Interessenjurisprudenz im internationalen Privatrecht 316645537X, 9783161603075, 9783166455372


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German Pages 165 [180] Year 1989

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Table of contents :
Titel
Vorwort
Inhalt
Abkürzungen
§ 1 Einführung
§ 2 Wirkungsbericht
I. Currie: Governmental Interests
II. Kegel: Internationalprivatrechtliche Interessen und IPR-Gerechtigkeit
1. Gleichberechtigung
2. Spanier-Entscheidung (BVerfGE 31, 58)
3. Ausländer im Inland
4. Gesetzesreform im IPR
5. Bilanz
§ 3 Neubegründung und Weiterentwicklung
I. Ausgangslage
II. Die Aufgabe des internationalen Privatrechts
III. Weiterentwicklung
1. Grundsatz
2. Interessen
3. Situationen
4. Interessenten
5. Fiktionen
§ 4 Auswirkungen
I. Allseitigkeit und Einseitigkeit
1. Einführung
2. Kritik
3. Rückblick und Differenzierung
II. Gerechtigkeit
1. Leitgedanke
2. Alternativanknüpfungen und Günstigkeitsprinzip
3. Inhalt des anwendbaren Rechts
4. Ordnung
III. Parteiwille
1. Begründung
2. Andere Auffassungen
3. Parteiautonomie im Familien- und Erbrecht
4. Gegeninteressen
5. Wahl der lex fori
IV. Lex fori
1. Grundauffassungen
2. Interessen
V. Rückverweisung
1. Begründungen
2. Interessen
3. Ergebnis
§ 5 Der Ertrag
I. Das spezielle Anliegen der Interessenjurisprudenz
II. Internationales Privatrecht und juristische Praxis
III. Wem dient das internationale Privatrecht?
Literatur
Sachverzeichnis
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Interessenjurisprudenz im internationalen Privatrecht
 316645537X, 9783161603075, 9783166455372

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Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht 53 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Professor Dr. Ulrich Drobnig, Professor Dr. Hein Kötz und Professor Dr. Dr. h. c. Ernst-Joachim Mestmäcker

Interessenjurisprudenz im internationalen Privatrecht

von

Axel Flessner

ARTBUS INGHEN

JJGTB

KM.ts

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1990

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Flessner, Axel: Interessenjurisprudenz im internationalen Privatrecht/ von Axel Flessner. Tübingen:Mohr, 1990 (Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht; 53) ISBN 3-16-645537-X / eISBN 978-3-16-160307-5 unveränderte eBook-Ausgabe 2022 ISSN 0340-6709 NE:GT

© 1990 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Ver­ lags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrover­ filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz und Druck:Gulde-Druck GmbH, Tübingen; Einband von Großbuchbinderei Hein­ rich Koch, Tübingen Printed in Germany

Vorwort Die Überlegungen, die in dieser Arbeit vorgestellt werden, sind aus dem Rechtsunterricht entstanden. Er sollte das internationale Privatrecht erklären aus den sozialen Bedürfnissen, die es erfüllen muß. Ein solcher Ansatz lenkt den Blick fast notwendig auf das »Interesse« und seine Behandlung durch Recht. Das Manuskript wurde im wesentlichen abgeschlossen während eines Forschungssemesters, das ich im Winter 1987/88 im Hambur­ ger Max-Planck-Institut verbrachte; nachgetragen habe ich nach Möglichkeit bis Anfang 1989. Das Institut bot die bekannten vor­ züglichen Arbeitsbedingungen, gastliche Atmosphäre und schließ­ lich die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der »Beiträge«. Für alles bin ich dankbar. Meiner Sekretärin, Frau Roswitha Kempf, danke ich für das zu­ verlässige Schreiben des Manuskripts in allen seinen Metamorpho­ sen, meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter, Herrn Manuel Lorenz, LL.M., für klärende Gespräche und ihm sowie Frau Elke Vizzini für Hilfe bei der Fehlerkontrolle und der Erstellung der Verzeichnisse, schließlich meiner Frau, Susanne Flessner, für erstklassige redaktio­ nelle Unterstützung. Frankfurt am Main, im Juni 1989

Axel Flessner

Inhalt Abkürzungen................................................................................... § 1 Einführung.................................................................................

1

§ 2 Wirkungsbericht....................................................................... L Currie: Governmental Interests...................................................... 5 II. Kegel: Internationalprivatrechtliche Interessen und IPR-Gerechtigkeit.............................................................. 13 1. Gleichberechtigung................................................. 15 2. Spanier-Entscheidung (BVerfGE 31,58)............ 26 3. Ausländer im Inland................................................ 32 4. Gesetzesreform im IPR........................................... 36 5. Bilanz.......................................................................... 44

§3 Neubegründungund Weiterentwicklung...............................

47

Ausgangslage...................................................................... Die Aufgabe des internationalen Privatrechts............... Weiterentwicklung............................................................. Grundsatz................................................................ Interessen................................................................ Situationen............................................................... Interessenten............................................................ Fiktionen....................................................................

47 48 52 53 54 57 60 66

§ 4 Auswirkungen........................................................................

67

I. II. III.

1. 2. 3. 4. 5.

I. 1. 2. 3.

II.

1. 2. 3. 4.

Allseitigkeit und Einseitigkeit.......................................... 67 Einführung.............................................................. 67 Kritik......................................................................... 70 Rückblick und Differenzierung............................ 73 Gerechtigkeit........................................................................ 78 Leitgedanke.............................................................. 78 Alternativanknüpfungen und Günstigkeitsprinzip.............. 81 Inhalt des anwendbaren Rechts............................ 84 Ordnung................................................................... 91

VIII

Inhalt

Parteiwille....................................................................... 1. Begründung .............................................................................. 2. Andere Auffassungen................................................................ 3. Parteiautonomie im Familien-und Erbrecht......................... 4. Gegeninteressen........................................................................ 5. Wahl der lex fori........................................................................ IV. Lex fori............................................................................. 1. Grundauffassungen.................................................................. 2. Interessen................................................................................... V. Rückverweisung.......................................................... 1. Begründungen........................................................................... 2. Interessen................................................................................... 3. Ergebnis......................................................................................

97 98 100 107 108 111 113 113 117 129 130 135 138

Der Ertrag......................................................

140

III.

§ 5 I. II. III.

Das spezielle Anliegenderinteressenjurisprudenz . 140 Internationales Privatrecht und juristische Praxis.. 141 Wem dient das internationale Privatrecht?............... 143

Literatur.............................................................................................

148

Sachverzeichnis

161

Abkürzungen a.a.O. ABI. EG AcP a.E. a.F. AGBG Am.J.Comp.L. Art.

am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen American Journal of Comparative Law Artikel

BVerfGE

Bayerisches Oberstes Landesgericht Bundesblatt (Schweiz) Band bearbeitet besonders Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgericht (Schweiz) Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts, Amtliche Sammlung Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Drucksache des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

Calif.L.Rev. ch. Colum. L. Rev.

California Law Review chapter Columbia Law Review

DDR ders. d.h. D.i.p. Dir. Int. Diss. DJZ

Deutsche Demokratische Republik derselbe das heißt Droit international prive Diritto Internazionale Dissertation Deutschejuristenzeitung

BayObLG Bbl. Bd. bearb. bes. BGB BG BGBl. BGE

BGH BGHZ BT-Drucks. BVerfG

ebd. EGBGB EheG EuGVÜ

ebenda Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Ehegesetz (Europäisches) Übereinkommen über die gerichtliche Zu­ ständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entschei­ dungen in Zivil- und Handelssachen

FamRZ

FS

Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht folgende Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts­ barkeit Festschrift

GBl. GG GWB

Gesetzblatt der DDR Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HofstraL.Rev. hrsg. Hrsg.

Hofstra Law Review herausgegeben Herausgeber

Int.Enc.Comp.L. IPR IPRax IPRspr.

International Encyclopedia of Comparative Law Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Interna­ tionalen Privatrechts im Jahre. ...

JuS

JZ

Juristische Schulung Juristenzeitung

Mercer L. Rev. Mich. L. Rev.

Mercer Law Review Michigan Law Review

N. NAG N.C. NJW

Note, Fußnote Bundesgesetz betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter (Schweiz) North Carolina Neue Juristische Wochenschrift

PStG

Personenstandsgesetz

RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Pri­ vatrecht Academie de Droit International, Recueil des Cours

f.,ff.

FGG

Rec. des Cours

red. Rev. crit. d.i.p. RG RGRK

RGZ Riv.trim.dir. proc.civ. Rnr.

redigiert Revue critique de droit international prive Reichsgericht Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichti­ gung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bun­ desgerichtshofs, Kommentar, 12. Aufl. 1974 ff. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rivista trimestrale di diritto processuale e civile Randnummer

s. SchwJb.Int.R. Stan. L. Rev. StAZ

section Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht Stanford Law Review Das Standesamt

Tul.L.Rev.

Tulane Law Review

u. a.

und andere; unter anderem

z.B. ZRvgl. ZGB ZPO ZRP ZSR ZvglRWiss.

zum Beispiel Zeitschrift für Rechts Vergleichung Zivilgesetzbuch Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

§ 1 Einführung Das internationale Privatrecht war in seinen guten Zeiten hochge­ schätzt wegen seines intellektuellen Reizes1; später hat man ihm kritisch eine »Armut an sozialen Werten« attestiert2. Beide Einschät­ zungen meinen ein internationales Privatrecht, das als ein dem ma­ teriellen Recht vorgeschaltetes Verweisungsrecht funktioniert, in­ dem es durch ein System von Anknüpfungen und komplizierten Denkfiguren nationale Rechtsordnungen unabhängig von ihrem materiellen Inhalt zur Anwendung beruft oder sie davon ausschließt. Die spätere, abwertende Einschätzung ist nur einer der vielen Aus­ drücke für das Unbehagen, welches diese Art der rechtlichen Be­ handlung internationaler Sachverhalte seit längerem hervorruft. Man spricht viel von einer »Krise« des internationalen Privatrechts3, womit aber genau genommen eine kritische Verfassung nicht des internationalen Privatrechts selbst, sondern seiner Theorie und sei­ ner Methodenlehre gemeint ist4. Unter den vielen Konzeptionen, die in den vergangenen Jahrzehn­ ten zu Theorie und Methode des internationalen Privatrechts vorge­ legt wurden, gibt es eine Betrachtungsweise, die vorrangig die Interessen ins Auge faßt, denen man bei internationalen Sachverhal­ ten gerecht werden muß. In Europa ist dieser Ansatz (seit 1953) entfaltet worden von Gerhard Kegel in seiner Lehre von den spezi­ 1 Darüber z. B. Neuhaus, Die Grundbegriffe des IPR2 (1976) 2f.; Morris, The Conflict of Laws3 (1984) 8f.; Juenger, General Course on Private International Law: Rec. des Cours 193 (1985-IV) 119-388 (131, 262, 321), mit Hinweisen auf literari­ sche Äußerungen dieser Faszination. 2 Zweigert, Zur Armut des internationalen Privatrechts an sozialen Werten: RabelsZ 37(1973) 435 ff. 3 So vor allem seit Kegel, The Crisis of Conflict of Laws: Rec. des Cours 112 (1964-11) 91-268. 4 Ähnlich Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht (1981) 281, 350, 353, der diesen Befund allerdings als Teil einer allgemeineren »Krise der Rechtsquellenlehre« deutet.

fischen internationalprivatrechtlichen Interessen und der für sie gel­ tenden eigenen Gerechtigkeit5, 6in denVereinigten Staaten (seit 1958) von Brainerd Currie in seiner Lehre von den »governmental inter­ ests« und der »interest analysis«6. Man kann beide diese Denkrichtungen als Interessenjurisprudenz bezeichnen, weil sie beide mit dem Ansatz beim Interesse das inter­ nationale Privatrecht befreien wollten aus wertfreier Begrifflichkeit und mechanistischer Anwendung. Aber beide würden es doch weit von sich weisen, zu ein und derselben Familie gezählt zu werden, und auch der Außenstehende, der Familienähnlichkeit zu sehen glaubt, wird doch gleichzeitig bemerken, daß die Schwestern einan­ der feindlich sind. Der Amerikanerin wurde von der anderen vorge­ halten, sie gehe Träumen nach und reiße dabei das väterliche Haus ein7, die Europäerin mußte hören, sie sei blind, starr, leer, blutlos8. Dabei gelang es der »Träumerin« besser als der »Blinden« (was Wunder!), im Lager der anderen Interesse für sich zu erwecken, besonders bei der jüngeren Generation9, und gleichzeitig machte die Träumerin oft den Eindruck, die Vorhaltungen, ja die Existenz der Blinden garnicht wahrzunehmen10. 5 Grundlegend Kegel, Begriffs- und Interessenjurisprudenz im internationalen Privatrecht, in: FS Hans Lewald (1953) 259-288. 6 Currie trug seine Lehre in einer Serie von Aufsätzen vor, von denen die meisten zusammengefaßt sind in: Currie, Selected Essays on the Conflict of Laws (1963). 7 Kegel, Vaterhaus und Traumhaus, in: FS Beitzke (1979) 551-573. 8 So viele amerikanische Einschätzungen der traditionellen Verweisungstechnik, z.B. Currie 52: »A choice-of-law rule is an empty and bloodless thing«. Weitere Hinweise auf solche amerikanische Kritik bei Schurig 19f, 21 f. In Europa z.B. P. M. Gutzwiller, Von Ziel und Methode des IPR: SchwJb.Int.R. 25 (1968) 161-196 (169£, 175): »mechanisch-blinde Kollisionsnorm«. 9 Z.B. Joerges, Zum Funktionswandel des Kollisionsrechts (1971); Schnyder, Interessenabwägung im Kollisionsrecht: ZSR 105 (1986) 101-119. Weitere werden genannt bei Kegel, Private International Law, Fundamental Approaches, in: Int.­ Enc.Comp.L. III ch. 3 (1986) s. 17 N. 255. 10 Bei Currie wird moderne europäische Literatur nicht erwähnt, nicht einmal das große rechts vergleichende, in den USA geschriebene und erschienene Werk von Rabel, The Conflict of Laws I-IV (1945ff). Generell wird das europäische Kolli­ sionsrechtsdenken in den Vereinigten Staaten nur wenig wahrgenommen, noch weniger zu den amerikanischen Strömungen in Beziehung gesetzt; das bestätigen ausdrücklich z. B. Lowenfeld, Renvoi Among the Law Professors: Am.J.Comp.L. 30 (1982) 99-115 (100f.); Korn, The Choice-of-Law Revolution: Colum.L.Rev. 83 (1983) 772-973; implizit auch die neueren amerikanischen Lehrbücher, z. B. Scoles/

Heute ist diese Auseinandersetzung abgeschlossen. Jede der Streitparteien hat sich, überzeugt von der Bewährung des eigenen Standpunkts, in ihr Gehäuse zurückgezogen, und man kann höflich einander bekunden, durch die Auseinandersetzung gut unterhalten und belehrt, aber im eigenen Standpunkt doch bestärkt worden zu sein11. Aus dem Blick geraten ist dabei die eigentlich vorrangige Frage: ob überhaupt und in welcher Weise zur Gestaltung und Handhabung des internationalen Privatrechts geeignet ist, was Ke­ gel und Currie als Anliegen gemeinsam haben, nämlich die systema­ tische Einführung von Interessenüberlegungen in das kollisions­ rechtliche Denken12. Der hier vorgelegte Beitrag ist ein Versuch, Interessenjurispru­ denz im internationalen Privatrecht als solche erneut zu prüfen und zu begründen. Die Argumente für die amerikanische und für die europäische Variante sollen nicht mehr aufgegriffen und gegenein­ ander gehalten werden. Vielmehr wird im folgenden Abschnitt zunächst gefragt, inwieweit jede der bisher propagierten Interessen­ lehren in dem ihr zugänglichen Bereich gewirkt, ob sie nach den je eigenen Voraussetzungen und Zielen Erfolg oder Mißerfolg gehabt hat13. Der Befund ist im Kern negativ. Interessenjurisprudenz in ihren bisher vorgestellten, als gegensätzlich empfundenen europäi­ schen und amerikanischen Formen ist im wesentlichen wirkungslos Hay, Conflict of Laws (1982) 46f. (ganz knappe Hinweise); Leflar/McDougal/ Felix, American Conflicts Law4 (1986) (keine Hinweise); Weintraub, Commentary on the Conflict of Laws3 (1986) (keine Hinweise). Dies konstatiert auch Kegel, Zum heutigen Stand des internationalen Privatrechts, in: Internationales Privatrecht, Internationales Wirtschaftsrecht (1985) 16 f. 11 So im wesentlichen das Ergebnis des Symposiums in Bologna, 1981, über »The Influence of Modern American Conflicts Theories on European Law«, mit Beiträ­ gen von Vitta, Lando, Siehr, Hanotiau, Juenger, Lowenfeld, Reese, in: AmJ.Comp.L. 30 (1982) 1-146. In diesem, die Auseinandersetzung abschließenden Sinne auch Kegel, Vaterhaus 572f. und ders., Zum heutigen Stand (vorige Note) 17; von Bar, IPR I (1987) 424ff.; Firsching, Einführung in das internationale Privatrecht3 (1987) 14ff.; ders., Der gegenwärtige Stand des IPR: IPRax 1985, 125-131 (125). 12 An diese Gemeinsamkeit ist jüngst auch angeknüpft worden von Drobnig, Die Beachtung von ausländischen Eingriffsgesetzen, in: FS Neumayer (1985) 159-179 (163-166). 13 Für eine solche Verlagerung der Diskussion bereits Wiethölter, Begriffs- oder Interessenjurisprudenz - falsche Fronten im IPR und Wirtschaftsverfassungsrecht, in: FS Kegel (1977) 213-263 (256).

geblieben. Dadurch ist sie aber noch nicht als untauglich erwiesen. Vielmehr soll hier die These entwickelt werden, daß Interessenjuris­ prudenz nicht nur geeignet und legitim, sondern notwendig ist, um das internationale Privatrecht enger mit dem allgemeinen Privat­ rechtsdenken zu verbinden und es so aus seiner prekären Randlage zu befreien. Dies setzt aber eine Betrachtungsweise voraus, welche die Interessen ernster nimmt als Kegel und Currie es in ihren Kon­ zeptionen je tun mochten. Das Konzept solcher Interessenjurispru­ denz wird im dritten Abschnitt begründet; wie es sich aus wirken würde, wird im vierten Abschnitt an einigen zentralen kollisions­ rechtlichen Themen und Figuren vorgeführt; welchen Ertrag es dem internationalen Privatrecht als Ganzem bringen würde, wird im fünften Abschnitt behandelt.

§2 Wirkungsbericht I. Currie: Governmental Interests

Ausgangspunkt der von Currie vorgetragenen »interest analysis« ist der Gedanke, daß ein Gemeinwesen (»state«) mit seiner Rechts­ ordnung soziale Zweckvorstellungen (»policies«) verfolgt; Recht, auch Privatrecht, ist ein Mittel der Sozialgestaltung (»an Instrument of social control«). In Fällen mit Auslandsberührung stellt sich des­ halb für jeden Staat, dessen Recht zur Anwendung in Betracht kommt, die Frage, ob er ein legitimes Interesse (governmental inter­ est) daran hat, daß seine rechtspolitischen Vorstellungen auch in dieser internationalen Situation zum Zuge kommen, also seine Rechtsnormen angewendet werden. Ob staatliche Rechtsanwen­ dungsinteressen im internationalen Verhältnis bestehen, soll zu be­ stimmen sein aus den Sachnormen, um deren Anwendung es geht, also durch Ermittlung und Auslegung ihrer rechtspolitischen Zwekke und ihrer vernünftigerweise anzunehmenden internationalen Reichweite im konkreten Fall (»by the ordinary processes of construction and interpretation«). Stellt der Richter auf diese Weise fest, daß sein eigener Staat (der Forumstaat) ein Anwendungsinteresse hat, muß er nach Currie ohne weiteres Fragen das Recht des Forums anwenden - selbst dann, wenn auch ein anderer Staat anwendungsinteressiert ist. Denn als staatliches Rechtspflegeorgan ist der Richter auf die Verwirklichung der Rechtspolitik seines Staates verpflichtet; eine Abwägung dieses Interesses mit dem konkurrierenden Anwendungsinteresse eines anderen Staates würde diesem Auftrag zuwiderlaufen. Sein eigenes Recht muß der Richter auch dann anwenden, wenn zwar nicht der Forumstaat, wohl aber mehr als nur ein anderer Staat ein Anwen­ dungsinteresse zeigt; denn zwischen konkurrierenden »governmen­ tal interests« zu entscheiden ist eine eminent politische Aufgabe, die nicht Sache der Gerichte sein kann - es ist dann besser, wenn diese

sich schlicht auf ihre lex fori zurückziehen. Zur Anwendung des Rechts eines anderen Staates sollte es nach Currie nur in dem (schwer vorstellbaren) seltenen Fall kommen, daß allein für diesen Staat ein Interesse an der Anwendung seines Rechts festgestellt werden kann14. In Europa hat Currie’s Interessenlehre anfangs Faszination ausge­ übt15. Aber dann hat man sie hin- und hergewendet, in- und auswen­ dig geprüft und zu viel auszusetzen gefunden: daß sie die staatlichen Interessen (Allgemeininteressen) betont, wo es im internationalen Privatrecht doch um die privaten gehen muß; daß sie das eigene Recht gegenüber dem fremden in »provinzieller«, ja »chauvinisti­ scher« Weise bevorzugt; daß sie durch die geforderte Interessenana­ lyse jedes Einzelfalles die notwendige Regelbildung verhindern will; daß sie auf die inneramerikanischen Verhältnisse zugeschnitten ist, wo Bundesverfassungsrecht sowie gemeinsame Sprache und Rechtskultur die Einzelstaaten binden und die Radikalität dieses Interessenansatzes relativieren16. Als amerikanischer Exportartikel ist sie gescheitert, in den meisten europäischen Lehrbüchern und Kommentarwerken wird sie heute bloß notiert oder kurz abgetan17. Anders auf dem amerikanischen Inlandsmarkt: dort war »interest analysis« unter den vielen Konzepten der amerikanischen Neuerer (Cavers, Currie, Ehrenzweig, von Mehren/Trautmann, Leflar) lan­ 14 Die führende Darstellung dieser Lehre und ihrer Umsetzung in Praxis ist in deutscher Sprache immer noch Joerges, Funktionswandel. Hinzugekommen ist Heller, Realität und Interesse im amerikanischen IPR (1983), aber ohne Darstellung der Praxis; Schnyder, Interessenabwägung. Sehr gut zusammenfassend neuerdings Juenger, Conflict of Laws - A Critique of Interest Analysis: Am.J.Comp.L. 32 (1984) 1-50 (9-13), und ders., General Course 215-218. Gute Kurzdarstellungen bei Schurig 23 ff; Morris 516 ff.; Kegel, Fundamental Approaches s. 18; Scoles/ Hay 16 ff. 15 Nachweise oben N. 9. 16 Kegel, Crisis; ders., Vaterhaus; Jayme, Zur Krise des »Governmental Interest Approach«, in: FS Kegel (1977) 359-366; Schurig 297ff.; Vitta, The Impact in Europe of the American »Conflicts Revolution«: Am.J.Comp.L. 30 (1982) 1-18; Siehr, Domestic Relations in Europe: Am.J.Comp.L. 30 (1982) 37-71 (55f, 67ff.); Morris 518ff.; dort weitere Hinweise auf die ablehnende Reaktion in der europäi­ schen Literatur; ebenso bei Juenger, General Course 232 f. 17 So z.B. Kegel, IPR (1987) 132; von Bar, IPR 429f, 432f; Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des IPR (1986) 119f., 123; Batiffol/Lagarde, D.i.p.7 I (1981) Nr. 242.

ge Zeit Marktführer. Theorie und Praxis des amerikanischen Kolli­ sionsrechts sind noch heute stark von ihr beeinflußt18. In Lehrbü­ chern, Casebooks und Aufsatzliteratur wurde kein anderer theoreti­ scher Ansatz der letzten Jahrzehnte so ausgiebig referiert und disku­ tiert. Die Zentralbegriffe dieser Interessenlehre (state policy, inter­ est, false conflict, disinterested state) werden in der Literatur bis in die Erörterung von Einzelfragen übernommen. Viele der neueren Entscheidungen, die in der Literatur als wichtige Stationen der Rechtsentwicklung behandelt werden, sind (hauptsächlich oder ne­ ben anderen Erwägungen) als Entscheidungen über konkrete Rechtsanwendungsinteressen der beteiligten Staaten begründet19. Überwiegend abgelehnt wurde allerdings die Behauptung Currie’s, daß Gerichte nicht berufen und in der Lage seien, die Rechtsan­ wendungsinteressen verschiedener Staaten im Kollisionsfall gegen­ einander abzuwägen, und in solchen Fällen notwendig zur lex fori greifen müssen. Aber dieser Aspekt hat zunächst nur dazu geführt, daß Literatur und manche Gerichte auf der akzeptierten Basis der Interessenlehre für diese Abwägung rechtliche Kriterien zu entwikkeln versuchen20. Erst in neuerer Zeit mehrt sich grundsätzliche (und vehemente) Kritik an Inhalt und Konzeption der »governmental interest analy­ sis«21; ihre Wirkung bleibt abzuwarten, und gerade ihre Vehemenz ist auch nur zu erklären, weil »Currie’s theories and terminology pervade American conflicts jurisprudence to such an extent that it may not be possible to discard them without a change of our legal language«22. 18 Zusammenfassende Beschreibung bei Juenger, Critique 8: »Academicians and judges alike were receptive to Currie’s teachings, and interest analysis has since become the conventional conflicts wisdom«; einzelne Nachweise ebd. 13 ff. 19 Ausführlich über die Entscheidungspraxis Joerges, Funktionswandel 84ff.; Hohloch, Das Deliktsstatut (1984) 150; CRAMTON/CURRIE/KAY, Conflict of Laws3 (1981) 201 ff.; Reese/Rosenberg, Cases and Materials on Conflicts of Laws8 (1984) 487-551. 20 Lehre vom »comparative impairment«: Baxter, Choice of Law and the Federal System: Stan.L.Rev. 16 (1963) 1-42; Kay, The Use of Comparative Impairment to Resolve True Conflicts: Calif.L.Rev. 68 (1980) 577-617. Über die »abwägenden« Theorien übersichtlich Scoles/Hay 18 f., 24ff. 21 Zuletzt ausführlich und besonders systematisch Juenger, Critique 25-50, mit weiteren Nachweisen. 22 Juenger (vorige Note) 50.

Aber der große Einfluß, den die Interessenlehre Currie’s in den Vereinigten Staaten hatte (und wohl noch hat), ist nur äußerlich gesehen ein Erfolg; in der Sache und nach ihrem eigenen Anliegen ist sie auch für die amerikanische Rechtswelt ein Fehlschlag. Um dies zu sehen, muß man auf ihren Ausgangspunkt zurückgehen. Dieser lag in den ersten Restatements, verfaßt von Beale, und in anderen »traditionellen« Konzeptionen des Kollisionsrechts, die - so Currie - sich mit »metaphysischen« Fragen und Scheinproblemen beschäf­ tigten. Currie wollte im Gegensatz dazu »realistisch« sein, die wirk­ lichen Interessenkonflikte, über die im grenzüberschreitenden Fall zu entscheiden sei, hervorheben und allein berücksichtigen23. Aber gerade dies ist seiner Theorie und der ihr folgenden Praxis nicht gelungen. Der Grund des Mißerfolgs liegt in der Anlage der Theorie selbst. Sie sieht auch im Privatrecht ein stets präsentes Interesse des Ge­ meinwesens daran, daß die mit den Rechtssätzen verfolgten Interes­ sen gefördert werden, verlangt für die Rechtsentscheidung also die Benennung der Zweckvorstellungen, die dem fraglichen Rechtssatz zugrundeliegen. Sie geht ferner davon aus, daß die Ermittlung sol­ cher Rechtszwecke auch ergibt, inwieweit das Gemeinwesen sie für internationale Sachverhalte gewahrt wissen will. Und um hier »nachzuhelfen«, unterstellt sie schließlich, daß jedes Gemeinwesen seine Rechtsordnung — auch die privatrechtliche - in erster Linie für »seine« Angehörigen (bei Currie: die Gebietsansässigen) schafft und unterhält, so daß im Zweifel ein Gemeininteresse an der internatio­ nalen Durchsetzung der eigenen Rechtszwecke dann gegeben ist, wenn die Anwendung des eigenen Rechts dessen rechtspolitischen Zweck für einen Angehörigen des Gemeinwesens (»resident«, »domiciliary«) verwirklicht24. Mit diesem Dreisatz von Annahmen über die Interessen eines Gemeinwesens verliert die amerikanische Interessentheorie den Realitätsbezug, der nach ihrem Ausgangspunkt eigentlich ihr Hauptanliegen ist. Rechtszwecke lassen sich besonders im Privat­ recht oft nicht aus tatsächlichen Vorstellungen des Gesetzgebers bestimmen, sondern nur im Wege nachträglicher Rationalisierung 23 Currie, durchgehend, besonders deutlich S. 179-187. 24 Besonders klar über diesen Aspekt Juenger, Critique 11 f., 39-41; ders., General Course 216 f.

an den Rechtssatz herantragen; das ist um so mehr der Fall, je älter der fragliche Rechtssatz ist, und gilt natürlich ganz besonders für Rechtssätze, die von der Rechtsprechung entwickelt wurden und unkodifiziert geblieben sind. Bestimmung von Rechtszwecken folgt also in den meisten Fällen nicht aus der Ermittlung einer faktischen Interessenrealität, sondern aus einer Bewertung bloß gedachter, möglicher Interessen, kann also im wesentlichen nur ein normativer Vorgang sein. Nicht anders ist es mit der Realität der Interessen an der internatio­ nalen Reichweite materieller Rechtssätze. Nur selten sind privat­ rechtliche Normen so formuliert, daß sich ihre internationale An­ wendbarkeit unmittelbar aus ihnen selbst entnehmen läßt. Meistens sind sie zur Frage ihrer Anwendung im internationalen Fall »simply neutral; the answer is not in them«25. Da aber auch hierzu die Motive des Normengebers in der Regel nicht als faktisch-reale feststellbar sein werden, läuft die Ermittlung des gegenüber anderen Rechtsord­ nungen bestehenden Anwendungsinteresses darauf hinaus, daß un­ tersucht wird, in welchem Maße die beteiligten Staaten die Anwen­ dung ihres materiellen Rechts in internationalen Fällen vernünftiger­ weise wünschen dürfen und sollten. Vollends unrealistisch ist schließlich die Unterstellung, jeder Staat habe typischerweise seine Rechtsordnung (seine Rechtspolitik) in erster Linie für seine eigenen Angehörigen und stehe deshalb im grenzüberschreitenden Fall in Rechtsanwendungskonkurrenz mit allen anderen Staaten, die für ihre Angehörigen, die am konkreten Fall beteiligt sind, das gleiche Interesse haben. Die meisten privat­ rechtlichen Fälle haben die Eigenart, daß an ihren Ergebnissen im einzelnen - ob die eine oder andere Seite recht bekommt - der Staat uninteressiert ist. Das Interesse des Staates, zu wahren durch die Justiz, geht im Privatrecht regelmäßig nur dahin, daß »richtig«, nämlich im Einklang mit Gesetz und Recht entschieden wird. Unter der amerikanischen »rule of law« wäre es nicht weniger als im europäischen »Rechtsstaat« unter der Würde staatlicher Instanzen (vom Verfassungsrecht ganz zu schweigen), im internationalen Fall Rechtsanwendungsinteressen gerade dann zu hegen und durchset­ zen zu wollen, wenn das eigene Recht zum Nutzen der eigenen 25 So die vielzitierte Wendung von Rabel, The Conflict of Laws I2 (1958) 103. Ebenso Kegel, Crisis 183.

Bürger ausschlagen würde. Es ist deshalb unrealistisch, ein solches Rechtsinteresse zu unterstellen, und noch unrealistischer erscheint die Vorstellung, daß Rechtsstaaten mit so begründeten Anwen­ dungsinteressen im internationalen Wettstreit stehen wollten. Auf die Distanz des Rechtsstaates zum Ergebnis der privatrechtli­ chen Streitentscheidung ist in der Kritik der amerikanischen Interes­ senlehre oft hingewiesen worden26. Für viele, besonders in der euro­ päischen Kritik, bestätigt diese Feststellung die Ansicht, daß die amerikanische Interessenanalyse auf die falschen Interessen, nämlich auf die staatlich verwalteten, die Allgemeininteressen, statt auf die privaten Interessen setze. Aber diese Kritik trifft nur zum Teil. Denn nicht zu leugnen ist, daß ein Staat bereichsweise oder im Einzelfall ein Interesse an der Anwendung seines Rechts und auch am Ausgang von einzelnen Rechtsstreitigkeiten wirklich haben kann. Er wird dieses Interesse in der Regel zum Ausdruck bringen durch zwingen­ de Gesetzgebung (öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich) oder auch durch Interventionen der Regierung im Einzelfall. Ein großer Vorzug der amerikanischen Interessentheorie ist es gerade, daß sie private und öffentliche Interessen, sie sich bei grenzüberschreiten­ den Sachverhalten bemerkbar machen, in eine Theorie integrieren kann27. Die Schwäche der amerikanischen Interessentheorie liegt darin, daß sie das Vorhandensein von Gemeininteressen an der Anwen­ dung des eigenen Rechts für jeden Fall annimmt. Damit entfernt sie sich von ihrem eigentlichen Ziel, im internationalen Privatrecht für Realismus zu sorgen, weil in den wohl allermeisten Fällen faktisch­ realistisch betrachtet keine Interessen von Gemeinwesen, sondern nur solche der unmittelbar Beteiligten auszumachen sind. Die ame­ rikanische Praxis, die dieser Theorie folgen will, wird durch sie genötigt, Interessen der beteiligten Staaten (Rechtsordnungen) zu erfinden, wo die nötige Realität für theoriegeleitetes Entscheiden sich anders nicht einstellen will28. 26 Besonders prägnant Kegel, Crisis 182: hier hat der Staat »the role ofjudge, not of litigant«. Ebenso ders., Vaterhaus 570f.; Morris 519. Weitere Hinweise bei Juenger, Critique 29 f. 27 Darauf weist treffend Joerges, Funktions wandel 156 ff. hin, insofern bestätigt von E. Rehbinder, Zur Politisierung des IPR: JZ 1973, 151-158 (156-158). 28 Darstellung und Kritik bei Juenger, Critique 33-37. Einige drastische Beispie­

Der uneingestandene Drang der amerikanischen Interessenlehre, sich von der Realität der Interessen zu entfernen, geht aber noch weiter. In der inneramerikanischen Kritik wurde nachgewiesen, daß Currie sogar für solche Fälle, in denen die Gesetzgebung eines Staates ausdrückliche Rechtsanwendungsnormen (Kollisionsnor­ men) formuliert, also seine Interessenhaltung ausdrücklich artiku­ liert hat, geneigt war, solche Bekundungen zu übergehen oder zu kritisieren und an ihre Stelle ein unformuliertes, nur durch Interpre­ tation der Sachnormen zu ermittelndes »Interesse« zu setzen und auf ihm seine Thesen aufzubauen29. Alles in allem: Die amerikanische Interessentheorie sieht Rechts­ anwendungsinteressen, wo keine sind, und wo welche sind, erkennt sie diese (noch vor jeglicher Bewertung) als Interessen nicht an. Damit ist sie als Interessenjurisprudenz, die Realismus will, vor ihren eigenen Idealen diskreditiert. Der wissenschaftlichen Kritik, welche die amerikanische Interes­ sentheorie an ihrem eigenen Anliegen mißt, könnte freilich entge­ gengehalten werden die unbestreitbar starke Wirkung, die diese Theorie auf das amerikanische Kollisionsrechtsdenken gehabt hat. Aber gerade diese Wirkung begründet einen zusätzlichen und noch schwerer wiegenden Einwand gegen die Theorie selbst. Realismus und Pragmatismus sind amerikanische Ideale der Geisteshaltung und Lebensführung. Die Prätention der Interessentheorie, die Praxis diesen Idealen näherzurücken, sowie der drastische und plastische Schreibstil des Begründers Brainerd Currie sorgten so in Amerika für eine eigene Faszination, die allein mit dem Inhalt der Lehre nicht zu erklären ist30. Ist die Theorie aber in Wahrheit keine empirisch­ le für solche Praxis bei Wengler, IPR (1981) 119 N. 160; Jayme, Krise 361-366; Kegel, Vaterhaus 559-561; Twerski, Neumeier v. Kuehner: Hofstra L.Rev. 1 (1973) 93-182 (104ff.), auszugsweise abgedruckt in: Martin, Perspectives on Con­ flict of Laws: Choice of Law (1980) 86ff. 29 Brilmayer, Interest Analysis and the Myth of Legislative Intent: Mich.L.Rev. 78 (1980) 392-431, bes. 424ff. 30 Juenger, Critique 39: »powerful Iure of a mischievous doctrine«; 46: »Currie’s terminology was well chosen. Although one might question the misleading air of substantiality his key concepts exude, words such as »interests«, »policies« and »concerns« radiate an aura of authenticity.« Korn 812: »hypnotising«. Martin, An Approach to the Choice of Law Problem: Mercer L.Rev. 35 (1984) 583-593 (583): »intuitive appeal«.

realistische, sondern eine normative und, wenn es sein muß, auch antirealistische, dann wird die Praxis, ihr selbst und gewiß auch den Vertretern der Interessenanalyse unbewußt, weggeführt von den realen Interessenlagen der internationalen Sachverhalte in eine Scheinwelt, die sie selbst aber für die besonders reale hält. Das Ergebnis ist eine Begründungsmaskerade. Entscheidungen zwi­ schen realen Interessen einzelner Beteiligter werden aufgemacht als Entscheidungen zwischen den Interessen von gesellschaftlichen oder staatlichen Gesamtheiten. Und weil der Gedankengang dann abhebt von der Interessenrealität, ohne daß dies der Entscheidungsinstanz und denen, die ihrem Präjudiz folgen möchten, voll bewußt wird, steigt die Unsicherheit über die rechtlichen Ergebnisse. Die Ent­ scheidungen der amerikanischen Gerichte, die in den Lehrbüchern und Aufsätzen zitiert werden, vermitteln einen lebhaften Eindruck von der Beliebigkeit, mit der die Rechtsprechung die Rechtszwecke (»policies«) und die Interessen an ihrer grenzüberschreitenden Durchsetzung als existent oder nichtexistent behandelt oder sie schlicht übergeht. Die neuere amerikanische Kritik hat den Scheincharakter dieser Begründungspraxis mit drastischen Worten gekennzeichnet31, und es ist heute wieder so weit, daß amerikanische Autoren erklären müssen, was »hinter« den von Interessen sprechenden Entschei­ dungsgründen die »wirklichen« Entscheidungsgehalte sind32. Da­ mit ist der Zustand des Mißbehagens wieder erreicht, der die Inter­ essentheorie (wie auch die anderen modernen amerikanischen Leh­ ren) ursprünglich angetrieben hatte.

31 Twerski 87: »The Emperor is wearing no clothes«. Brilmayer: »metaphysical System« (392), »talismanic« (414). Juenger, Critique 50: »imaginary problems«, »shallow sophistry«; ders., General Course: »artificial issues« (241), »sacrifice of intellectual honesty« (251), »subterfuge« (252). Aus europäischer Sicht z. B. Kühne, IPR im Ausgang des 20. Jahrhunderts: RabelsZ 43 (1979) 290-314 (307): »konstruk­ tive Scheingefechte«. 32 Juenger, American and European Conflicts Law: Am.J.Comp.L. 30 (1982) 117-133 (122f.); ders., Critique 46ff.; ders., General Course 248ff.; Reese, Ameri­ can Choice ofLaw: Am.J.Comp.L. 30 (1982) 135-146 (136f).

II. Kegel: Internationalprivatrechtliche Interessen und IPR-Gerechtigkeit

Die von Kegel konzipierte Interessenjurisprudenz unterscheidet sich von der amerikanischen durch die Art der Interessen und der Gerechtigkeit, um die es dem internationalen Privatrecht zu gehen hat. Es ist nicht zu entscheiden über Interessen verschiedener Staaten (Gemeinwesen; Rechtsordnungen) an der Anwendung ihrer Rechts­ sätze, sondern über die Gerechtigkeit zwischen den »einzelnen«, also zwischen den »Interessenten«, mit denen auch das materielle Privat­ recht zu tun hat. Und es geht nicht darum, Interessen zu bewerten, die sich an den materiellen Inhalt der in Betracht kommenden Rechtsordnungen knüpfen. Vielmehr sind nur die Interessen zu berücksichtigen, die an der Anwendung der einen oder anderen Rechtsordnung als solcher, unabhängig von ihrem Inhalt, bestehen (internationalprivatrechtliche Interessen). Deshalb hat das interna­ tionale Privatrecht auch nicht zu bewerten, welches der in Betracht kommenden materiellen Rechte nach seinem Inhalt das bessere, gerechtere für die Beteiligten ist, sondern es beruft dasjenige Recht zur Anwendung, das mit den Beteiligten oder dem Sachverhalt räumlich oder sonstwie am engsten verbunden ist und aus diesem Grunde »allgemein (also ohne Rücksicht auf seinen Inhalt im Einzel­ fall) am besten angewandt wird«33. Erst wenn das anwendbare Recht so bestimmt ist, kann in seinem Rahmen nach dem materiell (sachlich) richtigen Ergebnis gesucht werden, mit anderen Worten: »die internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit geht vor der materiellprivatrechtlichen «34. Von der amerikanischen Interessenlehre unterscheidet die Kegel­ sehe sich vordergründig auch dadurch, daß ihre bisherige Präsenz im kollisionsrechtlichen Denken weniger leicht auszumachen ist. Ei­ nerseits ist sie bezeichnet worden als »unumstrittener Fixpunkt einer Weiterentwicklung des IPR«35. Sie hat anscheinend auch fest Fuß gefaßt auf einem Nachbargebiet, nämlich dem internationalen Zu33 Kegel, IPR 82; ders., FS Lewald 270f.: »das IPR interessiert sich nicht für materiellrechtliche Gerechtigkeit, ist für sie nicht verantwortlich«. 34 Kegel, IPR 81, 82; ders., FS Lewald 270f. 35 Kühne, IPR 310.

ständigkeits- und Anerkennungsrecht36. Andererseits, auf dem Ge­ biet des eigentlichen Kollisionsrechts (des Rechtsanwendungs­ rechts), hat sie doch zunächst auch Skepsis ausgelöst37, wird in manchen anderen Lehrbüchern überhaupt nicht erwähnt38 und ist als Methode tatsächlich auch nur vereinzelt in Literatur und Rechtspre­ chung nachweisbar39. 40 Der wichtige Aufsatz von Lüderitz in der Kegel-Festschrift 197740, der Kegels Ansatz für einen bedeutenden Teilaspekt fortführt und verfeinert, mußte nach Ausgangslage und Tenor als das Wiederaufgreifen eines bislang nicht ausreichend reali­ sierten, vielleicht sogar zwischenzeitlich etwas verblaßten Konzepts verstanden werden. Aber ein Wirkungsnachweis der Interessenlehre von Kegel kann mit dem Material aus Rechtsprechung und Literatur zu den »Nor­ malproblemen« der international-privatrechtlichen Praxis ohnehin nur schwer geführt werden, weil diese Interessenlehre (im Gegen­ satz zu der von Currie) gerade auf Legitimierung und Stützung des bisherigen Systems von Verweisungsregeln angelegt ist. Wo das System, wie in Deutschland, weiter praktiziert wird, kann dies natürlich auch ohne ausdrücklichen Bezug auf die rechtfertigende 36 Herausragend die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur internationalen Zuständigkeit: BGH (Großer Senat für Zivilsachen) 14. 6. 1965, BGHZ 44, 46. In der Literatur: Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht (1969) 102 ff.; J. Schröder, Internationale Zuständigkeit (1971) bes. 107ff.; MARTIny, Anerkennung ausländischer Entscheidungen nach autonomem Recht, in: Hand­ buch des Internationalen Zivilverfahrensrechts III 1 (1984) bes. 37-63. In der neue­ ren Aufsatzliteratur z. B. Basedow, Das forum conveniens der Reeder im EuGVÜ: IPRax 1985, 133-137. 37 Münchener Komm.(-Sonnenberger), BGB VII (1983), Einleitung IPR Rnr. 59, 60; Neuhaus, Grundbegriffe 166-170. 38 So z. B. bei Raape/Sturm, von Bar, Keller/Siehr. 39 So bei Mummenhoff, Ausnahmen von der lex loci im IPR: NJW 1975, 476-481; Ansay/Martiny, Die Gastarbeiterfamilie im Recht, in: Gastarbeiter in Gesellschaft und Recht (1974) 171-207 (201 ff.); Hohloch, Deliktsstatut 231 f., 234ff.; Thümmel, Das IPR der nichtehelichen Kindschaft (1983); die Gutachten von Heldrich, Kreuzer und W. Lorenz in: Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen IPR der außervertraglichen Schuldverhältnisse (1983); K. Müller, Erb­ rechtliche Konsequenzen der Adoption im Internationalen Erbrecht: NJW 1985, 2056-2061 (2060). In der Rechtsprechung ragt heraus die Entscheidung des Bundes­ gerichtshofs zum internationalen Ehenamensrecht: BGH 12. 5. 1971, BGHZ 56, 193. 40 Lüderitz, Anknüpfung im Parteiinteresse, in: FS Kegel (1977) 31-54.

Methode oder Theorie geschehen. Eine im wesentliche »affirmati­ ve« Theorie beweist sich vielmehr erst (und das muß auch ihr eigentliches praktisches Anliegen sein), wenn sie Hilfe gibt für die außergewöhnlicheren juristischen Problemlagen, also diejenigen Si­ tuationen, in denen Gesetz oder gefestigte Präzedenzien keine selbst­ verständliche Weisung geben. Solche Problemlagen sollen im fol­ genden herausgegriffen werden, und zwar wird die Untersuchung im Interesse der Konzentration beschränkt auf die »großen« Aufga­ ben, die sich dem internationalen Privatrecht in Deutschland gestellt haben in den vergangenen 35 Jahren, seit die kollisionsrechtliche Interessenjurisprudenz von Kegel vorgestellt wurde. Dies geschieht in der Annahme, daß Interessenjurisprudenz, wenn sie eine Rolle gespielt hat, ihre Wirksamkeit als Methode oder Theorie gerade an den bedeutenden und viel erörterten Themen gezeigt haben müßte. Die »großen Themen«, die für die hier folgende Untersuchung ausgewählt wurden, sind: (1) die Gleichberechtigung von Mann und Frau im internationa­ len Privatrecht; (2) die sogenannte Spanier-Entscheidung des Bundesverfas­ sungsgerichts; (3) die privatrechtliche Stellung der Ausländer im Inland, und (4) die gesetzliche Reform des internationalen Privatrechts. 1. Gleichberechtigung Das Grundgesetz sagt in seinem Art. 3 II: »Männer und Frauen sind gleichberechtigt«. Dazu standen im Widerspruch diejenigen Regeln des deutschen internationalen Familienrechts, die für Rechts­ verhältnisse, an denen Mann und Frau beteiligt sind (Ehe und eheli­ che Kindschaft), das Heimatrecht des Mannes anwendbar sein lie­ ßen. Das Grundgesetz hatte der Gesetzgebung für die Anpassung des vorhandenen Rechts an das Gleichberechtigungsgebot eine Frist bis zum 31. 3. 1957 gelassen (Art. 117 I GG). Die Frist wurde nicht genutzt. Mit ihrem Ablauf traten deshalb (neben dem entgegenste­ henden materiellen Recht) auch die Vorschriften des internationalen Privatrechts, die auf das Mannesrecht verwiesen, außer Kraft. Es hat aber weitere 30 Jahre gedauert, bis diese Rechtsfolge durch Entschei-

düngen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtsho­ fes, die 1982 und 1983 ergingen, für die Praxis real verbindlich wurde. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau war zum Hauptproblem des deutschen internationalen Privatrechts gewor­ den, und es brauchte Jahrzehnte umfänglichster Diskussion (und vermutlich auch eines generationenbedingten Wandels der allgemei­ nen Einstellung), sie auch für dieses Rechtsgebiet zu verwirklichen. Prüfen wir also, welchen Beitrag die ebenfalls 1953 frisch auf den Plan getretene Interessenjurisprudenz in diesem langen Prozeß gelei­ stet hat. Ansatzpunkte für interessenjuristische Betrachtung gab es sowohl bei der Frage, ob wirklich das internationale Familienrecht vom Gleichberechtigungsgebot erfaßt sei, wie auch bei der Suche nach Ersatzlösungen, falls man von der Verfassungswidrigkeit und Un­ verbindlichkeit des geltenden Gesetzesrechts ausging. Die Abwehr des Gleichberechtigungsgebots geschah zu Anfang besonders erfolgreich mit dem Argument vom bloßen »Ord­ nungscharakter« des internationalen Privatrechts: Die Kollisionsre­ geln erklären im Interesse geordneter Rechtsanwendung die eine oder andere Rechtsordnung für anwendbar, besagen aber noch nichts darüber, ob die Frau nach der so bezeichneten Rechtsordnung im Ergebnis einen Vor- oder Nachteil gegenüber der Anwendung eines anderen Rechts (ihres Heimatrechts) erleidet; über Rechte und Pflichten der Beteiligten entscheidet erst das so berufene materielle Recht und nur ihm, nicht dem Kollisionsrecht, kann deshalb die Verkürzung eines Gleichheitsanspruchs vorgeworfen werden - das Kollisionsrecht selbst ist gegenüber dem sachlichen Ergebnis neu­ tral41. Bei interessenjuristischer Betrachtung war diese Argumentation unhaltbar. Interessenjurisprudenz im internationalen Privatrecht ist nach Kegel möglich und nötig, weil es Interessen der Beteiligten an der Anwendung dieser oder jener Rechtsordnung unabhängig von deren Inhalt gibt (internationalprivatrechtliche Interessen); sie er­ 41 Über diese Argumentation und ihre Verbreitung ausführliche Angaben bei Henrich, Verfassungswidrige Kollisionsnormen - ein Rechtschaos?: RabelsZ 38 (1974) 490-506 (490f.); Kropholler, Gleichberechtigung durch Richterrecht (1975) 81-83; Staudinger(-Henrich), EGBGB10-12 (1979) Art. 19 Rnr. 9-11.

wachsen im Familienrecht vor allem aus der Verbundenheit oder Vertrautheit, die der Einzelne typischerweise mit seinem Heimat­ recht empfindet42. Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Mannes in Ehe- und Kindschaftssachen verletzt deshalb im typi­ schen Fall das entsprechende, aber gegenläufige Rechtsanwen­ dungsinteresse der Frau, die eine andere Staatsangehörigkeit hat, gleichgültig ob das Mannesrecht im konkreten Fall oder abstrakt der Frau günstig oder ungünstig ist43. Die interessentheoretische Fundierung der international-privat­ rechtlichen Anknüpfung konnte also wesentlich dazu beitragen, das Argument vom bloßen Ordnungscharakter außer Gebrauch zu bringen. In der Literatur war es bald gelungen44, nicht jedoch in der Rechtsprechung; noch bis in die achtziger Jahre taucht das Argu­ ment in zahlreichen Entscheidungen auf, die von der Weitergeltung der umstrittenen Gesetzes Vorschriften ausgehen45. Neben dem allmählich doch verblassenden Argument von der Neutralität des IPR schob sich später die Befürchtung eines »An­ knüpfungschaos« in den Vordergrund. Welche Ersatzregeln sollten an die Stelle derjenigen treten, die man als verfassungswidrig und damit nichtig ansehen würde? Man meinte, die unübersichtliche Vielfalt der im internationalen Rechtsverkehr möglichen Konstella­ tionen wie auch die Fülle und inhaltliche Divergenz der in der Literatur gemachten Ersatzvorschläge für Anknüpfungsregeln überforderten die Rechtsprechung; würde man ihr die Ausbildung von Regeln auftragen, müßte dies zu verfassungsrechtlich bedenkli­ cher Rechtsunsicherheit, ja zu »heilloser Rechts Verwirrung« führen. Nur ein Gesetz könne die nötige Ordnung herstellen, und deshalb dürften, ja müßten (wegen des Rechtsstaatsgebots, Art. 20 III GG)

42 Kegel, IPR 83, 276-281. 43 Den Widerspruch zum gerade interessenjuristisch entwickelten Gedanken der international-privatrechtlichen Gerechtigkeit haben besonders hervorgehoben Lü­ deritz, Erneut: Gleichberechtigung im internationalen Eherecht: FamRZ 1970, 169-177 (170f.); G. Fischer, Die Gleichberechtigung im IPR: JZ 1974, 661-665 (662 f.); Kropholler, Gleichberechtigung 85 f. 44 Nachweise bei Staudinger(-Henrich) Art. 19 Rnr. 12. 45 Nachweise bei von Bar, IPR 211 £; Staudinger (-Henrich) Art. 19 Rnr. 9-11; Kropholler, Gleichberechtigung 81-83.

auch die an sich als gleichheitswidrig erkannten Rechtssätze weiter angewendet werden, bis eine neue gesetzliche Regelung vorliege46. Die Vorstellung vom drohenden »Anknüpfungschaos«47 trieb den Bundesgerichtshof48, wurde in den führenden Kommentarwer­ ken verbreitet49 und beherrschte so für lange Zeit die gesamte Ent­ scheidungspraxis50. Sie allein und zusätzlich ihr jahrzehntelanger Einfluß machen deutlich, daß Interessenjurisprudenz für diese kriti­ sche Umbruchperiode des deutschen internationalen Privatrechts keine Rolle gespielt hat. Denn Interessenjurisprudenz als Theorie und Methodenlehre soll Wege und Mittel zur Lösung schwieriger Problemlagen zeigen (die »einfachen« Situationen würde man ohne sie, nach Gesetzes wortlaut oder Entscheidungsroutine bewältigen). Wenn Doktrin und Praxis erklären, verfassungswidriges Recht nicht sehen, jedenfalls als solches nicht behandeln zu dürfen, um ein Rechtschaos zu vermeiden, so bekennen sie damit, nicht ausreichend gerüstet, hilflos, zu sein51. Mit anderen Worten: Sie hatten für diese schwierige Situation weder Theorie noch Methode, und schon gar nicht die der Interessenjurisprudenz. Wie sonst konnte man das Gleichheitsinteresse der Frau, das von der Verfassung als ein elemen­ tares anerkannt ist, mit dem Verweis auf die eigene Inkompetenz unberücksichtigt lassen? Kegel zählte zu jenen, die wegen der »Rechtssicherheit« auf den Gesetzgeber warten wollten, weil für die Gleichberechtigung im internationalen Privatrecht de lege lata »der richtige Weg schwer zu 46 Über die Verbreitung dieses Arguments in der Literatur (kritisch) die Nach­ weise bei Staudinger(-Sturm/Sturm), EGBGB12 (1984) Einleitung zu Art. 7-11 Rnr. 232. 47 Palandt(-Heldrich), BGB41 (1982) Art. 17 Anm. 2a. Dazu eingehend (und verständnisvoll) Henrich, Verfassungswidrige Kollisionsnormen 490 ff. 48 So die später vielzitierte Entscheidung des BGH vom 18. 1. 1954, IPRspr. 1954/ 55 Nr. 90 = NJW 1954, 837. 49 Repräsentativ: Palandt(-Heldrich), BGB41 vor Art. 7 EGBGB Anm. 15; Münchener Komm. (-Sonnenberger) Rnr. 72 ff. 50 Nachweise bei Staudinger(-Sturm/Sturm) Einleitung zu Art. 7-11 Rnr. 232; Henrich, Verfassungswidrige Kollisionsnormen 492 N. 7; Kropholler, Gleichbe­ rechtigung 82 ff. 51 Staudinger(-Sturm/Sturm) (vorige Note) Rnr. 233 a. E.: »deprimierende Unfähigkeit deutscher Lehre und Rechtsprechung«. Juenger, Möglichkeiten einer Neuorientierung des IPR: NJW 1973, 1521-1526 (1523): »trauriges Zugeständnis richterlicher Unsicherheit«.

