelt, die in die Zuständigkeit der Bundesgerichtsbarkeit fallen, beim Attorney General konzentriert. Der Attorney General vertritt die Vereinigten Staaten in allen Zivilprozessen und erhebt Anklage in Strafprozessen. Eine Staatsanwaltschaft nach kontinentaleuropäischem Rechtsverständnis, die das öffentliche Interesse im Gerichtsverfahren zur Geltung bringt, existiert nicht. ———————— 36

United States v. House of Representatives, 556 F. Supp. 150, 151-153 (D.D. Cir. 1983). 37 Davins, Congressional-Executive Information Access Disputes, 48 Administrative Law Review 1996, S. 109ff. 38 Siehe § 10 II.2.b), Fn. 44. 39 Watkins v. United States, 354 U.S. 178 (1957), siehe oben § 10 II.2.b), S. 130. 40 „No person shall […] be deprived of life, liberty, or property, without due process of law.“ 41 „No State shall make or enforce any law which shall abridge the privileges or immunities of citizens of the United States; nor shall any State deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law; nor deny to any person within its jurisdiction the equal protection of the laws.“ 42 Miranda v. Arizona, 384 U.S. 436 (1966).

§ 17 Untersuchungsverfahren und Gerichtsbarkeit

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Im Zusammenhang mit Ermittlungen innerhalb von Untersuchungsverfahren gilt, dass grundsätzlich alles, was in Geschäftsordnungen geregelt ist, kongressinterne Angelegenheit bleibt, und was gesetzlich geregelt ist, in den Zuständigkeitsbereich der Justiz fällt. Kommt bspw. eine Anklage wegen Falschaussage oder Meineids gegenüber dem Kongress in Betracht, so zeigt der Kongress das Verfahren beim Justizministerium an, welches die Ermittlungen aus eigener Kompetenz aufnimmt. Der Attorney General ist als Ankläger nicht an Inhalt und Umfang der Kongress-‚subpoena‘ gebunden und nicht zur Anklageerhebung verpflichtet. Das Verfahren kann aus Opportunitätsgründen eingestellt werden oder die Anklage auf bestimmte Punkte beschränkt werden. Unter der Aufsicht des Deputy Attorney General arbeitet eine Abteilung, die für Kommunikation und den Austausch von Informationen zwischen Kongress und Exekutive zuständig ist (Office of Legislative Affairs).43 Für Ermittlungen und Anklageerhebung im Zusammenhang mit Verstößen gegen gesetzlich verankerte Ethikregeln wurde 1976 innerhalb des Justizministeriums eine spezielle Abteilung gebildet (Public Integrity Section). IV. Parallelität gerichtlicher und parlamentarischer Untersuchungsverfahren Kongress und Justiz können gleichzeitig in einen Verfahrensgegenstand involviert sein. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Kongress ein Ethikverfahren gegen einen Abgeordneten einleitet und sich herausstellt, dass auch strafrechtliche Tatbestände in Frage stehen. Umgekehrt kann dies der Fall sein, wenn gegen einen Abgeordneten wegen einer Straftat ermittelt werden oder diese schon Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein und die Ethikkommission parallel untersuchen, ob mit der Straftat auch die Ethikregeln des Kongresses verletzt worden sind. Im Zusammenhang mit Ermittlungen anderer staatlicher Stellen, bspw. des Attorney General in Strafverfahren, kann es hinsichtlich desselben Untersuchungsgegenstands des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens zu Überschneidungen oder Kollisionen kommen. Grundsätzlich können Untersuchungen der Justiz das parlamentarische Untersuchungsverfahren formal nicht ver- oder behindern. Die parlamentarische Untersuchung kann insbesondere Informationen aus laufenden Ermittlungsverfahren beanspruchen.44 Es können sich aber Beschränkungen auf Grund des Gewaltenteilungsprinzips und der damit verbundenen Rücksichtnahme bei laufenden Ermittlungs- und Strafverfahren ergeben. So ist der Attorney General ———————— 43

28 C.F.R. Sect. 0.27. Peterson, Congressional Oversight of Open Criminal Investigations, 77 Notre Dame L. Rev. 2002, S. 1373ff. 44

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2. Teil, 2. Abschnitt: Untersuchungsrecht des US-Kongresses

z.B. zu informieren, wenn ein Untersuchungsausschuss beabsichtigt, einem Zeugen Immunität in Bezug auf eine mögliche Strafverfolgung zu gewähren. Die amerikanische Besonderheit, dass das Justizministerium (‚Department of Justice‘) als Teil der Exekutive gleichzeitig die Funktion des obersten Anklägers (‚Attorney General‘) einnimmt, führt zur einer tendentiell kontroversen Konstellation. Denn der parlamentarische Kontrollauftrag kann sich sehr viel stärker als in Deutschland auf die Ermittlungstätigkeit der obersten Justizbehörde beziehen. Die Konflikte werden meist auf dem Verhandlungsweg über die in den Kontroversen zum ‚executive privilege‘ gelöst.45

———————— 45

Siehe oben § 10 II.2.b), S. 132; Peterson aaO., S. 1377 mit Beispielfällen aus den verschiedenen historischen Perioden.

Dritter Teil

Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen § 18 Allgemeingültigkeit der ‚implied powers‘-Theorie und immanente Untersuchungskompetenz I. Fragestellung Das amerikanische Verfassungsverständnis hält das Untersuchungsrecht des Parlaments für „implied to the legislative functions.“1 Jede in der Verfassung ausdrücklich vorgesehene oder aus ihr ableitbare Kompetenz schließt die Kompetenz ein, alle notwendigen Mittel zu deren Durch- und Umsetzung zu ergreifen. Untersuchungsbefugnisse leiten sich damit sowohl aus ausdrücklichen oder immanenten Gesetzgebungs- als auch Kontrollkompetenzen ab. Dagegen wird das Untersuchungsrecht des Bundestages auf Grund der ausdrücklichen Regelung in Art. 44 GG als Ausnahmebefugnis des Parlaments verstanden. Dieses Verständnis lag schon dem Vorläufer in Art. 34 WRV bzw. den rudimentären Regelungen des deutschen Konstitutionalismus zugrunde.2 Die historische Beschränkung des Untersuchungsrechts auf spezielle Untersuchungsausschüsse blieb bestehen.3 In diesem Kapitel soll die These begründet werden, dass die ‚implied powers‘-Theorie auch auf das Grundgesetz und insbesondere die Untersuchungskompetenz des Bundestages anzuwenden ist, dass die Untersuchungskompe———————— 1

McGrain v. Daugherty, 273 U.S. 135, 173 (1927). Siehe oben § 3 II., S. 45. 3 Weber, Parlament und Regierung, S. 353, Anschütz, siehe Fn. 30, S. 29; Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, der Untersuchungsausschüsse – im Gegensatz zu ständigen Untersuchungsausschüssen – als Sonderausschüsse konzipiert sieht, S. 75. Diese Auslegung ist nicht nur der Literatur, sondern auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen, wenn das Gericht wie in der Flick-Entscheidung formuliert, dass durch „die Untersuchungsverfahren die Parlamente die Möglichkeit erhalten haben, unabhängig von Regierung, Behörden und Gerichten mit hoheitlichen Mitteln, wie sie sonst nur Gerichten und besonderen Behörden zur Verfügung stehen, selbstständig die Sachverhalte zu prüfen, die sie in Erfüllung ihres Verfassungsauftrages als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig halten,“ BVerfGE 67, 100, 127. 2

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

tenz – einschließlich der Ausübung von Zwangsmitteln – den ausdrücklichen und mitgeschriebenen Kompetenzen des Bundestages immanent ist und der Bundestag deshalb – innerhalb seiner Zuständigkeiten – befugt ist, grundsätzlich jeden Sachverhalt mit den Mitteln und der Organisationsstruktur, die er zur Durch- und Umsetzung seiner Gesetzgebungs- und Kontrollaufgaben für erforderlich hält, zu untersuchen. Die Erörterung ist vor dem rechtsvergleichenden Hintergrund nicht nur von verfassungstheoretischem Interesse. Sie ist auch für die nachfolgenden Reformüberlegungen von Belang, insbesondere für die Frage, ob und wie Untersuchungsbefugnisse ständiger Ausschüsse erweitert werden können: Schließen geschriebene oder ungeschriebene Kompetenzen des Bundestages Instrumente der unmittelbaren Sachverhaltsaufklärung aus Gründen der Wirksamkeit ein, so ist Art. 44 GG keine Ausnahmeregelung zugunsten des Parlaments, sondern eine verfassungsrechtliche Konkretisierung der immanenten parlamentarischen Aufklärungskompetenz. Die einfachgesetzliche Übertragung zusätzlicher Untersuchungsbefugnisse auf ständige Ausschüsse bedarf dann keiner Verankerung in der Verfassung.4 Für den deutschen Betrachter ist es erforderlich, das Untersuchungsrecht, wie es in Art. 44 GG tradiert ist, gedanklich in dessen Einzelbestandteilen wahrzunehmen: Selbstinformation, Publizität, Minderheitenrecht. Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen liegt, wie einleitend geschildert, bei der Frage, welche Befugnisse dem Parlament zur unmittelbaren Selbstinformation und deren wirksamer Durchsetzung zustehen. Das Öffentlichkeitsprinzip als legitimierendes und effizienzsteigerndes Element sowie das Minderheitenrecht, wie es in Art. 44 Abs. 1 GG als Funktionssicherung Eingang gefunden hat, stehen quasi neben dieser Funktion und sind in einem eigenen Gedankenschritt zu behandeln. Zunächst erfolgt eine Bestandsaufnahme der Entwicklung der ‚implied powers‘-Theorie in den Vereinigten Staaten sowie der rechtlichen Behandlung ungeschriebener Kompetenzen in der Bundesrepublik. Die ‚implied powers‘Theorie wird danach methodisch eingeordnet, ihre Anwendbarkeit auf das Grundgesetz erörtert sowie die immanente Untersuchungskompetenz des Bundestags nach dieser Lehre hergeleitet, auf mögliche Einwände geprüft und ihre Grenzen aufgezeigt.

———————— 4

Wie dies bspw. im Zusammenhang mit dem Petitionsausschuss in Art. 45c GG oder dem Verteidigungsausschuss in Art. 45a GG erfolgt ist.

§ 18 Immanente Untersuchungskompetenz

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II. Entwicklung der ‚implied powers‘-Theorie in den Vereinigten Staaten 1. Ungeschriebene Verbandskompetenzen Der US-amerikanische Bundesstaat hatte nach der Verfassung keine ursprünglichen, sondern nur von den Gliedstaaten verliehene Kompetenzen. Nach Inkrafttreten der Verfassung am 17. September 1787 stellte sich die Frage, ob neben den ausdrücklich verliehenen Kompetenzen (‚expressed powers‘) weitere, aus den explizit erwähnten Kompetenzen hervorgehende Rechte bestünden (‚implied powers‘). Der Streit entbrannte 1790/91 um die Gründung der ersten Bank der Vereinigten Staaten, deren Zulässigkeit Präsident Washington mangels ausdrücklicher Bundeskompetenz anzweifelte. Er fand Unterstützung beim damaligen Secretary of State Thomas Jefferson, der sich gegen eine Ausdehnung der ‚expressed powers‘ wandte. Als Vertreter der „strict constitution“ plädierte er für eine enge Auslegung der Delegationsregel im 10. Amd.: „The powers not delegated to the United States by the Constitution, nor prohibited by it to the States, are reserved to the States respectively, or to the people.“ Die laxe Handhabung dieses Grundsatzes würde sonst sein Ende bedeuten: „If such latitude of construction be allowed to this phrase as to give any nonenumnerated power, it will go to every one.“5 Secretary of the Treasury Alexander Hamilton, Befürworter des Gründungsgesetzes, widersprach. Er berief sich ebenfalls auf den Wortlaut des 10. Amd. Sein Hauptargument zur Begründung der ‚implied powers‘-Lehre war das Prinzip der Volkssouveränität. Daraus folge, dass der Kongress alle Rechte habe, die die Verfassung nicht ausdrücklich verneine, anderen Staatsorganen zuweise oder den Gliedstaaten vorbehalte. Allen expliziten Befugnissen des Bundes müssten zur Erreichung dieser Zwecke implizit alle notwendigen Mittel zustehen: „[T]hat every power vested in a government [is] in its nature souvereign, and includes, by force of the term, a right to employ all means requisite and fairly applicable to the attainment of the ends of such power.“6

Darüber hinaus sah Hamilton ‚resulting powers‘, die sich für ihn im Unterschied zu den ‚implied powers‘ nicht im Zusammenhang mit einer konkreten Kompetenz ergaben, sondern aus der Natur des Gemeinwesens resultierten.7 Er ———————— 5 Jefferson, Opinion on the Constitutionality of a National Bank, in: ders, Writings, S. 419-421. 6 So Hamilton in seinem Brief an den Präsidenten George Washington v. 23.2.1791, zit. in: Smith/Murphy, Liberty and Justice, S. 92. 7 „[…] resulting from the whole mass of the powers of the government.“ Hamilton, aaO.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

fand seine Theorie im Verfassungstext zu den Kompetenzen des Kongresses in Art. I Sect. 8 Cl. 18 USVerf. bestätigt: „[The Congress shall have Power to] make all Laws which shall be necessary and proper for carrying into Execution the foregoing Powers, and all other Powers vested by this Constitution in the Government of the United States, or in any Department or Officer thereof.“ Dabei verstand Hamilton unter „necessary“ im Unterschied zu Jefferson mehr als das absolut Notwendige: „[…] necessary often means no more than needful, requisite, incidential, useful, or conductive to.“8 Präsident George Washington ließ sich durch Hamiltons Argumente überzeugen und unterzeichnete das umstrittene Gesetz. Nach Ablauf seiner Geltungsdauer im Jahre 1811 initiierte Präsident James Madison (1809-1817) die Weiterführung der Bundesbank. Der Kongress verabschiedete 1816 das Gesetz zur Errichtung der Bank of the United Staates. Allerdings folgte eine Gegenbewegung der Einzelstaaten. Sie versuchten die Kompetenz der Bank durch lokale Gesetze zu unterwandern. Maryland verweigerte die Zahlungsaufforderung einer Bundessteuer und der Fall kam 1819 vor den Supreme Court. In seiner Entscheidung McCulloch v. Maryland berief sich der Vorsitzende Richter John Marshall im wesentlichen auf Hamiltons Argumente von 1791.9 Zunächst legte er dar, dass die Verfassung der Annahme von ‚implied powers‘ nicht entgegenstehe. Außerdem sei davon auszugehen, dass aus der Tatsache, dass die Verfassung dem Kongress Kompetenzen im Hinblick auf die Erhebung von Steuern zuweise, sie auch Instrumente bereitstellen müsse, diese Kompetenzen wahrzunehmen, um die definierten Ziele zu erreichen.10 Eine Bank könne ein solches Instrument sein. Allerdings dürfe die herzuleitende Kompetenz ihren Charakter als Hilfskompetenz nicht verlieren. Sie müsse eine qualifizierte Verbindung zu einer enumerierten Zuständigkeit aufweisen. Als textlichen Anknüpfungspunkt führte Marshall ebenso wie Hamilton die ‚necessary and proper clause‘ nach Art. 1 Sect. 8 Cl. 18 USVerf. an: „Necessary“ bedeute „notwendig“ im Sinne von nützlich („needful“), angemessen („requisite“) und hilfreich („conductive“), nicht hingegen „absolutely necessary“ im Sinne einer unerlässlichen Voraussetzung.11 ———————— 8

Hamilton, aaO., S. 94. 17 U.S. 316, 321 (1819). 10 „The power of creating a corporation, though appertaining to sovereignty, is not, like the power of making war, or levying taxes, or of regulating commerce, a great substantive and independent power, which cannot be implied as incidental to other powers, or used as a means of executing them.“, Wheat. (17 U.S.) 316, 411 (1819). 11 McCulloch v. Maryland, 17 U.S. 316, 353 (1819): „The power to establish such a corporation is implied, and involved in the grant of specific powers in the constitution; because the end involves the means necessary to carry it into effect. A power without the means to use it, is a nullity.“ 9

§ 18 Immanente Untersuchungskompetenz

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Das Urteil hatte – über die konkrete Sachentscheidung hinaus – große Bedeutung für die Stärkung der Bundeskompetenzen und die Zurückdrängung der Kompetenzen der Einzelstaaten im Bereich der Gesetzgebung. Außerdem ist die ‚implied powers‘-Lehre mit ihrem Kern der Zweck-Mittel-Relation seit der Entscheidung fester Bestandteil des US-amerikanischen Verfassungsrechts.12 Der Supreme Court hat nach McCulloch v. Maryland weiter versucht, diese Erfordernisse mit Leben zu erfüllen und die Kriterien zu verfeinern.13 Hamilton und Marshall hatten bereits darauf hingewiesen, dass die Verbindung zwischen einer zu regelnden Materie und der ‚necessary and proper clause‘ nicht willkürlicher oder rein theoretischer Natur sein dürfe, sondern eine gewisse Qualität aufweisen müsse.14 Was den Grad der Nützlichkeit betrifft, der – im Rahmen der Zweck-Mittel-Relation – zwischen ungeschriebenen und geschriebenen Kompetenzen bestehen muss, erkennt der Supreme Court ein weites Legislativermessen an. Das Gericht erwartet aber, dass der Kongress solche Überlegungen anstellt und diese im Gesetz zum Ausdruck bringt (‚congressional findings‘). Das Gericht stellt keine eigenen Erwägungen an. Es prüft ausschließlich, ob die Argumentation nachvollziehbar ist.15 Eine qualitative Überprüfung ist nur insoweit erkennbar, als der Supreme Court Gesetzen die Verfassungsmäßigkeit abgesprochen hat, also wenn der Kongress Ziel und Zweck der Gesetzgebung nicht ausreichend substantiiert vorgetragen hatte.16 2. Ungeschriebene Organkompetenzen Neben ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen im vertikalen Gewaltenteilungsverhältnis werden seit jeher ungeschriebene Organkompetenzen im horizontalen Gewaltenteilungsverhältnis diskutiert. Da eine der ‚necessary proper clause‘ vergleichbare Regelung zugunsten des Präsidenten fehlt, gehen die Ansichten bei der Frage weit auseinander, ob auch dem Präsidenten ‚implied powers‘ zustünden.17 Die Rechtsprechung des Supreme Court zum ‚executive ———————— 12

Joswig, Implied powers-Lehre, S. 46f. Die Konkretisierung der Merkmale hat eine Reihe weiterer Problemkreise aufgedeckt. Insbesondere ist zweifelhaft, wie weit die Kette der ,implied powers‘ gehen darf. Hierzu siehe Joswig, Implied powers-Lehre, S. 47f. 14 Hamilton spricht von „obvious relation“, aaO., S. 94, Marshall von „appropriate“ und „plainly adapted“, McCulloch v. Maryland, 17 U.S. 316, 421 (1819). 15 In United States v. DeWitt, 76 U.S. 41 (1879). 16 United States v. Bass, 404 U.S. 336 (1991); Scarborough v. United States, 431 U.S. 563 (1977). 17 Von einer restriktiven Auslegung ging Justice Black in Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 U.S. 579, 640 (1952) aus, indem er Präsident Truman untersagte, die Staatsindustrie zu requirieren. Dem Präsidenten stünden nur die ausdrücklich in der Verfassung aufgeführten Kompetenzen zu; diese seien eng auszulegen. Vgl. Joswig, Implied powers-Lehre, S. 166. 13

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

privilege‘ kann als Beleg dafür gelten, dass bestimmte Kompetenzen als den geschriebenen Kompetenzen des Präsidenten immanent angesehen werden – im Nixon-Fall die Befugnis, Gesprächsinhalte zwischen dem Präsidenten und seinen Beratern vertraulich zu behandeln.18 Obwohl der Supreme Court die Argumente Nixons letztlich zurückwies, erkannte das Gericht diese immanente Organkompetenz als notwendig und damit „mitgeschrieben“ an. Es wendete u.a. die Grundsätze von McCulloch v. Maryland auch auf diese kompetenzrechtliche Frage an. Chief Justice Burger stellte – wie Justice Marshall in McCulloch v. Maryland – in der Entscheidung fest, dass allein das Fehlen einer ausdrücklichen Ermächtigung nicht gegen die Existenz des Vertraulichkeitsprivilegs spreche.19 Aus der Funktion des Präsidenten ergebe sich die Befugnis, frei und ohne Befürchtung einer späteren Überprüfung mit seinen politischen Beratern debattieren zu können.20 Allerdings sei das Privileg mit den Befugnissen anderer Organe in Einklang zu bringen und die Interessen im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Justice Burger nimmt die in McCulloch v. Maryland gebotene Zweck-Mittel-Relation durch eine Güterabwägung zwischen dem strafprozessualen Informationsinteresse und dem Vertraulichkeitsinteresse des Präsidenten vor. Da Nixon die Herausgabe der Tonbänder nur pauschal verweigert hatte und nicht in qualifizierter Weise, bspw. mit der Begründung, es handele sich um militärische oder geheimdienstliche Informationen, sei das justizielle Ermittlungsinteresse („fair administration of criminal justice“) höher zu bewerten.21. Für das Verständnis des parlamentarischen Untersuchungsrechts als ‚implied power‘ des Kongresses wird auf die Wirksamkeit und Effizienz von Informationsansprüchen zur Erfüllung ausdrücklicher oder mitgeschriebener Legislativkompetenzen abgestellt, die Zwangsmittel erforderlich machen können. Der Supreme Court entschied in McGrain v. Daugherty, dass dem Kongress nicht nur das Recht „to send for persons and papers“ zustehe, sondern auch dessen effiziente Durchsetzung von der Kompetenz umfasst sei: „[…] in the absence of information […] where the legislative body does not itself possess the requisite information […] which not infrequently is true – recourse must be had to others who do possess it [and] that the constitutional provisions which

———————— 18

Siehe oben § 10 II.2.b)cc), S. 132. „[T]he silence of the Constitution on this score is not dispositive. The rule of constitutional interpretation announced in McCulloch v. Maryland […] that that which was reasonably appropriate and relevant to the exercise of a granted power was to be considered as accompanying the grant, has been so universally applied that it suffices merely to state it.“, 418 U.S. 683, 705 (1974). 20 United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 708 (1974). 21 United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 710 (1974). 19

§ 18 Immanente Untersuchungskompetenz

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commit the legislative function to the two houses are intended to include this attribute to the end that the function may be effectively exercised.“22

Textlich wird auf die ‚necessary and proper clause‘ und/oder eine enumerativ aufgeführte Legislativkompetenz verwiesen. III. Ungeschriebene Kompetenzen in der Bundesrepublik Der Rechtsgedanke der ‚implied powers‘-Theorie ist dem deutschen Verfassungsdenken nicht fremd. Wie in den Vereinigten Staaten tauchte er zuerst bei der Frage der Abgrenzung von Bundes- und Landesgesetzgebungskompetenzen auf.23 1. Ungeschriebene Verbandskompetenzen Das Bundesverfassungsgericht hat Bundeszuständigkeiten „kraft Natur der Sache“ und „kraft Sachzusammenhangs“ anerkannt. Hinsichtlich der Kompetenz „kraft Natur der Sache“ hat das Verfassungsgericht die Formulierung von Anschütz – allerdings nicht ihre rechtstheoretische Begründung – übernommen: „[E]ine Kompetenz aus der Natur der Sache ist begründet nach dem ungeschriebenen, im Wesen der Dinge begründeten, mithin einer ausdrücklichen Anerkennung durch die Reichsverfassung nicht bedürftigen Rechtssatz, wonach gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheiten des Reichs darstellen, vom Reiche und nur von ihm geregelt werden können.“24

Nach dem Bundesverfassungsgericht ist diesen Voraussetzungen nur dann Genüge getan, wenn „Schlußfolgerungen aus der Natur der Sache […] begriffsnotwendig […] eine bestimmte Lösung unter Ausschluss anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend fordern.“25 Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ist dann anzunehmen, wenn eine dem Bund zugewiesene Ma———————— 22

McGrain v. Daugherty, 273 U.S. 135, 173 (1927). Zur rechtswissenschaftlichen Literatur siehe insbesondere Bullinger, Ungeschriebene Kompetenzen im Bundesstaat, AöR 96 (1971), S. 237ff.; Triepel, Die Kompetenzen des Bundesstaats und die geschriebene Verfassung, in: FS-Laband, Bd. 2, S. 247ff; Küchenhoff, Ausdrückliches und stillschweigendes und ungeschriebenes Recht in der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, AöR 82 (1957), S. 413ff.; ders., Ungeschriebene Bundeszuständigkeiten und Verfassungsauslegung, DVBl. 1951, 685ff.; 617ff.; Achterberg, Zulässigkeit und Schranken stillschweigender Bundeszuständigkeiten, AöR 86 (1961), S. 63, 64. 24 BVerfGE 3, 407, 421 (Baurechtsgutachten); Anschütz, Reichsaufsicht, HdbDSR Bd. 1, S. 363ff, 367. Für die Zeit nach 1945 zustimmend Grewe, in: Bundesrecht und Bundesgesetzgebung, Bericht über die Weinheimer Tagung des Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten 1950, S. 39. 25 BVerfGE 11, 89 (Bremisches Urlaubsgesetz), 98f.; 12, 205, 251. 23

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

terie nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerlässliche Voraussetzung für die Regelung einer ausdrücklich zugewiesenen Materie ist.26 Die Berufung auf eine Kompetenznorm kraft Sachzusammenhangs ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kaum noch anzutreffen. Vom Schrifttum wird sie für entbehrlich gehalten, da der Umfang der Kompetenznorm über die Verfassungsinterpretation zu bestimmen sei, weil die Kriterien der Wirksamkeit und Effektivität, die von der Lehre „kraft Sachzusammenhangs“ eingebracht werden, auch im Rahmen der allgemeinen Verfassungsinterpretation einbezogen werden können.27 Inwieweit die „Annexkompetenz“ ein Unterfall oder Sonderfall der Kompetenzlehre „kraft Sachzusammenhangs“ ist, ist ebenso umstritten.28 Das Bundesverfassungsgericht hat Annexkompetenzen dann zuerkannt, wenn eine an sich nicht der Bundesgesetzgebung unterliegende Materie mit einer der Zuständigkeit des Bundes unterliegenden Materie in Zusammenhang steht und deshalb als Annex jenes Sachzusammenhangs angesehen werden kann.29 Eine scharfe Abgrenzung ist bisher nicht gelungen. Zutreffend wird die im Zusammenhang mit den Gesetzgebungskompetenzen entwickelte Terminologie für wenig überzeugend gehalten.30 Methodisch ist der Umgang mit den Gesetzgebungszuständigkeiten nach Art. 70 ff. GG aus sich heraus, unter Beachtung der Prinzipien der Verfassungs- und Gesetzesinterpre-

———————— 26 BVerfGE 3, 407, 421: „Soviel steht jedenfalls fest, dass die bloße Erwägung, es sei zweckmäßig, mit einer dem Bund ausdrücklich zugewiesenen Materie gleichzeitig auch eine verwandte Materie zu regeln, nicht zur Begründung einer Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ausreicht.“; 11, 192, 199; 12, 205, 237f.; näher dazu Bullinger, Ungeschriebene Kompetenzen im Bundesstaat, AöR 96 (1971) S. 237. 27 Bullinger, aaO., S. 246, lehnt die Formel vom Sachzusammenhang ab, da sie mit den Auslegungsregeln in Gegensatz gestellt wird und damit ins Leere gehen muss; Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rn. 60, 65, schlägt statt „Annexkompetenz“ den Begriff der „impliziten Kompetenz“ vor, weil der Annex nicht immer „ungeschrieben“ oder „geschrieben“ ist. Beispielhaft führt er die Statistik für Bundeszwecke, Art. 73 Nr. 11 GG an. 28 v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 70 Rn. 42, sehen in der Annexkompetenz keinen besonderen Typus neben dem Sachzusammenhang; anders Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 70, Rn. 32, die Annexkompetenzen für eine besondere Kompetenz kraft Sachzusammenhangs, aber für eine bedenkliche Kompetenz halten, weil sie sich nicht in die Breite, sondern in die Tiefe – Vorbereitung, Durchführung – erstrecke. 29 BVerfGE 8, 143, 148f. (Beschlussgesetzurteil: Ordnungsgewalt als Annex eines Sachgebietes); 9, 185, 190 (Gesetz über den Verkehr mit unedlen Metallen: akzessorisches Verwaltungsverfahrensrecht); 22, 180, 210 (Jugendwohlfahrtsurteil: Regelung des Verwaltungsverfahrens der Länder nach Art. 84 Abs. 1 GG als „punktuelle Annexregelung“ zu einer materiellen Regelung im Zuständigkeitsbereich). 30 Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rn. 55 m.w.Nachw.

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tation, zu ermitteln.31 Überzeugender ist die Unterscheidung ungeschriebener Kompetenzen unter dem Aspekt der „Breite“ und der „Tiefe.“ Eine Auslegung über den Sachzusammenhang oder die Natur der Sache erfasst danach regelmäßig den Umfang einer geschriebenen Kompetenz („Breite“). Die Annexkompetenz richtet sich dagegen auf die „Tiefenwirkung“: Jeder Gesetzgebungskompetenz muss auch die Berechtigung zur Regelung der Vorbereitung und Durchführung des jeweiligen Sachgegenstandes entnommen werden können.32 2. Ungeschriebene Organkompetenzen a) Materielles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten Dass sich entsprechend dem Gedanken der ‚implied powers‘-Theorie aus ungeschriebenen Bundeszuständigkeiten auch ungeschriebene Organkompetenzen ergeben können, zeigt beispielhaft die Diskussion um das materielle Prüfungsrecht des Bundespräsidenten. Steht dem Staatsoberhaupt das in der Verfassung nicht ausdrücklich erwähnte Recht zu, die Ausfertigung eines Gesetzes zu verweigern, wenn er es für materiell verfassungswidrig hält oder ist der Bundespräsident nach dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 GG auf eine formelle Prüfung beschränkt? Gegner der Anerkennung eines materiellen Prüfungsrechts haben sich zumeist darauf berufen, dass es eines solchen Rechts auf Grund der Möglichkeit des Normenkontrollverfahrens nicht mehr bedarf; dass ein materielles Prüfungsrecht also nicht erforderlich sei.33 Die Befürworter begründen ihre Ansicht, wenn auch mittels Auslegung jeweils unterschiedlicher Verfassungsnormen, mit dem Vorrang der Verfassung und der Verfassungsbindung des Bundespräsidenten. Es würde keine neue Befugnis begründet, sondern nur eine bestehende nach dem Sinn und Zweck ausgelegt. Sinn und Zweck der Ausfertigungsvorschrift könne nicht sein, dass der Bundespräsident sehenden Auges ein verfassungswidriges Gesetz ausfertige.34 Befürworter und Gegner verwenden damit Argumente der ‚implied powers‘-Theorie.35 ———————— 31 Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rn. 60; Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237, 239 lehnt die Figur der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ab, da sie Teil und nicht Gegenseite einer herkömmlichen Auslegungsmethode sei, Ungeschriebene Kompetenzen im Bundesstaat. 32 Stettner aaO., verweist auf BVerfGE 24, 300, 354: „[Z]um Wahlrecht gehören die Vorschriften, welche die Vorbereitung, Organisation, Durchführung und Überprüfung der Wahlen durch die staatlichen Organe regeln.“ 33 Friesenhahn, Zum Prüfungsrecht des Bundespräsidenten, in: FS-Leibholz, S. 676ff. 34 Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 54, Rn. 11. 35 Eine Zusammenstellung der Fälle, in denen der Bundespräsident ein Gesetz nicht ausgefertigt hat, in: Rau, Das Gesetzesprüfungsrecht des Bundespräsidenten, in: FSTsatsos, S. 562, 566.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

b) Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung Betrachtet man weiter den Kompetenzbereich der Bundesregierung, sind bei dessen Auslegung ebenso Ansätze der ‚implied powers‘-Lehre erkennbar. Nach allgemeiner Ansicht trifft das Grundgesetz nur dort eine ausdrückliche Regelung, wo sich die Befugnisse nicht schon aus der verfassungsmäßig vorausgesetzten Gesamtaufgabe der Bundesregierung als Staatsleitungsorgan ableiten lassen. Die normierten Kompetenzen sind ausfüllungsbedürftig. Sie werden um „stillschweigende“ Regierungsbefugnisse ergänzt.36 Die gleiche Argumentation liegt der Flick-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, wonach auf Grund der „Verantwortung der Regierung“ notwendigerweise ein „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ und damit ein grundsätzlich nicht ausforschbarer „Initiativbereich, Beratungsbereich und Handlungsbereich“ zustehe. Die Parallele zur Entscheidung des Supreme Court im Fall Nixon ist unverkennbar. Ebenso wie der Supreme Court, folgt das Bundesverfassungsgericht dem Abwägungsgebot zwischen den Funktionsinteressen der betreffenden Staatsorgane vor dem Hintergrund, dass das „Wohl des Bundes […] im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut“ ist.37 c) Parlamentarisches Fragerecht Ein weiteres Beispiel mit stärker parlamentsrechtlichem Bezug ist das parlamentarische Fragerecht. Das parlamentarische Fragerecht ist nicht explizit in der Verfassung geregelt. Die geschäftsordnungsrechtliche Ausdifferenzierung wird trotzdem nicht in Zweifel gezogen. Der Verfassungsrang des Fragerechts wird nach allgemeiner Ansicht bejaht.38 Zwar bemühen sich Autoren bis heute, eine verfassungsrechtliche Herleitung aus dem Status des Abgeordneten (Art. 38 GG) bzw. aus einer extensiven Auslegung des Herbeirufungsrechts (Art. 43 Abs. 1 GG) zu begründen. Zumeist werden parlamentarische Informations- und Kontrollrechte und damit auch das parlamentarische Fragerecht als notwendige Vorbedingung der Ausübung legislativer Kompetenzen stillschweigend vorausgesetzt. Schon in der Verfassungsurkunde des norddeutschen Bundes verzichtete man auf eine Regelung, weil es „sich von selbst versteht.“39

———————— 36

Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 626. BVerfGE 67, 100, 135. 38 Nachweise siehe unter § 4 II.2., S. 57. 39 Mit der gleichen Begründung wurde ein entsprechender Antrag der Abgeordneten Lasker und Assmann im Reichstag abgelehnt. Nachweise siehe bei Bodenheim, Parlamentarisches Fragerecht, ZParl. 1980, S. 38, 46. 37

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Dann bedarf die geschäftsordnungsrechtliche Ausdifferenzierung des Fragerechts keiner verfassungsrechtlichen Ermächtigung. Insoweit kann auch das parlamentarische Fragerecht als ‚implied power‘ gefasst werden.40 IV. Methodische und begriffliche Einordnung der ‚implied powers‘-Theorie 1. Verfassungsinterpretation oder verfassungsexterne Rechtsquelle? Für das US-amerikanische Verfassungsrecht stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die nach der ‚implied powers‘-Theorie abgeleiteten Kompetenzen in der Verfassung selbst wurzeln oder verfassungsexternen Ursprungs sind; mit anderen Worten: Handelt es sich um eine Frage der Auslegung (‚construction‘) geschriebenen Rechts oder um die Begründung neuer Rechtsquellen? Madison hatte bereits in den Federalist Papers zur Frage der Zulässigkeit verfassungsexterner Rechtsquellen festgestellt, dass der Bund nur solche Zuständigkeiten in Anspruch nehmen könne, die ihm durch die Verfassung übertragen seien.41 Dies nahm Justice Marshall in McCulloch v. Maryland auf: „This government is acknowledged by all, to be one of enumerated powers. The principle that it can exercise only the powers granted […] is now universally admitted.“42 Dies spricht für die methodische Einordnung der ‚implied powers‘-Theorie als Problem der Auslegung. Außerdem wird immer wieder auf den Charakter einer ‚implied power‘ als Hilfskompetenz und die notwendige Beziehung zu einer expliziten Kompetenz hingewiesen. Während sich die US-amerikanische Rechtsprechung nur beiläufig und die US-amerikanische Literatur nur eingeschränkt mit der methodischen Einordnung auseinandersetzt,43 hat sich das deutsche Schrifttum sehr ausführlich mit „ungeschriebenen Kompetenzen“ bzw. dem „ungeschriebenen Verfassungsrecht“ auseinandergesetzt.44 Den Grundstein legte 1908 Triepel in einer Unter———————— 40

Auch Annexkompetenz genannt, siehe Bodenheim aaO. Federalist Papers No. 13 v. 30.11.1787: „Its jurisdiction is limited to certain enumerated objects.“ 42 McCulloch v. Maryland, 4 Wheat (17 U.S.) 316, 405 (1819). 43 Vgl. Fisher, American Constitutional Law, S. 220. 44 Vgl. aus der älteren Literatur: Triepel, Die Kompetenzen des Bundesstaats und die geschriebene Verfassung, in: FS-Laband, Bd. 2, S. 247ff; Smend, in: Mayer-FG, S. 245, 247ff., der die Rechte und Pflichten der Länder und des Reichs durch das Prinzip der Bundestreue ergänzt sieht. Aus der jüngeren Literatur vgl. Küchenhoff, Ausdrückliches und stillschweigendes und ungeschriebenes Recht in der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, AöR 82 (1957), S. 413ff., Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, Tübingen 2000. 41

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

suchung über ungeschriebene Kompetenzen im Bundesstaat.45 Er beschäftigte sich ausführlich mit dem amerikanischen Recht und konstatierte eine Gemeinsamkeit in Deutschland und den Vereinigten Staaten: Die geschriebene Verfassung erfasse bei weitem nicht alle Kompetenzen, mit denen die Zentralgewalt wirklich ausgestattet sei.46 Allerdings könne kein Regelwerk die Wirklichkeit ohne Feinabstimmung sachgerecht steuern. Ist eine konkrete Kompetenz in der Verfassung nicht niedergelegt, sei zu prüfen, ob sie sich nicht als „Seite“ einer ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz auffassen lasse oder in einem so innigen Verhältnis zu dieser stehe, dass sie als ,implied power‘ verstanden werden müsse.47 Triepel sieht den Kernpunkt der amerikanischen ‚implied powers‘Theorie, die Zweck-Mittel-Relation, als Anwendungsbeispiel der von ihm „Verfahren mit Konsequenz“ genannten Auslegungsmethode. Dies sei die Methode, mit deren Hilfe „ungesetzte Rechtssätze als Folgerungen gesetzter Rechtssätze“ zu betrachten seien, ohne „den Bereich des Rechts“ zu verlassen.48 Diesem Grundgedanken folgen weitere Autoren mit unterschiedlicher Terminologie und unterschiedlicher inhaltlicher Akzentuierung.49 Küchenhoff, als ein Vertreter, der sich neben Triepel ausdrücklich mit der ‚implied powers‘Theorie auseinandergesetzt hat, stellt klar, dass ‚implied powers‘ keine verfassungsexternen Bundeszuständigkeiten nach Art des Gewohnheitsrechts oder des Naturrechts sind, sondern „implizit (mitgeschriebene)“ Kompetenzen, die aus dem geschriebenen Recht selbst mittels Auslegung abzuleiten sind.50 Der der ‚implied powers‘-Theorie immanente Schluss sei ein Auslegungssatz der teleologischen Interpretation. Die Wurzeln von ‚implied powers‘ seien im Katalog der ausdrücklich genannten Zuständigkeiten zu finden, deren Wort- und Begriffsbedeutung durch philologisch-logische Interpretation erforscht werden ———————— 45 Triepel, Die Kompetenzen des Bundesstaats und die geschriebene Verfassung, in: FS-Laband, Bd. 2, S. 247ff. 46 Triepel, aaO., S. 247, 252. 47 Triepel, aaO., S. 247, 326f. 48 Triepel, aaO., S. 247, 287, 289. 49 Achterberg, Zulässigkeit und Schranken stillschweigender Bundeszuständigkeiten, AöR 86 (1961), S. 63, 64; Bullinger, Ungeschriebene Kompetenzen im Bundesstaat, AöR 96 (1971), S. 239, 247; Peruzzo, Das Problem der implied powers der Organe der Europäischen Gemeinschaften, S. 37. 50 Küchenhoff, Ausdrückliches und stillschweigendes und ungeschriebenes Recht in der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, AöR 82 (1957), S. 413ff.; ders., DVBl. 1951, S. 585, 586, unterscheidet zwischen den ausdrücklich geschriebenen Kompetenzen den stillschweigend mitgeschriebenen Bundeszuständigkeiten, die begrifflich denen „kraft Sachzusammenhangs“ bzw. den ‚implied powers‘ entsprechen und den stillschweigend-evident (mit)geschriebenen Zuständigkeiten, die begrifflich denen „kraft Natur der Sache“ bzw. den ‚resulting powers‘ entsprechen, aaO., DVBl. S. 617, 619.

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könne.51 Von diesem Zweck-Mittel-Schluss aus lasse sich ein Übergreifen in eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie als Hilfe zur Ausführung einer explizit genannten Kompetenz rechtfertigen. Diese Ableitung begründe gleichzeitig ein der ‚implied powers‘-Lehre immanentes Abhängigkeitsverhältnis zwischen ‚implied powers‘ als einem Mittel und einer enumerativen Kompetenz als dem zu erreichenden Ziel. Der Ansicht Küchenhoffs ist zuzustimmen. Die im deutschen Staatsrecht entwickelte weitere Differenzierung nach Kriterien wie bspw. einer „unerlässlichen Voraussetzung für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie“,52 einem inneren Zusammenhang bzw. einer „engeren und stärkeren Verknüpfung“53, einer „zwingenden sachlichen Verbundenheit“,54 dem Charakter als „Annex eines Sachgebietes“,55 einer „engen Verzahnung“56 oder einem „stärkeren Sachzusammenhang“57 oder dem „Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung“58 widerspricht diesen Erkenntnissen nicht. Sie entsprechen vielmehr der in der ‚implied-powers‘-Theorie genannten Zweck-Mittel-Relation.59 Methodisch ist die ‚implied powers‘-Theorie keine US-amerikanische Spezialität. Die Herleitung ungeschriebener Kompetenzen nach der ‚implied powers‘-Theorie begründet keine verfassungsexternen Rechtsquellen. Sie ist grundsätzlich in jeder Verfassungsordnung möglich und zulässig. Es handelt sich dem Grunde nach nicht um „ungeschriebene“, sondern um „stillschweigend mitgeschriebene“,60 „implizite“61 oder „immanente“ Kompetenzen. Gegen die Allgemeingültigkeit ist nicht einzuwenden, dass für die Anwendung der ‚implied powers‘-Theorie nur Verfassungen in Betracht kämen, die schwer abzuändern seien. So meint Bullinger, dass eine „schöpferische Rechtsprechung“ dem Bundesverfassungsgericht schon deshalb verwehrt sei, weil die Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht wie die der Verfassung der USA oder die Reichsverfassung von 1871 im Sinne einer „offenen“ Verfassung auf politische Fortentwicklung angelegt war, sondern die notwendigen Bundeskompetenzen im Sinne einer perfektionierten Verfassung vollständig aufzuzäh———————— 51

Küchenhoff, aaO., AöR 82 (1957), S. 413, 429. Küchenhoff, aaO., DVBl. 1951, S.

617. 52

BVerfGE 3, 407, 421 (Baurechtsgutachten); 15,1, 20; 26, 246, 256. BVerfGE 7, 29, 39. 54 BVerfGE 4, 74, 84. 55 BVerfGE 8, 143, 149. 56 BVerfGE 22, 180, 213 57 Bullinger, Ungeschriebene Kompetenzen im Bundesstaat, AöR 96 (1971), S. 237. 58 Achterberg, aaO., S. 63, 90ff. 59 Joswig, Implied powers-Lehre, S. 149. 60 Küchenhoff, aaO., DVBl. 1951, S. 585, 586. 61 Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rn. 65. 53

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

len und „sorgsam abzuzirkeln“ suchte, um den jeweiligen Kompetenzbereich zu sichern. Anders als die Judikatur in den USA sei das Bundesverfassungsgericht nicht vor die Aufgabe gestellt worden, eine in ihrem Wortlaut schwer abänderbare Verfassung – nach Art. 5 USVerf. ist für die Verfassungsänderung nicht nur die Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Kongresses, sondern auch einer Ratifizierung durch drei Viertel der Einzelstaaten notwendig – den politischen und wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten anzupassen.62 Unabhängig davon, ob man dieser Ansicht – insbesondere für den Bereich der ungeschriebenen Organkompetenzen – zustimmt, ist diese Frage keine der allgemeinen Anwendbarkeit der ‚implied powers‘-Theorie auf das Grundgesetz, sondern höchstens eine der konkreten Anwendung. Der abstrakte Verweis auf die Voraussetzungen, unter denen eine Verfassung zu ändern ist, besagt noch nichts über die Herleitung einer konkreten Kompetenz. Der Gedanke von ‚implied powers‘ taucht in den verschiedenen Verfassungsordnungen mit unterschiedlicher Häufigkeit und Intensität auf. Grundsätzlich kann gelten, dass, je leichter eine Verfassung abänderbar und ergänzbar ist, desto größer ihre kompetenzrechtliche „Geschmeidigkeit“ ist und desto weniger Spielräume für die Begründung impliziter Kompetenzen bestehen.63 Der Grundsatz schließt aber immanente Kompetenzen nicht von vornherein aus. Ob eine konkrete Kompetenz als „implizit mitgeschrieben“ hergeleitet werden kann, ist eine Frage der konkreten Anwendung. Will die Verfassung die Herleitung von ‚implied powers‘ untersagen, muss sie kenntlich machen, dass die enumerierten Kompetenzen ausschließlich nach ihrem Wort- und Begriffssinn zu interpretieren sind.64 Für die Herleitung der immanenten Untersuchungskompetenz geben die Grundsätze der ‚implied powers‘-Theorie die Methode der Auslegung richtungsweisend vor. Spricht der Wortlaut des Grundgesetzes – insbesondere Art. 44 GG – gegen die Auslegung als immanente Untersuchungskompetenz? Besteht ein innerer Zusammenhang der immanenten Untersuchungskompetenz mit einer geschriebenen Kompetenz? Ist die Auslegung notwendig im Sinne von „nützlich“ oder „angemessen“? Welchen Inhalt hat die immanente Untersuchungskompetenz? Wo sind die Grenzen der immanenten Untersuchungskompentenz zu ziehen? Diese Fragen können mit den allgemeinen Methoden der Verfassungs- und Gesetzesinterpretation – der teleologischen, historischen, systematischen Auslegung – einer Klärung zugeführt werden. Die Auslegungsmethoden werden durch eine explizit komparative Methode ergänzt.65 Der Bezug zu den her———————— 62

Bullinger, aaO., S. 239, 241, 243. Peruzzo, Das Problem der implied powers der Organe der Europäischen Gemeinschaften, S. 28. 64 Joswig, aaO. S. 149. 65 Küchenhoff, aaO., DVBl. 1951, S. 617, 618. 63

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kömmlichen Auslegungsmethoden steht nicht in Zweifel. Allerdings will die komparative Methode das Grundgesetz für die Frage der Verfassungsinterpretation nicht nur mit der Weimarer Reichsverfassung bzw. der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 oder der Preußischen Verfassung von 1850 vergleichen, sondern auch mit der US-Verfassung. Auf diesem Wege kann gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit Einwänden erfolgen, die aus dem Umstand gefolgert werden könnten, dass das US-amerikanische Regierungssystem im Gegensatz zum parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik ein präsidentielles ist und damit ein anderes Machtgleichgewicht in der Verfassung angelegt ist.66 Bedingt kann auf die entwickelten Formeln zu ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen „kraft Natur der Sache“, „kraft Sachzusammenhangs“ oder kraft „Annexes“ zurückgegriffen werden. Es wird sich zeigen, dass sich alle drei Denkansätze – erkennt man diese an – in der Herleitung der immanenten Untersuchungskompetenz wiederfinden: Parlamentarische Untersuchungsbefugnisse sind Annexkompetenzen, weil sie das Verfahren, also die Ausführung einer Parlamentskompetenz in der „Tiefe“ regeln. Gleichzeitig können sie den Sachzusammenhang ausweiten und damit die Kompetenzen des Bundestages in der „Breite“ betreffen. Realisierungsmaßnahmen sind typischerweise auf unterschiedliche Sachgegenstände bezogen.67 Ihrer „Natur“ nach sind parlamentarische Untersuchungsbefugnisse Mittel, die dem Zweck der Kontrolle der Exekutive dienen. Im horizontalen Gewaltenteilungsverhältnis kann diese Funktion nur das Parlament wahrnehmen. Im vertikalen Verhältnis sind Untersuchungsbefugnisse des Bundestages ihrer „Natur“ nach nur vom Bund selbst und nicht von den Ländern zu regeln. 2. Der Begriff „Kompetenz“ Art. 44 Abs. 1 GG spricht von „der Bundestag hat das Recht“, Art. 70 Abs. 1 GG vom „Recht der Gesetzgebung“, Art. 70 Abs. 2 GG von „Zuständigkeit“, in Art. 30 GG geht es um „Befugnisse.“ Der Begriff der „Kompetenz“ wird nirgends erwähnt.68 Kompetenz wird vorliegend ausschließlich im funktionellen Sinn – also im Sinne der Frage nach einem handlungsberechtigten Akteur – verwendet. Der Begriff des subjektiven Rechts betrifft das Beziehungsgeflecht Staat/Bürger und passt nicht für das kompetenziell geordnete Gefüge der staat———————— 66

Bullinger, Ungeschriebene Kompetenzen im Bundesstaat, AöR 96 (1971), S. 239,

243. 67

Die Sachgegenstände sind „von Hause aus unbekannt“, Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rn. 65. 68 Die Staatsrechtslehre ist also frei in Begriffsbestimmung, Sinnausfüllung und Bewertung von „Kompetenz“, vgl. Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rn. 17.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

lichen Organisationen.69 Kompetenz wird als Oberbegriff zu den staatlichen Befugnissen und den gedanklich vorausliegenden Aufgaben verstanden. Kompetenz bildet damit ein Synonym für Befugnis. Kompetenz wird zur staatlichen Aufgabe, deren Erfüllung die parlamentarische Tätigkeit im konkreten Fall dient, in eine Zweck-Mittel-Beziehung gesetzt. Die Zuständigkeitskataloge des Grundgesetzes dienen für das Spektrum an Aufgaben als Quelle.70 V. Immanente Untersuchungskompetenz des Bundestages nach der Methode der ‚implied powers‘-Theorie 1. Meinungsstand a) Deutsches Schrifttum Nur sehr vereinzelt – und im wesentlichen Art. 44 GG betreffend – wurde die Frage aufgeworfen, ob in den Kompetenzen des Bundestages eine wirksame Untersuchungskompetenz eingeschlossen sei. Ausdrücklich lehnt J. Masing die Ansicht, das Untersuchungsrecht als ‚implied power‘ zu behandeln, mit der Begründung ab, dass dem Bundestag im Unterschied zum englischen Parlament nicht das Verständnis eines ‚high court‘ zugrunde liege.71 Allerdings entspricht – wie gezeigt – auch das US-amerikanische Parlamentsverständnis insoweit nicht dem englischen Vorbild. Durchsetzbare Untersuchungsbefugnisse werden nicht aus dem Verständnis abgeleitet, dem Kongress stünden diese als oberstem Gerichtshof zu. Sie werden stattdessen selbstständig über den Gedanken der ‚implied-powers‘-Theorie, d.h. auf Grund eines inneren Zusammenhangs zur einer ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz hergeleitet. Dagegen hat Ehmke schon auf dem 45. Deutschen Juristentag 1964 unter der Fragestellung, welchen Aufgaben des Parlaments Untersuchungsausschüsse sinnvoll dienen können, zumindest für die „parlamentsinternen Aufgabenbereiche, wie Wahlprüfungs- und Immunitätsangelegenheiten“, das Untersuchungsrecht als ‚implied power‘ bezeichnet und geschlossen, dass „gegen eine geschäftsordnungsmäßige Übertragung von Untersuchungsrechten in der herkömmlichen Formulierung unseres Verfassungsrechts: der Rechte eines Untersuchungsausschusses an mit Parlamentsangelegenheiten befassten ständigen Ausschüssen keine verfassungrechtlichen Bedenken“ geltend gemacht werden können: ———————— 69

Degenhardt, in: Sachs, GG, Art. 70, Rn. 3. Stettner, in: Dreier, GG, Art. 70, Rn. 17; ders., Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983. 71 Masing, Parlamentarische Untersuchungen, S. 18f., 123, 351. 70

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„Die noch heute nicht abgestorbene Vorstellung, das parlamentarische Untersuchungsrecht dürfe nur in Einzelfällen ausgeübt werden, entspringt einer aus dem deutschen Konstitutionalismus stammenden, mit der verfassungsrechtlichen Stellung eines demokratischen Parlaments unvereinbaren Auffassung des Gewaltenteilungsgrundsatzes.“72

Argumente gegen die Ansicht einer immanenten Untersuchungskompetenz können vor allem den Versuchen des Schrifttums entnommen werden, Inhalt und Reichweite des Untersuchungsrechts nach Art. 44 GG zu begrenzen. Bestimmend ist hier die Befürchtung, dass sich die zur wirksamen Durchsetzung von Informationsansprüchen notwendigen Zwangsmittel formell und materiell zu unbegrenzten Zwangsmitteln gegenüber „jedermann“ entwickeln könnten.73 Darüber hinaus wird zur Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes das Gewaltenteilungsprinzip angeführt, woraus Argumente gegen die Ansicht einer verfassungsimmanenten Untersuchungskompetenz abgeleitet werden könnten.74 Exemplarisch findet sich diese Argumentation in der Diskussion um die Zulässigkeit sog. „ständiger Untersuchungsausschüsse.“ Darunter werden Untersuchungsausschüsse verstanden, die nach Art. 44 GG zu Beginn und für die Dauer einer Wahlperiode ohne konkreten Anlass eingesetzt werden können. Die ablehnende Ansicht trägt einerseits vor, dass die Konzeption des Untersuchungsausschusses als Sonderausschuss gegen ständige Untersuchungsausschüsse spreche.75 Teilweise werden solche Ausschüsse mit der Begründung für zulässig gehalten, dass im eigenen Funktionsbereich das Gewaltenteilungsprinzip nicht verletzt werden könne.76 Eine andere Argumentation bejaht die Zulässigkeit, solange Untersuchungsausschüsse lediglich eine beobachtende Stellung einnehmen.77 Da Untersuchungsausschüsse über keinerlei Entscheidungskompetenzen verfügen und damit immer nur beobachtend arbeiten können, ist dieser Ansicht jedoch keine plausible Einschränkung zu entnehmen. Nach herrschender Meinung sind ständige Untersuchungsausschüsse mit dem Gewaltenteilungsprinzip nicht vereinbar.78 Das Hauptargument wird hier von Scholz ———————— 72

Ehmke, Empfiehlt es sich Funktion, Struktur und Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse grundlegend zu ändern?, in: Verhandlungen des 45. DJT, S. E 11, 13f. 73 Masing, Parlamentarische Untersuchungen, S. 122 m.w.Nachw. 74 Scholz, Parlamentarischer Untersuchungsausschuß und Steuergeheimnis, AöR 105 (1980), S. 564, 598. 75 Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 75. 76 BayVerfGHR 8, 91 (103); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 17. 77 Steffani, Funktion und Kompetenz parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, PVS 1 (1960), S. 153, 173; Thieme, Das Verhältnis der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zur Exekutive, S. 90. 78 Böckenförde, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und kommunale Selbstverwaltung, AöR 109 (1978), S. 1, 17; Scholz, Parlamentarischer Untersuchungsausschuß und Steuergeheimnis, AöR 105 (1980), S. 564, 597; Meyer-Bohl, Die Grenzen der

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

vorgebracht: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse könnten sich nicht „genuin-exekutivische Zuständigkeiten anmaßen.“ Sie könnten sonst den Charakter einer „quasi-exekutivischen Staatsaufsicht“ annehmen.79 Dieser Grundgedanke findet sich bereits in den zuvor erörterten Entscheidungen des Reichsgerichts in der Funktion als Staatsgerichtshof aus dem Jahre 1921.80 Die Bremische Verfassung hatte das parlamentarische Untersuchungsrecht nicht erwähnt. Deshalb hatte die bremische Bürgerschaft parlamentarische Untersuchungsbefugnisse einfachgesetzlich geregelt. Der Staatsgerichtshof war der Auffassung, dass das Gesetz mit der Bremischen Verfassung in Widerspruch stehe. Die Befugnisse seien „behördlicher und obrigkeitlicher Natur“ und bedürften daher einer Bestimmung von Verfassungsrang.81 Das Parlament könne diese Rechte nicht an Ausschüsse übertragen, weil es selbst nicht darüber verfüge.82 Eine kritische Stimme hatte schon damals mit Vernunftargumenten aufgezeigt, dass die Entscheidung einen Widerspruch enthalte: Das Gericht erkenne einerseits das Enqueterecht grundsätzlich an und halte es für zulässig, dass die Volksvertretung Untersuchungsausschüsse einsetze, um Tatsachen zu ermitteln. Die von der Bürgerschaft geforderten Beweiserhebungsbefugnisse würden aber als ein „Eingreifen in die Verwaltung“ gewertet. Dies widerspreche schon dem „natürlichen Sprachempfinden“ und dem logischen Satze, dass, wer den Zweck wolle, auch das allein wirksame Mittel gutheißen müsse: „Das Recht der Beweiserhebung zu versagen, heißt, der Volksvertretung ein Schwert ohne Klinge zu geben.“83 Der jüngsten Diskussion um die Zulässigkeit des Untersuchungsausschussgesetzes vom 19. Juni 2001 kann zumindest die Sensibilität für das Problem der Untersuchungskompetenz des Bundestages entnommen werden. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundestages wurde zwar im Gesetzgebungsverfahren nicht problematisiert.84 Weder im Gesetz selbst noch im Ausschussbericht wird die Gesetzgebungskompetenz klar benannt. Allerdings wurde in der Literatur und innerhalb der Reformversuche der zurückliegenden Legislaturperioden die Zulässigkeit einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung mit der Begründung in Zweifel gezogen, dass Art. 44 GG hierzu keine Ermächtigungsregel enthalte.85 ———————— Pflicht zur Aktenvorlage und Aussage vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, S. 108ff. 79 Scholz, aaO., S. 598. 80 Siehe Fn. 2, S. 108. 81 RGZ 102, 423. 82 RGZ 102, 425. 83 Poetzsch, Zwei Urteile des Staatsgerichtshofes über Untersuchungsausschüsse, AöR 43 (1922), S. 210, 233. 84 Siehe auch Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 177. 85 Dazu schon Partsch, 45. DJT, S. 217. Er bezog sich auf die Präzisierung der sinngemäßen Anwendung der StPO. Auch die Enquete-Kommission Verfassungsreform

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Dass eine solche Ermächtigung nicht erforderlich sei, meint die Gegenansicht, die sich auf die Gesetzgebungskompetenz kraft „Natur der Sache“ beruft.86 Die Bezugnahme auf die Kompetenz kraft „Natur der Sache“ kann allerdings nur – zumindest nach dem herkömmlichen Gebrauch dieser Interpretation – die in Frage stehende Verbandskompetenz, also die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Gegensatz zu den Ländern klären. Sie kann nicht den Einwand ausräumen, dass eine Ermächtigungsgrundlage in Art. 44 GG für die einfachgesetzliche Ausgestaltung erforderlich sei. Dies vermag aber die hier vertretene Theorie der immanenten Untersuchungskompetenz zu leisten. Ist die Untersuchungskompetenz den Bundestagskompetenzen immanent, ist eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage nicht erforderlich. b) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, woraus sich die Untersuchungskompetenz herleite, nicht ausdrücklich entschieden. Streitfragen resultierten entweder aus dem Informationsanspruch des einzelnen Abgeordneten mit der Behauptung, der Status des Abgeordneten nach Art. 38 GG sei verletzt,87 oder aus dem Informationsbegehren im Zusammenhang mit einem Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG. Das Gericht hat in diesen Entscheidungen entweder auf das Informationsrecht des Abgeordneten aus Art. 38 GG abgestellt oder das parlamentarische Untersuchungsrecht – insbesondere als Notwendigkeit für die Erfüllung der parlamentarischen Kontrollaufgabe – vorausgesetzt. So führt das Gericht bspw. in der Entscheidung vom 2. August 1978 zum Flick-Untersuchungsausschuss aus, dass „[…] durch die Untersuchungsverfahren die Parlamente die Möglichkeit erhalten haben, unabhängig von Regierung, Behörden und Gerichten mit hoheitlichen Mitteln, wie sie sonst nur Gerichten und besonderen Behörden zur Verfügung stehen, selbständig die Sachverhalte zu prüfen, die sie in Erfüllung ihres Verfassungsauftrages als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig halten.“88

Im weiteren Fortgang der Entscheidung verweist das Gericht auf die ungeschriebene (bzw. in Art. 45a und 45c GG geschriebene) Kontrollkompetenz des

———————— ging davon aus, dass die Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung bestünde, BT-Drs. 7/5924, S. 51f. Trossmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, S. 452, hält den Griff zur Form des Gesetzes für einen unzulässigen Eingriff in die Parlamentsautonomie nach Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG. Diesen Bedenken folgt auch Platter, Das parlamentarische Untersuchungsverfahren, S. 152. 86 Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 175, mit dem Verweis auf BVerfGE 11, 89, 99. 87 BVerfGE 70, 324. 88 BVerfGE 67, 100, 127.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Parlaments und unterstützt ausdrücklich die notwendige Wirksamkeit von Information und Kontrolle: „Das parlamentarische Regierungssystem wird grundlegend auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Der Grundsatz der Gewaltenteilung […] gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann.“89

Nachdruck habe der verfassungsändernde Gesetzgeber diesem Gedanken durch die Einfügung der Art. 45a, 45b GG (wo sich der Begriff der parlamentarischen Kontrolle findet), Art. 45c und 53a GG verliehen. Vor diesem Hintergrund sei es folgerichtig, „gerade auch den Untersuchungsausschuss als mit denjenigen Befugnissen ausgestattet anzusehen, deren er bedarf, um die ihm aufgegebene Klärung von Zweifeln an der ‚Gesetzlichkeit oder Lauterkeit von Regierungs- oder Verwaltungsmaßnahmen‘“90 wirksam vornehmen zu können. Zu diesen Befugnissen gehöre als ein Bestandteil des Rechts, die erforderlichen Beweise zu erheben, das Recht auf Einsichtnahme in die Akten der Regierung. Das Gericht sieht parlamentarische Untersuchungen – hier speziell den Untersuchungsausschuss – also als mit den Befugnissen ausgestattet, die ihrer Wirksamkeit dienen. Somit ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Argument zu entnehmen, das gegen die Auslegung des Untersuchungsrechts als immanente Parlamentskompetenz spricht. Im Gegenteil: Die Ausführungen des Gerichts zur Wirksamkeit parlamentarischer Kontrolle und Erforderlichkeit von Zwangsbefugnissen lassen sich auffallend gut mit der Theorie der immanenten Aufklärungskompetenz vereinbaren. Wirksame Untersuchungsbefugnisse werden ebenso vorausgesetzt wie die Kontrollfunktion des Parlaments als grundlegendes Prinzip des gewaltengeteilten, parlamentarischen Regierungssystems verstanden wird. Noch deutlicher kommt die Übereinstimmung der hier vorgeschlagenen Lesart von Art. 44 GG mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der jüngsten Entscheidung zu den Informationspflichten der Regierung vom 30. März 2004 zum Ausdruck. Das Gericht widerspricht der Ansicht der informati———————— 89

BVerfGE 67, 100, 130. BVerfGE 67, 100, 130, mit dem Verweis auf § 52 des Preuß’schen Entwurfs zur Weimarer Reichsverfassung; siehe auch Fn. 27. So ähnlich auch im Urteil zum Untersuchungsausschuss „Neue Heimat“: „Untersuchungsverfahren haben in der parlamentarischen Demokratie eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. [Sie] sollen in Ausführung des Untersuchungsauftrags das Parlament bei seiner Arbeit unterstützen und seine Entscheidungen vorbereiten. Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt naturgemäß in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung, insbesondere in der Aufklärung von in den Verantwortungsbereich der Regierung fallenden Vorgängen, die auf Missstände hinweisen. Gerade solcher Kontrolle kommt im Rahmen der Gewaltenteilung besonderes Gewicht zu.“, BVerfGE 49, 70, 85. 90

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onspflichtigen Landesregierung, das allgemeine parlamentarische Aktenvorlagerecht weise ein im Verhältnis zu den Rechten eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses vermindertes Gewicht auf. Denn die Reichweite des Aktenvorlagerechts unterscheide nicht zwischen Untersuchungsausschüssen und sonstigen Parlamentsausschüssen. Es sei nicht ersichtlich, dass parlamentarischen Informationsbegehren unterschiedliches Gewicht beizumessen sei. 91 2. Begründung und Begrenzung der immanenten Untersuchungskompetenz Es stellt sich nun die Frage, ob die Untersuchungskompetenz des Bundestages – wie die des Kongresses – als den Parlamentskompetenzen eingeschlossene zu interpretieren ist. Schließt jede geschriebene oder ungeschriebene Parlamentskompetenz die Kompetenz ein, alle notwendigen Mittel zu deren Erfüllung zu ergreifen? Beinhaltet jede Zuweisung einer Aufgabe gleichzeitig das Recht, alle Mittel zu deren Erfüllung auszuüben? Der Grundgedanke scheint so einfach wie selbstverständlich und dem deutschen Verfassungsverständnis grundsätzlich nicht fremd. In einer Norm, die zur Erfüllung einer Aufgabe berechtigt und verpflichtet, muss grundsätzlich all das als „mitgeschrieben“ angesehen werden, was zur wirksamen Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderlich ist,92 oder wie die Verfasser der Federalist Papers dieses „Gebot der Logik“93 formulierten: „Kein Grundsatz ist so klar im Recht und in der Vernunft begründet, als dass, wo der Zweck gefordert wird, auch die Mittel für zulässig erklärt werden.“94

Bereits die bisherigen Ausführungen legen den Schluss nahe, das Untersuchungsrecht als immanente Parlamentskompetenz zu verstehen. Allen im deutschen Länderbericht aufgeführten Aufklärungsinstrumenten des Bundestages ist gemein, dass sie sich in ihrem materiellen Gehalt – in Sinn und Zweck – nicht unterscheiden. Der Anlass, der das Aufklärungsinteresse des Parlaments weckt, ist nicht abstrakt feststellbar und kann demnach nicht in der Norm fixiert werden. Die Aufklärungsinstrumente können zwar danach unterschieden werden, in welchem formalen Verfahren sie geltend zu machen sind, bzw. danach, ———————— 91 BVerfGE 110, 199, zum Informationsbegehren u.a. des Bildungsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtags gegenüber der Landesregierung. Siehe auch die Besprechung in Jus 2004, 1098-1100 sowie von Algermissen, Aktenvorlagerecht als Instrument parlamentarischer Information und Kontrolle, ZParl 2004, S. 487ff. 92 Vgl. Vitzthum/März, Das Grundrecht der Petitionsfreiheit, JZ 1985, S. 809, 814. 93 Küchenhoff, Ungeschriebene Bundeszuständigkeiten und Verfassungsauslegung, DVBl. 1951, S. 586; so auch Poetzsch, Zwei Urteile des Staatsgerichtshofes über Untersuchungsausschüsse, AöR 43 (1922), S. 210, 233. 94 The Federalist, Story, Hare, Wharton, zit. nach Triepel, Die Kompetenzen des Bundesstaats und die geschriebene Verfassung, in: FS-Laband, S. 264.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

ob sie geschäftsordnungsrechtlich (parlamentarisches Fragerecht) oder einfachgesetzlich (bspw. die Befugnisse des Petitionsausschusses) oder verfassungsrechtlich (Zitiergebot nach Art. 43 Abs. 1, Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG) geregelt sind.95 Ihrem materiellen Inhalt, ihrer Reichweite nach unterscheiden sie sich nicht: Das Parlament entscheidet grundsätzlich selbst darüber, welche Informationen es benötigt – also was es für erforderlich hält – und in welcher Form es diese beanspruchen und bewerten will. Die parlamentarischen Aufklärungsinstrumente sind sämtlich Ausdruck der parlamentarischen Verantwortlichkeit, wie sie sich insbesondere aus den Verfassungsbestimmungen bspw. zur Vertrauensfrage (Art. 68 GG), zum Misstrauensvotum (Art. 67 GG) ergibt bzw. sich in Art. 43, 44 GG gegenüber den Bundesministern fortsetzt. Die parlamentarische Verantwortlichkeit ist keine Haftung, sondern eine politische Rechtfertigungsbedürftigkeit für den eigenen Handlungsbereich.96 Spiegelbild der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung ist die parlamentarische Kontrolle. Einleitend wurde ausgeführt, dass sich die Begriffe „parlamentarische Untersuchung“ und „parlamentarische Kontrolle“ insoweit decken, als dass Informationen seitens der Exekutive beansprucht werden und dass parlamentarische Kontrolle keine eigenständige Parlamentskompetenz ist, sondern in allen Entscheidungs- und Mitwirkungsverfahren des Parlaments stattfindet.97 Die Kontrollkompetenz ist demnach eine sowohl dem Demokratieals auch dem Gewaltenteilungsprinzip immanente Organkompetenz des Parlaments (Art. 38 GG). Sind parlamentarische Untersuchungen Bestandteil parlamentarischer Kontrolle, muss auch das parlamentarische Untersuchungsrecht eine solche immanente parlamentarische Kompetenz, also eine ‚implied power‘, sein. Stellt man darüber hinaus, wie Hamilton 1791, das im Demokratieprinzip verankerte Souveränitätsprinzip in den Mittelpunkt der Überlegungen, muss der Repräsentationsgedanke auch im deutschen Verfassungsdenken zu dem Schluss führen, dass parlamentarische Untersuchungen den geschriebenen und ungeschriebenen Kompetenzen des Bundestages immanent sind. Denn im Prinzip parlamentarischer Verantwortlichkeit schlägt sich der Repräsentationsgedanke des parlamentarischen Regierungsprinzips nieder. a) Wortlaut der Verfassungsbestimmungen Es fragt sich, ob der Wortlaut der Verfassung bzw. der einzelnen Verfassungsbestimmungen, die Informations- und Kontrollrechte regeln, gegen diesen Ansatz sprechen. ———————— 95

Siehe oben § 4 II., S. 56ff. Masing, Politische und rechtliche Verantwortlichkeit, ZRP, 2001, 36. 97 Siehe unten § 2 II., S. 34. 96

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aa) Art. 44 GG Dem Wortlaut der Verfassungsbestimmungen können keine Einwände gegen eine Auslegung des Untersuchungsrechts als immanente Parlamentskompetenz entnommen werden. Allein aus dem Umstand, dass das Untersuchungsrecht in Art. 44 GG explizit geregelt ist, folgt nicht zwingend, dass Untersuchungen (einschließlich der Anwendung von Zwangsmitteln) nur von diesem Ausschuss wahrgenommen werden können. Jede Verfassungsnorm muss im Lichte der verfassungspolitischen Situation ihres Erlasses gesehen werden. In den Entwurfsstadien zum Grundgesetz wurde die Frage der Herleitung der Untersuchungskompetenz nicht erörtert. Art. 44 GG hat – bis auf die konkrete Ausgestaltung der Reichweite der Minderheitenrechte – im wesentlichen Inhalt und Struktur seines Vorläufers, Art. 34 WRV, übernommen.98 Demnach ist zunächst die verfassungspolitische Situation zu Beginn der Weimarer Periode in den Blick zu nehmen. Die gedankliche Trennung von Öffentlichkeitsprinzip, Minderheitenrecht und Zwangsmitteln ist dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs am Ende des Ersten Weltkrieges kam es zur Neubestimmung der Stellung des Parlaments und seiner Aufgaben. Als maßgeblicher Vordenker forderte Max Weber demokratisch-politische Strukturen. Unter dem Titel „Verwaltungsöffentlichkeit und Auslese der politischen Führer“ dokumentierte er sein Anliegen – in Abkehr von der BismarckÄra, die geprägt von Dienstgeheimnis und abgeschotteter Beamtenschaft war –, das Parlament zu effektiver Kontrolle der Verwaltungsspitzen zu befähigen und dadurch politisches Bewusstsein und fähige politische Köpfe herauszubilden.99 Die „äußerlich ziemlich unscheinbare Änderung“, durch welche das Enqueterecht gesichert würde, sei die „Vorbedingung aller weiteren Reformen im Sinn einer Steigerung der positiven Leistungen des Parlaments als Staatsorgan.“100 Webers Vorstellungen von der Stellung und den Kompetenzen des Parlaments sowie dem Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Regelung des Untersuchungsrechts müssen im Zusammenhang mit dem damaligen Verfassungsverständnis sowie den politischen Rahmenbedingungen gesehen werden. Das Verfassungsverständnis war von einem strengen Kodifikationsgedanken geprägt. Die Verfassungsurkunden des 19. Jahrhunderts waren ihrer Intention nach lückenlos und beanspruchten die vollständige Fixierung des Verfassungsrechts.101 Anders als die Verfassungsgebung in den Vereinigten Staaten, die mit einer Staatsgründung einherging, traf die Verfassungsgebung im deutschen ———————— 98

Siehe oben § 3 II., S. 47. Weber, Parlament und Regierung, S. 306, 351ff. 100 Weber, aaO., S. 354. 101 Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 35ff. 99

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Raum auf einen bereits bestehenden Staat. Identifiziert man das Verfassungsgesetz mit dem Gedanken der Volkssouveränität, so ist es die Grundlage des Staates. Trennt man hingegen Verfassungsgebung und Staatsgründung und stellt die Verfassung einem bestehenden Staat gegenüber, wird sie zu einer Machtbegrenzung. In der konstitutionellen Monarchie konnte die Volkssouveränität die Allzuständigkeit der Monarchen nur beschränken.102 Die Verfassung konstituiert nicht die Herrschafts- und Entscheidungsgewalt, sondern setzt sie gerade voraus.103 Das Parlament ist auf den Katalog der ihm zugebilligten Beteiligungsrechte beschränkt. Diese Ordnung beschreibt die innerstaatliche Machtverteilung. Zudem prägte der staatsrechtliche Positivismus den geistigen Charakter dieser Zeit.104 Die positivistische Methode richtete sich auf das geschriebene Recht und schränkte die Aufgaben der juristischen Dogmatik ein.105 Die Aufgabe der Dogmatik sollte allein mittels „rein logischer Denktätigkeit“ zu erfüllen sein: „Alle historischen, politischen und philosophischen Betrachtungen sind für die Dogmatik eines konkreten Rechtsstoffes ohne Belang“, so die bekannte Aussage Labands – als wichtigsten Vertreters der positivistischen Methode – im Vorwort zur 2. Auflage seines Werkes zum Staatsrecht aus dem Jahre 1887.106 Obwohl nicht alle Vertreter diesem Denkansatz in gleichem Maße folgten,107 konnte sich der Widerspruch gegen die formalistische Begriffstechnik nicht durchsetzen.108 Noch bis nach der Jahrhundertwende wurde das Reichsstaats———————— 102

Zippelius, Verfassungslehre, S. 104. Wolff, aaO., S. 43. 104 Böckenförde, Gesetz und Gesetzgebung, S. 210. 105 An Stelle des politischen und staatspolitischen Raisonnements solle die juristische Konstruktion treten, vgl. Gerber, Über öffentliche Rechte, 1852 (Nachdruck, Tübingen 1913, zit. nach: Triepel, Staatsrecht und Politik, S. 9. 106 Laband, Staatsrecht, Bd. 1, S. IX (Vorwort), in allgemeiner gedanklicher Fortführung der Methode Gerbers (1818-1892), der schon 1865 das „Bedürfnis einer schärferen und korrekteren Präsizierung der Gesichtspunkte“ hatte und die „Aufstellung eines wissenschaftlichen Systems […] in welchem sich die einzelnen Gestaltungen als die Entwicklung eines einheitlichen Grundgedankes darstellen,“ zum Ziel der juristischen Methode machte, ders., Grundzüge, Vorrede. Mit der Reichsverfassung von 1871 hatte die „Wissenschaft des positiven Staatsrechts in Deutschland einen ihr adäquaten Stoff und einen festen Maßstab für ihre Begriffsbestimmung und Systematik gefunden“, Hänel, 1878, zit. nach: Vitzthum, Linksliberale Politik und materiale Staatsrechtslehre, 1971, S. 205. 107 So z.B. Gierke, „der von einer „romanisierenden Verstümmelung der deutschen Rechtsgedankens“ ausging und Gerber vorwarf, er hätte „die deutsche Seele im deutschen Recht verkauft“, Deutsches Privatrecht, Bd. 1., 1895, S. 92. 108 Vgl. Friedrich, Paul Laband und die Staatsrechtswissenschaft seiner Zeit, AöR 111 (1986), S. 197, 198ff. m.w.Nachw. Zu den Zeitgenossen und Opponenten Labands, vgl. Stolleis, Bd. 2, S. 349 ff., 448ff. 103

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recht nach Labands Weise bearbeitet.109 Die „methodische Durchschnittsauffassung“,110 die Rechtswissenschaft beziehe ihren Charakter als Wissenschaft aus der Beschränkung auf Gesetz und Logik war, so Rudolf Laun 1922, „trotz freirechtlerischer Kritik, im wesentlichen die herrschende Ansicht unseres Juristenstandes“111. Das klassische Methodenverständnis112 hatte zu dem Problem geführt, wie mit Lücken in der Verfassung umzugehen sei. Lücken wurden, wie die Lösung des Preußischen Verfassungskonflikts zeigt, durch die Zuständigkeitspräsumtion zugunsten des Monarchen entschieden (‚praesumptio pro rege‘).113 Unter Berufung auf eine behauptete Lücke (sog. Lückentheorie)114 in der Verfassung umging Bismarck als neuer preußischer Ministerpräsident die Ablehnung des Militäretats durch das preußische Abgeordnetenhaus am 23. September 1862115 und kündigte die Durchführung der Heeresreform auch ohne die Zustimmung des Parlaments an.116 Wenn es zwischen Regierung und Parlament keine Einigung gäbe, so seine Argumentation, könne die Regierung trotzdem handeln, damit das Staatsleben nicht zum Stillstand komme. Dem König als Verfassungsgeber stünde im Konfliktfall das Notrecht zur letzten Entscheidung zu, so Bismarck in seiner Rede vor dem Preußischen Abgeordnetenhaus am 27. Januar 1863 ausdrücklich.117 ———————— 109

Friedrich, aaO., S. 197, 203. Stolleis, Bd. 2, S. 57. 111 Laun, Der Staatsrechtslehrer und die Politik, AöR 43 (1922), S. 145, 154. 112 Zur Abgrenzung von klassischem und modernem Methodenverständnis, vgl. Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 159ff. m.w.Nachw. 113 Zippelius, Verfassungslehre, S. 104. 114 Die Lückentheorie war keine Erfindung Bismarcks. Sie wurde von der „Kreuzzeitung“ seit langem zur Behandlung des Budgetkonflikts vorgeschlagen. Die Lückentheorie war vielmehr schon seit dem Frühkonstitutionalismus eine „bekannte Waffe im Arsenal der Verfassungskämpfe“, Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 310, 333ff. 115 Die Ablehnung der Militärausgaben geht auf den Beschluss des Abgeordnetenhauses v. 6.3.1862 auf Antrag des Abgeordneten Hagen zurück, der die Spezifizierung des Haushaltsplanes und die verbindliche Abstimmung der Einzelpositionen forderte. Der Finanzminister Patow hatte dem widersprochen und angekündigt, die Annahme des Antrags als Misstrauensvotum zu verstehen. Die Abstimmung vollzog den Bruch zwischen Krone und Parlament. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 294. 116 In der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vom 29.9.1862 erklärte Bismarck u.a., dass er das Amt unter der Zusage übernommen habe, auch ohne Budget zu regieren. Dem Landtag allein stünde kein „Bewilligungsrecht“ zu; vielmehr gelte das Vereinbarungsprinzip. Komme eine Einigung nicht zu stande, so sei ein tabula rasa gegeben. Denn der Krone seien alle Rechte, die die Verfassung nicht ausdrücklich anderen Staatsgewalten übertragen habe, verblieben. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 307. 117 „Die Verfassung hält das Gleichgewicht der drei gesetzgebenden Gewalten (sc. König, Herrenhaus, Abgeordnetenhaus) in allen Fragen, auch in der Budgetgesetzge110

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Mit der im Grundsatz gleichen Argumentation wie im Budgetstreit hatte Bismarck 1863/64 dem preußischen Abgeordnetenhaus das Recht, ein Untersuchungsverfahren unter Inanspruchnahme von Zeugniszwang durchzuführen, verweigert. Das Abgeordnetenhaus hatte einen Untersuchungsausschuss „behufs der Informationen des Hauses wegen der bei den letzten Wahlen der Abgeordneten vorgekommenen gesetzwidrigen Beeinflussung und noch fortwährenden Verfolgung der Wähler und Verkümmerung des verfassungsmäßigen Wahlrechts und der Wahlfreiheit preußischer Staatsbürger“ einsetzen wollen.118 Ausdrückliche Beweiserhebungsbefugnisse sah Bismarck in der das Enqueterecht regelnden Verfassungsvorschrift, Art. 81 der Preußischen Verfassung,119 nicht enthalten.120 Diese rückblickenden Erfahrungen beeinflussten die Verfassungsgebung der Weimarer Zeit. Art. 34 WRV – insbesondere der Verweis in Abs. 3, der für die Beweiserhebung im Untersuchungsausschuss die Regeln der (vorkonstitutionellen) Strafprozessordnung für anwendbar erklärte, – sollte dem Reichstag ein wirkungsvolles Informationsrecht sichern. Eine zusätzliche Sicherung erfuhr das Informationsrecht durch die Ausgestaltung als Minderheitenrecht. Denn die ———————— bung, durchaus fest; keine dieser Gewalten kann die andre zum Nachgeben zwingen; die Verfassung verweist daher auf den Weg der Commpromisse […] Wird der Compromiß dadurch vereitelt, daß eine der beteiligten Gewalten ihre eigene Ansicht mit doctrinairem Absolutismus durchführen will, so wird die Reihe der Compromisse durchbrochen, und an ihre Stelle treten Conflicte, und Conflicte […] werden zu Machtfragen. Wer die Macht in Händen hat, geht dann in seinem Sinne vor, weil das Staatsleben auch nicht einen Augenblick still stehen kann […]. Was die Verfassung Ihnen an Rechten zubilligt, soll Ihnen unverkürzt zukommen. Was Sie darüber hinaus verlangen, das werden wir ablehnen und Ihren Forderungen gegenüber die Rechte der Krone mit Ausdauer wahrnehmen […]. Das preußische Königthum hat seine Mission noch nicht erfüllt, es ist noch nicht reif dazu, einen rein ornamentalen Schmuck Ihres Verfassungsgebäudes zu bilden, noch nicht reif dazu, als ein todter Maschinentheil dem Mechanismus des parlamentarischen Regiments eingefügt zu werden.“, St.B.AH. v. 27.9.1863, S. 60. Vom „Notrecht“ des Königs, aus dem sich die „Ermächtigung zu einem budgetlosen Regiment ergebe, hatte Bismarck schon in seiner Rede vor dem Reichstag v. 30.9.1862 gesprochen, St.B.AH 1862, S. 306f. Zu den Gegenstimmen im Reichstag und in der Literatur, siehe Stolleis, Bd. 3, S. 336ff. 118 Einsetzungsantrag in der 7. Sitz. v. 23.11.1863, St.B.AH, 1863/64, S. 117; Schlussberatung und Abstimmung mit „großer Majorität“ in der 9. Sitz. v. 29.11.1863, St.B.AH, 1863/64, S. 118; Vorlage des Abschlussberichts in der 32. Sitz. 1864, St.B.AH, 1863/64, S. 938f. 119 Art. 81 Preuß. Verf.: „Eine jede Kammer hat die Befugnis, behufs ihrer Information Kommissionen zur Ernennung von Thatsachen zu ernennen.“ Zur Diskussion des ursprüngliche Entwurfs von Art. 73 („Eine jede Kammer hat die Befugnis, Kommissionen zur Untersuchung von Thatsachen zu ernennen, mit dem Rechte, unter Mitwirkung richterlicher Beamten Zeugen eidlich zu vernehmen und die Behörden zur Assistenz zu requirieren.“) vgl. Steffani, Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtages, S. 50ff. 120 Vgl. Steffani, aaO., S. 57.

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Regierungskontrolle sollte auch gegen den Willen der sie tragenden Mehrheit gewährleistet werden. Dies berücksichtigte zugleich die Erfahrungen Englands beim Übergang zum parlamentarischen Regierungssystem, wo das parlamentarische Untersuchungsrecht durch das Fehlen dieses institutionalisierten Spannungsverhältnisses verkümmert war.121 Es kann letztlich dahin gestellt bleiben, welchem der Faktoren man das Schwergewicht zu Inhalt und Entstehung des Art. 34 WRV gibt: dem besonderen politischen Engagement Webers,122 der sich schon vor dem Ersten Weltkrieg deutlich für eine stärkere Parlamentarisierung ausgesprochen hatte, den Zeichen der Zeit – Weber war doch nicht der Einzige, der eine Verankerung des Enqueterechts einschließlich wirksamer Zwangsmittel in der Verfassung gefordert hatte –123 oder einem herangereiften neuen Verfassungsverständnis in ———————— 121

Siehe oben § 2 I., S. 44. In seinem ausführlichen Brief v. 1.5.1917 an Haussmann, der ihn angefragt hatte, legt Weber dar, dass er „statt einer einfachen kurzen Darlegung dieser Lücke in den Parlamentsrechten“ aus dem Handgelenk heraus einen ausführlichen Entwurf mit Begründung vorlegen werde, MWG I/15, S. 262. Außerdem werde er zu diesem Problem seinen Heidelberger Kollegen Gerhard Anschütz konsultieren. Allerdings ist es dazu nicht gekommen, MWG I/15, S. 262, 266. In der Begründung des Gesetzesantrags geht Weber auf die Frage ein, wie das Recht zur Vereidigung von Zeugen geregelt werden müsse. Er hielt eine gesetzliche Regelung für erforderlich, um den Bedenken „heutiger Strafrechtslehrer“ Rechnung zu tragen, dass man dies nicht der Geschäftsordnungsautonomie des Reichstags überlassen dürfe; MWG I/15, 274f. Webers Text ist auf komplizierte Weise nur indirekt überliefert; die Herausgeber kommentieren, dass unklar sei, welche Strafrechtslehrer gemeint sein könnten. Es ist möglich, dass „Staatsrechtslehrer“ zu lesen seit; dann könnte z.B. Laband gemeint sein, der die Satzungsautonomie des Reichstags so auslegte, daß sie keine zusätzlichen Rechte gegenüber anderen Staatsorganen begründen könne, Huber, Verfassungsgeschichte. Bd. 3, S. 884. Webers juristische Methode als „positivistisch zu bezeichnen“, hält z.B. Hennis, Max Webers Fragestellung, S. 121, für unangemessen. Weber habe sich für Rechtsfragen fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ihrer möglichen politischen Wirkungen interessiert. Rein dogmatische Fragen hätten sein Interesse nie gefunden, vgl. auch Jugendbriefe, S. 372. So erkläre sich auch der Wechsel zur Nationalökonomie, wie Marianne Weber, in: Lebensbild, S. 212 beschreibt: Die Nationalökonomie habe Weber als „junge“ und „elastische“ Wissenschaft beschrieben. Im Gegensatz zur Jurisprudenz liege sie an der „Grenze der verschiedensten gelehrten Provinzen; von ihr führen direkte Wege in die Kultur- und Ideengeschichte wie in die philosophische Probleme“ und sie sei „befruchtender für politische und sozialpolitische Orientierung als die mehr formale Problematik des juristischen Denkens“; zur Entwicklung der Nationalökonomie als Teil der Politischen Wissenschaften vgl. auch Hennis, Max Webers Fragestellung, S. 128ff. 123 In den Verhandlungen der Paulskirchenverfassung erhielt § 24 die Bestimmung, dass „die Versammlung einem Ausschuß das Recht einräumen könne, Zeugen und Sachverständige vorzufordern, zu vernehmen und vernehmen zu lassen oder mit Behörden in Verbindung zu treten“, St.B.NV. S. 164; zur Bedeutung Robert v. Mohls für diesen Antrag, siehe Hatschek, Bd. 1. S. 93, Mohl war für diesen Antrag auch Berichter122

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Abkehr vom Positivismus.124 An der „Lückenfüllungsfunktion“ des Art. 34 WRV – bezogen auf die Vergangenheit – kann kein Zweifel bestehen. Allerdings wurde der Weimarer Reichsverfassung bereits das konstituierende – und die Funktion von Parlament und Regierung maßgebend bestimmende – Prinzip der Volkssouveränität (Art. 1 Abs. 2 WRV) zugrunde gelegt. Der Wille des Volkes sollte sich in Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksentscheiden (Art. 18, 43, 73-76 WRV) zeigen. Der vom Volke gewählte Reichstag sollte wichtigstes Organ der Staatsgewalt sein, Gesetze beschließen (Art. 68 ff. WRV) und den Haushaltsplan feststellen (Art. 85 ff. WRV). Erstmals wurde ein Katalog von Freiheitsrechten gewährt (Art. 109 ff. WRV). Für die Abgeordneten galt das Prinzip der auftragsfreien Repräsentation (Art. 12 WRV); sie wurden in freier und geheimer Wahl gewählt (Art. 22 WRV). Durch das Prinzip der Volkssouveränität als Legitimation wurde die Ausübung von Staatsgewalt den Staatsorganen zur gemeinsamen Führung anvertraut. Der Reichspräsident war zwar mit starken Befugnissen ausgestattet125 und wurde vom Volk direkt gewählt (Art. 41 Abs. 1 WRV), doch war der Reichskanzler einschließlich seiner Kabinettsmitglieder vom Vertrauen des Parlaments bzw. der sie tragenden Parlamentsmehrheit abhängig (Art. 54 WRV). Auch wenn Staatsrechtswissenschaft und Staatspraxis noch ihre Schwierigkeiten hatten, mit der neuen Legitimität umzugehen und die Begriffe des Parla———————— statter in der Nationalversammlung. Zu den Bemühungen im Reich seit 1848, vgl. Steffani, aaO., S. 61. 124 Hier ist vor allem Hugo Preuß zu nennen, der ab 1919 amtierende Innenminister der Weimarer Republik. Bereits 1917 hatte er einen Grundriss einer künftigen republikanisch-demokratischen Verfassung vorgelegt. Im November 1918 wurde er Staatssekretär im Ministerium des Inneren und legte wenige Wochen später einen Verfassungentwurf vor. Preuß hatte es früh zur politischen Gestaltung gedrängt, vgl. ders., Das deutsche Volk und die Politik, 1915. Sein Engagement verband er mit dem Motto Fichtes: „Was will denn der vernünftige Schriftsteller und was kann er wollen? Nichts anderes, denn eingreifen in das allgemeine und öffentliche Leben und dasselbe nach seinem Bilde gestalten und umschaffen.“ Preuß war Schüler von v. Gierke und hatte dessen Genossenschaftstheorie konsequent weiterentwickelt. In seinem Aufsatz von 1908 „Selbstverwaltung, Gemeinde, Staat, Souveränität“, in: FS-Laband, Bd. 2, begründete er ein demokratisch-genossenschaftliches Staatsverständnis und seine Kritik am Souveränitätsbegriff, der für ihn Symbol obrigkeitlicher, nichtdemokratischer Herrschaft war. Daneben legten z.B. Triepel, Die Kompetenzen des Bundesstaats und die geschriebene Verfassung, in: FS-Laband, Bd. 2, 1908, S. 247ff., und Smend, Ungeschriebenes Verfassungsrecht im monarchischen Bundesstaat, in: FS-Mayer, 1916, S. 245 ff., Arbeiten zum ungeschriebenen Verfassungsrecht bzw. sog. Verfassungswandel vor, die wieder das Verhältnis von Politik und Recht bei der Verfassungsinterpretation in den Vordergrund rückten. Die Problematik konnte sich allerdings erst im Methodenstreit der 1920er Jahre entfalten, vgl. Stolleis, Bd. 4, S. 125ff; ders., Bd. 3. S. 57ff. 125 Der Reichspräsident ernannte nach Art. 41, 43 WRV die Reichsbeamten, Offiziere und den Reichskanzler; nach Art. 48 Abs. 2 S. 2 WRV hatte er zudem ein Notverordnungsrecht.

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mentarismus aus dem dualistischen Prinzip in das monistische Modell der Volkssouveränität zu überführen,126 bestimmte verfassungstheoretisch schon in der Weimarer Zeit das Prinzip parlamentarischer Verantwortlichkeit den Informationsaustausch zwischen Parlament und Regierung. Es wurde in verschiedenen Bestimmungen konkretisiert: In Art. 33 Abs. 1 WRV war geregelt, dass der Reichstag und seine Ausschüsse die Anwesenheit des Reichskanzlers verlangen konnten, in Art. 29 WRV wurde das Öffentlichkeitsprinzip der Verhandlungen des Reichstages geregelt. Konstituiert aber das Prinzip der Volkssouveränität den Staat, besteht für Lückentheorie und Zuständigkeitspräsumtion zugunsten der Exekutive kein Raum mehr. Leitet sich alle Staatsgewalt vom Volke ab, garantiert die Verfassung nicht die Herrschaftsmacht des Monarchen oder gewährt Rechte des Parlaments, sondern die Verfassung garantiert den Freiheitsraum des Einzelnen. Im Intra-Organ-Verhältnis ist die Ausübung der Staatsgewalt nicht subjektivrechtlich beschränkt, sondern funktional und kompetenziell bestimmt. Die Ausübung der Staatsgewalt für den Träger der Staatsgewalt setzt im Interesse des Einzelnen eine – im Wesentlichen unbeschränkte – Informationsdurchlässigkeit zwischen den Gewalten zugunsten des Parlaments voraus. Das Recht, Informationen von anderen Staatsgewalten zu begehren, wird dem Parlament nicht durch die Verfassung übertragen, sondern wird vielmehr von ihr vorausgesetzt. Die konkreten Verfassungsbestimmungen hinsichtlich der parlamentarischen Informationsbegehren (z.B. Art. 39 WRV) müssen im Sinne einer systematischen Auslegung als Spezialnormen der immanenten Untersuchungskompetenz angesehen werden. Das rechtfertigt den Schluss, dass verfassungstheoretisch eine materielle Regelung zur Übertragung von Untersuchungsbefugnissen mit den Möglichkeiten des Auskunftszwangs in der Verfassung nicht zwingend erforderlich, sondern als vorausgesetzt und damit in den Parlamentskompetenzen eingeschlossen gelten war. Bereits unter Geltung der Weimarer Reichsverfassung kann also von einer verfassungsimmanenten Untersuchungskompetenz des Reichstages gesprochen werden. Allerdings konnte die Verfassungsgebung auf Grund der „Erbschaft Bismarcks“127 sowie der positivistischen Prägung wenig „Mut zur Lücke“ haben. So kann man zumindest verfassungspolitisch die detaillierte Norm in Art. 34 WRV erklären, insbesondere den Schritt, die Regeln der Strafprozessordnung – als vorkonstitutionelles Recht – zur Anwendung zu bringen. Beanspruchen die Argumente bereits für die Auslegung des Art. 34 WRV Geltung, müssen sie für das Grundgesetz erst recht überzeugen. Die verfassungsrechtlichen Bestimmungen, die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes———————— 126 127

Hierzu siehe Stolleis, Geschichte des Öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 90 ff., 104f. Weber, Parlament und Regierung, S. 311.

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tages (Art. 70 GG ff.), den Informationsanspruch des Bundestages und seiner Ausschüsse gegenüber der Bundesregierung (bspw. Art. 43 GG) oder die parlamentarische Kontrolle ausdrücklich regeln (bspw. 45c GG) oder Aufsichtsrechte statuieren (Art. 84 ff. GG), begründen keine Informationsrechte, sondern setzen das parlamentarische Informationsrecht als Bedingung von Gesetzgebung und Kontrolle „kraft Legitimation“ voraus. Das Prinzip der Volkssouveränität begründet den demokratischen Legitimations- und Verantwortungszusammenhang. Dem Parlament kommt die Stellung des zentralen staatlichen Organs zu. Auf Grund seiner unmittelbaren demokratischen Wahl ist es „der Legitimationsspender für die gesamte weitere staatliche Organisation.“128 Die „anvertraute“ Herrschaft muss gegenüber dem Volke verantwortet werden. Realisierbare Verantwortung bedarf der Kontrolle. Für die Regierung bedeutet diese vor allem die Kontrolle durch das Parlament.129 bb) Art. 43 GG Dem Wortlaut von Art. 43 GG kann gleichfalls kein Argument gegen die Annahme einer immanenten parlamentarischen Aufklärungskompetenz entnommen werden. Art. 43 Abs. 2 gewährt den Mitgliedern der Bundesregierung und ihrer Beauftragten ein Zutritts- und Rederecht im Bundestag und den Ausschüssen; der Bundestag und seine Ausschüsse haben dagegen nach Art. 43 Abs. 2 GG das Recht, die Anwesenheit und folglich auch die Auskunft eines jeden Mitglieds der Bundesregierung zu verlangen. Es folgt daraus nicht, dass auch andere Personen, die dem Bundestag bzw. der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig sind, ebenso zur Anwesenheit und Auskunft gegenüber dem Bundestag und seinen Ausschüssen verpflichtet werden können. Es folgt keine verfassungsrechtliche Beschränkung von Auskunftspflichten gegenüber dem Bundestag auf Mitglieder der Bundesregierung. Die Aufzählung der Absätze in bewusst umgekehrter numerischer Weise soll darüber hinaus auf den rechtshistorischen Kontext der Norm verweisen. Die altständischen Versammlungen tagten noch unter Ausschluss des Monarchen. Mit der zunehmenden Konstitutionalisierung stieg das Bedürfnis der Regierung mit der erstarkenden Volksvertretung in Kontakt zu kommen, wie auch das Bedürfnis nach Kontrolle der Regierung steig.130 Nahezu alle frühkonstitutionellen deutschen Verfassungen enthielten Regelungen zum Zutritts- und Rede-

———————— 128 Schlussbericht Enquete-Kommission Verfassungsreform des BT, in: Zur Sache, BT 3/76, S. 96. 129 So auch BremStGH, DVBl. 1989, 453, 454. 130 Morlok, in: Dreier, Art. 43 Rn. 1.

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recht.131 Einen eigenständigen Anspruch auf Herbeirufung von Ministern (Zitierrecht) einschließlich einer Pflicht zur Auskunftserteilung sah erstmals § 122 der Paulskirchenverfassung vor. Art. 33 WRV fasste die Bestimmungen zu Zutritts-, Rede- und Zitierrecht in einer Norm zusammen, erweiterte den Anwendungsbereich auf die Ausschüsse und stellte das Zitierrecht an den Anfang der Norm. Im Grunde blieb die Norm unverändert.132 Betrachtet man deren Zustandekommen, findet die Auslegung der Norm als ausdrückliche verfassungsrechtliche Beschränkung der parlamentarischen Aufklärungskompetenz keinen Anhaltspunkt. In ihrer Reichweite unterscheidet sich die Auskunft, die ein Regierungsmitglied nach Art. 43 GG zu geben hat, nicht von der Aufklärung, die das Mitglied gegenüber dem Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG schuldet. Beide Instrumente überschneiden sich in ihrem materiellen Gehalt. Art. 43 GG ist zwar ein ausdrückliches Instrument der Fremdinformation, denn die Informationen werden über die Regierung vermittelt. Allerdings besteht kein rechtlich zu begründender Vorrang der Fremd- vor der Selbstinformation. Art. 43 GG ist damit vielmehr als Konkretisierung der immanenten parlamentarischen Untersuchungskompetenz zu betrachten, die im Unterschied zu Art. 44 GG auf die Anwendung von unmittelbaren Zwangsmaßnahmen bei der Durchsetzung des Auskunftsanspruchs verzichtet.

cc) Art. 45a und 45c GG Das Gleiche gilt für die Befugnisse des Verteidigungsausschusses nach Art. 45a Abs. 2 GG sowie die Aufklärungsrechte des Petitionsausschusses nach Art. 45c i.V.m. dem nach Abs. 2 erlassenen Bundesgesetz. Beide Vorschriften lassen sich auf die immanente Aufklärungskompetenz des Bundestages zurückzuführen und lassen sich als deren Konkretisierung interpretieren. Der expliziten Regelung des Selbsteinsetzungsrechts des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss bzw. den Untersuchungsbefugnissen des Petitionsausschusses ist kein Einwand zu entnehmen, dass der Bundestag nicht ohne Verfassungsänderung an andere Ausschüsse gleiche Rechte durch einfaches Gesetz übertragen könnte.

———————— 131

Historischer Überblick bei Meier, Zitier- und Zutrittsrecht im parlamentarischen Regierungssystem, 1982, S. 58 ff. 132 Nur Art. 33 Abs. 4 WRV, der die anwesenden Mitglieder ausdrücklich der Ordnungsgewalt des Parlaments unterwarf, wurde gestrichen.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

dd) Gesamtschau der Verfassungsbestimmungen Es fragt sich zuletzt, ob sich aus der Gesamtschau der Verfassungsbestimmungen und dem Prinzip der Einheit der Verfassung etwas anderes ergibt. Das Prinzip von der Einheit der Verfassung geht davon aus, dass der Verfassungsgeber nicht ohne Programm Vorschrift an Vorschrift reiht, sondern die einzelnen Verfassungsnormen Ausdruck eines Gesamtbildes sind. Das heißt nicht, dass es sich um ein spannungsloses Ganzes handelt. Die Auslegungsrichtlinie hat aber das Ziel, die gesellschaftliche Dynamik und das in der Verfassungsauslegung zum Ausdruck kommende Ringen um das „rechte Gemeinwesen“, das Spannungsverhältnis also durch integrierende und unveränderliche Fundamentalnormen zu harmonisieren. Verfassungstheoretisch könnte also eingewandt werden, dass sich der Verfassungsgeber durch die expliziten Regelungen bspw. in Art. 43, 44, 45a und c GG ausdrücklich gegen eine immanente parlamentarische Untersuchungskompetenz entschieden habe. Ausdrücklich hat der Verfassungsgeber diese Intention nicht geäußert. Im Rahmen der Auslegung wird nicht nach dem „Willen des Gesetzgebers“, sondern dem „Willen des Gesetzes“ gefragt (ojektive Theorie).133 Hat also der Verfassungsgeber von Beginn an bzw. im Laufe der Fortschreibung des Grundgesetzes den Weg ausschließlich explizit zu regelnder parlamentarischer Aufklärungsbefugnisse mit der Folge eingeschlagen, dass nur diese Untersuchungsbefugnisse dem Parlament zustehen? Das bereits behandelte parlamentarische Fragerecht, dem Verfassungsrang zugesprochen wird, spricht schon auf den ersten Blick gegen eine solche Auslegung.134 Darüber hinaus würde es dem Sinn und Zweck der expliziten wie auch der impliziten parlamentarischen Aufklärungsbefugnisse widersprechen, die Durchsetzung von Informationsansprüchen von der Anwendung zu lösen. Parlamentarische Aufklärungsrechte und Informationspflichten der Regierung sind grundsätzlich nicht von ihrer Durchsetzbarkeit zu trennen, ohne ihre Wirksamkeit zu beeinträchtigen. Stellt man, dem Prinzip der Einheit der Verfassung folgend, auf die grundlegenden Fundamentalnormen ab, so sind vornehmlich das Demokratieprinzip und das Prinzip des Parlamentarismus dazuzuzählen. Die Ansicht der immanenten parlamentarischen Untersuchungskompetenz ist aber, wie bereits dargelegt, auf Art. 20 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 38 GG zurückzuführen. Die in der Verfassung ausdrücklich geregelten Informations- und Kontrollbefugnisse sind, wie ebenso dargelegt, auf die immanente Untersuchungskompetenz bzw. auf das legitimierende Demokratieprinzip zurückzuführen. Damit harmonisiert das Demokratieprinzip die parlamentarischen Informations- und Kontrollrechte. ———————— 133 134

Hesse, Grundzüge, Rn. 45, BVerfGE 48, 246, 260. Siehe § 4 II.2., S. 57; § 18 III.2.c), S. 240.