finden ist«52. Er selbst also hat die von ihm postulierte Interessenju­ risprudenz nicht als eine Methode verstanden, die zur Lösung des Problems der Gleichberechtigung durch Judikatur und Doktrin ein­ setzbar sei. Kein Wunder, daß ihre Wirksamkeit für diese Phase der deutschen IPR-Geschichte nicht nachzuweisen ist. Die Abwesenheit von Interessenjurisprudenz bei der kollisions­ rechtlichen Verarbeitung des Gleichheitsgebots wurde ebenso deut­ lich bei der Diskussion der Ersatzanknüpfungen, die an die Stelle der als verfassungswidrig anzusehenden Kollisionsregeln treten sollten. Was hätte auf dem Boden eines interessentheoretischen Ansatzes geschehen müssen? Kegel hatte es so beschrieben: ». . . die Feststellung, Bewertung und Abwägung von Interessen (wird) bewußt in den Mittelpunkt der Arbeit am Recht gerückt . . . Erst dann kann man von Interessenjurisprudenz sprechen. . ..«53

Ein solches Programm wurde für die Erarbeitung von Ersatzlö­ sungen nirgends ausdrücklich aufgestellt und auch nicht wenigstens implizit durchgeführt54. Vorherrschend war vielmehr der Gedanke, daß der vorhandene Normenbestand, soweit er nicht unmittelbar vom Gleichheitsgebot betroffen war, aufrechterhalten werden und als System die Entwicklung von Ersatzlösungen für die von der Verfassung gerissenen Lücken inspirieren müsse55. Als unveränder­ tes Zentralprinzip des internationalen Familienrechts sah die herr­ schende Meinung die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, an­ dere hielten es für inzwischen überlagert durch das Aufenthaltsprin ­ zip56. Entscheidend für die Entwicklung von Ersatzlösungen war deshalb, ob man von der Autorität des einen oder anderen Prinzips 52 So Soergel(-Kegel), BGB VIII11 (1984) vor Art. 7 EGBGB Rnr. 8 a.E.; ähnlich noch Kegel, IPR5 (1985) 449. 53 Kegel, FS Lewald 261. 54 Ausnahmen: Lüderitz, Gleichberechtigung, der sich mehrfach auf die »kolli­ sionsrechtlichen Interessen« beruft. Sturm, Zur Gleichberechtigung im deutschen IPR, in: Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung (1967) 155-178, der zwar nicht mit interessenjuristischer Methode, wohl aber prononciert mit den Interessen der Beteiligten seinen Vorschlag für Zulassung der Rechtswahl im internationalen Eherecht begründet (168ff.). 55 Besonders klare Zusammenfassung des Gedankens bei G. Fischer, Gleichbe­ rechtigung 664, dort weitere Literaturhinweise. 56 Kropholler, Vom Staatsangehörigkeits- zum Aufenthaltsprinzip: JZ 1972, 16-17; Neuhaus, Grundbegriffe218ff., 232ff.

ausging und, wenn vom Staatsangehörigkeitsprinzip, ob die vorge­ schlagene Lösung sich aus ihm herleiten ließ, mit ihm immerhin vereinbar erschien oder sich doch wenigstens nicht mehr als unbe­ dingt nötig von ihm entfernte. Die Essenz dieses Rechtsdenkens zeigen die zwei Entscheidungen, mit welchen der Bundesgerichtshof 1982 und 1983 endlich die Ver­ fassungswidrigkeit der Verweisung auf Mannesrecht für die Ehe­ scheidung anerkannte und ein neues Anknüpfungssystem auf fol­ gende Sätze gründete57: 58 »Die Ersetzung der grundgesetzwidrigen Anknüpfung an das Mannesrecht in Art. 17 Abs. 1 EGBGB muß sich de lege lata in erster Linie an dem verfassungskon­ formen Restbestand der Vorschrift und an den Strukturelementen des geltenden Kollisionsrechts orientieren. Unter beiden Gesichtspunkten ist soweit als möglich dem Staatsangehörigkeitsprinzip Rechnung zu tragen . . . Hiernach ist auch für das Scheidungsstatut primär auf die Staatsangehörigkeit der Beteiligten abzustellen, und zwar, da ansonsten Art. 3 Abs. 2 GG entgegensteht, auf die gemeinsame Staatsange­ hörigkeit der Ehegatten . . . Fehlt es an einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit, ist dem das geltende Kollisionsrecht beherrschenden Staatsangehörigkeitsprinzip gege­ benenfalls in der Weise Rechnung zu tragen, daß auf eine frühere gemeinsame Staatsangehörigkeit zurückgegriffen wird. . . Erst wenn die Anknüpfung an die gemeinsame oder frühere gemeinsame Staatsangehörigkeit versagt, ist auf andere Lösungen auszuweichen. «58

Die Wahrung des Normenbestandes, der verfassungsrechtlich nicht unmittelbar angegriffen war, erschien dem Bundesgerichtshof so wichtig, daß er sogar dem damaligen Art. 17III EGBGB, eigent­ lich eine Sondervorschrift, eine systemtragende Funktion zuerkann­ te. Die Vorschrift relativierte den in Art. 17 I enthaltenen Mannes­ vorrang, indem sie für das Scheidungsbegehren der deutschen Ehe­ frau doch die deutschen Gesetze als maßgebend erklärte; sie konnte ersatzlos fallen, nachdem der Mannesvorrang für hinfällig erklärt war. Der Bundesgerichtshof erweiterte sie dagegen unter Berück­ sichtigung der Gleichberechtigung, aber im sachlichen Kern ohne nähere Begründung auf ein allgemeines Prinzip: daß deutschen Ehe­ gatten (Frau oder Mann) nach »den Strukturelementen und dem verfassungskonformen Restbestand der für Ehen zwischen einem deutschen und einem ausländischen Ehegatten insgesamt bestehen57 BGH 8. 12. 1982, BGHZ 86, 57; 8. 6. 1983, BGHZ 87, 359. 58 BGHZ 86, 66, 67.

den Regelung«59 für ihren Scheidungsantrag und die Beurteilung der Scheidungsfolgen die Anwendung ihres Heimatrechts nicht vorenthalten werden darf. Mit dieser überraschenden Aufwertung hatte der Bundesgerichts­ hof »sein« dreiteiliges Anknüpfungssystem für die internationale Ehescheidung geschaffen. In erster Linie sollte maßgeblich sein die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten, in zweiter Linie der bestehende oder frühere Wohnsitz der Ehegatten, bei Beteiligung eines deutschen Ehegatten aber, drittens, doch wieder wesentlich die deutsche Staatsangehörigkeit60. Dies alles ergab sich nach dem Bun­ desgerichtshof aus dem »verfassungskonformen Restbestand« von Art. 17 und den »Strukturelementen« des geltenden Kollisions­ rechts. Eine »Feststellung, Bewertung und Abwägung von Interes­ sen«61 (der konkret Beteiligten, oder typischer Beteiligter, die der historische Gesetzgeber gewertet hat oder der heutige Gesetzgeber zu bewerten hätte) ist in den kunstvoll abstrakten Begründungen für dieses System nicht zu erkennen62. Sie wurde auch in den zahlreichen Kommentaren der kollisionsrechtlichen Fachwelt zu diesen Ent­ scheidungen überwiegend nicht vermißt63. 59 BGHZ 87, 365. 60 Einzelheiten der so geschaffenen Rechtslage z. B. bei Palandt(-Heldrich), BGB45 (1986) Art. 17 Anm. 2. 61 Siehe Kegel, FS Lewald 261. 62 - obwohl dazu mindestens in der ersten der beiden Entscheidungen wahrlich Anlaß bestanden hatte. Die Beharrung auf dem Strukturelement »Staatsangehörig­ keitsprinzip« bis zum letztmöglichen Punkt (frühere gemeinsame Staatsangehörig­ keit) führte dort dazu, daß die 62jährige (amerikanische) Ehefrau eines Österreichers nach langjähriger, überwiegend in Deutschland geführter Ehe ohne Versorgungs­ ausgleich gelassen wurde. Die Entscheidungsgründe sahen darin nur eine vielleicht bedenkliche Lücke des Sozialversicherungsrechts, nicht aber ein Anknüpfungspro­ blem für das IPR; BGHZ 86, 70f. Zu den möglichen kollisionsrechtlichen Erwägun­ gen unter Interessengesichtspunkten siehe Text nach N. 267. 63 Heldrich, Reform des internationalen Familienrechts durch Richterspruch: FamRZ 1983, 1079-1089; Jayme, Zur Neubestimmung des Scheidungsstatuts für gemischtnationale Ausländerehen: IPRax 1983, 221-223; Otto, Anmerkung zu BGH 8. 12. 1982: NJW 1983, 1262-1263; von Bar, Das Internationale Eherecht auf dem Prüfstand der Verfassung: NJW 1983, 1929-1936 (1932f); Beitzke, Sukzessive Demontage familienrechtlichen Kollisionsrechts: IPRax 1985, 268-272; Münchener Komm.(-E. Lorenz) Ergänzungsband 1984, Art. 17 EGBGB Rnr. 79. Kritisch nur Lüderitz, Anmerkung zu BGH 8. 6. 1983: JZ 1984, 142: »Der BGH hantiert mit dem IPR hier bewußt blind«. Scharf ablehnend aus der Sicht des Familien- und

Es geht an dieser Stelle nicht darum, die Positionen, die in dem dreißigjährigen Werden der kollisionsrechtlichen Gleichberechti­ gung eingenommen wurden, und die Regeln, die aus diesem Prozeß schließlich entstanden, inhaltlich zu bewerten. Die Ausgangsfrage war vielmehr, inwieweit dabei Interessenjurisprudenz eine Rolle gespielt hat. Die Antwort ist nach allem Vorhergehenden: Interes­ senjurisprudenz mag bei der Frage eine Rolle gespielt haben, ob die Interessen der Frau überhaupt durch die Anknüpfung an das Hei­ matrecht des Mannes berührt sein konnten. Vorherrschend aber, und bei der Entwicklung von Ersatzanknüpfungen fast ausschließ­ lich, hat Systemdenken die Entwicklung bestimmt. Keine der vor­ geschlagenen Lösungen wurde von der herrschenden Meinung mit Interessen der konkreten Beteiligten begründet, keine wurde aus der abstrakten Interessenwertung des historischen Gesetzgebers und de­ ren Übertragbarkeit auf die neue Situation gerechtfertigt. Was zähl­ te, war die Verträglichkeit mit dem mehr oder weniger nachweisba­ ren und möglichst weitgehend zu bewahrenden »System«, welches lange Zeit als Barriere gegen die kollisionsrechtliche Gleichberechti­ gung überhaupt, später zur Eingrenzung des bei Ersatzlösungen »Zulässigen« argumentativ genutzt wurde. Man könnte nach dieser Feststellung allerdings fragen, ob denn überhaupt Interessenjurisprudenz eine geeignete Methode sein konnte, die durch das Gleichberechtigungsgebot erzeugten Norm­ bildungsprobleme zu lösen. Denn so, wie ihr Begründer Philipp Heck sie vorgetragen hatte, war die interessenjuristische Methode an der gegebenen, geschriebenen Rechtsnorm orientiert. Sie soll für den zweifelhaften, schwierig zu entscheidenden Fall die im Wortlaut der Norm gebundene Interessenwertung, die der Gesetzgeber ge­ troffen hat, ins Bewußtsein rufen und diesen »eigentlichen« Ent­ scheidungsgehalt der Norm für die Entscheidung über den anste­ henden konkreten Interessenkonflikt nutzbar machen (durch »An­ wendung« oder »Nichtanwendung« des Gesetzes - je nach der Ver­ gleichbarkeit der vom Gesetzgeber angenommenen mit der konkret gegebenen Interessenlage)64. Kann man von einer solchen Methode Sozialrechts: Göppinger, Scheidungs(folgen)statut und Versorgungsausgleich: FamRZ 1983, 777. 64 Heck, Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz: AcP 112 (1914) 1-318; ders., Das Problem der Rechtsgewinnung2 (1932). Diese Hauptwerke Hecks sind

erwarten, daß sie Probleme löst, die durch den Wegfall, also gerade durch das Nicht(mehr) vorhandensein einer Norm geschaffen wur­ den? Die Antwort gibt die Lehre von der Interessenjurisprudenz selbst. Für Heck war nicht nur der zweifelhafte Inhalt einer gegebenen Norm, sondern auch und gerade die Lücke im Gesetz das Problem, dem er mit Hilfe der hinter dem Gesamtkomplex des Gesetzes stehenden Interessenwertung beikommen wollte. Für ihn, und so auch ausdrücklich betont von Kegel in der Ausrichtung der Interes­ senjurisprudenz auf das internationale Privatrecht, ist deshalb auch die Ergänzung und Fortbildung gegebener Normzusammenhänge legitimes Betätigungsfeld der interessenjuristischen Methode65. Ei­ ne Lücke war nach allgemeiner Auffassung seit 1953 gegeben (nicht etwa ein totales Gesetzesvakuum), denn es war ja nicht das interna­ tionale Familienrecht des EGBGB insgesamt niedergerissen, auch nicht die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit generell beseitigt, sondern nur die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Mannes von der Verfassung dort herausgebrochen, wo auch Belange der Frau betroffen sind. Die vorherrschende Auffassung, vom Bundesgerichtshof zu Art. 17 EGBGB exemplarisch demonstriert, hat die Lücke nicht mit den gedanklichen Mitteln der Interessenforschung zu schließen ver­ sucht, sondern durch Systemdenken mit dem Ziel der schnellen und möglichst weitgehenden Stabilisierung der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit. Nach interessenjuristischer Methode hätten mindestens die Fragestellungen andere sein müssen: ob der histori­ sche Gesetzgeber mit seinen Normen eine Interessenlage bewertet hat, die dem kollisionsrechtlichen Interessengegensatz vergleichbar ist, der bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit von Mann und Frau auftritt; ob er auch dann, wenn er diesen Interessengegensatz gesehen hätte, überhaupt oder jedenfalls so weitgehend die Staatsan­ abgedruckt (geringfügig gekürzt) und kommentiert auch in: Studien und Texte zur Theorie und Methode des Rechts II (1968); weitere (kürzere) Veröffentlichungen Hecks in: Interessenjurisprudenz (1974). Gute Kurzdarstellungen und Analysen der Heckschen Interessenjurisprudenz: Ellscheid ebd. 1-13; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (1982) 113-123; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft3 (1983) 48-58. 65 Heck, Gesetzesauslegung 157 ff., 224 ff; Kegel, FS Lewald 279; ebenso Schu­ rig 187.

gehörigkeitsanknüpfung gewählt hätte, wie Bundesgerichtshof und herrschende Meinung es für systemnotwendig gehalten haben; Zweifel daran lagen nahe, da der historische Gesetzgeber ja nicht an die Staatsangehörigkeit generell angeknüpft, sondern vorwiegend nur die Kollisionsrechtsfolge deutscher Staatsangehörigkeit be­ stimmt hatte66. Auch kann man fragen, ob ihm das Staatsangehörig­ keitsprinzip so wichtig gewesen wäre, wenn er gesehen hätte, daß es in den meisten Fällen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit von Mann und Frau garnicht in zulässiger Weise verwirklicht werden konnte, vielmehr durch Ausweichen auf andere Anknüpfungen (hauptsächlich Wohnsitz) ohnehin noch geschwächt werden muß­ te67. Vielleicht wäre man bei interessenjuristischer Betrachtung auch zu dem Ergebnis gekommen, daß der historische Gesetzgeber die durch unterschiedliche Staatsangehörigkeit von Mann und Frau ge­ gebene Interessenlage gar nicht gesehen hat und nicht sehen konnte, weil er noch ganz selbstverständlich von dem patriarchalischen Ehe­ verständnis ausging, nach welchem ein kollisionsrechtlicher Interes­ sengegensatz zwischen Mann und Frau kaum denkbar, jedenfalls ohne Frage und Nachdenken zugunsten des Heimatrechts des Man­ nes zu bewerten war. Dann wäre eine Interessenwertung durch den historischen Gesetzgeber nicht zu ermitteln gewesen, es hätte nach Hecks Konzeption inzwischen eine »Anschauungslücke« vorgele­ gen, und die Interessenjurisprudenz, wie von ihm konzipiert, wäre mangels einer vorfindbaren gesetzgeberischen Interessenwertung an ihre Grenzen gelangt. Heck empfahl für diese Situation den Rekurs auf allgemein anerkannte Wertvorstellungen, letztlich die »Eigen­ wertung«68. 66 Zur damaligen Entstehungsgeschichte siehe von Bar, IPR 416 ff.; Kegel, IPR 134 f. Zur Problematik der damaligen Anknüpfungsentscheidung und ihrer interes­ senjuristischen Bewertung im einzelnen siehe später zu N. 221-225. 67 Auf diesen Schwächungseffekt weisen Keller/Siehr hin (304): »Die Zunahme von mariages mixtes und von Mehrstaatern entwertet die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmerkmal ... Es muß auf den gemeinsamen Wohnsitz oder den ge­ meinsamen gewöhnlichen Aufenthalt ausgewichen werden. . . Je mehr Ausnahmen vom Staatsangehörigkeitsprinzip man jedoch macht, desto mehr geht das verloren, was an diesem Grundsatz bisher so geschätzt wurde: die einheitliche Beurteilung desselben Sach Verhalts in allen Ländern mit dem Staatsangehörigkeitsprinzip.« 68 Heck, Gesetzesauslegung 238 f.

Heute würde man in dieser Situation eher das Betätigungsfeld und den Beweis für die Notwendigkeit von »Wertungsjurisprudenz« sehen - die aber erklärtermaßen auf der älteren Interessenjurispru­ denz aufbaut und daher jedenfalls die gegenwärtig zu beurteilenden, typischen und konkreten Interessen, »deren Kollision das Rege­ lungsproblem stellt«69, in mindestens dem gleichen Maße ernst neh­ men muß. Ihr Fortschritt gegenüber der älteren Interessenjurispru­ denz liegt vor allem darin, daß sie zusätzlich zu den historisch getroffenen Wertungen die gegenwärtig rechtlich anerkannten Wertmaßstäbe (Rechtsprinzipien) (und zwar gerade auch die außer­ halb des konkret betroffenen Gesetzes, in der Rechtsordnung sonst auffindbaren) für die heute vorzunehmende Interessenwertung und Rechtsfortbildung bewußt und kontrolliert heranzieht70. Die mög­ lichst weitgehende Anlehnung an einen bloßen Restbestand des von der Verfassung lädierten gesetzlichen Anknüpfungssystems kann deshalb gerade dann nicht als Ausdruck von Interessen- oder Wer­ tungsjurisprudenz angesehen werden, wenn man annimmt, daß der historische Gesetzgeber eine Interessenlage, die der heute zu regeln­ den vergleichbar wäre, gar nicht vor sich hatte. Ob Rechtsprechung und herrschende Meinung bei interessenjuri­ stischer Methode zu anderen Lösungen hätten kommen müssen, soll jetzt nicht mehr näher untersucht werden, da der Vorgang durch das neue IPR-Gesetz historisch geworden ist. Hier geht es nur um eine zusammenfassende Feststellung zur Methode: Für die Verarbeitung der Gleichberechtigung von Mann und Frau im deutschen interna­ tionalen Privatrecht stand die Interessenjurisprudenz (und ihre Wei­ terbildung »Wertungsjurisprudenz«) bereit, war sogar für das inter­ nationale Privatrecht gerade frisch herausgeputzt; aber für die ent­ scheidenden Entwicklungsschritte wurden ihre Möglichkeiten kaum genutzt.

69 Bydlinski 127. 70 Zur »Wertungsjurisprudenz« Bydlinski 123-139.

2. Spanier-Entscheidung71 Die Bedeutung dieser Entscheidung des Bundesverfassungsge­ richts, »der wohl wichtigsten deutschen Entscheidung zum interna­ tionalen Privatrecht des 20. Jahrhunderts«72, sieht die kollisions­ rechtliche Fachwelt in der spektakulären Aktivierung der Grund­ rechte für Basiselemente des internationalen Privatrechts, nämlich: (1) die kollisionsrechtlichen Anknüpfungen sind in vollem Umfang an den Grundrechten zu messen, und (2) auch bei der Anwendung des vom Kollisionsrecht berufenen fremden Rechts sind die Grund­ rechte zu beachten und können im Einzelfall die Anwendung begren­ zen oder ausschließen73. Man könnte die Entscheidung aber auch schlichter sehen als einen Akt überfälliger Interessenjurisprudenz der freilich von der kollisionsrechtlichen Fachwelt weder verlangt noch als solcher erkannt wurde. Abstrakt ging es um die Frage, ob Personen, die in Deutschland rechtskräftig geschieden wurden, in Deutschland eine neue Ehe eingehen können, obwohl das deutsche Scheidungsurteil im Hei­ matstaat eines/einer (oder auch beider) Heiratswilligen nicht aner­ kannt wird. Konkret: Eine in Deutschland geschiedene Deutsche, evangelisch, und ein Spanier, seit mehreren Jahren in Deutschland ansässig und aus der katholischen Kirche ausgetreten, wollten heira­ ten. Nach damaligem spanischen Recht74, das dem katholischen Kirchenrecht folgte, war aber jede Ehe von Christen unscheidbar, und so hatte auch das deutsche Urteil nach spanischer Auffassung nicht zur Auflösung der früheren Ehe der Frau geführt75. Aus spani­ scher Sicht bestand also in der Person der Frau das Ehehindernis des 71 BVerfG 4. 5. 1971, BVerfGE 31, 58 = RabelsZ 36 (1972) 145. 72 von Bar, IPR 210. 73 Die umfängliche Literatur zu der Entscheidung ist nachgewiesen bei Staudin­ ger (-von Bar), Internationales Eherecht12 (1983) vor Art. 13 Rnr. 129; Staudin­ ger (-Sturm/Sturm) Einleitung vor Art. 7-11 Rnr. 230,232,234 und in der umfassen­ den Aufarbeitung der Problematik durch Müller-Freienfels, »Spanierheiraten« Geschiedener im Meinungsstreit, in: FS Kegel (1977) 55-98. 74 - inzwischen geändert; siehe darüber Rau, Neues spanisches Internationales Familienrecht: IPRax 1981, 189-192; Kneip, Die Ehescheidung im neuen spanischen Recht: FamRZ 1982, 445-450. 75 Von dieser Auffassung Spaniens gingen die in diesem Fall tätigen deutschen Instanzen aus, was aber (jedenfalls als das BVerfG entschied) wohl nicht mehr zutraf; so (zweifelnd) Neumayer, Zur Zivilehe eines Spaniers mit einer geschiedenen

anderweitigen Ehebandes, es drohte eine Doppelehe, und diese konnte ein Spanier auch im Ausland nicht wirksam eingehen. Nach Art. 13 I EGBGB (alter Fassung, aber inhaltlich gleich und in der Formulierung noch klarer die heutige Fassung der Vorschrift) sind die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Beteiligten nach dem Recht des Staates zu beurteilen, dem er angehört. Es war danach also zu respektieren, daß der Spanier nach seinem Heimat­ recht die Deutsche wegen des Verbotes der Doppelehe nicht heiraten durfte. Die Anwendung der Vorschrift ist aber in Frage gestellt, wenn ein deutsches Scheidungsurteil vorliegt, weil damit ja aus deutscher Sicht die frühere Ehe aufgelöst, die Befürchtung einer Doppelehe also unbegründet ist. Man hatte es also zu tun mit einer zwar vorhandenen Norm, deren Bedeutung aber für den konkreten Fall zweifelhaft war - geradezu »klassischer« Fall für die nach Heck primär auf Normerhellung gerichtete Interessenjurisprudenz. Macht man sich demgemäß für den Spanier-Fall rückblickend an die Feststellung, Bewertung und Abwägung der Interessen, so ist als erstes zu konstatieren, daß es ein übereinstimmendes Interesse der Parteien an der Eheschließung gab. Ergänzt wurde es durch ein wohl immer vorhandenes Interesse der deutschen Allgemeinheit (und auch der Scheidungsparteien), daß ein hier ergehendes Urteil im Inland vollständig (und im Ausland soweit wie möglich) »valutiert« wird. Dem stand entgegen das Interesse, »hinkende Ehen« zu ver­ meiden, also solche, die wohl im Inland, nicht aber im Heimatland des ausländischen Ehegatten (und vielleicht auch anderwärts nicht) anerkannt werden. Auch dieses ist eigentlich ein Interesse der Ehe­ schließenden selbst (und eventuell der Kinder, die aus der Verbin­ dung hervorgehen); seine Geltendmachung wird aber, wenn die Parteien selbst es in ihrem Wunsch nach Eheschließung gegenwärtig zurückstellen, den Standesämtern und Gerichten anvertraut da­ durch, daß sie die Ehevoraussetzungen auch für ausländische Betei­ ligte nach deren Heimatrecht von Amts wegen zu prüfen haben (§ 10 EheG). Aber auch unabhängig vom Parteiinteresse dürfte ein Inter­ esse der Allgemeinheit bestehen, die Institution der Ehe nicht durch international unvollkommen wirksame Ehen verwässern zu lassen. Schließlich war zu registrieren ein durch seine Gesetzgebung bekun­ Deutschen: RabelsZ 36 (1972) 73-92, und (dezidiert) mit weiterem Material Mül­ 59-68.

ler-Freienfels

detes Interesse Spaniens, seine Staatsangehörigen und die Institution der Ehe auch bei ausländischer Eheschließung vor Doppelehen zu schützen und an das kirchlich geprägte spanische Eherecht zu bin­ den. Was die Bewertung dieser Interessen angeht, so schien mit Art. 13 I EGBGB a. F., der die Heimatrechte beider Beteiligter kumulierte, zunächst klar, daß der Gesetzgeber sich für das Interesse an der Verhinderung hinkender Ehen und für die Respektierung ausländi­ scher Standpunkte entschieden hatte76. Andererseits enthalten das Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs seit jeher und das Ehe­ gesetz implizit das Recht auf Eheschließung, also eine grundsätzlich positive Bewertung des Eheschließungsinteresses. Ferner zeigt die Tatsache, daß das Scheidungsurteil ohne Rücksicht auf die Anerken­ nung im Ausland ergehen konnte (bei einer Ehescheidung zwischen Deutschen notwendig so), die (in diesem Falle selbstverständliche) Entscheidung des Gesetzgebers für die im Inland vollständige und im Ausland möglichst weitgehende Wirksamkeit des Scheidungs­ ausspruchs. Nun zur Abwägung: Respekt vor der ausländischen Totalnegie­ rung des deutschen Scheidungsurteils und gleichzeitige Entschei­ dung für dessen ausschließliche Geltung jedenfalls im Inland schlos­ sen sich aus. Es blieb also im Kern der Konflikt zwischen dem an sich positiv bewerteten Interesse an der Verhinderung einer hinkenden Ehe einerseits und dem ebenfalls positiv bewerteten Eheschlie­ ßungsinteresse andererseits, also zwischen, einerseits, Fürsorge und Institutionenschutz und, andererseits, Selbstverantwortlichkeit und Konsens der Beteiligten. Für die Abwägung in diesem Konflikt galt es, ein rechtlich fundiertes Kriterium zu entwickeln - aus dem dokumentierten Willen des historischen Gesetzgebers und zusätzlich oder hilfsweise aus dem gesamten Wertungsgefüge der gegenwärti­ gen Rechtsordnung. Explizite interessenjuristische Überlegungen solcher Art haben in der Entwicklung bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsge­ richts fast keine Rolle gespielt. Der Bundesgerichtshof hatte sich mit 76 Ebenso Art. 13 I in der heutigen Fassung; siehe dazu die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/504, S. 52 (= Pirrung, Internationales Privatund Verfahrensrecht nach dem Inkrafttreten der Neuregelung des IPR [1987] 138), allerdings für die hier behandelte Frage modifiziert durch den Abs. 2 der Vorschrift.

der wohl vorherrschenden Praxis der Standesämter und Oberlan­ desgerichte für die Verhinderung der hinkenden Ehe entschieden, ohne aber in eine Abwägung mit dem entgegenstehenden Eheschlie­ ßungsinteresse überhaupt einzu treten77. Aber auch die Kritiker die­ ser Lösung, an prominenter Stelle Kegel78, argumentierten nicht interessenjuristisch, sondern mehr mit Rechtsnatur und System­ struktur: ob deutsche Gerichte und Behörden das deutsche rechts­ kräftige Scheidungsurteil zu beachten haben, »ist« nicht eine Frage des internationalen Privatrechts (Art. 13 I EGBGB), sondern des Verfahrensrechts und deshalb, wie alles Verfahrensmäßige, nach der lex fori, deutschem Recht, zu bestimmen. Oder: Ob die frühere Ehe wirksam geschieden wurde, »ist« bei der Prüfung der Ehe Vorausset­ zungen nach Art. 13 I EGBGB eine »Vorfrage« und deshalb mit der überwiegenden Meinung selbständig anzuknüpfen, nämlich nach Art. 17 EGBGB - der hier ebenfalls auf deutsches Recht verwies. Ergänzend wurden ordre public (Art. 30 EGBGB a. F.) und Grund­ gesetz ins Spiel gebracht79. Interessenjuristische Behandlung erfuhr das Problem erst durch das schließlich angerufene Bundesverfassungsgericht - nun natür­ lich unter verfassungsrechtlichen Vorzeichen. Das Gericht ging vom Recht auf Eheschließung aus, das es durch Art. 6 GG als grundrechtlich garantiert ansah, und fragte, welche Einschränkun ­ gen dieses Grundrechts bei internationalen Fällen durch das Kolli­ sionsrecht und das von ihm berufene ausländische Sachrecht ange­ messen sind80. Dabei gelang eine Gegenüberstellung und Abwägung des Eheschließungsinteresses der Beteiligten einerseits und des Ehe­ verhinderungsinteresses andererseits, die in dieser Deutlichkeit, Di­ 77 BGH 12. 2. 1964, BGHZ 41, 136. Das Eheschließungsinteresse wurde dort abgetan mit der Erwägung, daß es von vornherein nur im Rahmen der gesetzlichen Ehevoraussetzungen zu beachten sei, zu denen auch die vom anwendbaren ausländi­ schen Recht aufgestellten Voraussetzungen gehörten, a.a.O. 150. Damit wurde das kollisionsrechtliche Ergebnis vorweggenommen, denn ob das ausländische Recht insoweit anwendbar war, konnte bei interessenjuristischer Betrachtung ja erst die vollständige Interessenabwägung ergeben. 78 Ausführlich Kegel/Lüderitz, Hindernis des Bandes für Ausländer trotz Schei­ dung in Deutschland?: FamRZ 1964, 57-60. 79 Nachzeichnung der Diskussion mit Nachweisen in BVerfGE 31, 62 ff. = Ra­ belsZ 36 (1972) 148. 80 BVerfGE 31, 58 (67 ff., 78 ff.) = RabelsZ 36 (1972) 151 ff, 159ff.

rektheit und Differenziertheit in der vorher unter den Kollisions­ rechtlern geführten Diskussion nicht anzutreffen war81. Das Ergeb­ nis der Abwägung fiel in dem konkreten Fall zugunsten der Ehe­ schließungsfreiheit aus. Die Interessenjurisprudenz, die das Bundesverfassungsgericht hier für das »IPR« geleistet hat, wurde aber als solche nicht erkannt, vermutlich weil sie (für das Gericht notwendig) in die Kategorien des Verfassungsrechts gewickelt war. Es ist dieser Verfassungs­ aspekt, der die kollisionsrechtliche Fachwelt beschäftigt. Die Ent­ scheidung wird teils begrüßt als überfälliger »Durchbruch der Grundrechte« im internationalen Privatrecht82, andere fürchten eher die Desintegration des internationalen Privatrechts durch übereifri­ ges nationales Grundrechts denken83. Bei dieser Perspektive kann aber nicht deutlich in den Blick kommen, daß die Interessenjuris­ prudenz, die das Verfassungsgericht praktiziert hat, ebenso gut schon auf der einfachrechtlichen Ebene des internationalen Privat­ rechts selbst hätte stattfinden können - und hätte sogar stattfinden müssen, wenn man sich dort ausreichend klargemacht hätte, daß die Wiederheirat nach Inlandsscheidung, die ein scheidungsfeindliches Auslandsrecht blockieren will, nicht vorwiegend Struktur- und Rangprobleme des internationalen Privatrechts virulent werden ließ, sondern für eine große Zahl von Menschen einfach eine Ge­ rechtigkeitsfrage geworden war. Das Bundesverfassungsgericht ist in dieser »cause clbre« also nicht nur als Demonstrant für Interes­ senjurisprudenz, sondern einmal mehr als Hüter der Gerechtigkeit, als der »Ombudsman«, tätig geworden84. 81 BVerfGE a.a.O. 83-85 = RabelsZ a.a.O. 160-162. 82 So vor allem Sturm, Durchbruch der Grundrechte in Fällen mit Auslandsbe­ rührung: FamRZ 1972, 16-22; ders., Scheidung und Wiederheirat von Spaniern in der Bundesrepublik: RabelsZ 37 (1973) 61-79. Positiv würdigend auch K. Müller, Deutsches Scheidungsurteil als prozessuale Vorfrage und fremder ordre public: RabelsZ 36 (1972) 60-72; Siehr, Grundrecht der Eheschließungsfreiheit und IPR: ebd. 93-115; von Bar, Internationales Eherecht 1930 f. 83 Henrich, Die Bedeutung der Grundrechte bei der Anwendung fremden Rechts: RabelsZ 36 (1972) 2-18; Jayme, Grundrecht der Eheschließungsfreiheit und Wiederheirat geschiedener Ausländer: ebd. 19-26; Kegel, Embarras de richesse: ebd. 27-34; Lüderitz, Grundgesetz contra IPR?: ebd. 35-53; Neuhaus, Bundesver­ fassungsgericht und IPR: ebd. 127-140; weitere Nachweise bei Müller-Freienfels 55-57. 84 So auch Juenger, The German Constitutional Court and the Conflict of Laws:

Das Defizit an Interessenorientierung des internationalen Privat­ rechts, das es vorfand, drückte das Gericht subtil dadurch aus, daß es am Schluß seiner Entscheidung der Praxis Hinweise gab, wie sein Ergebnis »übersetzt« werden könnte in die traditionellen (aber eben nicht interessenjuristisch entwickelten) Denkfiguren des internatio­ nalen Privatrechts, mit denen das Problem bisher schon behandelt worden war85. Das Gericht stellte also anscheinend selbst in Rech­ nung, daß Praxis und Lehre des internationalen Privatrechts zu ausreichender Interessenbeachtung nur offen durch Verfassungs­ zwang oder versteckt über das IPR-System zu bringen seien. Wie die überwiegende Reaktion der kollisionsrechtlichen Fachwelt auf die Entscheidung zeigte, war diese Erwartung nicht unbegründet. In­ teressenorientierung und purer Gerechtigkeitsgehalt der Entschei­ dung, jenseits von Verfassungsrecht, IPR-System und ordre public, sind hauptsächlich vom Ausland her gewürdigt worden86. Von dort werden sie auch durch Rechtsprechung bestätigt: das schweizerische Bundesgericht ist in der bekannten Entscheidung Dal Bosco nur einen Monat später als das Bundesverfassungsgericht zum gleichen Ergebnis gekommen, und zwar ohne Bemühung des Verfassungs­ rechts und mit ausdrücklicher Ablehnung der auch dort diskutierten Ausweichwege des internationalen Privatrechts (Qualifikation, Vorfrage), vielmehr aufgrund umfassender Interessen- und Gerech­

AmJ.Comp.L. 20 (1972) 290-298 (292 f.): »... the decision can perhaps be explained simply as a judicious (sic! judicial?) reaction to a particular predicament... One should have hoped that the Bundesgerichtshof.. . would have obviated the need for training the heavy guns of constitutional review on a problem best solved by common sense. Having failed in this respect, the tribunal of last resort was bound to use its corrective powers. The highest court of a country, even if its jurisdiction is limited to constitutional questions, cannot be counted on to remain inactive while important human interests are sacrificed to empty legal logic«. Im gleichen Sinne Wiethölter, Begriffs- oder Interessenjurisprudenz 252: »Der Spanierfall ist.. . ein gutes Beispiel für falsche, schiefe, scheinhafte Paradigmafragestellungen, falsch und schief deshalb, weil.. . die »angemessene« - ebenso zulässige wie gut begründbareProblemlösung nicht »funktioniert« hat. Ohne eine Serie »falscher«, jedenfalls sehr gut ablehnbarer ... praktisch bekämpfbarer BGH-Entscheidungen wäre das Bun­ desverfassungsgericht nicht tätig geworden«. 85 BVerfG 31, 86 f. = RabelsZ 36 (1972) 162. 86 Siehe z. B. Juenger, Constitutional Court 292f., und ders., Neuorientierung 1523.

tigkeitsbetrachtung87; selbst der Vorbehalt des ordre public war ihm nur ein Hilfsargument88.

3. Ausländer im Inland Das Gleichheitsgebot war eine vom Verfassungsrecht erzeugte Herausforderung an das deutsche internationale Privatrecht. Ebenso war die Problematik der Spanier-Entscheidung eine typisch rechtli­ che Zweifelsfrage, entstanden aus der Unklarheit des Verhältnisses von internationalem Scheidungs- und internationalem Eheschlie­ ßungsrecht. Die privatrechtliche Stellung der Ausländer im Inland ist dagegen durch die Entwicklung auf der Faktenseite zu einem Problem geworden. Seit Mitte der fünfziger Jahre, als Interessenjurisprudenz für das Kollisionsrecht ins Bewußtsein gehoben wurde, ist die Zahl der Ausländer in der Bundesrepublik von etwa 500 000 auf 4,5 Millionen Menschen gestiegen, das sind heute etwa 7% der Gesamtbevölke­ rung89. Der zahlenmäßig größere Teil der Ausländer sind die soge­ nannten Gastarbeiter, also solche Ausländer, deren Aufenthalt in Deutschland nach ihren eigenen Absichten und den ursprünglichen Zielen der deutschen Politik nur ein vorübergehender sein sollte. Inzwischen zeigt sich aber, daß mehr und mehr der Ausländer sich (mit ihren Familien) für längere oder unbestimmte Dauer auf das Leben in Deutschland einrichten. Die durchschnittliche Aufent­ haltsdauer der Ausländer steigt kontinuierlich an. Für 1980 wurde geschätzt, daß 14% aller Ausländer seit mehr als 15 Jahren in der Bundesrepublik lebten, seit mehr als 10 Jahren sogar 38%90. Die entsprechenden Anteile für 1986 sind 37% und 59%91. Wesentliche Änderungen dieses Befundes sind für die Zukunft nicht zu erwarten - dafür sorgen ökonomische, soziale und psychische Gegebenheiten sowie Verfassungsrecht (Bestandsschutz) und Europäisches Ge­ meinschaftsrecht (Integrationsgedanke und Niederlassungsfrei­ 87 BG 3. 6. 1971, BGE 97 (1971) 1389, bes. 403-409 = RabelsZ 36 (1972) 358, bes. 368-370. 88 BG a.a.O. 409-411 = RabelsZ a.a.O. 370f. 89 Statistisches Jahrbuch 1955, S. 51; Statistisches Jahrbuch 1987, S. 68. 90 Zahlen mitgeteilt bei Pirrung 69. 91 Statistisches Jahrbuch 1987, S. 68.

heit)92. Es ist vielmehr faktisch und rechtlich auf Dauer vorgegeben, daß ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung in der Bundesrepu­ blik nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben wird. Die dauerhafte Anwesenheit einer so großen Zahl von Ausländern hat die Voraussetzungen und Folgen des internationalen Privat­ rechts verändert. Zunächst für die rechtsanwendenden Instanzen: Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit im internationalen Per­ sonen-, Familien- und Erbrecht verlangt von ihnen eine massenhafte Anwendung von IPR und Auslandsrecht, macht für sie zum »Nor­ malgeschäft«, was bisher nur in außergewöhnlichen Fällen vorkam. Es ist aber fraglich, ob inländische Behörden und Gerichte jemals imstande sein werden, mit den komplizierten kollisionsrechtlichen Denkfiguren und einer Vielzahl ausländischer Rechtsordnungen in der Qualität umzugehen, die man von inländischen Behörden nor­ malerweise erwartet, und in der Breite und Gleichmäßigkeit, die für Massenpraxis notwendig ist. Sodann für die betroffenen Ausländer selbst: Je länger ihr Aufenthalt im Inland, um so häufiger die Not­ wendigkeit, in Personenstands-, Familien- und Erbangelegenheiten das deutsche Behörden- und Gerichtssystem in Anspruch zu neh­ men. Ganze Bevölkerungsgruppen, und zwar mit den Gastarbeitern gerade die sozial schwächeren, werden dadurch auf Dauer ausgesetzt dem notorisch schwierigen und undurchsichtigen internationalen Privatrecht sowie der Unsicherheit und Schwerfälligkeit, mit der inländische Behörden und Gerichte ausländisches Recht anwenden. Kann man es hinnehmen, daß auf einem wichtigen Bereich des Privatrechts einfachen Leuten dauerhaft zusätzliche rechtliche Schwierigkeiten gemacht werden? Schließlich in gesamtgesell­ schaftlicher Hinsicht: Bei dauerhaft zahlreicher Ausländerbevölke­ rung führt das internationale Privatrecht mit seiner Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit dazu, daß in der Bundesrepublik verschiede­ ne Bevölkerungsgruppen (einerseits Deutsche, andererseits Auslän­ 92 Dazu im einzelnen Schwerdtfeger, Welche rechtlichen Vorkehrungen emp­ fehlen sich, um die Rechtsstellung von Ausländern in der Bundesrepublik Deutsch­ land angemessen zu gestalten?, in: Verhandlungen des 53. Deutschenjuristentages I (1980), bes. 17ff., 28ff.; Basedow/Diehl-Leistner, Das Staatsangehörigkeitsprin­ zip im Einwanderungsland: Referat auf dem Symposium über »Staat und Nation im internationalen Privatrecht« an der Universität Heidelberg, November 1988 (zur Veröff. vorgesehen).

der, diese wiederum getrennt nach ihrer Nationalität) in Personen­ stands-, Familien- und Erbangelegenheiten auf unabsehbare Zeit nach verschiedenen Rechten leben - das internationale Privatrecht erzeugt im Inland also Segregation und Gruppenrecht, es ist für diesen Tatbestand, soweit überhaupt Zwischenprivatrecht, mehr »interpersonales« denn »internationales« Privatrecht93. Daß die dauerhafte Anwesenheit von Ausländermassen im Inland dem internationalen Privatrecht neue Fragen stellt und es in verän­ dertem Licht erscheinen läßt, ist vielfach bemerkt und beschrieben worden94. Hat Interessenjurisprudenz geholfen, für die neue Situa­ tion Behandlungsweisen und Lösungen zu finden? Man wird unter­ scheiden müssen zwischen der Erörterung de lege lata und den Überlegungen, die auf die geplante Gesetzesreform gerichtet waren. Betrachtete man unter interessenjuristischer Perspektive das gel­ tende Recht, so konnte man eine »Anschauungslücke« konstatie­ ren95. Massenhaftigkeit der Anwendung, dauerhafte und zusätzlich belastende Bedeutung für ganze Bevölkerungsgruppen, sowie Gruppentrennungskraft sind Erscheinungen und Funktionen des deutschen IPR, die bei der Herausbildung seiner Normen durch Gesetz, Rechtsprechung und Wissenschaft um die Jahrhundertwen­ de und in den unmittelbar folgenden Jahrzehnten nicht gesehen und berücksichtigt wurden96. Es konnte in der nunmehr neuen Situation 93 Zum personalen Kollisionsrecht siehe z. B. Kegel, IPR 24-27; von Bar, IPR 262ff.; Keller/Siehr 170ff. 94 Simitis, Über die Entscheidungsfindung im IPR: StAZ 1976, 6-15 (9f£); ders. vorher schon: Anmerkung zu BGH 17. 9. 1968: StAZ 1969, 12-16 (13); Zur Namensführung der verheirateten Frau im internationalen Eherecht: StAZ 1971 33-37 (34); Zur Vaterschaftsfeststellung bei Ausländern: StAZ 1973 177-181 (177); Zur Reform des internationalen Eheschließungsrechts: StAZ 1975, 237-247 (241 ff.); Ansay/Martiny 201 ff.; Ferid, Auslandsrechtsfälle in der deutschen Rechtspraxis, in: Gastarbeiter in Gesellschaft und Recht (1974) 144ff.; Juenger, Neuorientierung 1523; ders., Zum Wandel des IPR (1974) 6; Neuhaus, Grundbe­ griffe 220 N. 601; Lüderitz, Parteiinteresse 36-38, 40f.; ders., Gerhard Kegel und das deutsche IPR: RabelsZ 46 (1982) 475-489 (482f.); ders., IPR (1987) 19; Base­ dow, Die Neuregelung des Internationalen Privat- und Prozeßrechts: NJW 1986, 2971-2979; jetzt umfassend Basedow/Diehl-Leistner. 95 Dazu schon vorn zu N. 68. 96 Zur Entstehungsgeschichte der Kollisionsnormen im EGBGB a. F. gute Kenn­ zeichnung mit weiteren Nachweisen bei von Bar, IPR 416 ff. Allenfalls für den dort referierten Standpunkt der Hansestädte könnte eine Rolle gespielt haben, daß in den

also untersucht werden, ob die im Gesetz ausgedrückte Interessen­ wertung in »denkendem Gehorsam«97 aufrechtzuerhalten oder aber durch eine neue eigene, wenn auch prinzipiengeleitete, des heutigen Rechtsanwenders zu ergänzen sei. Eine solche Betrachtung setzte als erstes voraus die systematische Feststellung der damals angeschauten und berücksichtigten Interessen, der heute auf Anerkennung hof­ fenden Interessen, und ihre Vergleichung miteinander. Der nächste Schritt wäre dann gewesen, die Übertragbarkeit der damaligen Be­ wertung der Interessenlage auf die heute sich darbietende Interessen­ lage zu prüfen oder - ersatzweise - eine neue Bewertung zu entwikkeln. Interessenjurisprudenz in diesem Sinn hat es zu dem Problem der ausländischen Wohnbevölkerung nicht gegeben. Die meisten kriti­ schen Äußerungen konnte man ohnehin nicht als Beiträge zum geltenden Recht, sondern als Aufforderungen an die Gesetzgebung interpretieren - wo aber doch zum geltenden Recht, erfolgten die Vorschläge »direkt«, ohne bewußten Einsatz des von der Interessen­ jurisprudenz gebotenen methodischen Werkzeugs98. Die herrschen­ de Meinung wollte zumeist in der privatrechtlichen Behandlung der Ausländerbevölkerung ohnehin kein eigenes Problem sehen, jeden­ falls aber am bisherigen System festhalten99. Dafür benötigte man nicht den bewußten Einsatz einer Methode, also auch nicht Interes­ senjurisprudenz. Nur bei Kegel finden wir Ausführungen zu den Interessen, die, obwohl eigentlich rechtspolitisch gemeint, auch als Argument für die Ausländerbehandlung nach Staatsangehörigkeits­ großen Hafenstädten ausländische Kaufleute in großer Zahl (zum Teil seit Genera­ tionen) ansässig waren und man mit dem (allseitigen) Staatsangehörigkeitsprinzip für sie und die Rechtspraxis Schwierigkeiten befürchtete; diese Vermutung äußert Behn, Die Entstehungsgeschichte der einseitigen Kollisionsnormen des EGBGB (1980) 95 f. Dieser besondere Grund, das Staatsangehörigkeitsprinzip nur »einseitig« (d. h. nur für deutsche Staatsbürger) gesetzlich vorzuschreiben, wurde aber in die hansestädtische Denkschrift nicht aufgenommen und hat auch bei den weiteren Beratungen keine Rolle gespielt; dazu weiteres noch später bei N. 216-220. 97 So die berühmte, dem Militärischen entlehnte Formulierung von Heck, Geset­ zesauslegung 20. 98 So Simitis in den oben N. 94 angeführten Aufsätzen; Juenger, Neuorientierung 1523; ders., Wandel des IPR 6. 99 Repräsentativ z. B. Münchener Komm. (-Sonnenberger) Einleitung IPR Rnr. 436 und Jayme, Internationales Familienrecht heute, in: FS Müller-Freienfels (1986) 341-375 (360-363), mit ihrem Verweis auf die Möglichkeiten der Einbürgerung.

prinzip de lege lata gedacht werden konnten100. Aber sie waren - für ein Kurzlehrbuch natürlich und da für Kegel kein Anlaß bestand, die herrschend gebliebene Meinung nochmals ausführlich methodisch zu rechtfertigen - zu kursorisch, um als Anwendungsfall für Interes­ senjurisprudenz im Rahmen des geltenden Rechts angesehen zu werden. Bei diesem Stand von Wissenschaft und herrschender Lehre ist es nicht erstaunlich, daß die Rechtsprechung, soweit ersichtlich, die privatrechtliche Situation der Ausländerbevölkerung nicht als ein eigenes, kollisionsrechtliche Überlegungen herausforderndes Problem behandelt hat. Anders zur damals anstehenden (und inzwischen verwirklichten) Gesetzesreform. Die Privatrechtspolitik für die Ausländerbevölke­ rung ist schon 1974 systematisch erörtert worden101 und 1980 hat der 53. Deutsche Juristentag sich des Problems ausdrücklich angenom­ men; das hierzu erstattete Teilgutachten von Kühne behandelt das Thema konsequent und differenziert in bewußt gewählter interes­ senjuristischer Perspektive102. Man muß aber bezweifeln, ob das Thema bei den folgenden Arbeiten, welche direkt zum Neurege­ lungsgesetz hinführten, weiterhin ausreichend beachtet und die in­ teressenjuristische Perspektive für seine Behandlung beibehalten worden ist. Dies wird näher hervorgehen aus den folgenden Aus­ führungen, die sich mit der Gesetzesreform im ganzen beschäftigen. 4. Gesetzesreform im IPR

In den fünfziger Jahren, etwa zu der gleichen Zeit, als Kegel sein Konzept einer Interessenjurisprudenz für das internationale Privat­ recht vorlegte, beauftragte das Bundesjustizministerium den Deut­ schen Rat für Internationales Privatrecht (wissenschaftliches Bera­ tungsgremium des Ministeriums) mit den Vorarbeiten zu einer Re­ vision des internationalen Privatrechts. Das »Gesetz zur Neurege­ lung des Internationalen Privatrechts«, das schließlich 1986 beschlos­

100 Kegel, IPR 281 f. 101 Ansay/Martiny 201 ff. 102 Kühne, Welche rechtlichen Vorkehrungen empfehlen sich, um die Rechtsstel­ lung von Ausländern in der BR Deutschland angemessen zu gestalten?, in: Verhand­ lungen des 53. Deutschenjuristentages I (1980) S.C1-C94, bes. 50ff.

sen und in Kraft gesetzt worden ist103, beruht ganz wesentlich auf den Vorarbeiten zum Personen-, Familien- und Erbrecht, die der Deutsche Rat zwischen 1962 und 1981 veröffentlicht hat104. Kegel hat im Deutschen Rat an prominenter Stelle mitgewirkt; die Grund­ entscheidungen zur Anknüpfung, besonders im Ehe- und Kind­ schaftsrecht, gehen auf seine vorbereitenden Gutachten zurück. Welchen Anteil hat an dieser rund dreißigjährigen Entstehung des Gesetzes die Interessenjurisprudenz? Für Gesetzgebung stellt sich vorweg noch mehr als beim schon erörterten Problem der richterlichen Verwirklichung der Gleichbe­ rechtigung die Frage, ob Interessenjurisprudenz als Methode hier überhaupt angebracht sein kann. Im klassischen, von Philipp Heck gemeinten Sinn war sie eine Methode der Anwendung des geltenden Rechts, auch der Schließung von Lücken in einem gegebenen Nor­ menbestand durch Wissenschaft und Rechtsprechung, nicht jedoch Hilfsmittel für die Gesetzgebung. Akzeptiert man Interessenjuris­ prudenz aber für die Rechtsanwendung, muß man sie notwendig auch für die Rechtsetzung als nützliches, ja notwendiges Arbeitsprin­ zip ansehen. Denn »Feststellung, Bewertung und Abwägung« der im Spiele befindlichen Interessen sind für den Gesetzgeber nicht minder möglich als für den nachschaffenden Richter, und gerade das ist es, was man von wohlbedachter, um Sachgerechtigkeit bemühter Gesetzgebung erwarten muß105. Der Richter (auf dessen Tätigkeit der Blick der Interessenjurisprudenz sich konzentrierte) hat lediglich die zusätzliche Aufgabe, die im Gesetz getroffene Interessenwertung zu erkennen und für »seinen« Fall in »denkendem Gehorsam«106 neu 103 BGBl. 198611142 (= Pirrung 29ff). 104 Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Ehe­ rechts (1962); zur Reform des deutschen internationalen Kindschafts-, Vormund­ schafts- und Pflegschaftsrechts (1966); zur Reform des deutschen internationalen Erbrechts (1969); zur Reform des deutschen internationalen Personen- und Sachen­ rechts (1972); zur Reform des deutschen internationalen Personen-, Familien- und Erbrechts (1981). 105 Über die Aufgabe z.B. Noll, Gesetzgebungslehre (1973) besonders 63ff; Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre (1982) besonders 66 f. Die in der Bundesrepublik dafür gängigen Verfahren beschreibt H. Schneider, Gesetzgebung - Ein Lehrbuch (1982) §§4-7, dort (§ 1) auch eine Übersicht zur ausländischen Literatur. 106 Heck, Gesetzesauslegung 20.

erstehen zu lassen. Interessenjuristische Anwendungspraxis muß sogar darauf bestehen, daß auch die Gesetzgebung interessenbe­ wußt arbeitet, weil ihr nur bei möglichst sorgfältiger und vollstän­ diger Ermittlung und sodann offener Wertung und Wägung der vom Gesetz betroffenen Interessen im Gesetzgebungsverfahren die Wertungsgrundlage präsentiert wird, die sie für ihren späteren Umgang mit dem Gesetz braucht107. 108 Es ist deshalb legitim, zu fragen, ob in der Gesetzwerdung des »neuen« IPR die Interessenju­ risprudenz wirksam gewesen ist. In den Arbeiten des Deutschen Rates für IPR ist interessenjuristi­ sche Vorgehensweise nur am Rande auszumachen. Es fehlt schon an einer systematischen und vollständigen Feststellung der zu be­ rücksichtigenden oder abzuweisenden Interessen. Diese hätte, wenn man Interessen ernst nehmen wollte, durch empirische und statistische Erhebungen vorbereitet werden müssen - etwa durch Umfragen über Bedürfnisse und Vorstellungen bei den verschiede­ nen Bevölkerungsgruppen, bei Verbänden, Organisationen, Be­ hörden, sowie durch entsprechend ausgerichtete Untersuchungen der Gerichts- und Behördenpraxis in Fällen mit Auslandsberüh­ rung. Solche Erhebungen sind offenbar nicht versucht worden. Der Rat begnügte sich für die grundsätzlichen Entscheidungen vielmehr, wo überhaupt Interessen zur Sprache kamen, mit An­ nahmen und Vermutungen. Bezeichnend hierzu die Formulierun­ gen von Kegel in seinen vorbereitenden Gutachten, mit denen für Eheschließung und Ehescheidung (die zentralen Zielgebiete der Re­ form) die primäre Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit gerecht­ fertigt wurde: »Man glaubt, daß der einzelne ein Interesse daran habe, nach einem materiellen Recht beurteilt zu werden, dem er aus Gründen des Vertrauens, des Gemein­ schaftsgefühls, des Heimatstolzes oder auch nur der Gewohnheit nahesteht, und daß die Anwendung dieses Rechts seinem Wunsch entspreche, gleich, ob es ihm im Einzelfall nützt oder schadet. «108 »Man nimmt an, daß eine Person sich enger mit dem Recht des Staates, dem sie angehört, verbunden fühlt als mit dem Recht des Staates, in dem sie lebt; der Staat,

107 Nach Münchener Komm. (-Sonnenberger) Einleitung IPR Rnr. 59 ist die Forderung nach Interessenanalyse sogar »in erster Linie an den Gesetzgeber zu richten«. 108 Kegel in: Vorschläge und Gutachten (Eherecht) 106 (Hervorhebung hier hinzugefügt).

dem man angehört, ist aber in der großen Mehrzahl der Fälle, in denen Heimatstaat und Aufenthaltsstaat auseinanderfallen, der Staat, in dem man aufgewachsen ist. «109

Größere Annäherungen an die Wirklichkeit der Interessenvorstel­ lungen sind für die Kernmaterien in den Vorschlägen des Deutschen Rates nicht zu finden109 110. Wenn empirische Erhebungen keine relevanten Ergebnisse ver­ sprechen oder wegen konkreter Gegebenheiten undurchführbar er­ scheinen, setzt interessenjuristisches Arbeiten, das diesen Namen verdient, doch jedenfalls voraus, daß die Gesetzesverfasser sich be­ mühen, aus sonstwie vorhandener Kenntnis die typischen realen Interessenlagen und für ihre Behandlung deutliche Vorstellungen zu entwickeln. Interessenlagen wiederum lassen sich nicht definieren ohne eine Vorstellung von typischen Interessenten, die von dem geplanten Gesetz in der einen oder anderen Weise betroffen werden. Für das internationale Personen-, Familien- und Erbrecht ist nun offensichtlich, daß es meistens mit zwei großen Menschengruppen zu tun hat, die soziologisch klar abgrenzbar sind und von ein und derselben gesetzlichen Anknüpfungsregel (die ja in erster Linie für die inländische Rechtsanwendung geschrieben wird) ganz unter­ schiedlich betroffen sein können, nämlich einerseits die Inländer im Ausland - wenn für ihre Angelegenheiten im Inland eine Zuständig­ keit besteht -, andererseits die Ausländer im Inland111 (die Inländer im Inland haben untereinander nur selten Rechtsprobleme mit Aus­ landsberührung; die Ausländer im Ausland haben nur selten solche, für die eine inländische Zuständigkeit gegeben ist). Auch solche, auf Allgemeinwissen gestützte Interessenanalysen sind in den veröffentlichten Arbeiten des Deutschen Rates nicht zu finden. Deshalb kommt es dort auch nicht zu einer durchgehenden Bewertung und Abwägung vorgestellter oder vorstellbarer Interessen - was für Interessenkonflikte bedeutet hätte, sich über Bevorzugung und Zurücksetzung der widerstreitenden Interessen Rechnung ab­ zulegen. Namentlich hat der Rat sich bis zum Ende seiner Entwurfs­ 109 Kegel (vorige Note) 79f. (Hervorhebung hier hinzugefügt). 110 Etwas spezifizierter nur Kegel selbst in seinem Gutachten zu Vormundschaft und Kindschaft: Vorschläge und Gutachten (Kindschafts-, Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht) 219ff., 227ff; Vorschläge und Gutachten (Personen-, Familienund Erbrecht) 53 ff. 111 Über die Bedeutung dieser Unterscheidung näheres später bei N. 206-208.

arbeiten (1978) niemals - und schon gar nicht interessenanalytisch mit dem unübersehbar gewordenen Massen- und Dauerphänomen der Ausländer (oder auch nur der Gastarbeiter) im Inland und den aus dieser Situation erwachsenden spezifischen Interessen beschäf­ tigt. Als Hauptproblem erschien ihm vielmehr eine ganz allgemein formulierte Prinzipienfrage: von welchem Regelungsprinzip für die Reform auszugehen sei, konkret: ob man das Staatsangehörigkeits­ prinzip beibehalten oder zur Aufenthaltsanknüpfung übergehen sol­ le. Man entschied schon ganz zu Anfang, bei der Beratung des Eherechts (1954-1959), grundsätzlich weiter von der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit auszugehen und erst, wo dies wegen der Gleichberechtigung von Mann und Frau in gemischtnationalen Ehen zu keinem Ergebnis führe, an den ehelichen Aufenthalt anzu­ knüpfen112. Die »interessenjuristische« Begründung für diese Ent­ scheidung bestand für einige Jahre nur aus den vorn zitierten Sätzen aus Kegels vorbereitenden Gutachten113. Sie wurde später in Gut­ achten zu anderen Teilmaterien sowie in der revidierten Fassung der Vorschläge und Gutachten von 1981 noch geringfügig ausgebaut, aber nun schon mit der erklärten Prämisse, daß die Grundsatzent­ scheidung für das Staatsangehörigkeitsprinzip bereits getroffen war114. 112 Vorschläge und Gutachten (Eherecht) 6f. 113 Siehe Text zu N. 108, 109. 114 Vorschläge und Gutachten (Kindschafts-, Vormundschafts- und Pflegschafts­ recht) 8; Vorschläge und Gutachten (Erbrecht) 6, und dazu das Gutachten von Ferid ebd. 24; Vorschläge und Gutachten (Personen-, Familien- und Erbrecht) 28, 38 und Gutachten von Kegel ebd. 120 f. - Man kann allerdings bezweifeln, ob es im Deutschen Rat eine überlegte »Entscheidung« für das Staatsangehörigkeitsprinzip jemals gegeben hat. Kegel berichtete noch 1960, daß die Eherechtskommission das Personalstatut im allgemeinen nicht als ihr Thema betrachtete, aber eine »Vollsit­ zung« des Deutschen Rates gezeigt habe, »daß die meisten dem Staatsangehörig­ keitsprinzip zuneigen«; von ihm sei die Eherechtskommission daher ausgegangen, aber: »Ein schließlicher Übergang zum Wohnsitzprinzip würde die wesentlichen Ergebnisse der Kommission nicht ändern: sie lassen sich ohne Mühe umformen«; siehe Kegel, Reform des deutschen internationalen Eherechts: RabelsZ 25 (1960) 201-221 (202). Eine Überprüfung der hier als vorläufig bezeichneten Entscheidung für die Staatsangehörigkeitsanknüpfung hat jedoch später anscheinend nicht mehr stattgefunden. In den folgenden Vorschlägen und Gutachten zum Kindschaftsrecht und Erbrecht wird das Staatsangehörigkeitsprinzip als selbstverständlicher, durch die Arbeiten der Eherechtskommission vorgezeichneter Ausgangspunkt genom­ men.