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Diese auf die explizit in der Verfassung geregelten Rechte zu beschränken, verstieße gegen das Demokratieprinzip. Denn der Bundestag verfügt über alle Kompetenzen, die in der Verfassung keinem anderen Organ oder Verband zugewiesen sind oder sich aus diesen Zuweisungen schließen lassen. Die Ansicht der immanenten Untersuchungskompetenz widerspricht nicht dem Gesamtbild der Verfassungsbestimmungen. b) Das Prinzip der Gewaltenteilung Dem Prinzip der Gewaltenteilung135 können – entgegen der Ansicht „genuinexekutiver Zuständigkeiten“ – keine Einwände gegen die Auslegung einer immanenten Untersuchungkompetenz entnommen werden.136 Der Grundsatz der Gewaltenteilung gehört in der bundesdeutschen Verfassung zu den tragenden – legal nicht aufhebbaren – Organisationsprinzipien. In seinem materiellen Gehalt ist er eng mit dem Demokratieprinzip verbunden, da insgesamt die individuelle Freiheit gewährleistet werden soll. In Art. 20 Abs. 2 GG haben beide Prinzipien ihren Platz erhalten: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus […] und wird durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Dem gleichen Gewaltenteilungsschema folgt die amerikanische Verfassung: Alle in der Verfassung verliehene gesetzgebende Gewalt ruht im Kongress, die vollziehende Gewalt beim Präsidenten und die richterliche Gewalt bei einem Obersten Bundesgericht und bei solchen unteren Gerichten, deren Einrichtung der Kongress anordnet (Art. I-III USVerf).137 Die dem Prinzip der Gewaltenteilung zugeschriebenen Funktionen entsprechen sich im staatsrechtlichen Denken der Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik. Im Wesentlichen soll die Staatsgewalt gemäßigt werden (Mäßigungsfunktion) und zu einer sachgerechten und rationalen Organisation des Staates beitragen (Rationalisierungsfunktion), der gegenseitigen Kontrolle der Staatsorgane dienen (Kontrollfunktion); deren Machtbegrenzung soll dem Schutz der Freiheit des Einzelnen dienen (Schutzfunktion).138 Die Teilung der Gewalten soll die Umsetzung des Volkswillens gewährleisten, die Ausübung der politischen Gewalt durch unterschiedliche Gewalten rechtlich konstituieren, kompetentiell binden und dadurch den Grundrechten normative Wirksamkeit ermöglichen.139 Die Teilung der Gewalten schlägt sich ———————— 135

Der Begriff „Gewaltenteilung“ wird vorliegend als der gebräuchlichste – gegenüber „Gewaltentrennung“ oder „Gewaltengliederung“ – verwendet, obwohl der Ansicht, dass die einheitliche Staatsgewalt nicht getrennt oder geteilt, sondern vielmehr gegliedert wird, zuzustimmen ist, vgl. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 13. 136 Siehe S. 248. 137 Siehe § 10 I., S. 112. 138 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20, Rn. 63. 139 Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 482.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

in drei verschiedenen Bereichen des Staatshandelns nieder: Die drei Staatsfunktionen – rechtsprechende, rechtssetzende und vollziehende Gewalt – werden unterschieden. Die Funktionen werden den zur Ausübung am besten geeigneten Institutionen – Legislative, Exekutive, Judikative – zugeordnet. Die funktionale und institutionelle Gewaltenteilung wurde durch eine personelle Komponente in Form von Inkompatibilitätsregeln ergänzt. Angehörige von Organen der drei Staatsgewalten können grundsätzlich nicht zugleich Amtsträger einer anderen Gewalt sein.140 Die Strenge der formalen Teilung bzw. die Ausgestaltung institutioneller, funktionaler und personeller Abhängigkeiten unterscheidet sich in beiden Staaten auf Grund konzeptioneller oder traditioneller Unterschiede. Mitglieder der Bundesregierung verlieren mit Eintritt in die Regierung nicht ihr Mandat im Deutschen Bundestag. Das Inkompatibilitätsverbot reicht nur soweit, dass Bundesminister nicht zugleich Mitglieder einer Landesregierung sein und keine Nebenämter oder Nebentätigkeiten ausüben dürfen; Mitglieder des Bundestages können aktiv nicht gleichzeitig Richter, Beamter oder Soldat sein.141 Dagegen ist die Trennung von Exekutive und Legislative im amerikanischen Regierungssystem von einem strengeren Inkompatibilitätsgebot geprägt. Mitglieder des Kongresses, die in die Exekutivspitze rücken, haben ihr Abgeordnetenmandat niederzulegen. Der amerikanische Präsident ist dem Kongress nicht direkt verantwortlich und kann sich auf eine eigene demokratische Legitimation berufen (Art. II USVerf.). Allerdings ist er auf das Wohlwollen des Kongresses bei der Durchsetzung seines politischen Programms angewiesen, denn ihm steht kein eigenes Gesetzesinitiativrecht zu. Dagegen teilt sich im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik der Bundestag das Recht der Gesetzesinitiative mit der Bundesregierung und dem Bundesrat. Der wesentliche Teil der Gesetzesvorbereitung erfolgt in der Exekutive. Übereinstimmend ist, dass in beiden Staaten die Primärfunktionen nicht ausschließlich von den institutionell zugeordneten Staatsgewalten wahrgenommen werden. Der US-Präsident verfügt z.B. über ein Verordnungsrecht oder wird legislativ nach der Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen durch den Kongress tätig. Dem entspricht Art. 80 GG, wonach die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen durch Gesetz ermächtigt werden können, Rechtsverordnungen zu erlassen. Gleichzeitig wird der Bundestag (materiell) exekutiv, bspw. im Falle der Wahlprüfung (Art. 41 Abs. 1 GG), tätig. Politische Eigenständigkeit kommt der Bundesregierung – im Gegensatz zum gesetzesvollziehenden Staatshandeln – in folgener Hinsicht zu: Bei der Richtli———————— 140

Bspw. Art. 55 Abs. 1, 66, 94 Abs. 1 S. 3, 137 Abs. 1 GG. Abgeordnetengesetz vom 18.2.1977 i.d.F.d.Bek.v. 20.7.2000 (BGBl. I S. 1040), § 57 BRRG, 57 BBG. 141

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nienkompetenz des Bundeskanzlers nach Art. 65 GG, bei außenpolitischen Entscheidungen gemäß Art. 59 GG, beim Vorschlag an den Bundespräsidenten, den Bundestag gemäß Art. 68 Abs. 1 GG aufzulösen sowie bei der Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes gemäß Art. 81 GG. Im Bundestag fällt bspw. die Verabschiedung des Haushalts, da Einzelpositionen zugewiesen werden, unter nicht-legislatives Handeln, obwohl die diese als Gesetz erfolgt (Art. 110 Abs. 2 GG). Der US-Präsident kann hingegen wesentliche Verwaltungsfunktionen nicht ohne die Zustimmung des Kongresses wahrnehmen: Die Zustimmung des Senats wird bei der Ernennung von Regierungsmitgliedern (‚secretaries‘) und anderer hoher Verwaltungsbeamter benötigt, der Kongress ist bei der Einrichtung von Verwaltungseinheiten auf Ministerialebene beteiligt und bewilligt deren Gelder. Im Gegensatz dazu kann der Bundeskanzler über die Zusammensetzung der Regierung allein bestimmen (Art. 64 GG), übernimmt die Leitung des Kabinetts und bestimmt Zahl und Umfang der Ministerien (Art. 65 GG). Die formale Teilung wird im Sinne der gemeinsamen Machtausübung durch eine Verschränkung der Gewalten ergänzt. Die drei Gewalten und ihre Organe sollen aufeinander wirken und Einfluss nehmen. Im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik geschieht dies durch die dauernde politische Einflussnahme des Parlaments auf die Regierung nach den maßgeblichen Konkretisierungen des Grundgesetzes (Art. 43, 44, 67, 70ff. GG). In den Vereinigten Staaten steht dagegen dem Präsidenten ein Vetorecht gegen Gesetzesvorlagen zu, das der Kongress nur mit qualifizierter Mehrheit überwinden kann (Art. I Sect. 7 Cl. 2 USVerf.). Die Ernennungskompetenz des Präsidenten wiederum wird durch Mitwirkungsrechte des Senats eingeschränkt (Art. II Sect. 2 Cl. 2 USVerf.). Diese beispielhaft genannten, in beiden Staaten vorhandenen Checks and Balances zeigen eines: Bereits die im Verfassungstext konzipierte Staatsorganisation will einen komplexen Ausgleich konkurrierender Interessen erzielen und deshalb exekutive und legislative Funktionen nicht ausschließlich, sondern vielmehr funktional zuweisen.142 Das Gewaltenteilungsprinzip in den USA und in der Bundesrepublik unterscheidet sich demnach nur in der konkreten Ausgestaltung, nicht aber im Grundsatz: Beide Staaten folgen einer modernen Gewaltenteilungslehre, die von einer primär funktionalen Trennung im Sinne einer operativ günstigen und effektiven Verteilung der Gewalten zur Verwirklichung der Freiheitsrechte ausgeht. Die Verteilung der Ausübung von Staatsgewalt auf verschiedene Institutionen folgt primär funktionalen Kriterien. Die Funktions———————— 142 Zum Konkurrenzverhältnis auf horizontaler Ebene des Bundes kommt auf Grund der föderalen Struktur die vertikale Ebene, d.h. das Verhältnis zu den Gliedstaaten. Die Bundeskompetenzen im Verhältnis zu den Länderkompetenzen können aber hier vernachlässigt werden.

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fähigkeit wird dadurch gewährleistet, dass Inhalt und Umfang der jeweiligen Staatsgewalt durch Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse institutionalisiert wird. Was ergibt sich hieraus für die Herleitung der Untersuchungskompetenz? Die funktionale Gliederung der Staatsgewalten sichert jeder Institution einen Funktions- und Entscheidungsvorbehalt. Der Vorbehalt bestimmt sich nach den zugewiesenen Aufgaben für die Dauer der Amtszeit. Innerhalb des Funktionsvorbehalts kann jede Gewalt alle Maßnahmen ergreifen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben für erforderlich und notwendig hält. Dies bedeutet für die parlamentarische Untersuchungskompetenz das eingangs formulierte: Alle dem Parlament zugewiesenen Kompetenzen berechtigen grundsätzlich zur eigenständigen und unmittelbaren Informationsbeschaffung und schließen – zu deren Wirksamkeit – grundsätzlich auch Zwangsmittel ein. Dabei macht es keinen Unterschied, ob auf die geschriebene oder ungeschriebene, auf legislative oder nicht-legislative Kompetenzen, also Kontrollkompetenzen, rekurriert wird. Parlamentarische Informationsbeschaffung muss im horizontalen Gewaltenteilungsverhältnis die Funktionsfähigkeit der anderen Gewalten berücksichtigen. Allerdings bedarf der parlamentarische Auskunftsanspruch keiner expliziten Rechtsgrundlage, sondern nur eines Kompetenztitels. Die Grenze der Informationsbeschaffung ist dort zu ziehen, wo eine Gewalt derart in den Kompetenzbereich einer anderen Gewalt übergreift, dass sie sich an die Stelle der anderen Gewalt setzt, die Entscheidungsfindung einer anderen Gewalt verhindert oder erheblich beeinträchtigt. Die Auffassung „genuin-exekutivischer Zuständigkeiten“ kann aus diesen Gründen nicht überzeugen. Der Ansatz ist begrifflich und inhaltlich irreführend. Für originäre oder „natürliche“ exekutive Rechte gibt es keinen Anhaltspunkt. Eine Formalbetrachtung, wonach die Verfassung exekutive Befugnisse der Exekutive vorbehalte – kann, ganz abgesehen davon, dass eine solche Ausschließlichkeit weder in der USVerf. noch im Grundgesetz angelegt ist – keine Zustimmung finden. Bereits den Begriffen Legislative oder Exekutive bzw. legislatives oder exekutives Staatshandeln kann weder materiell noch institutionell eine klar abgrenzbare Struktur gegeben werden, um die Theorie „genuinexekutivischer Zuständigkeiten“ sinnvoll auszufüllen. Institutionell wird unter „Legislative“ die gesetzgebende Körperschaft verstanden. Exekutiv ist jede staatliche Gewaltausübung außerhalb der Gesetzgebung und Rechtsprechung; Exekutive ist die vorrangig ausführende, vollziehende und vollstreckende Staatsgewalt. Zur Unterscheidung müsste eine Legaldefinition des Begriffes „Gesetzgebung“ gefunden werden. Der Versuch, die Begriffe „Gesetz“ oder „gesetzgebende Gewalt“ formal-juristisch zu bestimmen, muss allerdings scheitern. Dies hat schon Böckenförde 1951 in seiner Analyse für die gleichlautenden Versuche von den Anfängen der deutschen Staatslehre bis zur Höhe des

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staatsrechtlichen Positivismus zutreffend aufgezeigt.143 Böckenförde sieht die Begriffe in einem engen Zusammenhang mit der Bestimmung des Staatsbegriffs. Wegen der „Vielgestaltigkeit und Geschichtlichkeit aller staatsrechtlicher Verhältnisse“ werde man nicht zu allgemeingültigen, kategorialen Rechtsbegriffen gelangen, allenfalls zu Typenbegriffen, die auf bestimmte geschichtlich-politische Strukturformen des Staatslebens bezogen seien.144 Er schlägt eine methodische Neubesinnung im Sinne einer systematischen Funktionenlehre sowie die Erarbeitung eines neuen Staatsbegriffes vor. Solange diese Grundlagen nicht geschaffen seien, sei es besser, sich mit den Definitionsversuchen zu bescheiden.145 Die Ansicht „genuin-exekutivischer Zuständigkeiten“ beruht auf dem früheren Gegensatz zwischen der aus der monarchischen Gewalt abgeleiteten Exekutive und den geschichtlich später herausgebildeten Befugnissen der Volksvertretung, die nur insoweit anerkannt wurden, als sie ausdrücklich in der Verfassungsurkunde festgelegt waren. Allerdings ist einer solchen Konstruktion mit der Entwicklung zum parlamentarisch-demokratischen Staat der Boden entzogen. Parlamentarische Untersuchungsbefugnisse werden weder von der Exekutive noch durch die Verfassung übertragen. Die Exekutive ist nicht im Zweifelsfall zuständig, wenn keine Grundgesetzvorschrift dem Parlament ausdrücklich Kompetenzen zuweist. Das Art. 20 Abs. 3 GG zugrunde liegende Gewaltenteilungsverständnis will durch die Zuordnung der Gewalten nicht zwei möglichst autarke Kräfte gegenüberstellen, sondern das notwendige Zusammenwirken sichern und staatliche Machtausübung im Sinne von Checks and Balances begrenzen oder ausbalancieren.146 Dass die Auslegung des Untersuchungsrechts als immanente Parlamentskompetenz das Machtgefüge unverhältnismäßig verändert, muss im Einzelfall nachgewiesen werden. An die Stelle einer Theorie „genuin-exekutiver Zuständigkeiten“ ist ein kompetenzielles Gewaltenteilungsverständnis getreten, das sich an den ausdrücklich zugewiesenen oder notwendig mitgeschriebenen Zuständigkeiten und den staatsorganisatorischen Funktionsrahmen orientiert.147 Die Verteilung und Ausübung von Staatsgewalt ist ein Prozess, der von den Macht- und Interessenstrukturen dynamisiert wird. Der verfassungsrechtlich verankerten Verteilungs———————— 143 Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 340. Zur Ablehnung der herkömmlichen, heute noch vorherrschenden Auffassung, die Gesetzgebung im formellen und materiellen Sinne trennt, vgl. Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 502ff. 144 Böckenförde, aaO., S. 335. 145 Böckenförde, aaO., S. 341. Zum Entwurf einer Funktionenlehre vgl. Schuppert, Staatswissenschaft, 2004, hier vor allem im ersten Teil, S. 55 ff., im dritten Teil S. 345ff. 146 Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 494ff. 147 Vgl. § 18 IV.2., S. 245.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

struktur kommt normative Bedeutung nur insoweit zu, als sie Kompetenzen im geschriebenen Recht explizit bestimmt oder sie sich implizit daraus ableiten lassen. Die Verteilung kann auf Grund veränderter Funktions- und Effizienzkriterien jederzeit umgeformt werden. Beschränkt wird das Spektrum grundsätzlich allein dadurch, dass das unmittelbar demokratisch gewählte Staatsorgan als Verfassungsgeber die „Letztentscheidungsbefugnis“ hat – und allein durch Art. 1 und 20 GG gebunden ist (Art. 79 Abs. 3 GG). Mehr als das Gebot der Rücksichtnahme auf die Aufgaben der anderen Staatsgewalten, wonach Kompetenzkonflikte nach Maßgabe des ungeschriebenen Verfassungsgrundsatzes der Verfassungstreue harmonisiert werden,148 ist dem Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes nicht zu entnehmen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung bestätigt also die Annahme einer immanenten Untersuchungskompetenz mehr, als dass er sie erschüttert. Insbesondere für den Bereich der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung, als dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip innewohnendes Funktionselement, muss dem Parlament die Kompetenz zustehen, Sachverhalte selbstständig und wirksam aufklären zu können. c) Die „Natur“ parlamentarischer Untersuchungsbefugnisse? Die Wirksamkeit parlamentarischer Untersuchungsbefugnisse erfordert deren Durchsetzbarkeit. Der Vorgang der Beweiserhebung ist nicht mit begrifflicher Notwendigkeit ein Teil der Verwaltung. Der Vorgang wird nur im Falle ihrer Anwendung durch die Behörden praktisch ein Teil der Verwaltung, ebenso, wie diese Anwendung praktisch ein Teil der Rechtspflege sein kann. Parlamentarische Untersuchungsbefugnisse haben mit den exekutivischen Befugnissen, „wie sie Behörden und Gerichten bei der Gesetzesvollziehung zustehen“,149 nur insoweit Gemeinsamkeiten, als dass die natürlichen Vorgänge der Ermittlungstätigkeit und der logischen Beweisführung, also der Darlegung von Richtigkeit (Verifikation) oder Unrichtigkeit (Falsifikation) von Urteilen durch logische Schlüsse oder empirische Befunde (Deduktion, Induktion), übereinstimmen. Ein Beweis im parlamentarischen Verfahren ist mit dem Beweis im gerichtlichen Verfahren insoweit identisch, als es sich um einen gültigen Schluss mit wahren Prämissen und wahrer Konklusion handelt. Die Beweismittel, mit denen politische Urteile begründet werden können, entsprechen insoweit denen, die ein rechtliches Urteil begründen. Vermutungen und Behauptungen können durch Informationen über Personen oder Sachen – oder in der Sprache des Straf- und Zivilprozesses durch Inaugenscheinnahme, Zeugen, Sachverständige, Urkunden und Parteivernehmung – begründet oder widerlegt ———————— 148 149

Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 30 Rn. 67, BVerfGE 90, 286, 89. BVerfGE 67, 100, 127.

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werden. In ihrer Zielrichtung dienen die Untersuchungsbefugnisse des Parlaments aber nicht dem gleichen Sinn und Zweck. Das Erkenntnisinteresse des Parlaments ist von einem politisch-informatorischen Wesenszug geprägt und insofern vom juristisch-inquisitorischen Charakter des gerichtlichen oder behördlichen Untersuchungsverfahrens verschieden. Die politische Bewertung eines ermittelten Sachverhalts dient einem anderen Zweck als die Beweiswürdigung in einem Verfahren, das Gesetzesgehorsam und damit rechtliche Verantwortung überprüft. Rechtliche Verantwortung knüpft an einen gesetzlichen Tatbestand an und gibt den Rahmen der rationalen Bewertung bereits vor. Anders ist es im parlamentarischen Untersuchungsverfahren: Hier wird in der Regel noch – vor den Augen der Öffentlichkeit – um den Bewertungsmaßstab gerungen. Die Feststellung, dass die Beweisführung im parlamentarischen Untersuchungsverfahren äußerst subjektiv ist und meist entlang der Parteilinien verläuft, trifft zwar zu.150 Richtig ist aber auch, dass im gerichtlichen Verfahren ebenso Spielräume subjektiver Wertmaßstäbe, insbesondere im Rahmen der Beweiswürdigung, bestehen. Die Subjektivität reduziert sich im gerichtlichen Untersuchungsverfahren auf die Person des Richters bzw. die Personen, die dem Spruchkörper angehören. Dagegen trifft das politische Urteil über Verantwortung von und Vertrauen in Repräsentanten oder politische Institutionen im parlamentarischen Untersuchungsverfahren eine nicht mehr individualisierbare Menge von „Richtern“ – das Wahlvolk. Was dieses „Publikum“ für wahr hält, ist eine Frage der Überzeugungskraft der Beweise, die das Untersuchungsverfahren zu Tage fördert bzw. der Beweisführung. Parlamentarische Untersuchungsverfahren, die das Vertrauen in die politischen Institutionen oder deren Repräsentanten aktualisieren, haben keine geringere Bedeutung als das Vertrauen in die Rechtsordnung. Deshalb können parlamentarische Aufklärungsinstrumente die gleiche Schärfe haben wie gerichtliche Zwangsmittel, die den Wahrheitsfindungsprozess sichern. Erforderlichkeit und Wirksamkeit von Zwangsmitteln folgen im parlamentarischen Untersuchungsverfahren nur anderen, nicht abstrakt zu nennenden und der Einschätzungsprärogative des Parlaments unterliegenden Kriterien. d) Zweck-Mittel-Relation Spricht weder der Wortlaut der Verfassungsbestimmungen noch Sinn und Zweck des Gewaltenteilungsprinzips noch die „Natur der Dinge“ gegen die Anwendung der ‚implied powers‘-Theorie, fragt es sich, welchen Umfang ———————— 150 Glauben, Möglichkeiten und Grenzen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse: Wahrheitssuche und parteipolitisches Kalkül – Verfahrensrechtliche Probleme, DRiZ 1992, S. 395ff.

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(„Breite“) die immanente Untersuchungskompetenz hat und welche „Tiefenregelungen“ zulässig sind? Welche Untersuchungsbefugnisse sind vom Untersuchungszweck gedeckt? Dem Argument der Logik folgend, müssten dem Parlament, wenn es Informationen bspw. zur Erfüllung des parlamentarischen Kontrollauftrages in Korrespondenz zur parlamentarischen Verantwortlichkeit, zur Gesetzgebung (Art. 70 ff. GG) oder zur Vorbereitung eines Misstrauensvotums (Art. 67 GG) einfordert, auch die Mittel zur Durchsetzung dieses Informationsanspruches, also Zwangsmittel, zustehen. Für die konkrete Bestimmung des Inhalts führt die Zweck-Mittel-Relation als Kern der ‚implied powers‘-Theorie zu einer flexiblen und sachgerechten Anwendung. Konkret findet die Zweck-Mittel-Relation – verbunden mit der Frage, welcher Grad an „Nützlichkeit“ für die Anwendung von Untersuchungsbefugnissen zu fordern ist – auf zwei Ebenen statt: auf der Herleitungsebene sowie der Anwendungsebene. aa) Zweck-Mittel-Relation auf der Herleitungsebene Die Herleitungsebene umfasst die Prüfung, ob der Untersuchungszweck die Auslegung einer expliziten Parlamentskompetenz dergestalt erfordert, dass diese Kompetenz die Inanspruchnahme von Untersuchungsbefugnissen notwendigerweise enthalten muss. Die Herleitungsebene entspricht dem im deutschen Recht gebräuchlichen Grundsatz des Vorrangs der Verfassung bzw. des Gesetzesvorrangs.151 Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Das gilt für das einfache Gesetz, das Untersuchungsbefugnisse regelt sowie für dessen Anwendung. Allerdings kann für das Parlamentsgesetz, das Untersuchungsbefugnisse des Parlaments oder seiner Hilfsorgane regelt, auf der Herleitungsebene der Untersuchungszweck zunächst nur vorausgesetzt werden. Der Zweck, dem die Untersuchungsbefugnisse dienen sollen, ist nicht allgemein, sondern nur konkret – bspw. an Hand des Einsetzungsbeschlusses eines Untersuchungsausschusses, eines konkreten Informationsbegehrens oder der Androhung einer Zwangsmaßnahme – zu bestimmen. Der Anlass der Untersuchung bestimmt den Zweck und damit auch, zur Erfüllung welcher Parlamentsaufgabe die Untersuchung dienen soll. Der Gegenstand parlamentarischer Untersuchungen ist dogmatisch nicht einzugrenzen und damit nicht positiv-rechtlich zu bestimmen. Die Frage, welche geschriebene Parlamentskompetenz über den expliziten Regelungsgehalt hinaus Anknüpfungspunkt für Untersuchungsbefugnisse ist, kann damit regelmäßig erst auf der Anwendungsebene geklärt werden; anders ist dies nur bei vorab bestimmbaren, typisierbarenen Untersuchungsbereichen, wie bspw. der Wahlprüfung. ———————— 151

Wahl, Der Vorrang der Verfassung, Der Staat, 1981, S. 485ff.

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Eine abstrakte Eingrenzung auf Parlamentskompetenzen, die explizit der Kontrolle der Exekutive dienen, oder auf Untersuchungsgegenstände die der staatsgerichtlichen Kontrolle – im Gegensatz zur Gesetzgebung – zu dienen bestimt sind, scheidet aus. Zwar können einzelne Verfassungsbestimmungen einer primären Zielrichtung zugeordnet werden, wie die Kompetenzen nach Art. 70 ff. GG der Gesetzgebung und die Möglichkeit des Misstrauensvotums nach Art. 67 GG zur parlamentarischen Kontrolle. Sieht man parlamentarische Kontrolle aber als einen Prozess an, der grundsätzlich in allen Mitwirkungsund Entscheidungsprozessen des Parlaments stattfindet, schlägt die Trennung zwischen allgemeiner Information und Kontrolle der Exekutive fehl. Parlamentarische Kontrolle ist – abgesehen von der expliziten Erwähnung in Art. 45b GG – den Gesetzgebungskompetenzen akzessorisch. Überzeugender ist dagegen das institutionelle Verständnis des Supreme Courts, das einer parlamentarischen Untersuchung allein das Erfordernis einer legislativen Aufgabe oder Aufgabe der Legislative („legislative function“) voraussetzt. Diese Aufgabe kann einer geschriebenen oder ungeschriebenen Parlamentskompetenz entspringen.152 Das bedeutet für den deutschen Raum, dass – im Sinne der herrschenden Meinung das ebenso sieht – auch ein Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG der Vorbereitung von Gesetzgebung dienen kann.153 Ebenso wenig kann die immanente Untersuchungskompetenz auf parlamentsinterne Aufgabenbereiche wie Wahlprüfungs- und Immunitätsangelegenheiten beschränkt werden.154 Bereits das Ansinnen einer solchen Einschränkung überzeugt mit Blick auf den Sinn und Zweck parlamentarischer Kontrolle nicht. Darüber hinaus ist der Bereich sog. parlamentsinterne Aufgabenbereich nicht klar abzugrenzen. Der Kontrollauftrag ist funktional ebenso stark im Parlament angesiedelt wie etwa Fragen der Wahlprüfung durch das Parlament. bb) Zweck-Mittel-Relation auf der Anwendungsebene Auf der konkreten Anwendungsebene ist die geschilderte Nützlichkeits- und Erforderlichkeitsprüfung im engeren Sinne anzustellen. Die Ebene der Anwendung umfasst die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und/oder die Anwendung von Untersuchungsbefugnissen der Anwendung von Zwangsmitteln. Die Grenzen der immanenten Untersuchungskompetenz ergeben sich – wie bereits im Hinblick auf den Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG auf———————— 152

McGrain v. Daugherty, 273 U.S. 135, 173 (1927). Böckenförde, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und kommunale Selbstverwaltung, AöR, 103 (1978), S. 1, 7; Achterberg, Parlamentsrecht, S. 446f.; Steinberger, Gutachten, BT-Drs. 11/7800, S. 1192. 154 So Ehmke, vgl. Fn. 72. 153

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gezeigt – aus den Freiheitsrechten des Einzelnen und den Kompetenzen des Parlaments.155 Dabei ist grundsätzlich zwischen dem Verhältnis der Gewalten untereinander (Innenverhältnis) und dem Verhältnis Staat/Bürger (Außenverhältnis) zu differenzieren. Personen, denen eine öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht obliegt, welche das Parlament einfordert, sind rechtlich anders zu behandeln als Personen, die nicht dem Staatsapparat zuzurechnen sind oder Personen, die zu Sachverhalten aussagen sollen, die nicht im Zusammenhang mit der Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit stehen. Formal kann auf die Unterscheidung zwischen staatsinternen und staatsexternen Strukturen zurückgegriffen werden, die sich aus dem Verhältnis zum Staat ableitet.156 Materiell erfolgt die Grenzziehung, wie Masing zutreffend differenziert, entlang der Unterscheidung von rechtlicher und staatlicher bzw. politischer Verantwortung.157 Das parlamentarische Untersuchungsrecht dient speziell der Einforderung staatlicher Verantwortung. Private sind der Volksvertretung grundsätzlich nicht rechenschaftspflichtig. Private sind nur im Rahmen der rechtlichen Verantwortung in Bezug auf Rechtsverletzungen und gesetzliche Verpflichtungen dem Staat rechenschafts- und auskunftspflichtig. Das Parlament hat einen Kontrollauftrag im System der Ausübung von Staatsgewalt, nicht aber gegenüber dem Bürger. Dessen Freiheit wird vom Grundgesetz als gegeben vorausgesetzt. Sagen Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss aus, die in keinem öffentlichen Verantwortungsverhältnis stehen, sind diese gewissermaßen Hilfspersonen zur Erfüllung des Untersuchungsauftrages. Diese können nur in engen Grenzen zur Aussage gezwungen werden. Die Grenze ist damit dort zu ziehen, wo die parlamentarische Untersuchung den horizontalen Gewaltenteilungsbereich verlässt und in den bürgerlichen Freiheitsstatus der Auskunftsperson übergreift. ———————— 155

Siehe zu den Grenzen des Untersuchungsrechts nach Art. 44 GG § 4 II.11. Das Prinzip der vertikalen Gewaltenteilung kann an dieser Stelle ausgeblendet bleiben. 156 Vgl. Seiler, Der Untersuchungsausschuss an der Schnittstelle von Staatsinternum und -externum, AöR 129 (2004), S. 379. 157 Masing trifft diese Unterscheidung primär mit der Absicht, den Beleg dafür zu liefern, dass Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 GG nur zur Kontrolle von Regierung und Verwaltung einsetzbar sind. Obwohl letztlich dieser Ansicht nicht bzw. nur auf der beschriebenen Anwendungsebene zuzustimmen ist, kann der Argumentation die Präzision zur Beurteilung von Grenzfällen im Ansatz entnommen werden. Wie einleitend ausgeführt, beinhaltet parlamentarische Kontrolle immer auch die Untersuchung eines IstZustandes. Somit decken sich die Begriffe parlamentarische Kontrolle und parlamentarische Untersuchung insoweit, als das Intra-Organ-Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive betroffen ist, da jede Informationsbeschaffung gleichzeitig vergleichenden und damit kontrollierenden Charakter hat. Daraus folgt, dass zwischen allgemeiner Selbstinformation und spezifischer Kontrolle der Exekutive keine begriffliche Grenzlinie zu ziehen ist. Vgl. oben § 2, S. 34.

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Wird der Grundrechtsträger in die Staatsorganisation aufgenommen, wechselt er grundsätzlich seinen Status. Dieser ist objektiv-rechtlich ausgestaltet und durch formale Befugnisse und Kompetenzen sowie Rechenschaftspflichten gekennzeichnet. Der Amtsträger ist Sachwalter der Öffentlichkeit. Die Grundrechte werden zwar auch im Staatsinternum berücksichtigt, nicht jedoch bezogen auf die Amtsstellung. Die Trennlinien zwischen Innen- und Außenverhältnis verlaufen nur idealtypisch.158 Bezogen auf das Intra-Organ-Verhältnis mit seinem Leitprinzip der Gewaltenteilung, das – wie ausgeführt – einen Funktionsvorbehalt jeder Staatsgewalt gegenüber den anderen Staatsgewalten für den eigenen Zuständigkeitsbereich beinhaltet, können keine allgemeinen Aussagen über Inhalt und Reichweite dieses Funktionsvorbehalts getroffen werden. Entscheidend ist, ob die vom Parlament konkret begehrte Auskunft die Funktionsfähigkeit der Exekutive mehr als unerheblich beeinträchtigt. Dieser Nachweis ist von der Exekutive zu erbringen. Dieser Prüfung entsprechen die Regelungen zur Aussagegenehmigung öffentlich Bediensteter, die vom jeweiligen Dienstherrn ausgestellt werden und werden müssen, wenn keine öffentlichen Interessen dagegen sprechen (§§ 23 Abs. 2 i.V.m. 18 Abs. 1-3 PUAG). cc) Zweck-Mittel-Relation im Außenverhältnis Aus dem Verständnis des parlamentarischen Untersuchungsrechts als immanente Kompetenz folgt kein unmittelbares Zwangsmittel gegenüber „jedermann“ und zu jedem Zweck. Die Grundrechte schränken das immanente Untersuchungsrecht formal und materiell ein. Methodisch zeigen die folgenden Ausführungen, dass die Zweck-Mittel-Relation des ‚implied power‘-Ansatzes im Staat/Bürger-Verhältnis identisch mit dem im deutschen Recht anerkannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist: Staatliches Handeln muss, wenn es subjektive Rechte beeinträchtigt, geeignet, erforderlich und angemessen im engeren Sinne sein.159 Formal bedürfen sämtliche Eingriffe in die Freiheitsrechte einer parlamentsgesetzlichen Grundlage. Hinsichtlich der Aussagepflicht vor einem parlamentarischen Untersuchungsgremium ist vor allem das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wie es das Bundesverfassungsgericht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 1 GG herleitet,160 zu beachten. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst grundsätzlich das Recht zu schweigen, d.h. die Freiheit, Informationen, welcher ———————— 158

Seiler, aaO., S. 381. Zumeist wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rechtsstaatsprinzip verortet. Der Grundgedanke ist in der Sicherung der Freiheitsphäre zu finden. Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20, Rn. 167 m.w.Nachw. 160 BVerfGE 35, 202. 159

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Art auch immer, für sich behalten zu dürfen. Das Grundrecht gewährt keinen lückenlosen Schutz. Auf einfachgesetzlicher Ebene kann das Grundrecht mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Interessen, „schutzwürdigen Belangen Dritter“ oder Auskunftspflichten zur Erfüllung eines berechtigen Interesses zum Ausgleich zu bringen sein. Unzumutbar sind Aussagen, die mit der Würde des Menschen unvereinbar wären. Dazu zählt der Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung liefern zu müssen (nemo tenetur).161 Daraus folgt, dass jede Aussagepflicht eines Parlamentsgesetzes bedarf, da die Begründung einer Aussage- oder Zeugnispflicht in einem staatlichen Verfahren einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht beinhaltet. Der Verweis darauf, dass die Zeugnispflicht vor Gericht nach deutscher Rechtstradition eine allgemeine Staatsbürgerpflicht sei,162 kann mit Blick auf den grundgesetzlichen Schutz der Freiheitsrechte für die Legitimation der Auskunftspflicht nicht überzeugen. 163 Die Kernfrage lautet also: Womit lässt sich die Aussagepflicht im parlamentarischen Untersuchungsverfahren rechtfertigen? Die Zeugnispflicht vor Gericht ergibt sich aus den Verfahrensgesetzen wie StPO oder ZPO. Sie kann mit der Bedeutung der Rechtspflege für das Gemeinwesen gerechtfertigt werden. Dies gilt für die Aussagepflicht im parlamentarischen Untersuchungsverfahren gleichermaßen. Ist Sinn und Zweck des Untersuchungsverfahrens die Aktualisierung staatlicher Verantwortung, so ist diese Funktion gegenüber dem Zweck eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich gleichrangig. Die Folgen politischer Verantwortungslosigkeit sind anderer Natur als die rechtlicher Verantwortungslosigkeit, auch wenn beide, bspw. im Korruptionsfalle, zusammenfallen. Die Folgen politischer Verantwortungslosigkeit für das Gemeinwesen können auch schwerer wiegen als ein Einzelverstoß gegen Rechtsvorschriften. Jedenfalls kann das Parlament bei seiner Ermittlungstätigkeit auf die Hilfe Privater angewiesen sein. Die Gründe, die eine Zeugnispflicht im gerichtlichen Verfahren rechtfertigen, gelten damit gleichermaßen für die Zeugnispflicht im parlamentarischen Verfahren. Ein Gesetz, das die Aussagepflicht in einer parlamentarischen Untersuchung begründet, muss den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten (Art. 20 Abs. 3 GG). Ausdrücklich ist dieser Maßstab für Untersuchungen nach Art. 44 Abs. 1 GG dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen: „[Der Untersuchungsausschuss] erhebt die erforderlichen Bewei———————— 161

BVerfGE 56, 37. So BVerfGE 76, 363, 383 (Lappas): „Zeugenpflicht ist nach deutscher Rechtstradition eine allgemeine Staatsbürgerpflicht“, mit dem Verweis auf BVerfGE 49, 280, 284 (Zeugenentschädigung). 163 So aber Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 242, mit Verweis auf die Kommentarliteratur zum Strafprozess, dort Fn. 1085. 162

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se.“ Der Eingriff muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dies gilt ebenso für das die Aussagepflicht begründende Gesetz, den Einsetzungsantrag eines Untersuchungsausschusses wie auch für die konkrete Untersuchungsmaßnahme. Eine Untersuchung zur Vorbereitung von Gesetzen oder zur allgemeinen Erörterung politischer Sachverhalte, wie sie in Enquete-Kommissionen oder öffentlichen Anhörungen von Sachverständigen typischerweise erfolgt, wird regelmäßig nicht zur Erzwingung einer Auskunft berechtigen. Der Zeugnispflicht und dem Zeugniszwang würden bereits Geeignetheit und Erforderlichkeit fehlen. Über den entsprechenden Sachverstand verfügt in der Regel eine Anzahl von Personen. Es geht hier nicht um die detailgenaue Ermittlung in einem konkreten Einzelfall; ganz anders kann sich dies aber bei Missständen in Verwaltung und Regierung darstellen. Hier kann es um die Ermittlung konkreter Einzelfälle, Vorgänge und Verursachungsbeiträge gehen. Diese Einzelfälle lassen sich nicht in gesetzlich typisierte Tatbestände gießen. Das folgt aus der Natur des Politischen. Das Politische entsteht aus der ständigen dynamischen Veränderung gesellschaftlicher und sozialer Verhältnisse. Hingegen kann die Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle die erhöhten Wahrheitsbedingungen und Zwangsmittel im konkreten Einzelfall legitimieren. Hier können Zeugniszwang und Urkundsbeweis erforderlich sein, weil es um die politische Verantwortlichkeit von Personen und individuelles Fehlverhalten gehen kann. Es kann darum gehen, konkrete Verursacherbeiträge zu ermitteln. Informationen können – im Unterschied zum Sachverstand bei parlamentarischen Anhörungen – meist nur von wenigen Personen bezogen werden. Diese Parlamentsaufgabe erfordert, wie das Bundesverfassungsgericht zutreffend ausführt, „eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann.“164 Hier kann es auch notwendig und erforderlich sein, Private als Zeugen – quasi als Hilfspersonen – zu vernehmen. Grundrechtseingriffe, insbesondere in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, in das Recht der informationellen Selbstbestimmung oder das Recht auf Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, sind nicht von vornherein unzulässig. Sie müssen aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, um eine Verletzung des Grundrechts auszuschließen. Dies gilt für alle Untersuchungsmaßnahmen (Auskunftsbegehren, Zwangsmittel, Berichterstattung) und Untersuchungsbedingungen (Öffentlichlichkeit). Die Untersuchung hat solche Maßnahmen zu vermeiden, die natürlichen oder juristischen Personen derart schwere Nachteile zufügen würden, dass sie zu diesem Zweck in einem krassen Missverhältnis stehen würden.165 Was bedeutet dies für Personen, die bereits in einem öffentlichen Verantwortungsverhältnis stehen? ———————— 164

BVerfGE 67, 100, 130. Glauben/Brocker, Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, § 29 Rn. 12 (S. 385). 165

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dd) Zweck-Mittel-Relation im Innenverhältnis Gegenüber Personen, die in einem öffentlichen Dienst-, Amts-, oder Mandatsverhältnis stehen und einer öffentlichen Auskunfts- und Rechenschaftspflicht unterliegen, bedarf es keiner Konstituierung der Aussagepflicht gegenüber dem Parlament. Die Auskunfts- und, davon eingeschlossen, die Wahrheitspflicht besteht bereits auf Grund der Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament oder, umgekehrt, auf Grund der „Gesamtverantwortung des Bundestages“ für das „Wohl des Bundes.“166 Die politische Bewertung des Handelns eines Organwalters berührt dessen Persönlichkeitsrechte nicht. Sie betrifft nicht die Person des Amtsinhabers, sondern den Funktionsträger. Dies wurzelt im Prinzip der Volkssouveränität. Für Personen in öffentlichen Dienstverhältnissen ergibt sich die Auskunftsund Wahrheitspflicht aus den Treuepflichten (Art. 33 Abs. 1 GG, § 54 S. 3 BBG). §§ 61, 62 BBG schützen die dienstrechtliche Pflicht des Beamten zur Amtsverschwiegenheit im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz dienstlicher Belange und zum Schutz der durch Amtshandlungen betroffenen Bürger.167 Die Verschwiegenheitspflicht besteht nicht nur für Beamte, sondern auch für Bundesminister, Staatssekretäre des Bundes, Landesminister, Richter und Soldaten sowie für Angestellte im öffentlichen Dienst.168 Die anderen Personengruppen bedürfen hier keiner ausführlichen Erörterung. Die exemplarische Darstellung an Hand der beamtenrechtlichen Regelung soll genügen. Die Verschwiegenheit betrifft alle bei der amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten. Das gilt nicht nur für Angelegenheiten, mit denen der Amtsträger selbst befasst war, sondern auch für die Angelegenheiten, die ihm in seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind.169 Eine parlamentarische Untersuchung kann sich, wie dies für den Untersuchungsausschuss anerkannt ist,170 das Dienstwissen zu eigen machen und Regierungsmitglieder, Beamte und Angestellte von Behörden als Sachverständige und Zeugen hören. Dies ist Gegenstand der parlamentarischen Untersuchungskompetenz. Die Genehmigung, als Zeuge auszusagen, kann gemäß § 62 Abs. 1 BBG nur dann versagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung einer öffentlichen Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Sie kann nicht erfolgen, um sich einer rechtlichen Pflicht zu entziehen. Liegen diese Gründe nicht vor, muss die ———————— 166

BVerfG 67, 100, 135. Battis, BBG, § 61 Rn. 1f. 168 Insbesondere § 6 BMinG, § 7 ParlStsG, §§ 46, 71 DRiG, § 14 SoldG, § 9 BAT. 169 Battis, BBG, § 61 Rn. 6. 170 Glauben/Brocker, Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, § 20 Rn. 9 (S. 257). 167

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Genehmigung erteilt werden. Der Behörde steht kein Ermessen zu.171 Dies bedeutet, dass Beamte nicht nur dem Dienstvorgesetzten wahrheitsgemäße Auskünfte erteilen müssen. Der Beamte dient dem ganzen Volk (§ 35 BRRG, § 52 Abs. 1 BBG). Nimmt das Parlament seine Kontrollaufgabe gegenüber der Exekutive wahr, ist der Amtsträger grundsätzlich auch dem Bundestag zur Auskunft über dienstliche Vorgänge verpflichtet. Vorschriften zur Aussagegenehmigung dienen dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Exekutive, nicht dem Ausschluss des Parlaments. Das Parlament hat – unabhängig von Art. 44 Abs. 1 GG – einen Anspruch auf Erteilung der Aussagegenehmigung gemäß § 62 Abs. 1 BBG. Bei der Beurteilung, ob es sich um eine Person im öffentlichen Verantwortungsverhältnis handelt, kommt es auf den Status des Beamten nicht an. Maßgebliches Unterscheidungsmerkmal ist die Ausübung eines anvertrauten Amts. Hier kann auch auf die Rechtsprechung zur Haftung bei Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG Bezug genommen werden. Außerdienstlich ist das Verhalten nur, wenn es sich als das „eines privaten Mannes“ ansehen lässt.172 Dieser Rechtsgedanke kann auf die Auskunftspflicht in einer parlamentarischen Untersuchung analog angewandt werden. Amtsträger sind dem Parlament über Tatsachen und Vorgänge, die ihnen während der Ausübung der dienstlichen Tätigkeiten bekannt geworden sind, zur Auskunft verpflichtet. Nur dann, wenn sich die zu untersuchenden Vorgänge als „Privatsache“ des Zeugen darstellen, entfällt die Aussagepflicht auf Grund des Dienst- und Treueverhältnisses. Praktisch bedeutet dies, dass die Bitte an einen Repräsentanten öffentlicher Gewalt, einem Bundestagsausschuss Auskunft über bestimmte Vorgänge zu geben, keine „Einladung“ ist, der die Auskunftsperson freiwillig nachkommt.173 Insoweit ist die – nicht ausführlich begründete – Auslegungsentscheidung 14/5 des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu § 70 ———————— 171

BVerwGE 109, 258. BVerwGE 33, 199, 201: „Als taugliches Unterscheidungsmerkmal kann nicht die formale Dienstbezogenheit des Verhaltens dienen, d.h. die Unterscheidung, ob der Beamte während der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeiten gehandelt hat oder nicht. Denn auch ein Beamter, der z.B. nach Beendigung des Dienstes mit dem ihm anvertrauten Dienstfahrzeug eine Schwarzfahrt unternimmt […,] begeht keineswegs ein außerdienstliches, sondern ein innerdienstliches Dienstvergehen. Es kommt nicht auf die formale, sondern auf die materielle Dienstbezogenheit des Verhaltens an, d.h. darauf, ob irgendwelche innerdienstlichen Pflichten verletzt werden. Nur dann, wenn sich das Verhalten als das eines Privatmannes ansehen lässt, ist es ein außerdienstliches.“ 173 Eine „Einladung“ wurde durch den Bundestagsausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Soziales dem damaligen Vorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Florian Gerster, ausgesprochen, um am 28.11. und 19.12.2003 zu den Vorwürfen im Zusammenhang mit der Vergabe von Beraterverträgen Auskunft zu geben. Ausschuss-Mitteilung vom 26.11.2003 und 17.12.2003. 172

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GO-BT vom 17. Februar 2000 nicht überzeugend, wonach eine Ladung von Regierungsmitgliedern oder Mitgliedern der Bundesregierung als Sachverständige im Rahmen einer Auschussanhörung grundsätzlich nicht erlaubt ist.174 Es leuchtet nicht ein, warum das Parlament öffentliche Verantwortungsträger, auf deren Informationen es einen rechtlichen Anspruch hat, „einladen“ soll. Dem Gebot der Rücksichtnahme auf den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der anderen Gewalt kann allerhöchstens ein Verbot sachwidriger und ausufernder Inanspruchnahme entnommen werden. Ein Zitierverbot entbehrt der Grundlage. Anders ist dies dann, wenn die Auskunftspflicht einen Übergriff in den bürgerlichen Freiheitsstatus darstellt. Dann bedarf es einer über die Dienstpflicht hinausgehenden, rechtlichen Pflicht zur Aussage. Dies ist einerseits der Fall, wenn sich die Aussage auf private Sachverhalte erstreckt oder andererseits, wenn die Untersuchungsmaßnahme mit Grundrechtseingriffen verbunden ist, insbesondere durch die Androhung und Anwendung von Zwangsmitteln, wie bspw. Beugehaft (§ 27 Abs. 2 PUAG). Das bedeutet nicht, dass Mitglieder der Exekutive durch eine Vereidigung unmittelbar genauso stark in ihren Grundrechten betroffen sind, wie Personen, die keiner öffentlichen Auskunftspflicht unterliegen. Insbesondere die Vereidigung zur Erzwingung einer Aussage oder als Druckmittel, um bestehende Zweifel an der Aussage auszuräumen, stellt gegenüber dem Amtsträger einen weniger schwerwiegenden Eingriff dar. Der Beamte unterliegt – im Unterschied zum Privatmann – der Wahrheitspflicht per se. Damit kann auch das Aufklärungsinteresse des Parlaments als höherrangig angesehen werden, wenn Beamte zu Vorgängen im Zusammenhang mit ihrem Dienstverhältnis befragt werden. Der bürgerliche Freiheitsstatus ist dann nicht berührt. Diese Problematik verschärft sich im Hinblick auf die Öffentlichkeitswirkung parlamentarischer Untersuchungen. Besteht der Vorwurf, ein Amt nicht pflichtgemäß ausgeübt zu haben, ist auch das Ansehen der Person betroffen. Grundsätzlich sind diese Belastungen von Amtsträgern hinzunehmen. Sie lassen sich auch nicht unter Berufung auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht abwenden. Für Mitglieder des Bundestages hat das Bundesverfassungsgericht im Fall des Abgeordneten Gregor Gysi entschieden, dass die durch die parlamentarische Überprüfung eines außerparlamentarischen Verhaltens erzielte Öffentlichkeitswirkung den Abgeordneten nicht in seiner Ehre im Sinne eines personalen Rechtsguts berühre. Nicht die Ehre, sondern die „Würdigkeit“ des Abgeordneten, das Volk im Parlament zu vertreten, werde in Frage gestellt.175 Glaubwür———————— 174 175

Siehe oben S. 60. BVerfGE 95, 351, 366

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digkeitseinbußen beeinträchtigten nicht die Funktion des freien Mandats. Das Mandat wird selbst bei belastenden Untersuchungsergebnissen nicht entzogen. Die Schmälerung von Wahlchancen bezieht sich auf die Erlangung eines künftigen Mandats des Wahlbewerbers als Staatsbürger.176 Gelten diese Grundsätze auch gegenüber Auskunftspersonen, die in der Vergangenheit in einem Amts-, Dienst-, oder Mandatsverhältnis gestanden haben? Das Beamtenrecht kennt eine Reihe von Pflichten, die dem Amtsträger nach Ausscheiden aus dem Amtsverhältnis obliegen. Bspw. sind nach § 69a Abs. 1 BBG Beschäftigungsverhältnisse, die im Zusammenhang mit der (aktiven) Diensttätigkeit stehen, innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung des Beamtenverhältnisses anzuzeigen. Sie sind zu untersagen, wenn dienstliche Interessen beeinträchtigt werden (§ 69a Abs. 3 BBG). Der Beamte hat auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses über die ihm im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Aussagen über solche Angelegenheiten vor Gericht oder außergerichtlich bedürfen der Genehmigung durch den letzten Dienstvorgesetzten. Der Beamte hat auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Verlangen des Dienstvorgesetzten oder des letzten Dienstvorgesetzten amtliche Schriftstücke herauszugeben (§ 61 BBG i.V.m. § 77 Abs. 2 BBG). Diese beispielhafte Aufzählung verdeutlicht den Inhalt nachwirkender Treuepflichten.177 Der Rechtsgedanke, der diesen Treuepflichten zugrunde liegt, muss auch im parlamentarischen Untersuchungsverfahren gelten. Das Bundesverwaltungsgericht hat hinsichtlich der Beurteilung einer Dienstpflichtverletzung durch einen Ruhestandsbeamten, der vor einem Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses falsch ausgesagt hatte, ausgeführt: „[Der Ruhestandsbeamte] steht damit als Zeuge nicht irgendeinem Staatsbürger gleich, den die gesetzliche Zeugnispflicht trifft. Vielmehr ist seine Stellung insoweit zu vergleichen mit der eines Polizeibeamten, der vom Gericht als Zeuge herangezogen wird, um über dienstliche Wahrnehmungen zu berichten, oder eines beamteten Sachverständigen, zu dessen dienstlichen Aufgaben es gehört, vor Gericht Gutachten zu erstellen.“178

Damit geht das Bundesverwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass die Anforderungen an die Auskunfts- und Wahrheitspflicht bei einem Ruhestandsbeamten grundsätzlich nicht anders zu bewerten sind als bei einem Beamten in einem bestehenden Dienstverhältnis. ———————— 176

BVerfG 94, 351, 370. So auch bei Verstößen gegen die Amtsverschwiegenheit nach § 61 BBG, gegen die Anzeigepflicht nach § 69a oder ein Tätigkeitsverbot nach § 69a Abs. 2 u. 3 oder gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen 70 BBG i.V.m. § 77 Abs. 2 Nr. 3 BBG. 178 BVerwGE 33, 199, 201. 177

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

e) Immanente Untersuchungskompetenz und Minderheitenrecht Schließlich ist zu fragen, ob nicht das im deutschen Regierungssystem strukturell angelegte Machtverhältnis zwischen parlamentarischer Mehrheit und parlamentarischer Minderheit der Annahme einer immanenten Untersuchungskompetenz entgegensteht. Zu den ungeschriebenen Verbandskompetenzen hat Bullinger bereits ausgeführt, dass eine „schöpferische Rechtsprechung“ dem Bundesverfassungsgericht schon deshalb verwehrt sei, weil die Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht wie die der Verfassung der USA auf politische Fortentwicklung angelegt sei, sondern die notwendigen Bundeskompetenzen im Sinne einer perfektionierten Verfassung vollständig aufzuzählen und „sorgsam abzuzirkeln“ suche. Elastische Generalklauseln, wie die für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) und die umfangreichen Einzelzuweisungen des Grundgesetzes legten das Schwergewicht von Beginn an auf den Bund. Deshalb sei es der Rechtsprechung wichtiger gewesen, durch „Sachzusammenhang“ und „Natur der Sache“ Zuständigkeitsreservate der Länder zu schützen. Er sieht den Gleichgewichtsgedanken im Konzept der bundesstaatlichen Ordnung und den Einfluss des Bundesverfassungsgerichts darauf gerichtet, mittels Starrheit oder Elastizität des Kompetenzverständnisses ein Machtgleichgewicht zu erhalten.179 Erkennt man den Grundgedanken des Machtgleichgewichtes an, den damit auch die Judikatur zu berücksichtigen hat, muss dies für ungeschriebene Verbands- wie Organkompetenzen und damit ebenso für den Umfang der immanenten Untersuchungskompetenz gelten. Insoweit ist der Ansicht,180 ständige Untersuchungsausschüsse seien unzulässig, insbesondere mit Blick auf die deutsche Besonderheit, dass Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 GG das schärfste Instrument der parlamentarischen Minderheit sind, in einem Punkt zuzustimmen: richtete man ständige Untersuchungsausschüsse nach dem Vorbild von Art. 44 GG ein, würde die parlamentarische Minderheit zur Obstruktion des Untersuchungsverfahrens bzw. zur legitimen Entscheidungsfindung im Gesetzgebungsverfahren eingeladen. Das in der Verfassung angelegte und durch die Wahlentscheidung aktualisierte Machtgefüge würde insoweit umgestaltet. Doch ist dies keine Frage des Gewaltenteilungsprinzips, sondern ein Strukturmerkmal des im Demokratieprinzip verankerten Mehrheitsprinzips.181 Die Minderheit soll die Mehrheit nicht dominieren. Die Machtbalance, die das Grundgesetz zwischen Parlament und Regierung vorgibt, muss insoweit erhal———————— 179 Bullinger, Ungeschriebene Kompetenzen im Bundesstaat, AöR 96 (1971), S. 239ff. 180 Siehe oben Fn. 78. 181 Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44, Rn. 64.

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ten bleiben. Insoweit müsste die „Erweiterung“ von Untersuchungsbefugnissen ständiger Ausschüsse diesen Umstand berücksichtigen. Untersuchungsbefugnisse dürften nicht zu sehr in den Händen der Opposition liegen.182 3. Unterschiede im parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystem Für das Ergebnis, dass es sich beim parlamentarischen Untersuchungsrecht um eine immanente Parlamentskompetenz handelt, hat der Umstand, dass die Vereinigten Staaten über ein präsidentielles Regierungssystem verfügen, in dem die Exekutivspitze nicht ausdrücklich vom Vertrauen der parlamentarischen Mehrheit abhängt, die Bundesrepublik hingegen über ein parlamentarisches Regierungssystem, keine rechtliche Bedeutung. Richtig ist zwar, dass das institutionell angelegte Spannungsverhältnis zwischen Kongress und Präsident den Nährboden für eine blühende Untersuchungspraxis bildet. Dieses Spannungsverhältnis führt, wird es im parlamentarischen Regierungssystem nicht institutionell und unter Berücksichtigung von Minderheitenrechten verankert, zur Verkümmerung des Untersuchungsrechts schlechthin und damit zur Schwächung des Parlaments insgesamt.183 Hinzu kommt, dass der Kongress über das Recht der Gesetzesinitiative im Grundsatz allein verfügt, das Haushaltsrecht in größerem Umfang als der Bundestag ausübt und deshalb die selbstständige und unmittelbare Informationsbeschaffung der Regelfall ist. Doch ist dem gouvernementalen Organisationsprinzip nur zu entnehmen, dass beide Staatsorgane in den Vereinigten Staaten auf einer eigenständigen Legitimation beruhen und die Verbindung zwischen Parlament und Regierung in der Bundesrepublik „enger“ ausgestaltet ist als in den Vereinigten Staaten. Aus dieser „Nähe“, also dem institutionalisierten Vertrauen, folgt jedoch kein Veto gegenüber Untersuchungen, die das Vertrauen in die Amtsführung überprüfen sollen. Ein solches Veto wäre mit dem Gewaltenteilungsprinzip und der Funktion parlamentarischer Kontrolle nicht vereinbar. VI. Ergebnis und Schlussfolgerungen 1. Die im US-amerikanischen Recht entwickelte ‚implied powers‘-Theorie hat Allgemeingültigkeit. Sie kreiert keine Rechtsnormen außerhalb der Verfassung, sondern ist eine Methode der Verfassungsauslegung. Immanente Kompetenzen können als „mitgeschrieben“ gelten, wenn die Auslegung dem Wortlaut nicht widerspricht und der Zweck der Kompetenz die Mittel im Rahmen der Vorbereitung oder Ausführung der Aufgabe notwendigerweise mit einschließt ———————— 182 183

Zu Reformüberlegungen siehe unten § 24 IV. und § 25 . Zum englischen Beispiel siehe § 3 I., S. 41.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

(Zweck-Mittel-Relation). Dies gilt für immanente Verbands- und Organkompetenzen des Grundgesetzes gleichermaßen. Die parlamentarische Untersuchungskompetenz muss dann als „mitgeschrieben“ gelten, wenn sich Staat und Verfassung auf das Prinzip der Volkssouveränität und der Gewaltenteilung gründen. Die generelle Informationsdurchlässigkeit zwischen den Staatsgewalten schließt parlamentarische Auskunftsbegehren einschließlich wirksamer Mittel zu deren Durchsetzung ein. Grundlage sind die in der Verfassung geschriebenen Parlamentskompetenzen in Verbindung mit dem im Demokratieprinzip wurzelnden Prinzip der Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 2 GG), welche durch die Kompetenzen zur parlamentarischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere Art. 43, 64, 67, 68 GG) ergänzt werden. 2. Die Begrenzung der immanenten Untersuchungskompetenz ist a) den geschriebenen Parlamentskompetenzen zu entnehmen, ohne zwischen Gesetzgebungs- und Kontrollkompetenzen zu trennen, b) dem Gebot der Rücksichtnahme im Innenverhältnis der Staatsgewalten, das im Gewaltenteilungsprinzip wurzelt und c) dem Außenverhältnis durch die Grundrechte des Einzelnen, inbesondere durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 3. Der theoretische Ansatz der ‚implied powers‘-Theorie vereint die Ansicht der universellen Befassungskompetenz des Bundestages184 auf der Herleitungsebene und die Gegenpositionen vom staatsgerichteten Kontrollrecht185 auf der Anwendungsebene der Zweck-Mittel-Relation. Er setzt eine unbeschränkte Untersuchungskompetenz voraus, kann aber – im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung auf der Anwendungsebene – einen Zwangsmitteleinsatz nur bei staatsgerichteten Untersuchungen bzw. Untersuchungsmaßnahmen legitimieren. Die Zweck-Mittel-Relation als Kern der ‚implied powers‘-Theorie bietet damit ein flexibles Instrumentarium, ohne rechtsstaatliche Standards aufzugeben. Sie widerspricht auch der von Zweig 1913 entwickelten Korollartheorie nicht, die als Grenze des Enqueterechts die verfassungsmäßige Zuständigkeit des Parlaments beschreibt und auf die nicht nur im Zusammenhang mit Art. 34 WRV, sondern auch bei Art. 44 GG verwiesen wird.186 Denn die Parlamentskompetenzen sind Begründung und Begrenzung der darin eingeschlossenen Untersuchungskompetenz. 4. Aus der Anwendung des Rechtsgedankens der ‚implied powers‘-Theorie auf das Untersuchungsrecht des Bundestages folgt weiter, dass der Bundestag bei der Verschaffung einer eigenen Tatsachenbasis nicht auf die Vermittlung durch die Regierung angewiesen ist. Es besteht kein rechtlich zu begründender Vorrang der Fremd- vor der Selbstinformation. Ebenso kann Art. 44 GG nicht ———————— 184

Bspw. Kölble, DVBl. 1964, S, 791, 702; Böckenförde, AöR 103 (1978), S. 1, 17. Bspw. Masing, Der Staat 1988, S. 273ff. 186 Siehe Fn. 43, S. 72. 185

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entnommen werden, dass der Bundestag zur Selbstinformation ausschließlich auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses angewiesen ist. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit von Informationen, steht dem Bundestag das Beweiserhebungsrecht zu, einschließlich der Androhung und Anwendung von Zwangsmitteln, auch wenn dieses Recht ein anderes Parlamentsgremium ausübt. Verfassungsrechtlich ist kein Bedürfnis erkennbar, Aufklärungspflichten des Parlaments und Informationspflichten der Regierung von den Mitteln ihrer unmittelbaren Durchsetzung zu trennen. 5. Das Untersuchungsausschussgesetz vom 19. Mai 2001 ist nicht deshalb unzulässig, weil Art. 44 GG keine Ermächtigungsgrundlage für eine einfachgesetzliche Ausgestaltung enthält. Verfassungsrechtliche Grundlage für das Untersuchungsausschussgesetz ist zumindest die immanente parlamentarische Untersuchungskompetenz beruhend auf Art. 20 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 38 GG. 6. Handelt es sich um Informationsbegehren gegenüber Regierung und Verwaltung und werden Freiheitsrechte Einzelner nicht berührt, bedürfen die Untersuchungsbefugnisse keiner gesetzlichen Grundlage. Eine geschäftsordnungsrechtliche Ausgestaltung, die das Verfahren regelt, ist ausreichend. Die Übertragung zusätzlicher Untersuchungsbefugnisse auf die Fachausschüsse des Bundestages bedarf grundsätzlich keiner weiteren verfassungsrechtlichen Verankerung. Für den Umkehrschluss, dass auf Grund der Regelung des Art. 44 GG die Übertragung von Untersuchungsbefugnissen an andere Ausschüsse in der Verfassung geregelt sein müsse, findet sich kein Anhaltspunkt. Einer gesetzlichen Grundlage bedürfen allein Eingriffe in Grundrechtspositionen. 7. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit einer gesetzlichen Regelung wie auch einer konkreten Untersuchungsmaßnahme oder deren Vollstreckung muss danach differenziert werden, ob es sich um Informationen handelt, die der Auskunftsperson auf Grund einer Amtsführung im materiell-rechtlichen Sinne bekannt geworden sind oder um Informationen, die die Auskunftsperson als „Jedermann-Zeuge“ herauszugeben hat. Auskunftspflichten gegenüber Personen, die in einem öffentlichen Verantwortungsverhältnis stehen, bedürfen keiner gesetzlichen Grundlage. Das Gleiche gilt für Amtsträger, die aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden sind.

§ 19 Untersuchungsausschüsse und innerparlamentarische Strukturen Parlamentarische Untersuchungen dienen der Selbstinformation des Parlaments. In beiden politischen Systemen dient die Informationsbeschaffung der Erfüllung klassischer parlamentarischer Funktionen: der Gesetzgebung, der Kontrolle der Exekutive, dem Schutz der Würde des Parlaments und der informierenden oder sog. Bildungsfunktion. Weder im Kongress noch im Bundestag sind die einzelnen Funktionen klar voneinander abzugrenzen. Parlamentarische Untersuchungen vereinigen in der Regel verschiedene Funktionen. I. Ständige und ad hoc-Ausschüsse Gesetzgebung und Kontrolle sind im Kongress dem leistungsfähigen Ausschusssystem anvertraut. Da es im Gegensatz zum Bundestag im Kongress keine rechtliche Möglichkeit gibt, die Regierung im Plenum zu Rede und Antwort zu zwingen, verlagert sich notwendigerweise auch die Regierungskontrolle in die Verfahren der ständigen Ausschüsse. Beide Parlamente verfügen über ein ausdifferenziertes Ausschusssystem. Betrachtet man die Ausdifferenziertheit des Ausschusssystems als einen Faktor, der die Kontrolleffizienz des Parlaments prägt,1 unterscheiden sich Repräsentantenhaus und Bundestag nur unwesentlich voneinander. Das Repräsentantenhaus mit 435 Mitgliedern verfügte 1999 über 20 Ausschüsse mit rund 43 Mitgliedern (1970-1999), der Bundestag zwischen 1997-1999 über durchschnittlich 21 Fachausschüsse mit etwa 28 Mitgliedern (einschließlich Stellvertretern). Hinzu kommen jeweils Unterausschüsse der ständigen Ausschüsse. Der 15. Bundestag verfügte insgesamt über 12 ständige Ausschüsse. Die 100 Mitglieder der zweiten Kammer des Kongresses, des Senats, bildeten im 108. Kongress (2002-2004) 20 Fachausschüsse, 68 Unterausschüsse und vier Ausschüsse gemeinsam mit dem Repräsentantenhaus. Das Repräsentantenhaus verfügte in dieser Periode über 60 Unterausschüsse. Dass die Zahl der Ausschüsse und Unterausschüsse im Kongress wesentlich höher ist als im Bundestag, ist einerseits dadurch zu erklären, dass der Kongress in Anbetracht der Bevölkerungszahlen – im Vergleich zu anderen Staaten, ———————— 1

Harfst/Schnapp, Parlamentarische Kontrolle, S. 16.

§ 19 Untersuchungsausschüsse und innerparlamentarische Strukturen

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insbesondere der Bundesrepublik – proportional viel „zu klein“ ist.2 82 Millionen Bundesbürger werden von durchschnittlich 550 Repräsentanten im Bundestag vertreten. Die 282 Millionen Einwohner der USA werden vertreten durch 435 Abgeordnete im Repräsentantenhaus und jeweils zwei Senatoren je Bundesstaat – insgesamt von 100 direkt gewählten Senatoren.3 Das Problem der Vereinbarkeit von Arbeitsfähigkeit und benötigten Ressourcen löst der Kongress durch einen großen Parlamentsapparat sowie durch eine starke Untergliederung der ständigen Fachausschüsse bzw. den Einsatz von Sonderausschüssen für spezielle Politik- und Kontrollbereiche.4 Andererseits hat sich der Kongress im Gegensatz zum Bundestag viele Kompetenzen erhalten, die in der Bundesrepublik weitgehend von Exekutiveinheiten erbracht werden. Hierzu gehört bspw. das Budgetrecht, die Mitbestimmung bei der Besetzung der exekutiven Leitungsebene sowie weite Teile der Gesetzesvorbereitung. Der Kongress verfügt also über ein größeres Aufgabenspektrum.5 Die Arbeitsbereiche der Fachausschüsse decken sich in der Regel mit den Arbeitsbereichen der Exekutiveinheiten (Departments/Ministerien). Durchschnittlich verfügten die USA zwischen 1990 und 1997 über 17 Departments, die Bundesrepublik über 17 Ministerien.6 Einsatz und Umfang der Aufgaben von ad hoc-Ausschüssen folgen in beiden Staaten im Wesentlichen Traditionen, die sich in den entsprechenden historischen Perioden herausgebildet haben. In beiden Parlamentssystemen werden ad hoc-Ausschüsse eingesetzt, die politische Vorhaben vorbereiten oder bearbeiten sollen. Im Bundestag kommen dafür z.B. Enquete-Kommissionen zum Einsatz, die als ad hoc-Ausschüsse für die Vorbereitung von Gesetzgebungsvorhaben oder Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe zuständig sind. Permanente Sonderausschüsse, die für die Dauer einer Wahlperiode wie ständige Ausschüsse arbeiten, werden in beiden Parlamenten mit Sonderaufgaben betraut. Daneben werden ad hoc-Komitees als Kontrollausschüsse für speziell zu untersuchende Anlässe eingesetzt. Sie werden dann durch die Einsetzungsresolution mit Zwangsbefugnissen ausgestattet. Dazu zählt der Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG oder die Select Committees des Kongresses, wie bspw. das Watergate-Committee. Im Unterschied zu den Ausschüssen des Bundestages kann jeder ständige Ausschuss des Kongresses investigative (Zwangs-) ———————— 2

Harfst/Schnapp, Parlamentarische Kontrolle, S. 22. Der Deutsche Bundesrat soll hier als zweite Kammer außer Betracht bleiben, weil dessen Mitglieder nicht direkt gewählt werden und nicht die Gesamtbevölkerung vertreten. Zum Parlamentsbegriff siehe oben § 1 II.3., S. 24. 4 Siehe oben § 13, S. 186. 5 § 10 I.2., S. 117. 6 Harfst/Schnapp, Parlamentarische Kontrolle, S. 12. 3

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Befugnisse in Anspruch nehmen, die den Untersuchungen besondere Wirksamkeit verleihen. II. Funktionale Spezialisierungen In beiden Parlamenten hat das Bedürfnis nach Spezialisierung und Effektivierung von Untersuchungsverfahren zur Herausbildung spezieller Enquetearten geführt. 1. Gesetzesvorbereitung und allgemeine Aufklärung Gesetzesvorbereitende oder allgemein aufklärende und informierende Untersuchungen werden im Kongress vorrangig von den ständigen Fachausschüssen geführt. Zwangsbefugnisse kommen bei dieser Untersuchungsart regelmäßig nicht zur Anwendung. Im Bundestag ist zu diesem Zweck das Institut eines Sonderausschusses eingeführt worden, die Enquete-Kommission.7 Anders als in der Enquete-Kommission, der parlamentsfremde Sachverständige angehören können, holen sich die Fachausschüsse des Kongresses vorrangig über Anhörungen externen Sachverstand zu bestimmten Themen ein – und das in weitaus größerem Umfang als in den Enquete-Kommissionen oder den Anhörungen der Fachausschüsse anlässlich der Beratung eines Gesetzesvorlage in der Bundesrepublik. Dabei überschneiden sich Gesetzgebung, Kontrolle der Exekutive und Untersuchungen mit informierendem Charakter. So wurden bspw. nach dem Absturz der Raumfähre Columbia eine Anzahl von Untersuchungen geführt, die nicht allein das mögliche Fehlverhalten der nationalen Raumfahrtbehörde (NASA) zum Gegenstand hatten, sondern auch den Sinn- und Zweck der bemannten Raumfahrt als solcher überprüften. Diese Überschneidungen sind auch bei Untersuchungen des Bundestages zu beobachten. So hatten die Ergebnisse des Parteispenden-Untersuchungsausschusses Einfluss auf die Änderung des Parteiengesetzes.8 2. Regierungs- und Verwaltungskontrolle Was die Kontroll- und Untersuchungstätigkeit der ständigen Fachausschüsse betrifft, so lässt sich feststellen, dass beide Parlamente auch in der Kontrolle der jeweiligen Politikbereiche zwischen Sozial-, Wirtschafts- und Innenpolitik auf der einen und Militär-, Verteidigungs- und Auswärtigen Angelegenheiten ———————— 7 8

Siehe oben § 4 II.10., S. 70. St.B.BT. 14/231 v. 19.4.2002, S. 22971-22989.

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auf der anderen Seite trennen.9 Die Arbeitsweise unterscheidet sich u.a. darin, dass in Außen- und Verteidigungsangelegenheiten regelmäßig Geheimschutzgründe involviert sind. Deshalb wird die Öffentlichkeit grundsätzlich oder im Einzelfall ausgeschlossen. Beispielhaft kann hier in beiden Parlamenten auf die Ausschüsse zur Kontrolle der Sicherheitspolitik verwiesen werden, die den Verteidigungs- und Geheimdienstbereich umfassen. Gerade im Bereich der Sicherheitspolitik ist in beiden Parlamenten die Tendenz zu verzeichnen, sich abseits von Gesetzgebungsvorhaben, die in diesem Bereich ohnehin rückläufig sind, mit strategischen und planerischen Aspekten zu befassen, die über die engen Probleme der Ausstattung der Streitkräfte hinaus gehen. Der Tätigkeitsschwerpunkt gegenüber der Exekutive hat sich in diesem Politikbereich eindeutig auf die parlamentarische Kontrolle verlegt. Außerdem hat sich die Überzeugung herausgebildet, dass das immanente Interesse der Exekutive an Geheimhaltung sich gerade im militärischen Bereich als fatal herausstellen kann.10 Nahezu gleichzeitig führten beide Parlamente Ausschüsse zur Kontrolle des exekutiven Handelns im Verteidigungsbereich, im Bereich der Rüstungsausgaben und der Geheimdienstarbeit ein. Vom Kongress blieb dieser Bereich nach dem Zweiten Weltkrieg bis Ende der 1960er Jahre weitgehend unkontrolliert. Die Aktivitäten des Kongresses in der Sicherheitspolitik beschränkten sich auf die Billigung von Initiativen der Exekutive.11 Informationen über strategische Planung unterlagen strengen Auflagen der Geheimhaltung und waren in erster Linie einer „Koalition der Insider“ vorbehalten, die sich aus den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses, des Haushaltsauschusses sowie des gemeinsamen Ausschusses für Atomenergie zusammensetzte. Zum Ausbau der Streitkräfte, um der globalen Bedrohung durch die Sowjetunion zu begegnen, herrschte in Legislative und Exekutive weitgehend Konsens.12 Der Ausbau der Sicherheitsinstitutionen konnte weitgehend abgeschirmt von kongressioneller Kontrolle voranschreiten.13 Die Zurückhaltung des Kongresses, Geheimdienst———————— 9

Auf die Darstellung des komplizierten Haushaltsverfahrens wird hier mit Rücksicht auf den Umfang der Arbeit verzichtet, vgl. Pelny, Die legislative Finanzkontrolle in der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten von Amerika, S. 10ff. 10 Hierzu bspw. die Iran-Contra-Untersuchungen, siehe S. 180, oder die Untersuchungen zum Watergate-Skandal, siehe S. 132. 11 Zu allem Frye, Strategische Rüstungspolitik: Krieg und Frieden zwischen Kongress und Präsident: in Thaysen/Davidson, S. 401ff. 12 Frye, aaO., S. 401. 13 Die 1947 von Präsident Harry Truman gegründete Central Intelligence Agency (CIA) entstand aus dem im Zweiten Weltkrieg geschaffenen Office for Strategic Services (OSS), das nicht vollständig abgerüstet worden war. Ursprüngliche Aufgabe der CIA war nach dem Gesetz, die gesamten nachrichtendienstlichen Aktivitäten innerhalb der Regierung zu koordinieren, Erkenntnisse von Bedeutung für die nationale Sicherheit auszuwerten und den betroffenen Stellen zugänglich zu machen sowie den gleichzeitig

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

aktivitäten zu kontrollieren, verringerte sich erst in der ersten Hälfte der 1970er Jahre, nachdem Sonderausschüsse Verfehlungen der Geheimdienste, insbesondere im Zusammenhang mit der Watergate-Affäre, aufgedeckt hatten. Beide Häuser des Kongresses richteten danach ständige Ausschüsse zur Kontrolle der Geheimdienste ein. Die Informationsbasis für den Kongress verbesserte sich. Vor allem richteten sich die Bemühungen des Kongresses darauf, Geheimdienstaktivitäten der CIA einzuschränken und der stärkeren kongressionellen Kontrolle zu unterwerfen. Der Präsident wurde verpflichtet, die Notwendigkeit einer Maßnahme offiziell zu rechtfertigen und die Geheimdienstausschüsse über beabsichtigte Aktivitäten rechtzeitig zu informieren. Hinzu kamen eine Reihe materieller Gesetze, die die Exekutive stärker an den Kongress und, in Verbindung mit der Öffnung der Kongressausschüsse für die Medien, auch stärker an die Öffentlichkeit binden sollten.14 Die Arbeit des Verteidigungsausschusses, der seine Tätigkeit 1950 aufnahm, zeigt eine Parallele zur Situation im Kongress seinerzeit. In der Zeit der OstWest-Konfrontation war die parlamentarische Kontrolle in den Fragen der Landesverteidigung nicht besonders ausgeprägt. In den meisten Fragen der Sicherheitspolitik herrschte Konsens. Wie im Kongress beschränkte sich die Arbeit des Verteidigungsausschusses im Bundestag auf die Abstimmung des von der Exekutive Gewünschten. Bereits gegen Ende der 1960er Jahre wurde das Bedürfnis nach klaren Regelungen zum Informationsverhalten der Bundesregierung gesehen.15 Mit der Debatte über AWACS im Jahre 1978 zeigte sich das ———————— geschaffenen National Security Counsel (NSC), der als Beratergremium direkt dem Präsidenten untersteht, zu beraten. Der NSC ist die größte Geheimdiensteinrichtung unter den 13 Spionageeinrichtungen der USA, 1996 verfügte der NSC insgesamt über etwa 38.000 Mitarbeiter und einem Etat von schätzungsweise 3,7 Milliarden $. Die Etats der Geheimdienste werden nicht veröffentlicht. Der Kongress hatte bereits 1949 zugestimmt, dass die CIA entgegen den verfassungsrechtlichen Bestimmungen, welche die Offenlegung aller Regierungsausgaben verlangen, ihre Mittel geheim und ohne Rechenschaftslegung verwenden kann. Die Zahlen sind zitiert nach Smith Making Connections With To Decipher U.S. Spy Spending, Washington Post v. 1.3.1996. Die ursprünglich geplanten Aufklärungs-, Auswertungs- und Koordinierungsaufgaben wurden schon bald auf eigene geheimdienstliche Ermittlungen, insbesondere auf den Einsatz von Agenten, ausgeweitet. Im Frühjahr 1948 stimmte der NSC unter Hinweis auf die „hinterhältigen geheimen Aktivitäten der Sowjetunion“ der Einrichtung einer speziellen Abteilung für „verdeckte Maßnahmen“ zu und verpflichtete die CIA ihre geheimdienstlichen Aktivitäten so durchzuführen, dass sich die amerikanische Regierung jederzeit glaubhaft davon distanzieren könne, vgl. auch „Compilation of Intelligence Laws and Related Laws and Executive Orders of Interest to the National Intelligence Community“, Committee Print des Select Committee on Intelligence, U.S. House of Representatives, 99th Cong., Juli 1985, S. 8ff. 14 Zum bis heute umstrittenen War Power Act vgl. Schweigler, Außenpolitik, in: Adams/Lösche, Länderbericht USA, S. 460. 15 Nachdem die Widerstände gegen unzulängliche Informationsbeschaffung immer größer wurden, begann das Bundesverteidigungsministerium ab 1974 auf Bitten des

§ 19 Untersuchungsausschüsse und innerparlamentarische Strukturen

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Defizit der zurückhaltenden Informationspolitik des Verteidigungsausschusses deutlich. Der Verteidigungsausschuss wurde ernsthaft erst zu einem Zeitpunkt eingeschaltet, als Wesentliches schon feststand und die Entscheidungsspielräume der Regierung nur noch gering waren.16 Eine herausgehobene Position hat der Verteidigungsausschuss dadurch, dass er sich als einziger Ausschuss selbst als Untersuchungsausschuss einsetzen kann. Dies ist eine der stärksten Waffen des Parlamentes, um Regierungshandeln zu kontrollieren. Als Untersuchungsausschuss tagt der Verteidigungsausschuss abweichend von Art. 44 Abs.1 GG bei den Beweisaufnahmen nichtöffentlich. Die Bewertungen werden in nicht-öffentlicher Sitzung vorgenommen. Die Opposition hatte z.B. die Einsetzung im Zusammenhang mit der Beschaffung des Kampfflugzeugs „Tornado“ durchgesetzt. Trotz der Kritik an der Praxis und den Ergebnissen führte die Einsetzung in der Folge zur Verbesserung der Informationsbasis des Verteidigungsausschusses.17 Die Kontrolle der geheimdienstlichen Tätigkeit erfolgt in der G-10-Kommission und der Parlamentarischen Kontrollkommission des Bundestages. Diese Gremien bilden das funktionale Gegenstück zu den Ausschüssen zur Kontrolle der Geheimdienste im Kongress (House Permanent Select Committee on Intelligence, Senate Select Committee on Intelligence). Für Beschwerden von Bundeswehrangehörigen fungiert der Wehrbeauftragte als Arm des Bundestages und unmittelbarer Adressat für Beschwerden. Er soll gewährleisten, dass die bürgerlichen Rechte der Soldaten im Rahmen der militärischen Notwendigkeiten gewahrt bleiben.18 Für den zivilen Bereich erfüllt diese Kontrollfunktion vorrangig der Petitionsausschuss des Bundestages. Dieser dient als Anlaufpunkt für Bürgerbeschwerden, die sich mit ihrer Unzufriedenheit über die Exekutive an das Parlament wenden. Dafür stehen dem Ausschuss Aufklärungsinstrumente gegenüber den Exekutiveinheiten zur Verfügung, insbesondere die Möglichkeit, Stellung-

———————— Verteidigungsausschusses einen Verfahrensvorschlag für Information besonders in Bezug auf Beschaffungsvorhaben auszuarbeiten. Auf Grund der Unzulänglichkeiten des Vorschlages, der an der Situation wenig geändert hätte und der Exekutive weiterhin erhebliche Spielräume zusicherte, erfolgte erst 1977, drei Jahre später, eine Einigung der Obleute der Fraktionen im Verteidigungsausschuss. 16 Es stellte sich heraus, dass die Bundesregierung deutliche Schritte unternommen hatte, ohne das Parlament informiert und oder seine Zustimmung eingeholt zu haben, und nunmehr eine Ablehnung das Bündnis stark gefährden würde. Fortschritte für die Informations- und Kontrollmöglichkeiten des Verteidigungsausschusses wurden durch die Aufklärung im sog. Tornado-Untersuchungsausschuss erreicht. Vgl. Schäfer/ Stechow, Kontrolle der Sicherheitspolitik, in: Thaysen/Davidson, S. 425. 17 Zum Tornado-Untersuchungsausschuss, Die Zeit, 11/1982. 18 Siehe § 4 II.5., S. 61.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

nahmen einzufordern, Akten einzusehen, Ortsbesichtigungen vorzunehmen und Angehörige des öffentlichen Dienstes anzuhören.19 Dem Wehrbeauftragten oder dem Petitionsausschuss des Bundestages vergleichbare parlamentarische Institutionen kennt der Kongress nicht. Die Funktionen werden von den zuständigen Fachausschüssen wahrgenommen. In der Regel werden Beschwerden von den Büros der Abgeordneten oder den Ausschusssekretariaten entgegengenommen und beantwortet. Ein schwach ausgeprägtes Petitionsrecht herrscht in den Ethikverfahren, insbesondere des Senats, die in ihrem Wirkungsbereich nicht nur Abgeordnete, sondern auch das gesamte oberste Führungspersonal erfassen. Bürger können hier mit der Unterstützung mindestens eines Abgeordneten eine Voruntersuchung im Ethikverfahren einleiten, die ein behauptetes Fehlverhalten der Exekutivspitze untersuchen soll.20 In diesem Fall teilen sich Präsident und Kongress die Aufsicht  der Präsident auf Grund seiner Funktion als Chief of Executive und der Senat auf Grund seiner Zustimmungskompetenz bei der Beamtenernennung. 3. Kollegialenqueten Die Ethikverfahren sollen vorwiegend das Ansehen des Kongresses wahren und sind mit strengen Forderungen finanzieller Offenlegung und Disziplinarmaßnahmen bei Zuwiderhandlung verbunden. Die Ethikverfahren selbst sind gerichtsähnlich ausgestaltet. Eine solche Institutionalisierung der Kollegialenqueten findet sich im Ausschusssystem des Bundestages nicht. Hier ist der Bundestagspräsident für die Einhaltung der Verhaltensregeln verantwortlich. Auch die Disziplinierungsgewalt des Bundestages gegenüber seinen Mitgliedern ist deutlich schwächer ausgebildet als im Kongress. Hier werden Verfehlungen, die keine straf- oder zivilrechtliche Relevanz haben, allein durch den Abdruck des Ermittlungsergebnisses als Bundestagsdrucksache gerügt. Demzufolge sind auch die Untersuchungsbefugnisse schwächer ausgestaltet als im Kongress.21 Eine besondere Form der Kollegialenquete des Bundestages ist die Überprüfung der Abgeordneten nach § 44b AbgG auf eine mutmaßliche Tätigkeit für die Behörden des Staatssicherheitsdienstes der DDR. Sie ist mit den Ethikverfahren des Kongresses insoweit vergleichbar, als materiell das Ansehen des Parlaments geschützt werden soll. Allerdings wurde auf die Einführung echter Beweiserhebungsbefugnisse bewusst verzichtet. Die Stellung des Betroffenen ———————— 19

Siehe § 4 II.7., S. 63. Zum Ethikverfahren siehe § 15 III., S. 210; zur doppelten Verantwortlichkeit von Verwaltungsträgern siehe S. 124ff. 21 Aufklärungs- und Disziplinierungsbefugnissen des Bundestagspräsidenten siehe § 4 II.9.; zu den Besonderheiten der Ethikverfahren siehe § 15 I., S. 204. 20

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ist im Überprüfungsverfahren des Bundestages schwächer ausgestaltet als die des Betroffenen im Ethikverfahren des Kongresses. Dies wurde durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall des Abgeordneten Gregor Gysi für verfassungsgemäß erklärt: Die gutachterliche Stellungnahme des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, die an den untersuchenden 1. Ausschuss übersandt und Teil des Abschlussberichtes wurde, kam u.a. zu dem Ergebnis, dass die Kontakte des Abgeordneten zum Ministerium für Staatssicherheit als „10-jährige Zusammenarbeit“ mit „inoffiziellem Charakter“ zu bewerten seien. Das Verfassungsgericht erklärte es für ausreichend, dass der Abgeordnete im Untersuchungsverfahren mit Beteilungsrechten ausgestattet ist.. Eine Verletzung des Abgeordnetenstatus nach Art. 38 GG liege nicht deshalb vor, weil das Verfahren insgesamt auf die Beweismittel des Zeugen- und Sachverständigenbeweises verzichtet habe, sich ausschließlich auf die Aktenlage stütze und dem Betroffen die Möglichkeit zur Akteneinsicht, zur mündlichen Erörterung und zur eigenen schriftlichen Stellungnahme im Abschlussbericht eingeräume.22 III. Personelle Ressourcen Für die Untersuchungstätigkeit und deren Effizienz spielt die Größe des Parlaments sowie die Ausstattung des Hauses mit Personal für Abgeordnete und Ausschüsse eine wesentliche Rolle.23 Außerdem vergrößern weitere Parlamentsressourcen – z.B. wissenschaftliche Dienste, Bibliotheken, parlamentseigene Monitoringdienste oder unabhängige Kontrollinstitutionen wie unabhängige Rechnungsprüfbehörden – die Informationsbasis des Parlaments und den Aktionsradius parlamentarischer Kontrolle. Was die Überlegenheit des Kongresses gegenüber dem Bundestag in diesen Punkten betrifft, kann auf das Zahlenmaterial, die beschriebenen Ressourcen innerhalb des Congressional Research Service und die Befugnisse des General Accounting Office verwiesen werden.24 Ein direkter Vergleich beider Parlamente kann an dieser Stelle mit dem Hinweis auf das proportionale Ungleichgewicht zwischen Einwohnerzahl und Abgeordneten im US-Kongress, das der Kongress durch die gewaltige strukturelle und personelle Ausstattung ausgleicht, sowie auf die größere Aufgabenfülle des Kongresses gegenüber dem Deutschen Bundestag unterbleiben.25 ———————— 22

BVerfG 84, 351, 370. Kritisch und im Ende sehr überzeugend Meyer, in FSBVerfG, S. 84, 104 ff. 23 Harfst/Schnapp, Parlamentarische Kontrolle, S. 21. 24 Siehe § 13, S. 186. 25 Zu den Gesetzgebungsaufgaben des Kongresses siehe § 10 I., S. 112f., zur Kontrolle der Exekutive siehe oben § 10 I.2.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Über den statistischen Aspekt hinaus ist für den deutschen Betrachter vor allem der Einsatz von Externen bei der Untersuchungstätigkeit von Interesse. Zu investigativen Untersuchungen werden häufig Externe hinzugezogen. Ihnen wird die Ermittlungsarbeit im Rahmen der Voruntersuchung in großem Umfang übertragen. Die Abgeordneten sind auf Grund der erheblichen Arbeitslast und des terminlichen Drucks auf die sorgfältige Vorbereitung einer Untersuchung angewiesen. Für die Führungspositionen im Untersuchungsstab werden bevorzugt erfahrene Rechtsanwälte aus renommierten Anwaltskanzleien eingestellt. Diese sind an das Standesrecht gebunden. Ihnen soll dann der Spagat zwischen parteipolitischem Kampf und auf Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit angelegte Untersuchung gelingen – zumindest wenn die Untersuchung auf dieses Ziel angelegt ist. Es wird zwar großer Wert darauf gelegt, dass die Ermittlungsführer ein Gespür für den politisch-parlamentarischen Kontext haben, in dem die Untersuchung geführt wird. Sie sollen aber keine selbstständigen Interessen vertreten, auch wenn das naturgemäß nicht ganz auszuschließen ist. Im Gegensatz dazu ist das parlamentarische Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG bereits strukturell stärker parteipolitisch geprägt. Bspw. fertigt das Ausschusssekretariat den feststellenden Teil des Abschlussberichtes. Der wertende Teil wird von den Mitarbeitern der Fraktionen erstellt. Sondervoten sind in Untersuchungen des Bundestages der Regelfall, im Kongress die Ausnahme. IV. Formale Ressourcen Zu den klassischen formalen Aufklärungsinstrumenten des Parlaments gehört, Personen um schriftliche und mündliche Auskünften ersuchen und sie zu diesen verpflichten zu können. Dies umfasst sowohl die Anhörung von Auskunftspersonen bzw. Zeugenvernehmungen eines parlamentarischen Untersuchungsgremiums oder einzelner Abgeordneter als auch die Einforderung von anlassbezogenen Stellungnahmen, Akteneinsicht oder kontinuierliche Berichtspflichten. Während sich die Untersuchungstätigkeit des Kongresses fast vollständig in den Fach- und Sonderausschüssen mit dem grundsätzlich gleichen Spektrum an Untersuchungsbefugnissen vollzieht, ist für den Bundestag zu differenzieren: Die Aufklärungsinstrumente unterscheiden sich graduell danach, mit welchen Mitteln sie Auskünfte erlangen können, insbesondere ob Personen zur Auskunft rechtlich verpflichtet sind und gegebenenfalls zur Aussage gezwungen werden können. Für die Stärke eines Aufklärungsinstruments ist darüber hinaus von Bedeutung, welchen Grad an Öffentlichkeit es herzustellen vermag. Unter anderem liegt hier das wesentliche Droh- und Sanktionspotential der parlamentarischen Minderheit. Danach lassen sich Untersuchungsinstrumente des Bundestages ihrer Schärfe nach in drei Stufen einteilen. Am schwächsten sind die Informationsverfah-

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ren, in denen Personen freiwillig ihr Wissen preisgeben, ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein. Dazu gehören öffentliche Anhörungen der Ausschüsse (§ 70 GO-BT) oder die Informationsbeschaffung in den Enquete-Kommissionen (§ 69 GO-BT). Stärker sind Informationsinstrumente, denen ein Auskunftsanspruch des Parlaments zugrunde liegt, der notfalls mit rechtlichen Mitteln durchgesetzt werden kann. Hierzu gehören die Fragerechte der Abgeordneten, die Befugnisse des Petitionsausschusses nach dem Gesetz zur Regelung der Befugnisse des Petitionsausschusses und das Herbeirufungsrecht (Art. 43 GG). Der Informationsanspruch ergibt sich nach allgemeiner Ansicht aus dem Status des Abgeordneten nach Art. 38 GG, die Antwortpflichten seitens der Regierung aus Art. 43 Abs. 1 GG bzw. aus dem Prinzip der parlamentarischen Verantwortlichkeit. Dem Fragerecht kommt eine besondere Bedeutung zu, weil es nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich ausgeübt werden kann. Insbesondere in der Regierungsbefragung ist ein wesentliches Öffentlichkeitspotential zu sehen. Die stärksten Aufklärungsinstrumente des Bundestags sind die, mit denen das Parlament im Falle der Auskunftsverweigerung selbst Zwangsmittel festsetzen kann, die gerichtlich vollstreckt werden können und die die Aussagen vor dem Untersuchungsgremium einer strafbewehrten Wahrheitspflicht unterwerfen. Dazu gehört der Untersuchungsausschuss (Art. 44 GG) bzw. der Verteidigungssausschuss, der sich als Untersuchungsausschuss einsetzen kann (Art. 45a Abs. 2 GG). Dem Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG, auf dessen Einsetzung auch die qualifizierte Minderheit im Parlament Anspruch hat, kommt insoweit eine besondere Bedeutung zu, als die Zeugenvernehmung öffentlich erfolgt und damit geeignet ist, eine große Aufmerksamkeit herzustellen. Besonderheit des Untersuchungsausschusses ist, dass auch Auskunftspersonen vernommen und zur Aussage gezwungen werden können, die nicht dem Staatsapparat zuzurechnen sind, also keiner öffentlich-rechtlichen Auskunftsoder Rechenschaftspflicht unterliegen. Das bedeutet: Beide Parlamente verfügen über ein weites Spektrum an Aufklärungsinstrumenten, sich Informationen zu beschaffen und die Öffentlichkeit über Untersuchungsgegenstände zu informieren. Eine quantitative Bewertung dieser formalen Ressourcen ist nahezu unmöglich. Nur beispielhaft kann auf die ständige Ausweitung der Berichtspflichten (‚reporting requirement‘) gegenüber dem Kongress verwiesen werden, die sich zwischen 1970 und 1985 von 36 auf 458 verzwölffacht haben und weiter ansteigen.26 Die Gesamtzahl von 871 öffentlichen Ausschussanhörungen im Bundestag27 von der 1. Wahlperiode (1952) bis zur 12. Wahlperiode (1994) würde ———————— 26

Oleszek, Congressional Procedures, S. 272. Schindler, Datenhandbuch, S. 2122. Hinzu kommen seit der 8. bis zur 12. Wahlperiode 174 Sitzungen von Enquete-Kommissionen mit öffentlichen Anhörungen (ebd.). 27

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

jedenfalls nicht die Zahl öffentlicher Anhörungen eines einzelnen Kongressausschusses im gleichen Zeitraum erreichen. Qualitativ lässt sich feststellen, dass die Kongressausschüsse über wesentlich schärfere Kontroll- und Aufklärungsinstrumente verfügen. Alle ständigen Ausschüsse haben formal die Möglichkeit, welche im Bundestag nur dem ad hocUntersuchungsausschuss nach Art. 44 GG zusteht, ihre Aufklärung gegebenenfalls mit Zwangsmittel durchsetzen zu können. Darüber hinaus hat der Kongress durch die Möglichkeit der Immunitätsgewährung (‚grants of immunity‘), die Möglichkeit, Informationen zu erhalten, die grundsätzlich vom Recht, die Auskunft wegen der Gefahr der Selbstbelastung zu verweigern, umfasst sind. Der Eindruck der Überlegenheit der kongressionellen Untersuchungsinstrumente verstärkt sich, stellt man das parlamentarische Aufklärungsinteresse in den Vordergrund und berücksichtigt man, dass grundsätzlich alle Ausschusssitzungen öffentlich sind.

§ 20 Untersuchungsverfahren und Handhabung der Befugnisse Grundsätzlich sind die Kongressuntersuchungen danach zu unterscheiden, ob sie aus dem laufenden Verfahren eines Kongressausschusses erfolgen und ob eine Einsetzungsresolution für einen bestimmten Untersuchungsauftrag – gegebenenfalls mit Sonderbefugnissen – erteilt oder ob ein Sonderausschuss (‚select committee‘) eingesetzt wird. Welchem Untersuchungsgremium der Vorrang gegeben wird, entscheiden der Untersuchungsgegenstand und das jeweilige politische Machtverhältnis. Erfolgt die Untersuchung innerhalb eines konkreten Auftrags, gliedert sich das Untersuchungsverfahren in Kongress wie Bundestag in Vorverfahren, Beweisaufnahme und Berichterstattung.

I. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Formal bedarf die Einsetzung des Untersuchungsausschusses nach Art. 44 GG eines Antrags von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages. Die Einsetzung eines ‚select committee‘ bedarf in der Regel einer Einsetzungsresolution der entsprechenden Kammer, es sei denn die Untersuchungskommission wird vom Sprecher des Repräsentantenhauses eingesetzt. Da insbesondere das Aushandeln der Geschäftsordnung des Sonderausschusses häufig sehr zeitaufwendig ist, sind ‚select committees‘ heute eher eine Seltenheit. Ihre Einsetzung beschränkt sich auf Vorkommnisse, die eine besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erzielen oder erzielen sollen (z.B. WhitewaterCommittee). Meist werden Untersuchungen von den ständigen Kongressausschüssen wahrgenommen, die sich kraft Selbstbefassungskompetenz innerhalb ihrer in der Geschäftsordnung geregelten Zuständigkeiten als Untersuchungsausschuss einsetzen oder ein Subcommittee mit einer Untersuchung beauftragen. Materiell unterliegt die Einsetzung keinen Voraussetzungen. In beiden Rechtsordnungen gilt der Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung in seinem materiellen Gehalt grundsätzlich als unbeschränkt. Beide Rechtsordnungen versuchen allerdings das Kriterium des „öffentlichen Interesses“ einzuführen. Denn eine Untersuchung dürfe nicht zum Selbstzweck erfolgen. Allerdings kann keine der beiden Rechtsordnungen diesem Kriterium eine klare

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Struktur verleihen: Mehr als eine vage Zielrichtung ist dem Begriff des „öffentlichen Interesses“ nicht zu entnehmen. Dem Problem privatgerichteter Untersuchungen, d.h. Untersuchungen allgemein gesellschaftlicher Zustände oder privater Sachverhalte, begegnen beide Rechtsordnungen mit der gleichen Argumentation: Parlamentarische Untersuchungen können nicht generell in private Bereiche/„private affairs“ vorzustoßen.1 Zur Umgehung dieses Vorbehalts können im Kongress und im Bundestag durch entsprechende Formulierung des Einsetzungsantrages sog. Gesellschaftsenqueten als Kontrollenquete oder als Gesetzesenqueten deklariert werden. Im Kongress wird dies wesentlich extensiver gehandhabt als im Bundestag. Hier sind die Untersuchungen des Permanent Senate Select Committee bezüglich wirtschaftlicher Sachverhalte zu nennen, deren angegebener Zweck die Gesetzesvorbereitung ist – wobei ihr Hauptzweck die Beeinflussung der öffentlichen Meinung ist.2 Darüber hinaus findet sich der Grundgedanke der sog. Korollartheorie in beiden Rechtsordnungen – die Untersuchungsbefugnis des Parlaments reicht nur soweit wie die Kompetenzen des Parlaments selbst. Daraus resultiert eine Beschränkung des Kongresses auf die Bundeskompetenzen gegenüber den Gliedstaaten bzw. des Bundestages gegenüber den Ländern. Die Änderung oder Erweiterung eines Einsetzungsantrages ist im Bundestag wie im Kongress häufig sehr kontrovers. Das kongressionelle Untersuchungsrecht kennt keine § 2 Abs. 2 PUAG vergleichbare Regelung, wonach der Untersuchungsauftrag nur mit Zustimmung der Antragsteller erfolgen kann. Da es regelmäßig auf die Stimmen der Mehrheit ankommt, hängt die Änderung von den im konkreten Einzelfall verfolgten Interessen und der Bedeutung des Untersuchungsgegenstandes ab. II. Vorverfahren Das Vorverfahren umfasst die gesamte Tätigkeit der Beweissichtung. Potentielle Zeugen werden informatorisch befragt und sächliche Beweismittel angefordert und die öffentliche Beweiserhebung vorbereitet. Anlass und Untersuchungsgegenstand bestimmen Methode und Arbeitsweise insbesondere den Grad der Zusammenarbeit von Mehrheit und Minderheit. Bereits hier trennen Kongressuntersuchungen stark zwischen Privatpersonen und Personen in einem öffentlichen Verantwortungsverhältnis. Privatpersonen werden regelmäßig in nichtöffentlichen ‚depositions‘ befragt, um diskreditie———————— 1

Siehe oben § 4 II.11.a)aa)(1), S. 72 (Bundestag), § 10 I.2., S. 117 (Kongress). Zu den Untersuchungen des Senate Permanent Subcommittee on Investigation siehe § 11 II., S. 143. 2

§ 20 Handhabung der Untersuchungsbefugnisse

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rende oder diffamierende Äußerungen zu Lasten der Auskunftsperson oder Dritter in öffentlicher Zeugenvernehmung zu verhindern. Wie in der Bundesrepublik wird gegenüber Regierung und Verwaltung nicht zum scharfen Instrument der Zeugenvorladung unter Zwangsandrohung (‚subpoena‘) gegriffen, sondern die Form einer schriftlichen Anforderung oder eines Ersuchens (‚request‘) gewählt. Wird dem nicht Folge geleistet, werden öffentliche Anhörungen angesetzt, um Verantwortliche nach den Gründen der Verweigerung zu befragen. Dies hat sich als wirksames Mittel erwiesen, die Verwaltung zur Herausgabe der begehrten Informationen zu bewegen. Funktional entspricht dies der Praxis im Bundestag, die Regierung in der Fragestunde zu öffentlichen Themen zu befragen. Da sich die Befragung von verantwortlichen Beamten nicht im Gesamtplenum, sondern in den Ausschüssen des Kongresses vollzieht, ist sie umfangreicher als die Befragung im Plenum des Bundestages. Hier unterscheiden sich beide Parlamente: Im Kongress sind grundsätzlich alle Ausschusssitzungen öffentlich. Die grundrechtlich geschützten Rechte von Auskunftspersonen entsprechen sich in ihrem materiellen Gehalt im jeweiligen Untersuchungsrecht. Jeder Auskunftsperson steht ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn die Gefahr besteht, dass sie sich selbst belasten würde (nemo tenetur). Die Möglichkeiten des Kongresses auf dem Wege der Verhandlung und der Strafbefreiung (‚grants of immunity‘) an Informationen zu gelangen, sind allerdings wesentlich weitreichender als im Bundestag. Dem Aufklärungsinteresse des Kongresses wird in der Parlamentspraxis größere Bedeutung zugemessen als im Untersuchungsrecht und der Untersuchungspraxis der Bundesrepublik. Insbesondere wird dieses Verständnis nicht von der eingeschränkten Sicht des Strafprozesses her gebildet. Dem Aufklärungsinteresse wird eine solche Bedeutung zugemessen, dass es im Einzelfall sogar einzelne Individualrechte überwiegen kann.3 Kongressuntersuchungen können sich bspw. über das Vertraulichkeitsprivileg von Geschäftsgeheimnissen und Anwaltskorrespondenz hinwegsetzen.4 Einige Kongressausschüsse vertreten die Rechtsauffassung, dass das Geheimschutzinteresse vom Aufklärungsinteresse des Parlaments sogar leichter überwogen werden kann als im Gerichts- oder Verwaltungsverfahren, weil der Kongress keine Urteil fälle und damit nicht vollständig an die individuellen Verfahrensrechte gebunden sei. Deshalb müsse eine Abwägung im Einzelfall erfolgen. Die Vertraulichkeit von Informationen wird vermutet und zugestan-

———————— 3 Zum Vorrang des parlamentarischen Aufklärungsinteresses gegenüber der Geheimhaltung von Anwaltskorrespondenz siehe § 12 V.6., S. 177. 4 § 12 V.5., S. 176.

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den, hingegen nicht umfassend und absolut geschützt.5 Die Argumentation lehnt sich an die Rechtsprechung zum ‚executive privilege‘ an.6 Gerichtlich ist dieser Streit nie entschieden worden. Mehr als in Bezug auf die Anwaltskorrespondenz stellt sich das Problem im Zusammenhang mit dem ‚work-product privilege‘ – der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen. In zivilrechtlichen Streitigkeiten kommt es nicht selten dazu, dass ein Konkurrent mit einem Verfahren konfrontiert wird, das im PreTrial-Stadium mit der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen verbunden sein kann. Da dieser Konfliktfall nach Ansicht des Kongresses bei parlamentarischen Untersuchungen nicht existiere, seien die begehrten Informationen herauszugeben und gegebenenfalls geheim zu halten. Trotzdem sah sich 1998 bspw. ein Tabakkonzern, der dem House Commerce Committee auf zwangsweise Anforderung des Ausschussvorsitzenden Unterlagen mit dem Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit übergeben hatte, damit konfrontiert, dass die Informationen wenige Tage später auf der Internetseite des Komitees veröffentlicht wurden.. In der folgenden zivilrechtlichen Streitigkeit wies das New Yorker Bezirksgericht den Einwand der Geheimhaltungsbedürftigkeit zurück: „[O]nce Congress released the documents to the world at large, there was no point in trying to hide their contents at the discovery stage.“7 Die rechtlichen Möglichkeiten eines potentiell Betroffenen, die Vertraulichkeit des Informationsmaterials zu sichern, sind beschränkt. Wird die Auskunft verweigert, die ‚subpoena‘ zur Vollstreckung dem Attorney General übergeben und stellt sich in dem Strafverfahren heraus, dass das Material nicht vom Vertraulichkeitsschutz gedeckt war, hat der Betroffene keine Möglichkeit mehr, die Verurteilung durch Herausgabe der Unterlagen zu verhindern. Es bleibt damit nur die Möglichkeit, den Kongressausschuss von der Geheimhaltungsbedürftigkeit zu überzeugen oder im Ermittlungsverfahren des Attorney General diese Position darzulegen. Die Anklagebehörde ist nicht an den Inhalt der ‚subpoena‘ des Kongresses gebunden und nicht zur Anklageerhebung verpflichtet – das Verfahren kann aus Opportunitätsgründen eingestellt werden. Der Betroffene kann als Surrogat zur Aktenherausgabe den Zeugenbeweis über den Inhalt der schriftlichen Dokumente anbieten. Eine weitere Möglichkeit, sich vor ausufernden Untersuchungen und der Veröffentlichung herausgegebener Informationen zu schützen, ist das ‚nonwaiver-agreement‘. Dabei handelt es sich um eine schriftliche Vereinbarung ———————— 5

Breuer, Congressional Contempt: Both House and Senate Can Pierce Privileges and Punish if You Plead Confidence, Legal Times v. 30.10.2000. 6 § 10 II.2.b)cc). 7 Breuer, Congressional Contempt: Both House and Senate Can Pierce Privileges and Punish if You Plead Confidence, Legal Times v. 30.10.2000.

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zwischen dem Zeugen und dem Untersuchungsgremium mit dem Inhalt, dass sich das Untersuchungsgremium zur Geheimhaltung verpflichtet und die Auskunft des Zeugen gegenüber dem Untersuchungsgremium nicht den Verzicht auf das Geheimhaltungsprivileg gegenüber andernen staatlichen Stellen oder gegenüber der Öffentlichkeit bedeute. Der ehemalige Rechtsberater im Weißen Haus William Kennedy III. erhielt bspw. vom Senate and House Whitewater Committee und dem Sonderanwalt Kenneth Starr eine solche Zusicherung.8 Kann ein Kompromiss nicht erzielt werden, besteht noch die Möglichkeit, eine vorbeugende Feststellungsklage anzustrengen (‚injunction‘ oder ‚declaratory judgment‘). Sind Geschäfts- oder Anwaltsgeheimnisse betroffen, hat die Klage mehr Aussicht auf Erfolg als die Berufung auf das ‚executive privilege‘, weil sich Gerichte bei Streitigkeiten zwischen Exekutive und Legislative in Zurückhaltung üben. So wurde z.B. 1983 die Leiterin der Environmental Protection Agency, Anne Gorsuch, mit Zwangsandrohung zur Herausgabe bestimmter Dokumente aufgefordert. Ihre Behörde klagte auf Feststellung, dass das ‚executive privilege‘ Gültigkeit beanspruche. Der U.S. District Court for the District of Columbia sprach der Klage das Rechtsschutzbedürfnis ab. Das Gericht könne sich nur dann mit dem Fall beschäftigen, wenn sich die Klägerin gegen eine Belastung innerhalb eines Strafverfahrens wenden würde.9 Hinsichtlich des Bereiches „exekutiver Eigenverantwortung“ bzw. des ‚executive privilege‘, den beide Rechtsordnungen anerkennen, unterscheidet sich die praktische Handhabung in beiden Staaten. Parlamentsrecht und Parlamentspraxis des Kongresses fassen den Bereich des Exekutivvorbehalts wesentlich enger als in der Bundesrepublik. Zwar unterliegt die konkrete Handhabung den Veränderungen des Machtgleichgewichts zwischen Kongress und Präsident. An Stelle der gesetzlich geregelten behördlichen Aussagegenehmigungen, die der Auskunftsperson Aussagen, die vom Kernbereich umfasst sind, untersagen können, steht im Kongress die spezifisch zu rechtfertigende Aussageverweigerung der Exekutive. Ein pauschaler Hinweis der Exekutive auf einen wie auch immer zu interpretierenden Kernbereich würde vom Kongress nicht akzeptiert.10 Schutzvorschriften zur Geheimhaltung sind im deutschen Untersuchungsrecht strenger geregelt und werden auch strenger gehandhabt als im USamerikanischen Recht.11 Die Möglichkeit, die Selektion geschützter Informati———————— 8

Breuer, ebd. „[…] in either a criminal contempt proceeding or other legal action taken by Congress.“, zit. nach: Breuer, aaO. 10 United States v. American Telephone & Telegraph, 567 F.2d 121 (D.C. Cir. 1977). 11 Zu den Geheimhaltungsvorschriften im Kongress siehe § 14, S. 189 im Bundestag § 8; zu den Abwägungsmöglichkeiten bei Geheimnisschutz im Kongress siehe § 12 V.; 9

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onen einem Gericht (Flick-Untersuchungsverfahren)12 oder sogar einer Behörde (Nixon-Tonbänder)13 anzuvertrauen, zeigt sich in beiden Staaten als wirksamer Ausgleich widerstreitender Interessen. In Anbetracht der umfangreichen Untersuchungstätigkeit des Kongresses würde die ständige Anwendung eines gerichtlichen in camera-Verfahrens zur Überforderung der Gerichte führen. III. Beweiserhebung Art und Weise der Beweisaufnahme weisen im Kongress und im Bundestag viele Gemeinsamkeiten auf. Der Ausschussvorsitzende eröffnet die Sitzung. Im Kongress wird dem ‚ranking member‘ der parlamentarischen Minderheit die Möglichkeit gegeben, ein Eingangsstatement zu halten. Danach erhält der Zeuge die Möglichkeit, sich im Zusammenhang zu dem in der Ladung angegebenen Beweisthema zu äußern, bevor seine Befragung beginnt. In der Befragung des Zeugen kommen die Abgeordneten abwechselnd zu Wort, im Bundestag nach dem sog. Reißverschlussverfahren, im Kongress im Wechsel der Parteizugehörigkeit. Die Geschäftsordnung des Ausschusses oder die Resolution, die zur Einsetzung eines ‚select committees‘ im Kongress führt, kann Fragerechte an Mitarbeiter übertragen – eine Möglichkeit, die im Bundestag nicht besteht. Allerdings wird auch im US-Kongress nur in geringem Umfang und sehr selten davon Gebrauch gemacht. Hier unterscheidet sich das Selbstverständnis der Kongressabgeordneten wenig von dem der Mitglieder des Bundestages – das Recht, den Zeugen zu befragen, lässt sich kein Parlamentarier ohne zwingende Gründe „aus der Hand nehmen.“ Die Vereidigung von Zeugen ist innerhalb investigativer Kongressuntersuchungen die Regel. Sie erfolgt zu Beginn einer Vernehmung. Widersprüche können so schneller aufgedeckt werden. Die Lüge gegenüber einem Kongressausschuss wird erheblich erschwert. Innerhalb der kontinuierlichen Verwaltungskontrolle (‚regular oversight‘), bspw. der Verteidigung des Haushaltsplanes durch den Behördenleiter (‚secretary‘) in öffentlicher Anhörung, wird von einer Vereidigung regelmäßig abgesehen. Anhörungen bzw. Zeugenvernehmungen sind im Kongress der Medienöffentlichkeit grundsätzlich zugänglich. Träger öffentlicher Gewalt können sich der Kamerapräsenz nur sehr begrenzt entziehen.14 Im Gegensatz dazu erfolgt die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss des Bundestages ohne Präsenz elektronischer Medien. ———————— zum Vergleich der praktischen Handhabung von Öffentlichkeitsprinzips und Geheimschutz siehe § 22 I., S. 318ff. 12 BVerfGE 67, 100. 13 Nixon v. Administrator of General Services, 433 U.S. 425 (1977). 14 § 14 II., S. 191.