Mit dieser »Entscheidung« für die Beibehaltung des Staatsange­ hörigkeitsprinzips war das bisherige Recht zum Ausgangspunkt gemacht und der Gestaltungsrahmen für alles weitere vorgegeben. Es ging nun in erster Linie darum, ob die Besonderheiten einzelner Teilmaterien ein Abgehen vom Staatsangehörigkeitsprinzip recht­ fertigten oder verlangten. Die vorherrschende Tendenz war, eine andere Anknüpfung nur dann zu billigen, wenn dies unumgänglich erschien, am Staatsangehörigkeitsprinzip also so weit wie irgend möglich festzuhalten115. Daraus und aus dem »folgerichtigen« Durchdenken116 der Grundentscheidung entstand für das Eherecht die bekannte Anknüpfung in Stufen (die »Leiter«): in erster Linie an die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten, und zwar auch dann, wenn die Gemeinsamkeit zwar gegenwärtig nicht besteht, aber früher einmal bestanden hat (und von einem der Ehegatten beibehalten wurde117). Die Anknüpfung an den gemeinsamen Auf­ enthalt darf also, in zweiter Linie, erst dann einsetzen, wenn wäh­ rend der Ehe niemals Gemeinsamkeit der Staatsangehörigkeit zwi­ schen den Ehegatten bestanden hat: »denn warum sollte bei Staats­ wechsel nur eines Gatten die Kontinuität zurückstehen und unver­ mittelt der gewöhnliche Aufenthalt maßgebend sein?«118 Anknüp­ fung an den Aufenthalt »heißt aber, mit dem Prinzip der Staatsange­ hörigkeit brechen, und es fragt sich, ob nicht andere Wege vorzuzie­ hen sind«119. Ein weiteres vom Deutschen Rat ohne methodische Interessen­ analyse gefundenes »Prinzip«, das der »Familieneinheit«, führte ihn dann dazu, die Anknüpfungsleiter aus dem Eherecht in das Recht der ehelichen Kindschaft (Ehelichkeit, Eltern-Kind-Verhältnis, Legiti­

115 So z.B. Ferid in: Vorschläge und Gutachten (Erbrecht) 26: »Solange nicht dargetan ist, daß in der Mehrzahl der Fälle das Staatsangehörigkeitsprinzip den berechtigten Interessen der Beteiligten offenbar zuwiderläuft, wird an der Staatsan­ gehörigkeit als grundlegender Anknüpfung .. . festzuhalten sein.. .«. 116 So ausdrücklich Vorschläge und Gutachten (Eherecht) 7. 117 Selbst diese Einschränkung der Anknüpfung an die bloß frühere gemeinsame Staatsangehörigkeit hielt Kegel nicht für selbstverständlich, sondern nur für »emp­ fehlenswert«; Kegel in: Vorschläge und Gutachten (Eherecht) 107. 118 Kegel (vorige Note) 108. 119 Kegel (vorvorige Note) 107.

mation, Adoption) zu übertragen120. Im Gesamtergebnis war schließlich das Staatsangehörigkeitsprinzip als primäre Anknüp­ fungsregel bewahrt für alle Gebiete des Personen-, Familien- und Erbrechts außer für Unterhaltsansprüche von Kindern (dort Recht des Kindesaufenthalts, wegen des einschlägigen Haager Abkom­ mens121) und für die Durchführung (nicht die Anordnung!) der Vormundschaft (lex fori mit Aufenthaltszuständigkeit, »aus prakti­ schen Gründen«122). Zusammengefaßt: Die Vorarbeiten des Deutschen Rates waren (recht erfolgreich) bemüht um Systembewahrung und Prinzipien­ konsequenz; interessenjuristische Argumentation hat in ihnen nur eine marginale Rolle gespielt. Dieser Grundzug in der Gesetzesvorbereitung änderte sich auch nicht wesentlich mit dem Entwurf eines IPR-Gesetzes, der von Kühne im Auftrag des Bundesjustizministers verfaßt und Anfang 1980 veröffentlicht wurde123. Zwar führte der Entwurf, unter ande­ rem aus Interessenerwägungen, an einigen Stellen die Möglichkeit der Rechtswahl ein und brachte in Einzelpunkten Änderungen der objektiven Anknüpfung; auch kennzeichnete die Begründung zu den meisten Einzelregelungen - entsprechend Kühnes Gutachten zum Deutschenjuristentag 124 - ausdrücklich das Anknüpfungsinter­ esse, dem mit der Regelung Rechnung getragen werde. Aber in der Gesamtanlage und den zentralen Fragen (Staatsangehörigkeitsprin­ zip, Anknüpfungsleiter, Familieneinheit) wiederholte er doch die mehr auf Systembewahrung als auf Interessen bedachte Ratsjuris­ prudenz. Der Entwurf wurde erklärtermaßen auf der Grundlage der Vorarbeiten des Deutschen Rates erarbeitet125, denn der Auftrag des Bundesjustizministers war offensichtlich auf weiteres Voranbringen des Gesetzes Vorhabens, nicht auf einen Neuanfang der Überlegun­ gen gerichtet. Für den 1983 vorgelegten Regierungsentwurf, der mit wenigen 120 Vorschläge und Gutachten (Kindschafts-, Vormundschafts- und Pflegschafts­ recht) 11, 16, 27, 33. 121 Dazu Beitzke in: Vorschläge und Gutachten (Personen-, Familien- und Erb­ recht) 156f. 122 Vorschläge und Gutachten (vorige Note) 62. 123 Kühne, IPR-Gesetzentwurf (1980). 124 Kühne, Rechtsstellung von Ausländern. 125 Kühne, IPR-Gesetzentwurf S. V.

Änderungen schließlich Gesetz geworden ist126, konnte nach dem fortgeschrittenen Stand, in dem sich die Vorarbeiten nun befanden, eine methodische Neubesinnung noch weniger in Frage kommen. Was die interessenjuristische Machart angeht, ging er sogar hinter den Entwurf von Kühne zurück, indem er die Möglichkeiten der Rechtswahl wieder einschränkte und auch bei der Begründung der Einzelregelungen weniger systematisch und ausführlich auf An­ knüpfungsinteressen hinwies. Gemeinsam ist beiden Entwürfen aber insbesondere, daß sie nur unvollkommen und oberflächlich eingehen auf die kollisionsrechtli ­ chen Interessen der Ausländer im Inland (der »Hauptklienten« des deutschen IPR). Der große Ausländeranteil in der Bevölkerung wird zum Beweis der gewachsenen quantitativen Bedeutung des interna­ tionalen Privatrechts angeführt127, aber nur unvollständig dargelegt wird die Bedeutung der verschiedenen Regeln für die Ausländer. Das Thema wird angeschnitten bei der Begründung für das prinzi­ pielle Festhalten am Staatsangehörigkeitsprinzip. Hier werden die schon vom Deutschen Rat für IPR benutzten Vermutungen über Heimatverbundenheit und die daraus abzuleitenden Rechtsanwen­ dungsinteressen wiederholt und dann ergänzt um Argumente (1) der Rechtssicherheit (Staatsangehörigkeit sei sicherer feststellbar als ge­ wöhnlicher Aufenthalt), (2) der Stabilität und Kontinuität der An­ knüpfung (Staatsangehörigkeit wird weniger leicht gewechselt als Wohnsitz), (3) des Entscheidungseinklangs (die Heimatländer der meisten in Deutschland lebenden Ausländer folgten ebenfalls dem Staatsangehörigkeitsprinzip)128. Die Entwürfe machen aber keinerlei Aussagen darüber, ob dieser Kranz von Erwägungen den relevanten Interessen für jeden Teilbe­ reich des internationalen Privatrechts entspricht (die kollisionsrecht­ liche Interessenrichtung kann realiter im Erbfall anders sein als im Scheidungsfall, bei den Scheidungsvoraussetzungen anders als bei 126 Deutscher Bundestag, Drucks. 10/504: Entwurf eines Gesetzes zur Neurege­ lung des Internationalen Privatrechts (= Pirrung 29ff.). 127 Kühne, IPR-Gesetzentwurf 22 f.; Regierungsentwurf (vorige Note) Begrün­ dung S. 21 f. (= Pirrung 68ff.). 128 Kühne, IPR-Gesetzentwurf 65 f.; Regierungsentwurf (vorvorige Note) Be­ gründung S. 30 f. (= Pirrung 106 f.). Daß diese Begründungen gerade im Hinblick auf die Parteiinteressen fragwürdig sind, zeigt auch Lüderitz, IPR 49 f.

den Scheidungsfolgen), noch versuchen sie eine Abwägung des von ihnen vermuteten Interesses am Heimatrecht gegen denkbare ge­ genläufige Interessen der Ausländer selbst, sonstiger Beteiligter oder auch der deutschen Allgemeinheit. Interessenjurisprudenz auf der Gesetzgebungsebene hätte eine voraussetzungsfreiere und einläß­ lichere Prüfung von Interessenlagen und Lösungsmöglichkeiten er­ fordert.

5. Bilanz

Das Ergebnis dieser längeren Musterung des deutschen IPR der vergangenen 35 Jahre ist negativ. Für die großen Themen dieser Zeit - Gleichberechtigung, Spanier-Entscheidung, Ausländer im Inland, Gesetzesreform - ist die Interessenjurisprudenz als Theorie und Methode nicht sichtbar wirksam geworden. Einzelne Beiträge zur Anwendung und Weiterentwicklung (und ohnehin natürlich die Darstellung im Lehrbuch von Kegel selbst) sicherten ihr zwar einen weiterhin geachteten Platz in der wissenschaftlichen Diskussion129, haben am Ende aber für keines der Themen, und namentlich nicht für die Gesetzesreform, Bedeutung gehabt130. Beherrscht wurde die Diskussion vielmehr von Überlegungen der Vernünftigkeit, Zweckmäßigkeit, Systemgerechtigkeit, Rechtssicherheit - die im juristischen Diskurs allesamt herkömmlich und respektabel sind, nur eben nicht die Interessen in den Vordergrund rücken, die vom internationalen Privatrecht real vorgefunden oder betroffen werden und zu bewerten sind. Wie bei Currie ist auch bei der von Kegel vertretenen Interessen­ 129 Siehe die Nachweise in N. 39, 40. Anwendung z. B. bei Kühne, IPR-Gesetz­ entwurf; Weiterentwicklung bei Lüderitz, Parteiinteresse; theoretische Verarbei­ tung: Schurig bes. 184 ff. 130 Für das Gutachten und den Entwurf von Kühne siehe oben bei N. 102, 123-125. Die Studie von Schurig war schon thematisch nicht auf solche Direktwir­ kung angelegt. Hauptkennzeichen des wichtigen Beitrages von Lüderitz (vorige Note) sind die sehr einläßliche Wahrnehmung und Würdigung der infrage stehenden Parteiinteressen und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen: Relativierung der Anknüpfung an das »Heimatrecht« sowie generelle Zulassung von parteiautonomer Rechtswahl zwischen Heimatrecht und Aufenthaltsrecht; so besonders die Zusam­ menfassung S. 53 f.; aber weder die Methode noch die Ergebnisse haben sich in der Rechtsprechung oder dem Neuregelungsgesetz niedergeschlagen.

jurisprudenz die geringe Wirkungskraft wesentlich in der Konzep­ tion selbst angelegt. Es ist oft bemerkt worden, daß die »Interessen«, die Kegel als Bestimmungsgründe für kollisionsrechtliche Entschei­ dungen und Normbildungen nehmen will, einen Zug zum Abstrak­ ten, Pauschalen, Irrealen, ja Fiktiven haben131. Das gilt sicher für die von ihm so genannten »Verkehrsinteressen« und »Ordnungsinter­ essen«, aber auch für die »Parteiinteressen«, die für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit den Ausschlag geben sollen. Diese Inter­ essen sind nach Kegel immer nur vermutete Interessen, die des Durchschnittsmenschen132, und man soll sie auch dann zugrundele­ gen, wenn man in der Wirklichkeit bestimmte typische Sachverhalte oder sogar konkrete Beteiligte vor sich hat, auf welche diese Durch­ schnittserwartung nicht zutrifft, vielmehr typischerweise oder kon­ kret Parteiinteressen an der Anwendung eines anderen als des Hei­ matrechts (etwa Aufenthaltsrecht, Lagerecht von Vermögensge­ genständen, Recht des Handlungsortes, Recht des angerufenen Ge­ richts) feststellbar sind. Denn - so Kegel - »man kommt in des Teufels Küche, wenn man auf dem ohnehin verwickelten Felde des IPR auf klare, leicht erkennbare und leicht zu handhabende Kolli­ sionsnormen verzichtet«133. »Daher können nur Anknüpfungen er­ wogen werden, die im allgemeinen im Parteiinteresse liegen, nämlich Staatsangehörigkeit und Wohnsitz. Auch zwischen diesen beiden kann wieder nur danach gewählt werden, ob im allgemeinen die Bindung an Heimat- oder Wohnsitzrecht stärker ist«134. Hier kommt dann plötzlich das »Ordnungsinteresse« an Rechtssicherheit ins Spiel135. Aber wer ist Träger dieses Interesses, warum wiegt es (anscheinend) in jedem Falle schwerer als das Parteiinteresse, und wer hat dieses Interesse selbst dann noch, wenn die Parteien sich im Personen-, Familien- und Erbrecht über die Anwendung eines ande­ ren als des Heimatrechts einig sind? Kegel zum letzteren apodiktisch ». . . im internationalen Recht der persönlichen Ehewirkungen und 131 A. Bucher, Grundfragen der Anknüpfungsgerechtigkeit im IPR (1975) 36 ff; Münchener Komm. (-Sonnenberger) Einleitung IPR Rnr. 62, 69; Staudinger(STURM/STURM) Einleitung zu Art. 7-11 Rnr. 42. 132 Siehe die Zitate im Text bei N. 108, 109 und Kegel, IPR 83. 133 Kegel, Vaterhaus 559. 134 Kegel, IPR 279. 135 Kegel, IPR 281.

der Scheidung darf sich der Gesetzgeber nicht um die Entscheidung drücken. Die Parteien sind nicht klüger als er, . . . «136. Hat das internationale Privatrecht es zu tun mit einem Interessen­ gegensatz zwischen Parteien und Gesetzgeber? In den Aussagen zum Parteiinteresse im Personen-, Familien- und Erbrecht offenbart sich jedenfalls, wie weit von realen Interessen entfernt Kegel seine Inter­ essenjurisprudenz halten will. Dies wird vollends deutlich dort, wo die Parteien unbestritten ihre Rechtsanwendungsinteressen selbst definieren dürfen - im internationalen Vertragsrecht. Die dort er­ laubte autonome Rechtswahl ist für Kegel nicht etwa Höhepunkt einer an den Interessen orientierten Jurisprudenz, sondern »Verle­ genheitslösung: weil in vielen Fällen ein allgemein einleuchtender Ausgleich der Parteiinteressen, die auf mehrere Rechte hinweisen, nicht möglich ist«136 137. Eine Jurisprudenz, welche die deutlichste Manifestation eines Par­ teiinteresses, den geäußerten Parteiwillen, dermaßen abwertet, ist als privatrechtliche Interessenjurisprudenz blaß und ohne gedanken­ leitenden Impetus. Was sie als »Interessen« ausgibt, ist weithin nur eine andere Bezeichnung für das, was man sonst »rechtspolitischen Grund«, »Grundgedanke«, »Sinn und Zweck der Norm«, »Rege­ lungsprinzip«, »Lösungskriterium« oder ähnliches nennen wür­ de138. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß in der ganz traditionell geführten Diskussion der »großen Themen«, die weiter vorn be­ schrieben wurde, die Interessenjurisprudenz sich so wenig bemerk­ bar gemacht hat. In dem von Kegel gemeinten Sinn hätte sie allen­ falls das Vokabular, nicht aber die Perspektiven und die Argumente verändert.

136 Kegel in: Vorschläge und Gutachten (Personen-, Familien- und Erbrecht) 122. 137 Kegel, IPR 421. 138 So auch Neuhaus, Abschied von Savigny?: RabelsZ 46 (1982) 4-25 (19); Münchener Komm. (-Sonnenberger) Einleitung IPR Rnr. 69; Staudinger(Sturm/Sturm) Einleitung zu Art. 7-11 Rnr. 42.

I. Ausgangslage

Der Situationsbericht über mehr als dreißig Jahre Interessenju­ risprudenz im internationalen Privatrecht auf beiden Seiten des At­ lantik hat ergeben: Die Konzeptionen von Currie und Kegel sind als Interessenjurisprudenz wirkungslos geblieben. Auf den ersten Blick ist der Mißerfolg allerdings nicht leicht zu erkennen. In den Verei­ nigten Staaten verhüllt die willige Aufnahme der von Currie propa­ gierten Fragestellungen und Begriffe in Theorie und Praxis, daß das eigentliche Ziel jener Interessenanalyse - Realismus im internationa­ len Privatrecht - verfehlt worden ist. In Europa kann noch nicht einmal eine so weitgehende äußerliche Übernahme der Konzeption Kegels in Rechtsprechung, Gesetzgebung und Literatur festgestellt werden. Zum Teil liegt dies an der Konzeption selbst. Sie ist bewußt gar nicht so eng an den wirklichen Interessen orientiert, um im allgemeinen Diskurs und in der Praxis von Rechtsschöpfung und Rechtsanwendung deutlich als eigenständig bemerkt zu werden. Auch dürfte das unbestrittene Ansehen Kegels als eines führenden Autors des europäischen internationalen Privatrechts es erschwert haben, diesen Teil seiner Lehre als im wesentlichen folgenlos zu erkennen. Der Grund für die mangelnde Wirksamkeit der Interessenjuris­ prudenz, wie sie von Currie und Kegel vorgetragen wurde, liegt letztlich darin, daß sie von der Wirklichkeit der Interessen zu großen Abstand halten will. Aus dieser Übereinstimmung der so unter­ schiedlich angesetzten Interessentheorien im Negativen darf man aber noch nicht schließen, daß Interessenorientierung überhaupt für das internationale Privatrecht keine geeignete Denkform ist. Es wäre erstaunlich, wenn auf diesem Gebiet die Urfunktion allen Rechts - Interessenordnung - von Theorie und Methode vernachläs­ sigt werden dürfte. Andererseits kann es Besonderheiten internatio­

naler Privatrechtsverhältnisse geben, die es erschweren, vielleicht gar unmöglich machen, über die von Kegel und Currie angenom­ menen Grenzen einer Interessenorientierung hinauszugehen. Ob Interessenjurisprudenz hier berechtigt ist und wirksamer als nach den beschriebenen Konzeptionen eingesetzt werden kann, läßt sich deshalb erst beurteilen, wenn man die spezifischen Aufgaben des internationalen Privatrechts (wieder einmal) in den Blick genom­ men hat139.

II. Die Aufgabe des internationalen Privatrechts

Eine gängige Betrachtungsweise sieht die Funktion des interna­ tionalen Privatrechts darin, die Herrschaftsbereiche von Rechtsord­ nungen über Sachverhalte zu bestimmen und gegeneinander abzu­ grenzen (Rechtsordnungen zu »koordinieren«)140 oder - anders her­ um - für Sachverhalte die ihnen angemessene Rechtsordnung zu bestimmen (»the proper law«, das »räumlich beste Recht«)141. Das internationale Privatrecht erfüllt diese Aufgabe durch »Anknüp­ fung«, genauer: durch Verknüpfung (rattachement, collegamento), nämlich von Sachverhalt und anwendbarem Rechtssystem. Im er­ sten Sinne fungiert es wie ein Schiedsrichter, der im positiven oder negativen Kompetenzkonflikt zwischen Rechtsordnungen jeder den ihr angemessenen Anteil an dem Gesamtaufkommen der internatio139 Im Sinne von Rheinstein, The Place of Wrong: Tul.L.Rev. 19 (1944) 4-31, 165-199 (17) :»Why at all do we have a branch of law called conflicts of laws? If we would consider this question more frequently and more thoroughly, a good many of the problems of the conflict of laws might look less formidable and less forbidding than they appear to us today.« 140 »Coordination des systmes«; so der Grundgedanke von Batiffol, Aspects philosophiques du d.i.p. (1956) 19ff, 136, und durchgehend. Weitere Hinweise auf sein Werk bei Kegel, IPR 123. 141 Kegel, IPR 81; ders., Vaterhaus 552, 558. Klassische Formulierung: »daß bei jedem Rechtsverhältnis dasjenige Rechtsgebiet aufgesucht werde, welchem dieses Rechtsverhältnis seiner eigentlichen Natur nach angehört oder unterworfen ist (worin dasselbe seinen Sitz hat)«; Savigny, System des heutigen Römischen Rechts VIII (1849) 28, 108. Über die unterschiedlichen Blickpunkte - vom Rechtssatz her oder vom Sachverhalt her - sehr klar Neuhaus, Grundbegriffe 29 ff; ders., Ab­ schied von Savigny 6-9.

nalen Sachverhalte zuspricht142. Diese Betrachtungsweise kann da­ von sprechen, daß bei internationalen Fällen das ausländische Recht die gleiche Chance der Anwendung wie das inländische Recht, »Gleichberechtigung« haben müsse143. Im zweitgenannten Sinne ist das IPR nicht Schiedsrichter, sondern eher Hafenmeister, der jedem einlaufenden Sachverhalt den gesuchten und für ihn passenden Lie­ geplatz zuweist144. Solche Funktionsbeschreibungen betonen die juristisch-techni ­ sche Seite und bleiben an der Oberfläche. Die Aufgabe des interna­ tionalen Privatrechts muß vielmehr entwickelt werden aus der sozia­ len Realität, die den Bedarf nach diesem speziellen Recht überhaupt entstehen läßt145. So gesehen erheben Rechtsordnungen aber in kei­ nem realen Sinne »Ansprüche« auf Sachverhalte, und Sachverhalte haben kein »Bedürfnis« nach angemessener Unterbringung. Recht ist Sozialordnung und muß reale Bedürfnisse von Menschen befriedi­ gen, das internationale Privatrecht deshalb speziell die Bedürfnisse, die aus der Internationalität von Sozialbeziehungen entstehen. Die Probleme, mit denen es zu tun hat, sind solche, die sich für Men­ schen und menschliche Organisationen (z. B. Unternehmen, auch Staaten) auftun, wenn Sozialbeziehungen, die privatrechtlich zu ordnen sind, über die geistigen und räumlichen Grenzen einer Rechtsordnung hinaustreten und aus diesem Umstand spezifischer Rechtsbedarf entsteht. 142 So ausdrücklich von Overbeck, La theorie des »regles de conflit facultatives« et l’autonomie de la volonte, in: FS Vischer (1983): »repartition des especes interna­ tionales«. Der Gedanke der Kompetenz- und Verteilungsordnung ist generell bei den Autoren französischer Sprache lebendig, siehe Batiffol/Lagarde I Nr. 24, 264: Internationalität der Rechtsverhältnisse verlangt nach einer »repartition des comptences legislatives«. Kritisch zu solchen Vorstellungen Schurig 67f., 189f., 191. 143 So z. B. Neuhaus, Grundbegriffe 30, 33; Kegel, IPR 194; ders., Fundamental Approaches 13, dort mit weiteren Nachweisen über die Verbreitung dieses Gedan­ kens. 144 Keller/Siehr 258, verwenden das ebenso passende Bild der Weiche und der Weichenstellung, die den Auslandssachverhalt wie einen »Eisenbahnzug in die vom Gesetzgeber oder Richterrecht gewünschte Richtung dirigiert«. 145 Wiederum im Sinne von Rheinstein, Place of Wrong 17: »Presumably, the law of conflict of laws fulfills some useful function in our social Order. What ist that function?« In gleicher Richtung wohl auch Lüderitz, Parteiinteresse 53: »Internatio­ nales Privatrecht ist als Sonderrecht . .. nur zu legitimieren, wenn und soweit mit ihm besondere Bedürfnisse (Interessen) befriedigt werden«.

Internationalität bedeutet, daß für die rechtliche Ordnung einer Situation mehr als nur ein Rechtssystem ernsthaft in Betracht kommt; man hat zunächst mehr Recht als man am Ende braucht Pluralität und Überangebot von Recht! Pluralität bedeutet potentiel­ le Divergenz (es kann sein, daß die in Frage kommenden Rechtsord­ nungen nicht übereinstimmen) und damit gleichzeitig Relativität einzelner Rechtsordnungen. Mit diesen Eigenschaften ist die inter­ nationale Gesamterscheinung »Recht« lockerer, beweglicher und unbestimmter, insgesamt und in Einzelteilen den Beteiligten auch fremder als bei rein nationalen Sachverhalten, für die ganz selbstver­ ständlich nur mit einer einzigen, und zwar meistens der »eigenen« Rechtsordnung zu rechnen ist. Mit anderen Worten: Tritt eine Sozialbeziehung aus dem örtlichen oder persönlichen Bereich einer Einzelrechtsordnung heraus, so zerfällt für die Beteiligten die Einheit, Kohärenz, unbezweifelte Legitimität und Nähe des Rechts, die das eine nationale Recht gebo­ ten hat. Im nun betretenen internationalen Raum ist das Recht plural - und deshalb unvollkommen, wenn man es an den Standards mißt, nach denen man eine ausgebildete nationale Rechtsordnung beur­ teilt146. Das Bewußtwerden dieser Pluralität des Rechts läßt sich 146 Über die rechtsgrundsätzlichen Implikationen von Internationalität besonders einläßlich von Mehren, The Significance of the State for Choice of Law, in: FS Zweigert (1981) 287-306; Luhmann, Rechtssoziologie2 (1983) 333-343 im Ab­ schnitt »Rechtsprobleme der Weltgesellschaft«; Rigaux, D.i.p. I: Theorie generale (1977) 75ff., 215ff. (»le pluralisme juridique« im »espace transnational«, 108ff, 112 ff.); noch stärker herausgearbeitet jetzt in der 2. Aufl. (1987), siehe S. Vif: Wer an »situations transfrontieres« beteiligt ist, befindet sich in einem »Systeme de relativite generalisee«. Konsequenz: »La Science du droit ne saurait accepter le provincialisme de la plupart des theories du droit international prive et les efforts derisoires par lesquels chaque Systeme pretend retablir, selon la perspective qui lui est propre, une illusoire coordination des systemes.« Ähnlich auch schon Wengler, IPR 56 ff. - Im Sinne von Allott, The Limits of Law (1980), könnte Internationalität gedacht werden als ein weiterer Faktor, der Recht relativiert und begrenzt, siehe besonders S. 121 ff. (»Exclusion of Law by other normative Systems«, »the legal message in competition with other normative messages«, »law in competition with other normative Systems: exclusion or weakening of the legal prescription«). Bei soziologischer Betrachtungsweise könnte man deshalb an »Anomie« denken, die allerdings von der Soziologie vorwiegend als desorientierender Mangeltatbestand behandelt wird (siehe z. B. R. König, Anomie, in: Wörterbuch der Soziologie2 [1969] 27 f.), während die Relativierung und Entfernung des Rechts, die durch die internationale Überzahl und UnVerbundenheit von Normensystemen erlebbar

auch durch die »Renationalisierung« der Rechtsfragen, die dem traditionellen Kollisionsrecht durch seine Verweisungsregeln viel­ leicht äußerlich-technisch gelingt, für die Menschen, denen der in­ ternationale Rechtsraum offensteht, nicht mehr rückgängig ma­ chen. Es ist andererseits auch nicht damit zu rechnen, daß die inter­ nationale Pluralität des Rechts in absehbarer Zeit durch Rechtsver­ einheitlichung wesentlich gemindert würde147. Für diese Situation gibt es internationales Privatrecht. In einer Welt, die durch Verkehr, Kommunikationstechnik und wirtschaft­ liche Verflechtung immer mehr (auch kulturell!) zusammen­ wächst148, die aber nach herkömmlichen Vorstellungen rechtlich unvollkommen bleiben wird, weil ihre Rechtsquellen unzusam­ menhängend organisiert und ihre Rechtssätze uneinheitlich sind, muß es den Personen und Institutionen, die in internationalen Bezie­ hungen stehen, gleichwohl eine privatrechtliche Ordnung der Exi­ stenz bieten149. Internationales Privatrecht ist so gesehen nur Fortsetzung des Privatrechts im internationalen Raum mit den dort benötigten zu­ sätzlichen Mitteln, aber mit derselben Aufgabe, die seit jeher die des Privatrechts (oder sogar allen Rechts) ist: Anerkennung oder Ab­

wird, auch als Zuwachs an Handlungschancen gedacht und deshalb positiv bewertet werden könnte (dazu siehe später bei N. 247-250, 303-309, 316-332). Der Tatbe­ stand ist bisher weder von der Rechtstheorie noch von der Rechtssoziologie wirklich aufgegriffen worden. 147 Dazujüngst Kötz, Rechts Vereinheitlichung: RabelsZ 50 (1986) 1-17; Beh­ rens, Voraussetzungen und Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsvereinheit­ lichung: ebd. 19-34. Zu Stand und Perspektiven der Rechtsvereinheitlichung allge­ mein: Kropholler, Internationales Einheitsrecht (1975) bes. 344ff. 148 Der Tatbestand wird eindrucksvoll zusammengefaßt von Luhmann 333 f. 149 In diesem Sinne besonders deutlich die Doktrin im französischen Sprachraum, z. B. Batiffol/Lagarde: es geht um »la Situation juridique de l’individu dans les relations privees internationales« (Nr. 7); die »socit internationale« verlangt einen »ordre defini par des regles de droit«. Ebenso Loussouarn/ Bourel, D.i.p. (1978) 1 f; Mayer, D.i.p.2 (1983) 2; Rigaux, D.i.p. (1968) 2ff., 27f. Treffend auch Rhein­ stein, Einführung in die Rechtsvergleichung2 (1987) 142: »Es ist die Aufgabe des Kollisionsrechts, dafür zu sorgen, daß dort, wo die Einheit des Rechts nicht möglich ist, seine Vielfalt sich nicht als störend erweist«.

Weisung, Koordination oder Abwägung realer menschlicher Inter­ essen, die sich in Konkurrenz oder im Konflikt befinden150. Aus der Aufgabenbestimmung des internationalen Privatrechts ergibt sich notwendig seine Theorie oder Methode; wenn sie akzep­ tierte Orientierung geben soll, kann sie - wie im Privatrecht generell - nur Interessenjurisprudenz sein, und sie ist es um so eher, je genauer sie auf die spezifischen Interessen eingeht, die durch Interna­ tionalität hervorgerufen oder getroffen werden. Ihr muß es darum gehen, die Besonderheiten der internationalen Situation einzubezie­ hen in die Bewertung, Koordination und Abwägung von menschli­ chen Interessen, die im rein nationalen Rahmen vom Recht ohnehin geleistet werden muß. Die Konzepte von Currie und Kegel, soweit sie überhaupt die Interessen in den Vordergrund rücken, müssen deshalb weiterentwickelt, nicht abgewiesen werden.

III. Weiterentwicklung

Reklamiert man für das internationale Privatrecht die Urfunk­ tion, die allem Privatrecht zukommt, so wird deutlich, daß die Weiterentwicklung der Interessenjurisprudenz für diesen Bereich darin bestehen muß, die Realitätsscheu abzulegen, die den Konzep­ tionen Curries und Kegels eigen ist. Es gibt in den materiellen Privatrechten jedenfalls der westlichen Welt kein Gegenstück für die Auffassung Curries, daß im grenzüberschreitenden Privat­ rechtskonflikt ausschließlich und immer über die Verwirklichung von Gemeinwohlinteressen zu entscheiden ist, und es gibt dort auch kein Gegenstück für die Neigung Kegels, lediglich vermuteten, durch das objektive Recht zugeschriebenen, nicht aber tatsächlich geäußerten oder sonst konkret feststellbaren Interessen Raum zu geben. Interessenjurisprudenz muß vielmehr auch im internationa­ len Privatrecht, gerade was die Interessen selbst angeht, realistisch sein. Daraus ergeben sich für interessenjuristisches Arbeiten wichti­ ge Folgerungen, naturgemäß in erster Linie für die Feststellung, oder genauer: für die Bereitschaft zur Wahrnehmung von Interes150 Für prinzipielle Aufgabengleichheit von Kollisions- und Sachrecht auch deut­ lich von Bar, IPR 434 ff.

sen, und für ihre Einbeziehung in den Bewertungs- und Abwä­ gungsvorgang. Die Folgerungen für die Feststellung von Interessen sollen im folgenden spezifiziert werden, weil erst aus ihnen zu ersehen ist, inwiefern eine realistische Interessenorientierung über die Konzep­ tionen von Currie und Kegel hinausgeht. Anschließend sind die Bewertung und die Abwägung der Interessen zu beschreiben. Dies soll aber nicht abstrakt geschehen, sondern in der Weise, daß die Auswirkung der so weiterentwickelten Interessenjurisprudenz auf einige grundlegende Themen und Kategorien des internationalen Privatrechts dargestellt wird.

1. Grundsatz Das oberste Arbeitsprinzip einer realistischen Interessenjurispru­ denz muß sein, Interessen nicht zu leugnen, wo sie real vorhanden sind, und nicht zu erfinden, wo sie nicht zu finden sind. Mit anderen Worten: Interessenjurisprudenz verlangt, daß Normbildung und Normanwendung beruhen auf einer Bewertung und (wo positiv ausgefallen) einer Abwägung aller, aber auch nur solcher Interessen, die für oder gegen eine rechtliche Lösung geltend gemacht werden (oder als aktivierbar jedenfalls gedacht werden können). Dieses Arbeitsprinzip mag zunächst trivial klingen, bezeichnet aber den wesentlichen Zusatzschritt, den Interessenjurisprudenz über Currie und Kegel hinaus tun muß; seine Implikationen werden im folgen­ den noch zu verdeutlichen sein. Das Verbot der Interessenleugnung trifft Currie’s Abneigung, solche Interessenbekundungen, die sich nicht als »policies« von Sachnor­ men darstellen lassen, überhaupt wahrzunehmen151, sowie Kegels Weigerung, andere als die von ihm vermuteten »typischen« Interes­ sen, nämlich auch konkret geäußerte der Beteiligten, in Betracht zu ziehen152. Das Verbot der Erfindung von Interessen trifft hauptsächlich die Vorstellung, in jedem internationalen Privatrechtsfall sei über Gemeinwohlinteressen zu entscheiden (Currie)153, und vielleicht 151 Siehe Text bei N. 29. 152 Siehe Text bei N. 132-136. 153 Siehe Text vor N. 14.

auch Kegels Neigung, vor an sich feststellbaren Parteiinteressen auf » Ordnungsinteressen« auszu weichen154.

2. Interessen Positiv gewendet bedeutet Interessenrealismus, daß die Auseinan­ dersetzung darüber, welche Interessen überhaupt Beachtung verdie­ nen, entkrampft wird. So etwa bei den öffentlichen Interessen (All­ gemeininteressen) (die sich meistens durch »Eingriffsnormen« und sonstiges zwingendes Recht bemerkbar machen): für Kegel lassen sie sich nur schwer ins internationale Privatrecht integrieren, weil dieses es nur mit den Interessen von Privaten zu tun habe155. Bei realistischer Betrachtung haben Allgemeininteressen aber im Privat­ recht schon immer mitgespielt, im deutschen Recht vordergründig durch Verbotsgesetze und zwingende Standards (§§ 134, 138 BGB), verdeckter wirksam durch Darbietung und Regelung fundamenta­ ler Institutionen (z. B. Ehe, Kindschaft, Eigentum, Erbrecht, Ver­ tragsfreiheit, Wettbewerbsrecht), zunehmend durch Schutzrecht für bestimmte Gruppen oder Sektoren (z. B. Arbeitsrecht, Verbrau­ cherrecht, Versicherungsrecht). Diese Zivilrechtsimmanenz des Allgemeininteresses wird auch in der Theorie mehr und mehr aufge­ nommen156. Realistische Interessenjurisprudenz erlaubt es, solche Interessen auch im internationalen Privatrecht, wo sie denn tatsäch­ lich feststellbar sind, bei Normbildung und Normanwendung ohne Scheu vor Grenzübertritt oder möglichen »Einfuhrverboten« mit zu berücksichtigen157. Interessenjurisprudenz in diesem Sinne liefert aber vor allem eine Antwort auf die Grundsatzfrage des internationalen Privatrechts: ob es eigene kollisionsrechtliche Interessen an der Anwendung einer Rechtsordnung unabhängig von ihrem Inhalt »gibt« und nur sie zu 154 Siehe Text bei N. 131-135. 155 Kegel, IPR 92ff.; ders., Vaterhaus 554, 570f. 156 So z. B. Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbü­ cher (1953) bes. 24ff; Raiser, Die Zukunft des Privatrechts (1971); Grossfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe (1977) durchgehend und bes. S. 82ff; Rüthers, Allgemeiner Teil des BGB6 (1986) 8 ff. 157 Insofern werden bestätigt die Analysen und Anliegen von Wiethölter, Inter­ nationales Nachlaßverfahrensrecht, in: Vorschläge und Gutachten (Erbrecht) 141-184 (142f.), undJoERGES, Funktionswandel bes. 153 ff, 156 ff.

beachten sind158, oder ob daneben oder in erster Linie schon hier die Zwecke und Inhalte der in Betracht kommenden materiellen Rechtssätze sowie die aus ihnen für den konkreten Fall zu gewinnen­ den Ergebnisse interessieren159. Zu den kollisionsrechtlichen (internationalprivatrechtlichen) In­ teressen: Schon ein Blick auf die Praxis der Rechts Wahlklauseln im internationalen Wirtschaftsverkehr zeigt, daß es Interessen an der Anwendung einer Rechtsordnung als solcher geben kann. Beson­ ders bei Verträgen über umfangreiche Leistungen und bei langfristi­ gen Vertragsverhältnissen kann man realistischerweise nicht anneh­ men, daß die an einer bestimmten Rechtswahl interessierte Partei damit immer auch Vorstellungen verbindet über die Regelungen und die Lösung, die das so gewählte Recht für jeden denkbaren aus dem Vertrag entstehenden Konfliktfall vorsieht. Diese Beobach­ tung läßt sich auf alle Privatrechtsgebiete erweitern: ein kollisions­ rechtliches Interesse an der Anwendung eines Rechts unabhängig von seinem Inhalt ist generell vorstellbar, solange die beteiligten Personen über den Inhalt der in Frage kommenden materiellen Rechtssätze nichts wissen und nichts vermuten, vielmehr einer Rechtsordnung allgemein vertrauen, sich mit ihr verbunden fühlen oder die Heranziehung des »richtigen« Rechts dem Richter überlas­ sen wollen160. Interessenjurisprudenz ist also nur dann realistisch, wenn sie mit pauschalen, nämlich auf ganze Rechtsordnungen ge­ richteten Anwendungsinteressen rechnet. Die rein kollisionsrechtlichen Interessen werden freilich ergänzt, überlagert oder verdrängt in dem Maße, wie die Beteiligten sich des unterschiedlichen Inhalts der zur Verfügung stehenden Rechtssätze bewußt werden und ihre Belange als davon betroffen ansehen161. Von solchem Wissen der Beteiligten und von der unterschiedlichen 158 So Kegel (Text vor N. 33) und mit ihm im Grundsatz die traditionelle europä­ ische Auffassung, siehe z. B. Neuhaus, Grundbegriffe 43ff; von Bar, IPR 434ff. 159 So Currie (Text vor N. 14). Die an den materiellen Inhalten und Ergebnissen ausgerichtete Betrachtungsweise ist neuerdings ausführlich begründet worden von Juenger, General Course 263-322 (unter der Bezeichnung »Teleology«: »a selection process based on the qualitative evaluation of conflicting rules of decision«; 321). 160 In kleineren Sachen und in Verfahren mit Amtsmaxime kann das Vertrauen auf Richter und anwendbares Recht auch das wirtschaftlichere Verhalten sein. 161 In den Beispielfällen, an denen Juenger seine teleologische Methode entwikkelt, war diese Situation gegeben; General Course 131 ff., 299ff.

Art ihrer Betroffenheit durch die in Frage kommenden Sachrechts­ sätze kann zwar noch nicht auf der abstrakten Ebene der kollisions­ rechtlichen Normbildung ausgegangen werden; wohl aber können diese Umstände im konkreten Einzelfall das Interesse an der Anwen­ dung des einen oder des anderen Rechts lenken. Als Beispiel mag der berühmte Spanier-Fall dienen162: Dort war allen Beteiligten klar, daß das materielle deutsche Eherecht die Ehe erlaubte, das spanische Eherecht sie dagegen verbot, und nur das war der Grund, warum die Sache zum Rechtsfall wurde und zwischen der Anwendung des einen und des anderen dieser Rechte gewählt werden mußte. Es wäre in einem solchen Fall eine künstliche Konstruktion, Interessen der Parteien an der Anwendung ihres jeweiligen Heimatrechts ohne Rücksicht auf dessen Inhalt (weiterhin) anzunehmen, und ebenso künstlich wäre es, die Anwendungsentscheidung ausschließlich auf eine Bewertung solcher, im konkreten Fall so gar nicht mehr vor­ handener Rechtsanwendungsinteressen stützen zu wollen. Das Wis­ sen, das die Beteiligten vom Inhalt der in Frage kommenden Rechts­ ordnung haben, und die daraus entspringenden Anwendungsinter­ essen kann das internationale Privatrecht nicht ohne Schaden für seine Glaubwürdigkeit ignorieren. Es muß vielmehr Maßstäbe da­ für entwickeln, wie mit solchen Interessen sachgerecht umzugehen ist. Dies erscheint für die Zukunft besonders wichtig, da die interna­ tionale Beweglichkeit auch der Juristen deutlich zunimmt und damit auch das praktisch und schnell einsetzbare Wissen über die Inhalte verschiedener Rechtsordnungen. Die Grundsatzfrage ist also für die Ebene der Feststellung der Interessen mit »sowohl als auch« zu beantworten. Das internationale Privatrecht, realistisch orientiert, muß mit rein kollisionsrechtlichen und mit sachrechtlich motivierten Anwendungsinteressen rechnen (und bereit sein, auch die letzteren in einen Abwägungsvorgang mit einzustellen), weil beide durch Internationalität erzeugt sein können. Die Konsequenzen, die hieraus für Technik und Gerechtigkeitsidee des internationalen Privatrechts zu ziehen sind, werden in jenem Zusammenhang noch zu erörtern sein163.

162 Siehe Text bei N. 71-75. 163 Siehe Text vor N. 202 und bei N. 241, 251-269.

3. Situationen

Wenn Interessenjurisprudenz alle, aber auch nur diejenigen Inter­ essen, die real gehegt werden, berücksichtigen soll, muß sie in der Lage sein zu einer Differenzierung der Situationen, für welche die Interessenanalyse verlangt wird, vor allem zu einer Differenzierung zwischen der Normbildung und der Normanwendung. Es ist offensichtlich, daß man es im Stadium der Bildung einer Kollisionsnorm, sei es durch den Gesetzgeber, sei es durch Doktrin oder Rechtsprechung, zu tun hat einerseits mit den gegenwärtigen realen Interessen, die bei der Normbildung angemeldet werden oder werden müßten164, andererseits mit bloß vermuteten zukünftigen Interessen derjenigen, die im Anwendungsfall von der Norm (oder der Entscheidung für Nichtnormierung) betroffen werden. Soll die Norm Allgemeincharakter haben, können die zukünftigen Interes­ sen der Betroffenen selbstverständlich nur als typische, generalisier­ te Interessen abstrakt bestimmter Betroffener gedacht werden. Für diese Situation ist deshalb Kegel und seiner Schule gewiß zuzustim­ men, wenn sie postulieren, daß nur typisierbare, »präsumtive« In­ teressen in das kollisionsrechtliche Kalkül Eingang finden dürften165. Anders ist die Interessensituation aber bei der Normaniuendung. Hier sind die bei der Normbildung angemeldeten (berücksichtigten oder abgewiesenen) Interessen realistischerweise als konkrete nur noch im Rückblick vorstellbar, wohingegen zu den damals vorge­ stellten und weiterhin vorstellbaren typischen Interessen der poten­ tiell Betroffenen nun real hinzutreten die Interessen der konkreten Beteiligten. Der prinzipielle Ausschluß dieser gegenwärtig konkur­ rierenden Interessen aus dem Entscheidungsprozeß 166 ist für das Privatrecht ungewöhnlich. Er ist auch nicht Interessenjurisprudenz, denn deren Anliegen ist es gerade, die konkret vorliegenden mit den vom Gesetzgeber vorgestellten und generalisierten Interessen mög­ licher Betroffener zu vergleichen und danach die Anwendung des Gesetzes einzurichten167. Für eine um Realismus bemühte Inter­ 164 Dazu näher Schurig 96£, 184ff.: »Vektoren der Rechtsbildung«. 165 Siehe dazu Kegel (im Text bei N. 134-137); Schurig 185; Lüderitz, Parteiin­ teresse 40. Ebenso Neuhaus, Grundbegriffe 108 ff, 167. 166 Siehe insbes. Kegel (Text bei N. 134-137). 167 Besonders klar in diesem Sinne Müller-Erzbach, Rechtsfindung auf realer Grundlage: DJZ 11 (1906) 1235-1238 (1235): »DieTätigkeit des Richters unterschei-

essenorientierung ist der Ausschluß dieser Interessen vollends eine inakzeptable Ausblendung eines Sektors der Interessenwirklichkeit. Es ist diese Stelle, an der sie über die bisher für das Kollisionsrecht gebotenen Interessenorientierungen am deutlichsten hinausgehen muß. Bei wirklichkeitsnaher Betrachtung kann sogar auf der Ebene der Normanwendung nach verschiedenen Situationen zu differenzieren sein. Beispiel: Das Interesse an der Anwendbarkeit des einen oder anderen Scheidungs- und Scheidungsfolgenrechts kann bei ein- und derselben Person unterschiedlich sein je nachdem, ob sie ohne kon­ kreten Scheidungsanlaß nach einer Orientierung über ihre eherecht­ liche Situation im allgemeinen sucht, ob dies bei Eingehung, zu Anfang oder im späteren Verlauf der Ehe geschieht, ob Entfrem­ dung oder ehelicher Streit den Gedanken an Scheidung aufkommen läßt oder ob sie zur Scheidung entschlossen oder mit einem Schei­ dungsverlangen des anderen Ehegatten konfrontiert ist. Unter­ schiedlich beeinflußt werden kann die Interessenrichtung dann auch davon, inwieweit und wie verläßlich die Ehegatten über den Inhalt der in Betracht kommenden Scheidungsrechte schon informiert sind168. Die unterschiedlichen konkreten Interessenrichtungen in den Blick zu nehmen, soll natürlich nicht bedeuten, sie am Ende auch alle für entscheidungsrelevant halten zu müssen. Realistische Interessenjurisprudenz muß aber danach streben, die je nach Situa­ tion unterschiedlichen tatsächlichen Rechtsbedürfnisse, die aus In­ ternationalität entstehen, aufzuspüren und jedenfalls als Ausgangs­ punkt für die dann folgende Bewertung und Abwägung anzuerken­ nen. Ein besonderes Stadium in diesem Kontinuum möglicher Interes­ sensituationen ist schließlich erreicht, wenn es um die Normanwen­ dung in einem anhängigen Verfahren geht. Dieses Stadium verdient unter Interessengesichtspunkten eine eigene Analyse, denn die Ver­ det sich von der des Gesetzgebers doch nur dadurch, daß der Gesetzgeber den typischen Fall entscheidet, während der Richter aufgrund dieser Entscheidung des Gesetzgebers den konkreten Fall beurteilt. Will der Richter nun wirklich den Inhalt und nicht nur die Form (Fassung und Begriffe) des Gesetzes seiner Entscheidung zugrunde legen, so muß er prüfen, ob die Interessenlage die gleiche ist wie die typische des Gesetzgebers«. (Der Aufsatz ist auch abgedruckt in: Interessenjurispru­ denz [1974] 36-40.) 168 Siehe Text zu N. 161, 162.

fahrensanhängigkeit hat Auswirkungen auf die Eigenschaften des anzu wendenden Rechts. Von diesem Zeitpunkt an bestimmen die Kenntnisse, das Verständnis und die Fähigkeiten des angerufenen Richters (oder der befaßten Behörde, z. B. des Standesamts) ent­ scheidend mit darüber, mit welchem Inhalt, welcher Vollständig­ keit und in welchem Geiste das Recht, dem er folgen will, angewen­ det wird. Im internationalen Rechtsverkehr ist es eine Lebenstatsa­ che, daß der Richter sich im eigenen Recht durch Studium und Berufspraxis auskennt und frei bewegt, in fremdem Recht sich dagegen nur schwer zurechtfindet. Die Kenntnis des fremden Rechts muß er sich in der Regel von Gutachtern oder aus punktuel­ lem Literaturstudium ad hoc beschaffen. Die weiteren Zusammen­ hänge und den Geist der fremden Rechtsordnung wird er sich für den anstehenden Fall nur selten so erschließen können, wie sie ihm für sein eigenes Recht von Anfang an und dauerhaft gegenwärtig sind. Anders herum gesehen: Recht ist von unterschiedlicher Quali­ tät, je nachdem, ob es in seinem Heimatland oder im Ausland angewendet wird, und auch die Anwendung im Ausland kann ihm noch unterschiedliche Qualität verleihende nachdem, ob der auslän­ dische Richter sich mit ihm verhältnismäßig leicht oder nur sehr schwer vertraut machen kann, durch eigene Recherche in reichlich vorhandenem Primärmaterial oder nur aus Sekundärquellen oder über Gutachter; so dürfte zum Beispiel die Anwendung schweizeri­ schen Rechts durch deutsche Gerichte und Behörden eine andere Qualität haben als etwa die des argentinischen oder indischen Rechts, die Anwendung australischen Rechts in England andere als in Frankreich. Aus diesen Grundgegebenheiten der Fremdrechtsanwendung ist der Vorschlag entwickelt worden, ausländisches Recht, auf welches die Kollisionsnormen verweisen, nur fakultativ, d. h. auf ausdrück­ lichen Antrag anzu wenden169. Der Vorschlag ist in der deutschen Literatur umstritten170. Man braucht aber kein Anhänger fakultati­ ven Kollisionsrechts zu sein, um doch anerkennen zu können, daß bei realistischer Betrachtungsweise das Interesse der Beteiligten an der Anwendung dieses oder jenes Rechts geprägt sein kann von dem 169 Flessner, Fakultatives Kollisionsrecht: RabelsZ 34 (1970) 547-584 (567ff.); Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht, in: FS Zweigert (1981) 329-351. 170 Nähere Angaben im Text bei N. 379-390.