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1. Auskunftspflicht und Selbstbelastungsfreiheit a) Differenzierung Das Untersuchungsausschussgesetz unterlässt – wie schon die Rechtspraxis vor In-Kraft-Treten des Untersuchungsausschussgesetzes – die Differenzierung der Zeugen danach, ob die Auskunftspflicht aus einem öffentlichen Verantwortungsverhältnis resultiert. Personen, die im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Auskunftspflicht aussagen sollen, werden denen gleichgestellt, die nicht dem Staatsapparat zuzurechnen sind. Das Gesetz unterscheidet auch nicht danach, ob die begehrten Informationen im Zusammenhang mit einer Amtsausübung erlangt worden ist.15 Diese Tatsache erwies sich bei dem in der 14. Wahlperiode – schon vor Inkrafttreten des Untersuchungsausschussgesetzes – eingesetzten Untersuchungsausschuss „Parteispenden“ als ein besonders gravierender Mangel. Wichtige Zeugen, insbesondere des ehemaligen Bundeskanzlers und Vorsitzenden der CDU, verweigerten die Aussage und beeinträchtigten die Aufklärungsarbeit des Ausschusses beträchtlich.16 Der Parteispendenskandal hat einen großen Vertrauensverlust in die politischen Institutionen und deren Repräsentanten in der Bevölkerung erzeugt – unabhängig von parteipolitischen Erwägungen. Die Aufklärungstätigkeit des Untersuchungsausschusses hat wenig dazu beigetragen, diesen Schaden zu vermindern.17 Das Handeln eines Amtsträgers muss von einem Untersuchungsausschuss vollständig nachprüfbar sein. Denn die Kontrolle ist nicht bezogen auf die Person in ihrer rechtlichen Verantwortung, sondern auf den Amtsträger in seiner politischen Verantwortung.18 Selbst nach Ablauf der Amtsdauer können höhere Anforderungen an die Aussagepflicht gestellt werden als bei einer „nur“ rechtlich verantwortlichen Person. Insofern sind Forderungen nachvollziehbar, die das öffentliche Interesse an der Aufklärung gegenüber den berechtigten Interessen des Zeugen überwiegen lassen wollen.19 Nur dann, wenn sich der Sachverhalt als ein Vorgang darstellt, in den die Auskunftsperson als „Privatmann“ ———————— 15 So auch die Kritik von Kölbel/Morlok, Geständniszwang in parlamentarischen Untersuchungen?, ZRP 2000, 217, 218, wonach sich politische Mandatsträger nicht auf jene persönlichen Rechte berufen können, wenn ihr Handeln innerhalb ihrer Amtsrolle durch die Enquete nachgeprüft wird. 16 Zu den Einzelheiten im Untersuchungsausschuss „Parteispenden“ und zum Streitstand hinsichtlich der Einschränkung der Selbstbelastungsfreiheit, vgl. Kerbein, Selbstbelastungsfreiheit, S. 65ff. 17 „Eine Plattform für Enthüllungen wird der Untersuchungsausschuss so bald nicht werden“, Welt v. 24.3.2000; der Berliner Untersuchungsausschuss werde zur „Nullnummer“, TAZ v. 24.3.2000. 18 So auch Kölbel/Morlok, aaO., S. 218, Fn. 13. 19 So der Abg. Ströbele, Süddeutsche Zeitung v. 25.8.2000.

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involviert ist, kann die Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur) zum Tragen kommen. b) Konflikt zwischen Aufklärungs- und Schweigeinteresse Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Vorschläge unterbreitet, die dem Gedanken der Immunitätsgewährung im angloamerikanischen Recht (‚grants of immunity‘) entsprechen.20 Der nemo tenetur-Grundsatz schützt nicht vor einer umfassenden Auskunftspflicht, sondern nur vor der Gefahr der Selbstbelastung mit einem strafrechtlichen Vorwurf. Wird aber nur ausgeschlossen, dass die Aussage vor dem Untersuchungsausschuss in einem Strafverfahren verwertet werden kann – und nicht die Last des Strafverfahrens überhaupt – steht die umfassende Auskunftspflicht zur Verfügung. So wurde u.a. auf die Lösung dieser Konfliktlage im Insolvenzverfahren verwiesen. Nach § 97 S. 2 InsO ist der Schuldner verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter und, auf Anordnung des Gerichts, der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach S. 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner nicht verwendet werden. Die Vorschrift lehnt das Recht des Schuldners, die Auskunft zu verweigern ab und kompensiert den Aussagezwang mit einem strafrechtlichen Verwertungsverbot. Die Norm beruht auf der sog. Gemeinschuldner-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.21 In der Diskussion wurde die Vorschrift im Interesse der Funktionsfähigkeit des Untersuchungsausschusses für ein rechtstechnisches Vorbild mit der Folge gehalten, dass alle Auskunftspersonen uneingeschränkt aussagen müssen.22 Dem Sinn und Zweck des § 97 Abs. 2 InsO und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes wird darüber hinaus eine Fernwirkung des Verwendungsverbots entnommen.23 Der Vorschlag beinhaltet Ausnahmen vom Verbot der Fernwirkung unter dem Aspekt der materiellen Gerechtigkeit bei Straftaten, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, wie schwerwiegende Delikte gegen Leib und Leben oder gegen den Bestand des Gemeinwesens. Der De———————— 20

Zu ‚grants of immunity‘ siehe § 12 VI., S. 179. BVerfGE 56, 37f. 22 Danckert, Aussagezwang im parlamentarischen Untersuchungsausschuß, ZRP 2000, S. 476, 478. 23 Danckert, aaO.; anders Kölbel/Morlok, Geständniszwang in parlamentarischen Untersuchungen?, ZRP 2000, 217ff. 21

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liktskatalog wird § 139 Abs. 3 StGB bzw. § 30 Abs. 4 Nr. 5 a AO entnommen. Insoweit bleibe das Auskunftsverweigerungsrecht erhalten.24 Abweichend hiervon wird vertreten, dass die Konfliktlösung, die die Insolvenzordnung vornimmt, nicht auf das parlamentarische Untersuchungsverfahren übertragbar sei. Die Auskunftspflicht des Schuldners gründe sich auf einen besonderen Pflichtenkreis, den er durch einen eigenen Willensentschluss bzw. durch ein Rechtsgeschäft übernommen habe. Die Konfliktlösung im Insolvenzverfahren sei sachgerecht, da die Gläubiger das Vollstreckungsrisiko trügen. Ein wirksamer Rechtsschutz sei ohne die erzwingbare Aufklärung nicht möglich. Der Gemeinschuldner allein sei zu der erforderlichen Auskunft in der Lage. Anders als der Zeuge im Untersuchungsausschuss stehe der Gemeinschuldner in einem besonderen Pflichtenverhältnis zu den Gläubigern. Die Abwägung ergebe, dass den Interessen der Gläubiger vor dem Interesse des Schuldners an der Selbstbezichtigung der Vorrang gebühre. Dagegen liege eine vergleichbare Interessenkonstellation im Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG nicht vor.25 c) Bewertung Nicht nachvollziehbar ist, aus welchem Grund das Vollstreckungsrisiko der Gläubiger im Insolvenzverfahren gegenüber dem Aufklärungsanspruch des Parlaments höherrangig zu gewichten sei. Das Risiko unzureichender parlamentarischer Aufklärung, das den Verlust des Vertrauens der Bürger in die politischen Institutionen nach sich ziehen kann – wie der Parteispendenskandal 1999-2002 belegt – kann nicht geringer als das Risiko des Gläubigers gewichtet werden. Es überrascht auch, dass gerade ein Mitglied des Bundestages bewertet.26 Im Übrigen kommt es auch im Untersuchungsverfahren vor, dass eine begehrte Information nur von einer Person erteilt werden kann. Dem Vorschlag, den Gedanken der Insolvenzordnung anzuwenden, kann gleichwohl nur teilweise gefolgt werden. Dass eine Verallgemeinerung der Tatbestände, unter denen das Auskunftsverweigerungsrecht Bestand haben soll, eine tragfähige Entscheidungsgrundlage ist, ist zu bezweifeln. Weder das zwingende öffentliche Interesse an der Aussage noch der Tatbestand, nach dem das Auskunftsverweigerungsrecht Bestand hätte, lassen sich abschließend und hinreichend bestimmt aufführen. Praktikabler erscheint vielmehr, dem Untersuchungsausschuss im Einzelfall die Möglichkeit an die Hand zu geben, nach ———————— 24

Danckert, aaO., S. 479. Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 260. 26 Allerdings räumt Wiefelspütz, aaO., ein, dass auch Mitarbeiter der Exekutive oder Regierungsmitglieder in einem besonderen Dienst- oder Treueverhältnis stünden und hält eine uneingeschränkte Auskunftspflicht für „erwägenswert.“ 25

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Abwägung der entgegenstehenden Belange und Interessen Auskunftspersonen ein Beweisverwertungs- bzw. -verwendungsverbot im Strafprozess zuzugestehen. Allerdings ist dabei ein weiterer Umstand zu berücksichtigen, der in der aufgezeigten Diskussion keine so ausdrückliche Erwähnung fand, allerdings klar aus der vorliegenden rechtsvergleichenden Betrachtung hervorgeht: das mit der Öffentlichkeit des Verfahrens verbundene Problem der Rechtfertigung möglicher Straffreiheit bei erwiesener Straftat gegenüber der Bevölkerung. Wird einem potentiellen Straftäter die Möglichkeit gegeben, vor den Augen der Öffentlichkeit eine Straftat zuzugeben, für die er in der Folge möglicherweise nicht belangt werden kann, kann das zu Einbußen beim Rechtsstaatsverständnis und bei der Akzeptanz staatlicher Verfahren durch den Bürger führen. Diese Bedenken mögen im Einzelfall nicht schwerer zu gewichten und gebenenfalls vernachlässigt werden. Die Erfahrungen in den USA, vor allem im Hinblick auf die Folgen der Iran-Contra-Untersuchungen, zeigen jedoch, dass die Gewährung von Immunität auch zur Folge haben kann, dass Zeugen, um einer Strafverfolgung zu entgehen, ihre Aussage mit entsprechenden Informationen anreichern, die dann im Strafverfahren nicht mehr verwertet werden können.27 Jedenfalls erfordert der Umgang mit Immunitätsgewährung viel Umsicht und juristisches Geschick, um diese unerwünschten Folgen zu verhindern. Aus diesem Grund wird der Schutz vor Strafverfolgung in Kongressuntersuchungen nur in seltenen Ausnahmen gewährt. Das Gleiche müsste für das Untersuchungsverfahren des Bundestages gelten, führte man eine Vorschrift ein, die ein Verwertungs- oder Verwendungsverbot regelte. Im Hinblick auf den Tatbestand der Versagung der Aussagegenehmigung verweist § 23 Abs. 1 PUAG auf § 54 StPO. Danach kann eine erforderliche Aussagegenehmigung verweigert werden, wenn die Ablegung des Zeugnisses dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes zum Nachteil gereichen würde. Hier wäre die Anwendung bspw. der Regelung des § 28 Abs. 2 BVerfGG zu bevorzugen. Danach kann die Aussagegenehmigung nur dann verweigert werden, wenn es das Wohl des Bundes oder eines Landes erfordert. Will man das Aufklärungsinteresse des Parlaments stärken, wäre auch eine § 28 Abs. 2 S. 2 BVerfGG vergleichbare Regelung zu überlegen. Danach kann der Zeuge oder Sachverständige sich nicht auf seine Schweigepflicht berufen, wenn das Bundesverfassungsgericht mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen die Verweigerung der Aussagegenehmigung für unbegründet erklärt.

———————— 27

Dagegen sehen Kölbel/Morlok, Geständniszwang in parlamentarischen Untersuchungen, ZRP, 2000, 217, 219, gerade in der Öffentlichkeitsfunktion – durch die „Höhergewichtung“ der Rechtsposition des Volkes, über politische Missstände aufgeklärt zu werden – den gesetzgeberischen Spielraum für außerstrafprozessuale Mitwirkungspflichten.

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2. Anwendung von Zwangsmitteln a) Eid im Untersuchungsverfahren Dass der Bundestag im Sinne einer Selbstbindung auf die Möglichkeit, Zeugen zu vereidigen, verzichtet hat, vermag weder aus rechtlichen noch aus Zweckmäßigkeitsgründen zu überzeugen. Rechtlich kann hier auf die zutreffende Begründung des VG Berlin in seiner Entscheidung vom 11. Juni 2003 sowie auf die einschlägige Literatur verwiesen werden.28 Der Mindermeinung, die die Unzulässigkeit von Vereidigungen im Untersuchungsausschuss aus einer systematischen Auslegung der strafprozessualen Normen herzuleiten versucht,29 ist entgegenzuhalten, dass die vorkonstitutionelle Strafprozessordnung nicht zum Maßstab der Auslegung eines Aufklärungsinstruments dienen kann, das sich aus der verfassungsrechtlich verankerten parlamentarischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung ergibt. Der Abgeordnete Wiefelspütz hat dies engagiert vertreten: „Weder ein Untersuchungsausschussgesetz noch eine Bestimmung des materiellen Strafprozesses kann Befugnisse des Untersuchungsausschusses relativieren.“ In rechtlicher Hinsicht erklärt der Verweis auf die parlamentarische Selbstbindung zwar den Verzicht. Weit weniger erklärt sich mit Blick auf den Sinn und Zweck parlamentarischer Aufklärungsinstrumente, dass der Abgeordnete zum maßgeblichen Unterstützer der Streichung wurde.30 Dass der Verzicht auf ein mögliches Aufklärungsinstrument das Parlament nicht stärkt, sondern für die Zukunft schwächt, ist offenbar. Nimmt man die Aufklärungspflicht des Parlaments ernst, so kann das Instrument der Vereidigung bei der Wahrheitsfindung besondere Dienste erweisen. Die Vereidigung kann die Sensiblität der Auskunftspersonen für die ohnehin bestehende Auskunfts- und Wahrheitspflicht erhöhen. Auf Grund dieser Sensibilität besteht die Möglichkeit, dass Fragen präziser und sorgfältiger beantwortet und mögliche Widersprüche schneller aufgedeckt werden können. Dies zeigt der Blick auf die US-amerikanische Praxis, bspw. im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Foltervorwürfen gegenüber US-Soldaten im Irak-Konflikt. Die Zeugen wurden vor ihrer Befragung vereidigt. Die Vernehmung des Oberkommandierenden der US-Streitkräfte im Irak, General Ricardo S. Sanchez, ———————— 28

VG Berlin, NVwZ-RR 2003, 708. Siehe die Argumente unter § 6 II.1.b), S. 89. Güther/Seiler, Vereidigung von Zeugen durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, NStZ 1993, 305. Hamm, Kein Vereidigungsrecht von Untersuchungsausschüssen, ZRP 2002, 11. 30 So die Beratungen des Untersuchungsausschussgesetzes im Ausschuss für Wahlprüfung, Geschäftsordnung und Immunität: „Ferner schlägt Wiefelspütz vor, die Möglichkeit zur Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen zu streichen.“, Protokoll G 44 v. 19.1.2001. 29

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vor dem zuständigen Streitkräfteausschuss des Senats (Armed Services Committee) am 19. Mai 2004 unter Eid ergab z.B., dass er von unzulässigen Verhörmethoden hinsichtlich irakischer Gefangener im Gefängnis Abuh Ghraib gewusst hatte. Das Verteidigungsministerium hatte nahezu zeitgleich diese Anschuldigungen zurückgewiesen. Hintergrund war, dass Zeitungsberichte unter Berufung auf interne Armee-Dokumente bereits im Sommer des Jahres 2003 darauf hingewiesen hatten, dass General Ricardo Sanchez die Anwendung intensiver Verhörmethoden persönlich genehmigt habe. Der Zeitung zufolge, hatte Sanchez bereits im September 2003 insgesamt 32 verschiedene Verhörmethoden ausgewählt, die auch bei Gefangenen im Guantanamo-Gefängnis auf Kuba angewandt worden sind.31 Wenig nachvollziehbar ist die Ansicht, die im bisher spärlichen Gebrauch der Vereidigungsmöglichkeit (seit 1968 wurde kein Zeuge mehr vereidigt) einen Beleg dafür sieht, dass sich der Bundestag auf die prozessuale Zwitterstellung der zu Vernehmenden eingerichtet habe und deshalb auf das Instrument der Vereidigung verzichten könne.32 Auf den faktischen Gebrauch kann es bei der Begründung eines Aufklärungsmittels nicht ankommen. Mangelnder Gebrauch oder mangelnde Sichtbarkeit einer eventuellen Notwendigkeit lassen diese zum einen nicht für die Zukunft entfallen. Zum anderen haben gerade die Anträge auf die Vereidigung der Zeugen im Parteispenden-Untersuchungsausschuss die Aktualisierung einer Notwendigkeit gezeigt. Durch den Verzicht auf die Vereidigungsmöglichkeit hat das Untersuchungsverfahren eine weitere Relativierung gegenüber dem Strafverfahren erfahren, als dies ohnehin bereits durch die rechtswissenschaftliche Literatur erfolgt ist.33 b) Strafbarkeit der Falschaussage Was die Strafbarkeit der Falschaussage betrifft, gehen die Meinungen in der Literatur sehr weit auseinander. Das Schrifttum hat bereits kritisch auf die Änderung des § 153 Abs. 2 StGB durch die Einführung des Untersuchungsausschussgesetzes reagiert, wonach die Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss strafbar ist.34 Sogar die Streichung der Norm wurde verlangt.35 In der ———————— 31

Washington Post v. 19.7.2004, S. A17. In der Folge versuchte das Verteidigungsministerium weitere Aussagen von hochrangigen Militärs im Senatsausschuss durch Verweigerung der Aussagegenehmigung zu verhindern. 32 Schaefer, Vereidigung im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, NJW 2002, 490f. 33 Hierzu sind bspw. Güther/Seiler, aaO., Vormbaum, JZ 2002, 166, aus dem neueren Schrifttum, vor allem aber die Literatur aus der Weimarer Periode zu zählen, siehe hierzu Fn. 30, S. 29. 34 Schaefer, aaO. Die kritische Haltung setzt die Kritik vor In-Kraft-Treten des Untersuchungsausschussgesetzes an der Formulierung in Art. 44 Abs. 2 GG zur „sinngemä-

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Vergangenheit sei es zu einer für die politische Legitimität ungünstigen Vermischung von politisch-parlamentarischen und justiziellen Elementen gekommen. In der Sache werde der Zeuge wie ein „Beschuldigter“ vernommen, obwohl kein Schuldvorwurf bestehe. Ihm stünden nicht die Rechte des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zu. Untersuchungsausschüsse würden – entgegen dem Verständnis der Bürger – der notwendigen Unabhängigkeit und Sachbezogenheit entbehren. Die vom Untersuchungsausschuss ermittelte Wahrheit richte sich nach der Parteizugehörigkeit. Ergebnissen komme nicht die Gewähr ihrer „Richtigkeit“ zu. Das Strafrecht werde geschwächt. Untersuchungsausschüsse erhielten quasi-judizielle Legitimität, die sie selbst durch die Interessengeleitetheit der Untersuchung untergrüben.36 Es sei nur psychologisch nachvollziehbar, dass Parlamentarier sich die Hilfsmittel zur Aufklärung wünschten, die auch der Justiz zur Verfügung stünden.37 Die Kritik übersieht, dass auch ein parlamentarisches Verfahren auf die wahrheitsgemäße Aussage von Zeugen angewiesen ist, um den dem Parlament zugewiesenen Kontrollauftrag wahrnehmen zu können. Der Einwand, im Untersuchungsausschuss komme es nicht auf Wahrheitsfindung an, da keine judizielle Kompetenz vorliege, überzeugt nicht. Zwar entscheidet der Untersuchungsausschuss im Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren nicht auf der Grundlage eines festgestellten (wahren) Sachverhalts in Bezug auf den gesetzlich fixierten Tatbestand und ebenso bestimmte Rechtsfolge. Dem parlamentarischen Untersuchungsverfahren liegt die Wahrheitspflicht der Auskunftspersonen aber als notwendige „Spielregel“ zugrunde. Die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage oder die Wahrheitsfindung nach selbstdefiniertem Maßstab hat im politisch-parlamentarischen Prozess keine geringere Bedeutung als in einem gerichtlichen Verfahren. Wahrheitsgemäße Auskünfte bilden die Grundlage einer sachlichen Bewertung des Parlaments, die Voraussetzung für die Kontrolle öffentlicher Verantwortung und den öffentlichen Diskurs ist. Der Umstand, dass am Ende einer Untersuchung eine Reihe von zum Teil ganz unterschiedlichen Wahrheiten zu Tage gefördert wird, entspricht dem Wesen eines demokratischen Verfahrens. Der Bezug zum Gerichtsverfahren geht fehl. Die sog. prozessuale Wahrheit knüpft – im Unterschied zum parlamentarischen Untersu———————— ßen Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess“ fort, vgl. bspw. Quass/Zuck, Ausgewählte Probleme des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, NJW 1988, S. 1873f. 35 Vormbaum, Falsche uneidliche Aussagen vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, JZ 2002, S. 166, 170, mit der Begründung, dass Untersuchungsausschüsse keine Rechtspflegeorgane seien und damit auch nicht mit den spezifischen Instrumenten der Rechtspflege auszustatten seien. 36 Quass/Zuck, aaO., S. 1873f. 37 Vormbaum, aaO., S. 169.

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chungsverfahren – an den staatlichen Strafverfolgungsanspruch und gesetzlichen Bestimmungen an. Die Ansicht, dass durch den Straftatbestand der Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss das Strafrecht entwertet werde, überzeugt nicht. Die Entscheidung im Strafverfahren wird grundsätzlich nicht vom Untersuchungsverfahren beeinflusst oder verhindert. Die Entscheidung über die Bestrafung einer Falschaussage obliegt weiterhin der rechtsprechenden Gewalt. Die Bewertungen des Ermittlungsergebnisses durch die Mitglieder eines Untersuchungsausschusses können nicht mit den Erwartungen an richterliche Unabhängigkeit, die die Rechtsprechung in der Entscheidung eines Einzelfalls vor dem Einfluss anderer Staatsgewalten schützt, verknüpft werden. Das parlamentarische Untersuchungsverfahren knüpft an die Unabhängigkeit des freien Mandats nach Art. 38 Abs. 1 GG an, wonach „die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Vertreter des ganzen Volkes und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden [sind].“ Diese Unabhängigkeit spiegelt sich nicht nur in der Entscheidung über ein Gesetz, sondern auch im parlamentarischen Untersuchungsverfahren wider. Die verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit wird im jeweils systemeigenen Rahmen des judikativen oder parlamentarischen Untersuchungsverfahrens gesichert. Richterlicher Unabhängigkeit haftet normativ kein Vorsprung an Glaubwürdigkeit, Neutralität oder Objektivität gegenüber der Unabhängigkeit des Mandatsträgers an. Beide Aufklärungsverfahren stehen gleichberechtigt nebeneinander. IV. Abschlussbericht und Sondervoten Die Untersuchungsausschüsse beenden ihre Tätigkeit mit einem Abschlussbericht, der im Plenum des Bundestages, bzw. im Untersuchungsausschuss des Kongresses, debattiert wird.38 Die parlamentarische Minderheit hat auch im Kongress die Möglichkeit, ihre Bewertung des Ermittlungsergebnisses in den Bericht einfließen zu lassen. Sondervoten sind im Bundestag die Regel, im Kongress nicht. An Hand des Abschlussberichtes lassen sich Untersuchungsverfahren mit parteiischem (‚partisan‘) und unparteiischem (‚bipartisan‘) Charakter unterscheiden. Untersuchungen, die der Kontrolle der Regierung dienen, verlaufen nicht zwangsläufig ‚partisan‘. Sondervoten sind in Kongressuntersuchungen die Ausnahme. Vielmehr legen sich die Abgeordneten eine Selbstbeschränkung auf. Das öffentliche Ansehen des Kongresses als Institution sowie das Ethos der Mehrheits- und Minderheitsabgeordneten bewirkt die Einsicht, den Abschlussbericht im Konsensverfahren zu verfassen. Im Untersuchungs-

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§ 20 Handhabung der Untersuchungsbefugnisse

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verfahren des Bundestages nach Art. 44 GG sind Sondervoten der parlamentarischen Minderheit im Ausschuss die Regel. Unterschiedliche Untersuchungsberichte zu demselben Untersuchungsgegenstand, die in Feststellung und Wertung der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden, führen dazu, dass die vom Ausschuss zu untersuchenden Vorgänge nach Abschluss genauso umstritten sind wie zu Beginn. In der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck eines „Hornberger Schießens.“ Die Untersuchung sei ergebnislos verlaufen, da die unterschiedlichen Versionen auch nach der Berichterstattung weiterhin strittig seien. Das Ansehen des Untersuchungsausschusses leidet darunter, dass Mehrheits- und Minderheitsfraktionen zu einer beschönigenden bzw. verschlimmernden Version tendieren, wenn ein einheitliches Votum nicht zu erreichen ist.39 In der Öffentlichkeit führt dies zu dem Eindruck, dass es sich um eine reine Wahlkampfveranstaltung handele und der Untersuchungsausschuss lediglich zur Propaganda diene. V. Gerichtliche Überprüfung Der Einsetzungsbeschluss des Untersuchungsausschusses nach Art. 44 GG kann auf dem Wege des Organstreitverfahrens vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden.40 In den USA besteht eine entsprechende Möglichkeit nicht. Einsetzungsbeschlüsse können nur inzident im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle einer Untersuchungsmaßnahme überprüft werden.41 Gerichtliche Zurückhaltung wird hinsichtlich des Prüfungsumfangs des Abschlussberichtes geübt. Diese Zurückhaltung wird für den Untersuchungsausschuss nach Art. 44 Abs. 4 GG ausdrücklich bestimmt. Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind danach der richterlichen Erörterung entzogen. In den USA resultiert die Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs aus der Anwendung der ‚political question doctrine‘, die der Supreme Court anwendet, wenn Fragen zu entscheiden sind, die explizit politischer Natur sind und einem anderen Staatsorgan – dem Kongress – zugewiesen. Das Gleiche gilt für Untersuchungsmaßnahmen, die gegen Mitglieder der Exekutive gerichtet sind. Gerichte verweisen regelmäßig auf die Verhandlungslösung und stellen das Rechtsschutzbedürfnis in Zweifel. Der Rechtsschutz im Untersuchungsverfahren des Bundestages ist deutlich „dichter“ ausgestaltet. Grund dafür ist vor allem der Schutz der Minderheitenrechte im Untersuchungsverfahren. Hier sind die Überprüfung der Ablehnung eines von der qualifizierten Minderheit beantragten Zwangsmittels,42 die Ein———————— 39

Ziemske, Untersuchungsrecht England, S. 103. § 36 Abs. 1 PUAG i.V.m. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 BVerfGG. 41 Siehe oben S. § 17 III., S. 227. 42 §§ 17 Abs. 4, 21 Abs. 1, 27 Abs. 1, 28 Abs. 6, 29 Abs.2 S. 1 PUAG. 40

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

stufung der Geheimhaltungsbedürftigkeit und die Durchsetzung des Amtshilfeanspruchs43 durch den Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof gemäß § 36 Abs. 1 PUAG überprüfbar. In beiden Ländern entscheiden die Parlamente über Inhalt und Umfang der begehrten Information selbst. Die gerichtliche Überprüfung ist auf formale Kriterien und die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzelner Untersuchungsmaßnahmen beschränkt. Sie bezieht sich nicht auf den Gegenstand der begehrten Auskunft. Weitere materielle Beschränkung des Kontrollumfangs ergibt sich aus der Lehre vom untersuchungsfesten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bzw. dem ‚executive privilege‘.44

———————— 43

§ 18 Abs. 4 S. 4 PUAG. Zum Kernbereich der Exekutive siehe oben § 4 II.11.a), S. 77; zum ‚executive privilege‘ § 10 II.2.b).cc, S. 132. 44

§ 21 Rolle der Opposition Die parlamentarische Minderheit hat im Bundestag eine Anzahl von Informationsrechten. Neben dem parlamentarischen Fragerecht, das jedem einzelnen Abgeordneten zusteht, bestehen besondere Rechte der qualifizierten Minderheit von einem Viertel der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses nach Art. 44 GG. Die qualifizierte Minderheit im Bundestag kann die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen, und die einsetzungsberechtigte Minderheit im Ausschuss kann Beweise einfordern. Die qualifizierte Minderheit kann das Verfahren mitgestalten, dem Abschlussbericht ein Sondervotum hinzufügen und im Plenum ihre Ansicht vor den Augen der Öffentlichkeit darlegen. Sie kann die Einberufung einer Sitzung verlangen und die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten zur Unterstützung der Untersuchung fordern. Sie kann die Heranziehung eines bestimmten Sachverständigen erzwingen und der Reihenfolge der zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen widersprechen. Dazu kann sie eine Entscheidung des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof einholen. Zur Erzwingung der Herausgabe von Beweismitteln kann sie beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Haft gegen den Gewahrsamsinhaber beantragen. Sie kann die Rechtmäßigkeit der Einstufung eines Beweismittels als Verschlusssache und Streitigkeiten über Rechts- und Amtshilfe vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshof überprüfen lassen.1 Zwar darf diese Aufzählung nicht darüber hinweg täuschen, dass das Verfahren selbst von der Mehrheit dominiert wird. Trotzdem besteht ein solch umfassender Katalog rechtlich garantierter Einflussmöglichkeiten zugunsten der parteipolitischen Minderheit im Kongress nicht. Die parlamentarische Minderheit kann im Kongress Anhörungen oder Zeugenvernehmungen nicht rechtlich durchsetzen. Informationsbegehren sind über den Ausschuss, dem der Abgeordnete angehört, einzufordern. Einzelne Abgeordnete sind auf die Regelberichterstattung bzw. die Kooperation (‚voluntary basis‘) der Exekutiveinheiten bzw. des Ausschussvorsitzenden angewiesen. Kein Gericht hat je einen individuellen Auskunftsanspruch eines Kongressmitgliedes anerkannt. Im Gegenteil, 1994 wies das Bezirksgericht in Washington D.C. die Klage von zehn Abgeordneten der parteipolitischen Minderheit des House Banking Committee zurück, welche die Herausgabe von Informatio———————— 1

Einzelheiten und Vorschriften siehe oben, § 4 II.11.b), S. 80.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

nen von zwei Regierungsbehörden erlangen wollten. Das Gericht entschied, dass es sich maßgeblich um ein Problem zwischen Abgeordneten handele („congressional plaintiff’s dispute is primarily with his or her fellow legislators“) und der Fehler gerade darin liege, dass es den Abgeordneten nicht gelungen sei, die Mehrheit zu überzeugen („complaint derives solely from his failure to persuade his colleagues“).2 Allerdings bedeutet dies nicht, dass die parlamentarische Minderheit im Kongress ohne Einfluss ist. Ein Grund, warum keine expliziten Untersuchungsbefugnisse zugunsten der parlamentarischen Minderheit bestehen, ist, dass keine fest gefügte parlamentarische Opposition im Kongress existiert. Es ist bereits problematisch, mit dem Begriff „Opposition“, wie er sich als politischer Begriff in parlamentarischen Regierungssystemen herausgebildet hat, die Machtstrukturen im Kongress zu ergründen. Opposition (von lat. oppositio – Entgegensetzung, Gegenüberstellung, Widerspruch) als politischer Begriff entwickelte sich im Verständnis von parlamentarischer Gegenkraft im britischen Parlamentarismus des 19. Jahrhunderts. Seitdem gilt die Chance der Opposition, in der geregelten Auseinandersetzung mit der Regierung einen Machtwechsel erreichen zu können, als essentieller Bestandteil einer freiheitlichen Demokratie. Der parlamentarischen Opposition kommen danach drei Funktionen zu. Von zentraler Bedeutung sind erstens Kritik und Kontrolle als laufendes Überprüfen und Bewerten des Regierungshandelns. Zweitens soll die Opposition sachliche und personelle Alternativen zur Regierungspolitik bieten, und drittens führt sie politische Minderheitenansichten Unzufriedener in den politischen Prozess ein. Die parlamentarische Opposition hat zwei Möglichkeiten, diesen Funktionen gerecht zu werden: Kooperation oder Konfrontation. Mit dem deutschen Begriffs- und Funktionsverständnis von „parlamentarischer Opposition“ lässt sich oppositionelles Verhalten im Kongress nur ungenügend beschreiben. Weder decken sich die Begriffe ‚party‘ und Partei noch Fraktion und ‚leadership‘ oder ‚party in parliament‘. In den Vereinigten Staaten wird oppositionelles Verhalten darüber hinaus von unterschiedlichen und wechselnden Akteuren praktiziert. Dagegen kann in der Bundesrepublik die parlamentarische Opposition durch die Gegenüberstellung zur Regierung bzw. den sie tragenden Regierungsfraktionen abgegrenzt werden; die politische Opposition ist damit eine fest gefügte politische Gegenkraft. Hinzu kommt, dass die Vereinigten Staaten – wesentlich mehr als parlamentarische Regierungssysteme, deren zentrales Element die Wahl der Regierung durch das Parlament und die Verantwortung der Regierung vor dem Parlament ist, – von einem wirklichen Dualismus zwischen Exekutive und Legislative

———————— 2

Leach v. Resolution Trust Corporation, 860 F. Supp. 868, 874-876 (1994).

§ 21 Rolle der Oppositon

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geprägt sind. Präsidenten- und Secretary-Amt sind mit einem Sitz im Kongress nicht vereinbar. Die Amtsträger müssen damit leben, dass ein wesentlicher Teil der strategischen Arbeit im Kongress geleistet wird und praktisch keine Vorlage, die von der Exekutive stammt, dort auch so verabschiedet wird. Für den Präsidenten bedeutet das ein ständiges Ringen um Einfluss, Kontrolle und Kompromisse. Dazu gibt es keine verlässliche Fraktionsdisziplin im Kongress. Vor allem im parteifernen Senat verlaufen die Frontlinien völlig unübersichtlich. Bspw. stimmten im Dezember 2002 eine Reihe demokratischer Senatoren überzeugt dem Kriegseinsatz im Irak zu. Hingegen verweigerten eine Anzahl republikanischer Senatoren ihre Zustimmung. Die Parteien sind keine straff geführten Mitglieder- oder Programmparteien. Obwohl sich der parteipolitische Zusammenhalt im Kongress in den letzten Jahren deutlich verstärkt hat, gibt es keine klare Frontlinie parteipolitischer parlamentarischer Auseinandersetzung. Jedes Kongressmitglied tritt überwiegend als unabhängiger Einzelkämpfer auf. Hier steht der Einsatz für den Wahlbezirk, nicht die Parteipolitik im Vordergrund. Die Mitglieder des Repräsentantenhauses müssen sich alle zwei Jahre dem Wählervotum stellen und fühlen sich deshalb wesentlich stärker den lokalen Interessen und Gruppierungen als der Exekutivspitze oder der Partei verpflichtet. Geht es um Interessen des Wahlkreises, ist der Abgeordnete notfalls zum Widerspruch gegenüber dem Präsidenten oder auch Fraktionskollegen aufgefordert. Das oppositionelle Bild wird daher von zum Teil wechselnden Zusammenschlüssen einzelner Abgeordneter in Interessengruppen geprägt. Hierbei ist eben nicht nur zwischen Demokraten und Republikanern, sondern auch zwischen Liberalen und Konservativen und Interessengruppen auf Grund ethnischer, religiöser oder beruflicher Gemeinsamkeiten zu unterscheiden. Systembedingt kann die Opposition im Bundestag versuchen, die Regierungspolitik durch Kritik und Anregungen zu beeinflussen, und sie tut dies auch in nicht unerheblichem Maße. Ihr Hauptziel muss es aber sein, selbst an die Regierung zu kommen. Diese politische Regel gilt im US-amerikanischen Regierungssystem nur sehr eingeschränkt. Auch die parlamentarische Minderheit im Kongress hat das Ziel, die Mehrheit zu stellen und, wenn möglich, auch das Präsidentenamt in parteipolitischer Nähe zu haben. Allerdings ist es nicht primäres Ziel der Minderheit, den Präsidenten aus dem Amt zu vertreiben. Rechtlich fehlen hierzu sowieso alle Mittel. Faktisch geht es jedem einzelnen Abgeordneten in allererster Linie um eine Wiederwahl. Mitglieder des Repräsentantenhauses müssen sich alle zwei Jahre, Senatoren alle sechs Jahre vor dem Wähler behaupten. Die Wiederwahl knüpft nicht unmittelbar an die Wiederwahl der Exekutivespitze an. Die politische Opposition ist in den USA, wie die entscheidungstragende Parlamentsmehrheit selbst, keine dauerhaft abzugrenzende Kraft: „[Wo] keine

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

auf Dauer und Konsistenz angelegte parlamentarische Regierungsmehrheit existiert, gibt es entsprechend auch keine Minderheit, also keine Opposition.“3 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum fehlende explizite Minderheitenrechte nach deutschem Verständnis im Untersuchungsverfahren in den Vereinigten Staaten kritiklos hingenommen werden. Der Kampf um die Mehrheit ist nicht zwingend der Kampf um die parteipolitische Mehrheit. Dies gilt für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wie auch für die Beweisführung oder den Abschlussbericht. Wenn überhaupt, lässt sich die Oppositionsrolle in dem ständigen Spannungsverhältnis zwischen Kongress und Präsident verorten. Der Begriff ‚government‘ schließt nach US-amerikanischem Verständnis nicht nur den Teil des ‚executive branch‘ von Präsident und Administration ein, sondern auch beide Häuser des Kongresses. Deshalb wird von ‚unified government‘ gesprochen, wenn der Präsident über eine ihm geneigte Mehrheit im Kongress verfügt, und von ‚divided government‘, wenn die Parteizugehörigkeit eher oppositionell eingestellt ist und mindestens eines der beiden Häuser des Kongresses nicht von der Partei des Präsidenten dominiert wird. Innerhalb dieses Spannungsverhältnisses steht die parteipolitisch parlamentarische Minderheit keinesfalls rechtlos da. Den einzelnen Abgeordneten stehen eine Reihe von Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Exekutive zur Verfügung. Gesetzgebungswünsche des Präsidenten können durch fehlende Mehrheiten scheitern zu lassen. Personelle Vorschläge für die Besetzung wichtiger Führungsaufgaben können blockiert werden. Als ultima ratio besteht die Möglichkeit des Amtsenthebungsverfahrens. Neben diesen ausdrücklich konfrontativen Kontrollmechanismen, die ein erhebliches Drohpotential beinhalten, liegt ein wesentlicher Teil der parlamentarischen Minderheitenrechte in kooperativen Mechanismen. Müssen Minister ihre Budgetwünsche in Anhörungen mehrerer Kongressausschüsse vertreten, hat dies nicht zwingend konfrontativen Charakter, und doch ist das Budgetrecht das Machtpotential des Kongresses und damit auch der kongressionellen Minderheit. Die Informations- und Kontrollmöglichkeiten sind im Senat stärker ausgeprägt. Sie werden durch das individuelle Machtpotential, insbesondere um politische Vorhaben des Präsidenten zu behindern, begünstigt. Senatoren können z.B. vom Recht der unbegrenzten Redezeit Gebrauch machen. Die Verschleppungstaktik durch Dauerreden (‚filibuster‘) kann nur mit der Mehrheit von 60 Stimmen gebrochen werden (‚senate cloture‘).4 Darüber hinaus ist die Bericht———————— 3 Lösche, Opposition und oppositionelles Verhalten in den Vereinigten Staaten, in: Euchner, Politische Opposition, S. 115, 118f. 4 Senate Rule XXII (2). Die Vorschrift ist 1917 gezielt als Instrument der Beendigung der Dauerreden eingefügt worden. Die Redezeit im Repräsentantenhaus ist dagegen über eine Reihe von ‚spezial rules‘ begrenzt.

§ 21 Rolle der Oppositon

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erstattung oder Erörterung von Vorlagen in den Ausschüssen untersagt, wenn weniger als die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist.5 Die schlichte Abwesenheit von Senatoren kann das parlamentarische Verfahren entgegen den Interessen der Mehrheit erheblich verzögern oder zum Erliegen bringen. Gerade vor Ende einer Sitzungsperiode sind diese Mittel gefürchtet. Auch die Minderheit im Repräsentantenhaus bzw. deren Ausschüssen hat Mittel und Wege gefunden, die Macht des Ausschussvorsitzenden zu umgehen oder für sich zu nutzen. Die Mehrheiten im Kongress, insbesondere im Repräsentantenhaus, das sich alle zwei Jahre neu zusammensetzt, ist nicht stabil. Wiedergewählte Mitglieder erhalten regelmäßig den Sitz im gleichen Ausschuss. Das hat zur Folge, dass die Ausschussvorsitzenden die ihnen zur Verfügung stehenden Machtbefugnisse nicht bis zur Gänze ausschöpfen. Unter Umständen stellt sich der Ausschussvorsitzende deshalb eher vor seinen Ausschuss und gegen den Präsidenten. Für das Untersuchungsverfahren bedeutet das, dass Zeugenvorladungen durch den Ausschussvorsitzenden selten ausgefertigt werden, ohne sich mit dem ranghöchsten Mitglied (‚ranking member‘) des parteipolitischen Gegners im Ausschuss ins Benehmen zu setzen. So wird rücksichtsloses Verhalten vermieden. Ebenso erhält das ‚ranking member‘ des Ausschusses vor Beginn einer Anhörung oder Zeugenvernehmung die Möglichkeit, ein einleitendes Statement abzugeben. Gewöhnlich wird die Minderheit rotierend an der Befragung des jeweiligen Zeugen beteiligt. Durch die weitreichende Anhörungspraxis bei Gesetzgebungsvorhaben oder der Sach- und Leistungskontrolle der Exekutive (‚oversight‘) in Verbindung mit den Möglichkeiten des Budgetrechts kann der Kongress die Behördenleiter für ihre politischen Programme „gewinnen.“ Da mehr als die Hälfte ihrer Sitzungszeit Ausschüsse als Untersuchungs- und Kontrollausschüsse tagen, findet sich hier ein wirkungsvoller Ansatz für oppositionelles Verhalten. Bei der Informationsbeschaffung können sich Einzelabgeordnete an die kongresseigenen Behörden wenden, die ihrerseits Informationen seitens der Exekutive einfordern können. Hier ist vor allem die Rechnungsbehörde (General Accounting Office, GAO) von großer Bedeutung, die die Informationsbeschaffung der Kongressmitglieder erheblich unterstützt. Im Übrigen bleibt der Minderheit immer die Möglichkeit, unfaires Verfahren, Informationsmissstände und unkooperatives Verhalten der Exekutive zum Gegenstand der parlamentarischen Debatte zu machen. Hierbei zahlt es sich besonders aus, dass Ausschusssitzungen und Anhörungen in großem Umfang medienöffentlich sind. Allerdings sind konfrontative Ausschusssitzungen die Ausnahme. Sie sind, zumindest der Form nach, eher sachlich ausgerichtete Foren. Bspw. ist Applaus zur Unterstützung der Parteigenossen oder lautstarke ———————— 5

Senate Rule XXVI.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Ablehnung des Gegners, wie dies z.B. in der Fragestunde des Bundestages üblich ist, dort unüblich. Das Bild des Kongresses als Ganzes führt dazu, dass in der öffentlichen Darstellung die Wahrnehmung von Einzelabgeordneten immer auch im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Gesamtinstitution Congress und der politischen Führung des Landes (‚government‘) steht. Deshalb ist jeder Abgeordnete geneigt, die governmentale Institution nicht zu beschädigen. Dies zeigt sich in einem grundsätzlich fairen und kooperativen Umgang in den Untersuchungsverfahren. Streit wird im Wesentlichen in dafür vorgesehenen Fernsehsendungen ausgetragen, dann aber auch in einem robusten Ton. Anschauliches Beispiel für das Fairnessgebot ist das Eingangsstatement des stellvertretenden Vorsitzenden der 9/11-Commission, des ehemaligen demokratischen Abgeordneten Alexander Lee Hamilton, anlässlich der Vernehmung der Nationalen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice am 8. April 2004: „Mr. Chairman, I appreciate the opportunity to make a statement. I will be very brief. The purpose of our hearing this morning is very straightforward. We want to get information and we wanted to get it out into the public record. If we are going to fulfill our mandate, a comprehensive and sweeping mandate, then we will have to provide a full and complete accounting of the events of 9/11, and that means that we are going to ask some searching and difficult questions. Our purpose is not to embarrass, it is not to put any witness on the spot. Our purpose is to understand and to inform. Questions do not represent opinions. Our views will follow later after reflection on answers. We want to be thorough this morning, and as you will see in a few minutes, the Commissioners will show that they have mastered their briefs. But we also want to be fair. Most of us on this commission have been in the policymaking world at some time in our careers. Policymakers face terrible dilemmas. Information is incomplete, the inbox is huge, resources are limited. There are only so many hours in the day. The choices are tough and none is tougher than deciding what is a priority and what is not. We will want to explore with Dr. Rice, as we have with other witnesses, the 6 choices that were made.“

Die Live-Übertragung im (inter-)nationalen Fernsehen konnte bestätigten, dass dem Fairnessgebot in der laufenden Zeugenvernehmung entsprochen wurde. Das heißt, die in den Anhörungen anwesende Medienöffentlichkeit verführt die parteipolitische Minderheit nicht zwingend dazu, den politischen Gegner in angreifender oder theatralischer Weise vorzuführen, wie dies im deutschen Raum als Argument gegen die Medienöffentlichkeit angeführt wird und im folgenden Kapitel u.a. untersucht werden soll.

———————— 6

Vgl. (1.6.2004).

§ 22 Öffentlichkeitsprinzip und Zugang audiovisueller Medien Auf die Bedeutung der Öffentlichkeit im parlamentarischen Untersuchungsverfahren wurde bereits an mehreren Stellen dieser Arbeit hingewiesen. In den Länderberichten wurde herausgearbeitet, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen US-amerikanischem und deutschem Untersuchungsrecht darin besteht, dass dort Verfahren der Untersuchungsausschüsse in Wort und Bild übertragen werden können, dies im Untersuchungsausschuss des Bundestages hingegen verboten ist. Deshalb ist im Folgenden maßgeblich der Frage nachzugehen, mit welchen Gründen der Ausschluss elektronischer Medien im Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG gerechtfertigt werden kann. Diese Ausführungen werden insbesondere die These begründen, dass § 13 PUAG, der Ton- und Bildübertragungen aus dem Untersuchungsverfahren grundsätzlich für unzulässig erklärt, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Zunächst wird die Parlamentspraxis in beiden Staaten zusammenfassend erörtert; Gemeinsamkeiten und Unterschiede beim Geheimnisschutz werden herausgestellt. Die thematisch hierher gehörende Diskussion zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bzw. dem in den Vereinigten Staaten bezeichneten ‚executive privilege‘ wird aus Gründen der Übersichtlichkeit in das darauffolgende Kapitel verlegt.1 Für die Frage der Medienöffentlichkeit im Untersuchungsverfahren sind zwei Vorüberlegungen anzustellen, die aus dem Umstand resultieren, dass das Öffentlichkeitsprinzip in beiden Staaten zugleich demokratisches Strukturmerkmal und Individualrecht im Sinne der Informations- und Meinungsfreiheit ist. Vor dem rechtsvergleichenden Hintergrund sollen die folgenden Ausführungen zu Ursprung, Inhalt und Funktion des allgemeinen parlamentarischen Öffentlichkeitsprinzips den Bezugspunkt für den untersuchungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatz verdeutlichen. Außerdem zeigt die Parallele Gemeinsamkeiten im Interessenausgleich zwischen Öffentlichkeitsprinzip und Persönlichkeitsschutz, wobei in beiden Staaten die für das Gerichtsverfahren entwickelten Standards aufgegriffen werden. Allerdings unterscheiden sich Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsprinzips im Untersuchungsverfahren vom Grundsatz ———————— 1

Siehe oben § 23, S. 340.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

der gerichtlichen Öffentlichkeit. Dies hat Auswirkung auf den Umfang der Informations- und Rundfunkfreiheit im Untersuchungsverfahren. I. Praxis des Öffentlichkeitsprinzips im Bundestag und im US-Kongress Das Plenum des Deutschen Bundestages verhandelt grundsätzlich öffentlich, die Fachausschüsse nur ausnahmsweise.2 In den Fachausschüssen besteht bei Gesetzesvorlagen die Möglichkeit der öffentlichen Anhörung. Diese muss durchgeführt werden, wenn eine qualifizierte Minderheit dies beantragt.3 Anhörungen ohne einen konkreten Bezug zu einer Gesetzesvorlage sind die Ausnahme. Zwar zeigt sich in jüngster Zeit vereinzelt die Praxis, bedeutsame Vorgänge auch in den Ausschüssen zu erörtern und Verantwortliche aus Exekutiveinheiten anzuhören.4 Raum der öffentlichkeitswirksamen Auseinandersetzung sind aber nach wie vor nicht die Fachausschüsse, sondern ist das Plenum des Bundestages. Dagegen haben Kongressausschüsse ein wesentlich ausgeprägteres Verständnis von Selbstbefassungs- und Vermittlungskompetenz als die ständigen Ausschüsse des Bundestages gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 GO-BT. Sie sehen sich nicht nur als vorbereitende Beschlussorgane, sondern als Foren öffentlicher Meinungsbildung und vornehmlich als Gremien der Gesetzesinitiative. Demzufolge sind Sitzungen, Anhörungen und Zeugenvernehmungen nicht nur in großem Umfang der Öffentlichkeit, sondern selbstverständlich auch der Übertragung in den elektronischen Medien zugänglich. 1. Zugang elektronischer Medien Die amerikanische Parlamentswirklichkeit ist weit davon entfernt, Einschränkungen der Öffentlichkeit bzw. des Zugangs elektronischer Medien zu Untersuchungsverfahren voranzutreiben. Beispiel aus jüngster Zeit ist die vorrangig mit Kongressabgeordneten besetzte 9/11-Commission, deren öffentliche Anhörungen eine internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Die Debatte um zulässige und sinnvolle Ton- und Bildberichterstattung aus dem Bundestag, ist der zuvor beschriebenen Diskussion um die Medienöffentlichkeit im Kongress nicht unähnlich. Auch hier bestand die Furcht vor der ———————— 2

Art. 42 Abs. 1 GG. § 69 GO-BT. 4 Hier sei die Untersuchung der Vorgänge um die Vergabe von Medienberaterverträgen durch die Bundesanstalt für Arbeit genannt, deren damaliger Vorsitzender, Florian Gerster, vor den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit geladen wurde, siehe Fn. 3; S. 360. 3

§ 22 Öffentlichkeitsprinzip

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„allgegenwärtigen“ Kamera.5 Schon in den 1950er Jahren begegneten LiveÜbertragungen im deutschen Rundfunk starken Vorbehalten seitens der Abgeordneten. Nach der ersten Hörfunkübertragung der Konstituierung des Bundestages am 7. September 1949 und den ab November 1949 wöchentlichen Berichten im Nordwestdeutschen Rundfunk einigte sich die Programmdirektorenkonferenz im Oktober 1950 darauf, bis auf Regierungs- und Oppositionserklärungen keine weiteren Übertragungen zuzulassen. Der Streit setzte sich im Rahmen der Fernsehübertragungen fort. Die Übertragung der Verabschiedung des Soldatengesetzes im Februar 1956 wurde vom Ältestenrat verboten. 6 Ab 1958 wurde das Fernsehen auf Feierstunden oder Sitzungen, die den „einheitlichen Willen des Hauses“ wiedergeben beschränkt. Sitzungen, die die parlamentarische Auseinandersetzung dokumentieren, sollte das Fernsehen fern bleiben. Allerdings führten die rasche Ausbreitung des Fernsehens in den 1960er Jahren einerseits und die positiven Erfahrungen mit vereinzelt zugelassenen LiveÜbertragungen andererseits zu einer Neubewertung. Über den Antrag der SPDFraktion, dem Rundfunk und Fernsehen die grundsätzliche Erlaubnis zur Direktübertragung zu erteilen oder Debatten mitzuschneiden und in Ausschnitten zu senden, wurde jedoch nie entschieden.7 Seit der Befassung des Ältestenrats im Januar 1966 sind alle Anträge auf Live-Übertragungen aus dem Plenum ausnahmslos genehmigt worden. Eine zunehmende Bedeutung bei der Übertragung hat der Ereignissender PHOENIX bekommen. Allerdings ist PHOENIX kein Parlamentskanal wie der Sender C-SPAN, weil er nicht nur ausschließlich aus dem und über das Parlament berichtet. Debatten werden im Übrigen nicht vollständig übertragen. Der Sender ist vertraglich verpflichtet, einen Teil seines Programms der Parlamentsberichterstattung zu widmen. Bild- und Tonübertragungen aus der Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses konnten sich nicht durchsetzen, obwohl ihre Zulässigkeit in einzelnen Stellungnahmen8 und in den neueren Gesetzentwürfen9 als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Seit der Übertragung aus dem Untersuchungsausschuss „Bundeshauptstadt“ im Hörfunk (1950) erfolgten keine weiteren Aufnahmen oder Übertragungen. Die Tendenz, Ton- und Bildaufnahmen aus dem Untersuchungsverfahren fern zu halten, manifestierte sich gesetzlich in § 13 PUAG. Hier werden Ton- und Bildaufnahmen grundsätzlich verboten und ———————— 5

Siehe ausführlich oben § 14 III., S. 195f. Schindler, Datenhandbuch, S. 3482. 7 Schindler, aaO., ebd. 8 Partsch, Funktion, Struktur und Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, 45. DJT, S. 148; Beschlüsse des 57. DJT 1988, in: Verhandlungen des 57. DJT 1988, S. M 251, wo sich die Forderung allerdings nicht durchsetzen konnte; Binder, Öffentlichkeit und Recht zur Berichterstattung, DVBl. 1985, S. 1112, 1116ff. 9 BT-Drs. 11/1896, BT-Drs. 11/2025, wie auch in den IPA-Regeln (BT-Drs. 5/4209). 6

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

nur ausnahmsweise – mit Zwei-Drittel-Mehrheit und mit Zustimmung der Auskunftsperson – zugelassen. 2. Geheimnisschutz In beiden Staaten existieren Vorkehrungen zum Schutz staatlicher und privater Geheimnisse. Formal erfolgt der Geheimnisschutz entweder, indem Informationen dem Parlament als Ganzem vorenthalten werden, was selten ist, diese nur bestimmten Abgeordneten, bspw. eines Ausschusses, unter Geheimschutz übergeben werden oder die Öffentlichkeit aus parlamentarischen Untersuchungsverfahren per se bzw. im Einzelfall ausgeschlossen wird. Der Ausschluss der Öffentlichkeit per se wird bspw. in den sog. geschlossenen Parlamentsausschüssen angewandt. In der Bundesrepublik zählen hierzu der Verteidigungsausschuss, die parlamentarische Kontrollkommission und die Kommission zur Kontrolle der Geheimdienste. Im Kongress tagen die Verteidigungsausschüsse (House Armed Service Committee, Senate Armeed Service Committee) und die Ausschüsse zur Kontrolle der Geheimdienste (House Permanent Select Committee on Intelligence, Senate Select Committee on Intelligence) in ‚executive session‘. Darüber hinaus kann die Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips durch den isolierten Ausschluss elektronischer Medien erfolgen. Materiell können die Geheimhaltungsgründe danach unterschieden werden, ob der Schutz staatliche oder private Geheimnisse betrifft. a) Staatliche Geheimnisse Die Zurückhaltung von Informationen gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit aus Gründen des Schutzes staatlicher Geheimnisse durch die Exekutive wird in den USA praktisch wesentlich restriktiver gehandhabt als im Bundestag. Informationen können nur dann gegenüber dem Kongress – und gegenüber der Öffentlichkeit – verweigert werden, wenn es sich um militärische Geheimnisse oder Sachverhalte handelt, deren Geheimhaltung im Interesse der nationalen Sicherheit ist oder dem Erhalt diplomatischer Beziehungen dient. Im Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, wenn „besondere Gründe des Wohls des Bundes oder eines Landes entgegenstehen, insbesondere wenn Nachteile für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder ihrer Beziehungen zu anderen Staaten zu besorgen sind“ (§ 14 Abs. 1 Nr. 5 PUAG). Die Rechtslage beruht in beiden Staaten auf der Geheimhaltung im öffentlichen Interesse.10 ———————— 10

Siehe ausführlich § 8 (Bundestag), § 14 (Kongress).

§ 22 Öffentlichkeitsprinzip

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Allerdings ist der rechtlich geschützte Bereich geheimer exekutiver Betätigung in den USA im 20. Jahrhundert vor allem durch die Rechtsprechung des Supreme Court im Zusammenhang mit der Watergate-Affäre geschrumpft. Ein privilegierter Bereich der Vertraulichkeit der Kommunikation des Präsidenten mit seinen Beratern besteht nur noch theoretisch und ist über die anerkannten Geheimschutzgründe der diplomatischen Beziehungen und der nationalen Sicherheit hinaus kaum noch erkennbar. Hinzu kommt der starke Schutz der Rede- und Pressefreiheit, der es der Regierung selbst im Fall der Veröffentlichung gestohlener Dokumente zur Kriegsstrategie in Vietnam (sog. Pentagon Papers) unmöglich machte, diese Informationen geheimzuhalten.11 Obwohl die ausgedehnten Parlamentsuntersuchungen des McCarthyAusschusses im amerikanischen Denken präsent sind, werden die Folgen einer im Einzelfall ausufernden Untersuchung gegenüber einer unkontrollierten Verwaltungsspitze, wie sie sich im Fall des Vietnamkrieges oder der verdeckten Verbrechen und der Beeinflussung des Wahlprozesses in der Watergate-Affäre zeigten, eindeutig geringer eingeschätzt. Streitigkeiten (‚congressional-executive disputes‘; ‚presidential information disputes‘) werden zumeist auf dem Verhandlungswege gelöst; Gerichtsentscheidungen sind selten.12 b) Private Geheimnisse Der Schutz privater Geheimnisse wird durch gesetzliche oder geschäftsordnungsrechtliche Regelungen, die auch im parlamentarischen Untersuchungsverfahren gelten, gewährleistet. Darüber hinaus können sich Einschränkungen des Öffentlichkeitsprinzips aus dem Persönlichkeitsrecht der an parlamentarischen Untersuchungsverfahren Beteiligten ergeben. Der Schutz von Persönlichkeitsrechten wird im Bundestag und im US-Kongress gleichermaßen nicht durch die Zurückhaltung von geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen gegenüber dem Parlament gewährleistet, sondern in erster Linie durch den Ausschluss der Öffentlichkeit und entsprechende Sanktionen bei Geheimnisverrat. Die Öffentlichkeit wird in den Kongressverfahren ausgeschlossen, wenn durch die Aussage eine dritte Person dem Vorwurf einer Straftat oder anderen Fehlverhaltens ausgesetzt würde, ihr berufliches Ansehen beschädigt oder sie in ———————— 11

Siehe § 14, S. 192. Wald /Siegel, The D.C. Circuit and the Struggle for Control of Presidential Information, 90 Geo L.J. 2002, S. 737-778, ausführlich zu Verhandlungsmodellen und der Rolle des D.C. Circuit; Shane, Negotiation for Knowlegdge: Administrative Responses to Congressional Demands for Information, 44 Admin. L. Rev. S. 197, 237, der sich vor allem gegen eine Überregulierung im politisch relevanten Bereich richtet; ders., Legal Disagreement and Negotiation in a Government of Laws: The Case of Executive Privilege Claims Against Congress, 71 Minnesota Law Review 1987, S. 461ff. 12

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

anderer Weise der öffentlichen Missachtung ausgesetzt würde oder es sich um eindeutig ungerechtfertigtes Eindringen in die Privatsphäre handeln würde.13 Im Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG erfolgt der Schutz privater Geheimnisse primär durch den Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Untersuchungsausschuss schließt nach § 14 PUAG die Öffentlichkeit aus, wenn Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich von Zeugen oder Dritten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzen würde (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 PUAG), eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit von einzelnen Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 PUAG) oder ein Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache käme, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 PUAG). II. Parlamentarisches Öffentlichkeitsprinzip im US-amerikanischen Recht Die US-amerikanische Verfassung äußerst sich nicht zur Frage der Öffentlichkeit im Kongress. Das Prinzip der parlamentarischen Öffentlichkeit war nicht immer selbstverständlich. In der frühen Parlamentsgeschichte Englands wurde die Öffentlichkeit der Verhandlungen keineswegs gewährleistet. Bis 1771 galt es als Breach of Privilege, parlamentarische Verhandlungen zu veröffentlichen. Bis 1845 war die Anwesenheit Parlamentsfremder verboten. Auch die US-Verfassung von 1787 kennt keine Vorschrift über die Öffentlichkeit der Debatten. Nach dem englischen Vorbild verlangt die Verfassung nur, ein Parlamentsprotokoll zu führen. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Verhandlungen des Kongresses nicht öffentlich. Im 20. Jahrhundert wurde der Zugang der Öffentlichkeit zu Parlamentsverhandlungen deutlich gelockert, bis mit dem Einzug des Fernsehens in den 1960er und 70er Jahren die Parlamentsarbeit einem zum Teil internationalen Publikum zugänglich wurde. Der Grundsatz parlamentarischer Öffentlichkeit, einschließlich des Zugangs elektronischer Medien, lässt sich verfassungsrechtlich aus der für die Vereinigten Staaten konstituierenden Wirkung des Grundsatzes der Meinungs- und Pressefreiheit im 1. Amd. herleiten. In Ermangelung klarer Regelungen hat der Supreme Court das Recht der Massenmedien, Nachrichten zu sammeln und zu verbreiten sowie Meinungen zu äußern, seit jeher stark gegen staatliche Beschränkungen verteidigt. In der Mehrzahl der Fälle gingen die Entscheidungen zugunsten umfassender Rechte der Presse aus.14 Der weitgehende Schutz der ———————— 13

Siehe oben § 14 II., S. 191ff. New York Times Co. v. Sullivan, 376 U.S. 254 (1964), New York Times v. United States, 403 U.S. 713 (1971). 14

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Meinungsfreiheit gründet auf den Funktionen, die mit der Freiheit der Meinungsäußerung verbunden sind: die Konstituierung und Kontrolle politischer Macht, der Gedanke der Wahrheitssuche und Wahrheitsfindung durch Rede und Gegenrede, die zu einem aufgeklärten Diskurs führen sollen, die autonome Selbstdarstellung des Individuums und die Erwartung, dass durch die Freiheit der Rede Gemeinwohl, Stabilität und Wandel der Gesellschaft gesichert werden.15 Ausgangspunkt ist die Vorstellung, dass ein optimaler demokratischer Prozess der politischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung dient. Widersprechende Standpunkte müssen ausgedrückt werden, nicht weil sie richtig, sondern weil sie relevant sind und damit vom Wähler zur Kenntnis genommen werden müssen. Informierte Meinungsbildung und Entscheidungsfindung über staatliche Vorhaben oder Aktivitäten hängen von einer offenen Auseinandersetzung über alle bedeutsamen Gesichtspunkte ab. Die kritische Begleitung staatlicher Vorgänge durch die öffentliche Meinung sowie der ungehinderte Austausch unterschiedlicher Ansichten werden als unverzichtbares Sicherungsmittel für das Funktionieren des demokratischen Systems angesehen.16 Darüber hinaus gilt die öffentliche Meinung als Vetomacht im Gedanken der „nachträglichen“ Kontrolle staatlicher Machtausübung. Nur durch kritische Auseinandersetzung lässt sich Missbrauch öffentlicher Autorität verhindern.17 Träger des Grundrechts sind das Individuum und das Publikum als Rezipient. Der Supreme Court geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das 1. Amd. sowohl Sprecher- als auch Empfängerinteressen schützt, d.h. das Recht auf Artikulation und, darin eingeschlossen, das Recht auf Informationsverschaffung und -vermittlung.18 Das Recht fördere nicht nur die freie Selbstdarstellung, sondern habe auch die Funktion, dem Publikum Zugang zu Diskussion, Debatte und zur Verbreitung von Information und Ideen zu geben. Fälle der Vorzensur (‚prior restraint‘) unterliegen der Vermutung der Verfassungswidrigkeit.19 Der Staat darf das Spektrum des verfügbaren Wissens nicht beschränken. Die Meinungsfreiheit schützt grundsätzlich jede Art, sich in Wort, Bild und Schrift zu äußern, also alle Formen, durch die Meinungen geäußert oder verbreitet werden können. Der Supreme Court macht zwischen elektronischen ———————— 15

Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 161. Zur dogmatischen und kategorialen Weiterentwicklung der Meinungsfreiheit durch den Supreme Court statt aller Brugger, Demokratie, Freiheit, Gleichheit, S. 263ff. 17 Board of Education v. Barnette, 319 U.S. 624, 641 (1943). Vgl. Brugger, Demokratie, Freiheit, Gleichheit, S. 268ff. 18 Die von der Mehrheit des Supreme Court abweichende Meinung des Richters Brennan befürwortete sogar verfassungsrechtliche Informationspflichten, Board of Education v. Pico, 457 U.S. 853, 866f. (1982). 19 Near v. Minnesota, 283 U.S. 697 (1931); New York Times Co. v. United States, 403 U.S. 713 (1971). 16

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Medien und der ausdrücklich in der USVerf. erwähnten Presse keinen wesentlichen Unterschied.20 Die herausragende Bedeutung der Presse- oder Medienfreiheit ergibt sich auf Grund des engen Zusammenhangs mit dem Demokratieprinzip. Die Massenmedien haben in diesem Kontext die Funktionen, politische Prozesse zu vermitteln und verständlich zu machen, staatliches Handeln als „Vetomacht“ des Bürgers zu kontrollieren und bei der Bildung der öffentlichen Meinung zu vermitteln.21 Hinsichtlich des Schutzbereiches unterscheidet der Supreme Court zwischen Äußerungen, die im Kernbereich angesiedelt sind und meist sowohl dem Gemeinwesen als auch dem Individuum dienen (‚high-value speech‘) und solchen, die diesem Bereich nicht zufallen und geringeren Schutz beanspruchen (‚lowvalue speech‘ oder ‚speech minus‘).22 Den starken Schutz der politischen Rede knüpft der Supreme Court an die Überzeugung, dass es keine „falsche Rede“ oder „falsche Idee“ gebe, und „wie verderblich eine Idee auch erscheinen mag, so verlassen wir uns für ihre Korrektur nicht auf das Gewissen von Richtern und Geschworenen, sondern auf die Konkurrenz anderer Ideen“. 23 Informationen und Meinungen über politisch relevante Fragen sollen Orientierungen für das Verhalten der Menschen im sozialen Bereich bieten.24 Aus alldem folgt, dass nicht nur den Repräsentanten elektronischer Medien der Zugang zu Kongressuntersuchungen zu gewähren ist, sondern auch die Übertragung in Wort und Bild nicht ohne Grund beschränkt werden kann. Audiovisuellen Medien steht daher ein subjektives Recht auf Zugang zum parlamentarischen Untersuchungsverfahren zu. Eine grundsätzliche Beschränkung auf ein Zutrittsrecht der Medienvertreter würde eine unzulässige Beschränkung der Presse- und Informationsfreiheit bedeuten und kann nur mit überwiegenden Belangen gerechtfertigt werden. Die Kompromisslinien im Interessenausgleich zwischen Öffentlichkeitsprinzip und Persönlichkeitsschutz im kongressionellen Untersuchungsverfahren ———————— 20 Allerdings erklärte der Supreme Court 1951 die Filmzensur für verfassungsgemäß, Joseph Burstyn Inc. v. Wilson, 343 U.S. 495 (1951). 21 „The freedoms of speech, press, and assembly, expressly guaranteed by the First Amendment, share a common core purpose of assuring freedom of communication on matters relating to the functioning of government“, Richmond Newspapers v. Virginia 448 U.S. 555, 575-578 (1980). 22 Auf der Eingriffsseite wird unterschieden zwischen staatlichen Regulierungen, die anderen Zwecken dienen und in Bezug auf den Inhalt der Rede neutral sind (‚contentneutral regulation‘), und denen, die auf den Inhalt der Äußerung Einfluss haben (‚content-based or viewpoint-based regulations‘); vgl. Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 161. 23 Gert v. R. Welch, 418 U.S. 323, 339 (1974). Übersetzung nach Brugger, Demokratie, Freiheit, Gleichheit, S. 269. 24 Brugger, Demokratie, Freiheit, Gleichheit, S. 273.

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sind angelehnt an die Prinzipien im Gerichtsverfahren.25 Ausgehend von der Funktion des Öffentlichkeitsprinzips im Gerichtsverfahren, das ein faires Verfahren zugunsten des Angeklagten und, darüber hinaus, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtsprechung gewährleisten soll, weist der Supreme Court darauf hin, dass das Gerichtsverfahren per se ein öffentlicher Vorgang sei, der von Natur aus die Privatsphäre nur in gewissem Umfang schützen könne; gewisse Aspekte des Persönlichkeitsschutzes müssten deshalb in einer öffentlichen Verhandlung zwangsläufig vernachlässigt werden.26 Für die Fernsehberichterstattung hat der Supreme Court 1981 in Chandler v. Florida entschieden, dass Übertragungen selbst dann zulässig seien, wenn der Angeklagte der Übertragung widerspreche, solange verfassungsrechtliche Grundsätze beachtet würden. Insbesondere wies das Gericht mangels empirischer Befunde das Argument zurück, dass bereits die Anwesenheit von Fernsehkameras zwangsläufig entscheidungserhebliche Verhaltensänderungen zur Folge haben könnte. Eine konkrete Beeinträchtigung müsse im Einzelfall nachgewiesen werden. 27 Das Zugangsrecht der Medien überwiegt nicht die Rechte des Angeklagten. Beide Rechtsgüter stehen gleichrangig nebeneinander.28 ———————— 25 Derzeit lassen einige Bundesstaaten Fernsehaufnahmen aus Gerichtsverfahren zu, andere machen dies von der Zustimmung der Beteiligten abhängig, verbieten sie oder überlassen die Entscheidung gänzlich dem Richter. An den Bundesgerichten sind Fernsehkameras bei Strafverfahren generell verboten. Dies gilt auch, wenn der Angeklagte dies wünscht. Fernsehaufnahmen aus dem Supreme Court sind nicht erlaubt, allerdings wird die mündliche Verhandlung (‚oral arguments‘) seit Anfang der 90er Jahre im Hörfunk übertragen. 26 „A trial courtroom is a public place where the people generally – and representatives of the media – have a right to be present, and where their presence historically has been thought to enhance the integrity and quality of what takes place.“, Richmond Newspapers v. Virginia, 448 U.S. 555, 575 (1980); „Openness enhances both the basic fairness of the criminal trial and the appearance of fairness so essential to public confidence in the criminal justice system. Closed proceedings, although not absolutely precluded, must be rare and only for cause shown that outweighs the value of openness. The presumption of openness may be overcome only by an overriding interest based on findings that closure is essential to preserve higher values and is narrowly tailored to serve that interest.“, ebd. S. 581. 27 Chandler v. Florida, 449 U.S. 560, 66 L. Ed. 3d 740. Dem voraus ging das Urteil Estes v. Texas, 381 U.S. 532, im Jahre 1965. Der Supreme Court hatte darin ein Urteil aufgehoben, dass mit der Begründung angefochten wurde, Kameraleute und Fernsehaufnahmen hätten ein faires Verfahren verhindert. Es sah die Gefahr, dass die Jury beeinflusst und Zeugenaussagen beeinträchtigt werden könnten. Die Wahrscheinlichkeit einer öffentlichen Vorverurteilung genügte dem Gericht. Daraufhin schlossen nicht nur eine Reihe von Einzelstaaten das Fernsehen aus den Gerichtssälen aus. Es folgte auch eine Gegenbewegung mit verschiedenen Pilotprojekten und Studien, vgl. Vietmeyer, Vor- und Nachteile der Rundfunköffentlichkeit, S. 136ff.; in Chandler v. Florida konkretisierte das Gericht seine damalige Entscheidung. Sie sei nicht so zu verstehen gewesen, dass Fernsehübertragungen generell die Gefährdung eines fairen Verfahrens inne wohne, ebd. S. 756; die jüngste Befragung von Juristen, Zeugen bei öffentlichen Anhö-

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

In Anbetracht der Vermittlungsfunktion der Medien bei der Berichterstattung über gerichtliche Verfahren hat der Supreme Court wiederholt erklärt, dass der generelle Ausschluss von Medien aus Gerichtsverfahren per Gesetz unverhältnismäßig sei. Der Nachweis eines überwiegenden Persönlichkeitsschutzes müsse im Einzelfall nachgewiesen und den Beteiligten die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden: „In an extraordinary case such a restriction might be justified, but the justifications must be adduced on a case-by-case basis, with all interested parties given the oppor29 tunity to participate, and less restrictive alternatives must be adopted if feasible.“

Was folgt daraus für das parlamentarische Untersuchungsverfahren? Wie das Gerichtsverfahren hat das parlamentarische Untersuchungsverfahren per se einen öffentlichen Charakter. Aus diesem Grund kann auch hier der Persönlichkeitsschutz nur eingeschränkt gewährleistet werden. Im Unterschied zum Gerichtsverfahren gilt einerseits der Öffentlichkeitsgrundsatz aber nicht dem Schutz des Angeklagten. Andererseits das Untersuchungsverfahren mehr soll als das Gerichtsverfahren die Öffentlichkeit über staatliche Vorgänge informieren. Dem Schutz vor öffentlicher Vorverurteilung des Angeklagten im Strafverfahren entspricht im Untersuchungsverfahren der Schutz der Auskunftspersonen vor öffentlicher Diskreditierung, Vorführung und Ansehensbeschädigung von Zeugen oder Dritten. Darauf nehmen die Geschäftsordnungen des Kongresses Bezug. Praktisch erfolgt die Zeugenvernehmung im Rahmen der Vorermittlung durch nicht-öffentliche ‚depositions‘. Für ‚high officials‘, die dem Kongress im Rahmen ihrer Amtsführung Rede und Antwort stehen, besteht dieser Schutz nicht, denn deren Aussagen können und sollen gerade Teil der Auseinandersetzung sein, der die öffentliche Meinung beeinflusst. Zu befürchtende Ansehensverluste können hier nicht zum Ausschluss der medialen Öffentlichkeit führen. Ab welcher Stufe innerhalb der Hierarchie Personen als ‚high officials‘ gelten, ist nicht entschieden. Maßgeblich sei die Bedeutung des Amtes, verbunden mit dem Maß an Verantwortung und Einfluss.30 ———————— rungen und Jury-Mitgliedern, die mit Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal Erfahrungen gemacht hatten, wurde vom New York State Committee mit dem Ergebnis durchgeführt, dass nur ein geringer Teil der Befragten der Auffassung ist, dass die Beteiligten tatsächlich ihr Verhalten im Prozess veränderten. Zu den Einzelheiten sowie den Umfrageergebnissen in Deutschland vgl. Gehring, Fernsehaufnahmen aus Gerichtsverhandlungen, ZRP 2000, 197ff. 28 Press Enterprise C. v. Superior Court of California, 106 Superior Court 2735 (1086). 29 Capital Cities Media, Incin. v. Toole, 463 U.S. 1303 (1983), mit dem Verweis auf Richmond Newspapers, Inc. v. Virginia, 448 U.S. 555, 580-581 (1980). 30 Siehe § 14.

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Gerichtliche Entscheidungen zum Zugang audiovisueller Medien zu Anhörungen und Zeugenvernehmungen im parlamentarischen Untersuchungsverfahren sind bisher nicht erfolgt. Ein Grund dafür kann sein, dass der Kongress dem Fernsehen bereits in den 1970er Jahren seine Ausschüsse öffnete und die LiveÜbertragung parlamentarischer Untersuchungen zur Selbstverständlichkeit geworden ist. III. Parlamentarisches Öffentlichkeitsprinzip im deutschen Recht 1. Grundsatz der parlamentarischen Öffentlichkeit Das Grundgesetz regelt an verschiedenen Stellen den Öffentlichkeitsgrundsatz: Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG regelt die Öffentlichkeit der Verhandlungen des Bundestages, Art. 44 Abs. 1 GG sieht die Öffentlichkeit der Beweisaufnahme im Untersuchungsverfahren vor. Grundrechtlich werden Meinungs- und Informations-, Presse- und Rundfunkfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 GG geschützt. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fernsehen von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung von Nachrichten und Meinungen.31 Dies umfasst auch grundsätzlich die Möglichkeit, ein Ereignis für die Zuhörer und Zuschauer akustisch und optisch in voller Länge oder in Ausschnitten, zeitgleich oder zeitversetzt zu übertragen.32 Der Informationsanspruch audiovisueller Medien reicht im Rahmen der Rundfunkfreiheit genauso weit, wie der Informationsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG für den Bürger allgemein. Seinen gedanklichen Urspung hat das parlamentarische Öffentlichkeitsprinzip – über die expliziten Grundgesetznormen hinaus – im Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG). Die für das parlamentarische Öffentlichkeitsprinzip in den Vereinigten Staaten genannten Funktionen liegen auch dem Transparenzgedanken in der Bundesrepublik als demokratisches Gemeinwesen zugrunde. Der Schwerpunkt liegt auf der legitimierenden und kontrollierenden Funktion der Öffentlichkeit. Das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußert sich in der „Einflussnahme auf den ständigen Prozess der politischen Meinungsbildung.“33 Über die Stimmabgabe beim Wahlakt hinaus, muss sich die Ausübung der Staatsgewalt auf die Willensbildung des Volkes und einen offenen Kommunikationsprozess zurückführen lassen.34 Demokratische ———————— 31

BVerfGE 10, 118, 121; 91, 125, 134. BVerfGE 91, 125, 134. 33 BVerfGE 20, 56, 98. 34 BVerfGE 7, 198, 208; 49, 89, 124. 32

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Legitimation der in Art. 20 Abs. 2 GG genannten Staatsorgane setzt deshalb die „Rückkopplung“ an das Volk, von dem die Staatsgewalt ausgeht, voraus.35 Für diese Rückkopplung sieht das Verfassungsrecht verschiedene Verfahren für die verschiedenen Staatsorgane vor, wie z.B. die grundsätzliche Öffentlichkeit der Verhandlungen des Parlaments und der Gerichte. Hinsichtlich der Regierung erfolgt die Rückkopplung gegenüber dem Parlament durch die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament, die in einer Vielzahl von Vorschriften zum Ausdruck kommt, Art. 67, 68, 44, 38, 114 GG. Das Parlament nimmt im Wege der Repräsentation des Volkes die Kontrollfunktion gegenüber der Regierung wahr. Partizipation ist unter den Bedingungen der Massendemokratie mit der Freiheit der Massenmedien, die mit besonderer sozialer Breitenwirkung Tatsachen und Meinung veröffentlichen, untrennbar verbunden. Erst das Zusammenwirken dieser Freiheiten ermöglicht die ständige Auseinandersetzung, den „Kampf der Meinungen“ als Lebenselement der freiheitlichen Demokratie im Verfassungsstaat des Grundgesetzes.36 Auf Grund der sinnverwandten Bedeutung der Meinungsfreiheit wie auch der Funktionen des parlamentarischen Öffentlichkeitsprinzips erweckt die Regelung über den Ausschluss von Bild- und Tonübertragungen aus der Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses somit auf Bedenken. Dieser Eindruck verstärkt sich beim folgenden Blick auf Funktion und Entstehungsgeschichte des Öffentlichkeitsprinzips in Art. 44 Abs. 1 GG. Insbesondere wird der Bezug des Öffentlichkeitsgrundsatzes in Art. 44 Abs. 1 GG zum allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der parlamentarischen Verhandlungen gemäß Art. 42 Abs. 1 GG nach seinem Sinn und Zweck offenbar.37 2. Öffentlichkeit der Beweiserhebung Das Öffentlichkeitsprinzip war von Anfang an wesentlicher Bestandteil des Untersuchungsrechts. In den Entwürfen zu Art. 34 WRV war das Gebot öffentlicher Beweiserhebung noch uneinschränkbar enthalten.38 Im Laufe der weiteren Verhandlungen wurde es abgeschwächt und am Ende der Beratungen der Ausschluss mit Zwei-Drittel-Mehrheit zugelassen. Art. 29 WRV, der die Öf———————— 35 Zu Rückkopplungseffekten BVerfGE 85, 264, 284; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 Rn. 73; Dreier, Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, Jura 1997, S. 249, 255f. 36 BVerfGE 7, 198, 208. 37 Anders Schröder, Altes und Neues zum Recht der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse aus Anlass der CDU-Parteispendenaffäre, NJW 2000, S. 1455, 1458, der dem Öffentlichkeitsgebot in Art. 42 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 GG nicht die gleiche Funktion zuordnet und einen „qualitativen Unterschied“ zwischen politischer Debatte und verfahrensrechtlicher Zeugeneinvernahme sieht, allerdings, ohne diesen genau zu benennen. 38 Prot. des Verfassungsausschusses, St.B.NV. 1918/19, Bd. 336, Anl. 391, S. 265.

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fentlichkeit der Plenardebatte regelte, enthielt für den Ausschluss der Öffentlichkeit das gleiche Erfordernis.39 Aus welchen Gründen während der Beratungen des Grundgesetzes von der qualifizierten Mehrheit für den Ausschluss der Öffentlichkeit Abstand genommen und zur einfachen Mehrheit übergegangen wurde, wird aus den Gesetzgebungsmaterialien nicht ersichtlich.40 Nach Max Weber, dem „geistigen Vater des parlamentarischen Untersuchungsrechts“41, ist Sinn und Zweck des Untersuchungsverfahrens die Publizität der Regierungskontrolle: „Durch effektive Parlamentskontrolle erzwungene Publizität der Verwaltung ist das, was als Vorbedingung jeder fruchtbaren Parlamentsarbeit und der politischen Erzie42 hung der Nation zu fordern ist.“

Das Untersuchungsrecht soll Verwaltungschefs zwingen können, „in einer Art Rede zu stehen, die seine Anwendung unnötig macht.“43 Ebenso wurde auch in der Debatte des Verfassungsausschusses der Weimarer Nationalversammlung44 und im Parlamentarischen Rat45 die öffentliche Klärung als „Zweck“ der Untersuchung betont. Unbestritten ist das Öffentlichkeitsprinzip unverzichtbares Strukturmerkmal des Untersuchungsrechts. In der Einwirkung auf die öffentliche Meinung liegt das wesentliche Sanktionspotential einer parlamentarischen Untersuchung. In Verbindung mit den zur Verfügung stehenden Zwangsmitteln zwingt das Parlament den aufklärungsbedürftigen Sachverhalt vor die Öffentlichkeit. Erst dadurch gewinnt das Untersuchungsrecht an Effizienz.46 Als Instrument der parlamentarischen Kontrolle vertritt das Parlament durch die Inanspruchnahme des Untersuchungsausschusses den Bürger bei der Kontrolle der Regierung. In Rückkopplung dazu muss der Bürger über die Ergebnisse der Kontrollaktivitäten informiert werden. Dies entspricht dem Grundsatz der Volkssouveränität. ———————— 39

Votum der 1. Lesung des Abg. Schulz, aaO., S. 265. Art. 57 des Entwurfs von Herrenchiemsee sowie die Ansicht im Parlamentarischen Rat (Prot.PR. 203) hatten noch an der strengen Auffassung des Öffentlichkeitsprinzips festgehalten. Ein Gegenvorschlag, der aus Sachlichkeitsgründen die nichtöffentliche Verhandlung der Ausschüsse beantragte, fand keine Unterstützung (Prot.PR. Organisationsausschuss, 20. Sitz. v. 5.11.1948, S. 36ff.). Trotzdem verschwand das Zwei-DrittelErfordernis zwischen der 3. Lesung des Hauptausschusses und der Endfassung, die eine einfache Mehrheit für den Ausschluss der Öffentlichkeit ausreichen ließ. 41 Steffani, Funktion und Kompetenz parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, PVS 1 (1960), S. 153, 165. 42 Weber, Parlament und Regierung, S. 306, 355. 43 Weber, aaO., S. 353. 44 Protokoll des Verfassungsausschusses, St.B.NV. 1918/19, Bd. 336, Abl. 391, S. 266. 45 Prot.PR., 20. Sitz., 5.11.1948, S. 36. 46 Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44, Rn. 12 m.w.Nachw. 40

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Das Öffentlichkeitsprinzip nach Art. 44 Abs. 1 GG statuiert eine Ausnahme von der regelmäßigen Nichtöffentlichkeit ständiger Fachausschüsse. Wegen dieser ausdrücklichen Anordnung ist es dem Bundestag auch verwehrt, auf Grund der Parlamentsautonomie (Art. 40 GG) über den Umfang des Öffentlichkeitsprinzips bei der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss „frei“ zu entscheiden. Maßstab und Umfang der untersuchungsrechtlichen Öffentlichkeit werden durch höherrangiges Verfassungsrecht vorgegeben. Das untersuchungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip nach Art. 44 Abs.1 GG bestimmt dieses Verfahrensstadium zur „allgemeinen Zugänglichkeit“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG. Der generelle Ausschluss von Ton- und Bildaufnahmen bedeutet damit einen Eingriff in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit. Reicht der Informationsanspruch audiovisueller Medien im Rahmen der Rundfunkfreiheit genauso weit wie der Informationsanspruch des Bürgers nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG allgemein, bedarf es für die Schlechterstellung einer besonderen Rechtfertigung. 3. Untersuchungsrechtliche und gerichtliche Öffentlichkeit Das untersuchungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip unterscheidet sich vom gerichtlichen Öffentlichkeitsgrundsatz. § 13 Abs. 1 S. 1 PUAG ist der Vorschrift nachgebildet, die im Gerichtsverfahren den Ausschluss der Aufnahmen und die Übertragung in Wort und Bild regelt (§ 169 S. 2 Gerichtsverfassungsgesetz, GVG)47. Der Rechtsgedanke, der das Verbot von Ton- und Filmaufnahmen im Gerichtsverfahren rechtfertigt,48 kann im politisch motivierten parlamentarischen Untersuchungsverfahren nicht zum gleichen Ergebnis führen.49 In seiner Entscheidung vom 24. Januar 2001 zum Verbot von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen im Gerichtsverfahren nach § 169 S. 2 GVG hat das Bundesverfassungsgericht die Ansicht, dem Nachrichtensender n-tv stünde ein subjektives Recht auf Zugang zur Gerichtsverhandlung zu, mit dem Argument zurückgewiesen, dass Art. 5 Abs. 1 GG nur das Recht sichere, sich ungehindert ———————— 47

In der Fassung vom 19. Dezember 1964, BGBl. I, S. 1067. Zur Frage der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit des Ausschlusses von Ton- und Filmaufnahmen im Gerichtsverfahren nach § 169 S. 2 GVG vgl. die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.1.2001, BVerfGE 103, 44. Die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 2623/95 betraf den Zugang des Nachrichtensenders n-tv zur Hauptverhandlung im sog. Politbüro-Prozess vor dem Landgericht Berlin am 19.10.1995, die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 622/99 den Zugang zur Übertragung der mündlichen Verhandlung vor dem 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 21.4.1999 im Revisionsverfahren Az. 6 C 18.98 zum sog. Kruzifix-Verfahren. 49 Der Gedanke, Art. 44 Abs. 2 GG würde auf Grund der Verweisung auf die sinngemäße Anwendung der Regeln des Strafprozesses damit auch den Ausschluss der Fernsehöffentlichkeit umfassen, ist nicht überzeugend. So aber Bachmaier, Plädoyer für ein besseres Untersuchungsausschussrecht, RuP 2000, S. 197, 199. 48

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aus einer schon für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehle es an dieser Bestimmung, sei die Informationsbeschaffung nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt. Über die Zugänglichmachung und die Art der Zugangseröffnung entscheide, wer nach der Rechtsordnung über das Bestimmungsrecht verfüge.50 Im Gerichtsverfahren habe der Gesetzgeber von seinem Bestimmungsrecht, die Modalitäten des Verfahrens auszugestalten, Gebrauch gemacht. Das Recht des Gesetzgebers, die Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht als öffentlich zugängliche Informationsquellen und damit auch die Art und Weise des Zugangs zu bestimmen, leitet das Bundesverfassungsgericht aus dessen Befugnis zur Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens ab, also aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Die Ausübung dieses Bestimmungsrechts sei damit keine Beschränkung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, sondern eröffne den Schutzbereich der Informationsfreiheit im Einzelfall.51 Der Gesetzgeber sei aber nicht verpflichtet gewesen, Ausnahmen vom Verbot zu regeln. Greift man diese Argumentation für den Bereich des Art. 44 Abs. 1 GG auf, so spricht die ausdrückliche Regelung des Öffentlichkeitsgrundsatzes dafür, das dem Gesetzgeber das Bestimmungsrecht, die Informationsquelle „Beweiserhebung“ als öffentlich zugänglich zu bestimmen, entzogen ist. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich danach um eine rechtliche Vorgabe, die die Beweiserhebung im Untersuchungsverfahren als eine im „staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt.“52 Der Gesetzgeber kann den Schutzbereich der Informationsfreiheit für die Beweiserhebung nach Art. 44 GG nicht definieren. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit führt insoweit zu einem Recht auf Zugang. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit im parlamentarischen Untersuchungsverfahren wird von Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsprinzips im Untersuchungsverfahren bestimmt. Das Öffentlichkeitsprinzip im Untersuchungsverfahren ist nicht mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz im Gerichtsverfahren identisch. Dieses dient im Gerichtsverfahren primär der Kontrolle des Verfahrens durch die Allgemeinheit und der Sicherstellung eines fairen Verfahrens für den Angeklagten. Die Allgemeinheit soll auch über Aspekte des gerichtlichen Verfahrens informiert und das Vertrauen der Bürger in die Rechtspflege aktualisiert werden. Allerdings geht es nicht um die Offenlegung der Verhältnisse des Angeklagten und um die öffentliche Auseinandersetzung mit den konkreten Tatumständen. Funktion des Öffentlichkeitsprinzips ist also nicht, einer möglichst breiten Menge möglichst umfassend Einsicht zu geben. ———————— 50

BVerfGE 103, 44, 60. BVerfGE 103, 44, 61. 52 BVerfGE 27, 71, 83f.; 90, 27, 32. 51

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Anders im parlamentarischen Untersuchungsverfahren: Hier kommt es gerade darauf an, einer breiten Menge Einsicht zu gewähren. Ziel des Verfahrens ist die Publizität politischer Entscheidungsvorgänge. Das Untersuchungsverfahren ist ein Verfahren für die Öffentlichkeit und nicht vor der Öffentlichkeit.53 Der Zugang der Öffentlichkeit, einschließlich der Fernseh- und Rundfunköffentlichkeit, hat grundsätzlich Vorrang, jedenfalls insoweit, als Vorkehrungen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der Beteiligten möglich und zumutbar sind. 4. Öffentlichkeitsgrundsatz und Auskunftspflicht Privater Ebenso wenig wie die US-amerikanische Verfassung enthält das Grundgesetz ein ausdrückliches Recht auf Privatsphäre. Das Bundesverfassungsgericht hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 2 GG hergeleitet und als besondere Ausprägungen das Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort,54 den Schutz der persönlichen Ehre,55 den Schutz des Namens,56 das Verfügungsrecht über Darstellung der eigenen Person57 sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung58 entwickelt.59 Der Persönlichkeitsschutz hat im Gerichtsverfahren, insbesondere im Strafverfahren, eine besondere Bedeutung.60 Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob es sich um Personen der Zeitgeschichte handelt oder nicht. Das Strafverfahren dürfe – so das Bundesverfassungsgericht – nicht dazu benutzt werden, Personen öffentlich vorzuführen. Insbesondere eine nicht freiwillig aussagende Auskunftsperson bedürfe eines besonderen Schutzes, da sie sich in einer emotional stark belasteten Situation befände. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht würde verstärkt, wenn „Ton und Bilder dies fixier[t]en“, von der rein flüchtigen Wahrnehmung der Anwesenden lösten und den Kreis der Zuschauenden erweiterten.61 Für das parlamentarische Untersuchungsverfahren kann diese Argumentation wiederum nicht zum gleichen Ergebnis führen, wie für das Gerichtsverfahren. Der Ansicht, dass der Schutz von Persönlichkeitsrechten auch im parlamentarischen Untersuchungsverfahren das generelle Verbot von Ton- und ———————— 53

Vgl. auch Masing, Parlamentarische Untersuchungen, S. 288. BVerfGE 35, 202, 246. 55 BVerfGE 54, 148, 217. 56 BVerfGE 78, 38, 49. 57 BVerfGE 35, 202, 220. 58 BVerfGE 65, 1. 59 BVerfGE 35, 202, 219f.; 54, 148, 153. 60 BVerfGE 103, 44, 68. 61 BVerfGE 103, 44, 68ff. 54

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Filmaufnahmen rechtfertige, ist zu widersprechen.62 Das Untersuchungsverfahren dient nicht der Aufklärung persönlicher, sondern staatlicher Sachverhalte. Anders als im Strafverfahren geht es nicht um die Feststellung eines sozialethischen Unwerturteils. Der Gefahr, dass Personen vorgeführt werden, kann im Einzelfall begegnet werden. Weniger einschneidende Maßnahmen sind hier denkbar. Persönlichkeitsrechte können bspw. durch den Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 PUAG oder den als Minus enthaltenen Ausschluss von Ton- und Filmaufnahmen oder durch besondere Vorkehrungen im Einzelfall ausreichend geschützt werden. Diese Maßnahmen bedeuten einen weniger intensiven Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 2. Alt. GG als der generelle Ausschluss von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen.63 Hinsichtlich des Schutzbedarfs ist zu differenzieren. Der Schutzbedarf für Persönlichkeitsrechte von Amts- und Mandatsträgern ist geringer als der von Privatpersonen.64 Hier kann auf die Argumentation des Supreme Court zu ‚high officials‘ verwiesen werden.65 Ton- und Filmaufnahmen sind ihnen nicht nur aus dem Grund zuzumuten, weil sie herausgehobene Positionen im öffentlichen Leben einnehmen und als sog. Personen der Zeitgeschichte gelten können oder weil sie die Anwesenheit von Funk- und Fernsehmedien gewohnt sind,66 sondern weil sie Träger öffentlicher Gewalt sind. Träger öffentlicher Gewalt sind hinsichtlich der Ausübung ihres übertragenen Amtes grundsätzlich rechenschaftspflichtig. Dies gilt grundsätzlich im Hinblick auf alle Sachverhalte, die ihnen im Zusammenhang mit dem Amts- oder Mandatsverhältnis zugänglich geworden sind. Die Aussagepflicht resultiert nicht aus einer irgendwie gearteteten „staatsbürgerlichen Zeugnispflicht“, sondern aus der Rechenschaftspflicht auf Grund der Übertragung eines öffentlichen Amtes. Insoweit unterscheidet sich bspw. die Aussage eines Bundesministers vor dem Untersuchungsausschuss nicht von der Zitierung ins Plenum nach Art. 43 Abs. 1 GG. Zwar ist die Aussage vor dem Untersuchungsausschuss im Unterschied zur Aussage im Plenum erzwingbar bzw. die Falschaussage strafbe———————— 62

Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 214, der den Ausschluss audiovisueller Medien für gerechtfertigt hält, um Personen vor „den theatralischen Elementen von Politik“ zu schützen; Huff, Saalöffentlichkeit auch in Zukunft ausreichend, NJW 2001, S. 1622, 1623, der auf die Gefahr hinweist, dass Zeugen vorgeführt und für politische Auseinandersetzungen missbraucht werden könnten; Dahs, Als Zeuge vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, in: FS-Rudolphi 2004, S. 597, 607. 63 BVerfGE 103, 44, 80. 64 Morlok, Mehr Effektivität für Untersuchungsausschüsse, RuP 2002, S. 208, 213, differenziert zwischen Parlamentariern und Amtsträgern, die der Parlamentsöffentlichkeit nach Art. 42 Abs. 1 GG unterliegen, auf der einen und sonstigen Zeugen, die wie Zeugen vor Gericht zu behandeln seien, auf der anderen Seite. 65 Siehe § 14, S. 199. 66 BVerfGE 35, 202, 220.

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wehrt. Dem kann indes kein Argument für den generellen Ausschluss der Funkund Fernsehöffentlichkeit entnommen werden. Im Gegenteil: Die Enthüllung von Tatsachen zu den untersuchten Verhältnissen und deren Präsentation vor einer breiten Öffentlichkeit wird angestrebt.67 Es wird erwartet, dass Auskunftspersonen die Wahrheit sagen, um Informationslücken des Parlaments und der Öffentlichkeit zu schließen. Zwangsmittel sollen den Informationsanspruch, Sanktionsmittel den Wahrheitsgehalt der Aussage bzw. den geordneten Verfahrensgang sichern. Die Offenlegung staatlicher Sachverhalte ist Teil der politischen Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit. Verweigert bspw. ein politisch Verantwortlicher aus Gründen, die nicht im öffentlichen Interesse liegen, denen also kein Geheimhaltungsinteresse nach § 14 Abs. 1 PUAG entspricht, die Auskunft, ist dessen Vertrauenswürdigkeit und Verantwortlichkeit in Frage zu stellen. Der Ausschluss der Öffentlichkeit oder der Ausschluss der Ton- und Filmberichterstattung würde dem Sinn und Zweck des Untersuchungsverfahrens nachgerade zuwider laufen. Denn die Verbindung des Öffentlichkeitsprinzips mit den Zwangsmitteln im Untersuchungsverfahren „zwingt den untersuchten Sachverhalt vor das Volk.“68 Der Ausschluss der Medienpräsenz ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die zu erforschende Tatsache einen Bereich betrifft, der den dem Staat entzogenen privaten Freiheitsstatus betrifft.69 Dies kann aber nur im Einzelfall erfolgen, denn in erster Linie geht es im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, wie bereits ausgeführt, nicht um die Offenlegung privater Sachverhalte. Anders ist dies zu beurteilen, wenn Personen aussagen, die in keinem öffentlichen Verantwortungsverhältnis stehen. Hier lebt der volle Schutz des Persönlichkeitsrechts auf. Das Untersuchungsverfahren kann nicht dazu benutzt werden, Personen, insbesondere Auskunftspersonen, die nicht freiwillig aussagen, öffentlich vorzuführen. Die belastende Situation für die Auskunftsperson kann der im Gerichtsverfahren vergleichbar sein. Dieser Eingriff in das Persönlichkeitsrecht würde durch Ton- und Bilderübertragungen verstärkt, insbesondere unter dem Aspekt, dass der Kreis der Zuschauenden erweitert werden würde. Um dies zu verhindern, kann, als Minus zum Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 14 Abs. 1 PUAG insgesamt, der Ausschluss der Medienöffentlichkeit in Betracht kommen. Hier bedarf es einer differenzierten Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere auch unter dem Aspekt der Freiwilligkeit der Aussage. Personen, die nicht freiwillig vor dem Untersuchungsausschuss aussagen, sollte ein Antragsrecht auf Ausschluss von Ton- und Bildaufnahmen zugestanden werden, das vom Untersuchungsausschuss nur mit qualifizierter ———————— 67

Masing, aaO., S. 288. Masing, aaO., S. 291. 69 Masing, Politische Verantwortlichkeit und rechtliche Verantwortlichkeit, ZRP 2001, S. 36, 42. 68

§ 22 Öffentlichkeitsprinzip

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Mehrheit überstimmt werden kann. Für freiwillig erscheinende Zeugen muss dies nicht gelten. Wer das Licht der Öffentlichkeit sucht, bedarf auch keines starken Schutzes seines Persönlichkeitsrechts.70 Ausgenommen sind Privatleute, die ohne eigenes Zutun in das Licht der Öffentlichkeit gezogen werden. Insoweit sollte einer der Kongressvorschrift vergleichbaren Regel, die Private vor öffentlicher Diskreditierung und Diffamierung schützt, der Vorrang gegeben werden.71 Wiederum ist darauf hinzuweisen, dass Amtsträger vor Diffamierung und Diskreditierung keinen bzw. geringeren Schutzbedarf beanspruchen können. Wann es sich um sog. ‚high officials‘ handelt, also die Frage, in welcher Stufe der Hierarchie Amtsträger angesiedelt sein müssen, um im Untersuchungsausschuss auch vor der Kamera aussagen zu müssen, kann nicht abschließend beantwortet werden. Einerseits haben Amtsträger in ihrer amtlichen Tätigkeit keinen Anspruch auf Anonymität gegenüber ihrer Behörde, Adressaten ihrer Amtstätigkeit oder gegenüber der Gesellschaft insgesamt.72 Andererseits ist nicht jeder Bedienstete der politischen Entscheidungsebene so nah, dass man von ‚high officials‘ sprechen könnte. Hier sind Bedeutung des Amtes sowie Einfluss und Verantwortlichkeit entscheidend. Es könnte insbesondere auf die Figur der politischen Beamten Bezug genommen werden, die nach § 31 BRRG, 36 BBG jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Die Gruppe der politischen Beamten bekleiden Ämter, zu deren Ausübung die Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung erforderlich ist.73 Sinn und Zweck der Institution des politischen Beamten ist es, durch fortdauernde Übereinstimmung mit der Regierungspolitik in Schlüsselstellen das reibungslose Funktionieren des Übergangs von der politischen Spitze in die Beamtenhierarchie zu gewährleisten.74 Auf Grund der ———————— 70

Siehe § 14, S. 199. Siehe § 14, S. 191. 72 Für Richter im Urteilsrubrum vgl. Erlasse BMJ vom 1.12./9.9.1987 ZA 2/ RA1 – 15552-40544/87 BMI vom 3.6.1987 – O I 4-191 500-3/6. 73 Dem Anwendungsbereich des § 36 BBG unterfallen erstens Staatssekretäre und Ministerialdirektoren, zweitens sonstige Beamte des höheren Dienstes im auswärtigen Dienst von der Besoldungsgruppe B 3 an aufwärts sowie Botschafter in der Besoldungsgruppe A 16, drittens Beamte des höheren Dienstes des Amtes für den Militärischen Abschirmdienst, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes von der Besoldungsgruppe B 6 an aufwärts, viertens der Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, dessen Stellvertreter und der Stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, fünftens der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof und der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht, sechstens der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, siebtens der Präsident des Bundeskriminalamtes, soweit sie Beamte auf Lebenszeit sind. 74 BVerwGE 52, 34; Battis, BBG, § 36, Rn. 2. 71

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Nähe zur politischen Entscheidungsebene kann diesen Personen auch die Aussage in Anwesenheit von Fernsehkameras zugemutet werden. Der Schutz von Persönlichkeitsrechten kann jedenfalls den Ausschluss von Bild- und Tonübertragungen nicht generell, sondern, wie gezeigt, nur im Einzelfall rechtfertigen. Weniger intensive Grundrechtseingriffe sind möglich. Die in Frage kommenden Einzelfälle werden bereits in § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 PUAG aufgeführt.75 5. Gefahren für den Prozess der Wahrheitsfindung Für das Gerichtsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot von Ton- und Filmaufnahmen mit dem Interesse an einem fairen Verfahren und der ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung begründet.76 Hierbei sieht es Gefahren für den äußeren Verfahrensverlauf sowie den möglichen negativen Einfluss der Kamerapräsenz auf das Aussageverhalten der Beteiligten.77 Beeinträchtigungen des äußeren Verfahrensverlaufs können durch die Anwesenheit und Tätigkeit von Kamerateams durch geeignete Vorkehrungen vermieden werden. Bspw. ist an die sog. Pool-Lösung zu denken, also auf die Beschränkungen auf ein Kamerateam oder durch Beschränkung der Personenzahl eines Fernsehteams.78 Der Blick auf die US-amerikanische Praxis im Gerichtsverfahren zeigt, dass bspw. eine fest installierte Kamera weniger störend ist, als die Anwesenheit von Medienvertretern.79 Hinsichtlich der Gefahr, das Untersuchungsverfahren könne infolge der Breitenwirkung für theatralische Elemente genutzt werden,80 ist wieder nach den Beteiligten im Untersuchungsverfahren zu differenzieren sowie danach zu fragen, ob diese Gefahr rechtlich relevant ist. Grundsätzlich können der Versuchung die Mitglieder des Untersuchungsausschusses als Fragesteller, die Zeugen, aber auch Teile des Publikums unterliegen, die sich das Untersuchungsverfahren zu offener Meinungskundgabe, Protest oder Zustimmung zu nutze machen könnten. Dies zeigte sich bspw. in den Kongressanhörungen zu den Foltervorwürfen der US-Militärs im Irak im Mai 2004, aber auch in den Anhörungen der 9/11-Commission. In der öffentlichen Anhörung von Verteidigungsminister Donald H. Rumsfeld im Militärausschuss des Senats am 7. Mai 2004 kam es zu lautstarken demonstrativen Missfallensbekundungen aus dem ———————— 75

Zu § 14 PUAG siehe oben § 8, S. 105. BVerfGE 103, 44, 68f. 77 BVerfGE 103, 44, 68f. 78 BVerfGE 91, 125, 138. 79 Vietmeyer, aaO., S. 230ff., mit Hinweisen auf Fallstudien in den USA. 80 Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 214. 76

§ 22 Öffentlichkeitsprinzip

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Publikum. In der Anhörung der Nationalen Sicherheitsberaterin, Condoleezza Rice, applaudierten einzelne Zuhörer der Art der Fragestellung. Allerdings ist diese Art von Störung die Ausnahme. Solche Reaktionen im Interesse eines fairen Untersuchungsverfahrens zu unterbinden, ist Sache des Hausrechts, das vom Vorsitzenden und im Einzelfall ausgeübt wird. Demgemäß wurden in den genannten Fällen die entsprechenden Personen des Saales verwiesen. Ein genereller Ausschluss von Ton- und Bildaufnahmen ist damit nicht erforderlich. Dass Zeugen oder Mitglieder des Untersuchungsausschusses persönlich oder entsprechend ihrer Fraktionszugehörigkeit die breite Öffentlichkeit zu erreichen versuchen, entspricht dem im Untersuchungsverfahren angelegten Spannungsverhältnis im Kampf um die öffentliche Meinung. Eine Effekthascherei oder Inszenierungen vorbeugende Maßnahme könnte, wie das US-amerikanische Vorbild zeigt, der Ausschluss von Effekt erzeugenden Hilfsmitteln wie Blitzoder Flutlicht sein, die geeignet sind, Theatralisierung und Inszenierung zu unterstützen.81 Im Übrigen ist eine der geschäftsordnungsmäßigen Regel im Kongress vergleichbare Regelung zum Verbot von unterbrechender Werbung bzw. der nachfolgenden parteipolitischen oder kommerziellen Verwertung der Aufzeichnungen ratsam. Was den Einfluss der Kamera auf das Aussageverhalten von Zeugen betrifft, die Medienpräsenz nicht gewohnt sind, so gibt es weder für das Gerichtsverfahren noch für das Untersuchungsverfahren, weder in den USA noch in Deutschland eindeutige empirische Befunde, die belegten, dass sich die Kamerapräsenz, über Nervosität und Anspannung hinaus, tatsächlich negativ auf die Aussagetüchtigkeit oder -bereitschaft von Zeugen auswirkt.82 Der generelle Ausschluss der Rundfunk- und Fernsehöffentlichkeit kann damit nicht gerechtfertigt werden. 6. Gefahr des Verfälschens durch audiovisuelle Übertragungen Der Einwand gegen Gerichtsfernsehen, der eine vorrangig auf Skandalisierung gerichtete Berichterstattung befürchtet, kann für das Untersuchungsverfahren gleichermaßen angeführt werden.83 In der Tat ist die Gefahr der Skandalisierung durch die Medienberichterstattung in Wort und Bild, wie sie in den US-amerikanischen Gerichts- und Kongressverfahren nachgewiesen ist,84 nicht von der Hand zu weisen. Zunächst ist aber festzuhalten, dass die Intention des Art. 44 GG dem medialen Interesse am Skandal nicht widerspricht. Häufig beinhaltet der als behaupte———————— 81

Siehe ausführlich § 14, S. 197. Siehe die vergleichende Untersuchung Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, S. 89ff., S. 254. 83 Luhmann, Realität der Massenmedien, S. 27ff.; BVerfGE 103, 44, 66. 84 Vietmeyer, aaO., S. 50. 82

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

te Sachverhalt, der zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses führt, mit diesem Interesse überein. Weit wichtiger ist aber, dass die Gefahr selektiver und verfälschender Berichterstattung kein Argument allein gegen die Rundfunk- und Fernsehübertragungen ist. Das Risiko des Verfälschens oder Veränderns einer Aussage in der Beweisaufnahme durch Ton- und Bildberichterstattung ist nicht größer als durch die zulässige Presseberichterstattung. Selektive und subjektive Schilderungen sind dem parlamentarischen Untersuchungsverfahren immanent, das der Bewertung des ermittelten Sachverhalts keinen rechtlichen, sondern einen politischen Rahmen und damit diskursiven Charakter verleiht. Im Vergleich zur Presseberichterstattung oder der Sachverhaltsbewertung durch Mitglieder des Untersuchungsausschusses vor laufender Kamera im direkten Anschluss an eine Zeugenvernehmung,85 wie sie sich z.B. im 1. Untersuchungsausschuss der 15. Wahlperiode (Wahlbetrug) zur Übung entwickelt hatte, kann der Fernsehberichterstattung – im Hinblick auf eine wirklichkeitsgetreue Abbildung – auch größere Authentizität und damit vertrauensstabilisierende Wirkung zuzubilligen sein.86 Eine der Gefahr verfälschender Berichterstattung vorbeugende Maßnahme wäre insbesondere ein Verbot kontextenthobener Übertragungen. Um die Authentizität von Übertragung zu erhöhen, die durch die Sendepraxis, in Ausschnitten zu übertragen, beeinträchtigt werden kann, wäre die Übertragung von Zeugenvernehmungen in unkommentierter Gesamtlänge und in Eigenregie des Bundestages zu überlegen, die gegebenenfalls eine Übertragung im Internet einschließen kann. Auf diese Weise informieren regelmäßig Kongressausschüsse über Anhörungen und fördern die Authentizität und damit die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung. 7. Öffnungsklausel nach § 13 Abs. 1 S. 1 PUAG Das generelle Verbot von Rundfunk- und Fernsehberichterstattung greift unverhältnismäßig in die Informations- und Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GG ein. An dem Ergebnis ändert auch die in § 13 Abs. 1 S. 1 PUAG aufgenommene Ausnahme nichts. Hiernach können Ton- und Bildaufnahmen mit Zwei-Drittel-Mehrheit und der Zustimmung der Anhörperson erlaubt werden. In der Begründung des Gesetzentwurfes heißt es dazu: „Zur Sicherstellung einer geordneten, störungsfreien und sachlichen Vernehmungssituation können Fernsehkameras und Tonübertragungen aber nur zugelassen werden, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Untersuchungsausschusses

———————— 85

Dahs, Als Zeuge vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, in: FSRudolphi, 2004, S. 597, 607, der es als Unsitte bezeichnet, die „Beweiswürdigung“ der Aussage außerhalb des Sitzungssaales befindlichen Personen, insbesondere Medienvertretern mitzuteilen. 86 Zur Vertrauensstabilisierung durch Fernsehübertragungen im Gerichtsverfahren vgl. Vietmeyer, aaO., S. 50ff.