Umstand, ob das ins Auge gefaßte Recht in seinem Land oder von einem ausländischen Gericht anzu wenden sein wird171. Im interna­ tionalen Vertragsrecht wird ein so geprägtes Interesse seit jeher in Rechnung gestellt, indem man vielfach aus Gerichtsstandsverein­ barungen, besonders solchen, die eine ausschließliche internationale Zuständigkeit begründen, auf eine stillschweigende Vereinbarung auch der materiellen lex fori schließt172. Für die Ebene der hier diskutierten möglichst realistischen Feststellung der Interessen ge­ nügt es, das Forum als einen Faktor hervorzuheben, der auch für das kollisionsrechtliche Interesse (Rechtsanwendungsinteresse) bestim­ mend sein kann. Wie er zu bewerten und abzuwägen ist gegen andere Faktoren, wird noch zu erörtern sein173. 4. Interessenten Wenn Interessenjurisprudenz realistisch sein soll, darf sie schließ­ lich nicht außer acht lassen, daß Interessen die (mindestens denkba­ re) Existenz von Interessenten voraussetzen. Auch das internationale Privatrecht muß Bedürfnisse von Menschen befriedigen - nicht »Interessen«, die ganz unabhängig von denjenigen, die sie »haben« können, gedacht und zu selbständigen Größen gemacht werden. »Interessen« ohne jemanden, der »etwas will« (oder gewollt hat), sind vielleicht gut als Argumente dieses (dann allerdings irreführen­ den) Namens bei der Bewertung und Abwägung, nicht aber wirk­ lich Interessen, die eine ernstgemeinte Interessenjurisprudenz fest­ stellen und dann zum Objekt einer Bewertung und Abwägung machen möchte174. Was hiermit gemeint ist, zeigt bereits die Analyse der Interessen­ lehre von Currie. Sie ist unrealistisch deshalb, weil sie im grenzüber­ schreitenden Fall Rechtsanwendungsinteressen des Gemeinwesens ohne Rücksicht darauf annehmen will, ob eine kompetente staatli­ 171 So z. B. Schurig 349 f., der fakultatives Kollisionsrecht ablehnt, aber doch das bezeichnete Interesse der Parteien als einen möglichen Abwägungsfaktor anerkennt. 172 Darüber z. B. Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht 4 (1988) Rnr. 47, 48. 173 Siehe Text bei N. 347-352, 353-415. 174 Für eine klare Unterscheidung von einerseits den Interessen im Sinne von Bedürfnissen und »Gewolltem« und andererseits ihrer Bewertung auch Schurig 96, 184 ff.; Lüderitz, IPR 46.

ehe Instanz solche Interessen je in authentischer Weise artikuliert hat. Ohne entsprechende Willensbildung und Willensäußerung kann das Gemeinwesen aber bei realistischer Betrachtung nicht als Interessent an der einen oder anderen Lösung des konkreten Rechtsanwen­ dungsproblems aufgerichtet werden. Ausweichen kann man diesem Dilemma nur, wenn man das Gericht selbst (und vielleicht auch die ihm zuarbeitende Wissenschaft) mindestens für den konkreten Fall zum kompetenten Formulierer des Gemeinschaftsinteresses erhebt aber das wäre theoretisch und methodisch unbefriedigend (wenn nicht gar unseriös), weil dann das Gericht gleichsam in eigener Sache das Interesse, das es beurteilen soll, zuvor selbst zu erschaffen hätte. Ähnliche Überlegungen werden herausgefordert von Grundsatz­ positionen, die in der deutschen IPR-Doktrin eine gewisse Bedeu­ tung erlangt haben. Hierzu gehört die mit den Namen Wiethölter undJoERGES verbundene Denkrichtung, welche man als »politische Schule des IPR« bezeichnet hat175. Sie sieht einen tiefgreifenden Funktionswandel des Privatrechts, seitdem die Trennung von Staat und Gesellschaft, die das liberal-bürgerliche 19. Jahrhundert prägte, überwunden ist. Das Privatrecht kann jetzt nicht mehr als Organisations- und Schutzrecht für den bürgerlichen Freiraum abseits vom Staat gedacht werden, sondern ist zu verstehen als Mittel der staatli­ chen Sozialgestaltung, als gesellschaftspolitisches Steuerungsinstru­ ment. Diesem Funktionswandel müsse sich auch das Kollisionsrecht stellen, indem es den Ansatz beim materiellen Privatrechtssatz selbst suche, seinen internationalen Anwendungsbereich aus seinen eige­ nen politischen, sozialen und ökonomischen Zwecken und Funktio­ nen bestimme176. Eine so tief angesetzte und weitreichende Theorie wie die von der »Durchstaatlichung« des Privatrechts177 ist erwartungsgemäß um­ 175 Wiethölter, Nachlaßverfahrensrecht; Joerges, Funktionswandel. Berichte und Würdigungen z. B. von Neuhaus, Neue Wege im europäischen IPR: RabelsZ 35 (1971) 401-428ff. (403ff.); E. Rehbinder 151 ff.; Goerke, Bemerkungen zum Methodenstreit im IPR: NJW 1975, 1587-1589; Münchener Komm. (-Sonnenber­ ger) Einleitung IPR Rnr. 9 ff. 176 Joerges, Funktionswandel 156ff; ders., Die klassische Konzeption des IPR und das Recht des unlauteren Wettbewerbs: RabelsZ 36 (1972) 421-491 (467 ff). 177 Joerges, Besprechung von E. Lorenz, Zur Struktur des IPR: AcP 178 (1978) 572-578 (577).

stritten geblieben178. Selbst wenn man sie akzeptiert, sind aber die aus ihr abgeleiteten Folgerungen und Forderungen für das internatio­ nale Privatrecht bei realistischer interess enjuristischer Betrachtung unbegründet. Eine authentische Willensäußerung, also die Konsti­ tuierung des Gemeinwesens (der Gesellschaft; des Staates) zum rea­ len Interessenten an Rechtsanwendungsentscheidungen mag zu fin­ den sein in sogenannten Eingriffsnormen, bei Rechtssätzen also, die um eines präzisen öffentlichen oder allgemeinen Interesses willen private Rechtsverhältnisse gestalten: Ein- und Ausfuhrverbote, De­ visengesetze, Kartellverbote, Sicherheitsvorschriften, AGB-Kon­ trolle etc., und sicher dann, wenn sie über ihren internationalen Anwendungsbereich eigene Bestimmungen enthalten, wiez. B. §98 II GWB und § 12 AGBG. Für den weitaus größeren Bereich des Zivilrechts, den man in BGB, HGB und deren »klassischen« Neben­ gesetzen findet, ist aber schlicht zu konstatieren, daß keine auch nur entfernt zuständige Instanz des westdeutschen Gemeinwesens »Bundesrepublik« (Parlament, Regierung, Bundesbehörden) sich die These von den sozialen Gestaltungszielen des Privatrechts und deren Implikationen für die internationale Durchsetzung deutschen Privatrechts zu eigen gemacht hat. Ein Gemeinwesen wird aber im realen Sinne noch nicht dadurch zum Rechtsanwendungsinteressen­ ten, daß seinen Gesetzen bei weitgehend gleichgebliebenem Wort­ laut eine wissenschaftliche Erkenntnis über ihre Funktion supponiert wird. Es ist wichtig, zu erkennen, daß diese interessenjuristische Ana­ lyse der politischen Schule im internationalen Privatrecht nicht de­ ren Wertvorstellungen kritisiert, sondern ihre Faktengrundlage, was die reale Interessensituation angeht, in Frage stellt. Daß es auch anders hätte sein können (Verfassungsrecht beiseite), hier aber nicht so war, zeigt das Gegenstück DDR. Dort war dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bevor es durch das neue Zivilgesetzbuch abgelöst wur­ de, durch Staatsdoktrin und authentische Partei- und Regierungser­ klärungen wie allem dortigen »Zivilrecht« die Funktion »zuge­ schrieben« worden, Instrument der Staatsmacht (der herrschenden 178 Die Gegenposition zur These vom Funktionswandel des Privatrechts begrün­ det neuestens z. B. Zöllner, Zivilrechtswissenschaft und Zivilrecht im ausgehen­ den 20. Jahrhundert: AcP 188 (1988) 85-100 mit Nachweisen über die Literatur; ders., Die politische Rolle des Privatrechts: JuS 1988, 329-336.

Klasse) beim Aufbau des Sozialismus zu sein179. Bei einem kommu­ nistisch regierten Staatswesen wie der DDR wäre es unrealistisch, ein reales eigenes Interesse des Staates an der territorialen Reichweite seines Zivilrechts zu leugnen und dieses, solange der internationale Anwendungswille nicht in einem eigenen IPR-Gesetz zum Aus­ druck gebracht ist180, nicht aus der ausdrücklich proklamierten Funktion dieses Zivilrechts selbst zu bestimmen. Ein vergleichbarer Vorgang offizieller Interessebekundung (der hier natürlich dem Zi­ vilrecht die einer westlichen Demokratie akzeptablen Ziele zuge­ schrieben hätte) hat in der Bundesrepublik nicht stattgefunden. Eine »Politisierung« des internationalen Privatrechts hat es mit rechtli­ cher Relevanz in Wahrheit nicht gegeben, weil der politische Wille dazu nirgends rechterheblich real gefaßt wurde181. Eine andere bei interessenjuristischer Betrachtung fragwürdige Position ist die von Wengler und Egon Lorenz entwickelte These, das internationale Privatrecht habe es im Kern mit einem Gleich­ heitsproblem zu tun. Nach diesen Autoren unterscheidet der inter­ nationale Sachverhalt sich durch die Auslandsberührung (Wengler: durch seine »heterogene Verknüpfung«) vom reinen Inlandsfall (Wengler: »homogene Verknüpfung«). Es kommt darauf an, ihn nach dem Recht desjenigen Staates zu beurteilen, dessen reinen Inlandsfällen er am meisten gleichkommt, und - umgekehrt - die Anwendung derjenigen Rechtsordnung zu vermeiden, deren reinen Inlandsfällen er nicht gleichkommt182. Essenz dieser Lehre: »Das Kollisionsrecht dient dazu, bei der Beurteilung von Fällen mit Aus­ landsberührung den Gleichheitssatz zu vollziehen«183. 179 So z. B. ausdrücklich das offizielle Lehrbuch des Zivilrechts aus den fünfziger Jahren: DORNBERGER/KLEINE/KLINGER/POSCH, Das Zivilrecht der Deutschen Demo­ kratischen Republik, Allgemeiner Teil (1954) 7 ff., zur Indienstnahme des alten BGB für die neue Ordnung bes. S. 101 ff. Allgemein zum Instrumentalcharakter des Rechts in der marxistisch-leninistischen Rechtsauffassung treffend Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung2 I (1984) 339: »Die politisch-gesellschaftliche Funktionalisierung des Rechts (ist) zum Prinzip erhoben«. 180 So die DDR inzwischen im Rechtsanwendungsgesetz vom 5. 12. 1975, GBl. I 748. 181 So auch, ein Aufgreifen der Politisierungsthese für praktische Gesetzgebungs­ zwecke ausdrücklich ablehnend, die Begründung zum Regierungsentwurf des IPRNeuregelungsgesetzes, BT-Drucks. 10/504 S. 25 f. 182 Wengler, IPR 61-70; E. Lorenz, Zur Struktur des IPR (1977) 60-93. 183 E. Lorenz, Die Reform des deutschen IPR: ZRP 1982, 148-156 (149).

Realistische Betrachtung ergibt zwei Einwände: Zum einen ist Internationalität genau gesehen nicht Eigenschaft des Sachverhalts, sondern der ihn umgebenden Rechtslage. Beispiel: Abschluß, Erfül­ lung und Nichterfüllung eines Vertrages sind tatbestandlich ganz gleich, ob sie als reiner Inlandsfall ausschließlich innerhalb des Lan­ des A oder des Landes B stattfinden. Was die Fälle unterscheidet, ist ihre unmittelbare Rechts Wirkung: daß im einen Fall das Recht des Landes A, im anderen das Recht des Landes B selbstverständlich anwendbar ist. Internationale Fälle unterscheiden sich von den reinen Inlandsfäl­ len (abgesehen vielleicht von Verständigungs-, Transport- und Zollproblemen - die aber nicht das IPR in Bewegung setzen) nur dadurch, daß diese Rechtswirkung, die Anwendbarkeit eines natio­ nalen Rechts, nicht mehr selbstverständlich ist. Für die dadurch gesteigerte rechtliche Ungewißheit muß das internationale Privat­ recht eine Lösung geben. Es erscheint vergeblich, dem Problem so beikommen zu wollen, daß man es als eines der Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte selbst definiert, mit anderen Worten: daß man, um auch die grenzüberschreitenden Fälle nach einem der in Frage kommenden materiellen Rechte beurteilen zu können, die gesteigerte rechtliche Schwierigkeit, die sie hervorrufen, zu einem unterscheidungskräftigen Element der Sachverhalte selbst erklärt. Noch fragwürdiger erscheint die Gleichheitsthese aber unter dem Gesichtspunkt der beteiligten Interessen; denn sie operiert mit dem Gleichheitssatz unabhängig davon, ob und in welcher Richtung im konkreten oder typischen Fall Gleichheit von einem Beteiligten verlangt wird, setzt also kein Gleichheitsinteresse und keinen denkba­ ren Gleichheitsinteressenten voraus. Der Gleichheitsgedanke wird vielmehr als objektives Gerechtigkeitsprinzip, hier: für die Zutei­ lung (»Zuweisung«) von Sach verhalten an Rechtsordnungen, nicht als Begründer subjektiver Berechtigung verstanden184. Das zeigt sich am klarsten bei der Behandlung der Parteiautonomie. Bei inter­ essenjuristischer Betrachtung müßte sie das Gleichheitsproblem erledigen. Durch eine Rechtswahl (wenn sie nicht gegen Gemein­ 184 So durchgehend Wengler, IPR bes. 63-70, 193ff., z. B. 73: »Konzeption einer paritätischen Zuweisung der heterogen verknüpften Situationen zur Regelung an die Inlandsrechte der beteiligten Staaten«. Offenbar auch E. Lorenz, Struktur 63 mit Hinweis auf Platon und Aristoteles.

schaftswerte oder Gerechtigkeit verstößt) haben die Beteiligten ge­ zeigt, daß die objektiv auszumachende »Gleichheitswidrigkeit«, die durch die Anwendung des gewählten Rechts vielleicht geschaffen würde, sie nicht stört oder daß für sie eben das gewählte Recht dasjenige ist, dessen reinen Inlandsfällen ihr Fall am ehesten gleich­ kommt. Zu einer Mißbilligung einer solchen Willensbekundung besteht jedenfalls aus den genannten Gleichheitsgründen kein An­ laß. Anders aber tendenziell Wengler und Lorenz. Für Wengler er­ scheint in internationalen Situationen eher eine Einschränkung als eine Erweiterung menschlicher Freiheit »unvermeidlich« und inso­ fern durch die »Natur der Sache« gerechtfertigt185. Für Lorenz stellt Parteiautonomie die Frage, »inwieweit dem bei objektiver Anknüp­ fung anzuwendenden Recht eine Maßstabsfunktion zukommt«, nämlich konkreter: »ob den Parteien eines Rechtsverhältnisses, das aufgrund seiner Auslandsberührung objektiv dem Recht eines be­ stimmten Staates zu unterwerfen ist und damit dessen Inlandsfällen gleichzustellen ist, mehr Parteiautonomie zugestanden werden kann als den Parteien eines solchen Inlandsfalles«186. Ob Beteiligte eines reinen Inlandsfalles sich überhaupt jemals beeinträchtigt fühlen da­ durch, daß andere Menschen - Beteiligte eines Auslandsfalles - mehr dürfen als sie selbst, spielt offenbar keine Rolle. Dies und die Tatsa­ che, daß Lorenz überhaupt (und hier nur) auf die Interessen derjeni­ gen abstellt, die mit dem zu beurteilenden internationalen Fall gar nichts zu tun haben, daß er den Gleichheitssatz also auch zu Lasten der von der Internationalität eigentlich Betroffenen einsetzen will, macht deutlich, daß diese Gleichheitstheorie ein klares »aliud« zur Interessenjurisprudenz ist. Die Selbstdefinition von (Gleichheits-) Interessen durch die Interessenten führt in diesem vorgestellten ob­ jektiven Zuteilungsspiel des Gleichheitssatzes nur zu Irritation, nicht Erleichterung.

185 Wengler, IPR 67 f. 186 E. Lorenz, Reform 155.

5. Fiktionen

Das Postulat einer realistischen Interessenjurisprudenz ist nach allem, daß für jedes Interesse, das Bewertung und Abwägung ver­ dienen soll, Interessenten (jedenfalls als mögliche) benennbar sein müssen. In diesem Lichte sind schließlich auch die von Kegel katalo­ gisierten Interessen187 nicht davor gefeit, sich ins Fiktive hinein selbständig zu machen. Für die Parteiinteressen wurde dies bereits beschrieben188. Besonders anfällig sind aber die von ihm so genann­ ten Ordnungsinteressen189, z. B. an innerem und äußerem Entschei­ dungseinklang oder an klaren, leicht feststellbaren Anknüpfun­ gen190. Das zeigt sich, wenn im konkreten Fall die Beteiligten selbst oder - abstrakt betrachtet - mögliche Beteiligte die Ordnungsinter­ essen um anderer legitimer Interessen (z. B. »ihrer« Parteiinteressen) willen gering achten oder gar durch parteiautonome eigene Rege­ lung befriedigen. Wer hat dann wirklich noch solche Ordnungsin­ teressen, welche die konkrete Interessenrichtung der Parteien oder andere als Ordnungsinteressen ernsthaft durchkreuzen können? Zum Beispiel konnten die Spanier-Heiraten nur deshalb zu einem verfassungsrechtlichen Problem werden, weil auf kollisionsrechtli­ cher Ebene versäumt worden war, den Träger des Ordnungsinteres ­ ses an der Anwendung spanischen Rechts und damit an der Verhin­ derung solcher Ehen zu identifizieren und seine Interessenposition mit derjenigen der Heiratswilligen, die eindeutig (und an sich legi­ tim) anderes wollten, zu vergleichen; das hätte die relativen Gewich­ te dieser entgegenstehenden Interessen sehr viel früher deutlich wer­ den lassen und hätte verhindert, daß das Eheverhinderungsinteresse sich für lange Jahre zu einer alles beherrschenden Größe selbständig machte.

187 Kegel, IPR 82 ff. 188 Siehe Text bei N. 132-136. 189 Kegel, IPR 86 ff. 190 Siehe z. B. Kegel, IPR 279 ff.

§4 Auswirkungen Interessenjurisprudenz, wie sie zu einer realistischen Theorie und Methode weiterentwickelt werden muß, ist im Vorangehenden für das Stadium der Feststellung der Interessen gekennzeichnet worden. Dasselbe wäre nunmehr für ihre zwei folgenden Schritte erforder­ lich: (1) Bewertung der Interessen und damit Ausscheidung derjeni­ gen, die schon als solche keine Beachtung verdienen; (2) Abwägung der verbleibenden, an sich berechtigten Interessen, wenn sie sich im Widerstreit befinden. Erfahrungsgemäß bleibt eine abstrakte Be­ schreibung von Wertmaß Stäben und Abwägungskriterien in Kata­ logform für ein ganzes Rechtsgebiet aber zu offen und damit doch wirkungslos, weil mit Allgemeingültigkeit keine Rangfolge festge­ legt werden kann. Deshalb soll im folgenden an einigen zentralen Themen des internationalen Privatrechts konkret dargestellt wer­ den, wie eine wertende und wägende Interessenjurisprudenz, wenn bewußt an der Realität orientiert, sich im einzelnen auswirken wür­ de.

I. Allseitigkeit und Einseitigkeit

1. Einführung

Nach der in Kontinentaleuropa herrschenden Betrachtungsweise ist alles Kollisionsrecht einzuteilen (und zu beurteilen) danach, ob seine Regeln einseitig oder allseitig gefaßt sind. Einseitige Kolli­ sionsregeln bestimmen nur über den Anwendungsbereich einer, meistens der eigenen Rechtsordnung, sagen also nichts darüber, welches andere Recht gelten soll, wenn nach ihnen das inländische nicht anwendbar ist. So z. B. Art. 14 EGBGB in der alten Fassung: Über die persönlichen Wirkungen der Ehe bestimmen die deutschen Gesetze, wenn die Eheleute Deutsche sind. Allseitige Kollisionsnor­

men dagegen berufen potentiell jegliche Rechtsordnung, und zwar nach Voraussetzungen, die für inländisches wie ausländisches Recht gleich sind. So Art. 14 EGBGB in der heute geltenden Fassung: Über die persönlichen Wirkungen der Ehe bestimmt das Recht des Staates, dem die Ehegatten angehören191. Nach herrschender europäischer Auffassung sind allseitige Kolli­ sionsnormen der vollkommenere Zustand des internationalen Pri­ vatrechts. Sie repräsentieren den Fortschritt, den die Lehre von Savigny nach dem Untergang der Statutenlehre bedeutete: Frage­ stellung vom »Rechtsverhältnis« (LebensVerhältnis, Sachverhalt) her, Respektierung aller Zivilrechtsordnungen als ebenbürtig und gleichwertig, Ermöglichung von Entscheidungseinklang192. Gegen diese Konzeption sind in Europa wieder und wieder unilateralistische »Systeme« gestellt worden (Pilenko, Quadri, Niboyet), haben sich aber nicht durchgesetzt193. Die herrschende Auffassung in Deutschland betrachtet sie als Träumerei, als Rückfall in die Zeit der Statutenlehre, als Widerspruch zu Geist und Funktion eines weltof­ fenen internationalen Privatrechts194 oder schlicht auch als unprak­ tisch195. Das alte EGBGB erschien in diesem Lichte als unvollkom­ 191 Zu Struktur und Gehalt allseitiger Kollisionsnormen generell z. B. Kegel, IPR 186 f., 193 f.; von Bar, IPR 13; Keller/Siehr 141 f., 293 f.; Lüderitz, IPR 33 f.; Neuhaus, Grundbegriffe 101; Raape/Sturm, IPR 61 (1977) 94 f. 192 Im einzelnen siehe z. B. Kegel, IPR 193 f.; von Bar 199 f.; Neuhaus, Grund­ begriffe 101 ff.; M. Wolff, Das IPR Deutschlands3 (1954) 34f.; Raape/Sturm 95; Lalive, Tendances et methodes en d. i. p.: Rec. des Cours 155 (1977-11) 1-424 (101 ff., 326ff.). Der vielzitierte Aufsatz von Gothot, Le renouveau de la tendance unilateraliste en d. i. p.: Rev. crit. d. i. p. 1971, 1-61, nimmt die Allseitigkeitslehre als »actuellement ä peu pres universellement reu« (6). 193 Ausführlich darüber Wiethölter, Einseitige Kollisionsnormen als Grundlage des IPR (1956). Neuere Nachweise bei Schurig 29 ff.; Keller/Siehr 110-112. 194 So die vorherrschende Einschätzung, siehe die Nachweise in N. 191, 192. Zurückhaltender Keller/Siehr 294. Mit Schurig 89-94, 109-115, wird man bei sehr genauem Hinsehen allerdings erkennen, daß Allseitigkeit und das Denken vom Sachverhalt her sowie Einseitigkeit und das statutistische Denken vom Gesetz her nicht notwendig jeweils Zusammenhängen. Das Denken in diesen Gegensatzpaaren und die Identifizierung der Allseitigkeit mit den Zielen des »klassischen« SavignyIPR entspricht aber der Tradition, und auch Schurig sieht zwischen »allseitigen« und »einseitigen« Theorien den »wichtigsten Systemgegensatz«, der die heutige Theorie des internationalen Privatrechts durchzieht (75), den »Hauptgegensatz im IPR« (192). 195 So z. B. Schurig 78, 291, 295; von Bar, IPR 434 f.

menes Machwerk nicht nur, weil es wichtige Materien ungeregelt ließ (vor allem internationales Schuld- und Sachenrecht), sondern auch deshalb, weil es für die geregelten Materien (Familien- und Erbrecht) überwiegend nur einseitige Kollisionsregeln enthielt. Fortschritt bestand nunmehr im alsbald geschehenen »Ausbau« der Gesetzesregeln zu allseitigen Normen durch die Rechtsprechung196 und in der endlichen Sicherung und Komplettierung der allseitigen Ausrichtung durch das Neuregelungsgesetz von 1986197. Einseitigkeit im kollisionsrechtlichen Sinne entsteht auch, wenn versucht wird, für bestimmte Normen des heimischen Sachrechts den internationalen Anwendungsbereich durch eine Sondernorm oder durch Auslegung der Sachnorm selbst zu bestimmen. Man hat dann eine Sachnorm mit selbstbestimmtem Anwendungsbereich nach Kegel eine »selbstgerechte Sachnorm«198. Solche Normen kommen vor bei zwingendem Recht, das Allgemeininteressen schützt (rein öffentliches Recht, aber z. B. auch §98 II GWB, §12 AGBG), denkbar sind sie auch bei nachgiebigem Recht199. Auf Einseitigkeit in diesem Sinne müßte auch die Interessentheorie von Currie hinauslaufen200 (wenn es ihr überhaupt um Normbildung, nicht nur um den »approach« für die Entscheidung von Fall zu Fall zu tun gewesen wäre). Vor dem Ideal der Allseitigkeit war dies für die Abwehr dieser Lehre ein eigenständiges gewichtiges Argument; man bezeichnete sie als »neostatutistisch« und stellte sie damit unter denVerdacht der Rückschrittlichkeit201.

196 Leitentscheidung: RG 15. 2. 1906, RGZ 62, 400. Die weitere Entwicklung ist besonders ausführlich nachgezeichnet bei Behn 195-293. 197 Die nunmehr gewonnene Allseitigkeit betont ausdrücklich die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/504 S. 29 f. (= Pirrung 104 f). 198 Kegel, IPR 192 f.; siehe auch von Bar, IPR 195 ff; Keller/Siehr 242 ff; alle mit weiteren Angaben über die Literatur. 199 Z. B. wird § 244 BGB so verstanden, siehe Kegel, IPR 741. 200 Ausführlich zu diesem Aspekt Schurig 301 ff. mit weiteren Nachweisen. 201 Siehe z. B. Lipstein, Principles of the Conflict of Laws (1981) 36 ff. = Rec. des Cours 135 (1972-1) 97-230 (154ff.).

2. Kritik Bei interessenjuristischer Betrachtung kann Allseitigkeit oder Einseitigkeit für das Kollisionsrecht keine Grundsatzfrage und schon gar nicht ein Qualitätskriterium sein. Ihr geht es darum, daß die Kollisionsnorm reale Interessen befriedigt (oder befriedigend zurückweist). Ob dies besser durch einseitige oder allseitige Verwei­ sung geschieht, hängt von den Interessen ab, von ihrer Richtung, Stärke und ihrer Bewertung, nicht von einer abstrakt entwickelten Wertschätzung des einen oder anderen Rechtsnormtyps. So ist nach der überwiegend nationalstaatlichen Organisation der Welt die ein­ seitige Kollisionsnorm (die ausdrückliche wie auch die durch Ausle­ gung der Sachnorm gewonnene) in den allermeisten Fällen der einzig realistische Weg, den internationalen Wirkungsbereich zu bestimmen für das Allgemeininteresse, welches mit Lenkungs- und Eingriffsgesetzen verfolgt wird. Allseitige Kollisionsnormen für diese Interessen würden zwischenstaatliche Bereichsabsprachen voraussetzen (die es im Eingriffs- und Lenkungsrecht meistens nicht gibt) oder auf einzelnen Eingriffs gebieten eine stabile Interessen­ gleichheit zwischen den Staaten, wodurch deren jeweilige Eingriffs­ normen international akzeptabel und fungibel würden202. Abgese­ hen von Absprache und Interessengleichheit wird also im Bereich der staatlichen Sozialgestaltung mit der einseitigen Kollisionsnorm dauerhaft zu rechnen sein, und das wird inzwischen auch vom Standpunkt des »klassischen« internationalen Privatrechts her aner­ kannt203. Die Anerkennung des prinzipiellen Lebensrechts der einseitigen Kollisionsnorm bedeutet aber nicht, daß außerhalb des Bereichs, der 202 So wohl die Vision von Zweigert, IPR und öffentliches Recht, in: Fünfzig Jahre Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel (1965) 124-141, resümiert in RabelsZ 31 (1967) 368. Dazu auch Neuhaus, Grundbegriffe 40 f. Schon konkreter jetzt Kegel, IPR 717-719, 722, 744, 764-766, der bei Interessengleichheit eine direkte Anwendung ausländischer Eingriffs- und Verbotsgesetze im Inland befürwortet, was seinen »Grundsatz der Interessengleichheit« der Sache nach einer allseitigen Kollisionsnorm annähert. Zu dem Thema neuestens das Symposium »Extraterritoriale Anwendung von Wirtschaftsrecht« (1986) mit Beiträgen von Drobnig, Basedow, Siehr, Rigaux, Lowe, Mestmäcker: RabelsZ 52 (1988) 1-255. 203 Siehe z. B. Neuhaus, Grundbegriffe 40: »(wir) werden uns mit der Zweipoligkeit des IPR abfinden müssen«.

ihr bei wirtschafts- und sozialpolitischen Gesetzen zugestanden wird, kollisionsrechtliche Allseitigkeit herrschen müßte204, jeden­ falls nicht in dem üblichen Sinne, daß auf heimisches und fremdes Recht über denselben Anknüpfungspunkt verwiesen wird. Zwar wird es im Privatrecht außerhalb des Zielgebietes wirtschafts- und sozialpolitischer Normen kaum jemals rechtlich definierte staatliche Anwendungsinteressen geben, die mit einseitigen Kollisionsnor­ men befriedigt werden müßten205. Aber deswegen kann für diesen Bereich noch nicht von einem immer und gleichmäßig stark vorhan­ denen Interesse an allseitiger Kollisionsregelung ausgegangen wer­ den. Dies soll im folgenden gezeigt werden am Beispiel der unter­ schiedlichen Interessenlagen von Inländern und Ausländern in An­ gelegenheiten des Personalstatuts, mit denen inländische Gerichte befaßt sind. Für Deutsche, die im Inland leben, ist ein legitimes Interesse nur an der Anwendung deutschen Rechts denkbar; dieses Interesse kann durch eine einseitige Kollisionsnorm befriedigt werden (sofern man nicht, bei einem reinen Inlandsfall, Kollisionsnormen hier für über­ flüssig hält206). Deutsche mit Wohnsitz im Ausland, die eine im Inland gebotene Heimatzuständigkeit in Anspruch nehmen207, wer­ den in der Regel ebenfalls an der Anwendung deutschen Rechts interessiert, also mit einer einseitigen Kollisionsnorm ausreichend bedient sein. Denn der Heimatgerichtsstand bietet den im Ausland lebenden Bürgern gerichtliche Zuflucht, ihrem Vertrauen in die Rechtspflege des eigenen Landes soll Rechnung getragen werden208. Zu diesem Vertrauen gehört aber in der Regel auch die Erwartung, daß das Heimatgericht nach dem vertrauten heimatlichen Recht entscheidet. Anders mag es liegen, wenn Ausländsdeutsche die Hei­ matzuständigkeit nicht selbst in Anspruch nehmen, sondern vom anderen Teil (z. B. in Ehe-, Kindschafts- oder Unterhaltssachen) hineingezogen werden. In diesen Fällen ist (für Deutsche) ein Inter­ 204 So aber von seinem Standpunkt aus konsequent Neuhaus, Grundbegriffe 41. 205 Siehe Text bei N. 178-181 und grundsätzlich dazu Schurig 289 ff. 206 So E. Lorenz, Zum neuen internationalen Vertragsrecht aus versicherungs­ vertraglicher Sicht, in: FS Kegel (1987) 310 f., Lüderitz, IPR im Übergang: ebd. 345 ff., und ders. , IPR 4 f. (beide gegen Kegel, IPR 5). 207 Z. B. für Ehescheidung (§606a Nr. 1 ZPO), Kindschaft (§640a II ZPO), Vormundschaft (§ 35a FGG), Adoption (§ 43b FGG). 208 Kegel, IPR 685.

esse an der Anwendung des (ausländischen) Wohnsitzrechts denkbar und damit an einer allseitigen Kollisionsnorm, welche dieses Interes­ se durch Anknüpfung an den Wohnsitz (oder Aufenthalt) honoriert (so z. B. heute unter gewissen Voraussetzungen Art. 14 I Nr. 2 und Art. 18III EGBGB). Ausländer mit Wohnsitz im Ausland, deren Rechtsverhältnisse keine Verbindung zum Inland haben, kommen als »Klienten« der deutschen Kollisionsnormen nicht in Betracht. Die kollisionsrecht­ lichen Interessen der Ausländer im Inland (und der im Ausland ansässigen Ausländer mit Rechtsbeziehungen zum Inland) können unterschiedlich sein: zum einen gerichtet auf das Heimatrecht; die­ sem Interesse kann Rechnung getragen werden nur mit einer allseiti­ gen Kollisionsnorm, die an die Staatsangehörigkeit anknüpft. Zum anderen kann das Interesse gerichtet sein auf die Anwendung deut­ schen Rechts, weil dieses das Recht des tatsächlichen sozialen Um­ feldes oder (und) weil es lex fori ist. Für die Berücksichtigung dieses Interesses genügt eine einseitige Kollisionsnorm, die an den Wohn­ sitz oder Aufenthalt oder schlicht an das Tätigwerden deutscher Gerichte und Behörden anknüpft. Aus diesen Variationen über das Thema »Interessen« ergibt sich, daß allseitige Kollisionsnormen nur in bestimmten Interessenkon­ stellationen gefragt sind, die sich aber voneinander nach Vorausset­ zung, Richtung und Stärke des kollisionsrechtlichen Interesses un­ terscheiden. Deutsche sind typischerweise nur als Ausländsdeutsche an allseitigen deutschen Kollisionsnormen interessiert, aber auch nur dann, wenn sie in die Heimatgerichtsbarkeit hineingezogen werden und wenn die Kollisionsnorm an Wohnsitz oder Aufenthalt anknüpft. Ausländer im Inland (und Ausländer im Ausland mit Rechtsbeziehungen zum Inland), umgekehrt, brauchen in Deutsch­ land allseitige Kollisionsnormen, aber nur dann, wenn sie an der Anwendung ihres Heimatrechts interessiert sind. Daß die denkba­ ren Interessen an Allseitigkeit der Kollisionsnorm (bei den Aus­ ländsdeutschen an der Anwendung des Wohnsitzrechts, bei den Inlandsausländern an der Anwendung ihres Heimatrechts) gleiche Intensität haben müßten, ist wegen der Unvergleichbarkeit der Si­ tuationen und Interessenrichtungen ebenfalls nicht anzunehmen. Zusammengefaßt: Ob allseitige oder einseitige Kollisionsnormen gebildet werden und welchen Inhalt sie haben, hängt davon ab,

welche Anknüpfungsinteressen der Gesetzgeber für bestimmte Sachgebiete und Faktenkonstellationen als typischerweise gegeben annimmt und wie er sie bewertet. Ein reales generelles Interesse an Allseitigkeit (oder Einseitigkeit) des Kollisionsrechts als solcher gibt es nicht. Dieses kann auch nicht herbeigezaubert werden mit dem Postulat, jedenfalls im reinen Privatrecht müsse das Kollisionsrecht im inländischen Forum für Gleichberechtigung der Rechtsord­ nungen sorgen. Dieselbe traditionelle Auffassung, die dieses Postu­ lat seit Savigny wieder und wieder beruft209, geht ja für das Privat­ recht (und gerade zur Stützung des Allseitigkeitsideals) mit Recht davon aus, daß ein Interesse der Rechtsordnung, in einem ausländi­ schen Forum angewendet zu werden, und damit ein Interesse an dortiger Gleichberechtigung realiter nicht zu finden ist210, vielmehr (vom Forum aus gesehen) die in Frage kommenden Rechtsord­ nungen »als bloße Regelungsvorschläge . . . oder geistiges Sein«211 zur sachgemäßen Auswahl zur Verfügung stehen212. Bei interessen­ juristischer Betrachtung ist Allseitigkeit oder Einseitigkeit der Kolli­ sionsnormen nach allem nicht Ziel und Vollendung des entwickel­ ten internationalen Privatrechts, sondern technisches Mittel der Normbildung, die im Einsatz dieser Technik je nach Lage und Bewertung der Interessen Unterschiede machen kann.

3. Rückblick und Differenzierung

Wenn Allseitigkeit nicht mehr das Ideal des Kollisionsrechts, ja nicht einmal präsumtiv vorzugswürdig ist, sondern ganz nach Sach­ gebiet und Interessenlage mehr oder weniger geeignet sein kann, erscheint die deutsche IPR-Geschichte der letzten 100 Jahre in einem neuen Licht. Die Kollisionsnormen des 1896 beschlossenen EGBGB 209 Aus der neueren Lehrbuchliteratur z. B. Kegel, IPR 194; von Bar, IPR 199, 411; Keller/Siehr 116; Firsching, IPR 4. 210 Siehe Text bei N. 178-186 und ausführlich auch Schurig 289 ff. in Auseinan­ dersetzung mit den Einseitigkeitstheorien. 211 Lüderitz, IPR 34. 212 So sehr deutlich auch die französische Literatur, z. B. Batiffol, Aspects philosophiques 19 ff., 136: das IPR ermöglicht eine begründete Wahl zwischen den »Solutions qui s’offrent ä l’esprit«; Mayer, 65ff: das IPR regelt die Auswahl zwischen mehreren Rechtssätzen, die durch die Internationalität der Situation »sont enpresence« (siehe bes. 65, 69, 72, 91, 92).

galten der deutschen Doktrin stets als dürftig und anstößig213 auch deshalb, weil sie um vermeintlicher außenpolitischer Vorteile wil­ len, und um dem deutschen Recht einen größeren Anwendungsbe­ reich zu sichern, die Anwendung nur des deutschen Rechts regelten, das deutsche IPR also das ausländische Sachrecht nicht »gleicherma­ ßen in den Kreis seiner Fürsorge« einbezog214. In Wirklichkeit waren es aber nicht nur politische und nationalistische, sondern auch prak­ tische Bedenken, die zur überwiegenden Einseitigkeit des EGBGBIPR führten215. Dies ergibt sich heute mit aller Klarheit aus der Begründung des Entwurfs der Hansestädte, der anscheinend den entscheidenden Anstoß dafür gab, daß es überhaupt noch zu einer gesetzlichen Regelung des IPR gekommen war216; sein eigentlicher Verfasser war der langjährige Präsident des Hanseatischen Oberlan­ desgerichts in Hamburg (seit 1879), Ernst Friedrich Sieveking217. In der Begründung des Entwurfs wird, gut praktisch-richterlich, her­ vorgehoben, daß die Konsequenzen allseitiger Kollisionsnormen angesichts der Vielfalt der Interessen und Rechtsordnungen nicht überschaubar seien und sich deshalb die Eingrenzung der Verwei­ sungen empfehle218. Die praktische Vernunft, die so in die Gesetzesvorbereitung ein­ floß, ist in der Folgezeit nicht gewürdigt worden - die vollständigen Materialien des EGBGB wurden ja erst 80 Jahre nach der Entstehung des Gesetzes bekannt219. Aber auch ohne die Kenntnis der hansestäd­ tischen Bedenken hätte man zu einer anderen Einschätzung des 213 Ausdrücke in der Literatur: »Verstümmelung«, »Denkmal gesetzgeberischer Unkunst«, »deplazierter Torso«, »Machwerk«; nachgewiesen bei Behn 11. Zur Kritik siehe auch Raape/Sturm 95; Korkisch in: Die geheimen Materialien zur Kodifikation des deutschen IPR (1973) 1. 214 So die Formulierung bei von Bar, IPR 199, bei dessen Auseinandersetzung mit der Lehre von den in den Sachnormen »versteckten« einseitigen Kollisionsnor­ men. 215 Das betonen auch Korkisch (vorvorige Note) 19 ff. und Lüderitz, IPR 20. 216 Darüber Hartwieg in: Die geheimen Materialien 46ff.; Abdruck des Ent­ wurfs mit Begründung ebd. 297 ff. und allein des Entwurfs bei Behn Anhang S. 80 ff. 217 Über Sieveking und seine Rolle ausführlich Behn 86 ff. 218 Wortlaut in: Die geheimen Materialien 297 f., und bei von Bar, IPR 419. 219 Durch die Veröffentlichung von: Die geheimen Materialien . . . durch HARTwieg/Korkisch. Gute Kurzfassungen der Entstehungsgeschichte auf dieser Grund­ lage auch bei Kegel, IPR 134 f, und von Bar, IPR 416-421.

Gesetzes kommen können, wenn man den Blick statt auf die Rechts­ folgenseite (Verweisung nur auf deutsches Recht) mehr auf den Tatbestand dieser Normen gerichtet hätte. Dann wäre nämlich zu konstatieren und zu erklären gewesen, daß und warum das Gesetz die Rechtsanwendungsfrage nur für deutsche Staatsangehörige re­ gelte220. War der Gesetzgeber dafür zu tadeln, daß er die Rechtsan­ wendung nur für Deutsche regelte, für Ausländer aber der Recht­ sprechung überließ? Wäre die Frage so gestellt und aus den Interessen der Beteiligten beantwortet worden, hätte die Bewertung des Gesetzes nicht so kraß negativ ausfallen dürfen. Für Deutsche, die im Inland leben, hat das Recht des eigenen Landes zusätzlich die Vorzüge, Wohnsitzrecht und lex fori zu sein; Deutsche im Ausland, die an einem Inlands ver­ fahren beteiligt sind, haben mit dem Heimatrecht jedenfalls diejeni­ gen Vorteile zusätzlich, welche die Anwendung der lex fori bietet. Keine dieser zusätzlichen Abstützungen im Parteiinteresse ist gege­ ben, wenn die Kollisionsnorm im Inland das Heimatrecht eines Ausländers zur Anwendung beruft, und die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ist hier auch als solche schwächer begründet, weil sie sich, besonders bei im Inland ansässigen Ausländern, gegen das Wohnsitzprinzip rechtspolitisch ohnehin nur knapp behaupten kann221. Die gesetzliche Verweisung auf deutsches Recht (als Heimatrecht) hat bei Deutschen also eine größere Wahrscheinlichkeit für sich, im konkreten Fall dem tatsächlichen Parteiinteresse zu entsprechen als die (ebenfalls auf Staatsangehörigkeit gestützte) Verweisung auf ausländisches Recht; diese verfehlt ihr Ziel, wenn die Personen, um die es hier geht, im konkreten Fall die Anwendung von Wohnsitz­ recht oder lex fori vorziehen würden. Mit anderen Worten: Die Sicherheit des Gesetzgebers, eine interessengerechte Regelung zu treffen, nimmt ab, soweit die Verweisung auf das Heimatrecht auch 220 Nach Basedow/Diehl-Leistner gibt es Hinweise dafür, daß der Gesetzgeber sogar in erster Linie nur die Belange der Ausländsdeutschen im Auge hatte. 221 So ausdrücklich die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/ 504 S. 30 f. (= Pirrung 106); ebenso Kühne, IPR-Gesetzentwurf64-66; Kegel, IPR 277-283; Lüderitz, IPR 49-51. Treffend dazu auch Schurig 204: »Gewöhnlich erfordert es am Schluß einen gewissen rechtspolitischen Kraftakt, sich zu der einen und keiner anderen Anknüpfung durchzuringen«.

für Ausländer gelten soll, und sie ist für Ausländer, die im Inland ansässig sind, vergleichsweise am geringsten (mit stets weiter fallen­ der Tendenz bei zunehmender Dauer der Ansässigkeit). Aus dieser Interessenanalyse muß nicht der Schluß gezogen wer­ den, daß allseitige Kollisionsnormen, die auf das Heimatrecht ver­ weisen, rechtspolitisch niemals zu rechtfertigen sind. Sie läßt die Entscheidung des Gesetzgebers von 1896 aber im Rückblick ver­ ständlicher erscheinen als sie es nach dem Allseitigkeitsideal je sein konnte. Sicheres zu regeln, Unsicheres dagegen noch der Rechtspre­ chung und der Wissenschaft zu überlassen, ist kein unvernünftiges oder gar anstößiges Gesetzgeberverhalten222. Vielmehr erscheint, umgekehrt, in diesem Lichte die Rechtsprechung, welche alsbald nach dem Inkrafttreten des EGBGB dessen einseitige Kollisionsnor­ men zu allseitigen »ausbaute«223, nicht so uneingeschränkt rühmens­ wert, wie sie in der Doktrin immer dargestellt wurde224. Schon gar nicht »mußte« sie (abgesehen von dem scheinbaren Zwang, den das Allseitigkeitsideal ausübte) »sich die allseitigen Kollisionsnormen selbst (schaffen), die ihr der Gesetzgeber vorenthalten wollte«225. Statt dem Gesetz ein allgemeines Prinzip der allseitigen Staatsange­ hörigkeitsanknüpfung zu entnehmen, das ein pragmatisch-vorsich­ tiger Gesetzgeber dort bewußt nicht hineingelegt hatte, hätte sie vielmehr die offenbare Unvollständigkeit des Gesetzes ebenso gut als Aufforderung zu differenzierender Interessenbewertung nehmen können. Differenzierung wäre schließlich auch dem deutschen IPR-Gesetzgeber des Jahres 1986 möglich gewesen. Die Verweisung auf das Heimatrecht, die weiterhin der Ausgangspunkt sein sollte226, trifft und befriedigt die Interessen von Inländern und Ausländern in ganz verschiedenem Maße. Besonders die Ausländer mit Wohnsitz im 222 Die »Hansemänner« verdienen daher Respekt für ihre Vernunft, nicht den feinen Spott, mit dem Kegel ihre Arbeit bedacht hat, siehe Kegel, Besprechung von: Die geheimen Materialien: RabelsZ 39 (1975) 130-138 (133 f.): »Ei des Columbus«, »Geist oder Ungeist«, »kein Ruhmesblatt«. 223 Darüber mit allen Einzelheiten Behn 195 ff. 224 Einige Nachweise darüber auch bei von Bar, IPR 421. Widerstand leistete bezeichnenderweise das Hanseatische Oberlandesgericht, solange Sieveking ihm noch präsidierte (bis 1909); dazu Behn 206 ff. mit vielen Nachweisen. 225 von Bar, IPR 433; im gleichen Sinne Kegel, IPR 135. 226 Dazu der Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/504 S. 30 f. (= Pirrung 106).

Inland sind in ihrer kollisionsrechtlichen Interessenlage eine von den Inländern deutlich abgehobene Gruppe. Bei Aufmerksamkeit für die Interessen wäre es also denkbar gewesen, das Personalstatut unter­ schiedlich anzuknüpfen: für die Inländer an die Staatsangehörigkeit, für die Ausländer, mindestens für die im Inland ansässigen, an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, oder auch an das deutsche Forum. Dennoch einheitlich anzuknüpfen, bedarf angesichts der klar unterschiedlichen Interessenlage eigentlich eines zusätzlichen, wiederum auf Interessen zu stützenden Arguments. Das Ideal der Allseitigkeit ist ein solches Argument nicht, da hinter ihm - wie gezeigt - tatsächlich keine realen Interessen auszumachen sind. Ein Vorbild für solche Spaltung der Anknüpfung gibt in Europa die Schweiz227. Sie geht allerdings seit jeher und neuerlich verstärkt vom Wohnsitzprinzip aus228. Aber das ist ohne Belang für die Frage, ob differenzierende Anknüpfung eine mögliche Lösung ist. Die Schweiz muß die Differenzierung des Vorrangprinzips (Wohnsitz­ anknüpfung) nicht für die Ausländer im Inland, sondern für die Schweizer im Ausland suchen. Sie tut es, indem für das Personalsta­ tut das schweizerische Recht (als Heimatrecht oder als lex fori) berufen wird, wenn Auslandsschweizer eine Heimatzuständigkeit in Anspruch nehmen229. Der deutschen Doktrin gilt die Schweizer Lösung als »bedenk­ lich«230, der deutsche Regierungsentwurfhat sie abgetan als »anders­ artige schweizerische Rechtstradition«231, Kegel läßt sie für die Schweiz aus Verkehrs- und Ordnungsinteressen immerhin gelten, weil dort der Ausländeranteil besonders hoch ist (14%)232. Die diffe­ renzierende Lösung ist aber nicht bedenklich, sondern beden­ kenswert233: sie ist kein Helveticum, kann auch schwerlich von Prozentzahlen abhängen (in der Bundesrepublik 7%), sondern ist Ergebnis einer bewußten Interessenwertung. Die Begründung zum 227 - neuerdings im Ehescheidungsrecht auch Frankreich und die Niederlande, siehe Lüderitz, IPR 42 mit Nachweisen. 228 Darüber Keller/Siehr 304 f., 314. 229 Darüber Keller/Siehr (vorige Note). 230 Ferid, IPR3 (1986) 31. 231 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/504 S. 26. 232 Kegel, IPR 282. 233 So auch, für die Übernahme ins belgische Recht, Erauw, De bron van het vreemde recht vloeit overvloedig (1983) 35 f.

Schweizer Regierungsentwurf macht das in einem Abschnitt, der den Auslandsschweizern gewidmet ist, sehr deutlich234. 235 In der Begründung des deutschen Regierungsentwurfs kommt selbst der bloße Gedanke an eine grundsätzlich differenzierende, nicht vollkommen allseitige Regelung nicht vor. Die Begründung beruft sich für die grundsätzliche Allseitigkeit der Kollisionsnormen auf die »durch die Praxis gefestigte und bewährte Rechtstradition«235. Daran zeigt sich, daß eine Interessenanalyse auch in diesem Punkte nicht stattgefunden hat.

II. Gerechtigkeit

1. Leitgedanke

Nach gängiger Auffassung hat das internationale Privatrecht da­ für zu sorgen, daß von den in Betracht kommenden Rechten dasjeni­ ge angewendet wird, mit welchem der Sachverhalt oder das Lebens­ verhältnis die engste, stärkste, bedeutsamste Verbindung hat236, wo sie ihren »Schwerpunkt« haben237. Aus interessenjuristischer Sicht ist solche Zielbestimmung für das internationale Privatrecht unzureichend, weil sie die Anwendbarkeit eines Rechts begründen will mit einem Bild, das allenfalls das kolli­ sionsrechtliche Ergebnis bezeichnet (dies zudem in stark verfrem­ 234 Botschaft zum Bundesgesetz über das IPR (IPR-Gesetz) vom 10. 11. 1982 (Drucksache 82.072 des Ständerats; Bbl. 1983 I 263) 64f. 235 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/504 S. 29 (= Pirrung 105). Nach dieser Rechtstradition, die gerade nicht von einem Anwendungsinteresse des ausländi­ schen Rechts ausgeht (siehe Text zu N. 210), erscheint die differenzierende Anknüp­ fung - undurchdacht - gleichwohl verwerflich als »Diskriminierung ausländischen Rechts«, siehe z. B. Ferid in: Vorschläge und Gutachten (Erbrecht) 28 mit weiteren Hinweisen. 236 So z. B. ausdrücklich das österreichische IPR-Gesetz, §1: »stärkste Bezie­ hung«; Schweizer IPR-Gesetz, Art. 15: »engerer Zusammenhang«; europäisches Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht vom 9. 10. 1980, Art. 4 (= Art. 28 EGBGB): »engste Verbindung«; Restatement of the Law of Conflict of Laws Second (1971) §§ 1, 2, 145ff., 188ff., 222ff., 283ff., 291. Zusammenfassend und grundsätzlich Lagarde, Le principe de proximite dans le d. i. p. contemporain, in: Rec. des Cours 196 (1986-1) 9-238. 237 So der von Otto von Gierke geprägte Ausdruck; er wird in der deutschen Rechtsprechung viel verwendet, siehe z. B. BGH 20. 6. 1979, BGHZ 75, 32 (41).

dender Weise), nicht aber die Voraussetzungen und Schritte, die zur Anwendung dieses Rechtes führen können. Besonders das Bild der »engsten« Verbindung, zugespitzt: des »räumlich besten« Rechts238, suggeriert außerdem in fragwürdiger Weise räumliche Qualitäten des Rechts, die doch der Rechtsordnung als geistigem Sein gerade dann abhanden kommen, wenn sie zur Anwendung in einem auslän­ dischen Forum als Regelungsmodell in Betracht gezogen wird. Die Gerechtigkeit auch des internationalen Privatrechts muß viel­ mehr in der bestmöglichen Befriedigung realer menschlicher Be­ dürfnisse (Interessen) bestehen, nicht in der Honorierung (oder Her­ stellung) räumlicher oder sonstiger »Beziehungen« zwischen Sach­ verhalten und Rechtsordnungen239. Zu fragen ist deshalb, welches die durch Internationalität hervorgerufenen Interessen sein können, wie sie zu bewerten sind und welche von den positiv bewerteten man im Falle des Widerstreits vorziehen soll. Nach Kegel sind für das internationale Privatrecht als Interessen nur solche relevant, die auf die Anwendung von Rechtsordnungen an sich, gleich welchen Inhalt sie haben, gerichtet sind. Solche Interessen gibt es, in ihrer Bewertung verwirklicht (und erschöpft) sich die spezifische »internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit«240. Entgegen mancher Kritik ist an dieser abstrakten und gleichzeitig engen Konzeption von internationalprivatrechtlicher Gerechtigkeit bei interessenjuristischer Sicht anzuerkennen, daß es rein kollisions­ rechtliche Interessen in diesem Sinne wirklich geben kann, insbeson­ dere dann, wenn die Beteiligten über den Inhalt der in Betracht kommenden Rechtsordnungen keine ausreichenden Vorstellungen haben. Andererseits verträgt Interessenrealismus keine Ausschließ­ lichkeit und keinen prinzipiellen Vorrang des so definierten Gerech­ 238 So Kegel, IPR 81; ähnlich Münchener Komm. (-Sonnenberger) Einleitung IPR Rnr. 54: »Räumlich gerechte Zuordnung«; Hohloch, Erste Erfahrungen mit der Neuregelung des IPR in der Bundesrepublik Deutschland: JuS 1989, 81-90 (83 f.): das »räumlich bestgeeignete« Recht. 239 In diesem Sinne ist wohl auch Lüderitz, Gerhard Kegel 487 zu verstehen: »Recht ist weder sach- noch ortsorientiert, sondern an der Person des Menschen«. Ähnlich - allerdings in anderem Zusammenhang und keine Konsequenzen ziehend für den Leitgedanken der Anknüpfung - Neuhaus, Grundbegriffe 23: Verglichen mit einem Gericht ist das Gesetz »als reines Gedankending« weitgehend unabhängig von Raum und Zeit. 240 Kegel, IPR 81 f.; siehe auch Text vor N. 33.

tigkeitsziels. Denn die an sich denkbaren rein kollisionsrechtlichen Interessen können im konkreten Fall relativiert oder ganz verdrängt sein durch Interessen an der Anwendung oder Nichtanwendung des einen oder anderen Rechts, die hervorgerufen werden gerade durch den Inhalt seiner Sachnormen oder des sachlichen Ergebnisses, das sie erwarten lassen241. Der Begriff der internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit ist bei vollständiger Interessenerfassung deshalb zu erweitern: es ist das­ jenige Recht anzu wenden, an dessen Anwendung als Ganzes oder im einzelnen, abhängig oder unabhängig von seinem Inhalt legitime und vorzugswürdige Interessen der Beteiligten oder der Allgemein­ heit bestehen. Das Entscheidende ist die Bewertung solcher vorhan­ denen oder vorstellbaren Interessen: welche Wünsche und Erwar­ tungen zur Anwendbarkeit des einen oder anderen Rechts sind berechtigt, welche von ihnen im Falle des Konflikts Vorzugs würdig? Die Doktrin hat verschiedentlich Kataloge von Bewertungskrite­ rien entwickelt, in Deutschland findet zur Zeit am meisten Beach­ tung die von Kegel vorgenommene Einteilung in Partei-, Verkehrs­ und Ordnungsinteressen242. Diese Kataloge zu prüfen oder einen eigenen zu entwickeln, ist nicht das Ziel dieser Arbeit. Im folgenden soll vielmehr an ausgewählten bekannteren Fragen gezeigt werden, wie der realistisch-interessenjuristisch erweiterte Leitgedanke der internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit die Bewertungseinstel­ lung klären oder verändern kann.

241 Siehe dazu Text bei N. 161-163. 242 Kegel, IPR 82 ff.; hinsichtlich des Parteiinteresses verfeinert durch Lüderitz, Parteiinteresse 36 ff. Obwohl Kegel nur von »Interessen« spricht, behandelt er der Sache nach dort auch die Kriterien zur Beurteilung der von ihm so genannten Interessen, eine Vermischung von Objekt und Maßstab der Bewertung, die schon öfter kritisch bemerkt wurde, siehe z. B. Münchener Komm. (-Sonnenberger), Einleitung IPR Rnr. 61, 64. Weitere Kataloge von »Prinzipien« oder »Maximen« bei Neuhaus, Grundbegriffe 160 ff.; Wengler, General Principles of Private Internatio­ nal Law: Rec. des Cours 104 (1961-III) 273-374 (323 ff); Leflar, American Conflicts Law (1968) 233ff, bes. 243ff, heute: Leflar/McDougal/Felix 277-279; Cavers, The Choice-of-Law Process (1965) bes. 114 ff; Restatement § 6.

2. Alternativanknüpfungen und Günstigkeitsprinzip Der klassische Fall einer alternativen Verweisung ist die Bestim­ mung des Formstatuts für Rechtsgeschäfte, in Deutschland heute nach Art. 11 I EGBGB: das Rechtsgeschäft ist formgültig, wenn es die Erfordernisse entweder seiner lex causae oder desjenigen Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wurde. In neuerer Zeit sind solche Alternativanknüpfungen in weitere Bereiche, besonders auch des Familienrechts vor gedrungen243. Versteht man das internationale Privatrecht in der traditionellen Weise als ein System von Regeln, welches Sachverhalte bestimmten Rechtsordnungen unabhängig von deren Inhalt zur Regelung zu­ weist (und damit auch die Rechtsordnungen selbst »koordiniert«, über ihre internationale »Geltung« bestimmt), so bereiten Alterna­ tivanknüpfungen (die in der Regel an das einer begehrten Rechtsfol­ ge »günstigste« Recht anknüpfen) grundsätzliche Schwierigkeiten in dreifacher Weise. Zum einen lassen sie die endgültige Verweisung nicht von räumlichen Kriterien abhängen, sondern vom materiellen Inhalt der alternativ heranzuziehenden Rechtsordnungen244. Sodann treffen sie nicht vorweg eine Auswahl zwischen den sich anbieten­ den unterschiedlichen Rechtsinhalten, sondern lassen die Anknüp­ fung wirken, wenn auch nur eines (oder - umgekehrt - erst wenn keines) der Rechte die im konkreten Fall begehrte Rechtsfolge her­ gibt; das an einer bestimmten materiellen Rechtsfolge bestehende Interesse hat also eine größere Chance der Verwirklichung als wenn von vornherein nur eine Rechtsordnung berufen würde. Und schließlich - Folge des zweiten Aspekts, jedenfalls bei »offenen« Alternativanknüpfungen245: welche Rechtsordnung für ein Rechts­ verhältnis (einen Sachverhalt) »gilt«, bleibt so lange in der Schwebe, wie noch nicht abschließend feststeht, welches Rechtsbegehren von 243 Zu Struktur und Vorkommen solcher Anknüpfungen siehe von Bar, IPR 488 f.; Keller/Siehr 280 f.; Lüderitz, IPR 37 f.; umfassend: Baum, Alternativan­ knüpfungen (1985). Zusammenfassend zum neuen EGBGB: Lüderitz, IPR im Übergang 353 ff. 244 Z. B. sieht Kühne, Die Parteiautonomie im internationalen Erbrecht (1973) 67, die alternative Gültigkeitsanknüpfung »in diametralem Gegensatz zu der her­ kömmlichen kollisionsrechtlichen Fragestellung, die auf eine vom materiellen Er­ gebnis losgelöste Lokalisierung des Rechtsverhältnisses gerichtet ist«. 245 Zum Begriff siehe Baum 63 f.

welcher beteiligten Person aufgrund des Rechtsverhältnisses oder Sachverhalts angemeldet wird246. Hier sollen zunächst der Begünstigungs- und der Schwebeeffekt beleuchtet werden. Interessenjurisprudenz hat mit ihnen keine Schwierigkeiten. Sie geht aus von den Personen und Institutionen, die in internationalen Sozialbeziehungen stehen oder auf sie einwir­ ken wollen und deshalb Recht als plural erleben. Die Pluralität der internationalen Rechtswelt vermindert Orientierungssicherheit, vermehrt aber die Bewegungsfreiheit. Dem entsprechen die Interes­ sen, die durch diese Situation betroffen oder hervorgerufen werden. Sie können gerichtet sein auf Wiedergewinnung der Orientierung am »einen« objektiven Recht, die durch den Übertritt ins Internatio­ nale zunächst geschwunden ist, andererseits aber auch auf Nutzung der Vielfalt, Offenheit und Durchlässigkeit, die von der Pluralität des Rechts geboten werden247. Eine realistische Betrachtung muß nicht nur die internationale Situation und ihre eigenen Rechtsquali­ täten, sondern auch die daraus erwachsenden Interessen, die durch­ aus ambivalent sein können, voraussetzungslos zunächst in Betracht ziehen und dann nach international akzeptablen Grundsätzen bewer­ ten. Dazu gehört, daß nicht nur, wie generell angenommen, das Interesse an Wiedergewinnung der Sicherheit, sondern auch ein Interesse an der Nutzung der Rechtsvielfalt kollisionsrechtlich un­ voreingenommen in Bedacht genommen wird. Daß die positive Nutzung internationaler Rechts Vielfalt ein Ge­ rechtigkeitsziel des internationalen Privatrechts sein kann, zeigt die Parallele des internationalen Verfahrensrechts. Dort ist es eine ak­ zeptierte Lebenstatsache, daß nicht nur aus mangelnder Koordinie­ rung, sondern auch in Interesse der Rechtsinteressenten konkurrie­ rende internationale Zuständigkeiten bestehen und genutzt werden können und jedenfalls dann auch bei der Anerkennung von Urteilen international akzeptiert werden248. Übertragen auf das Rechtsan­ 246 Zur Systemverträglichkeit eingehend Baum 195 ff. 247 Die Vorzüge von Verschiedenheit und Dezentralisierung des Rechts vermerkt auch Neuhaus, Grundbegriffe 18-20. 248 Verbreitet ist das Nebeneinander von allgemeinen und besonderen Gerichts­ ständen in nationalen Zuständigkeitsregeln und die Honorierung solcher Parallelität auch über die Grenzen hinweg in Anerkennungsregeln, siehe z. B. §328 I Nr. 1 ZPO. Zusammenfassung von (konkurrierenden) Zuständigkeiten und Anerken­

wendungsrecht: Alternativanknüpfung nach Günstigkeit ist nicht schon als solche suspekt, sondern kann sich - ebenso wie konkurrie­ rende Gerichtsstände - bei sachlicher Bewertung entsprechender Interessen ausweisen als Mittel zur legitimen Nutzung der durch Internationalität gebotenen Rechts Vielfalt. Ist somit die Günstigkeitsanknüpfung bei interessenjuristischer Betrachtung theoretisch problemlos zu rechtfertigen, so ist es auch der genannte Schwebeeffekt, der darin besteht, daß erst bei der Entscheidung in einem konkreten Fall und je nach der begehrten Rechtsfolge das anwendbare Recht (insoweit) endgültig bestimmt wird. Daß eine Rechtsordnung unabhängig von konkreten Ent­ scheidungsnotwendigkeiten »gilt«, daß Sachverhalte und Sozialver­ hältnisse ihr »unterliegen« und von ihr die rechtliche Gestalt erhal­ ten, ist ein betont »normativer« Denkansatz, der im Privatrecht schon für den reinen Inlandsfall mit guten Gründen in Frage gestellt werden kann, weil auf privatrechtlichem Gebiet die objektive Nor­ mativität in der Regel erst durch die Geltendmachung eines subjekti­ ven Rechts aktuell verbindlich wird249. Für den internationalen Sachverhalt ist das Denken in objektiver, von Anfang an »herr­ schender« Normativität gewiß unangebracht, weil die Rechtsan­ wendungsfrage wegen der Konkurrenz von Zuständigkeiten und der Verschiedenheit der Kollisionsrechte und der nationalen Rechts­ stile erst dann endgültig beantwortet werden kann, wenn feststeht, in welchem Land über den Sachverhalt gerichtlich oder behördlich zu entscheiden ist; und auch dann wird das anwendbare Recht im nung jetzt beispielhaft im Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsüber­ einkommen von 1968. 249 Dazu - mit umfänglichem Material und historisch-theoretischer Untermaue­ rung - sehr bedenkens wert neuerdings Eugen Bucher, Für mehr Aktionendenken: AcP 186 (1986) 1-73, bes. 14-18, 66 £, 70-73. Tenor: Wenn man sich von der »zwangshaften Neigung zu normativer Deutung der privatrechtlichen Verhältnis­ se« (60) freimacht, wird erkennbar, daß die »Geltung« von Privatrecht weitgehend »bedingt« ist dadurch, daß jemand an seiner Beachtung ein Interesse haben und dieses im Rechtswege reklamieren kann. Ohne Initiativrechte der Berechtigten, ohne einen denkbaren Willen, der ihre Beachtung verlangt, bleiben privatrechtliche Normen »wesenlos«, wäre die Annahme ihrer »Geltung« oder »Existenz« realitäts­ fern (14, 15 und öfter). - Aus dem Ansatz beim potentiellen und aktuellen »Interes­ se« wird deutlich, daß die Überlegungen Buchers, seine »neue Optik« (siehe 68 ff), sich auch von einer recht verstandenen, nämlich an realen Rechtsfolgenwünschen orientierten Interessenjurisprudenz stützen lassen.

Rahmen der Prozeßgesetze nur für die begehrte konkrete Rechtsfol­ ge festgelegt, nicht notwendig auch für weitere Rechtsbegehren, die aus einem Rechtsverhältnis (z. B. Ehe, Kindschaft, Vertrag, Eigen­ tum, Erbrecht) vielleicht noch (von anderen Beteiligten in anderen Ländern) her geleitet werden. Mit anderen Worten: Die Eigenart des internationalen Sach Ver­ halts besteht gerade darin, daß er nicht von vornherein einer be­ stimmten Rechtsordnung »unterliegt«, vielleicht selbst durch Ein­ leitung eines Verfahrens in einem bestimmten Land niemals voll­ ständig »eingefangen« werden kann250. »Rechtsgeltung« im Sinne der objektiven Herrschaft einer bestimmten Rechtsordnung über Personen und Sachverhalte gibt es für internationale Rechtsverhält­ nisse nicht, vielmehr ist Unbestimmtheit des objektiv maßgebenden Rechts ihr wesentliches Kennzeichen. Das reale Ausmaß dieser Un­ bestimmtheit hängt ab von der Zahl der Rechtskonflikte und der internationalen Zuständigkeiten, die im Zusammenhang mit einem Sachverhalt oder Lebensverhältnis jeweils (noch) denkbar sind. Es wäre deshalb falsch, mit den traditionellen, rein national entwickel­ ten Vorstellungen über Herrschaft und Geltung des (einheitlichen) objektiven Rechts die Lösungen des internationalen Privatrechts bewerten zu wollen. Der Schwebezustand in der normativen For­ mung internationaler Sozialbeziehungen ist eine Gegebenheit des internationalen Privatrechts insgesamt; aus seiner überlegten Nut­ zung und maßvollen Verlängerung durch alternative Anknüpfung lassen sich keine grundsätzlichen Bedenken gegen diese Art von Kollisionsnormen herleiten. 3. Inhalt des anwendbaren Rechts Indem die Alternativanknüpfung das anzuwendende Recht nach dem materiellen (günstigsten) Inhalt der in Frage kommenden Rechtsordnungen bestimmt, enthält sie ein Element, das auch den Lehren vom »besseren Recht« eigen ist, die seit einiger Zeit vorge-

250 Treffend und plastisch Keller/Siehr 282: Internationale Rechtsverhältnisse haben keinen Sitz, sondern erst der Gesetzgeber (mit seiner Kollisionsnorm) »weist ihnen einen Sitz zu, setzt sie also irgendwohin«.

tragen werden251. Nach ihnen soll das internationale Privatrecht (neben anderen Gesichtspunkten252, hilfsweise nach anderen253 oder sogar vorrangig254) abstellen darauf, welches der in Betracht zu ziehenden Rechte abstrakt oder für den konkreten Fall die vernünfti­ gere, Vorzugs würdige, eben »bessere« materielle Regelung bietet255. In Europa ist diese Lehre bisher überwiegend auf Ablehnung, jeden­ falls auf Skepsis gestoßen256. Bei interessenjuristischer Betrachtung ist jedenfalls auszugehen davon, daß es realiter Interessen geben kann, die gerade wegen des Inhalts der in Frage kommenden Rechte auf die Anwendung eines dieser Rechte statt der anderen gerichtet sind257. Es geht also darum, ob bei der Bewertung solcher Interessen die Qualität der zu berufen­ den materiellen Rechtssätze eine Rolle spielen darf oder sogar muß. Befindet man sich auf der Ebene der Normbildung, erscheint die Lehre vom besseren Recht, die »teleologische« Ausrichtung des Kollisionsrechts an vorzugswürdigen materiellen Werten258, in all­ seitigen Kollisionsnormen schon praktisch undurchführbar. Denn in der notwendigen Abstraktheit allseitiger Verweisungsnormen lassen sich keine sinnvollen Qualitätskriterien aufstellen für ganze Rechtsordnungen oder alle denkbaren Rechtssätze, die von der Ver­ weisungsnorm berufen werden könnten. Die Förderung bestimm­ ter materieller Werte ist gesetzestechnisch natürlich in einseitigen Kollisionsnormen möglich, aber mit ihnen erspart der Normgeber sich gerade die vergleichende Wertung, auf die es der Lehre vom besseren Recht und der gezielten Förderung materieller Werte an­ kommen muß259; denn die eigene materiell-rechtliche Lösung wird 251 Dazu eingehend Mühl, Die Lehre vom »besseren« und »günstigeren« Recht im IPR (1982). 252 So Leflar; zu ihm Mühl bes. 42 ff. 253 Zweigert, Zur Armut 444, 447 f. 254 Juenger, Neuorientierung 1525; ders., Wandel des IPR 21-34. 255 Neueste und umfassendste Begründung dieser Lehre durch Juenger, General Course 263 ff., 286 ff. 256 Kegel, Fundamental Approaches s. 32 S. 49; Schurig 309ff.; von Bar, IPR 433 f.; Keller/Siehr 253. 257 Siehe Text bei N. 161-163. 258 So die Bezeichnung bei Juenger, General Course 263 ff., 286 ff.: »Teleology«. 259 Die Position von Juenger ist insofern nicht ganz eindeutig, aber aus seinen Fallbeispielen geht doch hervor, daß auch er für Richter (und Gesetzgeber?) an ein vorheriges Kenntnisnehmen der konkurrierenden Lösungsmöglichkeiten denkt,

unter den Anwendungsvoraussetzungen der einseitigen Kollisions­ norm auch ohne Kenntnis des konkurrierenden ausländischen Rechts als das in jedem Fall Vorgezogene postuliert. Anders im konkreten Fall der Rechtsanwendung. Hier stehen in der Regel nur wenige (meistens nur zwei) Rechtsordnungen zur Auswahl und von ihnen meistens auch nur bestimmte Rechtssätze. Die praktische Durchführung eines anwendungsbestimmenden Qualitätsvergleichs scheint hier nicht a priori unmöglich; seine kolli­ sionsrechtliche Zulässigkeit oder gar Erwünschtheit wird davon abhängen, ob man Vergleichsmaßstäbe entwickeln kann, die inter­ national vertretbar sind, und ob dies sowie ihre Anwendung gerade vom Richter erwartet werden kann. Im internationalen Vertragsrecht wird das Vertragsstatut von den Parteien nicht selten wegen seiner inneren Qualitäten gewählt, so etwa das Schweizer Recht, weil es neutral, gut erschließbar und wohlverwaltet ist, oder in Schiffahrtssachen das englische Recht, weil man bei ihm eine besondere Bewährung in maritimen Angele­ genheiten vermutet. Solche Rechtswahl um der Qualität des Rechtes willen wird vom Kollisionsrecht auch dann anerkannt, wenn weder die Parteien noch die örtlichen Umstände des Geschäfts mit dem gewählten Recht im übrigen etwas zu tun haben260. Die Frage nach der kollisionsrechtlichen Legitimität eines Sachnormenvergleichs verengt sich demnach auf solche Fälle, in denen objektiv, also unab­ hängig vom (vielleicht nicht übereinstimmenden) Willen der Partei­ en angeknüpft werden muß. Bei interessenjuristischer Betrachtung muß das Kollisionsrecht mit seinen Lösungen zur Anwendbarkeit eines Rechts die legitimen und vorzugswürdigen Wünsche und Erwartungen der Beteiligten oder der Allgemeinheit erfüllen261. Wo eine klare und unbezweifelte siehe Juenger (vorige Note) und 319: IPR kann nicht verstanden werden »without a grasp of the substantive policies that are at stäke«. Es muß daher praktiziert werden als »a selection process based on the qualitative evaluation of conflicting rules of decision« (321). 260 Übersichtlich dazu Keller/Siehr 379-384; siehe auch Neuhaus, Grundbe­ griffe 259 f. 261 Daß nicht Herstellung sachlicher oder räumlicher Verbindungen, sondern Schutz legitimer (Rechtsanwendungs-)Erwartungen der leitende Gedanke des Kol­ lisionsrechts sein muß, hat schon Rheinstein, Place of Wrong 17-24, hervorgeho­ ben. So - gestützt aufihn- auch Dicey/Morris, The Conflict of Laws I11 (1987) 5. In

Kollisionsnorm nicht vorliegt, muß über Legitimität und Vorzugs­ würdigkeit solcher Interessen nach Kriterien entschieden werden, die aus dem Gesamtzusammenhang des Rechts stammen und inter­ national vertretbar erscheinen. Es wäre eigenartig, wenn aus der Menge der hierbei zu beobachtenden »Rechtsanzeichen« gerade die rechtspolitische Qualität der in Frage stehenden Rechtsordnungen oder Rechtssätze keine Rolle spielen dürfte. Bei nicht vollständiger Determiniertheit des Ergebnisses durch eine existierende und unbe­ zweifelte Kollisionsnorm befindet sich der Richter vielmehr in kei­ ner anderen Lage als bei Zweifelsfragen innerhalb eines einzelnen nationalen Rechts, bei welchem ihm (durch die Parteien oder durch eigenes Nachdenken) verschiedene Lösungsmöglichkeiten vorge­ stellt werden, zwischen denen er schließlich nach ihrer rechtlichen »Qualität« entscheiden muß. Die Erfahrung zeigt, daß solche Ent­ scheidung auch zwischen Lösungen, die von verschiedenen Rechts­ ordnungen geboten werden, dem Richter möglich ist und auf Grün­ de gestützt werden kann, die nicht provinziell, sondern international respektabel sind262. Aus der deutschen Praxis können die Möglichkeiten solcher Ent­ scheidungsfindung gezeigt werden an zwei Fällen, die - in ganz anderer Begründungsweise - zu Marksteinen für die kollisions­ rechtliche Entwicklung wurden. Im Spanier-Fall263 war bei undeut­ licher kollisionsrechtlicher Gesetzeslage zu entscheiden zwischen der Anwendung spanischen Rechts, welches die Ehescheidung nicht zuließ und auch ausländische Ehescheidungen nicht anerkannte, und dem deutschen Recht, welches die Scheidung erlaubte, im konkre­ ten Fall ermöglicht hatte und auch ausländische Scheidungen unter den Voraussetzungen internationaler Zuständigkeit anerkannte, selbst wenn nach deutschem Recht ein Scheidungsgrund nicht vor­ gelegen hatte. Das absolute Scheidungsverbot war international seit langem auf dem Rückzug, die scheidungsfeindlichen Länder waren eine kleine und schrumpfende Minderheit, die internationale Ver­ der deutschen Diskussion jetzt sehr klar so W. Lorenz, Die allgemeine Grundregel betreffend das auf die außervertragliche Schadenshaftung anzu wendende Recht, in: Vorschläge und Gutachten, durchgängig, bes. lllf, 145ff., 155, 157. Lüderitz, Parteiinteresse 32 f. weist den Gedanken schon bei Savigny nach. 262 Juenger, General Course 299 ff. 263 Siehe Text bei N. 71 ff.

kehrsfähigkeit von Scheidungsurteilen, wenn diese aus angemesse­ nen Foren stammten, galt als erwünscht264. Das spanische Recht war also international gesehen nicht auf der Höhe der Zeit - selbst wenn die innerspanische Begründung für seinen damaligen Stand noch immer tragen mochte. Das Interesse der Ehewilligen legitimierte sich somit auch dadurch, daß es auf die Anwendung eines internatio­ nal gesehen »normalen« Rechts gerichtet war, das Eheverhinde­ rungsinteresse diskreditierte sich dagegen durch sein Beharren auf der Anwendung eines international rückständigen Rechts. Bei kon­ sequent interessenjuristischer Argumentation hätte die Bevorzu­ gung des Eheschließungsinteresses deshalb ohne Scheu auch damit begründet werden können, daß die Verhinderung der Ehe nach spanischem Recht jedenfalls für andere als spanische Inlandsfälle eine international nicht mehr zeitgemäße Lösung war. In der Entscheidung, mit welcher der Bundesgerichtshof bei der Ehescheidung die verfassungswidrige Anknüpfung an das Mannes­ recht nach Art. 17 I EGBGB alter Fassung beendete265, war zu wählen zwischen dem deutschen Recht, welches den Versorgungs­ ausgleich kennt, und dem österreichischen Recht, welches ihn zwar nicht kennt, dafür aber auch der geschiedenen (und unterhaltsbe­ rechtigten) Ehefrau nach dem Tod des früheren Ehemannes eine nach der Ehezeit berechnete Witwenrente aus der Sozialversiche­ rung zubilligt266. Mit dieser Rente konnte aber im konkreten Fall nicht gerechnet werden, weil der Ehemann die längste Zeit seines Berufslebens außerhalb Österreichs gearbeitet und demzufolge kei­ ne Beiträge zur österreichischen Sozialversicherung geleistet hatte. Mit einer Rente aus der deutschen Sozialversicherung des Eheman­ nes konnte die Ehefrau aber auch nicht rechnen, weil hier die Rente für geschiedene Ehegatten mit der Einführung des Versorgungsaus­ 264 Zur damaligen internationalen Gesamtlage ausführlich Müller-Freienfels 58-84. 265 Siehe dazu Text bei N. 57-63. 266 Zum österreichischen Recht siehe Adam, Internationaler Versorgungsaus­ gleich (1985) 13ff.; Nolte-Schwarting, Der Versorgungsausgleich in Fällen mit Auslandsberührung (1984) 174ff.; Marhold, Die Problematik des Versorgungs­ ausgleichs im österreichischen Familien-, Sozial- und Kollisionsrecht, in: Der Ver­ sorgungsausgleich im internationalen Vergleich (1985) 459-479; Bergner, Anrechte aus der österreichischen PensionsVersicherung im deutschen Versorgungsausgleich: ebd. 481-515.

gleichs abgeschafft worden ist. Die Ehefrau, die von Geburt Ame­ rikanerin war, daneben aber zeitweilig auch die österreichische Staatsangehörigkeit besessen hatte, verlangte Anwendung deut­ schen Rechts (was den Versorgungsausgleich ausgelöst hätte), der Ehemann (Österreicher) die Anwendung österreichischen Rechts (was den Versorgungsausgleich ausschloß und ihm, mangels öster­ reichischen Guthabens, auch keine Nachteile bei der Rente brach­ te). Der Bundesgerichtshof meinte, mangels gegenwärtig gemeinsa­ mer Staatsangehörigkeit der Ehegatten wählen zu müssen zwischen der Anknüpfung an den Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt) (das war für beide Teile Deutschland) und der Anknüpfung an die ge­ meinschaftliche Staatsangehörigkeit, die bei den Eheleuten jeden­ falls früher einmal bestanden hatte (das verwies auf Österreich). Er entschied sich, um sich möglichst weitgehend an dem »verfas­ sungskonformen Restbestand« von Art. 17 zu orientieren und des­ halb dem »Strukturelement« Staatsangehörigkeitsprinzip zu fol­ gen, für die Anwendung österreichischen Rechts und versagte demzufolge der Frau die Beteiligung an der vom Ehemann erwor­ benen Alterssicherung267. Interessenjuristisch gesehen hat der Bundesgerichtshof eine be­ klagenswerte Fehlentscheidung getroffen. Eine eindeutige Kolli­ sionsnorm gab es wegen der Demontage von Art. 17 I EGBGB alter Fassung nicht; es war zu entscheiden zwischen dem Interesse der Frau an Versorgungsausgleich und dem Interesse des Mannes, ihm zu entgehen. In diesem Fall war nun zu konstatieren, daß die Beteiligung des geschiedenen Ehegatten an der während der Ehe verdienten Alterssicherung des anderen Ehegatten ein rechtspoliti­ sches Ziel ist, das in beiden in Frage kommenden Rechtsord­ nungen, allerdings auf verschiedenen Wegen, verfolgt wird. Nur die territoriale Begrenzung der Sozialversicherung führte in dem gegebenen Fall dazu, daß die Ehefrau an der in Deutschland erwor­ benen Alterssicherung des Ehemannes nicht nach österreichischem Rentenrecht beteiligt werden konnte. Diese territoriale Be­ schränktheit ist aber eine Sache der Tradition, des Finanzierungssy­ stems und der Verwaltungstechnik der öffentlichrechtlich organi­ 267 BGH 8. 12. 1982, BGHZ86, 57 (66ff.)

sierten Sozialversicherung, sie drückt nicht eine geringere Wert­ schätzung des Beteiligungsgedankens für solche Fälle aus. Das angewendete Recht entsprach also mit dem nachteiligen In­ halt, den der Bundesgerichtshof in diesem Fall zugrunde legte, weder dem eigentlichen österreichischen, noch dem deutschen und damit im Verhältnis Deutschland-Österreich auch nicht dem inter­ nationalen Standard. Das Interesse des Ehemannes, sich diesen (künstlichen) Rechtsinhalt zunutze zu machen und damit der Beteili­ gung seiner geschiedenen Ehefrau an seiner Alterssicherung ganz zu entgehen, war weder national noch international respektabel; es hätte zurückgewiesen werden müssen, wenn es dem Bundesge­ richtshof statt um ein Anknüpfungsprinzip (Wohnsitz oder Staats­ angehörigkeit?) um die auch international sachgerechte Behandlung widerstreitender Interessen gegangen wäre268. Der Leitsatz der Ent­ scheidung hätte lauten können: Der Versorgungsausgleich richtet sich nach deutschem Recht, wenn alle in Betracht zu ziehenden Rechtsordnungen eine Beteiligung an der während der Ehe erwor­ benen Alterssicherung des anderen Ehegatten kennen, dieser Aus­ gleich aber daran scheitert, daß Ansprüche gegen die Sozialversiche­ rung ausschließlich nach den für sie erlassenen inländischen Vor­ schriften zu beurteilen sind269. Die vorstehenden Beispiele machen deutlich, daß es genug Fälle geben kann, in denen eine Bestimmung des anwendbaren Rechts aufgrund einer vergleichenden Bewertung des Inhalts der in Frage kommenden Rechte möglich ist: Die Rechtsordnungen und Rechts­ sätze, um die es ging, waren spätestens in der Revisionsinstanz ausreichend identifiziert, die Bewertungsmaßstäbe aus international sichtbaren Rechtsanzeichen oder nachweisbaren gemeinsamen rechtspolitischen Überzeugungen zu entwickeln, sie erlaubten die Bewertung und Abwägung von realen Interessen, die um des ma­ teriellen Rechtsinhalts willen an der Anwendung des einen oder anderen Rechts bestanden. Allerdings hat sich auch gezeigt, daß die Ausrichtung an der rechtspolitischen Qualität materieller Rechtsin­ halte bei der Bildung von Kollisionsnormen kaum durchführbar 268 Zur Kritik siehe auch Text mit N. 62, 63. 269 Nach heutigem Recht kann ein Versorgungsausgleich unabhängig vom Schei­ dungsstatut durchgeführt werden, wenn im Inland eine Versorgungsanwartschaft erworben wurde, Art. 17III S. 2 Nr. 1 EGBGB.

und auch bei ihrer Anwendung schwerlich angebracht ist, wenn die Kollisionsnorm eindeutig und unbezweifelt ist. Aber das ändert bei interessenjuristischer Betrachtung nichts an der grundsätzlichen kollisionsrechtlichen Berechtigung solcher Erwägungen; wie alle Interessenjurisprudenz werden auch sie für die schwierigen, gesetz­ lich nicht ausreichend determinierten Problemsituationen benötigt.

4. Ordnung Im internationalen Privatrecht wird immer wieder diskutiert, ob dieses Rechtsgebiet eine Ordnung durch Gesetz oder gar Kodifika­ tion verlangt, verträgt oder besser ohne rechtssatzmäßige Festle­ gung auskommt. Currie und viele andere moderne Amerikaner befremdeten die Europäer durch Ablehnung oder Geringschätzung rechtlicher Regelung zugunsten bloßer »approaches« und lockerer »principles«270. Europa seinerseits hat seit den siebziger Jahren ge­ antwortet mit einer Welle von IPR-Gesetzen, die durchweg im Stil der kontinentaleuropäischen Gesetzgebungstradition gehalten sind270 271. Ein reales Interesse an gesetzlicher Regelung des internationalen Privatrechts, und namentlich an solcher, die klare Orientierung schafft, kann jedenfalls in Kontinentaleuropa nicht geleugnet wer­ den. Es wird allerdings meistens geäußert von Juristen - Richtern, Rechtsberatern, Wissenschaft-, und diese selbst darf man als »Inter­ essenten« im Sinne einer realistischen Interessentheorie272 nicht aner­ kennen, weil Recht als objektive Ordnung seine eigenen Schöpfer und Verwalter denknotwendig in dienender, nicht eigeninteressier­ ten Funktion voraussetzen muß. Die Anmeldung eines Rege­ lungsbedarfs durch Juristen spiegelt aber ein Allgemeininteresse, nämlich aller derjenigen Personen und Institutionen, die potentiell mit internationalen Sachverhalten zu tun haben und dafür eine Ord­ nung benötigen, die Orientierung gibt und Erwartungen sichert. Dieses Ordnungsinteresse mit Gesetzgebung zu befriedigen, ist nach kontinentaleuropäischen Maß Stäben hier nicht weniger legitim 270 Über die amerikanischen Lehren übersichtlich Kegel, Fundamental Approa­ ches s. 17 ff. und IPR 128-134; von Bar, IPR 421 ff. 271 Dazu Keller/Siehr 90 f. 272 Dazu siehe Text bei N. 174 ff.

als auf jedem anderen Gebiet, auf dem Rechtsfragen in einiger Menge auftreten. Kollisionsnormen, besonders die allseitigen Verweisungsnormen des klassischen europäischen IPR, haben aber die Tendenz, andere als reine Ordnungsinteressen nicht ausreichend zu berücksichtigen, weil sie auf zweifache Weise abstrakter sind als die Sachnormen, auf welche sie verweisen sollen: sie bezeichnen mit einem Anknüp­ fungspunkt (z. B. Wohnsitz, Staatsangehörigkeit, Handlungsort) ganze Sachgebiete (Ehe, Kindschaft, Erbschaft, Schadenshaftung aus Delikt) in den Rechtsordnungen der ganzen Welt, also unüber­ sehbare Mengen von anwendbaren Sachnormen; und sie treffen diese Verweisung in der Regel ohne Rücksicht auf den Inhalt der so heranzuziehenden Sachnormen. Die Anwendung der Kollisions­ normen steht also häufiger als die Anwendung der Sachnormen vor der Situation, daß die feststellbaren Rechtsanwendungsinteressen der Beteiligten oder der Allgemeinheit im konkreten Fall anders liegen als der Gesetzgeber sie sich (notwendig präsumtiv und gene­ ralisierend) vorgestellt hat, daß also - wie Schurig plastisch formu­ liert - zwischen Aufstellung und Anwendung der Kollisionsnorm »Interessenschwund« eingetreten ist273. Diese Situation ist nament­ lich dann gegeben, wenn die Beteiligten ein Interesse an der Anwen­ dung des einen oder anderen Rechts wegen dessen materiellen In­ halts haben. Hier kann die abstrakte Verweisungsnorm (anders eventuell nur die Alternativanknüpfung) nicht mehr »mithalten«, weil sie ihrem Wesen und ihrer Technik nach überhaupt nur rein kollisionsrechtliche, auf Rechtsordnungen als Ganzes gerichtete In­ teressen berücksichtigt, diese sich aber im konkreten Fall verflüch­ tigt haben, wenn das Anwendungsinteresse der Beteiligten mittler­ weile ausschließlich sachrechtlich motiviert ist. Die herrschende deutsche Doktrin ist nur sehr zögerlich bereit, bei »Interessenschwund« die Beteiligten aus dem Griff der Kollisions­ norm zu entlassen. Ausgeschlossen ist für sie die Berücksichtigung eines materiellrechtlich (sachrechtlich) motivierten Anwendungsin­ teresses274. Selbst die Inkongruenz der Kollisionsnorm mit den rein kollisionsrechtlichen, also unabhängig vom materiellen Recht beste­ 273 Schurig 200-204 mit ausführlicher Problembeschreibung. 274 Kegel, IPR 81 f.; ausgenommen natürlich bei Alternativanknüpfungen, so­ weit man sie akzeptieren mag, siehe oben Text bei N. 243 ff.

henden konkreten Interessen rührt sie wenig. Man betont die not­ wendige Typisierung, welcher die im individuellen Fall eventuell anderslautenden Interessen sich fügen müssen275. Nur für den selte­ nen Ausnahmefall276 zeigt sich eine zunehmende Bereitschaft, teleo­ logische Reduktion der Kollisionsnorm oder explizite Ausweich­ klauseln zu akzeptieren277. Interessenjurisprudenz im Privatrecht kann sich mit dieser Hal­ tung nicht zufrieden geben. Ihr muß es darum zu tun sein, die legitimen Interessen der konkreten Beteiligten so weit zu berück­ sichtigen, wie dies ohne Schaden für das Ordnungsinteresse möglich ist. Die abstrakte Kollisionsnorm wertet - wie gesehen - die zu beachtenden Interessen notwendigerweise nur unvollkommen. Je­ der Weg muß daher willkommen sein, auf dem sie ergänzt und korrigiert werden kann durch eine zusätzliche Wertung der realen Interessen, über die im konkreten Fall zu entscheiden ist. Ob dies durch teleologische Reduktion, Ausweichklausel oder richterrecht­ liche Verfeinerung der gesetzlichen Anknüpfungsregeln geschieht, ist prinzipiell gleich278, solange diese Mittel bei klarem »Interessen­ schwund« nicht als Ausnahmebehelf, sondern als normales und 275 Neuhaus, Grundbegriffe 108ff., bes. 111: »Man muß durch Bildung fester Regeln auf den typischen Fall abstellen, dagegen im atypischen Ausnahmefall dem Einzelnen das Ertragen einer gewissen Unbilligkeit um der allgemeinen Ordnung willen zumuten«; Kegel, Vaterhaus 559: »... beachtet werden nur durchschnittliche Interessen an der Anwendung eines Rechts, nicht Varianten im Einzelfall; so wenig für Wahlrecht und Volljährigkeit auf die Reife des Einzelnen geachtet wird, so wenig kommt es im IPR darauf an, ob z. B. ein Einzelner tatsächlich demselben Recht am engsten verbunden ist wie die meisten anderen«. Denn »man kommt in des Teufels Küche, wenn man auf dem ohnehin verwickelten Felde des IPR auf klare, leicht erkennbare und leicht zu handhabende Kollisionsnormen verzichtet«. Lüderitz, Parteiinteresse 40: »Notwendig ist - wie im materiellen Recht - die Bildung von Tatbeständen oder Fallgruppen, in denen eine typische Interessenkonstellation fest­ stellbar und für welche die notwendige Bewertung vorzunehmen ist. Totale Gerech­ tigkeit des Einzelfalls läßt sich so nicht erzielen; wo gehobelt wird, fallen Späne«. 276 Keller/Siehr 122: die »abnorme Situation«. 277 Siehe Schurig 200-204; Kreuzer, Berichtigungsklauseln im'IPR, in: FS Zajtay (1982) 295ff.; Keller/Siehr 121 f. Skeptisch aber Kegel, IPR 189-192; Lüde­ ritz, IPR 39 f. 278 Treffend daher die Bemerkung von G. Fischer, Diskussionsbeitrag, in: Lau­ sanner Kolloquium (1984) 55, daß eine Ausweichklausel (wie die des damaligen Schweizer Entwurfs, Art. 14) nichts anderes als »gesetzgewordene teleologische Reduktion« ist.

notwendiges Anbauelement für die abstrakte Kollisionsnorm gese­ hen werden. Eine Grenze besteht nur da, wo das Vertrauen von Beteiligten oder der Allgemeinheit auf das unmodifizierte Wirken eben dieser abstrakten Kollisionsnorm zu schützen ist279. Gegen eine nachholende und korrigierende Interessenberücksichtigung werden deshalb am wenigsten Bedenken bestehen, wenn für alle Beteiligten des konkreten Falles, um deren Interessen es der Kollisionsnorm geht, eine Interessenlage festgestellt werden kann, die mit der vom Gesetz vorausgesetzten nicht übereinstimmt. Die abstrakte, als solche unvollkommene Kollisionsnorm benö­ tigt mithin einen »Anbau«, der sie für den konkreten Fall vervoll­ ständigt. Dieser Anbau kann zunächst darin bestehen, den Parteien auf jedem Rechtsgebiet (nicht nur im Schuldrecht) und für die Entscheidung über ihren konkreten Fall Rechtswahl zu erlauben, also ein anderes als das von der Kollisionsnorm gewiesene Recht zu wählen, soweit dadurch nicht legitime Interessen Dritter oder der Allgemeinheit beeinträchtigt werden280. Ordnungsinteressen der Parteien selbst oder der Allgemeinheit, die sich an die Existenz der abstrakten Kollisionsnorm als solche knüpfen, werden dadurch je­ denfalls nicht beeinträchtigt. Aber auch für den Fall, daß die Parteiinteressen nicht übereinstim­ men, wird ein Wertungsanbau durch die abstrakte Verweisungs­ norm herausgefordert. Dies läßt sich am schon behandelten Fall BGHZ 86, 57 (Versorgungsausgleich)281 verdeutlichen, wenn man ihn nach dem neuen Art. 17 EGBGB ohne die Sonderregelung in dessen Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 behandeln würde. Art. 17 (in Verbin279 Schurig 199 verweist zu Recht auf das »Ordnungsinteresse des Rechtsver­ kehrs an der Fortgeltung und Befolgung einer einmal aufgestellten Norm«. Dieses »aus der Existenz der Norm selbst resultierende« Interesse »an der Kontinuität der Anknüpfung« (202, 204) dürfe nur vernachlässigt werden, »wenn (und soweit) ein solches Interesse des potentiell beteiligten Rechtsverkehrs an der Kontinuität der Anknüpfung mit Rücksicht auf die konkreten Fallumstände nicht schützenswert erscheint« (202). Bei dieser Betrachtungsweise wird aber nicht genug deutlich, daß die fehlende Interessendeckung (»Interessenschwund«) immer nur für den konkre­ ten Fall, das Interesse des potentiell beteiligten Rechtsverkehrs dagegen nur für zukünftige Fälle festgestellt werden kann; sie liegen also nicht notwendig im Wider­ spruch. 280 Darüber näher sogleich, Text bei N. 291 ff. 281 Siehe Text bei N. 267 ff.

düng mit Art. 14) knüpft an die Staatsangehörigkeit, hilfsweise an die »letzte« gemeinsame Staatsangehörigkeit, verweist also auf österreichisches Recht. Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit beruht auf der vermuteten Verbundenheit einer Person mit ihrem Heimatrecht282, dem sie vertraut und dem sie »im Guten und Bösen folgen« will283. Der österreichische Ehemann beruft sich auf öster­ reichisches Recht aber jetzt ausschließlich wegen seiner »guten« Seiten, weil es ihm nämlich den Versorgungsausgleich erspart. Die­ ses (klar materiellrechtlich motivierte) Interesse ist in Art. 17 (mit Art. 14) nicht gemeint; die Norm ist ihrem Wortlaut nach reduk­ tionsbedürftig, ihrem Wertungsgehalt nach ergänzungsbedürftig. Nur eine ergänzende Interessenwertung kann kollisionsrechtliche Gerechtigkeit schaffen; zu fragen ist, ob der Ehemann auf die An­ wendung österreichischen Familienrechts für den Versorgungsaus ­ gleich wegen des Vorhandenseins von Art. 17 EGBGB vertrauen durfte, und zu berücksichtigen ist, daß das Ergebnis seiner Anwen­ dung (keine Beteiligung der Ehefrau an der in der Ehe erworbenen Alterssicherung) weder dem deutschen noch dem österreichischen Qualitätsstandard entsprechen würde284. Die Notwendigkeit ergänzender Interessen Wertung wird noch deutlicher, wenn man in diesem Fall die Fakten in einem Punkt umdreht: nicht der österreichische Ehemann, sondern die amerika­ nische Ehefrau habe in Deutschland eine Versorgungsanwartschaft, an welcher der Ehemann beteiligt sein will. Er beruft sich deshalb auf Anwendung des deutschen Rechts, sie auf Anwendung österreichi­ schen Rechts. Sein konkretes Interesse, was das anwendbare Recht angeht, ist jetzt nicht nur im Motiv, sondern auch in der Richtung anders als das vom Gesetz für ihn vermutete; es ist diesem diametral entgegengesetzt285. Ihr Interesse stimmt zwar in der Richtung, wenn auch nicht im Motiv mit dem vom Gesetz vermuteten überein, aber in viel schwächerem Maße als für ihren Ehemann, weil die Vermu­ tung für sie nur an ihre (österreichische) Staatsangehörigkeit an­ knüpfen kann, die früher einmal bestand, und auch damals nur neben 282 So ausdrücklich Pirrung 21 und der deutsche Regierungsentwurf, BTDrucks. 10/504 S. 30 (= Pirrung 106). 283 So die bekannte Formulierung von Kegel, IPR 82. 284 Dazu Text vor N. 268. 285 Es ist nicht nur Interessenschwund, sondern Interessenverkehrung eingetreten.

einer anderen (der amerikanischen). Vor der Interessen Wertung des Normgebers, die dem Art. 17 (in Verbindung mit Art. 14) zugrunde liegt, muß diese Konstellation schon als abnorm gelten; selbst nach den sehr einschränkenden Kriterien, welche die deutsche herrschen­ de Doktrin vereinzelt anzuerkennen bereit ist286, fordert sie heraus eine ergänzende oder korrigierende Wertung, einen Anbau an die abstrakte Kollisionsnorm. Das Anbaubedürfnis für die Kollisionsnorm ist aber bei realistisch interessenjuristischer Betrachtung nicht exzeptionell, sondern nor­ mal; es ist in der Natur der klassischen allseitigen Kollisionsnorm angelegt und deshalb auch de lege collisionum lata zu berücksichti­ gen. Diese Beobachtung trifft sich mit der jüngst von Eugen Bu­ cher für das materielle Privatrecht begründeten These, daß die herrschend gewordene, von ihm sogenannte »normative« Betrach­ tung von Privatrechtsverhältnissen ergänzt werden muß durch die Optik eines Rechtsdenkens, das am konkret geltend gemachten Interesse ausgerichtet ist (»Aktionendenken«); die Normgewinnung solle deshalb »vermehrt hin zu der konkreten Streitlage verlegt werden«287. Bucher hat auch gezeigt, daß die Ursache des von ihm in Frage gestellten »normativen Denkens« nicht im Gesetz selbst, son­ dern in vor- und überpositiven Denkgewohnheiten liegt; diese kön­ nen mithin auch unter der Herrschaft des geltenden Gesetzes durch Jurisprudenz modifiziert werden288. Was Bucher für das materielle Privatrecht entwickelt hat, gilt notwendig auch für dessen Fortsetzung mit kollisionsrechtlichen Mitteln im internationalen Raum. Dem Vortrag Buchers auf der Passauer Tagung der deutschen Zivilrechtslehrer 1985 wurde dort entgegengestellt das »Rechtslagendenken«, welches auch im Privat­ recht (unbestritten) notwendig bleibt289. Dieses ist aber im interna­ tionalen Privatrecht wegen der Vielzahl und der Unverbundenheit der Rechtsordnungen (einschließlich der Kollisionsrechtsordnun ­ gen) von vornherein schwächer fundiert, schwerer überhaupt zu bewerkstelligen und durchzuhalten, und daher noch bedürftiger der Ergänzung durch ein »pragmatischeres Denken«, welches die recht­ 286 287 288 289

Siehe vorn Text bei N. 276, 277. E. Bucher, Aktionendenken 17 und weiter 14ff., 66ff. E. Bucher, Aktionendenken 66 und durchgehend. Dazu E. Bucher, Aktionendenken 67.

liehe Entscheidung an die aktuelle Streitlage heranrückt. Das »Anse­ hen der Rechtsordnung« oder der Kollisionsrechtsordnung steht entgegen manchen Autoren des internationalen Privatrechts jeden­ falls nicht auf dem Spiel, könnte vielmehr nur gefördert werden, wenn die kollisionsrechtliche Entscheidung »die subjektiven Anlie­ gen der Beteiligten soweit als immer möglich (berücksichtigt)« 290.

III. Parteiwille Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie ist für das Schuldrecht weltweit anerkannt: Die Parteien können das anwendbare Recht selbst wählen, und diese Rechtswahl schließt prinzipiell das zwin­ gende Recht der gewählten Rechtsordnung ein und das der anderen, »abgewählten« Rechtsordnungen aus291. Vorbehalten sind nur sol­ che zwingenden Rechtssätze, die ohne Rücksicht auf das allgemeine Kollisionsrecht (einschließlich der dort anerkannnten Rechtswahl­ befugnis) kraft besonderer Kollisionsregel (z. B. §98 II GWB) oder kraft eigenen »Willens« »den Sachverhalt zwingend regeln«292. Teil­ weise gesetzlich anerkannt ist die Parteiautonomie in diesem Sinne auch im Familien- und Erbrecht293; über weitere Anwendungsmög­ lichkeiten hier und auf anderen Gebieten wird diskutiert294. 290 E. Bucher, Aktionendenken 17. 291 Beispiel: Art. 3 des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens (= Art. 27 EGBGB). Zum Ganzen bes. ausführlich Lando, Contracts, in: Int.Enc.Comp.L. III ch. 24 (1976). 292 Für inländische Vorschriften der letzteren Art siehe Art. 7II des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens (= Art. 34 EGBGB). Über die Beachtung ausländi­ schen zwingenden Rechts ausführlich Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten (1986) sowie neuestens Drobnig, Basedow, Siehr, Rigaux, Lowe, Mestmäcker: RabelsZ 52 (1988) 1-255. 293 Ausführlich darüber Sturm, Parteiautonomie als bestimmender Faktor im internationalen Familien- und Erbrecht, in: FS Ernst Wolf (1985) 637-658; Rein­ hart, Zur Parteiautonomie im künftigen deutschen IPR auf den Gebieten des Familien- und des Erbrechts: ZvglRWiss. 80 (1981) 150-171. Knappe Angaben auch bei Lüderitz, IPR 45; Keller/Siehr 372 f. 294 Dazu Sturm (vorige Note); knappe Hinweise auch bei von Bar, IPR 472f; Keller/Siehr 372f. Guter Überblick auch schon bei Jessurun d’Oliveira, De sluipweg van de partijwil, in: Partij-invloed in het internationaal privaatrecht (1974) 5-21.

1. Begründung Die weltweite Anerkennung der Parteiautonomie im internatio­ nalen Vertragsrecht wurde ständig begleitet von einem Unbehagen der Theorie, das auch heute noch nicht zur Ruhe gekommen ist295. Die theoretischen Bedenken sind vor allem logischer und rechts­ grundsätzlicher Art: Welches Recht erlaubt die Rechts wähl, wenn das anwendbare Recht doch durch sie erst bestimmt wird? Und kann es überhaupt richtig sein, die Parteien über potentiell anwendbare objektive Rechtsordnungen rechtsgeschäftlich disponieren zu las­ sen? Die logischen Bedenken sind seit längerem überwunden296, ebenso die grundsätzlichen, aber hier werden die Akzente sehr un­ terschiedlich gesetzt. Für Kegel ist die Zulassung der schuldrechtli­ chen Rechts wähl ein »ungewöhnlicher Schritt« und »Verlegenheits­ lösung«297, für Egon Lorenz gleicht sie »einer Arznei, die einige unbestreitbar günstige Wirkungen hat, deren Indikationen und Ne­ benwirkungen aber noch längst nicht erfaßt sind«, und die deshalb nur unter »strenger Kontrolle« und »vorsichtiger Dosierung« ver­ abreicht werden darf298; für die meisten ist sie eine sinnvolle Verlän­ gerung der materiellrechtlichen Vertragsfreiheit in das Kollisions­ recht299; für Kühne reicht gerade dieser Gedanke zur Rechtfertigung nicht aus, aber die parteiautonome Rechtswahl ist sinnvolle Ergän­ zung des objektiven Verweisungsrechts, wenn dieses sich wegen der notwendigen Abstraktheit seiner Regeln aus einer »Anknüpfungs­ verlegenheit« nicht selbst heraushelfen kann300; nach der bekannten Lehre von Batiffol »lokalisiert« sie den Vertrag (für die dann vor­

295 Siehe z. B. Lagarde 61:»... la fonction de rattachement de l’autonomie de la volonte est suffisamment recente et sa justification theorique encore assez incertaine...«. Sehr übersichtlicher Abriß der theoretischen Begründungsversuche bei Kühne, Parteiautonomie 23 ff. Zur Geschichte auch Sturm, Parteiautonomie 637-639; von Bar, IPR 470 f; Keller/Siehr 366 ff; Lüderitz, IPR 129. 296 Darüber Kühne (vorige Note); von Bar (vorige Note). Erstaunlich allerdings das Wiederaufflackern bei Mincke, Die Parteiautonomie: IPRax 1985, 313-317. 297 Kegel, IPR 420 f. 298 E. Lorenz, Reform 155. 299 So z. B. Neuhaus, Grundbegriffe 257; Keller/Siehr 386. 300 Kühne, Parteiautonomie29ff., 64ff.

zunehmende objektive Anknüpfung)301; und für viele ist sie schlicht aus den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der Praxis gerechtfer­ tigt302. Es versteht sich, daß die Art der Rechtfertigung sich auswirkt bei Überlegungen zur Erstreckung der Parteiautonomie auf andere Rechtsbereiche und zu den Grenzen, die ihr auch bei grundsätzlicher Anerkennung gezogen werden müssen. Nach der hier vertretenen Auffassung müssen Grund und Gren­ zen der Parteiautonomie entwickelt werden aus den realen Interes­ sen, die an ihrer Zulassung, und denen, die an ihrer Nichtzulassung oder Eingrenzung bestehen können. So gesehen darf die Parteiau­ tonomie nicht bloß »Verlegenheitslösung«, »Ausnahme«303, »schwächliche Ausflucht«304 sein, auch nicht nur sinnvolle Ergän­ zung und Verfeinerung, gleichsam Anknüpfungsgehilfe des objekti­ ven Kollisionsrechts305. Der Parteiwille muß vielmehr im Zentrum eines Kollisionsrechtsdenkens stehen, das sich - wie das Privatrecht überhaupt - an privaten Interessen orientieren will306. Das Interesse der Beteiligten ist durch die Rechtswahlerklärung deutlich genug bekundet. Seine grundsätzlich positive Bewertung sollte für ein internationales Privatrecht eigentlich nicht weiter begründet werden müssen. Sie wird aber behindert durch Denkgewohnheiten, die das Kollisionsrecht beschäftigt erscheinen lassen mehr mit Geltung, Herrschaft und Ansehen seiner selbst und der von ihm »berufenen« Rechtsordnungen als mit den realen Bedürfnissen seiner »Klienten«, der Teilnehmer am Rechtsverkehr. Die Anerkennung der Parteiautonomie im Kollisionsrecht ist al­ lerdings, entgegen vielen Autoren, noch nicht ausreichend gerecht­ fertigt durch die Dispositions- und Vertragsfreiheit, welche die Parteien im materiellen Recht der einzelnen Staaten besitzen. Denn 301 Batiffol, Les conflits de lois en matiere de contrats (1938) 39ff.; Batiffol/ Lagarde II Nr. 572-274; aufgegriffen von Mincke (oben N. 296). 302 Hinweise bei Kühne, Parteiautonomie 27 f. 303 So z. B. Schwimann, Grundriß des IPR (1982) 2: »IPR (ist) zwingendes Recht; ausnahmsweise dürfen bei bestimmten Fragen die Parteien das anzuwendende Recht durch Vereinbarung wählen«. 304 So noch Kegel, IPR5 (1985) 502 zum Haager Ehegüterstandsabkommen. 305 So Kühne, Parteiautonomie, und die Lehre von der Lokalisierung des Vertra­ ges, siehe oben Text zu N. 301 und nachfolgend bei N. 314. 306 Ausführlich und dezidiert Sturm, Parteiautonomie bes. 637, 658.

das ist erst von Kühne klar herausgearbeitet worden307 - die rechtsge­ schäftliche Freiheit ist nach dem materiellen Recht jedes Landes von vornherein beschränkt durch das dazugehörende nationale zwingen­ de Recht. Wir suchen aber nach einer Begründung gerade dafür, daß die Parteien durch Rechtswahl das zwingende Recht (ausgenommen das der gewählten Rechtsordnung) überspringen können. Parteiautonomie ist vielmehr unabhängig vom zwingenden oder dispositiven Charakter der in Frage kommenden Rechtsordnungen aus der Eigenheit der internationalen Situation zu entwickeln. Inter­ nationalität bedeutet akut gewordene Pluralität des Rechts, oder anders: daß die Anwendbarkeit nur eines bestimmten Rechts nicht mehr selbstverständlich ist. Ist das Recht (als weltweite Gesamtge­ stalt) aber wegen des Nebeneinanders der in ihm versammelten nationalen Rechtssysteme zu einheitlicher Ordnung nicht in der Lage, so ist es für die Akteure in diesem internationalen Raum eine natürliche Reaktion, die rechtliche Ordnung ihrer Beziehungen selbst in die Hand zu nehmen. Es entspricht jedenfalls in den westli­ chen Ländern (ganz unabhängig vom positivierten Verfassungs­ recht308) der guten rechtlichen Tradition, diese Eigenleistung der Beteiligten zu honorieren, solange spezifische Gegeninteressen, die höher zu bewerten sein mögen, nicht festzustellen sind. Ein allgemei­ nes Interesse oder ein Interessent für durchgehend zwingendes objek­ tives Kollisionsrecht ist aber tatsächlich nicht erkennbar309.