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dies für sinnvoll hält und der Zeuge, der Sachverständige oder der Ermittlungsbeauf87 tragte dem zustimmt.“

Unklar bleibt aber, wann der Untersuchungsausschuss Ton- und Filmübertragungen für sinnvoll halten könnte, warum gerade in diesen – und nur in diesen – Fällen eine breite Öffentlichkeit erreicht werden soll, warum nur dann eine optische und akustische Wahrnehmung gewährt wird oder worin die sachgemäße Ermessensausübung einer Abstimmungsentscheidung liegt.88 Die Ausnahmeerteilung liegt zwar im Ermessen des Untersuchungsausschusses, hängt aber vom Erreichen einer Zwei-Drittel-Mehrheit ab.89 Hierauf kann sich aber der Zugangsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht richten. Ob eine Ausnahme ohne das Erfordernis der Zwei-Drittel-Mehrheit zulässig wäre oder ob das Ermessen des Untersuchungsausschusses auf Verschaffung des Zugangs reduziert werden kann, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden. Eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend, dass Ton- und Filmübertragungen grundsätzlich zulässig und nur entsprechend den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 PUAG ausgeschlossen werden können, scheitert jedenfalls am Wortlaut der Vorschrift. 8. Zusammenfassung und Schlussfolgerung Aus Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgrundsatzes im Untersuchungsverfahren, der Bezugnahme auf den allgemeinen parlamentarischen Öffentlichkeitsgrundsatz und aus der Funktion der Massenmedien folgt, dass der Eingriff in die Rundfunk- und Informationsfreiheit durch § 13 PUAG nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Wie aufgezeigt, sind weniger intensive Eingriffe denkbar. Der generelle Ausschluss der Medienöffentlichkeit aus der Beweisaufnahme des Untersuchungsverfahrens mit den ihnen typischen Übertragungsmethoden in Wort und Bild ist nicht erforderlich.

———————— 87

BT-Drs. 14/5790, S. 5. Im Übrigen erschließt sich nicht, inwieweit gerade die Zwei-Drittel-Mehrheit eine störungsfreie Sitzung gewährleisten kann. Die Sicherstellung der Störungsfreiheit obliegt dem Vorsitzenden, der im Untersuchungsausschuss das Hausrecht ausübt, § 6 Abs. 2 PUAG in Verbindung mit § 59 GO-BT. 89 Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 214, hält die Hürde für die Übertragung durch elektronische Medien für so hoch, dass nur in seltenen Ausnahmen, voraussichtlich praktisch nie mit Fernseh- oder Rundfunkübertragungen aus Untersuchungsausschüssen des Bundestages zu rechnen sei. 88

§ 23 Grenzen parlamentarischer Untersuchungen gegenüber der Exekutive Über die explizit erwähnten Geheimschutzgründe hinaus erkennen beide Rechtsordnungen einen funktionalen Schutzbereich der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Exekutive an. Bezugspunkt des Kernbereichsgedankens sind in den USA – unter dem Begriff ‚executive privilege‘ – maßgeblich der Präsident und seine Berater, in der Bundesrepublik der Bundeskanzler und das Kabinett. Die Unterschiede im Regierungssystem sind für die Frage der Reichweite des Kernbereiches nicht so fundamental, wie es bspw. der Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen in seinem Urteil vom 1. März 1989 angenommen hat.1 I. Executive privilege Bis heute hat der Supreme Court über die Rechtmäßigkeit einer Auskunftsverweigerung des Präsidenten gegenüber dem Kongress auf der Grundlage des ‚executive privilege‘ nicht entschieden. Ein Grund mag die erklärte Zurückhaltung des Gerichts sein, über Streitigkeiten zwischen Kongress und Exekutive zu entscheiden.2 Auf Grund der Befürchtung, der Supreme Court könne sich unter Berufung auf die ‚political question doctrine‘ zurückziehen, hat bisher keine der beiden Seiten Veranlassung gesehen, bewusst eine Klärung herbeizuführen.3 Die Frage, ob der Entscheidung United States v. Nixon des Supreme Court Hinweise für das Verhältnis des Präsidenten zum Kongress entnommen werden können, wird unterschiedlich beurteilt. Im Fall Nixon verlangte ein „staatsan———————— 1 BremStGH, DVBl. 1989, 453, 457. Der Senat der Hansestadt Bremen hatte sich geweigert, Senatsprotokolle hinsichtlich abgeschlossener Sachverhalte an einen Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft herauszugeben. Zur Begründung berief sich der Senat auf die Flick-Entscheidung des BVerfG 67, 100, und die dort entwickelte Kernbereichslehre sowie auf die Parallele zum ‚executive privilege‘ in den USA. Das Gericht lehnte eine Auseinandersetzung mit dem US-amerikanischen Rechtsprinzip wegen der „fundamentalen verfassungsrechtlichen Unterschiede“ zwischen dem Präsidialsystem der USA und dem parlamentarischen System des Grundgesetzes bzw. der Bremischen Landesverfassung ab. 2 Zur ‚political question doctrine‘ siehe § 10 II.2.b)cc), S. 132. 3 Berger, Executive Privilege, S. 304ff.

§ 23 Grenzen gegenüber der Exekutive

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waltsgleicher“ Ermittler – also ein Teil der Judikative – die Herausgabe der Tonbänder, die als Beweismittel in einem Strafverfahren Verwendung finden sollten. Die Herausgabe wurde mit dem Argument verweigert, dass das ‚executive privilege‘ Informationen erfasse, die aus Gesprächen des Präsidenten mit seinen Beratern resultierten. Die Berater müssten sich aber sicher fühlen, dass ihre Positionen vertraulich zu behandeln seien, weil sie sich sonst nicht frei artikulieren könnten: „[…] the importance of this confidentiality is too plain to require further discussion […] Key advisers will hesitate to speak frankly if they must worry that what they say will eventually become a matter of public record.“

Das Vertraulichkeitsprivileg sei aus dem Prinzip der Gewaltenteilung abzuleiten, das jeder Gewalt einen eigenen Handlungsspielraum gewähre: „Whatever the nature of the privilege of confidentiality of Presidential communications [is], the privilege can be said to derive from the supremacy of each branch within its own assigned area of constitutional duties.“4

Das Gericht folgte dieser Argumentation insoweit, als es dem Präsidenten einen „Vertraulichkeitsbereich“ hat zugestanden, um mit seinen Beratern ungestört und ohne die Befürchtung, Aussagen könnten veröffentlicht werden, kommunizieren zu können. Es bezieht sich auf die Entscheidung der Vorinstanz, des Court of Appeals for the District of Columbia, der das Herausgabeverlangen des Special Prosecutor zunächst mit der Begründung zurückgewiesen hatte, dass Gespräche zwischen dem Präsidenten und seinen Beratern grundsätzlich vertraulich („presumptiveley privileged“) seien.5 Ohne nähere Begründung oder Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des Instituts hat der Supreme Court das ‚executive privilege‘ aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz abgeleitet. Überdies das das Gericht diesen Bereich der Geheimhaltung mit dem Beratungsgeheimnis im gerichtlichen Verfahren verglichen: „The expectation of a President to the confidentiality of his conversations and correspondence, like the claim of confidentiality of judicial deliberations […] is the necessity for protection of the public interest in candid, objective, and even blunt or harsh opinions in Presidential decision-making […] A President and those who assist him must be free to explore alternatives in the process of shaping policies and making decisions and to do so in a way many would be unwilling to express except privately […] The privilege is fundamental to the operation of Government and inextricably rooted in the separation of powers under the Constitution.“6

Der Supreme Court hat allerdings den dem ‚executive privilege‘ unterfallenden Geheimhaltungsbereich nicht definiert. Insbesondere könne dem Gewaltenteilungsprinzip kein generelles Bedürfnis auf Geheimhaltung entnommen werden. Der jeder Gewalt zustehende eigene Beurteilungs- und Entscheidungs———————— 4

United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 706 (1974). Nixon v. Sirica, 159 U.S. App. D.C. 58, 487 F.2d 700 (1973). 6 United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 708-713 (1974). 5

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

spielraum gewähre keine absolute Vertraulichkeit.7 Ein zwingendes öffentliches Interesse, insbesondere an der Strafverfolgung, könne das Interesse an Geheimhaltung überwiegen.8 Das Gericht hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass nur der Konflikt zwischen dem Vertraulichkeitsprivileg des Präsidenten und dem Strafverfolgungsinteresse („between the President’s assertation of the generalized privilege of confidentiality against the constitutional need for relevant evidence in criminial case“) zu entscheiden gewesen sei. Die rechtswissenschaftliche Literatur hat der Entscheidung aber auch Hinweise entnommen, wie die Richter gegebenenfalls in einem ihnen vom Kongress vorgelegten Fall entscheiden würden.9 Eine andere Ansicht hält es für völlig verfehlt, in der Entscheidung United States v. Nixon ein Präjudiz für die Frage des ‚executive privilege‘ gegenüber dem Kongress zu sehen.10 Die Aufgaben der Jurisdiktion und des Kongresses seien in ihrem Verhältnis zur Exekutive zu unterschiedlich.11 Die Ansicht, die in United States v. Nixon aufgestellten Grundsätze würden nur gegenüber der Justiz, nicht aber in einem parlamentarischen Untersuchungsverfahren gelten, kann nicht überzeugen. Erkennt man an, dass es im Interesse der Funktionsfähigkeit der Exekutive Geheimhaltungsbereiche gegenüber einer anderen Staatsgewalt gibt, so muss der Präsident – als Konse———————— 7

„Neither the doctrine of separation of powers nor the generalized need for confidentiality of high-level communications, without more, can sustain an absolute, unqualified Presidential privilege of immunity from judicial process under all circumstances. Absent a claim of need to protect military, diplomatic, or sensitive national security secrets, the confidentiality of Presidential communications is not significantly diminished by producing material for a criminal trial under the protected conditions of in camera inspection, and any absolute executive privilege under Art. II of the Constitution would plainly conflict with the function of the courts under the Constitution.“, United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 685 (1974) mit dem Verweis auf Marbury v. Madison, 5 U.S. 137, 177 (1803); Baker v. Carr, 369 U.S. 186, 211. 8 „Although the courts will afford the utmost deference to Presidential acts in the performance of an Art. II function […] when a claim of Presidential privilege as to materials subpoenaed for use in a criminal trial is based, as it is here, not on the ground that military or diplomatic secrets are implicated, but merely on the ground of a generalized interest in confidentiality, the President's generalized assertion of privilege must yield to the demonstrated, specific need for evidence in a pending criminal trial and the fundamental demands of due process of law in the fair administration of criminal justice.“, United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 684, 713 (1974). 9 „[T]he Court explicitly rejected any notion that it was incidentally passing upon the propriety of assertations of executive privilege in a legislative setting. The opinion non the less lends some support to the proposition that the President may in certain instances withhold information from the Congress.“, Tribe, Constitutional Law, 1989, S. 212. 10 Mengel, aaO., S. 391; Kurland, United States v. Nixon: Who killed cock Robin?, California Law Review, 1974, S. 68ff. mit dem Verweis auf Berger, Executive Privilege: A Constitutional Myth, 1974. 11 So Mengel, aaO., S. 391, ohne nähere Begründung.

§ 23 Grenzen gegenüber der Exekutive

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quenz – gegenüber dem Kongress gleichermaßen berechtigt sein, sich hierauf stützen zu können. Ebenso müssten die gleichen Schranken des ‚executive privilege‘ gegenüber dem Kongress gezogen werden: Der Präsident müsste in diesem Fall in qualifizierter Weise die Gründe darlegen, die das geltend gemachte Geheimschutzinteresse tragen. Der Kongress muss hingegen ein – das Interesse an Geheimhaltung – überwiegendes Interesse an parlamentarischer Aufklärung geltend machen. Das parlamentarische Aufklärungsinteresse steht dem gerichtlichen Aufklärungsinteresse in einem Strafverfahren grundsätzlich nicht nach. Als Beleg hierfür kann z.B. das Impeachment-Verfahren gelten, das die Kontrolle rechtlicher Verantwortung des Präsidenten in die Hände des Kongresses legt. Eine andere Frage ist: Wäre zu erwarten, dass sich der Supreme Court in einem solchen Fall unter Bezugnahme auf die ‚political question doctrine‘12 zurückzieht? Die Nixon-Entscheidung stellt – mit dem Verweis auf Madison v. Marbury – eindeutig klar: „It is emphatically the province and duty of the judicial department to say what the law is.“13 Es ist also kein Grund ersichtlich, warum sich dies in einem Untersuchungsverfahren des Kongresses anders darstellen sollte. Sind also die Grundsätze aus United States v. Nixon auch auf parlamentarische Untersuchungen des Kongresses anwendbar, fragt sich weiter, wie das parlamentarische Untersuchungsrecht beider Staaten in Bezug auf die Gewinnung sensibler Daten aus dem Bereich der Exekutive zu würdigen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Schutzbereich des ‚executive privilege‘ sehr eng ausgelegt und restriktiv gehandhabt wird. Es ist kaum ersichtlich, welche Geheimhaltungsinteressen, die nicht dem sicherheitsrelevanten Bereich zuzuordnen sind, rechtlich noch zur Geheimhaltung führen können. Selbst der sicherheitsrelevante Bereich ist eng gesteckt, wie die Entscheidung zu den sog. Pentagon Papers zeigt.14 Zwar ging es in der Entscheidung um die Gegenüberstellung einer Grundrechtsposition, der Pressefreiheit einerseits und nicht um die Inanspruchnahme einer parlamentarischen Aufklärungskompetenz. Außerdem sind United States v. New York Times (1971) wie auch United States v. Nixon (1974) vor dem Hintergrund des Vietnam-Krieges und dem gewachsenen Bedürfnis nach Regierungskontrolle zu sehen. Festzuhalten ist aber, dass es der Administration nicht einmal im Kriegszustand gelungen ist, unter Berufung auf das ‚executive privilege‘ und die Gefährdung der nationalen Sicherheit, die Veröffentlichung gestohlener, geheimer Dokumente zu verhindern.15 Aus die———————— 12

Siehe oben § 17 II.2.b), S. 222. United States v. Nixon, 418 U.S. 683, 696 (1973); Marbury v. Madison, 5 U.S. 137 (1803). 14 Siehe oben S. 192. 15 New York Times v. United States, 403 U.S. 713 (1971); Vgl. oben S. 192. 13

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

sem Grund wird das ‚executive privilege‘ auch als verfassungsrechtlicher Mythos („constitutional myth“) bezeichnet.16 II. Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung Die Argumentation der Nixon-Verteidiger findet sich auch im deutschen Schrifttum unter dem Schlagwort „Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung“, das die Flick-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geprägt hat.17 Ausgangspunkt ist die selbstständige Stellung der Bundesregierung. Von den Vertretern einer extensiven Auslegung wird die Geheimhaltung der Regierungsberatung für eine notwendige Voraussetzung der einheitlichen Darstellung des Regierungshandelns vor dem Parlament und der Öffentlichkeit gehalten; sie sichere die offene und freimütige Diskussion im Kabinett; sie verhindere eine Abwanderung der eigentlichen politischen Meinungsbildung in informelle Gesprächskreise und bewahre die Regierungstätigkeit vor einer Ausforschung durch die Opposition. Die Geheimhaltung wird sogar unabhängig davon gefordert, ob der Vorgang abgeschlossen ist oder nicht.18 Nach dieser Ansicht existiert ein absolut geschützter Arkanbereich19 – z.B. bei der Aufklärung kabinettsinterner Vorgänge20 – ohne dass sich die Vertreter dazu ausdrücklich bekennen. Die einschränkenden Ansichten reduzieren den „untersuchungsfesten Kernbereich“ lediglich auf laufende, noch nicht abgeschlossene Vorgänge, denn die gewaltenteilende Kompetenzordnung könne nicht durch einen „allumfassenden Entscheidungsvorbehalt unterlaufen werden.“21 Die Begründung im Untersuchungsausschussgesetz vom 19. Juni 2001 wiederholt im Wesentlichen den Wortlaut der Flick-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:22 „[…] das Untersuchungsrecht [ist] im Verhältnis zur Exekutive grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge anwendbar, soweit sie nicht in besonders gelagerten Ausnahmefällen den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung betreffen. Es enthält nicht die Befugnis in laufende Verhandlungen oder Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen.“23 Allerdings bleibt – wie in der Flick-Entscheidung – offen, ob im weiteren Sinne darunter das „Unter-sich-Bleiben“ und „In-Ruhe-Verhandeln“ fällt oder, im engeren ———————— 16

Berger, Executive Privilege: A Constitutional Myth, Massachusetts, 1974, S. 304ff. BVerfGE 67, 100, 139. 18 Busse, Der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung, DÖV 1989, S. 45, 49. NdsStGH, NVWZ 1996, S. 1208; Mengel, EuGRZ, 1984, 102. 19 Von lat. arcanum – das Verschlossene. 20 Busse, aaO., S. 45. 21 BremStGH, DVBl. 1989, 453, 454. 22 BVerfGE 67, 100, 139. 23 BT-Drs. 14/5790, S. 14. 17

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Sinne, allein das tatsächliche „Eingreifen“ des Untersuchungsausschusses in den Zuständigkeitsbereich der Regierung im Sinne eines „Sich-an-die-StelleSetzens.“ Am restriktivsten hat die Entscheidung des Staatsgerichthofs der Freien Hansestadt Bremen (BremStGH) den „Kernbereich“ ausgelegt, wonach im Ergebnis allen Versuchen, auf Grundlage des Flick-Urteils die Kabinettsberatungen zu „immunisieren“, eine Absage erteilt wurde.24 Daraus ist auch der Schluss zu ziehen, dass dann erst recht die Vorgänge im Vorfeld der Kabinettsentscheidung nicht untersuchungsfest sein können.25 III. Vergleich und Würdigung 1. Absolute Geheimhaltung Gegen die Ansicht eines absolut geschützten Bereiches exekutiver Handlungs- und Entscheidungsfreiheit hat der BremStGH zutreffend ausgeführt, dass ein „allumfassender Entscheidungsvorbehalt“ mit der gewaltenteiligen Kompetenzordnung des Grundgesetzes unvereinbar ist.26 Denn die Abhängigkeit der Regierung vom Vertrauen des Parlaments begründet deren Kontrollunterworfenheit.27 Dem Parlament können Informationen nicht ohne weiteres vorenthalten werden. Das parlamentarische Untersuchungsverfahren hat grundsätzlich den Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse der Regierung.28 2. Laufende und abgeschlossene Vorgänge Die ex post-Argumentation, wonach nur abgeschlossene Vorgänge einer Ausforschung zugänglich seien, kann nur dann überzeugen, legt man „abge———————— 24

BremStGH, DVBl. 1989, 453. Engels, Parlamentarisches Untersuchungsrecht und der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung: StGH der Freien Hansestadt Bremen, Entscheidung vom 1.3.1989 – St 1/88 – , JURA 1990, S. 71, 77. 26 „Soll das Parlament seiner ihm von der Verfassung übertragenen Kontrollaufgabe gerecht werden, dann müssen seine Kontrollbefugnisse gerade auch jenen von der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungs- und Gesetzesinitiative und Gesetzesanwendung erfassen, der parlamentarischer Entscheidung verschlossen ist.“, BremStGH, DVBl. 1989, S. 453, 454. 27 Vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44, Rn. 26. 28 Glauben/Brocker, Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, § 5, Rn. 55 (S.60), die zu Recht daran zweifeln, dass der Regierung, obwohl sie dem Parlament verantwortlich und rechenschaftspflichtig ist, ein absoluter Schutz erhalten bleiben soll, Privatpersonen dagegen, die prinzipiell keiner parlamentarischen Verantwortlichkeit unterliegen, nur ein relativer. 25

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

schlossen“ nicht starr und formal, sondern flexibel aus. Denn politische Entscheidungen sind keine Willensakte sondern dynamische Prozesse. Der BremStGH hat dies in seiner Entscheidung vom 1. März 1989 zutreffend formuliert: „Was abgeschlossene Vorgänge i.S. dieser Abgrenzungsrichtlinie sind, kann sich sowohl aus einem förmlichen Beschluss der Regierung als auch aus dem tatsächlichen Ablauf des Beratungsverfahrens ergeben. Abgeschlossen werden i.d.R. Vorgänge sein, mit denen sich die Regierung befasst und die sie zur Entscheidung gebracht hat; es können aber auch Vorgänge als abgeschlossen anzusehen sein, die ohne förmliche Beschlussfassung als nicht weiter behandlungsbedürftig eingestuft oder stillschweigend nicht weiter behandelt worden sind. Wo im Einzelfall die Grenze zu ziehen ist, wie sie insbesondere in Bezug auf einzelne Verfahrensabschnitte in langandauernden oder gestuften Verfahren zu konkretisieren ist, lässt sich nicht allgemein formulieren, sondern muss einer kasuistischen Entfaltung durch die politische Praxis und die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung überlassen bleiben.“

Die Begründung zeigt aber auch die Schwäche der Argumentation, welche versucht, den Kernbereich mittels eines zeitlichen Kriteriums zu definieren. Denn parlamentarische Kontrolle ist nicht allein die „nachherige Aufsicht über fremde Aufgaben.“29 Dies gilt auch für den Begriff der „Verantwortungsreife“, den Masing vorschlägt, indem er die Verantwortlichkeit der Bundesregierung in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt.30 Er knüpft ebenso an eine zeitliche Kategorie an und verleiht dem „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ keine klaren Konturen. Erkennt man einen „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ an, so ist er als konturloser Rechtsbegriff zu akzeptieren und als Komplexitäts- und Funktionsvorbehalt der Exekutive zu interpretieren. Was nicht öffentlich verhandelt wird, muss noch lange nicht geheim bleiben. Die Argumentation des Supreme Court in United States v. Nixon überzeugt insoweit, als sie Situationen nur vermutet, in denen die Vertraulichkeit einer Beratung von öffentlichem Interesse sein kann. Die Bestimmung des Bereiches überlässt der Supreme Court zunächst der Exekutive selbst und prüft nur die Nachvollziehbarkeit der vorgelegten Begründung. Sieht man den Grund der Anerkennung eines Vertraulichkeitsprivilegs in der „offenen und freimütigen Diskussion“, so kann dies aber nur in der eingeschränkten Interpretation, wie sie bspw. die Entscheidung des BremStGH wiedergibt, überzeugen. Die „offene und freimütige Diskussion“ im Kollegium werde durch die Untersuchungstätigkeit nicht behindert, sondern höchstens die Protokollierung zugunsten einer größeren Selektivität beeinflusst. Es sei höchstens – bei Kenntnis einer potentiellen Offenlegung – ein „weniger farbiges Bild der Senatsberatungen“ zu erwarten. Unter dem Aspekt der potentiellen Beweis———————— 29 30

So aber Kewenig, Staatsrechtliche Probleme, S. 31. Masing, Parlamentarische Untersuchungen, S. 309ff.

§ 23 Grenzen gegenüber der Exekutive

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funktion werden die Senatsprotokolle die wesentlichen Aufschlüsse für die politische und rechtliche Beurteilung der Arbeit des Senats vermitteln.31 Diese enge Auslegung des Vertraulichkeitsanspruchs ist zutreffend, denn gerade mit der Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes oder einer öffentlichen Aufgabe verlässt die Person den grundrechtlich geschützten Bereich der Privatheit. Das Individuum wird Teil der Staatsorganisation und für die Aufgabenwahrnehmung der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig. 3. Parallele zum richterlichen Beratungsgeheimnis Beide Entscheidungen verweisen zur Begründung eines exekutiven Vertraulichkeitsprivilegs auf das richterliche Beratungsgeheimnis. Die Parallele liegt nahe und ist plausibel. Doch genügt allein der Verweis auf die Existenz des Beratungsgeheimnisses bzw. „the claim of confidentiality of judicial deliberations,“ wie es der Supreme Court formuliert, nicht, die Existenz absoluter Geheimhaltungsbereiche, wie sie in der gerichtlichen Praxis vorzufinden sind, in der Regierungsführung zu begründen. Die Parallele ist aber aufschlussreich. Das richterliche Beratungsgeheimnis gilt nicht absolut, wie bspw. die Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses oder die Möglichkeit von Sondervoten bei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zeigt (§ 30 BVerfGG). Sinn und Zweck des richterlichen Beratungsgeheimnisses sind ähnlich schwer zu bestimmen wie der des „Kernbereiches exekutiver Eigenverantwortung.“ Der BremStGH geht davon aus, dass „auch in der parlamentarischen Demokratie, zu deren geistesgeschichtlichen Grundlagen Publizität als Medium eines vernünftigen Diskurses gehört […] und deren Freiheitlichkeit wesentlich auf die Öffentlichkeit eines freien politischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses beruht“, es Bereiche „legitimer, funktional begründeter Geheimhaltung“ gebe. Geheimhaltung könne für politische und rechtliche Entscheidungsverfahren […] von Nutzen sein, z.B. bei der Wahrung von wirtschaftlichen und außenpolitischen Interessen.“ Staatliche Geheimhaltungsbereiche können die Effizienz von Beratungs- und Entscheidungsverfahren deutlich erhöhen. Sie haben aber auch den Verlust von personalisierbarer Verantwortung zur Folge. Dies führt zur entscheidenden Frage nach der Legitimation von Herrschaftsgewalt (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Geheimhaltung im Zusammenhang mit kollegialen Entscheidungsprozessen verkörpert, wie das Gericht formuliert, „zugleich das Prinzip der Verantwortungslosigkeit,“ da das „Individuum als Person verschwindet.“32 Die Geheimhaltung ist Ausdruck eines formalisierten Verfahrens, einer Gesetzesgebundenheit und der Unabhängigkeit des Richters. Im Bereich der politisch gestaltenden Regierungstätigkeit sei die Verhinderung persönli———————— 31 32

BremStGH, DVBl. 1989, S. 457. BremStGH, DVBl. 1989, 453, 457.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

cher Rechenschaft durch geheime Beratung hingegen unter dem Aspekt realisierbarer Verantwortlichkeit grundsätzlich als Kontrolldefizit anzusehen. Konkretisierend kann dem hinzugefügt werden: Im gerichtlichen Verfahren ist die Verminderung persönlicher Verantwortung gegenüber dem Träger der Staatsgewalt zu akzeptieren. Die Rechtsprechung folgt dem Idealbild des Einzelrichters. Ein einheitliches Urteil trägt mehr zur Rechtssicherheit und zum Rechtsfrieden bei als eines mit Minderheitenvoten. Verschiedene Standpunkte sollen deshalb gerichtsintern ausgetragen werden. Der Transparenzverlust ist hinzunehmen, weil die Verhandlungen selbst öffentlich sind, die Rechtsprechung vornehmlich das Recht anwendet und die Unabhängigkeit des Richters gewährleistet ist. Die gerichtliche Tätigkeit ist – trotz Rechtsfortbildung – von einer – politischen – „Initiativlosigkeit“ geprägt.33 Anders ist dies im Bereich der politischen Richtungsentscheidungen und der gesetzgebenden Gewalt. Selbst in verfassungsgerichtlichen Streitigkeiten ist das Beratungsgeheimnis durch die Möglichkeit von Sondervoten deutlich gelockert (§ 30 BVerfGG). Sondervoten ermöglichen dem dissentierenden Richter die Meinungskundgabe. Diese relative Personalisierung kann als Entsprechung zur relativen Personalisierung in politischen Entscheidungsprozessen gesehen werden. Wie die politischen Parteien ihre Programme durch die Etablierung von Führungspersonen erläutern müssen (Art. 43 GG), ist für Verfassungsrichter das Sondervotum ein Surrogat für die fehlende unmittelbare demokratische Legitimation bzw. für die Rückkopplung zum Wahlvolk.34 In politischen Entscheidungsprozessen kann die Geheimhaltung in Kollegialorganen unter dem Aspekt der relativen personellen Verantwortungslosigkeit zugunsten der einheitlichen Willensbekundung hingenommen werden, allerdings nicht, wenn das Vertrauen in die Regierungsführung aktualisiert werden soll: „Sieht sich die Regierung jedoch Vorwürfen ausgesetzt, die zu einer Kontrollenquete führen, so kann ein Beharren auf dem Regierungsgeheimnis ins Negative umschlagen. Verselbstständigt sich die Geheimhaltung vom Mittel zum Zweck, so schadet sie der Institution.“35 4. Zweck-Mittel-Relation Der Vertraulichkeitsbereich ist weder in Bezug auf ein Gremium noch auf ein Entscheidungsstadium politischer Prozesse positiv zu definieren. Geheim———————— 33

BremStGH, aaO., S. 457. Roellecke, Sondervoten, in: FS-BVerfG, S. 363, 384. 35 BremStGH, aaO., S. 457, mit dem Verweis auf Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 572f., der ausführt, dass über jede rein sachlich motivierte Geheimhaltung hinaus aus reinem Macht- und Eitelkeitsinteresse das „Amtsgeheimnis“ nicht genutzten werden könne. 34

§ 23 Grenzen gegenüber der Exekutive

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haltungsgründe müssen von der Exekutive im konkreten Einzelfall substantiiert vorgetragen werden. Einen äußeren Orientierungsrahmen für den im konkreten Einzelfall zu bestimmenden Vertraulichkeitsbereich und -umfang geben die Kompetenzzuweisungen sowie die gegeneinander abzuwägenden Interessen: das Aufklärungsinteresse des Parlaments und das Interesse an der Funktionsfähigkeit der Exekutive. Zu sachgerechten Ergebnissen führt hier die – bereits zuvor erörterte – Auslegungsmethode nach der ‚implied powers‘-Theorie. Im US-amerikanischen Schrifttum ist umstritten, ob sich die Exekutive auf ‚implied powers‘ berufen kann. Die Rechtsprechung des Supreme Court hat diese Frage nicht einheitlich beantwortet. Allerdings hat der Supreme Court in United States v. Nixon das ‚executive privilege‘ als nicht in der Verfassung geschriebenes, mithin ungeschriebenes Recht anerkannt; für das Ergebnis wendet das Gericht diese Zweck-Mittel-Relation, wenn er im Rahmen einer „Güterabwägung“ das Auskunftsverlangen der Judikative (Mittel) zur Strafverfolgung (Zweck) gegen das „ungeschriebene“, eng verstandene Interesse der Exekutive an Geheimhaltung (Mittel) richtlinienbestimmender Beratungsprozesse (Zweck) abwägt. Für den Kompetenzbereich der Bundesregierung kann dies gleichermaßen – wie zur immanenten parlamentarischen Untersuchungskompetenz ausgeführt – entwickelt werden. Nach allgemeiner Ansicht trifft das Grundgesetz nur dort eine ausdrückliche Regelung, wo sich die Befugnisse nicht schon aus der verfassungsmäßig vorausgesetzten Gesamtaufgabe der Bundesregierung als Staatsleitungsorgan ableiten lassen. Die normierten Kompetenzen sind ausfüllungsbedürftig. Sie werden um „stillschweigende“ Regierungsbefugnisse ergänzt.36 Nach der Flick-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führt die „Verantwortung der Regierung“ notwendigerweise zu einem „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ und zu einem grundsätzlich nicht ausforschbaren „Initiativbereich, Beratungsbereich und Handlungsbereich.“ Dieser Grundsatz des Funktionsvorbehalts kann aber zu Ausnahmen im Interesse der parlamentarischen Aufklärung führen, die die politische Verantwortung der Exekutive aktualisieren. Die oberste Grenze bildet die Verhinderung einer Entscheidung der anderen Staatsgewalt.37 Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss kann die Entscheidungsfindung nicht unterbinden, er kann sich nicht an die Stelle des anderen Staatsorgans setzen. Er kann aber jede getroffene Entscheidung – dies können bloße Vorgänge, schriftliche wie mündliche, sein – auch im Initiativstadium nachprüfen, wenn daran ein überwiegendes Interesse geltend ———————— 36

Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 626. So auch Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44 Rn. 26, der allein funktionelle Hemmnisse, die zur Arbeitsunfähigkeit des kontrollierten Organs führen, für eine Verweigerung der Kontrolle rechtfertigt. Die Grenze leite sich aus dem Verbot ab, Handlungen oder Hoheitsakte vorzunehmen, die anderen Staatsorganen zugewiesen sind. 37

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

gemacht werden kann und die Informationen nicht anderweitig zu beschaffen sind.38 Die Bundesregierung muss ihrerseits darlegen, dass die Herausgabe die Entscheidungsfindung so erheblich beeinträchtigen würde, dass sie einer Verhinderung gleichkomme. Es erübrigt sich, auf die Frage der Vertraulichkeit einer Kabinettssitzung einzugehen. Für die Gestaltung des exekutiven Abstimmungsverfahrens hat das Exekutivorgan einen Entscheidungsspielraum und damit auch für die Frage zweckmäßiger Öffentlichkeit oder Vertraulichkeit. Der Inhalt der Sitzungen oder die Entscheidungsfindung ist nicht per se geheim, wie die Regierungsbefragung im Plenum des Bundestages belegt. Weder Kabinettssitzungen noch andere Beratungsgremien können einen Bereich absoluter Vertraulichkeit in Anspruch nehmen. Im Ergebnis befindet man sich damit auf der Argumentationslinie des Supreme Court. Die Gründe, die für eine Aufklärung sprechen, müssen mit den Gründen, die eine Geheimhaltung nahe legen, abgewogen werden und können, bspw. durch ein in camera-Verfahren, zum Ausgleich gebracht werden. Diese Argumentation lässt sich auch mit der Flick-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Einklang bringen. So enthält der ausdrücklich genannte grundsätzlich nicht ausforschbare Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung eine Leitlinie der zu treffenden Abwägungsentscheidung. Wenn die Entscheidung die Erörterungen im Kabinett als auch die bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen notwendigen ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen“,39 nennt, so ist hierin keine definierenden oder abschließende, sondern eine beispielhafte Aufzählung zu sehen. Mit der Sprache des Supreme Court sind diese Bereiche vermutlich vertrauliche Bereiche („presumptively privileged“). Allerdings ist die Vermutung mit einem überwiegenden parlamentarischen Aufklärungsinteresse zu widerlegen. Letztlich gleicht auch der Begriff „Kernbereich der Exekutive“ als Rechtsbegriff einem Mythos. Es sind keine Gründe vorstellbar, die die Bundesregierung gegenüber einer parlamentarischen Ermittlung über die in § 14 Abs. 1 PUAG genannten hinaus geltend machen könnte. Danach folgt jedes Geheimhaltungsinteresse entweder dem Schutz von Leib und Leben (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 PUAG) oder des persönlichen Lebensbereichs von Zeugen oder Dritten (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 PUAG), Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnissen (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 PUAG) oder dem Wohl des Bundes oder eines Landes, ———————— 38

So auch der BremStGH, DVBl. 1989, S. 453, 454: „Soll das Parlament seiner ihm von der Verfassung übertragenen Kontrollaufgabe gerecht werden, dann müssen seine Kontrollbefugnisse gerade auch jenen von der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungs- und Gesetzesinitiative und Gesetzesanwendung erfassen, der parlamentarischer Entscheidung verschlossen ist.“ 39 BVerfGE 67, 100, 139.

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insbesondere wenn Nachteile für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder ihrer Beziehungen zu anderen Staaten zu besorgen sind (§ 14 Abs. 1 Nr. 5 PUAG). Dem entsprechen auch die Vorschriften zur Aussagegenehmigung (§ 7 BMinG, § 62 BBG). Diese räumen der uneingeschränkten Wahrheitsfindung des Parlaments den Vorrang ein.40 § 62 Abs. 4 BBG sieht insbesondere eine Kompetenzverlagerung vom Dienstvorgesetzten41 nach oben (oberste Aufsichtsbehörde) vor; dadurch soll das Gewicht der Entscheidung betont und eine gleichmäßige, restriktive Verweigerungspraxis gesichert werden.42 Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – der in der Zweck-Mittel-Relation der ‚implied powers‘-Theorie aufgeht – auch für den Bereich der Staatsorganisation Geltung beanspruchen kann, kann an dieser Stelle unterbleiben.43 Die Entscheidung des Supreme Court United States v. Nixon geht nur scheinbar den Weg einer Abwägung. Zwar stellt das Gericht das strafrechtliche Ermittlungsinteresse dem Geheimhaltungsinteresse des Präsidenten gegenüber. Es handelt sich aber nicht um eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne, also um eine Abwägungsentscheidung zwischen zwei Rechtsgütern, denn das Gericht führt aus, dass die Geheimhaltungsgründe nicht substantiiert vorgetragen worden sind. Dem entspricht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. August 1999 zur Aussageverweigerung nach § 7 BMinG gegenüber dem vom Berliner Abgeordnetenhaus eingesetzten Untersuchungsausschuss. Der Ausschuss hatte den Auftrag, die Umstände des gewalttätigen Vorgehens kurdischer Demonstranten vor dem israelichen Generalkonsulat zu klären. Die Bundesregierung hatte die beantragte Aussagegenehmigung hinsichtlich des Bundesministers des Inneren nach § 7 Abs. 1 BMinG44 und des Präsidenten des Verfassungsschutzes des Bundesamtes für Verfassungsschutzes nach § 62 BBG versagt. Das Gericht sah in den Vorschriften eine „gesetzliche Abwägung der widerstreitenden Interessen des Staatswohls und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben einerseits und dem Interesse an einer umfassenden und uneingeschränkten Wahrheitsfindung sowie schutzwürdigen Belangen“ andererseits. Dem Interesse an der Wahrheitsfindung sei grundsätzlich der Vorrang gegenüber dem Interesse an der Geheimhaltung eingeräumt. Dass die Verwaltungsge———————— 40

BVerwGE 109, 258, 265; 66, 39, 42. So auch in den USA. Hier kann nur der Präsident das ‚executive privilege‘ geltend machen. 42 Battis, BBG, Rn. 7. 43 Siehe statt aller Heuch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Staatsorganisationsrecht, 2003, der auch eine Auseinandersetzung mit der seines Erachtens widersprüchlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liefert, S. 26ff., auch m.w.Nachw. der Ansichten im Schrifttum S. 42, 47, 55. 44 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (BMinG) v. 17.6.1953 (BGBl I 1953, S. 407), i.d.F.d. Bek. v. 27.7.1971 (BGBl. I, S. 1166). 41

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

richte in vollem Umfang überprüfen könnten, ob die Versagung einer Aussagegenehmigung rechtmäßig sei, bedeute nicht, dass die Versagungsgründe im Sinne dieser Vorschriften im Streit um die Genehmigungserteilung vollständig zu offenbaren seien. Es genüge, wenn die zuständige Stelle dem Gericht ihre Wertung der Tatsachen als geheimhaltungsbedürftig so einleuchtend darlege, dass sie unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange als triftig anerkannt werden könne.45 Wie in der Nixon-Entscheidung handelt es sich also um eine Frage der Substantiierung und Glaubhaftmachung, nicht um eine Abwägung in dem Sinne, wie sie zwischen Interessen der Gemeinschaft als Gemeinwohlbelange und dem Freiheitsinteresse des Einzelnen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Staat-Bürger-Verhältnis erfolgt.46 5. Unterschiede im parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystem Es hat sich gezeigt, dass beide Rechtsordnungen Kriterien entwickelt haben, die der Exekutivspitze einen vertraulichen Initiativ- und Bewertungsspielraum zugestehen, auch wenn dieser teilweise kaum noch erkennbar ist. Für die rechtliche Beurteilung dieser Frage sind die Unterschiede zwischen präsidentiellen und parlamentarischen Regierungssystemen, insbesondere unter dem Blickwinkel des Gewaltenteilungsprinzips, nicht so elementar, dass der hier angestellte Vergleich beider Systeme fruchtlos geblieben wäre. Allerdings ist auf zwei strukturelle Besonderheiten hinzuweisen, die die Auslegung zum Kernbereich beeinflussen. Einerseits müsste der Bereich in der Bundesrepublik weiter auszulegen sein, weil die Bundesregierung – im Gegensatz zum US-Präsidenten, der allein der Öffentlichkeit verantwortlich ist – auch als Kollegialorgan entscheidet (Art. 64 GG). Andererseits wäre der Bereich wieder einzuengen, weil im Kabinettssystem auch die Minister dem Parlament verantwortlich sind, wenn auch nicht im vollen Sinn wie der Bundeskanzler, da keine Möglichkeit des Misstrauensvotums gegenüber Ministern besteht. Diese Verantwortlichkeit jedenfalls macht vor dem Kabinettssaal keinen Halt. Sinn parlamentarischer Kontrolle kann es auch sein, die Einzelverantwortung eines Regierungsmitgliedes gleichsam im „Durchgriff auf die Kabinettsentscheidung“ aufzuzeigen.

———————— 45 46

BVerwGE 109, 258, 265, mit dem Verweis auf 66, 39, 44. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 Rn. 165.

§ 24 Effizienz der Untersuchungsverfahren und Reformüberlegungen I. Effizienz Effizienz beschreibt die allgemeine Wirksamkeit, eine Beziehung zwischen Aufwand und Ergebnis im Hinblick auf vorgegebene Ziele. Eine Effizienzanalyse des Untersuchungsrechts steht vor erheblichen Schwierigkeiten, da ein vorgegebenes Untersuchungsziel nicht klar zu bestimmen ist. Alle Versuche der Vergangenheit, Sinn und Zweck von Untersuchungsverfahren unzweifelhaft – und für eine Effizienzanalyse abschließend – zu definieren, müssen als gescheitert gelten. Beschreibt man das Ziel einer Untersuchung allgemein mit der Aufklärung, so lässt sich das Erreichen des Ziels gleichfalls nicht messen, da unbekannt bleibt, was im Verborgenen liegt. Eine zeitliche Kategorie lässt sich ebenso schwer einführen. Zwar wird immer wieder der Zustand beklagt, dass Untersuchungsausschüsse ihre Berichte so spät vorlegen, dass das öffentliche Interesse zu diesem Zeitpunkt bereits wieder verflogen ist. Kriterien einer schnellen oder verschleppten Aufklärung bestehen nur im Subjektiven und lassen sich objektiv schwer fassen. Das Gleiche gilt für die Kategorie der Glaubwürdigkeit, wenn parlamentarische Untersuchungen Missstände aufklären und damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die politischen Institutionen bestätigen oder wiederherstellen sollen. Allerdings ist das Vertrauen in politische Institutionen und ihre Repräsentanten von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt, die einerseits nicht allein in Umfragen zum Ausdruck kommen und sich des Weiteren nicht auf Untersuchungsverfahren einengen lassen. Dasselbe gilt für den Faktor der parteipolitischen Auseinandersetzung. Parlamentarische Untersuchungen sind häufig auch Waffen im Kampf um die Macht und die öffentliche Meinung. Mit Abschluss der Untersuchung fühlt sich regelmäßig jeder Teil der politischen Gegnerschaft in ihren Vermutungen bestätigt. Trotzdem ist für jeden der entsprechenden politischen Gegenpole höchst ungewiss, ob aus einer Untersuchung politischer Nutzen zu ziehen ist oder ob sich die öffentliche Meinung gegen die Untersuchungsführer kehrt, wie es das Impeachment-Verfahren gegen den demokratischen Präsidenten Clinton oder die Ethikverfahren zeigen. Vorliegend soll auch nicht der Versuch der „Messfanatiker“ unternommen werden, wie Loewenstein die Vertreter der „Theorie der Einflussnahme“ nann-

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

te, die meinten mit quantitativen Messungsmerkmalen in die „Substanz der politischen Macht“ eindringen zu können.1 Zumindest lassen sich die im Untersuchungsverfahren betroffenen Interessen tendenziell beschreiben und am Bestand der rechtlichen Schutzvorschriften bewerten. Stellt man das Aufklärungsinteresse und die Funktion des Parlaments, über gesellschaftliche Zustände oder Missstände in der Verwaltung genauso zu informieren wie über politische Initiativen,2 in den Mittelpunkt der Betrachtung, so arbeitet der Kongress im Vergleich zum Bundestag deutlich effizienter. Personelle und formale Ausstattung der Untersuchungsverfahren sind klarer an diesem Ziel ausgerichtet als im Bundestag.3 Wesentlich ist, dass alle Fachausschüsse und damit regelmäßig auch Unterausschüsse über die Befugnis verfügen, bei der Aufklärungstätigkeit gegebenenfalls Zwangsmittel einsetzen zu können. Untersuchungen können aus der laufenden Ausschussarbeit gestartet werden. Die Aufklärungsinstrumente des Kongresses gegenüber der Exekutive sind nicht nur stärker und weitreichender, sondern auch flexibler als das starre Instrument des Sonderausschusses nach Art. 44 GG. Hinzu kommt die Möglichkeit von Presidential Commissions, die häufig auch mit Kongressabgeordneten besetzt sind und durch diese Mischform mögliche Glaubwürdigkeitsdefizite kompensieren können. Darüber hinaus sind alle Ausschusssitzungen grundsätzlich öffentlich, und durch die Übertragung in audiovisuellen Massenmedien können die Anhörungen eine breite Öffentlichkeit informieren. Betont man hingegen den Schutz privater oder staatlicher Geheimnisse, schneidet das bundesdeutsche Recht deutlich „besser“ ab. Die Beweisaufnahmen des Untersuchungsausschusses sind audiovisuellen Medien nur ausnahmsweise zugänglich. Die ständigen Bundestagsausschüsse sind gänzlich nichtöffentlich. Die Bestimmung des Schutzumfangs staatlicher Geheimnisse – und des Bereiches exekutiver Eigenverantwortung – weniger in den Händen des Bundestages als in denjenigen der Bundesregierung. Untersuchungen gesellschaftlicher Missstände sind nicht die Regel. Der Grundsatz, nicht in private Sachverhalte bzw. ‚private affairs‘ aus parlamentarischen Untersuchungen auszuschließen, wird im Bundestag weit strenger gehandhabt, als im Kongress. Einzelfälle zeigen, dass der Schutz von Informationen, die dem Persönlichkeitsschutz unterliegen, in Kongressuntersuchungen teilweise vernachlässigt wird.

———————— 1

Loewenstein, Verfassungslehre, S. 5f. Zur sog. ‚informing function‘ siehe § 2 I., S. 31. 3 Zu den parlamentarischen Hilfsdiensten des Bundestages siehe § 8 bzw. des Kongresses siehe § 13 und § 19 III. 2

§ 24 Effizienz

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II. Reformbedarf Die folgenden Reformüberlegungen orientieren sich an den festgestellten Unterschieden und stellen das Aufklärungsinteresse in den Mittelpunkt. Ausgangspunkt der Reformüberlegung ist damit das weitgehend unbestrittene Kontroll- und Informationsdefizit des Bundestages gegenüber der Bundesregierung.4 Damit soll nicht behauptet werden, die Mitglieder des Bundestages verfügten über „zu wenig“ Informationen. Quantitativ ist wohl eher das Gegenteil der Fall. Eine Flut allgemeiner Informationen ist die Regel. „Informationsdefizit“ beschreibt die strukturelle Unterlegenheit, das Informationsungleichgewicht des Bundestages gegenüber der spezialisierten und ressourcenstarken Exekutive, das von einem Kontrolldefizit des Parlaments begleitet wird. Hinzu kommt ein Aufmerksamkeitsdefizit des Bundestages im Vergleich zur Regierung, deren Mitglieder als richtlinienbestimmende Kräfte die Augen der Öffentlichkeit mehr als die Mitglieder des Bundestages auf sich ziehen. Dem gegenüber steht das strukturelle Übergewicht der Ministerialbürokratie. Aufgabe der Ministerialbürokratie ist es, Gesetze und Verordnungen vorzubereiten sowie deren Vollzug zu gewährleisten. Sie unterstützt die politische Spitze bei der Erfüllung ihrer Führungsaufgaben. Sie begleitet den gesamten Entscheidungsprozess, sammelt und analysiert mit einer erheblich spezialisierten Infrastruktur Informationen und gibt Empfehlungen ab. Sie organisiert und begleitet den Vollzug politischer Entscheidungen. Sie gehört zum essentiellen und unabdingbaren Instrument der politischen Steuerung. Auf Grund dieser hervorgehobenen Stellung verfügt die Ministerialbürokratie über erhebliche Spielräume, politische Entscheidungen zu beeinflussen. Außerdem ist die Nähe zur politischen Sphäre auf Grund von Maßstäben und Handlungslogiken ausgeprägter als in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung.5

III. Bisherige Reformüberlegungen Um ein Gegengewicht zur Dominanz der exekutiven Verwaltungsapparate zu schaffen, sind in der Vergangenheit eine Reihe von Reformüberlegungen in die Diskussion eingebracht worden. Eine Anzahl von Reformvorschlägen bezog sich darauf, das Parlament von „verzichtbaren“ Aufgaben zu entlasten. So ———————— 4 Nachweise siehe Fn. 31, S. 30. Zusammenfassend zum Kontrolldefizit vgl. Damkowski, in: Damkowski, S. 86, der zu wenig kontinuierliche, sytematische und flächendeckende Kontrolle und zu wenig Implementationskontrolle, zu viel ex post- und informelle Kontrolle und zu wenig transparente, öffentliche Kontrolle konstatiert sowie eine Unterorganisation hinsichtlich Kontrollverantwortung und Kontrollapparat im Parlament. 5 Hesse/Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, S. 335, 340.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

wurde u.a. die Möglichkeit der Regierung, Verordnungen in Routineangelegenheiten ohne Zustimmung des Parlaments zu erlassen, angesprochen.6 Abgeordnete hätten in Anbetracht der Fülle von Aufgaben in der Regel nicht die Zeit, sich so detailliert mit Vorhaben oder mit der Kontrolle zu beschäftigen, wie dies notwendig sei. Unabhängig davon, welche Aufgaben man für verzichtbar hält, mutet dieser Ansatz mit Blick auf die Aufgaben des Kongresses und das Arbeitspensum der Kongressabgeordneten recht eigentümlich an. Im Übrigen würde diese Entwicklung zu noch größeren Spielräumen der Exekutive führen. Ein besonders aufwändig zu realisierender Vorschlag geht dahin, die Struktur von Regierung und Verwaltung in ihrer Organisation zu verändern. Nach dem Vorbild des englischen Kabinetts soll die Ressortspitze in „Kabinettsminister“ und „Fachminister“ geteilt werden. Die Kabinettsminister würden gemeinsam mit dem Bundeskanzler die politischen Entscheidungen treffen. Die Fachminister würden sich um die Details der Umsetzung kümmern und wären auf Grund ihrer Weisungsabhängigkeit dem Kabinettsminister unterstellt.7 Die meisten Reformvorschläge beziehen sich allerdings darauf, die Macht des Parlaments zu verstärken und durch wirksame Kontrolle und Steuerung den Einfluss der Ministerialbürokratie einzuschränken. Hier werden insbesondere die finanzielle und personelle Verstärkung des Bundestages sowie die stärkere Spezialisierung der Abgeordneten angeführt. Über eine pauschale Unterstützung dieser Vorschläge für eine bessere Ressourcenausstattung im Grundsatz nach hinaus, soll an dieser Stelle nicht spezifisch Stellung genommen werden. Spezialisierungen bestehen bereits dem Grunde nach, weil Abgeordnete in der Regel in beruflichen oder politischen Schwerpunktbereichen Erfahrungen vorweisen können und diese der fachlichen Ausrichtung des jeweiligen Ausschusses entsprechen.8 Sind Abgeordnete in mehreren Ausschüssen Mitglied, so handelt es sich regelmäßig um sachnahe Bereiche, wie bspw. Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung oder Finanzen und Haushalt.9 Was die Spezialisierung im Detail betrifft, so hängt dies mit dem schwer zu beurteilenden Einsatz, der beruflichen und politischen Erfahrung sowie der zeitlichen Belastung zusammen. Die Richtung der Überlegungen kann also wiederum nur auf eine verstärkte Spezialisierung des Personals hinauslaufen. Vor dem Hintergrund einer vergleichenden Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass das Mitarbeiter- und Kontrollpotential im Bundestag besonders bei den ———————— 6 Bischoff/Bischoff, Parlament und Ministerialverwaltung, in: Schneider/Zeh, § 54 Rn 78 (S. 1457, 1476). 7 Arndt, Parlament und Ministerialbürokratie, Die Verwaltung, 1969, S. 265, 273. 8 Siehe auch Deutsch/Schüttemeyer, Die Berufsstruktur des Deutschen Bundestages, ZParl. 2003, S. 21ff. 9 Münzing/Pilz, Der Auswärtige Ausschuss des deutschen Bundestages: Aufgaben, Organisation, Arbeitsweise, ZParl, 29, 1998, S. 575ff.

§ 24 Effizienz

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großen Fraktionen in deren Hilfsapparaten zu finden ist, im Kongress hingegen in Ausschuss- und Abgeordnetenbüros. Es übersteigt den Umfang und den Ansatz der vorliegenden Arbeit, die Frage zu beantworten, ob die Spezialisierung der Mitarbeiter im Bundestag ausreichend oder verbesserungswürdig ist. Es bleibt nur festzuhalten, dass dem Spezialisierungsgrad der einzelnen Abgeordneten immanente Reformgrenzen gesetzt sind, die allein durch den „Support“ zu kompensieren sind. IV. Reformüberlegungen auf Grund der rechtsvergleichenden Betrachtung Eine unkritische Übernahme des US-amerikanischen ‚oversight‘-Systems wird auf Grund der Besonderheiten des US-amerikanischen Regierungssystems auch hier nicht vorgeschlagen. Die zersplitterte Exekutive der US-amerikanischen Bundesverwaltung ist mit der Aufsicht ausübenden Ministerialbürokratie der Bundesrepublik nur bedingt vergleichbar. Der Untersuchungsumfang im Bereich der Kontrolle des Gesetzesvollzugs ist erheblich höher. Weiterhin verfügen die Vereinigten Staaten nicht über eine der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit vergleichbare gerichtliche Kontrolle.10 Hinzu kommt, dass die Verwaltung auch unterhalb der Exekutivspitze auf Grund der Bewilligungs-, Organisations- und Zustimmungskompetenz des Kongresses in einem indirekten Verantwortungsverhältnis zum Parlament steht.11 Hohe Beamte sind in einer doppelten Verantwortlichkeit: gegenüber dem Kongress und gegenüber dem Präsidenten. Damit hat auch der Kongress ein größeres Aufgabenspektrum, obwohl die verfassungsrechtlich vorbestimmte Bündelung der legislativen Kompetenz im Kongress – im Gegensatz zum Bundestag, der sich das Recht der Gesetzesinitiative mit Bundesregierung und Bundesrat teilt – nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass auch in den USA ein wesentlicher Teil der Gesetzesvorbereitung in den Behördenapparaten geleistet wird. Der Kongress kompensierte diesen Verlust an Gestaltungsmacht durch die Verstärkung der Kontrollinstrumente, also durch Umstrukturierung und Verbesserung der Informations- und Kontrollmechanismen innerhalb des Parlaments. Hier sei auf die Kongressreformen der 1940er und 1970er Jahr verwiesen, wobei insbesondere die Reformen der 1970er Jahre auch zu einer Umverteilung der Machtverhältnisse nicht nur gegenüber der Exekutive, sondern auch innerhalb des Kongresses führten. Während zuvor die Macht in den Händen einiger weniger Mitglieder des Kongresses gelegen hatte, wurde sie nun auf mehrere neue Gremien verlagert. Neue Ausschüsse wie die Geheimdienstausschüsse wurden geschaffen. Der Zugang der Mitglieder zum Amt des Ausschussvorsit———————— 10 11

Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, S. 203ff. Siehe § 10 II.2.a), S. 121.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

zenden wurde erleichtert. Wesentlich wurde die Größe der Mitarbeiterstäbe und der wissenschaftlichen Dienste ausgebaut. Gleichzeitig ermöglichten die Sunshine-Rules, dass die gesamte Tätigkeit des Kongresses im Lichte der Öffentlichkeit stattzufinden hat. Damit unterwarfen sich auch die Kongressabgeordneten der stärkeren Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Hinzu kommt, dass die seit 1921 als Arm des Kongresses bestehende Rechnungsprüfbehörde, das General Accounting Office (GAO), nicht nur die ex post-Kontrolle des Finanzgebarens der Exekutive, sondern auch die ständige Effizienzanalyse von Programmen und deren Durchführung mit einem hohen Grad an Unabhängigkeit gewährleistet und damit eine wichtige Informationsquelle und Stütze der Kongressuntersuchungen ist. Obwohl einige Maßnahmen durch erneute Reformen in den 1980er Jahren wieder zurückgenommen wurden, insbesondere Berichtspflichten reduziert wurden, bewirkten all diese Schritte, dass die Informationsinstrumente und damit die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer effizienten parlamentarischen Kontrolle heute in den USA auf Grund der besseren Ressourcenausstattung des Kongresses sowie der schärferen und öffentlichkeitswirksameren Aufklärungsinstrumente den Voraussetzungen des Bundestages deutlich überlegen sind. Deshalb ist der Gedanke, die Untersuchungsbefugnisse der ständigen Bundestagsausschüsse nach US-amerikanischen bzw. innerparlamentarischen Vorbildern im Bundestag auszugestalten, Gegenstand der folgenden Reformüberlegungen.12

———————— 12

Die kongresseigenen Behörden, wie das GAO, sollen als systemfremde Komponenten aus der Analyse ausgeschlossen werden.

§ 25 Stärkung der ständigen Bundestagsausschüsse bei ad hoc-Untersuchungen Die Verlagerung des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens auf die ständigen Fachausschüsse kann eine Reihe positiver Folgen haben. Die Inanspruchnahme eines „vorhandenen“ ständigen Ausschusses kann zeitsparender sein als die Einsetzung des Sonderausschusses nach Art. 44 GG. In den ständigen Ausschüssen kann eine für den Untersuchungsgegenstand notwendige Fachkompetenz bereits versammelt sein. Andererseits können Fragerechte und Antwortpflichten im Plenum dem parlamentarischen Aufklärungsinteresse nicht immer gerecht werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Untersuchungsgegenstand umfangreiche Ermittlungen und die unmittelbare Beweiserhebung durch Akteneinsicht und Zeugenvernehmungen erfordert. Die Verstärkung der Fachausschüsse zur Regierungs- und Verwaltungskontrolle klingt bereits bei Max Weber an. Dieser spricht zwar in erster Linie von Verwaltungskontrolle, trennt aber gedanklich zwischen Richtungs- und Leistungskontrolle. Für die fortlaufende „normale Kontrolle der Verwaltung“ und die „fortlaufende Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit“ schlägt er gemischte Fach- oder Spezialausschüsse vor.1 Die Untersuchung in ständigen Ausschüssen kann die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach Art. 44 Abs. 1 GG erübrigen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, wenn die Aufklärung nicht allein im Interesse der parlamentarischen Minderheit ist und die Mehrheit ein ebenso großes Interesse daran hat, Vorwürfe schnell aufzuklären oder Konsequenzen aus sich bestätigenden Vorwürfen zu ziehen, um nicht in die Glaubwürdigkeitsfalle vor der Öffentlichkeit zu geraten. Hier ist bspw. die nichtöffentliche Anhörung u.a. des Bundesministers für Bauen, Wohnen und Verkehr, Manfred Stolpe, im dafür zuständigen Bundestagsausschuss zu den Vorwürfen im Zusammenhang mit der Einführung der LKW-Maut am 22. und 28. Oktober 2003 zu nennen2. Ein weiteres Beispiel ist die Anhörung des Vorsitzenden der Bundesanstalt für Arbeit, ———————— 1

Weber, Parlament und Regierung, S. 357. Tagesordnung der 21. Sitz. des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr v. 22.10.2003: „Übergabe von Vertragsunterlagen zur LKW-Maut und Erläuterung durch den Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe (Selbstbefassung 15(14) SB-31); Bericht der Bundesregierung über den aktuellen Stand zur LKW-Maut in seiner 22. Sitz. am 28.10.2003, Selbstbefassung 15(14) SB-34. 2

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Florian Gerster, im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit am 28. November und 11. und 19. Dezember 2003 zu den Vorwürfen im Zusammenhang mit der Vergabe von Beraterverträgen.3 In beiden Fällen drohte die Opposition mit dem scharfen Schwert des Untersuchungsausschusses.4 Zur Einsetzung eines solchen kam es jedoch nicht.5 Diese Fälle sind ebenfalls Beispiele, in denen ein Bedürfnis nach schnellstmöglicher Aufklärung bestand und die Ausschüsse im Rahmen ihrer Selbstbefassungskompetenz Ermittlungen anstellten. Ständige Ausschüsse können geeignete Untersuchungsgremien sein. So erfolgte bspw. im Vorfeld der Einsetzung des sog. Lügenausschusses am 2. Dezember 2002 die nichtöffentliche Anhörung des Parlamentarischen Staatssekretärs im Finanzministeriums, Karl Diller, im Haushaltsausschuss des Bundestages am 13. November 2002. Diese Anhörung hat nichts anderes ergeben als die im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses festgestellten Tatsachen.6 Man könnte einerseits erwägen, ständige Ausschüsse mit permanenten Untersuchungsbefugnissen nach dem Vorbild von ‚investigative oversight‘ im Kongress bzw. dem innerparlamentarischen Vorbild des Art. 44 GG auszustatten. Dies würde bedeuten, dass allen Ausschüssen – vorbehaltlich einer Bedürfnisanalyse – die Funktion des Untersuchungsausschusses nach Art. 44 GG, wie dies für den Verteidigungsausschuss bereits geregelt ist, zusteht. Praktisch hieße dies, die Möglichkeit zu schaffen, dass sich die Fachausschüsse im Rahmen ihrer Selbstbefassungskompetenz einen Untersuchungsauftrag erteilen können oder durch einen Plenarbeschluss als Unteruntersuchungsausschuss eingesetzt werden und Beweise erheben können, d.h. Anhörungen durchführen, Zeugen gegebenenfalls unter Androhung von Zwangsmitteln vernehmen und sächliche Beweismittel herausfordern. Auch die Bildung eines Untersuchungsausschusses kann in Betracht kommen. Bei Zuständigkeitskonflikten zwischen verschiedenen Fachausschüssen kann – bspw. durch interfraktionelle Absprache – eine Verständigung im Ältestenrat erzielt werden. ———————— 3

42. Sitz. des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit v. 28.11.2003 zur „Mittelvergabe der Bundesanstalt für Arbeit für Öffentlichkeitsarbeit. Eingeladen ist der Vorsitzende des Vorstands der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster“; die Beratung in der 45. Sitz. des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit am 19.12.2003 „zum Bericht des Bundesrechnungshofes nach § 88 Abs. 2 BHO über den Vertrag der Bundesanstalt für Arbeit mit der WMP Wirtschaft Medien Politik Beratung GmbH. Eingeladen ist der Vorsitzende des Vorstands der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster“, AusschussMitteilung vom 26.11.2003 und 17.12.2003. 4 Neue Osnabrücker Zeitung v. 15.10.2003. Zum Maut-Vorgang kündigte die FDP am 23.11.2003 an, gemeinsam mit der Union einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. 5 Damit soll keine Aussage dazu getroffen werden, ob die Untersuchung der beiden ständigen Ausschüsse angemessen erfolgte. 6 Prot. 3 ab S. 84 und Prot. 5 ab S. 5 im Abschlussbericht BT-Drs. 15/2100 v. 24.11.2003.

§ 25 Stärkung der ständigen Bundestagsausschüsse

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Eine Verfassungsänderung, wie sie in Art. 45c GG für den Petitionsausschuss und in Art. 45a für den Verteidigungsausschuss erfolgt ist, ist nicht erforderlich. Wie die Ausführungen zur ‚implied powers‘-Theorie zeigen, stehen Untersuchungsbefugnisse wie Zeugenvernehmung und Aktenvorlage im Verhältnis der Legislative zur Exekutive nicht nur dem Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 GG, sondern dem Parlament insgesamt zu. Einer Übertragung auf ständige Ausschüsse stünde damit rechtlich nichts entgegen. Die Konstruktion eines Sonderausschusses im Grundgesetz hat keine ausschließende Wirkung, die es dem Bundestag verwehren würde, auch andere Ausschüsse mit erweiterten Untersuchungsbefugnissen auszustatten. Sollen Personen vernommen werden, die in keinem staatlichen Verantwortungsverhältnis stehen, ist hingegen ein Parlamentsgesetz erforderlich. 7 Allerdings wäre sicherzustellen, dass die Erweiterung der Untersuchungsbefugnisse ständiger Ausschüsse nicht die Erweiterung der Minderheitenrechte zur Folge hätte. Sonst könnte die Minderheit zur Mehrheit im Ausschuss werden, Untersuchungs- und Gesetzgebungsverfahren verzögern und die Machtverhältnisse erheblich verändern. Das Szenario einer eventuellen „Gegenbürokratie“ scheint bereits mit Blick auf die faktische Begrenztheit formaler und personeller Kapazitäten des Bundestages utopisch.8 Unabhängig davon hilft ein kurzer Blick ins britische Parlament. Ziemske führt zum englischen Beispiel der begleitenden Kontrollausschüsse aus, dass sich die Stellung von Regierung und Parlament seit ihrer Einführung 1979 nicht grundlegend verändert habe. Die Regierung habe ihre Eigenständigkeit nicht zu Lasten eines imperativen Mandats der Untersuchungsausschüsse verloren. Es sei „wholly misleading, to suppose that the Government is waiting to take guidance from Select Committees“, so Englefield, Mitglied eines House of Commons Select Committees.9 Gegen die Ausgestaltung der ständigen Fachausschüsse als potentielle Untersuchungsausschüsse könnte eingewandt werden, dass sich die politische Kultur seit 1919 an ad hoc-Untersuchungsausschüssen, denen „ausnahmsweise exekutive Befugnisse besitzen, wie sie sonst nur Gerichten zustehen“ gewährt werden und die nur „gelegentlich“ zu Untersuchungen führen, ausgerichtet hat.10 Die Furcht, Zwangsbefugnisse könnten gegenüber „jedermann“ und zu jedem Zweck ausgeübt werden und so zu einer überragenden parlamentarischen Investigationsmacht führen, resultiert zwar aus der eingangs beschriebenen strafprozessualen Prädeterminierung des Untersuchungsverfahrens.11 Die Vor———————— 7

Siehe oben § 18 V.2.d)dd), S. 276. Magiera, Staatsleitung, S. 232. 9 Zit. nach: Ziemske, Untersuchungsrecht England, S. 117. 10 Weber, Parlament und Regierung, S. 353, Anschütz siehe Fn. 30, S. 29. 11 Siehe § 1 III., S. 28. 8

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

behalte bestehen aber noch immer. Dieses traditionelle politische Verständnis ist nur schwer auszuräumen. Die Ansicht, dass es sich im Untersuchungsverfahren eben nicht um ein quasi-richterliches Verhör handelt, sondern es, wie in anderen politisch-parlamentarischen Verfahren auch, um die Aufklärung und Beurteilung von Fehlentwicklungen und die legitime Artikulation politischer Interessen geht, setzt sich nur langsam durch. Der politische Wille zur Erweiterung der Befugnisse könnte auch deshalb fehlen, weil die personellen Ressourcen der Fachausschüsse begrenzt sind. Fachausschüsse könnten überlastet sein, wenn neben den Gesetzgebungsaufgaben Untersuchungsaufgaben hinzukommen würden. Selbst bei einer Verbesserung dieser Ausgangslage und der Verstärkung des Ausschusspersonals unter Aufsicht des Ausschussvorsitzenden könnte eine Veränderung oder Vergrößerung der Ausschussstruktur auch das Machtverhältnis innerhalb des Bundestages verändern. Die für eine Reform erforderliche parlamentarische Mehrheit könnte ein geringes Interesse daran haben, die Ausschüsse zu stärken, weil nach der Praxis des Bundestages die Position des Vorsitzenden nicht immer in den Händen der Mehrheit ist, sondern tendenziell – wenn auch nicht streng nach einem Zählverfahren – paritätisch vergeben wird (§ 12 GO-BT). Im Verhältnis Ausschuss-Plenum kann ein Ausufern von ad hoc-Untersuchungen in den ständigen Ausschüssen durch die Bindung an einen Einsetzungsbeschluss, also an einen klar umrissenen und aus rechtsstaatlichen Gründen hinreichend bestimmten Untersuchungsauftrag wie Art. 44 GG verhindert werden. Die Verbesserung der bisherigen Struktur könnte auch an die Befugnisse des Petitionsausschusses angelehnt werden. Der Petitionsausschuss behandelt alle Beschwerden, die den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung betreffen: von Bundesbehörden oder sonstigen Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben des Bundes wahrnehmen, unabhängig davon, ob und inwieweit sie der Aufsicht der Bundesbehörden unterliegen. In vollem Umfang ist das Verhalten der Verwaltung dort überprüfbar, wo der Bund die Gesetze durch bundeseigene Verwaltung (Art. 86 GG) oder durch bundesunmittelbare Körperschaften (Art. 87, 87b GG) oder Anstalten des öffentlichen Rechts (Art. 87 Abs. 2 GG) ausführt. Diese Möglichkeit liegt auch wegen der inhaltlichen Ausrichtung der Untersuchungsaufgaben nahe. Dem Petitionsverfahren liegt im Kern der Gedanke des parlamentarischen Untersuchungsrechts zugrunde.12 Auch hier geht es bei Beschwerden regelmäßig um die Aufklärung von Missständen im Bereich der Exekutive. Die Spezialkompetenzen sind auch für das Petitionsrecht nur „technisch-organisatorische Hülse.“13 In ihrer Substanz wird die Legitimation parla———————— 12

BVerfGE 67, 100, 129. Vgl. Oppermann, Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes, VVDStL 33 (1975), S. 58. 13

§ 25 Stärkung der ständigen Bundestagsausschüsse

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mentarischer Aufklärungsbefugnisse im Petitionsrecht wie im Untersuchungsrecht durch das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip gebildet – bzw. im Petitionsrecht vom Grundrecht nach Art. 17 GG konkretisiert. Die Aufklärung fraglicher Missstände, denen keine Petition vorausgeht, kann erst recht zu Ermittlungen auffordern und die Inanspruchnahme der im PetG aufgeführten Befugnisse gegenüber der Exekutive erfordern. Zwar steht dem Petitionsausschuss nicht die Möglichkeit zur Verfügung, wahrheitsgemäße Aussagen zu erzwingen. Allerdings ist dies im Bereich der Regierungs- und Verwaltungskontrolle auch nicht immer zwingend erforderlich. Angehörige des öffentlichen Dienstes unterliegen per se der Wahrheitspflicht, deren Verletzung zumindest mit dem Sanktionsinstrumentarium des Disziplinarrechts verfolgt werden kann. Besonders bedeutsam ist, dass die ad hoc-Untersuchung mit einem Abschlussbericht endet, gegebenenfalls Empfehlungen gibt und die Debattemöglichkeit eröffnet wird. Diese Möglichkeit besteht in den Untersuchungsverfahren der ständigen Ausschüsse zwar rechtlich. Praktisch wird davon kaum Gebrauch gemacht. Dieses Defizit ist insbesondere in den o.g. Beispielsfällen „Maut“ und „Gerster“ zu verzeichnen. Letztlich konnten die Anhörungen im Bundestag der Praxis, zu Vorwürfen in Pressekonferenzen Auskunft zu geben, nichts entgegensetzen, da sie nichtöffentlich erfolgten.14 Die Beweiserhebung sollte nach dem Vorbild des Art. 44 Abs. 1 GG öffentlich erfolgen, solange keine Belange des Persönlichkeits- oder Staatsschutzes entgegenstehen. Hierbei kann auf die Formulierung des § 14 Abs. 1 PUAG zurückgegriffen werden. Der Gedanke in § 69 GO-BT, der den Ausschluss der Öffentlichkeit in den Ausschussverhandlungen vorschreibt, kann im Untersuchungsverfahren nicht zum Tragen kommen. Im Untersuchungsverfahren geht es anders als in Gesetzgebungsverfahren nicht um Kompromisse bei politischen Richtungsentscheidungen. Hier geht es um Aufklärung. Für die Nichtöffentlichkeit kann kein über § 14 Abs. 1 PUAG hinausgehendes Interesse bestehen. Ein weiteres Argument, das die Stärkung der Aufklärungs- und Informationsfunktion des Parlaments und seiner Ausschüsse trägt, kann der Begründung der Initiative der BT-Fraktion Bündnis 90/Grüne aus dem Jahr 1997 entnommen werden, die eine Erweiterung der Befugnisse des Petitionsausschusses über Beschwerden hinaus auf „Bitten“ sowie die Einsetzung eines Bürgerbeauftragten forderte.15 Die dramatisch angestiegene Zahl der Eingaben beim Petiti———————— 14 So nahm Florian Gerster bereits am 24.11.2003 in einer Pressekonferenz zu den Vorwürfen bei der Vergabe der Medienberaterverträge Stellung, erst vier Tage später, am 28.11.2003, im zuständigen Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft des Bundestages. Klein, in: HbDStR II, § 40 Rn. 41, bezeichnet es als „politische Unsitte“, Entscheidungen der Bundesregierung auf Pressekonferenzen statt im Parlament bekannt zu geben, wenn Erklärungen im Parlament, wenn dieses tagt, möglich sind. Der Bundestag habe sich als „zu schwach erwiesen“, Letzteres durchzusetzen. 15 BT-Drs. 13/3571 u. 13/3579, 13/3578.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

onsausschuss weise auf ein gestörtes Verhältnis zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern hin und sei auch als Aufforderung zur politischen Kontrolle des Verwaltungshandelns durch das Parlament zu werten. Hier kann also die Wahrnehmung der ‚informing function‘ des Parlaments deutlich verbessert werden. Die Verlagerung von Untersuchungsverfahren in die ständigen Ausschüsse des Bundestages würde nicht nur zu einer Flexibilisierung der Aufklärungsinstrumente führen. Sie hätte auch zur Folge, dass der Untersuchungsausschuss nach Art. 44 GG auf die Gewährleistung der Minderheitenrechte, die wesentlich das Spannungsverhältnis zwischen Parlament und Regierung bestimmen, sowie auf die Tribunalfunktion zurückgeführt würde. Dies entspricht aber auch dem ursprünglichen Gedanken seiner Einführung als ein Instrument, das als „gelegentliches Hilfsmittel“ genutzt werden soll.16

———————— 16

Weber, Parlament und Regierung, S. 355.

§ 26 Einsatz von Ermittlungsbeauftragten bei ad hoc-Untersuchungen Die Frage, ob die kongressionelle Praxis von ‚deposition‘ bzw. ‚staff deposition‘ eine zusätzliche Möglichkeit zur Effektivierung der Aufklärungsinstrumente im Bundestag wäre, ist eng mit der Entscheidung verbunden, inwieweit Nichtparlamentarier an der parlamentarischen Ermittlungstätigkeit mitwirken sollen. Funktional entspricht die Praxis der ‚depositions‘ der Praxis der informatorischen Befragung im Untersuchungsverfahren des Bundestages. Es geht um die Sichtung der Beweismittel und um die Vorbereitung von Zeugenvernehmungen. Im Unterschied dazu gehen ‚depositions‘ über informatorische Befragungen hinaus, da Auskunftspersonen zum Erscheinen gezwungen werden könnte, also das Stadium der Vorermittlungen bereits Zwangsmittel beinhaltet. Die Parlamentspraxis des Kongresses sieht bei ad hoc-Untersuchungen in weitaus größerem Umfang als der Bundestag den Einsatz Externer vor. Dies hat sich als wirksames Mittel erwiesen, den Untersuchungsverfahren Expertise und Ermittlungserfahrungen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus können Externe mit Distanz und ohne gewichtiges politisches Eigeninteresse zur Objektivierung und damit zur Stärkung der Glaubwürdigkeit des Verfahrens beitragen. Außerdem wird vorausgesetzt, dass Anwälte aus renommierten Anwaltskanzleien ein Interesse daran haben, ihre Reputation nicht im parteipolitischen Machtkampf zu verlieren. Das Bedürfnis nach Objektivierung des Untersuchungsverfahrens in der Bundesrepublik durch den Einsatz Externer lässt sich beispielhaft an der Diskussion um die Besetzung des Vorsitzendenamtes im Untersuchungsausschuss mit einer „neutralen Person“ verfolgen. Hier wurde die Bestimmung per Losentscheid,1 die Besetzung mit einem Nichtparlamentarier,2 einem neutralen

———————— 1 Abgeordnete Hirsch und Engelhard (beide FDP), in: Enquete-Kommission, Verfassungsreform, BT-Drs. 7/5924 (Sondervotum), S. 67. 2 Diskussionsbeitrag Struck, in: Thaysen/Schüttemeyer, S. 61; Statement Richter II auf dem Deutschen Anwaltstag 2000, in: Kempf, Untersuchungsausschuss und Strafverfahren, AnwBl 2000, S. 513, 514.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

Rechtskundigen3 oder einem Abgeordneten ohne eigenes Stimmrecht4 vorgeschlagen. Letztlich hat keiner dieser Vorschläge – auch nicht in der Debatte um das Untersuchungsausschussgesetz vom 21. Juni 2001 – eine Mehrheit finden können.5 Der Gedanke der Objektivierung und Beschleunigung lag auch der Vorschrift über den Einsatz eines Ermittlungsbeauftragten zugrunde (§ 10 PUAG). Der rechtsvergleichende Blick gibt zu Befürchtungen, der Ermittlungsbeauftragte könnte, ähnlich der Institution des ‚independent counsel‘ in den USA, in ausufernder Tätigkeit und völlig unkontrollierter Unabhängigkeit agieren, keinen Anlass.6 Dort handelte es sich um einen Ermittlungsführer, der im Hinblick auf strafrechtliche Vorwürfe gegen hohe Regierungsbeamte ermittelt und über eine eigene Anklagebefugnis verfügt hat. Dem Ermittlungsbeauftragen nach § 10 PUAG stehen diese Befugnisse nicht zur Verfügung. Insoweit sind auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend zu machen.7 Im Übrigen ist die ausufernde Untersuchung des ‚independent counsel‘ Kenneth Starr in der Whitewater- und Lewinsky-Affäre als Ausnahme zu werten, die nicht allein der Konstruktion des Amtes geschuldet ist. Dieser Umstand ist sowohl dem Mangel an Zurückhaltung in der Person des Sonderermittlers als auch der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus zuzuweisen, die vor allem darauf Wert legte, dem Präsidenten persönliches und moralisches Fehlverhalten nachzuweisen. Letztlich wurde das Institut des ,independent counsel‘ aufgegeben. Die US-amerikanischen Erfahrungen geben aber auch einen interessanten Aufschluss darüber, dass die Vorermittlungen (‚depositions‘) dazu dienen können, Private vor ungerechtfertigten Belastungen zu schützen. Das Bedürfnis, Private im Untersuchungsverfahren stärker zu schützen, wurde wiederholt geäußert, da der Schutz des Bürgers vor Eingriffen in seine Privatsphäre im Rahmen des Untersuchungsverfahrens mangels eines Vorverfahrens geringer sei als ———————— 3

Baum, Reform der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse durch Einschaltung parlamentsfremder Personen, ZParl 1974, S. 530, 537, im Anschluss an den „SteinerAusschuss“ der 7. WP. 4 Enquete-Kommission Verfassungsreform, BT-Drs. 7/5924, S. 50; Diskussionsbeiträge Kleinert, Linck, Redeker, in: Thaysen/Schüttemeyer, S. 71, 77, 180. 5 Klein, Die Wahrheit zwischen den Fronten, FAZ v. 28.5.2001, S. 10. 6 So die Befürchtung von Schröder, Die hilflosen Aufklärer, NJW 2000, S. 3332, 3333; ein vom Untersuchungsausschuss unabhängiger Ermittlungsbeauftragter ist auch nie beabsichtigt gewesen, vgl. Bachmaier, Plädoyer für ein besseres Untersuchungsausschussrecht, RuP 2001, S. 197, 198. 7 So aber Glauben/Brocker, Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, § 9, Rn. 33 (S. 139), Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 203, Schneider, NJW, 2001, 1328.

§ 26 Einsatz von Ermittlungsbeauftragten

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in jedem anderen Verfahren.8 Dieses Defizit können die (Vor-)Untersuchungen des Ermittlungsbeauftragen bzw. seiner Hilfskräfte ausgleichen. Auf Grund dieser Ermittlungen können öffentliche Vernehmungen von Zeugen, deren Aussage nicht von Bedeutung ist, ausgeschlossen werden.9 Rechtlich können dem Institut des Ermittlungsbeauftragten nicht die Einwände entgegengehalten werden, die gegen die disziplinarrechtlichen Vorermittlungen des „unabhängigen Sonderermittlers“ Burkhard Hirsch nach § 26 BDO zum Verschwinden von Aktenmaterial im Bundeskanzleramt von Februar bis November 2000 eingewandt wurden.10 Hier wurde vorgebracht, dass bereits die Vorermittlungen Grundrechtseingriffe bedeuten könnten. Der Dienstherr dürfe sich seines unmittelbaren Einflusses auf die Aufgabenerfüllung nicht begeben. Die „demokratische Verantwortung für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe kann die Exekutive nur dann übernehmen, wenn sie deren Durchführung nicht dem Zufall überlässt, sondern sicherstellt und kontrolliert.“ Hier bedürfe es zur Sicherung der Aufgabenerfüllung gewisser „Verantwortungsbausteine“ wie eines ständigen Kontroll- und Zugriffsrechts oder eines sofortigen Kündigungsrechts bei Schlechterfüllung.11 Im Wesentlichen soll der Ermittlungsbeauftragte des Untersuchungsausschussgesetzes potentielle Zeugen und Sachverständige ermitteln. Es besteht keine Auskunfts-, Anwesenheits- oder strafbewehrte Wahrheitspflicht der Anhörperson. Der Ermittlungsbeauftragte hat zwar das Recht auf Vorlage von Beweismitteln sowie entsprechend das Recht der Augenscheinnahme (§ 29 PUAG) und er kann Herausgabeansprüche sowohl gegenüber öffentlichen Stellen als auch privaten Herausgabepflichtigen geltend machen (§ 10 Abs. 4 S. 1 PUAG). Wird die Herausgabe von Beweismitteln verweigert, kann der Ermittlungsbeauftragte die Herausgabeansprüche aber nicht selbst durchsetzen, sondern bedarf der Prüfung und Beschlussfassung des gesamten Ausschusses (§ 17 Abs. 1 i.V.m. § 30 PUAG). Über den Einsatz von Zwangsmitteln kann nur der Untersuchungsausschuss selbst entscheiden. Der Ermittlungsbeauftragte kann Personen nur informatorisch anhören (§ 10 Abs. 3 S. 7 PUAG). Beweiserhebungsbefugnisse bedürfen eines Beschlusses des Untersuchungsausschusses ———————— 8 So der Abschlussbericht zum Steiner/Wienand-Untersuchungsausschuss der 7. Legislaturperiode, BT-Drs. 7/1803, S. 10; Kipke, Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 208f. 9 Zur Aufgabe der Vorbereitung und Begleitung einer Untersuchung durch den Ermittlungsbeauftragten auch im Rahmen der Untersuchungen des Verteidigungsausschusses nach Art. 45a GG siehe ausführlich Rathje, Der Ermittlungsbeauftragte, S. 89ff., 94ff. Hierzu auch die Parallelen zum Einsatz eines Sachverständigen nach § 2c S. 1 PKGrG, S. 103f. 10 Battis/Kersten, Rechtliche Grenzen der Bestellung eines privaten „Sonderermittlers“ im Disziplinarverfahren, ZBR 2001, S. 309ff. 11 Battis/Kersten, aaO., S. 315.

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3. Teil: Vergleichende Analyse und Reformüberlegungen

(§ 17 i.V.m. § 30 PUAG). Insofern sind Grundrechtseingriffe an die demokratische Entscheidungsebene gekoppelt. Außerdem übt der Ermittlungsbeauftragte in der Öffentlichkeit die gebührende Zurückhaltung und gibt keine öffentlichen Erklärungen ab. Die Ermittlungen können durch Beschluss des Untersuchungsausschusses sofort beendet werden. Die zeitliche Begrenzung nach § 10 Abs. 1 S. 1 PUAG auf höchstens sechs Monate soll eine Verselbstständigung des Ermittlungsbeauftragten verhindern. Da es insoweit nicht zu Grundrechtseingriffen kommen kann, sind die vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht nachvollziehbar. Das Parlament entledigt sich – wie behauptet – keiner Aufgaben.12 Es wird maßgeblich in der Autorität der Person des jeweiligen Ermittlungsbeauftragten begründet sein, ob die Erwartungen an dieses Institut erfüllt werden können. In Anbetracht des komplizierten Einsetzungsverfahrens reduzieren sich die Erwartungen an die grundsätzliche Anwendung dieser Option gleichsam. Die Vorschrift, die erst in den laufenden Beratungen des federführenden Ausschusses in das Gesetz aufgenommen wurde, wurde vom Gesetzgeber wohl vielmehr als Angebot verstanden, das nur in seltenen Ausnahmen zum Einsatz kommen würde. Eine Regel wie in den Vereinigten Staaten, Ermittlungsführer als ‚head counsel‘ einzuführen, ist offensichtlich nicht intendiert. Insoweit kann nur die praktische Umsetzung zeigen, ob dem Ermittlungsbeauftragten unter dem Aspekt der Objektivität überhaupt Wirkung zukommen wird. Als Instrument der Arbeitserleichterung und zeitlichen Beschleunigung könnte sich der Ermittlungsbeauftragte im Vorfeld der Beweiserhebung, vor allem bei abtrennbaren Untersuchungsteilen oder bei Informationsgewinnung Ausland, als sehr sinnvoll erweisen. Hier ist allerdings zu bemerken, dass dem Ermittlungsbeauftragten nicht das Recht der Zeugeneinvernahme zusteht, sondern nur die informatorische Befragung, was die Arbeitserleichterung zugunsten der Ausschussmitglieder wieder reduziert. Um die vermittelnde Funktion des Ermittlungsführers zu stärken, ist die Möglichkeit, gesetzlich oder geschäftsordnungsrechtlich den Ermittlungsbeauftragten mit eigenen Fragerechten in der öffentlichen Beweiserhebung auszustatten, zu überlegen. Dies hatte sich im parteipolitisch dominierten Ethikverfahren gegen Newt Gingrich als hilfreich erwiesen und das Vertrauen in Untersuchungsverfahren gestärkt.13 Als weiteres Vorbild können die Untersuchungsführer bzw. kann die Arbeitsweise des gemeinsamen Mitarbeiterstabes im Rahmen der Ethikverfahren des Kongresses genannt werden. Mit dem Ziel des Verfahrens, die Würde des ———————— 12

So aber Glauben/Brocker, Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, S. 139, Rn. 33, Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 203, Schneider, NJW, 2001, 1328. 13 Siehe § 15 IV., S. 213.

§ 26 Einsatz von Ermittlungsbeauftragten

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Parlaments zu schützen, soll auch das Verfahren selbst vor parteipolitischer Inanspruchnahme geschützt werden. Hier haben die Untersuchungen in den 1990er Jahren zusätzliche Erfahrungen vermittelt.14 Es hat sich als sinnvoll herausgestellt, parteiunabhängiges, schwer kündbares Untersuchungspersonal einzustellen, die Ermittlungstätigkeit bis zur Anklageerhebung weitgehend aus dem Licht der Öffentlichkeit zu halten und Abgeordnetengremien mit unterschiedlicher Besetzung vor und nach Eröffnung des öffentlichen Verfahrens vor dem Ethikausschuss einzusetzen. Nur wenn der Untersuchungsgegenstand eine Frontlinie der politischen Auseinandersetzung absehen lässt, werden Mehrheiten- und Minderheitenstäbe eingerichtet. Dies zeigt sich in der Erstattung des Abschlussberichts, die möglichst im Konsens erfolgen soll. Diese Überlegung weist auf eine Verstärkung des unabhängig arbeitenden Ausschusspersonals hin.15

———————— 14

Siehe § 15 III., S. 210. So auch Wiefelspütz, Untersuchungsausschussgesetz, S. 201, allerdings in Kritik des Ermittlungsbeauftragten nach § 10 PUAG. 15

Zusammenfassung und Ausblick Am Anfang dieser Arbeit stand die Frage, ob das parlamentarische Untersuchungsrecht in den Vereinigten Staaten Vorbild einer Reform des deutschen Untersuchungsrechts sein kann. Dass auf Grund der unterschiedlichen politischen Kultur der beiden Staaten keine „Komplettlösung“ zu erwarten ist, wurde gleich zu Beginn klargestellt. Am Ende dieser Analyse steht ein Befund, der die Erwartung erfüllt hat, dass das kongressionelle Untersuchungsrecht wegen seiner intensiven und langjährigen Nutzung, die über die Praxis bundesdeutscher Untersuchungsausschüsse weit hinausgeht, ein lohnenswertes Vergleichsobjekt ist. Es wurden die gemeinsamen historischen Grundlagen des deutschen und US-amerikanischen Untersuchungsrechts im Parlamentarismus Englands herausgearbeitet. Gemeinsamkeiten im Verständnis des Gewaltenteilungsprinzips wurden im Spannungsfeld der Untersuchungsverfahren aufgezeigt. Einzelne Elemente der Untersuchungsverfahren, wie ‚grants of immunity‘, Ermittlungsbeauftragung oder die Erweiterung von Aufklärungsbefugnissen der ständigen Parlamentsausschüsse wurden auf ihre praktische Verwertbarkeit im bundesdeutschen System und auf die Vor- und Nachteile ihrer Anwendung hin untersucht. Die angestellten Reformüberlegungen setzen den politischen Willen voraus, die Informations- und Kontrollinstrumente des Bundestages gegenüber der Exekutive zu stärken. Die steigende Komplexität der Lebensverhältnisse hat das Ansteigen staatlicher Gestaltungsmacht – im parlamentarischen Regierungssystem damit immer auch die Gestaltungsmacht der Exekutive – zur Folge. Darüber hinaus steigt das Bedürfnis, weite Teile der Gesetzgebungsarbeit dem Sachverstand der Ministerialbürokratie zu überlassen. Dies erfordert kompensierende Elemente im Bereich der parlamentarischen Kontrolle. Durch das Spannungsverhältnis zwischen Parlament und Präsident in den USA ist der Kongress nicht nur gezwungen, sein Machtpotential voll auszuschöpfen. Durch eine Vielzahl von Reformen konnte er den aus der Delegation von Gesetzgebungsarbeiten an die Exekutive resultierenden Machtverlust durch einen Ausbau der parlamentarischen Informations- und Kontrollinstrumente kompensieren. Kompensierende Elemente sind hingegen im Falle des parlamentarischen Regierungssystems, das von der Nähe von Regierung und Parlamentsmehrheit geprägt ist, weitaus schwieriger zu implementieren. Denn die Stärkung parlamentarischer Rechte bedeutet immer auch eine Opposition zur Regierung.

Zusammenfassung und Ausblick

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Über die Reformüberlegungen hinaus beinhalten vier Antworten auf verfassungsrechtliche Fragen den maßgeblichen Erkenntnisgewinn der Arbeit: 1. Das Untersuchungsrecht ist den parlamentarischen Kompetenzen immanent. Die tragenden Gedanken der ‚implied powers‘-Theorie finden auch im parlamentarischen Regierungssystem der Bundesrepublik, insbesondere auf die Untersuchungskompetenz des Bundestages, Anwendung. Demokratie und Gewaltenteilungsprinzip setzen ein wirksames Untersuchungsrecht voraus. Aus dem Prinzip der Gewaltenteilung folgt im Interesse der Verwirklichung der Freiheitsrechte, dass die Kontrolle der Exekutive funktional dem Parlament zugeordnet ist. Soll die Kontrolle wirksam sein, kann das Parlament alle aus seiner Sicht erforderlichen Mittel ergreifen, deren es zur Erfüllung dieser Aufgabe bedarf. Als logische Voraussetzung beinhaltet die Kontrollkompetenz das parlamentarische Recht, sich alle Informationen zu beschaffen und diese der Öffentlichkeit vermitteln zu können. Informationsbeschaffung und -darstellung können – soll Aufklärung wirksam sein – Zwangsbefugnisse einschließen. Diese Befugnisse stehen nicht allein dem Untersuchungsausschuss gemäß Art. 44 GG zur Verfügung. Art. 44 GG hat keine ausschließende Wirkung, so dass der Bundestag auch anderen Ausschüssen – ohne Verfassungsänderung – Zwangsbefugnisse übertragen kann. 2. Der generelle Ausschluss von Ton- und Bildaufnahmen aus der Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses ist verfassungswidrig. Er widerspricht dem Öffentlichkeitsprinzip nach Art. 44 Abs. 1 GG, das sich auf das allgemeine parlamentarische Öffentlichkeitsprinzip in Art. 42 Abs. 1 GG bezieht und seine Wurzeln im konstituierenden Demokratieprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG hat. Die Beweiserhebung im Untersuchungsausschuss ist eine allgemein zugängliche Quelle gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. Audiovisuelle Medien haben auf Grund der Informations- und Rundfunkfreiheit ein subjektives Recht auf Zugang, Aufnahme und Übertragung der öffentlichen Beweiserhebung. 3. Ein Vorrecht der Exekutive, Kommunikationen im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit über den Bereich der Geheimschutzgründe zum Wohle des Bundes hinaus,vertraulich zu behandeln, ist zu vermuten. Es kann allerdings mit einem höherrangigen Aufklärungsinteresse des Parlaments widerlegt werden. 4. Hinsichtlich des Umfangs der Aussagepflicht von potentiellen Auskunftspersonen und des Umfangs des Öffentlichkeitsprinzips im Untersuchungsverfahren ist danach zu differenzieren, ob die Auskunftspersonen in einem öffentlichen Verantwortungsverhältnis stehen. Ausblickend bleibt zu konstatieren, dass die sichtbarste Veränderung, die dem Untersuchungsverfahren des Bundestages bevorsteht, sicherlich die Kamerapräsenz ist. Ob daraus ein gesteigerter oder ein zurückhaltender Gebrauch des Instruments nach Art. 44 GG folgt, bleibt abzuwarten. Wird die anlassbezogene parlamentarische Kontrolle allein der Initiative der parlamentarischen Minder-

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Zusammenfassung und Ausblick

heit überlassen, ohne die Selbstreinigungskräfte, die Untersuchungsverfahren der ständigen Ausschüsse bieten, entsprechend zu nutzen, könnte den befürchteten Skandalisierungstendenzen Vorschub geleistet werden.

Quellenverzeichnis I. US-amerikanische Quellen 1. Allgemeine Kongressparlamentaria a) Geschäftsordnungen Die Geschäftsordnungen von Senat und Repräsentantenhaus (Senate Rules, House Rules) werden zu Beginn jedes Kongresses neu erlassen. Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf die Geschäftsordnungen des 108. Kongresses (2003-2005). Die Geschäftsordnungen der ständigen Ausschüsse werden jeweils bei deren Konstituierung neu erlassen und sind in der Regel auf der Internetseite des jeweiligen Ausschusses zu finden. Die Geschäftsordnungen der Ethikausschüsse weisen einige Besonderheiten auf. Das Reglement Senate Select Committee on Ethics ist im Anhang des Ethics Manual unter C., S. 353, (24.8.2004), zu finden, das des House Committee on Standards of Official Conduct unter (24.8.2004). b) Resolutionen, Berichte und Plenarprotokolle Resolutionen des Repräsentantenhauses (H. Res.) und des Senats (S. Res.) werden nach der in den Vereinigten Staaten gebräuchlichen Zitierweise verwendet. Das Gleiche gilt für die Ausschussberichte (H. Rept., S. Rept.). Nummerierte Resolutionen werden mit ihrer Nummer, der Wahlperiode und dem Jahr angegeben (z.B. H. Res. 77, 86th Cong., 1st Sess. (1958)), nummerierte Berichte mit Nummer nach der Angabe der Wahlperiode (z.B. H. Rept. 99-253). Der Kongress tritt nach dem 20. Amd. der USVerf. jedes Jahr am 3. Januar zusammen. Eine Wahlperiode (‚term‘) hat danach zwei Sitzungsperioden (‚sessions‘). Nicht nummerierte Parlamentaria werden mit der entsprechenden Institution unter dem genauen Datum und ggf. der Herausgeberschaft (z.B. U.S. Government Printing Office oder z.B. House Judiciary Committee, Comm. Print, 1955) zitiert. Das amtliche Protokoll der Sitzungen beider Kongresskammern (Congressional Record) wird mit dem Band vor der Abkürzung Cong. Rec. zitiert, gefolgt von der Seitenzahl und in Klammern ggf. das Jahr, z.B. 9 Cong. Rec. 1018 (1879). c) Kongressdokumente zur internen Kongressorganisation U.S. Senate, Special Subcommittee of the Committee on Labour and Public Welfare, Proposals for Improvement of Ethical Standards in the Federal Government, includ-

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ing Establishment of a Commission on Ethics in Government (DouglasCommission), 1951, S. Res. 21, 82d Cong. (1951), S. Rept. 933, 82d Cong., 1st Sess. (1951). U.S. House, Joint Committee on the Organization of Congress, Final Report Ethics Process, H. Rept. 103-413 (1966), Washington D.C, U.S. Government Priniting Office. U.S. Senate Ethics Study Commission, Recommending revisions to the procedures of the Senate Select Committee ob Ethis: report to the Senate leadership pursuant S. Res 111 (1994). S.Prt. 103-71, Washington D.C. Government Priniting Office. U.S. Senate, Authority and Rules of Senate Special Investigatory Committee and Other Senate Entities, 1973-97, Committee on Rules and Administration, Sen. Doc. 105-16, 105th Cong. 1st. Sess. d) Sonstige Federalist Papers ist eine 1787/88 in verschiedenen New Yorker Zeitungen erschienene Sammlung von Aufsätzen, die von Alexander Hamilton, James Madison und John Jay unter dem gemeinsamen Pseudonym „Publius“ verfasst wurden. Sie interpretierten und verteidigten die neue Verfassung des Konvents von Philadelphia, um ihre Ratifikation durch den Staat New York zu sichern. Sie stehen im Originaltext in der legislativen Datenbank „Thomas“ zur Verfügung (25.8.2004). U.S. Senate Authority and Rules of Senate Special Investigatory Committee and Other Senate Entities, 1973-97, H. Rept. 139, 105th Cong. 1st Sess. v. 19.7.1997. Congressional Quarterly ist ein Verlag, der sich auf politische Vorgänge im Kongress, der Exekutive und im obersten Gerichtswesen spezialisiert hat [zit. CQ]. CQ Almanac (versch. Jahrgänge), Congressional Quarterly, Washington D.C. CQ Congressional Investigation, Congressional Quarterly, Washington D.C. 1991. CQ Congressional Ethics, Congressional Quarterly, Washington D.C. 1992. CQ Congress and the Nation, Congressional Quarterly, Washington D.C. 1993. 2. Gerichtsentscheidungen Entscheidungen der Bundesgerichte finden sich in den drei Hauptsammlungen: U.S. steht für für Supreme Court, F. oder F.2d für Federal bzw. Federal Second für die Courts of Appeal. Vor der Abkürzung der Sammlung steht der Band, danach die Seitenzahl und das Entscheidungsjahr, z.B. Ashlander v. Tennessee Valley Authority, 297 U.S. 288 (1936). 3. Gesetze Bundesgesetze werden in Statutes (Stat.) veröffentlicht. Die Nummer des jeweiligen Bandes wird vorangestellt, die Seitenzahl erscheint am Ende. Sie erscheinen im United States Code (U.S.C.) und dem United States Code Annotated (U.S.C.A.), einer kom-

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mentierten Ausgabe. Weitere Gesetze und Reglements der obersten Bundesbehörden (‚executive departments‘), der Regulierungsbehörden (‚administrative agencies‘), administrative Erlasse, einschließlich der Proklamationen des Präsidenten (‚executive orders‘), erscheinen im Code of Federal Regulations (C.F.R.). 4. Kongressdokumente zitierter Untersuchungen Kongressuntersuchungen, einschließlich gemeinsamer Ausschüsse und ‚presidential commissions‘, sind nach Untersuchungsgegenstand und chronologisch geordnet. Gegebenenfalls wird auszugsweise der Wortlaut des Untersuchungsauftrages wiedergegeben. St. Clairs Defeat (1792) U.S. House, Select Committee (1792), 3 Annals of Congress 490-494 (1792). Teapot Dome (1922-24) U.S. Senate, Committee on Public Lands and Surveys (1922-24) „to investigate this entire subject of leases upon naval oil reserves with particular reference to the protection of the rights and equities of the Government of the United States […]“, S. Res. 282 v. 29.4.1922. U.S. Senate, Select Committee „to investigate circumstances and facts, and report the same to the Senate, concerning the alleged failure of Harry M. Daugherty, Attorney General of the United States to prosecute properly violators of the Sherman Anti-trust Act and the Clayton Act against monopolies and unlawful restraint of trade; the alleged neglect and failure of the said Harry M. Daugherty, Attorney General of the United States, to arrest and prosecute Albert B. Fall, Harry F. Sinclair, E. L. Doheny, C. R. Forbes, and their co-conspirators in defrauding the Government, as well as the alleged neglect and failure of the said Attorney General to arrest and prosecute many others for violations of Federal statutes, and his alleged failure.“, 1923-24, Cong. Rec. 68th Cong. 1591. Truman-Committee (1941-1948) U.S. Senate, Senate Special Committee „to investigate the National Defense Programm“, 1941-1948, S Res. v. 1.3.1941. [zit. Truman-Committee] Five Percenters-Committee (1950) U.S. Senate, Subcommittee of the Committee on Expenditures in the Executive Departments (1949) Hearings; 8.-26.8.1949, Report: S. Rept. v. 18.1.1950. [zit. FivePercenters]

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Sachverzeichnis 9/11-Commission 151, 335 Aktuelle Stunde 57 Anhörung – am. siehe hearing – informatorisch 93 – öffentliche 58 Appropriation committees 148 Army-McCarthy-Hearings 129 Attorney-client privilege 176, 186 Attorney General 178, 228 Audiovisuelle Medien 316, 323, 326, 329, 353 Auskunftsverweigerung 86, 90, 92 Aussagegenehmigung 80, 86, 276, 303, 350 Ausschusssystem – am. 142 – dt. 53 Baker v. Carr 222, 223, 341 Berichterstattung 96 – am. 184 – Sondervoten 307 Bobby Baker-Case 206 Bundespräsident 238 Bundestagspräsident 67 Bundesverfassungsgericht 109 Cable-Satelite Public Affairs Network siehe C-SPAN Checks and balances 116 Civil Law 22 Classified information 190, 193 Common Law 21, 160 Congressional Budget Act 121 Congressional oversight 122 Congressional record 142, 165, 188

Congressional Research Service 186 Contempt power 160 C-SPAN 189, 201, 202 Department of Justice 229 Department secretaries 125 Deposition 167 Divided government 114, 155 Douglas-Commission 373 Due process clause 173, 227 Eid 88, 304 – am. siehe perjury Enquete-Kommission 69 Ermittlungsbeauftragte 100, 365, 366 Ethics 203 Ethics investigatory subcommittee 210 Exclusion 224 Executive privilege 131, 133, 339 Expulsion 224 Falschaussage 90, 305 Filibuster 313 Flick-Entscheidung 239, 343 Fragerecht, parlamentarisches 57, 239 Freedom of Information Act 194 G10-Kommission 62 General Accounting Office 98, 121, 187 General counsel 186 Geschäftsordnungsausschuss 64 Gewaltenteilung 262, 351 – am. 114 Gingrich-Case 212 Grants of immunity 178 Große Anfrage 58

Sachverzeichnis Head counsel 153 Hearing 123, 154, 165 Herbeirufung siehe Zitierrecht High court 49 House Armed Service Committee 190 House Committee on Unamerican Activities 127 House Rules Committee 141 Impeachment 216 Implied powers-Theorie 117, 232 Independent counsel 181, 365 Independent regulatory agencies 125 Inherent contempt 161 Invasion of privacy 174 Iran-Contra 179 Kabinettssystem 48 Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung 76, 343 Kilbourn v. Thompson 127 Kleine Anfrage 58 Kollegialenquete 289 Kontrolle 31, 34 Leadership 143, 311 Legislative Reorganization Act 121 Lenkungsausschuss siehe House Rules Committee Library of Congress 186 Live-Übertragung 195f., 201, 318, 326 Lückentheorie 254 Madison v. Marbury 220, 222 Majority staff 185 Marconi-Skandal 42 McCarran-Walter-Act 128 McCulloch v. Maryland 233, 235 McGrain v. Daugherty 127, 157, 235 Medienöffentlichkeit 314, 316 siehe auch audiovisuelle Medien Minderheit 79, 310 – am. siehe Opposition Minority staff 185

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Miranda-Rechte 227 Misstrauensvotum 351 Morrison v. Olson 182 New York Times-Standard 198 New York Times v. Sullivan 197 New York Times v. United States 191 October Surprise Task Force. 150 Öffentliches Interesse 71 Öffentlichkeitsprinzip – am. 321 – dt. 326 Office of Management and Budget 122, 148 Opposition – am. 310 – dt. siehe Minderheit Oversight 120 – investigative 122 – regular 122 Oversight plan 147 Parlamentarische Kontrollkommission 61 Parlamentarismusforschung 23 Parlamentspraxis 25 Pentagon Papers 171 Perjury 162 Permanent Subcommittee on Investigation 148 Petitionsausschuss 62 PHOENIX 318 Plea bargainings 168 Political question doctrine 221 Politische Kultur 147, 360 Powell-Affäre 207 Preußischer Verfassungskonflikt 254 Prior restraint 322 Ranking member 185 Regierungssystem – parlamentarisches 26, 351 – präsidentielles 26, 351 Richterliches Beratungsgeheimnis 346 Royal Commissions of Inquiry 40

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Sachverzeichnis

Select committees – am. 142 – engl. 41 Senate Armed Service Committee 190 Sonderermittler 366 Speaker of the House 143 Staff depositions 168 Standing committees 142 Statute Law 22 Statutory civil contempt 162 Statutory criminal contempt 161 Subpoena 161 Subpoena power 164 Sunshine-Rules 188 Supreme Court 219 Teapot Dome 157 Ton- und Bildaufnahmen 316, 336 Tower-Commission 152 Truman-Committee 374

Unified government 113 Uniform Trade Secret Act 177 United States v. Nixon 339, 348 Untersuchungskompetenz – am. 117 – dt. 245 Verteidigungsausschuss 59 Wahlprüfungsausschuss 64 Warren-Commission 188 Warren-Court 227 Watergate 134, 189 Watkins v. United States 129, 167 Wehrbeauftragter 60 Whitewater-Investigations 183 Work-product privilege 176, 177 Zitierrecht 55 Zutrittsrecht 85