2. Andere Auffassungen Mit der Begründung der Parteiautonomie aus der Realität der internationalen Interessensituation steht die Interessenjurisprudenz in einem deutlichen Gegensatz zu Auffassungen, die sich in der deutschen Diskussion der jüngeren Zeit von sehr verschiedenen Seiten aus mit diesem Problem auseinandergesetzt haben. 307 Kühne, Parteiautonomie 29 f. 308 Auf dieses weist zu Recht Sturm, Parteiautonomie 658 hin, aber der Gedanke reicht weiter als nationale Verfassungsurkunden. 309 Verfasser von Kollisionsnormen, Gesetzgeber, Rechtsgelehrte und Richter (sie sind es, die am ehesten vom zwingenden Charakter der objektiven Kollisionsnormen reden) werden aus dem vorn (Text zu N. 272) genannten Grund schwerlich als Interessenten verstanden sein wollen.

a) Die Befugnis der Rechtswahl läßt sich zum Beispiel als Rechts­ macht denken, die vom Kollisionsrecht eingeräumt wird, sie ist ein subjektiues Gestaltungsrecht310 und gerät so in einen Konflikt mit einer Auffassung, die das Kollisionsrecht »nur als einen Komplex objek­ tivrechtlicher Regeln« sehen mag311. Für Mincke ist das kollisions­ rechtliche subjektive Recht daher »ein Gespenst«312, das »in den bisher entwickelten allgemeinen Lehren des Internationalen Privat­ rechts keinen Ort hat«313. Er verscheucht das Gespenst, indem er die Rechtswahlerklärung - die Lehren von Savigny und Batiffol auf­ greifend - als Mittel räumlicher Einordnung des Vertrages für die objektive Anknüpfung erklärt314. Diese Auffassung läßt außer acht, daß die objektive Normativität, welche den Vertrag von der Entstehung bis zu seinem Ende »be­ herrscht«, schon nach nationalem Privatrecht eine überzogene dog­ matische Vorstellung ist, vielmehr zur Realisierung und Aktualisie­ rung einer Ergänzung durch rechtsrelevante subjektive Initiative, durch die Anerkennung und Ausübung subjektiver Befugnisse be­ darf315. Im internationalen Kontext ist die Relativierung der objek­ tivrechtlichen Betrachtungsweise in noch stärkerem Maße erforder­ lich. Hier mangelt es schon an der Einheit der objektiven Sachrechts­ ordnung, und auch das objektive Kollisionsrecht kann diese Einheit erst dann und nur mittelbar stiften, wenn es selbst vereinheitlicht ist (wie wohl künftig in der Europäischen Gemeinschaft) und interna­ tional einheitlich ausgelegt wird (was aber im internationalen Ver­ tragsrecht wegen der Offenheit zahlreicher kollisionsrechtlicher Be­ griffe (»engste Verbindung«, »engere Verbindung«, Art. 28 I, V EGBGB) besonders schwierig ist. Im internationalen Raum ist das Recht also unvollkommener, normativ unentwickelter als das einheitliche nationale Privatrecht. Die normative Betrachtungsweise ist aber historisch gesehen eine 310 »Normsetzungsbefugnis« im Sinne von Eugen Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis (1965) und ders., Aktionendenken 16 f. 311 Mincke 315; er meint, wahrscheinlich zutreffend, daß »die gesamte Wissen­ schaft vom IPR« das Kollisionsrecht so behandelt. 312 Mincke 316. 313 Mincke 315. 314 Mincke 317. 315 Dazu vom N. 249 und Text bei N. 307-309.

Spätform juristischen Denkens, die gerade durch wissenschaftlich­ dogmatische Postulierung des einen geschlossenen und wider­ spruchsfreien Rechtssystems bedingt ist316. Die frühere, offenere, normativ weniger »entwickelte« Form des Rechts (römisches Recht, englisches Aktionensystem) zeigt uns noch die Vorherrschaft des Denkens in Klage- und Verteidigungsmöglichkeiten, das auf den akuten Streitfall bezogene »Aktionendenken«317. Diese histori­ sche Einblendung läßt deutlich werden, daß auch im normativ un­ vollkommen »durchorganisierten« internationalen Rechtsraum oh­ ne die Denkfigur des kollisionsrechtlichen subjektiven Rechts, je­ denfalls als Ergänzung zu »normativen« Vorstellungsweisen, gar nicht auszukommen ist. Das subjektive Gestaltungsrecht ist hier nicht »Gespenst«, sondern Hausgenosse, der ein anerkanntes Wohn­ recht bekommen muß. b) Die Parteiautonomie ins Zentrum des Kollisionsrechts zu stel­ len, geht auch hinaus über den Ansatz von Kühne, der als wichtig­ ster der letzten Jahrzehnte auf eine positive Begründung der Rechts­ wahlfreiheit gerichtet ist und diese in der sogenannten Anknüpfungs­ verlegenheit des Kollisionsrechts sieht318. Es ist zwar richtig, daß die kollisionsrechtliche Verweisungsfreiheit sich nicht aus der einzelnen nationalen Vertragsfreiheit begründen läßt319. Damit ist das Begrün­ dungspotential des Autonomie- und Freiheitsgedankens aber noch nicht erschöpft. Autonomie und Freiheit, wo Ordnung nicht vorge­ geben ist, sind Werte, die in der westlichen Welt vor der Postivierung in Verfassung und Gesetz anerkannt sind, wie ja auch die Person, die sich auf diese Werte beruft, im internationalen Fall nicht »unter dem Recht«320 steht (allerdings auch nicht über ihm, »legibus soluta«321),

316 E. Bucher, Aktionendenken 7f£, 70£ 317 E. Bucher, Aktionendenken 4-10. 318 Kühne, Parteiautonomie bes. 32 £, 61 ff.; ders., IPR 312 £ 319 Siehe Text bei N. 307. 320 So aber Kegel, IPR 531; drastisch seine Formulierung: »Die Parteien (stehen) nicht über, sondern unter dem Recht. Sie haben (grundsätzlich) kein Recht, sich ihr Recht auszusuchen. Das IPR gibt ihnen ihr Recht und dieses erst regelt ihren Freiraum« (Vaterhaus 554). 321 - das befurchten offenbar viele Autoren, z. B. Kegel (vorige Note) und IPR 651; Reinhart 163.

sondern zwischen den Rechtsordnungen - und aus dieser Situation etwas Vernünftiges machen will322. Kühne sieht statt dessen den Grund für Rechtswahlfreiheit in einem »Dilemma«, nämlich in der Unfähigkeit der abstrakten und objektiven Kollisionsnorm, unter den in Frage kommenden objekti­ ven Anknüpfungskriterien eines zum maßgeblichen zu erheben und mit ihm alle denkbaren Sachverhalte zu bedienen323. Diese ganz treffende Beobachtung ist aber als Begründung der Rechtswahlfrei­ heit teils zu weit, teils zu eng. Sie rechtfertigt einerseits auch solche nachträglichen Ergänzungen und Korrekturen der abstrakten, not­ wendigerweise unvollkommen wertenden Kollisionsnorm, die im Einzelfall nach objektiven Kriterien der Interessen Wertung, unab­ hängig von einem übereinstimmenden Parteiwillen, vorgenommen werden; die generelle Berechtigung dazu ist vorn ausführlicher be­ gründet worden324. Sie läßt andererseits die Rechtswahlfreiheit er­ scheinen als ein bloßes Ergänzungsstück des objektiven Kollisions­ rechts, welches dessen dichteren »Anschluß« an die Wirklichkeit ermöglicht. Damit ist aber die Besonderheit der durch Internationa­ lität gegebenen Interessenlage, aus welcher die Parteiautonomie zu begründen ist, noch nicht ausreichend erfaßt. Die Interessenlage zum anwendbaren Recht, die aus Internationa­ lität entsteht, ist vergleichbar derjenigen zur anzurufenden Gerichts­ barkeit. Selbst wenn man von der Existenz nur des Wohnsitzge­ richtsstandes ausgehen könnte, stehen die Parteien bei der Begrün­ dung eines akut oder potentiell grenzüberschreitenden Rechtsver­ hältnisses (Vertrag, Ehe, Erbeinsetzung, Trust) vor einer Mehrzahl potentiell zuständiger (Wohnsitz-) Gerichtsbarkeiten, solange nicht abzusehen ist, wo die Beteiligten im Ernstfall Wohnsitz haben wer­ den, und wer dann gegen wen welche Arten von Ansprüchen aus welchen Sachverhalten geltend macht. Hinzu kommen aber in Wirklichkeit die zusätzlichen Gerichtsstände (z. B. Erfüllungsort, Lageort, Handlungsort), die von Land zu Land unterschiedlich ge­ währt werden und auch bei einer Vereinheitlichung in gewissem Maße als konkurrierende erhalten bleiben, so etwa in Art. 5 des 322 Zur Internationalität und ihren rechtlichen Implikationen siehe Text bei N. 146-150. 323 Ähnlich Lüderitz, Parteiinteresse 48: »gordischer Knoten«. 324 Text bei N. 278-290.

europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkom­ mens. Das Zivilverfahrensrecht der meisten Länder erlaubt in dieser Situation Gerichtsstandsvereinbarungen - die unter den gegebenen Gerichtsständen wählen, aber auch neue durch die bloße Kraft der Vereinbarung begründen können. Diese Erlaubnis erhalten die Par­ teien aber nicht, damit sie zur Verfeinerung oder Ergänzung eines objektiven internationalen Zuständigkeitssystems beitragen (soweit keine Rechtseinheit besteht, gibt es ein solches System ja gar nicht), sondern weil man das Bedürfnis der Beteiligten nach einverständli­ cher und individueller Festlegung, nach Zuständigkeitssicherheit, aber auch nach Nutzung der international konkurrierenden, nach Art und Ort unterschiedlichen Justizangebote honorieren möchte325. Sogar die einseitige Inanspruchnahme des internationalen Zustän­ digkeitsangebots durch »forum shopping« wird heute nicht mehr als im Zweifel verwerflich angesehen, sondern unter gewissen Um­ ständen als legitime Nutzung der Bewegungsfreiheit, die durch internationale Zuständigkeitskoexistenz geschaffen wird326. Warum sollte die Freiheit zur Wahl des anzuwendenden Rechts nur nach einer viel engeren, aus dem »objektiven Anknüpfungsrecht« herge­ leiteten Perspektive begründbar sein? Die Grundgegebenheiten der Internationalität (Mehrzahl und Unverbundenheit der in Frage kommenden Rechte/Gerichtsbarkeiten, der nationalen Kollisionsrechte/nationalen Zuständigkeitsregeln, der in Frage kommenden Anknüpfungen/Gerichtsstände) sind hier wie dort prinzipiell die gleichen327. 325 Zur positiven Bewertung von Zuständigkeitswahl Schröder 475ff.; KropInternationale Zuständigkeit, in: Handbuch des Internationalen Zivilver­ fahrensrechts I (1982) 197-533 (387f.); Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht (1987) 307f. - Zum guten Sinn von internationaler Zuständigkeitskoexistenz siehe Heldrich, Internationale Zuständigkeit 161 f; Kropholler a.a.O. 256f, 261; kri­ tisch aber Schröder 83ff., 98ff. 326 Siehe z. B. Juenger, Der Kampf ums Forum: RabelsZ 46 (1982) 708-716; Siehr, »Forum shopping« im internationalen Rechtsverkehr: ZRvgl. 25 (1984) 124-144; Geimer (vorige Note) 218 ff; von Bar, IPR 354 ff.; kritischer aber Krop­ holler (vorige Note) 260 ff. und ausführlicher ders., Das Unbehagen am forum shopping, in: FS Firsching (1985) 165-173. 327 Über die möglichen Wertungsverbindungen zwischen IPR und internationa­ lem Zuständigkeits- und Anerkennungsrecht neuerdings sehr ausführlich von Bar, IPR 339ff.,bes. 351 ff. holler,

c) Eine Auffassung, die die private Rechtswahl im Zentrum des internationalen Privatrechts sieht, muß sich schließlich stellen der Skepsis, mit welcher die Lehre von der politischen und der sozialen Steuerungsfunktion des Privatrechts jede weitere Ausrichtung des Kolli­ sionsrechts an privaten Interessen betrachten wird328. Soweit diese Skepsis sich nur darauf gründet, daß auch das materielle Privatrecht mehr und mehr durchsetzt wird mit zwingendem Recht für wirt­ schafts- und sozialpolitische Zwecke, trifft sie die hier entwickelte These vom Zentralcharakter der Rechtswahlfreiheit nicht; denn die­ se steht unter heutigen Bedingungen selbstverständlich unter dem Vorbehalt, daß zwingendes Recht, welches unabhängig vom allge­ meinen Kollisionsrecht angewendet sein »will«, sich von vornherein der Parteiautonomie entzieht, jedenfalls wenn es zwingendes Recht der lex fori ist (so Art. 34 EGBGB)329. Es scheint aber, daß die »politische Schule« das Privatrecht insgesamt als nicht mehr vorwie­ gend privatnützig, sondern untrennbar durchdrungen von staatli­ chen (gesellschaftlichen) Gestaltungsinteressen begreift und deshalb geneigt sein muß, auch die kollisionsrechtliche Rechtswahlfreiheit insgesamt in Frage zu stellen. Nach der real-interessenjuristischen Sicht, die hier vertreten wird, fehlt es für eine konkrete juristische Verarbeitung jener »politi­ schen« Auffassung von Privatrecht bereits an der rechtlich relevan­ ten Bekundung des Interesses, welches die Allgemeinheit (der Staat) an einer Indienstnahme des gesamten Privatrechts oder auch nur des gesamten wirtschaftsrelevanten Privatrechts für ihre Gestaltungs­ zwecke haben sollte; das ist weiter vorn ausführlicher dargestellt worden330. Hinzuzufügen ist hier nun, daß für den internationalen Raum schon die Diagnose, auf welcher die These vom Funktions­ wandel des Privat- und damit auch des Kollisionsrechts beruht, anfechtbar ist. Die Diagnose lautet: Die Trennung von Staat und Gesellschaft ist überwunden und damit ist auch das Privatrecht

328 So sehr deutlich z. B. Joerges, Funktionswandel 159-161. 329 Für das ausländische zwingende Recht siehe Kreuzer, Ausländisches Wirt­ schaftsrecht, und speziell für öffentliches Recht übersichtlich auch Kegel, IPR 712 ff; von Bar, IPR 223 ff, 226 ff.; Grossfeld, Internationales Unternehmensrecht (1986) 124 ff. 330 Text bei N. 175-181.

»verstaatlicht« - welches vordem als Garantie des Freiraums der vom Staat getrennten Gesellschaft funktionierte331. Die hier gemeinte Trennung von Staat und Gesellschaft wird man - stark vereinfachend - bezeichnen können als einen Zustand, in dem der überwiegende Teil der Gesellschaft nicht die politische Macht hat, wohl aber einen rechtlich geschützten Bewegungsraum, auf den die politische Macht (König, Adel, Bürokratie, Militär) nur unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen Einfluß nehmen kann. Die Trennung wird überwunden, wenn die gesellschaftliche Mehr­ heit die politische Macht übernimmt, sich also selbst regiert (und bedient) - in der westlichen Demokratie durch ihre gewählten Re­ präsentanten, im östlichen Marxismus durch die Partei, die sich zum Sachwalter der werktätigen Klasse deklariert hat. Für den internationalen Raum muß man feststellen, daß die Tren­ nung von Staat und Gesellschaft, verstanden als fehlende politische Verbindung zwischen Privatrechtssubjekten und rechtsetzender po­ litischer Macht, zum größeren Teil noch besteht. Personen, die sich mit ihren Privatrechtsbeziehungen über die Grenzen eines Landes begeben, haben es auf Schritt und Tritt mit Rechtssätzen aus Staaten zu tun, denen sie selbst nicht angehören. Mit anderen Worten: Im internationalen Raum, so wie er heute und auf unabsehbare Zeit noch rechtlich organisiert ist, fehlt notwendig zu einem großen Teil die institutionell gesicherte politische Verbindung zwischen denje­ nigen, welche die Rechtssätze (durch Rechtsprechung oder Gesetz­ gebung) schaffen und durchsetzen, und denjenigen, die sich nach ihnen richten wollen oder müssen332. Die Eigenart der Gesamter­ scheinung »Recht« im internationalen Raum besteht nicht nur in ihrer Pluralität und potentiellen inhaltlichen Fremdheit für die Betei­ ligten, sondern auch in der größeren politischen Distanz, die sich zwischen objektivem Recht und Rechtssubjekt auftut. Es wäre un­ 331 SieheJoerges, Funktionswandel; Wiethölter, Nachlaßverfahrensrecht 142f. 332 Diese »neue« Trennung von Staat und Gesellschaft durch Ausweitung des internationalen Verkehrs findet auch statt für die Ausländer, die ohne politisches Stimmrecht im Inland leben. Das gleiche mag künftig zu konstatieren sein für das Verhältnis zwischen den internationalen Bürokratien, die demokratisch nicht mehr kontrollierbar sind, und mindestens dem Teil der Gesellschaft, der in internationalen Sozial- oder Wirtschaftsbeziehungen steht, aber international keinen besonderen politischen Einfluß besitzt (z. B. Privatpersonen und kleinere und mittelgroße Un­ ternehmen).

realistisch, die große Menge politisch fremden Rechts, der man im internationalen Raum begegnet, nach einer Theorie zu behandeln, die von einer vollzogenen Vereinigung von Staat und Gesellschaft ausgeht. Vielmehr legt gerade das geringere Maß an politischer Einflußmöglichkeit es nahe, den Rechtsbedürftigen wenigstens kol­ lisionsrechtlich zu erlauben, die Ordnung ihrer Beziehungen mit den angebotenen Lösungen der beteiligten Rechtsordnungen selbst zu organisieren.

3. Parteiautonomie im Familien- und Erbrecht Weil Parteiautonomie nicht durch die besonderen Gegebenhei­ ten des Vertragsrechts oder Schuldrechts, sondern durch die Eigen­ art der durch Internationalität entstehenden Interessensituation schlechthin gerechtfertigt wird, hat sie natürliches Heimatrecht auch im internationalen Familien- und Erbrecht333. Es müssen reale und vorzugswürdige Gegeninteressen nennbar sein, wenn man sie für diese Bereiche generell oder teilweise nicht zulassen will. Die denk­ baren Gegeninteressen sind im Erbrecht die der nahen Angehörigen und der Gläubiger, die infolge einer Rechtswahl leer ausgehen kön­ nen, im Familienrecht vor allem die der Kinder, die von Rechts­ wahlvereinbarungen der Eltern betroffen werden, unter Umständen aber auch die der Allgemeinheit, die infolge unzureichender Unter­ halts- oder Sorgerechtsregelungen administrativ oder finanziell in die Pflicht genommen wird. Wann solche Interessen für die einzelnen Sachfragen des Familienund Erbrechts denkbar, positiv zu bewerten und dem Rechtswahlin­ teresse der unmittelbar Beteiligten vorzuziehen sind, braucht hier im einzelnen nicht erörtert zu werden. Hervorzuheben ist nur das An­ liegen der Interessenjurisprudenz: ihrem Standard genügen Gesetz­ gebung und Rechtsprechung erst, wenn sie das durch Rechtswahl dokumentierte Anwendungsinteresse prinzipiell positiv bewerten und die möglichen Gegeninteressen ihm nicht schon deshalb vorzie­ hen, weil sie mehr oder weniger zufällig mit einem abstrakt postu­ lierten objektiven Anknüpfungsprinzip übereinstimmen334. Welche 333 Grundsätzlich ablehnend aber Reinhart bes. 164ff. 334 Kühne, Parteiautonomie 77 weist sehr treffend darauf hin, daß ». . . die gegenwärtige zwingende Unterstellung auch der die Interessen Dritter betreffenden

Möglichkeiten zu differenzierenden, aber doch handhabbaren und vernünftigen Lösungen sich dabei dem Gesetzgeber auftun, zeigen zum Beispiel die Überlegungen von Kühne335, die Vorschläge aus dem Hamburger Max-Planck-Institut336 und das Schweizer IPRGesetz337 (auch wenn sie sämtlich nicht auf der Basis eines bewußt interessenjuristischen Ansatzes entstanden sind). Das deutsche IPRGesetz bleibt unter diesem Standard, weil es die Rechtswahl im allgemeinen nur als Anhang des objektiven Kollisionsrechts »für sonst nicht befriedigend zu lösende Fälle«338, an wenigen Einzelstel­ len und unter engen Voraussetzungen vorsieht339.

4. Gegeninteressen

Eine solide Verankerung der Rechtswahlfreiheit im kollisions­ rechtlichen Denken setzt voraus, daß die möglichen Gegeninteres­ sen ebenso ernst genommen werden wie das Anwendungsinteresse, das durch die Rechts wähl bekundet wurde. Die öffentlichen Interessen drücken sich in der Regel durch zwingen­ des Recht aus. Für ihre Berücksichtigung sorgt heute im internatio­ nalen Vertragsrecht Art. 34 EGBGB (= Art. 7 II des EG-Abkom­ mens), wenn es sich um inländische Gesetze handelt; die Abwägung wird hier in eine Auslegungsfrage verlegt: wann will eine zwingende Norm unabhängig vom allgemeinen Kollisionsrecht anwendbar sein? Für öffentliche Interessen des Auslandes, wenn gesetzlich artiku­ liert, bildet sich allmählich in Wissenschaft und Rechtsprechung ein Rechtsfragen unter das Erbstatut keine Rücksicht auf die Interessen dieser Beteilig­ ten nimmt. Von deren Standpunkt aus stehen die Ergebnisse an Willkürlichkeit nicht hinter denen zurück, die bei einer Rechtswahl zwischen den Anknüpfungspunkten der Staatsangehörigkeit und des Wohnsitzes zu erwarten sind«. 335 Kühne, Parteiautonomie 103ff., 108ff. 336 Thesen zur Reform des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts: RabelsZ 44 (1980) 344-366 (347 mit Einzel verweisen); Kodifikation des deutschen Interna­ tionalen Privatrechts - Stellungnahme des Max-Planck-Instituts: RabelsZ 47 (1983) 595-690 (627ff., 630ff., 655ff.). 337 Darüber einführend A. K. Schnyder, Das neue IPR-Gesetz (1988) 13 f. 338 So z. B. der Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 10/5632 S. 37 (= Pirrung 108) und der Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/504 S. 51 (= Pirrung 136) (zum internationalen Eherecht). 339 Art. 14 III, 15 II, 25 II EGBGB. Einen Überblick gibt Kühne, Die außer­ schuldvertragliche Parteiautonomie im neuen IPR: IPRax 1987, 69-74.

Bewertungs- und Abwägungssystem heraus, das die Berücksichti­ gung der ausländischen Anwendungsinteressen mehr oder weniger von einem Werteeinklang zwischen Ausland und Inland abhängig macht340. Inwieweit die Interessen dritter Personen die Rechtswahlfrei­ heit einschränken sollten, kann nur eine Bewertung und Abwägung für einzelne Gebiete und Sachfragen ergeben, die hier zu weit führen würde. Hervorzuheben ist jedenfalls, daß ihnen nicht nur durch völligen Ausschluß, sondern auch durch bloße Einschränkung der Rechtswahlfreiheit auf bestimmte Tatbestände341 oder wählbare Rechtsordnungen342 Rechnung getragen werden kann. Grundsätzlichere Schwierigkeiten entstehen dem Gedanken der Rechtswahlfreiheit heute nur noch durch die Frage, wie diejenigen, die von Rechtswahlfreiheit Gebrauch machen, gegen unzulässige Beeinflussung und eigene Unterlegenheit, Unerfahrenheit oder Un­ bedachtheit geschützt werden. Das Interesse, welches sich wegen dieser Tatbestände gegen Rechtswahlfreiheit richtet, ist ein Interesse der Betroffenen selbst - nur daß es erst nach der Rechtswahl erkannt und geltend gemacht wird; man kann es aber auch definieren als eines der Allgemeinheit, nämlich am Schutz der Schwachen und Unerfahrenen und daran, daß der Rechtsverkehr in wirklicher Wil­ lensfreiheit stattfinde. Willensmängel im klassischen Sinne (Drohung, Täuschung, Irr­ tum) sind hierbei kaum ein Problem. Schutz gegen sie ist elementare Aufgabe jeder Rechtsordnung343, man braucht wegen der verblei­ benden Unterschiede im Detail nicht die Rechtswahlfreiheit im ganzen anzutasten344. Das gleiche gilt, soweit nationales zwingendes Recht gegen Unterlegenheit, Unerfahrenheit oder Unbedachtheit schützen soll. Man kann es berücksichtigen über Sonderkollisions­ normen (z. B. § 12 AGBG), über Art. 34 EGBGB und die Grundsät­ ze zur Berücksichtigung ausländischen Eingriffsrechts oder auch wo solches zwingendes Recht international zu vermuten ist - durch 340 Siehe Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht; Kegel, IPR 712 ff; IPR223ff., 226ff; Grossfeld, Internationales Unternehmensrecht 124ff. 341 So die Thesen zur Reform des IPR (oben N. 336). 342 So z. B. Kühne, Parteiautonomie 104ff., 129ff.

von

Bar,

343 Dazu ZWEIGERT/KöTZ II108 ff.

344 So immer schon die herrschende Auffassung im Vertragsrecht, heute Art. 3 IV mit Art. 8 des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens (= Art. 27IV mit Art. 31 EGBGB).

sektorale und differenzierte Einschränkungen der Rechtswahlfrei­ heit selbst, wie es in Art. 29 und 30 EGBGB (= Art. 5 und 6 des EGÜbereinkommens) für Verbraucher- und Arbeitsverträge gesche­ hen ist. Der kritische Punkt ist erreicht mit der Frage, ob die Beteiligten gegen eine Rechtswahl auch dann geschützt werden müssen, wenn sie die Wahl ohne wirkliche Kenntnis des materiellen Inhalts der in Frage kommenden Rechtsordnungen getroffen haben. Kegel sieht offenbar in den Gefahren, die hierin liegen, einen wesentlichen Grund für die Versagung der Rechtswahlfreiheit im Erbrecht (im Gegensatz zum Vertragsrecht), »weil es mit der Verteilung des Vermögens einen einmaligen Vorgang von großem persönlichen Gewicht für den Erblasser regelt, während Schuldverträge häufig, vielgestaltig, meist minder wichtig und schnell vergänglich sind und daher die Anknüpfung an den Partei willen eher tragbar ist«345. Ein Blick auf die Alternativen, die sich bieten, zeigt, daß die »blinde« Rechtswahl kein grundsätzliches Problem, das Interesse der Beteiligten, von ihr wieder loszukommen, nicht präsumtiv schützenswert ist. Die Alternative zur »blinden« Rechtswahl wäre das Eingreifen einer objektiven und abstrakten Anknüpfungsregel, die das anwendbare Recht - gerade nach Kegel - ebenfalls ohne Rücksicht auf seinen materiellen Inhalt bestimmt. Den Gefahren blinder Rechtswahl muß und kann begegnet werden durch Regelun­ gen, die vorherige Information anregen und erleichtern, z. B. durch Form Vorschriften (Beispiel: Art. 14 IV EGBGB), durch die Be­ schränkung wählbarer Rechtsordnungen346, durch Beschränkung der Rechts wähl auf einen konkreten Streitfall (so z. B. die Möglich­ keit der Zuständigkeitsprorogation durch rügelose Einlassung, § 39 ZPO, oder durch streitfallbezogene Gerichtsstandsvereinbarung, § 38III ZPO). Im übrigen kann es hier wie bei allen Wahlsituationen aus Gründen des Informationsaufwandes oder sonstiger Nutzenkal­ kulation für die Beteiligten ganz rational sein, die Entscheidung zu treffen, ohne die Qualität sämtlicher Alternativen im einzelnen aus­ zuloten. Aus der möglichen Blindheit einer Rechtswahl läßt sich daher nicht herleiten, daß das nach solcher Rechtswahl nur mögli­ 345 Kegel, IPR 651. 346 Siehe Kühne, Parteiautonomie; Art. 25II EGBGB; Art. 3711, 52II, 90II, 104, 121III des Schweizer IPR-Gesetzes.

cherweise entstehende Interesse, von der Rechtswahl wieder loszu­ kommen, immer honoriert werden müßte. 5. Wahl der lex fori Unter dem Gesichtspunkt der Gegeninteressen bereitet die ge­ ringsten Schwierigkeiten eine Rechtswahl, welche im Effekt zur Anwendung der lex fori führt. Es entfällt das Problem der Sonder­ anknüpfung des heimischen zwingenden Rechts (Art. 34 EGBGB). Man wird dem eigenen Recht auch am ehesten zutrauen, die Betei­ ligten gegen Willensmängel, Unterlegenheit oder Unbedachtheit bei der Rechtswahl zu schützen. Die ausländischen öffentlichen Interessen, die sich durch zwingendes Recht außerhalb des gewähl­ ten Sachstatuts geltend machen, haben im inländischen Forum oh­ nehin den schwächsten Stand und werden dort noch auf lange Zeit nur selten den Vortritt bekommen347. Es bleiben die Drittinteressen, im Familienrecht vor allem die der Kinder, im Erbrecht die der erbinteressierten Angehörigen und der Gläubiger, im Sachenrecht die der Teilnehmer des Rechtsverkehrs. Bei den familien- und erbrechtlichen Interessen wird man im Inland ohnehin geneigt sein zu der Annahme, sie mit der lex fori ausrei­ chend schützen zu können; sollte man irren in diesem Punkt, wird in vermögensrechtlichen Sachen (Erbschaft, Unterhalt) der »Schaden« wenigstens limitiert durch die persönlichen Grenzen der materiellen Rechtskraft. Ohnehin können durch eine Rechtswahl die Interessen Dritter nur dann berührt werden, wenn schon nach objektivem Kollisionsrecht auch ihre Stellung nach dem zur »Abwähl« anste­ henden Statut bestimmt wird (so z. B. nach Art. 19 I, II 1 EGBGB die Stellung der Kinder nach dem Familienstatut des Art. 14, die Stellung sämtlicher erbinteressierter Angehöriger nach dem Erb­ statut, Art. 25 EGBGB)348. Diese Statuten werden aber in allen Kollisionsrechten nach Merkmalen bestimmt, die unabhängig vom materiellen Schutzniveau der beteiligten Rechte sind (z. B. Wohn­ sitz, Staatsangehörigkeit, Lageort) und nicht in der Person gerade dieser Interessenten, sondern derjenigen Person gegeben sind, von 347 Siehe dazu Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht; Kegel, IPR 712ff.; von Bar, IPR 223 ff., 226 ff; Grossfeld, Internationales Unternehmensrecht 124 ff. 348 Anders z. B. Art. 19II 2 und Art. 20 EGBGB.

denen sie ihre Rechtsstellung ableiten (Eltern, Erblasser)349. Mit anderen Worten: Auch das objektive Kollisionsrecht geht in diesen Fällen davon aus, daß die Interessen der Kinder und Angehörigen mit demjenigen Recht am besten bedient werden, welches unabhän­ gig von seinem materiellen Inhalt für die »Hauptpersonen« maßgeb­ lich ist. Warum soll diese Annahme nicht auch gelten, wenn das Statut durch die »Hauptpersonen« selbst gewählt worden ist? Im Sachenrecht ist die Rechtswahl, die auf die lex fori führt, für Drittinteressen noch unbedenklicher. Sie setzt einen Rechtsstreit über die sachenrechtliche Zuordnung voraus, für den die Parteien dieses Rechtsstreits eine Rechtswahlvereinbarung getroffen haben oder treffen wollen. In dieser Situation wird aber der Schutz von Drittinteressen ausreichend sichergestellt durch die Regeln über die personelle Reichweite der Rechtskraft350. Zu einer zusätzlichen Be­ rücksichtigung dieser Interessen auf kollisionsrechtlicher Ebene be­ steht kein Anlaß351. Es ist unter allen diesen Umständen schwer vorstellbar, daß es Interessen Dritter geben könnte, welche einer Anwendung der lex fori aufgrund einer Rechtswahl entgegenstehen und bei der Abwä­ gung dem in der Rechtswahl bekundeten Anwendungsinteresse vorzuziehen sein könnten. Alle Kollisionsnormen, welche die Wahl einer bestimmten lex fori gestatten, haben deshalb eine hohe Wahr­ scheinlichkeit für sich, im konkreten Fall zu einem interessengerech­ ten Ergebnis zu führen352. Das wird noch deutlicher zu sehen sein, wenn im folgenden die lex fori-Anknüpfung als solche unter interes­ senjuristischer Perspektive behandelt wird. 349 Darauf haben schon Dölle, Die Rechts wähl im Internationalen Erbrecht: RabelsZ 30 (1966) 205-240 (217) und, ihm folgend, Kühne, Parteiautonomie 77 hingewiesen. 350 Näher darüber Flessner 570. 351 Für sachenrechtliche Parteiautonomie im Rahmen sorgfältig geprüfter Inter­ essenverträglichkeit auch Staudinger (-Stoll) (1985) Rnr. 220 ff., 227 ff., 309 f.; Drobnig, Entwicklungstendenzen 150 f.; Hinweise auf weitere Befürworter bei Kegel, IPR 485. 352 So z. B. § 9 der ungarischen Rechtsanwendungsverordnung, wonach die Parteien in allen Fällen statt der an sich anwendbaren Rechtsordnung die (ungari­ sche) lex fori wählen können. Ebenso Art. 1 IV des niederländischen Gesetzes über Ehescheidung; zu diesen Texten siehe von Overbeck, Theorie 260f. Auch die Wahl des Erbrechts für deutsche Grundstücke, die jetzt nach Art. 25II EGBGB zugelassen ist, läuft auf eine Anwendung der (deutschen) lex fori hinaus.

113

IV. Lex fori 1. Grundauffassungen

Im internationalen Privatrecht dreht sich alles um die nationale lex fori. Mit diesem Paradox lassen sich zwei ganz gegensätzliche Ten­ denzen im Kollisionsrechtsdenken bezeichnen. Nach der einen ist die Anwendbarkeit der lex fori die Grundregel. Die Theorie des internationalen Privatrechts muß erklären, wann und warum im inländischen Forum ausländisches Recht Beachtung verdient. Nach der anderen ist die lex fori eine lex wie jede andere. Inländisches und ausländisches Recht müssen in jedem Forum gleich behandelt wer­ den. Die lex fori bedarf für ihre Anwendung eines kollisionsrechtli­ chen Titels nicht anders als das ausländische Recht, und es ist pein­ lich genau darauf zu achten, daß ihr nicht aus Bequemlichkeit, Beschränktheit, selbstgerechter Voreingenommenheit oder blan­ kem Egoismus doch der Vorzug gegeben wird353. Die lex fori als Ausgangspunkt begegnet vor allem im englischen und amerikanischen Kollisionsrechtsdenken. Ehrenzweig in seinen zahlreichen Schriften bezeichnete sie als »basic rule« (später aller­ dings nur noch als »residuary rule«) und begründete dies letztlich mit der faktischen Normalität der Anwendung des heimischen Rechts354. Für Currie rechtfertigte sich die Vorherrschaft der lex fori, weil das inländische Gericht als nichtpolitisches Staatsorgan sich in der internationalen Konkurrenz der Anwendungsinteressen vernünftigerweise (»rationally«) nicht anders als für die des eigenen Staates entscheiden kann355. Aber auch weniger radikale Theorie nimmt die lex fori als Grundregel356, und sie wird hierin gestützt durch weitgehende Verknüpfung von Zuständigkeit und Eigen­ rechtsanwendung im Personen- und Familienrecht357 sowie durch 353 Zur lex fori als Angelpunkt des kollisionsrechtlichen Denkens ausführlich Wasserstein-Fassberg, The Forum: ZvglRWiss. 84 (1985) 1-44 (5f.). 354 Zu Ehrenzweigs Lehre bes. eingehend Siehr, Die lex-fori-Lehre heute, in: A. Ehrenzweig und das IPR (1986) 35-136 (49ff). 355 Currie 90, 119, 183 f., 190 und durchgängig. Siehe auch oben Text vor N. 14. Über lex fori-Ansätze insgesamt ausführlich und kritisch Lalive 154ff., 185ff. 356 So z. B. Scoles/Hay 5: »Conflict of laws theory . .. addresses the questions of when and why foreign law should be applied«. 357 Scoles/Hay 475 (Scheidung), 541 (Adoption); Morris 191 (Scheidung), 254f.

den Prozeßgrundsatz, daß ausländisches Recht nur auf ausdrückli­ chen Parteiantrag anzuwenden (und in der Regel auch von der Partei nachzuweisen) ist358. Die lex fori dagegen nur als eine Rechtsordnung unter gleichen anzusehen, ist der Standpunkt der traditionellen kontinentaleuropäi­ schen Theorie, die auf Savigny zurückgeht. Sie wird begründet mit den Notwendigkeiten des internationalen Rechtsverkehrs; dieser verlangt nach Koordination der Privatrechssysteme auf der Basis der Gleichberechtigung und gegenseitigen Achtung und nach einer neu­ tralen Ordnung der Gesetzgebungszuständigkeiten, die den Ent­ scheidungseinklang sichert: inländisches und ausländisches Recht müssen gleichberechtigt zur Anwendung kommen, und es muß Entscheidungsharmonie angestrebt werden in dem Sinne, daß der Sachverhalt nach derselben Rechtsordnung beurteilt wird, gleich­ gültig in welchem Land er anhängig gemacht wird359. In den Augen mancher Vertreter dieser Auffassung bewährt sich das Kollisions­ recht erst wirklich, wenn es ausländisches Recht zur Anwendung beruft; die lex fori erscheint als negativer Orientierungspunkt (als »Verneinung des Kollisionsrechts« 360), zu dem so lange wie möglich Abstand zu halten ist361. Auf dem Boden dieser traditionellen Hal­ (Adoption). Angaben dazu besonders auch in der deutschen Literatur zur »versteck­ ten Rückverweisung«, nachgewiesen bei Kegel, IPR 252£ 358 Scoles/Hay 410; Morris 37 £ 359 In diesem Sinne z. B. Neuhaus, Grundbegriffe 29f£, 43, 49f£, 70, 81, 89; Kegel, Vaterhaus 554; Vitta, II principio dell’ uguaglianza tra »lex fori« e diritto straniero: Riv.trim.dir.proc. civ. 18 (1964) 1578-1665; Siehr, Lex-fori-Lehre 105; treffend zusammenfassend beschrieben auch bei Wasserstein-Fassberg 8£; weitere Nachweise bei Neuhaus, Grundbegriffe 30, 33; Kegel, IPR 194; ders., Fundamen­ tal Approaches 13. 360 Rabel, Die deutsche Rechtsprechung in einzelnen Lehren des IPR: RabelsZ 3 (1929) 752-757 (754). Ähnlich W. Goldschmidt, Die philosophischen Grundlagen des IPR, in: FS Martin Wolff (1952) 203-223 (205): »Die Geschichte des IPR muß als Kampf des juristischen Chauvinismus mit dem juristischen Kosmopolitismus dar­ gestellt werden. . . . Das axiologisch Maßgebende im IPR ist. . . die Geneigtheit, ausländisches Recht handzuhaben«. 361 Sehr »sprechend« insoweit die meisten kontinental-europäischen Lehrbücher, in denen das Forum nicht in der Liste der anerkannten Anknüpfungsgründe, sondern allenfalls als Grund und Ziel des problematischen »Heimwärtsstrebens« hervorge­ hoben wird; für das letztere siehe z. B. Neuhaus, Grundbegriffe 67 ff. Anders jetzt aber Keller/Siehr 390f£; von Bar, IPR 473£ (dieser aber noch argwöhnisch: »Drang zur lex fori«, 474).

tung wird sogar diskutiert, ob nicht auch für reine Inlandsfälle die Anwendung der lex fori (die dort selbstverständlich ist) genau ge­ nommen als Folge einer Zulassung durch das Kollisionsrecht zu denken ist362. Bei einer Betrachtung des internationalen Privatrechts nach realen Interessen können beide skizzierten Grundauffassungen selbst als bloße Ausgangspunkte der Theorie- und Normbildung nicht befrie­ digen. Die traditionelle kontinentaleuropäische Lehre scheitert schon daran, daß es für die Gleichberechtigung der Rechtsord­ nungen, die sie anstrebt, keinen realen Interessenten gibt. Rechts­ ordnungen als solche sind geistiges Gebilde und soziale Struktur; sie haben nicht selbst ein »Interesse« (oder Desinteresse) an ihrer An­ wendung. Ein solches Interesse könnte der Staat haben, der sie schafft und unterhält. Aber die traditionelle Lehre nimmt gerade selbst an, daß Staaten nicht hinsichtlich ihres gesamten Privatrechts, sondern allenfalls für ihr wirtschafts- und sozialpolitisches Len­ kungsrecht (Eingriffsnormen) ein eigenes Anwendungsinteresse he­ gen (das aber nicht unbedingt auch auf Anwendung in ausländischen Foren gerichtet sein muß)363. Die Lehre von der anzustrebenden Gleichbehandlung der Rechts­ ordnungen ist bei interessenjuristischer Analyse also nicht nur unzu­ länglich, sondern innerlich widersprüchlich. Real vorhanden sind (gerade nach ihr) in den allermeisten privatrechtlichen Fällen nur die Interessen der privaten Beteiligten, aber sie sind gerichtet auf An­ wendung dieses oder jenes Rechts um der Belange der beteiligten Privaten willen, nicht um den beteiligten Rechtsordnungen die Gleichberechtigung zu verschaffen. Die vorngenannten Begründungen für die Anwendung der lex fori als »Primärstatut«364 sind interessenjuristisch gesehen nicht bes­ ser. Das faktische Überwiegen der lex fori-An Wendung, ihre grö­ ßere Normalität in der Praxis (Ehrenzweig u. a.), sagt noch nichts über ihre Berechtigung unter Interessengesichtspunkten; und das 362 Dafür Kegel, IPR 5; Schurig 54-57. Dagegen aber E. Lorenz, Internationales Vertragsrecht 310£; Lüderitz, IPR 5 und ausführlicher ders., IPR im Übergang 345-349. Weitere Nachweise bei Siehr, Lex-fori-Lehre 48 f. 363 Dazu ausführlich Neuhaus, Grundbegriffe 29 ff., 41 ff, siehe auch oben Text beiN. 178-181. 364 So der Ausdruck von Siehr, Lex-fori-Lehre 45, 85, 108.

Interesse des Forumstaates, gerade seine Rechtszwecke durchzuset­ zen (Currie), ist in den meisten privatrechtlichen Fällen real ja nicht feststellbar365. Man hat aber auch versucht - umgekehrt aus dem übernationalen Gerechtigkeitsgehalt des Privatrechts die Präferenz für die lex fori zu entwickeln366: 367 Recht 368 ist nicht nur soziale Zwecksetzung, sondern auch eine Verkörperung der in einer gegebenen Rechtsgemeinschaft gewachsenen Überzeugungen von Moral und Gerechtigkeit, »an enduring reservoir of community traditions, experiences and wis­ dom incorporated into a body of positive legal principles«367. Nicht umsonst sind deshalb die Normen des Privatrechts (gesetzliche wie richterrechtliche) in der Regel ohne Bestimmung ihres räumlichen oder persönlichen Geltungsbereichs formuliert; denn jede nationale Lösung ist prima facie legitimiert als gewissenhafte Antwort auf die ganz allgemeine Frage nach der Gerechtigkeit zwischen Privaten: ». . . unless clearly provided to the contrary by the domestic law­ maker, local legal Standards reflect community shared conventions of justice, reason and expediency and hence are »general truths« in the sense of not being inherently and conclusively restricted to wholly domestic instances«. Bedenkt man zusätzlich, daß das heimi­ sche Recht einfacher, schneller und sicherer anzuwenden ist als das ausländische, so erscheint die Anwendung der lex fori als natürliche, rationale und selbstverständliche Lösung »unless and until a good cause is shown why a given local position is irrelevant or somehow displaced by a foreign rule«368. Diese Betrachtungsweise dürfte der Funktion des Privatrechts mehr entsprechen als die Lehren, welche das Privatrecht in Dienst genommen sehen für die »Steuerung« von Sozialprozessen. Bei realistischer Interesseneinschätzung trägt aber auch sie die Präferenz für die lex fori nicht. Denn im Prozeß (den eine lex fori-Anknüpfung ja voraussetzt) muß die Entscheidung in der Regel auf konkrete Rechtssätze gestützt werden. Man hat es also nicht mehr zu tun mit 365 Dazu Text bei N. 25, 26. 366 In diesem Sinne ausführlich Shapira, The Interest Approach to Choice of Law (1970) bes. 49-53. 367 Shapira 52. 368 Shapira 53. Ähnlich wohl Lüderitz, IPR 46: »Materielle Gerechtigkeit wird durch die lex fori indiziert«.

den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen (die vielleicht noch in der außergerichtlichen Phase zwischen den Beteiligten eine Rolle gespielt haben mögen), sondern mit den Ergebnissen ihrer Positivierung in verschiedenen nationalen Rechten (die unterschiedlich aus­ gefallen sein können) sowie mit den potentiell gegensätzlichen Inter­ essen der Beteiligten, aus der Relativität der nationalen Positivierungen so oder so herauszufinden, sie sich eventuell auch zunutze zu machen. Der Hinweis darauf, daß alle nationalen Rechtsordnungen mit ihren Lösungen eigentlich nach derselben Gerechtigkeit strebten und das Beste wollten, ist keine zureichende Antwort mehr auf diese Interessenlage, die an viel konkreterem Rechtsstoff entstanden ist.

2. Interessen Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß die gängi­ gen Grundauffassungen zur Bedeutung der lex fori im Lichte einer realistischen Interessenanalyse nicht bestehen können. Anwendung wie Nichtanwendung der lex fori müssen vielmehr in jedem Fall aus benennbaren Interessen zu begründen sein. a) Die augenfälligste Manifestation eines Interesses an der An­ wendung der lex fori ist das oft beschriebene »Heimwärtsstreben« der Gerichte369. Die Doktrin verurteilt es, wenn die Gerichte das Kollisionsrecht »in favorem legis fori« verbiegen oder ganz überge­ hen, billigt es, wenn sie dafür kollisionsrechtliche Denkfiguren, wie etwa die Qualifikation oder die Rückverweisung, benutzen370. Entscheidend müssen aber die Interessen und die Interessenten sein. Soweit dem Heimwärtsstreben ein Interesse der Richter zugrun­ de liegt, sich die Mühe mit dem ausländischen Recht zu ersparen, muß es a limine unbeachtlich sein - aber nicht, weil das Kollisions­ recht gegen Arbeitserleichterung für Gerichte und für Anwendung ausländischen Rechts streiten muß, sondern weil das Recht seine eigenen Schöpfer und Verwalter existenznotwendig nur in dienen­ der Funktion, nicht als Eigeninteressenten anerkennen darf371. Ein legitimes Interesse an einer Anwendung der lex fori, weil sie die 369 Neuhaus, Grundbegriffe 67 ff; Kegel, IPR 88 f.; Nussbaum, Deutsches IPR (1932) 42f. (von dem wohl der Ausdruck stammt). 370 Siehe Neuhaus, Kegel (vorige Note). 371 Siehe auch Text bei N. 272.

Arbeit der Gerichte erleichtert, ist dagegen als eines der konkreten Verfahrensbeteiligten und weiterhin als eines der Allgemeinheit denkbar - der Gesamtheit der die Gerichte finanzierenden Bürger oder der potentiellen Nutzer des Gerichtssystems372. Der Blick auf die Interessenten macht jedenfalls deutlich, daß - erstens - das Stre­ ben zur lex fori in erster Linie durch Interessen, nicht durch den gewählten Weg legitimiert oder diskreditiert wird, daß aber - zwei­ tens - die Interessen nicht losgelöst von den Interessenten erfaßt und bewertet werden können. b) Die Allgemeinheit (repräsentiert durch die Staatsorgane) kann aus verschiedenen Gründen ein Interesse an der Anwendung der lex fori haben: weil sie Zwecke, die mit bestimmten Gesetzen verfolgt werden, auch im internationalen Fall durchgesetzt haben will; weil sie im inländischen Forum für jeden einen gewissen Mindestgehalt inländischer GerechtigkeitsVorstellungen gewahrt wissen will; und weil sie die inländische Gerichtsbarkeit davor bewahren will, sich zu kompromittieren durch Befolgung von Rechtsvorstellungen, die im Inland anstößig erscheinen. Solche Interessen der Allgemeinheit an der Anwendung inländischen Rechts, wenn gegeben, verschaffen sich Vorrang gegenüber anderen Anknüpfungen durch einseitige zwingende Kollisionsnormen (z. B. §98 II GWB, §12 AGBG), durch versteckten Kollisionsnormgehalt in zwingendem Sachrecht (z. B. über Art. 34 EGBGB), über die ordre public-Klausel (Art. 6 EGBGB), über Rechtskontrolle nach §§ 138, 242 BGB und über das Verfassungsrecht. Die Anwendung der lex fori kann schließlich einem Interesse der Allgemeinheit entsprechen, Gerichtsverfahren einfach und zügig und die Entscheidungsqualität auf dem Inlands­ standard zu halten. Ob im Sinne einer realistischen Interessenjuris­ prudenz überhaupt die Existenz eines solchen Interesses angenom­ men werden kann, ist freilich zweifelhaft, soweit der Staat selber durch seine Kollisionsnormen die Anwendung ausländischen Rechts vorgeschrieben hat. Hierauf wird im nächsten Abschnitt bei der Behandlung der Rückverweisung zurückzukommen sein373. 372 Deshalb wäre auch ein Interesse an der möglichst häufigen und korrekten Benutzung des wissenschaftlich (mit) geschaffenen IPR-Systems nicht als eines der Autoren des Kollisionsrechts (das faktisch vielleicht hier und da besteht) anzuerken­ nen, sondern nur, wenn es eines der Allgemeinheit ist. 373 TextbeiN. 441 ff.

c) Die kritische Materie sind die Parteiinteressen. Daß sie tatsäch­ lich auf Anwendung der lex fori gerichtet sein können, auch wenn sonst keine Verbindung mit diesem Recht vorliegt, ist bei realisti­ scher Betrachtung unbestreitbar. Das Interesse kann motiviert sein durch einen den Parteien erwünschten Inhalt der lex fori. Es kann aber auch unabhängig davon entstehen aus dauerhaften Grundgege­ benheiten der Anwendung ausländischen Rechts, die in der deut­ schen Diskussion um »fakultatives Kollisionsrecht« ausführlich be­ schrieben worden sind374. Sie sollen hier nur noch einmal zusam­ mengefaßt werden: Weil inländische Richter und Anwälte mit dem ausländischen Recht in der Regel weniger vertraut sind, werden Beratung, Vortrag vor Gericht, gerichtliches Verfahren, Entschei­ dungsgewinnung und Entscheidungsbegründung schwerfälliger, unsicherer, kosten mehr Zeit und Geld, und es wird (bei der gestei­ gerten Unsicherheit eigentlich paradox!) der Rechtsmittelzug ver­ kürzt. Insgesamt erreicht die Qualität der Justiz, des gesamten juri­ stischen »Service«375, nicht den normalen Inlandsstandard. Umge­ kehrt verliert auch das angewendete fremde Recht in den Händen des inländischen Richters von den Qualitäten, die es in der Anwen­ dungspraxis seines »Heimatlandes« hat. Otto Kahn-Freund sprach von den »riddles of metamorphosis which law must of necessity undergo when it is in the hands of a foreignjudge«376, 377 denn »the law of A in the courts of B is always something very different from the law of A in the courts of A«377. Ähnlich hat in Deutschland Müller-Graff treffend darauf hingewiesen, daß eine »authenti­ sche« Auslandsrechtsanwendung denknotwendig unmöglich ist, »da Rechtsanwendung nicht trennbar ist von Verfahren und Einbet­ tung eines Gerichts in seine jeweils eigene Rechtsordnung«, oder anders, da »materielles Recht ohne seine prozessuale Seite nur die halbe Wahrheit ist«378. 374 Flessner 549 ff.; Simitis, Entscheidungsfindung 15; Sturm, Fakultatives Kol­ lisionsrecht 344 f.; Müller-Graff, Fakultatives Kollisionsrecht im internationalen Wettbewerbsrecht?: RabelsZ 48 (1984) 289-318 (292ff). 375 Zweigert, Zur Armut 445. 376 Kahn-Freund, General Problems of Private International Law: Rec. des Cours (1974-III) 137-474 (352). 377 Kahn-Freund 440; siehe auch 449. 378 Müller-Graff 293, 309 f. Sehr plastisch neuestens Basedow/Diehl-Leistner: Gerechtigkeit braucht juristische »Infrastruktur« (Anwälte, Gerichte, juristische

Die so zusammengefaßten (im Vergleich zu Inlandsfällen negati­ ven) Umstände und Effekte müssen zwar nicht in jedem Fall der Fremdrechtsanwendung eintreten, sie sind aber in deren Gegeben­ heiten angelegt. Den daraus entwickelten Vorschlag, das Kollisions­ recht als »fakultativ« zu behandeln, haben viele abgelehnt379; doch wird auch von der Kritik im Grunde anerkannt, daß die Anwendung ausländischen Rechts unter deutlich anderen Bedingungen stattfin­ det als die des heimischen, den Richtern und Anwälten vertrauten Rechts380. Diese Andersartigkeit reicht aber aus, um ein Interesse der Parteien, mit Hilfe der lex fori die Nachteile der Fremdrechtsanwen­ dung zu vermeiden, jedenfalls als möglich anzuerkennen. Wenn ihre Sache vor einem nationalen Gericht anhängig ist, haben die Beteilig­ ten sich vom internationalen Rechtsraum (dem »espace transnatio­ nal«) wieder zu einem nationalen hinbewegt. Sie suchen Hilfe und Schutz in einer nationalen »Infrastruktur der Gerechtigkeit«381, und es liegt nahe, daß sie sich auch in ihren sachrechtlichen Erwartungen nun auf deren Eigenarten einstellen. Zu diskutieren ist also unter interessenjuristischen Perspektiven nur, unter welchen Umständen ein Interesse an der Anwendung der lex fori als tatsächlich vorhanden anzunehmen und wie es an sich und im Verhältnis zu möglichen Gegeninteressen zu bewerten ist. Das Interesse ist klar vorhanden, wenn die Parteien sich im Verfahren übereinstimmend für die Anwendung der lex fori aussprechen. Es ist, weil es ein übereinstimmendes ist, auch grundsätzlich ebenso positiv zu bewerten wie eine auf die lex fori führende Rechtswahl­ vereinbarung382. Auch was potentiell entgegenstehende Allgemein­ Ausbildung, Literatur, Organisation von Gesetzgebung und Prozessen), diese wird ganz vorwiegend national erstellt und unterhalten und das wiederum beeinflußt notwendig die Rechtsanwendung. 379 Über fakultatives Kollisionsrecht und seine Aufnahme in der Literatur schon Text vor N. 169 und bei N. 170-172. 380 VgL Kegel, IPR 316; Lüderitz, Parteiinteresse 51 f.; Neuhaus, Grundbegrif­ fe 65 mit 222ff.; Keller/Siehr 502f, 504£; von Bar, IPR 354 mit 472; Lalive 165. 381 So der Ausdruck von Basedow/Diehl-Leistner (oben N. 378). 382 Darüber Text bei N. 347 ff. Möglich wäre es auch, schon in den übereinstim­ menden Prozeßerklärungen eine kollisionsrechtliche Rechtswahlvereinbarung zu sehen; aber auch ohne die Qualifizierung als »Vereinbarung« einer Rechtswahl kann man die übereinstimmenden Erklärungen als rechtsanwendungsbestimmendes Pro­ zeßverhalten für das anhängige Verfahren akzeptieren; darüber Flessner 556, 567.

interessen oder Drittinteressen angeht, ergeben sich hier keine ande­ ren Überlegungen als bei der schon erörterten Rechtswahl durch Parteivereinbarung; sie dürften durch die Anwendung der lex fori nur selten betroffen und denen der Parteien vorzuziehen sein383. Die These vom fakultativen Charakter des Kollisionsrechts geht davon aus, daß grundsätzlich die gleiche Interessenlage auch ohne ausdrückliche Erklärung der Parteien anzunehmen ist, oder anders herum: erst dann nicht mehr anzunehmen ist, wenn eine der Parteien die Anwendung des nach objektivem Kollisionsrecht anwendbaren ausländischen Rechts verlangt384. Die Gegner der These sehen darin einen der Hauptgründe für ihre Kritik385. Tatsächlich kann das Schweigen der Parteien zur Frage des anwendbaren Rechts auf un­ terschiedlichen Vorstellungen beruhen: die Parteien haben die An­ wendbarkeit fremden Rechts gar nicht gesehen; oder sie haben sie gesehen, aber (für sich oder miteinander) beschlossen, sie im Interes­ se einer Anwendung der lex fori auf sich beruhen zu lassen; oder sie haben sie gesehen, sind selbst zu der Frage aber noch unentschlossen; möglich ist auch, daß jede Partei sich auf einer anderen dieser Vor­ stellungsstufen befindet. Für interessenjuristische Betrachtung besteht die Schwierigkeit dieser Situation darin, daß die Richtung der Parteiinteressen nicht deutlich genug feststellbar ist. Aus ihrer Sicht muß der Richter in solcher Lage konsequenterweise (nach deutschem Recht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht gemäß §§ 139, 273, 278III ZPO) nicht nur berechtigt, sondern stets verpflichtet sein, die IPR-Frage mit den Parteien offen zu erörtern und sie zur Erklärung über das anzuwen­ dende Recht aufzufordern386. Soweit die Kritik sich gegen ein Er­ messen des Richters in diesem Punkt ausspricht, erscheinen ihre Bedenken387 also gerade aus interessenjuristischer Sicht begründet. Die Einzelheiten (wann der Richter das Prozeß verhalten der Parteien als undeutlich auffassen und deshalb hin weisen und fragen muß; in 383 Siehe Text bei N. 340ff., 347ff 384 Flessner 581 f. 385 So z.B. Schurig 346, 348; Lalive 174f, 176f.; Bolka, Zum Parteieneinfluß auf die richterliche Anwendung des IPR: ZRvgl. 1972, 241-256 (249); der Sache nach auch Schack, Rechtswahl im Prozeß?: NJW1984, 2736-2740. 386 So auch Raape/Sturm 306 f., und Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht 341 f.; Schack (vorige Note) 2739. 387 Besonders gegen meine Ausführungen a.a.O. 582f.

welchem Ausmaß er seine Einschätzung der kollisionsrechtlichen Lage darlegen muß) sind eine Sache der richtigen Bestimmung der Aufgaben von Richter und Parteien nach dem Prozeßgesetz. d) Entscheidend ist aus interessenjuristischer Sicht nicht die pro­ zessuale Verwirklichung (des fakultativen Kollisionsrechts), son­ dern die Bereitschaft des Kollisionsrechts, fakultativ zu sein, d. h. den Parteien die auf den anhängigen Prozeß bezogene Wahl zwi­ schen der lex fori und dem sonst anwendbaren ausländischen Recht überhaupt zuzugestehen. Welche Gegeninteressen, außer den schon behandelten Interessen Dritter und den Interessen des Auslands, gibt es, die es rechtfertigen können, den bekundeten übereinstimmenden Willen der Parteien an der Anwendung der lex fori zugunsten einer anderen Anknüpfung zurückzudrängen? Die Kritik am Gedanken des fakultativen Kollisionsrechts ver­ weist auf die gesetzliche Anknüpfungsentscheidung; diese sei prä­ sumtiv aus guten Gründen getroffen und werde durch ein Eingehen auf das lex fori-Interesse der Streitparteien unterlaufen, vereitelt, aufgeweicht388. Nicht selten schwingt auch die Vorstellung mit, daß durch fakultatives Kollisionsrecht die objektive, aus sachlichem Grund gefundene »Zuordnung« von Sachverhalten oder Sozialbe­ ziehungen zu Rechtsordnungen (oder umgekehrt die »Berufung« von Rechtsordnungen zur Regelung) unsachgemäß konterkariert werde389. Der Gedanke der Zuordnung (oder der objektiven »Verbindung« von Sachverhalten mit Rechtsordnungen) hat sich in dieser Arbeit schon mehrfach als nicht tragfähig erwiesen; hinter ihm stehen keine realen Interessenten (Rechtsordnungen und Sachverhalte sind kei­ ne), deren Interessen das Kollisionsrecht zu beachten hätte390. Inter­ essent ist vielmehr die Allgemeinheit; sie hat ein Ordnungsinteresse, nämlich einen Bestand an verläßlichen und im Streitfall auch sach­ lich gerechten Kollisionsnormen zur Verfügung zu haben. Dieses Interesse wird durch die Fakultativität des Kollisionsrechts nicht betroffen. Das ergibt sich aus den folgenden zwei Überlegungen. 388 Vgl. Lüderitz, Parteiinteresse 51 £; Lalive 171 £; Keller/Siehr 502 £ 389 Diese Vorstellung legt ausdrücklich Müller-Graff 306 ff. seiner Untersu­ chung zugrunde, zeigt dann aber, daß sie von der nur fakultativen Anwendung der Kollisionsnormen in Wahrheit nicht tangiert wird (309£). 390 Siehe Text beiN. 174 ff. und 238, 239.

Zunächst muß bezweifelt werden, daß die Intention des Gesetzge­ bers so weit reicht, Kollisionsnormen, die im Parteiinteresse be­ stimmte Anknüpfungen enthalten, auch dann angewendet zu haben, wenn die betroffenen konkreten Parteien selbst (zugunsten der lex fori) darauf keinen Wert legen. Es ist schwer denkbar, daß die Allgemeinheit ein Interesse daran haben könnte, daß die Kollisions­ normen, wenn einmal vorhanden, unabhängig vom Willen der Be­ troffenen und möglichst immer angewendet werden. Kollisionsnor­ men sind nicht um ihrer selbst willen da, und auch das »Ansehen« des objektiven Kollisionsrechts steht nicht auf dem Spiel, wenn es bei einer im Parteiinteresse gewollten Anknüpfung den konkreten Interessen der Parteien Platz macht. Werden die Kollisionsnormen im Einzelfall wegen eines anderslautenden übereinstimmenden Par­ teiwillens zulässigerweise nicht angewendet, so stehen sie für die Zukunft als rechtliche »Infrastruktur« doch unversehrt zur Verfü­ gung. Sollte der Gesetzgeber aber selbst mit den im Parteiinteresse ge­ wählten Anknüpfungen doch eine Art von objektiver und aus­ schließlicher Verteilungsordnung wollen, so wäre zu konstatieren, daß er die Parteiinteressen dabei notwendig nur unvollkommen werten kann, die von ihm geschaffene Kollisionsnorm also einen immanenten »Anbaubedarf« hat, der durch ergänzende Interessen­ wertung zu befriedigen ist391. Denn bei der Aufstellung der allseiti­ gen Kollisionsnorm kann denknotwendig nicht berücksichtigt wer­ den, welche Rechtsordnung sie im konkreten Fall zur Anwendung beruft, in welchem Maße der angerufene Richter gerade mit ihr vertraut ist und wie die konkreten Parteien die Auswirkungen man­ gelnder Vertrautheit auf ihre Interessen einschätzen. Wenn ihre Ein­ schätzung sie dazu bringt, statt der objektiv-rechtlich gewiesenen die lex fori als Entscheidungsgrundlage zu wollen, ist in dem schon behandelten Sinne »Interessenschwund« eingetreten392, und dies muß jedenfalls bei einer so deutlichen Interesseverschiebung wie dem abweichenden übereinstimmenden Parteiwillen als Grund für eine ergänzende Interessenwertung ausreichen393. Selbst Schurig, 391 Darüber näher Text bei N. 273-280, 287-290. 392 Darüber näher Text bei N. 273. 393 Selbst wenn man im mehr traditionellen Sinne das Kollisionsrecht als objekti­ ve Zuweisung von Rechtsverhältnissen zu der ihnen »nahen« Rechtsordnung be­

der einerseits die Fakultativitätsthese ablehnt, andererseits aber die Inkongruenz von gesetzgeberisch vorgestelltem und tatsächlich vorhandenem Parteiinteresse im Kollisionsrecht am ausführlichsten behandelt hat394, ist deshalb anscheinend bereit, »solche Interessen der Parteien in die Abwägung einzubeziehen, die sich vielleicht daraus ergeben, daß das Gericht ein fremdes Recht anzuwenden hat, und möglicherweise bei besonderen Interessenkonstellationen eine alternative, auf bestimmte Rechtsordnungen (insbesondere die lex fori) beschränkte Rechtswahl zuzulassen«395. e) Die vorstehenden Überlegungen zeigen, daß der übereinstim­ mende Parteiwille an der Anwendung der lex fori durch Ord­ nungsinteressen der Allgemeinheit nicht verdrängt wird, weil diese nicht so weit reichen oder, wo in übertriebener kollisionsrechtlicher Geltungsanstrengung doch angemeldet, notwendig korrigiert wer­ den müssen. Dieses Ergebnis erlaubt abschließend eine auch interessenjuri­ stisch verhältnismäßig einfache Beurteilung des Falles, in dem die Parteien über die Anwendung der lex fori nicht einig sind, vielmehr greift, ist diese das Gesetz ergänzende Betrachtung legitim, weil zusätzlich zur gesetzlichen Nähebestimmung »die realisierte internationale Zuständigkeit des in­ ländischen Gerichts als Nähekriterium des in Streit befindlichen Rechtsverhältnisses zur lex fori« zu begreifen ist; so treffend Müller-Graff 309. Mit anderen Worten: Auch wenn das objektive Kollisionsrecht eine Herrschaft von Rechtsordnungen über Rechtsverhältnisse von deren Beginn an postuliert, »erdet« das Rechtsverhält­ nis doch und erhält erst dadurch eine festere rechtliche Gestalt, wenn es Gegenstand eines Rechtsstreits in einem bestimmten Forum (nach dessen Kollisionsrecht und Prozeßrecht) geworden ist. In diesem Sinne auch Keller/Siehr 131: ». . . ein Sachverhalt (wird) erst dadurch einem bestimmten Recht zugeordnet, daß er einem nationalen Gericht zur Beurteilung unterbreitet wird. Bis dahin untersteht ein Rechtsverhältnis a priori keiner bestimmten Rechtsordnung, solange ein Streit über dieses Verhältnis in mehreren Staaten vor Gericht gebracht werden kann und diese Staaten von unterschiedlichen Verweisungsnormen ausgehen«. In die gleiche Rich­ tung sehr grundsätzlich auch Rigaux, D.i.p. I2 S. VI, 53 ff, 223 ff. 394 Schurig 199-204; dazu näher oben Text bei N. 273-277. 395 Schurig 350. Er macht allerdings die Einschränkung, daß dies »innerhalb des Kollisionsrechts und nach den allgemeinen Grundsätzen für die Neubildung abwei­ chender Normen« geschehen müsse. Den Gedanken des fakultativen Kollisions­ rechts treffen diese Einschränkungen aber nicht. Denn er wendet sich - erstens auch an den kollisionsrechtlichen Gesetzgeber und ist - zweitens - auch de lege lata zu beachten, weil die Notwendigkeit ergänzender Interessen Wertung speziell dem Kollisionsrecht immanent ist; siehe dazu Text bei N. 273-279, 289-290.

mindestens ein Beteiligter sich auf die objektive, auf ausländisches Recht verweisende Kollisionsnorm beruft. Das Interesse ist legitim und dem gegenteiligen der anderen Partei Vorzugs würdig, weil das Vertrauen auf das Eingreifen der vorhandenen Kollisionsnorm zu schützen ist; es wird ergänzt durch das legitime Interesse der Allge­ meinheit, im Hinblick auf andere Fälle die gegebene Kollisions­ rechtsordnung sich im Vertrauensschutz bewähren zu sehen396. Fragen könnte man allenfalls, ob dieser Interessenschutz auch dann angebracht ist, wenn die kollisionsrechtliche Lage im konkre­ ten Fall so kompliziert, unsicher oder angreifbar ist, daß ein tatsäch­ liches Vertrauen auf ein bestimmtes kollisionsrechtliches Ergebnis gar nicht entstehen konnte; ähnlich, wenn sich auf das nach objekti­ vem Kollisionsrecht anwendbare ausländische Recht ein Beteiligter beruft, auf dessen Interessen die objektive Anknüpfungsnorm gera­ de nicht abstellt397. In solchen Situationen könnte das an sich legitime Interesse der anderen Partei an der Anwendung der lex fori wieder in den Vordergrund rücken. Jedoch hätte es möglicherweise mit ande­ ren gegensätzlichen Interessen der Gegenseite zu konkurrieren, die z. B. auf Anwendung eines ausländischen Rechts wegen seines In­ halts gerichtet sein können398. Eine allgemeine Aussage für solche Fälle ist nicht möglich. Wichtig ist hier wie generell nur, daß die Entscheidung für oder gegen die lex fori von den realen Interessen ihren Ausgang nimmt und dabei das Interesse an »authentischer« Rechtsanwendung, welches die lex fori befriedigt, ebenfalls als ein grundsätzlich legitimes anerkannt wird. f) Wie weit dagegen die traditionelle kontinentaleuropäische Doktrin von einer realistischen Einschätzung der Legitimität der lex fori entfernt ist, läßt sich verdeutlichen an der Frage nach dem Ersatzrecht, wenn das von der Kollisionsnorm gewiesene ausländi­ sche Recht nicht feststellbar ist. Die Rechtsprechung greift dann überwiegend auf die lex fori zurück, und die deutsche Doktrin zeigt 396 Erst hier macht sich wirklich bemerkbar das »aus der Existenz der Norm selbst resultierende Ordnungs- und Verkehrsinteresse des potentiellen Rechtsverkehrs an der Kontinuität der Anknüpfung«; Schurig 204. So auch schon Flessner 582; Sturm, Fakultatives Kollisionsrecht 335. 397 So etwa in dem vorn bei N. 285 erörterten Fall des Österreichers, der sich auf deutsches Recht wegen des dort möglichen Versorgungsausgleichs beruft. 398 So empfiehlt Zweigert, Zur Armut 447 für den Fall, daß eine klare und eindeutige Verweisungsnorm nicht vorliegt, die Anwendung des besseren Rechts.

eine zunehmende Tendenz, sich mit dieser Lösung wegen ihrer Praktikabilität abzufinden399. Überwiegend jedoch wird der direkte Weg zur lex fori noch abgelehnt; der Richter müsse sich zunächst bemühen, den Auftrag der Kollisionsnorm auf andere Weise auszu­ führen - durch Anwendung verwandter Rechtsordnungen400, durch Bildung kollisionsrechtlicher Ersatzanknüpfungen 401, durch An­ wendung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen402 oder von interna­ tionalem Einheitsrecht403. Tenor: Der Richter muß sich hüten, den Auftrag zur Anwendung ausländischen Rechts »voreilig«, »über­ stürzt«, aus Bequemlichkeit zurückzugeben404. Auffalligerweise spielt bisher in Praxis und Lehre keine Rolle die Frage, wessen Interessen mit der Anwendung der lex fori oder eben der vertretenen Ersatzlösungen eigentlich gedient ist405. So ist ja denkbar, daß ein vorhandenes oder bei der Gesetzgebung angenom­ menes Interesse an der Anwendung ausländischen Rechts verfliegt oder weniger schwer wiegt, wenn sich im Verfahren herausstellt, daß das angerufene Gericht zu einer normal fundierten Feststellung des berufenen Sachrechts nicht in der Lage ist406. Welche Interessen­ überlegungen durch solche Situationen herausgefordert sein kön­ 399 von Bar, IPR 328 f.; Lüderitz, IPR 90, beide mit Nachweisen der Rechtspre­ chung. 400 So wohl die Mehrzahl der Autoren, z. B. Kegel, IPR 323; Keller/Siehr 502; Neuhaus, Grundbegriffe 390; Lalive 244 f. 401 So K. Müller, Zur Nichtfeststellbarkeit des kollisionsrechtlich berufenen ausländischen Rechts: NJW 1981, 481-486 (484f.). 402 So Kötz, Allgemeine Rechtsgrundsätze als Ersatzrecht: RabelsZ 34 (1970) 663-678. 403 So Kreuzer, Einheitsrecht als Ersatzrecht: NJW 1983, 1943-1948 (1947f); faktisch so auch BGH 24. 11. 1960, NJW 1961, 410 (412) im berühmten Fall des afghanischen Wechselrechts. 404 Besonders kraß z. B. Neuhaus, Grundbegriffe 392: ». . . eine möglicherweise falsche Anwendung ausländischen Rechts (ist) mitunter das kleinere Übel gegenüber einer offenen Anwendung der lex fori. . . . Vor allem . . . vom Standpunkt der Psychologie des Richters (ist es) gefährlich, ihm den Ausweg zur lex fori zu öffnen«. Kreuzer, Einheitsrecht 1946: »Der sofortige Rückgriff auf die lex fori ist eine Sünde wider den Geist der IPR-Gerechtigkeit.« 405 Besonders deutliche Auswirkungen dieser »Interesselosigkeit« in der Ent­ scheidung des BayObLG 19. 3. 1970, IPRspr. 1970 Nr. 65, die oft als Beispiel zitiert wird für vorbildliche Bemühung um das Ersatzrecht, mit welchem die lex fori vermieden werden kann. 406 In diese Richtung auch von Bar, IPR 329: es kann sein, daß den Parteien ein

nen, mag eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigen, die in der deutschen Lehre als prominentes Beispiel für lex fori-Anwen­ dung figuriert407: Es ging um die Legitimation des in Deutschland geborenen Kin­ des einer Deutschen und eines Tunesiers, die nach der Geburt des Kindes in Deutschland heirateten. Noch am Heiratstag erklärte der Ehemann dem Standesbeamten förmlich die Anerkennung der Va­ terschaft. Der für das Kind bestellte Amtspfleger hatte zugestimmt. Die Familie lebte in Deutschland. Der Standesbeamte wollte nun im Verfahren nach §31 II PStG eine gerichtliche Entscheidung haben darüber, ob die Legitimation in das Geburtenbuch einzutragen sei. In Frage kam eine Legitimation nach § 1719 BGB durch die nachfol­ gende Eheschließung oder nach tunesischem (islamischem) Recht aufgrund des Vaterschaftsanerkenntnisses (iqrar). Nach dem damaligen deutschen Kollisionsrecht (Art. 22 EGBGB a. F.) war tunesisches Recht als das Heimatrecht des Vaters anzu­ wenden408. Es konnte aber nicht geklärt werden, ob die Anforderun­ gen des tunesischen Rechts an ein legitimierendes Anerkenntnis erfüllt waren409. Der Bundesgerichtshof entschied sich für die An­ wendung der deutschen lex fori, denn jedenfalls bei der gegebenen ausreichenden Inlandsbeziehung des Falles, und da Eltern und Kind mit der Legitimationseintragung einverstanden seien, »wird . . . die Anwendung der Sachnormen des eigenen Rechts als die praktikabel­ ste Lösung vorzuziehen sein«; das Kind war als legitimiert zu behan­ deln410. Die Entscheidung hat in der kollisionsrechtlichen Doktrin Be­ fürchtungen ausgelöst und ist von ihr und Kennern des islamischen

weiteres Zuwarten auf die Entscheidung (etwa durch die Suche nach dem Inhalt eines nahe verwandten Rechts) nicht mehr zumutbar ist. 407 BGH 26. 10. 1977, BGHZ69, 387. 408 Heute wäre für die Legitimation durch Eheschließung von vornherein deut­ sches Recht als Aufenthaltsrecht der Eltern anzuwenden (Art. 2111 mit Art. 141 Nr. 2 EGBGB), hilfsweise als Heimatrecht der Mutter (Art. 21II EGBGB). 409 BGH (vorvorige Note); dazu, einander widersprechend, Wengler/Kohler, Das Vaterschaftsanerkenntnis des Islamrechts in der neueren Rechtsprechung: St AZ 1978, 173-179 und Dilger, Das Vaterschaftsanerkenntnis des islamischen Rechts in der neueren Rechtsprechung des BGH: StAZ 1978, 235-239. 410 BGHZ 69, 387 (394).

Rechts hart kritisiert worden411. 412 Diese Kritik läßt das internationale Privatrecht als ein Gedankensystem erscheinen, welches, abgehoben von konkreten Interessenlagen und gleichsam im Selbstlauf, auslän­ dischen Rechtsordnungen »gerecht werden«, die lex fori meiden und insgesamt korrekte Zuordnungen von Sach verhalten zu Rechts­ ordnungen herstellen soll. Interessenanalyse hätte folgendes gezeigt: Die Anknüpfung (nach damaligem Recht) an das Heimatrecht des Vaters für die Legitimation (Art. 22 EGBGB), aber auch für die Feststellung der Abstammung (Art. 18 EGBGB a. F.)412, geschieht im vermuteten Interesse des Vaters an einer Beurteilung nach dem ihm vertrauten Heimatrecht. Dieses Interesse, selbst wenn es bei dem Vater zu Beginn des Verfahrens konkret vorhanden gewesen wäre, mußte aber erschüttert werden in dem Maße, wie von Instanz zu Instanz klarer wurde, daß das Heimatrecht für die deutschen Gerichte nicht zweifelsfrei genug ermittelt werden konnte. Hier wollte der Vater aber ohnehin nicht in erster Linie die Anwendung seines Heimatrechts, sondern, wie sein Verhalten zeigte (Heirat der Mutter, Anerkennung der Vaterschaft, kein Einwand gegen die Eintragung der Legitimation nach §31 II PStG), den möglichst legitimen Status seines Kindes - den das deutsche Recht (§ 1719 BGB) ohne weiteres und sicher verschaffte, während das tunesische Recht darüber - wie sich herausstellte — selbst nach Rechtsprüfung in vier Instanzen und auf der Grundlage ausführlicher Gelehrtengut­ achten nicht ausreichend sicher ermittelt werden konnte413. Dies alles machte die Anwendung tunesischen Rechts, gemessen am rea­ len Interesse des Vaters, fragwürdig. Hinzu kommt, daß — worauf der Bundesgerichtshof ausdrücklich hinwies - auch Mutter und

411 Z. B. Siehr, Lex-fori-Lehre 118, 119: »Heimwärtsstreben« von »gefährlicher Intensität«, »überstürzte Anwendung der lex fori«; Heldrich, Heimwärtsstreben auf neuen Wegen, in: FS Ferid (1978) 209-220 (211, 218): man darf nicht »vorschnell den Bankrott des internationalen Privatrechts . . . erklären«, ». . . schlicht und ergreifend das plumpe Geschütz der eigenen Rechtsordnung auffahren«; Wengler/ Kohler und Dilger (vorvorige Note). 412 Als Abstammungsproblem wollten Wengler/Kohler den Sachverhalt quali­ fizieren. 413 Die vor der Entscheidung vorhandenen gutachtlichen Äußerungen werden genannt von Dilger, die nach der Entscheidung weiter bestehenden Zweifel zeigen sich in den gegensätzlichen Ausführungen von Dilger und Wengler/Kohler.

Kind (dieses vertreten durch den Amtspfleger) mit der Eintragung der Legitimation einverstanden waren414. Gegen die Anwendung der deutschen lex fori sprach also nur noch ein denkbares Interesse der deutschen Allgemeinheit oder der Beteiligten (das diese selbst aber hintanstellten) an einer Freihaltung des Geburtenbuchs von Eintragungen, die im Heimatland des Vaters nicht honoriert werden würden. Dieses Interesse konnte aber bei der Abwägung angesichts der starken Inlandsbeziehungen (Geburt des Kindes, Heirat der El­ tern, gewöhnlicher Aufenthalt der Familie in Deutschland; deutsche Staatsangehörigkeit von Mutter und Kind) vernachlässigt werden. Der Bundesgerichtshof hat also nicht nur »praktikabel« entschie­ den, sondern legitimen Interessen zur Verwirklichung verhülfen. Der Stand der deutschen IPR-Doktrin ist dadurch gekennzeichnet, daß dies nirgends öffentlich vermerkt, geschweige denn begrüßt worden ist415.

V. Rückverweisung Die Rückverweisung repräsentiert für viele das kollisionsrechtli­ che Denken schlechthin, sie ist »Symbol« oder »Bannerträger« des »IPR«416. Die neuere kollisionsrechtliche Doktrin betrachtet sie al­ lerdings zunehmend mit Ernüchterung und Resignation selbst in den Ländern, wo man sie für einen normalen Bestandteil des Ver­ weisungsrechts hält. Die Zurückhaltung hat einen tieferen Grund. In Wahrheit ist es nämlich so, daß die Rückverweisung die Brüche und inneren Widersprüche des traditionellen kollisionsrechtlichen Systems bloßlegt. Das zeigen die Begründungen, die für die Beach­ tung der Rückverweisung geläufig sind.

414 Dieser Hinweis ist in BGHZ 69, 387 nicht mit abgedruckt. 415 Nur von Bar, IPR 329 geht auf die Belange der Beteiligten ein, womit von ihm immerhin das verfahrensrechüiche Interesse an der Anwendung der lex fori gewürdigt worden ist. 416 von Overbeck, Les questions generales du d.i.p. ä la lumiere des codifications et projets recents: Rec. des Cours 176 (1982-III) 9-258 (127): »le symbol ou le portedrapeau du droit international prive«.

1. Begründungen a) Am Anfang der Theorie der Rückverweisung stehen Vorstel­ lungen über Anwendungswille und Desinteresse der beteiligten Staaten oder Rechtsordnungen417. Der Forumstaat, der auf ausländisches Recht verweist, »überläßt« der berufenen Rechtsordnung die Rege­ lung des Sachverhalts, macht ihr ein »Angebot«, weil er ihr den »Vortritt« lassen möchte oder selbst an der Regelung desinteressiert ist418. Beruft der ausländische Staat nun seinerseits das Recht des Forumstaates oder das eines dritten Staates, so zeigt er ebenfalls Desinteresse, er hat das Angebot abgelehnt. Dann aber darf und sollte das Forum sein eigenes Recht anwenden. Denn es ist nicht sinnvoll, daß der Sachverhalt im Staat A nach dem Recht des Staates B und im Staat B nach dem Recht des Staates A beurteilt wird419. Diese Vorstellungen sind unrealistisch und widersprüchlich. In der Regel wird ein und derselbe Sachverhalt nur einmal (nicht in mehreren Foren, und dann gar noch gleichzeitig!) beurteilt. Weder Angebot, Ablehnung des Angebots, Anwendungsinteresse und Desinteresse von Forum und Auslandsstaat sind deshalb für den konkreten Fall reale Gegebenheiten, und sie sind es auch auf allge­ meinerer Ebene nicht, weil hinter dem Privatrecht und den dazuge­ hörenden Kollisionsnormen gewöhnlich kein eigenes international gerichtetes Anwendungsinteresse der Rechtsordnung oder des Staa­ tes steht420 - worauf die an sich rückverweisungsfreundliche deut417 So treffend von Bar, IPR 535 f. Beispiel ist auch der Fall Krebs ./. Rosaiino (Oberappellationsgericht Lübeck 21. 3. 1861, Seuffert’s Archiv 14 [1861] 164), der als deutsches frühes Beispiel für die Rückverweisung in den Lehrbüchern angeführt wird; Kegel, IPR 238 £, 243, von Bar, IPR 535. Die Entscheidung hebt darauf ab, ob das berufene Domizilrecht »angewandt seyn wollte« oder »eine Classe von Personen, nämlich die dort domicilirten Fremden, von der Unterwerfung unter die dortigen erbrechtlichen Bestimmungen überhaupt ausschließt und nach den Geset­ zen ihrer Heimath beurtheilen wissen will« (a.a.O. 165f). 418 In diesem Sinne z. B. Neuhaus, Grundbegriffe 269, 272; Keller/Siehr 466; Nussbaum 53f, 55; Dölle, IPR2 (1972) 94 (dem ausländischen Recht »die Vorhand gelassen«). - Über die so argumentierende ältere Literatur (kritisch) Hans Lewald, La theorie du renvoi: Rec. des Cours 29 (1929-IV) 515-616 (600ff); K. Müller, Zum Problem der Gesamt Verweisung, in: Rechts Vergleichung und Rechts Verein­ heitlichung (1967) 191-212 (209). 419 So noch Rabel, Conflict of Laws I 79. 420 Kritisch zu dieser Vorstellung auch M. Wolff 76; von Bar, IPR 535 f.

sehe herrschende Lehre an anderer Stelle zu Recht immer wieder hin weist421. Alle Vorstellungen, welche die Rückverweisung mit Anwendungsinteressen und Vortrittsangeboten begründen, sind deshalb kollisionsrechtlicher Leerlauf. Sie erinnern zudem an die seit langem abgelehnte »comity«-Lehre, welche die Anwendung auslän­ dischen Rechts als gegenseitiges freundliches Entgegenkommen zwischen den Staaten erklärte422. 423 Aber wenn wir die Erbfolge eines Franzosen gemäß Art. 251 EGBGB nach französischem Recht beur­ teilen, dann ». . .in order to do justice between the parties, and not from any desire to show courtesy to the French Republic«423. b) Zum Hauptargument für die Beachtung der Rückverweisung wurde später das Ideal des Entscheidungseinklangs, insbesondere zwi­ schen den Ländern des Domizil- und des Staatsangehörigkeitsprin­ zips424. Aber inzwischen weiß man, daß man dem Ideal durch Aner­ kennung der Rückverweisung nur sehr wenig näher kommt425. Praktisch nötig wird Entscheidungseinklang überhaupt nur, wenn konkurrierende internationale Zuständigkeit gegeben ist. Dann er­ möglicht die Gleichförmigkeit der Anknüpfung im jeweiligen For­ um es den Beteiligten, sich auf eine rechtliche Beurteilung ihrer Beziehungen einzurichten; im Streitfall kann sich keine Partei unter mehreren konkurrierenden die Gerichtsbarkeit aussuchen, deren Kollisionsrecht ihr als das günstigste erscheint. Zu erreichen ist diese Gleichförmigkeit aber bekanntlich nur, wenn die andere beteiligte Rechtsordnung gerade zur Rückverweisung eine andere Haltung einnimmt als das inländische Recht, d. h.: die Rückverweisung ih­ rerseits nicht anerkennt oder sie, anders als das deutsche Recht, nicht bei sich abbricht426. Das ist aber ein vergleichsweise seltener Fall427. Die Gleichförmigkeit der Entscheidungen wird überdies verfehlt, 421 Siehe vorn zu N. 363. 422 Darüber ausführlich Keller/Siehr 41 ff.; von Bar, IPR 384ff.; kürzer: Kegel, IPR Ulf, 115 f. 423 Morris 6. 424 So z.B. Kegel, IPR 243f.; Neuhaus, Grundbegriffe 270; M. Wolff 77f. Weitere Nachweise bei K. Müller, Gesamtverweisung 200 f. 425 Dazu treffend von Overbeck, Questions generales 162; Lüderitz, IPR 78 f. 426 Zu den Einzelheiten siehe z.B. Neuhaus, Grundbegriffe 272f.; M. Wolff 75 f.; Kegel, IPR 240 f. 427 Über die internationale Haltung zur Rückverweisung ausführliche Angaben bei Keller/Siehr 467 ff; von Overbeck, Questions generales 133 ff.

wenn man sogar Zuständigkeitsnormen des zunächst berufenen Rechts benutzt, um dort »versteckte« Rückverweisungen herauszu­ lesen, wie es deutsche Lehre und Praxis vor allem beim internationa­ len Ehe- und Kindschaftsrecht Englands und der Vereinigten Staa­ ten tun428. Solches Rückverweisungsdenken setzt geradezu voraus, daß in jedem der beteiligten Staaten nach der lex fori, also ohne Einklang entschieden wird. In Deutschland dürfte gerade diese Form der Rückverweisung im Familienrecht zur Massenpraxis ge­ worden sein. Schließlich ist das Ideal des Entscheidungseinklangs angesichts seiner weitgehenden Unerreichbarkeit selbst mehr und mehr frag­ würdig geworden. Die überlegte Wahl unter mehreren sich interna­ tional darbietenden Gerichtsständen, sogar die einseitige durch eine Partei, kann legitimen Interessen entsprechen, auch wenn sie im Kollisionsrecht des gewählten Forums (mit) ihren Grund hat429. Soweit man dieses »forum shopping« aber - mit Kropholler430 gerade wegen der mittelbaren Kollisionsrechtswahl für illegitim hält, ist wirksame Abhilfe durch Reduzierung der Zuständigkeits­ möglichkeiten und Vereinheitlichung des Kollisionsrechts zu schaf­ fen431. Rückverweisung kann hier offenbar nichts ausrichten; Versu­ che zur Vereinheitlichung in diesem Punkt haben sich als erfolglos erwiesen432. c) Die Rückverweisung ist aber theoretisch auch dann nicht zu retten, wenn man ihre rechtspolitischen Zwecke etwas zurück­ schraubt. Für manche Autoren zeigt die andersartige, rück- oder weiterverweisende Anknüpfung, die das zunächst berufene Aus­ landsrecht gewählt hat, die Relativität der Anknüpfungsentscheidung des Forums. Die Anerkennung der Rückverweisung rechtfertigt 428 Dazu im einzelnen Neuhaus, Grundbegriffe 282ff.; Raape/Sturm 167f.; Kegel, IPR 252 f.; von Bar, IPR 474; kritisch Keller/Siehr 485 f. 429 Zur möglichen Respektabilität des »forum shopping« siehe schon Text mit N. 326 sowie Keller/Siehr 231 f.; von Bar, IPR 354 ff. 430 Kropholler, Internationale Zuständigkeit 260 f. 431 So Kropholler, Internationale Zuständigkeit 261 f.; ders., Unbehagen 170-173. 432 So das Haager Abkommen von 1955 (dazu Neuhaus, Grundbegriffe 279; Kegel, IPR 254) und die Arbeiten des Institut de Droit International (dazu von Overbeck, Renvoi in the Institute of International Law: Am.J.Comp.L. 12 [1963] 544-548; ders., Questions generales 128); zu beidem Keller/Siehr 470f.

sich in dem Maße, wie das Forum selbst sich der Gerechtigkeit und Angemessenheit seiner eigenen primären Anknüpfungsnorm nicht sicher sein kann433. Die Rückverweisung fungiert in diesem Lichte als Ausweichklausel, als Ergänzung und Korrektur der unvollkom­ men wertenden inländischen Kollisionsnorm434. Eine solche Ergänzung oder Korrektur der Primäranknüpfung ist nicht schon deshalb verdächtig, weil sie die Wertungen des heimi­ schen Kollisionsrechts »durchkreuzt«, »unterminiert«435. Bei inter­ essenjuristischer Betrachtung ist vielmehr zu bestätigen, daß gerade die Kollisionsnorm wegen ihrer besonders hohen Abstraktion einen Wertungsanbau nötig hat436. Jedoch kann die Rückverweisung die­ ses Bedürfnis nicht interessegerecht erfüllen, denn sie ist unabhängig von den Gründen, welche die primäre Anknüpfung ergänzungs­ oder korrekturbedürftig machen. Beispiel ist die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit. In der deutschen IPR-Reform hat man sich für ihre Beibehaltung im Parteiinteresse entschieden, und zwar in voller Kenntnis und Würdigung der Tatsache, daß zahlreiche gute Gründe auch für das gegensätzliche Aufenthaltsprinzip sprechen und daß die Entscheidung zwischen diesen Alternativen schwerfällt437. Warum soll diese Entscheidung nur dann, aber auch immer dann (per Rück­ verweisung) korrekturbedürftig sein, wenn sie im konkreten Fall auf ein Land trifft, welches an den Aufenthalt (oder auch an Lageoder Handlungsort) anknüpft? Und warum sollen die konkreten Parteiinteressen, die »HeimatVerbundenheit«, nur deshalb schwä­ cher sein und anders zu bewerten sein, weil ein anderer Staat sie abstrakt anders sieht und bewertet? Das Gewicht der Heimatver­ bundenheit ist nicht relativ je nach dem Land, auf welches diese Anknüpfung verweist; und die Abstraktheit dieser Anknüpfung läßt sich interesseverträglich machen nur durch Berücksichtigung der Parteiinteressen im Einzelfall, nicht durch eine wiederum abstrakte Gegenanknüpfung. 433 Neuhaus, Grundbegriffe 270; Keller/Siehr 474; Lüderitz, IPR 79. 434 In dieser Richtung auch Batiffol/Lagarde I Nr. 304; von Overbeck, Que­ stions generales 161 f., 167. 435 So aber wohl von Bar, IPR 536. 436 Dazu ausführlich Text bei N. 273-279, 289-290. 437 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/504 S. 30f. (=Pirrung 106 f); noch deutlicher das Für und Wider hervorhebend Kühne, Parteiautonomie 64 f.

d) Es bleibt nach allem die Rechtfertigung der Rückverweisung aus ihrem unmittelbaren Effekt, der Anwendung der lex fori. Für die Rechtsprechung dürfte dies von Anfang an der entscheidende Grund für ihre Befolgung gewesen sein, für die Doktrin tritt er immer mehr in den Vordergrund438. Auch mit dieser Funktion und Begründung kann die Rückverwei­ sung aber bei interessenjuristischer Betrachtung nicht wirklich be­ friedigen. Zwar sind Interessen sowohl der inländischen Allgemein­ heit wie auch der Parteien an der Anwendung der lex fori denkbar439. Die Rückverweisung beruht aber auf einem ausländischen Kolli­ sionsrechtssatz, der gerade diese Interessen nicht befriedigen will und kann, weil er sich ja an die eigenen Gerichte wendet, nicht etwa - durch welche Anknüpfung auch immer - einem anderen Staat oder den Parteien zur Anwendung der dortigen lex fori (d. h.: des dorti­ gen Rechts im dortigen Forum) verhelfen will. Auf Befriedigung des Interesses an lex fori-Anwendung kann nur der zweite Teil des Rückverweisungsgedankens gerichtet sein, nämlich die Beachtung der Rückverweisung und ihr Abbruch durch die lex fori440. Aber warum sollte das inländische Kollisionsrecht seine Bereitschaft, vor­ handenen Interessen an der Anwendung der lex fori Rechnung zu tragen, abhängig machen von dem Zufall, daß das primär berufene Recht ihm diese Möglichkeit durch seine (Rück-) Verweisung zu­ spielt? Damit wird je nach dem Vorhandensein einer Rückverwei­ sung Ungleichheit geschaffen zwischen Fällen, in denen das Interes­ se an der Anwendung der lex fori ganz gleich stark gegeben sein kann. Das Argument, daß erst die primär berufene Rechtsordnung durch ihre Anknüpfungsregel dies »erlaubt«, steht zur Rechtferti­ gung dieser Ungleichbehandlung nicht zur Verfügung; denn bei 438 von Bar, IPR 535; Neuhaus, Grundbegriffe 270 f.; M. Wolff 76 f. Ausdrück­ lich auch der deutsche Gesetzgeber, Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/504 S. 38 (= Pirrung 118): »Die Rückverweisung führt ... im Ergebnis zu einer erheblich vermehrten Anwendung des eigenen Rechts. Das trägt wesentlich dazu bei, die von der Gedankenfolge her schwierige Rechtsfigur für die Rechtsanwendung praktika­ bel zu machen«. Klartext: Um das rettende Ufer der lex fori zu erreichen, wird (und sollte) die Praxis auch gewundene Umwege nicht scheuen. 439 Dazu schon Text bei N. 369 ff. 440 Zum Abbrechen der Rückverweisung, auch wenn sie vom ausländischen Recht als »GesamtverWeisung« gemeint war, besonders einläßlich Keller/Siehr 466 f.

realistischer Betrachtungsweise kann von Anwendungsansprüchen und Erlaubnissen der beteiligten Rechtsordnungen nicht die Rede sein, und schon gar nicht von einem Befehl oder einer Erlaubnis des berufenen ausländischen Rechts an das inländische Forum, sein eige­ nes Recht anzu wenden. Wenig realistisch wäre es auch, die Heimatverbundenheit von Personen, deren Heimatrecht zurückverweist, gerade wegen dieses Kollisionsrechtssatzes geringer einzuschätzen als bei Personen, de­ ren Heimatrecht dies nicht tut. Das Kollisionsrecht eines Landes, und zumal seine Wirkung im ausländischen Forum, dürfte von allen Rechtsfaktoren, die überhaupt für die Heimatverbundenheit eine Rolle spielen, die allergeringste Bedeutung haben. 2. Interessen Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß es nicht nur »keine einheitliche Rechtfertigung für einen renvoi gibt«441, sondern daß von den angebotenen Begründungen keine sich im Einklang mit ihren Prämissen und der Realität befindet. Lediglich den Effekt der lex fori-Anwendung kann man der Rückverweisung zugute halten, aber er wird unabhängig von wirklichen Interessen und nach bizar­ rer Zufälligkeit erzielt. Es lohnt sich aber, wegen dieses Effektes der Rückverweisung die möglichen Interessen an der Anwendung der lex fori noch einmal zusammenzufassen und zu fragen, ob jedenfalls um dieser Interessen willen die Rückverweisung Beachtung ver­ dient. a) Die Allgemeinheit kann an der Anwendung »ihrer« lex fori interessiert sein, weil sie (repräsentiert durch die zuständigen Staats­ organe) diese wegen ihres Inhalts für unbedingt durchsetzungswür­ dig hält. Dieses Bedürfnis wird befriedigt schon durch die ordre public-Klausel (in Deutschland Art. 6 EGBGB), durch spezielle Rechtsanwendungsbestimmungen des inländischen zwingenden Rechts (z. B. § 98II GWB, § 12 AGBG) sowie durch die zunehmend klarer werdende Lehre von den zwingenden Sachnormen, die still­ schweigend (versteckt) auch ihren internationalen Anwendungsbe­

441 Keller/Siehr 467.

reich bestimmen442. Auf diesen juristischen Wegen kommt das lex fori-Interesse der Allgemeinheit direkt und zielsicher zur Geltung; den Umweg über die Rückverweisung, die nur Zufallstreffer ver­ spricht, hat es nicht nötig. Ein Allgemeininteresse an der Anwendung der lex fori kann auch bestehen aus dem Motiv, den Rechtsuchenden eine Justiz zu ver­ schaffen, die sicher, zügig, kostensparend und mit ihren eigentlichen inländischen Qualitäten arbeitet, »authentisch« entscheidet443. Man muß allerdings bezweifeln, ob ein solches Interesse überhaupt gege­ ben ist, wenn der Gesetzgeber seine Primärverweisungen ohne Rücksicht auf ihren lex fori-Effekt aufgestellt hat (so das deutsche EGBGB bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit)444. In ge­ wissem Maße kann man es als vorhanden aber wieder annehmen, wenn der Gesetzgeber gleichzeitig die Rückverweisung für generell beachtlich erklärt (so Art. 4 EGBGB) und dies obendrein rechtfer­ tigt mit der vermehrten Anwendung des eigenen Rechts, die so zu erzielen sei445. Aber was ist das für ein Interesse an guter inländischer Justizgewährung, das sich nur zu rühren wagt, wenn ein ausländi­ sches Kollisionsrecht - aus ganz anderen Gründen und gar nicht real befaßt mit den hier anhängigen Fällen, sondern für die von seinen Gerichten zu behandelnden Fälle - eine Verweisung auf das deutsche Recht ausspricht? Eher ein Irrlicht - kaum ernstzunehmen von einer an realen Interessen sich Orientierenden jurisprudenz. b) Das mögliche Parteiinteresse an der lex fori, das wegen der besseren Justizqualität bestehen mag, wurde bereits behandelt446. Es kann direkt berücksichtigt werden durch weitgehende Anerken­ nung der Rechtswahl, die auf die lex fori führt447, durch Respektie­ rung des im Verfahren erklärten übereinstimmenden Parteiwil­ 442 Letzteres wird anerkannt durch Art. 7 II des EG-Schuldrechtsübereinkom­ mens (= Art. 34 EGBGB). 443 Hervorgehoben vor allem von M. Wolff 76; im übrigen zu diesem Interesse schon Text bei N. 374-378. 444 Die Begründung zum deutschen Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/504 S. 33 (= Pirrung 107) verwirft ausdrücklich den Gedanken, vom Staatsangehörigkeits­ prinzip im Interesse vermehrter lex fori-AnWendung abzugehen. 445 Siehe BT-Drucks. 10/504 S. 38 (= Pirrung 118), wörtlich wiedergegeben oben in N. 438. 446 Text bei N. 380, 381. 447 Dazu Text bei N. 347 ff.

lens448 und unter Umständen durch ergänzende Wertung, wenn die primär einschlägige Kollisionsnorm durch ihre Unbestimmtheit oder Zweifelhaftigkeit dafür Raum läßt449. Des Umwegs über das Rückverweisungsroulette bedarf es dafür nicht, zumal dieses zur lex fori auch dann führen kann, wenn die Parteien an ihrer Anwendung tatsächlich kein Interesse haben. So kann man sich fragen, ob engli­ sche und amerikanische Ehegatten, Eltern und Kinder sich wirklich immer gut bedient fühlen, wenn ihre persönlichen Angelegenheiten in Deutschland wegen der zur billigen Münze gewordenen »ver­ steckten« Rückverweisung a priori nicht nach ihrem Heimatrecht behandelt werden. Es ist bezeichnend, daß diese Frage in der ausge­ dehnten Doktrin und Praxis zu dieser Rückverweisungsspezies kei­ ne Rolle gespielt hat. Ein Parteiinteresse an der Anwendung der lex fori kann auch daher rühren, daß die Beteiligten (oder einer von ihnen) bei frühe­ rem Verhalten auf dessen Zulässigkeit nach der jetzigen lex fori vertraut haben und darin durch die Anwendung eines anderen, primär berufenen Rechts enttäuscht würden. Durch die europäische Literatur geht der von Raape gebildete Fall des Onkels und der Nichte, die, beide Schweizer Bürger mit langjährigem Wohnsitz in Moskau, dort geheiratet haben und später vor einem deutschen Gericht über die Gültigkeit der Ehe streiten450. Das Schweizer Recht (Art. 100 ZGB) verbietet die Ehe zwischen Onkel und Nichte mit Nichtigkeitsfolge, erkennt sie aber gleichwohl an, wenn sie ohne Absicht der Gesetzesumgehung im Ausland nach dortigem Recht gültig geschlossen wurde (damals Art. 7 f. NAG)451. Das russische Recht, ebenso das deutsche, sehen in der Seitenverwandtschaft kein Ehehindernis. Der Fall ist gebildet als Beispiel der Weiterverwei­ sung; seine Problematik wäre aber keine andere, wenn er als ein Beispiel für Rückverweisung (was er vom schweizerischen Stand­ punkt aus ist) vorgetragen würde. Raape wollte mit diesem Fall begründen, daß die Nichtbeachtung 448 Dazu Text bei N. 382. 449 Dazu Text bei N. 273 ff. 450 Raape, IPR5 (1961) 69. Heute noch ausführlicher bei Raape/Sturm 166. Auf den Fall gehen z. B. ein Batiffol/Lagarde I Nr. 306; von Overbeck, Questions generales 171; Keller/Siehr 472f., 474 (»hübsches Beispiel«). 451 Heute Art. 45 II des IPR-Gesetzes.

der Rück- und Weiterverweisung zu schwerer Ungerechtigkeit füh­ ren könne; auch das jetzige Forum müsse die Gültigkeit der Ehe anerkennen, die im Vertrauen auf russisches Eherecht und schweize­ risches Kollisionsrecht geschlossen wurde452. Über dieses Ergebnis kann es heute keinen Streit geben453. Man muß aber schon bezweifeln, ob in der genannten Schweizer Vor­ schrift eine Verweisungsnorm im eigentlichen Sinne zu sehen war, da sie ja nur von der Anerkennung einer Eheschließung handelte. Jeden­ falls braucht man keine allgemeine Beachtlichkeit von Rück- und Weiterverweisung, um in diesem sehr speziellen Fall eines in gutem Glauben nach fremdem Recht abgeschlossenen Tatbestandes zum notwendigen Vertrauensschutz zu kommen. Das neue Schweizer IPR-Gesetz und andere neuere Projekte und Gesetze enthalten spe­ zielle Regelungen über die Anerkennung von Statusverhältnissen, die im Ausland begründet oder verändert worden sind454. Auch ohne solche Vorschriften oder eine positive Regelung der Rückver­ weisungsfrage würde konsequente Interessenjurisprudenz in der La­ ge sein, über Ausweichklauseln, ordre public oder ergänzende Inter­ essenwertung zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. 3. Ergebnis

Die vorstehende Musterung der durch Rückverweisung allenfalls befriedigten Interessen hat gezeigt: Eine Gestaltung und Praktizierung des Kollisionsrechts, die von wirklichen Interessen ihren Aus­ gang nimmt, kann ohne die Rückverweisung auskommen. Je weni­ ger eine Gesetzgebung oder Judikatur die Rückverweisung beachtet und je mehr sie ihre Beachtung für eng begrenzte Problemlagen reserviert, um so eher wird sie damit legitimen Interessen einen Dienst erweisen. Je mehr aber die Rückverweisung verallgemeinert und ins Zentrum des Kollisionsrechtssystems gerückt wird, um so 452 Raape, IPR5 69 und Raape/Sturm 450. Raape schon früher: Deutsches IPR I (1938) 54: »Wer brächte es übers Herz, die Ehe dieser Schweizer für nichtig zu erklären?« 453 So schon die trockene Bemerkung von Hans Lewald, Regles generales des conflits de lois: Rec. des Cours 69 (1939-III) 1-147 (59): ». . . mon eminent collegue veuille bien ne pas s’inquieter. Personne ne songe ä invalider ce mariage«. 454 Ausführlich dazu von Overbeck, Questions generales 168ff.; für solche Son­ derlösungen auch Keller/Siehr 619 f.

eher wird sie Leerlauf und Zufallsergebnisse erzeugen. Die Position der Rückverweisung in einem gegebenen Kollisionsrechtssystem kann geradezu als Indikator dafür genommen werden, wie sehr oder wie wenig das gesamte System als Mittel bewußter Interessenord­ nung begriffen wird. Auch unter diesem Gesichtpunkt muß die neue Schweizer Kodifi­ kation mit ihrer Zurückhaltung gegenüber der Rückverweisung455 besser gelungen erscheinen als die deutsche, die der Rückverwei­ sung im Personen-, Familien- und Erbrecht noch einen zentralen Platz zubilligt (Art. 4 EGBGB). Allerdings hat die deutsche Vor­ schrift noch in letzter Minute der Gesetzwerdung einen einschrän­ kenden Zusatz erhalten, der einen interessegerechten Umgang mit der Rückverweisung eigentlich möglich macht456. Es bezeichnet aber die Verfassung der herrschenden deutschen Kollisionsrechts­ doktrin, daß sie dieses Potential bisher nicht erkannt hat, jedenfalls vorerst kaum nutzen will457.

455 Art. 13 des Entwurfs (heute Art. 14 des IPR-Gesetzes) und dazu die Begrün­ dung in: Botschaft zum Bundesgesetz über das IPR (Drucksache 82.072 des Stände­ rats; Bbl. 19831263) 46 f. - Die ursprüngliche Zurückhaltung der Entwurfsverfasser konnte allerdings im Gesetzgebungsverfahren nicht ganz durchgehalten werden; siehe Art. 14 II des Gesetzes und dazu von Overbeck, Das neue schweizerische Bundesgesetz über das IPR: IPRax 1988, 329-334 (332). 456 Art. 411: Die Verweisung ist Gesamtverweisung, »sofern dies nicht dem Sinn der Verweisung widerspricht«; eingefügt vom Rechtsausschuß des Bundestages: Ausschußbericht BT-Drucks. 10/5632 S. 39 (= Pirrung 119). 457 Die bisherigen Kommentierungen der Vorschrift messen der eingefügten Klausel keine besondere, die bisherige Rückverweisungspraxis ändernde Bedeutung zu; siehe Palandt(-Heldrich), BGB47 (1988) Art. 4 EGBGB Anm. 2b; Pirrung 119. Auch in der danach erschienenen Aufsatzliteratur herrscht die Tendenz, den Zusatz »unschädlich« zu machen, bevor Renvoi-Skepsis sich seiner bemächtigt: Kartzke, Renvoi und Sinn der Verweisung: IPRax 1988, 8-13; Kühne, Der An­ wendungsbereich des Renvoi im Lichte der Entwicklung des IPR, in: FS Ferid (1988) 251-267; Rauscher, Sachnormverweisungen aus dem Sinn der Verweisung: NJW 1988, 2151-2154.

§5 Der Ertrag I. Das spezielle Anliegen der Interessenjurisprudenz In den vorangehenden Abschnitten sind Legitimität und Eignung einer realistischen Interessenjurisprudenz begründet und ihre An­ wendung auf einige zentrale Fragen und Denkfiguren des internatio­ nalen Privatrechts beschrieben worden. Zu beobachten war, daß Interessenjurisprudenz im hier gemeinten Sinne nicht exakt dasselbe ist, was Philipp Heck und die Nachfolgelehre der Wertungsjurispru ­ denz sich vorstellten458. Sie sahen die vorrangige Aufgabe dieser Denkrichtung darin, die im Gesetz oder im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung gebundene Interessenwertung freizulegen und sie zu aktualisieren für die konkrete Interessenlage der Beteiligten die selbst als unproblematisch deutlich genommen wurde, in der Regel keiner besonderen Aufhellung bedurfte. Im internationalen Privatrecht ist es eher umgekehrt. Die eine gesetzgeberische Wer­ tung, die in »denkendem Gehorsam« nachzuvollziehen wäre, fehlt im materiellen Recht, weil per definitionem ja mehrere Rechtssätze zur Anwendung alternativ in Betracht kommen. Und auch die Kollisionsnorm herkömmlicher Art, die diese Mehrdeutigkeit been­ den soll, hat von vornherein einen dünneren Wertungsgehalt, weil sie notwendig viel abstrakter und globaler gefaßt und deshalb für den konkreten Fall tendenziell selbst ergänzungsbedürftig ist459. Auf der anderen Seite droht gerade die Interessenlage der konkreten Beteiligten hier eher aus dem Blick zu geraten und vernachlässigt zu werden, weil die Verweisungsnorm nur eine Vorentscheidung trifft, ihr Effekt für die realen Interessen der konkreten Beteiligten daher oft weniger deutlich ist460. Interessenjurisprudenz im interna­ 458 Darüber Text bei N. 65, 68, 105, 106. 459 Dazu näher Text bei N. 273-279, 289-290. 460 Treffend der Hinweis von Kegel, Zusammenfassung, in: Lausanner Kollo­ quium (1984) 271-277 (272) auf die »Subtilität der Interessen, über die im IPR zu

tionalen Privatrecht bedeutet daher, anders als im materiellen Recht, vor allem die Interessenlage der konkret Beteiligten bewußt zu markieren und der vom Gesetzgeber nur pauschal vermuteten und bewerteten Interessenlage gegenüberzustellen. Es hat sich gezeigt, daß im Lichte der so weiterentwickelten Interessenjurisprudenz keine der hier behandelten Annahmen, Fra­ gestellungen und Denkfiguren des gewohnten Kollisionsrechts be­ friedigen kann, daß die Interessenjurisprudenz vielmehr, wenn ernst genommen und auf Realismus bedacht, zum Gesamtduktus des in Europa traditionellen Kollisionsrechtsdenkens »querliegt«. Welche Seite - realistische Interessenjurisprudenz oder traditionelles Kolli­ sionsrechtsdenken - wird durch diesen Befund ins Unrecht gesetzt? Theorie und Methode sollten in erster Linie als Hilfe, nicht als Vorschrift verstanden werden; sie müssen sich bewähren durch die Verbesserung der Orientierung und der Führung, die mit ihnen zu erreichen ist. Im folgenden soll deshalb hervorgehoben werden, welchen Ertrag in diesem Sinne ein mit realen Interessen rechnendes Denken für Praxis, Gesetzgebung und Wissenschaft des internatio­ nalen Privatrechts zu bringen vermag.

II. Internationales Privatrecht und juristische Praxis Was das internationale Privatrecht von allen anderen Teilgebieten des Privatrechts unterscheidet, ist die notorische Irritation, die es zwischen Doktrin und Praxis erzeugt. Das »IPR« ist einerseits unbe­ liebt oder wird belächelt und fühlt sich andererseits unverstanden. Seine Verwender in der Praxis stöhnen oft und vernehmlich über die Abstraktheit, Kompliziertheit, Unverständlichkeit und Unerheb­ lichkeit seiner Regeln und Denkfiguren461, seine Produzenten und Verwalter (vor allem die Doktrin) beklagen, daß die Praxis die Sätze befinden ist« und die »für die Parteien meist leichter (wiegen)« als das Interesse an einem bestimmten Ergebnis (gleich nach welcher Rechtsordnung). 461 Aus der deutschen Praxis ausführlich z. B. Otto, Der deutsche und der schweizerische Entwurf eines Gesetzes über das internationale Privat- und Prozeß­ recht auf dem Prüfstand: StAZ 1984, 29-36 (30f); Buchholz, Zur richterlichen Rechtsfindung in internationalen Familiensachen, in: FS Hauß (1978) 15-32. Weite­ re Nachweise und Würdigungen des Phänomens z. B. bei Juenger, General Course 262f.; Siehr, Scherz und Ernst im IPR, in: FS Zajtay (1982) 409-437 (410f.).

des IPR allzuoft aus Unverstand oder Unwissen falsch einsetzt oder ganz beiseite schiebt462. Die Wirtschaftspraxis meidet, wo sie kann, den Rekurs auf das IPR durch entsprechende Vertragsgestaltung, im außervertraglichen Vermögensrecht sowie im Familien- und Erb­ recht ist oft festzustellen, daß die international-privatrechtliche Fra­ ge von der Gerichtspraxis schlicht ignoriert wird463. Es gibt vermut­ lich kein anderes Privatrechtsgebiet mit Anspruch auf praktische Relevanz, dem einerseits die Praxis durch ihr Verhalten und ihre Anschauungen so regelmäßig wiederkehrend und massiv die Nütz­ lichkeit abspricht und für welches, andererseits, die Doktrin so oft und eindringlich die schuldige Beachtung anmahnen muß. Aus diesem »Elend mit dem IPR«464 kann Interessenjurisprudenz herausführen, wenn sie der Praxis die Gewißheit verschafft, mit dem internationalen Privatrecht reale und konkrete menschliche Interes­ sen (staatliche und private), die durch Internationalität erzeugt wer­ den, zu bedienen. Kein Praktiker wird Fragestellungen und Lösun­ gen des internationalen Privatrechts übergehen, wenn er weiß, daß er dadurch nicht in rein intellektuelle oder ganz imaginäre Probleme hineingezogen wird (etwa: in Herrschaftskonflikte von Rechtsord­ nungen, die sich angeblich in seinem Forum abspielen; oder: für Sachverhalte »ihre« Rechtsordnung zu finden), daß er vielmehr genau dasselbe tut wie mit materiellem Recht, nämlich für reale (gegenwärtige oder vorausgesehene) Interessenkonflikte von Men­ schen und menschlichen Organisationen eine wirklich benötigte Entscheidung oder Beratung zu geben.465 462 So z. B. die Denkschrift »Zur Verbesserung der deutschen Zivilrechtspre­ chung in internationalen Sachen«: RabelsZ 35 (1971) 323-331; Ferid, Überlegun­ gen, wie der Misere bei der Behandlung von Auslandsfällen in der deutschen Rechtspraxis abgeholfen werden kann, in: FS Oskar Möhring (1973) 1 (»Misere«); ders., IPR 54f.; konstatierend: Neuhaus/Kropholler, Das Elend mit dem IPR: FamRZ 1980, 753-754. 463 Hinweise z. B. bei Buchholz; Otto, Entwurf30f.; Juenger, General Course 262f.; Neuhaus/Kropholler (vorige Note); Schwimann, Worum geht es bei der geplanten Neukodifikation des IPR: JuS 1984, 14-18 (14): »ungeliebtes Rechtsge­ biet«; ders., Zum aktuellen Reformstand im internationalen Familienrecht: StAZ 1983, 57-65 (65): »Abschreckungseffekt. . . auf die Praxis«. Weitere Nachweise bei Schlosshauer-Selbach, IPR (1989) S. XI, lf. 464 So - sehr treffend - Neuhaus/Kropholler (vorvorige Note). 465 Für die Notwendigkeit, das internationale Privatrecht als Privatrecht zu sehen und deshalb »an den Bedürfnissen und den schützens werten Verkehrserwartungen

143 III. Wem dient das internationale Privatrecht?

Versöhnung von Doktrin und Praxis ist nicht das einzige, was im internationalen Privatrecht nötig ist und was realistische Interessen­ jurisprudenz leisten kann. Wichtiger noch ist eine Vergewisserung über die Rechtsbedürfnisse, denen das internationale Privatrecht primär dienen sollte. Das Kollisionsrecht wird von der Lehre oft vorgestellt als ein Arbeitsmittel für die mit internationalen Fällen befaßten Juristen466. Man muß bei realistischer Betrachtung anerkennen, daß für diese Art der Behandlung ein tatsächliches Juristenbedürfnis besteht - das auch legitim ist, soweit es das Interesse der Allgemeinheit und der Rechtsuchenden am ordentlichen Funktionieren der Rechtsanwen­ dung repräsentiert. Juristen sind überwiegend noch in einzelnen (»ihren«) Rechtssystemen ausgebildet und tätig, die jeweils mit einer bestimmten Sprache, Kultur und Staatlichkeit verbunden sind. Die Eigenart des internationalen Falles liegt aber darin, daß den Juristen die Maßgeblichkeit des eigenen Rechtssystems nicht mehr selbstver­ ständlich ist oder sein darf. In der so geschaffenen Unsicherheit (jeder Nichtspezialist des IPR kann sie bestätigen467) besteht ein Bedürfnis nach einer vorstellbaren Ordnung des Überangebots an einschlägigen Rechtssätzen sowie nach Regeln, die es rechtfertigen, am Ende eines der in Betracht zu ziehenden ausländischen Rechte oder doch das eigene Recht anzuwenden. der Parteien (auszurichten)« ausführlich auch von Bar, IPR 435-437, ohne daraus allerdings die hier vertretenen Folgerungen zu ziehen. 466 So z. B. Firsching, IPR (Aus dem Vorwort zur ersten Auflage): »Wie kann ich als deutscher Jurist mit einem praktischen IPR-Fall fertig werden?«; von Bar, IPR 1: »Wer immer gebeten oder gehalten ist, einen ihm vorgetragenen Sachverhalt recht­ lich zu beurteilen, hat sich zuerst Rechenschaft darüber abzulegen, welche Rechts­ vorschriften er bei seiner Beurteilung heranzuziehen gedenkt. Ohne diesen Grund­ vorgang gibt es keine juristische Fallbehandlung«. Deutlich in dieser Richtung auch der deutsche Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/504, Begründung S. 21: »Mit dem Entwurf soll der rechtsanwendenden Praxis ein zeitgemäßer Normenbestand zur Bewältigung von privatrechtlichen Sachverhalten mit Auslandsberührung an die Hand gegeben werden«. 467 Darüber z. B. Otto, Entwurf, und Buchholz. Besonders schön ausgedrückt schon von dem berühmten amerikanischen Richter Benjamin Cardozo, zitiert bei Morris 9: ». . . the average judge, when confronted by a problem in the conflict of laws, feels almost completely lost, and, like a drowning man, will grasp at a straw«.

Sieht man die Internationalität der Fälle als Juristenproblem, so hat das internationale Privatrecht den Zweck, die Fähigkeit der Juristen zu fachgerechtem Handeln wiederherzustellen, die durch das Innewerden des Auslandsbezugs zunächst verlorengegangen ist. Aus diesem Grund ist im internationalen Privatrecht von Rechtsord­ nungen die Rede, die kollidieren, die zur Anwendung berufen oder von ihr ausgeschlossen, die miteinander verzahnt, einander ange­ paßt, »koordiniert« oder voneinander abgegrenzt werden, sowie von Sachverhalten, die mit Rechtsordnungen »Verbindungen« ha­ ben, ihnen »angehören«, ihnen »unterliegen« oder »unterstehen«, von ihnen »erfaßt« werden. Es ist die Perspektive von Juristen, die gewohnt und vielfältig gefordert, im Recht ein System zu sehen (das tun auf ihre Art auch die Juristen der common law-Welt) - ange­ sichts des unkoordinierten Nebeneinanders vieler Rechtsordnungen ein Bedürfnis haben, ihre berufliche Vorstellungswelt einigermaßen in Ordnung zu bringen; dies wird erreicht, wenn Rechtsordnungen und Sachverhalte ihre Plätze in einem verweisungsrechtlich begrün­ deten System erhalten, einander zugeordnet werden. Mit dem gesteigerten Bedürfnis zur Herstellungjuristisch-profes­ sioneller Handlungsfähigkeit ist auch zu erklären, warum in den Lehrbüchern des internationalen Privatrechts traditionell eine so große Rolle spielen die Struktur der Verweisungsnorm, logische Zusammenhänge mit dem materiellen Recht, Erklärungen für die juristische »Möglichkeit« der Anwendung ausländischen Rechts, Normzusammenhänge innerhalb des Kollisionsrechts (Qualifika­ tion, Vorfrage) und Systemzusammenhänge mit anderen internatio­ nal relevanten Normkomplexen (Völkerrecht, Einheitsrecht, öf­ fentliches Recht, Verfahrensrecht)468. Dies alles sind Themen für Juristen, die durch das Hinausblicken aus dem eigenen System unsi­ cher geworden sind und für das ungewohnte und prekäre Hantieren mit mehreren Rechtsordnungen eine gute Einführung in das Spe­ zialgerät brauchen, welches dafür entwickelt worden ist. In den 468 In der neuesten deutschen Literatur besonders ausführlich, aber in einer langen Tradition stehend, von Bar, IPR. Von Siehr, Scherz und Ernst 419 wird die »kollisionsrechtliche Hierarchiepsychose« ironisiert - die aber selbst nach klarer (Selbst-)Diagnose nur schwer heilbar zu sein scheint; siehe Keller/Siehr, IPR, wo von den insgesamt 634 Textseiten immerhin ein knappes Drittel solchen Fragen gewidmet ist.

Lehrwerken zum materiellen Recht sind Begriffs- und Strukturer­ klärungen dieses Ausmaßes bezeichnenderweise nicht zu finden. Die Betonung der fachlich-juristischen Anliegen in Lehre, Gesetz­ gebung und Praxis des internationalen Privatrechts ist zwar aus der Eigenart der Materie erklärbar, bedarf aber eines kräftigen Gegenak­ zents. Jede soziale Institution, auch das internationale Privatrecht, hat sich zu bewähren in dienender Funktion für Bedürfnisse, die außerhalb ihrer selbst vorhanden sind. Diese Funktion wird beein­ trächtigt in dem Maße, wie die Anliegen des Personals der Institu­ tion selbst, seien sie auch noch so fachlich-uneigennützig, sich in den Vordergrund schieben. Der notwendige Gegenakzent im interna­ tionalen Privatrecht ist eine konsequent realistische Interessenjuris­ prudenz. Sie muß nicht mißbilligen, daß bei der Schaffung und der Anwendung der Kollisionsnormen auch die juristischen Fachbe­ dürfnisse eine Rolle spielen. Auch bei internationalen Sachverhalten erwartet man von Juristen, daß sie ihre Entscheidungen lege artis finden und begründen können. Interessenjurisprudenz in der hier gemeinten Art kann aber verhindern, daß das Kollisionsrecht sich von den Interessen und Interessenten, denen es eigentlich dienen soll, selbständig macht und nur noch, gleichsam »selbstreferentiell«, Absicherungs- und Rechtfertigungsbedürfnisse der mit internatio­ nalen Sachverhalten befaßten Instanzen befriedigt. Die Gefahr der Loslösung von den Interessen der Beteiligten ist zum Teil schon in den Fragestellungen des traditionellen Verwei­ sungsrechts selbst angelegt. Die Vorstellung etwa, man habe es hier mit der Berufung, Abweisung und Koordination von Rechtsord­ nungen zu tun, mit der Frage, welche Rechtsordnung »den Fall regelt«469, und andererseits der Umstand, daß die Kollisionsnorm nur die Vorentscheidung über das anwendbare Recht, nicht die sachliche Entscheidung selbst trifft, begünstigt das Gefühl, daß die Interessen der Beteiligten auf dieser hohen Ebene und Vorstufe der Überlegungen noch nichts zu suchen haben, jedenfalls, gleich wie

469 So - repräsentativ - Kegel, Lausanner Kolloquium 272; Lüderitz, IPR 4 (»beherrscht«).

man entscheidet, noch nicht substantiell getroffen werden470. Dazu mag auch beitragen, daß das anwendbare Recht oft bestimmt wird nach hochabstrakten Kriterien (z. B. Staatsangehörigkeit, Wohn­ sitz, charakteristische Leistung, Handlungsort), die in der Regel nur eines der Elemente des Sachverhalts herausgreifen, welches zudem den Beteiligten für ihren Interessenkonflikt (z. B. Scheidung, Ver­ tragserfüllung, Unfallhaftung) in der Sache selbst nur selten wichtig sein wird. Jedenfalls in der deutschen Doktrin hat sich die Gefahr der Selbst­ gerechtigkeit des Kollisionsrechts schon verwirklicht. Die meisten Lehrbücher stellen das internationale Privatrecht dar als Antwort auf eine Juristenfrage (nach dem anwendbaren Recht)471, oder sie be­ tonen zwar, daß es bestimmten Interessen (der Allgemeinheit und der einzelnen) zu dienen habe; diese werden aber, soweit es um die an den Rechtsverhältnissen Beteiligten geht, außerhalb des Ver­ tragsrechts im allgemeinen nur als die von Gesetzgebung und Wis­ senschaft vermuteten, nicht als die konkret vorhandenen und tat­ sächlich geäußerten Anwendungsinteressen anerkannt472. Hinzu kommt, daß nach herrschender Auffassung die Kollisionsnormen immer noch von Amts wegen anzuwenden sind, auch wenn die Beteiligten selbst äußern, daß sie daran kein Interesse haben473. Die Kombination dieser Faktoren setzt, sobald die Frage des anwendba­ ren Rechts aufgeworfen ist, besonders in familienrechtlichen Sachen einen Selbstlauf des Behörden-, Gerichts- und Gutachtersystems in Gang, den die Beteiligten, auch wenn sie es wollten, nicht mehr

470 Siehe die Bemerkung von Kegel, Lausanner Kolloquium 272, wörtlich wie­ dergegeben oben in N. 460. Erhellend auch die Feststellung von Neuhaus/Krop­ holler 753: Mit dem IPR ist es zwar, weil die Praxis es nicht befolgt oder es mißhandelt, ein »Elend«, aber die »gesetzwidrigen Entscheidungen besonders der unteren Gerichte (sind) im praktischen Ergebnis vielfach oder sogar überwiegend durchaus erträglich«. 471 Siehe z. B. Firsching, IPR (Vorwort zur 1. Aufl.) und von Bar, IPR 1 f. 472 So Kegel, IPR 82ff; Neuhaus, Grundbegriffe 110f., 166f.; Lüderitz, IPR 48; ders., Parteiinteresse 40; kritisch dazu oben nach N. 277. Eine Ausnahme jedenfalls in der Tendenz - ist Raape/Sturm 10 und öfter. 473 Jüngst wieder bekräftigt durch Kegel, IPR 313 f.; von Bar, IPR 472 f.; Lüde­ ritz, IPR 89. Die Gegenauffassung (»fakultatives Kollisionsrecht«) wird oben bei N. 379 ff. dargestellt und zusätzlich begründet.

anhalten können - der massenhaften deutschen IPR-Praxis ist dies schon oft, aber bisher erfolglos, vorgehalten worden474. Gelegentlich muß dann daran erinnert werden, daß das internatio­ nale Privatrecht »menschlich« zu sein habe475, seine Regeln - das ist auch die hier vertretene Auffassung - in dienender Funktion zu sehen seien476. Auf welchem Gebiet des materiellen Privatrechts wären solche Ermahnungen heute noch nötig? Gegen die Gefahr, die Beteiligten an internationalen Privat­ rechtsbeziehungen zum Objekt des IPR-Betriebs zu machen, schützt eine auf Realismus bedachte Interessenjurisprudenz. Sie macht die dienende Funktion des internationalen Privatrechts be­ wußt und ermöglicht die Wiederanbindung auch des komplizierte­ sten kollisionsrechtlichen Gedankengangs an die reale, außerhalb desjuristenanliegens bestehende Bedürfnislage. Vor allem sorgt erst sie dafür, daß im internationalen Privatrecht nicht anders als im Privatrecht gedacht wird. Die allgemein anerkannten Kriterien pri­ vatrechtlicher Vernünftigkeit verlieren nicht dadurch an Wert, daß im internationalen Fall zwischen mehreren Privatrechten gewählt werden muß.

474 Simitis, Entscheidungsfindung 6ff.; Pfister, Besprechung von Gutachten zum ausländischen und internationalen Privatrecht: StAZ 1983, 331-332. Die Betei­ ligten nicht der IPR-Praxis ohnmächtig ausgeliefert sein zu lassen, wäre das vor­ dringliche Ziel eines bloß fakultativen Kollisionsrechts, dazu oben bei N. 379ff. 475 Raape/Sturm 10. 476 Neuhaus, Abschied von Savigny 19 f. (unter Hinweis auf Savigny), ohne dies aber für die konkreten Beteiligten akzeptieren zu mögen.

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Hohloch, Das Deliktsstatut - Grundlagen und Grundlinien des internationalen Deliktsrechts (Frankfurt 1984) - Erste Erfahrungen mit der Neuregelung des Internationalen Privatrechts in der Bundesrepublik Deutschland: JuS 1989, 81-90 Interessenjurisprudenz, hrsg. von Ellscheid/Hassemer (Darmstadt 1974) Jayme, Grundrecht der Eheschließungsfreiheit und Wiederheirat geschiedener Aus­ länder: RabelsZ 36 (1972) 19-26 - Zur Krise des »Governmental Interest Approach«, in: Internationales Privatrecht und Rechts Vergleichung im Ausgang des 20. Jahrhunderts - Bewahrung oder Wende?, Festschrift für Gerhard Kegel, hrsg. von Lüderitz/Schröder (Frank­ furt 1977) 359-366 - Zur Neubestimmung des Scheidungsstatuts für gemischtnationale Ausländer­ ehen: IPRax 1983, 221-223 - Internationales Familienrecht heute, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freien­ fels, hrsg. von Dieckmann/Frank/Hanisch/Simitis (Baden-Baden 1986) 341-375 Jessurun d’Oliveira, De sluipweg van de partijwil, in: Partij-invloed in het inter­ nationaal privaatrecht, hrsg. vom Centrum voor buitenlands recht en internatio­ naal privaatrecht, Universiteit van Amsterdam (Deventer 1974) 5-21 Joerges, Zum Funktionswandel des Kollisionsrechts - Die »Governmental Interest Analysis« und die »Krise des Internationalen Privatrechts« (Berlin, Tübingen 1971) - Die klassische Konzeption des Internationalen Privatrechts und das Recht des unlauteren Wettbewerbs: RabelsZ 36 (1972) 421-491 - Besprechung von Egon Lorenz, Zur Struktur des internationalen Privatrechts (1977): AcP 178 (1978) 572-578 Juenger, Zum Wandel des Internationalen Privatrechts (Karlsruhe 1974) - General Course on Private International Law: Rec. des Cours 193 (1985-1V) 119-388 - The German Constitutional Court and the Conflict of Laws: AmJ.Comp.L. 20 (1972) 290-298 - Möglichkeiten einer Neuorientierung des internationalen Privatrechts: NJW 1973, 1521-1526 - Der Kampf ums Forum - Forum Shopping: RabelsZ 46 (1982) 708-716 - American and European Conflicts Law: AmJ.Comp.L. 30 (1982) 117-133 - Conflict of Laws - A Critique of Interest Analysis: AmJ.Comp.L. 32 (1984) 1-50 - Forum Shopping, Domestic and International: Tul.L.Rev. 63 (1989) 553-574 Kahn-Freund, General Problems of Private International Law, in: Rec. des Cours (1974-III) 137-474 Kartzke, Renvoi und Sinn der Verweisung: IPRax 1988, 8-13 Kay, The Use of Comparative Impairment to Resolve True Conflicts - An Eva­ luation of the California Experience: Calif.L.Rev. 68 (1980) 577-617 Kegel, Internationales Privatrecht6 (München 1987) - Internationales Privatrecht5 (München 1985)

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- Einheitsrecht als Ersatzrecht - Zur Frage der Nichtermittelbarkeit fremden Rechts: NJW 1983, 1943-1948 KROPHOLLER, Internationales Einheitsrecht - Allgemeine Lehren (Tübingen 1975) - Gleichberechtigung durch Richterrecht (Bielefeld 1975) - Internationale Zuständigkeit, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrens­ rechts I (Tübingen 1982) 197-533 - Vom Staatsangehörigkeits- zum Aufenthaltsprinzip: JZ 1972, 16-17 - Das Unbehagen am forum shopping, in: Festschrift für Karl Firsching zum 70. Geburtstag, hrsg. von Henrich/von Hoffmann (München 1985) 165-173 Kühne, Die Parteiautonomie im internationalen Erbrecht (Bielefeld 1973) - IPR-Gesetzentwurf - Entwurf eines Gesetzes zur Reform des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Heidelberg, Karlsruhe 1980) - Internationales Privatrecht im Ausgang des 20. Jahrhunderts: RabelsZ 43 (1979) 290-314 - Welche rechtlichen Vorkehrungen empfehlen sich, um die Rechtsstellung von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland angemessen zu gestalten? (Teil­ gutachten Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht), Gutachten C für den 53. Deutschenjuristentag, in: Verhandlungen des 53. Deutschenjuristentages, hrsg. von der Ständigen Deputation des Deutschenjuristentages, I (Gutachten) (Mün­ chen 1980) S. C 1-C 94 - Die außerschuldvertragliche Parteiautonomie im neuen Internationalen Privat­ recht: IPRax 1987, 69-74 - Der Anwendungsbereich des Renvoi im Lichte der Entwicklung des IPR, in: Festschrift für Murad Ferid zum 80. Geburtstag, hrsg. von HELDRICH/SONNENberger (Frankfurt 1988) 251-267 Lagarde, Le principe de proximite dans le droit international prive contemporain, in: Rec. des Cours 196 (1986-1) 9-238 Lalive, Tendances et methodes en droit international prive (Cours general): Rec. des Cours 155 (1977-11) 1-424 Lando, Contracts, in: International Encyclopedia of Comparative Law III (Private International Law) ch. 24 (Tübingen, The Hague, Paris 1976) - New American Choice-of-Law Principles and the European Conflict ofLaws of Contracts: AmJ.Comp.L. 30 (1982) 21-35 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft5 (Berlin 1983) Leflar, American Conflicts Law (Indianapolis, Kansas City, New York 1968) Leflar/McDougal/Felix, American Conflicts Law4 (Charlottesville 1986) Lewald, Hans, La theorie du renvoi, in: Rec. des Cours 29 (1929IV) 515-616 - Regles generales des conflits de lois, in: Rec. des Cours 69 (1939III) 1-147 Lipstein, Principles of the Conflict of Laws - National and International (The Hague, Boston, London 1981) = geringfügig ergänzte Sonderausgabe von: Rec. des Cours 135 (1972-1) 97-230 Lorenz, Egon, Zur Struktur des Internationalen Privatrechts, ein Beitrag zur Re­ formdiskussion (Berlin 1977) - Die Reform des deutschen IPR - Bemerkungen zu ihren Grundlagen: ZRP 1982, 148-156

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- Interessenabwägung im Kollisionsrecht - Zu Brainerd Curries »governmental interest analysis«: ZSR 105 (1986) 101-119 Schröder, Jochen, Internationale Zuständigkeit (Opladen 1971) Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht - Zu Struktur, Standort und Methode des internationalen Privatrechts (Berlin 1981) Schwerdtfeger, Welche rechtlichen Vorkehrungen empfehlen sich, um die Rechts­ stellung von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland angemessen zu gestalten? (Teilgutachten Ausländerintegration), Gutachten A für den 53. Deut­ schenjuristentag, in: Verhandlungen des 53. Deutschenjuristentages, I (Gutach­ ten) (München 1980) S. A 1-A 136. Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts (Wien 1982) - Zum aktuellen Reformstand im internationalen Familienrecht, Die Vorschläge des deutschen Referentenentwurfes 1981: StAZ 1983, 57-65 - Worum geht es bei der geplanten Neukodifikation des IPR?: JuS 1984, 14-18 Scoles/Hay, Conflict ofLaws (St. Paul 1982) Shapira, The Interest Approach to Choice ofLaw (The Hague 1970) Siehr, Grundrecht der Eheschließungsfreiheit und IPR - Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom ordre public: RabelsZ 36 (1972) 93-115 - Scherz und Ernst im Internationalen Privatrecht - Gedanken zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Kollisionsrechts, in: Festschrift für Imre Zajtay, hrsg. von Graveson/Kreuzer/Tunc/Zweigert (Tübingen 1982) 409-437 - Domestic Relations in Europe - European Equivalents to American Evolutions: AmJ.Comp.L. 30 (1982) 37-71 - »Forum Shopping« im internationalen Rechtsverkehr: ZRvgl. 25 (1984) 124-144 - Die lex-fori-Lehre heute, in: A. Ehrenzweig und das internationale Privatrecht, hrsg. von Serick/Niederländer/Jayme (Heidelberg 1986) 35-136 - Ausländische Eingriffsnormen im inländischen Wirtschaftskollisionsrecht: Ra­ belsZ 52 (1988) 41-103 Simitis, Anmerkung zu BGH 17. 9. 1968: StAZ 1969, 12-16 - Zur Namensführung der verheirateten Frau im internationalen Eherecht: StAZ 1971, 33-37 - Zur Vaterschaftsfeststellung bei Ausländem: StAZ 1973, 177-181 - Zur Reform des internationalen Eheschließungsrechts: StAZ 1975, 237-247 - Über die Entscheidungsfindung im internationalen Privatrecht: StAZ 1976, 6-15 Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Kohlhammer-Kommentar, neu hrsg. von Sie­ bert, VIII11: Einführungsgesetz, red. von Kegel (Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1984) Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1955, Herausgeber: Sta­ tistisches Bundesamt (Stuttgart, Köln 1955) - 1987 für die Bundesrepublik Deutschland, Herausgeber: Statistisches Bundesamt (Stuttgart, Mainz 1987) Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch - Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Teil 4a: Haager Kindschaftsrecht; Art. 18 und 19, erläutert von Henrich/Kropholler, 10./II. Aufl. (Berlin 1979)

- Internationales Eherecht (Art. 13-17), erläutert von Chr. von Bar, 12. Aufl. (Berlin 1983) - Einleitung zu Art. 7u. a., erläutert von Beitzke u. a., 12. Aufl. (Berlin 1984) - Internationales Sachenrecht, erläutert von Stoll, 12. Aufl. (Berlin 1985) Studien und Texte zur Theorie und Methodologie des Rechts II, red. von DUBIschar (Bad Homburg, Berlin, Zürich 1968) Sturm, Zur Gleichberechtigung im deutschen internationalen Privatrecht, in: Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung, Festschrift zum fünfzigjähri­ gen Bestehen des Instituts für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg, hrsg. von Wahl/Serick/Niederländer (Heidelberg 1967) 155-178 - Durchbruch der Grundrechte in Fällen mit Auslandsberührung - Ein umwälzen­ der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts: FamRZ 1972, 16-22 - Scheidung und Wiederheirat von Spaniern in der Bundesrepublik - Zum Be­ schluß des Bundesgerichtshofs vom 19. 4. 1972: RabelsZ 37 (1973) 61-79 - Fakultatives Kollisionsrecht - Notwendigkeit und Grenzen, in: Festschrift für Konrad Zweigert zum 70. Geburtstag, hrsg. von Bernstein/Drobnig/Kötz (Tübingen 1981) 329-351 - Parteiautonomie als bestimmender Faktor im internationalen Familien- und Erb­ recht, in: Recht und Rechtserkenntnis, Festschrift für Ernst Wolf zum 70. Ge­ burtstag, hrsg. von Bickel/Hadding/Jahnke/Lüke (Köln, Berlin, Bonn, Mün­ chen 1985) 637-658 Thesen zur Reform des internationalen Privat- und Verfahrensrechts, im Institut bearbeitet von Basedow u. a., unter Federführung von Dopffel/Siehr: RabelsZ 44 (1980) 344-366. Thümmel, Das internationale Privatrecht der nichtehelichen Kindschaft - Eine rechtsvergleichende Untersuchung (Berlin 1983) Twerski, Neumeier v. Kuehner: Where are the Emperor’s Clothes?: Hofstra L.Rev. 1 (1973) 93-182 Vitta, II principio dell' uguaglianza tra »lex fori« e diritto straniero: Riv.trim.dir. proc.civ. 18 (1964) 1578-1665 - La »lex fori« nei conflitti di leggi: Dir. int. 19641301-323 - The Impact in Europe of the American »Conflicts Revolution«: AmJ.Comp.L. 30(1982) 1-18 Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Eherechts, vorgelegt im Auftrag der Eherechtskommision des deutschen Rates für interna­ tionales Privatrecht von Wolfgang Lauterbach (Berlin, Tübingen 1962) - zur Reform des deutschen internationalen Erbrechts, vorgelegt im Auftrag der Erbrechtskommission des Deutschen Rates für internationales Privatrecht von Wolfgang Lauterbach (Berlin, Tübingen 1969) - zur Reform des deutschen internationalen Kindschafts-, Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts, vorgelegt im Auftrag der Familienrechtskommission des Deutschen Rates für internationales Privatrecht von Wolfgang Lauterbach (Berlin, Tübingen 1966) - zur Reform des deutschen internationalen Personen- und Sachenrechts, vorgelegt

im Auftrag der Zweiten Kommission des Deutschen Rates für internationales Privatrecht von Wolfgang Lauterbach (Tübingen 1972) - zur Reform des deutschen internationalen Personen-, Familien- und Erbrechts, vorgelegt im Auftrag der Ersten Kommission des Deutschen Rates für internatio­ nales Privatrecht von Günther Beitzke (Tübingen 1981) - zur Reform des deutschen internationalen Privatrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse, vorgelegt im Auftrag der Zweiten Kommission des Deut­ schen Rates für internationales Privatrecht von Ernst von Caemmerer (Tübingen 1983) Wasserstein-Fassberg, The Forum - Its Role and Significance in Choice ofLaw: ZvglRWiss. 84 (1985) 1-44 Weintraub, Commentary on the Conflict ofLaws3 (Mineola 1986) Wengler, Internationales Privatrecht (Berlin 1981), Sonderausgabe von: Das Bür­ gerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Kommentar, hrsg. von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, VI1/2 (Berlin, New York 1981) - General Principles of Private International Law, in: Rec. des Cours 104 (1961-III) 273-374 Wengler/Kohler, Das Vaterschaftsanerkenntnis des Islamrechts in der neueren Rechtsprechung: StAZ 1978, 173-179 Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsbücher (Karlsruhe 1953) Wiethölter, Einseitige Kollisionsnormen als Grundlage des Internationalen Privat­ rechts (Berlin 1956) - Internationales Nachlaßverfahrensrecht, in: Vorschläge und Gutachten zur Re­ form des deutschen internationalen Erbrechts (siehe dort) 141-184 - Begriffs- oder Interessenjurisprudenz - falsche Fronten im IPR und Wirtschafts­ verfassungsrecht, in: Internationales Privatrecht und Rechts Vergleichung im Aus­ gang des 20. Jahrhunderts - Bewahrung oder Wende?, Festschrift für Gerhard Kegel, hrsg. von Lüderitz/Schröder (Frankfurt 1977) 213-263 Wolff, Martin, Das internationale Privatrecht Deutschlands3 (Berlin, Göttingen, Heidelberg 1954) Zöllner, Zivilrechtswissenschaft und Zivilrecht im ausgehenden 20. Jahrhundert: AcP 188 (1988) 85-100 - Die politische Rolle des Privatrechts: JuS 1988, 329-336 Zur Verbesserung der deutschen Zivilrechtsprechung in internationalen Sachen, Denkschrift vom 26. August 1970: RabelsZ 35 (1971) 323-331 Zweigert, Internationales Privatrecht und öffentliches Recht, in: Fünfzig Jahre Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel (Hamburg 1965) 124-141 - Besprechung von Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungs­ rechtsnorm (1965): RabelsZ 31 (1967) 366-369 - Zur Armut des internationalen Privatrechts an sozialen Werten: RabelsZ 37 (1973) 435-452 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechts Vergleichung auf dem Gebiete des Privat­ rechts2, I: Grundlagen, II: Institutionen (Tübingen 1984)

Sachverzeichnis Abstraktheit der Kollisionsnorm 84, 92 ff., 98,103,122,133,140,146 affirmative Theorie 15 Aktionendenken 96,102 Allseitigkeit 67 ff., 73 f. Alternativanknüpfungen 81 - Begünstigungseffekt 82 - Schwebeeffekt 82 amerikanische Interessenlehre, siehe Inter­ essenlehre, amerikanische Anbau an die unvollkommene Kollisions­ norm 94 ff., 123,133 Anerkennung der Eheschließung 138 Anknüpfung - als Aufgabe des IPR 48 f. - alternative 81 - an den Aufenthalt, siehe Aufenthaltsprin­ zip - an die Staatsangehörigkeit, siehe Staats­ angehörigkeitsprinzip - in Stufen 41 - objektive - und Parteiautonomie 103 f. - Spaltung der-in der Schweiz 77f. Anknüpfungs verlegenheit des Kollisions­ rechts 102 Anschauungslücke 24 Anwendungsinteresse 5 ff., 9 ff., 13, 60 f., 71 f., 73, 72£, 92f., 108f, 113 ff., 117f., 130 ff. Aufenthaltsprinzip - und Gesetzesreform 23 f., 39 f. - und verfassungswidrige Anknüpfung 18 Aufgaben des IPR 48, 52 Ausbau einseitiger Kollisionsnormen zu al Iseitigen 69, 76 Ausländer im Inland 32 ff., 39, 72 - Aufenthaltsdauer 33 - Massen- und Dauerphänomen 40

Batiffol, Henri 98, 101 besseres Recht, Lehre vom 84 f.

Bewertung von Rechtsordnungen, siehe auch besseres Recht und Qualität 90 f. Bucher, Eugen 83 N. 249,96,101 f. N. 315-317 comity 131 Currie, Brainerd 2, 5 ff., 11, 44, 47, 52, 60, 69, 91,113,116

Dal Bosco-Fall 31 DDR, Funktion des Zivilrechts 62 f. denkender Gehorsam 35, 37,140 Desinteresse von Rechtsordnungen 130 Deutsche, Rechtsanwendung nur für - 75 Deutscher Rat für IPR 37 f. disinterested state 7 Doppelehe aus spanischer Sicht 27 ff. Durchstaatlichung des Privatrechts 61

Ehescheidung 20 f., 88 - Nichtanerkennung einer deutschen 26 Eheschließung - Anerkennung 138 - Recht auf-28 ff. - Voraussetzungen 27 Eheschließungsinteresse 28 ff. Eheverhinderungsinteresse 29 Ehewirkungsstatut 68 Ehrenzweig, Albert 6,113,115 Eingriffsnormen 54, 62, 70 Einseitigkeit 67 ff., 76 engste Verbindung 13, 78 Entscheidungseinklang 114,131 f. Entwurf - der Hansestädte 74 ff. - Kühne-42 - Regierungs-42 f. Ersatzrecht 125 ff. Ersatzregeln für verfassungswidrige An­ knüpfungen 17 ff. Erwartungen zum anwendbaren Recht 86, 125

Fachbedürfnisse, juristische 145 fakultatives Kollisionsrecht 59,119 ff., 122 false conflict 7 Familieneinheit, Prinzip der - 41 Favor-Gedanke 81 Formstatut 81 forum shopping 104,132 Fremdrechtsanwendung 59 Funktionswandel des Privatrechts 61 f., 105 Gastarbeiter 32 ff. Geltung von Rechtsordnungen 81, 83 ff., 96ff., 99f., 101 f, 122,123N. 393 Gerechtigkeit 78 - internationalprivatrechtliche 13, 79 f. - übernationale-und lex fori 116 Gerichtsstandvereinbarungen 104 Gerichtsstände - konkurrierende 82 - Mehrzahl von - 103 Geschichte des deutschen IPR 73 ff. Gesetzeslücke und Interessenjurisprudenz 23 Gesetzesreform 36 f. - Feststellung der Interessen 38 f. Gesetzgebung und Interessenjurisprudenz 37 f. Gleichberechtigung - Beitrag der Interessenjurisprudenz 15 ff. - von Mann und Frau 15 ff. - von Rechtsordnungen 73,115 Gleichheitsgebot - kollisionsrechtliche Verarbeitung des 19 - Vollzug des - durch IPR 63 ff. Gleichheitsgedanke - aliud zur Interessenjurisprudenz 65 - Parteiautonomie 64 f. Gleichheitsinteresse 64 - der Frau 18, 22 Gleichheitsinteressenten 64, 65 governmental interests 5 f., 7 f. Grundgesetz 15 f. Grundrechte - Durchbruch der - 30 - Grundrechte und kollisionsrechtliche Anknüpfungen 26 Gruppenrecht 34 Günstigkeitsprinzip 81, 83

Heck, Philipp22f., 24,37,140

Heimatrecht, siehe auch Personalstatut - gegenläufige Interessen 44 - vermutete Verbundenheit mit dem16f.,43, 95,133,135 - Verweisung auf - als Ausgangspunkt 76 Heimwärtsstreben 117 hinkende Ehen, Interesse an der Vermei­ dung - 27 Inländer im Ausland als typische Interessen­ ten 39 Institutionenschutz 28 Interesse - an Allseitigkeit 72 - an Anwendbarkeit von Scheidungsfol­ genrecht 58 - an Rechtssicherheit 45 - an Valutierung deutscher Urteile 27 - an Vermeidung hinkender Ehen 28 f. - der Allgemeinheit 54, 91 f., 118,122,134, 135 ff. - der Ausländer im Ausland 72 - der Ausländer im Inland 72, 75 - der Deutschen im Ausland 71, 75 - der Deutschen im Inland 71, 75 - der Eheschließenden 27 - der Frau an Versorgungsausgleich 89 - der In- und Ausländer am Personalstatut 71 f. - der Parteien an der Anwendung der lex fori 119,123,134,137 - der Parteien an der Eheschließung 27 - der Rechtsordnungen 73,115, 130 - der Richter 117 - des Staates 9 f. - des Vaters bei der Legitimation 128 - dritter Personen bei Parteiautonomie 109 - Gemein-8 - Gleichheits - der Frau 18, 22 - Partei-27, 46, 99,119,123,134,136f. - Spaniens an der Bindung an kirchliches Recht 28 Interessenberücksichtigung, nachholende 94 Interessengegensatz zwischen Parteien und Gesetzgeber 46 Interessen, siehe auch Rechtsanwendungs­ interessen - Abwägung 44 - an lex fori-An Wendung 117 ff., 120 ff., 134

Anwendung von Heimatrecht 43 £ bei der Rückverweisung 135 ff. Bewertung 39, 80, 85 der konkreten Beteiligten, siehe auch In­ teresse, Partei-57, 118 - Dritt-bei Wahl der lexfori 111 - familien- und erbrechtliche bei Wahl der lex fori 111 - Feststellung, Bewertung, Abwägung 19, 21,27f£, 35,38£, 53f£, 67, 79,128£ - Gegen- bei Rechts wähl im Familien- und Erbrecht 108f. - gegenwärtige reale 57 - internationalprivatrechtliche 13 ff., 16£, 55ff., 79, 92 - öffentliche, siehe Interesse der Allge­ meinheit - öffentliche und Parteiautonomie 108 f. - Ordnungs-45, 66, 91,122 - Parteiautonomie 97 ff. - private und öffentliche 10 - Verkehrsinteressen 45 - Wirklichkeit der -, siehe Realismus - zukünftige vermutete 57 - Interessenjurisprudenz - Programm 19, 23, 24f£,34f£, 37f. - unter verfassungsrechtlichen Vorzeichen 29 Interessenlehre, amerikanisches, 9ff. Interessenorientierung im IPR 31 Interessenrealismus, siehe auch Realismus 47, 52ff., 79 Interessenschwund 92 Interessent, Gemeinwesen als - 61 Interessenten 60 ff. - Benennbarkeit 66 - Richter, Rechtsberater und Wissenschaft 91 Interessen Wertung, ergänzende 94 ff., 123 interest analysis, siehe Interessenlehre, amerikanische Internationalität - als Juristenproblem 144 - Interessenlage bei-82 £, 100,103,107, 123N. 393,140f. - von Sachverhalten 49, 64, 82,100,103 £, 107,123 N. 393,140,144 interpersonales Privatrecht 34 IPR - als Kompetenzordnung 48 - als Privatrecht 47 £, 51, 99,142,147 -

als Sozialordnung 49, 82 als Zuteilungsordnung49, 64£, 81,122, 128,144 IPR-Gerechtigkeit, siehe Gerechtigkeit, in­ ternationalprivatrechtliche

-

Joerges, Christian 61,105 N. 328,106 N. 331 Kahn-Freund, Otto 119 Kegel, Gerhard 1 ff., 13 ff, 16,19, 23,29, 36 f., 38 f., 40, 45 ff., 47, 52 ff., 66, 69,77, 80, 98,110 Kegelsche Leiter 41 Kollisionsnorm - abstrakte 92 f. - unvollständige 94 Kollisionsnormen - allseitige 67 ff. - Ausbau zu allseitigen Normen 68 f., 76 - einseitige 67 ff. Kollisionsrecht - fakultatives -, siehe fakultatives Kolli­ sionsrecht - objektives - und Parteiautonomie 101, 103 f. - Selbstgerechtigkeit des -146 Konsens der Beteiligten, siehe auch Partei­ autonomie 28 Koordination von Rechtsordnungen 81 Kühne, Gunther36,42, 98,100,102£, 108 - Entwurf eines IPR-Gesetzes 42 Legitimation 127 lexfori 113 £ - als Ersatzrecht 125 £ - als Grundregel 113,115 - Anwendungsinteresse der - 5 - im amerikanischen Kollisionsrecht 113 £ - Interessen an der Anwendung der 117f£,120£,124£,135f£ - kontinentaleuropäische Theorie 114 - übernationale Gerechtigkeit 116 - und Rückverweisung 134 ff. - Vertrauensschutz 125 - Wahl der-111 ff. Lorenz, Egon 63, 65, 98 Lüderitz, Alexander 14

Massenhafte Anwendung des deutschen IPR 33 ff.

Raape, Leo 137 Realismus - Aus Wirkungen 67 - bei einseitigen und allseitigen Kollisions­ normen 69 f. - bei Normbildung und Normanwendung 57 ff. Neutralität des IPR 16,17 - Grundsatz 53, 56 Normanwendung - imIPR47,141 ff, 145,147 - im anhängigen Verfahren 58 f. - und amerikanische Interessenlehre 8 f. - und besseres Recht 86 - und Anbau an die Kollisionsnorm 96 normative Betrachtung von Privat­ - und besseres Recht 85 f. rechtsverhältnissen 96 - und Fiktionen 66 Normativität, objektive 83 - und Interesse von Rechtsordnungen 115 Normbildung - und Interessen 54 ff. - Lehre vom besseren Recht 85 f. - und Normanwendung, Differenzierung - und Interessen der Rechtsanwender 143f.,145 57 - und Interessenten 60 f., 62 - und Internationaliät 63 f., 144 Ordnungsinteresse 91 Ordnungscharakter des internationalen Pri­ - undIPR-Gerechtigkeit79f. - und Parteiautonomie 99 f. vatrechts 16f. - und politische Schule des IPR 62,105 f. - und Renvoi 130,135,137,138 Parteiautonomie 46, 97 ff, 103 ff. - und Vertrauensschutz 125 - als Verlegenheitslösung 46 realistische Interessenjurisprudenz, siehe - blinde Rechts wähl 110 Realismus - Entwicklung aus Interessenlehre 99 Recht auf Eheschließung, siehe Eheschlie­ - im internationalen Familien- und Erb­ ßung recht 107 ff. Rechtsanwendungsinteressen, siehe auch - im Sachenrecht 112 Interessen - Prozeß verhalten der Parteien 121 f. - Schutz der Schwachen und Unerfahrenen - der beteiligten Staaten 7 - der Frau 17 109 f. - sachrechtlich motivierte 55 - Schweigen der Parteien 121 Rechtsanwendungskonkurrenz 9,142,144, - subjektives Gestaltungsrecht 101 145 - und obj ektive Anknüpfung 103 f., 112 Rechtsetzung 37 - und öffentliche Interessen 108 Rechts Vielfalt, siehe Pluralität von Recht - Wahl der lex fori 111,124 f. Rechtswahl, siehe auch Parteiautonomie - Willensmängel 109 - um der Qualität des Rechtes willen 86 Parteiwille, siehe Parteiautonomie Rechtswahlfreiheit, siehe Parteiautonomie Personalstatut bei In- und Ausländern, sie­ Rechts Wahlklauseln 55 he auch Heimatrecht 71, 76 f. Rechtszwecke 12 Pluralität von Recht 50 f., 82,100 - Ermittlung von - 8 policies, siehe Rechtszwecke Regelbildung 6 Politische Schule des IPR 61, 63,105,106 f. Regierungsentwurf42 f. Praxis juristische und IPR 141 f. Relativität der Anknüpfung 132 Renationalisierung von Rechtsfragen 51 Qualität renvoi, siehe Rückverweisung - der Rechtsanwendung 59 Respektierung ausländischer Standpunkte - der Rechtsordnungen 85, 87 28 quantitative Bedeutung des IPR 43 Richter, Aufklärungspflicht 121 f.

materielle Rechtssätze, internationale Reichweite 9 Menschlichkeit des IPR147 Mincke, Wolfgang 101 Müller-Graff, Peter-Christian 119

rückständiges Recht 88 Rückverweisung 129 ff. - comityl31 - Desinteresse von Rechtsordnungen 130 - lex fori 134 - Relativität der Anknüpfung 132 - Schweiz 138 - versteckte-132,137 - Wertungsanbau 133

Steuerungsfunktion des Privatrechts 105 Trennung von Staat und Gesellschaft 61, 106

Überangebot von Recht 50,143 Unbestimmtheit des maßgebenden Rechts 84 Vaterschaftsanerkenntnis 127 Verbot - der Doppelehe, siehe Doppelehe Savigny, Friedrich Karl von 68, 73,114 Scheidung, siehe Ehescheidung - der Erfindung von Interessen 53 - der Interessenleugnung 53 Schurig, Klaus 92,123f. Schutz der Schwachen und Unerfahrenen Verbotsgesetze 54 verfassungskonformer Restbestand 20, 89 bei Parteiautonomie 109 ff. Schwebezustand 84 Verfassungsrecht 30 Schweigen der Parteien 121 verfassungswidriges Kollisionsrecht 15 ff., Schweiz 31,77 f., 137 88 ff. - Kodifikation des IPR 139 Verknüpfung, siehe auch Anknüpfung - Rückverweisung 139 - heterogene 63 - Spaltung der Anknüpfung in der - 77 - homogene 63 Versorgungsausgleich 88,94f. Segregation 34 Vertrag, objektive Anknüpfung 103 selbstgerechte Sachnorm 69 Selbstgerechtigkeit des Kollisionsrechts 146 Vertragsrecht, internationales 98 f. Vertrauen Sieveking, Emst Friedrich 74 Sonderanknüpfung, siehe zwingendes - und lex fori 125 Recht - von Beteiligten 94 Sozialbeziehungen, Internationalität von Verweisungsnorm, siehe Kollisionsnorm 49 Sozialversicherung 89 f. Weiterentwicklung der Interessenjurispru­ Spanien 28, 88 denz 52 f. Weiterver Weisung 137f. Spanier-Entscheidung26ff., 56, 87 Staatsangehörigkeit des Mannes, Anknüp­ Wengler, Wilhelm 63, 65 fung an die -17 Wertungsanbau, siehe Anbau Staatsangehörigkeitsprinzip Wertungsjurisprudenz 25,140 Wiederheirat nach Inlandsscheidung 30 - als Strukturelement 89 - Ausländer im Inland 33 ff. Wiethölter, Rudolf61,106 N. 331 - Gesetzesreform 40 f. Willensmängel bei Parteiautonomie 109f. Wirklichkeit der Interessen, siehe Realis­ - Rückverweisung 133 - verfassungswidrige Anknüpfung 19f. mus - Vorstellungen des historischen Gesetzge­ bers 24 zwingendes Recht 54, 62, 69ff., 105,108ff. Zwischenprivatrecht 34 state policy 7 statistische Erhebungen, Fehlen von - bei der Gesetzesreform 38

Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht Alphabetisches Verzeichnis Assfalg, Dieter: Die Behandlung von Treugut im Konkurse des Treuhänders. 1960. XII, 186 Seiten. Fadengeheftete Broschur. BtrIPR 28

Balz, Manfred: Eigentumsordnung und Technologiepolitik. 1980. XV, 461 Seiten. Leinen. BtrIPR 44 Basedow, Jürgen: Der Transportvertrag. 1987. XXIX, 602 Seiten. Leinen. BtrIPR 50

Engelmann, Fritz: Der Kampf gegen die Monopole in den USA. 1951. XVII, 198 Seiten. Fadengeheftete Broschur. BtrIPR 21 Ferid, Murad: Der Neubürger im internationalen Privatrecht. Teil 1. 1949. 113 Seiten. Fadengeheftete Broschur. BtrIPR 18 Ficker, Hans C.: Grundfragen des deutschen interlokalen Rechts. 1952. XVI, 174 Seiten. Fadengeheftete Broschur. BtrIPR 22 Flessner, Axel: Interessenjurisprudenz im internationalen Privatrecht. 1989. XI, 165 Seiten. BtrIPR 53 Flessner, Axel: Sanierung und Reorganisation. 1982. XVI, 345 Seiten. Leinen. BtrIPR 48

Flessner, Axel: Wegfall der Bereicherung. 1970. XIV, 185 Seiten. Leinen. BtrIPR 37

Gamillscheg, Franz: Der Einfluß Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts. 1955. X, 268 Seiten. Fadengeheftete Broschur. BtrIPR 25 Gamillscheg, Franz: Internationales Arbeitsrecht. 1959. XVI, 454 Seiten. Leinen. BtrIPR 27

Gessner, Volkmar: Recht und Konflikt. 1976. IX, 290 Seiten. Leinen. BtrIPR 40 Heldrich, Andreas: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht. 1969. XX, 279 Seiten. Broschur und Leinen. BtrIPR 36

Henrich, Dieter: Vorvertrag, Options vertrag, Vorrechts vertrag. 1965. XVI, 395 Seiten. Broschur. BtrIPR 32

Hierneis, Otto: Das besondere Erbrecht der sogenannten Foralrechtsgebiete Spaniens. 1966. XXXVI, 495 Seiten. Leinen. BtrIPR 33 Hippel, Eike von: Schadensausgleich bei Verkehrsunfällen. 1968. XVII, 139 Seiten. Fadengeheftete Broschur. BtrIPR 34 Hoffmann, Bernd von: Das Recht des Grundstückskaufs. 1982. XXII, 314 Seiten. Leinen. BtrIPR 47

Jellinek, Walter: Die zweiseitigen Staatsverträge über Anerkennung ausländischer Zivilurteile I/II. 1953. zus. XX, 397 Seiten. Broschur. BtrIPR 24 Joerges, Christian: Zum Funktionswandel des Kollisionsrechts. 1971. XVI, 186 Seiten. Leinen. BtrIPR 38 Kronke, Herbert: Stiftungstypus und Unternehmensträgerstiftung. 1988. XXVIII, 403 Seiten. Leinen. BtrIPR 52

Kropholler, Jan: Internationales Einheitsrecht. 1975. XVI, 386 Seiten. Leinen. BtrIPR 39

Loeber, Dietrich A.: Der hoheitlich gestaltete Vertrag. 1969. XX, 403 Seiten. Leinen. BtrIPR 35

Magnus, Ulrich: Schaden und Ersatz. 1987. XIV, 379 Seiten. Leinen. BtrIPR 51 Müller, Peter: Die Vorbehalte in Übereinkommen zur Privatrechtsvereinheit­ lichung. 1979. XII, 223 Seiten. Leinen. BtrIPR 45 Neuhaus, Paul H.: Ehe und Kindschaft in rechtsvergleichender Sicht. 1979. XI, 324 Seiten. Leinen. BtrIPR 43 Neuhaus, Paul H.: Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts. 21976. XV, 488 Seiten. Leinen. BtrIPR 30

Riezler, Erwin: Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht. 1949. VIII, 710 Seiten. Broschur. BtrIPR 20

Roth, Wulf Henning: Internationales Versicherungsvertragsrecht. 1985. XXIX, 817 Seiten. Leinen. BtrIPR 49 Samtleben, Jürgen: Internationales Privatrecht in Lateinamerika. Band 1: Allgemeiner Teil. 1979. XIX, 371 Seiten. Leinen. BtrIPR 42 Schlechtriem, Peter: Einheitliches UN-Kaufrecht. 1981. XIV, 167 Seiten. Leinen. BtrIPR 46

Serick, Rolf: Rechtsform und Realität Juristischer Personen. 21980. VIII, 244 Seiten. Leinen. BtrIPR 26 Stoll, Hans: Das Handeln auf eigene Gefahr. 1961. XIII, 400 Seiten. Broschur. BtrIPR 29

Wolff, Ernst: Vorkriegs Verträge in Friedens Verträgen. 1949. 196 Seiten. Fadengeheftete Broschur. BtrIPR 19

Zajtay, Imre: Zur Stellung des ausländischen Rechts im französischen internationalen Privatrecht. 1963. VIII, 219 Seiten. Leinen. BtrIPR 31 Zehetner, Franz: Geldwertklauseln im grenzüberschreitenden Wirtschafts­ verkehr. 1976. X, 161 Seiten. Leinen. BtrIPR 41 Das Gesamtverzeichnis „Recht" schickt Ihnen gern der Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Postfach 2040, D-7400 Tübingen.